Verkehrssteuern: Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer (Lehrbuch)

Kai M. Gellrich / Jörg Philippen Verkehrsteuern

Kai M. Gellrich / Jörg Philippen

Verkehrsteuern Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer

•

GABLER

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1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Andreas Funk Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2154-3

Vorwort

Gesetzesnovellen im Verkehrsteuerrecht reißen nicht ab, Detailregelungen nehmen zu und dann auch noch ein neues Lehrbuch? Genau deshalb! Gerade jetzt ist es umso wichtiger, den Überblick über die wesentlichen Strukturen eines Gesetzes zu bewahren. Dieses Lehrbuch verfolgt das Ziel, die grundlegende Systematik und das tragende Gefüge des Verkehrsteuerrechts (USt und GrESt) zu erläutern, um Sie in die Lage zu versetzen, auch komplexe Sachverhalte der Praxis systemisch lösen zu können. Die wesentlichen Prinzipien der Besteuerung werden Ihnen nahe gebracht und anhand vieler Beispiele anschaulich erläutert. Hierdurch kann schon während des Lesens unter Zuhilfenahme der Gesetzestexte (und Steuerrichtlinien) die "Technik" des Steuerrechts bzw. der Steuergesetzgebung und der darauf basierenden Problemlösung erlernt werden. Vor diesem Hintergrund richtet sich unser Lehrbuch in erster Linie an Leser, die sich mit dem Thema Steuern im Hinblick auf ihre berufliche Aus- und Fortbildung befassen (Studierende, angehende Steuerfachwirte/-angestellte, Bilanzbuchhalter sowie diejenigen, die einen Einstieg in die Vorbereitung zur Steuerberater-Prüfung suchen). Darüber hinaus sprechen wir aber auch den ambitionierten Einsteiger an, der sich einen Überblick über die komplexe Gesetzesmaterie verschaffen möchte, um anhand des vorliegenden Lehrbuchs die Untiefen des Verkehrsteuerrechts ausloten zu können. Der Auflage liegt die Rechtslage November 2010 zugrunde. Es werden damit die verabschiedeten Rechtsänderungen (u.a. JStG 2009, Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung, Wachstumsbeschleunigungsgesetz) bis hin zum "EU-Vorgaben-Umsetzungsgesetz" sowie aktuelle Rechtsprechung) berücksichtigt. Zudem ist der Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2010 eingearbeitet worden. Mit dem Lehrbuch "Ertragsteuern" von Dinkelbach liegt zudem ein ideales Komplementärwerk zu den Verkehrsteuern vor. Im Verbund schaffen beide Lehrbücher nicht nur eine systematisch kompakte Basis für Studierende der Steuerlehre ebenso wie für angehende Steuerfachwirte/-angestellte, Bilanzbuchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, sondern ermöglichen auch eine fundierte Prüfungsvorbereitung. Sollten Sie bei der Lektüre Anregungen oder Ergänzungswünsche entwickeln, teilen Sie uns diese bitte z.B. per E-Mail an [email protected] mit. Vielen Dank! Wir wünschen Ihnen Allen viel Spaß bei der Lektüre und viel Erfolg bei Ihren Prüfungen! Köln, im November 2010 Dr. Kai M. Gellrich, StB

Dr. Jörg Philippen 5

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

.5

Teil I - Umsatzsteuer

17

1

Einführung

19

1.1

Systematische Einordnung der Umsatzsteuer

19

1.2

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems

20

1.3

Rechtsgrundlagen der USt (Gesetz und EG-Richtlinie)

26

1.4

Aufbau des UStG und allgemeines Prüfungsschema

27

1.5

Vorgehensweise und Überblick über die steuerbaren Umsätze

29

2

Umsatzbesteuerung im Inland

30

2.1

Steuerbarkeit

30

2.1.1 Überblick: Steuerbare Umsätze und Tatbestandsmerkmale

30

2.1.2 Begriff der Leistung (Lieferung und sonstige Leistung)

31

2.1.2.1

Lieferungen

2.1.2.1.1 2.1.2.1.2 (a)

.32

Begriff und Gegenstand der Lieferung (Grundfall)

32

Besondere Arten der Lieferung

34

Fragen der persönlichen Zurechnung

34

i) Kommissionsgeschäft

35

ii) Agenturgeschäft (Echte und unechte Agentur)

37

(b)

Reihengeschäft

40

(c)

Rücklieferung. Rückgängigmachung, Rückgabe und Umtausch

41

2.1.2.2

Sonstige Leistungen

42

2.1.2.2.1

Abgrenzung zur Lieferung

.42

2.1.2.2.2

Fallgruppen sonstiger Leistungen

43

Abgrenzungsregeln bei gemischten Leistungen.

.45

2.1.2.3

7

Inhaltsverzeichnis

2.1.2.3.1

Werkvertrag (Werklieferung und Werkleistung)...49

2.1.2.3.2

Leistungsbeistellungen (Materialbeistellung/-gestellung)

50

Tausch und tauschähnliche Umsätze (§ 3 XII UStG)

50

Gehaltslieferung und Umtauschmüllerei (§ 3 V, § 3 X UStG)

52

2.1.2.3.5

Geschäftsveräußerungen im Ganzen

54

2.1.2.3.6

Teilleistungen

54

2.1.2.3.3 2.1.2.3.4

2.1.2.4

Übersicht: Leistungen

2.1.3 Entgeltliche Leistungen (Leistungsaustausch § 1 I Nr. 1 UStG)

56

2.1.3.1

Merkmale des Leistungsaustausch

56

2.1.3.2

Fehlender Leistungsaustausch

58

2.1.3.2.1

Erbschaft und Schenkungen

58

2.1.3.2.2

Schadenersatz

59

2.1.3.2.3

Mitglieder- und Gesellschafterbeiträge

60

2.1.3.2.4

Zuschüsse

63

2.1.3.2.5

Übersicht: Fehlender Leistungsaustausch

65

2.1.4 Unentgeltliche Leistungen (Leistungsaustausch kraft Entgeltfiktion)

65

2.1.4.1

Einführung und Problembeschreibung

65

2.1.4.2

Unentgeltliche Lieferungen (§ 3 Ib UStG)

67

2.1.4.2.1

Gegenstandsentnahme (§ 3 Ib Nr.1 UStG)

67

2.1.4.2.2

Sachzuwendungen an Personal (§ 3 Ib Nr. 2 UStG)

69

Andere unentgeltliche Zuwendungen eines Gegenstandes (§ 3 Ib Nr. 3 UStG)

70

2.1.4.2.3 2.1.4.3

8

55

Unentgeltliche (sonstige) Leistungen (§ 3 IXa UStG)

70

2.1.4.3.1

Gegenstandsverwendung (§ 3 IXa Nr. 1 UStG)

70

2.1.4.3.2

Unentgeltliche Leistungserbringung (§ 3 IXa Nr. 2 UStG)

73

Inhaltsverzeichnis

2.1.4.4

Übersicht: Unentgeltliche Leistungen

2.1.5 Unternehmer als Steuersubjekt 2.1.5.1

74

Unternehmerfähigkeit (Beginn/Ende der Untemehmerfähigkeit)

75

2.1.5.2

Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit

76

2.1.5.3

Selbständigkeit und umsatzsteuerliche Organschaft

78

2.1.5.4

Übersichten Unternehmereigenschaft

84

2.1.6 Rahmen des Unternehmens und Unternehmenseinheit

85

2.1.7 Ort und Zeitpunkt der Leistungen (im Inland)

89

2.1.7.1

Inlandsbegriff des Umsatzsteuergesetzes

90

2.1.7.2

Ort und Zeitpunkt der entgeltlichen Lieferung

91

2.1.7.2.1

Beförderungs- und Versendungslieferungen (§ 3 VI UStG)

91

Fehlende Beförderung oder Versendung (§ 3 VII UStG)

93

Reihengeschäft (§ 3 VI S. 5, 6 LV.m. § 3 VII S. 2 UStG)

93

2.1.7.2.4

Sonderfall: Ort der Werklieferung

99

2.1.7.2.5

Übersicht: Ort der Lieferung

2.1.7.2.2 2.1.7.2.3

2.1.7.3 2.1.7.4 2.2

74

100

Ort und Zeitpunkt der entgeltlichen sonstigen Leistungen

100

Ort und Zeitpunkt der unentgeltlichen Lieferungen und sonstigen Leistungen

103

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

104

2.2.1 Zweck und Wirkung der Steuerbefreiungen

104

2.2.2 Wirkung der Steuerbefreiungen und Optionsmöglichkeit gern. § 9 UStG

106

2.2.3 Übersicht: Steuerbefreiungen und Optionsmöglichkeit..

111

2.2.4 Steuerbefreiungen im Einzelnen

112

2.2.4.1

Exkurs: Umsatzsteuerlagerregelung

112

2.2.4.2

Steuerbefreite Umsätze des Geldund Kapitalverkehrs

116 9

Inhaltsverzeichnis

2.2.4.3

Grunderwerbsteuerbare Vorgänge

120

2.2.4.4

Vermietung und Verpachtung von Grundstücken

121

2.2.4.5

Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen

122

2.2.4.6

Steuerbefreiung für Forschungsleistungen der Hochschulen

122

Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 28 UStG

122

2.2.4.7 2.3

Bemessungsgrundlage

123

2.3.1 Bemessungsgrundlage bei entgeltlichen Leistungen

123

2.3.1.1

Begriff und Zusammensetzung des Entgelts

123

2.3.1.2

Tausch und tauschähnliche Umsätze

128

2.3.2 Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen Leistungen 2.3.2.1 2.3.2.2

Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen Lieferungen

131

Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen sonstigen Leistungen

133

2.3.3 Mindestbemessungsgrundlage

136

2.3.4 Übersicht: Bemessungsgrundlage

138

2.4

Steuersatz und Steuerberechnung

138

2.5

Steuerentstehung, Fälligkeit der Steuer, Steuerschuldner

140

2.5.1 Entstehung und Fälligkeit der Steuer

140

2.5.2 Steuerschuldner

143

2.6

10

130

2.5.2.1

Wechsel der Steuerschuldnerschaft

l43

2.5.2.2

Haftung für die Steuerschuld

146

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

147

2.6.1 Grundsatz und systematische Rechtfertigung des Vorsteuerabzugs

147

2.6.2 Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs

148

2.6.2.1

Unternehmer als Vorsteuerabzugsberechtigter

149

2.6.2.2

Rechnung von einem anderen Unternehmer

149

2.6.2.3

Leistung für Unternehmen des vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmers

153

Inhaltsverzeichnis

2.6.2.4

156

2.6.3 Berichtigung des Vorsteuerabzugs

159

2.6.4 Übersicht: Vorsteuerabzug

164

Besteuerungsverfahren

164

2.7.1 Umsatzsteuererklärung und -festsetzung

164

2.7.2 Voranmeldung und Vorauszahlung

166

2.7.3 Kleinuntemehmerregelung

166

Zusammenfassendes Prüfungsschema

168

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

170

3.1

Grundlagen

170

3.1.1 Internationale Besteuerungsprinzipien bei der Umsatzsteuer: Bestimmungsland- und Ursprungslandprinzip

171

3.1.2 Gebietsbestimmungen im Umsatzsteuergesetz

173

3.1.3 Arten grenzüberschreitender Leistungen

175

2.7

2.8

3

Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts

3.1.4 Gesetzestechnische Umsetzung des Bestimmungslandprinzips bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen im UStG 176 3.2

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

178

3.2.1 Einfuhr

178

3.2.1.1

Steuerbarkeit

178

3.2.1.2

Steuerbefreiung

179

3.2.1.3

Bemessungsgrundlage

181

3.2.1.4

Steuersatz

182

3.2.1.5

Steuerschuldner

182

3.2.1.6

Vorsteuerabzug

183

3.2.2 Ausfuhr

184

3.2.2.1

Systematische Einordnung

184

3.2.2.2

Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung

185

3.2.2.3

Steuerbefreiung der Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr

190

Vorsteuerabzug bei steuerbefreiten Ausfuhren

194

3.2.2.4

11

Inhaltsverzeichnis

3.3

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

194

3.3.1 Konzeption des Umsatzsteuerbinnenmarktes

194

3.3.1.1

Harmonisierung der Umsatzbesteuerung

3.3.1.2

Grundgedanken der umsatzsteuerliehen Behandlung eines EU-internen Liefervorganges (Normalfälle) 196

3.3.1.2.1

Erste Alternative: Steuerpflicht des Käufers im Bestimmungsland

194

196

(a) Grundprinzipien

196

(b) Gesetzestechnische Umsetzung

198

i) Behandlung des grenzüberschreitenden Geschäfts beim Kunden

198

ii) Behandlung des grenzüberschreitenden Geschäfts beim Verkäufer

199

(e) Übersicht: Steuerpflicht des Käufers im Bestimmungsland 3.3.1.2.2

202

Zweite Alternative: Steuerpflicht des Verkäufers im Bestimmungsland ("Lieferantenbesteuerung"; "Versandhandelsregelung") 202

(a) Grundprinzipien

202

(b) Gesetzestechnische Umsetzung

203

(e) Übersicht: Steuerpflicht des Verkäufers/Lieferanten im Bestimmungsland 205 3.3.1.2.3

3.3.1.3

205

(a) Grundgedanke

205

(b) Gesetzestechnische Umsetzung

206

(e) Übersicht: Steuerpflicht des Verkäufers/Lieferers im Ursprungsland

207

Ausnahmeregelungen (Sonderfälle)

3.3.1.3.1

12

Dritte Alternative: Steuerpflicht des Verkäufers/Lieferanten im Ursprungsland

Ausnahmefall 1: Verbringungsregelung

207 207

(a) Grundgedanke

207

(b) Gesetzestechnische Umsetzung

208

Inhaltsverzeichnis

3.3.1.3.2

Ausnahmefall 2: Verbrauchsteuerpflichtige Waren

(a) Grundgedanke (b)

Gesetzestechnische Umsetzung

(c) Ausnahmefall 3: Neue Fahrzeuge ("Verkehrsmittel")

3.3.1.4 3.3.1.5

209 210 210

i) Grundgedanke

210

ii) Gesetzestechnische Urnsetzung

211

Übersicht: Konzeption des Umsatzsteuerbinnenmarktes

212

Kontrollverfahren: Zusammenfassende Meldung gern. § 18a UStG

213

3.3.2 Innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen 3.3.2.1

209

Steuerbarkeit

215 215

3.3.2.1.1

Überblick

215

3.3.2.1.2

Innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt

216

(a) Voraussetzungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs

216

Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs

220

(b)

3.3.2.1.3

Innergemeinschaftliches Verbringen

227

3.3.2.2

Steuerbefreiung/ -pflicht.

228

3.3.2.3

Bemessungsgrundlage

229

3.3.2.4

Steuersatz

229

3.3.2.5

Steuerschuldner und Entstehung

229

3.3.2.6

Vorsteuerabzug

229

3.3.2.7

Besteuerungsverfahren

230

3.3.3 Innergemeinschaftliche Lieferungen 3.3.3.1

Steuerbarkeit

3.3.3.1.1

Überblick: Behandlung von Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet

232 232 232

13

Inhaltsverzeichnis

3.4

3.3.3.1.2

Innergemeinschaftliches Verbringen

235

3.3.3.1.3

Lieferung neuer Fahrzeuge

235

3.3.3.2

Steuerbefreiung und Steuerpflicht

237

3.3.3.3

Bemessungsgrundlage

239

3.3.3.4

Steuersatz

239

3.3.3.5

Steuerentstehung und Steuerschuldner

239

3.3.3.6

Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten

240

Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

241

3.4.1 Steuerbarkeit

242

3.4.1.1

Begriff der sonstigen Leistung

242

3.4.1.2

Ort der sonstigen Leistung

243

3.4.1.2.1

Ort der Beförderungsleistungen im EG-Binnenmarkt (§ 3b UStG)

3.4.1.2.2

Ort der Lieferungen und Restaurationsleistungen während einer Beförderung an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn ..245

3.4.1.2.3

Ort der unentgeltlichen sonstigen Leistungen.....245

3.4.1.2.4

Ort der sonstigen Leistungen gern. § 3a UStG n. F.

245

Übersicht: Orte sonstiger Leistungen

251

3.4.1.2.5

3.4.2 Steuerbefreiung und Steuerpflicht

252

3.4.3 Bemessungsgrundlage und Steuersatz

253

3.4.4 Steuerentstehung und Steuerschuldner

253

Teil 11 - Grunderwerbsteuer 1

14

244

257

Charakterisierung der Grunderwerbsteuer

259

1.1

Besteuerungsmotiv

259

1.2

Rechtsträgerwechsel als konstituierendes Merkmal

259

1.3

Arten von Rechtsträgem

260

1.4

Besteuerung des Verpflichtungsgeschäfts

261

Inhaltsverzeichnis

2

Steuerbarkeit

263

2.1

Begriff des inländischen Grundstücks

265

2.1.1 Grundstücke i. S. des bürgerlichen Rechts

265

2.1.2 Inlandsbelegenheit des Grundstücks

268

Arten steuerbarer Erwerbsvorgänge

268

2.2.1 Verpflichtungsgeschäfte (§ 1 I Nr.1 GrEStG, Haupttatbestand)

271

2.2

2.2.1.1

Kaufvertrag

271

2.2.1.2

Andere Rechtsgeschäfte (Verpflichtungsgeschäfte)

271

2.2.1.2.1

Tauschvertrag

271

2.2.1.2.2

Schenkungsvertrag

272

2.2.1.2.3

Einbringungs- und Auseinandersetzungsverträge

272

2.2.1.2.4

Weitere Verpflichtungsgeschäfte

273

2.2.1.2.5

Besonderheiten bei Gesamthandsgemeinschaften

273

2.2.2 Nebentatbestände

274

2.2.2.1

Auflassung (§ 1 I Nr. 2 GrEStG)

274

2.2.2.2

Übergang des Eigentums (§ 1 I Nr. 3 GrEStG)

274

2.2.2.3

Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 1 I Nr. 4 GrEStG)

276

Nebentatbestände in Form sog. Zwischengeschäfte (§ 1 I Nr.5-7 GrEStG)

276

2.2.2.4

2.2.3 Ersatztatbestände

277

2.2.3.1

Allgemeiner Ersatztatbestand

277

2.2.3.2

Besondere Ersatztatbestände (§ 1 Ha, III GrEStG)

278

2.2.3.2.1 2.2.3.2.2

Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (§ 1 Ha GrEStG)

278

Anteilsvereinigung bei Gesellschaften (§ 1 m GrEStG)

280

15

Inhaltsverzeichnis

3

Steuerpflicht: Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen

283

3.1

Übersicht Steuerbefreiungen

283

3.2

Vollständige Steuerbefreiungen

285

3.2.1 Allgemeine Steuerbefreiungen (§ 3 GrEStG)

285

3.2.2 Besondere Steuerbefreiungen (§ 4 GrEStG)

285

Partielle Steuerbefreiungen

286

3.3 4

Bemessungsgrundlage

293

4.1

Überblick

293

4.2

Wert der Gegenleistung

294

4.2.1 Eigentliche Gegenleistung LS.d. § 9 I Nr. 1 und 2 GrEStG

294

4.2.2 Zusatzleistungen des Erwerbers zur vereinbarten Gegenleistung (§ 9 TI Nr.1 GrEStG)

299

4.2.3 Auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehende, nicht dauernde Grundstückslasten (§ 9 11 Nr. 2 GrEStG)

299

4.2.4 Leistungen an Dritte für Erwerbsverzicht und Drittleistungen an den Veräußerer (§ 9 11 Nr. 3, 4 GrEStG)

300

4.2.5 Gesamtgegenleistung (sog. Boruttau'sche Formel)

300

Grundbesitzwerte/ Bedarfsbewertung

302

4.3 5

Steuersatz und Steuerberechnung

305

6

Steuerschuldner, Entstehung und Fälligkeit der Steuer

307

6.1

Steuerschuldnerschaft (§ 13 GrEStG)

307

6.2

Steuerentstehung (§ 14 GrEStG)

308

6.3

Fälligkeit der Steuer (§ 15 GrEStG)

309

7

Zuständigkeit, Anzeigepflicht und Unbedenklichkeitsbescheinigung

311

8

Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuer

313

Stichwortverzeichnis

16

315

Teil I Umsatzsteuer

1 Einführung

1.1

Systematische Einordnung der Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer knüpft bei der Besteuerung im Gegensatz zu den speziellen Verkehrsteuern (GrESt, VersSt usw.) nicht an bestimmte Rechts- und Wirtschaftsvorgänge an, sondern will wirtschaftliche Verkehrsvorgänge (sog. Umsätze) schlechthin erfassen. Im Hinblick auf ihre gesetzestechnische Ausgestaltung ist die Umsatzsteuer daher als allgemeine Verkehrsteuer einzuordnen. Wirtschaftlich betrachtet will die USt aber nicht die Unternehmer in ihrer Eigenschaft als Unternehmer belasten. Besteuerungsziel ist vielmehr die Belastung der konsumtiven Einkommensverwendung beim Endverbraucher, denn auch in der Einkommensverwendung, also dem Verbrauch (Konsum) im weitesten Sinne, wird ebenso wie im Einkommen und Vermögen ein sinnvoller Maßstab für die Messung steuerlicher Leistungsfähigkeit gesehen. Steuergut der USt sind also allgemein die Aufwendungen für den nichtunternehmerischen Verbrauch, weshalb sie auch als allgemeine Verbrauchsteuer bezeichnet werden kann. Lediglich aus technischen Gründen (Praktikabilitätsgründe) wird die Steuer nicht bei jedem Verkehrsvorgang von den Leistungsempfängern, sondern von den leistenden Unternehmern erhoben. Ihrer wirtschaftlichen Wirkung nach ist die USt deshalb klar eine allgemeine Verbrauchsteuer, die alle Waren und Dienstleistungen trifft, die aus dem Bereich der unternehmerischen Sphäre an Endverbraucher gelangen. Erhebungstechnisch ist die USt eine Jahressteuer, die auf der Basis eines jährlichen Besteuerungszeitraumes periodisch erhoben wird (§ 16 I UStG). Als Jahressteuer ist sie zugleich eine Veranlagungssteuer. Allerdings hat der Unternehmer die Steuer in der USt-Jahresanmeldung und entsprechend in den USt-Voranmeldungen selbst zu berechnen (Steueranmeldung, § 18 m UStG). Deshalb wird die Veranlagung durch die Finanzbehörde entbehrlich, soweit sie die Steuer nicht abweichend festsetzen will (§ 167 I AO).

19 K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

1

Ein{Ohrung

1.2

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems

Das Besteuerungsziel der USt, den Konsum des Endverbrauchers steuerlich zu belasten, ist rechtstechnisch in vielfältiger Weise realisierbar. Im Rahmen der Implementierung eines Umsatzsteuersystems innerhalb eines Wirtschaftsraumes (z. B. Deutschland, EU) sind daher verschiedene Fragestellungen zu beantworten. In einer Volkswirtschaft durchlaufen die meisten Gegenstände oder Dienstleistungen

eine Vielzahl unterschiedlicher Phasen oder Stadien (produktionsstufen) bevor sie beim privaten Endabnehmer zu Verbrauch oder Gebrauch führen. Mit Blick auf das Ziel der Umsatzsteuer, letztlich nur den Endverbraucher zu belasten, liegt es in technischer Sicht zunächst nahe, die Besteuerung nur in der Phase (sog. Einphasensystem) anzusetzen, in der ein Umsatz tatsächlich an einen Letztverbraucher erfolgt (z. B. beim Einzelhändler). In der Realität ist es aber oft nicht möglich zu bestimmen, ob der Leistungsempfänger seinerseits Unternehmer oder tatsächlich Letztverbraucher ist. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, die Anzahl der Erhebungsphasen nicht auf eine zu begrenzen, sondern die Besteuerung in mehreren oder allen denkbaren Phasen (Mehr-oder All-Phasen-Umsatzsteuersysteme) anzusetzen. Bei der Mehr- bzw. Allphasenumsatzsteuer - nicht jedoch bei der Ein-Phasen-Umsatzsteuer stellt sich mit Blick auf die Erhebungstechnik die Frage, ob die Umsatzsteuer der vorhergehenden Phasen in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage nachfolgender Phasen eingeht oder nicht. Im ersten Fall wird im Ergebnis eine Erhebung der Umsatzsteuer von der Umsatzsteuer, also eine Kumulationswirkung erreicht, weshalb man ein solches System auch als kumulatives oder Brutto-Umsatzsteuersystem bezeichnet. Ist hingegen eine Abzugsmöglichkeit für erhaltene Umsatzsteuer vorgesehen, so spricht man von einem nicht-kumulativen bzw. Netto-Umsatzsteuersystem. Entscheidet man sich für die Etablierung eines nicht-kumulativen Umsatzsteuersystems, sind im Grundsatz zwei Varianten denkbar, um eine Umsatzsteuerkumulation zu verhindern. Einerseits kann das gewünschte Ergebnis durch Abzug der erhaltenen (Vor-)Umsätze (Vorumsatzabzug) erreicht werden, andererseits ist es aber auch möglich, nur die von Vorlieferanten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer von der eigenen Umsatzsteuerschuld abzuziehen (Vorsteuerabzug). Die Übersicht fasst die Überlegungen zusammen:

20

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems

Abbildung 1-1:

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems 1 Umsatzsteuersysteme

Kriterium: Erhebungsphase

I

Einphasensystem

IHI

Mehrphasensystem

1

Problem: ~ KumulationswIrkung Erhebungszeitpunkt

I

Kumulatives System

-> IHI

Nicht-kumulatives System

Problem: Technische Realisierung des nichtkumulativen Systems Abzugstechnik

I

Vorumsatzabzug

Allphasensystem

IH

IHI

/ Vorsteuerabzug

I I I

D Umsatzsteuersystem in Deutschland und der EU

Die USt in der EU ist (in Deutschland seit dem 01.01.1968) nach geltendem Recht als Allphasen-Netto-USt mit Vorsteuerabzug ausgestaltet. Diese ist zunächst dadurch gekennzeichnet, dass nicht nur die Leistungen auf der letzten Handelsstufe an den Endverbraucher, sondern auch alle Phasen der unternehmerischen Leistungskette jeweils nach dem vollen Umsatzwert besteuert werden. Hierdurch treten aber mögliche Kumulationseffekte ("Kaskadeneffekte")nicht ein, denn als Netto-USt bemisst sich die USt stets nur nach dem jeweiligen Nettoumsatz ohne USt (§ 10 I S. 2 UStG), und außerdem wird der auf Vorleistungen entfallende Steuerbetrag im unternehmerisehen Bereich als Vorsteuer (§ 15 UStG) wieder abgezogen.

21

1.2

1

Ein{Ohrung

Abbildung 1-2:

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems 2

Beispiel (Grundfalll: Lieferant L liefert dem Hersteller H einen Produktionsgrundstoff zu einem Preis von 11.900 € (10.000 € zzgl. 1.900 € USt). H verkauft sein hergestelltes Produkt an den Zwischenhändler Z für 23.800 € (20.000 € zzgl, 3.800 € USt). Z wiederum verkauft an den Endverbraucher E zu einem Preis von 29.750 € (25.000 € zzgl. 4.750 € USt).

I

Finanzamt

I

Lieferant L VSt

xxxx€ Lleterung

1

USt

Zahlung an Finanzamt: 1.900-xxxx €

1.900 €

I 1.900€

T Zahlung 11.900 €

Hersteller H VSt

1.900€ Lleterung

1

USt

I 3.800 €

T Zahlung 23.800€

Zwischenhändler Z VSt

3.800 e Lleterung

!

1.900 €

Zahlung an Finanzamt: 3.800-1.900 €

USt

Zahlung an Finanzamt: 4.750-3.800 €

950€

I 4.750 €

T Zahlung 29.750t:

Endverbraucher E

_____ l
Mehrwert: 25.000 € [20.000 € (L,H); 5.000 € (Z)] x 19 %

=

O€ 4.750€

Der Vorsteuerabzug hat zur Folge, dass der Unternehmer im Ergebnis nur den jeweils auf seiner Stufe in der Leistungskette erzielten Mehrwert (Wertschöpfung) versteuern muss. Wegen dieses Wirkungszusammenhangs wird die USt auch als "Mehrwertsteuer" bezeichnet, eine Bezeichnung, die sich auch in den Gesetzen einiger anderer Mitgliedstaaten der EU als offizielle Bezeichnung durchgesetzt hat. Gleichwohl wird der Intention des Gesetzgebers entsprechend im Ergebnis nicht der Unternehmer, sondern der Endverbraucher mit USt belastet. Im Idealfall wird nämlich der Unternehmer seinen ansonsten gewünschten Preis genau um den Betrag der USt erhöhen, so dass der Unternehmer die Steuer zwar zahlt bzw. an das Finanzamt abführt (Steuerschuldner), es letztlich aber der Verbraucher ist, der die Steuer trägt (Steuerträger). Tatsächlich hängt die Möglichkeit zur Überwälzung in der Wirtschaft allerdings von spezifischen Marktbedingungen und gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten ab und kann daher sehr wohl auch zweifelhaft sein. In diesem Zusammenhang wird nur einmal mehr auch die besondere Bedeutung des Vorsteuerabzugs deutlich. Denn nur dort, wo auf einer Umsatzstufe Vorsteuer in Abzug gebracht werden darf, können Kumulationseffekte vermieden werden, die andernfalls als zusätzliche Größe zur Überwälzung an den Verbraucher anstünden. Mit Hilfe der folgenden Übersichten sollen die möglichen Wirkungsweisen des Vorsteuerabzugs bzw. Ausschlusses des Vorsteuerabzugs verdeutlicht werden. Betrachtet wird dabei zunächst der (zweistufige) Grundfall:

22

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems

Abbildung 1-3:

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems 3

Fall I: 2-Stufen-Betrachtung I

FA 1

I FA2

I

19

Abbildung 1-4:

38

19 119

I

U1

I

I

I

I

238 I it+-------i v I

U2

'----_ _---J

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems 4

Falll!: 2-Stufen-Betrachtung; U2 steuerfrei mit Vorsteuerabzug

I FA 1

I

19

I

FA2

I

19 I

U1 I

U2 :

200

I

I

v

I

Fall I beschreibt den "Normalfall" (Steuerpflichtige Umsätze mit Vorsteuerabzugsrecht), bei dem der leistende Unternehmer steuerpflichtige Umsätze bei gleichzeitig gewährtem Vorsteuerabzug an den Abnehmer ausführt. Der Endverbraucher wird im Ergebnis mit der auf den Netto-Wert (hier: 200) der erzeugten Güter entfallenden Umsatzsteuer (hier: 38) belastet. Führt der Unternehmer hingegen steuerfreie Umsätze aus und wird ihm gleichwohl ein Vorsteuerabzug gewährt (Fall 11), so entsteht dem Endverbraucher insofern gegenüber Fall I ein Vorteil, als dass er im Ergebnis nur den tatsächlichen Netto-Wert der Unternehmerleistungen (von Ul und U2) zu entrichten hat (hier: 200). Führt der Unternehmer hingegen steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug aus, so werden die dem Unternehmer von Vorunternehmern in Rechnung gestellte Umsatzsteuern als Kostenfaktor in die Kalkulation eingehen und (entsprechen23

1.2

1

Ein{Ohrung

de Überwälzung sei vorausgesetzt) den Letztverbraucher belasten, glaubt dieser auch unmittelbar steuerfrei zu erwerben. Fall Irr zeigt die Konsequenzen dieser Situation auf. Da der letzte Unternehmer (U2) steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzugsrecht ausführt, wird er die ihm von Vorunternehmern (Ul) in Rechnung gestellte Umsatzsteuer (hier: 19) als Kostenfaktor berücksichtigen und dem Endabnehmer zusammen mit seinem Mehrwert in Rechnung stellen. Verglichen mit dem Grundfall entsteht dem Endabnehmer aber noch der Vorteil eines nicht mit USt belasteten Mehrwertes des Letztunternehmers

Abbildung 1-5:

Funktionsweise des Umsatzsteuergesetzes 5

Fall 111: 2-Stufen-Betrachtung; U2 steuerfrei ohne Vorsteuerabzug

19

Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man zu dem Schluss gelangen, dass Steuerfreiheit ohne Vorsteuerabzug stets vorteilhaft für den Endabnehmer (Fall III) ist. Richtet man allerdings den Blick von der Zwei-Stufen-Situation auf eine Drei- oder Mehrstufensituation wird sehr schnell klar, dass eine Vorteilhaftigkeit nicht stets gegeben sein wird. Ausgangspunkt der Überlegung soll auch hier der "Normalfall" (Fall IV: Steuerpflichtige Umsätze mit Vorsteuerabzugsrecht) sein. Wird der steuerfreie Umsatz ohne Vorsteuerabzug nicht an den Endverbraucher ausgeführt (Fall V), kann die nicht abzugsfähige Vorsteuer als Kostenfaktor auch in die Bemessungsgrundlage nachfolgender steuerpflichtiger Umsätze eingehen (Kumulation). Das hat zur Folge, dass der Umsatz des letzten Unternehmers in der Leistungskette infolge einer Nachhol- und Kumulationswirkung sogar mit höherer USt belastet ist als im Falle ausschließlich steuerpflichtiger Vorumsätze (vgl. Fall IV).

24

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems

Abbildung1-6:

Funktionsweise des Umsatzsteuergesetzes 6

Fall IV: 3-Stufen-Betrachtung

I FA 1 I

I FA2 I

19

38

19 I

I U1

119

I

I

I

Abbildung1-7:

I FA 3 I

U2

I

57

38 238

I

I

U3

I

I

357

I

I

V

I

I

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems 7

Fall V: 3-Stufen-Betrachtung; U2 steuerfrei ohne Vorsteuerabzug

I

FA 1

I FA 3

I

19

U1

I

60,61 I

I

119

I

I

219

I

I

U3

v

I

Insgesamt fällt USt i.H.v. 79,61 (19,00 + 60,61) an. Obwohl nur eine Wertschöpfung von 300 vorliegt und somit nur eine USt i.H.v. 57 anfallen dürfte, ergibt sich infolge der Steuerfreiheit ohne Vorsteuerabzugsrecht bei U2 eine Nachhol- und Kumulierungswirkung i.H.v. insgesamt 22,61. Diese setzt sich zusammen aus 19 Einheiten nicht abziehbarer Vorsteuer und 3,61 Einheiten Umsatzbesteuerung auf die Vorsteuer (19,00 x 0,19 = 3,61).

25

1.2

1

Ein{Ohrung

1.3

Rechtsgrundlagen der USt (Gesetz und EG-Richtlinie)

Bei der Umsatzsteuer handelt es sich um eine sog. harmonisierte Steuer im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, deren gesetzliche Grundlage Art. 93 des EGVertrages (Ld.F. des Amsterdamer Vertrages) bildet. Danach sollen die Umsatzsteuer, Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern in den Mitgliedstaaten angeglichen werden, soweit dies für die Errichtung und das Funktionieren eines gemeinsamen Binnenmarktes erforderlich ist. Dahinter steht das Ziel, einen freien Verkehr von Waren-, Personen-, Dienstleistungen und Kapital zu gewährleisten (sog. Grundfreiheiten), mit dem vor allen Dingen steuerliche Abgaben und Erschwernisse, die an einen Waren- oder Dienstleistungsverkehr über die innergemeinschaftlichen Staatsgrenzen anknüpfen sowie jegliche steuerliche Diskriminierung von EGAusländern gegenüber Inländern, unvereinbar wären. Nicht unvereinbar mit dem Konzept einer harmonisierten Steuer ist es hingegen, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Umsatzsteuersätze angesetzt werden dürfen. Die Harmonisierung erfolgt mit Hilfe verbindlicher Richtlinien (Art. 249 III EG-Vertrag), die durch die Organe jedes Mitgliedstaates in angemessener Zeit in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die Harmonisierung der Umsatzsteuer war bis Ende 2006 in der 6. EGRichtlinie geregelt. Die 6. Richtlinie wurde durch die Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ersetzt (Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Inhaltlich unterscheidet sich die Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht von der 6.Richtlinie. Es hat nur redaktionelle Anpassungen gegeben. Auswirkungen auf das nationale Umsatzsteuerrecht in Deutschland ergeben sich aus der Änderung nicht. Die Richtlinie ist für alle staatlichen Organe eines Mitgliedstaates, somit auch für den deutschen Gesetzgeber, für die deutsche Steuerverwaltung und für die deutschen Finanzgerichte regelmäßig bindend. Bei einem Widerspruch zwischen nationalem Umsatzsteuerrecht und EG-Richtlinien ist der nationale Gesetzgeber verpflichtet, sein Recht der EG-Richtlinie anzupassen. Versäumt er dies, kann sich der Steuerpflichtige bei einer ihn begünstigenden Regelung unmittelbar auf die entsprechende Richtlinienbestimmung berufen. Ferner ist nationales Umsatzsteuerrecht innerhalb der Grenzen des Wortlautes von den anwendenden Behörden und von der Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der EG-Richtlinie bzw. der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auszulegen (Richtlinienkonforme Auslegung, Art.lO EGVertrag verpflichtet die Organe der Mitgliedstaaten zu gemeinschaftstreuern Verhalten). Bei Zweifeln über die Auslegung der EG-Richtlinie hat das nationale Gericht das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, der über die Auslegung der Richtlinie, nicht jedoch über die Auslegung nationalen Rechts entscheidet. Wichtigste nationale Rechtsgrundlage für die Umsatzbesteuerung ist das Umsatzsteuergesetz ergänzt durch die Umsatzsteuerdurchführungsverordnung.

26

Aufbau des UStG und allgemeines Prüfungsschema

1.4

Aufbau des UStG und allgemeines Prüfungsschema

Das Umsatzsteuergesetz regelt in den §§ 1-13 UStG zunächst die Besteuerung der Umsätze bis zur Entstehung der Steuerschuld und die Steuerschuldnerschaft. Diese Regelungen betreffen die "Leistungsausgangsseite" eines Unternehmens. Die §§ 15, ISa UStG und zum Teil die Definitionsnormen des § 14 betreffen Regelungen zum Vorsteuerabzug, also solche umsatzsteuerliehen Normen, die primär die "Leistungseingangsseite" eines Unternehmens betreffen. Die §§ 16 ff. UStG enthalten Regelungen zum allgemeinen Besteuerungsverfahren, sowie Sonderregelungen (§§ 23 ff. UStG) und schließlich Übergangs- und Bußgeldvorschriften (§§ 26 ff. UStG). Die Prüfung umsatzsteuerrelevanter Sachverhalte muss regelmäßig zunächst auf der Leistungsausgangsseite ansetzen. Dort geht es darum, über die Steuerbarkeit und Steuerpflicht der Leistungsabgaben des Unternehmers zu entscheiden. Erst wenn dies erfolgt ist, kann mit Blick auf die Leistungseingangsseite beurteilt werden, ob die mit den Ausgangsleistungen wirtschaftlich zusammenhängenden Eingangsbezüge in Form von innergemeinschaftlichem Erwerb oder Einfuhr steuerfrei oder steuerpflichtig sind (§§ 4b, 5 UStG). In gleicher Weise kann auch der Vorsteuerabzug aus Leistungseingängen erst dann beurteilt werden, wenn klar ist, für welche Ausgangsleistungen diese Eingangsbezüge verwendet werden sollen und wie diese Ausgangsleistungen hinsichtlich ihrer Steuerbarkeit und Steuerpflicht einzuordnen sind (§15 TI, m UStG).

Abbildung 1-8:

Funktionsweise des Umsatzsteuersystems 8

Leistunpeinganpseite

Leistunllsausllanllsseite

Nichtunternehmerische Sphäre Nicht steuerbar

Bezüge Kein UStAnfall;

Kein Vorsteuerabzugsrecht

Bezüge

u, U. USt auf Gegenstandsentnahmen, Gegenstandsverwendung, u. a. (§1 I Nr. 1 t, V. m. § 31b u. § 3 IXa)

Unternehmerische Sphäre

Steuerbarkeit

27

1.4

1

Ein{Ohrung

Leistungen, die aus der nichtunternehmerischen Sphäre erbracht werden, bleiben für Zwecke der USt von vornherein unbeachtlich. Bezüge für den nichtuntemehmerischen Bereich können dementsprechend nicht geeignet sein, die Berechtigung zum Vorsteuerabzug zu vermitteln. Eine differenzierte Betrachtung machen die Leistungsbewegungen zwischen den beiden Bereichen der unternehmerischen und nichtunternehmerischen Sphäre erforderlich. Bewegungen aus der untemehmerischen in die nichtuntemehmerische Sphäre fallen grundsätzlich unter einen der Tatbestände der Gegenstandsentnahme bzw. Gegenstandsverwendung und werden damit in der Regel auch USt auslösen. Das entspricht dem Gedanken, dass auch der nichtuntemehmerisehe Endverbrauch des Untemehmers der Besteuerung unterliegen soll, stünde hier doch ansonsten die Möglichkeit zu Steuerumgehungen offen. Ein weiteres Motiv für die Besteuerung des Eigenverbrauchs ist daneben dessen Funktion als Vorsteuerabzugskorrektiv. Denn es kann grundsätzlich nur dort zur Besteuerung des Eigenverbrauchs kommen, wo Eingangsbezüge zuvor in den untemehmerischen Bereich gelangt sind und diesbezüglich die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs gegeben war. Etwas ganz anderes gilt demgegenüber in umgekehrter Richtung, also vom nichtuntemehmerischen in den unternehmerischen Bereich. Wurde bspw. ein Gegenstand erworben und, wie dies ohne weiters möglich ist, zunächst dem nichtuntemehmerisehen Bereich zugeordnet, so löst eine anschließende Einlage dieses Gegenstands in den untemehmerischen Bereich keine USt aus. Auch kann die Einlage aus der nichtuntemehmerischen Sphäre nicht vorsteuerentlastend erfolgen. Mit dem Bezug für den nicht untemehmerischen Bereich bleibt der Vorsteuerabzug endgültig versagt; die nachträgliche Einlage führt diesbezüglich zu keiner Änderung. (Beispiel: Jahreswagenverkäufer). Die Prüfungstechnik zur Lösung umsatzsteuerlicher Sachverhalte richtet sich (im Wesentlichen) nach der Gesetzessystematik des UStG. Demzufolge gilt es zunächst zu klären, ob der Sachverhalt überhaupt der Umsatzbesteuerung unterliegt. Dies wird im Rahmen der sog. Steuerbarkeitsprüfung untersucht. Ist ein Umsatz steuerbar, so ist zu fragen, ob der Gesetzgeber eine Steuerbefreiung anordnet. Liegt ein steuerbarer und nicht steuerbefreiter Umsatz vor, spricht man von einem steuerpflichtigen Umsatz. In welcher Höhe der steuerpflichtige Umsatz mit Umsatzsteuer belastet wird, hängt dann von der zugrundezulegenden Umsatzhöhe (Bemessungsgrundlage) und vom Steuersatz ab. Im Anschluss sind Fragen der Steuerschuldnerschaft und des Entstehungszeitpunktes bzw. der Fälligkeit der Steuerschuld zu erörtern, bevor in einem letzten Schritt Überlegungen hinsichtlich einer Vorsteuerabzugsmöglichkeit anzustellen sind. Zusammengefasst ergibt sich die folgende Prüfungsreihenfolge:

Abbildung 1-9: Steuerbarkett

28

Prüfungsreihenfolge ~teuerbefreiunll

---t

und OptionsmÖllltchkett

1-0

Bemessungsllrundlalle

--I

Steuersatz und Steuerberechnung

--I

Steuerschuldner Entstehunsf Fällillkeit

--.

Vorsteuerabzull; Vorsteuerberichtisunll

Vorgehensweise und Überblick über die steuerbaren Umsätze

1.5

Vorgehensweise und Überblick über die steuerbaren Umsätze

Das Steuerobjekt der Umsatzsteuer, also diejenigen (Lebens-) Sachverhalte, die der Umsatzsteuer unterliegen sollen, sind die drei in § 1 UStG genannten Umsätze.

Abbildung 1-10:

ÜberblickSteuerbareUmsätze

I Umsätze des § 1 UStG

. . . . .Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ·.· · ·. · · ·. ·.· · ·. · · ·. ··r·..· · ·. ·. · . ·.· · ·. ·.I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I

I

I

Entgeltlicher Leistungsaustausch

Einfuhr

(§ 1 I Nr. 1)

(§ 1 I Nr.4)

Innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1 I Nr. 5)

····································t·················

t·····································································t··································

Umsatzbesteuerung im Inland

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

1 DriUlandsgebiet Teil 11

+

Teil 111

1 UmsatzsteuerBinnenmarkt

+

Teil 111

Um die teils kompliziert erscheinende Systematik des Umsatzsteuergesetzes übersichtlich und zweckmäßig zu behandeln, werden zunächst (Kapitel II) nur rein nationale Fallkonstellationen behandelt. Kapitel III erweitert den Blickwinkel auf grenzüberschreitende (internationale) Umsatzsteuersachverhalte, wobei infolge des Europäischen Binnenmarktes zumindest bei grenzüberschreitenden Lieferungen zu unterscheiden ist zwischen Umsätzen, die mit Unternehmern im EG-Ausland abgewickelt werden und solchen Umsätzen, die mit Unternehmern im übrigen Ausland (sog. Drittlandsgebiet) getätigt werden.

29

1.5

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.1

Steuerbarkeit

2.1.1

Überblick: Steuerbare Umsätze und Tatbestandsmerkmale

Seinen Haupttatbestand normiert das UStG in § 1 I Nr. 1 S.l, wonach der USt alle Lieferungen und sonstigen Leistungen unterliegen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt und im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Haupttatbestandsmerkmal ist damit der Leistungsaustausch, d. h. die Ausführung von Lieferungen und sonstigen Leistungen gegen Entgelt. Die nachstehende Übersicht zeigt die einzelnen Tatbestandsmerkmale in der Reihenfolge auf, in der sie im Folgenden eingehender behandelt werden.

Abbildung2-1:

Steuerbare Umsätze

I Umsätze des § 1 UStG I

I Entgeltlicher

I

Leistungsaustausch

Einfuhr (§ 11 Nr. 4)

I

I

I Innel1. Erwerb (§ 11 Nr. 5)

+

(§ 11 Nr.1) I

I I

I

Tatbestandsmerkmale: - Leistung (Lieferung/ sonst. Leistungen) - gegen Entgelt - durch einen Unternehmer - im Rahmen seines Unternehmens - im Inland (Ort der Leistung)

+

Grenzüberschreitende Umsalzbesteuerung

}I LeIstungsaustausch I

30 K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Steuerbarkeit

Sämtliche Tatbestandsmerkmale scheinen bei oberflächlicher Betrachtung klar und eindeutig. Eine kaum überschaubare Anzahl anhängiger bzw. vergangener Finanzgerichtsverfahren sowie umfangreiche Verwaltungsanweisungen (USt-Richtlinien des BMF) zeigen hingegen, dass eine solche Klarheit im Einzelfall offenkundig nicht besteht. Aus diesem Grund ist es zwingend notwendig, die einzelnen Tatbestandsmerkmale näher zu beleuchten, klar zu definieren und voneinander abzugrenzen. Ein Sachverhalt ist nur dann steuerbar, d. h, er unterliegt den umsatzsteuerlichen Regelungen nur dann, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 1 UStG erfüllt sind. Liegt mindestens eine Voraussetzung nicht vor, so sind die Umsätze nicht steuerbar, was zu einer Nichtanwendbarkeit des UStG führt. Beispiel (nicht steuerbarer Umsatz): Der Privatmann P verkauft und übereignet seine rustikale Wohnzimmereinrichtung an den X. Trotz Vorliegen eines Umsatzes und Leistungsaustausches ist der Verkauf nicht steuerbar, da der P kein Unternehmer ist. Von der Frage der Steuerbarkeit zu unterscheiden ist die Frage nach der Steuerpflicht. Steuerbare Umsätze unterliegen nur dann der USt, wenn nicht ein besonderer Befreiungstatbestand des § 4 UStG eingreift. Nicht steuerbare Umsätze werden vom Umsatzsteuergesetz überhaupt nicht erfasst. Steuerfreie Umsätze werden hingegen vom Umsatzsteuergesetz erfasst, sie sind allerdings aufgrund gesetzlicher Anordnung von der Besteuerung bewusst befreit (s.u.). Es ist daher festzuhalten, dass steuerfreie und nicht steuerbare Umsätze nur im Ergebnis einer Nichterhebung der Steuer übereinstimmen, nicht hingegen in der (systematischen) Begründung.

2.1.2

Begriff der Leistung (Lieferung und sonstige Leistung)

Oberbegriff für Lieferungen und sonstige Leistungen ist der Begriff der Leistung. Leistung im Sinne des UStG kann grundsätzlich alles sein, was zum Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs gemacht werden kann. Entscheidend ist dabei das Vorliegen einer Leistung im wirtschaftlichen Sinne (A 1 III UStR), d. h. Leistungen, bei denen ein über die reine Entgeltentrichtung hinausgehendes wirtschaftliches Interesse des Entrichtenden verfolgt wird. Keine Leistungen im Sinne des UStG sind deshalb insbesondere bloße Geldzahlungen zur Begleichung von Verpflichtungen; hier wird ein über die Geldbewegung hinausgehender wirtschaftlicher Zweck nicht verfolgt, und damit müssen sie als Leistungen im wirtschaftlichen Sinne ausscheiden. Für Zwecke der USt ist es grundsätzlich ohne Belang, ob und ggf. auf welche Weise der Leistung ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft (z. B. Kaufvertrag, Tauschvertrag, Pachtvertrag, Dienstvertrag, Werkvertrag, Speditionsvertrag) zugrunde liegt. Denn anders als die GrESt knüpft die USt nicht bereits an das Verpflichtungsgeschäft an; für sie ist vielmehr allein das dingliche Erfüllungsgeschäft, also die Realisierung der Leistung, maßgebend. Das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft kann lediglich als Anhaltspunkt für Inhalt und Umfang einer Leistung heranzuziehen sein.

31

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Der Möbelhändler M schließt am 07.01.2008 mit dem Käufer K einen Kaufvertrag über eine Sitzgruppe ab, die M am 04.02.2008 an K ausliefert. Dieser zahlt den vereinbarten Kaufpreis am 10.02.2008. Die Leistung im Sinne des UStG besteht weder im Abschluss des Kaufvertrags noch in der Zahlung des geschuldeten Geldbetrags von K an M, sondern allein in der Lieferung der Sitzgruppe durch M an K.

2.1.2.1 2.1.2.1.1

Lieferungen Begriff und Gegenstand der Lieferung (Grundfall)

Lieferungen sind ein Unterfall, zugleich aber auch der Hauptfall umsatzsteuerlicher Leistungen und müssen daher zunächst einmal deren allgemeine Voraussetzungen erfüllen. Den besonderen Begriff der Lieferung definiert dann aber § 3 I UStG als Leistung eines Unternehmers, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Auch hieraus wird wiederum deutlich, dass der Leistungsbegriff des UStG wirtschaftlich zu verstehen ist und eben anders als bspw. die GrESt nicht an das kausale Verpflichtungsgeschäft, sondern erst an das dingliche Erfüllungsgeschäft anknüpft. Die Verschaffung der Verfügungsrnacht setzt voraus, dass die wirtschaftliche Substanz eines Gegenstands vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dieser Übergang dabei außerdem auf dem Zuwendungswillen des leistenden Unternehmers beruht. Die Verfügungsrnacht kann gern. § 3 I UStG wie folgt verschafft werden: (1)

Dem Abnehmer durch den Unternehmer selbst Beispiel: Ein Bäcker übergibt die Backwaren der Kundin.

(2)

Dem Abnehmer durch einen Dritten im Auftrag des Unternehmers Beispiel: Der Maschinenproduzent lässt die Maschine durch einen Lieferanten an den Kunden übersenden.

(3)

Einem Dritten im Auftrag des Abnehmers Beispiel: Der Kunde lässt ein ausgewähltes Geschenk durch einen Versandhandel an den Geschenkempfänger schicken.

Es kommt darauf an, dass der Abnehmer faktisch in die Lage versetzt wird, mit dem Gegenstand nach Belieben zu verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer nutzen und veräußern zu können. Die Verschaffung der Verfügungsrnacht ist demnach ein Vorgang vorwiegend tatsächlicher Natur, der in der Regel mit dem bürgerlichrechtlichen Eigentumsübergang verbunden ist, aber nicht notwendigerweise verbunden sein muss (A 24 11 UStR). Wird also bürgerlich-rechtlich das Eigentum an einem Gegenstand übertragen, so findet damit in den meisten Fällen zugleich eine Lieferung im Sinne des UStG statt. Das gilt aber nur so lange, wie zusammen mit dem bürger-

32

Steuerbarkeit

lieh-rechtlichen Eigentumsübergang zugleich auch ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums verbunden ist. Denn im Zweifel kommt es für Zwecke der USt in erster Linie darauf an, dass das wirtschaftliche Eigentum an einem Gegenstand wechselt. Das ist immer dann der Fall, wenn nach einer Transaktion ein anderer als der Lieferer die tatsächliche Herrschaft über den Gegenstand in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den Gegenstand wirtschaftlich ausschließen kann. Sobald der Übergang von bürgerlich-rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum auseinanderfällt, ist für Zwecke der USt allein der wirtschaftliche Eigentumsübergang maßgebend. So kann etwa an einem zur Sicherheit übereigneten Gegenstand (Sicherungsübereignung) durch die zivilrechtliche Übertragung des Eigentums noch keine Verfügungsrnacht verschafft werden. Andererseits wird eine Lieferung ausgeführt, wenn ein Gegenstand unter Eigentumsvorbehalt (§ 455 BGB) verkauft und übergeben wird, obgleich das rechtliche Eigentum hier zivilrechtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt übergeht (A 24 11 S. 5-8 UStR).

Beispiel: Unternehmer A hat bei seiner Bank einen Kredit aufgenommen und übereignet ihr dafür zur Sicherung mehrere seiner Maschinen. Damit wird die Bank rechtlicher Eigentümer der Maschinen. Mit der Sicherungsübereignung wird aber keine Lieferung im Sinne des UStG begründet; denn solange A (Sicherungsgeber) seinen Verpflichtungen nachkommt, kann die Bank (Sicherungsnehmer) nicht im eigenen Namen über die Sicherungsgüter verfügen. Erst wenn A den Kredit nicht vereinbarungsgemäß zurückzahlt und die Bank von ihrem Verwertungsrecht Gebrauch macht, erlangt diese auch die Verfügungsmacht über die Sicherungsgüter. Die Verwertung der zur Sicherung übereigneten Gegenstände führt somit gleichzeitig zu zwei Umsätzen, und zwar zu einer Lieferung von A an die Bank und zu einer Lieferung der Bank an einen Dritten (Erwerber des Sicherungsgutes) (A 2 I UStR).

Beispiel: Der Einzelhändler verkauft eine HiFi-Anlage an seinen Kunden K, wobei er sich das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vorbehält. Obgleich das rechtliche Eigentum hier noch bei E verbleibt, erlangt K bereits die Verfügungsmacht über die HiFi-Anlage, d. h. die Lieferung von E an K wird bereits mit der Übergabe der Anlage an Kausgeführt.

Eine Lieferung nach § 3 I UStG liegt nur vor, wenn die Verfügungsrnacht an einem Gegenstand verschafft wird, d. h. geliefert werden können überhaupt nur Gegenstände. Anders als im Zivilrecht sind das in erster Linie körperliche Gegenstände (Sachen) im Sinne von § 90 BGB, z. B. Waren, Maschinen, Grundstücke. Liefergegenstand können aber auch Sachgesamtheiten sein oder solche Wirtschaftsgüter, die im Wirt-

33

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

schaftsverkehr wie körperliche Sachen behandelt werden, z. B. elektrischer Strom, Wärme, Wasserkraft, Firmenwert und Kundenstamm (A 24 I UStR). Rechte und Forderungen sind dagegen keine Gegenstände, die im Rahmen von Lieferungen übertragen werden können; ihre Übertragung stellt immer eine sonstige Leistung dar. Hierin weicht das UStG vom Gegenstandsbegriff des Zivilrechts ab, der neben den Sachen eben auch Forderungen und sonstige Rechte umfasst.

2.1.2.1.2 (a)

Besondere Arten der Lieferung

Fragen der persönlichen Zurechnung

Eine Lieferung ist nur dann steuerbar, wenn sie im Rahmen eines Leistungsaustauschs (s.u.) ausgeführt wird. Notwendig erforderlich sind zwei beteiligte Rechtspersonen in Gestalt eines Leistenden und eines Leistungsempfängers, von denen der erste Unternehmer sein muss und als solcher dem zweiten die Verfügungsrnacht über einen Gegenstand verschafft. Dabei können insgesamt vier Personen einbezogen sein/ denn sowohl auf Seiten des Leistenden als auch auf Seiten seines Abnehmers kommt zusätzlich jeweils auch die Einschaltung eines Dritten in Betracht, ohne dass hierdurch die umsatzsteuerliche Leistungsbeziehung zwischen dem Leistenden und dem Abnehmer berührt würde (so ausdrücklich § 3 I UStG). Grundsätzliche Voraussetzung für die Zurechnung der Lieferung beim Leistenden ist aber stets/ dass er gegenüber dem Abnehmer im eigenen Namen auftritt. Gleichwohl kann ein Unternehmer in der Realität natürlich auch in fremdem Namen nach außen auftreten. Insgesamt müssen deshalb bei der umsatzsteuerliehen Beurteilung des Handelns eines Unternehmers die folgenden vier möglichen Fälle unterschieden werden:

Abbildung2-2:

34

Besondere Lieferungsarten durchpersönliche Zurechnung(Überblick) Handeln im eisenen Namen

Handeln im fremden Namen

für eigene Rechnung

Eigenhandel ("Grundfall")

Eigenhandel

für fremde Rechnung

Kommissionsgeschäft

Agenturgeschäft

Steuerbarkeit

Tritt ein Unternehmer im eigenen Namen auf und handelt er zudem auf eigene Rechnung (Eigenhandel), so bezeichnet dies den Grundfall des sog. Eigenhandels. Die auf diese Weise erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen sind dem leistenden Unternehmer ohne Zweifel als eigene Umsätze zuzurechnen. Für die Beurteilung der Frage, ob nun im eigenen oder fremden Namen gehandelt wird, ist dabei allein das Außenverhältnis zum jeweiligen Leistungsempfänger maßgebend. Denn das UStG knüpft insoweit grundsätzlich an die zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen an. Und zivilrechtlich wird als Vertragspartner derjenige verpflichtet, der nach Außen eine Willenserklärung abgibt und dabei nicht erkennen lässt, dass er für einen anderen als dessen Vertreter zu handeln beabsichtigt (§ 164 II BGB). Wer also als Unternehmer nach Außen im eigenen Namen und für eigene Rechnung auftritt und daher zivilrechtlich als Leistender angesehen wird, ist damit regelmäßig auch Leistender im Sinne des UStG.

Beispiel: A ist Inhaber eines Geschäfts für italienische Schuhmoden. Mit dem

Verkauf von Schuhen durch ihn selbst oder auch durch einen seiner unselbständigen Angestellten handelt A als Unternehmer regelmäßig im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Denn wer im eigenen Laden Waren verkauft, soll umsatzsteuerlich grundsätzlich als Eigenhändler anzusehen sein. Wer rechtmäßig im fremden Namen für eigene Rechnung Leistungen erbringt, tut dies wirtschaftlich als Unternehmer und ist deshalb insoweit nicht als Agent, sondern als Eigenhändler tätig. Dies gilt gleichermaßen für den Fall, dass jemand fälschlich unter Verwendung eines fremden Namens für eigene Rechnung tätig wird.

i) Kommissionsgeschäft Leistungen, die im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen erbracht werden, finden sich in ihrer umsatzsteuerliehen Behandlung weder umfassend noch einheitlich geregelt. Aus dem Bereich der Lieferungen greift das UStG den Fall des sog. Kommissionsgeschäfts auf. Hierbei übernimmt es der Kommissionär, Waren (oder Wertpapiere) für Rechnung des Kommittenten im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen (Einkaufs- und Verkaufskommission, § 383 HGB). Zivilrechtlich liegt darin lediglich eine Geschäftsbesorgung des Kommissionärs, die er gegenüber dem Kommittenten erbringt. Das UStG sieht die Leistungsbeziehung zwischen Kommittent und Kommissionär demgegenüber aber als Lieferung (§ 3 III UStG), d. h. der Charakter der Geschäftsbesorgung bleibt für Zwecke der USt insoweit unbeachtlich, statt dessen wird der Kommissionär quasi wie ein Zwischenhändler in die Lieferkette zwischen

35

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Kommittent und Verkäufer bzw. Käufer eingeschaltet. Aus umsatzsteuerlicher Sicht stellen sich die möglichen Fälle von Einkaufs- und Verkaufskommission damit wie folgt dar:

Abbildung2-3:

Kommissionsgeschäft

E'inkaufskommission

~

Anllebot BesteIIunIl

Verkäufer

Kommissionär

l~mmiSSiO!\

l\r vertrag

Zahlunll

Lieferung (§ 3 I UStG)

I

Lager

i

~F············· .~ Fingierte Lieferun

Kommittent (Kunde)

(§3 111 UStG)

Verkaufskommission

~mmissio!\

~

Anllebot

Kommissionär

BesteIIunIl

Kommittentl\r vertrag-v ••••••••••••• ·n~ Fingierte Lieferung (§3 111 UStG)

Zahlunlz

Lager

Kunde

I

I

Lieferung (§ 3 I UStG)

Beispiel: Kommissionär K hat von seinem Auftraggeber A (Kommittent) eine antike Skulptur übernommen, um sie für dessen Rechnung im eigenen Namen an den Abnehmer B zu verkaufen. Mit der Übergabe der Skulptur an B wird umsatzsteuerlich nicht nur eine Lieferung des Kommissionärs verwirklicht; nach § 3 111 UStG findet zugleich auch eine (fingierte) Lieferung von A (Kommittent) an den Kommissionär statt. Der Zeitpunkt und der Ort dieser (fingierten) Lieferung werden grundsätzlich durch die logisch nachfolgende Lieferung des Kommissionsguts an den Abnehmer bestimmt.

36

Steuerbarkeit

Nach ihrem Wortlaut bleibt die Vorschrift des § 3 III UStG auf Lieferungen beschränkt, für den Bereich der sonstigen Leistung kann sie daher keine direkte Anwendung finden. Jedoch kann ein Unternehmer auch bei der Erbringung sonstiger Leistungen eine Mittelsperson in die Leistungskette einschalten, die im eigenen Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers Leistungen ausführt (Leistungskommission). Der Fall der Leistungskommission ist in § 3XI UStG einheitlich geregelt worden. Vgl. hierzu den Abschnitt zu sonstigen Leistungen. ii)

Agenturgeschäft (Echte und unechte Agentur)

Wer als Unternehmer im fremden Namen und für fremde Rechnung Leistungen erbringt, wird insoweit lediglich als Agent bzw. Vermittler tätig (sog. Agenturgeschäfte). D. h. er tritt seinerseits nicht in Leistungsbeziehungen zum Vertragspartner seines Auftraggebers. Insbesondere ist er nicht derjenige, durch den die Verfügungsrnacht an einem Liefergegenstand verschafft wird; er erbringt also keinesfalls eine Lieferung. Die Leistung des Agenten beschränkt sich vielmehr auf eine reine (sonstige) Vermittlungsleistung an den jeweiligen Auftraggeber. Gegenstand der Vermittlung ist dabei die Leistung zwischen dem Auftraggeber und seinem Vertragspartner (Dritter), die hierdurch unmittelbar in eine Leistungsbeziehung zueinander treten. Nur einer dieser beiden (hier der Auftraggeber) kann deshalb auch als Leistender hinsichtlich der vermittelten Leistung in Betracht kommen.

Abbildung 2-4:

Agenturgeschäjt

Echte(s) Agentur(geschäft) Vermittelte Lieferung/ sonst.

Unternehmer (Auftraggeber)

-,

:e..

Entgelt: •••••••••••

Dritter

tetstung

.

.........

....

r••m •• ittlungsleistung

./ Keine .'/Leistungsbeziehung

nur rovision

.......:.

Agent (Vermittler)

..... ...

37

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Keinesfalls wird die vermittelte Leistung hingegen durch den Agenten selbst erbracht. Daher kann sie diesem auch niemals zuzurechnen sein. Seine Leistung besteht allein in der Vermittlung des Umsatzes. Das gilt auch dann, wenn sich der Agent nicht auf die reine Vermittlungstätigkeit beschränkt, sondern faktisch auch in den Leistungsvollzug eingeschaltet wird.

Beispiel: P ist Pächter einer Tankstelle, an der er im Namen und für Rechnung der Mineralölgesellschaft M Treibstoff an seine Kundschaft veräußert. Faktisch ist zweifellos P Lieferer des Treibstoffs. Zivilrechtlich und nach Maßgabe des UStG handelt es sich allerdings um Lieferungen der Mineralölgesellschaft M, denn P wird in deren Namen und für deren Rechnung als Agent tätig.

Beispiel: Gebrauchtwagenhändler G übernimmt einen gebrauchten Pkw vom Privatmann P, um ihn anschließend in dessen Namen und für dessen Rechnung an einen Abnehmer A zu verkaufen. Lieferer des Pkw für Zwecke der uSt ist hier der Privatmann P. Daneben wird von Seiten des Gebrauchtwagenhändlers G eine Vermittlungsleistung erbracht, für die er als Entgelt eine Provision erhält.

Die umsatzsteuerliche Einordnung einer Leistung als Vermittlungsleistung macht allerdings insbesondere deren Abgrenzung vom sog. Eigenhandel erforderlich. Ob jemand im eigenen oder fremden Namen auftritt, ist nach den Leistungsbeziehungen zwischen den Beteiligten zu beurteilen (A 26 I UStR). Maßgebend für die Bestimmung der umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehungen ist dabei grundsätzlich das Außenverhältnis. Denn das UStG folgt hier dem Zivilrecht, wo das Vorliegen einer Vermittlungsleistung davon abhängig gemacht wird, dass der Vertreter (Vermittler) nach außen eine Willenserklärung erkennbar im Namen des Vertretenen abgibt (§ 164 I BGB). Dementsprechend muss dem Leistungsempfänger beim Abschluss des Umsatzgeschäfts nach den Umständen des Falles bekannt sein, dass er zu einem Dritten (dem Vertretenen) - und nicht zum Vermittler - in unmittelbare Rechtsbeziehungen tritt. Der Leistungsempfänger muss den Vertretenen vom Grundsatz her namentlich kennen. Ist dies nicht der Fall, so wird eine Vermittlungsleistung nicht anerkannt und der Vertreter handelt im eigenen Namen (Unechte Agentur).

38

Steuerbarkeit

Abbildung 2-5:

Agenturgeschäft

Unechte(s) Agentur(geschäft) Kaufvertrag •........................................

Nichtunternehmer

Dritter/ Kunde

•.............. Agenturvertrag •••• ••••••••••••• , - - - - - - - - - , J

Gegenleistung= Kaufpreis

Unechter Agent

Die wirtschaftliche Bedeutung bloßer Agenturgeschäfte wird vor allem dort deutlich, wo in eine mögliche Leistungskette auch Beteiligte ohne Berechtigung zum Vorsteuerabzug (insbesondere Privatleute) eingebunden sind. Durch den Weg über die Agentur werden hier steuerliche Kummulationswirkungen vermieden, die andernfalls eintreten müssen, sobald nur dem Leistenden ohne Vorsteuerabzugsrecht in der Leistungskette ein unternehmerischer Eigenhändler nachfolgt. Besondere praktische Relevanz hatte die Abgrenzung zwischen Eigenhandel und Agenturgeschäft daher bisher insbesondere für den Bereich des Gebrauchtwagenhandels (siehe A 26 11 UStR).

Beispiel: Privatmann P verkauft seinen gebrauchten PKW an den Gebrauchtwagenhändler G. G veräußert das Fahrzeug später an einen anderen privaten Abnehmer A. Als Privatmann erbringt P hier keine steuerbare Lieferung im Sinne des uStG an G. Er ist nicht zum Steuerausweis berechtigt, so dass hat der Gebrauchtwagenhändler G auch keine Möglichkeit zum Vorsteuerabzug zusteht, da er nicht von einem Untemehmer erworben hat. Mit der Weiterveräußerung an A erbringt G als Unternehmer aber sehr wohl eine steuerbare Lieferung und muss deshalb selbstverständlich auch USt ausweisen. Damit erhält A ein Fahrzeug, das letztlich zweifach mit USt belastet ist {denn die Umsatzsteuer, die P seinerseits beim Ersterwerb für das Fahrzeug bezahlt hatte, konnte nicht als Vorsteuer abgezogen werden, jedoch löst der Verkauf durch G erneut USt aus.

39

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Um eine erneute volle Belastung mit USt zu vermeiden, übernimmt der Gebrauchtwagenhändler G den gebrauchten Pkw von Privatmann P nur in Agentur. D. h. die anschließende Veräußerung an den privaten Abnehmer A erfolgt im Namen und für Rechnung von P. Hier geht die Verfügungsmacht über den Pkw unmittelbar von P auf A über. Gleichwohl erbringt P damit keine steuerbare Lieferung im Sinne des uStG; als Privatmann ist er nicht zum Steuerausweis berechtigt. Der Gebrauchtwagenhändler G erlangt hier zu keiner Zeit die Verfügungsrnacht über den Pkw. Seine Leistung beschränkt sich auf eine reine (sonstige) Vermittlungsleistung an P und unterliegt als solche der uSt. Auf diese Weise kann der Kumulationseffekt vermieden werden, den ein Auftreten von G als Eigenhändler zwangsläufig zur Folge haben muss (s.o.). Der Berechnung von USt liegt hier allein die Provisionszahlung von P an G zugrunde.

Inzwischen ist allerdings zu beobachten, dass die Agenturgeschäfte ihre Bedeutung für die Praxis weitgehend eingebüßt haben. Denn mit Wirkung vom 01.07.1990hat der Gesetzgeber zunächst nur für den Bereich des Gebrauchtwagenhandels die Möglichkeit der sog. Differenzbesteuerung eingeführt. Danach soll der Wiederverkäufer unter bestimmten Voraussetzungen nur den Unterschiedsbetrag zwischen Einkaufsund Verkaufspreis der Steuerberechnung zugrunde zu legen haben. Auf diese Weise wird nur der entstandene Mehrwert der USt unterworfen, womit die unerwünschte steuerliche Kumulationswirkung entfällt. Hierdurch mussten die auf eben diesen Effekt ausgerichteten Agenturgeschäfte zwangsläufig an Bedeutung verlieren. Dies gilt umso mehr, als die Differenzbesteuerung seit dem 01.01.1995 nunmehr allgemein für den Handel mit beweglichen körperlichen Gegenständen (Gebrauchtgegenständen) zur Anwendung kommt (§ 25a UStG).

(b)

Reihengeschäft

Unter dem Begriff des Reihengeschäfts versteht man solche wirtschaftlichen Vorgänge, bei denen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen (Verpflichtungsgeschäfte) und diese dadurch erfüllen (Erfüllungsgeschäfte), dass der erste Unternehmer in der Reihe unmittelbar dem letzten Abnehmer die Verfügungsrnacht verschafft.

Beispiel: Abnehmer (A) bestellt bei Unternehmer (U 3) einen Gegenstand. Dieser hat den Gegenstand nicht vorrätig und bestellt ihn bei seinem Lieferanten, dem U 2. Auch U 2 hat den Gegenstand nicht auf Lager und muss entsprechend bei seinem Lieferanten, dem U 1 bestellen. Um erhöhte Transportkosten zu vermeiden, wird vereinbart, dass U 1 direkt an den Abnehmer (A) liefern soll. Aus umsatzsteuerlicher Sicht stellt sich die Frage, ob durch die Warenbewegung von U 1 an A lediglich eine Lieferung oder mehrere Lieferungen vorliegen. Wenn nur eine Lieferung vorläge, müsste geklärt werden, zwischen wem eine Lieferung erfolgt ist. Obwohl tatsächlich nur

40

Steuerbarkeit

eine Warenbewegung stattgefunden hat, liefert aus umsatzsteuerlicher Sicht jeder Untemehmer in der Reihe an seinen Vertragspartner. Mithin liegen insgesamt drei Lieferungen vor. Dies ergibt sich aus der Grundregel des § 3 I UStG. Wenn demnach der Abnehmer A bei U 3 gekauft hat, dieser wiederum bei U 2 und U 2 wiederum bei U 1 so ergibt sich nach § 3 I UStG dass U 3 an A geliefert hat, denn im Auftrag von U 3 erhält A von U 1 (Dritter) die Verfügungsmacht verschafft. Femer liefert U 1 an den U 2 und dieser an U 3, denn U 1 befähigt im Auftrag seines Abnehmers (U 2) und U 2 im Auftrage seines Abnehmers U 3 den A (einen Dritten) über den Gegenstand zu verfügen

(c)

Rücklieferung, Rückgängigmachung, Rückgabe und Umtausch

Immer dann, wenn ein Lieferungsempfänger den gelieferten Gegenstand an den Lieferer zurückgibt, ergeben sich umsatzsteuerlich zwei Einordnungsmöglichkeiten. Einerseits kann es sich um eine neue Lieferung an den ursprünglichen Lieferer handeln (=Rücklieferung), andererseits kann die erste Lieferung aber auch lediglich aufgehoben (=Rückgängigmachung) werden. Gedanklich führt dies im ersten Fall dazu, dass die ursprüngliche Lieferung im vollen Umfang erhalten bleibt, und die Rücklieferung mithin eine umsatzsteuerlich eigenständig zu beurteilende (neue) Lieferung darstellt. Im zweiten Fall soll das der ursprünglichen Lieferung zugrundeliegende Kausalgeschäft aufgehoben werden und mit ihm die gegenseitig gewährten Leistungen rückgängig gemacht werden.

Beispiel: Der Antiquitätenhändler A verkauft dem Rechtsanwalt R eine antike Kommode für 2.000 €. Einen Monat später bietet ein Steuerberater dem A 4.000 € für die Kommode, die er bei A einen Monat zuvor im Schaufenster gesehen hatte. A setzt sich mit R in Verbindung und kauft die Kommode für 2.500 € zurück. Hier liegen zwei selbständige Lieferungen vor, nämlich einerseits die Lieferung des A an R und andererseits die Rücklieferung des R an A.

Beispiel: Privatmann P kauft bei Autoverkäufer A einen PKW für 20.000 €. Der Wagen weist erhebliche Mängel auf, die den P zur Wandlung (Rückgängigmachung) des Kaufvertrages berechtigen. Im Rahmen der Rückgängigmachung gibt der P den PKW zurück an den A. In diesem "Zurückgeben" liegt lediglich eine Rückgängigmachung, die umsatzsteuerlich keine neue Lieferung darstellt; vielmehr wird hier die erste Lieferung lediglich annulliert. Wird der ursprüngliche Liefergegenstand gegen einen anderen unter Rückgabe des ersten ausgetauscht, ohne dass das ursprüngliche Kausalgeschäft (z. B. Kaufvertrag) rückgängig gemacht wird, so liegt eine Rückgängigmachung der Erstlieferung vor, die auch als Umtausch bezeichnet wird.

41

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Das Kaufhaus K verkauft dem Geschäftsmann G ein braunes Kaffeeservice für 2.500 €, weIches G seiner guten Geschäftsfreundin F schenken möchte. Es stellt sich heraus, dass F bereits ein braunes Kaffeeservice besitzt. Gerne würde sie aber noch ein blaues besitzen. Wenn das Kaufhaus K nun bereit ist, das braune Kaffeeservice in ein blaues umzutauschen, wird das ursprüngliche Kausalgeschäft nicht rückgängig gemacht. Es liegt somit begrifflich ein Umtausch vor, der umsatzsteuerlich zu keinen Auswirkungen führt. Die behandelten Sachverhalte sind vom .Tausch", .tauschähnüchern Umsatz", "Austausch" und von der .Umtauschmüllerei" zu unterscheiden. Vgl. hierzu die späteren Ausführungen.

2.1.2.2

Sonstige Leistungen

2.1.2.2.1

Abgrenzung zur Lieferung

Leistungen, die nicht als Lieferungen qualifiziert werden können, werden im Umsatzsteuerrecht als sonstige Leistungen bezeichnet. § 3 IX UStG (Definitionsnorm) stellt ausdrücklich klar, dass sonstige Leistungen auch in einem Dulden oder Unterlassen einer Handlung oder eines Zustandes bestehen können. Jedes willentliche, positive oder negative Verhalten (Tun) eines Unternehmers ist daher eine sonstige Leistung, wenn die Leistung nicht in der Verschaffung der Verfügungsmacht über einen Gegenstand besteht.

Abbildung2-6:

Arten sonstiger Leistungen

Sonstige Leistung

Duldung

. t

...................................................................................

i ~

t

Sofern die Leistung nicht in der Verschaffung der Verfügungsmacht

~.~~~.~!~.~~..9.~.~~~.~!~.~~ . ?~~.~~~!

i ~

1

~

.:

Die Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen ist hauptsächlich von Bedeutung für die Bestimmung des Ortes der Leistung, weil hier entweder die §§ 3 Va LY.m. §§ 3c, 3e, 3f, 3g UStG bzw.3 VI-VIII, (für Lieferungen) oder die §§ 3a, 3b, 3f UStG (für sonstige Leistungen) zur Anwendung kommen. 42

Steuerbarkeit

2.1.2.2.2

Fallgruppen sonstiger Leistungen

Bei all denjenigen Leistungen, die keinen körperlichen Gegenstand zum Inhalt haben, liegt eindeutig eine sonstige Leistung vor (§ 1 I Nr. 12. Alt. i.V.m. § 3 IX UStG).

Beispiel: Der Pharmakonzern P hat einen neuartigen Wirkstoff gegen eine Alterskrankheit entdeckt (Patent) und erforscht, kann aber die große Nachfrage nach diesem Produkt nicht durch eigene Produktionskapazitäten decken. Er vergibt deshalb eine Lizenz an den Generikahersteller G, der über entsprechende Produktionskapazitäten verfügt. Die Lizenzvergabe stellt eine sonstige Leistung dar. Gleiches gilt für die Überlassung von Urheberrechten, die Abtretung von Forderungen, die Übertragung von Gesellschaftsrechten und teilweise für die Schuldübernahme (Übernahme von Verbindlichkeiten). Werden hingegen Leistungen erbracht, die sich auf einen körperlichen Gegenstand beziehen, kommt es darauf an, ob dem Leistungsempfänger der Gegenstand entweder endgültig zur Verfügung gestellt wird oder er zumindest darüber im eigenen Namen verfügen darf (Lieferung) oder ob ihm hingegen nur eine zeitweise Nutzung des Gegenstandes gestattet ist (sonstige Leistung). Typische Beispiele für sonstige Leistungen sind: •

Vermietung von Gegenständen (=Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt (Mietzahlung))

•

Verpachtung von Gegenständen (Gegenstandsüberlassung zum Gebrauch und zur Nutzenziehung gegen Entgelt (Pacht))

•

Darlehensgewährung (=Kapitalüberlassung gegen Entgelt (Zins))

Ferner liegen sonstige Leistungen bei reiner Erbringung einer Dienstleistung vor: •

Dienstleistungen eines Selbständigen (Honorar/Gebühr)

•

Vermittlungsleistungen von Handelsvertretern bzw. Maklern (Provisionen/ Courtage, Prämie)

•

Spediteurleistungen

•

Beförderungsleistungen

•

Werkleistungen (Abgrenzung zur Werklieferung s. u.)

Eine besondere Art der Leistung stellt die mit Steueränderungsgesetz 2003 gesetzlich normierte (Dienst-)Leistungskommission gem. § 3 XI UStG dar. Die seit 1.1.2004 geltende Fassung regelt sowohl die Leistungseinkaufs- als auch die Leistungsverkaufskommission in gleicher Weise und damit unabhängig davon, ob die Erbringung einer sonstigen Leistung (Leistungsverkauf) oder ihr Beschaffen (Leistungseinkauf) in Auftrag gegeben wird. Der Fall eines Leistungsverkaufs ist gegeben, wenn ein von einem Auftraggeber bei der Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschalteter Unternehmer (Auftragnehmer) für Rechnung des Auftraggebers im eigenen Namen eine sonstige Leistung an einen Dritten erbringt. Bei einem Leistungseinkauf handelt es sich um Fälle, in denen ein von einem Auftraggeber bei der Beschaffung einer sonstigen Leistung eingeschal43

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

teter Unternehmer (Auftragnehmer) für Rechnung des Auftraggebers im eigenen Namen eine sonstige Leistung durch einen Dritten erbringen lässt. Die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von Leistungseinkauf und -verkauf führt, entsprechend der Regelung in § 3 III, dazu, dass die (zivilrechtliche) Geschäftsbesorgung der Mittelsperson an den Auftraggeber für umsatzsteuerliche Zwecke negiert und stattdessen eine Leistungskette fingiert wird, die vom Auftraggeber zur Mittelsperson und von dieser zum Empfänger der Leistung geht.1 Damit wird der Auftragnehmer im Rahmen der Dienstleistungskommission als Leistungsempfänger und zugleich als Leistender behandelt. Er erbringt im Rahmen einer Dienstleistungkommission nicht noch eine Vermittlungsleistung und kann über die zivilrechtlich vereinbarte Geschäftsbesorgung keine Rechnung mit gesonderter Umsatzsteuer erteilen. Die beiden Leistungen, d. h. die an den Auftragnehmer erbrachte und die von ihm ausgeführte Leistung werden bezüglich ihres Leistungsinhalts gleich behandelt und beide Leistungen werden zum selben Zeitpunkt erbracht. Darüber hinaus ist jedoch jede der beiden Leistungen unter Berücksichtigung der Leistungsbeziehung gesondert nach den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuergesetzes zu beurteilen. Folglich sind personenbezogene Merkmale der an der Leistungskette Beteiligten weiterhin für jede Leistung innerhalb einer Dienstleistungskommission gesondert in die umsatzsteuerliche Beurteilung einzubeziehen.

Abbildung2-7:

Leistungskommission

Leistungseinkaufskommission KommiSSions-I vertrag

Kommittent (Auftraggeber)

..................... (Besorgungsleistung)

Sonstige Leistung

Kommissionär (Auftragnehmer)

Sonstige Leistung

Dritter (Kunde)

Leistungsverkaufskommission KommiSSions-I vertrag

Kommittent (Auftralllleber)

..................... (Besorgungsleistung)

Sonstige Leistung

44

Kommissionär (Auftragnehmer)

Sonstige Leistung

Dritter (Kunde)

Steuerbarkeit

Beispiel: Der Spediteur S aus Köln besorgt für den in Dortmund ansässigen Unternehmer U im eigenen Namen und für Rechnung des U die Beförderung eines Gegenstandes von Frankfurt nach Köln. Die Beförderungsleistung besorgt der Unternehmer Taus Bonn. Da S in die Erbringung einer Beförderungsleistung eingeschaltet wird und dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht. Im Rahmen dieser fingierten Leistungskette erbringt somit T an S eine steuerpflichtige Beförderungsleistung (§ 3b UStG). Gleichzeitig hat auch S gegenüber U eine steuerpflichtige Beförderungsleistung abzurechnen. Die zivilrechtlich vereinbarte Geschäftsbesorgungsleistung ist umsatzsteuerlich unbeachtlich.

Beispiel: Der Kölner Eigentümer E eines Ferienhauses im Schwarzwald beauftragt den in Düsseldorf ansässigen Verwalter V im eigenen Namen und für Rechnung des E, Mieter für kurzfristige Ferienaufenthalte in seinem Ferienhaus zu besorgen. Da V in die Erbringung sonstiger Leistungen (kurzfristige - steuerpflichtige - Vermietungsleistungen gem. § 4 Nr. 12 S. 2 UStG) eingeschaltet wird und dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt, gelten die Leistungen als an ihn und von ihm erbracht (fingierte Leistungskette). Die Vermietungsleistungen des E an den V sind im Inland steuerbar und als kurzfristige Vermietungsleistungen steuerpflichtig. Gleichzeitig hat V gegenüber den Mietern steuerpflichtige Vermietungsleistungen abzurechnen. Wie auch bei der Leistungseinkaufskommission bleibt die zwischen E und V vereinbarte Geschäftsbesorgungsleistung umsatzsteuerlich unbeachtlich.

2.1.2.3

Abgrenzungsregeln bei gemischten Leistungen

Abgrenzungsprobleme treten regelmäßig dort auf, wo bei einer einheitlichen Leistung körperliche Gegenstände eine Rolle spielen (z. B. Zeichnungen, Pläne, Skizzen), zugleich aber auch die Leistungselemente einer sonstigen (insbesondere geistigen) Leistung erfüllt sind. Entscheidend ist hier das Überwiegen des einen oder anderen Leistungsteils (vgl. auch A 25 UStR).

Beispiel: Inanspruchnahme einer Architektenleistung. Obwohl der Leistungsempfänger als Ergebnis der Architektenleistung i. A. ein Stück Papier mit einer Zeichnung (=körperlicher Gegenstand) erhält, handelt es sich bei der Architektenleistung um eine sonstige Leistung, da die Erbringung der geistigen (Planungs)Leistung überwiegt.

45

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Beim Kauf eines Buches liegt trotz der überwiegend geistigen Leistung (Inhalt des Buches) des Autors eine Lieferung (Verschaffungder Verfügungsmacht an einem körperlichen Gegenstand) vor.

Beispiel: Die Erstellung von Individualsoflware stellt eine sonstige Leistung dar, während der Kauf von Standardsoflware auf Datenträgem (z. B. auf CDROM,Diskette) als Lieferung angesehen wird. Wird die Standardsoflware dagegen auf elektronischem Weg übertragen (z. B. als Download aus dem Intemet), liegt nach Auffassung des Europäischen Richtliniengebers und der deutschen Finanzverwaltung stets eine sonstige Leistung vor (vgl. A 25 11 Nr. 7 UStR).

Beispiel: Die Überlassung sendefertiger Filme durch einen Filmhersteller - sog. Auftragsfertigung - stellt ebenfalls eine sonstige Leistung dar (A 25 11 Nr. 8 UStR).

Offensichtlich muss daher auch der Frage nach dem Umfang bzw. Schwerpunkt einzelner Leistungen, d, h. also nach der Abgrenzung von Leistungseinheiten, erhebliche Bedeutung zukommen (so z. B. für die Bestimmung von Ort und Zeitpunkt einer Leistung sowie für die Anwendung von Steuerbefreiungen und Steuersätzen). Grundsätzlich ist jeder Leistungsgegenstand selbständig zu beurteilen; mehrere Leistungsgegenstände führen zu mehreren Leistungen. Was dabei den Gegenstand der Leistung im Rahmen des Leistungsaustauschs ausmacht, ist grundsätzlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang darf umsatzsteuerlich nicht in mehrere Leistungen aufgeteilt werden (Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung A 29 I UStR). Das führt dazu, dass Vorgänge, die bürgerlichrechtlich selbständig und je für sich betrachtet werden, umsatzsteuerlich als ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang zu behandeln sind, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören und ein unteilbares Ganzes bilden. Es können dabei verschiedene Fallgruppen gebildet werden, die im Folgenden näher beschrieben werden.

Beispiel: Ein Bauunternehmer erhält den Auftrag, ein Haus zu errichten. Er muss dazu Steine, Zement und anderes Baumaterial liefern, Arbeitsleistungen verschiedenster Art erbringen, Beförderungen ausführen usw. Gleichwohl handelt es sich hierbei um eine einheitliche Leistung (Werklieferung), denn Gegenstand des Leistungsaustauschs ist ausdrücklich die Erstellung eines fertigen Hauses.

46

Steuerbarkeit

Der Grundsatz von der Einheitlichkeit der Leistung ist auch als das Prinzip vom Primat der HaupUeistung bekannt. Unselbständige Nebenleistungen teilen danach umsatzsteuerlich das Schicksal der Hauptleistung. d. h. sie gehen in der durch die HauptIeistung geprägten Leistungseinheit unter (A 29 rn UStR). Das gilt auch dann, wenn für die Nebenleistung ein besonderes Entgelt verlangt und entrichtet wird. Leistungen sind grundsätzlich dann als Nebenleistungen zu einer Hauptleistung einzuordnen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich, d. h. von wirtschaftlich unterge-

ordneter Bedeutung sind, •

mit der Hauptleistung in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhangstehen, diese abrunden und ergänzen und üblicherweise im Gefolge der Hauptleistung vorkommen.

Beispiel: Die Inhaberin einer Pension vermietet an Feriengäste Zimmer mit Frühstück. Die Lieferung des Frühstücks ist der Zimmervermietung zuzurechnen und teilt damit deren Schicksal. Damit liegt im Ergebnis eine sonstige Leistung in Form einer Vermietungsleistung vor.

Beispiel: Ein Gemüsegroßhändler befördert sein Gemüse an bestimmte Abnehmer und stellt diesen dafür zusätzlich Transportkosten in Rechnung. Die Beförderungsleistung hat gegenüber der Gemüselieferung nur eine untergeordnete, die Hauptleistung ergänzende Funktion. Sie ist daher als Teil der Lieferung des Gemüses anzusehen.

Als typische Nebenleistung kommt insbesondere auch die Kreditgewährung im Zusammenhang mit anderen Umsätzen in Betracht. Das gilt aber nur so lange, wie nicht eine eindeutige Trennung zwischen dem Kreditgeschäft und der anderen Lieferung oder sonstigen Leistung vorliegt. Ist das aber der Fall, so ist die Kreditgewährung nicht länger als unselbständige Nebenleistung. sondern vielmehr als eine gesonderte, selbständige Kreditleistung anzusehen, die nach § 4 Nr. 8a UStG steuerfrei ist (A 29a 11 UStR). Ein Beispiel hierfür sind insbesondere die Abzahlungsgeschäfte, bei denen der Verkäufer grundsätzlich zwei gesonderte Leistungen erbringt, nämlich einerseits die Warenlieferung und andererseits die Bewilligung der Teilzahlung gegen jeweils gesondert berechnetes Entgelt (A 29a I UStR).

47

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: A liefert an Beine Computeranlage für 60.000 €. Der Kaufpreis soll am 30.06. fällig sein. A und B haben jedoch vertraglich vereinbart, dass B den Kaufpreis erst am 31.12. entrichten muss, wenn er dafür unter Zugrundelegung eines Jahreszinssatzes von 9 v.H. Zinsen in Höhe von 2.700 € zahlt. Die Kreditgewährung ist hier eine selbständige sonstige Leistung und als solche steuerfrei nach § 4 Nr. 8a) UStG.

Der Grundsatz von der Einheitlichkeit der Leistung ist auch als das Prinzip vom Primat der Hauptleistung bekannt. Unselbständige Nebenleistungen teilen danach umsatzsteuerlich das Schicksal der Hauptleistung, d. h. sie gehen in der durch die Hauptleistung geprägten Leistungseinheit unter (A 29 III UStR). Das gilt auch dann, wenn für die Nebenleistung ein besonderes Entgelt verlangt und entrichtet wird. Leistungen sind grundsätzlich dann als Nebenleistungen zu einer Hauptleistung einzuordnen, wenn sie •

im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich, d. h. von wirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sind,

•

mit der Hauptleistung in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhangstehen, diese abrunden und ergänzen und

•

üblicherweise im Gefolge der Hauptleistung vorkommen.

Beispiel: Die Inhaberin einer Pension vermietet an Feriengäste Zimmer mit Frühstück. Die Lieferung des Frühstücks ist der Zimmervermietung zuzurechnen und teilt damit deren Schicksal. Damit liegt im Ergebnis eine sonstige Leistung in Form einer Vermietungsleistung vor.

Beispiel: Ein Gemüsegroßhändler befördert sein Gemüse an bestimmte Abnehmer und stellt diesen dafür zusätzlich Transportkosten in Rechnung. Die Beförderungsleistung hat gegenüber der Gemüselieferung nur eine untergeordnete, die Hauptleistung ergänzende Funktion. Sie ist daher als Teil der Lieferung des Gemüses anzusehen.

Als typische Nebenleistung kommt insbesondere auch die Kreditgewährung im Zusammenhang mit anderen Umsätzen in Betracht. Das gilt aber nur so lange, wie nicht eine eindeutige Trennung zwischen dem Kreditgeschäft und der anderen Lieferung oder sonstigen Leistung vorliegt. Ist das aber der Fall, so ist die Kreditgewährung nicht länger als unselbständige Nebenleistung, sondern vielmehr als eine gesonderte, 48

Steuerbarkeit

selbständige Kreditleistung anzusehen, die nach § 4 Nr. 8a UStG steuerfrei ist (A 29a 11 UStR). Ein Beispiel hierfür sind insbesondere die Abzahlungsgeschäfte, bei denen der Verkäufer grundsätzlich zwei gesonderte Leistungen erbringt, nämlich einerseits die Warenlieferung und andererseits die Bewilligung der Teilzahlung gegen jeweils gesondert berechnetes Entgelt (A 29a I UStR).

Beispiel: A liefert an Beine Computeranlage für 60.000 €. Der Kaufpreis soll am 30.06. fällig sein. A und B haben jedoch vertraglich vereinbart, dass B den Kaufpreis erst am 31.12. entrichten muss, wenn er dafür unter Zugrundelegung eines Jahreszinssatzes von 9 v.H. Zinsen in Höhe von 2.700 € zahlt. Die Kreditgewährung ist hier eine selbständige sonstige Leistung und als solche steuerfrei nach § 4 Nr. 8a) UStG.

Beispiel: C liefert an D Ware für 5.000 €, zahlbar nach 6 Wochen. Bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen soll sich der Kaufpreis vereinbarungsgemäß um 3 v.H. mindern (Skonto). D nimmt den Preisnachlass nicht in Anspruch, sondern zahlt nach 6 Wochen den vollen Kaufpreis in Höhe von 5.000 €. Die Einräumung des Zahlungsziels mit Preisnachlass bei vorzeitiger Zahlung stellt hier keine selbständige sonstige Leistung in Form einer Kreditgewährung dar (A 29a V UStR).

2.1.2.3.1

Werkvertrag (Werklieferung und Werkleistung)

Vertragsvereinbarungen, die auf die Herstellung eines körperlichen Gegenstandes gerichtet sind, beinhalten i, d. R. sowohl Elemente der Lieferung als auch Elemente sonstiger Leistungen. Die zivilrechtliche Grundlage hierfür bildet der Werkvertrag gern. § 631 bzw. der Werklieferungsvertrag i. S. des § 651 BGB. Das Umsatzsteuergesetz ordnet derartige Leistungen entweder den Lieferungen zu/ wenn es sich um eine Werklieferung i. S. des § 3 IV UStG handelt oder den Werkleistungen (§ 3 X UStG). Eine Werklieferung liegt vor, wenn der Unternehmer die Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierfür Stoffe verwendet, die er selbst beschafft. Allerdings darf es sich bei den beschafften Stoffen nicht um Nebensachen bzw. Zutaten handeln, vielmehr wird verlangt, dass der Unternehmer den verwendeten, bzw. mindestens einen Hauptstoff selbst beschafft. Liefert hingegen der Besteller die Hauptstoffe selbst, liegt seitens des Unternehmers eine Werkleistung vor. Was als Hauptstoff und was als Nebenstoff bzw. Zutat gilt/ entscheidet im Einzelfall die Verkehrsauffassung. Einen Anhaltspunkt für die Einordnung des Stoffes kann hier die Bedeutung des Stoffes für die Werkerstellung liefern (A 27 UStR).

49

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Ein Kunde sucht sich aus dem Stoffangebot eines Polsterers einen Stoff aus, mit dem seine alte Polstergarnitur überzogen werden soll. Hier liefert der Polsterer den Stoff und erbringt gleichzeitig eine sonstige Leistung. Weil er den (Haupt-)Stoff selbst liefert, liegt umsatzsteuerlich eine Werklieferung als Unterfall einer Lieferung vor. Hat sich der Kunde den Polsterstoff hingegen in einem anderen Geschäft besorgt, so liegt eine Werkleistung vor. Unerheblich ist dabei, ob der Polsterer noch eigene (Neben-)Stoffe wie z. B. Garn, Klebstoff, Nägel usw. zur Herstellung verwenden muss.

Beispiel: Der Bauherr B beauftragt den Bauunternehmer U mit der Errichtung eines Mehrfamilienhauses. Es ist vereinbart, dass U sämtliche benötigten Materialien selbst beschafft. In diesem Fall liegt zweifellos eine Werklieferung gem. § 3 IV UStG vor. Stellt B hingegen sämtliche Baumaterialien zur Verfügung, so besteht die Hauptleistung des U lediglich in der Errichtung des Hauses. Umsatzsteuerlich läge dementsprechend eine Werkleistung i. S. des § 3 X UStG vor.

Besteht ein Gegenstand aus einer Vielzahl von Hauptstoffen und wird mindestens einer hiervon vom Werkhersteller beschafft, liegt stets eine Werklieferung vor.

2.1.2.3.2

Leistungsbeistellungen (Materialbeistellungl-gestellung)

Bei der Behandlung von Werklieferungen bzw. Werkleistungen kommt es immer wieder vor, dass der Besteller einen Teil der Hauptstoffe beifügt. Dabei ist einerseits denkbar, dass der Besteller dem Werkunternehmer zunächst die Verfügungsmacht an seinem Teil der Hauptstoffe verschafft (Lieferung) und sich das Produkt nach Bearbeitung zurück liefern lässt (Bruttobetrachtung). Dies dürfte in vielen Fällen jedoch nicht beabsichtigt sein. Vielmehr wird es im Regelfall so sein, dass der Kunde seine Verfügungsmacht über die Gegenstände behält und die Stoffe nur "beistell!". In einem solchen Fall besteht die Leistung des Werkunternehmers allein in der Werklieferung bzw. Werkleistung reduziert um die beigestelIten Stoffe (Nettobetrachtung). Allgemein spricht man daher von einer Leistungsbeistellung. Wird nur ein Teil der Hauptstoffe vom Besteller zur Werkherstellung beigestellt, handelt es sich um eine Materialbeistellung zur Werklieferung. Liefert der Besteller hingegen sämtliche Stoffe selbst, spricht man von einer Materialgestellung zur Werkleistung.

2.1.2.3.3

Tausch und tauschähnliche Umsätze (§ 3 XII UStG)

Grundsätzlich ist für die Erfüllung des Leistungsbegriffes eine Gegenleistung erforderlich, die aber nicht notwendigerweise in Geld bestehen muss. Vielmehr kann die Gegenleistung ihrerseits in einer Lieferung oder in einer sonstigen Leistung bestehen. 50

Steuerbarkeit

Handelt es sich bei der Gegenleistung um eine Lieferung, spricht das UStG von einem Tausch. Gegenleistungen in Form sonstiger Leistungen (bzw. umgekehrt) werden hingegen als tauschähnliche Umsätze bezeichnet (§ 3 XII UStG). Folgende Fallgestaltungen sind daher zu unterscheiden:

Abbildung2-8:

Tausch und tauschähnliche Umsätze

Tausch Leistung besteht in

Leistungserbringer

einer LieferunR ~

Gegenleistung:

.

Leistungsempfänger '----'

Lieferung

Tauschähnlicher Umsatz Leistung besteht in einer Lieferung oder sonst. Leistung

Leistungserbringer

f4 ••••••••••••• ~ •••••••••••••••

Leistungsempfänger

Gegenleistung:

Sonstige Leistung

Beispiel: Ein Kiesbauunternehmer liefert Kies und Sand an eine Betonfabrik. Als Gegenleistung liefert die Betonfabrik fertige (insgesamt gleichwertige) Mauersteine für die Errichtung seines neuen Bürogebäudes.

Beispiel: Steuerberater S erstellt für den Rechtsanwalt R eine Steuererklärung. Als Gegenleistung vertritt ihn R wegen eines Autounfalls vor dem Amtsgericht (Annahme: Beide Leistungen sind gleichwertig).

51

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Einen besonderen Fall stellt der Tausch bzw. tauschähnliche Umsatz mit Baraufgabe dar. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass die Gegenleistung teilweise in Geld und teilweise in einer Lieferung bzw. sonst. Leistung besteht. Diese Fallkonstellation greift regelmäßig dann, wenn die Gegenleistung in Form der Lieferung bzw. sonst. Leistung nicht gleichwertig zur erbrachten Leistung ist.

Beispiel: Die Lieferung des Kiesbauunternehmers (s. obiges Beispiel) soll einen um 3.000 € geringeren Wert aufweisen, als die durch das Betonwerk gelieferten Steine. Der Kiesbauunternehmer muss daher die 3.000 € zusätzlich zum gelieferten Kies und Sand als sog. Baraufgabe an das Betonwerk entrichten.

2.1.2.3.4

Gehaltslieferung und Umtauschmüllerei (S 3 V, S 3 X UStG)

Einen besonderen Fall umsatzsteuerlicher Lieferungen bilden die sog. Gehaltslieferungen. Dabei handelt es sich um Fälle, bei denen die Hingabe eines einheitlichen Gegenstands nicht um ihrer selbst willen erfolgt, sondern nur in der Weise, dass der Abnehmer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle aus der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands vereinbarungsgemäß wieder an den Lieferer zurückzugeben hat. Hier sieht das UStG (wirtschaftliche Betrachtungsweise) den Gegenstand der Lieferung beschränkt auf den Gehalt an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben (§ 3 V S. 1 UStG).

Beispiel: Ein Landwirt liefert Milch an die Molkerei. Es ist von vornherein vereinbart, dass die Molkerei nur den Fettgehalt der Milch erhalten soll. Vereinbarungsgemäß gibt sie daher die nach Entzug des Fettgehalts entstehende Magermilch an den Landwirt zurück. Liefergegenstand ist hier nicht die Milch, sondern gern. § 3 V S. 1 UStG nur der Gehalt der Milch an den Bestandteilen, die der Molkerei verbleiben, also der Fettgehalt der Milch.

Weitere Beispiele sind etwa die Hingabe von Zuckerrüben gegen die Rückgabe von Rübenschnitzeln oder auch die Hingabe von Schwefelkies und die anschließende Rückgabe der Abbrände. Liefergegenstände sind hier regelmäßig nur der Zuckergehalt der Rüben bzw. der Schwefelgehalt des Schwefelkieses. Hinsichtlich der zurückgegebenen Bearbeitungsabfälle und Nebenprodukte liegt indes weder eine Lieferung noch eine Rücklieferung vor, sie nehmen von vornherein nicht am Leistungsaustausch teil, dieser bleibt auf den "Gehalt" beschränkt.

52

Steuerbarkeit

Dasselbe gilt auch, wenn der Abnehmer anstelle der bei der Be- oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen. Stoffidentität ist also nicht erforderlich (§ 3 V S. 2 UStG).

Beispiel: Im obigen Beispiel läge deshalb auch dann eine Gehaltslieferung vor, wenn die Magermilch, die der Landwirt von der Molkerei zurückerhält, nicht genau der Verarbeitung der von ihm angelieferten Milch entstammte, sondem bereits aus der Verarbeitung der Milch eines anderen Lieferanten entstanden wäre. Zu beachten ist, dass bei der Gehaltslieferung nur von einer lieferung des Gehaltes ausgegangen wird und folglich kein Tausch mit Baraufgabe vorliegt.

Beispiel: Der Landwirt, der Milch an die Molkerei liefert, will wirtschaftlich nur den Fettgehalt liefern, nicht die Milch als solche. Tatsächlich muss er natürlich die Milch liefem, damit der Fettgehalt ausgesondert werden kann. Die Molkerei ihrerseits liefert nicht die entrahmte Milch und bezahlt zusätzlich ein Entgelt für den Fettgehalt (dann läge ein Tausch mit Baraufgabe vor) sondern bezahlt nur den Fettgehalt. Die Leistungsbeziehung lautet mithin Fettgehalt der Milch gegen Entgelt und nicht Milch gegen entrahmte Milch und Entgelt.

Gesetzlich zu klären ist auch ein anderer Sonderfall der Lieferung, nämlich wenn oberflächlich betrachtet ein Tausch vorliegt, wirtschaftlich aber eine Werkleistung. In diese Fallgruppe gehört die sog. Umtauschmüllerei Nach § 3 X UStG soll lediglich eine sonstige Leistung ("Werkleistung" und kein Tausch) vorliegen, wenn ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung bzw. zur Bearbeitung übergeben hat/ anstelle des herzustellenden Gegenstandes einen gleichartigen Gegenstand gibt, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt.

Beispiel: Ein Landwirt bringt Getreide zum Müller und beauftragt diesen, das Getreide zu Mehl zu verarbeiten. Der Landwirt wartet jedoch den Mahlvorgang nicht ab, sondern erhält aus Beständen des Müllers eine dem eingereichten Getreide entsprechende Menge Mehl unmittelbar zurück. Oberflächlich betrachtet könnte man von einem Tausch ausgehen, da der Landwirt Getreide liefert und Mehl zurückerhält. Wirtschaftlich betrachtet liegt die Leistung jedoch in dem eigentlichen Mahlvorgang, mithin liegt eine Werkleistung vor, nämlich Getreidemahlen gegen Entgelt.

53

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Nach § 3 X UStG gilt die Leistung des Unternehmers (hier: "Umtauschmüllers") als Werkleistung wenn: •

das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohnes festgesetzt ist,

•

der Stoff vor oder spätestens gleichzeitig mit dem Tauschgegenstand übergeben wird,

•

der Tauschgegenstand aus dem gleichen Stoff hergestellt ist wie der erhaltene Stoff,

•

der Unternehmer (Umtauschmüller) den Stoff selbst hergestellt hat und

•

eindeutig ein Werkvertrag vorliegt.

2.1.2.3.5

Geschäftsveräußerungen im Ganzen

Neben den gewöhnlichen Geschäften, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausführt, sind grundsätzlich auch alle außergewöhnlichen Geschäfte, wie beispielsweise die Veräußerung des ganzen Unternehmens oder eines Teilbetriebs steuerbar. Seit Einführung des § lla UStG sieht das Gesetz jedoch die Sonderregelung vor, dass Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht mehr der Umsatzbesteuerung unterliegen sollen (keine Steuerbarkeit). Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Nur für den Fall, dass das Unternehmen an einen Nichtunternehmer veräußert wird, stellt sich das Problem, dass bei Geschäftsveräußerungen ein Konglomerat der verschiedenartigsten Gegenstände und Ansprüche den Berechtigten wechseln. Gegenstand der Umsatzbesteuerung sind dann die einzelnen auf den Erwerber übergehenden Besitzpositionen und die einschlägigen sonstigen Leistungen.

2.1.2.3.6

Teilleistungen

Für den Fall, dass eine geschuldete Leistung aufgrund vertraglicher Verabredung nicht auf einmal, sondern in mehreren Teilen erbracht wird, für die jeweils ein endgültiges Entgelt gezahlt wird, ist die TeiUeistung Gegenstand der Umsatzbesteuerung (vgL § 13 I Nr. 1a S. 2/ 3 UStG).

Beispiel: Rechtsanwalt R hat eine Etage des dem Unternehmer U gehörenden Bürohauses für den Betrieb seiner Kanzlei für einen Zeitraum von fünf Jahren gemietet. Der vereinbarte monatliche Mietzins beträgt 5.000 €. In diesem Fall ist Gegenstand der Umsatzbesteuerung nicht der Gesamtmietpreis für die fünf Jahre, sondern jeweils die monatliche Teilleistung (Monatsmiete).

54

Steuerbarkeit

2.1.2.4

Ubersicht: Leistungen

Abbildung 2-9:

Gesamtübersicht Leistungen (1)

Leistungen, die keine Lieferungen sind gern. § 3 IX UStG

Verschaffung der Verfügungsmacht gern. § 3 I UStG Besonderheiten: • Kommissionsgeschäft • Agenturgeschäft - Refhengeschäft - Rücklieferung, Rückgängigmachung, Rückgabe, Umtausch

Abbildung 2-10:

Gesamtübersicht Leistungen (2)

Lieferungen

Sonst. Leistungen

Werklieferung § 3 IV UStG (Materlalbeistellung)

Werkleistungen § 3 X UStG (Materlalgestellung)

Tausch § 3 XII UStG

Tauschähnlicher Umsatz § 3 XII UStG

Gehaltslfeferung § 3 V UStG

"Umtauschmüllerei" § 3 X UStG

•............................. •.............................

Geschäftsveräußerung im Ganzen § 1 la UStG

.............................•

Teilleistungen

.............................•

§ 13 I Nr. 1 UStG

55

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.1.3

Entgeltliche Leistungen (Leistungsaustausch § 1 I Nr. 1 UStG)

2.1.3.1

Merkmale des Leistungsaustausch

Leistungen (d. h. Lieferungen und sonstige Leistungen) im Sinne des § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG sind grundsätzlich nur steuerbar, wenn sie im Rahmen eines Leistungsaustauschs, d. h. gegen Entgelt, ausgeführt werden. Der Leistungsaustausch setzt voraus, dass notwendigerweise 1. zwei verschiedene Beteiligte in Gestalt eines Leistenden und eines Leistungsempfängers vorhanden sind, 2. der Leistung des einen Teils eine Gegenleistung in Form des Entgelts von seiten des anderen Teils gegenübersteht (A 1 I S. 2 UStR) und

3. Leistung und Gegenleistung innerlich miteinander verknüpft sind (A 1 I S. 3 UStR).

Abbildung 2-11:

Entgeltliche Leistungen I

Leistungsaustausch

I

Leistung

Leistender (Unternehmer)

11

Inner Iche Verknüpfung = sog. "Spezielle Entgeltlichk

"

Leistungsempfänger (Unternehmer oder Nichtunternehmer)

~~

Gegenleistung ="gegen Entgelt"

Zu 1: Damit wird unmittelbar deutlich, dass Leistungsabgaben innerhalb desselben Unternehmens grundsätzlich nicht zu steuerbaren Leistungen im Sinne des UStG führen können (Ausnahme: Grenzüberschreitendes Verbringen innerhalb der EU, s. grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung). Denn solche Innenumsätze werden gera-

56

Steuerbarkeit

de nicht zwischen zwei verschiedenen Personen ausgeführt; es fehlt insoweit der Geschäftspartner im Rahmen eines Leistungsaustauschs. Zu 2: Die Annahme eines Leistungsaustauschs setzt einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Ein Leistungsaustausch kann nur zustande kommen, wenn die Leistung final auf den Erhalt einer Gegenleistung gerichtet ist; ein bloßer Kausalzusammenhang reicht hier (anders als später bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage) nicht aus. Das Verhalten des leistenden Unternehmers muss willentlich auf den Erhalt der Gegenleistung im Austausch gegen die erbrachte Leistung abzielen ("Do-ut-des"; ich gebe, damit Du gibst) oder wenigstens geeignet sein, eine Vergiitung für die erbrachte Leistung auszulösen. Ob ein solch zweckgerichtetes Handeln des leistenden Unternehmers vorliegt, ist ggf. anhand objektiver Kriterien zu entscheiden. Für ein solches Handeln spricht es etwa, wenn die erbrachte Leistung ihrer Art nach üblicherweise vergiitet wird oder nach den Umständen des Falles mit einer Gegenleistung zumindest gerechnet werden kann. Damit wären Leistung und Gegenleistung schließlich innerlich miteinander verbunden.

Beispiel: Ein Dieb entwendet bei einem Automobilhändler einen PKW, den er anschließend bei einer rasanten Fahrt über die Autobahn zu Schrott fährt. Nach Entdeckung seiner Tat erklärt sich der Dieb bereit, an den Automobilhändler Schadenersatz zu leisten. Der Schadenersatz ist kein Entgelt für eine Leistung, denn der Automobilhändler hat dem Dieb nicht willentlich die Verfügungsrnacht über den PKW verschafft.

Beispiel: ("Straßenmusikanten"-Rechtsprechung des EuGH): Die Einnahmen eines Straßenmusikanten stellen nach der EuGH-Rechtsprechung kein Entgelt für die Musikdarbietung dar, da die erhaltenen Beträge in der Höhe weder bestimmt noch bestimmbar sind. Mindestvoraussetzung für die Annahme eines Entgelts und somit eines Leistungsaustausches ist, dass das erwartete Entgelt bestimmt oder bestimmbar ist. Nach dem EuGH bestehen für Leistungen gegen Entgelt (Leistungsaustausch) folgende Voraussetzungen: •

zwischen der erbrachten Leistung und dem erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen,

•

die Gegenleistung muss in Geld ausgedrückt werden können und

•

die Gegenleistung muss den subjektiven Wert darstellen, den ihr die Beteiligten beimessen.

Die Angemessenheit der Gegenleistung ist für die Annahme eines Leistungsaustauschs nicht erforderlich. Leistung und Gegenleistung brauchen einander also nicht gleichwertig gegenüber zu stehen. Es kommt nur darauf an, dass überhaupt eine Gegenleistung vorhanden ist, die mit der Leistung des Unternehmers in einem besonderen wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Für den Fall, dass die Bemessungsgrundlage unangemessen niedrig ist, greift ggf. als Korrektiv die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 V UStG (vgl. hierzu die späteren Ausführungen).

57

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.1.3.2

Fehlender Leistungsaustausch

Die Voraussetzungen des Leistungsaustauschs können dort nicht erfüllt sein, wo ein Unternehmer Leistungen erbringt, für die er keine Gegenleistung erhält, oder wo er im umgekehrten Fall- Zahlungen erhält, denen keine von ihm erbrachten Leistungen gegenüberstehen. Aus diesem Grund verwirklichen weder die Fälle der Erbschaft, der echten Schenkung, noch Fälle von echtem Schadenersatz, echten Zuschüssen und echten Mitglieder- bzw. Gesellschafterbeiträgen die Merkmale des Leistungsaustausches

2.1.3.2.1

Erbschaft und Schenkungen

Im Erbfall vollzieht sich der Vermögensübergang vom Erblasser auf den oder die Erben als Ganzes kraft Gesetz (§ 1922 BGB). Von Seiten des Erblassers wird hier keine Leistung ausgeführt, und von Seiten des oder der Erben liegt offensichtlich auch keine Gegenleistung vor. Erbrechtliche Vorgänge sind daher (insbesondere mangels Leistungsaustauschs) nicht steuerbar. Auch die Unternehmereigenschaft kann nicht im Erbgang übergehen (A 19 V UStR). Ein Erbe wird nur dann zum Unternehmer, wenn er in seiner Person die Voraussetzungen erfüllt, an die das UStG die Unternehmereigenschaft knüpft (s. u.). Bei der echten Schenkung fehlt es an der Gegenleistung des Beschenkten. Auch insoweit scheidet also die Möglichkeit eines Leistungsaustauschs aus; d. h. die echte Schenkung kann tatbestandsmäßig nicht unter den Haupttatbestand nach § 1 I Nr. 1 UStG fallen. Abzugrenzen ist die echte Schenkung von der sog. unechten Schenkung, bei der tatsächlich ein Leistungsaustausch vorliegt, der jedoch als Schenkung "getarnt" ist.

Beispiel: Weinhändler W schenkt dem Einkäufer (E) eines Getränkegroßhandels eine Kiste erlesener Weine, weil E ihm einen großen Lieferauftrag für den Getränkegroßhandel vermittelt hat. W hatte schon vor der Vermittlung des Lieferauflrages zugesagt, dass er dem E eine Kiste Wein schenken würde, wenn der Lieferauflrag zustande käme. W hat eine Kiste Wein geliefert. E hat gegenüber Weine Vermittlungsleistung erbracht. Es liegt mithin ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung vor, da W die Lieferung um der Vermittlungsleistung willen und E die Gegenleistung der Lieferung willen erbracht hat. Die Lieferung der Weinkiste erfolgt daher im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes (§ 3 XII S. 2 UStG) und ist steuerbar und steuerpflichtig. Es liegt keine echte sondern vielmehr eine unechte Schenkung vor.

58

Steuerbarkeit

2.1.3.2.2

Schadenersatz

Der echte Schadenersatz wird nicht geleistet, weil der Schädiger von Seiten des Geschädigten eine Lieferung oder sonstige Leistung erhalten hat, sondern weil er nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat. Damit findet also auch eine echte Schadenersatzleistung nicht im Rahmen eines umsatzsteuerliehen Leistungsaustauschs statt. Echter Schadenersatz ist insbesondere gegeben bei Schadenbeseitigung durch den Schädiger, bei Zahlung einer Geldentschädigung durch den Schädiger oder bei Schadenbeseitigung durch den Geschädigten (ohne besonderen Auftrag des Schädigers). Beseitigt allerdings der Geschädigte im Auftrag des Schädigers einen ihm zugefügten Schaden selbst, so wird die Schadenersatzleistung ausnahmsweise doch als Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs angesehen (A 3 I S. 5UStR).; sie sind mithin nicht steuerbar.

Beispiel: Der Inhaber K einer KFZ-Werkstatt hat anlässlich einer Betriebsfahrt einen Schaden am Fahrzeug eines anderen Verkehrsteilnehmers V verursacht. Im Auftrag von V beseitigt K den Schaden in seiner eigenen Werkstätte. K erbringt hier eine Leistung an V, für die er von V jedoch kein Entgelt erhält. Die Leistung von K an V ist echter Schadenersatz und damit nicht steuerbar.

Beispiel: Zahlungen von Schadenversicherungen sind grundsätzlich echter Schadenersatz. Sie werden aufgrund der Verpflichtung des Versicherers geleistet, für einen entstandenen Schaden einzustehen, und erfolgen damit ebenfalls nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschs.

Hinweis: Die Zahlung der Versicherungsprämien durch den Versicherten kann in keinem Fall als Gegenleistung für die Auszahlung der Versicherungssumme verstanden werden. Sie ist vielmehr allein Gegenleistung für die Gewährung des allgemeinen Versicherungsschutzes von Seiten des Versicherers. Allerdings können Ersatzleistungen des Versicherers ausnahmsweise auch Leistungsentgelt sein, wenn der Versicherte von einem Dritten eine Leistung bezogen hat und die Versicherung die Zahlung übernehmen muss. Diese Voraussetzung ist beispielsweise erfüllt bei Versicherung des Transportrisikos durch den Käufer zur Abdeckung der eigenen Kaufpreisschuld gegenüber dem Verkäufer. Die Versicherungsleistung tritt dann an die Stelle der Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer (abgekürzter Zahlungsweg).

59

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Unternehmer A aus Köln bestellt bei Unternehmer Baus Hamburg eine Spezialpumpe, wobei vereinbart wurde, dass die Versendung auf Kosten und Gefahr des A geschehen sollte. Die Spezialpumpe kommt nicht in Köln an, da sie offensichtlich gestohlen wurde. Die Rechnung des B lautet wie folgt: Spezialpumpe: Transportkosten Summe

19.250,00 € 750,00€ 20.000,OO€

zzgl. USt 19 %

3.800,OO€

Gesamtbetrag

23.800,00€

A hat für den Transport der Spezialpumpe eine Transportversicherung abgeschlossen. Er reicht daher die Rechnung der Versicherung ein, die dem B sofort 20.000 € überweist. Obwohl A kein Eigentum erlangt hat, ist er infolge des Gefahrüberganges zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Die Zahlung der Versicherung ist im Verhältnis zu A Schadenersatz, im Verhältnis zu B ist sie Entge1tsentrichtung im abgekürzten Zahlungsweg. Die Versicherung hat zu Recht nur den Nettobetrag überwiesen, da B von A noch 3.800 € USt verlangen kann und A in dieser Höhe zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Insoweit ist dem A kein Schaden entstanden. Echter Schadenersatz sind schließlich auch die Zahlungen für den Verzugsschaden, den ein leistender Unternehmer aufgrund der verspäteten Gegenleistung eines säumigen Zahlers erleidet. Daher unterliegen insbesondere Verzugszinsen, Fälligkeitszinsen und Prozesszinsen als echter Schadenersatz nicht der USt. Dasselbe gilt auch für die Kosten eines gerichtlichen Mahnverfahrens, soweit diese dem Unternehmer vom Schuldner erstattet werden (A 3 III UStR).

2.1.3.2.3

Mitglieder- und Gesellschafterbeiträge

Mit Blick auf die Voraussetzungen eines steuerbaren Leistungsaustauschs im Sinne von § 1 I Nr. 1 UStG müssen schließlich auch die Leistungsbeziehungen zwischen Personenvereinigungen und ihren Mitgliedern kritisch beleuchtet werden. Hier stehen sich mit der Personenvereinigung einerseits und deren Mitgliedern andererseits jeweils selbständige Rechtssubjekte gegenüber, von denen regelmäßig jeder in einer bestimmten Form Leistungen ausführt bzw. zumindest Beiträge leistet. Nach früherer Auffassung der Finanzverwaltung fehlt es an einem Leistungsaustausch mit dem einzelnen Mitglied, soweit eine Vereinigung zur Erfüllung ihrer den Gesamtbelangen sämtlicher Mitglieder dienenden satzungsmäßigen Gemeinschaftszwecke tätig wird und hierfür sog. echte Mitgliedsbeiträge erhebt (A 4 I UStR, A 22 I UStR). 60

Steuerbarkeit

Diese Sichtweise wurde damit begründet, dass die durch den Gemeinschaftszweck bestimmte Tätigkeit einer Vereinigung nicht final auf die Erzielung der Mitgliederbeiträge gerichtet sei. Echte Mitgliederbeiträge seien daher keine Gegenleistung für konkrete (steuerbare) Leistungen der Vereinigung. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie entweder gleich hoch sind oder nach einem für alle Mitglieder verbindlichen Bemessungsmaßstab ohne Rücksicht auf die tatsächliche oder vermutete Inanspruchnahme der Vereinstätigkeit durch einzelne Mitglieder (A 4 11 UStR) errechnet werden. Die Sichtweise der Finanzverwaltung konnte jedoch unter Berücksichtigung der EuGH Rechtsprechung nicht aufrecht gehalten werden. Der EuGH hat entschieden, dass die Jahresbeiträge der Mitglieder eines Sportvereins eine Gegenleistung für die von diesem Verein erbrachten Dienstleistungen auch dann darstellen können, wenn diejenigen Mitglieder, die die Einrichtungen des Vereins nicht oder nicht regelmäßig nutzen, verpflichtet sind, ihren Jahresbeitrag zu zahlen. Anders gewendet bedeutet dies, dass unabhängig von der Inanspruchnahme von Vereinsleistungen gezahlte Mitgliedsbeiträge an einen Sportverein als Gegenleistung für vom Verein erbrachte Dienstleistungen angesehen werden. Damit nimmt der EuGH einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Entgelt in Form des Mitgliedsbeitrages an. Folglich sind die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch und somit für einen steuerbaren Vorgang erfüllt. Zweifellos werden durch das EuGH-Urteil allerdings nicht alle Vereinsbeiträge zu Entgelt erklärt. Vielmehr muss ein Leistungsangebot des Vereins bzw. der Vereinigung vorliegen, das zu einer individuellen Leistung führen kann. Daran wird es in der Regel dann fehlen, wenn es sich bei den Vereinen um reine Fördervereine handelt, da die Mitglieder in diesen Fällen regelmäßig keine individuelle Leistung durch den Verein erhalten. Verwirklicht eine Vereinigung (z. B. Verein) hingegen Leistungsabgaben zugunsten von Sonderbelangen einzelner Mitglieder und erhebt sie dafür besondere Beiträge entsprechend der tatsächlichen oder vermuteten Inanspruchnahme ihrer Tätigkeit, so liegen sowohl nach der Auffassung der Finanzverwaltung (sog. unechte Mitgliedsbeiträge) als auch nach der Rechtsprechung des EuGH Leistungen vor, die auf den Erhalt konkreter Gegenleistungen gerichtet sind. Ein Leistungsaustausch ist damit gegeben. Ähnliche Überlegungen liegen auch der Beurteilung von Leistungsabgaben zugrunde, die von Seiten der Gesellschafter (Mitglieder) an ihre Personenvereinigung (OHG, KG, GbR) fließen. Nach der jüngeren Rechtsprechung des BFH zum umsatzsteuerlichen Verhältnis zwischen Gesellschaftern und ihren Gesellschaften setzt ein Leistungsaustausch - in Übereinstimmung mit der EuGH-Rechtsprechung (s. o.) - lediglich voraus, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht, also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft richtet sich aus-

61

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

schließlich danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn oder Verlust abgegolten werden oder um Leistungen, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden und damit auf einen steuerbaren Leistungsaustausch gerichtet sind. Im Falle des Gesellschafterbeitrags wird die Leistung nicht an die Gesellschaft, sondern für die Gesellschaft erbracht (Leistungsvereinigung statt Leistungsaustausch); Der Vorgang ist dann nicht steuerbar. Dagegen kommt es zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zu einem steuerbaren Leistungsaustausch, wenn der Beitrag des Gesellschafters im Rahmen einer konkreten Leistungsbeziehung durch ein leistungsbezogenes Sonderentgelt abgegolten wird. Dabei ist gleichgültig, ob der Beitrag auf gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung beruht oder nicht. Der Gesellschafter ist insoweit als Unternehmer tätig. Dementsprechend richtet sich insbesondere die Behandlung von Gegenstandsüberlassungen, Geschäftsführungs- und Vertretungstätigkeiten durch Gesellschafter an ihre Gesellschaften danach, ob die Gesellschafter nur in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter oder selbst als Unternehmer tätig sind (A 6 UStR).

Beispiel: Der Gesellschafter einer OHG erwirbt für eigene Rechnung einen Pkw, den er auf seinen Namen zulässt und den er in vollem Umfang der Gesellschaft zur Nutzung überlässt. Für die Nutzung des Pkw zahlt die OHG dem Gesellschafter einen angemessenen feststehenden Mietzins. Der Gesellschafter bewirkt mit der Überlassung des Pkw eine steuerbare Leistung an die Gesellschaft. Das Entgelt dafür besteht in der von der Gesellschaft gezahlten besonderen Vergütung. Das kann grundsätzlich auch für den Fall gelten, dass der Gesellschafter den überlassenen Pkw tatsächlich ausschließlich selbst nutzt (A 6 VI UStR).

Beispiel: Sachverhalt wie oben, jedoch soll der Gesellschafter für die Überlassung des Pkw an die Gesellschaft keinen feststehenden Mietzins erhalten, sondern ihm steht lediglich der im Gesellschaftsvertrag bestimmte Gewinnanteil zu. Der Gesellschafter handelt hier nicht als Unternehmer. Es liegt ein nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag vor.

Beispiel: (Grundsatz-Urteil des BFH v. 06.06.2002 V R 43/01, UVR 2002 S. 386-388, Änderung der bisherigen Rechtsprechung) Die X-GmbH ist als Gesellschafterin an verschiedenen Immobilienfonds in der Rechtsform der GbR beteiligt. Die Beteiligung entspricht regelmäßig weniger als 1 % des Nominalkapitals. Diese Gesellschaften bestehen aus einer Vielzahl von Gesellschaftern mit unterschiedlichen Wohnsitzen. In den Gesellschaftsverträgen der Fondsgesellschaften heißt es: "Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft und die Vertretung steht allen Gesell-

62

Steuerbarkeit

schaftem gemeinschaftlich zu. Die Fondsgesellschaft kann sich bei ihren Tätigkeiten und bei der Wahrnehmung weiterer Gesellschaftsrechte (Geschäftsführungs- und Vertretungsrechte) von einem Geschäftsbesorger vertreten lassen". Tatsächlich werden die Geschäftsführungsund Vertretungsaufgaben ausschließlich von der X-GmbH wahrgenommen. Hierfür wird ihr durch entsprechende Vereinbarung in einem Geschäftsbesorgungsvertrag von den einzelnen Gesellschaften jeweils eine Vergütung gewährt. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt ein Leistungsaustausch (lediglich) voraus, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht, also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Ob der Gesellschafter bei der Führung der Geschäfte einer Personengesellschaft zugleich auch Mitgliedschaftsrechte ausübt, ist nicht erheblich, wenn er dafür ein besonderes Entgelt erhält. Im vorliegenden Fall übt die X-GmbH Geschäftsführungstätigkeiten auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrages gegen ein besonderes Entgelt aus. Damit liegt ein Leistungsaustausch vor.

2.1.3.2.4

Zuschüsse

Im Umsatzsteuerrecht wird zwischen sog. echten und unechten Zuschüssen unterschieden. Ein echter Zuschuss liegt vor, wenn der Zuschussgeber den Zuschuss dem Unternehmer oder einem Dritten gewährt, ohne dass die Zuschussgewährung eine Gegenleistung für eine bestimmte Leistung des Untemehmers darstellt. Mit anderen Worten fehlt es hier an einem Leistungsaustausch, da keine innerliche Verknüpfung ("spezielle Entgeltlichkeif') zwischen einer Leistung und dem gewährten Zuschuss besteht. Aus diesem Grund stellen die meisten Zuschüsse aus öffentlichen Kassen kein Entgelt dar. Sie haben vielmehr den Zweck, den Zuschussempfänger zu einem öffentlich gewünschten Verhalten oder Handeln zu motivieren.

Beispiele: Zuschüsse für gemeinnützige Vereine; Zuschüsse in der Landwirtschaft; Landesbeihilfen für arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen in eXistenzgefährdeten Betrieben.

Beispiel: Der Taxiunternehmer T befördert behinderte Kinder zur Schule. Um auch Rollstuhlfahrer befördern zu können, benötigt er ein sehr teures und speziell ausgerüstetes Taxi. Da die Beförderung der Rollstuhlfahrer im öffentlichen Interesse liegt, gewährt die Stadt einen Investitionszuschuss zur Anschaffung dieses Spezialtaxis. Bei dem Investitionszuschuss handelt es sich um einen echten Zuschuss, da die Anschaffung des PKW keine Leistung des T gegenüber der öffentlichen Hand darstellt, sondern vielmehr für die im öffentlichen Interesse liegende Investition gewährt wird. Mangels Leistungsaustausch sind echte Zuschüsse nicht umsatzsteuerbar.

63

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Unechte Zuschüsse liegen hingegen dann vor, wenn es sich um eine Gegenleistung für Leistungen des Zuschussempfängers an einen Dritten handelt.

Beispiel: Der gerade volljährige und mit einem KFZ-Führerschein ausgestattete A kauft bei dem Gebrauchtwagenhändler G einen PKW. Da der A nicht das erforderliche "Kleingeld" besitzt, begleicht dessen Großmutter die eingehende Rechnung des G. Fraglich ist hier, ob es sich bei der Zahlung der Großmutter um einen echten (nicht-steuerbaren) oder unechten und damit steuerbaren Zuschuss handelt. Hier liegt in der Zahlung eine Gegenleistung für die Leistung des G (Zuschussempfänger) an den A (Dritter). Folglich liegt ein Leistungsaustausch zwischen G und A vor. Der indirekt dem A gewährte Zuschuss stellt hier einen unechten und daher steuerbaren Zuschuss dar. Dass die Großmutter direkt an den G bezahlt, ist unerheblich, da zum Entgelt auch das gehört, was ein anderer als der Leistungsempfänger (A) dem Unternehmer (G) für die Leistung gewährt (§ 10 I S. 3 UStG).

Beispiel: (Zuschuss zu Mahlzeiten der Arbeitnehmer): Ein Kantinenpächter K soll zur Mittagszeit warme Speisen für die Mitarbeiter des Unternehmers U zu einem Preis von 3,00 € bereithalten. Da der Preis die Kosten nicht deckt und eine angemessene Gewinnspanne des Kantinenpächters nicht zulässt, zahlt der U dem K einen Zuschuss von 2,50 € pro Essensportion. Obwohl K nur Leistungen an die Arbeitnehmer des U und nicht an diesen selbst gewährt, beläuft sich das Gesamtentgelt auf 5,50 €. Die "Zuschüsse" des U sind alleine dazu bestimmt, den Leistungsaustausch zwischen den Arbeitnehmern und dem K zu ermöglichen. Sie stellen Entgelt und mithin einen unechten Zuschuss dar.

64

Steuerbarkeit

2.1.3.2.5

Übersicht: Fehlender Leistungsaustausch

Abbildung 2-12:

Fehlender Leistungsaustausch

N I C H

T Leistungsangebot an das Mitglied

Kein Lefstungsangebot an das Mitglied (bspw. Förderverein)

Gesellschafterleistungen Bete1ligung an GewinnlVerlust

S

T E U E R B A R

2.1.4

Unentgeltliche Leistungen (Leistungsaustausch kraft Entgeltfiktion)

2.1.4.1

Einführung und Problembeschreibung

Wurde bisher als Voraussetzung für die Umsatzsteuerbarkeit stets verlangt, dass eine Leistung gegen Entgelt (Leistungsaustausch) vorliegen muss, sind nunmehr Fälle zu betrachten, bei denen zwar auch Lieferungen oder sonstige Leistungen seitens eines Unternehmers vorliegen, ein (spezielles) Entgelt jedoch gerade nicht entrichtet wird, aber trotzdem aufgrund gesetzlicher (Sonder-) Regelungen Steuerbarkeit gegeben ist.

65

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Der Unternehmer U hat vor einigen Jahren einen Firmen-PKW angeschafft, der heute nicht mehr benötigt wird. U beschließt, diesen Wagen nunmehr ausschließlich privat zu nutzen. Ein Entgelt für den aus dem unternehmerischen Bereich entnommenen PKW entrichtet er nicht.

Beispiel: Der Firmen-PKW des U wird noch betrieblich genutzt. Dennoch nutzt U den Wagen teilweise privat und fährt insbesondere in den Sommerferien mit dem Wagen in Urlaub. Ein Entgelt gegenüber seinem Unternehmen entrichtet er nicht.

Beispiel: Der Unternehmer U betreibt ein Malermeistergeschäft mit 20 Mitarbeitern. Da an einem Freitag keine weiteren Aufträge mehr anstehen, bestellt U seine Angestellten zu sich nach Hause, um dort die Außenfassade seiner Villa neu streichen zu lassen. Ein spezielles Entgelt entrichtet er hierfür nicht.

Besteht das Ziel der Umsatzbesteuenmg darin, den Endverbrauch mit Umsatzsteuer zu belasten, so stellt sich in systematischer Hinsicht die Frage, wie solche Fälle umsatzsteuerlich zu behandeln sind, in denen der Unternehmer vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmensgegenstände für private Zwecke aus dem Unternehmen entnimmt bzw. verwendet, ohne dafür ein Entgelt zu entrichten. Die gleiche Problematik stellt sich bei sonstigen Leistungen, die der Unternehmer unentgeltlich an sich, sein Personal oder u.U. an Geschäftspartner erbringt. Würde das Umsatzsteuergesetz hier mangels Entgelt1ichkeit eine Steuerbarkeit verneinen, käme es zu systemwidrigen Ungleichbehandlungen zwischen (privat-handelnden) Unternehmern einerseits und ("reinen") Privatpersonen andererseits, mit der Konsequenz, dass der Unternehmer als Privatmann in den Genuss umsatzsteuerlich nicht belasteter Leistungen kommen könnte.

Beispiel: Der Privatmann P sieht im Schaufenster des Autohauses A einen Neuwagen für 20.000 € zzgl. Umsatzsteuer (3.800 €). Kauft P diesen Wagen, muss er insgesamt 23.800 € bezahlen. Der Endverbraucher P ist insoweit mit einer Umsatzsteuer von 3.800 € belastet worden. Den gleichen Wagen entdeckt der pfiffige Unternehmer U. Er überlegt sich, den Wagen zunächst für sein Unternehmen anzuschaffen und ihn zeitnah wieder für private Zwecke aus seinem Unternehmensvermögen zu entnehmen. Schafft er den Wagen für sein Unternehmen an, muss er

66

Steuerbarkeit

gegenüber A zunächst ebenfalls 23.800 € bezahlen. Da die Umsatzsteuer aber nur den Endverbraucher belasten soll, steht dem Unternehmer im Rahmen des Netto-AllpahsenUmsatzsteuersystems ein Vorsteuerabzug zu (§ 15 I Nr. 1 UStG), d. h. er erhält die bezahlte Vorsteuer vom Finanzamt zurück. Mithin hat U - systemgemäß -lediglich 20.000 € bezahlt. Würde er den Wagen sofort wieder aus dem Unternehmen für private Zwecke entnehmen ohne ein Entgelt zu entrichten, könnte er in Ermangelung eines entgeltlichen Leistungsaustausches den Wagen umsatzsteuerfrei für 20.000 € in sein Privatvermögen überführen. Obwohl P und U den Wagen letztlich im Privatvermögen halten, also Endverbraucher sind, wäre es dem U gelungen den Wagen um 3.800 € uSt günstiger zu erwerben.

Um systemwidrige Ungleichbehandlungen zu verhindern, stellt das Umsatzsteuergesetz bestimmte unentgeltliche Lieferungen/sonst. Leistungen den Lieferungen/sonst. Leistungen gegen Entgelt gleich. Im Ergebnis wird eine tatsächlich nicht vorhandene Entgeltlichkeit gesetzlich fingiert (Entgeltfiktion). Als den entgeltlichen Lieferungen gleichgestellte unentgeltliche Lieferungen nennt § 3 Ib UStG die Gegenstandsentnahme, die Sachzuwendungen an das Personal sowie andere unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen für Zwecke des Unternehmens. Ferner wird die unentgeltliche Gegenstandsverwendung ebenso wie die sonstige unentgeltliche Leistungserbringung in § 3 IXa UStG den sonstigen Leistungen gegen Entgelt gleichgestellt. Die unentgeltliche Lieferung bzw. sonstige Leistung stellen somit Unterfälle der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen dar.

2.1.4.2 2.1.4.2.1

Unentgeltliche Lieferungen (§ 3 Ib UStG) Gegenstandsentnahme (§ 3 Ib Nr. 1 UStG)

Damit das Umsatzsteuersystem den Endverbrauch lückenlos erfasst und damit gerecht bleibt, muss die gesetzliche Regelung dafür Sorge tragen, dass auch in den Fällen, in denen der Unternehmer Lieferungen "an sich selbst" als Privatmann erbringt, die Umsatzsteuerbelastung erhalten bleibt. Nach § 3 Ib Nr. 1 UStG liegt eine der Lieferung gleichgestellte Gegenstandsentnahme vor, wenn •

der Unternehmer einen Gegenstand

•

aus seinem Unternehmen

•

für außeruntemehmerische Zwecke entnimmt,

•

für den er zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt war.

Im Gegensatz zum Leistungsaustausch stehen sich also gerade nicht zwei unabhängige Rechtspersonen gegenüber, von denen die eine eine Leistung gerade deshalb ge67

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

währt, weil die andere eine Gegenleistung erbringt. Gegenstandsentnahmen setzen voraus, dass der Zweck der Entnahme außerhalb des Unternehmens liegt. Folglich liegen Entnahmen nicht ausschließlich dann vor, wenn der Unternehmer sie für seine eigenen Zwecke ausführt, sondern auch dann, wenn er sie für nahestehende Personen erbringt.

Beispiel: Bäcker B entnimmt zum Frühstück für sich und seine Familie frische Brötchen aus seinem Geschäft. Es liegt eine Entnahme von Gegenständen für private Zwecke vor, die gern. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 Ib Nr. 1 UStG steuerbar ist. Die Vorschrift zur Gegenstandsentnahme dient dem Zweck, den Vorteil aus der Gewährung des Vorsteuerabzugs wieder rückgängig zu machen, wenn der Unternehmer den bezogenen Gegenstand später für außerunternehmerische Zwecke verwendet.

Beispiel: Der Bauunternehmer B entnimmt für den privaten Hausbau seines Sohnes Baumaterialien im Nettowert von insgesamt 50.000 €, die er ursprünglich für sein Unternehmen angeschafft hatte. TatbestandIich liegt eine Entnahme von Gegenständen durch einen Unternehmer (B) für außerunternehmerische Zwecke vor. Da die Materialien vormals von einem anderen Unternehmer (Lieferant) bezogen wurden, war der B auch zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Gegenstandsentnahme wird -trotz fehlender Entgeltlichkeit- der Lieferung gegen Entgelt gleichgesetzt und ist steuerbar gern. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 Ib Nr. 1 UStG.

Folgerichtig greift die Regelung dann nicht ein, wenn der Unternehmer keine Möglichkeit hatte, einen Vorsteuerabzug geltend zu machen.

Beispiel: Der Unternehmer U kauft einen gebrauchten PKW beim Privatmann P für sein Unternehmen zu einen Preis von 10.000 €. Nach einem Jahr wird der unternehmerische PKW nicht mehr benötigt. U entnimmt den PKW in sein Privatvermögen und schenkt ihn später seiner gerade volljährig gewordenen Tochter. Bei Anschaffung des PKW stand dem Unternehmer ein Vorsteuerabzugsrecht deshalb nicht zu, weil er von einem nicht zum Umsatzsteuerausweis berechtigten Privatmann (Nichtunternehmer) erworben wurde, also gar keine Vorsteuer angefallen war. Dann kann aber auch die spätere Entnahme des Gegenstandes nicht zu einer Belastung mit Umsatzsteuer führen, würde doch sonst der Privatverbrauch zweimal besteuert, nämlich einerseits bei P und später bei U. Eine doppelte Umsatzbesteuerung wäre jedoch ebenso systemwidrig wie eine Nichtbelastung des Unternehmers im Falle einer privaten Gegenstandsentnahme bei in der Vergangenheit gewährtem Vorsteuerabzug. Der Vorgang ist folglich nicht steuerbar.

68

Steuerbarkeit

Da Gegenstandsentnahmen den Lieferungen gleichgestellt werden, sind sie auch in den Spezialformen der Werk- und Gehaltslieferungen denkbar. 2.1.4.2.2

Sachzuwendungen an Personal (§ 3 Ib Nr. 2 UStG)

Leistungsabgaben eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer sind ohne Zweifel steuerbar im Rahmen eines Leistungsaustausches (§ 1 I Nr. 1 UStG), wenn diesen als konkrete Gegenleistung zumindest ein Teil der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer gegenübersteht (A 12 I UStR). § 3 Ib Nr. 2 UStG erklärt darüber hinaus aber auch Zuwendungen von Gegenständen eines Unternehmers an sein Personal für deren privaten Bedarf als steuerbar, wenn die Arbeitnehmer hierfür gerade kein Entgelt (auch nicht in Form ihrer Arbeitsleistung) aufwenden. Eine Ausnahme gilt lediglich für Aufmerksamkeiten. Wie bei der privaten Gegenstandsentnahme durch den Unternehmer selbst besteht der Regelungszweck in der Vermeidung eines umsatzsteuerlich unbelasteten Letztverbrauchs.

Beispiel: Ein bisher unternehmerisch benutzter Computer wird durch einen leistungsfähigeren ersetzt. Der Arbeitnehmer A fragt bei Unternehmer U nach, ob er den "alten" Computer für seine privaten ZWecke erhalten kann. Da der Unternehmer U die Arbeitsleistung des A sehr schätzt, übergibt er den Computer dem A unentgeltlich. Stand dem Unternehmer bei Anschaffung des ersten Computers ein Vorsteuerabzugsrecht zu, so käme A in den Genuss eines umsatzsteuerlich nicht belasteten Endverbrauchs. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses ist der Vorgang gern. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 Ib Nr. 2 usio steuerbar.

Nicht steuerbar sind allerdings solche Sachzuwendungen, die ganz überwiegend durch das eigene betriebliche Interesse des Unternehmers veranlasst sind, bei denen also der angestrebte Zweck allein betrieblich ist oder eine ggf. mögliche private Bedarfsbefriedigung überlagert. Hiervon ist z. B. bei der Überlassung von Arbeitsmitteln, insbesondere die Überlassung von Arbeitskleidung in Form typischer Berufskleidung auszugehen, deren private Nutzung so gut wie ausgeschlossen ist. Ebenfalls nicht steuerbar sind sog. Aufmerksamkeiten. Das sind Zuwendungen des Arbeitgebers, die nach ihrer Art und ihrem Wert Geschenken entsprechen, wie sie im gesellschaftlichen Verkehr üblicherweise ausgetauscht werden und zu keiner ins Gewicht fallenden Bereicherung des Arbeitnehmers führen (A 12 m UStR). In diesem Sinne zählen zu den Aufmerksamkeiten insbesondere gelegentliche Sachzuwendungen bis zu einem Wert von 40 € (z. B. Blumen, Genussmittel, Bücher, CDs), die dem Arbeitnehmer oder seinen Angehörigen aus Anlass eines besonderen (persönlichen) Ereignisses zugewendet werden. Zur weiteren Abgrenzung von Aufmerksamkeiten vgl. A 73 LStR. 69

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Ein Unternehmer schenkt allen weiblichen Arbeitnehmern zum Geburtstag einen Blumenstrauß. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Aufmerksamkeit, die als solche nicht der uSt unterliegt.

Genau wie bei der Gegenstandsentnahme durch den Unternehmer (§ 3 Ib Nr. 1 UStG) werden Sachzuwendungen an dessen Personal nur insoweit besteuert, wie beim Arbeitgeber im Rahmen seiner entsprechenden Eingangsumsätze die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug gegeben war. Dahinter steckt der Gedanke, dass es hier wiederum nur darum geht, die lückenlose Erfassung des Endverbrauchs sicherzustellen. Gab es keinen Vorsteuerabzug, ist die Sachzuwendung und somit der Endverbrauch insoweit schon besteuert worden. Deshalb soll es grundsätzlich dort zu einer Besteuerung nach § 1 I Nr. 1 i V.m. § 3 Ib Nr. 2 UStG kommen, wo Eingangsbezüge zuvor in den unternehmerischen Bereich gelangt sind und die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug gegeben war.

2.1.4.2.3

Andere unentgeltliche Zuwendungen eines Gegenstandes (§ 3 Ib Nr. 3 UStG)

Nach § 3 Ib Nr. 3 UStG werden auch unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen besteuert, die aus unternehmerischen Gründen (z. B. zu Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege) erbracht werden. Hierunter sollen z. B. höherwertige Geschenke an Geschäftsfreunde, Sachspenden an Vereine, Warenabgaben anlässlich von Preisausschreibungen, Verlosungen usw. zu Werbezwecken fallen. Ausgenommen werden lediglich Geschenke von geringem Wert (bis zu 35 €, Nettobetrag ohne Umsatzsteuer, A 24b IX UStR) oder die Abgabe von Warenmustern. Die Regelung entspricht Art. VII der 6. EG-Richtlinie und dient der Vermeidung eines umsatzsteuerlich unbelasteten Letztverbrauchs. Geschenke und andere unternehmerisch veranlasste Warenabgaben werden nur besteuert, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des abgegebenen Gegenstandes oder seine Bestandteile mit Umsatzsteuer belastet waren und der Unternehmer hinsichtlich dieser Steuer entweder zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt war.

2.1.4.3 2.1.4.3.1

Unentgeltliche (sonstige) Leistungen (§ 3 IXa UStG) Gegenstandsverwendung (§ 3 IXa Nr. 1 UStG)

§ 3 IXa Nr. 1 UStG regelt die Besteuerung sowohl für den Fall, dass der Unternehmer Gegenstände seines Unternehmens für Zwecke benutzt, die außerhalb des Unternehmens liegen, als auch die Fälle in den sonstige Leistungen für den privaten Bedarf

70

Steuerbarkeit

seines Personals erbracht werden. Heide Fallgruppen werden den sonstigen Leistungen gegen Entgelt gleichgestellt.

Beispiel: Bauunternehmer U benutzt verschiedene Baugeräte für den privaten Hausbau seines Sohnes. Die Baugeräte werden nicht endgültig aus dem Unternehmen entnommen, daher liegt keine Gegenstandsentnahme gern. § 3 Ib Nr. 1 UStG vor. Die Privatnutzung stellt vielmehr eine steuerbare Gegenstandsverwendung gern. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 IXa Nr. 1 UStG dar.

Beispiel: Der Segelbootvercharterer S gewährt seiner Freundin die unentgeltliche Benutzung eines kleinen Segelbootes für einen privaten Segeltörn. Hätte S ein Entgelt gefordert, läge eine steuerbare sonst. Leistung (Vermietung) gern. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 IX usio vor. Da S jedoch kein Entgelt fordert, liegt hier eine steuerbare Gegenstandsverwendung für nicht unternehmerische Zwecke gern. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 IXa Nr. 1 UStG vor.

Beispiel 1: (Ab Anschaffung gemischte Nutzung des PKW) Unternehmer U kauft sich am 01.02.2007 einen "Firmen-PKW" für 40.000 € zzgl. Umsatzsteuer beim Autohaus A. Neben Fahrten, die U für die Firma tätigt und die ca. 70 % ausmachen, benutzt er das Fahrzeug ferner für private Fahrten (30 %). Dieses Nutzungsverhältnis steht bereits bei Anschaffung des PKW fest. Könnte U das Fahrzeug komplett dem unternehmerischen Bereich zurechnen, stünde ihm ein Vorsteuerabzug LH.v. 7.600 € (19 % v. 40.000) zu. Für den privaten Nutzungsanteil muss er nach der Grundregel des § 3 IXa Nr. 1 uStG bei einer unterstellten 5-jährigen Abschreibungsdauer jährlich (40.000/5)= 8.000 x 30 % x 19 % = 456 € USt entrichten. Die private Nutzung ist somit steuerbar gern. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 IXa Nr. 1 UStG.

Beispiel 2: (Bei Anschaffung zunächst ausschließlich untemehmerische Nutzung, später gernischte Nutzung des PKW) Unternehmer U kauft sich am 01.02.2007 einen "Firmen-PKW" für 40.000 € zzgl. Umsatzsteuer beim Autohaus A. Die Nutzungsdauer beträgt 5 Jahre. Bei Anschaffung und in den ersten beiden Jahren wird das Fahrzeug ausschließlich betrieblich genutzt. Im dritten Jahr ändert sich die Nutzung insofern, als dass U das Fahrzeug nunmehr zu 30 % privat nutzt. Zum Zeitpunkt der Anschaffung des PKW steht dem U ein vollständiger Vorsteuerabzug LH.v. 7.600 € aufgrund der vollständigen betrieblichen Nutzung zu. Im Zeitpunkt der Nutzungsänderung musste nach dem mit StÄndG 2003 gestrichenen § 15a 111 Nr. 2a UStG a.F. eine Vorsteuerkorrektur für den Berichtigungszeitraum durchgeführt werden.

71

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Aufgrund des Wegfalls der betreffenden Regelung findet nun auch in diesem Fall die Grundregel des § 3 IXa Nr. 1 Anwendung. Die Privatnutzung in Höhe von 30 % stellt damit eine gern. § 1 I Nr. 1 LVm, § 3 IXa Nr. 1 UStG steuerbare Gegenstandsverwendungdar. Bei der sonstigen Gegenstandsverwendung durch einen Arbeitnehmer, für die der Arbeitnehmer kein besonders berechnetes Entgelt aufwendet, muss zunächst geprüft werden, ob es sich nicht bereits nach § 3 I UStG um eine entgeltliche Leistung (tauschähnlicher Umsatz nach § 3 XII UStG) handelt. Ist dies nicht der Fall, liegt eine steuerbare Gegenstandsverwendung gern. § 1 I Nr. 1 LY.m. § 3 IXa Nr. 1 UStG durch das Personal vor.

Beispiel: Eine Veranstaltungs-Gesellschaft gestattet ihren Angestellten die unentgeltliche Benutzung ihrer Beschallungsanlagen für private FeiemNeranstaltungen, sofern diese nicht durch Kunden der Gesellschaft gemietet wurden. Sofern hinsichtlich der privaten Nutzung kein tauschähnlicher Umsatz vorliegt (Nutzungseinräumung als Teil des Entgelts für Arbeitsleitung des Angestellten), liegt hier eine Gegenstandsverwendung durch das Personal gern. § 3 IXa Nr. 1 UStG vor. Der Vorgang ist somit steuerbar gern. § 1 I Nr. 1 UStG

Überlässt ein Unternehmer (Arbeitgeber) seinem Personal (Arbeitnehmer) ein erworbenes Kraftfahrzeug (sog. Firmenwagenüberlassung) auch zur privaten Nutzung (Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Familienheimfahrten) ist dies regelmäßig als entgeltliche Leistung L S. des § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG und nur in Ausnahmefällen als unentgeltliche Überlassung L S. des § 3 IXa S. 1 Nr. 1 UStG anzusehen. Derartige Fahrzeuge werden, wenn sie nicht ausnahmsweise zusätzlich vom Unternehmer zu mehr als 5 % nichtunternehmerisch verwendet werden, durch die umsatzsteuerpflichtige Überlassung ausschließlich unternehmerisch genutzt. Somit kann der Vorsteuerabzug sowohl aus den Anschaffungskosten als auch aus den Unterhaltskosten der sog. Dienst- und Firmenwagen in voller Höhe in Anspruch genommen werden (dies gilt auch für die Überlassung von Fahrzeugen an GesellschafterGeschäftsführer von Kapitalgesellschaften). Die spätere Veräußerung und Entnahme derartiger Fahrzeuge unterliegen insgesamt der Umsatzsteuer.

Beispiel: Unternehmer U kauft einen neuen Firmen-PKW, den der Angestellte A zu 70 % betrieblich und zu 30 % privat benutzt. Der Vorsteuerabzug ist (trotzdem) in voller Höhe möglich.

72

Steuerbarkeit

2.1.4.3.2

Unentgeltliche Leistungserbringung (§ 3 IXa Nr. 2 UStG)

Nach § 3 IXa Nr. 2 UStG unterliegen alle anderen unentgeltlichen Dienstleistungen für nichtunternehmerische Zwecke oder für den privaten Bedarf des Personals, ausgenommen Aufmerksamkeiten, der Umsatzsteuer. Zu den sonstigen Leistungen gehört einerseits die Erbringung reiner Dienstleistungen, andererseits aber auch die Verwendung unternehmerischer Gegenstände für nichtunternehmerische Zwecke, wenn hierbei ein nicht unwesentlicher Dienstleistungsanteil hinzukommt.

Beispiel: Der Rechtsanwalt R berät seine Verwandten in Rechtstreitigkeiten, ohne ein Entgelt zu fordern. Da der Zweck außerhalb des Unternehmens des R liegt, handelt es sich um die Erbringung einer sonstigen Leistung, die steuerbar gem. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 IXa Nr. 2 UStG ist. Anders liegt der Fall, wenn R sich selbst in einer Rechtsache vertritt. Diese Leistung erbringt er nicht im Rahmen seines Unternehmens, sondern im Privatbereich, folglich liegt keine steuerbare sonstige Leistung vor.

Beispiel: Der Malermeister M lässt durch den Einsatz seiner betrieblichen Arbeitskräfte sein Privathaus streichen. Es liegt eine steuerbare Erbringung einer sonstigen Leistung vor. Gleiches gilt, wenn das Privathaus des Angestellten A durch die betrieblichen Arbeitskräfte ohne Entgelt gestrichen wird.

Genau wie bei der Gegenstandsentnahme ist die Erbringung sonstiger Leistungen an Arbeitnehmer, die primär im betrieblichen Interesse des Unternehmers erbracht werden, nicht steuerbar. Diese sollen insbesondere dann vorliegen (A 12 IV UStR), wenn betrieblich veranlasste Maßnahmen zwar auch die Befriedigung eines privaten Bedarfs der Arbeitnehmer zur Folge haben, diese Folge aber durch die mit den Maßnahmen angestrebten betrieblichen Zwecken überlagert wird. Hierzu zählen insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Zuwendungen im Rahmen von Betriebsveranstaltungen, soweit sie sich im üblichen Rahmen halten. Konsequenterweise können unentgeltliche Beförderungen von Arbeitnehmern zwischen ihrer Wohnung und Arbeitsstätte nur bei Vorlage besonderer Umstände nicht steuerbar sein (z. B. bei Schwierigkeiten, andere Verkehrsmittel zu benutzen, und bei wechselnden Arbeitsstätten; FG-Urteil v.09.07.1998 im Anschluss an EuGH-Urteil v. 16.10.1997,HFR 1998, S. 925 ff.)

73

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.1.4.4

Ubersicht: Unentgeltliche Leistungen

Abbildung 2-13:

Unentgeltliche Leistungen

ISteuerbare Leistungen im UStG I

1------------------~

Leistungsaustausch = Regelfall

§ 3 Abs.1b UStG

§ 3 Abs.9a UStG

Nr.1 Gegenstandsentnahmen

Nr.1 Gegenstandsverwendung

Nr.2 Sachzuwendungen an Personal

'--

Get~d

-y-_------..-I VoraUlSetzunt: Gegenstand oder seine BestandteJle beben zum vollen oder teIlwehen Vonteuermzul berechtig.

Nr.3 Andere unentgeltliche Zuwendungen eines Gegenstandes für Zwecked, Unternehmens

'--

Gegen EntgeLt

..-I

Nr.2 Unentgeltlfche Erbringung einer sonst. Leistung

VoraussetzungfUr Hr.i-3: oder seJne Bestandteilehaben zum vollen oder teIlweisen Vorsteuerabzug berechtfg.

2.1.5

Unternehmer als Steuersubjekt

Der Begriff des Unternehmers ist umsatzsteuerlieh von zentraler Bedeutung. Denn die in § 1 I UStG genannten Umsätze können überhaupt nur steuerbar sein, wenn sie von Unternehmern ausgeführt werden (Ausnahme: Einfuhr und innergemeinschaftlicher Erwerb). Verschiedene Bestimmungen zum Leistungsort und zur Steuerfreiheit stellen tatbestandsmäßig auf den Unternehmer ab. Nur Unternehmer sind berechtigt und verpflichtet, Rechnungen im Sinne von § 14 UStG auszustellen. Und schließlich können auch nur Unternehmer den Vorsteuerabzug geltend machen (§ 15 UStG). Die genaue Umschreibung des Unternehmerbegriffs liefert § 2 UStG. Danach ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 I S. 1 UStG). Klärungsbedürftig ist zunächst die Frage, wer überhaupt Unternehmer sein kann (Untemehmerfähigkeit). Anschließend werden die Merkmale der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit und der Selbständigkeit erörtert.

74

Steuerbarkeit

Abbildung 2-14:

Unternehmereigenschaft

11. Unternehmerfähigkeit

12. Gewerbliche I Berufliche Tätigkeit 13. Selbständigkeit 2.1.5.1

Unternehmerfähigkeit (Beginn/Ende der Unternehmerfähigkeit)

Die Fähigkeit, Unternehmer im Sinne des UStG zu sein, ist nicht gleichbedeutend mit der Rechtsfähigkeit im zivilrechtliehen Sinne. Daher können auch Wirtschaftsgebilde, die zivilrechtlich nicht rechtsfähig sind, unternehmerfähig sein. Unternehmerfähig ist grundsätzlich jedes selbständig tätige Wirtschaftsgebilde, das nachhaltig Leistungen gegen Entgelt ausführen kann (A 16 I S. 2 UStR). Unternehmer können deshalb insbesondere natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften und andere nichtrechtsfähige Personenzusammenschlüsse (z. B. GbR, Bruchteilsgemeinschaften, Arbeitsgemeinschaften, nichtrechtsfähige Vereine, Partnergesellschaften, Erbengemeinschaft usw.) sein. Nicht unternehmerfähig sind demgegenüber die sog. Innengesellschaften (z. B. Bürogemeinschaften, Meta-Verbindungen; A 16 III UStR). Das sind nichtrechtsfähige Personenvereinigungen oder Unternehmenszusammenschlüsse, die nach außen hin nicht in Erscheinung treten. Unternehmer können in diesem Fall nur die nach außen im eigenen Namen auftretenden Beteiligten sein. Zu den Innengesellschaften gehört typischerweise auch die stille Gesellschaft im Sinne von § 230 HGB. Unternehmer ist hier der Inhaber des Handelsgewerbes, der allein nach außen hin handelnd auftritt. Das gilt auch dann, wenn es sich aus ertragsteuerlicher Sicht um eine atypische stille Gesellschaft handelt. Die ertragsteuerliche Behandlung als Mitunternehmerschaft hat umsatzsteuerlich keine Bedeutung. Die Unternehmereigenschaft beginnt mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden, wenn die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen ernsthaft beabsichtigt ist. Die Unternehmereigenschaft endet mit dem letzten Tätigwerden, wobei es nicht auf den Zeitpunkt der Einstellung oder Abmeldung des Gewerbebetriebs ankommt. Es kommt vielmehr darauf an, dass der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt hat, die mit dem (aufgegebenen) Betrieb in Zusammenhang stehen.

75

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.1.5.2

Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit

Weiteres Merkmal der Unternehmereigenschaft ist die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit. Sie ist in § 2 I S. 3 UStG umschrieben als jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ohne Rücksicht darauf, ob diese Tätigkeit zugleich auch von der Absicht bestimmt ist, Gewinn zu erzielen (Keine Gewinnerzielungsabsicht). Damit ist der Begriff der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Sinne des UStG insbesondere weiter angelegt als der ertragsteuerliche Begriff des Gewerbebetriebs. Für Zwecke der USt wird eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht vorausgesetzt. Ein unternehmerisches Leistungsverhalten soll auch bereits dann anzunehmen sein, wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit stellt auf Leistungen im wirtschaftlichen Sinne ab. Bloße Leistungen im Rechtssinne, die nicht zugleich auch Leistungen im wirtschaftlichen Sinne darstellen, sollen hingegen umsatzsteuerlich unbeachtlich bleiben. Aus diesem Grund können z. B. die Unterhaltung von Giro-, Bauspar-und Sparkonten sowie auch das Eigentum an Wertpapieren nach Ansicht des BFH nicht geeignet sein, bereits für sich allein die Unternehmereigenschaft einer natürlichen Person zu begründen (A 18 I S. 4 UStR). Dasselbe gilt auch für die bloße Hingabe von gesetzlichen Zahlungsmitteln als Gegenleistung für eine Leistung; eine wirtschaftliche Leistung soll hierin nicht zum Ausdruck kommen. Für die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ist das Kriterium der Nachhaltigkeit erfüllt, wenn es sich um eine auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Erzielung von Entgelten handelt. Als entscheidendes Merkmal für die auf Dauer angelegte Tätigkeit ist nach der herkömmlichen Begriffsbestimmung vor allem das Wiederholungsmoment von Bedeutung. Nachhaltig sind danach insbesondere Dauerleistungen bzw. gleichartige Handlungen, die mehrfach bzw. mindestens mit Wiederholungsabsicht ausgeführt werden. Diese sehr weit gefasste Umschreibung ist vom BFH in seiner jüngeren Rechtsprechung allerdings insoweit eingeschränkt worden, als dort nicht mehr allein auf den Wiederholungsgedanken, sondern außerdem auch maßgebend auf das "Auftreten eines Händlers am Markt" abgestellt wird. Hiernach entscheidet sich, ob die Merkmale einer typisch gewerblichen Tätigkeit erfüllt sind oder nur eine typisch private Verwertungshandlung vorliegt, die nicht der USt unterliegen soll. So fällt z. B. das sog. Eigenleben des Unternehmers (z. B. Briefmarkensammeln, Münzsammeln) nicht unter die unternehmerischen Betätigungen, wenn nicht ein Verhalten wie ein Händler vorliegt. Allerdings erfährt das Kriterium der wirtschaftlichen Betätigung wie ein Händler von Seiten des BFH eine Relativierung. Der BFH stellt für die Beurteilung der Nachhaltigkeit, ebenso wie bisher schon für die Frage der Selbständigkeit, vor allem auf das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall ab (sog. Jahreswagenurteil v. 18.7.1991, BStBl 11 1991, S. 776). Als Kriterien für das Vorliegen einer nachhaltigen Tätigkeit sollen dabei neben dem Auftreten wie ein Händler in gleicher Weise insbesondere auch

76

Steuerbarkeit

•

eine mehrjährige Tätigkeit, ein planmäßiges Handeln,

•

eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit,

•

die Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses,

•

die langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis, die Intensität des Tätigwerdens,

•

die Beteiligung am Markt,

•

das Unterhalten eines Geschäftslokals und

•

das Auftreten nach außen, z. B. gegenüber Behörden

in Betracht kommen (A 18 UStR). Da das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend ist, kann die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit nicht mehr allein mit Rücksicht auf das Vorliegen nur eines dieser Merkmale beurteilt werden. Vielmehr müssen alle für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Merkmale im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (Typusbegriff). Das hat der BFH am Beispiel der Jahreswagen-Umsätze von Automobilwerkern klar gemacht. Angesprochen sind damit die Fälle, in denen Arbeitnehmer von Automobilherstellern regelmäßig fabrikneue Automobile verbilligt erwerben und diese nach Ablauf der ihnen gesetzten Verkaufssperrfrist von einem Jahr ebenso regelmäßig wieder veräußern. Hierin sieht der BFH klar ein auf Dauer angelegtes planmäßiges Handeln unter Ausnutzung derselben Gelegenheit und damit also eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit. Auch wird die Beteiligung am Automobilmarkt nicht in Frage gestellt. Gleichwohl soll es sich hier nicht um eine untemehmerische Betätigung handeln. Denn dazu wird die Intensität der wirtschaftlichen Betätigung bei Verkäufen nach mehr als einem Jahr als zu gering erachtet - ein Punkt, dem hier im Rahmen der Gesamtverhältnisse besondere Bedeutung zukommen soll Um zur gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zu werden, muss die nachhaltige Tätigkeit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sein. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist dabei nicht erforderlich. Eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen liegt allgemein vor, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Leistungsaustauschs ausgeübt wird (A 18 VII UStR). Die Unternehmereigenschaft setzt somit voraus, dass Leistungen im Sinne des UStG gegen Entgelt erbracht werden. Dem kann allein durch die bloße Absicht, irgendwann einmal entgeltliche Leistungen auszuführen, grundsätzlich nicht entsprochen werden. Es

77

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

kann nur derjenige Unternehmer sein, der auch tatsächlich steuerbare Umsätze ausführen will (Schlagwort: Kein Unternehmer ohne Umsatzl). Schließlich muss auch klar sein, dass ein Gesellschafter (bzw. Mitglied) einer Personenvereinigung nicht bereits kraft seiner Position als Gesellschafter (bzw. Mitglied) Unternehmer sein kann. Insbesondere der Gesellschafter ist in seiner GesellschaftersteIlung dadurch gekennzeichnet, dass er nach Maßgabe seines Arbeitseinsatzes oder seiner Kapitalbeteiligung am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft teilnimmt. Damit stehen sich Gesellschaft und Gesellschafter insoweit aber nicht im Rahmen einer konkreten Leistungsbeziehung bzw. eines Austauschverhältnisses gegenüber, wie dies für die Annahme einer unternehmerischen Tätigkeit erforderlich wäre. Grundlage für den Zufluss des Gewinns beim Gesellschafter ist vielmehr das Gemeinschaftsverhältnis der Gesellschafter untereinander. Leistungen eines Gesellschafters, allein durch die Beteiligung am Gewinn oder Verlust abgegolten werden, sind somit (nichtsteuerbarer) Gesellschafterbeitrag; umsatzsteuerlich relevante Leistungen gegen Entgelt werden insoweit nicht erbracht. Nach früherer Ansicht des BFH sollte die Unternehmereigenschaft auch in den Fällen nicht begründet werden können, in denen es nach entsprechenden Vorbereitungshandlungen für eine unternehmerische Tätigkeit nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung entgeltlicher Leistungen kam (BFH v. 6.5.1993/ BStHl. II 1993/ S. 564; siehe auch A 19 I S. 3 UStR). Die unternehmerische Tätigkeit setze notwendig die zumindest später (d. h. nach Ablauf der Vorbereitungsphase) tatsächlich eintretenden nachhaltigen Leistungen gegen Entgelt voraus. Von dieser Sichtweise entfernt sich der EuGH mit seiner Rechtsprechung zum erfolglosen Unternehmer (EuGH v. 29.2.1996/ BStBl. II 1996/ S. 661). Danach sollen die Voraussetzungen für die Unternehmereigenschaft bereits mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine unternehmerische Tätigkeit gerichteten Tätigwerden erfüllt sein. Dabei kommt es ausdrücklich nicht darauf an, ob die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit letztlich tatsächlich zu steuerbaren Umsätzen führt. Entscheidend ist allein die durch objektive Merkmale nachweisbare ernsthafte Absicht, steuerbare Umsätze zu tätigen. Erfüllt sich diese Absicht später nicht, so kann die Unternehmereigenschaft nur in Fällen von Betrug oder Missbrauch rückwirkend aberkannt werden (siehe auch BMF v. 2.12.1996/ BStBl. I 1996/ S. 1461). Im Ergebnis ist danach auch der erfolglose Unternehmensbeginner Unternehmer i, S. des Umsatzsteuergesetzes (A 19 I S. 1 UStR).

2.1.5.3

Selbständigkeit und umsatzsteuerliche Organschaft

Unternehmer ist nur, wer eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen zudem auch selbständig ausübt. Der Begriff der Selbständigkeit ist im UStG nicht klar umschrieben. § 2 11 UStG nimmt lediglich eine negative Abgrenzung vor, wonach natürliche Personen eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig aus-

78

Steuerbarkeit

üben, soweit sie (als Arbeitnehmer) den Weisungen eines Unternehmers zu folgen verpflichtet sind ("Lohnsteuer und Umsatzsteuer schließen einander aus"). Juristische Personen können nicht selbständig tätig sein, wenn sie nur ein ausführendes Organ eines anderen umsatzsteuerlich relevanten Unternehmens sind (Organschaft s. u.), Die Frage der Selbständigkeit natürlicher Personen ist für die USt nach denselben Grundsätzen zu beurteilen wie für die ESt und GewSt (A 17 11 UStR). Ob Selbständigkeit oder Unselbständigkeit anzunehmen ist, kann sich demnach grundsätzlich nicht nach dem Auftreten einer Person nach außen richten. Maßgebend ist vielmehr das Innenverhältnis zwischen der betrachteten Person und ihrem Auftraggeber. Dessen Einordnung leitet sich nicht allein aus der Bezeichnung des Vertragsverhältnisses, aus der Art der Tätigkeit oder aus der Form der Entlohnung ab. Ebenso wie nun auch für die Frage der Nachhaltigkeit, so ist für die Beurteilung der Selbständigkeit schon bisher entscheidend auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen. Dementsprechend sind grundsätzlich alle für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abzuwägen, wie sie aus den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung deutlich werden. Als Anzeichen für Unselbständigkeit gelten z: B. das Vorliegen eines Arbeitsvertrags, Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitskraft statt des Arbeitserfolges, geregelte Arbeits- und Urlaubszeit, Weisungsgebundenheit, bestehender Kündigungsschutz, die Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen durch den Auftraggeber (Arbeitgeber). Merkmale für die Selbständigkeit sind demgegenüber insbesondere das Ausüben einer Tätigkeit auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung, Schulden eines Erfolgs sowie Entscheidungsfreiheiten im Sinne der Unternehmerinitiative. Ob Selbständigkeit oder Unselbständigkeit gegeben ist, muss für jede einzelne nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen getrennt beurteilt werden. Denn natürliche Personen können nebeneinander zum Teil selbständig und zum Teil unselbständige Tätigkeiten ausüben. Sie sind dann in Bezug auf die selbständig ausgeübten Tätigkeiten Unternehmer im Sinne des UStG, während der andere Bereich, in dem sie Arbeitnehmer sind, davon unberührt bleibt.

Beispiel: Ein Arzt wird l.R, eines Angestelltenverhältnisses unselbständig tätig. Ist ihm ferner die Möglichkeit eingeräumt, in den Abendstunden eine eigene Praxis zu unterhalten, wird die Tätigkeit insoweit selbständig ausgeübt.

Nach § 211 Nr. 1 UStG können auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen unselbständig sein, wenn sie als kollektive Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern zwecks Anbietung ihrer Arbeitskraft gegenüber einem gemeinsamen Arbeitgeber tätig werden. 79

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Verschiedene Musiker einer Tanzkapelle werden mit einem Hotelbesitzer darüber einig, in der Hauptsaison täglich Musikdarbietungen zu erbringen. Dabei wird ein monatliches Gesamthonorar vereinbart, welches die verschiedenen Mitglieder der Musikkapelle nach einem bestimmten Schlüssel untereinander verteilen. Lediglich der Hotelbesitzer ist hier Unternehmer. Die Musiker sind -zusammengeschlossen- seine Angestellten. Etwas anderes gilt, wenn die verschiedenen Musiker unter der Bezeichnung "Gruppe X" auftreten und jeder einzelne keine Vergütung für erbrachte Dienstleistung erhält, sondern vielmehr am Gewinn der Gruppe beteiligt ist. Hier stellt die Gruppe eine Personenvereinigung (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) dar, die als solche Unternehmer i. S. des UStG ist.

PersonengeseUschaften des Handelsrechts sind hingegen stets selbständig tätig, wenn sie Leistungen im Rahmen eines Leistungsaustauschs erbringen (A 17 V UStR). Auch die sonstigen nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen sind in der Regel selbständig tätig, wenn sie Leistungen gegen Entgelt erbringen. Juristische Personen des privaten Rechts sind im Allgemeinen selbständig tätig. Eine Ausnahme hiervon sieht § 2 11 Nr. 2 UStG vor. Danach wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist (umsatzsteuerliche Organschaft). In diesem Fall ist die juristische Person eine sog. Organgesellschaft und kann als solche mangels Selbständigkeit nicht Unternehmer sein. Ihre Umsätze werden dem Organträger zugerechnet. In ihren Voraussetzungen stimmt die umsatzsteuerliehe Organschaft nicht in vollem Umfang mit der körperschaftsteuerliehen und gewerbesteuerlichen Organschaft überein. Für eine umsatzsteuerliehe Organschaft sind weitergehende Voraussetzungen erforderlich als für eine ertragsteuerliche Organschaft. Organträger kann jedes unternehmerfähige Wirtschaftsgebilde sein (d. h. insbesondere natürliche und juristische Personen, Personengesellschaften), sobald es nur Unternehmer im Sinne des UStG ist. Als OrgangeseUschaft kommt hingegen nur eine juristische Person des Zivil- oder Handelsrechts in Betracht. Ob eine umsatzsteuerliche Organschaft vorliegt, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen, wobei die Eingliederungsmerkmale nicht allesamt gleichermaßen erfüllt sein müssen. Das Merkmal der finanziellen Eingliederung betrifft den Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft (A 21 IV UStR). Finanziell ist eine Organgesellschaft eingegliedert, wenn der Organträger mehr als 50 v.H. der Anteile hält und bei entsprechenden Stimmrechtsverhältnissen darüber seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Bei der Ermittlung der erforderlichen Beteiligungsquote sind neben unmittelbaren auch mittelbare Beteiligungen zu berücksichtigen. Eine mittelbare Beteiligung über eine oder mehrere zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften kann zu einer finanziellen Eingliederung führen, wenn die zwischengeschalteten Gesellschaften finanziell beherrscht werden. 80

Steuerbarkeit

Beispiel: Die A-GmbH ist an der B-GmbH zu 51 % beteiligt, die ihrerseits an der C-GmbH zu 51 % beteiligt ist. Die B-GmbH ist der A-GmbH unmittelbar, die C-GmbH als sog. Enkelgesellschafl mittelbar eingegliedert.

Beispiel: Die A-GmbH ist an der B-GmbH zu 51 % beteiligt, die ihrerseits zu 12 % an der CGmbH beteiligt ist. Die A-GmbH hält darüber hinaus 40 % der Anteile direkt an der C-GmbH. Fraglich ist, ob auch die C-GmbH in die A-GmbH mittelbar finanziell eingegliedert ist. Dies hängt davon ab, ob die mittelbare Beteiligung über die B-GmbH voll, d. h. mit 12 %-Punkten zugerechnet wird oder nur anteilig (durchgerechnet) LH.v. 51 % v. 12 % = 6,12 %. Im ersten Fall läge eine 52 %ige (un)mittelbare Beteiligung vor, womit die C-GmbH finanziell eingegliedert wäre, während im zweiten Fall lediglich eine 46,12 %-ige Beteiligung vorläge, die nicht zu einer finanziellen Eingliederung führen würde. Der ersten

Sichtweise ist zu folgen. Durch die 51 %-ige Beteiligung an der B-GmbH kann die AGmbH ihren Willen durchsetzen. Sie kann also auch vollständig und nicht nur anteilig ihren 12 %-igen Anteil an der C-GmbH geltend machen. Folglich ist die C-GmbH (un)mittelbar zu 52 % in die A-GmbH eingegliedert. Das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung stellt darauf ab, dass die Organgesellschaft in einem sinnvollen betriebswirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Gesamtunternehmen steht. Sie muss das Gesamtunternehmen im wirtschaftlichen Sinne fördern und ergänzen (A 21 V UStR), wobei eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Organträger nicht erforderlich ist (BFH v. 03.04.2003, V R 63/01, BFH/NV 2003, S. 1131). Eine wirtschaftliche Ergänzung bzw. Förderung liegt insbesondere dann vor, wenn die Organgesellschaft die Aufgabe eines Betriebsteils im Geschäftsbetrieb des Organträgers übernimmt (z. B. Einkauf, Vertrieb, Produktion). Für umsatzsteuerliche Zwecke wird die wirtschaftliche Eingliederung im Allgemeinen auch für den Fall der pachtweisen Überlassung von Betriebsgrundlagen bei Betriebsaufspaltungen bejaht. Die organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn der Organträger durch organisatorische Maßnahmen sicherstellt, dass in der Organgesellschaft sein Wille auch tatsächlich durchgeführt wird (A 21 VI UStR). Das kann z. B. durch Personalunion der Geschäftsführer in beiden Gesellschaften herbeigeführt werden. Entscheidend ist, dass das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse eine völlige Unterordnung der Organgesellschaft erkennen lässt. Liegen die Voraussetzungen der umsatzsteuerliehen Organschaft vor, so kann die Organgesellschaft mangels eigener Selbständigkeit nicht Unternehmer und damit auch nicht Träger steuerbarer Umsätze sein. Organgesellschaften und Organträger werden umsatzsteuerlich als ein Unternehmen angesehen. Unternehmer im Sinne des UStG ist allein der Organträger. 81

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Soweit Organgesellschaften aufgrund ihrer rechtlichen Eigenständigkeit nach außen in Erscheinung treten und Leistungen gegen Entgelt erbringen, wird dies umsatzsteuerlich unmittelbar dem Organträger zugerechnet. Dieser ist damit Schuldner der USt aus allen von den verbundenen Unternehmensteilen bewirkten Umsätzen und schuldet zudem auch die Steuer nach § 14 UStG wegen unberechtigten Steuerausweises. Werden einzelnen Organgesellschaften von Seiten Dritter Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt, so kann allein der Organträger hieraus zum Vorsteuerabzug berechtigt sein.

Abbildung 2-15:

Organschaft

Organkreis

Organträger Nat. Person / PersGes / Jur. Pers.

Finanzielle Eingliederung Entscheidende Anteilsmehrheit, auch mittelbare Beteiligung

Wirtschaftliche Eingliederung Förderung und Ergänzung des wirtschaftlichen Zwecks des Organträgers

Organisatorische Eingliederung Organträger kann Willen fn der Organgesellschaft durchsetzen

Organgesellschaft (OG) Jur.Pers. (GmbH, AG, KGaA) OG ist unselbständig

Dementsprechend treffen auch die steuerlichen Erklärungspflichten (USt-Voranmeldungen, Jahressteuererklärung) allein den Organträger, nicht jedoch die Organgesellschaften. Steuerbare Umsätze können nur durch die vom gesamten Organkreis an Dritte erbrachten Leistungen begründet werden. Leistungsabgaben innerhalb des Organkreises stellen ebenso wie solche zwischen den verschiedenen Abteilungen eines rechtlich einheitlichen Unternehmens umsatzsteuerlich irrelevante Innenumsätze dar. Folglich kann zwischen organschaftlieh verbundenen Unternehmensteilen weder USt entstehen noch Vorsteuer zum Abzug gelangen. Werden für Innenumsätze innerhalb

82

Steuerbarkeit

des Organkreises dennoch Belege mit gesondertem Steuerausweis ausgestellt, so handelt es sich dabei umsatzsteuerlich nicht um Rechnungen, sondern um unternehmensinterne Buchungsbelege (A 183 IV UStR). § 14c UStG findet innerhalb des Organkreises keine Anwendung. Materiell bringt die umsatzsteuerliche Organschaft in der Regel weder Vor- noch Nachteile gegenüber der Situation ihres Nichtbestehens, denn dort, wo im Organkreis USt gar nicht erst entsteht, wird die unternehmerische Leistungskette ansonsten durch die Ausgestaltung der USt als Netto-USt mit Vorsteuerabzug von der Belastung mit USt freigehalten. Das gilt allerdings nur so lange, wie auf den verschiedenen Leistungsstufen Umsätze getätigt werden, die tatsächlich die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug vermitteln. Sobald jedoch zwischen organschaftlich verbundenen Unternehmensteilen auch vorsteuerabzugsschädliche (insb.steuerfreie) Leistungen ausgetauscht werden, bietet die Organschaft sehr wohl wirtschaftliche Vorteile. In ihrer Wirkung soll die umsatzsteuerliche Organschaft schließlich auf Innenleistungen zwischen den im Inland belegenen Unternehmensteilen beschränkt bleiben. Nur

sie werden tatsächlich als einheitliches Unternehmen behandelt. Ohne Auswirkungen bleibt die Organschaft daher im Verhältnis zu den im Ausland gelegenen Unternehmensteilen sowie zwischen diesen Unternehmensteilen ("Keine Organschaft über die Grenze"). Sind also außerhalb des Inlands ansässige Niederlassungen von zum Organkreis gehörenden Gesellschaften auch nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, so gehören sie doch umsatzsteuerlich nicht zum Unternehmen des Organträgers. Sie bleiben vielmehr selbständig und sind damit (entsprechende nachhaltige Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen vorausgesetzt) insoweit jeweils als eigenständige Unternehmer anzusehen.

83

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.1.5.4

Ubersichten Unternehmereigenschaft

Abbildung 2-16:

Unternehmereigenschaft (1)

Unternehmerfähigkeit Natürliche Person Juristische Person Personengesellschaften Nichtrechtsfähige Personenzusammenschlüsse

Abbildung 2-17:

Unternehmereigenschaft (2)

Gewerbl.ichel Berufliche Tätigkeit Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen

_

Problembereiche: Holdinggesellschaften, echtes Factoring, usw.

Nachhaltigkeit I Gesamtbild der Verhältnisse • eine mehrjährige Tätigkeit, • ein planmäßiges Handeln, • eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit, • die Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses, • die langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis, • die Intensität des Tätigwerdens, • die Beteiligung am Markt, • das Unterhalten eines Geschäftslokals und -das Auftreten nach außen, z.B. gegenüber Behörden

84

Steuerbarkeit

Abbildung 2-18:

Unternehmereigenschaft (3)

Selbständigkeit Natürliche Person

L-.

r-------

Keine Selbständigkeit, wenn ein Arbeits-! Dienstverhältnis besteht.

L-.

Keine Selbständigkeit, wenn

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _-----J

r------- eine Organschaft vorliegt: ----------------' Finanzielle, wirtschaftliche, Juristische Person

organisatorische Eingliederung.

Personengesellschaft

2.1.6

Rahmen des Unternehmens und Unternehmenseinheit

Zum Unternehmerbegriff gehört notwendig der Begriff des Unternehmens. Es umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 I S. 2 UStG). Das besagt, dass jeder Unternehmer immer nur ein Unternehmen haben kann (Grundsatz der Unternehmenseinheit). Das gilt unabhängig davon, wie viele Betriebe oder Betriebsstätten ein Unternehmer tatsächlich unterhält; sie alle bilden das eine einheitliche Unternehmen im Sinne des UStG.

Beispiel: A ist niedergelassener Kassenarzt und schreibt in seiner Freizeit regelmäßig Beiträge für Fachzeitschriften. Arztpraxis und schriftstellerische Tätigkeit bilden das eine Unternehmen des A.

85

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: B ist Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts und daneben Eigentümer eines Mietwohnhauses, das er an verschiedene Parteien vermietet. Das Unternehmen von B umfasst das Bekleidungsgeschäft und das Mietwohnhaus, unabhängig davon, wo diese betrieben werden bzw. belegen sind.

Der Unternehmensbegriff gilt grundsätzlich ohne räumliche Begrenzung, d. h. er umfasst sowohl inländische wie auch ausländische Unternehmensteile. Leistungsabgaben zwischen verschiedenen Unternehmensteilen innerhalb eines Unternehmens sind sog. Innenumsätze und müssen als solche grundsätzlich umsatzsteuerlich unbeachtlich bleiben, da sie nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschs zwischen zwei verschiedenen Steuersubjekten erbracht werden. (Ausnahme: Grenzüberschreitende Innenumsätze innerhalb der EU). Werden zur internen Verrechnung innerhalb des Unternehmens Abrechnungsurkunden mit gesondertem Steuerausweis erteilt, so handelt es sich dabei um unternehmensinterne Belege, die nicht Rechnungen im Sinne von § 14 UStG sind. § 14c 11 UStG findet keine Anwendung. Neben seinem unternehmerischen Tätigkeitsbereich kann jeder Unternehmer grundsätzlich auch nichtunternehmerisch tätig sein. Natürliche Personen, die Unternehmer im Sinne des UStG sind, haben sogar notwendig auch eine außerunternehmerische Sphäre. Dazu gehören insbesondere der private Lebensbereich sowie alle nichtunternehmerischen Aktivitäten, seien sie auch auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet.

Beispiel: E ist Eigentümer mehrerer Mietwohnhäuser, die er an verschiedene Parteien vermietet, und zugleich (angestellter) Direktor eines städtischen Gymnasiums.

Beispiel: Ein Unternehmer veräußert privat einen PKW, der nicht zu seinem Unternehmensvermögen gehört.

Die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen unternehmerischer und nichtunternehmerischer Sphäre macht das UStG an verschiedenen Stellen deutlich: So können grundsätzlich nur Leistungen des Unternehmers, die er im Rahmen seines Unternehmens ausführt, steuerbare Umsätze sein (§ 1 I Nr. 1 UStG)i und andererseits ist insbesondere der Vorsteuerabzug nur für solche Leistungsbezüge des Unternehmers 86

Steuerbarkeit

möglich, die er für sein Unternehmen in Anspruch nimmt (§ 15 I Nr. 1 UStG). Und schließlich erklären sich hieraus auch die Gegenstandsentnahme- bzw. Gegenstandsverwendungstatbestände (§ 1 I Nr. 1 i V.m. § 3 Ib Nr. 1-3/ IXa Nr. 1/ 2 UStG) des UStG; denn danach soll ja gerade der Übergang von der unternehmerischen in die nichtunternehmerische Sphäre der Besteuerung unterliegen. Umsatzgeschäfte, die im Rahmen des Unternehmens ausgeführt werden, können entweder Grundgeschäfte oder HiIfsund Nebengeschäfte sein (§ 2 I S. 2 UStG/ A 20 11 UStR). Grundgeschäfte eines Unternehmers sind entgeltliche Leistungen, die seiner Haupttätigkeit entspringen und den eigentlichen Gegenstand einer geschäftlichen Betätigung bilden. Hilfsgeschäfte sind demgegenüber Leistungen, die nicht zum eigentlichen Gegenstand des Unternehmens gehören, sich jedoch üblicherweise aus dem Betrieb eines Unternehmens ergeben (z. B. Veräußerung gebrauchter Unternehmensgegenstände). Auch Nebengeschäfte gehören nicht zur Haupttätigkeit des Unternehmens, stehen mit dieser jedoch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang. Die Trennung von unternehmerischer und nichtunternehmerischer Sphäre führt notwendig zur Frage nach der Abgrenzung des Unternehmensvermögens vom außerunternehmerischen Vermögensbereich eines Unternehmers. Zum Unternehmensvermögen gehören sämtliche Gegenstände, die dem Unternehmer als (wirtschaftlichem) Eigentümer zuzurechnen sind und dem Unternehmen zugeordnet werden. Dieser Zuordnung zum Unternehmensvermögen kommt umfassende Bedeutung zu; sie berührt sowohl die Leistungseingangsseite als auch die Leistungsausgangsseite des Unternehmers. Denn nur wenn ein Gegenstand für das Unternehmen erworben wird, also dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden soll, können mit Blick auf die Leistungseingangsseite die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug (§ 15 I Nr. 1 UStG) erfüllt sein. Auf der Leistungsausgangsseite macht erst die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmensvermögen möglich, dass der unter Verwendung dieses Gegenstands bewirkte Umsatz im Rahmen des Unternehmens ausgeführt werden kann. Die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmensvermögen richtet sich nicht nach ertragsteuerrechtlichen Merkmalen, also nicht nach der Einordnung als Betriebs- oder Privatvermögen. Maßgebend ist allein, ob der Unternehmer den Gegenstand dem unternehmerischen oder dem nichtunternehmerischen Tätigkeitsbereich zugewiesen hat.8 Die damit angesprochene Zuordnungsentscheidung bereitet keine größeren Schwierigkeiten/ solange es nur um die Frage einer entweder ausschließlich unternehmerischen oder ausschließlich nichtunternehmerischen Nutzung geht oder solange z. B. bei vertretbaren Sachen eine Aufteilung nach Maßgabe des Verwendungszwecks in Betracht kommt (A 192 XXI Nr. 1 UStR). Komplizierter wird die Zuordnungsentscheidung aber dort, wo ein einheitlicher Gegenstand sowohl für den unternehmerischen wie auch für den nichtunternehmerischen Bereich genutzt werden soll. Seit der EuGH-Entscheidung vom 04.10.1995 (BStBl. 11 1996/ S. 390) ist das Wahlrecht hinsichtlich der Zuordnung gemischt genutzter einheitlicher Gegenstände im Gegensatz zu der bis dahin von der Finanzverwaltung vertretenen Ansicht maßgebend erweitert worden. Nach dieser Entschei-

87

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

dung ist dem Unternehmer prinzipiell auch nur eine anteilige Zuordnung zum unternehmerischen Bereich möglich (BMF vom 27.07.1996, BStBl. I 1996, S. 702). Damit stehen dem Unternehmer verschiedene Wahlmöglichkeiten offen. Wahlmöglichkeiten bei gemischter Nutzung eines Gegenstandes: 1. Der Unternehmer kann den Gegenstand insgesamt dem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen, ungeachtet dessen anteiliger Nutzung für unternehmerische Zwecke. Mit dieser Zuordnung verzichtet der Unternehmer endgültig auf den gesamten Vorsteuerabzug aus dem Gegenstand. Hieran können weder spätere Nutzungsänderungen noch eine spätere Einlage in das Unternehmensvermögen nachträglich etwas ändern. Andererseits würde eine spätere Veräußerung des Gegenstands umsatzsteuerlich unbeachtlich bleiben. 2. Ferner kann der Unternehmer den Gegenstand auch insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, und zwar auch dann, wenn die unternehmerische Nutzung nur geringfügig ist (EuGH v. 11.07.1991,UR 1991, S. 291). Wählt der Unternehmer diese Vorgehensweise, so kann er in vollem Umfang den Vorsteuerabzug aus dem Gegenstand geltend machen (§ 15 I UStG, allerdings vorbehaltlich § 15 11, III UStG). Zum Ausgleich dafür unterliegt die Verwendung für nichtunternehmerische Zwecke (§ 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3 IXa Nr. 1 UStG) oder eine spätere Gegenstandsentnahme (§ 1 Nr. 1 LV.m. § 3 Ib Nr. 1 UStG) der USt. Spätere Nutzungsänderungen ziehen grundsätzlich die Korrektur des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG nach sich. Dieser Vorgehensweise steht jedoch § 15 I S. 2 UStG teilweise entgegen, nach dem eine Lieferung als nicht für das Unternehmen ausgeführt gilt, wenn der Unternehmer den Gegenstand zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt. Eine geringere als 10 %-ige betriebliche Nutzung führt folglich dazu, dass der Gegenstand ausschließlich der nichtunternehmerischen Sphäre zuzuordnen ist. 3. Als weitere Alternative steht dem Unternehmer nun auch die Möglichkeit offen, einen nichtunternehmerisch genutzten Teil des Gegenstands von vornherein ganz oder teilweise seinem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen (Voraussetzung: schriftliche Mitteilung an das Finanzamt). Soweit es diese anteilige Zuordnung zum nichtunternehmerischen Bereich angeht, kann ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht kommen. Hieran wird auch eine spätere Nutzungsänderung im Sinne einer vollständig unternehmerischen Nutzung nichts mehr ändern, denn eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG ist insoweit nicht zulässig. Spätere Nutzungsänderungen können nur in Bezug auf die anteilige Zuordnung zum unternehmerischen Bereich zu einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG führen. Denn auch nur aus der anteiligen unternehmerischen Zuordnung kann der Unternehmer im ersten Jahr überhaupt einen (anteiligen) Vorsteuerabzug haben. Dementsprechend erfolgt eine spätere Veräußerung des einheitlichen Gegenstands auch nur insoweit im Rahmen des Unternehmens und unterliegt damit der USt, wie dies der anteiligen Zuordnung zum unternehmerischen Bereich entspricht.

88

Steuerbarkeit

Die hier beschriebenen Wahlmöglichkeiten sollen dem Unternehmer sowohl für unbewegliche wie grundsätzlich auch für bewegliche gemischt genutzte Wirtschaftsgüter offenstehen. Allerdings geht die Finanzverwaltung bei beweglichen Gegenständen regelmäßig davon aus, dass der Unternehmer sie insgesamt seinem Unternehmen zuordnet, wenn der Steuerpflichtige nichts Gegenteiliges mitteilt. Die Übersicht verdeutlicht die Zusammenhänge nochmals.

Abbildung 2-19:

Unternehmenseinheit Zuordnunssentscheidung untemehmerfsche Sphäre

<==>

Nichtunternehmerische Sphäre

I

Nutzung des Gegenstandes erfolgt ausschließlich nichtunternehmerisch

I

Nutzung des Gegenstandeserfolgt sowohl fUr unternehmerische als auch fUr nichtunternehmerische Zwecke (gemischte Nutzung)

I

Wahlrecht

Ni htunternehmerische Komplette Zuordnung zur nichtuntern. Sphäre

SPh~re

Zuordnung zur nichtuntern. Sphäre

I

I I

Aufteilung Nichtuntemehmer1sch I;~tzter Tefl desGegenstand

I

Nutzung des Gegenstandes erfolgt ausschließlich unternehmerisch

unteme~t~r1sch

genutzter Teil cIe Gesenstandes

1Unternehmerische Sphäre Zuordnung zur nichtuntern. Sphäre

Komplette Zuordnung zur untern. Sphäre

Ausnahme: § 151 UStG Bei elner geringerals 101-igenuntemehm. Nutzung erfolgt eine ZOOrdnung zur nichtuntern. Sphäre

2.1.7

Ort und Zeitpunkt der Leistungen (im Inland)

Leistungen (Lieferungen/sonst. Leistungen) im Sinne des UStG sind nicht bereits dann steuerbar, wenn sie nur von einem Unternehmer im Rahmen eines Leistungsaustauschs ausgeführt werden. Unabdingbare Voraussetzung ist auch, dass sie außerdem im Geltungsbereich des deutschen UStG, dem Inland, erbracht werden. Von zentraler Bedeutung ist damit die Bestimmung von Ort und Zeitpunkt der Leistung. Beide können hier nicht losgelöst voneinander gesehen werden, denn die Ortsbestimmung einer Leistung ist nicht selten gerade von deren Zeitpunkt abhängig. Bevor Ort und Zeitpunkt für Leistungen bestimmt werden können, ist der Blick kurz auf die Gebietsbegriffe des Umsatzsteuergesetzes zu richten. Es gilt also zu klären, 89

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

was unter dem Begriff Inland im umsatzsteuerliehen Sinne zu verstehen ist. Die Vorgehensweise verdeutlicht das folgende Schaubild:

Abbildung 2-20:

Ort und Zeitpunkt der Leistungserstellung

Bestimmung des Ortes und des Zeitpunktes von Leistungen (Lieferungen/ sonstige Leistungen)

I

Gebietsbestimmungen des Urnsatzsteuergesetzes § 1 11 UStG I

I Ort und Zeitpunkt der Lieferung § 3 Va - VIII UStG (§ 3f, 9 UStG)

2.1.7.1

I Ort und Zeitpunkt der sonst. Leistung §§ 3a, b, f UStG

Inlandsbegriff des Umsatzsteuergesetzes

Das Umsatzsteuergesetz unterscheidet eine Vielzahl von Gebietsbegriffen, nämlich Inland, Ausland, Drittlandsgebiet, Gemeinschaftsgebiet und Zollgebiet. Definiert werden diese Begriffe in § 1 11/ lIa UStG. Da in diesem Kapitel lediglich reine Inlandstatbestände betrachtet werden, kann auf die Gebietsdefinitionen Ausland, Drittlandsgebiet und Gemeinschaftsgebiet zunächst verzichtet werden. Folglich gilt es nur zu klären, was unter dem Begriff des Inlands umsatzsteuerlich verstanden wird. § 1 11 UStG versteht unter Inland das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit folgenden Ausnahmen:

•

Gebiet von Büsingen

•

Insel Helgoland

•

Freihäfen

90

Steuerbarkeit

•

Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze (12sm-Grenze und der jeweiligen Strandlinie)

•

Deutsche Schiffe und Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet (z. B. hohe See) gehören

•

Gemeinden Mittelberg und Jungholz (§ 1 I Nr. 4 UStG)

Umsätze, die in den "Ausnahmegebieten" stattfmden, unterliegen folglich nicht der deutschen Umsatzsteuer.

Beispiel: U macht einen Ausflug nach Helgoland und kauft dort Spirituosen für gute Freunde beim Einzelhändler E. Zweifellos liegt ein Leistungsaustausch (Lieferung gegen Entgelt) durch einen Untemehmer (E) im Rahmen seines Unternehmens vor. Unabdingbare Voraussetzung für die Steuerbarkeit wäre aber, dass der Umsatz im Inland stattfindet. Obwohl die Insel Helgoland hoheitsrechtlich zur Bundesrepublik Deutschland gehört, zählt sie umsatzsteuerlich nicht zum Inland. Der Umsatz des Untemehmers ist somit nicht steuerbar. Der U erhält also Waren, die beim Kauf nicht mit Umsatzsteuer belastet sind.

2.1.7.2

Ort und Zeitpunkt der entgeltlichen Lieferung

Wie die Ortsbestimmung bei der Lieferung im Einzelnen vorzunehmen ist, beschreibt die zentrale Vorschrift des § 3 Va UStG. Diese verweist unmittelbar auf die Regelungen in § 3 VI-VIII UStG, ordnet zunächst jedoch einen Vorbehalt der Sonderregeln für innergemeinschaftliche Versandhandelsumsätze (§ 3c UStG), bestimmte Lieferungen an Bord von Beförderungsmitteln (§ 3e UStG) bzw. für unentgeltliche Lieferungen (§ 3f UStG) und für die Lieferung von Gas und Elektrizität (§ 3g UStG) an, die hier jedoch zunächst nicht weiter vertieft werden, da sie - auch - grenzüberschreitende Sachverhalte zum Inhalt haben. Gleichwohl findet sich die Grundregel für die Ortsbestimmung für Lieferungen in § 3 VIUStG.

2.1.7.2.1

Beförderungs- und Versendungslieferungen (5 3 VI UStG)

Die Grundregel zur Ortsbestimmung für Lieferungen ergibt sich aus § 3 VI UStG, der Regelungen zur Ortsbestimmung für Beförderungs- und Versendungslieferungen enthält. § 3 VII UStG (s, u.) ist wiederum als Sonderregel konzipiert und regelt den Lieferort für den Ausnahmefall derjenigen Lieferungen, die weder Beförderungs- noch Versendungslieferungen sind. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder Abnehmer beauftragten Dritten befördert

91

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (§ 3 VI S. 1 UStG). Diese Regelung ist nur ortsbezogen zu verstehen; sie trifft insbesondere keine Aussage zum Zeitpunkt der Lieferung. Dieser bestimmt ich für jede einzelne Lieferung ausschließlich nach zivilrechtlichen Maßstäben. Auch der sog. Abholfall, bei dem die Beförderung oder Versendung durch den Abnehmer erfolgt, wird von der Regelung des § 3 VI UStG erfasst, d. h. auch der Abholfall wird grundsätzlich als Beförderungs- bzw. Versendungslieferung angesehen. Was unter den Begriffen des "Beförderns" bzw. ,,versendens" zu verstehen ist, umschreibt § 3 VI S. 2, 3 UStG: Befördern ist danach jede Fortbewegung eines Gegenstandes (§ 3 VI S. 2 UStG). Damit ist der Fall angesprochen, dass der Liefergegenstand entweder durch den leistenden Unternehmer oder durch den Abnehmer selbst transportiert wird (sog. Eigentransport). Jeder von beiden kann den Transportvorgang dabei auch durch einen unselbständigen Beauftragten (insbesondere einen Arbeitnehmer) ausführen lassen. Wird ein Liefergegenstand an den Abnehmer (oder in dessen Auftrag an einen Dritten) befördert, so gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung beginnt. Maßgebend für die Bestimmung des Lieferorts ist also der Ort des Beförderungsbeginns. Gleichzeitig bestimmt sich der Lieferzeitpunkt allein nach zivilrechtliehen Grundsätzen. Dementsprechend kann eine Lieferung erst in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem tatsächlich die Verfügungsrnacht über den Liefergegenstand verschafft wird; ein Zeitpunkt also, der in der Regel durch die Übergabe des Liefergegenstandes an dem vom Abnehmer bestimmten Ort markiert ist.

Beispiel: Unternehmer U in Köln verkauft eine Maschine an seinen Abnehmer A in Lüttich. Auf Wunsch von A transportiert ein Angestellter von U die Maschine mit unternehmenseigenem LKW von Köln nach Lüttich. Als leistender Unternehmer übernimmt U hier selbst den Transport; es handelt sich also um eine Beförderungslieferung. Ort der Lieferung ist Köln, weil hier die Beförderung des Liefergegenstandes an den Abnehmer beginnt (§ 3 VI S. 1, 2 UStG). Köln liegt im Inland gem. § 1 11 S. 1 uStG. Folglich ist die Lieferung steuerbar.

Versenden unterscheidet sich vom Befördern dadurch, dass jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten (z. B. Bahn, Post, Spediteur oder Frachtführer) ausführen oder besorgen lässt (§ 3 VI S. 3 UStG, sog. Fremdtransport). Im Falle des Versendens gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Versendung an den Abnehmer (oder in dessen Auftrag an einen Dritten) beginnt. Der Beginn der Versendung soll dabei dort sein, wo der Liefergegenstand an den Beauftragten übergeben wird (§ 3

92

Steuerbarkeit

VI S. 4 UStG). Maßgebend für die Bestimmung des Lieferorts ist hier also der Ort der Übergabe an den selbständigen Beauftragten. Hiervon unberührt bleibt wiederum die Beurteilung des Lieferzeitpunkts, die sich wie bei der Beförderungslieferung allein nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu richten hat.

Beispiel: Unternehmer U in Köln verkauft Ware an seinen Abnehmer A in Lüttich. U kann die Beförderung der Ware zu A nicht selbst ausführen und übergibt sie deshalb an den Fuhrunternehmer F mit dem Auftrag, den Transport von Köln nach Lüttich zu übernehmen. Unternehmer U führt hier den Transport nicht selbst aus, sondern bedient sich diesbezüglich des selbständigen Beauftragten F. Es handelt sich also um eine Versendungslieferung. Ort der Lieferung ist Köln, weil hier die Übergabe des Liefergegenstands an den Beauftragten erfolgt (§ 3 VI S. 3, 4 UStG). Auch hier findet die Lieferung im Inland (Köln) statt und ist somit steuerbar.

Für die Annahme einer Beförderungs- oder Versendungslieferung mit der Rechtsfolge des § 3 VI S. 1 UStG (Fiktion des Lieferzeitpunkts) ist gleichermaßen erforderlich, dass bei Beginn der Beförderung bzw. Versendung der Abnehmer bereits feststeht. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich bei dem Transport lediglich um einen innerbetrieblichen Vorgang (sog. rechtsgeschäftsloses Verbringen), der für Zwecke der USt grundsätzlich ohne Bedeutung bleibt (Ausnahme: grenzüberschreitendes Verbringen innerhalb der EU, § 3 la UStG bzw. § 1a 11 UStG).

2.1.7.2.2

Fehlende Beförderung oder Versendung (S 3 VII UStG)

Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert und auch nicht versendet, so kommt als Ausnahmeregelung § 3 VII S. 1 UStG zum Tragen. Dieser bestimmt denjenigen Ort zum Lieferort, an dem sich der Liefergegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Als mögliche Anwendungsfälle verbleiben hier insbesondere die Lieferungen durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB), durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) oder durch Übergabe von Traditionspapieren.

2.1.7.2.3

Reihengeschäft (S 3 VI S. 5, 6 i.V.m. S 3 VII S. 2 UStG)

Unter dem Begriff des Reihengeschäfts werden umsatzsteuerlich solche Fälle erfasst, in denen mehrere Unternehmer über denselben Liefergegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und diese Geschäfte dadurch erfüllen, dass der Liefergegenstand unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer befördert oder versendet wird (§ 3 VI S. 5 UStG).

93

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel (Reihengeschäft): Der Abnehmer (A) bestellt bei dem Unternehmer U3 einen Gegenstand, den dieser nicht vorrätig hat. U3 bestellt dementsprechend bei seinem Lieferer U2. Auch dieser kann den Gegenstand nicht selbst liefern und wendet sich an seinen Hersteller Ul. Ul liefert den Gegenstand durch eigenes Personal direkt an den A. Die folgende Übersicht verdeutlicht die Zusammenhänge

Abbildung 2-21:

Ortsbestimmung im Reihengeschäft 1. Lieferung/ Rechnungsweg

U1

~-'BeSteii"ung'-'~

2. Lieferung/ Rechnungsweg

U2

-----~~::::::~g__

Bestellung

i

3. Lieferung/ Rechnungsweg

----------------__ r-~:~~ Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist die Frage zu beantworten, an welchem Ort die verschiedenen Lieferungen bei einem Reihengeschäft ausgeführt werden. Entscheidend ist, dass dann, wenn mehrere Umsatzgeschäfte abgeschlossen werden, aber nur eine tatsächliche Warenbewegung vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer stattfindet, die (tatsächliche) BeförderungNersendung nur einer der mehreren Lieferungen zugeordnet wird (§ 3 VI S. 5 UStG). Lediglich auf diese Lieferung ist dann die (Ortsbestimmungs)-Regelung über die Beförderungs-Nersendungslieferung gern. § 3 VI S. 1 UStG anwendbar. Da hier die tatsächliche Warenbewegung einer Lieferung zugeordnet wird, spricht man bei dieser Lieferung von der sog. bewegten Lieferung. Die Bestimmung des Lieferorts für alle anderen Lieferungen richtet sich nach § 3 VII UStG. Für diese sog. ruhenden Lieferungen ist zu unterscheiden zwischen den Lieferungen die der festgestellten Beförderungs-Nersendungslieferung vorangehen (§ 3 VII S. 2 Nr. 1 UStG) und solchen, die der Beförderungs-/ Versendungslieferung folgen (§ 3 VII S. 2 Nr. 2 UStG).

94

Steuerbarkeit

Beispiel: Der Abnehmer (A) aus Neuss bestellt bei dem Unternehmer U3 in Köln einen Gegenstand, den dieser nicht vorrätig hat. U3 bestellt dementsprechend bei seinem Lieferer U2 aus Düsseldorf. Auch dieser kann den Gegenstand nicht selbst liefern und wendet sich an seinen Hersteller U1 in Hamburg. U1 liefert den Gegenstand durch eigenes Personal direkt an den A. Die folgende Übersicht verdeutlicht die Zusammenhänge:

Abbildung 2-22:

Ortsbestimmung im Reihengeschäft 1. Lieferung/

U1

2. Lieferung/

r-~ _.:~~n.:~=e~.~-l U 2 1+ .~~:.u~~:~~. Bestellung

- - - - - - - - - - - - - - - <;

Bestellung

..

"""elLun.:

3. Lieferung/ Rechnungsweg

W.,enbowegung ----------

,-~:~L,

Tatbestandlich liegt hier ein Reihengeschäft vor. Insgesamt werden nacheinander drei Lieferungen (Ul an U2, U2 an U3 und U3 an A) ausgeführt. Die erste Lieferung von Ul an U2 ist die Beförderungslieferung. Der Ort der Lieferung liegt gern. § 3 VI S. 5 LV.m. S. 1 UStG in Hamburg (Beginn der Lieferung) und somit im Inland i. S. des § 1 11 UStG. Die zweite (U2 an U3) und dritte Lieferung (U3 an A) stellen sog. ruhende Lieferungen dar. Für diese bestimmt sich der Ort der Lieferung danach, ob sie der Beförderungslieferung vorangehen oder ob sie ihr folgen (§ 3 VII S. 2 Nr. 1, 2 UStG). Im vorliegenden Fall folgen sie der Beförderungslieferung, was dazu führt, das der Lieferort für die zweite und dritte Lieferung nach § 3 VII S. 2 Nr. 2 UStG in Neuss, also am Ende der Beförderung liegt. Neben dem Grundfali, bei dem der erste Unternehmer den Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet, schreibt das Gesetz (§ 3 VI S. 6 UStG) für die Fälle, in denen die Lieferung durch einen Abnehmer, der zugleich auch Lieferer ist, vor, die Lieferung einem Unternehmer zuzuordnen. Die Zuordnung ist davon abhängig, ob der Gegenstand der Lieferung durch den ersten Unternehmer, den letzten Abnehmer oder einem mittleren Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet wird. Die Zuordnungs95

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

entscheidung muss einheitlich für alle Beteiligten erfolgen und anhand von Belegen (oder ggf. Frachtzahlerkonditionen) eindeutig und leicht nachvollziehbar sein.

Abbildung 2-23:

Reihengeschäfte

I ersten Unternehmer

i

Beförderung! Versendung wird der Lieferung des ersten Unternehmers zugeordnet.

Gegenstand der Lieferung wird befördert oder versendet durch I I mittleren Unternehmer

i

Grundsatz: Beförderung! Versendung ist der Lieferung des vorangehenden Unternehmers zuzuordnen (widerlegbare Vermutung). Ausnahme: Unternehmer weist nach, dasser als Lieferer aufgetreten ist. Dann wird Beförderung! Versendung seiner eigenen Lieferung zugeordnet.

I letzten Abnehmer

i

Beförderung! Versendung wird dem letzten Lieferer zugeordnet.

Beispiel: Der Abnehmer (A) aus Neuss bestellt bei dem U3 in Köln einen Gegenstand, den dieser nicht vorrätig hat. U3 bestellt dementsprechend bei seinem Lieferer U2 aus Düsseldorf. Auch dieser kann den Gegenstand nicht selbst liefern und wendet sich an seinen Hersteller U1 in Hamburg. U2 lässt den Gegenstand durch einen Transportunternehmer bei U1 abholen und von Hamburg direkt zum A nach Neuss liefern. Besondere Lieferklauseln werden nicht vereinbart. Die folgende Übersicht verdeutlicht die Zusammenhänge:

96

Steuerbarkeit

Abbildung 2-24:

Ortsbestimmung im Reihengeschäft 1. Lieferung/ Rechnungsweg

-

::~L~U_~___

2. Lieferung/ Rechnungsweg

.... _._._._._. '---r----'

Waren bewegung

Bestellung

:

Bestellung!

----------------------, -_

U21ässt Gegenstand bei U 1 abholen und zu A liefern

3. Lieferung/ Rechnungsweg

: ,-.L.-.L......,

Tatbestandlieh liegt auch hier ein Reihengeschäft vor. Insgesamt werden dabei drei Lieferungen nacheinander (UI an U2, U2 an U3 und U3 an A) ausgeführt. Die Versendung ist der ersten Lieferung des Ul an U2 zuzuordnen, da U2 als mittlerer Unternehmer in der Reihe die Maschine mangels besonderer Lieferklauseln in seiner Eigenschaft als Abnehmer der Lieferung des UI transportieren lässt. Der Ort der Lieferung liegt gern. § 3 VI S. 5 LV.rn. S. 1 UStG in Hamburg (Beginn der Versendung), also im Inland. Die zweite Lieferung (U2 an U3) und die dritte Lieferung (U3 an A) sind ruhende Lieferungen. Für diese Lieferungen liegt der Lieferort nach § 3 VII S. 2 Nr. 2 UStG jeweils in Neuss (Ende der Versendung), da sie der (vorher zugeordneten) Versendungslieferung folgen.

Abwandlung: Fall wie oben, aber U2 vereinbart mit U3 Lieferung frei Haus Neuss und mit U1 Lieferung ab Werk Hamburg. Auch hier werden insgesamt drei Lieferungen ausgeführt. Die Versendung kann in diesem Fall der zweiten Lieferung (U2 an U3) zugeordnet werden, da U2 als mittlerer Unternehmer in der Reihe den Gegenstand in seiner Eigenschaft als Lieferer versendet. U2 hat durch die vereinbarten Lieferbedingungen Kosten und Gefahr des Transports übernommen. Der Ort der Lieferung liegt gern. § 3 VI S. 5 i. V. m. in Hamburg (Beginn der Versendung), also im Inland. Die erste Lieferung U1 an U2 und die dritte Lieferung U3 an A sind ruhende lieferungen. Da die erste Lieferung der Versendungslieferung vorangeht, gilt sie nach § 3 VII S. 2 Nr. 1 uStG ebenfalls als in Hamburg (Beginn der Versendung) ausgeführt. Für die dritte lieferung liegt der Lieferort nach § 3 VII S. 2 Nr. 2 UStG in Neuss (Ende der Versendung).

97

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Der Abnehmer (A) aus Neuss bestellt bei dem Untemehmer U3 in Köln einen Gegenstand, den dieser nicht vorrätig hat. U3 bestellt dementsprechend bei seinem Lieferer U2 aus Düsseldorf. Auch dieser kann den Gegenstand nicht selbst liefern und wendet sich an seinen Hersteller U1 in Hamburg. A holt den Gegenstand mit eigenem LKW bei U1 in Hamburg ab Die folgende Übersicht verdeutlicht die Zusammenhänge:

Abbildung 2-25:

Ortsbestimmung im Reihengeschäft 1. Lieferung! Rechnungsweg

U 1 ~_._._._._._.~ U

------::c-----'

Bestellung

2. Lieferung! Rechnungsweg

21.-·_·_·_·_·_· Bestellung

I I Warenbewegung

A holt Gegenstand mit eigenem LKW ab

Bestellung!

I I I

3. Lieferung! Rechnungsweg

Bei diesem Reihengeschäft werden insgesamt drei Lieferungen nacheinander ausgeführt (VI an U2, U2 an U3 und U3 an A). Die Beförderung ist der dritten Lieferung U3 an A zuzuordnen, da A als letzter Abnehmer in der Reihe den Gegenstand befördert (Abholfall). Der Lieferort liegt nach § 3 VI S. 5 i. V. m. S. I UStG in Hamburg (Beginn der Versendung). Der Lieferort der ersten und zweiten Lieferung liegt, da diese der Beförderungslieferung vorangehen, gern. § 3 VII S. 2 Nr. I UStG ebenfalls in Hamburg und somit im Inland. Bei rein nationalen Reihengeschäften stellt die Regelung des Lieferortes kein grundsätzliches Problem dar, da alle Unternehmer im Inland ihren Sitz haben und dementsprechend der Umsatz in jedem Fall im Inland stattfindet. Entscheidende Bedeutung erlangt die Regelung bei grenzüberschreitenden Warenbewegungen, da hierdurch das Besteuerungsaufkommen zwischen mehreren Staaten bestimmt wird.

98

Steuerbarkeit

2.1.7.2.4

Sonderfall: Ort der Werklieferung

Bei der Ortsbestimmung für Werklieferungen ist zu differenzieren. Handelt es sich bei dem Gegenstand der Werklieferung um eine Bauleistung an einem Grundstück (§ 3 IV S. 2 UStG), so liegt eine unbewegte Lieferung vor, die im Regelfall mit Abnahme des Werkes ausgeführt wird. Die Ortbestimmung richtet sich in solchen Fällen nach § 3 VII S. 1 UStG, wonach die Lieferung dort ausgeführt wird, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet, also am Ort des Grundstücks.

Beispiel: Bauunternehmer Baus Hamburg errichtet in München für die Marketing AG ein neues Betriebsgebäude, wobei er sämtliche der benötigten Baustoffe selbst beschafft und direkt durch den jeweiligen Lieferer bzw. durch eigenes Personal zur Baustelle transportieren lässt. Der Vorgang ist steuerbar gern. § 1 I Nr. 1 uStG: Es handelt sich um eine Werklieferung i. S. des § 3 IV S.2 uStG. Da es sich um eine Bauleistung an einem Grundstück handelt, liegt eine unbewegte Lieferung i. S. des § 3 VII S. 1 UStG vor. Der Ort liegt mithin dort, wo sich der Gegenstand (Gebäude) zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsrnacht befindet, also am Grundstück in München und somit im Inland gern. § 1 11 uStG.

Ist der Gegenstand der Werklieferung hingegen eine bewegliche Sache, kommt es für die Beurteilung des Lieferortes darauf an, ob der fertige Gegenstand befördert oder versendet wird (bewegte Lieferung) oder ob der Gegenstand erst vor Ort betriebsfertig hergestellt wird (dann unbewegte Lieferung). Im ersten Fall bestimmt sich der Ort der Werklieferung nach § 3 VI S. 1 UStG, wonach die Werklieferung dort ausgeführt wird, wo die Beförderung bzw. Versendung des Gegenstandes beginnt. Im zweiten Fall ist hingegen § 3 VII S. 1 UStG anzuwenden.

Beispiel: Der Schiffbau-Spezialist Saus Flensburg wird von der Bodensee-Schiffahrt AG in Konstanz beauftragt, eine Spezialmaschine für eines ihrer Boote zu konstruieren und zu fertigen. Dabei verwendet S ausschließlich solche Bauteile, die er auch selbst beschafft. Nach Fertigstellung des Motors wird der Motor von Flensburg nach Konstanz in Einzelteilen transportiert. In Konstanz wird der Motor durch das Personal des S zusammengebaut, montiert und einem umfangreichen Probelauf unterzogen. Unzweifelhaflliegt eine Werklieferung an einer beweglichen Sache (Motor) gern. § 3 IV S. 1 uStG vor. Für die Bestimmung des Leistungsortes ist fraglich, ob es sich um eine bewegte (§ 3 VI S. 1 UStG) oder unbewegte Lieferung (§ 3 VII S. 1 UStG) handelt. Hier handelt es sich nicht um eine Beförderungslieferung (bewegte Lieferung), da nicht der Gegenstand der Lieferung sondern einzelne Motorenteile befördert worden sind, die noch montiert und in einen betriebsfertigen Zustand gebracht werden mussten. Folglich richtet sich die Ortsbestimmung nach der Regelung für unbewegte Lieferungen nach § 3 VII S. 1 UStG

99

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

(Vgl. auch A 30 IV S. 1-3 UStR). Danach liegt der Lieferort dort, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Dies ist hier Konstanz.

Etwas anderes würde nur gelten, sofern der betriebsfertig hergestellte Motor lediglich zum Zwecke eines besseren und leichteren Transports zerlegt und dann von einem Monteur des Lieferers am Bestimmungsort wieder zusammengesetzt worden wäre. Dann würde sich der Ort der Werklieferung nach § 3 VI S. 1 UStG (bewegte Lieferung) richten. Folglich läge der Ort der Lieferung in Flensburg, da hier die (bewegte) Beförderungslieferung begonnen hat.

2.1.7.2.5

Ubersicht: Ort der Lieferung

Abbildung 2-26:

Ort der Lieferung

I I

Ort der Lieferung (§ 3 VI-VIII UStG) I

Beförderungs-! Versendungslieferung (§ 3 VI UStG) Beförderung oder Versendung durch Ueferer, Abnehmer oder Dritten (gUt auch für bewegte Lieferung im Reihengeschäft)

1 Ort: Beginn der Beförderung! Versendung ~

Andere Regelungen gelten für grenzüberschreitende SV: § 3 VIII UStG: Einfuhr aus dem Drtttland, wenn Beförderungs-/Versendungsl1eferer· Schuldner der EUSt

§ 3c UStG:Best1mmungsland EUInnergemelnschaftl1che Versendumzsl1eferuml.

2.1.7.3

I I

Sonstige Lieferungen (§ 3 VII UStG) 1. Unbewegliche Gegenstände durch llbergabesurrogete (§§ 929-931 6GB) 2. Vorangehende Lieferungen und nachfolgende Lieferungen im Re;hengeschäft

1 Ort: Belegenheit im Zeitpunkt der Lieferung Sonderregel bei ReihenGeschäften (§ 3 VII S. 2 UStG) (ruhende Lieferung)

Ort und Zeitpunkt der entgeltlichen sonstigen Leistungen

Bestimmungen über den Ort der sonstigen Leistungen hat der Gesetzgeber in den §§ 3a bzw. 3b, 3e und 3f UStG geregelt. Die Vorschriften für die Ortsbestimmung sonstiger Leistungen sind auf den ersten Blick sehr unübersichtlich gestaltet. Obwohl gesetzestechnisch eine Grundregel in § 3a I UStG n. F. definiert wurde, hat diese bei der 100

Steuerbarkeit

praktischen Anwendung wohl eher den Charakter eines Auffangtatbestandes für den Fall, dass eine der zahlreichen Sonderregelungen des § 3a 11 - VII UStG n. F. sowie des § 3b UStG n. F. nicht zum Tragen kommt. In prüfungstechnischer Sicht ist für die Ortbestimmung sonstiger Leistungen gern. § 3a I 1. HS folglich § 3b vor §§ 3e, 3f, vor § 3a 11 - VII UStG n. F. anzuwenden. Erst wenn

diese Regelungen nicht einschlägig sind, gilt -subsidiär- die Ortsbestimmungsregel des § 3a I 2. HS. UStG n. F. Vorrangig zu § 3a I UStG n. F. ist auch § 3a 11 UStG n. F., der eine Auffangregel für den Fall normiert, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist. Der Grund für die komplizierte Regelung lässt sich insbesondere auf die - hier noch nicht näher interessierenden - grenzüberschreitenden sonst. LeistungenlO zurückführen, da man sich bisher auf Ebene der Europäischen Union nicht auf ein geschlossenes System einigen konnte. Dennoch liegen den Ortsbestimmungsregeln für sonstige Leistungen verschiedene Prinzipien zugrunde, die kurz dargestellt werden sollen. Versteht man die USt als Verbrauchsteuer, liegt es nahe, den Ort der Leistung stets an dem Ort anzusiedeln, an dem die Leistung erbracht wird (Bestimmungsort/Verbrauchsort). Diesem Verständnis folgt uneingeschränkt die Regelung in § 3b I UStG n. F., wonach Beförderungsleistungen dort erbracht werden, wo die Beförderung bewirkt wird, also auf der gesamten Beförderungsstrecke. § 3e I UStG n. F. regelt die Ortsbestimmung für die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistungen) an Bord eines Schiffs oder Luftfahrzeugs. In diesem Fall gilt der Abgangsort als Ort der sonstigen Leistung. Weitgehend ist dann wiederum § 3a III Nr. 1 UStG n, F. mit dem Bestimmungs- bzwVerbrauchsortgedanken vereinbar, wonach es für sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück auf die Belegenheit des Grundstücks ankommt (Belegenheitsort). Zu den Leistungen, die im Zusammenhang mit einem Grundstück stehen, zählen vor allen Dingen Vermietungs- und Verpachtungsleistungen. Darüber hinaus werden aber auch die Leistungen der Grundstücksmakler sowie von Grundstückssachverständigen erfasst. Damit fallen auch Vermittlungen über Grundstücksleistungen unter die Vorschrift des § 3a III Nr. 1 UStG n, F. (und sind folglich nicht nach § 3a III Nr. 4 UStG n. F. zu beurteilen) Die Besteuerung von anderen Vermittlungsleistungen als Vermittlungen von Grundstücksumsätzen finden -sofern der Leistungsempfänger weder ein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteueridentifikationsnummer erteilt worden ist - an dem Ort statt, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird (§ 3a III Nr. 4 UStG n. F.). Für bestimmte, stark personenbezogene Leistungen -insbesondere künstlerische, wissenschaftliche, sportliche sowie ähnliche Leistungen und Arbeiten an beweglichen, körperlichen Gegenständen- ist hingegen der Tätigkeitsort für die Bestimmung des Leistungsortes maßgebend (§ 3a III Nr. 3 UStG n. F.).

101

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Wird eine der sog. Katalogleistungen i. S. des § 3a IV Nr. 1 - 14 UStG n. E erbracht, ist hinsichtlich der Ortsbestimmung zu differenzieren. Sofern der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, kann § 3a IV UStG nicht einschlägig sein. In diesem Fall liegt der Leistungsort gem. § 3a 11 S. 1 UStG n. E dort, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt (Bestimmungsort-/ Verbrauchsortgedanke). Ist der Leistungsempfänger hingegen weder Unternehmer noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist (sondern Privatperson) wird der Ort der Leistung davon abhängig gemacht, wo der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz bzw. Sitz hat. Wenn der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz/Sitz im Drittlandsgebiet hat, liegt der Leistungsort im Drittlandsgebiet (§ 3a IV S. 1 UStG n. E). Der Fall, dass der private Leistungsempfänger nicht im Drittlandsgebiet sondern im Inland/Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, wird von § 3a IV UStG n. E nicht erfasst. Dies bedeutet, dass die Vorschrift über die Ortsbestimmung von Katalogleistungen für Privatpersonen im Inland/Gemeinschaftsgebiet keine Anwendung findet. In diesem Fall ist somit die Auffangregel des § 3a I UStG n. E einschlägig, der zufolge

der Ort maßgeblich ist, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (Ursprungslandsprinzip). Hiervon sieht § 3a V UStG n, E jedoch eine gewichtige Ausnahme für "auf elektronischem Weg" erbrachte sonstige Leistungen (§ 3a IV Nr. 13 UStG n, E) vor. Kerngedanke dieser Vorschrift ist es, den Ort für E-Commerce leistungen dann in das Land des privaten Leistungsempfängers zu verlagern, wenn der leistende Unternehmer seinen Sitz im Drittlandsgebiet hat (BestimmungsortNerbrauchsortgedanke). Ebenfalls zur Verwirklichung des Bestimmungsortgedankens führt die Regel des § 3a 11 UStG n. E, die subsidiär zu §§ 3b, 3e, 3f UStG n. E und § 3a III - VII UStG n. E, aber vorrangig gegenüber § 3a I UStG n. E ist. Nach dieser ist bei einer sonstigen Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, der Ort maßgeblich, vom dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Am weitesten entfernt vom Gedanken, den Ort der sonstigen Leistung an den jeweili-

gen Bestimmungsort der sonstigen Leistung zu verlegen, ist die "Grundregel" des § 3a I UStG, die als Auffangtatbestand den Sitzort des leistenden Unternehmers als Leistungsort bestimmt. Hier hat der Gesetzgeber der tatsächlichen Erfassung der Umsätze den Vorrang vor der "richtigen" Zuteilung der Umsätze nach dem Bestimmungsort gegeben. Das folgende Schaubild vermittelt einen Überblick über die einzelnen Orte sonstiger Leistungen.

102

Steuerbarkeit

Abbildung 2-27:

Ort und Zeitpunkt derentgeltlichen sonstigen Leistungen

Orte sonstiger Leistung Beförderungsraum (§ 3b I UStG) Bel BeförderunQSle1stungen, soweit sich d1ese auf das Inlanderstrecken

Sitzort des leistenden UN (§ 3f UStG) Bei unentgeltlichen sonstigen Leistungen

Belegenheitsort (§ 3a 11 Nr. 1 UStG) Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück

Tätigkeitsort (§ 3a 11 Nr. 3 UStG) KUnstLerlsche, wlssenschaftL1che, untelT1chtende, sportL1che, unterhaltende oder ähnl1che sonstigeleistungen Werkleistungen an beweglichen körperLichen Gegenständen und die Begutachtung dieser

Ort, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird (§ 3a 11 NrA UStG)

I Sitzort des Leistungsempfängers (§ 3a 111, IV UStG) Grundregel (subsidiär): Sitzort des leistenden Unternehmers (Unternehmenssitz bzw. Betriebsstätte (§ 3a I UStG»

2.1.7.4

Ort und Zeitpunkt der unentgeltlichen Lieferungen und sonstigen Leistungen

Für unentgeltliche Lieferungen i. S. des § 3 Ib UStG (Gegenstandsentnahme, Sachzuwendung an Personal, andere unentgeltliche Zuwendungen) sowie für unentgeltliche sonstige Leistungen gern. § 3 IXa UStG (Gegenstandsverwendung, unentgeltliche Leistungserbringung) ordnet § 3f UStG als Liefer- bzw. Leistungsort denjenigen Ort an, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Für den Fall, dass diese Leistungen von einer Betriebsstätte ausgeführt werden, soll die Betriebsstätte als Leistungsort gelten.

Beispiel: Computereinzelhändler C, der sein Geschäft in Dresden betreibt, entnimmt dem Untemehmensvermögen einen PC für private Zwecke. Der Leistungsort der Gegenstandsentnahme befindet sich gem. § 3f UStG in Dresden und mithin im Inland gem. § 1 11 uStG.

103

2.1

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Malerrneister M aus Köln lässt sich von seinen Angestellten sein Privathaus in Bonn unentgeltlich streichen. Der Ort der unentgeltlich erbrachten Malerleistung liegt gern. § 3 f UStG in Köln.

2.2

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

Abbildung 2-28:

Steuerbarkelt

2.2.1

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

~teuerbefrefuns ---t

und OptfonsmöglIchkeit

f-t

BemessunpgrundlIlIe

--I

Steuersatz und Steuerberechnung

--I

Steuerschuldner Entstehung! Fälligkeit

--.

Vorsteuerabzug; Vorsteuerberichtigung

Zweck und Wirkung der Steuerbefreiungen

Liegt eine steuerbare Leistung vor, so ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob die Leistung durch den Gesetzgeber von der Umsatzsteuer befreit wird oder nicht. Voraussetzung für eine Steuerbefreiung ist folglich das Vorliegen einer steuerbaren Leistung. Gemeinsam ist den nichtsteuerbaren und den steuerbefreiten Umsätzen lediglich eine Nichtentstehung von Umsatzsteuer. Dennoch ist die Unterscheidung zwischen steuerbaren und steuerbefreiten Umsätzen in formeller und materieller Sicht erforderlich. In formeller Sicht sieht § 22 UStG bestimmte Aufzeichnungspflichten vor, aus denen sich die steuerpflichtigen und die steuerbefreiten Umsätze ergeben müssen. Materiell ergeben sich Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug. denn im Grundsatz ist der Vorsteuerabzug bei steuerbefreiten Umsätzen ausgeschlossen (§ 15 11 Nr. 1 UStG). Die einzelnen Steuerbefreiungen regelt § 4 UStG abschließend. Steuerbefreiungen lassen sich im Wesentlichen auf drei Überlegungen zurückführen. Einerseits wird versucht, im internationalen (Waren-)Verkehr Doppelbesteuerungen zu vermeiden um damit Wettbewerbsneutralität der verschiedenen nationalen Umsatzsteuersysteme herzustellen. Steuerbefreiungen, die auf solchen Überlegungen fußen, sollen jedoch an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, geht es doch hier zunächst primär um Inlandssachverhalte.

104

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

Inländische Steuerbefreiungen werden in erster Linie aufgrund sozialer Erwägungen gewährt. Durch die Steuerbefreiung sollen bestimmte Leistungen für den Endverbraucher verbilligt werden. So fallen hierunter insbesondere Vermietungsleistungen von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 UStG), die Befreiung ärztlicher Leistungen (§ 4 Nr. 14 UStG) und andere Leistungen der Gesundheitsvorsorge (§ 4 Nr. 15-17 UStG), die Befreiung kultureller Leistungen (§ 4 Nr. 20-23 UStG) und Leistungen gemeinnütziger Einrichtungen (§ 4 Nr. 18, 24, 25, 27 UStG) sowie Befreiungen von Leistungen für die Daseinsvorsorge (§ 4 Nr. 10 UStG).

Beispiel: Der Miethausbesitzer M vermietet Wohnungen in Düsseldorf an die Privatleute P. Die Vermietungsleistung stellt eine sonst. Leistung gem. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 IX UStG dar, die gem. § 2 I uStG durch den Unternehmer (M) im Inland (Belegenheitsort des Grundstück ist Düsseldorf; § 3 a 11 Nr. 1 UStG) im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt wird. Mithin liegt eine steuerbare Leistung vor. Die Vermietungsleistung ist jedoch gem. § 4 Nr. 12a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Der Grund liegt darin, dass der private Endabnehmer (Mieter) aus sozialen Erwägungen heraus nicht mit Umsatzsteuer belastet werden soll. Angenommen, der Mietpreis beträgt monatlich 1.000 €, so hätten die Privatleute 1.190 € (1.000 + 19 % Umsatzsteuer) bei Nichtbefreiung zu bezahlen.

Darüber hinaus haben viele Steuerbefreiungen nur Bedeutung für bestimmte Wirtschaftszweige oder betreffen die Unternehmertätigkeit bestimmter Personen. So ist mit Steueränderungsgesetz 2003 in § 4 Nr. 4a UStG eine Steuerbefreiung für (Umsatz-) Steuerlager normiert worden. Nach dieser Regelung sind Lieferungen bestimmter Waren in ein Umsatzsteuerlager bzw. Lieferungen innerhalb eines Umsatzsteuerlagers umsatzsteuerfrei. Die Steuerbefreiung entfällt (erst) mit der endgültigen Auslagerung der Waren. Hiermit soll die Abwicklung von Umsätzen, bei denen die Ware nicht bewegt wird, erleichtert und damit die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmer - insbesondere von Lagerhaltern - verbessert werden. Zudem entfällt mit der Neuregelung für nicht im Inland ansässige Unternehmer, die hier nur Umsätze im Zusammenhang mit Gegenständen erbringen, die sich in einem Umsatzsteuerlager befinden, die Pflicht, sich im Inland für umsatzsteuerliche Zwecke erfassen zu lassen. Im Gegensatz zu den gerade beschriebenen objektiven, d. h. an der Art der Leistung orientierten Steuerbefreiungen fällt die subjektive Steuerbefreiung gern. § 4 Nr. 19 UStG für die Leistungen der Blinden aus dem systematischen Rahmen der Befreiungstatbestände heraus. Andererseits werden Steuerbefreiungen im Einzelfall für andere Zwecke gewährt. So soll beispielsweise die Befreiung des Grundstückserwerbs (§ 4 Nr. 9a UStG) eine zweifache Belastung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer verhindern (Rechtssystematische Begründung).

105

2.2

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Gleiches gilt für die Vermeidung einer Doppelbelastung mit Rennwett- und Lotteriesteuer sowie mit Versicherungssteuer (§ 4 Nr. 9b bzw. lOa UStG).12 Ferner kann die Befreiung von Leistungen im Geld- und Kapitalverkehr aus dem Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer erklärt werden, wonach nur die Einkommensverwendung für den Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen belastet werden soll.

2.2.2

Wirkung der Steuerbefreiungen und Optionsrnöglichkeit gern. § 9 UStG

Die einzelnen Steuerbefreiungen führen auf der Leistungsausgangsseite des Unternehmens dazu, dass keine Umsatzsteuer entsteht. Die Wirkung der Steuerbefreiung ist jedoch davon abhängig, ob durch die Steuerbefreiung gleichzeitig der Vorsteuerabzug auf der Leistungseingangsseite ausgeschlossen wird - was gern. § 15 11 Nr. 1 UStG den Regelfall darstellt - oder der Vorsteuerabzug trotz Steuerbefreiung erhalten bleibt. Für die meisten grenzüberschreitenden Sachverhalte wird aus systematischen Erwägungen heraus (Bestimmungslandprinzip) trotz Steuerbefreiung der Vorsteuerabzug gewährt, was zu einer gewollten, vollständigen Entlastung von inländischer Umsatzsteuer führt. Wird der Vorsteuerabzug bei InlandssachverhaIten infolge der Gewährung einer Steuerbefreiung auf der Leistungsausgangsseite versagt, so wird der Letztverbraucher mittelbar mit der beim Unternehmer nicht abziehbaren Vorsteuer belastet. Eine (volle) Entlastung der Umsatzsteuer tritt somit nicht ein, nur die Wertschöpfung des steuerbefreiten Unternehmens bleibt wirtschaftlich unbelastet.

Beispiel: Ein Vermieter vermietet Wohnungen an Privatpersonen. Die Vermietungsleistung als solche ist steuerbar, aber gern. § 4 Nr. 12a uStG steuerbefreit. Dies führt grundsätzlich zu einem Vorsteuerausschluss für Vorleistungen auf der Leistungseingangsseite des Vermieters (§ 15 11 Nr. 1 uStG). Beschafft der Vermieter Heizöl für alle Mieter zu einem Preis von insgesamt 10.000 € zzgl. 1.900 € USt und werden diese Heizölkosten auf die Mieter umgelegt, wird der Vermieter mangels Abziehbarkeit insgesamt 11.900 € auf die Mieter verteilen. Hätte er hingegen eine Vorsteuerabzugsmöglichkeit, wären lediglich 10.000 € auf die Mieter zu verteilen.

In bestimmten Fällen ist es sogar möglich, dass die Steuerbefreiung zu einem Steuer-

nachteil führt.

106

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

Beispiel: Der Computerhersteller C liefert an den Großvertrieb G und dieser wiederum an den Einzelhändler E. E selbst beliefert die Letztverbraucher (L). Es sei angenommen, dass jede Lieferung einen Mehrwert von 1.000 € erbringt. Für den Fall, dass keine der Lieferungen steuerbefreit ist, ergibt sich folgende Belastung des Endverbrauchers:

Abbildung 2-29:

c

Beispiel Option Umsatzsteuer

1.000 + 190 = 1 190 €

'7 .-J

......... Vl

:::J

E

0

.....

Ln

.....

co

M

....(IJ

Vl

:::J

(IJ

0 r-,

\a)

M

0

0.... ....

Vl

:::J

::::J

::::J

.....(IJ

.....(IJ

~

>

e0

e Finanzamt

190 € - 190 €

fIJ

\a)

0

co

\a)

3.000 + 570 = 3570€

.----\a)

\a)

0 0-

2.000 + 380 = 2380 €

+

380 € - 380 €

+

570 €

=

570 € USt

Insgesamt ergibt sich eine USt-Belastung von 570 €. Angenommen der Großhändler G erfüllt die Voraussetzungen des § 4 Nr. 19 UStG (Steuerbefreiung für Blinde), dann ergibt sich folgende Umsatzsteuerbelastung:

107

2.2

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Abbildung 2-30:

BeispielOption Umsatzsteuer

1.000 + 190 = 1.190 €

G

2.190 €

E

3.190 + 606,10 = 3.796,10 €

....

VI

::::>

Finanzamt 190 € + 606,10 €

= 796,10 €

USt

Da die Leistungen des G umsatzsteuerbefreit sind, steht ihm auch kein Vorsteuerabzugsrecht gern. § 15 11 Nr. 1 UStG zu. Daraus ergibt sich, dass G die von C in Rechnung gestellte Umsatzsteuer (190 €) nicht als Vorsteuer geltend machen kann. Er berechnet dem E daher 2.190 € (1.190 € + 1.000 €). E kann ebenfalls keine Vorsteuer geltend machen, da G in seiner Rechnung keine Umsatzsteuer ausgewiesen hat. Aus diesem Grund legt E seiner Kalkulation 2.190 € + 1000 € = 3.190 € zugrunde. Seine Umsätze sind nicht steuerbefreit, so dass dem L insgesamt 606,10 € USt (19 % v. 3.190 €) in Rechnung gestellt werden. Im Gegensatz zum Ausgangsfall fällt eine um 226,10 € höhere USt von insgesamt 796,10 € an. Der höhere Betrag setzt sich zusammen aus 190 € nicht vorsteuerabzugsberechtigter USt und der Umsatzsteuer, die daraus resultiert, dass die nicht abziehbare Vorsteuer in die Kalkulation von G und E eingehen und somit die Bemessungsgrundlage für den letzten steuerpflichtigen Umsatz an L erhöhen (190 x 19 % = 36,10 €). Im Ergebnis wird also Umsatzsteuer von der Umsatzsteuer erhoben, die Steuer kumuliert sich und die Wettbewerbsbedingungen werden verzerrt. Um die nachteiligen Wirkungen einer Steuerbefreiung (Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts) bei Zwischenumsätzen von Unternehmern zu vermeiden, gewährt § 9 UStG die Möglichkeit (Option), für bestimmte Umsätze auf die Steuerbefreiung zu verzichten. Nach § 9 I UStG kann der Unternehmer folgende Umsätze als steuerpflichtig behandeln:

108

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

•

§ 4 Nr. 8a-g UStG (Kreditgewährung/-vermittlung, Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln und deren Vermittlung, Umsätze mit Geldforderungen einschl, deren Vermittlung, typische Bankumsätze, Umsätze von Anteilen an Gesellschaften sowie deren Vermittlung, Übernahme von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie deren Vermittlung)

•

§ 4 Nr. 9a UStG (Grunderwerbsteuerbare Umsätze)

•

§ 4 Nr. 12 UStG (Vermietung, Verpachtung Überlassung v. Grundstücken)

•

§ 4 Nr. 13 UStG (Leistungen i.R. des Wohnungseigentumsgesetzes)

•

§ 4 Nr. 19 UStG (Umsätze von Blinden und Blindenwerkstätten)

wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführtwird. Die Steuerfreiheit für Umsätze an Nichtunternehmer wird durch die Ausübung des Optionsrechts also nicht berührt.

Beispiel: Der V vermietet mehrere Wohnungen an Privatpersonen. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung kommt nicht in Frage, da die Vermietungsleistung nicht gegenüber einem Untemehmer erbracht wird (§ 9 I UStG).

Durch § 9 II UStG sind die Optionsmöglichkeiten für die Überlassung von Grundstücken zur Nutzung zum Zwecke der Verhinderung sog. Zwischenvermietungen gegenüber § 9 I UStG eingeschränkt worden. Für die Zulässigkeit des Verzichts auf Steuerbefreiungen fordert § 9 11 UStG in den Fällen der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 UStG) sowie für die Bestellung und Überlassung von Erbbaurechten (§ 4 Nr. 9 UStG) daher den Nachweis, dass der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Unter den Begriff des Grundstücks fallen nicht nur Grundstücke insgesamt, sondern auch selbständig nutzbare Grundstücksteile (z. B. Wohnungen, gewerbliche Flächen, Büroräume, Praxisräume). Soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einzelne Grundstückstei1e ausschließlich für Umsätze verwendet, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, kann auf die Steuerbefreiung des einzelnen Umsatzes weiterhin verzichtet werden. Werden mehrere Grundstücksteile räumlich oder zeitlich unterschiedlich genutzt, ist die Frage der Option bei jedem Grundstücksteil gesondert zu beurteilen (A 148a UStR).

109

2.2

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Der Vermieter Verrichtet ein mehrgeschossiges Gebäude und vermietet es wie folgt: Die Räume des Erdgeschosses werden an eine Bank, das 1.0G an einen Arzt, das 2.0G an einen Rechtsanwalt und das 3.0G an das städtische Schulamt vermietet. Die Vermietungsumsätze des V sind als sonst. Leistungen steuerbar, jedoch gem. § 4 Nr. 12a UStG von der USt befreit. Die Geschosse des Gebäudes sind selbständig nutzbare Grundstücksteile, so dass die Option für jeden Grundstücksteil gesondert zu prüfen ist. Die Bank nutzt die Räume für die Erbringung steuerfreier Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen (§ 4 Nr. B UStG), also kann V nicht auf die Steuerbefreiung verzichten. Gleiches gilt für die Vermietung des 1.0G an einen Arzt, da dessen Umsätze gem. § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sind und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Im Hinblick auf die Vermietung des 2. OG an den Rechtsanwalt kann V auf die Steuerbefreiung verzichten, weil der Rechtsanwalt ausschließlich Umsätze tätigt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Hingegen kann er auf die Steuerbefreiung bei Vermietung an das städtische Schulamt nicht verzichten, da die Räume nicht durch einen Untemehmer genutzt werden (§ 9 I UStG).

Verwendet der Leistungsempfänger das Grundstück bzw. einzelne Grundstücksteile nur in sehr geringem Umfang für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen (Ausschlussumsätze), ist der Verzicht auf Steuerbefreiung zur Vermeidung von Härten weiterhin zulässig. Eine geringfügige Verwendung für Ausschlussumsätze kann angenommen werden, wenn im Falle der steuerpflichtigen Vermietung die auf den Mietzins für das Grundstück bzw. für den Grundstücksteil entfallende Umsatzsteuer im Besteuerungszeitraum (Kalenderjahr gern. § 16 I S. 2 UStG) höchstens zu 5 % vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen wäre (Bagatellgrenze).

Beispiel: V vermietet das Erdgeschoss eines Gebäudes an den Zeitschriftenhändler E. Neben den steuerpflichtigen Verkäufen von Zeitungen und Zeitschriften bewirkt E auch steuerfreie Verkäufe von Briefmarken (§ 4 Nr. Bi UStG). Die Aufteilung der sowohl mit den steuerpflichtigen als auch mit den steuerfreien Umsätzen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge nach ihrer wirtschaftlichen Zuordnung führt im Besteuerungszeitraum zu einem Vorsteuerausschluss i.H.v. 3 %. Die Vermietung des Erdgeschosses ist nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfrei. V kann auf die Steuerbefreiungen verzichten, weil E das Erdgeschoss nur in geringfügigem Umfang für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen.

§ 9 III S. 1 UStG beinhaltet eine zeitliche Begrenzung der Optionsmöglichkeit für Grundstückslieferungen (§ 4 Nr. 9 lit. a UStG) im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Vollstreckungsschuldner bis zur Auffoderung zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin. Damit soll eine etwaige Belastung mit Umsatzsteuer bereits bei der Abgabe von Geboten feststehen.

110

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

Nach § 9 III S. 2 UStG kann bei anderen Umsätzen iSv § 4 Nr. 9 lit. a UStG (vgl. A 71 UStR) der Verzicht auf eine Steuerbefreiung nur in einem gern. § 311 I BGBnotariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden. Diese Regelung steht in Zusammenhang mit der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 eingeführten Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für alle Grundstücksumsätze gern. § 13b I S. 1 Nr. 3 UStG (s. u.). Sie dient dem Schutz des Leistungsempfängers vor einer nachträglichen Option durch den leistenden Unternehmer, durch die eine nachträgliche Steuerschuld beim Leistungsempfänger entstehen würde.

2.2.3

Übersicht: Steuerbefreiungen und Optionsmöglichkeit

Das folgende Schaubild vermittelt einen Überblick über ausgewählte Steuerbefreiungen in Abhängigkeit davon, ob die jeweiligen Steuerbefreiungen zum Vorsteuerabzug berechtigen oder nicht bzw. ob von der Optionsmäglichkeit des § 9 UStG Gebrauch gemacht werden kann.

Abbildung2-31:

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeiten

I

Steuerbefreiungen (§ 4 Nr. 1 - 28 UStG)

I I

Mit Vorsteuerabzug § 15 111 Nr. 1 UStG

Ohne Vorsteuerabzug § 15 11 Nr. 1 UStG

• § 4 Nr. 1 ·7 UStG t.V.m. §15I11Nr.1 UStG (Grenzüberschreitende Sachverhalte) • § 4 Nr. 8 UStG lit. a-g und Nr. 10 lit. a in den Fällen des§ 15111 Nr. 1b

• § 4 Nr. 8 • 28 UStGt.V.m. § 15 11 Nr. 1 UStG • Ausnahme: § 4 Nr. 8 Buchst. a-g und Nr. 10 lit. a UStG in den Fällen des § 15 111 Nr. 1b UStG

SteuerbefreiunR mit Optionsmllglichkeit gem. § 9 UStG (§§ 4 Nr. Ba - g und k, Nr. 9a, 12,13 oder 19 UStG)

Steuerbefreiung ohne Optionsmllglichkeit Alle Ubrigen Nummem des § 4 UStG

Folge: Leistungen werden steuerpflichtig und der Vorsteuerabzug ist wieder mllglich

111

2.2

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.2.4

Steuerbefreiungen im Einzelnen

2.2.4.1

Exkurs: Umsatzsteuerlagerregelung

§ 4 Nr. 4a UStG sieht unter Buchstabe a vor, dass die Lieferung bestimmter Waren (insbesondere bestimmte Lebensmittel, Rohstoffe, chemische Erzeugnisse und Stahlerzeugnisse; vgL Anlage 113 zu § 4 Nr. 4a UStG) an einen Unternehmer für sein Unternehmen umsatzsteuerfrei ist, wenn

•

entweder der Liefergegenstand im Zusammenhang mit der Lieferung in ein Umsatzsteuerlager eingelagert wird (Einlagerlieferung)

•

oder sich in einem Umsatzsteuerlager befindet bzw. in ein anderes Umsatzsteuerlager im Inland gelangt (Lagerlieferung).

Ein Umsatzsteuerlager kann hierbei jeder räumlich bestimmte Ort im Inland sein, der zur Lagerung von in der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG genannten Gegenständen dienen soll und geeignet ist. Das Lager kann auch aus mehreren Lagerorten bestehen. Die Einrichtung und der Betrieb eines Umsatzsteuerlagers sind von der Bewilligung des zuständigen Finanzamts abhängig. Lagerhalter kann jeder Unternehmer sein, der die in Anlage 1 des UStG genannten Gegenstände in seinem Unternehmen lagern kann. Zusätzlich muss für den Betrieb des Lagers ein wirtschaftliches Bedürfnis bestehen. Ein solches wirtschaftliches Bedürfnis kann regelmäßig angenommen werden, wenn die Gegenstände, die der antragstellende Unternehmer zu lagern beabsichtigt, mehrfach ohne Warenbewegung umgesetzt werden sollen (z. B. an Warenterminbörsen). Die Befreiung gilt beim Gelangen der Gegenstände in ein Steuerlager (Einlagerung) nicht nur für die Lieferung dieser Gegenstände im Inland. Befreit sind auch ein vor der Einlagerung liegender innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1 I Nr. 5 i. V. m. § la UStG) oder eine Einfuhr (§ 1 I Nr. 4 UStG). Da es sich hierbei jedoch um grenzüberschreitende Sachverhalte handelt, sei auf die Ausführungen im 3. Kapitel hingewiesen.

Beispiel: Unternehmer A aus Köln liefert 5 Tonnen Kaffee (Nr. 4 der Anlage 1zu § 4 Nr. 4a UStG) an den im Inland ansässigen Unternehmer B. Der Kaffee wird unmittelbar in das Umsatzsteuerlager des U im Inland eingelagert. Die Lieferung des A an B ist als Lieferung in ein Umsatzsteuerlager gern. § 4 Nr. 4a S. 1 Iit. a uStG steuerfrei.

112

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

Beispiel: Der im Inland ansässige Untemehmer A lagert 10 Tonnen Getreide (Nr. 6 der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a uStG) in das Umsatzsteuerlager des U im Inland ein. A liefert das Getreide im Umsatzsteuerlager an den belgischen Unternehmer B, B an den französischen Unternehmer Fund F an den spanischen Untemehmer S. Das Getreide bleibt dabei im Umsatzsteuerlager des U eingelagert. Die Lieferung von A an B, B an Fund F an S sind als Lieferungen in einem Umsatzsteuerlager gem. § 4 Nr. 4a S. 1 Iit. a uStG steuerfrei.

Beispiel: Unternehmer A aus Dortmund liefert 7 Tonnen Kupferdraht (Nr. 21 der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a uStG) an den im Inland ansässigen Unternehmer B. Der Kupferdraht wird unmittelbar in das Umsatzsteuerlager des U in Hannover eingelagert. B liefert den Kupferdraht an den Unternehmer C. C holt die Gegenstände bei U ab und befördert sie unmittelbar in das Umsatzsteuerlager des L in München. Die Lieferungen von A an B ist als Lieferungen in ein Umsatzsteuerlager gem. § 4 Nr. 4a S. 1 lit. a uStG steuerfrei. Die Lieferung von B an C ist ebenfalls gem. § 4 Nr. 4a S. 1 lit. a UStG steuerfrei, weil der Kupferdraht von einem in ein anderes (inländisches) Umsatzsteuerlager gelangt (Lagerlieferung).

Des Weiteren sind gern. § 4 Nr. 4a lit, b UStG bestimmte (sonstige) Leistungen, die mit in einem Umsatzsteuerlager eingelagerten Gegenständen unmittelbar zusammenhängen, steuerfrei. Hierzu gehören vor allem die der Lagerung dienenden Leistungen, insbesondere durch den Lagerhalter. Darüber hinaus dürfen diese Leistungen nur der Erhaltung, der Verbesserung der Aufmachung oder Handelsgüte, der Vorbereitung des Vertriebs oder des Weiterverkaufs der eingelagerten Gegenstände dienen.

Beispiel: 10 Tonnen Getreide (Nr. 6 der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG) werden in das Umsatzsteuerlager des U im Inland eingelagert. U behandelt das Getreide im Auftrag des Einlagerers E, um es trocken zu halten. Die Leistung des U an E ist als Leistung im Zusammenhang mit der Erhaltung des in das Umsatzsteuerlager eingelagerten Getreides gem. § 4 Nr. 4a S. 1 lit. B UStG steuerfrei.

113

2.2

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4a UStG gilt nicht bzw. entfällt: •

entfällt gern. § 4 Nr. 4a S. 1 lit. a S. 2 UStG, wenn ein Gegenstand aus einem Umsatzsteuerlager ausgelagert wird, für den der Auslagerung vorangegangenen - zunächst steuerfreien - Umsatz. Besteuert wird damit die der Auslagerung vorangegangene Lieferung, der vorangegangene innergemeinschaftliche Erwerb oder die vorangegangene Einfuhr.

•

gilt nicht für Lieferungen, bei denen die gelieferten Gegenstände für die Lieferung auf der Einzelhandelsstufe aufgemacht sind. Ein Gegenstand ist für die Lieferung auf der Einzelhandelsstufe insbesondere dann aufgemacht, wenn er sich in einer handelsüblichen Verpackung befindet und/oder ohne weitere Be- oder Verarbeitung an einen Endverbraucher geliefert werden kann.

•

gilt nicht für Umsätze von in der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG genannten Gegenständen durch und an Land- und Forstwirte, die die Durchschnittssätze des § 24 UStG anwenden (§ 4 Nr. 4a S. 2 UStG).

Eine Auslagerung liegt gern. § 4 Nr. 4a S. 1 lit. a S. 3, 4 UStG vor, wenn ein in ein Umsatzsteuerlager eingelagerter Gegenstand tatsächlich aus diesem Lager endgültig herausgenommen wird, die übrigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht mehr vorliegen (z. B. Widerruf der Bewilligung des Steuerlagers) oder nicht begünstigte Leistungen an dem eingelagerten Gegenstand erbracht werden. Dabei ist es unbeachtlieh, ob die Gegenstände das Lager verlassen oder eingelagert bleiben. Der Vorgang der Auslagerung setzt keine Leistung zwischen zwei Leistungspartnem voraus, d. h. es muss sich hierbei nicht um einen Umsatz handeln. Auslagerer ist jeweils der Unternehmer, der im Zeitpunkt der (zwangsweisen) Auslagerung die Verfügungsmacht über den Gegenstand hat.

Beispiel: Sojabohnen (Nr. 8 der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG) sind in einem Umsatzsteuerlager des U eingelagert und werden dort mehrfach steuerfrei nach § 4 Nr. 4a Iit. a UStG umgesetzt. Danach liefert der Unternehmer A die Sojabohnen an den Unternehmer Bund B an den Unternehmer C. C holt die Sojabohnen aus dem Umsatzsteuerlager ab. Die Lieferung von A an B ist als Lieferungen in einem Umsatzsteuerlager gern. § 4 Nr. 4a lit. a UStG steuerfrei. Ebenso ist zunächst die Lieferung von B an C steuerfrei. Im Zeitpunkt, in dem die Sojabohnen das Umsatzsteuerlager verlassen, wird die Lieferung des B an C gern. § 4 Nr. 4a Iit. a S. 2 UStG steuerpflichtig, da die Lieferung von B an C die der Auslagerung (=Abholung aus dem Umsatzsteuerlager) vorangehende Lieferung ist.

114

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

Beispiel: Tee (Nr. 5 der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG) ist in einem Umsatzsteuerlager des U eingelagert und wird dort mehrfach steuerfrei nach § 4 Nr. 4a Iit. A uStG umgesetzt. Dabei liefert der Untemehmer A den Tee an den Unternehmer Bund B an den Unternehmer C. Der Tee wird im Auftrag des C in 250 g-Packungen abgefüllt. Die Lieferung von A an B ist als Lieferungen in einem Umsatzsteuerlager gem. § 4 Nr. 4a Iit. a uStG steuerfrei. Ebenso ist zunächst die Lieferung von B an C steuerfrei. Im Zeitpunkt, in dem der Tee in 250 g-Packungen abgefüllt wird und damit für die Einzelhandelsstufe aufgemacht ist, wird die Lieferung des B an C gem. § 4 Nr. 4a Iit. a S. 4 UStG steuerpflichtig, da die Lieferung von B an C die der Auslagerung (=Portionierung für den Einzelhandel) vorangehende Lieferung ist.

Die Übersicht verdeutlicht die Zusammenhänge nochmals:

Abbildung 2-32:

Umsatzsteuerlagerregelung

Lagerung bzw. Warenbewegung

Umsatzsteuerfrele bzw. -pflichtlge Vorgänge

I

Lagerhalter = jeder Unternehmer als: - Dienstleister für Dritte - Lager für eigene Zwecke

>I

( Abnehmer r-----------------------------------------------------.

Lieferer

: steuerfreie Lieferung, wenn : -Einlagerlieferung : -LagerUeferung

1

Bearbeiter

~

lIt;t~:;:;~~~~;~l~~~;I:~~~:~~t~~~~~~~~~~J e-,

Auslagerung= ~

- Herausnahme - nicht begünstigte Verwendung - nicht begünstigte Bearbeitung

:

l_~~_~_~!:_~_~i~:_~_~._~_~_~~~! ______________________ j

Umsatzsteuerlaser = jedes inländische Grundstück Waren It. Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG

I

>

Auslagerer = Person, die bei Auslagerungdie Verfügungsmacht hat

I Vorangegangene Lieferung, ig Erwerb oder Einfuhr Ist steuerpflichtig (§ 4 Nr. 4a In. a S. Z UStG)

In Folge der Umsatzsteuerlagerregelung sieht § 4 Nr. 5 lit. a UStG vor, dass auch die

Vermittlung von Umsätzen, die unter § 4 Nr. 4a UStG fallen, steuerfrei ist. Diese Befreiung gilt sowohl für die Vermittlung der Lieferung von Gegenständen, die in ein Umsatzsteuerlager eingelagert werden oder sich dort befinden, als auch für die Vermittlung von Leistungen, die unmittelbar mit den in einem Umsatzsteuerlager befindlichen Gegenständen zusammenhängen und nach § 4 Nr. 4a S. 1 lit. b UStG steuerbefreit sind. 115

2.2

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Der im Inland ansässige Unternehmer U vermittelt dem in Schweden ansässigen Untemehmer S die Lieferung von 10 Tonnen Kartoffeln (Nr. 1 der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG), die in einem Umsatzsteuerlager des L in Bonn eingelagert sind, an den in Belgien ansässigen Unternehmer B. Die Kartoffeln verbleiben auch nach der Lieferung des S im Umsatzsteuerlager des L. Die Lieferung von S an B ist als Lieferungen in einem Umsatzsteuerlager gem. § 4 Nr. 4a 1i1. a UStG steuerfrei. Die Vermittlung dieser Lieferung durch U an S ist nach § 4 Nr. 5 S. 1 llt, a UStG steuerfrei.

Beispiel: Der im Inland ansässige Unternehmer V vermittelt dem Umsatzsteuerlagerhalter U einen Unternehmer D, der das sich in einem Tank im Umsatzsteuerlager des U in Hamburg befindliche Mineralöl (Nr. 12 der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG) des F in einen anderen Tank umfüllt, damit der Tank gereinigt werden kann. Das Mineralöl verbleibt auch nach der Umfüllung durch D im Umsatzsteuerlager des U.

Die Leistung des D an U ist als sonstige Leistung, die mit der Lagerung des Mineralöls zusammenhängt, gern. § 4 Nr. 4a lit. b S. 1 UStG steuerfrei, Die Vermittlung dieses Umsatzes durch V an U ist nach § 4 Nr. 5 S. llit. a UStG steuerfrei,

2.2.4.2

Steuerbefreite Umsätze des Geld- und Kapitalverkehrs

§ 4 Nr. 8 UStG sieht Steuerbefreiungen für bestimmte Umsätze des Geldes und Kapitalverkehrs vor. Obwohl es sich bei den dort bezeichneten Umsätzen primär um Leistungen des Bankgewerbes handelt, hat die Vorschrift dennoch generelle Bedeutung. Im Überblick betrachtet, beinhaltet § 4 Nr. 8 UStG folgende Steuerbefreiungen:

116

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

Abbildung 2-33:

Steuerbefreiungen im Einzelnen Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 8 UStG

§ 4 Nr. Ba

Kreditvermittlung und -gewährung

§ 4 Nr. 8b

Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln und deren Vermittlung, es sei denn die Zahlungsmittel werden wegen ihres Metallgehaltes oder sammlerwertes umgesetzt

§ 4 Nr. 8c

Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommendie Einbeziehung von Forderungen

§ 4 Nr. 8d

Umsätze und die Vermittlung von Umsätzen im Einlagengeschäft, Kontokorrentverkehr, Zahlungs- und Überweisungsverkehr und das Inkasso von Handelspapieren (Typische Bankumsätze)

§ 4 Nr. 8e

Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren sowie deren Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren

§ 4 Nr. 8f

Umsätze von Anteilen und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und deren Vereinigungen

§ 4 Nr. 8g

Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten, sowie darauf gerichtete Vermittlungsleistungen

§ 4 Nr. 8h

Verwaltung von Sondervermögen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetz

Vermittlung,

ausgenommen:

§ 4 Nr. 8i

Umsätze von im Inland gültigen amtlichen Wertzeichen zum aufgedruckten Wert

§ 4 Nr. 8j

Mit Wirkung vom 01.1.2005 aufgehoben

Unter der steuerbefreiten Kreditgewährung gern. § 4 Nr. 8a UStG ist die zeitlich begrenzte oder unbegrenzte Zurverfügungstellung von Geld oder geldwerten Gütern zu verstehen. Eine solche im Inland gegen Entgelt (z. B. Kontokorrentzinsen) erbrachte Leistung ist steuerbar, aber steuerbefreit. Allerdings tritt die Steuerbefreiung nur dann ein, wenn es sich bei der Kreditgewährung um eine selbständige Leistung handelt, was insbesondere bei sog. Warenkrediten nicht der Fall ist.

Beispiel: Der Unternehmer U nimmt bei der Bank B einen Kredit i. H. v. 80.000 € auf, um dringend benötigte Maschinen für die Expansion seines Unternehmens anschaffen zu können. Der Zinssatz beträgt 5,5 %. Die Leistung "Kreditgewährung" ist steuerbar, aber gern. § 4 Nr. 8a uStG steuerbefreit.

Beispiel: Der Abnehmer A (Unternehmer) kauft beim Lieferer L eine Maschine zum Preis von 10.000 € am 01.April. Für die empfangene Warenlieferung muss A den Kaufpreis innerhalb eines Monats entrichten. Die Kreditgewährung für 30 Tage, die L bei Kalkulation seines Verkaufspreises bereits zugrunde gelegt hat, ist keine selbständige Leistung, sondern Teil des Lieferungsgeschäfts. Eine Steuerbefreiung gern. § 4 Nr. 8a uStG scheidet mithin aus.

117

2.2

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Im Regelfall stellen Geldzahlungen (Übertragung von gesetzlichen Zahlungsmitteln) umsatzsteuerlich nur Entgelt und keinen eigenen steuerbaren Leistungsgegenstand dar. Ausnahmsweise kann der Transfer von (ausländischen) Zahlungsmitteln jedoch als eine eigenständige Leistung angesehen werden (z. B. Verkauf von ausländischen Zahlungsmitteln), die dann jedoch gern. § 4 Nr. Sb UStG von der Umsatzbesteuerung befreit wird.

Beispiel: Der Privatmann P will seinen Urlaub in den Vereinigten Staaten verbringen. Zu diesem Zweck tauscht er 2.000 € in amerikanische Dollar bei seiner Bank. Die "Umtauschleistung" der Bank stellt grundsätzlich eine steuerbare Leistung dar. Diese ist jedoch gem. § 4 Nr. ab uStG steuerbefreit.

Beispiel: Der Supermarkt S stellt mittags fest, dass die Kassen über zu wenig Wechselgeld verfügen. Daher wird der Angestellte A zur Bank geschickt, um 2.000 € in kleinere Scheine und Münzen wechseln zu lassen. Zivilrechtlich liegt eindeutig ein Tausch vor, jedoch entfaltet dieser keine wirtschaftliche Wirkung. Insoweit ist die "Wechselleistung" keine steuerbare Leistung i. S. des

uac

§ 4 Nr. Sc UStG befreit auch die in der Abtretung von Geldforderungen liegenden Umsätze, wie dies z. B. beim echten Factoring der Fall ist. Ob die zugrundeliegende Forderung aus einer Warenlieferungsforderung oder aus der Gewährung eines Darlehens resultiert, ist dabei unerheblich.

Ebenfalls steuerbefreit (§ 4 Nr. Sd UStG) sind sog. typische Bankgeschäfte, worunter insbesondere Umsätze des Einlagengeschäfts, des Kontokorrentverkehrs (Kontoauflösung, Kontosperrung), des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs sowie das Inkasso von Handelspapieren (Wechsel, Schecks) zählen. Ebenfalls steuerbefreit sind Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren gern. § 4 Nr. Se UStG. Das sog. Depotgeschäft der Banken, also die (entgeltliche) Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren zählen jedoch nicht hierunter. Neben dem Geschäft mit Wertpapieren sind auch solche Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen gern. § 4 NI. Sf UStG von der Steuer befreit. Seit dem EuGH-Urteil "KapHag" vom 26.6.2003 ist allerdings zu beachten, dass der Anwendungsbereich des § 4 NI. Sf UStG insoweit leerläuft, als die Aufnahme eines Gesellschafters in eine Gesellschaft betroffen ist. Hiermit erbringt die Gesellschaft

118

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

keine Dienstleistung gegen Entgelt an den Gesellschafter. Dies gilt ungeachtet der

Frage, ob der Gesellschafter in eine neu zu gründende Gesellschaft oder in eine bereits bestehende Gesellschaft eintritt. Gleiches gilt für die Rückgewähr der Gesellschaftsrechte nach Ausscheiden des Gesellschafters. Auch hier liegt kein steuerbarer Umsatz vor. Der Gesetzgeber hat die Bestimmung des § 4 Nr. Bf UStG bis jetzt jedoch noch nicht an die EuGH-Rechtsprechung angepasst.

Beispiel: Z ist Anteilseigner der A-AG. Nach sechs Jahren veräußert er seine im Privatvermägen gehaltenen Anteile an L. Eine steuerbare Leistung liegt nicht vor, da Z als "Privatmann" und nicht als Untemehmer gehandelt hat.

Beispiel: M kauft bei seiner Bank B Aktien der Computec-AG für sein dort geführtes Aktiendepot. Die Bank berechnet ihm hierfür Depotgebühren. Der Umsatz der Bank ist steuerbar und steuerpflichtig.

Beispiel:

x und Y gründen eine Offene Handelsgesellschaft.

Die OHG ist Untemehmer i. S. des UStG. Der erste Umsatz der OHG besteht in der Einräumung von Gesellschaftsrechten gegenüber X und y. Die Gesellschaft erbringt hiermit nach der Rechtsprechung des EuGH keine Dienstleistung gegen Entgelt an die Gesellschafter X und Y. Es liegt folglich kein steuerbarer Umsatz vor und § 4 Nr. 8f UStG kann nicht einschlägig sein.

Sofern die Übernahme von Verbindlichkeiten überhaupt steuerbar ist, bleibt sie gern. § 4 Nr. Bg UStG ebenso steuerfrei wie die Übernahme von Bürgschaften und anderen Sicherheiten. Veräußert ein Unternehmer gegen Entgelt im Inland gültige Wertzeichen (Briefmarken, Stempelmarken) so ist dieser Umsatz regelmäßig steuerbar, jedoch steuerbefreit gern. § 4 Nr. Si UStG, soweit der Umsatz zum aufgedruckten Wert erfolgt.

Beispiel: Da die Post ihre Filiale im Dorf D geschlossen hat, verkauft nunmehr der örtliche Supermarkt S auch Briefmarken. Wenn er diese Briefmarken zum aufgedruckten Wert verkauft, ist der Umsatz zwar steuerbar, aber steuerbefreit gem. § 4 Nr. 8i UStG.

119

2.2

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Der Bürobedartladen des B veräußert ebenfalls Briefmarken. Wegen des hohen Sammlerwertes einiger Exemplare verkauft der B diese Briefmarken aber oftmals oberhalb des aufgedruckten Wertes. Dieser Umsatz ist steuerbar und nicht nach § 4 Nr. Bi UStG steuerbefreit, also steuerpflichtig.

2.2.4.3

Grunderwerbsteuerbare Vorgänge

Die GrESt besteuert obligatorische und (subsidiär) dingliche Rechtsgeschäfte, soweit sie den Eigentumsübergang an inländischen Grundstücken zum Inhalt haben. Den praktisch bedeutsamsten Anwendungsfall bildet dabei der Abschluss eines Verpflichtungsgeschäftes (z. B. Kaufvertrag), das auf den Eigentumsübergang gerichtet ist. Im Gegensatz zum GrEStG knüpft das UStG nicht an obligatorische Rechtsgeschäfte an, sondern nimmt die tatsächliche Lieferung bzw. sonstige Leistung als Ausgangspunkt für die Besteuerung. Aus diesem Grund wäre bei strenger Betrachtungsweise ein direktes Aufeinandertreffen nur in solchen Fällen möglich, in denen die Grunderwerbsteuer erst die dingliche Grundstücksübertragung erfasst. Die Vorschrift des § 4 Nr. 9a UStG beschränkt sich jedoch nicht auf diese Fälle, sondern bestimmt allgemein, dass Vorgänge die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen von der Umsatzbesteuerung befreit werden. Konsequenterweise greift die Befreiungsvorschrift daher auch dann ein, wenn das Unternehmensgeschäft ausschließlich aus dem Grundstückshandel besteht. Werden mit dem Grundstück gleichzeitig auch Maschinen und Betriebsvorrichtungen übertragen, so zählen diese aus grunderwerbsteuerlicher und umsatzsteuerlicher Sicht nicht zu den Grundstücken. Gleichwohl wird in der Praxis statt einer genauen Aufteilung der Gegenleistung in der Regel eine Gesamtgegen1eistung vereinbart. In solchen Fällen bedarf es einer Aufteilung in steuerbefreite und steuerpflichtige Lieferungsgegenstände. Als allgemeiner Aufteilungsmaßstab gelten dabei die bewertungsrechtlichen Verhältnisse der gemeinen Werte. Bei Betriebsfortführung können ggf. auch die einzelnen Teilwerte zugrunde gelegt werden.

Beispiel: Der X verkauft dem Y ein inländisches Betriebsgrundstück mit Gebäuden inkl. Maschinen und Betriebsvorrichtungen für insgesamt 10 Mio. €. Die gemeinen Werte betragen: Grundstück und Gebäude: 6 Mio. €, Maschinen und Betriebsvorrichtungen: 3 Mio. €, Gesamt: 9 Mio. € Grunderwerbsteuerbar und -steuerpflichtig ist die Übertragung des Grundstückes und des Gebäudes. Die Gegenleistung (10 Mio. €) ist in dem Verhältnis auf grunderwerbsteuerbare bzw. nicht grunderwerbsteuerbare Sachverhalte aufzuteilen, wie die jeweiligen gemeinen Werte zur Gesamtsumme der gemeinen Werte stehen. Der Anteil der Grundstücke/Gebäude an der Gesamtsumme der gemeinen Wert beträgt 6 Mio.l 9 Mio. 2/3. Mithin ergibt sich ein grunderwerbsteuerbarer Anteil von 2/3 x 10 Mio. = 6,66 Mio. Der Anteil, der auf die Maschinen und Be-

=

120

Steuerbefreiung und Optionsmöglichkeit

triebsvorrichtungen entfällt, ist nicht grunderwerbsteuerbar, jedoch umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Er beträgt entsprechend 1/3 x 10 Mio. 3,33 Mio.

=

Das GrEStG erfasst in § 1 Ha bzw. III GrEStG auch unmittelbare bzw. mittelbare Gesellschafterbestandsveränderungen bei Personen- bzw. Kapitalgesellschaften, soweit die Gesellschaft über inländische Grundstücke verfügt. Im Gegensatz zum GrEStG, das eine Grundstücksübertragung annimmt, liegt aus Sicht des Umsatzsteuergesetzes keine Grundstückslieferung sondern lediglich eine Übertragung von Wertpapieren bzw. Anteilen an Personengesellschaften vor, die bereits gern. § 4 Nr. Be bzw. f UStG von der Umsatzsteuer befreit sind.

2.2.4.4

Vermietung und Verpachtung von Grundstücken

Umsatzsteuerfrei ist auch die entgeltliche Gebrauchsüberlassung (Vermietung), die Gebrauchsüberlassung zzgl. Fruchtziehungsrecht (Verpachtung) von Grundstücken bzw. Grundstücksteilen sowie die Überlassung von grundstücksgleichen Rechten gern. § 4 Nr. 12 UStG. Zu den Grundstücksteilen zählen dabei u.a. Wohnungen, gewerbliche Räume/ Ladenlokale sowie einzelne Zimmer. Von der Umsatzsteuer werden folgerichtig auch dingliche Nutzungsrechte (Nießbrauch, Grunddienstbarkeiten) befreit. Die Umsatzsteuerbefreiung bezieht sich auf die Leistungseinheit, so dass unselbständige Nebenleistungen ebenfalls von der Steuer befreit sind. Hierzu zählen bei Mietobjekten insbesondere Kosten der Beheizung, des Strom-/Wasseranschlusses sowie der Säuberung des Mietobjektes. Die Befreiungsvorschrift erstreckt sich nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG ausdrücklich nicht auf die Vermietung von Wohn- und Schlafraum, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung (Hotel, Pension) von Fremden bereithält. Ebenso nicht befreit ist die Vermietung von Abstellplätzen für Fahrzeuge (Parkhaus), die Vermietung! Verpachtung auf Campingplätzen sowie von Maschinen und sonstigen Betriebsvorrichtungen, auch wenn diese wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Vertragsgestaltungen, bei denen die Parteien sowohl eine Überlassungsabrede über Grundstücke als auch über andere Gegenstände (z. B. Maschinen) vereinbart und das Entgelt in einem Betrag festgesetzt haben, führen insofern zu Abgrenzungsschwierigkeiten, als dass der Gesamtbetrag (ggf. im Wege einer sachgerechten Schätzung) aufgeteilt werden muss. Auch Mietverträge, die mit einem Kauf-Optionsrecht nach Mietvertragende ausgestattet sind (sog. Mietkaufverträge), können Abgrenzungsschwierigkeiten bereiten, wenn es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung im Kern lediglich um einen verdeckten Kaufvertrag handelt. Dann stellen nämlich die entrichteten Mietzahlungen Ratenzahlungen auf den Kaufpreis dar. Im Ergebnis liegt daher kein Mietvertrag, sondern ein "normaler" Kaufvertrag und somit eine Lieferung vor, für die eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG nicht in Betracht kommt. Sofern Gegen-

121

2.2

2

Umsatzbesteuerung im Inland

stand eines solchen Vertrages jedoch ein Grundstück ist, gilt es zu prüfen, ob ggf. eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 UStG in Betracht kommt.

2.2.4.5

Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen

Mit Steueränderungsgesetz 2003 ist in § 4 Nr. 14 UStG (Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen) der Verweis auf § 18 I Nr. 1 EStG gestrichen worden. Eine sog. "ähnliche heilberufliche Tätigkeit" kann somit auch dann vorliegen, wenn es sich nicht um eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 I Nr. 1 EStG handelt. Die Gesetzesänderung ist eine Folge der Rechtsprechung des BverfG, nach der die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 unabhängig von der Rechtsform des Unternehmers ist. Ärztliche Leistungen sind folglich auch dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von einem Unternehmer in der Rechtsform einer gewerblich tätigen. GmbH & Co. KG erbracht werden.

2.2.4.6

Steuerbefreiung für Forschungsleistungen der Hochschulen

Die in § 4 Nr. 21a UStG geregelte Steuerbefreiung für Forschungsleistungen von Hochschulen ist mit Steueränderungsgesetz 2003 aufgehoben worden. Nach dem EuGH-Urteil v. 20.06.2002, Rs. C-287/00, Kommission/Deutschland, EuGHE 2002, 15811 verstößt die Umsatzsteuerbefreiung der gegen Entgelt ausgeübten Forschungstätigkeit staatlicher Hochschulen nach § 4 Nr. 21a UStG gegen Art. 2 der 6. EG-Richtlinie, da diese Tätigkeit nicht als eine mit dem Hochschulunterricht eng verbundene steuerfreie Tätigkeit i. S. v. Art. 13 Teil A Abs. 1lit. i der 6. EG-Richtlinie anzusehen sei.

2.2.4.7

Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 28 UStG

Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 28 UStG ist im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach §§ 15 Ia Nr. 1 bzw. 11 Nr. 1 UStG (s. u.) zu sehen. Die Regelung führt im Ergebnis dazu, dass Lieferungen von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Anschaffung für das Unternehmen ausgeschlossen war, steuerfrei bleiben. Dies ist auch systemgerecht, da nur so das Ziel einer einmaligen Endverbrauchsbesteuerung gewährleistet werden kann.

Beispiel: Arzt A verkauft seinen drei Jahre alten, ausschließlich für die Praxis verwendeten PKW (Neupreis 30.000 € zzgl. USt) an den Jungunternehmer J zu einem angemessen Preis von 18.000 €. Bei Anschaffung des PKW konnte der Arzt die USt deshalb nicht als VSt absetzen, weil sein Unternehmen (Praxis) steuerbefreite Umsätze (Arztleistungen) gern. § 4 Nr. 14 UStG erbringt und für steuerbefreite Umsätze der Vorsteuerabzug gern. § 15 11 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist. Das bedeutet, dass der Arzt bei Anschaffung des PKW umsatzsteuerlich (bereits) wie ein Letztverbraucher behandelt wurde. Müsste er bei Verkauf des PKW USt ausweisen,

122

Bemessungsgrundlage

käme es zu einer emeuten Umsatzsteuerbelastung, was nicht systemgerecht wäre. Der Verkauf des PKW an den J ist daher zwar steuerbar, aber gem. § 4 Nr. 28 uStG von der Umsatzsteuer befreit.

2.3

Bemessungsgrundlage

Abbildung 2-34:

Steuerbarkeit

---t

Bemessungsgrundlage einfügen

Steuerbefreiung und

Optionsmöglfchkelt

Bemessungsgrundlage

-t

Steuersatz und Steuerberechnung

-t

Steuerschuldner; Entstehung! Fälligkeit

.....

Vorsteuer-

abzug; Vorsteuerberichtfgung

Ergibt die umsatzsteuerliche Prüfung, dass ein Vorgang steuerbar und steuerpflichtig ist, gilt es im nächsten Schritt zu klären, von welchem Betrag die Steuer berechnet werden soll. Dieser Betrag wird allgemein als Bemessungsgrundlage bezeichnet. Durch Multiplikation der Bemessungsgrundlage mit dem einschlägigen Steuersatz erhält man schließlich die zu entrichtende Umsatzsteuer. Die Mehrzahl aller umsatzsteuerbaren Umsätze bilden die entgeltlichen Lieferungen und sonstigen Leistungen. Bei diesen bildet die Gegenleistung (abzüglich Umsatzsteuer) die Bemessungsgrundlage. Schwieriger wird die Bestimmung der Bemessungsgrundlage in den Fällen der unentgeltlichen Leistungen, da es hier gerade an einer konkreten Gegenleistung mangelt. Das Umsatzsteuergesetz muss insofern Ersatzgrößen zur Wertermittlung bereithalten.

2.3.1

Bemessungsgrundlage bei entgeltlichen Leistungen

2.3.1.1

Begriff und Zusammensetzung des Entgelts

Für die entgeltlichen Lieferungen und sonst. Leistungen (§ 1 I Nr. 1 UStG) bestimmt § 10 I S. 1 UStG als Bemessungsgrundlage das Entgelt. Es wird deutlich, dass das Entgelt eine Doppelfunktion einnimmt. Zum einen ist es Tatbestandsvoraussetzung für die Steuerbarkeit, da ohne Entgelt kein Leistungsaustausch vorliegen kann. Andererseits stellt es die Bemessungsgrundlage dar. Während es im Rahmen der ersten Funktion nur auf das Vorhandensein eines Entgelts ankommt, interessiert im zweiten Fall vor allen Dingen die Höhe des Entgelts.

123

2.3

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Entgelt ist gern. § 10 I Nr. 1/ 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzügIich der Umsatzsteuer (=Gegenleistung). Hierzu gehört auch das, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt. Unproblematisch sind solche Fälle, in denen der in Rechnung gestellte Betrag ohne Abzüge und Zuschläge durch den Leistungsempfänger entrichtet wird. Da die Definition des umsatzsteuerliehen Entgelts auf den Gesamtbetrag der den Leistungsempfänger treffenden Belastungen abstellt, kommt es gerade nicht auf die einzelne Zusammensetzung des Entgelts an. Aus diesem Grund beeinflussen alle Abzüge und Zuschläge die Bemessungsgrundlage. Insbesondere mindern Boni, Skonti, Rabatte und andere Zahlungsabzüge das Entgelt. Vom Leistenden weiterberechnete Kosten der Leistungserbringung (Auslagenersatz) wie beispielsweise Porti, Reisekosten, Telefonkosten sind ein Teil der Gegenleistung und erhöhen daher das Entgelt.

Beispiel: Der Unternehmensberater U aus München berät ein Unternehmen in Hamburg. Zur Abwicklung des Auftrags, muss er verschiedentlich nach Hamburg reisen, um die Vorgehensweise mit der Geschäftsleitung abzusprechen. Darüber hinaus entstehen ihm im Zusammenhang mit dem Auftrag Telefonkosten in beträchtlichem Umfang. Die abschließende Rechnung des U lautet wie folgt: Beratungshonorar Reisekosten

250.000€ 30.000€

Telefonkosten

2.000€

Gesamtbetrag

282.000€

+ Umsatzsteuer 19 % Rechnungsbetrag gesamt

53.580€ 335.580 €

Die Beratungsleistung des U ist als sonstige Leistung steuerbar und steuerpflichtig gern. § 1 I Nr. 1 uStG. Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach § 10 I uStG. Danach gehört alles, was der Leistungsempfänger aufwenden muss, um die Leistung zu empfangen, zum Entgelt. Nicht nur das Beratungshonorar, sondern auch der Auslagenersatz für Reisekosten und Telefonkosten bilden somit die Bemessungsgrundlage für die uSt, insgesamt also 282.000 €. Die Umsatzsteuer selbst gehört hingegen nicht zur Bemessungsgrundlage.

Vom Auslagenersatz sind durchlaufende Posten zu unterscheiden, für die § 10 I S. 6 UStG bestimmt, dass sie nicht zum Entgelt gehören. Im Gegensatz zum Auslagenersatz liegt ein durchlaufender Posten dann vor, wenn der Unternehmer, der die Beträge vereinnahmt und verauslagt, im Zahlungsverkehr lediglich die Funktion einer Mit-

124

Bemessungsgrundlage

telsperson ausübt, ohne selbst einen Anspruch auf den Betrag gegen den Leistenden zu haben und ohne zur Zahlung an den Empfänger verpflichtet zu sein (A 152 I S. 2 UStR). Erforderlich ist hierfür, dass zwischen dem Zahlungsverpflichteten und demjenigen, der Anspruch auf die Zahlung hat (Zahlungsempfänger) eine unmittelbare Rechtsbeziehung (Anspruch) besteht.

Abbildung 2-35:

Bemessungsgrundlage und durchlaufender Posten/Auslagenersatz

Abgrenzung Durchlaufender Posten! Auslagenersatz Durchlaufender Posten

Weitergabe der Zahlung Anspruch! Rechtsbeziehung

Auslagenersatz

-. -. Zahlung

-. -.

Anspruch! Rechtsbeziehung

-. -. -,

I Untinehmer I .,.

. , / Zahlung

Zahlung. ' .' Anspruch! Rechtsbeziehung

Beispiel: Rechtsanwalt R vertritt den Y in einem Zivilprozess und obsiegt. Den eingeklagten Betrag überweist die unterlegene Partei auf das Konto des Rechtsanwaltes. R nimmt hier als Mittelsperson Gelder im fremden Namen und für fremde Rechnung entgegen. Die Zahlungen stellen bei R lediglich durchlaufende Posten dar und erhöhen somit nicht das Entgelt des R gegenüber seinem Mandanten Y.

Im Rahmen der Auslagerung von Gegenständen aus einem Umsatzsteuerlager ist Bemessungsgrundlage der der Auslagerung vorangehenden (steuerpflichtigen) Lieferung grundsätzlich der in der Rechnung oder Gutschrift ausgewiesene Betrag (ohne USt). Zu beachten ist jedoch, dass sich die Bemessungsgrundlage für den Umsatz, für 125

2.3

2

Umsatzbesteuerung im Inland

den die Steuerbefreiung wegfällt, gern. § 10 I S. 5 UStG um die Kosten für die an den Auslagerer erbrachten steuerfreien Leistungen sowie um die vom Auslagerer geschuldeten bzw. entrichteten Verbrauchsteuern erhöht, soweit diese nicht bereits im Entgelt enthalten sind. Ist der liefernde Unternehmer Auslagerer, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Kosten in der Bemessungsgrundlage enthalten sind, wenn sie ihm oder einem Vorlieferanten in Rechnung gestellt worden sind.

Beispiel: Der Unternehmer A hat Mineralöl (Nr. 12 der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG) im Umsatzsteuerlager des U in Hamburg eingelagert. Das Mineralöl wird mehrfach umgesetzt (Lieferungen von A an B, B an C, C an D). D verkauft das Mineralöl für 100.000 € an die Raffinerie E und versendet es aus dem Umsatzsteuerlager unmittelbar an E. Für die Lagerkosten stellte U dem B 2.000 €, dem C 1.200 € und dem D 3.000 € in Rechnung. Die Lieferungen von A an B, B an C und C an D sind als Lieferungen in einem Umsatzsteuerlager steuerfrei (§ 4 Nr. 4a Iit. a uStG). Die Lieferung des D an E ist steuerpflichtig, da im Zusammenhang mit dieser Lieferung das Mineralöl aus dem Umsatzsteuerlager ausgelagert wird (§ 4 Nr. 4a lit. a S. 2 UStG). Die sonstigen Leistungen (Lagerung) des U gegenüber dem B, C und D sind als Leistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem eingelagerten Mineralöl ebenfalls steuerfrei (§ 4 Nr. 4a Iit. a S. 1 UStG). Die Bemessungsgrundlage für die Lieferung des D an E ist das vereinbarte Entgelt (= 100.000 €). Die von U dem B, dem C und dem D in Rechnung gestellten Lagerkosten gehören nicht zur Bemessungsgrundlage, da davon auszugehen ist, dass sie in der Bemessungsgrundlage für die jeweils folgenden Lieferungen enthalten sind.

Abwandlung: D verkauft das Mineralöl im Januar für 100.000 € (netto) an die Raffinerie E. E lagert das von D erworbene Mineralöl im Februar aus und befördert es zur Weiterverarbeitung in die Raffinerie. Für die Lagerkosten stellte U dem B 2.000 €, dem C 1.200 € und dem E 3.000 € in Rechnung. Behandlung der Lieferungen von A an B, B an C und C an D sowie der sonstigen Leistungen des U (Lagerung) gegenüber B, C und E: wie oben. Die Lieferung des D an E ist zunächst ebenfalls nach § 4 Nr. 4a Iit. a S. 1 uStG steuerfrei. Im Zeitpunkt, in dem E das Mineralöl aus dem Umsatzsteuerlager entnimmt, wird die Lieferung des D an E steuerpflichtig (§ 4 Nr. 4a Iit. a S. 2 UStG). Bemessungsgrundlage für die Lieferung des D an E ist für 0 zunächst das vereinbarte Entgelt i. H. v. 100.000 €. Die von U dem Bund C in Rechnung gestellten Lagerkosten gehören nicht zur Bemessungsgrundlage, da davon auszugehen ist, dass sie in der Bemessungsgrundlage für die jeweils folgenden Lieferungen enthalten sind.Bemessungsgrundlage für die durch die Auslagerung steuerpflichtige Lieferung des D an E ist für E zunächst das vereinbarte Entgelt i. H. v. 100.000 €. Die von U dem Bund C in Rechnung gestellten Lagerkosten gehören nicht zur Bemessungsgrundlage, da davon auszugehen ist, dass sie in der Bemessungsgrundlage für die jeweils folgenden Lieferungen enthalten sind. Dagegen sind die von U dem E in Rechnung gestellten Lagerkosten (= 3.000 €) nicht in der Bemessungsgrundlage für die Lieferung des D an E enthalten. Sie erhöhen gem. § 10 I S. 5 UStG die Bemessungsgrundlage. Diese beträgt somit 103.000 €.

126

Bemessungsgrundlage

Zum Entgelt gehören auch freiwillig an den Unternehmer gezahlte Beträge, z. B. Trinkgelder, wenn zwischen der Zahlung und der Leistung eine innere Verknüpfung besteht. Unerheblich ist daher, was der Unternehmer fordert, entscheidend ist vielmehr/ welche Gegenleistung tatsächlich erbracht wird.

Beispiel: Der reiche R lässt sich bei einer Kurzreise nach München vom Kutschenuntemehmer K durch die Stadt fahren. Am Ende der Fahrt verlangt K 800 € zzgl. uSt von R. Da R das Geld gerade nicht passend hat, gibt er dem K zwei 500 €-Scheine mit den Worten: Stimmt so (Trinkgeld). Entgelt ist hier nicht etwa der von K geforderte sondem der tatsächlich entrichtete Betrag, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer, also (1000/119*100=) 840,34 €.

Wird der zusätzlich gezahlte Betrag (Trinkgeld) nicht an den Unternehmer selbst, sondern an sein Personal bezahlt, stellt er keinen Bestandteil des Entgelts dar (A 149 V S. 3 UStR). Obwohl der Begriff der "Mehrwertsteuer" zu der irrigen Vorstellung verleiten könnte, nur den von einem Unternehmer erbrachten "Mehrwert" der Leistungen zu besteuern/ ist es bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht erlaubt, das Entgelt um Vorleistungen, wie z. B. Wareneinstandspreise, Löhne, Miete, Betriebssteuern usw. zu kürzen.

Beispiel: Der Baustoffhändler B verkauft dem Bauunternehmer U Baumaterialien zu einem Preis von 20.000 € zzgl. Umsatzsteuer. Die Einstandspreise, die B bei seinem Großhändler für die Materialien entrichten musste, betragen 9.000 €. Stellt B dem U eine Rechnung, so darf B nicht etwa nur den "Mehrwert" i. H. v.11.000 € als Rechnungsbetrag und somit als Bemessungsgrundlage für die USt ausweisen. Aufgrund des Netto-Allphasen-Umsatzsteuersystems müssen auch die jeweiligen Vorleistungen in die Bemessungsgrundlage eingerechnet werden, will man verhindern, dass sämtliche Vorleistungen für den Letztverbraucher nicht mit Umsatzsteuer belastet werden.

Wird die Gegenleistung nicht in einem einmaligen Betrag erbracht, sondern besteht sie in wiederkehrenden Bezügen, so muss deren Kapitalwert gern. §§ 13-16 BewG ermittelt werden, da das UStG für diesen Fall keine eigene Regelung bereithält. Für die Qualifikation als Entgelt ist die Bezeichnung des geforderten Betrages (z. B. Honorar, Gebühr, Preis) ebenso wenig entscheidend wie die Tatsache, ob eine Rechnung, eine Kostenaufstellung, eine Liquidation oder lediglich eine Quittung ausgestellt wird.

127

2.3

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Die folgende Übersicht zeigt ein Berechnungsschema zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage

Abbildung 2-36:

Berechnungsschema Bemessungsgrundlage

Preis, Honorar, Gebühr Bei wiederkehrenden Bezügen: Kapitalwertberechnung - Nachlässe - Boni - Skonti + andere Zahlungszuschläge (z.B. Trinkgelder an Unternehmer) + weiterberechnete Kosten = sog. Auslagenersatz (aber ggf. :

Abgrenzung zu durchlaufenden Posten notwendig) + vom Dritten an den Unternehmer entrichtete Zahlungen

= Entgelt = Bemessungsgrundlage

2.3.1.2

Tausch und tauschähnliche Umsätze

Für den Tausch, den tauschähnlichen Umsatz (§ 3 XII UStG) sowie die Hingabe an Zahlung statt ist charakteristisch, dass es an einem in Geld bemessenem Entgelt fehlt. Es besteht daher die Notwendigkeit zur Umrechnung des Gegenstands- bzw. Leistungswertes in Geld.

§ 10 11 S. 2 UStG bestimmt, dass der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz gilt. Als Wert ist dabei von dem sog. gemeinen Wert I, S. des § 9 BewG auszugehen. Dieser entspricht dem üblichen Verkaufspreis des im Tausch erworbenen Gutes bzw. der im tauschähnlichen Umsatz erhaltenen Leistung auf der jeweils betrachteten Handelsstufe. Nicht zwingend notwendig ist, dass sich die ausgetauschten Umsätze wertmäßig entsprechen müssen.

128

Bemessungsgrundlage

Beispiel: Malermeister M und Fliesenleger F sind gute Freunde. Da beide im Begriff sind, ein Einfamilienhaus zu errichten, vereinbaren sie, dass der M bei F die Malerarbeiten ausführt und F bei M die Fliesen in Bad und Küche verlegt. Das Material wird vom jeweils anderen besorgt. Ein besonderes Entgelt vereinbaren die beiden nicht. Die Malerarbeiten des M bei F stellen eine steuerbare und steuerpflichtige sonst. Leistung in Form einer Werkleistung dar, für die M von einem Dritten 5.000 € zzgl. USt verlangen würde. Als Gegenleistung (Entgelt) erhält M von F kein Geld, sondem die Verlegearbeiten des F Es liegt daher ein tauschähnlicher Umsatz gem. § 3 XII S. 2 uStG vor. Um die umsatzsteuer1iche Bemessungsgrundlage für die Malerarbeiten zu bestimmen, muss der übliche Wert der Ver1egearbeiten bestimmt werden. Es kommt also nicht darauf an, was M einem Dritten in Rechnung gestellt hätte, sondem auf den Wert der tatsächlich erbrachten Gegenleistung von F. Angenommen F würde für die gleiche Tätigkeit von einem Dritten ein Entgelt L H. v. 3.000 € zzgl. USt (Gemeiner Wert) verlangen. Die Bemessungsgrundlage für die Malerarbeiten beträgt dann lediglich 3.000 €. Umgekehrt erhält F für seine Verlegearbeiten eine Gegenleistung LH.v. 5.000 €.

Wird bei einem Tausch bzw. tauschähnlichen Umsatz ein Geldbetrag zugezahlt, so handelt es sich um einen Tausch bzw. tauschähnlichen Umsatz mit Baraufgabe (vgl. Al53 UStR).

Beispiel: Der Autohändler A verkauft dem Speditionsunternehmer Seinen neuen LKW für 100.000 € zzgl. USt 19.000 €, worüber A dem S eine Rechnung stellt. Als Gegenleistung gibt S dem A wie vereinbart einen alten LKW (gem. Wert 64.000 €) sowie 55.000 € in bar. Bemessungsgrundlage für Lieferung des neuen LKW (A an S): Nach § 10 11 S. 2 UStG ergibt sich als Bemessungsgrundlage für den neu gelieferten LKW {64.000 € (gem. Wert des Alt-LKW) + 55.000 € (Barzahlung» /1,19 100.000 €. Darauf entfällt eine Umsatzsteuer von 19.000 €. Bemessungsgrundlage für Lieferung des Alt-LKW (S an A): S lieferte einen alten LKW an A. Dafür und für die Baraufgabe (55.000 €) erhielt S den neuen LKW als Gegenleistung. Aus § 10 11 S. 2 UStG entfällt demnach auf die steuerpflichtige Lieferung des Alt-LKW ein Anteil von 119.000 € 55.000 € 64.000 €. Mithin ergibt sich eine Bemessungsgrundlage von 64.000 €I 1,19 53.782 € und eine Umsatzsteuerschuld von 10.218 €.

=

=

=

Beim Tausch mit Baraufgabe kann es zu versteckten Preisnachlässen kommen, wenn der in Zahlung genommene Gegenstand seitens des Empfängers höher bewertet wird, als es dessen gemeinen Wert entspricht.

129

2.3

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Der Autohändler A verkauft dem Speditionsunternehmer Seinen neuen LKW für 100.000 € zzgl. uSt 19.000 €, worüber Adern S eine Rechnung stellt. Als Gegenleistung gibt S dem A wie vereinbart einen alten LKW (gern. Wert 59.000 €) sowie 55.000 € in bar. Bemessungsgrundlage für Lieferung des neuen LKW (Aan S): Nach § 10 11 S. 2 UStG ergibt sich als Bemessungsgrundlage für den neu gelieferten LKW (59.000 € (gern. Wert der Gegenleistung) + 55.000 € (Barzahlung» /1,19 95.798 €. Darauf entfällt eine Umsatzsteuer von 18.202 €. Deutlich wird, dass der A den Alt-LKW statt in Höhe des gemeinen Wertes insgesamt mit 64.000 € bewertet haben muss, also hat er dem S einen versteckten Preisnachlass von 5.000 € gewährt. Allerdings hat A in seiner Rechnung eine Umsatzsteuer von 19.000 € ausgewiesen, so dass er die Differenz i. H. v. 798 € gern. § 14c I UStG schuldet, solange er nicht die Rechnung berichtigt. Bemessungsgrundlage für Lieferung des Alt-LKW (S an A): S lieferte einen alten LKW an A. Dafür und für die Baraufgabe (55.000 €) erhielt S den neuen LKW als Gegenleistung. Aus § 10 11 S. 2 UStG entfällt demnach auf die steuerpflichtige Lieferung des Alt-LKW ein Anteil von 119.000 € - 55.000 € 64.000 €. Mithin ergibt sich eine Bemessungsgrundlage von 64.000 €I 1,19 53.782 € und eine Umsatzsteuerschuld von 10.218 €. (Vgl. hierzu A 153 IV UStR, insbesondere zur Bestimmung des gemeinen Wertes durch Schätzpreise, Verkaufserlöse innerhalb und außerhalb einer Dreimonatsfrist.)

=

=

=

Der versteckte Preisnachlass führt im Ergebnis beim Gewährenden zu einer Verminderung der Bemessungsgrundlage, beim Empfänger hingegen zu einer Erhöhung, sofern der gemeine Wert der Gegenleistung nicht ebenfalls gemindert wird.

2.3.2

Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen Leistungen

Im Gegensatz zu entgeltlichen Leistungen fehlt es bei unentgeltlichen Leistungen gerade an einer Gegenleistung, die als Bemessungsgrundlage dienen kann. Zum Zwecke der Besteuerung muss das Umsatzsteuergesetz daher Ersatzgrößen festlegen. Für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage gilt es zu unterscheiden zwischen unentgeltlichen Lieferungen (Gegenstandsentnahme, Sachzuwendungen an Personal, andere Zuwendungen für Zwecke des Unternehmens) einerseits und unentgeltlichen sonstigen Leistungen (Gegenstandsverwendung, Erbringung sonstiger Leistungen) andererseits. Für die erste Gruppe regelt § 10 IV Nr. 1 UStG die Bemessungsgrundlage, für die zweitgenannte Gruppe bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach § 10 IV Nr. 2 UStG (Gegenstandsverwendung) bzw. § 10 IV Nr. 3 UStG (Erbringung sonstiger Leistungen). Im Überblick betrachtet ergibt sich folgende Struktur:

130

Bemessungsgrundlage

Abbildung 2-37:

Bemessungsgrundlage beiunentgeltlichen Leistungen einfügen

Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen Leistungen I (Unentgeltliche) Lieferungen § 3 Ib Nr. 1-3 UStG • Gegenstandsentnahme • Sachzuwendungen an Personal • And. Gegenstandszuwendungen für Zwecke des Unternehmens

~ ~

§ 10 IV Nr. 1 UStG

2.3.2.1

(Unentgeltliche) Sonst. Leistungen § 3 IXa Nr. 1,2 UStG Gegenstandsverwendung

Erbringung sonstiger Leistungen

§ 3 IXa Nr. 1

§ 3 IXa Nr. 2

UStG

UStG

§ 10 IV Nr. 2 UStG

§ 10 IV Nr. 3

Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen Lieferungen

§ 10 IV Nr. 1 UStG bestimmt für die unentgeltlichen Lieferungen nach § 3 Ib UStG (Gegenstandsverwendung, Sachzuwendung an Personal, andere Zuwendungen) als Bemessungsgrundlage den Einkaufspreis zuzüglich Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand "zum Zeitpunkt des Umsatzes", also die Wiederbeschaffungswerte zum Zeitpunkt des Umsatzes (A 155 UStR). Ist ein Einkaufspreis nicht ermittelbar, sollen die Selbstkosten (subsidiär) maßgeblich sein. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder zumindest teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

Beispiel: Der Heizungsbauer H entnimmt zu Beginn des Jahres ein bisher ausschließlich betrieblich genutztes Fahrzeug für private Zwecke. Zwei Jahre zuvor wurde das Fahrzeug für 30.000 € zzgl. Umsatzsteuer angeschafft. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer soll 5 Jahre betragen. Die Gegenstandsentnahme ist gem. § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3 Ib Nr. 1 UStG steuerbar und steuerpflich-

131

2.3

2

Umsatzbesteuerung im Inland

tig. Da das Fahrzeug ausschließlich betrieblich genutzt wurde, stand dem Untemehmer bei Anschaffung auch ein voller Vorsteuerabzug zu. Es stellt sich mithin die Frage nach der Bemessungsgrundlage. Gem. § 10 IV Nr. 1 UStG ist der Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand zum Zeitpunkt des Umsatzes (Wiederbeschaffungspreis) maßgebend. Sofern dieser - wie hier- nicht ermittelt werden kann, können -subsidiär- auch die Selbstkosten zum Zeitpunkt des Umsatzes herangezogen werden, die sich hier vereinfacht unter Zugrundelegung einer linearen Abschreibung des Gegenstandes über einen Zeitraum von fünf Jahren errechnen lassen. Zum Zeitpunkt der Entnahme (des Umsatzes) hat das Fahrzeug einen Wert von {30.000 - 2 x (30.000/5»= 18.000 €. Die sich ergebende Steuer beträgt 18.000 x 19 % 3.420 €.

=

Abwandlung: Das Fahrzeug wurde von Beginn an sowohl betrieblich als auch privat benutzt (Nutzungsverhältnis 70:30). Da bei Erwerb des PKW nur eine Vorsteuer auf 70 % des Kaufpreises geltend gemacht werden konnte ({30.000 € * 70 %) * 19 %= 3.990 €), ist die Bemessungsgrundlage für die nach § 3 Ib Nr. 1 steuerpflichtige Entnahme 70 % der Selbstkosten zum Zeitpunkt des Umsatzes (s.o.). Im Ergebnis führt dies zu einer Umsatzsteuerbelastung von (18.000 * 70 %) * 19 %= 2.394 €.

Wie die Gegenstandsentnahme durch den (Einzel-)Unternehmer, werden auch lieferungen durch Körperschaften (Kapitalgesellschaften, Vereine) und Personenvereinigungen an ihre Gesellschafter, Anteilseigner, Mitglieder und diesen nahestehender Personen behandelt (§ 10 V Nr. 1 UStG). Wendet der Unternehmer seinem Personal Gegenstände bzw. Sachen des Unternehmens endgültig zu (§ 3 1b Nr. 2 UStG, Sachzuwendung an Personal), so ergibt sich für die Berechnung der Bemessungsgrundlage keine andere Vorgehensweise als bei der Gegenstandsentnahme durch den Unternehmer selbst.

Beispiel: Der drei Jahre alte, bisher ausschließlich betrieblich genutzte Computer (ursprüngliche Anschaffungskosten 6.000 €, Nutzungsdauer 5 Jahre) wird durch einen neuen ersetzt. Der Angestellte A zeigt privates Interesse an dem PC. Daraufhin wendet der Unternehmer den PC diesem zu, ohne ein Entgelt zu verlangen zu. Der Restwert des PC beträgt 2.400 €. Es ergibt sich daher eine Umsatzsteuer von 2.400 € x 19 % = 456 €.

Auch für den Fall unentgeltlicher Zuwendungen von Gegenständen für Zwecke des Unternehmens (§ 3 1b Nr. 3 UStG), bestimmt § 10 IV Nr. 1 UStG bei ursprünglichem (vollen bzw. teilweisen) Vorsteuerabzugsrecht als Bemessungsgrundlage den Einkaufsoder Selbstkostenpreis "zum Zeitpunkt des Umsatzes" (=Wiederbeschaffungswert).

132

Bemessungsgrundlage

Beispiel: Der Großhändler G hat sich auf den Vertrieb von edlen Weinen spezialisiert. Anlässlich des fünfundzwanzigjährigen Geschäftsjubiläums eines langjährigen Geschäftspartners lässt er diesem einen "edlen Tropfen" aus seinem Sortiment zukommen. Der Einkaufswert des Spitzenweins beträgt 2.000 € zzgl. Umsatzsteuer. Der Vorgang ist gem. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 Ib Nr. 3 uStG steuerbar und steuerpflichtig. Da der Wein ursprünglich zum Sortiment des G gehörte, stand diesem auch ein volles Vorsteuerabzugsrecht zu. Als Bemessungsgrundlage bestimmt § 10 IV Nr. 1 UStG den Einkaufspreis. Dieser beträgt hier 2.000 €. Die zu entrichtende Steuer beläuft sich entsprechend auf 2.000 € x 19 % = 380 €.

Beispiel: Der Sportartikelhersteller Saus Chemnitz stellt u.a. auch Kunstrasen für Sporthallen her. Da der ortsansässige Hockeyverein in die Oberliga aufgestiegen ist, rüstet S die Sporthalle mit dem entsprechenden Rasen im Wert (=Selbstkosten des S) von 30.000 € aus (Spende). Die Spende erfüllt den Tatbestand des § 1 I Nr. 1 L V. m. § 3 Ib Nr. 3 usic Die Steuer beträgt nach § 10 IV Nr. 1 UStG 30.000 € x 19 % = 5.700 €.

2.3.2.2

Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen sonstigen Leistungen

Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Fälle der unentgeltlichen sonstigen Leistungen gilt es zu unterscheiden zwischen der Gegenstandsverwendung (§ 3 IXa Nr. 1 UStG) und der Erbringung sonstiger Leistungen (§ 3 IXa Nr. 2 UStG). Im ersten Fall setzt sich die Bemessungsgrundlage aus den entstandenen Ausgaben zusammen, soweit diese zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 10 IV Nr. 2 UStG). § 10 IV Nr. 2 S. 2 UStG definiert, dass zu diesen Ausgaben auch die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gehören, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet und für die Erbringung einer sonstigen Leistung genutzt wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mind. 500 Euro, so sind sie gern. § 10 IV Nr. 2 S. 3 UStG gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspricht.14

Beispiel: Der Gärtner G gestattet seinem Angestellten A (ausnahmsweise) für zwei Tage die Benutzung seiner Gartengeräte, damit dieser den Garten seines neuen Einfamilienhauses erstmals gestalten kann. Sämtliche Gartengeräte wurden ausschließlich für das Unternehmen angeschafft, so dass dem Untemehmer ein Vorsteuerabzugsrecht zustand. Die anteiligen Ausgaben der überlassenen Maschinen (ohne Gewinnzuschlag) belaufen sich auf 400 €. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Gegenstandsverwendung gem. § 1 I Nr. 1 L V. m. § 3 IXa Nr. 1 usic sind erfüllt, es liegt daher eine steuerbare und steuerpflichtige sonst. Leistung vor. Als Bemessungsgrund-

133

2.3

2

Umsatzbesteuerung im Inland

lage sind die entstandenen Ausgaben heranzuziehen (§ 10 IV Nr. 2 UStG) soweit sie -wie hierzum Vorsteuerabzug berechtigt haben. Insgesamt ergibt sich also eine USt von 400 € x 19 %

=

76€.

Beispiel: Der Steuerberater S erwirbt am 2. Januar ein Zweifamilienhaus für 1.000.000 Euro zzgl. 190.000 Euro USt (Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9a UStG und damit zulässige Option nach § 9 I, 111 UStG). Das Erdgeschoss (50 % des Hauses) will S für seine Praxis nutzen, das Obergeschoss (50 % des Hauses) für eigene Wohnzwecke. Er ordnet das Haus zu 100 % seinem Untemehmensvermögen zu und kann daher einen Vorsteuerabzug gem. § 15 I S. 1 Nr. 1 UStG i. H. v. 190.000 Euro geltend machen. Die Nutzung des Obergeschosses für eigene Wohnzwecke (50 %) stellt eine steuerbare und steuerpflichtige private Verwendung nach § 1 I Nr. 1 UStG i. V. m. § 3 IXa Nr. 1 UStG dar. Als Bemessungsgrundlage sind gem. § 10 IV Nr. 2 S. 1, 2 UStG die (für die Eigennutzung) entstandenen Ausgaben heranzuziehen, zu denen auch die Anschaffungskosten gehören. Da die Anschaffungskosten über 500 Euro betragen, sind sie gem. § 10 IV Nr. 2 S. 3 UStG auf den für Grundstücke 10 Jahre betragenden Berichtigungszeitraum des § 15a I UStG zu verteilen: •

50 % der laufenden Kosten mit Vorsteuem (unterstellt) p. a. 5.000 Euro + jährlich 1/10 der Anschaffungskosten bis zum Verbrauch nach 10 Jahren (50 % * 1.000.000) /10 50.000 Euro Bemessungsgrundlage nach § 10 IV Nr. 2 UStG 55.000 Euro 55.000 * 19 % 10.450 Euro

=

=

S muss für die private Nutzung des dem Unternehmensvermögen zugeordneten Hauses 10 Jahre lang jährlich 10.450 Euro USt zahlen.

Beispiel: Angestellter A darf den Firmenwagen seit Anschaffung gelegentlich auch privat nutzen (z. B. für Privatfahrten am Wochenende oder eine Urlaubsfahrt). Sämtliche Rechnungen für Benzin, Versicherung, Reparaturen, Steuem usw. werden beim Unternehmer erfasst. Die Nutzung durch den Arbeitnehmer für private Zwecke soll 3 % betragen. Benzin

3.000 € zzgl. Umsatzsteuer

Versicherung

1.200 €

Reparaturen

1.500 € zzgl. USt

Steuer

300€

AfA

5.000€

134

Bemessungsgrundlage

Grundsätzliches zur Überlassung von Fahrzeugen an das Personal: Überlässt ein Unternehmer (Arbeitgeber) seinem Personal (Arbeitnehmer) ein erworbenes Kraftfahrzeug auch zur privaten Nutzung (Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Familienheimfahrten usw.) ist dies regelmäßig als entgeltliche Leistung LS.d. § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG und nur in Ausnahmefällen - wie hier- als unentgeltliche Leistung LS.d. § 3 IXa S. 1 Nr. 1 UStG anzusehen. Die Gegenleistung des Arbeitnehmers bei Annahme einer entgeltlichen Fahrzeugüberlassung wird dabei regelmäßig in der anteiligen Arbeitsleistung gesehen. Von einer unentgeltlichen Überlassung von Kraftfahrzeugen an das Personal kann ausnahmsweise ausgegangen werden, wenn die vereinbarte private Nutzung des Fahrzeugs derart gering ist, dass sie für die Gehaltsbemessung keine wirtschaftliche Rolle spielt. Danach kann Unentgeltlichkeit nur angenommen werden, wenn dem Arbeitnehmer das Fahrzeug aus besonderem Anlass oder zu einem besonderen Zweck nur gelegentlich (von Fall zu Fall) überlassen wird. Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Fahrzeugüberlassung für den privatenBedarf des Personals sind die Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Aus der Bemessungsgrundlage sind somit die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten auszuscheiden. Der so ermittelte Wert ist ein sog. Nettowert, auf den die Umsatzsteuer mit dem allgemeinen Steuersatz aufzuschlagen ist. Damit ergibt sich im vorliegenden Beispiel: (3.000 € + 1.500 € + 5.000 €) x 0,03 = 285 € 285 € x 0,19 = 54,15 €

Anmerkung: Aus Vereinfachungsgründen wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn für die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage von den lohnsteuerlichen Werten ausgegangen wird (Vgl. A 12 VIII UStR)

Im Falle der Erbringung sonstiger Leistungen kommt es für die Frage der Bemessungsgrundlage ebenfalls auf die entstandenen Ausgaben an. Im Gegensatz zur Gegenstandsverwendung kann es auf die ursprüngliche Vorsteuerabzugsmöglichkeit aber nicht ankommen, da sich auf der Leistungseingangsseite die Frage eines Vorsteuerabzugs u. U. überhaupt nicht stellte.

Beispiel: Es gelten die gleichen Annahmen wie im vorletzten Beispiel. Neben der Zurverfügungstellung der Unternehmensgegenstände schickt G zusätzlich zwei seiner Arbeitskräfte zu A, die dem A behilflich sein sollen. Die anteiligen Lohnkosten betragen zusammen 2.000 €. TatbestandIich liegt eine steuerbare und steuerpflichtige sonst. Leistung in Form der unentgeltlichen Erbringung einer sonstigen Leistung vor (§ 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3 IXa Nr. 2 uStG). Als Bemessungsgrundlage sind die entstandenen anteiligen (Lohn-) Kosten (=Ausgaben i. S. des § 10 IV Nr. 3

135

2.3

2

Umsatzbesteuerung im Inland

UStG) anzusetzen. Für die Lohnkosten stellt sich allerdings nicht die Frage, ob von diesen ein anteiliger oder voller- Vorsteuerabzug vorgenommen worden ist, da die Leistungen der Arbeitnehmer gegenüber dem G mangels Unternehmereigenschaft der Arbeitnehmer keinen steuerbaren Tatbestand i. S. des Umsatzsteuergesetzes darstellen und daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen können.

2.3.3

Mindestbemessungsgrundlage

Aufgrund der besonderen Rechts- oder Sozialbeziehungen, wie sie insbesondere zwischen der Gesellschaft und ihren/rn Gesellschafter(n), zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder zwischen Unternehmern und nahestehenden Personen bestehen, kann es dazu kommen, dass umsatzsteuerbare Leistungen zwar entgeltlich, aber zu einem viel günstigeren Preis erbracht werden, als dies der Fall wäre, wenn sie gegenüber einem Dritten erfolgen würden.

Beispiel: Der Spielzeughersteller S verkauft einer befreundeten, kinderreichen Familie zum Weihnachtsfest verschiedene Spielzeuge zu einem Preis von 80 € zzgl. Umsatzsteuer. Hätte er die gleichen Spielzeuge an fremde Dritte verkauft, läge der Preis bei 300 € zzgl. Umsatzsteuer. Sämtliche Herstellungskosten für die betrachteten Spielzeuge belaufen sich auf 150 €.

Bei umsatzsteuerlicher Prüfung gelangt man zu dem Ergebnis, dass eine steuerbare und steuerpflichtige entgeltliche Lieferung vorliegt. Dementsprechend wäre für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage § 10 I Nr. 1 UStG einschlägig, wonach das Entgelt (im Beispiel: 80 f) die Bemessungsgrundlage bilden würde. Es ist offensichtlich, dass der Gesetzgeber bei Akzeptanz verhältnismäßig geringer Entgelte, steuermindernde Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet hätte, die nicht systemkonform sind. Folglich kann es im Kern nur darum gehen, eine realitätsgerechte umsatzsteuerliche Belastung des Endverbrauchs zu gewährleisten. Diese Überlegung liegt den Regelungen des § 10 V UStG zugrunde, die, technisch gesehen, eine Ergänzungsbestimmung zu § 10 I UStG bildet. Danach wird die Bemessungsgrundlage gern. § 10 I UStG für Lieferungen auf den Einkaufspreis (Selbstkosten) bzw. für sonstige Leistungen auf die entstandenen Ausgaben heraufgeschleust, wenn das tatsächlich gezahlte Entgelt geringer ist als der Einkaufspreis bzw. die Kosten/Ausgaben. Insofern spricht man von einer Mindestbemessungsgrundlage bei entgeltlichen Leistungen.

136

Bemessungsgrundlage

Abbildung2-38:

Mindestbemessungsgrundlage einfügen

Mindestbemessungsgrundlage

gern. § 10 V UStG bei entgeltlichen Leistungen Entgelt gem.§101 UStG bei Entgeltlichen tetstunsen

<

Einkaufspreis! Kosten! Ausgaben gern. § 10 IV UStG

W

Einkaufspreis! Kosten! Ausgaben

11"

Entgelt

= (= Mindestbemessungsgrundlage)

Beispiel: Annahmen s. oben. Umsatzsteuerlich liegt eine steuerbare und steuerpflichtige entgeltliche Lieferung gern. § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3 I UStG vor. Bemessungsgrundlage wäre nach § 10 I UStG das Entgelt, also 80 €. Es ist jedoch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 10 V UStG vorliegen, was hier unzweifelhaft der Fall ist. Dementsprechend dürfte das Entgelt nicht kleiner sein als die entstandenen Kosten bzw. Ausgaben gern. § 10 IV UStG. Hier ergibt die Prüfung jedoch, dass die Kosten bzw. Ausgaben (150 €) größer sind als das tatsächliche Entgelt. Als Rechtsfolge ordnet § 10 V uStG den Ansatz der Kosten bzw. Ausgaben als Bemessungsgrundlage an. Im Ergebnis entsteht daher eine Steuer von 150 € x 19 % 28,50 €.

=

Die Mindestbemessungsgrundlage ist -entgegen dem Gesetzeswortlaut- trotz höheren Einkaufspreises/ entstandener Kosten bzw. Ausgaben dann nicht anzuwenden, wenn das tatsächliche Entgelt (z. B. infolge Preisverfalls) marktüblich ist.

137

2.3

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.3.4

Übersicht: Bemessungsgrundlage

Abbildung 2-39:

Übersicht Bemessungsgrundlage einfügen Bemessungsgrundlage § 10 UStG

I I

I

I

I

(Entgeltlicher)

(Unentgeltliche)

(Unentgeltlfche)

Leistungsaustausch § 31, IX UStG

Lieferungen

Sonst. Leistung

§ 3 Ib Nr. 1-3 UStG

§ 3 IXa Nr. 1,2 UStG

I

I Bemessungsgrundlage gern. § 10 I UStG

Bemessungsgrundlage gern. § 10 IV Nr. 1 UStG

Entgelt

Einkaufpreis bzw. Selbstkosten

Sonderfall: Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 V UStG)

2.4

BMG gern.

§ 10 IV Nr. 3

UstG

UStG

Entstandene Ausgaben

Entstandene Ausgaben

~

Steuersatz und Steuerberechnung

Abbildung2-40:

Steuerbarkeit

BMG gern.

§ 10 IV Nr. 2

Steuersatz

~teuerbefrefuns --t

und Optionsmöglichkeit

f-t

Bemessungsgrundlage -t

Steuersatz und Steuerberechnung

-t

Steuerschuldner Entstehung! Fälligkeit

--

Vorsteuerabzug; Vorsteuerberichtigung

Das Umsatzsteuergesetz unterscheidet in § 12 UStG lediglich zwei Steuersätze, nämlich einerseits den allgemeinen Steuersatz (auch Regelsatz, Normalsteuersatz), der ab dem 1. Januar 2007 19 % der Bemessungsgrundlage beträgt, und den ermäßigten 138

Steuersatz und Steuerberechnung

Steuersatz, der 7 % beträgt. Sofern der Umsatz nicht dem ermäßigtem Steuersatz gern. § 12 TI UStG unterliegt, gilt der allgemeine Satz des § 12 I UStG. § 12 TI UStG belastet die dort aufgeführten Umsätze aus unterschiedlichen Gründen nur mit dem ermäßigten Steuersatz. Zu den ermäßigt besteuerten Umsätzen zählen im Einzelnen:

Abbildung 2-41:

Ermäßigter Steuersatz

§ 1211

Nr. 1,2 UStG

Lieferung und Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände. Dazu zählen insbesondere: 1. Land- und forstwirtschaftlfche Erzeugnisse 2. Zubereitete Futtermittel 3. Die meisten Lebensmittel Ausnahme: Abgabe von Speisen und Getränke zum Verzehr an und Stelle. Dies sind nämlich sonstille Leistunllen (§3 IX S. 4 UStG) 4. Waren des Buchhandels und Druckerzeugnisse 5. Kunst und Sammlungsgegenstände 6. Körperersatzstücke (Prothesen)

§ 12 11

Nr. 3 UStG

Aufzucht und Halten von Vieh; Anzucht von Pflanzen und Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere

§ 12 11

Nr. 4 UStG

Leistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tierzucht stehen

§ 12 11

Nr. 5 UStG

entfallen

§ 12 11

Nr. 6 UStG

§ 12 11

Nr. 7 UStG

§ 12 11

Nr. 8 UStG

Leistungen gemeinnützig, kirchlich, mildtätig tätiger Körperschaften (Ausnahme: wirtschaft!. Geschäftsbetrieb)

!l12 11

Nr. 10 UStG

Schwimmbäder, Heilbäder, bestimmte Kureinrichtunllen

§ 12 11

Nr. 10 UStG

bestimmte Personenbeförderung

§12 11

Nr. 11 UStG

Die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr.14 lit.b bezeichneten Leistungen der Zahnärzte. Leistungen der Theater, Orchester, Chöre, Museen, Theateraufführungen; Fflmvorführungen, Wahrnehmung und Obertragung von Rechten aus dem Urheberrechtsaesetz, Zirkusvorführunllen, Schausteller, zoologtsehe Gärten

Vermietunll von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristlgen ßeherbergung von Fremden sowie die kurzfristige VermietunR von CamoinRflächen

Der Umsatzsteuersatz für Beherbergungsleistungen im Hotelgewerbe ist durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 auf 7% reduziert worden. Nach dem neuen § 12 TI Nr. 11 UStG unterliegt die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, dem ermäßigten Steuersatz. Gleiches gilt für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Als "kurzfristig" kann dabei in der Regel ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten angesehen werden. Von der Steuerermäßigung ausdrücklich ausgenommen sind gemäß § 12 11 Nr. 11 S. 2 UStG Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind. Dazu gehören nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung bspw. die Verpflegung (insbesondere Frühstück), der Zugang zu Kommunikationsnetzen (insbesondere Telefon und Internet), 139

2.4

2

Umsatzbesteuerung im Inland

die TV-Nutzung ("pay per view"), die Getränkeversorgung aus der Minibar, WellnessAngebote oder die Überlassung von Tagungsräumen. Die Neuregelung ist am 01.01.2010 in Kraft getreten. Sie ist damit auf Umsätze anzuwenden, die ab diesem Stichtag ausgeführt werden. Der Steuersatz wird normalerweise auf die (Netto-)Bemessungsgrundlage angewendet. Will man die Steuer direkt anhand der Bruttobemessungsgrundlage ausrechnen, so ergibt sich beim Regelsteuersatz ein Prozentsatz von 15,97 % (19/119) beim ermäßigten Satz 6,54 % (7/107).

2.5

Steuerentstehung, Fälligkeit der Steuer, Steuerschu ldner

Abbildung 2-42:

Steuerbarkeit

2.5.1

:-'

Steuerschuldner, Entstehung, Fälligkeit

~teuerbefreiuns und f-o Optionsmöglichkeit

Bemessungsgrundlage -t

Steuersatz und Steuerberechnung

-t

Steuerschuldner EntstehunI! Fällilkett

Vorsteuer-

:->

abzug;

Vorsteuerbertchttlunl

Entstehung und Fälligkeit der Steuer

Maßgebend für die Entstehung der Steuer ist prinzipiell das tatsächlich aufgewendete Entgelt, soweit es dem Unternehmer in seiner Funktion als Steuereinsammler zufließt. Aus rein verfahrenstechnischen Gründen sieht das UStG als Regelfall aber die sog. Sollbesteuerung (§ 13 I Nr. 1a UStG) vor, bei der für die Entstehung der Steuerschuld bereits an die Ausführung des Umsatzes gegen vereinbartes Entgelt angeknüpft wird. Dadurch entsteht die Steuer (zunächst) auf der Grundlage des zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes vereinbarten Entgelts, also mit einem Betrag, der vom Leistenden (in Zukunft) vereinnahmt werden soll.

140

Steuerentstehung, Fälligkeit der Steuer, Steuerschuldner

Beispiel: Der Hersteller H liefert an den Schreiner S eine neue Sägemaschine zu einem vereinbarten Preis von 20.000 € zzgl. Umsatzsteuer. Der Betrag wird von S erst vier Monate später auf das Konto des H überwiesen. Hier entsteht die Steuer nicht etwa erst mit dem Zahlungseingang bei H, sondem bereits zum Zeitpunkt des Umsatzes/der Lieferung (bzw. mit Ablauf des VoranmeIdezeitraums «§ 18 11 UStG), zum Begriff s.u.) in Höhe des vereinbarten Entgelts.

Auf den ersten Blick könnte man zu dem Schluss gelangen, dass dieses Besteuerungsverfahren in Widerspruch zu dem Grundsatz steht, nach dem das tatsächlich aufgewendete Entgelt, soweit es dem Unternehmer zufließt, maßgebend sein soll. Dass dies nicht so ist, zeigt sich daran, dass nachträgliche Veränderungen zwischen dem ursprünglich vereinbarten und dem tatsächlich erhaltenen Betrag zu entsprechenden Berichtigungen führen (§ 17 1,11 UStG).

Beispiel: Ausgangsdaten wie vorheriges Beispiel. Aufgrund einer Mängelrüge überweist der Schreinermeister nach drei Monaten nicht den kompletten Betrag, sondern nur 15.000 € zzgl. Umsatzsteuer. H akzeptiert diesen Betrag. Da zunächst die Steuer LH.v. 20.000 € x 19 % = 3.800 € nach vereinbartem Entgelt zum Zeitpunkt der Lieferung entstanden ist, bedarf es bei tatsächlichem Erhalt des Betrags einer Korrektur des Umsatzsteuerbetrags LH.v. 950 €. Damit ist im Ergebnis gewähr1eistet, dass lediglich das tatsächlich erhaltene Entgelt mit Umsatzsteuer belastet wird.

Für bestimmte Unternehmer kann das Finanzamt auf Antrag gestatten (§ 20 I UStG), die Steuer statt nach der grundsätzlich gebotenen Sollbesteuerung nach vereinnahmten Entgelten (sog. Ist-Besteuerung) zu berechnen. Einen solchen Antrag können nur Unternehmer stellen, deren Gesamtumsatz i. S. des 19 III UStG im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 250.000 € betragen hat! oder die von der Verpflichtung Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen nach § 148 AO befreit sind. Unabhängig von Umsatzgrößen und Buchführungspflichten steht diese Möglichkeit auch Angehörigen freier Berufe i. S. des § 18 I Nr. 1 EStG offen, soweit es sich um Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit handelt. Unterschiede zwischen der Besteuerung nach vereinbarten und vereinnahmten Entgelten ergeben sich nur in zeitlicher Hinsicht, nicht hingegen in materieller Sicht.

Für die Zeit vom 01.07.2009bis zum 31.12.2011 wird die bisher nur für Unternehmer in den neuen Bundesländern geltende Umsatzgrenze von 500.000 Euro, bis zu der eine Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Versteuerung) anstatt nach vereinbarten Entgelten (Sollversteuerung) vorgenommen werden darf, auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt.

141

2.5

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Eine Besonderheit gilt für Anzahlungen. Unabhängig davon, ob So11- oder Istversteuerung gewählt wurde, entsteht die Steuerschuld für Anzahlungen gern. § 13 I Nr. 1a S. 4 UStG bereits bei der Vereinnahmung. Man spricht daher auch von einer erzwungenen Istbesteuerung oder von der sog. Mindestistbesteuerung.

Beispiel: Für einen Schiffsneubau erhält die beauftragte Werft von einer Fährlinie eine Anzahlung bei Auftragserteilung i. H. v. 8 Mio. €. Das Schiff wird erst zwei Jahre später fertiggestellt und an den Eigner ausgeliefert. Der Gesamtpreis beträgt 16 Mio. €. Obwohl die Umsatzsteuer bei der Werft grundsätzlich nach vereinbarten Entgelten zum Zeitpunkt der Lieferung entsteht (SolIversteuerung), gilt für die Anzahlung gem. § 13 I Nr. 1a S. 4 UStG, dass die Umsatzsteuer insoweit bereits zu dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Anzahlung erfolgt (Mindestistbesteuerung).

Die Steuer entsteht aus verfahrensteclmischer Sicht nicht unmittelbar bei Leistungsausführung, sondern vielmehr mit Ablauf des sog. Voranmeldungszeitraums. Obwohl die Umsatzsteuer im Grundsatz eine periodische (Jahres-)Steuer ist (§ 16 I UStG), hat der Unternehmer vierteljährlich bzw. bei Überschreiten entsprechender Grenzen monatlich (bis zum 10. Tag des Folgemonats) eine sog. Voranmeldung abzugeben (§ 18 I UStG), aus der sich seine Umsätze einschließlich der Vorsteuerbeträge des abgelaufenen Vierteljahres/Monats ergeben. 2 Aus diesem Grund entsteht aus verfahrenstechnischer Sicht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums.

Beispiel: Der Unternehmer U, der monatlich verpflichtet ist, eine Voranmeldung abzugeben (§ 18 11 S. 2 UStG), hat im Januar folgende Umsätze: •

15. Januar: Lieferung einer Maschine an X für 2.000.000 zzgl. Umsatzsteuer (Zahlungsziel 2 Monate) 20. Januar: Erhalt einer Anzahlung für noch nicht erstellte und gebaute Maschine i. H. v. 100.000 € zzgl. Umsatzsteuer 25. Januar: Lieferung einer Maschine f. 200.000 € zzgl. Umsatzsteuer

•

2

§ 18 I S. 1 UStG ist durch StÄndG 2003 mit Wrrkung ab 01.01.2005 geändert worden. Ab diesem Zeitpunkt hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln, in der er die Steuer für den Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung unbilliger Härten jedoch auf eine elektronische Übermittlung verzichten.

142

Steuerentstehung, Fälligkeit der Steuer, Steuerschuldner

Sämtliche Umsätze entstehen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums. Voranmeldungszeitraum ist hier der Monat Januar. Also entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des 31. Januar i. H. v. 437.000 €.

Nimmt der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf (Existenzgründer), ist im laufenden und folgenden Kalenderjahr -unabhängig von der Steuerhöhe- Voranmeldungszeitraum stets der Kalendermonat. Von der Frage der Entstehung der Steuer ist die Frage der Fälligkeit, also des Zeitpunktes, bis zu dem der Unternehmer die Steuer an das Finanzamt zu zahlen hat, zu unterscheiden. Fällig wird die Steuer am 10. Tag nach Ablauf des entsprechenden Voranmeldungszeitraums (VierteljahrIMonat), also zeitgleich mit der Abgabefrist für die jeweilige Voranmeldung.

2.5.2

Steuerschuldner

Steuerschuldner, also derjenige, der die Steuer zu entrichten hat und für sie haftet, ist in den Fällen der (entgeltlichen oder unentgeltlichen) Lieferungen und sonstigen Leistungen bei den hier betrachteten Inlandsachverhalten gern. § 13a I Nr. 1 UStG grundsätzlich der leistende Unternehmer. Gern. § 13a I Nr. 6 UStG ist in den Fällen des § 4 Nr. 4a S. 1 lit. a UStG (Umsatzsteuerlagerregelung) neben dem Auslagerer auch der Lagerhalter als Gesamtschuldner, wenn er entgegen § 22 Ne S. 2 UStG die inländische USt-IdNr. des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters nicht oder nicht zutreffend aufzeichnet.

2.5.2.1

Wechsel der Steuerschuldnerschaft

§ 13b UStG sieht in bestimmten Fällen einen Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger vor. Die ursprüngliche Intention der Vorschrift war insbesondere, ausländische Unternehmen, die im Inland eine steuerpflichtige Leistung erbringen, von fiskalischen Pflichten in Deutschland zu entlasten und den Steueranspruch bei einem inländischen Leistungsempfänger leichter durchsetzen zu können (vgl. hierzu näher den Abschnitt "Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen"). Mittlerweile sind die unter § 13b UStG fallenden Tatbestände jedoch - auch unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung eines Umsatzsteuerbetrugs - deutlich ausgeweitet worden.3

3

Die im Folgenden beschriebenen Regelungen des § 13b 11 Nr. 3, 4 UStG sind eingeführt worden, um eine Steuerhinterziehung bei Grundstücks- oder Bauleistungen einzudämmen. So kommt es in diesem Bereich oftmals dazu, dass der Leistungsempfänger derartiger Leistungen die in Rechnung gestellte USt als Vorsteuer abzieht, der leistende Unternehmer die

143

2.5

2

Umsatzbesteuerung im Inland

So besteht gern. § 13b 11 Nr. 3 UStG eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei allen steuerpflichtigen Umsätzen, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen und damit in allen Fällen des § 4 Nr. 9 UStG, in denen gern. § 9 UStG zur Steuerpflicht der Umsätze optiert werden kann. Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger kommt nach § 13b 11 UStG jedoch nur in Betracht, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, wobei sich die Steuerschuldnerschaft in diesen Fällen sowohl auf Umsätze für den unternehmerischen als auch auf Umsätze für den nichtunternehmerisehen Bereich des Leistungsempfängers erstreckt. § 13b 11 Nr. 3 greift zudem unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger im Inland oder im Ausland ansässig ist. Des Weiteren unterfallen der Neuregelung auch Kleinunternehmer und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen sowie pauschal versteuernde Land- und Forstwirte.

Beispiel: Unternehmer D veräußert das zu seinem Unternehmen gehörende bebaute Grundstück (keine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 la UStG) an den Unternehmer E für dessen Unternehmen. Zur Vermeidung einer Vorsteuerberichtigung gem. § 15a usio optiert D gem. § 9 I UStG zur Steuerpflicht. In der Rechnung, in der der Nettobetrag ausgewiesen wird, weist D auf den Wechsel der Steuerschuldnerschaft hin. Die Grundstückslieferung stellt einen steuerbaren und nach Inanspruchnahme der Option einen steuerpflichtigen Umsatz dar. Steuerschuldner für diesen steuerpflichtigen Umsatz ist der Leistungsempfänger E gem. § 13b 11 Nr. 3. E rechnet die Umsatzsteuer auf den Nettobetrag und gibt den Umsatz in seiner Voranmeldung an. Die Steuer entsteht gem. § 13 I S. 1 uStG grds. mit Ausstellung der Rechnung. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 I UStG kann E die Steuer als Vorsteuer abziehen.

Ein Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger findet zudem gern. § 13b 11 NI. 4 UStG auch bei bestimmten Bauleistungen statt. Werden Umsätze i. S. v. § 13b 11 Nr. 4 UStG von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger allerdings nur dann Steuerschuldner, wenn er

•

Unternehmer ist

und •

selbst Bauleistungen iSv § 13b II Nr. 4 UStG erbringt (§ 13b V S. 2 UStG).

USt jedoch nicht abführt. Die Finanzämter können - in den meisten Fällen wegen Zahlungsunfähigkeit des leistenden Unternehmers - den USt-Anspruch nicht mehr durchsetzen. Der Wechsel der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger soll dieser Entwicklung entgegenwirken.

144

Steuerentstehung, Fälligkeit der Steuer, Steuerschuldner

Erfüllt der Leistungsempfänger diese Voraussetzungen, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird. Zudem ist es unerheblich, ob die an den Leistungsempfänger erbrachten Umsätze, für die er Steuerschuldner ist, mit von ihm selbst erbrachten Umsätzen nach § 13b 11 Nr. 4 UStG unmittelbar zusammenhängen.

Beispiel: Unternehmer Z, der selbst Umsätze nach § 13b 11 Nr. 4 UStG erbringt, vermietet auch Baumaschinen. Er beauftragt den Unternehmer X mit dem Bau einer Halle für diese Baumaschinen. Die Errichtung der Halle durch X ist eine unter § 13b 11 Nr. 4 UStG fallende Werklieferung. Für diesen Umsatz ist Z Steuerschuldner, da er selbst Umsätze nach § 13b 11 Nr. 4 UStG erbringt. Unbeachtlich ist, dass die von X erbrachte Werklieferung nicht mit Bauumsätzen des Z in Zusammenhang steht.

Entsprechende Bauleistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern fallen (weiterhin) unter den Anwendungsbereich des § 13b 11 Nr. 1 UStG. Dies bedeutet insbesondere, dass in diesen Fällen nicht zu differenzieren ist, ob es sich um Bauleistungen handelt oder ob der Leistungsempfänger seinerseits Bauleistungen i. S. v. § 13b 11 Nr. 4 UStG erbringt. (Vgl zum Wechsel der Steuerschuldnerschaft aufgrund von § 13b 11 Nr. 1 UStG die Ausführungen im Abschnitt "Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen"). Als Bauleistungen i. S. v. § 13b 11 Nr. 4 UStG gelten Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Der Begriff des Bauwerks ist hierbei grundsätzlich weit auszulegen. Er umfasst daher nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche mit dem Erdboden verbundenen oder auf ihm ruhenden, mit baulichem Gerät hergestellten Anlagen, wie z. B. Brücken, Tunnel oder Straßen. Die betreffende Leistung muss sich hierbei unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken, d. h. es muss eine Substanzveränderung im Sinne einer Substanzerweiterung, -verbesserung oder -beseitigung bewirkt werden. So fallen unter die Neuregelung etwa der Einbau von Fenstern oder Türen, Ladeneinrichtungen, der Hausanschluss durch Energieversorgungsunternehmen oder Reinigungsvorgänge, bei dem die zu reinigende Oberfläche verändert wird (Abschleifen oder Abstrahlen). Ausgenommen von § 13b 11 Nr. 4 UStG sind Planungs- und Überwachungsarbeiten. Hierunter fallen bspw. planerische Leistungen von Statikern oder Architekten, Labordienstleistungen zur chemischen Analyse von Baustoffen oder die Prüfung von Bauabrechnungen sowie die Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben. Die Steuerschuld des Leistungsempfängers soll nach den Vorgaben im Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2010 ab 2011 auf steuerpflichtige Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen erweitert werden (§ 13b 11

145

2.5

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Nr. 7 UStG). Zudem soll eine Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auch bei Leistungen des Gebäudereinigungsgewerbes eintreten (insbesondere bei Reinigung der Hausfassade oder von Räumen und Inventar oder Fensterreinigung).

2.5.2.2

Haftung für die Steuerschuld

Vor dem Hintergrund der Vermeidung eines Umsatzsteuerbetrugs sind mit StÄndG 2003 zusätzliche Haftungstatbestände (§ 13c, § 13d UStG) in das deutsche Umsatzsteuerrecht eingefügt worden. § 13d UStG ist jedoch durch das Jahressteuergesetz 2008 wieder aufgehoben worden.

§ 13c UStG regelt eine Haftung bei Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Forderungen. Soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz i. S. des. § 1 I Nr. 1 UStG an einen anderen Unternehmer abgetreten hat und die festgesetzte Steuer bei Fälligkeit noch nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, haftet der Abtretungsempfänger für die in der Forderung enthaltene USt, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist. Die Regelung begründet damit einen Haftungstatbestand insbesondere für die Fälle, in denen ein Unternehmer eine Kundenforderung abtritt und der Abtretungsempfänger die Forderung einzieht oder an einen Dritten überträgt. Mit der Festsetzung der Haftungsschuld wird ein Gesamtschuldverhältnis i. S. des § 44 AG begründet, wobei der Abtretungsempfänger nachrangig als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird, da erst feststehen muss, dass der leistende Unternehmer die festgesetzte Steuer im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat. Die Ausweitung des Haftungstatbestands auf Fälle der Verpfändung oder Pfändung von Forderungen soll eine Umgehung der Neuregelung für die Abtretung von Forderungen verhindern. Die in § 13c I UStG aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Abtretung, Pfändung oder Verpfändung liegt eine Forderung aus einer steuerpflichtigen Leistung i. S. des § 1 I Nr. 1 UStG zugrunde. Der Abtretende bzw. Pfandbesteller ist leistender Unternehmer. Der Abtretungsempfänger, Pfandgläubiger bzw. Vollstreckungsgläubiger ist Unternehmer. Die maßgebliche festgesetzte USt wurde bei Fälligkeit (teilweise) nicht entrichtet.

§ 13c 11 UStG regelt den Zeitpunkt und die Höhe der Inanspruchnahme des Abtretungsempfängers (Pfandgläubigers, Vollstreckungsgläubigers) durch Haftungsbescheid. Die Inanspruchnahme oder des Abtretungsempfängers ist frühestens ab dem Zeitpunkt der Vereinnahmung oder Übertragung der abgetretenen Forderung möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass die festgesetzte und nicht oder nicht vollständig entrichtete USt in diesem Zeitpunkt bereits fällig ist. Die Höhe der Haftung ist dreifach begrenzt: Auf den Betrag der im Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichteten Steuer. Auf die im vereinnahmten Betrag der abgetretenen Forderung enthaltene USt. Schließlich kann der Haftungsschuldner nur in Anspruch genommen werden, soweit er aus der zugrunde liegenden Forderung tatsächlich etwas erlösen konnte. Der Be146

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

troffene kann sich der Haftungsinanspruchnahme allerdings entziehen, wenn er Zahlungen L S. des § 48 AG zugunsten des leistenden Unternehmers bewirkt.

Beispiel: Der leistende Unternehmer A hat aufgrund einer USt-Voranmeldung einen Betrag in Höhe von 20.000 € an das Finanzamt zu entrichten. In der Bemessungsgrundlage für die USt ist auch ein Forderungsbetrag in Höhe von 100.000 € enthalten, der zivilrechtlich zzgl. 19.000 € USt an den Unternehmer B (Abtretungsempfänger) abgetreten worden ist. B hat diesen Forderungsbetrag vereinnahmt. Der leistende Unternehmer A entrichtet bei Fälligkeit nur einen Betrag in Höhe von 12.000 € an das Finanzamt. Die Haftungsinanspruchnahme ist nur in Höhe von 8.000 € (20.000 € -12.000 €) zulässig.

2.6

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

Abbildung 2-43:

Steuerbarkeit

2.6.1

Vorsteuerabzug; Vorsteuerberichtigung

~teuerbefreiunll

;-t

und OptionsmÖlllichkeit

Bemessungsgrundlage

--I

Steuersatz und Steuerberechnung

--I

SteuerVorsteuerschuldner abzug: ;-+ VorsteuerEntstehuns! berlchtilulll Fälligkeit

Grundsatz und systematische Rechtfertigung des Vorsteuerabzugs

Das vom Gesetzgeber seit dem 01.01.1968 gewählte Netto-Allphasen-Umsatzsteuersystem bedingt, dass der Unternehmer seine Umsatzsteuerschuld nicht allein dadurch berechnen kann, indem er den Steuersatz auf die Bemessungsgrundlage, also die Summe seiner ausgeführten Umsätze, anwendet. Vielmehr muss er von der im Besteuerungszeitraum entstandenen Steuer die im selben Zeitraum angefallene Vorsteuer abziehen (§ 15 I i. V. m. § 16 11 UStG), wenn gewährleistet werden soll, dass der unternehmerische Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen nicht endgültig mit Umsatzsteuer belastet wird. Gleichzeitig kann nur so sichergestellt werden, dass der Letztverbraucher nicht zusätzlichen umsatzsteuerliehen Kumulationseffekten (Umsatzsteuer von der Umsatzsteuer) ausgesetzt wird. Das Institut des Vorsteuerabzugs stellt daher das technische Mittel zur Verwirklichung eines nicht-kumulativ wirkenden Umsatzsteuersystems dar.

147

2.6

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Als Vorsteuer bezeichnet man die von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer. Der Vorsteueranspruch stellt der Sache nach einen Steuervergütungsanspruch dar. Verbleibt nach Abzug der Vorsteuer von der Umsatzsteuerschuld ein positiver Betrag, so bezeichnet man diesen als Zahllast. Ist die Residualgröße hingegen negativ, ist der Betrag dem Unternehmer seitens des Finanzamtes zu vergüten, d. h. in der Regel auszuzahlen.

2.6.2

Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs

Vorsteuerabzugsberechtigt ist grundsätzlich nur ein Unternehmer i, S. des § 15 I i. V. m. § 2 I UStG. Erhält dieser von einem anderen Unternehmer eine Rechnung (§ 14 I UStG) über für sein Unternehmen erbrachte Lieferungen oder sonstige Leistungen, so kann er die darin ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer absetzen, wenn kein Vorsteuerausschlussgrund gern. § 15 11, III UStG vorliegt. Im Überblick ergeben sich daher die folgenden Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug:

Abbildung2-44:

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gern. § 15 I UStG Unternehmer als Vorsteuerabzugsberechtigter (§ 2 UStG) Rechnung (§ 14 UStG) von einem anderen Unternehmer (§ 2 UStG) aufgrund einer für das Unternehmen des vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmers erbrachten Leistung Kein Ausschluss vom Vorsteuerabzug? § 1511, 11I UStG

148

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

2.6.2.1

Unternehmer als Vorsteuerabzugsberechtigter

Nach § 15 I UStG sind zum Vorsteuerabzug nur Unternehmer berechtigt. Wer als Unternehmer i. S. des UStG gilt, bestimmt sich nach der Regelung des § 2 UStG (s.o.).

Beispiel: G und H sind die beiden einzigen Gesellschafter einer mittelgroßen Gesellschaft, die Kühlgeräte herstellt. Grundsätzlich werden Gewinne und Ausgaben jeweils hälftig geteilt. Die Gesellschafter wollen für sich neue Firmen-PKW anschaffen. Da man sich aber nicht auf eine einheitliche Preisklasse einigen kann, beschafft jeder seinen PKW selbst und nutzt ihn dann für das Unternehmen, ohne dafür ein Entgelt (z. B. in Form einer km-Pauschale) zu empfangen. Fraglich ist, ob den Gesellschaftern ein Vorsteuerabzugsrecht zusteht. Zweifellos ist hier zunächst die Gesellschaft als Unternehmer LS.d. § 2 UStG anzusehen. Diese hat aber die PKW nicht beschafft. Obwohl die Gesellschafter die PKW betrieblich nutzen, wird aus diesen kein Unternehmer, solange sie für die Nutzung kein gewinnunabhängiges Entgelt von der Gesellschaft verlangen. Die Anschaffung der PKW durch die Gesellschafter ist umsatzsteuerlich wie die Anschaffung durch einen Privatmann zu beurteilen. Ein Vorsteuerabzug entfällt daher.

Eine Besonderheit ist bei Unternehmern zu beachten, deren Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen haben und deren Umsätze im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 50.000 € nicht übersteigen werden (Kleinunternehmerregel gern. § 19 UStG). Für solche sog. Kleinunternehmer, die zwar grds. die Unternehmereigenschaften des § 2 UStG erfüllen, entfällt der Vorsteuerabzug (§ 19 I S. 4 UStG) deshalb, weil von ihren Umsätzen aus Vereinfachungsgründen auch keine USt erhoben wird. Im Ergebnis werden sie umsatzsteuerlich wie Privatpersonen behandelt. Allerdings gewährt ihnen das Gesetz die Möglichkeit, auf die Anwendung der K1einunternehmerregel zu verzichten (Option zur Regelbesteuerung, § 19 TI UStG), mit der Konsequenz, dass deren Umsätze dann der regelmäßigen Umsatzbesteuerung unterliegen und zugleich das Vorsteuerabzugsrecht gewährt wird.

2.6.2.2

Rechnung von einem anderen Unternehmer

In Umsetzung der Bestimmungen der sog. Rechnungsrichtlinie des europäischen

Ratest in nationales Recht und in Folge der Rechtsprechung des EuGH und BFH sind die bisherigen Vorschriften über die Rechnungsstellung ab 01.01.2004 neu gestaltet worden. Umsatzsteuerbeträge sind nur dann als Vorsteuer abziehbar, wenn sie von einem anderen Unternehmer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für das Unternehmen des vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmers ausgeführt wurden, gesondert in Rechnung gestellt worden sind und diese Rechnung darüber hinaus alle (weiteren) in § 14 IV UStG genannten Pflichtangaben enthält.

4

Richtlinie 200l/115/EG v. 20.12.2001, ABI. EG 2002 Nr. L 15, S. 24.

149

2.6

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Den Begriff der Rechnung definiert § 14 I UStG i. V. m. § 31 I UStDV, wonach unter Rechnung jedes Dokument oder eine Mehrzahl von Dokumenten zu verstehen ist, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird. Auf die wörtliche Bezeichnung als "Rechnung" kommt es nicht an, so dass auch eine Liquidation, Gebührenaufstellung, Abrechnung, Kostenaufstellung usw. umsatzsteuerlich als Rechnung qualifizierbar sind. Rechnungen sind hierbei auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers, auf elektronischem Weg zu übermitteln (§ 14 I S. 2 UStG). Bei einer auf elektronischem Weg übermittelten Rechnung müssen die Echtheit der Herkunft sowie die Unversehrtheit des Inhalts gern. § 14 Irr Nr. I, 2 UStG durch eine qualifizierte elektronische Signatur (mit Anbieter-Akkreditierung) oder durch elektronischen Datenaustausch (EDI) gewährleistet sein. Führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 IV S. 1 UStG) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er gemäß § 14 11 S. 1 Nr. 1 UStG verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten eine Rechnung zu stellen. Leistungen LS.v. § 4 Nr. 12 UStG sind damit nur betroffen, soweit unter den Voraussetzungen von § 9 auf die Steuerfreiheit verzichtet werden kann. Besonderheit der Regelung ist, dass der Leistungsempfänger kein Unternehmer sein muss. Er kann Unternehmer sein, der für seinen unternehmerischen Bereich oder seinen nichtunternehmerischen Bereich bezieht, er kann Kleinuntemehmer LS.v. § 19 I UStG sein oder er kann als juristische Person des öffentlichen Rechts oder als Privatmann Nichtunternehmer sein. Unter den Voraussetzungen des § 14 11 und III kann der Leistungsempfänger eine Gutschrift ausstellen. Nach § 1411 S. 1 Nr. 2 UStG ist der Unternehmer berechtigt eine Rechnung auszustellen, wenn er "eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung" ausführt. Diese Regelung betrifft im Wesentlichen Leistungen gegen Entgelt an Nichtunternehmer oder für den nichtunternehmerischen Bereich von Unternehmern. Denn für die "anderen" Leistungen an Unternehmer - mit der für den Vorsteuerabzug des Empfängers entscheidenden Rechnungsausstellung - greift die Verpflichtung nach § 1411 S. 1 Nr. 2 S. 2 UStG ein. Diese Verpflichtung trifft den Unternehmer, soweit er den Umsatz (eine "andere Leistung" gegen Entgelt LS.v. § 1 I Nr. 1 UStG) an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt. Unternehmer ist hierbei jeder Unternehmer, auch ein Kleinunternehmer LS.v. § 19 I UStG. Dieser darf allerdings nach § 19 IV S. 4 UStG in der Rechnung keinen gesonderten Steuerausweis angeben. Die Ausstellungspflicht besteht hingegen nicht bei Leistungen an Nichtunternehmer (Endverbraucher) und somit generell nicht für den nichtunternehmerischen Bereich. Soweit der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen nichtunternehmerischen Bereich ausgeführt wird, gilt die Verpflichtung nicht. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht dann nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nr. 8 - 28 UStG steuerfrei ist. Damit besteht nur bei nach § 4 Nr. 1 bis 7 UStG steuerfreien Leistungen eine Verpflichtung zur Rechnungsstellung. 150

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 UStG kann unbeschadet der Verpflichtung nach Absatz 2 eine Rechnung von einem dort bezeichneten Leistungsempfänger für Lieferungen oder sonstige Leistungen des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Nach § 14 11 S. 3 UStG verliert die Gutschrift die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Liegt eine Rechnung L S. des § 14 I UStG vor, so muss diese als weitere Voraussetzung für den Vorsteuerabzug folgende in § 14 IV Nr. 1-9 UStG normierte Pflichtangaben enthalten:

Abbildung 2-45:

Rechnungsbestandteile

Rechnungsbestandteile 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Name und Anschrift des leistenden Untemehmers und des Leistungsempfängers Die dem leistenden Untemehmervom Finanzamt erteilte Steuemummeroderdie ihm vom BundesamtfürFinanzen erteilte USt-ldNr. Das Ausstellungsdatum Eine Rechnungsnummer Menge. handelsübliche Bezeichnung des Liefergegenstandes oderArt und Umfang der sonstigen Leistung Zeitpunktder Lieferung oder der sonstigen Leistung Das nach den Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt fürdie Lieferungoderdie sonstige Leistung Den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag odereinen Hinweis auf die Steuerbefreiung.

§ 14 VI Nr. 3 UStG räumt dem Bundesfinanzministerium (nach Zustimmung durch den

9.

Bundesrat)die Möglichkeitein, auf einzelne Angaben bei der Ausstellung von Rechnungen in bestimmten Fällen zu verzichten. Hiervon hat das Ministerium in den §§ 31 ff. UStDV Gebrauch gemacht. Insbesondere ist § 33 UStDV für Kleinbetragsrechnungen bis 150 € und § 34 UStDV für Fahrausweise zu beachten. in den Fällen des § 14b I S. 5 UStG einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers.

Als flankierende Maßnahme zur Bekämpfung der Schwarzarbeit hat der leistende Unternehmer in der Rechnung gern. § 14 IV Nr. 9 UStG einen Hinweis anzubringen, dass ein nichtunternehmerischen Leistungsempfänger in den Fällen des § 14b I S. 5 UStG eine Aufbewahrungspflicht für die Rechnung hat. Fälle des § 14b I S. 5 UStG sind die Fälle des § 1411 2 S. 1 Nr. 1 UStG (steuerpflichtige Werklieferungen oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück). § 14b I 1 S. 5 UStG begrenzt hierbei die Aufbewahrungspflicht für zwei Jahre auf einen Leistungsempfänger, der 151

2.6

2

Umsatzbesteuerung im Inland

•

nicht Unternehmer oder

•

Unternehmer ist, aber die Leistung für seinen nichtunternehmerischen Bereich verwendet.

Verpflichtet ist nur der leistende Unternehmer als Aussteller der Rechnung. Bei Rechnungen über Kleinbeträge (§ 33 UStDV) ist ein Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers nicht erforderlich. Für einen Leistungsempfänger als Steuerschuldner bei steuerpflichtigen Werklieferungen/sonstigen Leistungen, die Bauleistungen i.S.v. § 13b I S. 1 Nr. 4 UStG sind, an einen anderen Unternehmer, der die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezieht, ist der Hinweis nicht erforderlich. Für diese Fälle schuldet der Leistungsempfänger die Steuer (§ 13b 11 S. 3 UStG). Dementsprechend ist ein solcher Leistungsempfänger schon nach der allgemeinen Regel des § 14b I S. 4 Nr. 3 UStG zur Aufbewahrung verpflichtet. Die Aufbewahrungspflicht besteht hier indes für 10 Jahre, auch wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Ist der Unternehmer nicht im Besitz einer nach § 14 UStG ausgestellten Rechnung, die alle genannten Pflichtangaben enthält, kann ein Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht werden. Allerdings sieht § 31 V UStDV die Möglichkeit einer Berichtigung vor, wenn nicht alle Angaben enthalten sind oder die Angaben unzutreffend sind. Des Weiteren ist ein Vorsteuerabzug nicht möglich, wenn dem leistenden Unternehmer die Unternehmereigenschaft fehlt. Hat jemand eine Rechnung mit Umsatzsteuer unberechtigt ausgestellt, geht dies also auch zu Lasten des Leistungsempfängers. Daher sollte der Leistungsempfänger prüfen, ob der umsatzsteuerausweisende Unternehmer tatsächlich die Unternehmereigenschaften besitzt. Dies wird er i. A. dadurch erreichen können, dass er sich eine schriftliche Versicherung geben lässt, dass die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft vorliegt und der Umsatz im Rahmen des Unternehmens ausgeführt wurde.

Beispiel: Die Maschinenbauuntemehmer X und Y stehen seit langem in engem geschäftlichem Kontakt, wodurch sich im Laufe der Zeit auch eine persönliche Freundschaft entwickelt hat. Im Rahmen einer Geburtstagsfeier entdeckt der leidenschaftliche Kunstsammler Y bei X eine Vase, die er für seine Sammlung erwerben möchte. X über1ässt ihm die Vase für einen angemessenen Preis von 35.000 €. Ein Umsatzsteuerausweis kommt hier nicht in Betracht, da X offensichtlich nicht als Unternehmer handelt, sondern vielmehr als Privatmann tätig wird. Dementsprechend ist ein den Y zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsatzsteuerausweis nicht möglich.

Stellt ein Nichtunternehmer unberechtigt eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis aus, bestimmt § 14c 11 UStG, dass er diesen Betrag trotzdem schuldet. Gleichwohl steht dem empfangenden Unternehmer kein Vorsteuerabzugsrecht zu, da

152

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

§ 15 I UStG materiell voraussetzt, dass der Leistende tatsächlich die Unternehmereigenschaft erfüllt. Durch unberechtigten Umsatzsteuerausweis und trotz Zahlungsverpflichtung des Rechnungsausstellers wird aus dem Nichtunternehmer kein Unternehmer i. S. des § 15 UStG.

Beispiel: Der Angestellte A verkauft dem Second-Hand-Händler S seine alte Wohnzimmereinrichtung zu einem Preis von 500 €. Er stellt hierfür eine Rechnung aus, in der er 19 % Umsatzsteuer ausweist und daher insgesamt 595 € von S verlangt, die dieser auch umgehend bezahlt. A ist kein Unternehmer i. S. des § 2 UStG, da er keine nachhaltige Tätigkeit ausübt. Aus diesem Grund ist er nicht zum Umsatzsteuerausweis berechtigt. Stellt er dennoch -wie hier- Umsatzsteuer in Rechnung, so schuldet er die ausgewiesene Umsatzsteuer gern. § 14c 11 UStG. Obwohl A nun USt abführt, steht dem S kein Vorsteuerabzugsrecht zu, da Voraussetzung für den Vorsteuerabzug die Unternehmereigenschaft des A ist. A ist jedoch (materiell betrachtet) kein Unternehmer.

Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug auch, soweit der in Rechnung gestellte Umsatzsteuerbetragüberhöht ausgewiesen wird und der Leistungsempfänger dies offensichtlich erkennen konnte. Allerdings wird die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer seitens des Rechnungsausstellers gern. § 14c I UStG in voller Höhe geschuldet.

Beispiel: Unternehmer U stellt dem Unternehmer X eine Rechnung i. H. v. 2.000 € zzgl. 20 % (400 €) Umsatzsteuer aus. U schuldet dem Finanzamt gegenüber den kompletten Betrag. X hingegen kann Vorsteuer nur i. H. v. 19 % x 2.000 380 € von seiner Umsatzsteuerschuld absetzen.

=

2.6.2.3

Leistung für Unternehmen des vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmers

Zusätzlich ist es für die Gewährung des Vorsteuerabzugs notwendig, dass der leistende Unternehmer die Leistung für das Unternehmen des Vorsteuerabzugberechtigten erbringt. Liefert er hingegen für nichtunternehmerische Zwecke (Privatzwecke), ist der Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen. An dieser Stelle stellt sich die Frage der Zuordnung der jeweiligen Leistung zur unternehmerischen Sphäre (Unternehmensvermögen). Die Zuordnungsentscheidung wurde bereits in Abschnitt 2.1.6 erläutert, so dass auf diese Ausführungen verwiesen werden kann. Im Ergebnis steht dem Leistungsempfänger bei vollständiger Leistungserbringung für das Unternehmen ein Vorsteuerabzugsrecht in voller Höhe zu. Hingegen ist im Grundsatz nur ein anteiliger Vorsteuerabzug möglich, wenn die Leistung nur teilweise für unternehmerische Zwe153

2.6

2

Umsatzbesteuerung im Inland

cke erbracht wird. Jedoch sind einige Durchbrechungen dieses Grundsatzes zu beachten (Ausnahmen). So fingiert § 15 I S. 2 UStG, das eine Lieferung dann nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt, wenn der Unternehmer den Gegenstand zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutztf

Beispiel: Der ständig reisende Unternehmer A kauft einen neuen Laptop (Computer), den er hauptsächlich für die zeitnahe Abwicklung seiner privaten Bankgeschäfte und seiner privaten Korrespondenz benutzt. Ab und zu kommt es vor, dass er den Laptop auch für die geschäftliche Terminplanung und das Verfassen von Geschäftsbriefen verwendet. Der bei Anschaffung des Gegenstandes als bekannt vorausgesetzte geschäftliche Nutzungsanteil soll 8 % betragen. Ein Vorsteuerabzugsrecht scheidet nach § 15 I UStG von vorne herein aus, da er den Laptop zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt.

Des Weiteren wird gern. § 15 Ia Nr. 1 UStG die USt auf bestimmte nicht streng geschäftliche, der Repräsentation dienende oder die Lebensführung berührende Aufwendungen vom Vorsteuerabzug ausgenommen. Nicht zum Abzug zugelassen wird die Vorsteuer auf bestimmte, ertragsteuerlich den nichtabziehbaren Betriebsausgaben (§ 4 V 5.1 Nr. 1-4,7 EStG) zuzureclmende Aufwendungen und die Vorsteuer auf Aufwendungen, die die Lebensführung berühren (§ 12 Nr. lEStG). 1m Einzelnen zählen hierzu:

5

Die Bundesregierung hat sich für die Beibehaltung der 10 %-Grenze eine Sondergenehmigung des Rats der EU bis zum 30.06.2004erteilen lassen. Damit könnte die Regelung des § 15 I S. 2 UStG nach diesem Zeitpunkt aufgrund eines Verstoßes gegen EU-Recht entfallen. Die Finanzverwaltung hat jedoch im Schreiben vom 30. März 2004 (IV B 7 - S 7300 - 24/04, BStBl. I 2004) mitgeteilt, dass § 15 I S. 2 UStG auch nach dem 30.06.2004Anwendung findet.

154

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

Abbildung2-46:

Vorsteuerausschließende Aufwendungen

Aufwendungen, die den Vorsteuerabzug ausschließen (§ 15 la Nr.1 UStG § 4 V Nr. 1 EStG

Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer sind. Ausnahme: Geschenke deren AK/HK höchstens 35 € betragen.

§ 4 V Nr. 3 EStG

Aufwendungen für Gästehäuser des Steuerpflichtigen, die sich außerhalb des Ortes eines Betriebes des Steuerpflichtigen befinden.

§ 4 V Nr. 4 EStG

Aufwendungen für Jagd, Fischerei, Segel- und Motoryachten sowie ähnliche Zwecke und damit zusammenhängende Bewirtungen.

§ 4 V Nr. 7 EStG

UnangemesseneAufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen.

§ 12 Nr. 1 EStG

Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen, insbesondere auch Repräsentationsaufwand (Lebensführung)

Beispiel: Ein großes Pharmaunternehmen unterhält für seine zahlreichen Gäste ein Gästehaus LS.d. § 4 V Nr. 3 EStG. Sämtliche in Rechnungen für das Gästehaus ausgewiesene Umsatzsteuern (z. B. Modemisierung des Fahrstuhls, Malerarbeiten, Installationsarbeiten usw.) können nicht als Vorsteuern geltend gemacht werden.

Beispiel: Der Pharmaproduktehersteller P lädt seine Kunden regelmäßig auf die luxuriöse, betriebseigene Yacht ein und nimmt dort Geschäftsverhandlungen vor. Sämtliche Aufwendungen für die Yacht sind nichtabzugsfähige Betriebsausgaben (§ 4 V Nr. 4 EStG). Die von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für Leistungen (z. B. Liegeplatzgebühren, Wartungskosten) dürfen nicht als Vorsteuern abgezogen werden.

Durch das Jahressteuergesetz 2007 ist der Vorsteuerabzug aus Bewirtungsaufwendungen nunmehr, soweit es sich um angemessene und nachgewiesene Aufwendungen des Unternehmers handelt, unter den allgemeinen Bedingungen des § 15 UStG zu gewähren.

155

2.6

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.6.2.4

Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts

Die im Grundsatz abziehbaren Vorsteuern gern. § 15 I UStG (Ausnahme: § 15 Ia UStG) können vom Vorsteuerabzug aus gesetzessystematischen Gründen ausgeschlossen sein. So ist der Vorsteuerabzug für solche empfangenen Leistungen (Lieferungen/sonstige Leistungen) gern. § 15 11 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, die der Unternehmer für die Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet.

Beispiel: Miethausbesitzer M vermietet alle in seinem Haus befindlichen Wohnungen an Privatleute. M will wissen, ob er die Umsatzsteuer (1.900 €), die ihm anlässlich von Verputzarbeiten in Rechnung gestellt wurde, als Vorsteuer abziehen kann. Die Vermietungstätigkeit ist steuerbar, aber gem. § 4 Nr. 12a UStG steuerbefreit. Eine Option gem. § 9 I UStG kommt mangels Unternehmereigenschaft der Mieter nicht in Betracht. Der Vorsteuerabzug gem. § 15 I UStG ist dann ausgeschlossen, wenn die bezogenen Leistungen (hier: Verputzarbeiten) vom Unternehmer (M) für steuerfreie Umsätze (Vermietungsumsätze) verwendet werden. Dies ist hier der Fall, also kann M die Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer geltend machen.

Verwendet der Unternehmer eine für sein Unternehmen ausgeführte Leistung zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist gern. § 15 IV UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.

Beispiel: Der Miethausbesitzer M vermietet die in seinem Haus befindlichen drei (gleich großen) Etagen wie folgt. Das Untergeschoss ist an einen Einzelhändler vermietet. Die beiden anderen Etagen sind jeweils an private Mieter vermietet. Für die Modernisierung des gesamten Gebäudes sind Rechnungen L H. v. insgesamt 40.000 € zzgl. Umsatzsteuer (7.600 €) angefallen. Die Vermietungstätigkeit stellt eine sonstige Leistung gem. § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 IX UStG dar, die grundsätzlich wegen § 4 Nr. 12a UStG steuerbefreit ist. Nach § 9 I UStG kann der M hinsichtlich der Vermietungstätigkeit an die Privatleute keine Option geltend machen, da der Umsatz nicht einem Unternehmer gegenüber erbracht wird. Bei der Vermietung an den Einzelhändler hat der Meine Optionsmöglichkeit gem. § 9 I LV.m. 11 UStG, da der Einzelhändler als Untemehmer einen nicht steuerbefreiten Umsatz ausführt. Es sei unterstellt, dass er von der Optionsmöglichkeit Gebrauch macht. Ein Vorsteuerabzug kommt für die empfangenen Leistungen gem. § 15 11 UStG nur insofern in Betracht, als der M keine steuerbefreiten Umsätze ausführt. Dementsprechend ergibt sich, dass lediglich 1/3 (7.600 € x 1/3 2.533 €) der auf die Modernisierungskosten entfallenden Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht werden darf. Der Rest des Umsatzsteuerbetrages ist vom Vorsteuerabzug gem. § 15 11 UStG ausgeschlossen.

=

156

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

Nach bisheriger Rechtsauffassung wurde die teilweise Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Unternehmers als steuerfreie unentgeltliche Wertabgabe beurteilt. Die private Verwendung wurde der steuerfreien Vermietung nach § 4 Nr. 12lit. a UStG gleichgestellt. Die auf diesen Gebäudeteil entfallenden Vorsteuern waren deshalb nach § 15 11 Nr. 1 UStG vom Abzug ausgeschlossen. Mit Urteil v. 08.05.2003 hat der EuGH jedoch entschieden, dass die private Nutzung einer Wohnung in einem gemischtgenutzten Betriebsgebäude, das insgesamt zum Unternehmensvermögen gehört, ein den sonstigen Leistungen gleichgestellter Umsatz gern. Art. 6 11 der 6. EG-Richtlinie ist (= unentgeltliche Wertabgabe i. S. v. § 3 IXa UStG). § 4 Nr. 12 lit. a UStG greift nach Ansicht des EuGH nicht, da die private Nutzung des Gebäudes keine Vermietung und Verpachtung darstellt. Der BFH hat sich dieser Rechtsprechung mit Urteil v. 24.07.2003 angeschlossen. Somit können die mit diesem Gebäudeteil in Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge zum Abzug gebracht werden.

Beispiel: S ist Schriftsteller und nutzt in seinem im Übrigen für eigene Wohnzwecke genutzten Einfamilienhaus ein Arbeitszimmer für seine unternehmerische Tätigkeit. S hat das Gebäude zulässigerweise (auf das Arbeitszimmer entfallen 15 % der Nutzfläche des Gebäudes, § 15 I S. 2 UStG greift damit nicht) insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet. S steht hinsichtlich des gesamten Gebäudes ein Vorsteuerabzug zu. Die private Nutzung der übrigen Räume ist eine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe i. S. des § 3 IXa Nr. 1 UStG, da der dem Unternehmen zugeordnete Gegenstand hinsichtlich des unternehmerisch genutzten Gebäudeteils (Arbeitszimmer) zum Vorsteuerabzug berechtigt hat. Die unentgeltliche Wertabgabe ist steuerpflichtig. Die Nutzung des oberen Stockwerks für private Wohnzwecke ist als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 IXa Nr. 1 UStG steuerpflichtig.

Abwandlung: S ist Arzt und nutzt in seinem Einfamilienhaus, das er zulässigerweise (§ 15 I S. 2 UStG) seinem Unternehmen zugeordnet hat, das Erdgeschoss für seine unternehmerische Tätigkeit und das Obergeschoss für eigene Wohnzwecke. Er erzielt als Arzt nur steuerfreie Umsätze i. S. des § 4 Nr. 14 uStG. S steht in diesem Fall kein Vorsteuerabzug zu (§ 15 11 S. 1 Nr. 1 UStG). Die private Nutzung des Obergeschosses ist daher keine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe i. S. des § 3 IXa Nr. 1 uStG, da das dem Unternehmen zugeordnete Gebäude hinsichtlich des unternehmerisch genutzten Gebäudeteils nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hat.

Die Möglichkeit, einen Vorsteuerabzug auch für den privat genutzte Gebäudeteil geltend zu machen, will der Gesetzgeber indes künftig verhindern. Im Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2010 ist die Ergänzung des § 15 UStG um einen Absatz

157

2.6

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Ib vorgesehen, der für den Vorsteuerabzug für gemischt genutzte Grundstücke einschränkende Regelungen vorsieht. Sinngemäß soll gelten: "Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Umsatzsteuer im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Unternehmenszwecke entfällt." Diese Neuregelung soll jedoch dann nicht anzuwenden sein, wenn das Gebäude aufgrund eines vor dem 01.01.2011 rechtswirksam geschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichartigen Rechtsakts angeschafft worden oder mit der Herstellung des Gebäudes vor dem 01.01.2011 begonnen worden ist (§ 27 XVI UStG-E). Ein Ausschluss vom Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts, also letztlich eine (Wieder-) Gewährung des Vorsteuerabzugsrechts trotz Durchführung einer steuerbefreiten Leistung wird gern. § 15 III UStG für bestimmte grenzüberschreitende Sachverhalte gewährt, um im Ergebnis zu gewährleisten, dass solche Umsätze komplett von der Umsatzsteuer im Inland (Bestimmungslandprinzip) befreit werden. Da es sich jedoch um grenzüberschreitende Sachverhalte handelt, sei auf die Ausführungen im 3. Kapitel hingewiesen. Nach § 15 IV S. 3 UStG ist die Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Diese Einschränkung des Umsatzschlüssels als alleiniger Aufteilungsmaßstab ist eingeführt worden, da der Gesetzgeber insbesondere bei der Herstellung gemischt genutzter Gebäude unzutreffende Aufteilungsergebnisse befürchtet und in Hinblick auf eine nach § 15a UStG vorzunehmende Vorsteuerberichtigung Probleme bei einem sich ändernden Umsatzschlüssel sieht.f Im Einzelfall kann diese Regelung allerdings für den vermietenden Unternehmer zu geringeren Vorsteuerabzugsbeträgen führen.

Beispiel: Unternehmer Verrichtet ein Gebäude, das er nach Fertigstellung im Rahmen einer durch zulässige Option steuerpflichtigen Vermietung teilweise vorsteuerabzugsberechtigend und teilweise im Rahmen einer steuerfreien Wohnungsvermietung vorsteuerabzugsschädlich verwenden will. Im Verhältnis der Nutzflächen wird das Gebäude zu 50 % für den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Zwecke verwendet. Die Mieteinnahmen aus der steuerpflichtigen gewerblichen Vermietung betragen monatlich 8.000 € (netto). Aus der Vermietung der Wohnungen werden monatliche Umsätze in Höhe von 4.000 € (netto) erzielt.

6

158

Zur Ermittlung der Vorsteuerbeträge bei gemischt genutzten Gebäuden vgl. BMF-5chreiben vom 22.05.2007, IV A 5-57306/07/0003.

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

Aus der Errichtung des Gebäudes werden dem V insgesamt 390.000 € Umsatzsteuerbeträge in Rechnungen gesondert ausgewiesen. Bei Anwendung des Umsatzschlüssels steht dem V ein sofortiger Vorsteuerabzug in Höhe von 260.000 € (213 des gesamten Vorsteuerbetrags) zu. Bei Aufteilung nach den Nutzflächen kann V lediglich einen Vorsteuerabzug in Höhe von 195.000 € (50 % des gesamten Vorsteuerbetrags) vornehmen.

2.6.3

Berichtigung des Vorsteuerabzugs

Ändern sich die Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug eines Wirtschaftsgutes zum Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung maßgeblich waren, findet innerhalb eines bestimmten Zeitraums (fünf bzw. zehn Jahre) bzw. bei Verwendung des Wirtschaftsguts eine Korrektur des Vorsteuerabzugs zu Gunsten oder zu Ungunsten des Unternehmers gern. § ISa UStG statt. Für die erstmalige Verwendung des Wirtschaftsgutes kommen alternativ drei Möglichkeiten in Betracht: •

Voller Vorsteuerabzug bei ausschließlicher Verwendung des Gegenstandes für Umsätze, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (§ 15 I UStG)

•

Kein Vorsteuerabzug bei ausschließlicher Verwendung des Gegenstandes für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen (§ 15 11 UStG) Teilweiser Vorsteuerabzug bei gemischter Verwendung des Gegenstandes für Umsätze die den Vorsteuerabzug zulassen bzw. nicht zulassen (§ 15 IV UStG)

Steht zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs (Anschaffung) mangels tatsächlichen Verwendungsumsatzes die Höhe des Vorsteuerabzugsrechts nicht fest (z. B. Investitionsphase), begründet die -objektiv glaubhaft gemachte und in gutem Glauben abgegebene- Absicht des Leistungsempfängers das endgültige Recht auf den sofortigen Vorsteuerabzug. Tritt eine Veränderung dieser Verhältnisse ein, so ist gern. § ISa UStG eine Vorsteuerkorrektur durchzuführen. Im Einzelnen gilt nun Folgendes. Änderungen bzw. Korrekturen des Vorsteuerabzugs werden für Wirtschaftsgüter, die nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden (Gegenstände des ertragsteuerlichen Anlagevermögens), insoweit vorgenommen, als sie innerhalb des durch § iSa I UStG festgelegten (maßgeblichen) Berichtigungszeitraumes entstehen. Dieser beträgt für Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte sowie Gebäude auf fremden Boden 10 Jahre. Für alle übrigen Anlagegegenstände gilt eine 5-Jahresfrist, sofern die tatsächliche Verwendungsdauer nicht geringer ist (vgl. § ISa V S. 2 UStG, A 214 ff. UStR). Im Ergebnis wird durch diese Korrekturvorschrift entweder ein ursprünglich gewährter Vorsteuerabzug teilweise rückgängig gemacht oder ein ursprünglich nicht gewährter Vorsteuerabzug ermöglicht.

159

2.6

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Ein Unternehmer führt sowohl steuerbefreite als auch steuerpflichtige Umsätze aus. Im Jahr 1 kauft er eine EDV-Anlage, die er für beide Tätigkeiten sinnvoll einsetzen kann. Insgesamt benutzt er den Computer zu 70 % für die steuerpflichtigen Umsätze und zu 30 % für die steuerbefreiten Umsätze. Der Preis der Anlage beträgt laut Rechnung des Lieferers 120.000 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer (22.800 €). Nach dem Jahr 3 ändert sich die Nutzung insofern, als dass die Anlage nunmehr für beide Umsatzarten zu 50 % genutzt wird. Bei Anschaffung kann der Unternehmer gem. § 15 I, 11 UStG Vorsteuer nur in der Höhe geltend machen, in welcher der Gegenstand für steuerpflichtige Umsätze verwendet wird, also LH.v. 70 % x 22.800 €= 15.960 €. Ändern sich in einem Berichtigungszeitraum von 5 Jahren die Verhältnisse, so ist der ursprüngliche Vorsteuerabzug zu korrigieren (§ 15a I UStG). Gedanklich werden zu diesem Zweck die Vorsteuerbeträge auf den 5-Jahreszeitraum verteilt. In den Jahren, in denen sich eine Änderung des Nutzungsverhältnisses ergibt, ist eine Korrektur des ursprünglich gewährten (bzw. nicht gewährten) Vorsteuerabzugs vorzunehmen. Für den Unternehmer ergibt sich, dass im Jahr 4 bzw. 5 gem. § 15a I, 11 UStG eine zusätzliche Umsatzsteuer von 912 € wegen der um 20 %-Punkte höheren Nutzung für steuerbefreite Umsätze anzusetzen ist.

Abbildung 2-47:

Beispiel Vorsteuerkorrektur Jahr 01

Jahr 02

Jahr 03

Jahr 04

Jahr 05

4.560

4.560

4.560

4.560

4.560

3.192

3.192

3.192

2.280

2.280 ..0(')

..0(')

2.280..u

2.280..u

Vorsteuer gesamt: 22.800 abzugsfähige Vorsteuer bei Anschaffung: 70 % = 15.960 30 % = 6.840 für umsatzsteuerpflichtige Umsätze für umsatzsteuerfreie Umsätze Änderungen gem. § 15a 11 UStG

1.368

1.368

1.368

-

-

-

1/5 x 22.800 x 20 % = 912

1/5 x 22.800 x 20% = 912

Die Notwendigkeit, Umsatz- bzw. Vorsteuerberichtigungen vorzunehmen, erstreckt sich nicht nur auf die ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern gilt gern. § 15a VI UStG auch für nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten. 160

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

In Abgrenzung zu § ISa I UStG erfasst § 1Sa 11 UStG die Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Wirtschaftsgütem, die nur einmalig zur Ausführung bestimmter Umsätze genutzt werden, bspw. der Verkauf oder die Verarbeitung bestimmter Gegenstände (ertragsteuerliches Umlaufvermögen).

Für diese Wirtschaftsgüter ist der Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse geändert haben. Es gibt somit keinen Berichtigungszeitraum und eine Berichtigung erfolgt daher auch dann, wenn die erstmalige Verwendung nach mehr als fünf oder zehn Jahren erfolgt.

Beispiel: Der gewerbliche Grundstückshändler G erwirbt am 2. Februar von dem Unternehmer U, der auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9a UStG verzichtet (§ 9 I, 111 UStG), ein unbebautes Grundstück für 1.000.000 €. Hierfür schuldet er nach § 13b I S. 1 Nr. 3 usio die usi i. H. v. 190.000 €. G plant nachweisbar, das Grundstück zu parzellieren und an Unternehmer unter Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 lit. a UStG zu veräußern. Als sich jedoch herausstellt, dass dies nicht möglich ist, veräußert G genau zwei Jahre später das Grundstück umsatzsteuerfrei an den Privatier P. G kann mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Januar des Anschaffungsjahrs die von ihm geschuldete USt i. H. v. 190.000€ als Vorsteuer nach § 15 I Nr. 4 UStG abziehen. Aufgrund seiner nachweisbaren Absicht zur steuerpflichtigen Verwendung (§ 9 I UStG) ist der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 11 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 9 Iit. a UStG ausgeschlossen. Nach § 15a 11 S. 1 UStG ist mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Januar des Veräußerungsjahres eine Vorsteuerberichtigung durchzuführen, da es sich bei dem Grundstück um ein Wirtschaftsgut handelt, welches nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird (Umlaufvermögen). Diese Berichtigung erfolgt nach § 15a 11 S. 2 UStG nicht pro rata temporis, sondern ist insgesamt für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem das Grundstück verwendet, d. h. veräußert wird. U hat daher mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Januar des Veräußerungsjahres eine Vorsteuerberichtigung zu seinen Ungunsten i. H. v. 190.000 € vorzunehmen.

Gem. § ISa 111 UStG ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs durchzuführen, wenn in ein Wirtschaftsgut nachträglich ein anderer Gegenstand eingeht und dieser Gegenstand dabei seine körperliche und wirtschaftliche Eigenart verliert oder an einem Wirtschaftsgut eine sonstige Leistung ausgeführt wird (bspw. Einbau eines Austauschmotors oder Neulackierung eines Fahrzeugs)? Diese Vorsteuerberichtigung erfolgt unabhängig davon, ob der Gegenstand oder die sonstige Leistung zu einer Werterhöhung des Wirtschaftsguts geführt haben.

7

Ab dem 1. Januar 2007 werden aus Vereinfachungsgründen mehrere eingegangene Gegenstände zu einem Berichtigungsobjekt zusammengefasst und eine Vorsteuerberichtigung nur noch vorgenommen, wenn das Berichtigungsobjekt im Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zu einer noch nicht verbrauchten Werterhöhung geführt hat.

161

2.6

2

Umsatzbesteuerung im Inland

Beispiel: Unternehmer U erwirbt am 2. Januar 2007 aus privater Hand einen gebrauchten Pkw für 30.000 Euro und ordnet ihn dem Unternehmensvermögen zu. Am 1.März 2007 lässt er für 6.500 € (zzgl. 1.235 € USt) eine Klimaanlage nachträglich einbauen. Am 1.März 2008 entnimmt U den Pkw in sein Privatvermögen. Der "Schwacke-Liste" (Schätzliste für den Wert gebrauchter Pkw) kann kein Aufschlag für die Klimaanlage entnommen werden. U kann aus der Anschaffung des Pkw keinen Vorsteuerabzug geltend machen, da er den Pkw von einer Privatperson erworben hatte. Da der Pkw nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, scheidet er als Gegenstand einer Entnahmebesteuerung nach 3 Ib UStG aus (§ 3 Ib S. 2 uStG). Für den Einbau der Klimaanlage U kann in 2007 Vorsteuern gern. § 15 I S. 1 Nr. 1 usic i. H. v. 1.235 € geltend machen. Die Klimaanlage ist kein Bestandteil des Pkw, da die Werterhöhung durch deren Einbau im Zeitpunkt der Entnahme verbraucht ist. Damit liegt auch hier in 2008 keine Entnahme gern. § 3 Ib uao vor. Nach § 15 a 111 usic liegt jedoch eine Änderung der Verhältnisse vor, da in ein Wirtschaflsgut (hier: Pkw) ein anderer Gegenstand (hier: Klimaanlage) eingegangen ist, dieser Gegenstand dabei seine körperliche und wirtschaftliche Eigenart endgültig verloren hat und eine Entnahme dieses Gegenstands vorliegt, ohne dass dabei eine unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern ist (hier gegeben, s.o.). Damit ist für die Klimaanlage eine Vorsteuerberichtigung durchzuführen. Gern. § 15a 111 i. V. m. § 15a I UStG beträgt der Berichtigungszeitraum 5 Jahre. Berichtigung: 1.235 : 5

=247 € I Jahr

2007: keine Änderung 2008: Entnahme am 1.3., Änderung für 10 Monate: (247 € : 12)*10

=205,83 €

2009-2011: 247 € * 3 = 741 € 2012: Ende Berichtigungszeitraum 28.2., daher (247 € : 12) * 2

=41,17 €

§ 15a IV UStG sieht für sonstige Leistungen, die nicht an einem anderen Wirtschaftsgut ausgeführt werden, eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Maßgabe des § 15a I UStG bzw. § 15a TI UStG vor. Dies ist davon abhängig, ob die sonstige Leistung nur einmalig oder mehrmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird. Bei der Beurteilung der Frage, ob die sonstige Leistung einmalig oder mehrmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, ist darauf abzustellen, wann die bezogene Leistung verbraucht ist. (Bsp.: Bei Reinigungsleistungen) erfolgt eine Berichtigung nach § 15a TI UStG, da diese sofort verbraucht ist.

Bei Beratungsleistungen für ein Unternehmenskonzept kann eine Berichtigung nach § 15a I UStG erfolgen, da hier von einer längerfristigen Umsetzung des Konzepts auszugehen ist.) Die Berichtigung ist jedoch auf solche Leistungen zu beschränken, für die in der Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot bestünde.

162

Vorsteuerabzug und Berichtigung des Vorsteuerabzugs

Beispiel: Die Versicherungsgesellschaft V lässt sich von Steuerberater S am 2. Januar ein individuelles Beratungskonzept erstellen. Die Kosten des Konzepts werden von S mit 15.000 € zzgl. 2.850 € USt in Rechnung gestellt. Im Jahr 2007 und 2008 tätigt V zu 50 % steuerpflichtige und zu 50 % steuerfreie Umsätze. Ab 2009 tätigt V nur noch gem. § 4 Nr. 10 UStG steuerfreie Umsätze, für die das Beratungskonzept jedoch nach wie vor genutzt wird. Im Jahr 2007 kann V gem. § 15 I, 11, IV UStG 50 % Vorsteuern geltend machen. Für das Jahr 2008 ergeben sich keine Änderungen der Verwendungsverhältnisse, da das Konzept nach wie vor zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet wird. Ab 2009 muss V gem. § 15a IV i. V. m. § 15a I UStG den Vorsteuerabzug berichtigen, da mit dem Beratungskonzept eine sonstige Leistung vorliegt, die im Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung einen 50 %igen Vorsteuerabzug bewirkte und längerfristig nutzbar ist. Durch die ausschließlich steuerfreie Verwendung im Jahr 2009 haben sich die Verhältnisse geändert.

§ 15a vn UStG stellt klar, dass sowohl der Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 I UStG und umgekehrt als auch der Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung jeweils eine Änderung gegenüber den für den ursprünglich für den Vorsteuerabzug geltenden Verhältnissen darstellt. Die Einbeziehung der Kleinunternehmer ist erforderlich, um Gestaltungsmodelle zu verhindern (bspw. Geltendrnachung des Vorsteuerabzugs als Regelbesteuerer und danach Übergang zur Nichterhebung der Steuer nach § 19 I UStG). § 15a XI UStG ermächtigt das Bundesfinanzministerium mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zur Durchführung der Vorsteuerkorrekturen zu erlassen. Spezielle Vereinfachungsregeln enthält § 44 UStDV, nach dem keine Vorsteuerberichtigung durchzuführen ist, wenn die auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts entfallende Vorsteuer 1.000 € nicht übersteigt (§ 44 I UStDV). Haben sich bei einem Wirtschaftsgut in einem Kalenderjahr die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse um weniger als zehn Prozentpunkte geändert, entfällt bei diesem Wirtschaftsgut für dieses Kalenderjahr die Berichtigung des Vorsteuerabzugs.Dies gilt jedoch nicht, wenn der Betrag, um den der Vorsteuerabzug für dieses Kalenderjahr zu berichtigen ist, 1.000 € übersteigt (§ 44 11 UStDV). Beträgt die auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes entfallende Vorsteuer nicht mehr als 2.500 € so ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs für alle in Betracht kommenden Kalenderjahre einheitlich bei der Berechnung der Steuer für das Kalenderjahr vorzunehmen, in dem der maßgebliche Berichtigungszeitraum endet (§ 44 m UStDV). Übersteigt der Betrag, um den der Vorsteuerabzug bei einem Wirtschaftsgut für das Kalenderjahr zu berichtigen ist, nicht 6.000 €, so ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs erst im Rahmen der Steuerfestsetzung für den Besteuerungszeitraum durchzuführen, in dem sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse geändert haben (§ 44 IV UStDV).

163

2.6

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.6.4

Übersicht: Vorsteuerabzug

Abbildung 2-48:

Übersicht Vorsteuerabzug Voraussetzungen fLir den Vorsteuerabzug gem. § 15 I UStG

I

Besonderheit: Kleinunternehmer gern, § 19 1UStG(Option zur ReBelbesteuerunB, § 19 11 UStG)

Unternehmer als VorsteuerabzuBSberechtiBter (§ 2 UStG)

RechnunB (I 14 UStG)

- f-----+

BeBriff der RechnunB: § 14 I UStG RechnunBSbestandteile: § 14 IV UStG

voneinem anderen Unternehmer (§ 2 UStG) _ aufgrund einer Lieferung/sonstigen Leistung für das Unternehmen des vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmers

f-----+

- f-----+

Kein Ausschluss vom VorsteuerabzuB § 1511,111 UStG

I BerichtfBunl des Vorsteuerabzup im Zeitablauf (§ 15a UStG)

t--.

Rechnung einesNichtuntemehmers: Umsatzsteuer wird geschuldet (§ 140 11 UStG)aber der empfangende Unternehmer hat kein VorsteuerabzuBsrecht (§ 15 I UStG) Nicht fLir dasUnternehmen erbracht geLten: - Gegenstände, die zu weniBer als 10 %betrieblich Benutzt werden (§ 151 UStG) - AufwendunBenI.S.d. § 4 V Nr. 1-4,7, VII, § 12 Nr. 1 EStG (§ 151a Nr. 1 UStG) Voller Ausschluss vom VorsteuerabzuB(I 15 11 UStG) Ausschluss J wennerbrachte Leistungen ftjr steuerfreie Umsätzeerbracht werden (§ 15 11 UStG) Teilweiser Ausschluss vom VorsteuerabzuB(§ 15 IV UStG) AufteilunB erfolgt nach wirtschaftlicher 2uteilunB in einen abzfehbaren und einen nlchtabzfehbaren Vorsteueranteil • BerichtfBunBSZeitraum bei Grundstücken und ähnl. Rechten 10 Jahre, ansonsten5 Jahre (§ 15al UStG). • Bei WirtschaftsBütem des UVerfolgt die BerichtflunB im Besteuerungszeitraum, In dem das W1rtschaftsButverwendet wird (§ 15all UStG) • BerechnunB gern, § 150 V UStG

2.7

Besteuerungsverfahren

2.7.1

Umsatzsteuererklärung und -festsetzung

Bei der Umsatzsteuer handelt es sich um eine periodische Jahres- und Veranlagungssteuer (§ 18 III UStG). Veranlagungssteuer bedeutet, dass die Steuer durch schriftlichen Bescheid der zuständigen Finanzbehörde festgesetzt wird. Allerdings hat der Unternehmer nach Ablauf eines Kalenderjahres eine Steuererklärung nach amtlich vorgegebenem Vordruck abzugeben, in dem er die Steuer selbst berechnet (Steueranmeldung). Die Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, d. h. einer besonderen, formellen Steuerfestsetzung durch das für den Unternehmer zuständige Finanzamt (§ 21 AG) bedarf es nur dann, wenn

164

Besteuerungsverfahren

das Finanzamt die Steuer abweichend von der selbst berechneten Steueranmeldung des Unternehmers festsetzen will (§ 18 IV UStG/ §§ 155-158 und 167 AO). Im Rahmen der Steueranmeldung sind gern. § 13 I UStG alle Umsatzsteuerverpflichtungen zu berücksichtigen, die im Kalenderjahr entstanden sind. Die Systematik des Umsatzsteuersystems bedingt, dass nicht nur eine Feststellung der geschuldeten Umsatzsteuer, sondern auch die Feststellung der durch andere Unternehmer in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge zu erfolgen hat. Die Vorsteuerbeträge zieht der Unternehmer von seiner Umsatzssteuerschuld in dem Veranlagungszeitraum ab. Der Unternehmer hat seine steuerlichen Verpflichtungen stets nur gegenüber einem Finanzamt zu erklären, er muss also insbesondere nicht sämtliche Vorsteuerbeträge bei den Finanzämtern seiner Lieferanten geltend machen. Das Ergebnis der Verrechnung der Umsatzsteuer mit der Vorsteuer kann sowohl einen positiven als auch einen negativen Wert annehmen. Handelt es sich um einen positiven Betrag, so entsteht eine Zahllast. die der Unternehmer dem Finanzamt gegenüber schuldet. Hingegen hat das Finanzamt dem Unternehmer einen negativen Saldo zu erstatten (§ 18 IV UStG; Vergütungsanspruch).

Abbildung 2-49:

Bsp. USt-Erklärung/Festsetzung

Beispiel: Umsatzsteuerschuld aus Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 19%

70.000 €

90.000 €

Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 7%

30.000 €

40.000 €

Von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte USt =

50.000 €

160.000 €

Abziehbare Vorsteuer Zahllast Erstattungsanspruch

50.000 € 30.000 €

165

2.7

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.7.2

Voranmeldung und Vorauszahlung

Bereits vor Ablauf des Kalenderjahres hat der Unternehmer vierteljährlich bzw. bei Überschreiten gewisser Umsatzgrenzen monatlich Voranmeldungen (Normalfall) abzugeben und daraus resultierende Vorauszahlungen zu entrichten.B Ab 1. Januar 2005 hat der Unternehmer die Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Wege zu übermitteln. Auf Antrag kann das Finanzamt jedoch auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Nach § 18 I UStG werden die Vorauszahlungen am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldezeitraumes fällig. Wie die Jahresanmeldung stellt die Voranmeldung eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung dar. Auch die Berechnung einer eventuellen Zahllast bzw. eines Vergütungsbetrages folgt den gleichen Grundsätzen wie die Jahresanmeldung. Sämtliche im Rahmen der Voranmeldungen entrichteten bzw. erstatteten Beträge werden bei der Jahresveranlagung angerechnet.

2.7.3

Kleinunternehmerregelung

Die Umsatzsteuer, die auf Umsätze gern. § 1 I Nr. 1 UStG (Leistungsaustausch und unentgeltliche Leistungen) entfällt, wird von im Inland ansässigen Unternehmern nicht erhoben, wenn der Umsatz (inkL Umsatzsteuer) im vorangegangenen Jahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Grundlage für die Berechnung des Umsatzes ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene sog. Gesamtumsatz des § 19 III UStG, welcher um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gekürzt wird. Bei den auf diese Weise definierten sog. "Kleinuntemehmem" wird die an sich geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben. Auf der anderen Seite darf der Kleinunternehmer keinen Vorsteuerabzug vornehmen und in seinen Rechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen. Prinzipiell wirkt die Kleinunternehmerregelung im Ergebnis daher wie eine Steuerbefreiung ohne Vorsteuerabzugsrecht, was nicht unbedingt zu einem Vorteil führen muss. Aus diesem Grund räumt § 1911 UStG dem Kleinunternehmer das Recht ein, auf die Regelung durch Antrag beim Finanzamt zu verzichten und sich wie ein "normaler" Unternehmer behandeln zu lassen (Option zur Regelbesteuerung). Durch den Antrag bindet sich der Unternehmer für mindestens 5 Kalenderjahre.

8

166

Der Schwellenwert für vierteljährliche USt-Voranrneldungen ist ab 01.01.2009 von 512 € auf 1.000 € und der Schwellenwert für monatliche USt-Voranmeldungen von 6.136 € auf 7.500 € angehoben worden. Beträgt der Vorsteuer-Überschuss im Vorjahr mehr als 6.136 €, so konnte der Unternehmer bisher statt des Kalendervierteljahres den Monat als Voranmeldungszeitraum wählen. Diese Betrags-Grenze ist auf 7.500 € erhöht worden.

Besteuerungsverfahren

Die Kleinuntemehmerregel nach § 19 I S. 3 UStG gilt jedoch nicht für: •

die nach § 13a I Nr. 6 UStG geschuldete Steuer: Die vom Auslagerer oder Lagerhalter geschuldete Steuer fällt nicht unter die Kleinunternehmerregelung und wird folglich auch bei Kleinuntemehmem erhoben.

•

die nach § 13b 11 UStG geschuldete Steuer: In den in § 13b I Nr. 1 - 5 UStG genannten Fällen kommt es unter den in § 13b UStG genannten Voraussetzungen auch dann zu einem Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger, wenn dieser ein Kleinunternehmer ist. Allerdings geht die Steuerschuld nach § 13b I UStG dann nicht über, wenn der leistende Untemehmer selbst Kleinuntemehmer ist (§ 13b 11 S. 4 UStG).

•

die nach § 14c 11 UStG n, F. geschuldete Steuer: Weist ein Kleinuntemehmer L S. des § 19 I UStG in einer Rechnung USt gesondert aus, obwohl er hierzu nicht berechtigt ist, so schuldet er den ausgewiesenen Betrag. die nach § 25b 11 UStG geschuldete Steuer: Bei einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft (siehe 3. Kapitel) erfolgt unter den Voraussetzungen des § 25b I, 11 UStG ein Übergang der Steuerschuldnerschaft vom ersten auf den letzten Abnehmer auch dann, wenn dieser ein Kleinuntemehmer ist. In den genannten Fällen ist dann jedoch unter den Voraussetzungen des § 15 I UStG ein Vorsteuerabzug möglich.

167

2.7

2

Umsatzbesteuerung im Inland

2.8

Zusammenfassendes Prüfungsschema

Abbildung 2-50:

Übersicht: Prüfungsschema (1) Prüfungsschema Umsatzsteuer A. Leistungsausgangsseite

11. Steuerbarkeit (§ 1 UStG) Leistungsaustausch (§ 11 Nr.1 UStG),--

I

JA

= Steuerbar

+

I I

_

NEIN = nichtsteuerbar

I

111 Steuerpflicht (§ 4 UStG)

I Steuerbefrefung? (§ 4 UStG)

111. BemessunlSsrundlase (§§ 10, 11 UStG) 1

IV. Steuersatz und Steuerberechuns (§ 12 UStG)

Ermäßigter Steuersatz?

Allgemeiner Steuersatz 1

V. Steuerschuldner, Entstehung und Fäll1gkelt (§ 13 ff. UStG)

168

Zusammenfassendes Prüfungsschema

Abbildung 2-51:

Übersicht Prüfungsschema (2) PrUfungsschema Umsatzsteuer B. Leistungseingangsseite

I. Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs (§ 15 I UStG)

Unternehmer als Vorneuerabzugsberechtigter (§ 2 UStG)

!

Kein Vorsteuerabzug

Ja

Rechnung (§ 14 UStG) von einem anderen Unternehmer (§ 2 UStG)

Nein

Kein Vorsteuerabzug

aufgrund einer für das Unternehmen des vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmers erbrachten Leistung

Kein Ausschluss vom Vorsteuerabzug § 15 11, 111 UStG Voller (§ 15 11) oder teilweiser Vorsteuerausschluss (§ 15

NeIn

Kein Vorsteuerabzug

IV)

+

(Voller oder teilweiser) Vorsteuerabzug möglich

-----------------------------------i-----------------------------------~

EvtL. spätere Korrektur

11. Berichtigung des Vorsteuerabzugs in Folgejahren (§ 15a UStG)

169

2.8

3

3.1

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Grundlagen

Mit der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft kommt grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen auch für Zwecke der Umsatzbesteuerung ständig wachsende Bedeutung zu. Beschränkten sich die Ausführungen in Kapitel 2 auf binnenstaatliche Sachverhalte, gilt es fortan, den "umsatzsteuerlichen Blick" auf Leistungsbeziehungen zu erweitern, bei denen Leistungserbringer/-empfänger oder Zwischenpersonen aus anderen Staaten beteiligt sind. Die Problematik grenzüberschreitender Umsatzbesteuerung besteht im Kern darin, dass regelmäßig die Steuerhoheit mindestens zweier souveräner Staaten betroffen ist. Aus diesem Grund muss das jeweilige nationale Umsatzsteuerrecht Regelungen bereithalten, die unter Berücksichtigung international anerkannter Umsatzsteuerprinzipien eine lückenlose Umsatzbesteuerung gewährleisten. Gleichzeitig gilt es dabei, eine zwei- oder mehrfache Besteuerung zu vermeiden. Ferner ist zu klären, welchem Staat das Umsatzsteueraufkommen zustehen soll.

Beispiel: Der amerikanische Maschinenbauunternehmer M liefert eine Spezialmaschine an den Hamburger Autozulieferer A zu einem Preis von 2.000.000 €. Fraglich ist hier, ob die Lieferung (Verkehrsvorgang) in den USA, in Deutschland, in beiden Staaten oder in keinem Staat der Umsatzbesteuerung unterliegt. Theoretisch denkbar wäre auch, dass beim Transport das Hoheitsgebiet eines dritten Staates betroffen ist (Hoheitsgewässer! Lufthoheit) und dieser ebenfalls eine Besteuerung des Umsatzes vomimmt.

170 K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Grundlagen

3.1.1

Internationale Besteuerungsprinzipien bei der Umsatzsteuer: Bestimmungsland- und Ursprungslandprinzip

Ausgehend von dem Gedanken, dass die Umsatzsteuer eine Verbrauchsteuer darstellt, die letztlich nur den Endverbraucher wirtschaftlich treffen soll, kommen für die Besteuerung des grenzüberschreitenden Waren- bzw. Dienstleistungsverkehrs grundsätzlich zwei Konzepte in Betracht. Einerseits wäre es möglich, den Endverbraucher mit der Umsatzsteuer des Ursprungslandes (Ursprungslandprinzip) der Leistung zu belasten. Andererseits kann die Besteuerung aber auch an die Umsatzsteuer des Bestimmungslandes (Bestimmungslandprinzip) anknüpfen. Mit Festlegung auf eine der beiden Möglichkeiten wird i. d. R. zugleich eine Entscheidung darüber getroffen, welchem der beteiligten Staaten das Umsatzsteueraufkommen zustehen soll (denkbar wäre allerdings auch eine sachgerechte Aufteilung des jeweiligen Steueraufkommens auf die betroffenen Staaten). Nach dem Ursprungslandprinzip wird der Verbraucher mit der Umsatzsteuer des jeweiligen Herkunftslandes der Leistung besteuert, welchem gleichzeitig auch das Steueraufkommen zusteht, während das Importland auf die Besteuerung verzichtet. Im Gegensatz dazu wird der Endverbraucher beim Bestimmungslandprinzip mit der Umsatzsteuer des Staates belastet, in dem der Endverbrauch tatsächlich stattfindet. Diesem Staat steht dann auch das Steueraufkommen zu.

Beispiel: Ein Plantagenbesitzer {P} aus Brasilien bestellt für seine Villa eine exklusive Wohnzimmereinrichtung bei einem deutschen Möbelhersteller zu einem Preis {ohne uSt} von 200.000 €. Angenommen der Umsatzsteuersatz in Brasilien beträgt 22 % und in Deutschland 19 %. Folgt man dem Gedanken des Ursprungslandprinzips, wäre die Umsatzbesteuerung des Herkunftslandes der Lieferung {Deutschland} maßgebend. P würde demnach mit einer Umsatzsteuer LH.v. 38.000 € {19 % v. 200.000 €} belastet, wobei das Steueraufkommen im Grundsatz der Bundesrepublik zustehen würde. Folgt man dem Bestimmungslandprinzip ist das Besteuerungsniveau des Landes maßgebend, in dem der Endverbrauch stattfindet {Brasilien}. P hätte eine uSt L H. v. umgerechnet 44.000 € {22 % v. 200.000 €} zu entrichten.

Das Bestimmungslandprinzip gewährleistet, dass die Endverbraucher innerhalb eines Landes nach Maßgabe ihrer individuell getätigten Aufwendungen, jedoch unabhängig von der Herkunft der Waren, gleichmäßig mit Umsatzsteuer belastet werden. Gleichzeitig wird in dem betrachteten Wirtschaftsraum die (angestrebte) Wettbewerbsneutralität der Umsatzbesteuerung dadurch erreicht, dass die (Netto-)Unternehmerleistungen durch einen einheitlichen Steuersatz erhöht werden. Bei Umsetzung des Ursprungslandprinzips haben hingegen solche Unternehmer einen Vorteil, die ihre Leistungen aus einem Land mit niedrigem Umsatzsteuerniveau erbringen. Gedanklicher Hintergrund des Ursprungslandprinzips ist die Überlegung, dass der vom Un-

171

3.1

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

ternehmer geschaffene Mehrwert Gegenstand der Besteuerung sein soll. Daher ist der Umsatz in dem Land zu besteuern, in dem der Mehrwert geschaffen wurde. Das Umsatzsteueraufkommen steht folgerichtig auch dem Herkunftsstaat der Leistungen zu.

Beispiel: Der Unternehmer U aus Deutschland bietet eine Waschmaschine zum Preis von 1.000 € (ohne Umsatzsteuer) in Deutschland an. Beim geltenden Steuersatz von 19 % müsste der Endverbraucher 1.190 € für die Leistung entrichten. Der Waschmaschinenhersteller X aus den USA bietet seine Waschmaschine ebenfalls zu 1.000 € (ohne Umsatzsteuer) in Deutschland an. Angenommen der Umsatzsteuersatz in den USA würde 12 % betragen. Für den Fall, dass der Umsatzsteuersatz der USA auch für die Endverbraucherbesteuerung in Deutschland maßgeblich wäre (Ursprungslandprinzip), könnte X dem Endverbraucher die gleichwertige Waschmaschine zu einem Preis von 1.120 € anbieten. Die (angestrebte) Wettbewerbsneutralität der Besteuerung wäre in dem betrachteten Wirtschaftsraum (Deutschland) nicht gewährleistet. Nach dem Bestimmungslandprinzip wird die Leistung des X mit dem deutschen Umsatzsteuersatz belastet und kann somit ebenfalls nur zu einem Preis von 1.190 € angeboten werden.

Mit Blick auf den Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer, nach dem das Steuergut der Umsatzsteuer in der (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit des Endverbrauchers gesehen wird, hat sich international aber das Bestimmungslandprinzip durchgesetzt. Eine konsistente gesetzestechnische Umsetzung des Bestimmungslandprinzips in den betroffenen nationalen Umsatzsteuergesetzen erfordert eine EntlastunglBefreiung der Ausfuhrlieferung (Export) im Ursprungsland und eine entsprechende Steuerpflicht des Imports im Bestimmungsland. Der praktische Nachweis über das tatsächliche Vorliegen einer Ausfuhr/ Einfuhr erfolgt dabei üblicherweise (Ausnahme: EGBinnenmarkt) mit Hilfe von Kontrollen an den Außengrenzen der betroffenen Staaten (Grenzkontrolle). Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht den technischen Ablauf der Umsatzsteuerentlastung im Herkunftsland und die umsatzsteuerliche Behandlung im Bestimmungsland. Durch die umsatzsteuerliche Entlastung der Ausfuhr führt der Unternehmer im Ergebnis steuerfreie Umsätze aus. Allerdings behält er weiterhin das Vorsteuerabzugsrecht für Leistungen, die er im Rahmen seines Unternehmens für seine Leistungserbringung bezogen hat (steuerfreier Umsatz mit Vorsteuerabzugsrecht). Umgekehrt hat der einführende Unternehmer die Einfuhrumsatzsteuer zunächst zu deklarieren. Gleichzeitig kann er sie aber als Vorsteuer wieder geltend machen, falls er damit Leistungen ausführen will, die den Vorsteuerabzug gestatten (z, B. nicht bei Bankleistungen). Etwas anderes gilt, wenn ein Endverbraucher einen Gegenstand einführt. Dann stellt die zu entrichtende Einfuhrsteuer die endgültige Belastung mit Umsatzsteuer im 172

Grundlagen

Bestimmungsland dar. Aus Sicht des Bestimmungslands wird damit erreicht, dass Importwaren in der gleichen Weise mit USt belastet werden wie Inlandswaren.

Abbildung3-1:

Bestimmungslandprinzip Bestimmunsslandprinzip

<-----,:>

Ausfuhr

Grenzel Grenzkontrolle

Bruttowarenwert

Abbau

Inländische Umsatzsteuer

Transitstrecke Überseetransport

Einfuhr

Grenzel Grenzkontroll

A

Bruttowarenwert

u

Nettowarenwert Beispiel: (Annahme: Jeder Unternehmer schafft einen Mehrwert von 1.000 t:)

USt- Satz: 19% 1.190

V

Exporteur

~

~.2

Bel Ausfuhr

~.2

~~

+.8

-0

+

3.1.2

Importeur

Steuerfrei

gl

~ :::>

I

USt- Satz: 20% 2.000

,>

Finanzamt (Inland)

I

I

3.600

@J

I

o~

~~ Finanzamt (Ausland)

I

Gebietsbestimmungen im Umsatzsteuergesetz

Die Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte setzt eine genaue Gebietsbestimmung (Ortbestimmung) voraus, da nur so bestimmt werden kann, ob ein grenzüberschreitender Vorgang vorliegt bzw. ob der Umsatz im Inland steuerbar ist. Das deutsche Umsatzsteuergesetz enthält daher in § 1 11, lIa UStG entsprechende Regelungen. Grundsätzlich wird zwischen dem Inland, dem Ausland, dem sog. (übriges) Gemeinschaftsgebiet und dem Drittlandsgebiet unterschieden. § 1 11 S.l UStG versteht unter Inland das (Staats-/Hoheits-) Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit folgenden Ausnahmen: Gebiet von Büsingen (Zollausschluss) •

Insel Helgoland 173

3.1

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

•

Freihäfen?

•

Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze (12sm-Grenze und der jeweiligen Strandlinie)

•

Deutsche Schiffe und Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet (z. B. hohe See) gehören

Unter Ausland versteht das Umsatzsteuergesetz alle Gebiete, die nicht Inland sind (§ 1 11 S. 2 UStG). Für die Anwendung des UStG ist das Ausland jedoch nicht als ein homogenes Gebiet anzusehen. Mit Blick auf den europäischen Binnenmarkt ist es von großer Bedeutung, ob es sich um Gebiete innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (sog. übriges Gerneinschaftsgebiet gern. § 1 IIa S.l und 2 UStG) oder um Gebiete außerhalb der Europäischen Gemeinschaft (sog. Drittlandsgebiet gern. § 1 IIa S. 3 UStG) handelt. Das übrige Gemeinschaftsgebiet erfasst das Inland folgender Staaten (vgL A 13a UStR): Belgien, Bulgarien, Dänemark (ohne Grönland und die Färöer), Estland, Finnland (ohne die Aland-Inseln), Frankreich (ohne die überseeischen Departements Guadeloupe, Guyana, Martinique und Reunion) zuzüglich des Fürstentums Monaco, Griechenland (ohne Berg Athos), Irland, Italien (ohne Livigno, Campione d' Italia, San Marino und den zum italienischen Hoheitsgebiet gehörenden Teil des Luganer Sees), Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande (ohne die überseeischen Gebiete Aruba und Niederländische Antillen), Österreich, Polen, Portugal (einschließlich Madeira und der Azoren), Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien (einschließlich Balearen, ohne Kanarische Inseln, Ceuta und Melilla), Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (ohne die überseeischen Länder und Gebiete und die Selbstverwaltungsgebiete der Kanalinseln Jersey und Guernsey) zuzüglich der Insel Man, Zypern (ohne die Landesteile, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt) einschließlich der Hoheitszonen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (Akrotiri und Dhekalia) auf Zypern. Wenn neben dem übrigen Gemeinschaftsgebiet auch das Inland der Bundesrepublik begrifflich erfasst werden soll, verwendet das Umsatzsteuergesetz den Begriff des Gerneinschaftsgebiets, d. h. das Gerneinschaftsgebiet umfasst das Inland sowie das übrige Gemeinschaftsgebiet. 9

174

Mit Steueränderungsgesetz 2003 ist § 1 II UStG dem Zollrecht angepasst worden. Vom Inlandsbegriff ausgenommen sind künftig Freizonen des Kontrolltyps I nach § 1 I S. 1 des ZollverwaItungsgesetzes (Freihäfen). Im Ergebnis wird damit der Begriff des Freihafens auf die Freizone des Kontrolltyps I beschränkt. Nur diese Freizonen sind - im Gegensatz zu der seit dem 19.12.2000bestehenden Freizone des Kontrolltyps lI-von einer zollamtlich überwachten Begrenzung (Zollzaun) umgeben. Die Freizonen des Kontrolltyps I werden damit weiterhin umsatzsteuerlich als Drittlandsgebiet betrachtet. Entsprechend den Gewohnheiten im Rechts- und Geschäftsverkehr wird der Begriff des "Freihafens" in § 1 II UStG weiter verwendet.

Grundlagen

3.1.3

Arten grenzüberschreitender Leistungen

Für umsatzsteuerliche Zwecke ist bei grenzüberschreitenden Leistungen -insbesondere mit Blick auf die Ortbestimmungsregeln- klar zwischen Lieferungsbeziehungen einerseits und Geschäften über sonstige Leistungen andererseits zu trennen. Liegt eine Lieferungsbeziehung zwischen dem Inland und einem Drittland vor, spricht man in Abhängigkeit von der Leistungsrichtung entweder von einer Ausfuhr oder einer Einfuhr. Ist Gegenstand der Betrachtung hingegen eine Leistungsbeziehung zwischen dem Inland und dem übrigen Gemeinschaftsgebiet, liegt entweder eine innergemeinschaftliche Lieferung oder ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor.

Abbildung 3-2:

Übersicht: Internationale USt-Fälle Grenze

Inland

I

I Leistungserbringer

I I

I Leistungsempfänger I

Ausfuhr

I Einfuhr

I

Drittland

I I

I

I

Leistungserbringer

I Leistungsempfänger I

I

Leistungserbringer

I

Übriges Gemeinschaftsgebie t

Inland

I

Leistungsempfänger

I

Innergemeinschaftl. Lieferung

I

Innergemeinschaftl. Erwerb

I

I

I

I I

Leistungsempfänger

I

I I

Leistungserbringer

I

Während bei Lieferungsbeziehungen zum Zwecke der Ortsbestimmung (Steuerbarkeit) zwischen solchen mit dem Drittlandsgebiet und solchen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets unterschieden werden muss, ist eine derartige Unterscheidung bei Geschäften über sonstige Leistungen im Grundsatz nicht erforderlich.

175

3.1

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Abbildung3-3:

Grenzüberschreitende Lieferungen

I Grenzüberschreitende Lieferungen I I

I Mit Drlttländern Einfuhr

§ 1 I Nr. 4 UStG Ausfuhr § 4 Nr. ta i. V. m. § 6 UStG

LIeferungen

I

Sonstige Lieferungen

Innerhalb der EG

Innerhalb der EGoder mit Drlttländern

Innergemelnsehaftlieher Erwerb § 1 I Nr. 5 i. V. m. § ta UStG

I § 1 I Nr. 1 t, V. m, § 3 a, b, f UStG

Innergemeinsehaftliehe LIeferung § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. tb, § 6a UStG Versandhandelsregelung § 1 I Nr. 1 i. V. M. § 3 c UStG Abholfälle § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3 VI UStG

I S. 160 ff. I

3.1.4

IS.177ff.1

I 5.226 ff. I

Gesetzestechnische Umsetzung des Bestimmungslandprinzips bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen im UStG

Eine konsistente gesetzestechnische Umsetzung des Bestimmungslandprinzips im nationalen Umsatzsteuergesetz erfordert bei Lieferungsbeziehungen die Entlastung/Befreiung von Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen und eine entsprechende Steuerpflicht von Einfuhren bzw. innergemeinschaftlichen Erwerben. Aus diesem Grund hält das deutsche Umsatzsteuergesetz für die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb (= Importe) zwei separate Steuertatbestände in § 1 I Nr. 4 bzw. Nr. 5 UStG bereit. Ausfuhr und innergemeinschaftliche Lieferung (= Exporte) sind hingegen nach § 1 I Nr. 1 UStG im Inland regelmäßig steuerbar, werden jedoch gern. § 4 Nr. la LV.m. § 6 bzw. § 4 Nr. Ib i. V. m. § 6a UStG systemgerecht von der Steuerpflicht befreit. Sieht man zunächst von Ausnahmen ab, ergibt sich das nachfolgende Prüfungsschema bei grenzüberschreitenden Lieferungsbeziehungen:

176

Grundlagen

Abbildung3-4:

Prüfungsschema: Internationale USt-Fälle

I!;e0~ I

Aus dem Drtttland

Prüfungsreihenfolge

U I I I I

§ 11 Nr. 4 UStG

Aus dem Gemeinschafts ebtet Innergemeinschaftl. Erwerb

IE~~

L:J

In das Gemeinschafts ebtet Innergemeinschaft!. Lieferung

I

§ 5 UStG

I

§ 11 UStG

I I

§ 12 I, 11 UStG

In das Drtttland

I

§ 4b UStG

I I

§ 10 I UStG

I I

I

I I Sonstige Formalia

D D

I

D

I I § 18, 18a Zusammenfassende Meldung

Für die Beurteilung grenzüberschreitender sonstiger Leistungen kann im wesentlichen auf die bisherige Prüfungssystematik rein nationaler Sachverhalte verwiesen werden, d. h. ob eine Leistung steuerbar ist, richtet sich nach § 1 I Nr. 1 UStG i. V. In. § 3a, b, f UStG.

177

3.1

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

3.2

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

3.2.1

Einfuhr

3.2.1.1

Steuerbarkeit

Nach § 1 I Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland der (Einfuhr-) Umsatzsteuer. Dadurch wird dem Ziel des Bestimmungslandprinzips Rechnung getragen, eine gleiche Belastung mit Umsatzsteuer bei den Verbrauchern in einem bestimmten Wirtschaftsraum zu erreichen. Die Einfuhrumsatzsteuer hat daher nicht den Charakter eines Schutzzolls für die heimische Wirtschaft, sondern stellt lediglich eine systematische Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips sicher. Aus diesem Grund kommt es im Gegensatz zu § 1 I Nr. 1 UStG nicht darauf an, dass die Einfuhr von einem Unternehmer durchgeführt wird. Vielmehr unterliegen der Einfuhrumsatzsteuer auch solche Einfuhren, die von Nichtunternehmern (private Endabnehmer, Staat) verwirklicht werden. Tatbestandlieh verlangt § 1 I Nr. 4 UStG die Einfuhr von Gegenständen im Inland. Es wird somit vorausgesetzt, dass ein Drittlandsgegenstand in das Inland verbracht wird und dieser Vorgang hier steuerbar ist. Zur Erfüllung des Tatbestands ist es folglich nicht ausreichend, dass der Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt, sondern er muss im Inland der Besteuerung unterliegen (Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer). Danach liegt z. B. keine Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor, wenn sich die Drittlandsware in einem zollrechtliehen Versandverfahren befindet und damit "unverzollt und unversteuert" in das Inland gelangt. Eine Einfuhr wiirde im Beispiel erst dann verwirklicht, wenn die Ware in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt wird ("verzollt und versteuert"). Die Neuformulierung des § 1 I Nr. 4 UStG trägt diesem Umstand Rechnung. Besonderheit: Tatbestandlieh umfasst § 1 I Nr. 4 UStG auch den Fall der Einfuhr von Gegenständen in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg. Die beiden genannten österreichischen Gebiete stellen umsatzsteuerlich kein Inland i.S.d. § 1 11 S. 1 UStG dar. Jedoch gehören sie zum deutschen Zollgebiet, d. h. Umsätze, die innerhalb dieses Gebietes stattfinden sind in Deutschland nicht (nach § 1 I Nr. 1 UStG) steuerbar, vielmehr unterliegen sie dem österreichischem Umsatzsteuergesetz. Einfuhren in diese Gebiete unterliegen hingegen der deutschen Umsatzbesteuerung. Praktisch hat diese Ausnahmeregelung keine große Bedeutung.

178

GrenzUberschreitende Lie{erungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

Der Tatbestand der "Einfuhr" kann bei sonstigen Leistungen nicht vorliegen, d. h. bei der Einfuhr geht es ausschließlich um die tatsächliche Bewegung eines körperlichen Gegenstandes von einem Ort im Drittland in das Inland.

3.2.1.2

Steuerbefreiung

Grundsätzlich unterliegt jede Einfuhr aus dem Drittlandsgebiet der Einfuhrumsatzbesteuerung. Ausnahmen gelten gern. § 5 UStG nur für bestimmte Einfuhren. Befreit werden konsequenterweise solche Einfuhren, die, sofern entsprechende Lieferungen im Inland ausgeführt worden wären, nicht der Umsatzbesteuerung unterliegen würden. Dazu zählen gern. § 5 I UStG insbesondere die Lieferung von Wertpapieren, Goldbarren, Goldmünzen, menschlichen Organen, sowie von bestimmten Wasser- und Luftfahrzeugen einschließlich deren Ausrüstungs- und Versorgungsgegenständen. Ferner sind solche Lieferungen von der Einfuhrurnsatzbesteuerung ausgenommen, die von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1b, § 6a UStG) verwendet werden, weil es sich hier tatsächlich nur um eine Durchfuhr in ein anderes Gebiet handelt. Gern. § 5 I Nr. 4 UStG ist die Einfuhr von in der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG genannten Gegenständen, die in ein Umsatzsteuerlager eingelagert werden sollen, steuerfrei Hierbei reicht der Wille des Einführers, die eingeführten Gegenstände in ein solches Lager einzulagern, für die Gewährung der Steuerbefreiung aus.

Beispiel: Unternehmer A liefert Papierrollen aus dem Drittlandsgebiet an Unternehmer B. Sobald die Papierrollen in das Gemeinschaflsgebiet gelangt sind, werden sie von B in das Umsatzsteuerlager des Lagerinhabers L in Hamburg eingelagert. Die Einfuhr der Papierrollen ist nach § 5 I Nr. 4 UStG steuerfrei, da B die Papierrollen in ein Umsatzsteuerlager eingelagert hat. Werden die Gegenstände aus dem Umsatzsteuerlager entnommen, ist die der Auslagerung vorangehende Lieferung (hier: Einfuhr) gem. § 4 Nr. 4a Iit. a S. 2 UStG zu besteuern, d. h. die Steuerbefreiung entfällt.

Wird die Drittlandsware in Zusammenhang mit einer Einfuhr ausgelagert, ist die der Auslagerung vorangehende Lieferung grundsätzlich steuerpflichtig (§ 4 Nr. 4a lit. a S. 2 UStG). Da die Einfuhr in diesem Fall zeitlich gesehen erst nach der Auslagerung erfolgt, wird zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung die Einfuhr nach § 5 I Nr. 5 UStG steuerfrei gestellt, wenn Auslagerer der Lieferer ist und dieser gleichzeitig auch die Einfuhrumsatzsteuer schuldet.

179

3.2

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Beispiel: Unternehmer Z liefert 10 Tonnen Sojabohnen aus den Kanada an Unternehmer X in Deutschland. Sobald die Sojabohnen in das Gemeinschaftsgebiet gelangen, werden sie von X in ein Zolllagerverfahren überführt und gleichzeitig in ein Umsatzsteuerlager eingelagert. Die Einlagerung erfolgt beim Lagerhalter L in Deutschland, der sowohl ein Zoll- als auch ein Umsatzsteuerlager betreibt. Danach werden die Sojabohnen von X an den Unternehmer T zu der Kondition "verzollt und versteuert" verkauft. X bittet L, die Ware in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr zu überführen und danach an T zu befördern. Die Lieferung von X an T ist als der Auslagerung vorangehende Lieferung gem. § 4 Nr. 4a Iit. a S. 2 usio steuerpflichtig. Da X die Waren in ein Zolllagerverfahren übergeführt hat, ist der Einfuhrtatbestand des § 1 I Nr. 4 UStG zunächst nicht erfüllt (s.o.). Eine Einfuhr liegt erst vor, wenn das Lagerverfahren beendet und die Sojabohnen in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt werden. Damit ist L (als Auslagerer) zum einen gem. § 13a I Nr. 6 UStG Steuerschuldner für die Auslagerung. Zum anderen wäre L, da er als Lieferer für X die Sojabohnen einführt, Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Zur Vermeidung dieser Doppelbesteuerung stellt § 5 I Nr. 5 UStG die Einfuhr daher steuerfrei.

§ 5 I Nr. 6 UStG bestimmt, dass die Einfuhr von Gas und Elektrizität von der Einfuhrumsatzsteuer befreit ist. Die Einfuhrumsatzsteuer wäre zwar gern. § 15 I S. 1 Nr. 1 UStG als Vorsteuer abziehbar. Der Gesetzgeber wollte hier jedoch eine möglichst einfache Regelung umsetzen und hat daher die Einfuhr von der Umsatzsteuerpflicht befreit.

Darüber hinaus sieht § 5 11 UStG eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung für das Bundesfinanzministerium vor, nach der aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung für die dort aufgeführten Lieferungsgegenstände Steuerbefreiungen bzw. Steuerermäßigungen gewährt werden. Von dieser Möglichkeit hat das Bundesfinanzministerium durch Erlass der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung Gebrauch gemacht, in der unter Rückgriff auf zollrechtliche Bestimmungen insbesondere solche Einfuhren befreit werden, von denen kein (wesentlicher) wettbewerbsmäßiger Einfluss auf den inländischen Handel ausgeht (z. B. vorübergehende Einfuhr von Gegenständen zu Messezwecken). § 4 Nr. 4b UStG regelt die Steuerbefreiung für einer Einfuhr vorangehende Lieferungen, wenn der Abnehmer oder dessen Beauftragter den Gegenstand der Lieferung einführt. Dies gilt entsprechend für Lieferungen, die den vorbezeichneten Lieferungen vorausgegangen sind. Durch die Regelung werden Lieferungen von Gegenständen befreit, die sich in einem Zollverfahren (Nichterhebungsverfahren) befinden, wenn der Abnehmer der Lieferung oder ein späterer Abnehmer dieses Verfahren beendet. Eine Besteuerung der vorangegangenen Lieferungen wird durch die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer sichergestellt. Die Steuerbefreiung gilt nicht, wenn der Lieferer oder dessen Beauftragter den Gegenstand einführt. Dadurch wird ein unversteuerter Letztverbrauch in den Fällen vermieden, in denen der Abnehmer nicht oder nicht in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Eine doppelte Belastung wird

180

GrenzUberschreitende Lieferungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

hingegen durch den Abzug der Einfuhrurnsatzsteuer als Vorsteuer beim Lieferer nach § 15 I Nr. 2 UStG (s.u.) ausgeschlossen.

Beispiel: Unternehmer A befördert Drittlandswaren aus der Schweiz an Unternehmer B in Deutschland. Sobald die Waren in das Gemeinschaftsgebiet gelangen, werden diese von B in ein Zolllagerverfahren übergeführt. B lagert die Waren beim Lagerhalter L in Berlin ein. L betreibt sowohl ein Zoll- als auch ein Umsatzsteuerlager. Danach werden die Waren von B an C, von C an D und von D an E zu der Kondition "unverzollt und unversteuert" verkauft. E bittet L, die Ware in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr zu übernehmen. Danach werden die Waren zu der Kondition ,verzollt und versteuert" von E an F und von F an G veräußert. Der Ort der Lieferung von A an B liegt gern. § 3 VI S. 1 uStG in der Schweiz. Die Lieferung ist damit in Deutschland nicht steuerbar. Da B die Waren in das Zolllagerverfahren übergeführt hat, ist der Einfuhrtatbestand des § 1 I Nr. 4 UStG nicht erfüllt. Die Lieferungen des B an C, C an D und des D an E im Zolllager sind nach § 4 Nr. 4b uStG steuerfrei. Die Einfuhr durch Eist nach § 5 I Nr. 4 uStG steuerfrei, weil die Waren im Anschluss an die Einfuhr zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen nach § 4 Nr. 4a lit. a S. 1 UStG verwendet werden sollen. Die lieferungen von E an F und von F an G sind nach § 4 Nr. 4a lit. a S. 1 UStG steuerfrei.

3.2.1.3

Bemessungsgrundlage

Die Bemessungsgrundlage für die Einfuhr bestimmt sich nach § 11 UStG. Danach wird der Umsatz nach dem Wert des eingeführten Gegenstandes nach den jeweiligen Vorschriften über den Zollwert bemessen. Die weitgehende Übereinstimmung des für die Zollerhebung maßgeblichen Zollwertes mit dem Ausgangswert der Bemessungsgrundlage für die EUSt hat sowohl für den Importeur als auch für die Zollstelle den Vorteil, dass in einer Vielzahl von Einfuhrfällen für den Zoll und die EUSt von der gleichen Bemessungsgrundlage ausgegangen wird. Dadurch soll die Wareneinfuhr einschließlich Erhebung der EUSt vereinfacht werden (Verwaltungsvereinfachung). Bei dieser Einfuhrregelung muss jedoch gewährleistet werden, dass die Bemessungsgrundlage für Einfuhren nicht (wesentlich) von derjenigen für Lieferungen im Inland abweicht, da sonst zumindest in den Fällen, in denen Waren durch oder für nicht zum Vorsteuerabzug Berechtigte eingeführt werden, der Gesetzeszweck, den exakten umsatzsteuerlichen Grenzausgleich herbeizuführen, nicht erreicht werden würde. Für die Ermittlung und Feststellung des Zollwertes gilt seit dem 01.01.94 der sog. Zollkodex, nach dem der Zollwert für die jeweils betrachteten Waren nach gleichen Wertermittlungsmethoden einheitlich innerhalb der Mitgliedstaaten festgestellt wird. Für den Fall, dass ein Gegenstand ausgeführt, in einem Drittland veredelt - d. h. instandgesetzt, umgestaltet oder be- bzw. verarbeitet wird - und sodann vom Ausführer für sich oder andere wieder eingeführt wird, ist als Bemessungsgrundlage das für die Veredelung zu zahlende Entgelt oder die durch die Veredelung eingetretene Wertsteigerung anzusehen (Veredelungsentgelt, § 11 11 UStG) und nicht der gesamte Waren181

3.2

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

wert. Veredelungsentgelt ist dabei der Veredelungslohn zuzüglich des Wertes von Zutaten sowie Kosten der Umschließung und Verpackung. Ist kein Veredelungsentgelt vereinbart, so ist die ggf. zu schätzende Wertsteigerung umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage. Zur Bemessungsgrundlage für die Einfuhr gehören gern. § 11 1lI UStG (Hinzurechnungen) auch die folgenden Beträge, soweit sie auf die eingeführten Waren entfallen: 1. die im Ausland für den eingeführten Gegenstand geschuldeten Beträge an Einfuhrabgaben, Steuern und sonstigen Abgaben.

2. die aufgrund der Einfuhr in das in § 1 I Nr. 4 UStG bezeichnete Gebiet zu erhebenden Einfuhrabgaben außer der EUSt (z. B. Zollbeträge; Tabaksteuer, Mineralölsteuer u. ähnliche Verbrauchsteuern) und 3. die Kosten für die Vermittlung der Lieferung und die Beförderung sowie für andere sonstige Leistungen bis zum ersten oder einem weiteren Bestimmungsort im Gemeinschaftsgebiet. 4. die in Nr. 3 bezeichneten Kosten bis zu einem weiteren Bestimmungsort im Gemeinschaftsgebiet, sofern dieser im Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer bereits feststeht.

Die aufgeführten Beträge werden dem Zollwert oder dem Veredelungsentgelt (ggf. dem Betrag der Wertsteigerung) hinzugerechnet, soweit sie darin nicht enthalten sind. Preisermäßigungen und Vergütungen gehören hingegen nicht zur Bemessungsgrundlage der Einfuhr (Abzüge gern. § 11 IV UStG) wenn sie 1. sich auf den eingeführten Gegenstand beziehen und

2. im Zeitpunkt des Entstehens der EUSt feststehen.

3.2.1.4

Steuersatz

Die Einfuhr unterliegt demselben Steuersatz wie die Lieferung entsprechender Waren im Inland. Folglich gelten für die Bestimmung des Steuersatzes die Vorschriften des § 12 I und 11 UStG.

3.2.1.5

Steuerschuldner

Steuerschuldner der Umsatzsteuer ist gern. § 13a 11 i. V. m. § 21 11 UStG i. V. m. den Zollvorschriften der einführende Unternehmer bzw. die einführende Privatperson.

182

GrenzUberschreitende Lieferungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

3.2.1.6

Vorsteuerabzug

Die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) für Gegenstände, die für das Unternehmen nach § 1 I Nr. 4 UStG eingeführt worden sind, ist als Vorsteuer (§ 15 I Nr. 2 UStG) abziehbar, wenn die übrigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gegeben sind (kein Ausschluss nach § 15 11, III UStG). Zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ist damit derjenige berechtigt, der zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ware im Inland in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt wird, die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand hat. Der EUSt unterliegt auch die Einfuhr durch einen Nichtunternehmer (§ 1 I Nr. 4 UStG). Zum Abzug der entrichteten EUSt als Vorsteuer ist jedoch nur der Unternehmer berechtigt. Dies ist auch systemgerecht, da das Ziel der Umsatzbesteuerung in der einheitlichen Besteuerung des Letztverbrauchers in einem festgelegten Wirtschaftsraum besteht. Führt der Nichtunternehmer (Privatperson) den Gegenstand selbständig ein, ist er Letztverbraucher mit der Konsequenz, dass die darauf erhobene EUSt definitiv wirken muss. Voraussetzung für das Abzugsrecht des Unternehmers ist, dass die entrichtete EUSt •

für Gegenstände angefallen ist,

•

die für das Unternehmen

•

nach § 1 I Nr. 4 UStG eingeführt wurden.

Während für die Vorsteuer grundsätzlich das "Sollprinzip" gilt, nach dem keine vorherige Bezahlung der Steuer für deren Abzug als Vorsteuer Voraussetzung sein soll, setzt der Abzug der EUSt nach dem Wortlaut der Vorschrift deren Entrichtung voraus. Um Vorfinanzierungsschwierigkeiten der Importeure zu vermeiden, wurde jedoch in § 16 11 S. 4 UStG eine Sonderregelung geschaffen, wonach die EUSt bereits von der Steuer des Besteuerungszeitraumes abgezogen werden kann, in dem sie entstanden ist, sofern sie bis zum 16. Tag des folgenden Monats zu entrichten ist. Praktisch bedeutet dies, dass Entrichtung und Abzug der EUSt regelmäßig zeitlich zusammenfallen. Hingegen ist es nicht notwendig, dass der Unternehmer die EUSt selbst entrichtet. Vielmehr kann er sie auch dann als Vorsteuer abziehen, wenn sein Beauftragter, z. B. ein Spediteur oder Frachtführer, tatsächlicher Schuldner der EUSt ist. Allerdings muss sich der Unternehmer dann einen zollamtlichen Beleg aushändigen lassen (A 199 VII UStR).

183

3.2

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

3.2.2

Ausfuhr

3.2.2.1

Systematische Einordnung

Die Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips verlangt, dass Lieferungen in ein Drittland bei Überschreiten der Grenze nicht mehr mit inländischer Umsatzsteuer belastet sind. Zwar sind solche Ausfuhren regelmäßig im Inland steuerbar (§ 1 I Nr. 1 UStG), eine Korrektur erfolgt aber durch die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1a i. V.m. § 6 UStG (Ausfuhrlieferungen) bzw. nach § 7 UStG für den Fall der sog. Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr.

Beispiel: Der Turbinenhersteller T aus Leipzig liefert an ein russisches Kraftwerk in Moskau eine Turbine im Nettowert von 3,0 Mio. €. Diese wird durch einen betriebseigenen Spezial-LKW des T nach Moskau transportiert. Der Vorgang ist gem. § 1 I Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar, denn T führt als Unternehmer (§ 2 I UStG) eine Lieferung (§ 3 I UStG) gegen Entgelt im Inland (§ 3 Va LV.m. § 3 VI UStG) und l.R, seines Untemehmens (Herstellertätigkeit) aus. Die beim grenzüberschreitenden Verkehr mit Drittstaaten (Russland) erforderliche Entlastung mit deutscher Umsatzsteuer kann nur noch durch eine entsprechende Steuerbefreiungsvorschrifl erfolgen. Hier ist die Steuerbefreiungsvorschrifl des § 4 Nr. 1a L V. m. § 6 uStG einschlägig.

Für die Ausfuhr ergibt sich daher folgendes Prüfungsschema:

Abbildung 3-5:

Steuerbefreiungen beiinternationalen USt-Fällen

PrUfungsreihenfolge

I

Steuerbarkeft

Ausfuhr

I I

1

I Steuerbar gern. §

~ Steuerpflicht I Befreiung

184

I

Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung gern. § 4 Nr. 1a i.V.m. § 6 UStG

I

1 I Nr. 1 UStG

I

~ Steuerbefreiung der Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr gern. § 4 Nr. 1a LV.m. § 7 UStG

GrenzUberschreitende Lie{erungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

3.2.2.2

Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung

Bei der Ausfuhr gilt es zu verhindern, dass ein mit inländischer Umsatzsteuer belasteter Gegenstand vom Inland in das Drittlandsgebiet gelangt, d. h, der Gegenstand ist beim Grenzübertritt von der inländischen Umsatzsteuer zu befreien.

Abbildung 3-6:

Internationale USt-Fälle (Drittland)

Drittlandsgebiet

Gemeinschaftsgebiet

Unternehmer

Unternehmer (ausländischer Abnehmer)

Grenze

i

I Ausfuhr eines Gegenstandes

Einfuhr

I

Die Ausfuhrbefreiungsvorschrift des § 6 UStG differenziert nach der Art, wie der Gegenstand in das Drittlandsgebiet befördert bzw. versendet wird.

185

3.2

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Abbildung3-7:

Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung

Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung gern. § 4 Nr. 1a LV.rn. § 6 UStG

I § 6 1 Nr. 1

Unternehmer befördert oder versendet den Gegenstand Abnehmer muss kein ausländischer Abnehmer sein

I I § 61 Nr. 2 Abnehmer befördert oder versendet den Gegenstand Abnehmer muss ausländischer Abnehmer sein

I § 6 1 Nr. 3

Unternehmer oder Abnehmer befördert Bzw. versendet den Gegenstand in die Gebiete gem. § 1 11I UStG Abnehmer ist Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt oder Abnehmer ist ausländischer Abnehmer aber kein Unternehmer und der Gegenstand gelangt ins Drittlandsgebiet

Die steuerfreie Ausfuhrlieferung nach § 6 I Nr. 1 UStG betrachtet den Fall, dass der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert bzw. versendet. Ein ausländischer Abnehmer ist hierbei nicht zwangsläufig erforderlich. Tatbestandlich setzt die steuerfreie Ausfuhrlieferung folgendes voraus: 1. Eine steuerbare Beförderungs- oder Versendungslieferung nach § 3 VI S. 1 UStG.

2. Der Liefergegenstand muss im Zuge der Beförderung bzw. Versendung durch den Lieferer ins Drittlandsgebiet (ausgenommen sind die Gebiete gern. § 1 III UStG) gelangt sein. 3. Die Voraussetzungen unter 1. und 2. müssen in der Buchführung des exportierenden Unternehmens anhand von Belegen nachgewiesen werden (Nähere Regelungen enthält die UStDV).

Beispiel: Der Werkzeugmaschinenhersteller W mit Sitz in Bremen hat weltweite Geschäflsbeziehungen. Der Kunde K aus Rio de Janeiro (Brasilien) bestellt bei Weine Werkzeugmaschine. W übergibt die Maschine dem Spediteur S mit dem Auftrag, den Transport nach Rio zu organisieren. S be-

186

GrenzUberschreitende Lie{erungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

sorgt den Transport auftragsgemäß, nach dem er die Maschine zuvor für zwei Tage im Freihafen Hamburg zwischengelagert hat. Die Lieferung des W an K ist im Inland gern. § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3 VI S. 1 UStG steuerbar, da es sich um eine Versendungslieferung handelt, die durch Übergabe an S in Bremen erfolgt. Die Lieferung ist gern. § 4 Nr. 1a i. V. m. § 6 I Nr. 1 UStG aber steuerbefreit, denn die Maschine gelangt im Zuge der Versendung (durch den Unternehmer W) ins Drittlandsgebiet. Unschädlich ist, dass die Maschine zunächst im Freihafen zwischengelagert wurde, vielmehr entscheidend ist, wohin die Maschine bei der Versendung letzten Endes gelangt.

Beispiel: Ein Kunde K aus der Schweiz bestellt beim Händler H in Erfurt eine neue Maschine, die dieser nicht vorrätig hat. Daraufhin bestellt H die Maschine beim Werkzeugmaschinenhersteller W in Bremen, der die Maschine vereinbarungsgemäß sofort in die Schweiz mit eigenem LKW transportiert. K hat mit Hund H mit W über denselben Lieferungsgegenstand einen Kaufvertrag abgeschlossen. Beide Kaufverträge werden erfüllt. Somit liefert W an Hund H an K. Prüfung der Steuerbarkeit: Die Lieferung des W an H ist anhand des § 1 I Nr. 1 UStG zu prüfen. Hier liegt eine Lieferung gern. § 3 I uStG an H vor, da W den Gegenstand nur im Auftrag des H direkt zu K bringt. Die Beförderungslieferung wird gern. § 3 VI S. 5 uStG der Lieferung des W an H zugeordnet. Der Ort der Lieferung ist somit gern. § 3 VI S. 1 UStG Bremen. Mithin ist die Lieferung des W an H eine nach § 1 I Nr. 1 UStG steuerbare Leistung. Die Lieferung des H an K ist gern. § 3 VII S. 2 Nr. 2 uStG in der Schweiz ausgeführt, also liegt keine gern. § 1 I Nr. 1 UStG steuerbare Lieferung im Inland vor. Prüfung der Steuemflicht (§ 4 Nr. 1a i. V. m. § 6 I Nr. 1 UStG>: Bei der Lieferung von W an H gelangt die Maschine vom Inland ins Drittlandsgebiet. Die Lieferung wird durch den Unternehmer (W) in das Dritllandsgebiet befördert. Die verlangten Nachweise gelten als erbracht (§ 9 UStDV). Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung sind somit erfüllt. Die Lieferung des W an H, bei der die Maschine tatsächlich in der Schweiz bei K ankommt, ist somit im Inland steuerbar, aber gern. § 6 I Nr. 1 UStG steuerbefreit.

Beispiel: Der deutsche Mobilfunkunternehmer M aus Essen baut in Kanada ein Mobilfunknetz auf. Zu diesem Zweck benötigt er eine Vielzahl von Sendernasten. Diese bestellt er bei dem deutschen Hersteller H in Frankfurt an der Oder. H liefert die Sendernasten direkt an die entsprechenden Baustellen in Kanada. Die Lieferung des H an den M erfolgt gern. § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3 VI uStG in Frankfurt an der Oder, also im Inland, ist aber steuerfrei gern. § 4 Nr. 1a i. V. m. § 6 I Nr. 1 UStG. Die Tatsache, dass der Abnehmer letztlich der (deutsche) M ist, ist insoweit unbeachtlich.

Nach § 6 I Nr. 2 UStG ist eine Ausfuhrlieferung dann steuerfrei, wenn eine steuerbare Lieferung vorliegt und

187

3.2

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

1.

der Gegenstand der Lieferung ins Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 III UStG, gelangt,

2.

die Beförderung oder Versendung über die Außengrenze der EG durch den Abnehmer erfolgt

3.

und der Abnehmer (=Leistungsempfänger) ein ausländischer Abnehmer ist.

Im Gegensatz zur Regelung des § 6 I Nr. 1 UStG wird die Befreiung daran geknüpft, ob ein ausländischer Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat.

Beispiel: Fall wie oben, jedoch: Mobilfunkunternehmer M beauftragt einen Frachtführer, der dann den Transport vornimmt. Die Ausfuhrbefreiung gern. § 6 I Nr. 1 UStG ist nicht einschlägig, da nicht der Unternehmer (H) bzw. dessen Beauftragter den Transport ausführt, sondern der Abnehmer M. Aber auch die Befreiungsvorschrift des § 6 I Nr. 2 UStG greift nicht ein, da M kein ausländischer Abnehmer ist. Im Ergebnis handelt es sich also um eine nicht steuerbefreite Lieferung im Inland. Die entstehende Umsatzsteuer kann M dann allerdings als Vorsteuer abziehen.

Der Begriff des ausländischen Abnehmers wird vom Gesetzgeber in § 6 11 UStG definiert. Danach liegt ein ausländischer Abnehmer vor, wenn der Abnehmer seinen Wohnort oder Sitz im Ausland - ausgenommen in den in § 1 III UStG bezeichneten Gebieten - hat.

Beispiel: Eine amerikanische Ölgesellschaft bestellt bei der deutschen Anlagenbau-GmbH in Dresden eine neue Pumpanlage im Wert von 5 Mio. €. Die amerikanische Gesellschaft holt die Anlage durch eigene LKW bei der Anlagenbau-GmbH ab. Der Vorgang ist gern. § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3 VI S. 1 UStG im Inland (Dresden) steuerbar. Jedoch ist die Lieferung gern. § 6 I Nr. 2 i. V. m. § 6 11 Nr. 1 UStG von der Steuerpflicht befreit, da die amerikanische Ölgesellschaft ein ausländischer Abnehmer ist und den Gegenstand selbst befördert.

Beispiel: Der Transportunternehmer T aus Brasilien bestellt beim Containerhersteller C in München einen Spezialcontainer. T beauftragt den Spediteur Saus Stuttgart mit dem Transport, den dieser mit Hilfe verschiedener Erfüllungsgehilfen durchführt. Prüfung der Steuerbarkeit: Die Lieferung des C an T ist anhand des § 1 I Nr. 1 usio zu prüfen. Eine Lieferung gern. § 3 I UStG liegt vor, da der S bzw. seine Erfüllungsgehilfen im Auftrag des T dem T die Verfügungsrnacht an dem Spezialcontainer verschafft. Der Lieferort ist gern. § 3 VI

188

GrenzUberschreitende Lie{erungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

S. 1 UStG in München, also im Inland. Die sonstigen Voraussetzungen sind erfüllt, mithin liegt ein steuerbarer Vorgang gem. § 1 I Nr. 1 UStG vor. Prüfung der Steuerpflicht: Gem. § 4 Nr. 1a LV.m. § 6 I Nr. 2 UStG muss der Abnehmer (T) den Gegenstand in das Drittland (Brasilien) versenden (hier durch S). Femer ist T ein ausländischer Abnehmer gem. § 6 11 Nr. 1 UStG, da er seinen Sitz im Ausland hat.

Auch eine Zweigniederlassung eines im Inland ansässigen Unternehmers, die ihren Sitz im Ausland hat/ ist ein ausländischer Abnehmer, wenn sie das Umsatzgeschäft im eigenen Namen abgeschlossen hat. Eine Sonderregelung trifft § 6 I Nr. 3 UStG für den Fall, dass der Abnehmer den Liefergegenstand in die in § 1 III UStG bezeichneten Zollfreigebiete, also die Freihäfen, Gewässer und Watten zwischen der Hoheits- und Zollgrenze, befördert oder versendet. Ziel dieser Vorschrift ist es, die Besteuerung des Endverbrauchs auch in den bezeichneten Zollfreigebieten sicherzustellen. Eine Befreiung erfolgt hier nur dann, wenn der Abnehmer entweder Unternehmer ist und für sein Unternehmen erworben hat oder wenn er ausländischer Abnehmer ist. Ausländischer Unternehmer ist er aber dann gerade nicht, wenn er seinen Sitz!Wohnsitz in den bezeichneten Gebieten hat.

Beispiel: Der Lagerist L mit Sitz im Duisburger Hafen bestellt beim Regalhersteller R in Bochum neue Lagerregale. Die Regale liefert R mit eigenen LKW in den Freihafen. Prüfung der Steuerbarkeit: Die Lieferung ist gem. § 1 I Nr. 1 UStG L V. m. § 3 VI S. 1 UStG im Inland (Bochum) steuerbar. Prüfung der Steuerbefreiung: Für eine Ausfuhrbefreiung können die Regelungen des § 6 I Nr. 1 und Nr. 2 UStG nicht eingreifen, weil die Ausfuhr in Freihäfen von dieser Regelung ausdrücklich ausgenommen ist. Die Ausfuhr ist jedoch nach § 6 I Nr. 3 UStG steuerfrei, da L Unternehmer ist und die Regale für sein Untemehmen erworben hat.

Einer Ausfuhrbefreiung steht nicht entgegen, dass der Lieferungsgegenstand vor der Ausfuhr durch Beauftragte be- oder verarbeitet wurde (§ 6 I S. 2 UStG). Die Ausfuhr muss vom Unternehmer anhand entsprechender Belege nachgewiesen werden (§ 6 IV S. 1 UStG). Der Nachweis ist Voraussetzung dafür, dass eine Ausfuhrlieferung von der Umsatzbesteuerung befreit wird. Liegt kein entsprechender Nachweis vor, ist die Befreiung auch dann zu versagen, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass der Gegenstand tatsächlich in das Drittlandsgebiet gelangt ist. Wie die erforderlichen Nachweise zu erbringen sind, ergibt sich infolge der Ermächtigungsvorschrift des § 6 IV S. 2 UStG nach den Vorschriften der Umsatzsteuerdurchfüh189

3.2

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

rungsverordnung (§§ 8-17 UStDV). § 8 UStDV unterscheidet grundsätzlich zwischen sogenannten Ausfuhmachweisen (Belegnachweis) und sog. Buchnachweisen (Aufzeichnungen). Des Weiteren differenziert die Umsatzsteuerdurchführungsverordnung nach der Art der Lieferung in Beförderungsfälle (§ 9 UStDV)/ Versendungsfälle (§ 10 UStDV) und Be- bzw. Verarbeitungsfälle (§ 11 UStDV). In den Fällen, in denen der Lieferant oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert hat (Beförderungsfälle), ist grundsätzlich eine Bescheinigung der Grenzzollstelle eines Mitgliedstaates über die erfolgte Ausfuhr erforderlich (Ausfuhrbestätigung, § 9 UStDV). Bei Versendungsfällen ist der Nachweis gern. § 10 UStDV durch einen Fremdbeleg des die Versendung durchführenden Dritten (Spediteur/Frachtführer) zu erbringen, durch den bestätigt wird, dass der Gegenstand in das Drittland verbracht wurde. § 11 UStDV regelt schließlich die Belegführung bei Bearbeitungsbzw. Verarbeitungsfällen.

3.2.2.3

Steuerbefreiung der Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr

Während die Befreiung von Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) die Lieferung körperlicher Gegenstände betrifft, wird die grenzüberschreitende Erbringung sonstiger Leistungen regelmäßig mangels geeigneter Überprüfungsmechanismen nicht befreit (Ausnahmen: siehe § 4 Nr. 3 und 5 UStG). Das bedeutet aber nicht, dass dem Bestimmungslandprinzip bei sonstigen Leistungen nicht Rechnung getragen würde. Vielmehr wird das Bestimmungslandprinzip in solchen Fällen regelmäßig bereits durch die Bestimmung des Leistungsortes - also auf Ebene der Steuerbarkeitsprüfung - zu verwirklichen versucht. Die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1a i. V. In. § 7 UStG enthält insoweit eine Sonderregelung für eine bestimmte Werkleistung, die sog. Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr. Eine solche liegt vor, wenn ein Gegenstand, der vom Auftraggeber zum Zwecke der Bearbeitung oder Verarbeitung in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt oder von diesem im Gemeinschaftsgebiet erworben wurde, nach entsprechender Beoder Verarbeitung in das Drittlandsgebiet (zurück)gelangt. Da die Werkleistung (sonstige Leistung) hier anhand der tatsächlichen Bewegung des Gegenstandes kontrollierbar ist, erfolgt die Entlastung mit deutscher Umsatzsteuer nicht auf Ebene der Steuerbarkeitsprüfung (Leistungsort), sondern durch eine Steuerbefreiungsvorschrift.

Beispiel: Die in Norwegen ansässige Großfischerei G lässt ihre Fangnetze regelmäßig durch den deutschen Spezialbetrieb S in Flensburg reparieren. Zu diesem Zweck transportiert G die Netze durch eigenes Personal nach Flensburg. Prüfung der Steuerbarkeit: Die Werkleistung (Reparatur; § 3 IV UStG) durch den Unternehmer F ist im Inland gern. § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3a 111 Nr. 3 111. c UStG n. F. steuerbar.

190

GrenzUberschreitende Lie{erungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

Prüfung der Steuerbefreiung: Die Leistung ist gem. § 4 Nr. 1a i. V. m. § 7 I Nr. 2 UStG steuerbefreit, da der Auftraggeber (G) die Gegenstände (Fangnetze) zum Zwecke der Bearbeitung (Reparatur) in das Gemeinschaftsgebiet (Flensburg=Deutschland) eingeführt hat und der Auftraggeber (G) die bearbeiteten Gegenstände (Fangnetze) in das Drittlandgebiet (Norwegen) befördert. Anmerkung: Die (vorangehende) Einfuhr des Gegenstandes in das Inland unterliegt gem. § 1 I Nr. 4 UStG der Einfuhrumsatzbesteuerung in Deutschland. Dafür erhält der die Einfuhrumsatzsteuer zahlende Unternehmer (d. h. der Leistungsempfänger) konsequenterweise auch den Vorsteuerabzug.

Um das Bestimmungslandprinzip vollständig zu gewährleisten, unterliegt die Lohnveredelung bei Wiedereinfuhr in das Drittlandsgebiet den dortigen Besteuerungsregeln. Umgekehrt unterliegt die Wiedereinfuhr in das Gemeinschaftsgebiet der Einfuhrumsatzbesteuerung. Bemessungsgrundlage ist dabei der Werklohn, also das Veredelungsentgelt (§ 11 11 UStG). Die Befreiungstatbestände in § 7 I UStG entsprechen weitgehend den drei Befreiungstatbeständen bei der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen in § 6 I UStG. Im Unterschied zur Ausfuhrbefreiungsvorschrift (§ 6 UStG) wird die Lohnveredelung aber nur dann befreit, wenn der zu be- oder verarbeitende Gegenstand des Auftraggebers von dem Auftraggeber entweder zum Zwecke der Lohnveredelung in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurde oder zum Zwecke der Lohnveredelung im Gemeinschaftsgebiet erworben wurde.

191

3.2

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Abbildung 3-8:

Internationale USt-Fälle (Driitland)

Gerneinschaftsgebiet

Drittlandsgebiet

Einfuhr

1

I

Bearbeitung! Verarbeitung durch Unternehmer

I

Ausfuhr

Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr

Unternehmer (ausländischer Abnehmer)

Grenze

.....

Einfuhr

i

I

Die Lohnveredelung braucht nicht der einzige Zweck der Einfuhr zu sein. Allerdings muss bereits bei der Einfuhr die Absicht der Lohnveredelung bestehen. Aus Vereinfachungsgründen unterstellt die Finanzverwaltung gern. A 141 IV UStR in bestimmten Fällen von vorne herein einen solchen Zweck. Im Gegensatz dazu ist eine Lohnveredelung jedoch dann nicht anzunehmen, wenn ein Gegenstand nach der Einfuhr in das Gemeinschaftsgebiet unbeabsichtigt reparaturbedürftig wird und aus diesem Grund eine Werkleistung vorgenommen werden muss.

Beispiel: Das Wohnmobil des norwegischen Touristen T, mit dem er gerade die Bundesrepublik erkundet, muss infolge eines Motorschadens in einer deutschen KFZ-Werkstatt repariert werden. Das Wohnmobil wurde nicht zum Zwecke einer Reparatur eingeführt, eine Befreiung nach § 7 UStG scheidet danach aus. Vielmehr ist die Reparaturleistung als Werkleistung gern. § 1 I Nr. 1 UStG in der Bundesrepublik steuerbar und steuerpflichtig.

192

GrenzUberschreitende Lieferungsbesteuerung (Drittlandsgebiet)

Beispiel: Der in Russland ansässige Metallbauunternehmer M liefert an die Stahlwalz-GmbH S in Duisburg Rohstahl mit dem Auftrag, diesen in einen für M verarbeitungsfähigen Stahl zu walzen. Nach erfolgter Walzung befördert S den Stahl mit eigenen Lastwagen zu M. Prüfung der Steuerbarkeit: S erbringt eine Werkleistung (Walzung) an dem gelieferten Rohstahl. Die Leistung ist gem. § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3a 11 Nr. 3c S. 1 UStG im Inland (Duisburg) steuerbar. Prüfung der Steuerbefreiung: Fraglich ist, ob die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1a i. V. m. § 7 I Nr. 1 UStG eingreift. Der Rohstahl wird zum Zwecke der Walzung (Bearbeitung) durch den Auftraggeber in das Gemeinschaftsgebiet (Deutschland) eingeführt. Nach Bearbeitung befördert der Unternehmer (S) den Gegenstand in das Drittlandsgebiet (Russland). Folglich liegt eine steuerbefreite Lohnveredelung an einem Gegenstand der Ausfuhr (§ 7 I Nr. 1 UStG) vor.

Beispiel: Der in Russland ansässige Metallbauunternehmer M liefert an die Stahlwalz-GmbH S in Duisburg Rohstahl mit dem Auftrag, diesen in einen für M verarbeitungsfähigen Stahl zu walzen. Nach erfolgter Walzung holt M den Stahl mit Hilfe eines Spediteurs bei S ab und transportiert ihn zurück nach Russland. Prüfung der Steuerbarkeit: S erbringt eine Werkleistung (Walzung) an dem gelieferten Rohstahl. Die Leistung ist gem. § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3a 11 Nr. 3c S. 1 UStG im Inland (Duisburg) steuerbar. Prüfung der Steuerbefreiung: Fraglich ist, ob die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1a i. V. m. § 7 I Nr. 2 UStG eingreift. Der Rohstahl wird zum Zwecke der Walzung (Bearbeitung) durch den Auftraggeber in das Gemeinschaftsgebiet (Deutschland) eingeführt. Nach Bearbeitung versendet der Auftraggeber (M) den Gegenstand mit Hilfe eines Spediteurs zurück nach Russland. M ist auch ein ausländischer Auftraggeber i. S. des § 7 11 i. V. m. § 6 11 UStG. Folglich liegt eine steuerbefreite Ausfuhrlieferung gem. § 7 I Nr. 2 UStG vor.

Beispiel: Der in Russland ansässige Metallbauunternehmer M erwirbt vom Unternehmer K in Bochum Rohstahl. M beauftragt den K, den Stahl an die Stahlwalz-GmbH S in Duisburg zu transportieren um den Stahl dort zu walzen. Nach erfolgter Walzung holt M den Stahl bei S durch eigenes Personal ab. Prüfung der Steuerbarkeit: S erbringt eine Werkleistung (Walzung) an dem gelieferten Rohstahl. Die Leistung ist gem. § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3a 11 Nr. 3c S. 1 UStG im Inland (Duisburg) steuerbar. Prüfung der Steuerbefreiung: Fraglich ist, ob die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1a i. V. m. § 7 I Nr. 2 UStG eingreift. Der Auftraggeber M hat den Gegenstand zum Zwecke der Bearbeitung (Walzung) im Gemeinschaftsgebiet, nämlich bei K in Bochum erworben. Ferner hat der Auf-

193

3.2

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

traggeber (M) den Gegenstand nach Bearbeitung in das Drittlandsgebiet (Russland) durch eigenes Personal befördert. Der Auftraggeber ist auch ausländischer Auftraggeber i. S. des § 7 11 i. V. m. § 6 11 usio => Die Leistung ist steuerfrei.

3.2.2.4

Vorsteuerabzug bei steuerbefreiten Ausfuhren

Nach § 15 11 S. 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die bezogenen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet werden. Durch die umsatzsteuerliche Entlastung der Ausfuhr (§ 4 Nr. 1 i V. In. § 6 UStG) bzw. der Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr (§ 4 Nr. 1 i. V. m. § 7 UStG) führt der Unternehmer im Ergebnis steuerfreie Umsätze aus, so dass ihm der Vorsteuerabzug grundsätzlich verwehrt bliebe. Die konsequente Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips erfordert jedoch die Beibehaltung des Vorsteuerabzugs. Daher sieht § 15 III Nr. 1a UStG eine Ausnahme vom Ausschluss des Vorsteuerabzugs für Ausfuhrlieferungen vor. Im Ergebnis behält der Unternehmer bei Ausfuhrlieferungen daher das Vorsteuerabzugsrecht. Man spricht folglich von steuerfreien Umsätzen mit Vorsteuerabzugsrecht.

3.3

GrenzUberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

3.3.1

Konzeption des Umsatzsteuerbinnenmarktes

3.3.1.1

Harmonisierung der Umsatzbesteuerung

Für die Harmonisierung der Umsatzbesteuerung auf europäischer Ebene sind die Bestimmungen des EG-Vertrages über den gemeinsamen Binnenmarkt, also insbesondere die Art. 14 und Art. 93 EG-Vertrag relevant. Nach Art. 93 EG-Vertrag sollen die Umsatzsteuer, Verbrauchsabgaben und sonstige indirekten Steuern in den Mitgliedstaaten angeglichen werden, soweit dies für die Errichtung und das Funktionieren eines gemeinsamen Binnenmarktes erforderlich ist. Dahinter steht das Ziel, einen freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital zu gewährleisten (sog. Grundfreiheiten), mit dem vor allen Dingen steuerliche Abgaben und Erschwernisse, die an einen Waren- oder Dienstleistungsverkehr über die innergemeinschaftlichen Staatsgrenzen anknüpfen, sowie jegliche steuerliche Diskriminierung zwischen EG-Ausländern und Inländern unvereinbar wären. Nicht unvereinbar mit dem Kon-

194

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

zept einer harmonisierten Steuer ist es hingegen, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Umsatzsteuersätze angesetzt werden dürfen. Nach Art. 14 EG-Vertrag war die Gemeinschaft verpflichtet, bis zum 31.12.1992 die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Harmonisierung der indirekten Steuern und somit insbesondere der Umsatzsteuer zu verwirklichen. Die Harmonisierung erfolgt mit Hilfe verbindlicher Richtlinien (Art. 249 III EG-Vertrag), die durch die Organe jedes Mitgliedstaates in angemessener Zeit in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Für die Umsatzsteuer wurden entsprechende Regelungen in der 6. EG-Richtlinie zusammengefasst. Sechste Richtlinie (EWG) NI. 77/388 zur Hannonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern vom 17. Mai 1977 mit späteren Änderungen.

Diese Richtlinie wurde durch das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz vom 25.08.1992in nationales Recht umgesetzt. Das Ziel des EG-Gesetzgebers war es, trotz Wegfalls der Grenzkontrollen innerhalb der Gemeinschaft weiterhin am Bestimmungslandprinzip bei der Umsatzsteuer festzuhalten. Gründe hierfür waren vor allem, dass bei einem Übergang auf das Ursprungslandprinzip die exportstarken Länder einen erheblichen Zuwachs an USt-Aufkommen zulasten der ärmeren Länder erhalten hätten und die Mitgliedstaaten nicht bereit waren, diese negativen Effekte eines Systemwechsels durch einen Einstieg in einen Fiskalausgleich zwischen den EUMitgliedstaaten auszugleichen. Darüber hinaus hätte ein Übergang zum Ursprungslandprinzip den Mitgliedstaaten den Zwang auferlegt, zu einem gemeinschaftsweit - wenigstens fast völlig identischen Umsatzsteuersatz überzugehen. Dies erschien aber wegen der hohen Unterschiede zwischen den nationalen Steuersätzen (die Spanne reicht von 15 % in Luxemburg bis zu 25 % in Dänemark und Schweden) nicht möglich, denn es hätte entweder unabsehbare Folgen sozialer Art (Preissteigerungen bei drastischer Steuersatzerhöhung) oder fiskalischer Art (Einnahmeausfälle bei Steuersatzsenkungen) mit sich gebracht. Weil aber die deutsche Seite als einzige von den Verhandlungspartner kategorisch darauf bestand, dass am Ende der USt-Harmonisierung letztendlich der Übergang zum Ursprungslandprinzip stehen müsse, wurde schließlich, um den Erfolg des Binnenmarktes nicht zu gefährden, zwischen den EG-Finanzministern ein Formelkompromiss geschlossen. Man einigte sich darauf, die Umsatzbesteuerung innerhalb des Binnenmarktes grundsätzlich weiterhin nach dem Bestimmungslandprinzip auszurichten. Jedoch wurde diese Regelung offiziell nur als eine "Übergangsregelung" auf dem Weg zum Ursprungslandprinzip betitelt. Der"Übergangscharakter" wurde dadurch unterstrichen, dass sämtliche Vorschriften über den Binnenmarkt in der 6. EG-Richtlinie in einer betont provisorischen Art und Weise abgefasst wurden (damit leider aber auch unübersichtlich). Zugleich wurde nur eine Befristung der Übergangsregelung bis zum 31.12.1996 vereinbart, die sich allerdings bis zur Formulierung einer "endgültigen" Regelung stets automatisch verlängert. Weil eine endgültige Regelung aber nur mit der Zustimmung aller 15 EG195

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Finanzminister verabschiedet werden konnte, war von Anfang an klar, dass die "Übergangsregelung" in Wirklichkeit auf Dauer gelten würde. Dadurch, dass die Binnenmarktregelung offiziell als nicht endgültig bezeichnet wurde, hat sich die deutsche Seite im Endeffekt lediglich das (moralische) Recht gesichert, den Partnern auch in Zukunft immer wieder Vorschläge zu einer Reform des USt-Systems auf der Grundlage des Ursprungslandprinzips machen zu dürfen. Wie langfristig die "Übergangsregelung" in Wirklichkeit bestehen wird, mag man daran erkennen, dass bis heute, also lange Zeit nach dem Auslaufen der ursprünglichen Frist, noch von keiner Seite, auch nicht von der deutschen, irgendein offizieller Vorschlag für eine endgültige Regelung gemacht worden ist.

3.3.1.2

Grundgedanken der umsatzsteuerlichen Behandlung eines EUinternen Liefervorganges (Normalfalle)

3.3.1.2.1

(a)

Erste Alternative: Steuerpflicht des Käufers im Bestimmungsland

Grundprinzipien

Bei ihrem Anliegen, die Besteuerung im Bestimmungsland eintreten zu lassen, wollten die EG-Finanzminister eine möglichst einfache Lösung für alle Beteiligten erreichen. Nun ist es in dem Fall, in dem der Exporteur die Ware aus seinem eigenen Land in das Land liefert, in dem der Kunde/ Empfänger seinen (Wohn)Sitz innehat, wohl eher dem Kunden als dem Lieferanten zuzumuten, dieses Geschäft umsatzsteuerlich zu deklarieren und die Steuer dafür abzuführen. Der Kunde ist in dem Land, das den Steueranspruch erhebt (Bestimmungsland), selbst ansässig, der Lieferant dagegen nicht; der Kunde spricht die selbe Sprache, in der die dortigen Steuerformulare verfasst sind, der Lieferant dagegen vermutlich nicht, und der Kunde hat vermutlich auch schon Kontakte zu den dortigen Finanzämtern, der Lieferant dagegen wohl normalerweise ebenfalls nicht (Praktikabilität). Auch für das Finanzamt ist natürlich der Kunde als Steuerschuldner angenehmer als der Unternehmer, denn so kann die Steuer im eigenen Land beigetrieben werden (Sicherung des Steueranspruchs); dagegen könnte man Steueransprüche gegen einen ausländischen Unternehmer nur auf etwas aufwendigerem Wege vollstrecken. Daher versucht das Umsatzsteuersystem für den Europäischen Binnenmarkt, die Steuerzahlung für innergemeinschaftliche Liefervorgänge so weit wie möglich dem Kunden aufzuerlegen. Es ist jedoch zu beachten, dass man nicht jeder Person umsatzsteuerliche Pflichten auferlegen kann. Vielmehr muss man realistischerweise drei Gruppen möglicher Kunden unterscheiden:

196

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

•

Kunden, die Unternehmer sind und die bereits in vollem Umfang umsatzsteuerliche Pflichten in ihrem Heimatstaat zu erfüllen haben (Schlagwort: "VollUnternehmer"); diesem Kundenkreis kann man es immer und ohne Ausnahme zumuten, nicht nur die eigenen Verkäufe (Umsätze), sondern zusätzlich auch noch die eigenen Einkäufe zu deklarieren, wenn Waren aus anderen Mitgliedstaaten erworben wurden. Denn Voll-Unternehmer praktizieren in aller Regel bereits ein System von Aufzeichnungen, das es ihnen ermöglicht, die erforderlichen Angaben ohne besondere Schwierigkeiten zu machen, und sie kennen sich außerdem im UStG hinreichend sicher aus.

•

Kunden, die Privatleute sind und von denen man daher nicht erwarten kann, dass sie über eine Buchhaltung über ihre Einkäufe verfügen und/oder dass sie überhaupt von der Existenz von umsatzsteuerliehen Pflichten etwas wissen könnten. Diesem Personenkreis kann man es aus Sicht des Gesetzgebers daher ausnahmslos nie zumuten, für Einkäufe aus anderen EU-Staaten die Umsatzsteuerpflichten zu übernehmen. "Privatleute" in diesem Sinne sind aus Sicht des (Gemeinschafts-) Gesetzgebers nur natürliche Personen. Zu diesem Personenkreis gehören aber auch Unternehmer, soweit sie als Privatperson handeln (also außerhalb ihres Unternehmens); denn auch Unternehmern ist nicht zuzumuten, für ihre privaten Einkäufe eine Buchhaltung einrichten zu müssen.

•

Schließlich und endlich gibt es auch eine Gruppe von Kunden, die zwischen den beiden vorgenannten Extremen anzusiedeln ist, weil bei ihr die Antwort auf die Frage, ob diese Kunden als Schuldner der Umsatzsteuer für ihre Einkäufe herangezogen werden können, nicht eindeutig ist. Zu diesem Personenkreis gehören einerseits die juristischen Personen (natürlich nur, wenn sie nicht ein Unternehmen betreiben und deswegen zur Gruppe der Voll-Unternehmer gehören) und andererseits bestimmte Unternehmer, die umsatzsteuerlich einer Sonderbehandlung unterliegen und sich daher allein wegen der Besteuerung der Einkäufe in die ihnen ganz fremde Technik der normalen Umsatzsteuer einarbeiten müssten (Kleinunternehmer; Unternehmer, die nur steuerfreie Umsätze ausführen; pauschal besteuerte Land- und Forstwirte). Diese Personengruppe wird, weil sie quasi "auf halbem Wege" zwischen den Unternehmern und den Privatleuten angesiedelt ist, gerne mit dem Etikett "Halb-Unternehmer" bezeichnet.

Diese Bezeichnung stellt jedoch nur ein vereinfachendes Schlagwort dar; man muss sich unbedingt vor Augen halten, dass der Begriff "Halb-Unternehmer" nichts mit dem "Unternehmer"-Begriff aus § 2 UStG zu tun hat, sondern nur die Zwitterstellung dieser Personengruppe zwischen "Voll-Unternehmern" und "Privatleuten" kennzeichnen soll. Zu dieser Personengruppe gehören nämlich nicht nur Unternehmer, sondern auch umsatzsteuerliche Nicht-Unternehmer (die juristischen Personen, die kein Unternehmen betreiben). Für diese "Halb-Unternehmer" hat der (EG-)Gesetzgeber die Grundsatzentscheidung getroffen, dass er ihnen die Zahlung einer Umsatzsteuer für ihre Einkäufe aus anderen Mitgliedstaaten nur dann auferlegen will, wenn diese Käufe einen größeren Umfang erreichen. Solange nur Bagatellfälle vorliegen, sollen sie

197

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

dagegen -anders als die Voll-Unternehmer- nicht als Steuerschuldner für die innergemeinschaftlichen Geschäfte herangezogen werden; sie werden dann vielmehr noch wie Privatleute behandelt. Anders ist das dagegen, wenn Käufe aus anderen Mitgliedstaaten in einem größeren Umfang erfolgen; dann hält der Gemeinschaftsgesetzgeber es bei den "HalbUnternehmern" für zumutbar, dass diese sich in die Erfüllung der entsprechenden umsatzsteuerliehen Pflichten einarbeiten müssen. Da der Verzicht auf die steuerliche Erfassung in Bagatellfällen für diesen Personenkreis nur eine Erleichterung darstellen soll, hat der Gesetzgeber hier übrigens - anders als bei "Privatleuten" - keine Einwände, wenn ein "Halb-Unternehmer", der nur in sehr geringem Umfang Einkäufe aus anderen EG-Staaten tätigt, die Pflichten als Steuerschuldner trotzdem übernehmen will; daher können Halb-Unternehmer, die mit ihren Käufen unterhalb der Schwellenwerte für Bagatellfälle bleiben, sich durchaus freiwillig dazu entschließen, Steuerschuldner für solche Geschäfte zu werden (Optionsrecht). Wird die Steuer durch den Käufer bezahlt, ist damit klar, dass der Verkäufer für das betreffende Geschäft nicht auch noch mit USt belastet werden darf. Hierbei müssen Kontrollmechanismen existieren. Denn sonst könnte die Gefahr bestehen, dass der Verkäufer behauptet, er habe Waren an Personen in anderen Mitgliedstaaten verkauft, die dort die USt zahlen, und deswegen keine USt zahlen muss, wenn er die Waren in Wirklichkeit im Inland abgesetzt hat.Eine solche Hinterziehungsmöglichkeit wäre für den fairen Wettbewerb der Unternehmer im Inland eine erhebliche Gefahr, könnte doch der betreffende Unternehmer seine Waren illegal ohne jede Umsatzsteuerbelastung auf dem heimischen Markt anbieten, also meistens 19 Prozentpunkte billiger als seine Konkurrenten. Diese Gefahr muss in möglichst allen Fällen ausgeschlossen bleiben. Aus diesem Grund hat sich der Gemeinschaftsgesetzgeber dazu entschlossen, ein Liefergeschäft eines Unternehmers, der eine Ware in einen anderen EU-Staat exportiert, nur dann ohne Steuerbelastung zu belassen, wenn dieser Unternehmer nachweisen kann, dass er die Ware an einen Kunden verkauft hat, der in seinem Land die Zahlung der Steuer übernommen hat.

(b) i)

Gesetzestechnische Umsetzung

Behandlung des grenzüberschreitenden Geschäfts beim Kunden

Da es im Umsatzsteuergesetz in der Vergangenheit nur eine Steuerbarkeit von Umsätzen auf der Leistungsausgangsseite, also von Lieferungen oder Leistungen, gab, musste zur Umsetzung des Umsatzsteuersystems für den Binnenmarkt zunächst ein vollständig neuer Steuertatbestand geschaffen werden, durch den es möglich wurde, auf Einkäufe Umsatzsteuer zu verlangen. Daher fügte der Gesetzgeber im Zuge des Umsatzsteuerbinnenmarktgesetzes dem Katalog der steuerbaren Tatbestände in § 1 I UStG als Nr. 5 den neuen Tatbestand des "innergemeinschaftlichen Erwerbs" hinzu. Da, wie sich 198

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

aus dem vorstehenden Unterkapitel ergibt, aber keinesfalls jeder automatisch für Einkäufe ("Erwerbe") von Waren aus anderen Mitgliedstaaten Steuerschuldner werden sollte, sondern nur bestimmte Personenkreise, musste zusätzlich geregelt werden, wann ein steuerbarer "innergemeinschaftlicher Erwerb" vorliegt. Dies geschah in einem neu geschaffenen § 1a UStG. Dort musste also - wie schon erläutert - festgelegt werden, •

dass es nur um die "Binnenmarkt-Fälle" gehen sollte, d. h. die Fälle, bei denen ein Gegenstand von einem Staat der EU in einen anderen gelangt, (vgl. daher § 1a I Nr. 1 UStG). dass die Besteuerung des Erwerbs überhaupt nur in Frage kommen kann, wenn der Käufer ("Erwerber") der Ware entweder ein "Voll-Unternehmer" (§ 1a I Nr. 2a UStG) oder ein "Halb-Unternehmer" (§ 1a III Nr. 1 a-c UStG) ist und • dass bei einem Käufer, der ein "Halb-Unternehmer" ist (§ 1a III Nr. 1 a bis d UStG)/ dieser Steuertatbestand grundsätzlich nur dann greifen soll, wenn es sich nicht nur um Bagatellfälle handelt (§ 1a III Nr. 2 UStG; Festlegung der sog. "Erwerbsschwelle").

•

Außerdem sollen die Halb-Unternehmer, die unterhalb der Bagatellgrenze liegen, auf ihre Nichterfassung freiwillig verzichten dürfen (daher § 1a IV UStG)/

•

und man muss außerdem klarstellen, dass man mit der Besteuerung von innergemeinschaftlichen Warengeschäften beim Käufer nur solche Vorgänge erfassen will, die es nach dem tragenden Gedanken des UStG grundsätzlich überhaupt verdienen/ besteuert zu werden: also nur Geschäfte, bei denen der Verkäufer ein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer ist (daher § 1a I Nr. 3a UStG). Denn z. B. den Verkauf eines Radios durch einen Privatmann will die Umsatzsteuer grundsätzlich nicht erfassen; und auch Verkäufe eines Kleinunternehmers sollen aus dem System ausgeklammert bleiben, weil der Sinn der Kleinunternehmerregelung ja gerade darin besteht/ Kleinunternehmer wie Privatpersonen zu behandeln (daher § 1a I Nr. 3b UStG).

ii) Behandlung des grenzüberschreitenden Geschäfts beim Verkäufer Neben der Umsetzung der Regelungen für den Kunden ist selbstverständlich noch durch entsprechende gesetzliche Vorschriften zu sichern, dass der Lieferant zwar im Endeffekt keine Steuerbelastung tragen muss, dies aber nur dann geschieht, wenn er auch wirklich beweisen kann, dass er die Ware an einen Kunden in einem anderen EUStaat exportiert hat (und dieser die Steuer dafür zahlt). Aus diesem Grund sehen die 6. EG-Richtlinie und auch das UStG vor, dass die betreffenden Lieferungen beim liefernden Unternehmer grundsätzlich steuerbar werden und die Nichtbelastung des Geschäfts nur durch eine Steuerbefreiung umgesetzt wird. Denn dann hat der Unternehmer für das Vorliegen aller Voraussetzungen der Befreiung die Beweislast. Kann er den korrekten Nachweis dafür, dass es sich um einen

199

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Umsatz handelt, für den der Kunde im Bestimmungsland die Steuer bezahlt, nicht erbringen, muss er daher trotz allem USt bezahlen. Auf diese Art und Weise sichert der Gesetzgeber, dass der liefernde Unternehmer ein Interesse an maximaler Sorgfalt bei der Dokumentation und Nachpriifbarkeit des Liefergeschäfts hat. Das Gesetz muss also normieren, dass •

die Lieferung einer Ware durch einen Unternehmer an einen erwerbsteuerpflichtigen Kunden in einen Mitgliedstaat der EU sehr wohl steuerbar ist, und

•

dass eine solche Lieferung ggf. aber steuerfrei ist.

Die Steuerbarkeit der betreffenden Lieferungen ergibt sich bereits, wenn man § II Nr. 1 UStG auf diesen Vorgang anwendet. Da eine Lieferung vorliegt, die im Rahmen des Unternehmens durch einen Unternehmer gegen Entgelt erfolgt, und weil der Ort einer solchen Lieferung nach der Grundregel des § 3 VI UStG automatisch in dem Land liegt, wo der liefernde Unternehmer sein Unternehmen oder seine Niederlassung betreibt, benötigt der Gesetzgeber keinerlei Sonderregelung, um das gewünschte Ergebnis (Steuerbarkeit des Lieferanten in seinem eigenen Land) zu erreichen. Für die Steuerbefreiung (steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung, § 6a UStG) ist dagegen eine besondere Vorschrift nötig, weil die Vorschriften über die Ausfuhr an Zolldokumente etc. anknüpfen und daher EU-intern keinen Sinn machen würden. Es musste also eine Befreiungsvorschrift geschaffen werden, durch die eine Lieferung genau dann steuerfrei gestellt wird, wenn auf der Seite des Kunden ein steuerbarer Erwerb vorliegt, also wenn •

der Gegenstand - von wem auch immer - vom Land des Unternehmers in einen anderen EU-Staat befördert oder versendet worden ist (vgl § 6a I Nr. 1 UStG)

•

der Abnehmer ein Voll-Unternehmer (§ 6a I Nr. 2a UStG) oder ein HalbUnternehmer ist (letztere unter § 6a I Nr. 2b UStG erfasst), und

•

dieser Abnehmer, wenn er Halb-Unternehmer ist, nicht zu denjenigen Halb-Unternehmern gehören darf, die wie Privatleute behandelt werden (daher § 6a I Nr. 3 UStG)

Außerdem muss noch einmal klarstellend festgelegt werden, dass der Unternehmer die Voraussetzungen der Befreiung nachweisen muss (§ 6a III UStG), und dass das BMF hierzu Vorgaben machen darf, wie das zu geschehen hat (§ 6a III S.2 UStG). Kommt der Unternehmer der Nachweispflicht nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Der EuGH und der BFH haben im Jahre 2007 entschieden, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung ausnahmsweise, trotz Nichterfüllung der Nachweis-

200

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

pflicht vorliegen kann, wenn unzweifelhaft objektiv feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a I UStG vorliegen. lO Schließlich hat der deutsche Gesetzgeber außerdem noch eine Härtefallklausel in das Gesetz aufgenommen, die regelt, was geschehen soll, wenn der Lieferant glaubte, sein Abnehmer sei eine erwerbsteuerpflichtige Person, diese Annahme aber falsch war. Nach dieser Härtefallbestimmung kann die Finanzverwaltung dann, wenn dieser Irrtum dadurch entstanden ist, dass der Abnehmer unrichtige Angaben gemacht hat und der Lieferant das auch bei Beachtung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, die entgangene Steuer nur von dem betrügerischen Abnehmer verlangen (§ 6a IV UStG).

10 Vgl. EuGH vom 27.09.2007, RS. C.-146j05, UR 2007, S. 813; BFH vom 06.12.2007, VR 59/03, UR 2008, S. 186. 201

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

(c)

Ubersicht: Steuerpflicht des Käufers im Bestimmungsland

Abbildung 3-9:

Internationale USt-Fälle (EG-Binnenmarkt)

Umsatzsteuer-Binnenmarkt: 1. Fallvariante Ursprungsland

Bestimmungsland

(Gemeinschaftsgebiet)

(Gemeinschaftsgebiet)

(Voll) Unternehmer Q)

(Voll) Unternehmer

N s:::::

... Q)

tl/l s:::::

r

Q)

I

s::::: s:::::

ii5

Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1b LV.m. § 6a UStG (analoge Regelung im Ursprungsland))

Innersemeinschaftlicher Erwerb (§ 1 I Nr. 5 i.Vm. § 1a UStG) - Verlagerung des Ortes des innergemeinschaftlichen Erwerbes in das Inland gern. § 3d UStG. -Steuerschuldner ist der Erwerber: § 13a I Nr. 2 UStG.

3.3.1.2.2

(a)

Zweite Alternative: Steuerpflicht des Verkäufers im Bestimmungsland ("Lieferantenbesteuerung"; "Versandhandelsregelung")

Grundprinzipien

In den Fällen, in denen die angenehmste Möglichkeit zur Verwirklichung des Bestim-

mungslandprinzips, nämlich dem Käufer die Steuerzahlung im Bestimmungsland aufzuerlegen, nicht verwirklicht werden kann, bleibt dem Gesetzgeber nur die Alternative, stattdessen den Lieferanten ("Lieferantenbesteuerung" im Bestimmungsland) dazu zu verpflichten, die Steuer an das Bestimmungsland der Ware zu zahlen. Dies

202

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

bedeutet, dass der Lieferant seine Lieferung im Bestimmungsland der Ware nach den dortigen USt-Gesetzen zu deklarieren und zu versteuern hat. Auch diese Lösung ist jedoch nicht uneingeschränkt praktizierbar: •

Sie kommt ausschließlich dann in Frage, wenn der Verkäufer die Ware selbst an den Bestimmungsort befördert oder versendet (sog. "Versandhandelsregelung") hat. Denn nur dann kann der Verkäufer mit hinreichender Sicherheit feststellen, in welchen Staat die von ihm gelieferte Ware gelangt. Wird die Ware dagegen bei ihm vom Kunden (oder einem Beauftragten des Kunden) entgegengenommen und von diesem befördert oder versendet ("Abholung"), kann der Lieferant den Bestimmungsort der Ware nichtmit hinreichender Sicherheit kennen. Eine Steuerzahlungspflicht des Lieferanten gegenüber dem Bestimmungsland kann somit aus rein praktischen Gründen in diesem Fall von vornherein nicht in Betracht kommen.

•

Darüber hinaus ist es für den Lieferanten eine erhebliche wirtschaftliche Belastung, wenn er mit seinen Geschäften in einem anderen Staat zur Umsatzsteuer herangezogen wird. Es wird für ihn notwendig, die dortigen Steuerformulare auszufüllen und sich in die dortigen Steuergesetze einzuarbeiten. Unter Umständen zwingt ihn die ausländische Gesetzgebung, einen ortsansässigen Vertreter mit der Erstellung der USt-Erklärung und der Abwicklung der Steuerzahlungen zu beauftragen. All dies verursacht erhebliche Kosten und ist daher selbst dann, wenn das Bestimmungsland feststellbar ist, nur dann zumutbar, wenn die betreffenden Umsätze eine bestimmte Mindesthöhe erreichen. Für Bagatellfälle muss daher auch im Rahmen dieser Regelung eine Ausnahme vorgesehen werden. Jedoch sollte ein Unternehmer, der die entsprechenden Belastungen freiwillig auf sich nehmen will, auf diese Ausnahmeregelung auch verzichten dürfen (Wahlrecht).

(b)

Gesetzestechnische Umsetzung

Wenn das Gesetz dieses Resultat erreichen will, muss der entsprechende Umsatz des Lieferanten im Bestimmungsland der Ware steuerbar erklärt werden. Der (EG-)Gesetzgeber, der mit der Schaffung neuer Tatbestände im Umsatzsteuerrecht möglichst zurückhaltend sein will, stellte im Zuge seiner Überlegung fest, dass bei einem solchen Liefervorgang die ersten vier Merkmale des § 1 Nr. 1 UStG automatisch erfüllt wären (Lieferung, durch Unternehmer, im Rahmen des Unternehmens, gegen Entgelt). Das gewünschte Ergebnis würde nur daran scheitern, dass die Ortsbestimmung nach § 3 VI UStG als 1I0rt der Lieferung" das Land ergeben würde, wo die BeförderungNersendung der Waren beginnt (Ursprungsland). Weil für die betrachteten Fallgestaltungen offensichtlich nur die Ortsbestimmungsregel des § 3 VI UStG das gewünschte Ergebnis verhinderte, entschied sich der Gesetzgeber dafür, den Ort in derartigen Fällen fiktiv ins Bestimmungsland der Ware zu verlegen (Ort der Lieferung in besonderen Fällen, § 3e UStG). Also musste für die Umsetzung der zweiten Lösungsalternative ("Lieferantenbesteuerung", "Versandhandelsregelung") nur eine Vorschrift

203

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

geschaffen werden, die den Ort der Lieferung ins Bestimrnungsland der Ware verlegt (§ 3e I S. 1 UStG)/ aber nur, wenn •

es sich nicht um einen Fall handelt, der nicht schon nach den Regeln über die "Erwerbsbesteuerung" gelöst werden kann (das besagt § 3c 11 UStG)/

•

die Ware vom Lieferanten befördert oder versendet worden ist, also kein "Abholfall" vorliegt (§ 3c I S. 1 UStG) und

•

es sich auch nicht um einen Bagatellfall handelt. Hierfür wird also eine Bagatellgrenze für die "Lieferantenbesteuerung" festgelegt, die sog. "Lieferschwelle", und es wird festgelegt, dass für die Beurteilung der Fälle jeweils die Lieferschwelle gilt/ die im Bestimmungsland der Ware festgelegt worden ist (§ 3e III UStG).

•

außerdem muss dem Lieferanten das Recht eingeräumt werden, auf die Bagatellgrenze zu verzichten, und die Bedingungen hierfür müssen festgelegt werden (§ 3e IVUStG).

204

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

(c)

Ubersicht: Steuerpflicht des Verkäufers/Lieferanten im Bestimmungsland

Abbildung 3-10:

Internationale USt-Fälle (EG-Binnenmarkt)

Umsatzsteuer-Binnenmarkt: 2. Fallvariante

Beförderungs-Nersendungsfall Ursprungsland

Bestimmungsland

(Gemeinschaftsgebiet)

(Gemeinschaftsgebiet)

(Voll) Unternehmer

Privatperson oder "Halbunternehmer"

cu

N l::

~

(der die Erwerbschwelle unterschreitet)

1

Oll l::

I

CU l:: l::

iii LI.eferung an die Privatperson ist im Ursprungsland nicht teuerbar ( § 1 I Nr. 1 i.V.m. § Je UStG (analoge Regelung im Ursprungsland))

Erwerb durch Privatperson I bestimmte Halbunternehmer (§ 1 I Nr. 1 i.Vm. § Je UStG) - Verlagerung des Ortes in das Inland gem. § 3c UStG. . Steuerschuldner ist der Lieferer:

~13a I Nr. 1 UStG.

3.3.1.2.3

(a)

Dritte Alternative: Steuerpflicht des Verkäufers/Lieferanten im Ursprungsland

Grundgedanke

Lässt sich das Bestirnrnungslandprinzip weder durch die Besteuerung des Kunden noch durch die Besteuerung des Lieferanten verwirklichen, so ist seine Verwirklichung in den betreffenden Fällen offensichtlich unmöglich. Daher bleibt nichts anderes übrig, als auf die Durchführung des Bestirnrnungslandprinzips zu verzichten und auf die Besteuerung nach dem Ursprungslandprinzip überzugehen. Da es sich hierbei nur um Fälle handeln kann, in denen kein Kunde vorhanden ist, dem man die Steuerzah205

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

lung zumuten könnte (denn sonst würde schon die Lösungsaltemative I, die Erwerbsbesteuerung, verwirklicht werden), ist außerdem klar, dass die Pflicht zur Steuerzahlung in diesen Fällen nur den Lieferanten treffen kann.

Abbildung 3-11:

Internationale USt-Fälle (EG-Binnenmarkt)

Umsatzsteuer-Binnenmarkt: 3. Fallvariante

Abholfalle Ursprungsland

Bestimmungsland

(Gemeinschaftsgebiet)

(Gemeinschaftsgebiet)

(Voll) Unternehmer

CIJ N

c::

CIJ ...on

c:: CIJ c:: c::

ii5

Lieferung an die Privatperson/an Halbunternehmer ist im Ursprungsland steuerbar ( § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 VI UStG (analoge Regelung im Ursprungsland))

(b)

Privatperson oder "Halbunternehmer" (der die Erwerbschwelle unterschreitet)

1 Erwerb durch Privatperson / bestimmte Halbunternehmer (§ 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 VI UStG) - Vorgang ist im Inland nicht steuerbar

Gesetzestechnische Umsetzung

Wendet man auf einen Fall grenzüberschreitender Lieferungen die normalen Regelungen des UStG an (§ 1 I Nr. 1 UStG, § 3 VI UStG), so stellt man fest, dass diese Grundregeln bereits zu dem hier gewünschten Ergebnis führen: Es kommt beim Lieferanten zur Steuerbarkeit der Lieferung, weil eine Lieferung durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt worden ist, und zwar in dem Ursprungsland der Ware, denn dort hat die Beförderung oder Versendung durch den Lieferanten oder durch den Kunden ("Abholung") begonnen. Daher ist für diese dritte Lösungsalternative keinerlei Sonderregelung im UStG erforderlich gewesen. 206

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

(c)

Ubersicht: Steuerpflicht des Verkäufers/Lieferers im Ursprungsland

Abbildung 3-12:

Internationale USt-Fälle (EG-Binnenmarkt)

Umsatzsteuer-Binnenmarkt: 4. Fallvariante

Beförderungs- Nersendungsfall nur, wenn der Lieferer die maßgebliche Lieferschwelle nicht überschreitet

Ursprungsland

Bestimmungsland

(Gemeinschaftsgebiet)

(Gemeinschaftsgebiet)

Unternehmer der die Lieferschwelle nicht überschreitet

(der die Erwerbschwelle unterschreitet)

c::

1

i:a

Lieferung an die Privatperson I an den Halbunternehmer ist im Ursprungsland steuerbar ( § 1 I Nr. 1 LV.m. § 3 VI UStG (analoge Regelung im Ursprungsland))

Erwerb durch Privatperson I bestimmte Halbunternehmer (§ 1 I Nr. 1 LVm. § 3 VI UStG) . Vorgang ist im Inland nicht steuerbar

Ausnahmeregelungen (Sonderfälle)

3.3.1.3.1 (a)

QJ ....on

c:: QJ c:: c::

I

3.3.1.3

N

Privatperson oder "Halbunternehmer"

QJ

Ausnahmefall 1: Verbringungsregelung

Grundgedanke

Grundsätzlich erfasst das gesamte System für die Besteuerung von Liefergeschäften im Binnenmarkt nur Liefervorgänge. Wenn kein Verkaufsvorgang stattfindet, kann eine Ware demnach innerhalb des Binnenmarktes frei hin und her transportiert werden. Würde dieser Grundsatz ausnahmslos durchgehalten und auch auf den Besitz er207

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

werbsteuerpflichtiger Personen angewandt, so würde es jedoch große praktische Schwierigkeiten geben. Das Ziel der gesamten Erwerbsbesteuerung, zu sichern, dass Gegenstände mit der Steuer des Bestimmungslandes belastet werden, ließe sich dann nämlich sehr leicht unterlaufen. Gäbe es keine Ausnahmeregelung, dann bräuchte der Erwerbsteuerpflichtige nur, anstatt die Ware in seinem eigenen Staat anzukaufen, statt dessen die Ware zunächst für eine ausländische Niederlassung in einem "Niedrigumsatzsteuerland" erwerben, um sie anschließend durch eine Verbringung zwischen den einzelnen Niederlassungen seines Unternehmens - jetzt aber eben ohne Verkaufsvorgang - in sein Heimatland zu transferieren.

Beispiel: Ein nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer aus Dänemark gründet in Luxemburg eine Zweigniederlassung, deren Zweck ausschließlich darin besteht, dort innergemeinschafllich Gegenstände für ihn zu erwerben, sie mit dem dortigen örtlichen Steuersatz (15 %) der Erwerbsteuer zu unterwerfen und diese Gegenstände nach einer bestimmten Zeit nach Dänemark zu verbringen. Gäbe es für den Fall der Verbringung keine Ausnahmeregelung, könnte der dänische Unternehmer also mit dieser Gestaltung das dänische steueraufkommen aus der Erwerbsteuer gegen Null laufen lassen und für sich statt zu 25 % mit nur 15 % belastete Vermögensgegenstände erwerben. Er hätte dann innerhalb Dänemarks einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen "ehrlichen" Konkurrenten.

Aus diesen Überlegungen heraus wird sofort klar, dass das Umsatzsteuerbinnenmarktsystem nur funktionieren kann, wenn für den Sonderfall der Verbringung eine zusätzliche Regelung vorgesehen wird, durch die solche Vorgänge auch zur Erwerbsteuerpflicht im letztendlichen Bestimmungsland der Ware führen. Natürlich muss dann, wenn eine solche Verbringung zum Entstehen einer Erwerbsteuer im Zielland führt, gleichzeitig dafür gesorgt werden, dass andererseits die Umsatzsteuer wieder abgebaut wird, die im bisherigen Bestimmungsland (vielleicht) noch auf dieser Ware liegt; ansonsten käme es zu einer systemwidrigen Kumulation von Umsatzsteuern zweier Länder auf die selbe Ware.

(b)

Gesetzestechnische Umsetzung

Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, die Verbringung einer Lieferung an sich selbst gleichzustellen (gesetzliche Fiktion) und sie dann wie jedes andere innergemeinschaftliche Geschäft zu behandeln. Damit wird der Unternehmer in dem Land, in das die Ware nunmehr gelangt, so behandelt, als hätte er sie innergemeinschaftlich gekauft, d. h. es kommt zur Erwerbsteuerpflicht. In dem Land, in dem die Ware bisher umsatzsteuerlich erfasst war, wird der Unternehmer behandelt, als ob er die Ware innergemeinschaftlich geliefert hat, d. h. er hat eine innergemeinschaftliche Lieferung 208

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

zu deklarieren und er erhält für diese Lieferung im Ursprungsland (spätestens) jetzt auch den Vorsteuerabzug (vgl. § 15 I Nr. 1, § 15 III Nr. 1 UStG i. V. m. § 6a 11 UStG), so dass eine Kumulation von USt im Ergebnis vermieden wird. Das Gesetz setzt diese Fiktionen auf sehr einfache Weise um, indem es •

in § 1a UStG normiert, dass Verbringungen wie Erwerbe gegen Entgelt zu behandeln sind (§ 1a 11 UStG),

•

in § 3 UStG normiert, dass Verbringungen als entgeltliche Lieferungen gelten (§ 3 Ia UStG) und

•

in § 6a UStG normiert, dass Verbringungen ohne weiteres als innergemeinschaftliche Lieferungen gelten (§ 6a 11 UStG) und deshalb zwar Kontroll- und Meldepflichten auslösen, aber steuerfrei sind.

In diesem Zusammenhang sollte jedoch beachtet werden, dass die gesamte Verbringungsregelung nur vorgesehen ist, wenn der Erwerber Unternehmer im Sinne des § 2

UStG ist. Es werden also nicht alle erwerbsteuerpflichtigen Personen der Verbringungsregelung unterworfen. Erfasst werden vielmehr nur die Voll-Unternehmer und ferner diejenigen Halb-Unternehmer, die die Unternehmereigenschaft haben (§ 2 UStG). Dagegen bleiben alle juristischen Personen, die nicht Unternehmer sind, aus dem Anwendungsbereich der Verbringungsregelung ausgeklammert.

3.3.1.3.2 (a)

Ausnahmefall 2: Verbrauchsteuerpflichtige Waren

Grundgedanke

Für bestimmte Warenarten gibt es die Besonderheit, dass diese neben der Umsatzsteuer weitere Steuern (sog. Verbrauchsteuern) auslösen, für die ebenfalls das Bestimmungslandprinzip gilt. Für die drei wichtigsten Verbrauchsteuerarten, nämlich Alkohol-, Tabak- und Mineralölsteuern, gibt es daher ebenfalls eine Binnenmarktregelung, die vorschreibt, wie bei grenzüberschreitenden Geschäften die Verbrauchsbesteuerung zu handhaben ist. Nach dieser Regelung ist grundsätzlich ein gewerblicher Erwerber ebenso steuerpflichtig wie bei der USt (Analogie zu Stufe 1 des Umsatzsteuersystems), und es gibt auch eine .Versandhandelsregelung" (analog zu Stufe 2). Jedoch sind bei verbrauchsteuerlichen Waren keinerlei Bagatellgrenzen zu beachten. Wenn es verbrauchsteuerlich aber schon ab dem kleinsten Umsatzvorgang zu einer verbrauchsteuerlichen Belastung des Kunden oder Lieferanten im Bestimmungsland kommt, macht es keinen Sinn, umsatzsteuerlich für die selben Kunden oder Lieferanten irgendwelche Bagatellgrenzen vorzusehen. Das würde nur dazu führen,

209

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

•

dass ein Kunde u. U. verbrauchsteuerpflichtig werden würde, die zugehörige Umsatzsteuer aber von seinem Lieferanten entweder im Bestimmungsland (Stufe 2) oder gar im Ursprungsland (Stufe 3) zu zahlen wäre,

•

oder dass ein Lieferant zwar verbrauchsteuerlich bereits im Bestimmungsland geführt würde, umsatzsteuerlich aber noch in seinem Heimatstaat die Steuer zu zahlen hätte.

Ein solches Auseinanderfallen von Umsatz- und Verbrauchsteuerpflichten kann nicht gewollt sein. Aus diesem Grund liegt es nahe, auch umsatzsteuerlich jegliche Bagatellgrenzen (Erwerbs- bzw. Lieferschwelle) für solche Waren außer Kraft zu setzen, die auch einer der drei in der EU harmonisierten Verbrauchsteuerarten unterliegen. Ansonsten ist das Umsatzsteuersystem ohne weitere Änderung zur Anwendung zu bringen.

(b)

Gesetzestechnische Umsetzung

Die gesetzestechnische Umsetzung ist einfach. Zur Berücksichtigung der Besonderheiten bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren war bei der Erwerbsschwellenregelung in § 1a UStG lediglich der Zusatz notwendig, dass diese nicht für verbrauchsteuerpflichtige Waren gelten soll (§ 1a V Satz 1,2 UStG). Ferner bedurfte es einer Aufhebung der Lieferschwellenregelung für verbrauchsteuerpflichtige Waren (§ 3c V S. 2 UStG: Aufhebung von § 3c III UStG für den Fall verbrauchstpfl. Waren), und es musste klargestellt werden, dass § 3c UStG bei Geschäften mit einem Halbunternehmer (Liste in § 3c 11 Nr. 2 UStG) nicht anwendbar ist, weil Halbunternehmer ja bereits erwerbsteuerpflichtig für die verbrauchsteuerpflichtigen Waren sind (§ 3c V S. 2 UStG: Aufhebung von § 3c 11 Nr. 2 UStG für verbrauchsteuerpflichtige Waren).

3.3.1.3.3 (a)

Ausnahmefall 3: Neue Fahrzeuge ("Verkehrsmittel")

Grundgedanke

Grundsätzlich kann es bei grenzüberschreitenden Käufen durch Privatpersonen, wie erwähnt, dazu kommen, dass die Steuerbelastung sich nach dem Ursprungslandprinzip richtet (Stufe 3 der normalen Binnenmarktregelung). Dies beinhaltet, dass in diesen Fällen nicht mehr alle Anbieter, die sonst vergleichbare Kosten bzw. Preisforderungen haben, mit der gleichen Umsatzsteuerbelastung belegt werden, sondern Anbieter aus Staaten mit geringerer USt Wettbewerbsvorteile erhalten. Diese Wettbewerbsvorteile werden normalerweise aber hingenommen, weil man darauf vertraut, dass sie neben anderen Faktoren nicht zu sehr ins Gewicht fallen werden und daher jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle nicht zu krassen Wettbewerbsverzerrungen führen werden. Diese Zuversicht ist jedoch immer dann unberechtigt, wenn es um die Lieferung von Gegenständen geht, die 210

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

•

sehr teuer sind und vom Kunden sehr leicht selbst abgeholt werden können.

Denn dann besteht die Gefahr, dass der Kunde sich nur wegen der Umsatzsteuerersparnis zu einer Reise in einen anderen Mitgliedstaat entschließt, um den fraglichen Gegenstand dort zu erwerben und hierdurch bis zu 10 Prozentpunkte Umsatzsteuerbelastung einzusparen. Dadurch könnten die Anbieter solcher Vermögensgegenstände aus "Hochsteuerländern" allein aus umsatzsteuerliehen Gründen letztlich vollständig vom Markt verdrängt werden. Eine solche Entwicklung ist nicht gewollt. Der EG-Gesetzgeber hat die genannte Gefahr vor allem bei neuen Fahrzeugen gesehen: Diese Gegenstände sind verhältnismäßig teuer, und es ist auch ihre Bestimmung, leicht befördert werden zu können, so dass ein privater Kunde ohne weiteres auf die Idee kommen könnte, durch Selbstabholung des Fahrzeuges in einem "Niedrigumsatzsteuerland" Beträge von mehreren tausend Euro Umsatzsteuer einzusparen. Aus diesem Grund hat sich der Gesetzgeber daher entschlossen, für die Lieferung von neuen Fahrzeugen den Übergang zum Ursprungsland vollständig auszuschließen und statt dessen eine rigorose Umsetzung des Bestimmungslandprinzips vorzusehen, nach der auch ein Privatmann, der ein neues Fahrzeug grenzüberschreitend erwirbt, dafür Erwerbsteuer zahlen muss. Praktikabel umsetzbar ist eine Erwerbsbesteuerung für bestimmte neue Fahrzeuge bei Privatpersonen insbesondere deshalb, weil neue Fahrzeuge in allen Staaten der EU bei Zulassungsstellen angemeldet werden müssen. Damit ist eine effektive Kontrollmöglichkeit eröffnet, mit der überprüft werden kann, ob jemand ein neues Fahrzeug erworben hat (und von wem).

(b)

Gesetzestechnische Umsetzung

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber zusätzlich zu den normalen Regelungen über die Erwerbsbesteuerung in einer weiteren Bestimmung (§ Ib UStG) normiert, dass ein Erwerb neuer Fahrzeuge auch dann erwerbsteuerpflichtig ist, wenn der Kunde nicht zu den Unternehmern oder Halbunternehmern gehört (§ Ib I UStG). In diesem Zusammenhang muss ferner festgelegt werden, was Fahrzeuge im Sinne dieser Regelung sind (§ Ib 11 UStG) und wann sie "neu" sind (§ Ib III UStG). Weil durch diese Ausweitung der Erwerbsbesteuerung auf alle Erwerbergruppen die "Lieferantenbesteuerung" ("Stufe 2" der normalen Regelung) keine Bedeutung mehr haben kann, muss außerdem in § 3c UStG klargestellt werden, dass diese Regelung für die Lieferung neuer Fahrzeuge keine Bedeutung haben kann (§ 3c V S. 1 UStG). Da die Veräußerung neuer Fahrzeuge auch dann umsatzsteuerlich erfasst werden soll, wenn der Verkäufer kein Unternehmer i. S. des UStG ist, muss darüber hinaus geregelt werden, dass jemand, der als Nichtunternehmer ein neues Fahrzeug verkauft, für dieses Geschäft trotzdem wie ein Unternehmer behandelt wird (§ 2a UStG, Fahrzeuglieferer).

211

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Hinweis: Diese Regelung ist erforderlich, um der Entstehung eines .Vierteljahres-Wagen-Marktes"I"EinMonats-Wagen-Marktes" o.ä, in der EU vorzubeugen. Denn ohne die Regelung, dass auch ein Ankauf von einem privaten Verkäufer eines .neuen Fahrzeugs" zur Erwerbsteuerpflicht führt, könnte die umfassende Erwerbsbesteuerung dieser Fahrzeuge einfach dadurch umgangen werden, dass der luxemburgische Automobilhändler seine Fahrzeuge zunächst an einen luxemburgischen Privatmann veräußert (zu 15 % belastet) und dieser den Wagen dann 1 Monat später mit nur sehr geringem Abschlag an einen dänischen Privatmann weiterveräußert. Ohne § 2a uStG bliebe dieser Wagen dann - weil von einem Nichtunternehmer erworben - außerhalb der Erwerbsbesteuerung (vgl. § 1a I Nr. 3 a, b UStG), und damit bliebe der Wagen umsatzsteuerlich weiterhin auf dem niedrigen Umsatzsteuerniveau Luxemburgs belastet anstatt auf dem dänischen Umsatzsteuemiveau.

Allerdings muss für solche Privatleute dann auch die Möglichkeit zu einem Vorsteuerabzug geschaffen werden, damit die USt nicht kumuliert. Dies geschieht in § 15 IVa UStG, jedoch mit folgenden Einschränkungen: 1.

Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, Einfuhr oder den innergemeinschaftlicher Erwerb des neuen Fahrzeugs selbst entfallende Steuer. [Es gibt also keinen Vorsteuerabzug für allgemeine Betriebskosten oder ähnliches.]

2.

Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre. [Anders gesagt: wenn das Fahrzeug in der Zeit der privaten Nutzung zwischen Ankauf und Weiterverkauf schon einen Wertverlust erlitten hat, kann man diesen schon erlittenen Wertverlust als Privatmann nicht nachträglich dadurch umsatzsteuerlich entlasten, dass man das Auto anschließend noch als neues Fahrzeug weiterveräußert.]

3.

Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt. [Wer als Privatmann innergemeinschaftlich liefern will, hat also in der Zeit, in der er den Wagen selbst nutzt, nicht etwa einen Liquiditätsvorteil dadurch, dass er den Wagen vorsteuerentlastet benutzt; außerdem wäre es in vielen Fällen natürlich unmöglich, die Bedingung unter (2) zu prüfen, bevor überhaupt der Kaufvertrag geschlossen ist.]

3.3.1.4

Ubersicht: Konzeption des Umsatzsteuerbinnenmarktes

Die folgende Übersicht fasst die Konzeption des Umsatzsteuer-Binnenmarktes für Lieferungen zusammen. Weitgehend wird innerhalb der EG das Bestimmungslandprinzip verwirklicht. Dies ist einerseits durch Besteuerung des Erwerbs beim Kunden (Erwerbsbesteuerung) bzw. subsidiär durch Besteuerung der Lieferung beim Lieferanten ("Lieferantenbesteuerung") realisierbar. Nur bei Abholung durch Halbunterneh212

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

mer/bestimmte juristische Personen sowie Privatpersonen und bei Lieferungen durch Halbunternehmer/juristische Personen, bei denen die Lieferschwelle nicht überschritten wird, kommt subsidiär das Ursprungslandprinzip zur Anwendung. Für Verbringungsfälle, die Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren und den Erwerb neuer Fahrzeuge sind Ausnahmeregelungen zu beachten.

Abbildung 3-13:

Überblick USt-Binnenmarkt

Prüfungsreihenfolge

Ursprungslandprinzip

Bestimmungslandprinzip Erwerbsbesteuerung Erwerber ist Unternehmer oder Halbunternehmer und Erwerbsschwelle unterschritten Erwerber ist Privatperson oder Halbunternehmer und Erwerbsschwelle Unterschritten?

3.3.1.5

Lieferantenbesteuerung

"Lieferantenbesteuerung"

.!!l

~ l:

...

'" .J:.

l: :::l

~~

}

Lieferer hat maßgebende Lieferschwelle Unterschritten? L---J

Abhalfall

Kontrollverfahren: Zusammenfassende Meldung gern. § 18a UStG

Mit dem Wegfall der Grenzstellen innerhalb der EG entfiel zwangsläufig die Möglichkeit, den innergemeinschaftlichen Warenverkehr wie bisher zu kontrollieren. Mit Blick auf die Sicherung ihres eigenen Steueraufkommens wollten die meisten EUMitgliedstaaten jedoch nicht auf eine Kontrollmöglichkeit verzichten. Im Kern besteht das Problem darin, dass innergemeinschaftliche Lieferungen im Ursprungsland steuerfrei sind (Bestimmungslandprinzip) und L A, im Bestimmungsland als innergemeinschaftlicher Erwerb zu erfassen sind. Um die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland überprüfbar zu machen, sind alle Unternehmer verpflichtet, steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen L S. des § 6a UStG bzw. innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte (§ 25b UStG) an andere Unternehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet in einer sog. Zusammenfassenden Meldung (2M; § 18a UStG) zu erklären. 213

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Lieferungen an private Abnehmer werden hingegen nicht in der ZM aufgeführt. In der ZM ist nicht nur die jeweilige Steuerbemessungsgrundlage anzugeben, vielmehr ist auch ersichtlich zu machen, an welchen Unternehmer die jeweilige Lieferung ausgeführt wurde. Dies geschieht mit Hilfe einer sog. Umsatzsteueridenüfikationsnummer, die jeder Mitgliedstaat an Unternehmer vergibt. Mit Hilfe eines Datenabgleichs zwischen den Angaben des ausführenden Unternehmers in seiner ZM einerseits und den Angaben des einführenden Unternehmers in seiner UmsatzsteuererklärunglUmsatzsteuervoranmeldung (Erwerbsbesteuerung) kann festgestellt werden, ob die Angaben korrespondieren. Bei Abweichungen ist es den einzelnen Mitgliedstaaten möglich, Einzelauskunftsersuchen zu stellen und bei Bedarf ggf. eine Überprüfung vor Ort im Unternehmen durchzuführen. Die Realisierung des Informationsaustausches setzt eine intensive Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Finanzbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten voraus. Rechtliche Grundlage hierfür ist die Amtshilfe-Verordnung vom 27.01.1992. Für die Bundesrepublik werden die in der ZM erhobenen Daten vom Bundeszentralamt für Steuern (Saarlouis) als zentraler Behörde für den Abruf durch die Finanzbehörden der anderen Mitgliedstaaten bereitgehalten, in dem der Empfänger der Lieferung seinen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern hat. Zur Abgabe der ZM ist jeder Unternehmer verpflichtet (Ausnahme: Kleinunternehmer gem. § 19 I S. 4 UStG). Zusammen mit seiner USt-Erklärung bzw. seiner UStVoranmeldung hat er die ZM auf elektronischem Weg nach Maßgaben der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung vierteljährlich (§ 18a I S. 1 UStG) abzugeben. Aus organisatorischen bzw. abrechnungstechnischen Gründen müssen auch Organgesellschaften eine eigene ZM abgeben, obwohl ihre Umsätze ansonsten weiterhin als Umsätze des Organträgers behandelt werden und auch in dessen USt-Voranmeldung bzw. -jahreserklärung anzumelden sind. Zu diesem Zweck erhalten die Organgesellschaften eine eigene USt-ID-Nr. Durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 08.04.2010 (BGBI. 12010, S. 386) ist § 18a UStG mit Wirkung vom 01.07.2010 in Teilen geändert worden. Nach § 18a I UStG ist die Zusammenfassende Meldung bei innergemeinschaftlichen Warenlieferungen und Lieferungen i. S. des § 25b 11 UStG nun grundsätzlich monatlich nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung dem Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln, und zwar bis zum 25. Tag nach Ablauf jedes Kalendermonats. Eine vierteljährliche Übermittlung bis zum 25. Tag nach Ablauf eines Kalendervierteljahres genügt nach der Umsetzung der EU-Vorgaben nur noch dann, wenn die Summe der Bemessungsgrundlagen für innergemeinschaftliche Warenlieferungen und Lieferungen i. S. des § 25b 11 UStG weder im laufenden noch in den vier vorausgegangenen Kalendervierteljahren 50.000 € überschritten hat. Sobald innerhalb eines Kalendervierteljahres diese Grenze überschritten wird, muss der Unternehmer die Zusammenfassenden Meldungen auch für die bereits abgelaufenen Monate dieses Quartals nachreichen. Für 214

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.12. 2011 gilt übergangsweise statt der Grenze von 50.000 € eine solche von 100.000 € (§ 18a I letzter Satz UStG). § 18a 11 S. 1 UStG schreibt in den Fällen, in denen ein Unternehmer steuerpflichtige sonstige Leistungen L S. des § 3a 11 UStG im übrigen Gemeinschaftsgebiet erbringt und der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer schuldet, die vierteljährliche Übermittlung einer Zusammenfassenden Meldung an das Bundeszentralamt für Steuern vor. Die Abgabefrist endet jeweils am 25. Tag nach Ablauf jedes Kalendervierteljahres. Ergibt sich die Pflicht zur Übermittlung einer Zusammenfassenden Meldung sowohl aus Absatz 1 als auch aus Absatz 2, so sind die Angaben zu den sonstigen Leistungen L S. des Absatz 2 jeweils in der Zusammenfassenden Meldung für den letzten Monat eines jeden Kalendervierteljahres zu machen (Absatz 2 Satz 2), es sei denn, der Unternehmer zeigt dem Bundeszentralamt für Steuern an, dass er von der Sonderregelung des § 18a III UStG Gebrauch machen will und auch die Angaben über sonstige Leistungen L S. des Absatz 2 monatlich übermittelt. Nach § 18a Abs. VIII UStG sind die Angaben über meldepflichtige sonstige Leistungen i. S. des Abs. 2 in dem Meldezeitraum zu übermitteln, in dem die sonstige Leistung tatsächlich ausgeführt wurde. Nach § 18a X UStG sind Berichtigungen fehlerhafter Zusammenfassender Meldungen zukünftig binnen eines Monats und nicht mehr wie bisher binnen dreier Monate vorzunehmen.

3.3.2

Innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen

3.3.2.1

Steuerbarkeit

3.3.2.1.1

Überblick

Der Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs gegen Entgelt wird in § 1 I Nr. 5 UStG geregelt, wobei die einzelnen Voraussetzungen den §§ la bis lc UStG zu entnehmen sind. Unterschieden wird zwischen dem Grundfall (Grundtatbestand) des Erwerbs von Gegenständen aus einem anderen Mitgliedstaat und sog. Verbringungsfällen (§ la 11 UStG). Die genannten Regelungen betreffen in erster Linie Lieferungsbeziehungen zwischen Unternehmern und verwirklichen durch Besteuerung des Umsatzes im Empfängerland das Bestimmungslandprinzip. Die Grundregel für den Erwerber lautet daher, dass er (vorsteuerabzugsberechtigter) Unternehmer sein muss. Nur dann, wenn bei einem bestimmten Personenkreis (Halbunternehmer und bestimmte juristische Personen) die sog. Erwerbsschwelle nicht überschritten wird, liegt kein Fall des innergemeinschaftlichen Erwerbs vor (§ la III UStG). Lieferungen an solche Personengruppen werden dann wie Lieferungen an Privatpersonen behandelt (§ 1 I LV.m. § 3c UStG). Sie unterliegen somit grundsätzlich nicht der Erwerbsbesteuerung.

215

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge ist für Privatpersonen die Sonderregelung des § 1b UStG zu beachten, nach der abweichend von dem Grundsatz, dass bei Privatpersonen keine Erwerbsbesteuerung stattfinden soll, ausdrücklich eine Erwerbsbesteuerung statuiert wird. Damit soll für besonders wertvolle Einzelgüter die Besteuerung im Bestimmungsland zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen gesichert werden. Der Sonderfall des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch diplomatische Missionen, zwischenstaatliche Einrichtungen und Streitkräfte der Vertragsparteien des Nordatlantikvertrages (§ 1c UStG) wird nicht weiter betrachtet.

Abbildung 3-14:

Arten des innergemeinschaftlichen Erwerbs Innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1 I Nr. 5 i.V.m. § la,b,c UStG)

I

I I

Innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1 a UStG)

Innergemeinschaftlicher Erwerb neuer Fahrzeuge (§ 1 b UStG)

Gegen~Lt Entgeltlicher Erwerb (§l al UStG)

3.3.2.1.2 (a)

I , !

1

,

Innergemeinschaftlicher ! Erwerb durch diplomatische! Missionen, zwischenstaatliche! Einrichtungen und Strettkräftd ; der Vertragsparteien des Nordatlantikvertrages ! ! (§ 1 c UStG) . ..............................................................................

i i i

i

I OhnefntS"Lt

Verbringen (§ 1 all UStG)

Innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt

Voraussetzungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt liegt gern. § 1 I Nr. 5 i. V. m. § la I UStG vor bei der Lieferung eines Gegenstandes aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates durch einen Unternehmer an einen Abnehmer, der Unternehmer ist und den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt oder eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder nicht für ihr Unternehmen erwirbt. Der Lieferer ist ein Unternehmer, der die Lieferung gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens bewirkt, und die Lieferung ist nicht in dem Mitgliedstaat, der

216

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

für die Besteuerung des Lieferers zuständig ist, aufgrund der Sonderregelung für K1einuntemehmer steuerfrei. Zudem muss der Erwerb im Inland erfolgen. Eine Übersicht über diese Voraussetzungen liefert die folgende Abbildung:

Abbildung 3-15:

Innergemeinschaftlicher Erwerb

a) Lieferung eines Gegenstandes b) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates c) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates d) durch einen Unternehmer e) an einen Abnehmer, der Unternehmer ist und den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt oder Eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder nicht für ihr Unternehmen erwirbt, und g) Der Lieferer ist ein Unternehmer, der die Lieferung gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens bewirkt, und die Lieferung ist nicht in dem Mitgliedstaat, der für die Besteuerung des Lieferers zuständig ist, aufgrund der Sonderregelung für Kleinunternehmer steuerfrei, und h) der Erwerb im Inland erfolgt. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt hingegen nicht vor, wenn der Erwerber 1. a) ein Unternehmer ist, der nur steuerfreie Umsätze ausführt, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen b) ein Unternehmer ist, für dessen Umsätze Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben wird (Kleinunternehmerregelung) c) ein Unternehmer ist, der den Gegenstand zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 festgesetzt ist d) eine juristische Personist, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt und 2. der Gesamtbetrag der Entgelte für innergemeinschaftliche Erwerbe den Betrag von 12.500 € im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht übersteigen wird (Erwerbsschwelle).

217

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Beispiel: Der Computerhersteller C aus Frankreich erhält von einer deutschen Handelskette A den Auftrag, 40.000 "Billig-Computer" in das Auslieferungslager der A nach Hannover zum Preis von 20 Mio. € zzgl. USt zu liefern. Dieser Auftrag wird durch betriebseigene LKW des C ausgeführt. Umsatzsteuerlich liegt hier die Lieferung (§ 3 I UStG) von Gegenständen aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates (Frankreich) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (Deutschland) durch einen Unternehmer (C) vor. Der Abnehmer (A) ist Unternehmer L S. des § 2 I UStG und erwirbt die Gegenstände für sein Unternehmen (Handelstätigkeit). Der Ort des Innergemeinschaftlichen Erwerbs ist dort, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befindet (§ 3d S. 1 UStG), also in Hannover (=Inland). Schuldner der Erwerbssteuer LH.v. 3,8 Mio. € (20 Mio. x 0,19) ist gern. § 13a I Nr. 2 UStG der Erwerber, also A. Damit wird das Bestimmungslandprinzip beim Handel zwischen zwei Vollunternehmern verwirklicht. Die Steuer auf den Erwerb kann bei Aals Vorsteuer abgezogen werden (§ 15 I Nr. 3 UStG), so dass sich beim regelbesteuerten A grds. keine Belastung ergibt.

Beim innergemeinschaftlichen Erwerb kann der Gegenstand sowohl durch den Abnehmer selbst bzw. dessen Erfüllungsgehilfen in dem anderen EG-Staat abgeholt oder aber durch den Lieferer bzw. dessen Erfüllungsgehilfen zum empfangenden Unternehmer ins Inland befördert oder versendet werden. Ist der Erwerber eine juristische Person, so kommt eine Erwerbsbesteuerung (bei Überschreitung der Erwerbsschwelle (s. u.)} auch dann in Frage, wenn sie nicht Unternehmer ist bzw. zwar Unternehmer ist, den Gegenstand jedoch nicht für ihr Unternehmen erwirbt. Demnach können auch eingetragene Vereine bei Erwerben für den ideellen Bereich bzw. juristische Personen des öffentlichen Rechts bei Erwerben für ihren Hoheitsbereich den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs verwirklichen.

Beispiel: Die Universität München bezieht seit Jahren die für den Lehrbetrieb notwendigen Einrichtungsgegenstände von einem italienischen Büromöbelhersteller. Der Gesamtwert der Lieferungen beträgt jährlich ca. 2 Mio. €. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb gern. § 1 I Nr. 5 LV.m. § 1a uStG ist tatbestandiich gegeben. Die Universität München ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und somit eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Da die maßgebliche Erwerbsschwelle gern. § 1a 111 UStG bei ihr überschritten ist, unterliegt sie der Erwerbsbesteuerung, obwohl sie keine unternehmerische Tätigkeit ausübt.

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt hingegen nicht vor (Ausnahme), wenn der Erwerber dem Personenkreis des § 1a III Nr. 1 UStG angehört und der Gesamtbetrag der Entgelte für alle innergemeinschaftliche Erwerbsvorgänge den Betrag von 12.500 €, die sog. Erwerbsschwelle (§ 1a III Nr. 2 UStG), nicht überschreitet. Hintergrund für die Ausnahmeregelung ist die Überlegung, dass der dort genannte Personenkreis zur

218

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

Vermeidung eines unnötigen Verwaltungsaufwandes nicht gezwungen werden sollte, aufwendige Steuererklärungen abgeben zu müssen. Zu dem genannten Personenkreis zählen zum einen solche Unternehmer, die gesetzestechnisch den Privatleuten nahezu gleichgestellt werden und zum anderen juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben (z. B. Vereine, juristische Personen des öffentlichen Rechts (sog. Halbunternehmer). Zu den Halbunternehmern zählen Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie, vorsteuerausschließende Umsätze bewirken (§ 1a III Nr. 1a UStG), Kleinunternehmer i. S. des § 19 I UStG (§ 1a III Nr. 1b UStG) und nach Durchschnittssätzen besteuerte Land- bzw. Forstwirte (§ 1a III Nr. 1c UStG). Als Erwerbsschwelle wird der Gesamtbetrag der Entgelte für alle innergemeinschaftlichen Erwerbe des betrachteten Unternehmers herangezogen. Sofern diese Summe den Betrag von 12.500 € im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überstiegen hat und im laufenden Jahr diesen Betrag voraussichtlich nicht übersteigen wird, ist eine Erwerbsbesteuerung des genannten Personenkreises nicht zwingend notwendig.

Beispiel: Der Computerhersteller C aus Frankreich liefert an den im Vereinsregister eingetragenen Computerverein in Köln fünf fabrikneue Computer (Nettopreis 5.000 €). Der Verein nutzt die Computer ausschließlich für seine satzungsmäßigen (gemeinnützigen) ZWecke. Die Computerlieferung aus Frankreich ist die einzige Lieferung, die der Verein in den letzten Jahren aus dem Gemeinschaflsgebiet erhalten hat. Der Computerhersteller liefert jährlich Waren im Wert von ca. 20 Mio. € nach Deutschland. Zunächst könnte es sich um einen innergemeinschaftlichen Erwerb handeln, da der Verein gem. § 1a I Nr. 2b UStG eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist. Die anderen Voraussetzungen des § 1a I UStG sind ebenfalls erfüllt. Allerdings müsste der Verein ferner die sog. Erwerbsschwelle i. H. v. 12.500 € überschritten haben (§ 1a 111 Nr. 2 UStG), was hier gerade nicht der Fall ist. Folglich liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb in Deutschland vor. Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob möglicherweise eine Besteuerung des Lieferanten gem.

§ 1 I Nr. 1 UStG in Frage kommt. Die Voraussetzungen liegen vor. Zu beachten ist insbesondere, dass sich der Ort der Lieferung nach § 3 Va i. V. m. § 3c uStG bestimmt. Hier liegt der Ort der Lieferung wegen Oberschreitens der Lieferschwelle (§ 3c 111 UStG) beim Verein in Köln, also im Inland. Im Ergebnis wird das Bestimmungslandprinzip verwirklicht. Jedoch ist entgegen der Regelung bei der Erwerbsbesteuerung nicht der Erwerber, sondem der Lieferer Steuerschuldner der Umsatzsteuer.

Nach § 1a IV UStG kann der Erwerber aber auf die Anwendung der Sonderregelung verzichten und zur Erwerbsbesteuerung optieren (Optionsrecht), d. h. er kann auch bei Nichterreichen der Erwerbsschwelle eine Besteuerung vornehmen. Sinnvoll ist der Verzicht möglicherweise dann, wenn die Besteuerung in Deutschland günstiger ist als in anderen EU-Ländern. Vor dem Hintergrund, dass der Regelsteuersatz in Deutsch219

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

land verglichen mit den Regelsteuersätzen anderer EU-Staaten relativ niedrig ist, kann sich eine Option durchaus lohnen. Den Verzicht auf die Befreiung hat der Unternehmer gegenüber seinem Finanzamt zu erklären. Die Erklärung bindet ihn für mindestens zwei Kalenderjahre (§ 1a IV S.2 UStG). Für den Erwerb neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Mineralöle, Alkohol, Alkoholische Getränke, Tabakwaren) durch {Halb)Unternehmer bzw. bestimmte juristische Personen ist grundsätzlich kein Ausschluss von der Erwerbsbesteuerung möglich, d. h. auch dann, wenn sie die Voraussetzungen des § 1a III UStG (Erwerbsschwelle < 12.500 €) erfüllen würden, haben sie eine Erwerbsbesteuerung für die genannten Güter durchzuführen (§ 1a V UStG). Die Vorschrift ist Ausfluss des politisch gewünschten Ergebnisses, die betrachteten Güter stets einer Besteuerung im Bestimmungsland zu unterwerfen. Gleichzeitig wird damit zumindest beim Erwerb neuer Fahrzeuge eine Gleichbehandlung mit Privatpersonen sichergestellt. Grundsätzlich unterliegt der Erwerb von Gütern durch Privatpersonen nicht der Erwerbsbesteuerung. Lediglich für den Erwerb neuer Fahrzeuge (bestimmte Land-, Wasser- und Luftfahrzeuge) wird von dieser Grundregel in § 1b UStG eine Ausnahme gemacht. Danach hat die Privatperson den Erwerb eines neuen KFZ im Bestimmungsland der Erwerbsbesteuerung zu unterwerfen. Für Halbunternehmer und bestimmte juristische Personen, die bei Unterschreiten der Erwerbsschwelle im Ergebnis wie Privatpersonen behandelt würden, kann hinsichtlich der Besteuerung neuer Fahrzeuge keine andere Regelung gelten wie für Privatpersonen, wenn man eine ungerechtfertigte Besteuerungslücke verhindern will.

(b)

Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs

Der innergemeinschaftliche Erwerb ist nach § 1 I Nr. 5 UStG nur dann steuerbar, wenn er im Inland erfolgt. Die Ortsbestimmung richtet sich nach § 3d UStG. Nach der Grundregel dieser Vorschrift liegt der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs in dem EU-Mitgliedstaat, in dem sich der Liefergegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (§ 3d 5.1 UStG). Berührt der betrachtete Gegenstand das Inland hingegen nur im Rahmen einer Durchfuhr, liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor. § 3d S. 2 UStG stellt eine Ergänzungsvorschrift zur Grundregel des § 3d S. 1 UStG dar. Danach bestimmt sich der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs in den Fällen (auch) nach § 3d S. 2 UStG, in denen der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen EU-Mitgliedstaates als dem verwendet, in dem die Warenbewegung endet. Verwendet der Erwerber eine solche Identifikationsnummer, so ist der innergemeinschaftliche Erwerb auch in dem Mitgliedstaat bewirkt, dessen Identifikationsnummer verwendet wurde. § 3d S. 2 UStG verdrängt somit nicht die Regelung des § 3d 5.1 UStG, vielmehr führt die Vorschrift im Ergebnis dazu, dass für einen Erwerbsumsatz (zumindest temporär) zwei Erwerbsorte in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten bestimmt werden.

220

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

Beispiel: Der in München ansässige Filmproduzent F bestellt beim Filmausstatter G in Mailand eine neue Studioeinrichtung, die er in seine Produktionsstätte (Betriebsstätte) nach Spanien liefern lässt. F verwendet gegenüber G seine deutsche USt-ldentifikationsnummer. Unterstellt wird, dass das deutsche UStG in Spanien und Italien analog gilt. Der Erwerb der Studioeinrichtung unterliegt in Spanien der dortigen Erwerbsbesteuerung gem.

§ 1 I Nr. 5 i. V. m. § 1a usic (analoges spanisches USt-Recht), da der Ort des Erwerbs gem. § 3d S. 1 UStG in Spanien liegt. Da F jedoch gegenüber G seine deutsche UStIdentifikationsnummer benutzt, ist der Erwerbsvorgang auch in Deutschland gem. § 3d S. 2 uStG steuerbar. Die Versteuerung in Deutschland ist erst dann rückgängig zu machen, wenn F nachweist, dass bereits eine Erwerbsbesteuerung in Spanien stattgefunden hat (§ 17 11 Nr. 4 UStG), denn nach der Konzeption des Umsatzsteuer-Binnenmarktes steht das Besteuerungsrecht Spanien zu. Lediglich zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens wird bis zum Nachweis der Versteuerung in einem anderen EG-Land auch in dem Land, dessen UStIdentifikationsnummer verwendet wurde, eine Besteuerung durchgeführt.

Eine besondere Ortsbestimmung ist in den Fällen des sog. innergemeinschaftlichen Reihengeschäfts notwendig. Ein solches liegt vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und diese Geschäfte dadurch erfüllt werden, dass der erste Unternehmer dem letzten Abnehmer in der Reihe unmittelbar die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft und die Warenbewegung im Gebiet eines Mitgliedstaaates beginnt und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates endet (BMF-Schreiben v. 18.04.1997, Rz. 2).

Beispiel: Der Fahrradproduzent F aus Hannover bestellt bei seinem Reifenzulieferer Raus Mönchengladbach 10.000 Fahrradreifen. Aufgrund der großen Nachfrage hat R z. Zt. keine Reifen auf Lager. Daher bestellt er diese bei seinem Produzenten P in Frankreich. Es wird vereinbart, dass P die Reifen direkt zu F nach Hannover befördert. Unterstellt wird, dass das deutsche UStG in Frankreich analog gilt. Die Situation stellt sich wie folgt dar. TatbestandIich liegt ein innergemeinschaflliches Reihengeschäfl vor (§ 3 VI S. 5 UStG).

221

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Abbildung 3-16:

Reihengeschäft

Frankreich

Rechnungsweg

p ,,

Deutschland

1. Lieferung/

., .,

. <,

R

Bestellung ................

., .,

...,

Bestellung

."

2. Lieferung/ Rechnungswe~

",

(Tatsächlic hel",·,

\ i1arenbewe~ung

"'''.' ......................... "

...

F

Bei einem Reihengeschäft werden im Rahmen einer Warenbewegung (Beförderung oder Versendung) mehrere Lieferungen ausgefiihrt, die in bezug auf den Lieferort und den Lieferzeitpunkt jeweils gesondert betrachtet werden müssen. Die (tatsächliche) Beförderung oder Versendung des Gegenstandes ist nur einer der Lieferungen zuzuordnen (§ 3 VI S. 5 UStG). Diese eine Lieferung ist die Beförderungs- oder Versendungslieferung i. S. des § 3 VI S. 1 UStG. Da nur bei ihr eine Bewegung des Gegenstandes erfolgt, wird sie auch als bewegte Lieferung bezeichnet. Bei allen anderen Lieferungen in der Reihe findet keine Beförderung oder Versendung statt, weshalb sie auch als ruhende Lieferungen bezeichnet werden. Für die in einem Reihengeschäft ausgefiihrten Lieferungen ergeben sich die Lieferorte sowohl aus § 3 VI UStG als auch aus § 3 VII UStG. Für den Fall der Beförderungs- oder Versendungslieferung gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (§ 3 VI S. 1 UStG). In den Fällen der ruhenden Lieferungen ist der Lieferort nach § 3 VII S. 2 UStG zu bestimmen. Danach gelten (gesetzliche Fiktion) Lieferungen, die der bewegten Lieferung vorangehen, dort als ausgefiihrt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt, während Lieferungen die der bewegten Lieferung folgen dort als ausgefiihrt gelten, wo die Beförderung des Gegenstands endet.

222

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

Fraglich ist, welche Lieferung im Reihengeschäft als Beförderungs- bzw. Versendungslieferung (bewegte Lieferung) zu qualifizieren ist. Die Zuordnung der Beförderung oder Versendung zu einer der Lieferungen im Reihengeschäft ist davon abhängig, ob der Gegenstand der Lieferung durch den ersten Unternehmer, den letzten Abnehmer oder einen mittleren Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet wird. Dabei muss die Zuordnungsentscheidung einheitlich für alle Beteiligten getroffen werden. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist seiner Lieferung die Beförderung oder Versendung zuzuordnen. Wird der Liefergegenstand durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung des letzten Lieferers in der Reihe zuzuordnen. Befördert oder versendet ein mittlerer Unternehmer in der Reihe den Liefergegenstand, ist dieser zugleich Abnehmer der Vorlieferung und Lieferer seiner eigenen Lieferung. In diesem Fall ist die Beförderung oder Versendung nach § 3 VI S. 6 UStG grundsätzlich der Lieferung des vorangehenden Unternehmers zuzuordnen (widerlegbare Vermutung).

Beispiel: Der italienische Unternehmer U aus Mailand bestellt eine Maschine bei der Vertriebgesellschaft V in Duisburg. Diese wiederum muss die Maschine bei ihrem Großhändler G in München bestellen, der ebenfalls nicht sofort liefern kann und daher beim Produzenten P in Paris den Gegenstand bestellt. Die Ware gelangt direkt von P zu U.

223

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Abbildung 3-17:

Reihengeschäft

Frankreich

1. Lieferung! Rechnungsweg

p

.. ..

G

Bestellung

'0

0 0

Deutschland

2. Lieferung! Rechnungsweg

... ... . .. ... .. Warenbewegung .

V

Bestellung

3. Lieferung! Rechnungsweg

0

0

Bestellung

.. ..

00

. .. 0

.

00

.. . . 0

00

.. .. 00

~

U Italien

Fallvariante 1: P lässt die Maschine durch einen Spediteur von Frankreich unmittelbar nach Italien an den U transportieren. Bei dem betrachteten Reihengeschäfl werden nacheinander drei Lieferungen ausgeführt (P an G, G an V und V an U). Die Versendung ist gern. § 3 VI S. 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Hier ist die Versendung der ersten Lieferung P an G zuzuordnen, da P als erster Unternehmer in der Reihe die Maschine versendet. Der Ort der Lieferung liegt nach § 3VI S. 5 i. V. m. S. 1 UStG in Frankreich (Beginn der Versendung). Die zweite Lieferung (G an V) und die dritte lieferung (V an U) sind ruhende Lieferungen. Für diese Lieferungen liegt der Lieferort gern. § 3 VII S. 2 Nr. 2 UStG jeweils in Italien (Ende der Versendung), weil sie der Versendungslieferung folgen. G und V müssen sich daher in Italien steuerlich registrieren lassen.

Fallvariante 2: U holt die Maschine durch eigenes Personal und eigenen LKW bei P in Frankreich ab. Auch hier werden nacheinander drei Lieferungen ausgeführt. Die Beförderung durch U ist gern. § 3 VI S. 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Hier ist die Beförderung der dritten lieferung (V an U) zuzuordnen, da U als letzter Abnehmer in der Reihe die Maschine befördert (Abholfall). Der Ort der Lieferung liegt nach § 3 VI S. 5 i. V. m. S. 1 UStG in Frankreich (Beginn der (tatsächlichen) Beförderung).

224

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

Die erste Lieferung (P an G) und die zweite Lieferung (G an V) sind ruhende Lieferungen. Für diese Lieferungen liegt der Lieferort nach § 3 VII S. 2 Nr. 1 uStG jeweils in Frankreich (Beginn der Beförderung), da sie der Beförderungslieferung vorangehen. G und V müssen sich daher in Frankreich steuerlich registrieren lassen.

Fallvariante 3: V befördert die Maschine mit eigenem LKW von P zu U Auch hier werden nacheinander drei Lieferungen ausgeführt. Die Beförderung durch V ist der zweiten Lieferung (G an V) zuzuordnen, da V als mittlerer Abnehmer in der Reihe in seiner Eigenschaft als Abnehmer der Lieferung des G transportieren lässt. Der Ort der Lieferung liegt nach § 3VI S. 5 LV.m. S. 1 uStG in Frankreich (Beginn der Beförderung). Die erste Lieferung (P an G) liegt gern. § 3 VII S. 2 Nr. 1 uStG in Frankreich (Beginn der Beförderung). Die dritte Lieferung (V an U) liegt hingegen gern. § 3 VII S. 2 Nr. 2 UStG am Ende der Versendung, also in Italien. G muss sich daher in Frankreich, V hingegen in Italien steuerlich registrieren lassen.

Im Rahmen eines Reihengeschäfts, bei dem die Warenbewegung im Inland beginnt und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates endet, kann mit der Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet nur eine innergemeinschaftliche Lieferung i. S. des § 6a UStG bewirkt werden. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1b UStG kommt demnach nur bei der Beförderungs- oder Versendungslieferung zur Anwendung. Beginnt die Warenbewegung dagegen in einem anderen Mitgliedstaat und endet sie im Inland, ist von den beteiligten Unternehmern nur derjenige Erwerber i. S. des § 1a UStG, an den die Beförderungs- oder Versendungslieferung ausgeführt wird.

Beispiel: Der Unternehmer B aus Belgien bestellt bei dem ebenfalls in Belgien ansässigen Großhändler G eine dort nicht vorrätige Ware. G bestellt diese Ware seinerseits beim Großhändler D in Deutschland. Dieser wiederum ordert die Ware beim Produzenten P in Köln. Alle Unternehmen verwenden die USt-ldentifikationsnummer ihres Landes.

225

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Abbildung 3-18:

Reihengeschäft Belgien

Deutschland

P. "

2. Li ~ferung/

1. Lieferung/ Rechnungsweg

Rech ungsweg

D

." . Bestellung ., .., .., . . . .. . .... .... .. Warenbewegung

G

Be teilung

3. Lieferun / Rechnungsv eg

Best~llung

.. . .

.. . .

.. . .

.. . .,

...

"

.

B

Fallvariante 1: P befördert die Ware von Köln mit eigenem LKW unmittelbar nach Belgien und übergibt sie dort B. Die erste Lieferung (P an D) ist die Beförderungslieferung. Der Ort der Lieferung liegt gem. § 3 VI S. 5 i. V. m. S. 1 UStG in Deutschland (Beginn der Beförderung). Die Lieferung ist im Inland steuerbar und steuerpflichtig, da D mit deutscher uStIdentifikationsnummer auftritt. Der Erwerb der Ware unterliegt bei D der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien, weil die Warenbewegung dort endet (§ 3d S. 1 uStG) Solange D eine Besteuerung in Belgien nicht nachweisen kann, hat er einen innergemeinschafllichen Erwerb in Deutschland zu versteuern (§ 3d S. 2 UStG). Die zweite und dritte Lieferung sind ruhende Lieferungen. Für diese Lieferungen liegt der Lieferort nach § 3 VII S. 2 Nr. 2 uStG jeweils in Belgien (Ende der Beförderung), weil sie der Beförderungslieferung folgen. Für beide Lieferungen gilt belgisches Recht. D und G müssen sich in Belgien umsatzsteuerlich registrieren lassen.

Fallvariante 2: G befördert die Ware von Köln mit eigenem LKW unmittelbar nach Belgien an den B und tritt hierbei in seiner Eigenschaft als Abnehmer der Vorlieferung auf. Da G in seiner Eigenschaft als Abnehmer der Vorlieferung auftritt, ist die Beförderung der zweiten Lieferung (D an G) zuzuordnen.

226

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

Der Ort der Lieferung liegt gem. § 3 VI S. 5 i. V. m. S. 1 UStG in Deutschland (Beginn der Beförderung). Die Lieferung ist bei Nachweis der entsprechenden Voraussetzungen des § 6a UStG als innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1b UStG steuerbefreit. Der Erwerb der Ware unterliegt bei G der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien, weil die Warenbewegung dort endet (§ 3d S. 1 uStG). Die erste Lieferung (P an D) und die dritte Lieferung (G an B) sind ruhende Lieferungen. Der Lieferort für die erste Lieferung liegt gem. § 3 VII S. 2 Nr. 1 UStG in Deutschland (Beginn der Beförderung), weil sie der Beförderungslieferung vorausgeht. Der Lieferort für die dritte Lieferung liegt nach § 3 VII S. 2 Nr. 2 usic in Belgien (Ende der Beförderung) da sie der Beförderungslieferung folgt. Daher ist sie nach belgischem Recht zu beurteilen.

Fallvariante 3: B holt die Ware bei P in Köln ab und befördert sie von dort mit eigenem LKW nach Belgien. Die Beförderung wird der dritten Lieferung (G an B) zugeordnet, weil B als letzter Abnehmer die Ware selbst abholt (Abholfall). Der Ort der Lieferung liegt nach § 3 VI S. 5 i. V. m. S. 1 UStG in Deutschland (Beginn der Beförderung). Die Lieferung des G ist bei Nachweis der Voraussetzungen des § 6a uStG als innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1b uStG steuerfrei. Der Erwerb der Ware unterliegt bei B der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien, da die innergemeinschaftliche Warenbewegung dort endet (§ 3d S. 1 uStG). Sowohl die erste als auch die zweite Lieferung sind ruhende Lieferungen. Für diese Lieferungen liegt der Lieferort nach § 3 VII S. 2 Nr. 1 uStG jeweils in Deutschland (Beginn der Beförderung), weil sie der Beförderungslieferung vorangehen. Beide Lieferungen sind steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen in Deutschland. Im Ergebnis sind P, D und G verpflichtet, die angegebenen Lieferungen in Deutschland umsatzsteuerlich zu erklären.

3.3.2.1.3

Innergemeinschaftliches Verbringen

Bei der Umsetzung des Binnenmarktkonzepts galt es auch den Fall umsatzsteuerlich einzuordnen, bei dem ein Unternehmer einen Gegenstand aus einem Unternehmensteil (z. B. Zweigstelle), der sich in einem anderen Mitgliedsstaat befindet, in einen (inländischen) Unternehmensteil schafft, um ihn dort zu nutzen.

Beispiel: Der Unternehmer U aus Duisburg beauftragt seine Angestellten, eine Spezialmaschine aus seiner niederländischen Zweigstelle in das Stammunternehmen nach Duisburg zu schaffen, um die Kapazität der Maschine fortan auf Dauer besser auslasten zu können.

Die allgemeine Regelung des innergemeinschaftlichen Erwerbs (§ la I UStG) ist hier nicht anwendbar, da diese den Erwerb eines Gegenstandes von einem Unternehmer 227

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

gegen Entgelt fordert, der von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelangt. Während bereits das tatbestandliehe Vorliegen eines Leistungsaustausches deshalb fraglich sein dürfte, weil dieser grundsätzlich zwei verschiedene Personen voraussetzt, scheitert die Anwendung des § la I UStG zumindest regelmäßig daran, dass in den betrachteten Fällen kein Entgelt (als Gegenleistung) fließt. Umsatzsteuerlich würde es sich daher grundsätzlich um einen umsatzsteuerlich unbeachtlichen Innenumsatz handeln. Für solchermaßen gelagerte, grenzüberschreitende Fälle bedurfte es innerhalb der EG jedoch einer besonderen Regelung, wenn man unkontrollierte Warenbewegungen/ verschiebungen zwischen den Mitgliedstaaten vermeiden wollte. Aus diesem Grund musste der betrachtete Fall dem innergemeinschaftlichen Erwerb gegen Entgelt gesetzestechnisch gleichgestellt (gesetzliche Fiktion) werden, was durch die Vorschrift des § la 11 UStG auch geschehen ist. Danach gilt das sog. Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt. Ausdrücklich ausgenommen sind die Fälle, in denen der Unternehmer den Gegenstand nur vorübergehend im Inland verwendet, da eine umsatzsteuerliche Erfassung nur unnötigen Verwaltungsaufwand darstellen würde. Eine lediglich vorübergehende Verwendung liegt vor, wenn die Rückführung in das Ursprungsland von Beginn an feststeht. Von der Vorschrift des § la 11 UStG (Verbringungsfälle) werden alle Fälle umsatzsteuerlich erfasst, in denen Gegenstände zur Nutzung als Anlagevermögen oder zum Verkauf bzw. Verbrauch von einem Mitgliedstaat in das Bestimmungsland dauerhaft verbracht werden.

3.3.2.2

Steuerbefreiungl-pflicht

§ 4b UStG regelt Fälle, in denen der innergemeinschaftliche Erwerb bestimmter Gegenständen steuerfrei ist. Dabei handelt es sich i. A, um Erwerbsvorgänge, deren Lieferung im Inland steuerfrei wäre (§ 4b Nr. 1 und 2 UStG), wie z. B. die Lieferung von Gold, Wertpapieren und menschlichen Organen. Die Steuerbefreiung gern. § 4b Nr. 2 UStG gilt ab 2004 auch für die in § 4 Nr. 4a, 4b bezeichneten Gegenstände unter den dort genannten Voraussetzungen. Wird also ein in Anlage 1 zum UStG genannter Gegenstand aus einem anderen EU-Staat in ein USt-Lager oder im Rahmen eines Zollverfahrens (Nichterhebungsverfahren) geliefert, so verwirklicht der Abnehmer des gelieferten Gegenstands einen innergemeinschaftlichen Erwerb, der steuerfrei ist. Die Befreiung gilt darüber hinaus auch für Gegenstände, deren Einfuhr steuerfrei wäre (§ 4b Nr. 3 i, V. m. § 5 UStG). Ferner ist der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, für die er zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, von der Erwerbsbesteuerung befreit (§ 4b Nr.4 UStG).

228

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

3.3.2.3

Bemessungsgrundlage

Die Bemessungsgrundlage des innergemeinschaftlichen Erwerbs bestimmt sich gern. § 10 I S. 1 UStG wie bei den Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt. Hierunter fallen ausdrücklich auch Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet bzw. entrichtet werden (§ 10 I S. 4 UStG). Zu den Verbrauchsteuern zählen dabei nicht nur die in § 1a V S. 2 UStG bezeichneten Arten (Mineralöl, Alkohol, alkoholische Getränke, Tabakwaren), sondern alle Verbrauchsteuern, und zwar auch dann, wenn sie von einem anderen Mitgliedstaat erhoben werden, sofern sie im Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs für den innergemeinschaftlichen Erwerb entstanden sind. Beim Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland durch einen Unternehmer zu seiner eigenen Verfügung bestimmt sich die Bemessungsgrundlage mangels Entgeltlichkeit wie bei der Gegenstandsentnahme gern. § 10 IV Nr. 1 UStG grundsätzlich nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten zum Zeitpunkt des Umsatzes (Wiederbeschaffungskosten). Für den Fall, dass ein Einkaufspreis nicht ermittelt werden kann, werden die Selbstkosten angesetzt.

3.3.2.4

Steuersatz

Der Steuersatz ist nach § 12 I bzw. 11 UStG zu ermitteln. Danach gilt auch für den innergemeinschaftlichen Erwerb grundsätzlich ein (Regel-)Steuersatz von 19 %. Liegt hingegen ein innergemeinschaftlicher Erwerb eines in der Anlage zum UStG bezeichneten Gegenstands vor, ist der ermäßigte Steuersatz (7 %) anzuwenden.

3.3.2.5

Steuerschuldner und Entstehung

Beim innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1a UStG) entsteht die Steuerschuld mit Ausstellung der Rechnung (§ 13 I Nr. 6 S. 1 UStG). Für den Fall, dass die Rechnung später oder u. U. gar nicht ausgestellt wird, entsteht sie spätestens mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats (§ 13 I Nr. 6 S. 2 UStG). Steuerschuldner des innergemeinschaftlichen Erwerbs ist der Erwerber (§ 13a I Nr. 2 UStG). Durch diese Regelung wird klar, dass Steuerschuldner nicht nur Unternehmer sein können. Vielmehr sind auch nicht steuerpflichtige juristische Personen und im Sonderfall des Erwerbs neuer Fahrzeuge (§ 1b UStG) auch Privatpersonen Schuldner der Erwerbsteuer.

3.3.2.6

Vorsteuerabzug

Der Unternehmer kann die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen als Vorsteuer abziehen, sofern er den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat (§ 15 I Nr. 3 UStG). Im Gegensatz zur Regelung des § 15 I Nr. 1 UStG sind für den Vorsteuerabzug beim innergemeinschaftlichen Erwerb darüber hinaus 229

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

keine weiteren Voraussetzungen notwendig. Insbesondere ist das Vorliegen einer Rechnung keine Bedingung für den Vorsteuerabzug.

3.3.2.7

Besteuerungsverfahren

Eine verfahrensrechtliche Besonderheit sieht § 25b UStG für eine bestimmte Form des innergemeinschaftlichen Reihengeschäfts vor. Die Bestimmungen über das innergemeinschaftliche Reihengeschäft führen zu dem in verfahrenstechnischer und praktischer Hinsicht nachteiligen Ergebnis, dass sich Unternehmer in einem anderen EGMitgliedstaat umsatzsteuerlich erfassen lassen müssen.

Beispiel: Der italienische Unternehmer U aus Mailand bestellt eine Maschine bei dem Großhändler G in Duisburg. Diese wiederum muss die Maschine bei ihrem Produzenten P in Paris bestellen. Die Ware gelangt auf Wunsch des G direkt von P zu U.

Abbildung 3-19:

Reihengeschäjt

Frankreich

Deutschland 1. Lieferung! Rechnungsweg

p ,

G "

.

Bestellung "

" < , '

.. .. "

'.

...

...

Warenbewegun!l

Bestellung

..

'

. ...

'

.. .. <,

2. Lieferun g! ~echnungsweg

'

"

....•

U Italien

Die Lieferung von P an G ist in Frankreich ausgeführt (§ 3 VI S. 1 UStG), weil die tatsächliche Versendung (P an U) dem P zuzurechnen ist. Die Lieferung des P ist als innergemeinschaftliche Lieferung in Frankreich steuerfrei (§ 6a analoges französisches UStG). G hat hingegen einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Italien bewirkt, weil 230

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

sich die Ware am Ende der Beförderung in Italien befindet. Der Erwerb ist in Italien steuerbar und auch steuerpflichtig. Gleichzeitig kann G die Erwerbssteuer in Italien als Vorsteuer berücksichtigen. Würde G ferner bei der Abrechnung seine deutsche UStIdentifikationsnummer verwenden, so hätte er auch einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland bewirkt, der gern. § 3d S. 2 UStG erst rückgängig gemacht wird, wenn G die Versteuerung in Italien nachweisen kann. Des Weiteren hat G eine Lieferung in Italien ausgeführt (§ 3 VII S. 2 Nr. 2 UStG). Diese Lieferung ist steuerbar und steuerpflichtig in Italien. Folglich muss sich G in Italien umsatzsteuerlich registrieren lassen. Er hat italienische Steuererklärungen abzugeben und die Umsatzsteuer an ein italienisches Finanzamt zu zahlen.

Exkurs: Um die Erfassung von Untemehmern in einem anderen Mitgliedstaat zu vermeiden, wurde eine Sonderregelung für sog. "innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte" in § 25b uStG geschaffen. Im Ergebnis führt die Regelung dazu, dass die Steuerschuld vom ersten Abnehmer (=mittlerer Untemehmer, Zwischenhändler) auf den letzten Abnehmer übergeht. Gleichzeitig entfällt die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch den Zwischenhändler.

Durch die gesetzestechnische Einordnung des § 25b UStG im Abschnitt über besondere Besteuerungsformen wird deutlich, dass es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine alternative Ortsbestimmungsregel handelt. Vielmehr bestimmt die Vorschrift nur, dass bei Erfüllung der dortigen Voraussetzungen in verfahrenstechnischer Hinsicht die Steuerschuld von einem anderen Unternehmer getragen wird als sich dies bei Anwendung der sonst einschlägigen Regelungen ergeben hätte. Die Ortsbestimmung selbst richtet sich folglich weiterhin nach den bisher dargestellten Regelungen über das Reihengeschäft.

Voraussetzung für das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts ist gern. § 25b UStG, dass drei Unternehmer (erster Lieferer, erster Abnehmer, letzter Abnehmer) über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt. Sind an dem Umsatzgeschäft mehr als drei Unternehmer beteiligt, liegt kein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vor. Weiterhin müssen die beteiligten Unternehmer in jeweils verschiedenen Mitgliedstaaten für Zwecke der Umsatzbesteuerung erfasst sein. Sind mehrere der beteiligten Unternehmer in demselben Mitgliedstaat registriert, liegt kein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vor. Der Gegenstand der Lieferung muss aus dern Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangen und durch den ersten Lieferer oder den ersten Abnehmer befördert oder versendet werden. Liegen die Voraussetzungen vor, ergeben sich die folgenden Rechtsfolgen: Die Steuer für die {Inlands-)Lieferung des ersten Abnehmers an den letzten Abnehmer wird von dem letzten Abnehmer geschuldet, wenn die Voraussetzungen des § 25b 11 Nr. 1-4 UStG sämtlich erfüllt sind. Wird die Steuerschuld wirksam auf den letzten Abnehmer 231

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

übertragen, gilt der innergemeinschaftliche Erwerb des ersten Abnehmers als besteuert (§ 25b m UStG). Die fiktive Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim ersten Abnehmer gilt für die Erwerbsbesteuerung in dem Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung endet und zu gleich auch für die Beurteilung einer Erwerbsbesteuerung in dem Mitgliedsstaat, unter dessen USt-Identifikationsnummer der erste Unternehmer aufgetreten ist. Damit das Verfahren angewendet werden kann, werden für die Rechnungserteilung besondere Inhaltserfordernisse gestellt (§ 25b TI Nr. 3 UStG) sowie bestimmte Aufzeichnungspflichten (§ 25b VI UStG) auferlegt.

3.3.3

Innergemeinschaftliche Lieferungen

3.3.3.1

Steuerbarkeit

3.3.3.1.1

Uberblick: Behandlung von Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet

Wurde die Einordnung umsatzsteuerlicher Sachverhalte beim innergemeinschaftlichen Erwerb aus der Sicht des Erwerbers im Bestimmungsland betrachtet, gilt es nunmehr zu untersuchen, wie die gleichen Lieferungen aus der Blickrichtung des Lieferers zu beurteilen sind. Mit anderen Worten ist zu klären, nach welchen Vorschriften die grenzüberschreitenden Lieferungen im Ursprungsland zu behandeln sind. Die konsequente Umsetzung des EGUmsatzsteuersystems setzt voraus, dass sowohl im Bestimmungsland als auch im Ursprungsland korrespondierende bzw. ergänzende Regelungen zur Anwendung kommen. Die umsatzsteuerliche Beurteilung von EG-grenzüberschreitenden Lieferungen hängt daher aus Sicht des Lieferers ebenfalls entscheidend vom Abnehmerkreis (im Bestimmungsland) ab. Handelt es sich bei der Lieferung um eine Lieferung an einen Erwerber, der (Voll)Unternehmer bzw. Halbunternehmer/juristische Person ist und die Erwerbsschwelle überschreitet, sieht die Konzeption des Umsatzsteuer-Binnenmarktes unabhängig davon, ob der Lieferer Vollunternehmer oder Halbunternehmer/bestimmte juristische Person ist, eine Besteuerung beim Erwerber vor (innergemeinsehaftlicher Erwerb, s.o.). Im Ursprungsland ist die Lieferung dann zwar (bei Unterstellung eines analogen UStG im Ursprungsland) gern. § 1 I Nr. 1 UStG steuerbar, wird aber systemgerecht von der Besteuerung gern. § 4 Nr. Ib L V. m. § 6a UStG befreit (steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung). Liegt hingegen eine Lieferung an einen privaten Abnehmer bzw. einen Halbunternehmer/juristische Person vor, der die Erwerbsschwelle nicht überschreitet, hängt die weitere Behandlung davon ab, ob der Lieferer die Lieferschwelle überschreitet oder nicht. Im ersten Fall ist die Lieferung des (ausländischen) Lieferers im Bestimmungsland steuerbar und steuerpflichtig gern. § 1 I Nr. 1 UStG. Der Ort der Lieferung wird zu diesem Zweck gern. § 3e UStG in das Bestimmungsland verlagert. Im Ursprungs232

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

land ist die Lieferung dagegen wegen der dort analog geltenden Ortsbestimmung des § 3c UStG nicht steuerbar. Wird die Lieferschwelle dagegen nicht überschritten, findet keine Besteuerung im Bestimmungsland, sondern im Ursprungsland statt. Dementsprechend ist die Lieferung im Ursprungsland nach der allgemeinen Regelung des § 1 I Nr. 1 i. V. m. § 3 VI UStG (analog) steuerbar und steuerpflichtig, während sie im Bestimmungsland mangels dortigen Lieferortes (§ 3 VI UStG) nicht steuerbar ist. Holt der Abnehmer (privatperson bzw. Halbunternehmer/juristische Person, welche die Erwerbsschwelle nicht überschritten hat) den Gegenstand ab, gilt unabhängig davon, ob der Lieferer die Lieferschwelle überschritten hat oder nicht, stets das Ursprungslandprinzip. Das bedeutet, dass die Lieferung stets im Ursprungsland gern. § 1 I Nr. 1 i, V. m. § 3 VI UStG steuerbar und steuerpflichtig ist, während sie im Bestimmungsland konsequenterweise mangels inländischen Lieferortes (§ 3 VI UStG) nicht steuerbar ist. Daraus ergibt sich, dass von einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a UStG) nur dann gesprochen wird, wenn die Lieferung zwar im Ursprungsland steuerbar ist, aber steuerfrei in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt. Handelt es sich hingegen um eine Lieferung, die in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, aber nicht steuerbefreit ist, liegt sowohl inhaltlich als auch begrifflich lediglich eine "normale" Lieferung (in das übrige Gemeinschaftsgebiet) gern. § 1 I Nr. 1 i. V.m. § 3 I UStG vor. Die einzelnen Fallvarianten sowie ihre Behandlung im Ursprungsland und im Bestimmungsland verdeutlicht die folgende Übersicht.

Abbildung 3-20:

I

Unterscheidung von Lieferungen in das Gemeinschajtsgebiet

Unterscheidung von Lieferungen in das Gemeinschaftsgebiet

I

Lieferung In das übrige Gemeinschaftsgebiet

I

I an Abnehmer, bei denen keine Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland stattfindet

D Lieferung im Ursprungsland steuerpflichtig oder nicht steuerbar

I an Abnehmer, bei denen eine Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland stattfindet

D Lieferung steuerfrei (Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung

233

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Abbildung 3-21:

I

Überblick: Lieferort in derEU - I

Behandlung im Ursprungsland

1. Fallvariante

-

I ---1

- VoLlunternehmer oder - Halbunternehmer oder

I

Lieferung

f---o

w:i.J~

Sonderfall: Privatperson liefert neues Fahrzeug: Privatperson wird wie ein Unternehmer behandelt (§ 2a UStG)

§ 1 I Nr. 1UStG Lieferort: § 3 VI UStG Steuerbefreiun.: § 4 Nr. lb f.V.m. §6a UStG Steuerfreie inneraemeinschaft ltche LIeferuns

r

Behandlung im Bestimmungsland

I

-VoLlunternehmer -Halbunternehmerl juristische Pe""n. sofern ErwerbsschweLle Gberschritten Sonderfälle: - Halbunternehmerl juristische Person. sofern ErwerbsschweLle unterschritten und Erwerb verbrauchsteuerpflfchtiger Waren bzw. neuer Fahrzeugevorliegt - Privatperson, sofern Erwerb neuer Fahrzeugevorliegt

§ 1 I Nr. 51.V.m. § 1a UStG Lieferort: § 3d UStG Steuerbefrefung: (-) Innergemelnschaftllcher Erwerb tm Bestlmmunssland

Steuerbarkeit:

Steuerbarkeft:

-

Abbildung 3-22:

I

Überblick: Lieferort in derEU - II

Behandlung im Ursprungsland

Behandlung im

-

I Bestimmungsland

I

I

2. Fallvariante - Vollunternehmer oder - Halbunternehmer, der die LieferschweLle Gberschreftet

---1 Lieferung f---o

Sonderfall: Halbunternehmerl juristische Person. sofern ErwerbsschweLleunterschritten und Erwerb verbrauchsteuerpflichtiger Waren vorliegt

-Privatperson -Halbunternehmerl juristische Person, sofern ErwerbsschweLlenfcht Gberschritten

le:!:l

~ on

e: C1I e: e:

ii5 Steuerbarkeft:

§ 1 I Nr. 1UStG Lieferort: § 3c UStG (Verlagerun

Steuerbarkeft:

des Ortes fn das Bestimmungsland) => nicht Steuerbar

Steuerbefreiung: (-) Ausländtscher Lteferer Ist Besttmmungsland steuerpfltchtlg

-

234

§ 1 I Nr. 1 UStG Lieferort: § 3c UStG

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

Abbildung 3-23:

I

Überblick: Liederort in der EU - III

Behandlung im Ursprungsland

I

-

I

Behandlung im Bestimmungsland

I

3. Fallvariante

-Prlvatperson • Vollunternehmer oder - Halbunternehmer

Steuerbarkeft:

~bholun~

§ 1 I Nr. 1UStG Lieferort: : § 3 VI UStG

-Halbuntemehmerl Juristische Perron, sofern Erwer1:>sschwelle nicht überschritten

Nicht steuerbar im Bestimmunssland

(-) Steuerbefrefung: = > Steuerbar und steuerpflichtig 1m Ursprunssland

-

3.3.3.1.2

Innergemeinschaftliches Verbringen

Als Lieferung gegen Entgelt gilt gern. § 3 Ia UStG auch das Verbringen eines Gegenstandes vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, es sei denn, es handelt sich nur um eine vorübergehende Verwendung. Die Vorschrift korrespondiert mit der Erwerberfiktion in Verbringungsfällen (§ la 11 UStG, s. o.), Unter den entsprechenden Voraussetzungen des § 4 Nr. Ib i. V. m. § 6a 11 UStG ist daher auch das Verbringen als innergemeinschaftliche Lieferung steuerbefreit.

3.3.3.1.3

Lieferung neuer Fahrzeuge

Das (wirtschafts)politische Ziel bei der Lieferung neuer Fahrzeuge i. S. des § Ib UStG bestand darin, unabhängig davon, ob es sich bei dem Abnehmer um einen (Voll-)Untemehmer einen Halbunternehmer, eine bestimmte juristische Person oder um eine Privatperson handelt, stets eine Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland zu verwirklichen. Während für den Erwerb neuer Fahrzeuge durch (Voll)Untemehmer insoweit kein gesetzestechnisches Problem bestand, da sämtliche Lieferungen an diese der Erwerbsbesteuerung gern. § la UStG unterliegen, bedurfte es für den Erwerb durch Halbuntemehmer/juristische Personen, welche die Erwerbsschwelle nicht über235

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

schreiten, sowie für Privatpersonen einer besonderen gesetzlichen Regelung. Für Halbunternehmer/juristische Personen bestimmt § la V UStG, dass die Erwerbsschwellenregelung nicht für den Erwerb neuer Fahrzeuge gilt, d. h. für den Erwerb neuer Fahrzeuge werden sie im Ergebnis wie Vollunternehmer behandelt. Für Privatpersonen wird hingegen ausnahmsweise ein innergemeinschaftlicher Erwerb durch die Regelung des § Ib UStG definiert. Aus dem Blickwinkel des Ursprungslandes (Sicht des Lieferers) war es in systematischer Hinsicht notwendig, die Lieferung zwar für steuerbar zu erklären, jedoch sodann von der Steuerpflicht zu befreien. Unproblematisch einzuordnen sind Lieferungen neuer Fahrzeuge durch Unternehmer (Voll- oder Halbunternehmer) an einen Erwerber (Vollunternehmer/Halbunternehmer/ Privatperson) im Bestimmungsland, da diese regelmäßig gern. §§ 1 Nr. 1 i, V. m. § 3 VI UStG im Ursprungsland steuerbar, jedoch gern. § 4 Nr. Ib i V. m. § 6a UStG als innergemeinschaftliche Lieferung steuerbefreit sind. Lieferungen von Privatpersonen an Erwerber im Bestimmungsland sind hingegen im Ursprungsland nicht steuerbar, da § 1 I Nr. 1 UStG als liefernde Person einen Unternehmer fordert. Um eine lückenlose grenzüberschreitende Fahrzeugbesteuerung zu sichern, war es jedoch notwendig, auch in solchen Fällen eine steuerbare Lieferung zu konstruieren. Durch die Vorschrift des § 2a UStG (Fahrzeuglieferer) wird der nichtunternehmerische Fahrzeuglieferer daher zum Unternehmer erhoben (Untemehmerfiktion). Folglich liegt eine steuerbare Lieferung i. S. des § 1 I Nr. 1 UStG vor, welche sodann wiederum als innergemeinschaftliche Lieferung steuerbefreit wird (§ 4 Nr. Ib i, V.m. § 6a UStG).

Abbildung 3-24:

Lieferung neuerFahrzeuge Lieferung neuer Fahrzeuge

durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens

D Steuerbarkeit: § 1 I Nr. 1 i.V.m. § 2 UStG Steuerbefreiung: § 4 Nr. 1b LV.m. § 6a UStG

236

D Steuerbarkeit: § 1 I Nr. 1 LV.m. § 2a UStG Steuerbefreiung: § 4 Nr. 1b i.V.m. § 6a UStG

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

Den Begriff des neuen Fahrzeugs definiert § Ib 11 UStG. Fahrzeuge im Sinne dieser Vorschrift sind neben motorbetriebenen Landfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 48 cm.3 oder einer Leistung von 7,2 kW, Wasserfahrzeuge mit einer Länge von mehr als 7,5 m sowie Luftfahrzeuge deren StarthöchstIDasse mehr als 1.550 kg beträgt. Erfasst werden somit neben PKW auch Motorräder, Wohnmobile, Segelyachten und z. B. Sportflugzeuge. Keine Landfahrzeuge sind hingegen Wohnwagen, Packwagen und andere Anhänger ohne eigenen Motor, die nur von Kraftfahrzeugen mitgeführt werden können und selbstfahrende Arbeitsmaschinen und land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, die nach ihrer Bauart oder ihren besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet sind. Für diese Fälle ist die allgemeine Vorschrift zum innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen einschlägig (§ la UStG). Neu ist ein Fahrzeug dann, wenn die in § Ib III UStG festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Landfahrzeuge gelten als neu, wenn sie entweder nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt haben oder wenn ihre Erstinbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt. Wasserfahrzeuge dürfen nicht mehr als 100 Betriebsstunden auf dem Wasser zurückgelegt haben bzw. die erste Inbetriebnahme darf im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Monate zurückliegen. Ein Luftfahrzeug ist hingegen neu, wenn es nicht mehr als 40 Betriebsstunden genutzt worden ist oder wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Monate zurückliegt.

3.3.3.2

Steuerbefreiung und Steuerpflicht

Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. Ib i V. m. § 6a UStG ersetzt beim grenzüberschreitenden Warenverkehr im EG-Binnenmarkt die im Verhältnis zum Drittlandsgebiet übliche Ausfuhrbefreiung. Eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung setzt dabei gem. § 6a I UStG voraus:

237

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Abbildung3-25:

Voraussetzungen einerinnergemeinschaftlichen Lieferung

Voraussetzung einer innergemeinschaftlichen Lieferung gern. § 6 a UStG 1.

Ein Unternehmer oder Abnehmer hat dem Gegenstand der Lieferung in das Ubrige Gemeinschaftsgebiet befdrdert oder versendet

2.

Der Abnehmer ist a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat oder b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstandnicht für ihr Unternehmen erworben hat oder c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber und

3.

Der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer In einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung (Erwerbsbesteuerung)

4.

Der Unternehmer muss die Voraussetzungen der Nummern 1-3 des § 6a UStG nachweisen

Nach § 6a I UStG muss der Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Der Abnehmer der innergemeinschaftlichen Lieferung muss zu einem bestimmten Personenkreis gehören (§ 6a I Nr. 2 UStG). Primär zählen hierzu Unternehmer, die den Gegenstand für ihr Unternehmen erworben haben. Anhaltspunkt für die Unternehmereigenschaft ist stets, wenn der Abnehmer seine Umsatzsteueridentifikationsnummer angibt und sich aus der Art oder der Menge der erworbenen Gegenstände keine Zweifel an der unternehmerischen Verwendung ergeben. Ferner können auch juristische Personen des Privatrechts (z. B. Vereine) oder des öffentlichen Rechts (z. B. Universitäten, IHK), die nicht Unternehmer sind oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erworben haben, Abnehmer i. S. des § 6a I Nr. 2b UStG sein. Da bei der Lieferung neuer Fahrzeuge unabhängig davon, wer Abnehmer ist, stets eine Besteuerung im Bestimmungsland stattfinden soll, kann bei der Frage der Steuerbefreiung jede Person Abnehmer des neuen Fahrzeugs sein (§ 6a I Nr. 2 UStG). Die Steuerbefreiung ist ferner davon abhängig, dass der Erwerb des Gegenstandes in einem anderen Mitgliedstaat der dortigen Erwerbsbesteuerung unterliegt. Während bei Lieferungen an Unternehmer i. A, davon ausgegangen werden kann, dass eine solche Erwerbsbesteuerung durchgeführt wird, wenn der Unternehmer mit seiner Umsatzsteueridentifikationsnummer auftritt, ist diese Beurteilung bei bestimmten Unternehmern (Halbunternehmern) bzw. juristischen Personen schwieriger zu beurteilen. Dies liegt daran, dass der Abnehmer in solchen Fällen nur dann zur Erwerbsbesteuerung verpflichtet ist, wenn er die entsprechende Erwerbsschwelle überschritten hat. Hingegen ist die Lieferung neuer Fahrzeuge bzw. verbrauchsteuerpflichtiger Wa238

Grenzüberschreitende Lieferungsbesteuerung im EG-Binnenmarkt

ren an diese Personengruppen stets steuerbefreit, da hierfür zwingend ein innergemeinschaftlicher Erwerb für die genannten Personengruppen angenommen wird. Liegen die beschriebenen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht vor, sind die Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet grundsätzlich steuerpflichtig.

3.3.3.3

Bemessungsgrundlage

Für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage bei Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelten keine Besonderheiten. Vielmehr bestimmt sie sich nach der allgemeinen Regel des § 10 I UStG, wonach das Entgelt umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage ist. Beim Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in einen anderen Mitgliedstaat der EG durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung (§ 3 Ia UStG) wird als Bemessungsgrundlage der Einkaufspreis zzgl der Nebenkosten angesetzt oder für den Fall, dass ein Einkaufspreis nicht ermittelbar ist, die Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes (§ 10 IV Nr. 1 UStG). Die ßemessungsgrundlage muss nicht nur für den Fall ermittelt werden, dass die Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet steuerpflichtig ist. Mit Blick auf die Aufzeichnungspflichten (Kontrollfunktion) innerhalb des EG-Binnenmarktes sind nämlich auch bei steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferungen die Summen der Bemessungsgrundlagen für jeden Abnehmer zu ermitteln (Zusammenfassende Meldung gern. §§ 18, 18a UStG).

3.3.3.4

Steuersatz

Für die nicht steuerbefreiten Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestimmt sich der Steuersatz nach der Vorschrift des § 12 UStG.

3.3.3.5

Steuerentstehung und Steuerschuldner

Regelungen über die Steuerschuldnerschaft und hinsichtlich der Entstehung der Umsatzsteuer sind L A, ohne Bedeutung, da die betrachteten Lieferungen regelmäßig steuerfrei sind. Lediglich dann, wenn der Lieferer im Falle der Beförderung oder Versendung die entsprechende Lieferschwelle nicht überschritten hat bzw. im Fall der Abholung durch Halbuntemehmer/juristische Personen bzw. Privatpersonen ist die Frage der Steuerentstehung und Steuerschuldnerschaft zu klären. Da die Lieferung dann jedoch gern. § 1 I UStG im Ursprungsland steuerbar und steuerpflichtig ist, ergeben sich keine Besonderheiten im Vergleich zu rein nationalen Lieferungssachverhalten (s.o.).

239

3.3

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

3.3.3.6

Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten

Die Vorschrift des § 6a III UStG verpflichtet den Unternehmer, die Voraussetzungen für die innergemeinschaftliche Lieferung nachzuweisen. Dabei muss sich der Nachweis nicht nur aus entsprechenden Belegen ergeben, vielmehr sind wie bei anderen steuerfreien Lieferungen auch Aufzeichnungen in der Buchführung zu führen. Für die zu erbringenden Belegnachweise enthalten die §§ 17a-c UStDV entsprechende Anweisungen. In Beförderungs- und Versendungsfällen ist der Nachweis regelmäßig durch Rechnungskopien, Lieferscheine bzw. Empfangsbestätigungen des Abnehmers bzw. seines Beauftragten zu führen. Ferner müssen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteueridentifikationsnummer des Abnehmers nachgewiesen werden. Dazu soll der Unternehmer (§ 17c 11 UStDV) den Namen und die Anschrift des Abnehmers, den Gewerbezweig bzw. Beruf des Abnehmers, die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des Gegenstandes der Lieferung, den Tag der Lieferung, den Bestimmungsort, das vereinbarte Entgelt usw. aufzeichnen. Ähnliche Aufzeichnungspflichten gelten für Verbringungsfälle (§ 17c III UStDV) und für Lieferungen neuer Fahrzeuge an Abnehmer ohne Umsatzsteueridentifikationsnummer (i. A, Privatpersonen). Die Bemessungsgrundlagen der innergemeinschaftlichen Lieferungen sind in den Umsatzsteuervoranmeldungen und in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung gem. § 18b UStG gesondert zu erklären. Die Angaben sind in dem Voranmeldungszeitraum zu machen, in dem die Rechnung für die innergemeinschaftliche Lieferung ausgestellt wird, spätestens jedoch in dem Voranmeldungszeitraum, in dem der auf die Ausführung der innergemeinschaftlichen Lieferung folgende Monat endet. Um das Kontrollverfahren über innergemeinschaftliche Warenbewegungen zu ermöglichen, sind alle Unternehmer i. S. des § 2 UStG verpflichtet, neben den Umsatzsteuervoranmeldungen und den Umsatzsteuer-Jahreserklärungen zusätzlich eine sog. Zusammenfassende Meldung beim Bundeszentralamt für Steuern unter ihrer Umsatzsteueridentifikationsnummer abzugeben (§ I8a UStG). Zusammengefasst sind bei innergemeinschaftlichen Lieferungen daher die folgenden Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten zu beachten:

240

Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

Abbildung 3-26:

Aufzeichnungs-und Erklärungspjlichten Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten

- Besondere Aufzeichnung der Bemessungsgrundlagen in der Buchführung gem. § 6a 111 UStG - Erklärung der Bemessungsgrundlagen in den UmsatzsteuerVoranmeldungen und der Umsatzsteuer-Jahreserklärung gem. § 18b UStG - Erklärung der Lieferungen in der Zusammenfassenden Mel,dung gem. § 18a UStG

3.4

Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

Die Ausführungen zur Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte beschränkten sich bisher auf den Warenverkauf und somit auf Lieferungen vom Inland in das Drittlandsgebiet/übrige Gemeinschaftsgebiet bzw. vom Drittlandsgebiet/ übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland. Das Umsatzsteuergesetz muss jedoch auch Regelungen für die grenzüberschreitende Besteuerung solcher Leistungen bereithalten, die gerade nicht in einer Lieferung bestehen. Im Gegensatz zur Behandlung von Lieferungen ist bei der Erbringung grenzüberschreitender sonstiger Leistungen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - keine Unterscheidung danach notwendig, ob sie mit Unternehmern im DrittIand oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet zustande gekommen sind. Der Begriff der sonstigen Leistungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten unterscheidet sich nicht von der Begriffsbestimmung sonstiger Leistungen bei der Betrachtung rein nationaler Sachverhalte. Nur für wenige Fallkonstellationen (grenzüberschreitende Beförderungsleistungen, innergemeinschaftliche Güterbeförderungen) waren daher Sonderregelungen erforderlich. Entscheidende Bedeutung für die Frage, ob die Erbringung einer sonstigen Leistung im Ursprungsland oder im Bestimmungsland der Besteuerung unterliegt, kommt -wie bei Lieferungen- der Ortsbestimmung zu. Für die Lösung praktischer Fälle ergibt sich in prüfungstechnischer Hinsicht keine andere Vorgehensweise als bei der Prüfung rein national ausgeführter sonstiger Leistungen. Einstiegsnorm für die Untersuchung der Steuerbarkeit ist daher stets § 1 I Nr. 1 2. Alt UStG (sonstige Leistungen). Die Bestimmung des Ortes richtet sich sodann

241

3.4

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

nach den Regelungen der §§ 3a, 3b, 3e, 3f UStG. Ergibt die Prüfung, dass sich der Leistungsort im Inland befindet, folgt die Prüfung der Steuerpflicht gern. § 4 UStG sowie die Feststellung der Bemessungsgrundlage, des Steuersatzes und des Steuerschuldners wie bei ausschließlich nationalen Sachverhalten.

3.4.1

Steuerbarkeit

3.4.1.1

Begriff der sonstigen Leistung

Eine sonstige Leistung ist gern. § 1 I Nr. 12. Alt. UStG steuerbar, wenn sie durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird. Fraglich ist somit insbesondere, was unter einer sonstigen Leistung im grenzüberschreitenden Leistungsaustausch zu verstehen ist. Sonstige Leistungen sind alle Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 IX S. 1 UStG), also insbesondere •

Aktive Tätigkeiten (z. B. Dienstleistungen, Transportleistungen, Werkleistungen, Vermittlungsleistungen),

•

Duldungen (z. B. Vermietung, Verpachtung, Überlassung von Urheber- und Lizenzrechten, Darlehensgewährung),

•

Unterlassungen (z. B.Verzicht auf Ausübung eines Vorkaufsrechts).

Leistungen, die sowohl Elemente der Lieferung als auch Elemente einer sonstigen Leistung enthalten, sind für die urnsatzsteuerliche Behandlung entweder den Lieferungen oder den sonstigen Leistungen zuzuordnen. Die Einstufung als Lieferung oder sonstige Leistung richtet sich danach, welche Leistungselemente unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistungen bestimmen (vgl. A 25 I UStR). Auch dann, wenn sonstige Leistungen gegenständlich verkörpert werden, überwiegen die Elemente der sonstigen Leistungen (z. B. Überlassung von Konstruktionszeichnungen und Pläne für technische Bauvorhaben, Überlassung von Lichtbildern zu Werbezwecken, Veräußerungen von Modellskizzen, Überlassung nicht standardisierter Software; vgl. die Auflistung in A 25 11 UStR). Unter den Begriff der sonstigen Leistungen fiel bisher auch die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (§ 3 IX S. 4, 5 UStG). Diese Sätze sind durch das Jahressteuergesetz 2008 aufgehoben worden, da der Wortlaut des S. 4 nach Auffassung des BFH nicht in vollem Umfang gemeinschaftsrechtskonform ist, weil es unter Umständen dazu kommen kann, das Lieferungen zu Unrecht in sonstige Leistungen umqualifiziert werden. 11 Es muss vielmehr nach den

11 BFH vom 10.08.2006, V R 55/04, BStBl II 2007, S. 480; BFH vom 26.10.2006, V R 58,59/04, BStBlII 2007, S. 487.

242

Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

allgemeinen umsatzsteuerliehen Grundsätzen entschieden werden, ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt. Wann eine sonstige Leistung als erbracht gilt/ ist im Umsatzsteuergesetz nicht geregelt. Allgemein gilt sie jedoch dann als erbracht, wenn der zugrunde liegende Auftrag erfüllt ist. Lediglich für bestimmte Dauerschuldverhältnisse (z. B. Miete/ Pacht) werden teilweise die vereinbarten Abrechnungszeiträume als Anhaltspunkt für die Erbringung der sonstigen Leistung angesehen. Wird beispielsweise eine monatliche Mietzahlung vereinbart, liegt umsatzsteuerlich eine monatliche (Teil-)Leistung vor.

3.4.1.2

Ort der sonstigen Leistung

Bestimmungen über den Ort der sonstigen Leistungen hat der Gesetzgeber in den §§ 3a, 3b, 3e, 3f UStG n. F. geregelt. Die genannten Vorschriften gelten dabei sowohl für nationale als auch für internationale Sachverhalte. Während § 3a UStG n. F. allgemeine Regelungen zur Ortsbestimmung enthält, wird in § 3b UStG n. F. eine Ortsbestimmung für Beförderungsfälle vorgenommen. Zu beachten ist dabei, dass § 3b I UStG n. F. eine allgemeine Ortsbestimmung für Güter- und Personenbeförderungen normiert, während § 3b III UStG n. F. eine Sonderregelung für Güterbeförderungsleistungen innerhalb der EG (innergemeinschaftliche Beförderungen) enthält. In § 3e UStG n. F. wird der Sonderfall der Restaurationsleistungen während der Beförderung an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn geregelt. Die Ortbestimmung für unentgeltliche sonstige Leistungen ist in § 3f UStG n. F. verortet. Die genannten Vorschriften sind sehr unübersichtlich gestaltet. Obwohl gesetzestechnisch eine Grundregel in § 3a I UStG n. F. definiert wurde, hat diese bei der praktischen Anwendung eher den Charakter eines Auffangtatbestandes für den Fall, dass eine der zahlreichen Sonderregelungen des § 3a 11 - VII UStG n, F. sowie der §§ 3b, 3e, 3f UStG n. F. nicht zur Anwendung kommen. Vor der Auffangregel des § 3a I UStG n. F. ist stets die Vorschrift des § 3a 11 UStG n. F. zu berücksichtigen. Nach dieser ist bei einem Unternehmer als Leistungsempfänger der Ort/ von dem aus dieser sein Unternehmen betreibt Leistungsort. Diese Regelung führt zu einer weitgehend Durchsetzung des Bestimmungslandprinzips. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Leistungsempfänger eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person ist, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt wurde. Aus Vereinfachungsgründen wird im Folgenden nur noch von Unternehmern gesprochen. Nach der in § 3a I UStG n. F. genannten "Grundregel" bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung nach dem Sitzort des leistenden Unternehmers. Folgt man dem Gedanken/ dass die Umsatzsteuer eine Verbrauchsteuer darstellt und der Ort der Besteuerung folglich möglichst im Bestimmungsland liegen sollte, wird deutlich, dass die Vorschrift des § 3a I UStG n. F./ die materiell das Ursprungslandsprinzip verwirklicht, diesem Gedanken gerade nicht folgt.

243

3.4

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Aus diesem Grund wird die Regelung nur dann anwendbar, wenn keine der zahlreichen Ausnahmeregelungen einschlägig ist, die in erster Linie dem Bestimmungslandprinzip Rechnung tragen. Bei der Fallbearbeitung müssen daher zunächst die Ausnahmetatbestände der §§ 3b, 3e, 3f und 3a 11 - VII UStG n. F. geprüft werden, bevor die Ortsbestimmung nach § 3a I UStG n. F. subsidiär zur Anwendung gelangen kann.

3.4.1.2.1

Ort der Beförderungsleistungen im EG-Binnenmarkt (S 3b UStG)

Handelt es sich bei der Leistung um eine Beförderungsleistung (§ 3b I UStG n. F.) wird die Leistung grundsätzlich dort ausgeführt, wo die Leistung bewirkt wird. Eine Beförderungsleistung liegt vor, wenn die Leistung in der Fortbewegung von Gegenständen (Güterbeförderungen) oder Personen (Personenbeförderungen) besteht. Erstreckt sich die Beförderungsleistung dabei auch auf das Ausland (grenzüberschreitende Beförderung, d. h. auch das Drittlandsgebiet), so fällt nur der Teil der Leistung unter das deutsche UStG, der auf das Inland entfällt, d. h. grenzüberschreitende Beförderungen sind grundsätzlich streckenanteilig in einen steuerbaren und einen nicht steuerbaren Teil aufzugliedern. Zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahren sehen jedoch die Vorschriften der §§ 2-7 UStDV Sonderregelungen vor, nach denen kurze Strecken im Inland als ausländische Strecken angesehen werden und kurze Strecken im Ausland wie inländische Strecken behandelt werden. Zu beachten ist, dass Güterbeförderungen nur dann von der Regelung des § 3b I UStG n. F. erfasst werden, wenn sie keine innergemeinschaftlichen Güterbeförderungen i. S. des § 3b m UStG n. F. sind. Zudem darf der Empfänger weder Unternehmer sein, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist. Bei einer Güterbeförderung, die keine innergemeinschaftliche Güterbeförderung ist und die an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht wird, ist die Regel des § 3a 11 S. 1 UStG n. F. einschlägig. Der Leistungsort bestimmt sich in diesem Fall nach dem Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Hierdurch kommt es zu einer konsequenten Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips. EG-grenzüberschreitende Güterbeförderungsleistungen, d. h. Beförderungen, die in einem EG-Mitgliedstaat beginnen und in einem anderen Mitgliedstaat enden (innergemeinschaftliche Beförderung eines Gegenstandes) werden nach § 3b m UStG n. F. an dem Ort ausgeführt, an dem die Beförderung beginnt. Auch diese Regelung gilt nur für den Fall, dass der Leistungsempfänger kein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung erbracht wird. Handelt es sich bei dem Leistungsempfänger um einen Unternehmer, greift wiederum die Regelung des § 3a 11 S. 1 UStG n. F., der zufolge der Ort, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt, den Leistungsort bestimmt.

244

Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

Mit der eigentlichen Güterbeförderung in Zusammenhang stehende Tätigkeiten wie z. B. das Beladen, Entladen und Umschlagen der Waren werden dort ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird (§ 3b 11 UStG n. F. Auch diese Regelung gilt wiederum nur, wenn der Leistungsempfänger kein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung erbracht wird. Ist der Leistungsempfänger eine der genannten Personen, ist § 3a 11 UStG n. F. einschlägig. Leistungsort ist dann der Ort, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt.

3.4.1.2.2

Ort der Lieferungen und Restaurationsleistungen während einer Beförderung an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn

In § 3e I UStG n. F. wird die Behandlung von Lieferungen und Restaurationsleistungen

während der Beförderung an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn geregelt. Restaurationsleistungen sind solche Leistungen, die in einer Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle bestehen. Leistungsort ist der Abgangsort der Beförderung. Die Vorschrift ist dann anzuwenden, wenn die Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets stattfindet. Innerhalb des Gerneinschaftsgebiets findet eine Beförderung nach § 3b 11 UStG n. F. dann statt, wenn die Beförderung zwischen dem Abgangsort und dem Ankunftsort ohne Zwischenaufenthalt außerhalb des Gemeinschaftsgebiets vollzogen wird. Abgangsort ist der erste Ort innerhalb des Gemeinschaftsgebiets, in dem Reisende in das Beförderungsmittel einsteigen können. Ankunftsort ist der letzte Ort, an dem Reisende das Beförderungsmittel verlassen können. Zu beachten ist weiterhin, dass Hin- und Rückfahrt als gesonderte Beförderungen gelten. Sind die Voraussetzungen des § 3e I, 11 UStG n. F. erfüllt, ist Leistungsort, der Abgangsort des Beförderungsmittels.

3.4.1.2.3

Ort der unentgeltlichen sonstigen Leistungen

Der Ort der unentgeltlichen Leistungen wurde bereits im Bereich des nationalen Umsatzsteuerrechts besprochen. Maßgeblich ist nach § 3f UStG n. F. der Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Sofern die Leistungen von einer Betriebstätte ausgeführt werden, gilt die Betriebstätte als Ort der Leistungen.

3.4.1.2.4

Ort der sonstigen Leistungen gern. § 3a UStG n, F.

Soweit nicht eine der oben erwähnten Vorschriften einschlägig ist, kommt § 3a UStG n. F. zur Anwendung. Sofern § 3a UStG n. F. zu berücksichtigen ist, soll die Grundregel

des § 3a I UStG n. F. nur zur Anwendung kommen, wenn nicht ein Ausnahmetatbestand des § 3a 11 - VII UStG n. F. greift. Auch hier soll dem Verbrauchsteuercharaktersteuer der Umsatzsteuer entsprechend grundsätzlich dem Bestimmungslandprinzip gefolgt werden. 245

3.4

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Für Umsätze, die in Zusammenhang mit einem Grundstück stehen, wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt (Belegenheitsort). Die Vorschrift verwirklicht somit das Bestimmungslandprinzip. Leistungen die in Zusammenhang mit einem Grundstück stehen, sind insbesondere Vermietungs- bzw. Verpachtungsumsätze (§ 3a III Nr. la UStG n. F.), Leistungen der Grundstücksmakler12 bzw. Grundstückssachverständigen (§ 3a III Nr. Ib UStG n. F.) sowie Leistungen, die der Erschließung von Grundstücken oder der Ausführung von Bauleistungen dienen (§ 3a III Nr. 1c UStG n. F.). Zu letzteren zählen unter anderen Architektenleistungen, sowie Reparatur- und Wartungsleistungen an Gebäuden (vgl. A 34 VIl UStR). Für bestimmte, sehr stark personenbezogene Leistungen, die allesamt in einem aktiven Tun bestehen, liegt der Ort dort, wie die Leistung konkret ausgeführt wird (Tätigkeitsort), Es kommt also nicht darauf an, an welchem Ort der Unternehmer seine Cesamttätigkeit ausübt (Sitz des Unternehmens), vielmehr ist entscheidend, wo der Unternehmer den jeweils zu beurteilenden einzelnen Umsatz ausführt. In systematischer Hinsicht wird auch hier im Wesentlichen das Bestimmungslandprinzip verwirklicht. Zu den bezeichneten Leistungen zählen insbesondere künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen (z. B. Darbietungen, Vorträge, Auftritte) einschließlich der Leistungen des jeweiligen Veranstalters (§ 3a III Nr. 3a UStG n. F.). Die Abgabe von Speisen und Getränken an Ort und Stelle gilt nach § 3a III Nr. 3b UStG n. F. ebenfalls als dort erbracht, wo der Unternehmer den jeweiligen Umsatz ausführt. Zu beachten ist allerdings, dass diese Vorschrift gegenüber der Regelung des § 3e UStG n. F. nachrangig ist, welche die Erbringung von Restaurationsleistungen während einer innergemeinschaftlichen Beförderung an Bord eines Schiffs, eines Luftfahrzeugs oder einer Eisenbahn an den Abgangsort der Beförderung legt. Ebenso werden Werkleistungen an beweglichen körperlichen Gegenständen sowie deren Begutachtung dort ausgeführt, wo der leistende Unternehmer jeweils ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird (§ 3a III Nr. 3c UStG n. F.). Dies gilt allerdings nicht, wenn die Leistung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen wird. In diesem Fall ist wiederum § 3a Il UStG n. F. einschlägig, der den Leistungsort an den Ort verlegt, von dem aus der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt. VermitUungsleistungen werden gern. § 3a III Nr. 4 UStG n. F. an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird (Leistungsort des vermittelten Umsatzes). Notwendig ist daher die Bestimmung des Ortes des zugrundeliegenden Umsatzes. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem vermittelten Umsatz entweder um eine Lieferung oder um eine sonstige Leistung handeln kann, was dazu führt, dass unterschiedliche Ortbestimmungsregeln Anwendung finden. Im Grundsatz wird aber auch hier das Bestimmungslandprinzip verwirklicht. Auch für den Fall des § 3a III Nr. 4

12 Damit gehören insbesondere auch Vermittlungen von Grundstücksumsätzen zu den Leistun-

gen gern. § 3a III Nr. 1 UStG n. F. 246

Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

UStG n. F. gilt wiederum die bereits oft genannte Ausnahme für Leistungen in die unternehmerische Sphäre eines Unternehmers. Bestimmte in § 3a IV UStG n. F. aufgeführte Leistungen - sog. Katalogleistungen gelten als am Sitzort des Leistungsempfängers erbracht, wenn der Leistungsempfänger kein Unternehmer ist, die Leistung nicht für sein Unternehmen erhält bzw. keine nicht unternehmerisch tätige juristische Person ist, der eine UmsatzsteuerIdentifikationsnummer erteilt wurde und er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet hat. Ist der Leistungsempfänger hingegen Unternehmer bzw. eine diesem partiell gleichgestellte juristische Person, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a 11 UStG n. F. Sofern es sich bei dem Leistungsempfänger um eine Privatperson handelt und er seinen Wohnsitz oder Sitz im Gemeinschaftsgebiet, richtet sich die Ortsbestimmung im Grundsatz nach § 3a I UStG n. F. Damit liegt der Leistungsort am Sitzort des leistenden Unternehmers (Ursprungslandprinzip). Eine Ausnahme gilt allerdings gern. § 3a V UStG n. F. für "auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen" (sog. ECommerce Leistungen; § 3a IV Nr. 13 UStG n. F.) Werden derartige Leistungen von Unternehmern erbracht, die im Drittlandgebiet ansässig sind oder dort eine Betriebstätte unterhalten, von der aus die Leistungen erbracht werden, gilt die Leistung dort als ausgeführt, wo der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz oder Sitz hat (Bestimmungslandprinzip). Auch diese Vorschrift gilt nicht für Unternehmer bzw. diesen für Zwecke der Ortsbestimmung gleichgestellte juristische Personen, bei denen die Ortsbestimmung nach § 3a 11 UStG n. F. erfolgt. Zu den in § 3a IV UStG n. F. genannten sonstigen Leistungen zählen:

•

§ 3a IV Nr. 1 UStG n. F.: Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Patenten, Urheberrechten, Markenrechten und ähnlichen Rechten. Sonstige Leistungen in diesem Sinne ergeben sich insbesondere aus dem Gesetz über das Urheberrecht, die Wahrnehmung von Urheberrechten, das Patentgesetz, das Markenrechtsreformgesetz, das Gesetz über das Verlagsrecht und das Gebrauchmusterrecht. Die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten und die Freigabe eines Berufssportlers gegen Ablösezahlung sind dabei als ähnliche Rechte anzusehen.

•

§ 3a IV Nr. 2 UStG n, F.: Sonstige Leistungen, der der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit dienen, einschließlich der Leistungen der Werbungsmittler und der Werbeagenturen. Untern dem Begriff der "Leistungen, die der Werbung dienen, sind diejenigen Leistungen zu verstehen, die bei den Werbeadressaten den Entschluss zum Erwerb von Gegenständen oder zur Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen auslösen sollen. Zu den Leistungen gehören insbesondere die Werbeberatung, die Werbevorbereitung und die Werbeplanung, die Werbegestaltung, die Werbemittelherstellung, die Werbemittlung und die Durchführung der Werbung.

247

3.4

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

•

§ 3a IV NL 3 UStG n. F.: Sonstige Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer, insbesondere die rechtliche, wirtschaftliche und technische Beratung.

•

§ 3a IV Nr. 4 UStG n. F.: Datenverarbeitung. Unter dem Begriff der Datenverarbeitung ist die manuelle, maschinelle oder elektronische Speicherung, Umwandlung, Verknüpfung und Verarbeitung von Daten zu verstehen. Hierzu gehören insbesondere die Automatisierung von gleichförmig wiederholbaren Abläufen, die Sammlung, Aufbereitung, Organisation, Speicherung und Wiedergewinnung von Informationsmengen sowie die Verknüpfung von Datenmengen und Datenstrukturen mit der Verarbeitung dieser Informationen aufgrund computerorientierter Verfahren. Die Erstellung von Datenverarbeitungsprogrammen ist hingegen keine Datenverarbeitung.

•

§ 3a IV Nr. 5 UStG n, F.: Überlassung von Informationen einschließlich gewerblicher Verfahren udn Erfahrungen. Diese Vorschrift erfasst die genannten Sachverhalte nur, soweit diese Leistungen nicht bereits unter § 3a IV Nr. 1, 3 und 4 UStG n. F. fallen (Subsidiarität).

•

§ 3a IV NL 6 UStG n. F.: Sonstige Leistungen der in § 4 Nr. 8a-h und Nr. 10 UStG bezeichneten Art sowie die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten sowie die sonstigen Leistungen im Geschäft mit Gold, Silber und Platin.

•

§ 3a IVNL 7UStG n. F.: Gestellung von Personal

•

§ 3a IV NL 8 UStG n. F.: Verzicht auf die Ausübung eines der in Nummer 1 bezeichneten Rechte

•

§ 3a IV NL 9 UStG n. F.: Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben

•

§ 3a IV NL 10 UStG n, F.: Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel

•

§ 3a IV Nr. 11 UStG n, F.: Sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Als sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation i. S. des § 3a IV Nr. 11 UStG n. F. sind die Leistungen zu verstehen, mit denen die Übertragung, die Ausstrahlung und der Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien ermöglicht und gewährleistet werden. Hierzu gehören auch die Abtretung und die Einräu-

248

Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

mung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, zur Ausstrahlung oder zum Empfang. Hierzu zählen insbesondere die Übertragungen via Festnetz, Mobilfunk, Satelittenkommunikation, Internet, Rundfunk und Fernsehen sowie die Bereitstellung entsprechender Leistungskapazitäten bzw. Zugangsberechtigungen. Von den Telekommunikationsleistungen sind die entgeltlich erworbenen Inhalte der übertragenen Leistungen zu unterscheiden. Bei diesen Leistungen handelt es sich um selbstständige Leistungen, deren Art für die umsatzsteuerliche Beurteilung maßgebend ist. Nicht zu den Telekommunikationsleistungen gehören insbesondere Angebote im Bereich Telebanking, Datenaustausch, Angebote zur Information, Angebote zur Nutzung des Internets oder weiterer Netze, Angebote zur Nutzung von Telespielen und Angebote von Waren und Dienstleistungen in elektronisch abrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit. Die Anbieter globaler Informationsnetze (sogenannte Online-Anbieter) erbringen häufig ein Bündel sonstiger Leistungen an ihre Abnehmer. Zu den sonstigen Leistungen der Online-Anbieter auf dem Gebiet der Telekommunikation gehören insbesondere die Einräumung des Zugangs zum Internet, die Ermöglichung des Bewegens im Internet, die Übertragung elektronischer Post (E-Mail) einschließlich der Zeit, die der Anbieter zur Abfassung und Entgegennahme dieser Nachrichten benötigt, sowie die Einrichtung einer Mailbox. Grundsätzlich ist jede einzelne Leistung des Online Anbieters gesondert zu beurteilen. Besteht die vom OnlineAnbieter als sog. Zugangs-Anbieter erbrachte sonstige Leistung allerdings vornehmlich darin, dem Abnehmer den Zugang zum Internet zu ermöglichen, handelt es sich bei daneben erbrachten sonstigen Leistungen zwar nicht um Telekommunikationsleistungen. Sie sind jedoch Nebenleistungen, die das Schicksal der Hauptleistung teilen. Erbringt der Anbieter hingegen als sog. Zugang- und Inhaltsanbieter ("Mischanbieter") neben der Telekommunikationsleistung weitere sonstige Leistungen, die nicht als Nebenleistungen zu den Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation anzusehen sind, handelt es sich insoweit um selbständige Hauptleistungen, die gesondert zu beurteilen sind (vgl zu Einzelheiten R 39a UStR).

•

§ 3a IV Nr. 12 UStG n, F.: Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen

•

§ 3a IV Nr. 13 UStG n, F.: Auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen.P Auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen sind insbesondere die Bereitstellung von Web-Sites, Webhosting, Fernwartung von Programmen und Ausrüstungen, die Bereitstellung von

13 Eine allgemeingültige Definition des Begriffs der Leistungen, die auf elektronischem Weg erbracht werden, wurde in die EG-Richtlinie nicht aufgenommen. Stattdessen werden in einem Anhang zur Richtlinie beispielhaft Leistungen aufgezählt, die als auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen gelten sollen. Diesem Katalog hat sich der deutsche Gesetzgeber angeschlossen. 249

3.4

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Software und deren Aktualisierung, die Bereitstellung von Bildern, Texten und Informationen sowie die Bereitstellung von Datenbanken und die Bereitstellung von Musik, Filmen und Spielen, einschließlich Glücksspielen und Lotterien, sowie von Sendungen und Veranstaltungen aus den Bereichen Politik, Kultur, Kunst, Sport, Wissenschaft und Unterhaltung. Ebenfalls zählen hierzu Fernunterrichtsleistungen. Dabei handelt es sich um Leistungen, die im traditionellen Geschäftsverkehr regelmäßig die physische Präsenz des Unterrichtenden und des zu Unterrichtenden an einem Ort bedingen. Im elektronischen Geschäftsverkehr werden diese Unterrichtsleistungen über eine Distanz erbracht, ohne dass sich der Unterrichtende und der zu Unterrichtende an einem Ort befinden. (z. B. Programm für Schreibmaschinenkurs). Allerdings sollen Leistungen einer Fernuniversität nicht hierunter fallen. Kommunizieren der Erbringer einer sonstigen Leistung und der Leistungsempfänger per E-Mail, bedeutet dies für sich gesehen nicht bereits, dass die erbrachte sonstige Leistung eine auf elektronischem Weg erbrachte Leistung ist. Damit ist beispielsweise die Erstellung eines Gutachtens, das per email an den Auftraggeber übermittelt wird, keine elektronisch erbrachte Dienstleistung. Die Versendung auf elektronischem Weg führt in diesen Fällen nicht zur Umqualifizierung der erbrachten Dienstleistung.

Abbildung 3-27:

Unternehmer (Sitz: Drittlandsgebiet)

Ortsbestimmung beiE-Commerce-Leistungen

Unternehmer (Sitz: EU)

Ort: Leistungsempfänger § 3a 111, IV Nr. 14

Unternehmer (Sitz: EU)

Unternehmer (Sitz: Drittlandsgebiet)

Ort: Lelstungsempfanger § Ja 111, IV Nr. 14

Unternehmer (Sitz: EU)

Unternehmer (Sitz: EU)

Ort: Leistungsempfänger § Ja 111, IV Nr. 14

Unternehmer (Sitz: Drittlandsgebiet)

Kein Unternehmer (Sitz: Drittlandsgebiet)

Ort: Leistungsempfänger § Ja 111, IV Nr. 14

Unternehmer (Sitz: Drittlandsgebiet)

Kein Unternehmer (Sitz: EU)

Ort: Leistungsempfänger § 3a lila, IV Nr. 14

Unternehmer (Sitz: EU)

Kein Unternehmer (Sitz: Drtttlandsgeblet)

Ort: Leistungsempfänger § Ja 111, IV Nr. 14

Unternehmer (Sitz: EU)

Kein Unternehmer (Sitz: EU)

Ort: Leistungsempfänger § 3a I

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Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

•

§ 3a IV Nr. 14 UStG n, F.: Die Gewährung des Zugangs zu Erdgas- und E1ektrizitätsverteilungsnetzen und die Fernleitung oder die Übertragung über diese Netze sowie die Erbringung anderer damit unmittelbar zusammenhängender sonstiger Leistungen.

Abbildung3-28:

Bestimmung des Leistungsortes für sonstige Leistungen

I

- -

Leistungsempfänger

list Unternehmer und erhält die Leistung für sein Unternehmen

I

I mit Wohnsitz/Sitz im I Drittlandsgebiet

I I

ist kein Unternehmer

I

<,

I mit Wohnsitz/Sitz im I Gemefnschaftsgebiet

.>:

------

------ ~

Sonstige Lefstungen 11 .S.d. § 3a IV Nr. 1-13, 15

Leistungserbringer mit Sitz im Gemeinschaftsgebiet Leistung gilt als am Sitz oder Wohnsitz des Leistungsempfängers (Empfängersitzprinzip) ausgeführt (§ 3a 111, IV)

Bestimmungslandprinzip 1

3.4.1.2.5

11

Sitzort des leistenden Unternehmers (Unternehmersitzprinzip § 3a I UStG)

1

Ursprungslandprinzip

Sonstige Lefstungen § 3a IV Nr. 14 ("E-Commerce")

i.s.e.

Lefstungserbringer mit Sitz im Drittlandsgebiet

1

Wohnsitz/ Sitz des LeistungsEmpfangers (§ 3a lila UStG)

11

Bestim~un.gslandpnnZlp

Übersicht: Orte sonstiger Leistungen

Die Übersicht stellt die Ausnahmetatbestände zusammen und gibt eine (gedankliche) Prüfungsreihenfolge an, die bei der Ortsbestimmung für sonstige Leistungen im EGBinnenmarkt einzuhalten ist.

251

3.4

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Abbildung 3-29:

Ort grenzüberschreitender sonstiger Leistungen

• Ort des Beförderun

;

.

Tätlgkeitsort Leistungsort Sitzort des Leistungsempfängers

. ..

....

-

Sitzort des leistenden Unternehmers

Nach geltendem Recht richtet sich der Leistungsort bei kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Leistungen einschließlich der Leistungen der Veranstalter sowie die damit in Zusammenhang stehenden Leistungen, die für die Ausübung der Leistungen unerlässlich sind, Ld.R. nach dem Ort, an dem der leistende Unternehmer die Leistung tatsächlich erbringt (s.o.), Dies gilt unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder Nichtunternehmer ist. Dies soll nach den Vorgaben im Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2010 künftig nur noch dann gelten, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist. Hierauf wird § 3a III Nr. 3 lit. a UStG-E beschränkt. In anderen Fällen kommt die Ortsbestimmung nach § 3a 11 UstG in Betracht. Ausgenommen hiervon sind die Eintrittsberechtigungen zu kulturellen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Veranstaltungen, wenn diese an einen Unternehmer oder an eine gleichgestellte nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine USt-ID-Nr. erteilt wurde, erbracht wird. Diese Leistungen sind an dem Ort zu besteuern, an dem die Veranstaltung tatsächlich stattfindet (3a III Nr. 5 UStG-E).

252

Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

3.4.2

Steuerbefreiung und Steuerpflicht

Hinsichtlich der Steuerbefreiungstatbestände gelten für grenzüberschreitende sonstige Leistungen keine Besonderheiten gegenüber den Steuerbefreiungen, die bereits bei rein nationalen Sachverhalten erörtert wurden. Einstiegsnorm für die Prüfung von Steuerbefreiungen ist daher § 4 UStG. Für die möglicherweise in Betracht kommenden Steuerbefreiungen kann auf die Ausführungen in Kapitel 2.2 verwiesen werden.

3.4.3

Bemessungsgrundlage und Steuersatz

Die Bemessungsgrundlage für sonstige Leistungen richtet sich gern. § 10 I S. 1 UStG nach dem Entgelt. Auch bei der Bestimmung der Höhe des Entgelts ergeben sich gegenüber den Ausführungen zur Behandlung von ausschließlich nationalen Leistungsbeziehungen keine Unterschiede. Der Steuersatz für sonstige Leistungen beträgt, sofern kein Sonderfall des § 12 11 UStG vorliegt, regelmäßig 19 % der Bemessungsgrundlage.

3.4.4

Steuerentstehung und Steuerschuldner

Bei sonstigen Leistungen (bzw. bei Werklieferungen) entsteht die Steuer gern. § 13 I Nr. 1 UStG im Allgemeinen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wurde. Steuerschuldner ist der Unternehmer, der die sonstige Leistung erbringt (§ 13a I Nr. 1 UStG). Eine Besonderheit gilt, wenn die im Inland steuerbare sonstige Leistung von einem im Ausland ansässigen Unternehmer erbracht wurde. Nach der Grundregel des § 13a I Nr. 1 UStG wäre der ausländische Unternehmer Steuerschuldner der (inländischen) Umsatzsteuer. Dabei ergeben sich zwei Problembereiche. Zum einen wäre der ausländische Unternehmer verpflichtet, entsprechende Steuererklärungen in einem aus seiner Sicht ausländischen Staat abzugeben oder gegebenenfalls einen Fiskalvertreter zu bestellen. Andererseits wäre aus Sicht des inländischen Fiskus nicht hinreichend gewährleistet, dass die vom ausländischen Unternehmer geschuldete Umsatzsteuer auch tatsächlich entrichtet wird, da die Zugriffsmöglichkeiten auf im Ausland ansässige Unternehmer zur Realisierung eines inländischen Steueranspruchs im Allgemeinen beschränkt sind. Zur Sicherung des Steueranspruchs bestimmt § 13b 11 UStG daher, dass für die dort genannten Leistungen nicht der Leistungserbringer sondern der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Leistung (sonstige Leistung, Werklieferung oder Leistung, die unter das GrEStG fällt) für den unternehmerischen oder nichtunternehmerischen (privaten) Bereich erfolgt. Es kommt auch nicht darauf 253

3.4

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

an, ob der Leistungsempfänger im umsatzsteuerlichen Inland ansässig ist, steuerpflichtige oder steuerfreie Leistungen ausführt, Kleinuntemehmer (§ 19 UStG) oder pauschalversteuemder Land -und Forstwirt (§ 24 UStG) ist.

Beispiel: Der Backmaschinenhersteller B mit Sitz in der Schweiz repariert beim Großbäcker G in München eine Backstraße. Nach erfolgter Reparatur verlangt B von G 50.000 € (netto). Die Tätigkeit des Untemehmers B (Reparatur der Backstraße) stellt eine sonstige Leistung i. S. des § 3 IX S. 1 UStG dar, die gem. § 1 I Nr. 1 UStG im Inland steuerbar ist. Der Ort der sonstigen Leistung liegt gem. § 3a 11 Nr. 3c UStG (ab 2010: § 3a 111 Nr. 3e UStG) im Inland (Tätigkeitsort). Steuerschuldner wäre nach der Grundregel des § 13a I Nr. 1 UStG der leistende Unternehmer, aisoB. Da B jedoch im Ausland (Schweiz) ansässig ist, ist aus Sicht des deutschen Fiskus nicht hinreichend gewährleistet, dass die von B geschuldete Umsatzsteuer auch entrichtet wird. Zur Sicherung des Steueranspruchs bestimmt § 13b 11 uStG daher, dass die Steuer auf Umsätze eines im Ausland ansässigen Untemehmers durch nicht vom Leistungserbringer sondern vom Leistungsempfänger geschuldet werden, also von G. Konkret bedeutet dies, dass G lediglich 50.000 € an B überweist, während die restlichen 9.500 € uSt an das zuständige inländische Finanzamt überwiesen werden. Nach § 14a V S. 2 und 3 uStG muss der leistende Untemehmer auf die Steuerschuldnerschafl des Leistungsempfängers hinweisen. In der Rechnung des Leistungserbringers darf keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden (§ 14a V S. 3 UStG), andernfalls schuldet der Leistungserbringer die Steuer (zusätzlich) nach § 14c I UStG).

Beispiel: E ist Vermieter eines Mehrfamilienhauses in Köln. Ein in den Niederlanden ansässiger Heizungsbauer wartet die Heizungsanlage im Mehrfamilienhaus des E. Obwohl E nur steuerfreie Umsätze ausführt, die nach § 15 11 S. 1 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug ausschließen, ist er verpflichtet, die Umsatzsteuer für die Anstricharbeiten einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.

Beispiel: Mehrfamilienhaus-Vermieter E (s. vorheriges Beispiel) lässt darüber hinaus Heizungsbauarbeiten durch den niederländischen Heizungsbauer an seinem privaten Haus in Bonn durchführen. Auch in diesem Fall ist E zum Einbehalt und zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet, obwohl die Leistung des niederländischen Unternehmers für den nichtuntemehmerischen Bereich eines inländischen Untemehmers erfolgt.

254

Grenzüberschreitende Besteuerung sonstiger Leistungen

Beispiel: Eine Telekommunikationsfinna mit Sitz und Geschäftsleitung in Frankreich betreibt in Deutschland ein Telefonnetz. Das Telefonnetz wird durch eine belgische Gesellschaft in Deutschland gewartet. Die Umsatzsteuer für diesen im Inland (Deutschland) ausgeführten Umsatz schuldet der im Ausland i. S. des § 13b IV UStG ansässige Leistungsempfänger, also die französische Telefongesellschaft.

§ 13b TI UStG unterscheidet die folgenden sechs Fallgruppen, bei denen der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet. (Die zweite und sechste Fallgruppe werden nicht weiter betrachtet). Durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 9. Dezember 2004 wird mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auch bei Lieferungen von Gas und Elektrizität durch im Ausland ansässige Unternehmer an steuerpflichtige Wiederverkäufer oder einen anderen Unternehmer im Inland (unter den Bedingungen des § 3g UStG) die Steuer durch den Leistungsempfänger geschuldet.

Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers, Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber außerhalb des Insolvenzverfahrens Umsätze, die unter das GrEStG fallen Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen Lieferungen von Gas und Elektrizität eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g UStG. Durch Regelung des § 13b 11 UStG Nr. 3 UStG wechselt die Steuerschuldnerschaft bei allen steuerpflichtigen Umsätzen ausländischer Unternehmer im Inland, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen. Der Übergang der Steuerschuldnerschaft ist hierbei unabhängig davon, ob die Leistung für den unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers ausgeführt worden ist. Des Weiteren gilt eine Steuerpflicht des Leistungsempfängers (grds.) auch bei den in § 13b 11 Nr. 4 UStG genannten Bauleistungen. Der (unmittelbare) Anwendungsbereich der Vorschrift ist allerdings auf Leistungen eines im Inland ansässigen Unternehmers beschränkt, die an Unternehmer ausgeführt werden, die selbst Bauleistungen i. S. des Nr. 4 erbringen (§ 13b V S. 2 UStG). Werden die von § 13b TI Nr. 4 UStG erfassten Bauleistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern ausgeführt, so fallen diese (weiterhin) unter den Anwendungsbereich des § 13b TI Nr. 1 UStG. Das bedeutet insbesondere, dass in diesem Fall nicht zu differenzieren ist, ob es sich bei der betreffenden Leistung nach § 13b TI Nr. 1 UStG um eine Bauleistung handelt, oder ob der Leistungsempfänger seinerseits Bauleistungen erbringt. Darüber hinaus fallen keine ("normalen") Lieferungen unter die Vorschrift des § 13b UStG, da bei diesen die Sicherung des Steueranspruchs durch die Regelungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs bzw. der Einfuhr gewährleistet werden kann.

255

3.4

3

Grenzüberschreitende Umsatzbesteuerung

Nicht anwendbar ist die Vorschrift des § 13b 11 UStG zudem, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers in einer Personenbeförderung besteht, die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 V UStG) unterlegen hat (§ 13b VI UStG). Hierdurch wird vermieden, dass die im Ausland ansässige Fluggesellschaft bei jeder von ihr erbrachten Personenbeförderung mit einem inländischen Streckenanteil prüfen muss, in welchen Fällen der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Darüber hinaus wird erreicht, dass sich im Ausland ansässige Unternehmer, an die derartige Leistungen erbracht werden, nicht in Deutschland für Zwecke der Umsatzsteuer erfassen lassen müssen. Steuerschuldner bleibt in den genannten Fällen der leistende Unternehmer, also die im Ausland ansässige Fluggesellschaft. Gern. § 13b V S. 4 UStG wird zudem klargestellt, dass die Steuerschuldnerschaft nicht auf den Leistungsempfängers übergeht, wenn der leistende Unternehmer Kleinunternehmer ist und bei ihm die Steuer nach § 19 I UStG nicht erhoben wird. Der Übergang der Steuerschuldnerschaft könnte sonst in diesen Fällen dazu führen, dass eine nicht gewollte Mehrbelastung beim Leistungsempfänger entsteht, etwa wenn dieser selbst Kleinunternehmer ist. Die Steuer entsteht für die in § 13b 11 Nr. 1-6 UStG genannten Leistungen grundsätzlich mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats (§ 13b 11 UStG). Durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 08.04.2010 (BGB!. I 2010, S. 386) ist § 13b UStG mit Wirkung zum 01.07.2010 darüber hinaus hinsichtlich der Entstehung der Steuer differenziert worden. § 13b I UStG bestimmt für die nach § 3a Abs. 11 UStG im Inland steuerpflichtigen sonstigen Leistungen den Zeitpunkt für die Entstehung der Steuer, nämlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt wurden. § 13b m UStG bestimmt den Steuerentstehungszeitpunkt für sonstige Leistungen, die dauerhaft für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht werden. In diesen Fällen entsteht die Steuer zukünftig mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres, in dem eine solche Leistung erbracht wurde.

§ 13b V UStG entspricht weitestgehend dem bisherigen § 13b 11 UStG. Allerdings bezieht Satz 1 jetzt auch juristische Personen des Privatrechts in die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ein. Außerdem verweist Absatz 5 Satz 1 auch auf Absatz 2 Nr. 6, so dass auch für den Treibhausgas-Emissionshandel zukünftig die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gilt, sofern dieser Unternehmer ist. Für die geschuldete Steuer steht dem Leistungsempfänger (Unternehmer) unter den Voraussetzungen des § 15 I Nr. 4 UStG ein Vorsteuerabzugsrecht zu. Soweit die Steuer auf eine Anzahlung entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet wurde.

256

Teil 11 Grunderwerbsteuer

1 Charakterisierung der Grunderwerbsteuer

1.1

Besteuerungsmotiv

Die Grunderwerbsteuer will den (unmittelbaren wie auch mittelbaren) Erwerb inländischer Grundstücke erfassen, wobei die steuerliche Belastung faktisch regelmäßig in voller Höhe den Erwerber trifft. Dahinter steht der Gedanke, dass sich der Erwerb auf Seiten des Erwerbers als Erfolg eines Erwerbsvorganges darstellt, worin eine besondere Form wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gesehen werden kann. Ein wichtiges fiskalisches Motiv für die Erhebung der Grunderwerbsteuer liegt neben den geringen Erhebungskosten vor allem in ihrer relativen Aufkommenssicherheit. Änderungen der Eigentumsverhältnisse an Grundstücken sind vergleichsweise sicher zu erfassen und daher besonders geeignet, eine zuverlässige staatliche Einnahmequelle zu eröffnen. Trotz des relativ geringen Steuersatzes i. H. v. 3,5 % hat die Grunderwerbsteuer wegen der Anwendung des Steuersatzes auf den Brutto-Übertragungswert beträchtliche materielle Bedeutung.

1.2

Rechtsträgerwechsel als konstituierendes Merkmal

Notwendiges Tatbestandsmerkmal für die Erhebung der Grunderwerbsteuer ist das Vorliegen eines Erwerbsvorgangs, der sich auf ein inländisches Grundstück erstreckt. Der Erwerbsvorgang im Sinne des GrEStG setzt dabei mindestens zwei beteiligte Parteien voraus, zum einen den bisherigen Eigentümer und zum anderen den Erwerber. Der Erwerbsvorgang ist auf den Erwerb eines bisher einem anderen gehörenden Grundstücks gerichtet. Grundvoraussetzung für einen steuerbaren Verkehrsvorgang ist damit der Grundstückswechsel zwischen verschiedenen Rechtsträgern. Tatsächlich kann ein Grundstückswechsel nicht eintreten, wenn nicht verschiedene Rechtsträger beteiligt sind. Aus diesem Grund fällt etwa ein Kaufmann mit der Einbringung eines Grundstücks aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen seines Einzeluntemehmens nicht unter das GrEStG. Dasselbe gilt umgekehrt natürlich 259

K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

1

Charakterisierung der Grunderwerbsteuer

auch für die Entnahme eines Grundstücks aus dem betrieblichen in den privaten Bereich. Andererseits wird allein wegen der Verschiedenheit der beteiligten Rechtsträger ein Tatbestand des GrEStG verwirklicht, wenn der Grundstückswechsel zwischen einer natürlichen Person und einer juristischen Person stattfindet, auch wenn diese natürliche Person zugleich alle Anteile an der juristischen Person hält.

Beispiel: Kaufmann K ist Alleingesellschafter der Z-GmbH (Einmann-GmbH) und erwirbt von dieser ein Grundstück. Der Erwerb des Grundstücks unterliegt der GrESt, obgleich K und die Z-GmbH wirtschaftlich identisch sind.

1.3

Arten von Rechtsträgern

Eng verknüpft mit der Voraussetzung des Rechtsträgerwechsels ist die Frage nach der Definition von Rechtsträgem im grunderwerbsteuerlichen Sinne. Hier knüpft das GrEStG an das bürgerliche Recht an. Selbständige Rechtsträger i. S. des GrEStG sind deshalb zunächst alle natürlichen Personen und juristischen Personen, ungeachtet ihrer ggf. vorliegenden wirtschaftlichen Identität. Als besondere Rechtsträger sieht das Grunderwerbsteuerrecht trotz ihrer nur beschränkten Rechtsfähigkeit daneben aber auch bestimmte Gesamthandsgemeinschaften. Bei deren Vermögen handelt es sich um dinglich gebundenes Sondervermögen, dessen Eigentümer die einzelnen Gesamthänder in ihrer Gesamtheit sind. Sie sind Berechtigte an allen Gegenständen des gemeinschaftlich gebundenen Vermögens, können aber über ihre jeweiligen Anteile an diesen Gegenständen nicht einzeln verfügen. Hierin liegt die Gemeinsamkeit aller Formen der Vermögensbindung zur gesamten Hand im Gegensatz zum Bruchteilseigentum. Zu den Gesamthandsgemeinschaften zählen insbesondere die Personengesellschaften, d. h. GbR, OHG und KG, ebenso aber auch die Erbengemeinschaft und die Gütergemeinschaft. Bei der Erbengemeinschaft beschränkt sich die Rechtsträgereigenschaft im grunderwerbsteuerlichen Sinne allerdings auf die Außengeschäfte, während die Gütergemeinschaft bzw. die fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht als selbständige Rechtsträger anzusehen sind. Keine Gesamthandsgemeinschaft und damit auch kein Rechtsträger i. S. des GrEStG ist die (typische oder atypische) stille Gesellschaft (s. § 230 HGB). Da die Einlage des stillen Gesellschafters in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht, kann die Bildung von Gesamthandsvermögen hier nicht in Betracht kommen.

260

Besteuerung des Verpflichtungsgeschäfts

1.4

Besteuerung des Verpflichtungsgeschäfts

Die Tatbestände des GrEStG knüpfen eng an die Rechtsvorgänge des bürgerlichen Rechts an (z.B. Kaufvertrag, Auflassung, Abtretung usw.). Daher wird auch von der stark zivilrechtliehen Prägung des Grunderwerbsteuerrechts gesprochen. Ausgangspunkt ist dabei die für das bürgerliche Recht charakteristische Trennung zwischen dem kausalen Verpflichtungsgeschäft einerseits und dem, dessen Erfüllung dienenden, dinglichen Verfügungsgeschäft andererseits (sog. Abstraktionsprinzip). Anders als etwa bei der Umsatzsteuer welche an das Erfüllungsgeschäft anknüpft, ist bei der Grunderwerbsteuer die primäre Besteuerungsgrundlage das (kausale) Verpflichtungsgeschäft, in dem der rechtliche Grund für die nachfolgende dingliche Verfügung über das Eigentum liegt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das kausale Rechtsgeschäft bereits um seiner selbst willen der Besteuerung unterliegt. Vielmehr erfolgt die Anknüpfung daran allein aus rechtstechnischen Gründen. Der eigentliche Besteuerungsgrund wird aber ohne Zweifel durch den Erwerb selbst bestimmt, weshalb auch maßgebend auf die Begründung des Anspruchs auf Übereignung als unmittelbare Rechtsfolge des Verpflichtungsgeschäfts abgestellt wird.

Beispiel: Käufer K und Verkäufer V schließen am 01.05. einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein Grundstück mit Gebäude in Mayen ab. Daraufhin wird am 20.05. eine Eigentumsvormerkung im Grundbuch zugunsten des K eingetragen. Am 01.12. wird das Gebäude bezugsfertig. Der Kaufpreis wird daraufhin von K an V entrichtet, gleichzeitig wird K im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen. Anknüpfungspunkt für die Grunderwerbsteuer ist das sog. (kausale) Verpflichtungsgeschäft, also der am 01.05. abgeschlossene Kaufvertrag, in dem sich V verpflichtet, das Eigentum am Grundstück und Gebäude auf K zu übertragen und K verpflichtet wird, das vereinbarte Entgelt bei Eigentumsübergang zu entrichten. Zu diesem Zeitpunkt kommt es jedoch noch nicht zu einer Erfüllung (Erfüllungsgeschäft) der gegenseitigen Verpflichtungen, denn die (dingliche) Übertragung des Eigentums und die Zahlung des Kaufpreises erfolgt hier erst am 01.12. Kommt es aus irgendwelchen Gründen nicht zur Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfls, d.h. kommt es nicht zu einem Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück, so darf im wirtschaftlichen Ergebnis auch keine Grunderwerbsteuer anfallen, weshalb für einen solchen Fall § 16 GrEStG entsprechende Korrekturvorschriften bereithält. Festzuhalten ist daher, dass die Grunderwerbsteuer zwar erhebungstechnisch an das Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) anknüpft, materiellrechtlich aber stets ein Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück auch tatsächlich stattfinden muss.

Seinem Wesen nach ist das Verpflichtungsgeschäft allgemein ein schuldrechtlicher Vertrag, durch den sich der eine Vertragsteil verpflichtet, das Eigentum an seinem Grundstück zu übertragen, während der andere Vertragsteil damit zugleich den An-

261

1.4

1

Charakterisierung der Grunderwerbsteuer

spruch auf Übereignung erwirbt. Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Vertrages über ein Grundstück ist dabei seine notarielle Beurkundung (§ 313 BGB). Ein Verpflichtungsgeschäft, das nicht notariell beurkundet wird, ist deshalb von vornherein unwirksam und kann damit grundsätzlich nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen (Ausnahme: durch tatsächliche Erfüllung wird der Mangel der Form geheilt, § 311b, I 5.2 BGB). Denn Anknüpfungspunkt für die Grunderwerbsteuer ist das Verpflichtungsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet; ein unwirksamer Vertrag kann dies aber nicht leisten.

262

2 Steuerbarkeit Im Rahmen der Prüfung der Grunderwerbsteuerbarkeit wird untersucht, ob die (grundsätzliche) Anwendbarkeit des GrEStG auf einen Sachverhalt gegeben ist. Sofern ein Sachverhalt nicht zur Steuerbarkeit führt, ist die Grunderwerbsteuer-Prüfung bereits beendet. Die Prüfung der Grunderwerbsteuerbarkeit erstreckt sich auf zwei Merkmale, die kumulativ erfüllt sein müssen. Demnach kann nur dann ein steuerbarer Vorgang gegeben sein, wenn ein inländisches Grundstück (§ 1 I i. V. m. § 2 GrEStG) von einem Erwerbsvorgang (§ 1 I Nr. 1-7,11,lIa, III GrEStG) betroffen ist. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über den Prüfungsablauf:

263 K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

2

Steuerbarkeit

Abbildung2-1:

Steuerbar1ceit

Steuerbarkeit I SteuerbarkeitsprOfung

1 1. Prüfungsschritt Inländisches Grundstück gern. § 2 GrEStG

~

Bllrgerllch-rechtliche Grundstllcke

1

1NEIN

Erbbaurechte

I

---l Gebäude auf fremden Boden

1

- . Dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte

I

Nicht grunderwerbsteuerbar

IJA Steuerbarkeit 11 1. Prüfungsschritt

IJa 2. Prüfungsschritt Erwerbsvorgang (§ 1 GrEStG) Rechtsträgerwechsel

~

=

Haupttatbestand gern. § 1 I Nr.1

H

Nebentatbestände § 1 I Nr.2-4, 5-7 Ersatztatbeslände § 111, lla, 111

I I NEiN I

Nicht grunderwerbsteuerbar

1 Ja Grunderwerbsteuerbarkeit

Die einzelnen Voraussetzungen der Steuerbarkeit werden im Folgenden erläutert. 264

Begriff des inländischen Grundstücks

2.1

Begriff des inländischen Grundstücks

2.1.1

Grundstücke t, S. des bürgerlichen Rechts

Das GrEStG knüpft bei der Definition des Grundstücksbegriffs zunächst an das bürgerliche Recht an (§ 2 I GrEStG i. V. In. §§ 94 ff. BGB), weshalb man im Grundsatz auch von der Maßgeblichkeit des bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriffs für die Grunderwerbsteuer sprechen kann. Im BGB findet sich der Grundstücksbegriff allerdings nicht ausdrücklich definiert. Für Zwecke des BGB und daher auch des GrEStG wird deshalb unter Zugrundelegung der Grundbuchordnung (§ 3 I S.l GBO) unter einem Grundstück ein abgegrenzter, d.h. katastermäßig vermessener und bezeichneter Teil der Erdoberfläche verstanden, der im Grundbuch eine besondere Stelle hat (§ 3 I S. 1 GBO), sei es ein besonderes Grundbuchblatt oder sei es die Nummer eines Bestandsverzeichnisses beim gemeinschaftlichen (§ 4 GBO) Grundbuchblatt. Aus der Anknüpfung an das bürgerliche Recht wird dann aber insbesondere die Bestimmung des Grundstückumfanges deutlich. So sollen zum Grundstück nicht nur der Grund und Boden gehören, sondern außerdem auch seine wesentlichen Bestandteile, d.h. die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Rechte (§§ 94, 96 BGB). Auch Erzeugnisse sind wesentliche Bestandteile eines Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes (und damit des Grundstücks, dessen wesentlicher Bestandteil wiederum das Gebäude ist) gehören auch die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen; eine feste Verbindung ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Hierzu zählen insbesondere die den Baukörper bildenden Baustoffe und Gebäudeteile, wie z.B, Mauern, Decken, Wände, Treppen, Türen und Fenster, Heizungsanlagen, fest eingebaute Bade- und Sanitäreinrichtungen und Versorgungsleitungen für Strom, Wasser und Heizung. Gemeinsames Merkmal der wesentlichen Bestandteile ist, dass sie nicht ohne Zerstörung oder wesentliche Beschädigung vom Grundstück entfernt werden können. Nicht zum Grundstück gehören solche Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden oder einem Gebäude verbunden sind (sog. Scheinbestandteile), sowie auch diejenigen Sachen, die als Zubehör dem Grundstück zu dienen bestimmt sind, ohne dabei Bestandteil des Grundstücks zu sein (§ 97 BGB). Der insoweit abgegrenzte Grundstücksbegriff des bürgerlichen Rechts ist maßgebender Anknüpfungspunkt für das Grunderwerbsteuerrecht. Gleichwohl hält das GrEStG bestimmte Modifikationen bereit, die schließlich erst zu dem für Zwecke der Grunderwerbsteuer letztlich maßgebenden Grundstücksbegriff führen. Eine sehr wichtige Abweichung vom bürgerlichen Recht gilt für sog. Betriebsvorrichtungen. (§ 2 I S. 2 Nr. 1 GrEStG). Das sind Bauwerke und Bauwerksteile, die ausschließlich der gewerblichen Nutzung dienen (z.B. Silos, Verladerampen, bestimmte Schornsteine), sowie 265

2.1

2

Steuerbarkeit

diejenigen Maschinen und maschinellen Anlagen, die fest mit dem Grund und Boden oder einem Gebäude verbunden sind. (z.B. ortsfester Kran, Lastenaufzug). Sie sollen ohne Rücksicht auf ihre mögliche Einordnung als bürgerlich rechtliche Bestandteile ausdrücklich nicht zu den Grundstücken i, S. des GrEStG gerechnet werden. Durch die Nichtberücksichtigung der Betriebsvorrichtungen wollte der Gesetzgeber verhindern, dass die Grunderwerbsteuer den Charakter einer Gewerbesteuer erhält. (Zu Abgrenzungsfragen vgL auch Erlass betreffend die Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen und das ABC der Abgrenzung zwischen Betriebsvorrichtungen und Betriebsgrundstücken). Dasselbe gilt auch für Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen, soweit diese sich nach bürgerlichem Recht überhaupt als Grundstücksbestandteile qualifizieren lassen (§ 2 I S. 2 Nr. 2 GrEStG). Ebenfalls stellt das Recht des Grundstückeigentümers auf den Erbbauzins als reine Geldforderung keinen Grundstücksumsatz dar und unterliegt folglich nicht der Grunderwerbsteuer (§ 2 I S. 2 Nr. 3 GrEStG), obwohl er bürgerlich-rechtlich ein Bestandteil des erbbaubelasteten Grundstücks ist (§ 96 BGB), da das Zinsstammrecht und die noch nicht fälligen Ansprüche auf Zinszahlung nicht vom Grundstückseigentum getrennt werden können. Sinn und Zweck der Grunderwerbsbesteuerung ist es jedoch nicht, den Umsatz von Geldforderungen, sondern den Umsatz von Grundstücken zu erfassen. Andererseits betrachtet das GrEStG neben den Erbbaurechten auch Gebäude auf fremdem Boden und dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte als selbständige grundstücksgleiche Rechte, die den Grundstücken gleichstehen sollen (§ 2 11 GrEStG). Mit Blick auf die Erbbaurechte weicht die Grunderwerbsteuer damit nicht vom bürgerlichen Recht ab, denn auch dort werden Erbbaurechte zu den grundstücksgleichen Rechten gezählt. Sie bezeichnen das (veräußerliche und vererbliche) dingliche Recht, auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Die aufgrund eines Erbbaurechts errichteten Bauwerke gelten dabei als wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts und nicht etwa des Grund und Bodens, mit dem sie tatsächlich fest verbunden sind. Eigentümer solcher Bauwerke ist deshalb auch nicht der Eigentümer des Grund und Bodens, sondern der Berechtigte aus dem Erbbaurecht. Mit der Einbeziehung von Gebäuden auf fremdem Boden, die ebenfalls zu den grundstücksgleichen Rechten zählen sollen (§ 2 11 Nr. 2 GrEStG), entfernt sich die Grunderwerbsteuer dann aber klar vom bürgerlichen Recht. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geht da von aus, dass der Eigentümer eines Grundstücks grundsätzlich auch Eigentümer des darauf errichteten Gebäudes wird. Ein Gebäude ist regelmäßig als wesentlicher Grundstücksbestandteil im Sinne von § 94 BGB zu behandeln. Das sachenrechtliche Schicksal des Gebäudes ist untrennbar mit dem Grund und Boden verbunden. Errichtet deshalb ein Steuerpflichtiger ein Gebäude auf einem fremden Grundstück, wird nicht der Hersteller, sondern der Grundstückseigentümer im Regelfall nach § 946 BGB zivilrechtlicher Eigentümer des Bauwerks. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig, wenn keine Ausnahmeregelungen greifen. Ausnahmeregelungen finden sich im Gesetz über das Wohnungseigentum, 266

Begriff des inländischen Grundstücks

das ein Sondereigentum an Räumen zulässt (s. u.). Auch das Wohnungserbbaurecht und das Dauernutzungsrecht stellen als dingliche Sonderrechte Ausnahmen von § 94 BGB dar. Ausnahmsweise werden Gebäude nach § 95 I S. 1 BGB dann nicht Bestandteil des Grundstücks (Scheinbestandteil), wenn sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Ob diese Voraussetzung vorliegt, hängt in erster Linie vom Willen des Erbauers ab, sofern dieser mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang steht. Verbindet ein Mieter oder Pächter ein Gebäude mit dem Grund und Boden, spricht nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht. Auch eine massive Bauart des Gebäudes oder eine lange Vertragsdauer entkräften diese Vermutung nicht. Nur wenn vereinbart wird, dass das Gebäude nach Vertragsende vom Grundstückseigentümer genutzt werden soll, liegt kein Scheinbestandteil im Sinne von § 95 BGB vor. Gleiches gilt, wenn der Mieter in der Erwartung baut, er werde später das Eigentum oder ein Erbbaurecht am Grundstück erwerben. Der Grundstückseigentümer wird dann Eigentümer des auf dem Grundstück errichteten Gebäudes. Hiervon abweichend sieht das GrEStG ein grundstücksgleiches Recht, sobald Gebäude und Boden einem jeweils anderen Rechtsträger zuzurechnen sind. Ist das erfüllt, so gehört ein Gebäude für Zwecke der Grunderwerbsteuer auch als wesentlicher Bestandteil nicht mehr zum Grund und Boden. Dafür führt aber der Erwerb des Gebäudes als grundstücksgleiches Recht zur Erhebung von Grunderwerbsteuer. Man kann die Grunderwerbsteuer also nicht dadurch senken (was sonst nahe läge), dass man das Eigentum an Grund und Boden und Gebäuden rechtlich trennt.

Beispiel: Der Pächter eines Grundstücks errichtet auf Grundlage der ihm im Pachtvertrag eingeräumten Befugnis auf eigene Rechnung zu einem nicht vorübergehenden Zweck auf dem Grundstück des Verpächters ein Gebäude. Der Verpächter ist nach Beendigung des Pachtverhältnisses berechtigt, entweder die Beseitigung des Gebäudes zu verlangen oder das Gebäude gegen eine entsprechend zu bemessende Entschädigungszahlung zu übernehmen. Das nicht nur zu vorübergehenden Zwecken errichtete Gebäude auf fremden Boden ist wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Das Eigentum am Grundstück erstreckt sich auch auf dieses Gebäude. Folglich ist der Verpächter auch Eigentümer des Gebäudes. Ein solches Gebäude kommt nach bürgerlichem Recht nicht als Gegenstand selbständiger rechtsgeschäftlicher Übertragung in Betracht. Nach dem Wortlaut des § 2 11 Nr. 2 GrEStG kann hingegen aber ein solches Gebäude Gegenstand eines zur Grunderwerbsteuerpflicht führenden Erwerbsvorganges sein. Wenn der Verpächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses von seinem Übernahmerecht Gebrauch macht, erlangt er die wirtschaftliche Verfügungsrnacht am Gebäude. Der Vorgang kann dann gern. § 1 11 i. V. m. § 2 11 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbar und ggf. auch grunderwerbsteuerpflichtig sein.

267

2.1

2

Steuerbarkeit

Nach § 1 I des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht WEG - kann an Wohnungen Wohnungseigentum und an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes Teileigentum begründet werden. Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnun& verbunden mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. Teileigentum ist demgegenüber das Sondereigentum an den nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen (z.B. Läden, Garagen), wiederum in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum (=Miteigentum i. S. von § 1008 BGB), zu dem es gehört (Abweichung vom Grundsatz des § 94 BGB). Sondereigentum und Miteigentum bilden eine rechtliche Einheit (§ 6 WEG), wobei das Sondereigentum zum Miteigentumsanteil gehört und nicht umgekehrt. Die aus Sondereigentum und Miteigentum bestehenden rechtlichen Einheiten sind - wie Miteigentum - Grundstücke i. S. des § 2 I S. 1 GrEStG. Ein Sondemutzungsrecht nach dem WEG i. S. des § 2 TI Nr. 3 GrEStG liegt hingegen dann vor, wenn einem Wohnungseigentümer ein über § 13 11 WEG hinausgehendes (alleiniges) Nutzungs- oder Gebrauchsrecht an Teilen des Gemeinschaftseigentums (z.B. Stellplatz für Kraftfahrzeuge, Garten) eingeräumt wird und folglich der Mitgebrauch der anderen Wohnungseigentümer eingeschränkt wird. Ein Sondernutzungsrecht entsteht durch Eintragung im Grundbuch und wird hinsichtlich seiner positiven und negativen Komponenten zum Inhalt des jeweiligen Sondereigentums, womit es dingliche Wirkung erlangt.

2.1.2

Inlandsbelegenheit des Grundstücks

Wie aus § 1 I GrEStG deutlich wird, unterliegen der Grunderwerbsteuer grundsätzlich Rechtsvorgänge, die sich auf inländische Grundstücke beziehen. Darunter fallen nur diejenigen Grundstücke, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes belegen sind. Der Geltungsbereich des Gesetzes entspricht dabei dem Geltungsbereich des Grundgesetzes. Auf den Ort, an dem das Erwerbsgeschäft abgeschlossen wird, kommt es ebenso wenig an wie auf die Nationalität der daran beteiligten Rechtsträger. Auch ein im Ausland von Ausländern abgeschlossener Kaufvertrag ist steuerbar, solange er sich nur auf ein inländisches Grundstück bezieht.

2.2

Arten steuerbarer Erwerbsvorgänge

Zweck der Grunderwerbsteuer ist die Besteuerung des Erwerbs der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über Grundstücke (Rechtsträgerwechsel). § 1 I, TI, IIa, III GrEStG enthält die Tatbestände (Erwerbsvorgänge), die der Gesetzgeber der Grunderwerb268

Arten steuerbarer Erwerbsvorgänge

steuer unterwirft. Die detaillierte Aufzählung soll verhindern, dass wirtschaftliches Eigentum an einem Grundstück unter Vermeidung der Grunderwerbsteuer übertragen werden kann. Sämtliche Steuertatbestände knüpfen die Steuerpflicht an einen Rechtsträgerwechsel in Bezug auf inländische Grundstücke. Sie lassen sich wie folgt in einen Haupttatbestand, Neben- und Ersatztatbestände einteilen:

269

2.2

2

Steuerbarkeit

Abbildung 2-2:

Erwerbsvorgänge - Haupttatbestand --l

Erwerbsvorgang l.S.d. § 1 I Nr.1-7. lIa. 111 GrEStG

"

Haupttatöestand sern. § 1 , Nr .l GrEStG [

Verpflichtun gsgeschäfte (obligatori sche Recht sgeschäf t e I

---j Kaufvertrag (§ ,

I Nr.1 1.Alt. GrEStG)

Anderes Rechtsgeschäft (§ , I Nr.' 2. Alt. GrEStG) 8~i~piele :

- Tauschvertrag

-

Schenkungwertrag Einbringuogs- lind nuseioandersetzungsvertreg Treuhandvertrag Erbbaurectus vertreg

Nebentatbestände

Nebentatbeständ e gem. § 1 I NI'. 2 - 7 Auflassung ( § 1 I Nr-. 2 GrEStG) Eigentumsübergang ohne Rechtsgeschäft und ohne Auflassung gern. § , I Nr.] GrEStG Meistgebot im Zwangsversteigerungsrecht gern. § 1 I NrA GrEStG Rechtsgeschäft, das Anspruch auf Abtretung eines Ubereignungsanspruchs oder Rechte aus Meistgebot begriJndet § I I Nr.5 GrEStG Rechtsgeschäft, das Abtretungsanspruch aus einem Kaufangebot oder eines anderen Vertrages begründet. § 1 I Nr.6 GrEStG Abtretung, wenn kein Rechtsgeschäft auf Abtretung vorausgegangen ist . § , I Nr. 7 GrEStG

Ersatztatbestände

Ersatztatbestände gem.

§

1 11, lIa, 111

Rechtsgeschäfte ohne Übereignungsanspruch (Wirtschaftliche Verwertungsbefugnis; § 111 GrEStG)

Unmittelbare oder mittelbare Geselschafterbestandsveränderung von mind. 9S % bei PersGes (§ , lIa GrEStG)

Unmittelbare oder mittelbare Anteilsübertragung von mind. 9S % bei Gesellschaften ("Anteilsvereinigung" § 1 111 GrEStG)

270

Arten steuerbarer Erwerbsvorgänge

2.2.1

Verpflichtungsgeschäfte (§ 1 I Nr.1 GrEStG, Haupttatbestand)

2.2.1.1

Kaufvertrag

In der überwiegenden Anzahl aller Fälle vollziehen sich Grundstücksübertragungen

zwischen verschiedenen Rechtsträgern in der Weise, dass der bisherige Grundstückseigentümer mit dem potentiellen Erwerber einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) abschließt und sich darin verpflichtet (schuldrechtliches Rechtsgeschäft, Verpflichtungsgeschäft), dem anderen das Grundstück zu übertragen und das Eigentum daran zu verschaffen. Zwar ist der Eigentumsübergang auf den Erwerber damit noch nicht erfüllt (Erfüllungsgeschäft, Abstraktionsprinzip), gleichwohl stellt das GrEStG tatbestandsmäßig in erster Linie auf den Kaufvertrag als das wirtschaftlich bedeutsamste aller schuldrechtlichen Geschäfte ab.

Beispiel: A ist Eigentümer eines Mietwohnhauses (inkl. Grundstück) in Köln. Er schließt mit der Versicherungs-AG vor dem Notar einen Kaufvertrag und verpflichtet sich darin, das Eigentum an seinem Mietwohngrundstück gegen Zahlung von 1 Mio. € auf die AG zu übertragen. Der Kaufvertrag unterliegt nach § 1 I Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Das Geschäft ist also schon steuerbar, bevor der Vertrag durch Auflassung erfüllt wird, es reicht, dass A die Kaufverpflichtung eingeht.

2.2.1.2

Andere Rechtsgeschäfte (Verpflichtungsgeschäfte)

Neben dem Kaufvertrag (als ausdrücklich aufgeführtem Rechtsgeschäft) umfasst der Haupttatbestand des § 1 I Nr.l GrEStG auch alle anderen schuldrechtlichen Geschäfte, die den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründen können.

2.2.1.2.1

Tauschvertrag

Ausdrückliche Erwähnung im Gesetz findet der Tauschvertrag (vgl. § 1 V GrEStG), der sich dadurch vom Kauf unterscheidet, dass die Gegenleistung des Grundstückserwerbers nicht in der Zahlung eines Kaufpreises, sondern in der Verschaffung anderer Gegenstände besteht. Gleichwohl finden auf den Tausch die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung (vgl. auch § 480 BGB), d. h. jeder der beiden Tauschpartner ist zugleich Verkäufer der einen Sache und Käufer der anderen Sache. Bei einem Tauschvertrag, bei dem zwei Grundstücke getauscht werden, unterliegt der Steuer folgerichtig sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils (§ 1 V GrEStG). Damit sind 271

2.2

2

Steuerbarkeit

insoweit zwei grunderwerbsteuerlich relevante Erwerbsvorgänge gegeben (Verkauf/Kauf des ersten und Verkauf/Kauf des zweiten Grundstücks).

Beispiel: Privatmann A ist Besitzer eines unbebauten Grundstücks, das der Gewerbetreibende B zur Erweiterung seines Geschäftsbetriebs erwerben möchte. B besitzt seinerseits ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, an dem A Interesse zeigt. A und B schließen deshalb einen Tauschvertrag: Dieser ist grunderwerbsteuerlich so zu behandeln, als lägen zwei Kaufverträge über die beiden Grundstücke vor. Also fällt sowohl für Grundstück A als auch für Grundstück B Grunderwerbsteuer an.

2.2.1.2.2

Schenkungsvertrag

Ein weiteres steuerbares Verpflichtungsgeschäft i. S. des § 1 I Nr. 1 GrEStG ist der Schenkungsvertrag (§ 516 BGB), in dem sich jemand (Schenker) gegenüber einem anderen (Beschenkten) verpflichtet, aus seinem Vermögen eine unentgeltliche Zuwendung (hier: Anspruch auf Grundstücksübertragung) zu gewähren.

2.2.1.2.3

Einbringungs- und Auseinandersetzungsverträge

Ebenfalls unter den Haupttatbestand des § 1 I Nr. 1 (2. Alt.) GrEStG fallen Einbringungsverträge, durch die die Verpflichtung zur Übertragung der zum eingebrachten Betrieb oder Teilbetrieb gehörenden inländischen Grundstücke begründet wird (in Abgrenzung dazu allerdings: Einbringung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, (Umwandlung, Anwachsungj). Aber auch Einbringungsverträge über einzelne Grundstücke (z.B. Untemehmensgriindung von Personen- und Kapitalgesellschaften mit Sachkapital) unterliegen der Steuerbarkeit nach § 1 I Nr. 1 (2. Alt.) GrEStG.

Beispiel: G ist Gesellschafter der BG-OHG und zugleich Eigentümer eines unbebauten inländischen Grundstücks. In einem Einbringungsvertrag verpflichtet sich G, das Grundstück gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die OHG einzubringen. Der Vorgang unterliegt der GrESt nach § 1 I Nr. 1 (2. Alt.) GrEStG.

Beispiel: Eist Alleingesellschafter der P-GmbH. Er beschließt bei der GmbH eine Sachkapitalerhöhung und verpflichtet sich laut Gesellschaftsvertrag, seiner Einlageverpflichtung durch die Einbringung eines ihm gehörenden inländischen Grundstücks nachzukommen. Der Vorgang erfüllt die Voraussetzungen des Haupttatbestandes gem. § 1 I Nr. 1 (2. Alt.) GrEStG.

272

Arten steuerbarer Erwerbsvorgänge

Ferner unterliegen dem Haupttatbestand des § 1 I Nr. 1 GrEStG Auseinandersetzungsverträge von Gesamthandsgemeinschaften (z.B. Realteilung einer PersGes), soweit sie einen unmittelbaren Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begriinden.

2.2.1.2.4

Weitere Verpflichtungsgeschäfte

Grunderwerbsteuerbar gern. § 1 I Nr. 1 GrEStG sind auch Treuhandgeschäfte, Verträge zur Bestellung, Übertragung, Verlängerung und Aufhebung eines Erbbaurechts, Vermögensübertragungsverträge und Vergleichsverträge, soweit sie den Anspruch auf Übertragung eines inländischen Grundstücks vorsehen.

Beispiel: E ist Eigentümer eines Grundstücks in Köln. Er möchte in der Öffentlichkeit jedoch den Eindruck erwecken, ihm gehöre das Grundstück nicht mehr. Deshalb schließt er mit T einen Treuhandvertrag und übergibt dem T aufgrund dessen das Kölner Grundstück "zu treuen Händen". Er ist damit Treugeber geworden. Der Vorgang verwirklicht den Tatbestand des § 1 I Nr. 1 GrEStG, weil das Grundstück auf jemand anders übertragen wird.

Beispiel: Die Chemie-AG möchte in einem neu erschlossenen Gewerbegebiet eine Fabrik errichten. Das Gelände gehört der Stadt, die sich nicht zum Verkauf bereit zeigt, sondern lediglich zur Bestellung eines Erbbaurechts. Stadt und AG schließen daher einen Vertrag, der für die AG den Anspruch auf Bestellung eines Erbbaurechts begründet. Der Vorgang ist steuerbar nach § 1 I Nr. 1 (2. Alt.) GrEStG, denn Erbbaurechte stehen nach § 2 11 Nr. 1 GrEStG den Grundstücken gleich (s.o.).

2.2.1.2.5

Besonderheiten bei Gesamthandsgemeinschaften

Als selbständige Rechtsträger i. S. des GrEStG können auch Gesamthandsgemeinschaften trotz ihrer ansonsten beschränkten Rechtsfähigkeit regelmäßig grunderwerbsteuerbare Vorgänge realisieren. WIrd ein Grundstück durch eine Personengesel1schaft oder Erbengemeinschaft (-auf Außengeschäfte der Erbengemeinschaft beschränkt-) verkauft oder erworben, so unterliegt der Vorgang der Grunderwerbsteuer. Das gilt auch dann, wenn ein derartiges Geschäft zwischen der Gesamthandsgemeinschaft und einem der Eigentümer zur gesamten Hand (Gesellschafter) abgeschlossen wird Dagegen lösen der Eintritt oder das Ausscheiden von Gesellschaftern einer Personen- oder Kapitalgesellschaft regelmäßig keine GrESt aus, da das Eigentum der Gesellschaft am Grundbesitz durch eine Veränderung des Gesellschafterbestandes nicht berührt wird.

273

2.2

2

Steuerbarkeit

Beispiel: An einer OHG (bzw. GmbH) mit inländischem Grundbesitz sind die Gesellschafter D und E zu gleichen Teilen beteiligt. Wenn D nun mit dem fremden C einen Kaufvertrag schließt, in dem er sich gegenüber diesem zur Übertragung seines Anteils verpflichtet, so kann dieser Vorgang keinesfalls der Grunderwerbsteuer unterliegen, denn es wird kein Grundstück und kein Teil eines Grundstücks übertragen, sondern nur ein Anteil an der OHG (bzw. GmbH).

2.2.2

Nebentatbestände

Nicht steuerbar nach dem Haupttatbestand des § 1 I Nr. 1 GrEStG sind diejenigen Verträge, die nicht unmittelbar einen Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks begründen, sondern auf Vorgänge gerichtet sind, die einen Eigentumsübergang unmittelbar kraft Gesetzes zur Folge haben (z.B. Anwachsung, Umwandlung, grds. auch Erbschaft § 1 I Nr. 3, aber regelmäßig steuerbefreit nach § 3 Nr. 2 GrEStG). Im Hinblick auf den Besteuerungszweck der Grunderwerbsteuer, den Grundstückserwerb von einem anderen Rechtsträger zu erfassen, darf die Erhebung der Steuer dort aber nicht unterbleiben, wo das Eigentum an einem Grundstück ggf. auch ohne vorangegangenes obligatorisches Rechtsgeschäft (Verpflichtungsgeschäft) auf einen anderen übergeht. Für diese Fälle hält das GrEStG deshalb subsidiär die sog. Nebentatbestände (§ 1 I Nr. 2-7 GrEStG) bereit, deren Verwirklichung zur Steuererhebung führt, wenn § 1 I Nr. 1 GrEStG (Haupttatbestand) nicht greift.

2.2.2.1

Auflassung (§ 1 I Nr. 2 GrEStG)

Den ersten Nebentatbestand stellt die Auflassung (§ 925 i. V. In. 873 BGB) dar, d. h. die dingliche Einigung über den Eigentumsübergang. Die Auflassung unterliegt (Subsidiarität zu § 1 I Nr. 1 GrEStG) dann der Grunderwerbsteuer, wenn ihr kein obligatorisches Rechtsgeschäft im Sinne des Haupttatbestandes vorausgegangen ist. Die Auflassung ist zusammen mit der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch Teilakt der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Grundstückseigentums. Da ihr in der Regel ein bereits steuerbares Verpflichtungsgeschäft (z.B. Kaufvertrag s.o.) zeitlich vorausgeht, ist die Auflassung als Besteuerungstatbestand von nur geringer praktischer Relevanz. Allerdings ist es denkbar, dass die Verpflichtung zur Auflassung unmittelbar kraft Gesetzes entsteht, wie z.B. bei der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB), bei Schadenersatzansprüchen (§ 249 BGB) oder beim Herausgabeanspruch des Auftraggebers (§ 667 BGB).

2.2.2.2

Übergang des Eigentums (§ 1 I Nr. 3 GrEStG)

Der Besteuerungstatbestand des Übergangs des Eigentums selbst, der dann einschlägig sein soll, wenn ihm kein schuldrechtliches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und 274

Arten steuerbarer Erwerbsvorgänge

es keiner Auflassung bedarf (§ 1 I Nr. 3), ist praktisch wesentlich bedeutsamer. Unter diesen Nebentatbestand fällt grundsätzlich auch der Erbfall

Beispiel: Der X stirbt. Er hinterlässt seiner Ehefrau (Erbin) ein ihm allein gehörendes Grundstück mit Haus. Ein Verpflichtungsgeschäfl LS.d. Haupttatbestandes liegt hier nicht vor. Vielmehr handelt es sich um einen schlichten Eigentumsübergang, der grundsätzlich gem. § 1 I Nr.3 GrEStG steuerbar ist. (Allerdings sei bereits hier darauf hingewiesen, dass das GrEStG für Erbfälle eine Steuerbefreiung vorsieht (§ 3 Nr.2 GrEStG), da das GrEStG hinter den insoweit spezielleren Regeln des ErbStG zurücktritt (Konkurrenzregelung).

Von § 1 I Nr. 3 GrEStG werden ferner Unternehmensumstrukturierungen durch Umwandlungen nach dem UmwStG durch Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung (Gesamtrechtsnachfolge) erfasst. § 1 I Nr. 1 GrEStG ist in diesen Fällen nicht anwendbar, weil der Verschmelzungs- bzw. Übertragungsvertrag oder der Spaltungsplan nicht als ein Rechtsgeschäft angesehen werden kann, das einen Anspruch auf Übereignung begründet.

Beispiel: Die S-GmbH und die T-AG schließen einen Verschmelzungsvertrag, wonach die GmbH auf die AG verschmolzen werden soll. Mit der Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister erlischt die GmbH, ihr Vermögen (inkl. Grundstücke) geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die AG über. Hinsichtlich des Übergangs der Grundstücke liegt damit ein steuerbarer Erwerb LS.v. § 1 I Nr. 3 GrEStG vor. (Davon unberührt bleibt aber der Grundbesitz der AG, denn dieser verbleibt ja bei dem seiben Rechtsträger).

Bei Verschmelzungen und Spaltungen ist zu beachten, dass grunderwerbsteuerbare Vorgänge nach § 1 I Nr. 3 GrEStG nur vorliegen, soweit Grundstücke auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen. Formwechselnde Umwandlungen von Kapitalgesellschaften in andere Formen der Kapitalgesellschaft und von Personengesellschaften in Personengesellschaften bzw. von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften und umgekehrt unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer, da die Identität des bisherigen Rechtsträgers "in anderer Form erhalten" bleibt.

§ 1 I Nr. 3 GrEStG erfasst ebenfalls den Eigentumserwerb des letzten Gesellschafters bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft durch sog. Anwachsung gern. § 738 BGB.

275

2.2

2

Steuerbarkeit

Beispiel: A und B sind Gesellschafter der AB-OHG mit Gesamthandsvennögen inkl. Grundstücken. Gegen zahlung einer Abfindungsvergütung scheidet B aus dem Unternehmen aus, das allerdings nicht liquidiert, sondem von A fortan als Einzeluntemehmen fortgeführt wird. Das Vermögen der OHG (inkl. Grundstücke) geht hier kraft Gesetzes im Wege der Anwachsung (§ 738 I BGB) in das Alleineigentum von A über. Der Vorgang unterliegt der Grunderwerbsteuer nach § 1 I Nr. 3 GrEStG

Ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand liegt hingegen nicht vor, wenn nach Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer mehrgliedrigen Personengesellschaft die Personengesellschaft durch die verbleibenden Gesellschafter fortgesetzt wird, da insofern kein Eigentumsübergang auf einen neuen Rechtsträger stattgefunden hat: Weil die Personengesellschaft dieselbe geblieben ist, ist aus Sicht der Grunderwerbsteuer auch der Eigentümer des Grundstücks vor und nach dem Ausscheiden des Gesellschafters derselbe geblieben.

2.2.2.3

Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (I 1 I Nr. 4 GrEStG)

Im Zwangsversteigerungsverfahren wird der Ersteher, also der Meistbietende, durch den Zuschlag Eigentümer des Grundstücks. Da durch das Zwangsversteigerungsrecht insofern ein Erwerb wirtschaftlicher Verfügungsmacht über ein Grundstück tatbestandsmäßig vorliegt, wird dieser folgerichtig in § 1 I Nr. 4 GrEStG erfasst.

2.2.2.4

Nebentatbestände in Form sog. Zwischengeschäfte (I 1 I Nr.5-7 GrEStG)

§ 1 I Nr. 5-7 GrEStG erfassen die Abtretung von Übereignungsansprüchen, von Rechten aus einem Kaufangebot und von Ansprüchen aus dem Meistgebot (sog. Zwischengeschäfte). Hier liegt der Gedanke zugrunde, dass der wirtschaftliche Erfolg aus dem eigentlichen Erwerb eines Grundstücks sich in gleicher Weise auch dort niederschlägt, wo der aus einem Verpflichtungsgeschäft erworbene Übereignungsanspruch seinerseits wiederum an einen anderen abgetreten wird. Zwar betrifft die Abtretung nicht die Übertragung des Grundstückseigentums selbst, insbesondere kann sie nicht einen Übereignungsanspruch begründen und kann deshalb auch nicht unter den Haupttatbestand des § 1 I Nr. 1 GrEStG fallen. Gleichwohl wird auch in diesen Fällen die Eigentumsübertragung an Grundstücken berührt. Zur Vorbeugung von Steuerumgehungsmöglichkeiten muss das GrEStG daher auch die Zwischengeschäfte erfassen.

276

Arten steuerbarer Erwerbsvorgänge

Beispiel:

v ist Eigentümer eines inländischen Grundstücks, das er mit gültigem Kaufvertrag an Z veräußert. Z schließt seinerseits einen Vertrag mit E, in dem er diesem seinen Anspruch gegenüber V abtritt. Das Grundstück wird unmittelbar von V an E aufgelassen und dieser als neuer Eigentümer eingetragen. Grunderwerbsteuerlich liegen hier zwei steuerbare Erwerbsvorgänge vor. Dies ist zum einen gem. § 1 I Nr.1 GrEStG der Kaufvertrag zwischen V und Z und zum anderen gem. § 1 I Nr.5 GrEStG das Rechtsgeschäft zwischen Z und E, mit dem der Anspruch auf Abtretung des Übereignungsanspruchs gegenüber V begründet wird.

2.2.3

Ersatztatbestände

Durch die in § 1 I GrEStG normierten Tatbestände werden die üblichen Rechtsvorgänge erfasst, die auf die Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums an einem inländischen Grundstück abzielen. Damit werden aber nicht diejenigen Verkehrsvorgänge getroffen, in denen Grundstückseigentum zwar nicht rechtlich, wohl aber dem wirtschaftlichen Ergebnis nach auf einen anderen übergeht. Um die Möglichkeit zu Steuerumgehungen auch insoweit auszuschließen, hält das GrEStG die sog. Ersatztatbestände nach § 1 11, lIa, III GrEStG bereit. Sie tragen dem Gedanken der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Rechnung, der im GrEStG generell hinter dessen ansonsten stark zivilrechtlichen Prägung zurücktritt.

2.2.3.1

Allgemeiner Ersatztatbestand

Als allgemeiner Ersatztatbestand erfasst § 1 11 GrEStG diejenigen Rechtsvorgänge, die es ohne Übertragung des Eigentums und Abschluss entsprechender Verpflichtungsgeschäfte einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, insbesondere, dass nicht mehr dem Eigentümer sondern ihm ein evtl. Veräußerungsgewinn zustehen wird. Es geht hier also um den Erwerb der Verwertungsbefugnis, der voraussetzt, dass dem Erwerber die wesentlichen aus dem Eigentum entspringenden Befugnisse eingeräumt werden. Ihre praktische Bedeutung erlangt die Verwertungsmöglichkeit nach § 1 11 GrEStG vor allem beim Verkauf eines fremden Grundstücks auf eigene Rechnung (atypische Maklerverträge) sowie mit Blick auf bestimmte Treuhandverhältnisse.

Beispiel: E ist Eigentümer eines inländischen Grundstücks, das er veräußem möchte. Mit dem Verkauf des Grundstücks betraut E den Makler M mit der Maßgabe, dass dieser einen Verkaufserlös von mindestens 500.000 € erzielen soll und M für sich selbst alles das zurückhalten kann, was er darüber hinaus erlöst. M kann das Grundstück insoweit auf eigene Rechnung verwerten, so dass die Ermächtigung zur Veräußerung den Tatbestand des § 1 11 GrEStG erfüllt.

277

2.2

2

Steuerbarkeit

Beispiel: T wird von seinem Auftraggeber G damit beauftragt, für dessen Rechnung ein inländisches Grundstück von D zu erwerben. Durch den Erwerb wird T zum treuhänderischen Eigentümer des Grundstücks, G zum verwertungsbefugten Treugeber. Damit liegen gleichzeitig zwei steuerbare Erwerbsvorgänge vor, nämlich zum einen der Kaufvertrag zwischen D und T (§ 1 I Nr. 1 GrEStG) und zum anderen der Erwerb der Verwertungsmöglichkeit durch G (§ 1 11 GrEStG).

[Anmerkung: Es handelt sich dabei um ein systemgerechtes Ergebnis, denn wenn G sofort gekauft und T erst danach zum Treuhänder eingesetzt hätte, wäre auch zweimal Grunderwerbsteuer angefallen.]

Ein weiterer Beispielsfall für den § 1 11 GrEStG ist das Immobilien-Spezial-Leasing. Demgegenüber kann § 1 11 GrEStG für die Fälle einfacher Pachtverträge nicht einschlägig sein, da dem Pächter zwar Besitz- und Nutzungsrechte zustehen, er aber grundsätzlich nicht an der Substanz (=Veräußerungserlös) des Grundstücks beteiligt ist. Damit kann aber der Erwerb der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis insoweit nicht in Betracht kommen.

2.2.3.2

Besondere Ersatztatbestände (§ 1 lIa, 111 GrEStG)

Als besondere Ergänzungstatbestände zu § 1 I, 11 GrEStG wollen auch § 1 IIa und III GrEStG möglichen Steuerumgehungen entgegentreten. Gehört inländischer Grundbesitz zum Vermögen einer Gesellschaft, die ihrerseits als selbständiger Rechtsträger behandelt wird, so bleiben Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur dieser Gesellschaften regelmäßig ohne Folge für die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse am Grundbesitz. Denn Rechtsträger bezüglich des Grundbesitzes ist (für Zwecke der Grunderwerbsteuer) allein die Gesellschaft selbst und nicht etwa die hinter ihr stehenden Gesellschafter. Gleichwohl geht aber zumindest die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Grundbesitz jedenfalls dann über, wenn sämtliche (bzw. nach der gesetzlichen Definition: 95 % der) Anteile an der Gesellschaft betroffen sind. Umgehungen der Grunderwerbsteuer wären deshalb in der Weise denkbar, dass Grundstücke zunächst in eigens zu diesem Zweck gegründete Gesellschaften eingebracht würden, um dann fortan nur noch mit der Übertragung von entsprechenden Gesellschaftsanteilen zu arbeiten, was zwar wirtschaftlich der Grundstücksübertragung gleichkäme, jedoch keine grunderwerbsteuerliehen Folgen hätte.

2.2.3.2.1

Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (§ 1 lIa GrEStG)

Um das zu verhindern, hält § 1 IIa GrEStG zunächst für bestimmte Fälle des Gesellschafterwechsels bei Personengesellschaften eine besondere Fiktion der Grundstücksübertragung bereit. Nach § 1 IIa GrEStG gilt die innerhalb von fünf Jahren vollzogene 278

Arten steuerbarer Erwerbsvorgänge

unmittelbare oder mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand als ein auf die Übertragung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft i. S. des § 1 I Nr. 1 GrEStG, wenn mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen und zum Vermögen der Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört. Gegenstand der Besteuerung ist nicht der Gesellschafterwechsel als solcher, sondern allein der wirtschaftlich durch ihn begründete Grundstücksübergang auf eine de facto neue Personengesellschaft.

Beispiel: An der AB-KG, deren Geschäflszweck in der Verwaltung eigener Immobilien besteht, sind die Gesellschafter A (Komplementar) zu 60 % und der Gesellschafter B (Kommanditist) zu 40 % seit Gründung der Unternehmung vor vier Jahren beteiligt. Da beide in der Immobilienverwaltung keine Zukunft mehr sehen, veräußert der B seinen kompletten Kommanditistenanteil, während A 2 %(-Punkte) seiner Beteiligung behalten möchte. Die notariellen Kaufverträge lauten auf den 30.04.1999. Nach § 1 lIa GrEStG gilt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand als ein Rechtsgeschäft, welches auf die Übertragung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtet ist (§ 1 I Nr. 1 GrEStG), wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaflsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Die Voraussetzungen sind hier erfüllt, da 98 % der Anteile am Gesellschaflsvermögen veräußert werden. Folglich ist der Vorgang steuerbar.

Beispiel: An einer grundbesitzenden OHG sind A zu 85 % und die B-GmbH zu 15 % beteiligt. Gesellschafter der B-GmbH sind C zu 90 % und D zu 10 %. In 01 veräußert A seine Beteiligung an den E. In 02 veräußert C seine Beteiligung an der BGmbH ebenfalls an den E und in 03 entschließt sich D zur Veräußerung von 5 % (-Punkten) seiner GmbH-Beteiligung an den F. Die Übertragung der Beteiligung des A auf den E in 01 führt zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel LH.v. lediglich 85 % der Anteile am Gesellschaflsvermögen. § 1 lIa GrEStG ist daher in 01 nicht einschlägig. Obwohl die Übertragung des 90 %-igen Anteils an der BGmbH durch C in 02 wirtschaftlich betrachtet zu einem mittelbaren, (90 % von 15 % =) 13,5 %-igen Gesellschafterwechsel an der OHG führt und somit zusammen mit der 85 %-igen Anteilsübertragung in 01 (Fünfjahreszeitraum) eine 98,5 %-ige Übertragung der OHG bedeuten könnte, rechnet die Finanzverwaltung den mittelbaren Anteil erst mit (dann allerdings in voller Höhe), wenn an der anteilsbesitzenden Gesellschaft mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaflsvermögen übertragen wurden. Dies ist hier nicht der Fall, da an der B-GmbH in 02 lediglich 90 % der Anteile auf den E übertragen wurden. Somit ist § 1 lIa im Jahr 02 nicht einschlägig. Das Kriterium ist jedoch in 03 erfüllt, wenn D 5 %(-Punkte) seiner 10 %-igen Beteiligung an der B-GmbH veräußert. Legt man die Auffassung der Finanzverwaltung zugrunde sind dann närn-

279

2.2

2

Steuerbarkeit

lich insgesamt 100 % der Anteile an der OHG (unmittelbar 85 % und mittelbar 15 %) i. S. des § 1 lIa GrEStG innerhalb eines Fünijahreszeitraums übertragen worden.

Beispiel: An der ABC-OHG, deren Geschäftszweck in der Verwaltung eigener Immobilien besteht, sind die Gesellschafter A und B jeweils zu 2 % und C zu 96 % seit Gründung der Unternehmung beteiligt. C veräußert seinen Anteil an A. § 1 lIa GrEStG ist nicht anwendbar, da es sich nicht um eine Übertragung auf neue Gesellschafter handelt. In diesem Fall könnte jedoch § 1 111 GrEStG einschlägig sein.

2.2.3.2.2

Anteilsvereinigung bei Gesellschaften (§ 1 111 GrEStG)

Es liegt nahe, dass man anstelle von Personengesellschaften auch Kapitalgesellschaften einsetzen könnte. Zur weiteren Schließung von Besteuerungslücken werden daher in § 1 III GrEStG auch für bestimmte Fälle der Anteilsübertragung Grundstückserwerbe fingiert. So sollen auch diejenigen obligatorischen (subsidiär auch) dinglichen Rechtsgeschäfte der Grunderwerbsteuer unterliegen, durch die bewirkt wird, dass •

entweder mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft in einer Hand unmittelbar oder mittelbar vereinigt/verdichtet, sog. Anteilsvereinigung/-verdichtung (Obligatorisches Rechtsgeschäft gern. § 1 m Nr. 1; Dingliches Rechtsgeschäft § 1 m Nr. 2 GrEStG)

•

oder mindestens 95 % bereits in einer Hand vereinigter/ verdichteter Anteile an einer Gesellschaft insgesamt auf einen anderen übertragen werden, sog Weiterübertragung (Obligatorisches Rechtsgeschäft gern. § 1 III Nr. 3, Dingliches Rechtsgeschäft gern. § 1 III Nr. 4 GrEStG) sofern zum Vermögen einer Gesellschaft mindestens ein inländisches Grundstück gehört.

Allerdings ist zu beachten, dass § 1 IIa der Anwendung des § 1 III GrEStG vorgeht. Auch hier dienen Anteilsvereinigung/-verdichtung und Weiterübertragung bereits vereinigter Anteile offensichtlich lediglich als rechtstechnischer Anknüpfungspunkt für die Erhebung der Steuer. Gegenstand der Besteuerung ist nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern allein die durch ihn begründete, veränderte Zuordnung des Grundbesitzes der betroffenen Gesellschaft. Folgerichtig wird die mindestens 95 %-ige Vereinigung der Anteile in einer Hand für Zwecke der Grunderwerbsteuer auch dann als vollzogen betrachtet, wenn sich die Anteile an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft nach der Transaktion nicht unmittelbar oder mittelbar in der Hand eines Rechtsträgers, sondern in der Hand eines Kreises herrschender und abhängiger Unternehmen oder Personen befindet (§ 1 m Nr. 1,2 GrEStG), wie z.B. im Rahmen eines Organkreises (§ 1 IV Nr. 2b GrEStG).

280

Arten steuerbarer Erwerbsvorgänge

Auf diese Weise können auch Personengesellschaften mit Grundbesitz vom Tatbestand der Anteilsvereinigung L S. des § 1 rn GrEStG berührt werden. Da sie nämlich stets mindestens zwei Gesellschafter benötigen, um als Gesellschaft fortbestehen zu können, kann für sie eine Vereinigung ihrer Anteile unmittelbar in der Hand eines einzigen Rechtsträgers nicht in Betracht kommen. Ferner kann § 1 rn GrEStG auch dann auf Personengesellschaften angewendet werden, wenn mindestens 95 % der Anteile auf Altgesellschafter übertragen werden, da dieser Fall nicht von der Regelung des § 1 lla GrEStG erfasst wird.

Beispiel: A ist zu 75 % an der Z-GmbH beteiligt, zu deren Vermögen u.a. auch inländischer Grundbesitz gehört. Die übrigen 25 % an der GmbH befinden sich in den Händen von B. A und B schließen einen Kaufvertrag, wonach 23 % der GmbH-Anteile des B auf A übergehen sollen. Der Vorgang unterliegt der GrESt nach § 1 111 Nr. 1 GrEStG.

Beispiel: Eist Alleingesellschafter der X-GmbH, die ihrerseits zu 80 % an der V-GmbH mit inländischem Grundbesitz beteiligt ist. Die übrigen 20 % an der V-GmbH befinden sich in den Händen von D. E schließt mit D einen Kaufvertrag, wonach die restlichen 20 % der Anteile an der V-GmbH auf E übergehen sollen. Damit werden alle Anteile der V-GmbH bei E vereinigt, und zwar teils unmittelbar (20 %) und teils mittelbar über die X-GmbH (80 %). Der Vorgang ist steuerbar nach § 1 111 Nr. 1 GrEStG.

Beispiel: A ist Alleinaktionär der Z-AG, zu deren Vermögen inländischer Grundbesitz gehört. A veräußert seine gesamten Anteile mit gültigem Kaufvertrag an B. Der Erwerb der Anteile durch Bist steuerbar nach § 1 111 Nr. 3 GrEStG

281

2.2

3

3.1

Steuerpflicht: Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen

Übersicht Steuerbefreiungen

Die Steuervergünstigungen des GrEStG sind allesamt sachlicher (nicht persönlicher) Natur, d.h. die Steuer entfällt entweder ganz bzw. in dem in den §§ 5 bis 7 GrEStG genannten Umfang, und dies für alle am Erwerb beteiligten Rechtsträger gleichermaßen, oder ein Erwerbsvorgang ist steuerpflichtig. Dabei können bestimmte Befreiungen sehr wohl auch personenbezogen sein, indem sie an bestimmte Verhältnisse zwischen den beteiligten Rechtsträgern anknüpfen bzw. aus Gründen gewährt werden, die in der Person des Erwerbers liegen. Gleichwohl stellen auch solche Vergünstigungsvorschriften, wenn sie denn einschlägig sind, den gesamten Erwerbsvorgang steuerfrei. Von der Steuerfreiheit profitiert dann sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber. Alle Steuervergünstigungen kommen grundsätzlich gleichermaßen für alle Erwerbsvorgänge im Sinne von § 1 GrEStG in Betracht. Dem steht nicht entgegen, dass einige der Vorschriften der Natur der Sache nach in Einzelfällen nicht anwendbar sind, so etwa insbesondere in den Fällen der Anteilsvereinigung.

Abbildung3-1:

SteuerpflichtiSteuerbefreiung

I I

Grunderwerbsteuerbarkeit

1

SteuerpflichtlSteuerbefreiung

I I

I

1

Volle Steuerbefreiung

1

Partielle Steuerbefreiung (anteilige Nichterhebung der Steuern)

283 K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

3

Steuerpflicht: Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen

Abbildung3-2:

Volle Steuerbefreiungen Volle Steuerbefreiung

Allgemeine Steuerbefreiung, § 3

Besondere Steuerbefreiungen, § 4

Erwerbsfreigrenze (.Bagatellfälle); § 3 Nr.1 Erwerb von Todes wegen; § 3 Nr. 2

Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben, § 3 Nr. 3

I

Bestimmte Grunderwerbe durch Körperschaften des öffentlfchen Rechts, durch ausländische Staaten oder ausländische Kultureinrichtungen

Steuerbefreiung bei Umstrukturierung im Konzern, § 6a Grunderwerbe bei Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns

Grundstücksübergänge bei Ehegatten und Verwandten, § 3 Nr. 4, 5, 6

Rückerwerb eines Grundstücks durch den Treugeber bei Auflösung des Treuhandverhältnisses, § 3 Nr. 8

Abbildung3-3:

Partielle Steuerbefreiung Partielle Steuerbefreiung

(anteilige Nichterhebung der Steuern) Ubergang auf eine Gesamthand; § 5 ~'------------

~L-

Ubergang § 6 -----'=----= von einer Gesamthand; ---=---

__

Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum; § 7 284

_

Vollständige Steuerbefreiungen

3.2

Vollständige Steuerbefreiungen

3.2.1

Allgemeine Steuerbefreiungen (§ 3 GrEStG)

Als allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung sieht das GrEStG folgende Fälle an: 1.

Zunächst normiert das GrEStG die sog. Bagatellfälle mit einer Bemessungsgrundlage nicht über 2.500 € (§ 3 Nr. 1 GrEStG).

2.

Steuerbefreit sind nach § 3 Nr. 2 und 3 GrEStG der Grundstückserwerb von Todes wegen, der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses und die Grundstücksschenkung unter Lebenden. Damit soll eine Doppelbelastung mit zwei Steuern verhindert werden, denn diese Vorgänge unterliegen zugleich der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer oder stehen damit in Zusammenhang.le

3.

Von der Besteuerung ausgenommen sind auch Grundstückserwerbe zwischen Ehegatten (sowie früheren Ehegatten im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung) und zwischen in gerader Linie verwandten Personen, ferner die relevanten Vorgänge bei der Teilung eines Gesamtguts (§ 3 Nr. 4 bis 7 GrEStG).

4.

Steuerbefreit ist auch der Rückerwerb eines Grundstücks durch den Treugeber bei Auflösung des Treuhandverhältnisses, sofern für den Vorgang der treuhänderischen Übertragung des Grundstücks Steuer entrichtet worden ist (§ 3 Nr. 8 GrEStG).

3.2.2

Besondere Steuerbefreiungen (§ 4 GrEStG)

Als besondere Ausnahmen sind bestimmte Grundstückserwerbe durch Körperschaften des öffentlichen Rechts, durch ausländische Staaten sowie durch ausländische Kultureinrichtungen von der Besteuerung ausgenommen.

14 Nach neuerer BFH-Rechtsprechung, die auch von der Finanzverwaltung anerkannt wird, findet die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG grundsätzlich auch auf fiktive Erwerbsvorgänge gern. § 1 Abs, 2a und § 1 Abs. 3 GrEStG Anwendung. Dies gilt bspw. für die schenkweise Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften. welche Grundbesitz halten. Vgl. hierzu ausführlich Teiche, BB2008, S. 196-201.

285

3.2

3

Steuerpflicht: Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen

3.3

Partielle Steuerbefreiungen

Unter den Begriff der partiellen Steuerbefreiungen werden hier diejenigen Regelungen der §§ 5-7 GrEStG sowie § 1 VI GrEStG gefasst, die im Ergebnis keine vollständige Steuerbefreiung (wie die §§ 3, 4 GrEStG) vorsehen, sondern eine anteilige Nichterhebung der Steuer konstituieren. Die §§ 5-7 GrEStG beziehen sich auf den Grundstücksverkehr zwischen Gemeinschaften (mehreren Miteigentümern) und deren Gemeinschaftern (Miteigentümern). Besonders wichtig sind die Fälle, in denen zwischen Gesamthandsgemeinschaften (z.B. Personengesellschaften) und den am Vermögen der Gesamthand Beteiligten Grundstückstransaktionen stattfinden. Hier wird eine anteilige Nichterhebung der GrESt vorgeschrieben, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Gesamthandsgemeinschaften bürgerlich-rechtlich nicht selbständig sind und das Gesamthandsvermögen deshalb Eigentum der jeweils an der Gesamthand Beteiligten ist, wenn auch in jeweils gesamthänderischer Verbundenheit mit den anderen Beteiligten. Aus diesem Grund befreien die §§ 5-7 GrEStG einen Grundstückswechsel insoweit von der Besteuerung, als es der Beteiligung des veräußernden oder erwerbenden Gesamthänders an der Gesamthand entspricht. In grunderwerbsteuerlicher Hinsicht wird folglich nur ein über den bisherigen Anteil am Grundstück hinausgehender Erwerb des Gesamthänders erfasst.

Beispiel: M ist Gesellschafter der MB-KG, an der er vermögensmäßig zu 40 % beteiligt ist. Verkauft M nun an die KG ein ihm privat gehörendes Grundstück, so ist der Vorgang zunächst steuerbar (§ 1 I Nr.1 GrEStG), da die KG bei der Grunderwerbsteuer auch gegenüber ihrem Gesellschafter ein selbständiger Rechtsträger ist. Da M als Gesellschafter jedoch auch zu 40 % am Vermögen der erwerbenden Gesellschaft beteiligt ist, gehören M von dem Grundstück, das er an die KG verkauft, aus Sicht des Zivilrechts bereits 40 %. Insoweit findet ein echter Rechtsträgerwechsel nicht statt. Deshalb wird die Grunderwerbsteuer nach § 5 11 GrEStG in Höhe der anteiligen KGBeteiligung von M (40 %) nicht erhoben.

Beispiel: A, Bund C sind Gesellschafter der ABC-OHG, an der sie im Verhältnis 50 %, 25 %, 25 % beteiligt sind. A und B sind zugleich zu jeweils 50 % an einem inländischen Grundstück beteiligt, das sie nun an die ABC-OHG verkaufen. Der Vorgang ist zunächst wiederum steuerbar (§ 1 I Nr.1 GrEStG). Da sich Miteigentumsbruchteil am Grundstück und Beteiligungsanteil an der OHG bezüglich A genau in Höhe von 50 %, bezüglich B allerdings nur in Höhe von 25 % decken, ist der Erwerb zu 75 % steuerfrei (§ 5 I GrEStG).

286

Partielle Steuerbefreiungen

Beispiel: An der DE-KG sind die Gesellschafter D, E und F im Verhältnis 60 %, 20 %, 20 % beteiligt. Die KG veräußert eines ihrer inländischen Grundstücke an D und E, die fortan je zu 50 % Miteigentümer sein sollen. Dieser Erwerb ist steuerbar (§ 1 I Nr.1 GrEStG, jedoch zu 70 % steuerbefreit (6 I GrEStG), denn in dieser Höhe decken sich insgesamt die Beteiligungs- bzw. Miteigentumsquoten an KG und Grundstück bei D (50 %) und E (20 %).

Beispiel: Vater V und Sohn S sind zu jeweils 50 % an der VS-OHG beteiligt. Überträgt nun S ein Grundstück auf die OHG, so ist der Erwerb zunächst steuerbar (§ 1 I Nr.1 GrEStG). Zugleich ist er aber auch zur Gänze steuerbefreit. Denn in Höhe von 50 % decken sich bei S die Beteiligungsquoten an Grundstück und Gesamthand (§ 5 11 GrEStG); in Höhe der übrigen 50 % erwirbt V von S Gesamthandseigentum am Grundstück, wobei beide in gerader Linie miteinander verwandt sind (§ 3 Nr. 6 GrEStG; siehe hierzu auch die Beispiele auf der nächsten Seite).

§ 5 III GrEStG schreibt zur Vermeidung von Steuerausfällen durch steuergestaltende Maßnahmen vor, dass die anteilige Nichterhebung der Steuer gern. § 5 I, 11 GrEStG insoweit nicht anzuwenden ist, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren (Mindestbehaltenfrist) nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. Unter der Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand ist beispielsweise das Ausscheiden aus der Gesellschaft, die Herabsetzung der Beteiligung durch Verkauf, Übertragung usw. auf andere Gesellschafter oder auf einen Treuhänder und die Aufnahme neuer Gesellschafter zu verstehen. Die Steuervergünstigungen des § 5 1 und 11 GrEStG können über § 5 III GrEStG nur versagt werden, wenn eine Umgehungsmöglichkeit tatsächlich besteht. Daher kommt eine Steuerpflicht nicht in Betracht, soweit ein der Verminderung des Anteils am Vermögen der Gesamthand entsprechender Grundstückserwerb nach den allgemeinen Vorschriften des § 3 GrEStG von der Steuer ausgenommen wäre. Die Fünfjahresfrist beginnt mit dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand. Gleiches gilt gern. § 6 III S. 2 GrEStG beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand für den Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand. In den Fällen, in denen Grundstücke von den Gesamthändem auf die Gesamthand

oder von der Gesamthand auf die Gesamthänder übergehen, gelten neben den Sendervergün&tigungen der §§ 5 und 6 auch die allgemeinen Steuervergünstigungen, insbesondere die des § 3 GrEStG. Die grunderwerbsteuerliche Rechtsträgereigenschaft der Gesamthand schließt es folglich nicht aus, dieser die persönlichen Eigenschaften der Gesamthänder quotal zuzurechnen. Vereinfacht gesagt, wird für Steuerbefreiungszwecke durch die Gesamthand hindurchgesehen und nach den persönlichen Verhältnissen der Gesamthänder zueinander gefragt.

287

3.3

3

Steuerpflicht: Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen

Beispiel:

x und Y sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks. Sie übertragen ihre Miteigen-

tumsanteile auf eine GbR deren Gesellschafter je zur Hälfte die Ehefrauen von X und Y sind. Grundsätzlich liegt hier die übertragung eines Grundstücks auf einen in grunderwerbsteuerlicher Sicht eigenständigen Rechtsträger (hier: die GbR) vor. Wären X und Y an der GbR je zur Hälfte beteiligt, würde sich die anteilige Nichterhebung der Steuer nach § 5 I GrEStG ergeben. Der Vorgang wäre insgesamt steuerfrei. Da an der GbR aber lediglich die Ehefrauen beteiligt sind, ist fraglich, ob auch hier eine Steuerbefreiung über § 5 I i. V .m. § 3 Nr. 4 GrEStG erreicht werden kann. Im Ergebnis ist dies zu bejahen, d.h. personen bezogene Steuerbefreiungen sind den Gesamthändem trotz der grunderwerbsteuerlichen Selbständigkeit der Gesamthandsgemeinschaften zuzurechnen.

Beispiel: Vater und Sohn sind an einer grundstücksbesitzenden KG beteiligt. Die KG wird durch den Tod des Vaters beendet, d.h. es entsteht ein Einzeluntemehmen. Das Vermögen wächst aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel dem Sohn an. Der Vorgang ist zunächst steuerbar nach § 1 I Nr. 3 GrEStG (Anwachsung). Fraglich ist, ob der Vorgang steuerbefreit ist. Nach § 6 11 GrEStG wird die Steuer beim übergang von der Gesamthand in das Alleineigentum insoweit nicht erhoben, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Der Vorgang ist also auf jeden Fall in Höhe des Anteils steuerbefreit zu dem der Sohn bereits an der KG beteiligt war. Fraglich ist, ob er darüber hinaus auch in Höhe des Anteils steuerbefreit ist, zu dem der Vater an der KG beteiligt war. Trotz Anerkennung der KG als selbständigem Rechtsträger wird auch das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Sohn und Vater gem. § 3 Nr. 6 GrEStG berücksichtigt. Folglich ist die Grundstücksübertragung auch in Höhe des Anteils steuerbefreit, zu dem der Vater an der KG beteiligt war.

Auch die Vorschrift des § 1 VI GrEStG sieht im Ergebnis nur eine anteilige Steuererhebung vor. Hintergrund ist, dass die steuerbegründenden Tatbestände des GrEStG ungeachtet ihres unterschiedlichen Charakters grundsätzlich funktionsgleich nebeneinander stehen. Deshalb ist es durchaus denkbar, dass Haupt-, Neben- und Ersatztatbestände hinsichtlich desselben Grundstücks ggf. aufeinander folgen. Hierzu bestimmt § 1 VI GrEStG, dass ein in § 1 I, 11 oder III GrEStG bezeichneter Rechtsvorgang grundsätzlich auch dann der Steuer unterliegen soll, wenn ihm zuvor ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Damit sind insbesondere die Fälle angesprochen, in denen ein Erwerbsvorgang nach § 1 I GrEStG auf einen der Ersatztatbestände nach § 1 11 bis III GrEStG folgt oder nacheinander verschiedene Ersatztatbestände verwirklicht werden. Gleichwohl wird in diesen Fällen die Steuer für den nachfolgenden Rechtsvorgang nur insoweit erhoben, als dessen Bemessungsgrundlage den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet wurde (§ 1 VI S. 2 288

Steuerbefreiungen bei Umstrukturierung im Konzern

GrEStG). Im Ergebnis sichert § 1 VI GrEStG also, dass dann, wenn ein Vorgang unter zwei verschiedene Absätze des Gesetzes fällt, sich die Steuerbelastung immer nach der höchstmöglichen Bemessungsgrundlage richtet. Dadurch wird einerseits gewährleistet, dass Grunderwerbsteuer für den Erwerb eines Grundstücks durch einen bestimmten Erwerber im Endeffekt nur einmal anfällt (Kürzungsvorschrift vermeidet eine echte Doppelbelastung), andererseits aber ein Erwerber seine Grunderwerbsteuer nicht dadurch senken kann, dass er einem Kauf (0. ä.) einen anderen (geringer belasteten) Vorgang vorschaltet (Doppelerfassung in § 1 VI GrEStG verhindert Umgehung). Diese Kürzung kommt aber nur in Frage, wenn es •

um dasselbe Grundstück (Grundstücksidentität) und

•

um denselben Erwerber (Erwerberidentität) geht.

Ansonsten (zwei verschiedene Grundstücke, zwei verschiedene Erwerber) ist es sachgerecht, wenn zweimal Grunderwerbsteuer anfällt.

Beispiel: A hält bereits 75 % der Anteile an einer GmbH mit inländischem Grundbesitz, als er von Bauch noch die restlichen 25 % der GmbH-Anteile erwirbt und damit zum Alleingesellschafler wird. Der Anteilserwerb unterliegt der Grunderwerbsteuer nach §1 111 Nr. 1 GrEStG. Später erwirbt A von seiner GmbH eines deren Grundstücke und erfüllt damit den Haupttatbestand nach § 1 I Nr. 1 GrEStG. Die Grunderwerbsteuer wird hier aber nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage des zweiten Erwerbs die Bemessungsgrundlage des ersten übersteigt.

3.4

Steuerbefreiungen bei Umstrukturierung im Konzern

3.4.1

Bisherige grunderwerbsteuerliehe Behandlung von Umstrukturierungen

Die Umstrukturierung von Unternehmen geht typischerweise mit der Übertragung von Vermögensgegenständen, u. a. auch Grundstücken und Anteilen an Grundbesitzgesellschaften, einher und kann sich im Wege einer Einzelrechts- oder einer Gesamtrechtsnachfolge vollziehen. Eine Vermögensübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge liegt vor, wenn Grundstücke oder Anteile an einer Grundbesitzgesellschaft, bspw. infolge eines Kaufvertrages oder im Wege einer Sachkapitalerhöhung oder Sachgründung, übertragen werden. Eine Vermögensübertragung im Wege der Ge289

3.4

3

Steuerpflicht: Steuerbefreiungen undSteuerbegünstigungen

samtrechtsnachfolge liegt demgegenüber vor, wenn die Übertragung durch eine übertragende Umwandlung im Sinne des Umwandlungsgesetzes oder ein vergleichbares Instrument ausländischer Rechtsordnungen erfolgt. Umwandlungen in diesem Sinne sind: •

die Verschmelzung (§ 1 I Nr. 1 UmwG)

•

die Spaltung in den Varianten der Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung (§ 1 I Nr. 2 UmwG)

•

die Vermögensübertragung (§ 1 I Nr. 3 UmwG).

Sämtliche der vorgenannten Vorgänge können - auch innerhalb des Konzerns Grunderwerbsteuer auslösen. •

Die Übertragung von Grundstücken im Wege der Einzelrechtsnachfolge ist grunderwerbsteuerbar nach § 1 I Nr. 1 GrEStG,

•

die Übertragung von Anteilen an einer Grundbesitzgesellschaft ist grunderwerbsteuerbar, wenn, bei einer Personengesellschaft, innerhalb von 5 Jahren 95 % oder mehr der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übertragen werden (§ 1 Ha GrEStG) oder, bei Personen- oder Kapitalgesellschaften, der Tatbestand einer sog. Anteilsvereinigung (§ 1 m GrEStG) erfüllt ist,

•

Verschmelzungen, Spaltungen oder Vermögensübertragungen sind grunderwerbsteuerbar nach § 1 I Nr. 3 GrEStG, wenn zum Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ein Grundstück gehört. Ist der übertragende Rechtsträger (unmittelbar oder mittelbar) Gesellschafter einer Grundbesitzgesellschaft, kann sich eine Grunderwerbsteuerbarkeit des Umwandlungsvorgangs auch aus § 1 Ha GrEStG oder § 1 III Nr. 2 bzw. 4 GrEStG ergeben.

Der Formwechsel löst demgegenüber grundsätzlich keine Grunderwerbsteuer aus, weil es sich nicht um eine übertragende, sondern um eine identitätswahrende Umwandlung handelt. Bislang werden somit fast sämtliche Umstrukturierungsmaßnahmen sowohl innerhalb eines Konzerns als auch konzernübergreifend von der Grunderwerbsteuer erfasst.

3.4.2

Steuervergünstigung durch § 6a GrEStG

Durch das sog. Wachstumsbeschleunigungs-Gesetz vom 22.12.2009ist mit § 6a GrEStG eine neue Befreiungsvorschrift in das Grunderwerbsteuergesetz eingefügt worden. Durch diese Norm werden Umstrukturierungen von Unternehmen grunderwerbsteuerlich begünstigt, wenn es zu Grundstücksübergängen kommt durch

290

Steuerbefreiungen bei Umstrukturierung im Konzern

•

Umwandlungen (§ 11 Nr. 3 GrEStG), Änderungen des Gesellschafterbestandes bei Personengesellschaften (§ 1 IIa GrEStG), Anteilsvereinigung bzw. -übergang (§ 1 III GrEStG) oder

•

Erwerb der Verwertungsbefugnis (§ 1 II GrEStG).

Die Begünstigung des § 6a GrEStG ist auf Konzemsachverhalte beschränkt. Es werden nur Umwandlungsvorgänge erfasst, an denen ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften, oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Abhängig i.S. der Vorschrift ist eine Gesellschaft, wenn das das herrschende Unternehmen an ihrem Kapital innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang (= Erwerbsvorgang i.S.d. GrEStG) und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang zu mindestens 95 % beteiligt ist (§ 6a S. 4 GrEStG). Dabei kann die Beteiligung unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar gehalten werden. Mit dieser sog. Vorbehaltensfrist und der Behaltensfrist soll eine nachträgliche Versagung der Begünstigung eröffnet werden, wenn es - ähnlich wie bei § 5 III und § 6 III S. 2 GrEStG - innerhalb der Behaltensfrist von 5 Jahren nicht bei der begünstigten vermögensmäßigen Beteiligung an der Wertsubstanz des Grundstücks bleibt. Deshalb müssen Änderungen von Beherrschungsverhältnissen auch gemäß § 19 II Nr. 4a GrEStG angezeigt werden. § 6a S. 2 GrEStG weitet die Vergünstigung auf vergleichbare ausländische Sachverhalte innerhalb der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, aus. Die neue Begünstigungsvorschrift ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 verwirklicht worden sind (§ 23 VIIl S. 1 GrEStG). Sie ist jedoch nicht anzuwenden, wenn ein im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 verwirklichter Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, und deshalb die dafür entstandene GrESt gemäß § 16 I oder II GrEStG nicht zu erheben oder eine Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern ist. Damit soll verhindert werden, dass Erwerbsvorgänge nur deshalb rückgängig gemacht werden, um (mit einer Neuvornahme) die Begünstigung zu erhalten.

291

3.4

3

Steuerpflicht: Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen

Beispiel:

Verschmelzung (Alt.: UmMngen der Bete iligung)

Wird T1 sidestream auf ihre Schwestergesellschaft T2 verschmolzen, so ist dies zunächst ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang sowohl fIlr den Grundbesitz der E-KG (§ 1 lIa GrEStG) als auch bezüglich des von der F-GmbH gehaltenen Grundbesitzes (§ 1 111 Nr. 3 GrEStG). Die Erwerbsvorgange der E-KG nach § 1 lIa GrEstG sowie der T2 nach § 1 111 Nr. 3 GrEstG beruhen auf einer Umwandlung LS. von § 1 I Nr. 1 UmwG und sind daher gemäß § 6a GrEstG von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 6a GrEstG vorliegen. Die Begünstigung hängt damit grundsätzlich auch nicht von der Rechtsform der betroffenen Konzerngesellschaften ab, die den Grundbesitz halten.

292

4

4.1

Bemessungsgrundlage

Überblick

Zur Bemessung der Steuer soll für Zwecke der Grunderwerbsteuer grundsätzlich derjenige Wert maßgebend sein, der dem übergehenden Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbs von Seiten der beteiligten Rechtsträger selbst beigemessen wird. Bemessungsgrundlage im Regelfall ist deshalb der Wert der Gegenleistung (§ 8 I GrEStG). Diese ist grundsätzlich auch dann zugrunde zu legen, wenn sie im Einzelfall vielleicht einmal deutlich hinter dem tatsächlichen Wert des erworbenen Grundstücks zurückbleiben sollte; der Gesetzgeber geht davon aus, dass der vereinbarte Kaufpreis in den meisten Fällen die beste und überzeugendste Grundlage für den wirtschaftlichen Marktwert des Grundstücks bietet. Daneben sind aber auch Fälle des Grundstückserwerbs denkbar, in denen eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht bestimmbar ist. In den Fällen des Gesellschafterwechsels bei Personengesellschaften (§ 1 IIa) bzw. bei der Anteilsübertragung (§ 1 III GrEStG) kann ebenfalls nicht auf eine Gegenleistung

abgestellt werden, denn eine solche kann sich insoweit höchstens auf die erworbenen Anteile, nicht aber auf das nur mittelbar berührte Grundstück beziehen, das hier selbst ja gar nicht Gegenstand einer Übertragung im bürgerlich-rechtlichen Sinne ist. Als Bemessungsgrundlage werden in diesen Fällen deshalb hilfsweise die sog. Grundbesitzwerte (Bedarfswerte) im Sinne von § 138 11 bzw. III BewG herangezogen, die außerdem auch für sämtliche Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage maßgebend sein sollen (§ 8 II GrEStG). Die folgende Übersicht vermittelt einen Überblick über die möglichen Bemessungsgrundlagen.

293 K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

4

Bemessungsgrundlage

Abbildung4-1:

Bemessungsgrundlage gem. 8 I, II, § 9

Nein

Liegt eine Umwandlung/Einbringung usw. oder eine steuerbare Gesellschafteränderung bei einer PersGes. (§ lila) oder Kapitalgesellschaft ( § 1 111 ) vor

§ 811 Nr. 1

Ja ~------=!!...---r§8IiN;::2~ § 811 Nr. 2,3

Nein

Pauschalbesteuerung gern. § 12 (Sonderfall )

Grundbesitzwert lern. § 13811, 111 BewG

4.2

Wert der Gegenleistung

4.2.1

Eigentliche Gegenleistung t.s.d, § 9 I Nr. 1 und 2 GrEStG

Hauptbemessungsgnmdlage ist gleichwohl nach wie vor der Wert der Gegenleistung, soweit diese vorhanden und ermittelbar ist. Hinsichtlich des Begriffs der Gegenleistung knüpft das GrEStG zunächst wiederum an das bürgerliche Recht an, wonach zur Gegenleistung alles gehört, was in einem gegenseitigen Vertrag der eine verspricht, um die Leistung des anderen zu erhalten (§§ 241, 316, 320 BGB). Diese bürgerlichrechtliche Begriffsumschreibung wird dann aber vom GrEStG in verschiedener Hinsicht modifiziert, um schließlich zum Gegenleistungsbegriff des § 9 GrEStG zu kommen, der teils klar über den Begriff des bürgerlichen Rechts hinausgeht, teils aber auch dahinter zurückbleibt. Deshalb stellt sich die Gegenleistung im Sinne des GrEStG letztlich als eine aus verschiedenen Elementen zusammengesetzte, nur additiv zu ermittelnde Größe dar und umfasst insbesondere jede Leistung, die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt oder der Erwerber als Entgelt für den Erwerb aufwendet. Steht fest, was alles zur Gegenleistung gehört, so heißt das noch nicht, dass damit schon eine brauchbare Bemessungsgrundlage vorliegt. Vielmehr muss die Gegenleistung im zweiten Schritt bewertet werden. 294

Wert der Gegenleistung

Beispiel: Als Gegenleistung für den Verkauf ihres Hauses wird Frau F ein lebenslanges Wohnrecht in einem Pflegeheim gewährt. Die Grunderwerbsteuer kann nicht ermittelt werden, bevor man nicht weiß, was eine solche Gegenleistung wert ist.

Die Bewertung der Gegenleistung ist grundsätzlich an die allgemeinen Vorschriften des BewG gebunden, soweit es in anderen Steuergesetzen keine spezielleren Vorschriften gibt (§ 1 BewG). D.h. Bewertungsgrundsatz ist zunächst die Wertbemessung nach dem gemeinen Wert (§ 9 BewG). Darüber hinaus können aber auch die Bewertungsvorschriften über den Teilwert (§ 10 BewG), über Wertpapiere und Anteile (§ 11 BewG), über Kapitalforderungen und Schulden (§ 12 BewG) sowie über die maßgebenden Werte von Nutzungen und Leistungen (§§ 13 bis 15 BewG) zur Anwendung kommen. Der maßgebende Zeitpunkt für die Bewertung der Gegenleistung ist derjenige, in dem der jeweilige Erwerbsvorgang verwirklicht wird. Für den praktisch bedeutsamsten Fall des Kaufs umschreibt § 9 I Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung den Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Regelmäßig wird der Kaufpreis aus einer Geldsumme bestehen, die grundsätzlich mit ihrem Nominalbetrag anzusetzen ist. Ausnahmsweise kann allerdings auch eine Abzinsung erforderlich werden, wenn die Kaufpreisforderung nicht kurzfristig fällig und außerdem unverzinslich oder unterverzinslich ist (§ 12 I, III BewG). Besteht der Kaufpreis in wiederkehrenden Bezügen (z.B. einer Rente), so muss deren Kapitalwert errechnet werden (§§ 13 ff. BewG). Eine Bewertung des Kaufpreises ist außerdem auch in den Fällen des Tauschs erforderlich, wenn die Gegenleistung etwa in einem anderen Grundstück oder in anderen Wirtschaftsgütern, z.B. Gesellschaftsanteilen besteht.

295

4.2

4

Bemessungsgrundlage

Die folgende Grafik verdeutlicht die Ermittlung des Wertes der Gegenleistung beim Kauf: Berechnungsschema Kaufpreis

Beispiele Nominalbetrag, Kapitalwert bei Rentenzahlung, Abzinsung

+ vom Käufer übernommene

sonstige Leistungen

Hypotheken, Schätzungs-/ Vermessungskosten, Maklervergütungen (Kosten gern. §448 BGB)

+ dem Verkäufer vorbehaltene

Nutzungen

Mietfreie Benutzung einer Wohnung

= Eigentliche Gegenleistung + Zusatzleistungen

Nachträgliche Anpassung an gestiegene Quadratmeterpreise,

+ auf den Erwerber kraft Gesetzes

Übergehende Belastungen

Erbbauzins, bestimmte Nießbrauchsfälle, dingliches Vorkaufs- und Wiederkaufsrecht

= Gegenleistung im weiteren Sinne + Leistungen an andere Personen für

Erwerbsverzicht

Zahlungen zur Ablösung eines Vorkaufsrechts

+ Drittleistungen für die

Grundstücksübertragung

Zusätzliche Zahlungen an Veräußerer durch Personen, die nicht Erwerber des Grundstücks sind

= Bemessungsgrundlage: Gegenleistung (beim Kauf)

Als sog. sonstige Leistungen übernimmt der Käufer beim Erwerb eines Grundstücks häufig die auf dem Grundstück liegenden grundpfandrechtlich gesicherten Verbindlichkeiten (z.B. Hypotheken, Grundschulden). Gelegentlich kommt es auch vor, dass

296

Wert der Gegenleistung

der Käufer sich verpflichtet, Kosten zu übernehmen, die an sich dem Verkäufer zur Last fallen, weil sie die Übergabe des Grundstücks betreffen (§ 448 BGB); beispielhaft genannt seien insoweit Schätzungs- oder Vermessungskosten, Kosten für die Löschung getilgter Hypotheken, rückständige Hypothekenzinsen sowie ggf. Maklervergütungen. Dabei muss insgesamt deutlich sein, dass nur solche Schulden tatsächlich "übernommen" werden können, die der Erwerber nicht ohnehin schon, etwa kraft Gesetzes, zu tragen verpflichtet ist. Nicht zur Gegenleistung gehören deshalb z.B. die Kosten der Beurkundung, der Auflassung und der Eintragung usw. (§ 449 BGB). Sehr wohl Teil der Gegenleistung war andererseits bis 2004 die ggf. gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer, und zwar unabhängig davon, ob der Erwerber sie seinerseits als Vorsteuer abziehen durfte oder nicht. Mit HBeglG 2004 ist jedoch im UStG eine Steuerschuldnerschaft des Grundstückskäufers für die Umsatzsteuer implementiert worden.lf Damit kann die Umsatzsteuer - da sie in Optionsfällen per Gesetz vom Käufer geschuldet wird - nicht mehr Bestandteil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung sein. Eine Zurechnung entfällt damit. (V gl. zu dieser Problematik auch A 149 VII UStR).l6

Beispiel: ab 2004

bis 2004

Nettoentgelt für das Grundstück:

100.000€

100.000 €

USt (19 %)

-,--

+ 19.000 €

100.000€

119.000 €

3.500€

4.165€

Hierauf Grunderwerbsteuer 3,5 %

Mit der Übergabe des Grundstücks, spätestens jedoch mit der Eintragung im Grundbuch, gebühren die Nutzungen des Grundstücks dem Käufer (§ 446 BGB). Bleiben deshalb dem Verkäufer Nutzungen vorbehalten, die dem Eigentümer (Käufer) zustehen, zählen auch sie zur Gegenleistung. Relativ häufig ist z.B. zu beobachten, dass dem Veräußerer auf längere Zeit oder sogar auf Lebenszeit die mietfreie Benutzung einer Wohnung im veräußerten Grundstück vorbehalten bleibt. Eine vorbehaltene 15 Umsätze, die der GrESt unterliegen, sind grundsätzlich gern. § 4 Nr. 9 lit. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. In diesen Fällen kommt es somit nicht zu einer Belastung mit Umsatzsteuer. Es besteht jedoch unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, gern. § 9 I UStG auf die Steuerfreiheit zu verzichten und zur Umsatz-Steuerpfficht zu optieren. Für diese Fälle gilt gern. § 13b I Nr. 3 UStG eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (hier: Erwerber des Grundstücks). 16 Zur Frage der Grunderwerbsteuer als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer vgl. BFHUrteil vom 9.11.2006,V R 9/04, BStBl. II 2007, S. 285 ff. 297

4.2

4

Bemessungsgrundlage

Nutzung liegt aber auch dann vor, wenn etwa vereinbart wird, dass der Veräußerer den Mietzins nicht herauszugeben braucht, der vom Mieter über die Besitzzeit des Veräußerers hinaus bereits an diesen gezahlt wurde. Die Bestimmung der Gegenleistung kann zu Schwierigkeiten führen, wenn es sich um einen Erwerbsvorgang über ein Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude handelt. Zivilrechtlich ist es möglich, dass zunächst das Grundstück mit Hilfe eines separaten Kaufvertrag verkauft wird und sodann ein weiterer (Werk)vertrag über die Errichtung des Gebäudes abgeschlossen wird. Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinne wäre dann der Preis für das (unbebaute) Grundstück, während die Errichtung des Gebäudes für sich betrachtet kein grunderwerbsteuerlich beachtlicher Vorgang wäre, da Gegenstand dieses Vertrages gerade nicht der Übergang eines Grundstücks ist. Damit stünde die Grunderwerbsteuer letztlich zur Disposition der Vertragsparteien, da sie die Höhe der Vergütungen und somit die anfallende Grunderwerbsteuer für die jeweiligen Verträge frei bestimmen könnten. Um dies zu verhindern, ist für grunderwerbsteuerliche Zwecke eine modifizierte Sichtweise erforderlich. Der Umfang der Gegenleistung i. S. des § 9 I Nr. IGrEStG bestimmt sich deshalb einerseits nach dem zu erfüllenden Verpflichtungsgeschäft und andererseits nach dem von den Parteien gewollten wirtschaftlichen Ergebnis, also letztlich danach, in welchem Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wird. Wenn sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung eines Gebäudes darauf zwar aus zwei oder mehreren an sich selbständigen Verträgen ergibt, ist grunderwerbsteuerlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand, sofern diese Verträge aufgrund ihres rechtlichen Zusammenhangs als einheitlicher Vertrag (Grundsätze über das "Einheitliche Vertragswerk") anzusehen sind. Dies kann sich bereits dadurch ergeben, dass die Gültigkeit der Einzelverträge ausdrücklich voneinander abhängig gemacht wird. Abgesehen von einer solchen rechtlichen Bestandsverknüpfung ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand aber auch dann, wenn zwischen mehreren Verträgen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhält. Ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang in diesem Sinne ist regelmäßig gegeben, wenn der Erwerber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufs in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung nicht mehr frei ist. Bei der Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob die abgeschlossenen Verträge stets zwischen den gleichen Personen vereinbart wurden. Sofern auf Veräußererseite mehrere Personen beteiligt sind, wird seitens der Rechtsprechung geprüft, ob diese bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten, das für den Erwerber objektiv erkennbar ist, auf den Abschluss aller Verträge hinwirken. Anders gewendet bedeuten diese Grundsätze über das einheitliche Vertragswerk, dass dann nicht von einem einheitlichen Leistungsgegenstand "bebautes Grundstücke" auszugehen ist, wenn die Erwerberseite selbst initiativ wird oder wenn es an einem Zusammenwirken auf der Veräußererseite fehlt. 298

Wert der Gegenleistung

Weitere Umschreibungen des Begriffs der Gegenleistung bietet das GrEStG für die praktisch weniger bedeutsamen Fälle der Leistung an Erfüllung statt, der Abtretung des Übereignungsanspruchs, der Enteignung sowie für das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren und dessen Abtretung (§ 9 I Nr. 3 bis 7 GrEStG).

4.2.2

Zusatzleistungen des Erwerbers zur vereinbarten Gegenleistung (§ 9 11 Nr.1 GrEStG)

Eine zusätzliche Erweiterung erfährt der Begriff der Gegenleistung durch § 9 11 GrEStG. Danach sollen zur Gegenleistung im Sinne des GrEStG auch sog. Zusatzleistungen des Erwerbers zu der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung gehören (§ 9 11 Nr. 1 GrEStG). Gemeint sind hier insb. solche Leistungen, die nachträglich vereinbart bzw. übernommen werden und damit nicht mehr unmittelbar mit dem vorausgegangenen Grundstückserwerb verknüpft sind, mit diesem jedoch noch in einem rechtlichen Zusammenhang stehen. Beispiel: Nachbesserung von Tauschleistungen, Zusatzleistungen zur Beseitigung einer unklaren Rechtslage.

4.2.3

Auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehende, nicht dauernde Grundstückslasten (§ 9 11 Nr. 2 GrEStG)

Zur Gegenleistung gehören in entsprechender Weise die bereits auf dem Grundstück ruhenden, nicht-dauernden Grundstückslasten (einschließlich der Verpflichtungen aus einem Erbbaurecht), soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen (§ 9 11 Nr. 2 GrEStG). Dahinter steht der Gedanke, dass die Beteiligten eines Grundstücksgeschäfts den Wert der vom Erwerber zu übernehmenden nicht-dauernden Lasten bei der Bemessung des Wertes der vereinbarten (Geld)Leistung berücksichtigen werden. Aus diesem Grund ist der Gesamtbetrag von vereinbarter und kraft Gesetzes übergehender Leistung als Gegenleistung für das Grundstück zu erfassen. Der Gegenleistung sind nur die nicht-dauernden Grundstückslasten hinzuzurechnen. Hierzu zählen z. B. Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden, Wohnrechte und Nießbrauchsrechte. Sie sind mit dem Kapitalwert (§§ 13, 14 BewG) bzw. mit dem gemeinen Wert (§ 9 BewG) anzusetzen. Dauernde und somit nicht zur Gegenleistung zählende Lasten i. S. des § 9 11 Nr. 2 S. 2 GrEStG sind beispielsweise Grunddienstbarkeiten, bei denen die Befugnisse des Grundstückseigentümers zugunsten eines anderen Grundstücks eingeschränkt werden (z. B. Wege-, Geh-, Fahrtrechte). Ebenso zählen zu den dauernden Lasten kommunale Abgaben (inkl. Grundsteuer).

299

4.2

4

Bemessungsgrundlage

4.2.4

Leistungen an Dritte für Erwerbsverzicht und Drittleistungen an den Veräußerer (§ 9 11 Nr. 3, 4 GrEStG)

Gelegentlich mag es auch vorkommen, dass der Erwerber eines Grundstücks Leistungen an Personen erbringen muss, die nicht Eigentümer des Grundstücks sind. Auch diese Leistungen gehören zur Gegenleistung, wenn sie dafür gewährt werden, dass diese anderen Personen auf den Erwerb des Grundstücks verzichten (§ 9 11 Nr. 3 GrEStG). Zugleich dürfen Leistungen dabei nicht aus einer entsprechenden Verpflichtung gegenüber dem Veräußerer erwachsen, da sie dann bereits eigentliche Gegenleistung im Sinne von § 9 I GrEStG wären.

Beispiel: Zahlung zur Ablösung eines Vorkaufsrechts, Ausgleichszahlungen bei Zwangsversteigerungen.

Schließlich sollen auch solche Leistungen zur Gegenleistung gehören, die Dritte dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewähren, dass dieser dem Erwerber das Grundstück überlässt (§ 9 11 Nr. 4 GrEStG). Zusätzliche Voraussetzung ist auch hier, dass diese Leistungen nicht der Erfüllung originärer Verpflichtungen des Erwerbers dienen. Ausdrücklich nicht zur Gegenleishmg zählt die GrESt selbst; sie ist der Gegenleishmg weder hinzuzurechnen, noch darf sie von ihr abgezogen werden (§ 9 III GrEStG). Dementsprechend wird regelmäßig der Käufer die gesamte Grunderwerbsteuer tragen; denn anderenfalls würde sie von Seiten des Verkäufers in den Kaufpreis eingerechnet werden und damit mangels Abzugsfähigkeit die entstehende Grunderwerbsteuerschuld erhöhen.

4.2.5

Gesamtgegenleistung (sog. Boruttau'sche Formel)

Gegenstand steuerbarer Erwerbsvorgänge wird häufig nicht nur ein Grundstück im Sinne von § 2 GrEStG sein. Meist werden zugleich auch andere Gegenstände, wie z.B. Zubehör oder Betriebsvorrichtungen. oder auch ganze Sachgesamtheiten gegen einen nicht weiter differenzierten Kaufpreis (sog. Gesamtgegenleistung) übertragen. Dieser kann natürlich nur insoweit als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer in Betracht kommen, als er auf das (u. a). erworbene Grundstück entfällt. Hier wird also eine Aufteilung der Gesamtgegenleistung notwendig. Damit stellt sich unmittelbar die Frage, auf welche Weise dies zutreffend erfolgen kann. Geeigneter Aufteilungsmaßstab ist nach der Rechtsprechung des BFH das Verhältnis, in dem der gemeine Wert des Grundstücks zum gemeinen Wert der sonstigen Gegenstände steht (BFH v. 20.02.1968/ BStBl. 11 1968/ S. 150). 300

Wert der Gegenleistung

Die Aufteilung der Gesamtgegenleistung ist deshalb nach einer Dreisatzrechnung vorzunehmen. Diese Formel wird auch nach ihrem Protagonisten als Boruttau'sche Formel bezeichnet:

Abbildung 4-2:

Boruttau'sche Formel

Gegenleistung für Grundstück

Gesamtgegenleistung

=

x Gemeiner Wert des Grundstücks + gemeiner Wert der übrigen Gegenstände

Gemeiner Wert des Grundstücks

=Gesamter gemeiner Wert Die Anwendung dieser Formel hat zur Folge, dass zwar die Preisvorstellung der Parteien als solche, wie sie sich im Gesamtpreis niederschlägt, unangetastet für die Grunderwerbsteuer übernommen wird, für die Aufteilung auf die einzelnen Gegenstände aber nicht die subjektive Vorstellung der Parteien, sondern die den objektiven Maßstäben verpflichteten gemeinen Werte maßgebend sind. Dies muss so sein, da die Parteien in ihren Verträgen sonst "Phantasiepreise" für die einzelnen Teile vereinbaren könnten, um die Grunderwerbsteuer zu senken.

Beispiel: K erwirbt von V ein Fabrikgrundstück mit aufstehenden Gebäuden inkl. Betriebsvorrichtungen zum Preis von 420.000 €. Der gemeine Wert des Grund und Bodens betrage 100.000 €; die gemeinen Werte von Gebäuden und Betriebsvorrichtungen seien 200.000 € bzw. 100.000 €. 420.000 Euro I (100.000 Euro + 200.000 Euro) x 300.000 Euro = 315.000 Euro Die Gegenleistung im Sinne des GrEStG beträgt hier also 315.000 €.

301

4.2

4

Bemessungsgrundlage

Allerdings bleiben die gemeinen Werte ausnahmsweise dann ohne Bedeutung, wenn Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Unternehmen (inkl. Grundbesitz) ist, das vom Käufer fortgeführt wird. Für Zwecke der Aufteilung der Gesamtgegenleistung treten hier die Teilwerte von Grundbesitz und anderen Gegenständen an die Stelle der gemeinen Werte.

4.3

Grundbesitzwertel Bedarfsbewertung

Zwar ist der Berechnung der Grunderwerbsteuer als Bemessungsgrundlage im Regelfall der Wert der Gegenleistung zugrunde zu legen (§ 8 I GrEStG). Diese Regelung hilft aber dort nicht weiter, wo eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht bestimmbar ist.

Beispiel: Grundstück wird als Lotteriegewinn erworben. Der Preis des Loses ist nur Gegenleistung für die Gewinnchance und nicht für das Grundstück.

Beispiel: Anfall eines Grundstücks an die in der Satzung bestimmten Personen anlässlich der Auflösung eines Vereins gern. § 45 BGB.

Auch in den Fällen der mindestens 95 %-igen (unmittelbaren oder mittelbaren) Anteilsübertragung bei Kapitalgesellschaften (§ 1 III GrEStG) bzw. Personengesellschaften bliebe ein Anknüpfen an die Gegenleistung sinnlos, denn in diesen Fällen wird die Gegenleistung für Anteile an der gesamten Gesellschaft bezahlt und daraus kann man La. nicht mit vertretbarem Aufwand darauf schließen, wie viel von der Gegenleistung auf Grundstücke entfällt. Aus diesem Grund greift das GrEStG hier immer auf den Wert des Grundstücks zurück (§ 8 11 GrEStG). Aus ähnlichen Gründen wird der Grundstückswert auch bei Umwandlungen im Sinne des UmwG, bei Einbringungen sowie bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage als Bemessungsgrundlage genommen (§ 8 11 Nr. 2 GrEStG). Für diese Fälle entfällt damit die Ermittlung der Gegenleistung, insbesondere erübrigt sich die umständliche Ermittlung aller Teilwerte bzw. gemeinen Werte zur Aufteilung der Gesamtgegenleistung.

302

Grundbesitzwerte/ Bedarfsbewertung

Mit "Wert des Grundstücks" sind in § 8 11 GrEStG die sog. Grundbesitzwerte gemeint. Diese werden nach der Änderung des § 138 BewG durch das Jahressteuergesetz 2007 ab dem 1.1.2007 unter Zugrundelegung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt gesondert festgestellt. Die zuvor geltende Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse zum 1.1.1996 entfällt damit. Die Grundbesitzbewertung ist eine sog. Bedarfsbewertung, d.h. neue Werte werden jeweils erst dann ermittelt, wenn sie für Zwecke der Grunderwerbsteuer erforderlich sind (§ 138 V BewG). Die Wertermittlung hat grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu erfolgen. In bestimmten Sonderfällen wird der Bedarfswert aber auch unter Berücksichtigung von Steuerbilanzwerten gewonnen. Im Ergebnis können damit auch die neuen Grundbesitzwerte letztlich kein Maßstab für die tatsächlichen Grundstückswerte sein; ihrer Größenordnung nach dürften sie sich normalerweise auf kaum mehr als 50 % der wirklichen Werte (Verkehrswerte) belaufen. Wie der Grundbesitzwert ermittelt wird, ist nicht im GrEStG, sondern im BewG geregelt. Dieses Gesetz ist ein "Sammelgesetz" in dem Bewertungsvorschriften zentral geregelt werden, wenn sie für mehrere andere Gesetze gebraucht werden. Gesetzestechnisch wird daher von Seiten des GrEStG in § 8 11 GrEStG auf die einschlägigen Vorschriften des BewG verwiesen.

303

4.3

Grundbesitzwerte/ Bedarfsbewertung

5

Steuersatz und Steuerberechnung

Der einheitliche Steuersatz bei der Grunderwerbsteuer für steuerpflichtige Erwerbsvorgänge beträgt grundsätzlich 3,5 % (§ 11 I GrEStG). Im Rahmen der Föderalismusreform des Jahres 2006 wurde den Bundesländern jedoch das Recht eingeräumt, den Steuersatz selbst zu bestimmen. Von diesem Recht haben die folgenden Bundesländer Gebrauch gemacht: Berlin

ab 01.01.2007

4,5%

Brandenburg

ab 01.01.2011

5%

Bremen

ab 01.01.2011

4,5%

Hamburg

ab 01.01.2009

4,5%

Niedersachsen

ab 01.01.2011

4,5%

Saarland

ab 01.01.2011

4%

Sachsen-Anhalt

ab 02.03.2010

4,5%

Schleswig-Holstein

ab 01.01.2012

5%

alle anderen Bundesländer

3,5%

Die Steuer, die sich aus der Anwendung des Steuersatzes auf die Bemessungsgrundlage ergibt, ist auf volle Euro nach unten abzurunden (§ 11 11 GrEStG). Im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen kann ggf. eine Pauschbesteuerung vorgenommen werden, wenn dadurch die Besteuerung vereinfacht und das steuerliche Ergebnis nicht wesentlich geändert wird (§ 12 GrEStG).

305

K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

4.3

6

6.1

Steuerschuldner, Entstehung und Fälligkeit der Steuer

Steuerschuldnerschaft (§ 13 GrEStG)

Für die Fälle des rechtsgeschäftlichen Gnmdstückserwerbs, und damit insbes. bei Erwerbsvorgängen nach § 1 GrEStG (Haupttatbestand), sind Steuerschuldner stets die als Vertragsteile beteiligten Rechtsträger (§ 13 Nr. 1 GrEStG). Sie schulden die Crunderwerbsteuer als Gesamtschuldner (§ 44 AO), d.h. das Finanzamt kann von jedem der Beteiligten die Zahlung der gesamten Steuer fordern, bis -unabhängig, von welchem Steuerschuldner- der Steuerbetrag bezahlt worden ist. Unbeachtlich ist zunächst, ob im (zivilrechtlichen) Innenverhältnis ggf. eine hiervon abweichende Vereinbarung getroffen wurde, nach der etwa, wie dies die Regel ist, allein der Erwerber die Grunderwerbsteuer tragen soll. Die Finanzbehörde kann also den Steueranspruch allen Gesamtschuldnern gegenüber durch zusammengefassten Steuerbescheid geltend machen. Es steht aber auch in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, sich wegen der gesamten Steuerzahlung nur an einen der Gesamtschuldner zu halten. Bei der Ausübung des eingeräumten Ermessens hat die Finanzbehörde allerdings auch die zwischen den Vertragsteilen getroffenen Vereinbanmgen über die Tragung der Steuerschuld im Innenverhältnis in ihre Erwägungen einzubeziehen. Um das Verfahren zu vereinfachen, wird das Finanzamt daher i. d. R. denjenigen zur Zahlung der Grunderwerbsteuer auffordern, der nach dem zivilrechtlichen Rechtsgeschäft die Steuer tragen soll. Für einige der Nebentatbestände und die Ersatztatbestände regelt das GrEStG die Steuerschuldnerschaft in anderer Weise. So sind beim Erwerb kraft Gesetzes (§ 1 I Nr. 3 GrEStG) gesamtschuldnerische Steuerschuldner der bisherige Eigentümer und der Erwerber, bei der Enteignung hingegen nur der Erwerber, beim Erwerb in der Zwangsversteigerung derjenige, in dessen Namen das Meistgebot abgegeben wird (§ 13 Nr. 2 bis 4 GrEStG). Bei der Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft in der Hand a) eines Erwerbers oder b) mehrerer Unternehmen oder Personen 307 K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

6

Steuerschuldner, Entstehung und Fälligkeit der Steuer

ist derjenige Steuerschuldner, in dessen Hand die Anteile vereinigt werden (Erwerber) bzw. diejenigen Unternehmen! Personen, in deren Hand die Anteile vereinigt werden. Bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft ist die Personengesellschaft Steuerschuldner (§ 13 Nr. 6 GrEStG). Hier tragen daher -weil die Steuer die Gewinn- und Verlustrechnung der gesamten Gesellschaft belastet- wirtschaftlich auch diejenigen Gesellschafter einen Teil der Steuerlast, deren Anteile nicht veräußert wurden. Will man diesen Effekt vermeiden, muss in den Gesellschaftsvertrag eine entsprechende abweichende Regelung über den Grunderwerbsteueraufwand bei der Gewinnverteilung aufgenommen werden. Die folgende Abbildung vermittelt einen Überblick über die unterschiedliche Ausgestaltung der Steuerschuldnerschaft.

Abbildung 6-17:

Steuerschuldner

Regelmäßige Steuerschuldner (Grundfall: Kaufvertrag)

Die an einen Erwerbsvorgang beteiligten Personen als Gesamtschuldner ( 55 13 Nr.1 GrEStG, 44 AO )

Erwerb kraft Gesetzes

Bisheriger Eigentümer und Erwerber als Gesamtschuldner ( §§ 13 Nr. 2, 44 AO )

Erwerb im Enteignungsverfahren

Der Erwerber ( 5 13 Nr. 3 GrEStG)

Meistgebot bei Zwangs versteigerungsverfahren

Der Meistbietende (5 13 Nr. 4 GrEStG)

Antetlsverelnlgung

In der Hand eines Erwerbers : der Erwerber ( 5 13 Nr. 5a GrEStG) In der Hand mehrerer Unternehmen oder Personen: diese Beteiligten (5 13 Nr. 5b GrEStG)

Gesellschafterbestandswechselln PersGes

Die Personengesellschaft (5 13 Nr. 6 GrEStG)

6.2

Steuerentstehung (§ 14 GrEStG)

Die Grunderwerbsteuer entsteht regelmäßig mit Verwirklichung des jeweiligen Tatbestands (Tatbestandsverwirklichung), an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs vom Eintritt einer Bedingung oder von der Erteilung einer Genehmigung abhängig, so entsteht die Steuer erst mit dem Eintritt der Bedingung bzw. mit der Genehmigung (§ 14 GrEStG). 308

Fälligkeit der Steuer (§ 15 GrEStG)

6.3

Fälligkeit der Steuer (§ 15 GrEStG)

Die Grunderwerbsteuer wird einen Monat nach der Bekanntgabe des schriftlich zu erteilenden Steuerbescheids fällig (§ 15 GrEStG). Bekannt zu geben ist der Steuerbescheid demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Wird der Steuerbescheid durch die Post übermittelt, so gilt die Bekanntgabe am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als erfolgt (§ 122 11 AG). Abweichend von der grundsätzlich einmonatigen Zahlungsfrist darf das Finanzamt im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens ggf. auch eine längere Frist setzen.

309

6.3

7

Zuständigkeit, Anzeigepflicht und Unbedenklichkeitsbescheinigung

Örtlich zuständig ist grundsätzlich das Belegenheitsfinanzamt, d.h. dasjenige Finanzamt, in dessen Bezirk das jeweils erworbene Grundstück oder dessen wertvollster Teil belegen ist (§ 17 I GrEStG). Diesem haben Gerichte, Behörden und Notare innerhalb von zwei Wochen über jeden Vorgang, der auf den Erwerb eines Grundstücks gerichtet ist, nach amtlich vorgeschriebenen Vordrucken Anzeige zu erstatten (§ 18 GrEStG). Erst wenn die Anzeige an das Finanzamt abgesandt wurde, dürfen den Beteiligten die Urkunden über den anzeigepflichtigen Vorgang ausgehändigt werden (§ 21 GrEStG).

Beispiel: Der GrESt-Bescheid über den Verkauf eines Grundstücks in Hamburg, der in München vereinbart wurde, wird nicht von einem Finanzamt in München kommen, sondern vom Finanzamt in Hamburg. Die Anzeige des Notars geht an das Belegenheitsfinanzamt nach Hamburg. Damit kommt es nicht darauf an, wo der Kaufvertrag über ein Grundstück zustande gekommen ist.

Auch die an einem Erwerbsvorgang beteiligten Rechtsträger haben, soweit sie Steuerschuldner sind, die Pflicht, dem zuständigen Finanzamt den Grundstückserwerb anzuzeigen. Diese Anzeigen sind Steuererklärungen im Sinne von § 150 AG; sie können jedoch formlos abgegeben werden (§§ 19, 20 GrEStG). Das Grundbuchamt darf den Eigentumsübergang von Grundstücken erst dann eintragen und damit vollziehen, wenn eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts vorgelegt wird, dass der Eintragung steuerliche Bedenken nicht entgegenstehen (sog. Unbedenklichkeitsbescheinigung, § 22 GrEStG). Die Finanzbehörde hat diese Bescheinigung erst zu erteilen wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet, sichergestellt oder gestundet worden ist oder wenn Steuerfreiheit nachgewiesen ist. Hält sie die Steuerforderung allerdings in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens nicht für gefährdet, so darf sie die Unbedenklichkeitsbescheinigung auch schon vorher erteilen.

311

K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_10, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

8

Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuer

In einigen Fällen wird die Steuer unter bestimmten Bedingungen ganz oder teilweise

erstattet bzw. auf ihre Erhebung verzichtet. Das ist der Fall, wenn ein Erwerbsvorgang vor Eigentumsübergang rückgängig gemacht wird (§ 16 I GrEStG), oder ein Rückerwerb in bestimmten Fällen nach Eigentumsübertragung (§ 16 11 GrEStG) stattfindet. Schließlich wird die Grunderwerbsteuer auch aufgehoben bzw. erstattet, soweit es zu einer Herabsetzung der Gegenleistung für ein Grundstück kommt (§ 16 III GrEStG).

313 K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8_11, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Stichwortverzeichnis

Abhängige Gesellschaft 291 Abholfall 204 Abhol\Ung 203,206 Abnehmer 188, 238 - ausländischer Abnehmer 188 Abstraktionsprinzip 261, 271 Abtretung 146 - von Rechten aus dem Meistgebot 276 - von Rechten aus einem Kaufvertrag 276 - von Übereignungsansprüchen 276

Auflassurig 274

Aufmerksamkeiten 69 Aufteilungsmaßstab 158 Aufzeichnungspflicht 232 Auseinandersetzungsvertrag 272 Ausfuhr 172, 175, 184 - Ausfuhrnachweis 190 - Buchnachweis 190 - Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr 190 - Nachweispflicht 189 - Steuerbefreiung 185 - Steuerbefreiung (Voraussetzungen) 186

Abtretungsempfänger 146

Ausfuhrlieferung 176, 184, 190

Abzahlungsgeschäft 47

Ausfuhrnachweis 190

Agenturgeschäft 37

Auslagenersatz 124

- echtes Agenturgeschäft 37 - unechtes Agenturgeschäft 38 Aktive Tätigkeit 242 Allgemeiner Steuersatz 138

Auslagerer 143 Ausland 173,256 - übriges Gemeinschaftsgebiet 173

All-Phasen-Netto-Umsatzsteuer 21 Allphasenumsatzsteuer 20 Anteilsübertragung 280 Anteilsvereinigung 280 Anwachsurig 275 Anzeige 311 Anzeigepflicht 311

Bagatellfall 203 Bagatellgrenze 209 Bauleistung 145, 246 Bauwerk 145 Be- bzw. Verarbeitungsfall 190 Bedarfswert 293, 303 315

K. M. Gellrich, J. Philippen, Verkehrsteuern, DOI 10.1007/978-3-8349-6458-8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Stichwortverzeichnis

Beförderung - Beförderunglieferung beim Reihengeschäft 222 - Begriffsdefinition 92 Beförderungsfall 190 Beförderungsleistung 101 Beförderungslieferung 225 Begriff der sonstigen Leistung 242 Begutachtung 246 Behaltensfrist 291 Beherrschungsverhältnis 291 Belegenheitsfinanzamt 311 Belegenheitsort 101, 246 Belegnachweis 240 Bemessungsgrundlage 20, 123, 138, 293 - Aufteilung der Gegenleistung 300 - Auslagenersatz 124 - bei der Einfuhr 181 - bei entgeltlichen Leistungen 123 - bei unentgeltlichen Leistungen 130 - beim innergemeinschaftlichen Erwerb 229 - Berechnungsschema 128, 296 - durchlaufene Posten 124 - Entgelt 123 - Entgeltminderungen 124 - Grundbesitzwert (Bedarfswert) 302 - innergemeinschaftliche Lieferung 239 - innergemeinschaftliche Verbringung 229 - Kürzung der Bemessungsgrundlage 289 316

- Mindestbemessungsgrundlage 136 - Tausch 129 - tauschähnlicher Umsatz 129 - Übersicht 138, 293 - unentgeltliche Lieferung 67 - unentgeltliche sonstige Leistung 70 - Wert der Gegenleistung 294 - wiederkehrende Bezüge 127 Berichtigung des Vorsteuerabzugs 159 Berichtigungszeitraum 159 Besorgungsleistung 45 Besteuerungsmotiv, -zweck 259 Besteuerungsverfahren 141, 164 - beim innergemeinschaftlichen Erwerb 230 - Steuerfälligkeit 143 Besteuerungsziel 19,20 Bestimmungsland 200, 202, 232 Bestimmungslandprinzip 171, 195,205,211,213 - bei sonstigen Leistungen 245 - im deutschen Umsatzsteuerrecht 176 - innerhalb der EU 174 - Übersicht 173 Bestimmungsort 101 Betriebsvorrichtung 265 Bewegte Lieferung 222 Bewertung 295 - Bedarfsbewertung 302 - Bewertungszeitpunkt, maßgeblicher 295 - Bezüge, wiederkehrende 295

Stichwortverzeichnis

Bewertung der Gegenleistung 294 Bewirtungsaufwendung 155 Binnenmarkt 194 Boruttau'sche Formel 300 Bruttobemessungsgrundlage 140 Brutto-Umsatzsteuersystem 20 Buchnachweis 190 Bundeszentralamt für Steuern 214

Differenzbesteuerung 40 Diskriminierung - steuerliche Diskriminierung von EG-Ausländern 26,194 Dreiecksgeschäft 231 Dreiecksgeschäft, innergemeinschaftliches - Rechtsfolgen 231 Drittlandsgebiet 173, 178, 185 Duldung 242 Durchfuhr 220

Eigentumsübergang 274,313 -

bürgerlich-rechtlich 32 kraft Gesetzes 274 ohne Auflassung 275 ohne Rechtsgeschäft 276 wirtschaftlich 277

Eigentumsvorbehalt 33 Eigentumswohnung 266 Einfuhr 172 f., 175, 178 f., 192

- Bemessungsgrundlage 181 - Bemessungsgrundlage bei Veredelung im Drittlandsgebiet 181 - Hinzurechnung zur Bemessungsgrundlage 182 - Steuerbarkeit 178 - Steuerbefreiung 179 - Steuersatz 182 - Vorsteuerabzug (EUSt) 183 - Zollwert 181 Einfuhrsteuer 172 Einfuhrumsatzsteuer 178, 180, 183 - Steuersatz 182 - Steuerschuldner der EUSt 182

durchlaufende Posten 124

EinfuhrumsatzsteuerBefreiungsverordnung 180

Durchschnittssatzbesteuerung 163

Eingliederung (Organschaft) 80 Einheitlichkeit der Leistung 46

ECommerce Leistungen 247 EG-Binnenmarkt 26,194 EG-Richtlinie 26,195 Eigenhandel 35 Eigentumsübergabg - wirtschaftlich 33

Einkaufskommission 35 Einlage - in den unternehmerischen Bereich 28 Einnahmeerzielungsabsicht 76 f. Einphasensystem 20 Einzelauskunftsersuchen 214 317

Stichwortverzeichnis

Einzelrechtsnachfolge 289

Erwerb der Verwertungsbefugnis 291

Eisenbahn 245

Erwerb, innergemeinschaftlicher

Endverbraucher 172 Entgelt 229 -

Auslagenersatz 124 Begriffsdefinition 124 durchlaufende Posten 124 Entgeltminderungen 124 Tausch 128 tauschähnlicher Umsatz 128 Veredelungsentgelt 181 vereinbartes Entgelt 140 vereinnahmtes Entgelt 140 f. wiederkehrende Bezüge 127

Entgeltfiktion 65 Entgeltlichkeit 66 Entrichtung 183 Erbbaurecht 266, 273 Erbfall 58 Erfüllungsgeschäft 31 f., 40, 271 Erklärungspflicht - Zusammenfassende Meldung 213 Ermäßigter Steuersatz 139 Ersatztatbestände 277 -

allgemeiner 277 besondere 278 Übersicht 269 wirtschaftliche Betrachtungsweise 277

Erstattungsanspruch 165 Erster Abnehmer 231 Erster Unternehmer 223 Ertragswertverfahren 303 318

-

Bemessungsgrundlage 229 Besteuerungsverfahren 230 Erwerbsschwelle 218 ig.E. juristischer Personen 218 Ort des i.g.E. 220 Steuerbefreiung des ig.E. 225 Steuerentstehung 229 Steuersatz 229 Steuerschuldner 229 verbrauchsteuerpflichtige Waren 220 - Voraussetzungen des Lg.E. 216 - Vorsteuerabzug 229

Erwerber - juristische Person 215 Erwerbsbesteuerung 212, 228, 232, 238 - bei juristischen Personen 229 - neue Fahrzeuge 216 - Optionsrecht zur Erwerbsbesteuerung 219 - Steuerentstehung 229 - Steuerschuldner 229 Erwerbsschwelle 199, 215, 218, 232 - Nichtanwendung bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren 238 Erwerbsteuer 211 Erwerbsteuerpflichtige Person 208 Erwerbsvorgänge - mehrere aufeinanderfolgende 288 - Steuerbarkeit 259,268 Europäische Gemeinschaft - Steuerharmonisierung 194

Stichwortverzeichnis

Existenzgründer 143 Export 176 Exporteur 196

- Mindestbehaltefrist 287 - partielle Steuerbefreiungen 286 Gesamtrechtsnachfolge 290 Gesellschafter

Fahrzeug 237

- Austritt 273,275 - Eintritt 273

Fahrzeuglieferer 236

Gesellschafterwechsel 278

Fälligkeit 140

Gewerbeberechtigungen 266

Fälligkeit der Steuer 307

Grundbesitzgesellschaft 289

Firmenwagenüberlassung 72

Grundbesitzwert 293, 302

Fiskalausgleich 195

Grundbuchamt 311

Forderung 146

Grunderwerbsteuer 311

Formwechsel 290 Freihafen 189

- Nichtfestsetzung. Aufhebung, Änderung 313 Grundstück 246, 259

Gebäude auf fremdem Boden 266 Gebietsbestimmung 173 Gegenleistung 293 - Bewertungszeitpunkt, maßgeblicher 295 - Grunderwerbsteuer 293 - Leistungen von Dritten 300 - sonstige Leistungen 296 - Umsatzsteuer 297 - Wertermittlung beim Kauf 295 - Zusatzleistungen 299 Geltungsbereich - des Grunderwerbsteuergesetzes 268 Gemeinschaftsgebiet 185 Gesamthandsgemeinschaften 260 - Besonderheiten 273

- Begrüfsdefinition 265 - Betriebsvorrichtungen 265 - Gewerbeberechtigungen, sonstige 266 - inländisch 265, 268 - Mineralgewinnungsrechte 266 - Modifikationen, grunderwerbsteuerliche 265 - Scheinbestandteile 267 - wesentliche Bestandteile 265 Güterbeförderung 244

Haftung 146 Halbuntemehmer 197, 200, 211, 213, 215, 219, 232 Harmonisierung der Umsatzbesteuerung 194 Härtefallklausel 201 319

Stichwortverzeichnis

Haupttatbestand 271 - Übersicht 269 Herabsetzung der Gegenleistung 313

Jahres- und Veranlagungssteuer 164 Juristische Person 144, 197,213,218,232

Herkunftsland 172 Herrschendes Unternehmen 291 Hochsteuerland 211

Import 176 Inland 173,220 Innenumsatz 228 Innergemeinschaftliche Beförderung 243 Innergemeinschaftliche Lieferung 175 r, 200, 213, 225, 232 Innergemeinschaftlicher Erwerb 175 r, 198, 215 L, 220 - neue Fahrzeuge 216 - Steuerbarkeit des Lg.E. 215 Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft - Rechtsfolgen 231 - Voraussetzungen 231 Innergemeinschaftliches Reihengeschäft 221 Innergemeinschaftliches Verbringen 227,235 Internationale Besteuerungsprinzipien 171 Ist-Besteuerung 141

Kapitalgesellschaften 290 - Anteilsübertragung 280 - Anteilsvereinigung 280 Katalogleistung 247 Kaufvertrag 271 Kleinunternehmer 144,149,199 Kleinunternehmerregelung 149,163,166 Kontrollfunktion 239 Korrektur des Vorsteuerabzugs 159 Kumulationseffekt 147

Lagerhalter 143 Leistungsaustausch 228 Leistungsempfänger 143,253 Leistungsfähigkeit - steuerliche 19 - wirtschaftliche 259 Letzter Abnehmer 223, 231 Lieferantenbesteuerung 202, 211, 212 Lieferer 232 Lieferschwelle 204,219,233 Lieferung 175 Lohnveredelung 184, 190, 192 Luftfahrzeug 245

320

Stichwortverzeichnis

Organkreis 280

Markenrecht 247

Ortbestimmung 243

Mehrwert 172

Örtliche Zuständigkeit 311

Meistgebot 276 Mindestbehaltefrist 287 Mindestbemessungsgrundlage 138 Mineralge~ungsrechte

266

Patent 247 Patentanwalt 248

Mischanbieter 249

Personal 248

Mittlerer Unternehmer 223

Personenbeförderung 244 Personengesellschaft 280, 290

Natürliche Person 197 Nebentatbestände 274 -

Auflassung 274 Eigentumsübergang 274 Meistgebot 276 Übersicht 269 Umwandlungen nach dem UmwStG 275 - Zwischengeschäfte 276

Pfändung 146 Pflichtangaben 151 Privater Abnehmer 232 Privatleute 197,200 Privatperson 183, 213, 220

Qualifizierte elektronische Signatur 150

Netto-Allphasen-Umsatzsteuersystem 147 Rechnung 149

Neues Fahrzeug 210, 213, 220, 235, 237

Rechnungsbestandteil 151

Neuvornahme 291

Rechte, grundstücksgleiche 266

Nichterhebungsverfahren 180, 228 Nichtuntemehmer 152, 183 Niedrigumsatzsteuerland 211

- Erbbaurecht 266 - Sondernutzungsrechte 266 Rechtsanwalt 248 Rechtsträger

Online-Anbieter 249 Option zur Regelbesteuerung 149,166 Optionsrecht 198, 219 Organgesellschaft 214

- Arten von Rechtsträgern 260 - Definition, grunderwerbsteuerlich 260 - Gesamthandsgemeinschaften 260,273 - selbständige 260 321

Stichwortverzeichnis

Rechtsträgerwechsel 259

Steuerbevollmächtigter 248

Regelsteuersatz 140

Steuerentstehung 140,308

Reihengeschäft 222

Steuerfreier Umsatz 194

Restaurationsleistung 245

Steuerfreiheit 311

Rückerwerb 313

Steuerhoheit 170

Ruhende Lieferung 222

Steuersatz 138, 253, 305 Steuerschuldner 140,143,198,256,307

Schenkungsvertrag 272 Schiff 245

Sicherung des Steueranspruchs 253 Sollbesteuerung 140 Sollprinzip 183

- Übersicht 308 Steuerschuldnerschaft 143 Substanzveränderung 145 Systematik - der Umsatzsteuer 19

Sonstige Leistung 175, 179, 190,241,253 Spaltung 290

Tätigkeitsort 246

Speisen und Getränke 246

Tauschvertrag 271

Steueranmeldung 164

Telekommunikation 248

Steuerbarkeit 263 - Prüfungsschema 263 - Rechtsträgerwechsel 259 - Veränderung des Gesellschafterbestandes 273 - Vorgang, steuerbarer 259 Steuerbefreiung 283 -

allgemeine 285 besondere 285 partielle 286 Übersicht 283

Steuerbefreiungsvorschrift 184 Steuerberater 248 Steuerberechnung 138,305 322

Übergangsregelung 195 Übertragender Rechtsträger 290 Überwachungsarbeit 145 Übriges Gemeinschaftsgebiet 232 Umsatzssteuerschuld 165 Umsatzsteuerbinnenmarkt 194, 212 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung 190 Umsatzsteuererklärung 164 Umsatzsteueridentifikationsnummer 214,220,226,232,240

Stichwortverzeichnis

Umsatzsteuerlagerregelung 143

Verkehrsteuer 19

Umstrukturierung 289

Vermietung 248

Umwandlungen 290

Vermittlungsleistung 246

- formwechselnde 275 - Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung 275 Unbedenklichkeitsbescheinigung 311 Unterlassung 242 Untemehmensumstrukturierung 275 Untemeluner 140, 143,211 Untemelunereigenschaft 152 Untemelunerfiktion 236 Urheberrecht 247 Ursprungsland 209,232 Ursprungslandprinzip 171,196,205,213

Vermögensübertragung 290 Verpfändung 146 Verpflichtungsgeschäft 261, 271 - Auseinandersetzungsvertrag 272 - Kaufvertrag 271 - sonstiges 273 - Tauschvertrag 271 Verpflichtungsvertrag - Einbringungsvertrag 272 - Schenkungsvertrag 272 Versandhandelsregelung 202 Verschmelzung 290 Versendungsfall 190 Versendungslieferung 225

Verarbeitungsfall 190 Verbrauchsteuer 19, 182,209 Verbrauchsteuerpflichtige Ware 209, 213, 220

Verwertungsbefugnis 277 Vollstreckungsgläubiger 146 VolI-Untemeluner 197,200,223 Voranmeldung 142,166

Verbringung 208, 213, 228 f.

Voranmeldungszeitraum 142

Verbringungsregelung 207

Vorauszahlung 166

Vereidigter Buchprüfer 248

Vorbehaltensfrist 291

Vereinfachungsregel 163 Verfügungsmacht - wirtschaftliche 276 Vergütungsanspruch 165 Verkaufskommission 35 Verkehrsmittel 210

Vorsteuer 148 Vorsteuerabzug 147, 164, 194,212 Vorsteuerabzugsrecht 152,194 Vorsteuerausschließende Aufwendungen 155 Vorsteuerausschlussgrund 148 Vorsteuerkorrektur 159 323

Stichwortverzeichnis

Wahlrecht 203 Wechsel der Steuerschuldnerschaft 143 Werbeagentur 247 Werbungsmittler 247 Werkleistung 190,192,246 Werklieferung 253 Wert der Gegenleistung 294 - beim Kauf 295 Wesentliche Bestandteile - eines Gebäudes 265 - eines Grundstücks 265 Wettbewerbsneutralität 171 Wettbewerbsverzerrung 210

324

Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit 259 Wirtschaftsprüfer 248

Zahllast 148, 165 Zollamtlicher Beleg 183 Zollfreigebiete 189 Zollkodex 181 Zulassungsstelle 211 Zusammenfassende Meldung 213, 239, 240 Zusatzleistungen 296, 299 Zuständigkeit 311 Zwangsversteigerungsverfahren 276 Zwischengeschäfte 276