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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Science Fiction Spezial
Visionen 5
'Visionen' ist eine kost...
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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Science Fiction Spezial
Visionen 5
'Visionen' ist eine kostenlose Science Fiction Anthologie von www.WARP-online.de, dem Fantastik Magazin. Alle Rechte der Geschichten und Bilder verbleiben bei den jeweiligen Autoren und Künstlern.
Visionen 5 Copyright 2003 WARP-online Herausgeber: www.WARP-online.de Satz und Layout: Bernd Timm Alle Texte und Bilder sind bereits jeweils einzeln bei www.WARP-online.de erschienen und zur Veröffentlichung durch WARP-online freigegeben. Die Magazin-Reihe ist eine Sammlung von Beiträgen, die zusätzlichen Kreis interessierter Leser anspricht und die Namen der Autoren und Künstler bekannter macht. Weder das Fehlen noch das Vorhandensein von Warenzeichenkennzeichnungen berührt die Rechtslage eingetragener Warenzeichnungen.
1000 Seiten Fantastik www.WARP-online.de bringt das ganze Spektrum der Fantastik: Bilder, Geschichten, Artikel, Projekte, Reportagen, Interviews, Wissenschaft, Comic, Kostüme, SF-Kabarett, Lyrik, Film-& TV-Projekte, Modelle und mehr!
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Inhalt Cover von Dave Edwards Das Strafgericht
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von Alfred Bekker Ein rüpelhafter Mercedes-Fahrer unterwegs. Verkehrsrowdy oder Retter der Menschheit?
Die Konferenz
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von Patrizia Pfister Die Nachfahren der Menschheit müssen sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen um den eigenen Fortbestand zu sichern.
Empfang und Fauxpas
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von Annika Ruf Star Wars Parodie: Ein Botschafter erfährt ein paar Internas...
Teestunde
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von Annika Ruf Star Wars Parodie: Der Todestern ist fertig! Nur eine Kleinigkeit wurde vergessen.
Filetspieß Imperiale Art
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von Annika Ruf Star Wars Parodie: Dartha Vader bei Alfred Biolek
Urlaub
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von Dirk Brakenhoff Die Zukunft könnte so schön sein, so perfekt. Warum ist sie es nicht?
Wer mag schon Fremde
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von Ralf Nitsche Stammtischgespräche aus einer fernen Welt. Seltsam vertraut...
Eine neue Hoffnung?
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von Tobias Funke Das Volk von den Sternen fliegt einen neuentdeckten Planeten an. Wird ein friedlicher Kontakt gelingen?
Hier wie dort
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von Barbara Jung Weil sie sich als Männer lieben und ein Paar sind, jagt man sie und schleppt sie zur Burg des Strafenden Gottes. Aber das kann doch nicht das Ende sein...
Der Flugzeugabsturz von Tobias Funke 3
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Als ein Flugzeug mit über 200 Menschen zerstört wird, gibt es keinen Ausweg mehr. Ein Raumschiff rast in die Sonne...
Das Swing-Trio: Kundenbedürfnisse
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von if Fleisch ist köstlich. Oder auch nicht. Es kommt halt drauf an.
Sondermüll von Bernd Regitz Da gibt es eine kleine geheime Deponie, wo man seien Genmüll loswerden kann...
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Das Strafgericht von Alfred Bekker
Ein rüpelhafter Mercedes-Fahrer unterwegs. Verkehrsrowdy oder Retter der Menschheit?
Peter Lutz saß am Steuer und fluchte leise vor sich hin. Kurz bevor die Fahrbahn sich wegen der Baustelle verengte war es immer dasselbe. Es gab einen Stau. Wenn dann noch irgendwer nach einem Parkplatz suchte und deswegen nur im Schritttempo voran fuhr, dann ging in der Regel eine Weile lang gar nichts mehr. Aber was Lutz am meisten hasste, das waren diejenigen, die nach dem Hinweisschild noch rechts überholten, auf der rechten Spur soweit wie möglich weiterfuhren, um sich dann wieder in den Verkehr einzufädeln - mit mehreren hundert Metern Geländegewinn natürlich. Meistens waren es große Wagen. Mercedes oder Porsche, Wagen deren Fahrer ohnehin zu glauben schienen, dass es bei ihrem Fabrikat eine serienmäßige, eingebaute Vorfahrt gab. Trugen die Wagen auswärtige Nummernschilder, konnte Lutz es gerade noch ertragen. Aber wenn es Hiesige waren, dann kochte ihm das Gemüt hoch und seine Galle meldete sich unwillkürlich. 'Wenn jemand von hier kommt, dann weiß er, was er tut!' ging es Lutz grimmig durch den Kopf. Da! Da war wieder so einer, der frech an ihm vorbeizog. Natürlich, ein Mercedes. Als die Fahrbahn sich verengte, kamen sie auf gleiche Höhe. Der Mercedesfahrer - ein kleiner dicker Mann mit schütteren Haaren - versuchte wieder einzufädeln. 'Na warte!' dachte Lutz. Dem zeig ich's. Die beiden Fahrer vor ihm ließen den kleinen Glatzkopf nicht dazwischen. Und Lutz tat es auch nicht. Er dachte gar nicht daran! Dem musste man mal eine richtige Lektion verpassen. Dann würde der arrogante Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht schon verschwinden! Lutz fuhr sehr langsam. Der Mercedesfahrer hob die Arme und gestikulierte wild. Er zeigte Lutz den Vogel. Lutz grinste und zeigte den Mittelfinger. Der Mercedesfahrer ließ die Scheibe hinunter - bei ihm ging das natürlich elektrisch - und schimpfte lautstark herum. "Was soll das, glaubst du, die Straße gehört dir alleine? Was fällt dir ein, hier den Betrieb aufzuhalten!" Es folgten noch ein paar wüste Schimpfwörter, die Lutz die Zornesröte ins Gesicht trieben. Er trat auf die Bremse und augenblicklich musste auch der Mercedesfahrer in die Eisen gehen. Für ihn gab es natürlich jetzt kein Weiterkommen mehr. Lutz bleckte angriffslustig die Zähne. Sollte der Mercedesfahrer ruhig ein bisschen schmoren! Er hatte es verdient! Lutz stieg aus. Der Mercedesfahrer tat dasselbe. Und dann gab ein Wort das andere. Wüste Beschimpfungen flogen hin und her und die Wagen, die hinter ihnen in der Schlange standen, betätigten ihre Hupen. Immer mehr Wagentüren wurden geöffnet. Lutz deutete auf den Mercedesfahrer. "Ich finde, der Kerl hier braucht eine Lektion! Man sollte ihm mal beibringen, wie man richtig Auto fährt! Es geht doch nicht an, dass diese dicke Limousinen sich erst rechts an der Schlange vorbeistehlen und sich dann wieder vordrängeln." Einige der anderen Leute nickten zustimmend. Ein kräftiger Rothaariger, der aus einem Lieferwagen gestiegen war, krempelte die Ärmel hoch und knurrte: "Das finde ich allerdings auch!" "Mir geht das auch schon lange auf die Nerven!" "Mir auch!" Lutz und zwei andere Männer kamen auf den kleinen, dicken Mercedesfahrer zu, der bei diesem Anblick noch viel kleiner wurde, als er ohnehin schon war. "Hören Sie, ich muss dringend weg. Ich habe eine Verabredung, die keinen Aufschub duldet!" 5
Lutz verzog das Gesicht und sah den Dicken von oben herab an. Der Mercedesfahrer schwitzte. Seine Augen waren glasig, sein Blick schien etwas gehetztes, wahnhaftes auszudrücken. "Lassen Sie mich weiterfahren, sonst ist es zu spät!" "Zu spät ist es erst mal für dich!" Lutz packte ihn am Kragen und drückte ihn gegen seinen Wagen. Dann fiel sein Blick durch das Fenster und er sah auf einen riesigen Haufen von Flaschen. Schnapsflaschen, um genau zu sein. Kleine Flachmänner fanden sich neben großen Rumflaschen. "Jetzt versteh ich", sagte Lutz. "Dass Sie sich nicht schämen, sich als Alkoholiker ans Steuer zu setzen!" "Ich habe nichts getrunken!" "Das würde doch jeder sagen." "Die Flaschen - die sind nicht für mich!" "Hören Sie doch auf!" Und auch die anderen waren fassungslos ob soviel geballten Verkehrsrowdytums. Nein, kein Zweifel, dass ihr Zorn hier gerechterweise den Richtigen traf. "Lassen Sie mich los!" zeterte der dicke Mann. "Sie werden es sonst noch bereuen. Sie alle!" Aber Lutz dachte gar nicht daran, den Mann loszulassen. Und der Kerl aus dem Lieferwagen bestärkte ihn darin, in dem er sagte: "Wir können den Schluckspecht unmöglich wieder ans Steuer lassen." Und damit ging der große, kräftige Mann um den Wagen herum, öffnete die Tür und beugte sich zum Zündschloss. Er zog den Schlüssel heraus. Der Mercedes-Fahrer wurde bleich. "Ich muss bis drei Uhr beim Treffpunkt sein, damit ich ihnen die Flasche geben kann!" zeterte der dicke Mann mit hervorquellenden, wie irre dreinblickenden Augen. "Sie werden sich sonst furchtbar rächen und glauben, dass wir Menschen unzivilisierte Tiere sind, die besser vom Antlitz dieses Planeten getilgt werden sollten!" "Von wem sprechen Sie?" fragte Lutz stirnrunzelnd, wobei er sein Gegenüber unwillkürlich wieder siezte. "Von den Wesen, die mit ihrem Raumschiff gekommen sind. Ich weiß, dass Sie mir nicht glauben werden, aber davon, dass ich weiterfahren kann, hängt das Schicksal der Menschheit ab!" "Man sollte ihn mal den Idiotentest machen lassen. Da fällt er garantiert durch!" meinte der Mann aus dem Lieferwagen und Lutz schüttelte fassungslos den Kopf. "Sturzbesoffen, der Kerl!" "Oder plem-plem!" rief jemand anderes. "Oder beides!" "Wahrscheinlich beides." "Unglaublich. So jemand wird in den Straßenverkehr losgelassen!" "Hat jemand ein Autotelefon? Dann können wir die Polizei rufen!" Der kleine dicke Mercedes-Fahrer kreischte laut herum. Dann traf sein Blick auf die große Kirchturmuhr, die von hier aus sichtbar war. Er verstummte von einer Sekunde zur anderen und schüttelte stumm den Kopf. Und auch alle anderen waren plötzlich ruhig. Lutz ließ sogar den Kragen des Dicken los, denn es hatte gerade drei Uhr geschlagen. Das letzte, was sie alle sahen, war ein unwahrscheinlich greller Blitz. Dann war es dunkel. Endgültig dunkel.
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Die Konferenz von Patrizia Pfister
Die Nachfahren der Menschheit müssen sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen um den eigenen Fortbestand zu sichern.
Neun kleine Wesen standen wahllos verteilt in einem grell erleuchteten Raum, der keinerlei Einrichtungsgegenstände aufwies, und warteten schweigend. Sie warteten lang, doch niemand bewegte sich, niemand wurde unruhig. Schließlich traf ein zehntes Wesen ein. Es entschuldigte sich nicht für seine Verspätung, obwohl es einen guten Grund hatte. In seinem Territorium war plötzlich ein vergessener Salzstock eingestürzt und hatte zahllose Fässer mit hart strahlendem Material freigelegt, die von der Menschheit DAVOR stammten. Viele Bewohner der Gegend mussten evakuiert werden und das hatte mehr Zeit in Anspruch genommen, als Nr.10 erwartet hatte. Er wusste, für diese Fehlkalkulation hatte man ihm einige Strafpunkte verpasst, da er nun zu spät kam. Das kleine grauhäutige Wesen mit den übergroßen Augen nahm es gelassen hin, obwohl tief in seinem Inneren versteckt, in einem Winkel, den niemand einsehen konnte, sich leise Zweifel ob der Gerechtigkeit dieser Entscheidung regten. Doch das Wesen hatte nun Wichtigeres zu tun, denn die Konferenz begann, eine Konferenz, wie sie noch nie stattgefunden hatte, denn niemand hatte es bisher für nötig gefunden, alle Territorialherren an einem Ort persönlich zu versammeln. Jedwede Kommunikation geschah normalerweise telepatisch, ohne Zeitverlust, ohne dass sich jemand wegen eines Gesprächs an einen anderen Ort begeben musste. Zur leisen Verwunderung aller Anwesenden, wurden nun Dämpfer eingeschaltet, die verhinderten, dass auch nur ein einziger Gedankenfetzen diesen Raum verlassen konnte. Ein telepathischer Übermittler nahm seine Arbeit auf, so dass jeder der 10 Teilnehmer die gleichen Bilder und Töne in seinem übergroßen Gehirn wahrnehmen konnte. Ein Außenstehender hätte nur 10 hellhäutige, regungslose Gestalten erblickt, die zu schlafen schienen. Die anschließenden Vorgänge spielten sich ausschließlich in den Gehirnen der beteiligten Personen ab. "Willkommen zu dieser ungewöhnlichen Zusammenkunft. Wie sie sich denken können, sind außerordentliche Dinge geschehen, die diese Maßnahme notwendig machen. Nichts darf zunächst an die Öffentlichkeit gelangen. Zumindest so lange nicht, bis wir eine Lösung des Problems gefunden haben." Das Bild des Sprechers verschwand und sichtbar wurde eine archäologische Ausgrabungsstätte. Der Sprecher fuhr fort: Vor 10 großen Zyklen fand man den unterirdischen Trakt eines ehemaligen Wohnhauses aus der Zeit DAVOR. Er hat die Katastrophe nur deshalb überstanden, weil er aus einem massiven Material namens Beton bestand, der allerdings inzwischen zu Staub zerfällt. Wir haben schon viele dieser unterirdischen Räume gefunden, doch diesmal haben wir eine umfangreiche Sammlung von Büchern ausgegraben und in mehreren davon gibt es diese Abbildungen. Den 10 Konferenzteilnehmern wurden Zeichnungen vorgeführt, die ihnen selbst verblüffend ähnelten. Eine Weile herrschte Schweigen, doch dann fragte Nr.10 telepathisch: "Welche Schlussfolgerungen ziehen sie daraus? Schließlich gab es uns DAVOR noch gar nicht, folglich können wir nicht dort gewesen sein. Vermutlich entsprangen diese Bücher nur der Phantasie eines Menschen." Der vorherige Sprecher wartete einen Moment mit der Antwort, da er sich bewusst war, welche Wirkung diese auf die anderen haben musste: "Aus dem Text geht hervor, dass diese unbekannten Besucher, deren Bild sie hier sehen, an7
scheinend genetische Manipulationen an den Menschen durchführten." "Genetische..." Die dunklen großen Augen von Nr.10 glühten plötzlich in einem inneren Feuer, als ihn der Schock der Erkenntnis traf. Die emotionalen Wellen, die er aussandte, trafen die anderen völlig unerwartet. "Warum ist das so wichtig, warum regst du dich so auf ZR10? Du solltest dich besser unter Kontrolle haben, wir wissen ja, dass du unter einem genetischen Defekt leidest, umso mehr solltest du dich beherrschen." "Du hast die Konsequenz dieses Fundes offensichtlich noch nicht begriffen, ZR2." Ein leiser Hauch des Mitleids für die beschränkte Auffassungsgabe von ZR2 wurde von ZR10 sofort unterdrückt. Er fuhr fort: "Wie du weißt, sind wir die Nachfahren einer Rasse, die sich Menschen nannten und die durch eine selbstverschuldete planetare Katastrophe fast völlig vernichtet wurde. Nur wenige Kinder wurden danach geboren und diese hatten seltsame Defekte. Sie sahen nicht nur völlig anders aus als ihre Eltern, sie hatten ein viel größeres Wissen als diese und auch den Intellekt, dieses Wissen anzuwenden. Aus irgendeinem Grund konnten sie auf das gesamte Wissen aller Menschen zurückgreifen, ohne dass sie sich jemals erklären konnten, wie sie dazu in der Lage waren. Es interessierte sie auch nicht, da sie mit dem Neuaufbau einer Zivilisation genug zu tun hatten. Die Nachfahren dieser Leute sind wir. Die Konsequenz aus den archäologischen Funden ist diese: Wir sind in der Zeit zurückgereist, um einige Menschen genetisch so zu verändern, dass bei bestimmten Umweltbedingungen bestimmte Kinder geboren werden. Und da wir ca. 3000 Jahre DANACH leben, könnten wir nicht mehr rekonstruieren, wer den Weltuntergang überlebte. Daher müssen wir ein gigantisches Projekt starten, um so viele Menschen wie nur möglich für unsere Bedürfnisse zu verändern." "Warum müssen wir das, ich sehe die Notwendigkeit noch immer nicht ein..." "Das ist doch ganz einfach, ZR9. Tun wir es nicht, werden wir niemals existieren, oder zumindest nicht in dieser Form." "Aber wir sind hier, ohne dass wir eingegriffen haben..." "Richtig, und mit dem Fund dieser Bücher haben wir nun die Chance erhalten, unsere Welt Realität werden zu lassen. Verstreicht diese Gelegenheit, bleiben wir nur noch als Wahrscheinlichkeit einer möglichen Zukunft im universellen Gedächtnis zurück." "ZR10. Ich habe nie begriffen, warum man dich, trotz deiner emotionalen Rückentwicklung, auf deinem Posten belassen hat, doch so langsam verstehe ich diese Entscheidung. Du wirst hiermit von deinen Pflichten entbunden. Deine Aufgabe wird es sein, die theoretische Möglichkeit von Zeitreisen, wie wir sie schon lange kennen, soweit auszuarbeiten, dass ein realisierbarer Plan entsteht. Wenn es soweit ist, müssen wir die Bevölkerung einweihen, denn ohne ihre Hilfe wird das Vorhaben kaum gelingen. Vermutlich müssen wir unser Kloningprogramm rechtzeitig mit einbeziehen, damit wir zum gegebenen Zeitpunkt Wesen mit den benötigten Fähigkeiten zur Verfügung haben. Die Teams, die letztlich in diese chaotische Zeit reisen werden, müssen gut ausgebildet werden, denn die Menschen waren roh, gewalttätig, verantwortungslos, aber auch willensstark. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, ihren Willen völlig auszuschalten. Auch die Erinnerung an unsere Besuche müssen so gut es geht getilgt werden. Nicht auszudenken, wenn einer von ihnen außer Kontrolle gerät. Das könnte unsere gesamte Existenz gefährden." "Sollten wir sie nicht warnen, vor dem was sie tun?" fragte ZR10 leise, als sich alle 10 Teilnehmer die Bilder der kargen Erde ansehen, die automatisch in seinem Gedächtnis auftauchen. Nirgendwo konnte man einen grünen Flecken erkennen. Es gab keine Wolken mehr. Nur in den unterirdischen Kavernen, in denen es noch Wasser gab, war Leben noch möglich. "Nein, auch wenn wir sie warnen, gefährdet das unsere Existenz. Was ist, wenn sie auf die Warnungen hören?" meinte ZR3. "Wir müssen eine Möglichkeit finden, all unser Wissen in den Genen der Menschheit zu la8
gern, doch so, dass es nur von unseren Leuten abrufbar ist. Das wird deine Aufgabe sein, ZR2. Wir übrigen kümmern uns um die Organisation. Ihr wisst, was zu tun ist. Die Konferenz ist beendet. 51 Jahre nach dieser geschichtlichen Begegnung stand ZR10 vor der 3D-Aufnahme eines Wasserfalls, umgeben von tropischer Landschaft. Mit einem Ruck drehte er sich um und ging zu seinem Kontrollpult. Er löste eine ganze Reihe von Befehlen aus, die dazu führen würden, dass einige der Teams, die in die Vergangenheit geschickt werden sollten, zusätzliche Aufgaben wahrnehmen würden. Das Ergebnis ihrer Tätigkeit bestand zum einen aus seltsamen religiös gekleideten Warnungen vor einem großen Unglück. Die andere Maßnahme war, dass die Informationen, die in die menschlichen Gene eingearbeitet wurden, hin und wieder einem Menschen zugänglich wurden und nicht erst ihren Nachfahren. Was sie mit diesem Wissen anstellen würden, konnte ZR10 auch nicht vorhersehen. Er hatte jedenfalls alles in seiner Macht stehende getan, um das große Unglück zu verhindern, dass die blaue Welt in eine karge Wüste verwandeln würde. Er hätte zu gerne erlebt, was seine Maßnahmen bewirkten, doch ihm war klar, dass es dazu nicht kommen würde. Als die territorialen Herrscher seine Umtriebe aufdeckten, liquidierten sie ZR10 ohne zu zögern, doch waren sie nicht in der Lage festzustellen, worin der Schaden bestand, den er angerichtet hatte, und so konnten sie nur abwarten, was die Zukunft bringen würde - die Auflösung oder den Weiterbestand.
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Empfang und Fauxpas von Annika Ruf
Star Wars Parodie: Ein Botschafter erfährt ein paar Internas...
Mara trug ihre schlichte Lederkleidung, Dartha Vader ihre schwarze Rüstung samt Maske und Mantel. Beide warteten geduldig auf den furidanischen Botschafter Galarama, ein Name, der in beiden Assoziationen mit Margarine und Kaffee weckte. Schließlich wurde sein Gleiter angekündigt und die beiden gingen hinaus, um ihrer Bezeichnung als rechte und linke Hand des Imperators gerecht zu werden. Mara hatte die Bezeichnung "rechte Hand" mit Stolz getragen, bis Dartha ihr erklärt hatte, daß ihr gemeinsamer Arbeitgeber linkshändig war. Und die "linke Hand" war nun mal Dartha Vader, die dunkle Dame. Die beiden standen in leichten Nieselregen und ließen den Botschafter aussteigen. Er strahlte übers ganze Gesicht und folgte den beiden in den Thronsaal. Dort stand ein Diener mit einem Tablett mit frischem Kuchen. "Oh, wie herrlich .. ups, ist das eine nicht eine giftige Pupurfliege?" "Nein, das ist eine Rosine", erwiderte Mara kühl, "hier sind noch mehr Leute, also halten Sie sich mit dergleichen Kommentaren zurück!" Der Botschafter ließ seine Augen durch den Saal schweifen. "Wieso haben Sie hier eine Vogelscheuche aufgestellt?" "Das ist die Herzogin von Kollsmitt ..", Dartha zögerte, "aber eigentlich haben Sie recht .. sie IST eine Vogelscheuche." Der Botschafter nickte begeistert und spähte umher. "Sir, Sie sollten wissen, hier ist eine unglaubliche Akustik", hauchte Mara ihm zu. Er zögerte, dann nickte er und lächelte sie an: "Ja, jetzt wo Sie es sagen, rieche ich es auch .." Dartha und Mara tauschten nur Blicke. Der Botschafter blickte hoch und runzelte verwundert die Stirn. "Was macht eigentlich diese gräßliche Lumpenpuppe da oben?" "Regieren", erwiderte Dartha trocken, "das ist nämlich der Imperator!" Als sie ihn zwei Wochen später zu seiner Hinrichtung brachten, regnete es in Strömen. "So ein Mistwetter", murmelte der Botschafter betrübt. "Ach, hören Sie auf zu meckern", erwiderte Mara, "wir beide müssen den ganzen Weg schließlich wieder zurück."
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Teestunde von Annika Ruf
Star Wars Parodie: Der Todestern ist fertig! Nur eine Kleinigkeit wurde vergessen.
"DAS DARF DOCH NICHT WAHR SEIN!!!!" Laut schallte die Stimme des Imperators durch die Korridore. Dartha Vader seufzte nur tief und nahm ihren Helm ab. Es war Zeit, sich mit Mara zum Tee zu treffen. Die saß bereits in ihrer Stammecke und schenkte fruchtig duftenden Tee ein. "Was hatte der Alte nun wieder zu nölen?" fragte sie leise. "Es ging um den Todesstern", erwiderte Dartha und nahm Platz. "Laß mich raten: Sie sind nicht fertig geworden", Mara kannte schließlich das Arbeitstempo. "Oh doch .. gerade noch rechtzeitig. Aber sie haben was vergessen." "Und was?" Mara trank und Dartha grinste boshaft. "Rat mal", sagte sie fröhlich. "Hmm ..", Mara krauste die Nase und dann tippte sie: "Die Schutzschilde." "Sind drin." "Hmm ... Zielcomputer?" "Sind installiert." "Dann sicher die Toiletten." "Sind drin. Für Männlein und Weiblein und Sonstige." "Arbeitsdrohnen?" "Sind dabei, sogar zwei von den Borg." "Die Borg haben auf zwei Drohnen verzichtet?" "Ja, sie sagten, das seien Kazon, die sind aus Versehen assimiliert worden." "Verstehe - da stellen die Borg mal Ansprüche. Aber laß mich raten: Sie haben die Reinigungsdroiden vergessen." " Sind sogar dreifach vorhanden." Dartha ließ sich einen Keks schmecken. "Klär mich auf", Mara strich sich ratlos eine Haarsträhne aus den Augen, "was haben sie vergessen?" "Eine Kleinigkeit nur, aber eine sehr wichtige." "Als da wäre?" Dartha blickte in ihre Tasse, kicherte und flüsterte: "Der Eingang!" Mara starrte sie einen Moment perplex an, dann prustete sie los. "Sie haben den EINGANG vergessen??" "Yeah", Dartha schmunzelte und trank Tee, "sie haben alles Drum und Dran fertig, aber keiner kommt rein!" Das Gelächter der beiden Frauen hallte von den Wänden wieder.
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Filetspieß Imperiale Art von Annika Ruf
Star Wars Parodie: Dartha Vader bei Alfred Biolek
Zutaten: Pro Person etwa ein handtellergroßes Filetsteak, eine Handvoll gehackter Haselnüsse, gehackte Kräuter. Ferner 1 Kenny, 1 Horde hungriger Wookies, 1 Lichtsäbel, Rauchmelder. Die Filetsteaks werden aufeinander gestapelt und in den Kräutern und Nüssen gewälzt, bis sie eine schöne Kruste haben. Kenny aufs Fensterbrett setzen. Den Lichtsäbel zünden und in die Mitte der Steaks bohren. Langsam grillen. Wenn die Wookies versuchen das Haus zu stürmen, um an die Steaks zu kommen, ist die erste Stufe der Garung abgeschlossen. Fenster öffnen und Kenny hinauswerfen. Von etwaigen "Mein Gott, sie haben Kenny getötet!"-Rufen nicht ablenken lassen. Wenn der Rauchmelder anspringt, sind die Steaks etwas ZU sehr durch. Hoffen, daß die Gäste gute Laune haben und servieren. Alfredissimo Alfred sah zu ihr hoch und lächelte. Dartha schenkte ihm einen Blick durch ihre Maske. Dann wandte sich der Moderator der Kochsendung an die Kamera: "Guten Abend, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer .. heute ist Mylady Dartha Vader mein Gast und wir werden eine Spezialität aus dem Palast des Imperators zubereiten .. also, was gibt es denn, Mylady?" "Nun, Master Biolek", erwiderte die Sithlady, "ich habe hier zwei große Filetsteaks, Kräuter und gehackte Haselnüsse." "Aha", er sah kurz in ihre Tüten und dann bemerkte den kleinen Burschen auf ihrem Arm, "und wer ist das?" "Das ist Kenny, den brauchen wir noch." Sie setzte ihn aufs Fensterbrett. "Die Filets werden gewaschen und nicht ganz trocken getupft ..", noch während sie das tat, erklang draußen Grollen und Poltern. "Das sind nur die hungrigen Wookies", beruhigte sie ihren Gastgeber, der einen Blick zur Tür warf. "Hungrige Wookies??" echote der ungläubig und warf einen Blick zur Studiotür, wo schon die ersten Mitarbeiterinnen und -arbeiter die Flucht ergriffen. " .. dann in Kräutern und Nüssen wälzen, wahlweise nur die Kante oder das Ganze - he, hören Sie überhaupt zu?" "Ja, sicher .. Mylady Vader ..", Biolek wischte sich den ersten Angstschweiß von der Stirn und fragte sich, ob es eine gute Idee gewesen war, Dartha Vader um eine Kochstunde zu bitten. Andererseits - es brachte Einschaltquoten! "Wer keinen Lichtsäbel hat, muß eben auf die traditionelle Methode mit dem Spieß zurückgreifen", Dartha hielt ihren Lichtsäbel an die Stücke und zündete. Es zischte und der Duft bratenden Fleisches durchzog nach einer Weile das Studio. "Rubbdulldduduuu?" fragte Kenny unsicher. "Sicher, Kleiner", Dartha legte den Kopf schief. Draußen erklang wildes Gebrüll und Getobe. "Die Wookies versuchen, das Studio zu stürmen", schrie Biolek nach einem Blick aus dem Fenster entgeistert. "Gut, die erste Garstufe ist fertig", Dartha schaltete den Lichtsäbel etwas kleiner und benutzte die Macht, das Fenster hinter Kenny aufzumachen. "Was passiert jetzt?" fragte der Moderator unsicher. "Wir schmeißen Kenny raus", erwiderte sie fröhlich, "wer nicht über die Macht verfügt, muß es traditionell mit der Hand machen." Kenny flog durch die Macht aus dem Fenster, mitten unter die Wookies. Lautes Geheul und dann Schmatzen erklang. Biolek stürmte zum Fenster. "Oh mein Gott, sie haben Kenny getötet!" rief er. 12
"Ja sicher, dafür war er ja da", erwiderte sie fröhlich. Die Rauchsensoren wollten gerade loslegen, da brachte Dartha sie mit der Macht zum Schweigen. "Die Filetsteaks sind durch", sie legte sie auf zwei Teller, "suchen Sie den passenden Wein!" "Erst brauche ich einen Klaren", Biolek stöhnte und goß sich was ein. Dartha sah ihn an und klopfte ihm zart auf die Schulter. "Ganz unter uns, auf der Brücke eines Sternzerstörers wären Sie fehl am Platze, Sie sind ja sowas von empfindlich .." Biolek probierte das Filetsteak. "Köstlich, ich glaube, Benden-Federweißer paßt am besten dazu .." Dartha nahm ihren Helm ab. "Zum Wohl!"
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Urlaub von Dirk Brakenhoff
Die Zukunft könnte so schön sein, so perfekt. Warum ist sie es nicht?
Ein leichtes Vibrieren, ein Ruck, und für den Bruchteil einer Sekunde ein undefinierbarer Lichtstreifen, dann der vertraute Klang der elektronischen sanften Ansagestimme: "Wir hoffen Ihnen gefiel Ihr Aufenthalt. Beehren Sie uns bald wieder." Noch bevor das letzte Wort gesprochen, drängt er schon in den Menschenmassen der Überschallstation Hamburgs. Den Morgen auf dem Lande nahe bei Madrid zu verbringen ist eine Wohltat für seine Seele gewesen. Zwar wärmen ihn hier in Hamburg dieselben angenehmen 24°C, so wie an fast allen anderen Orten dieser Erde, ebenso die gleiche reine Luft. Doch kommt hier in der Stadt eindeutig die Ruhe zu kurz, die ihn deshalb immer wieder hin auf das unbevölkerte Land zieht. Heutzutage zwar nicht mehr im Trend, doch das ist ihm egal. Natürlich hätte er wie viele andere seinen Geist auch einfach auf Entspannung stellen können - er wäre nur mit angenehmen Gedanken und Bildern konfrontiert -, doch das ist nicht das selbe wie ein Spaziergang im Kastilischem Scheidegebirge auf einem Bergpfad bei frischem Wind. Er ist den großen Zweitausender empor gelaufen und danach wieder unten durch eines der Täler gewandert. Er überlegt am Abend noch einmal dorthin zu fahren. Den direkt anliegenden nur halb so großen Gipfel könnte er eigentlich noch am Abend erklimmen und oben den Sonnenuntergang genießen. Seine zu jeder Zeit voll sehfähigen Augen und die nie schwächer werdende Kondition aufgrund seiner künstlichen Organe würden ihn bei Nacht wieder zur Überschallstation bringen. Seine Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf seinen Gang, seine Automatik hat ihn bis zur U-Bahn gebracht, peinlichst genau darauf achtend, mit niemanden zusammenzustoßen und vor allem den richtigen Weg zu finden. Doch nun übernimmt er selbst wieder die Kontrolle über seinen Körper. Neunkommaviersechs Sekunden dauert die Fahrt - fast doppelt so lange wie die Reise nach Madrid. Überschallbahnen sind eben mindestens drei Generationen moderner, als die alten U-Bahnen. Doch er denkt nicht im Traum daran sich zu beschweren. Er schaltet wieder auf Automatik, die ihn auch ohne Probleme durch das Gewühl an die Oberfläche führt. Er will essen. Er sieht sich den Stadtführer vor seinem geistigen Auge an und entscheidet sich für ein Restaurant namens Metro. Menschenmassen quälen sich durch die Straßen der Innenstadt. Er verwirft den Gedanken alleine zu gehen - statt dessen liest er sich innerlich die Broschüre über das Restaurant durch. Ein Foto in einem Schaufenster lenkt ihn einen Moment ab. Es zeigt die Stadt aus dem zweiundzwanzigsten Jahrhundert, also zu Zeiten, als noch Autos die Städte bevölkert haben. Er gehört zu den Menschen, die noch ihre Abschaffung vor dreihundert Jahren miterlebt haben. Der Gedanke an den Lärm läßt ihn erschaudern; Sind aber weniger die Motoren die Geräuschkulisse gewesen, war es eher das Gehupe und Gezeter drum herum. Darum kommt ihm das dumpfe Menschengemurmel - im Gegensatz zu einigen jungen Reformern heute - noch immer fast wie Musik in seinen Ohren vor - es stört ihn nicht. Laut seiner Karte erreicht er bald seinen Zielort. Er bereitet seinen Magen auf Nahrung vor. Er genießt das künstliche Hungergefühl, selbst das Knurren haben die Ingenieure nicht vergessen. Dann endlich erreicht er das Restaurant. Drinnen wartet auf ihn ein nahezu perfekt aussehendes Hologramm - sowohl die Technik ist damit gemeint, als auch das Aussehen der Bediensteten, die ihm auch gleich seinen Platz zuweist. Er schlendert mittlerweile wieder selbst - hinter ihr her. Er sieht, wie das Hologramm kleine Korrekturen an den Kurven vornimmt. In der letzten Zeit bemerkt er einen leichten Wandel seines Ge14
schmackes, was die Kurven weiblicher Personen betrifft. Doch hier wird er - egal welche Geschmacksrichtung er gerade bevorzugt - immer eine Traumfrau vorfinden, die nur er so sehen kann. Es dauert nicht lange, bis er bestellt hat. Ein historisches Essen reizt ihn. Lammkotelett, Erbsen und Wurzeln, Kartoffeln, als Nachspeise Erdbeerquark. Dreißig Sekunden später wird das wohlduftende Essen auf seinem Tisch serviert. Das Fleisch enthält kein Gramm Fett, so wie er es gewünscht hat. Junge kleine Kartoffeln entzücken seinen Gaumen. Zufrieden ißt er sein Mahl. Eine kurze Heiterkeit übermannt ihn währenddessen. Ihm fallen die beiden Türen am Ende des Saales auf: Toiletten! Es muß schon lange vor seiner Geburt gewesen sein, als derartige Gänge überflüssig gemacht wurden. Nostalgie ist etwas schönes, denkt er. Nach dem ausgesprochen schmackhaften Mahl geht er hinaus. Am Eingang bemerkt er durch ein Signal im Kopf, wie das Geld von seinem Konto abgebucht wird. Er gibt ein großzügiges Trinkgeld dazu. Draußen nutzt er nicht wieder die Automatik. Bewußt zwängt er sich durch die Massen, genießt das leichte Völlegefühl, bis er diesem überdrüssig wird und es abstellt. Dann geht er eine schmale Straße hinab in Richtung Hafen. Kurz darauf fragt er seine innere Karte nach Sehenswürdigkeiten Hamburgs ab und ihm wird prompt geholfen. Ein Schrei läßt ihn leicht aufschrecken. Doch noch sieht er nichts. Die gleiche Stimme fängt an zu schimpfen und zu brüllen bis er dann erkennt, was vor sich geht. Drei Polizisten nehmen einen großen muskulösen Mann fest. Sie sind nicht zimperlich dabei, halten ihn mit aller Kraft fest, was bei den modernen unglaublich starken Gelenken nicht einfach ist, so dass sie ihm das Handgelenk auskugeln. Die unmittelbar an ihnen vorbeilaufenden Passanten sehen den Vorgang nicht. Die Sicherheit obliegt gerade dem Verstand: der Exekutive nicht im Weg zu stehen. Er selbst steht zu weit weg, als daß ihn die Sicherheitsautomatik erfassen kann. Die sich näher am Geschehen Aufhaltenden gehen alle im schnellen Gleichschritt einen Bogen um den Kampf und einige Meter davon entfernt merken sie erst, was passiert ist. Bald geht aber alles wieder mit dem Rechten zu, denn die Polizisten benützen ihre Elektroschocker. Und so geht auch er wieder weiter die Straße hinab. Es macht ihn neugierig, was für einen Gesetztesübertritt sich dort gerade abgespielt hat. Er stöpselt sich in einem Kiosk nach Abgabe der Gebühren ans Netz. Sein ausgeglichener Zustand und die Tatsache, daß er für sein mittleres Alter schon recht erfahren ist, machen ihn privilegiert, die Nachrichten auch beinahe in originaler Form übermittelt zu bekommen. Sind die Nachrichten für andere nicht falsch, so werden sie aber dennoch alters- und gemütsgerecht individuell gesendet. Es dauert noch dreikommaviersechs Sekunden, bis er endlich die richtige Nachricht findet. Ein Gewohnheitsdieb, der vor seiner Resozialisation geflüchtet ist. Manche Menschen sind eben unverbesserlich. Nach einiger Zeit hat er die Sehenswürdigkeiten Hamburgs angeschaut. Es ist Abend und er sitzt wieder in seinem Appartement in Zürich. Der zweiten Ausflug nach Spanien hat ihm gut getan, den er am Frühabend noch schnell unternommen hat. Er könnte seinen Geist nun auf Entspannung stellen und wäre spätestens in fünfzehn Minuten wieder vollkommen ausgeglichen. Doch er gehört zu der altmodischen Sorte Mensch, die trotz alledem noch manchmal schlafen. Dies wird er nun solange tun, beschließt er, bis das Nachtleben in Rio seinen Höhepunkt erreicht und er dazu stoßen wird. Seinen Urlaub möchte er voll auskosten. Und so legt er sich in sein Bett, welches sich sanft nach seinem Körper ausrichtet. Er stellt sich traumlosen Schlaf ein. Dann ist er nicht so unausgeschlafen und nachdenklich hinterher. 15
Wer mag schon Fremde von Ralf Nitsche
Stammtischgespräche aus einer fernen Welt. Seltsam vertraut...
Voller Ekel starrte Sarr' Tik auf das Wesen, welches neben ihm an der Bar saß. Diese Fremden. Überall machen sie sich breit. Diese ekelhafte cremefarbene Haut, der salzige Gestank, den sie absonderten, das wabbelnde Fleisch - zu nichts nützlich. Eines Tages waren sie gekommen, und nun erhielten sie jede erdenkliche Unterstützung von der Regierung. Ja, die Angehörigen der Allianz konnten ja sehen, wo sie blieben. Alle Mittel flossen nur für die Fremden. Er sah wieder zu dem einen hinüber, der gerade Rassegenossen willkommen hieß. Und dann die Schnattersprache. Man kam sich vor wie im Urwald. Sarr' Tik sah in den Fremden nichts weiter als Abschaum, dem man nicht mit noch so viel Entwicklungshilfe behilflich sein konnte. Er schlang einen seiner Tentakel um den Becher, um noch einen Schluck zu nehmen. Bald würde er nach Sansong zurückkehren, um sich in der feuchten Atmosphäre erholen zu können. Dann würde er aufatmen, in dem schwefelhaltigem Wasser baden können und Terkwürmer jagen. Er ließ einen anderen Tentakel um ein Stück Fleisch zischen und schlug gierig seine Reißzähne hinein. Währenddessen knallte er mit seinem starken Schwanz auf den Boden und die Theke, woraufhin ihm die Fremden etwas Platz machten. Ein neuer Besucher betrat die Bar, erkannte seinen Freund Sarr' Tik und setzte sich auf der anderen Seite neben ihn. "Glückliches Suhlen wünsche ich Dir. Nun, wie geht's?" Missmutig zeigte Tik auf die Fremden. "Diese Schleimer. Ich hasse sie. Es wird Zeit, dass sie wieder dahin fliegen, wo sie hergekommen sind." Tik's Freund, er hieß Chharr, war noch damit beschäftigt, seine acht Beine zu sortieren. Zwei stellte er nach hinten zum Abstützen, zwei ließ er auf die Theke nieder, um sie als Handlungsarme zu benutzen. Den Rest verstaute er irgendwie unter dem Multifunktionshocker. Er öffnete ein paar Mal seine Kieferzangen und entgegnete: "Ja, es ist schon so eine Sache. Aber was soll's. Sie sind zwar keine Schönheiten, aber meinEssen nehmen sie bestimmt nicht weg." Der Barkeeper, der seine Gäste fast alle kannte, brachte Chharr eine Blorfliege. Das dreißig Zentimeter große Geschöpf brummte in seinem kleinen Käfig. Chharr nahm es in die beiden Greifklauen und stieß die Spitzen seiner Kieferzangen in den Rücken des Tieres. Kurz darauf erstarben die Bewegungen der Fliege, und Chharr begann genüsslich, seine Mahlzeit auszusaugen. "Wo bleibt eigentlich Hiirik?" Sarr' Tik wedelte mit einem seiner Tentakel, was soviel bedeutete wie - ich weiß es nicht. So saßen sie eine Weile da, aßen und schwiegen, und dann kam endlich der Dritte aus der Runde. Der Keeper lächelte breit, saugte den Rest eines gelb-rosa Pulver mit seiner Rüsselnase auf und griff unter den Tresen. Er zog ein Kartenspiel hervor und kam langsam auf die Gruppe zu. Hiirik erreichte ebenfalls die Theke und meinte: " Aach, schon wieder die nackten Schleimer. Eklig. Die lässt man jetzt auch überall rein. Warum tust Du das, Gnor." 16
Hiirik's weinerliche Stimme verstummte, und er war während der Antwort von Gnor, dem Besitzer der Bar, damit beschäftigt, sich auf die kleine Bank an der Wand zu hieven. "Naja, seltsam sind sie schon, aber sie können zahlen." "Also, jetzt hör aber mal auf, Gnor. Was meinst Du, woher sie das Geld denn haben? Ich bin der Mein ..." "Haach, Sarr' Du hast ja recht. Chharr, hilf mir doch mal!" Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit ließ das Spinnenwesen eines seiner untätigen Beine auf den kleinen Körper zuschnellen. Er packte zu und setzte ihn auf der Bank ab. Das kleine Pelzwesen wackelte noch ein paar Mal, bis es bequem saß, und dann sah es Gnor aus großen traurigen Augen an. "Haach, in unserer Gegend haben sie eine Station gebaut. Die Nackten dürfen dann da wohnen und arbeiten." Gnor zuckte die muskulösen Schultern und meinte: "Ich hab' nichts gegen sie. Sie zahlen, sind angenehme Gäste, ruhig. Außerdem kennen sie gute Witze. Ich weiß gar nicht, was ihr habt. Spielen wir jetzt, oder was?" Sarr' Tik ließ seine Tentakel auf die Fläche der Theke knallen. "Nee, ich bin nicht gut drauf. Gleich vielleicht." Die Fremden riefen nach dem Barkeeper, und die drei sahen schweigend mit düsteren Mienen zu ihnen rüber. "Wenn sie nur nicht so stinken würden." knurrte Sarr' Tik. Chharr sog zischend die Luft ein und meinte: "Also, ich rieche nichts." Hiirik stieß das Spinnenwesen hart an, was dieses aber kaum bemerkte. "Aach, also mein Fall sind sie nicht. Man kann ihnen gar nicht ansehen, was sie gerade denken. Aach, ich mag sie nicht." Sie sahen, wie Gnor mit den Fremden verhandelte, dann bekam er eine Kiste von Ihnen überreicht. Er stellte sie neben die Zapfanlage und zog ein paar Flaschen heraus. Gnor öffnete sie und probierte den Inhalt der Reihe nach durch. Sein Gesichtsausdruck wechselte von Fall zu Fall zwischen Begeisterung und Abscheu. Dann lachte er und gab ihnen einen aus. Das wollte was heißen, denn Gnor war in dieser Beziehung recht geizig.Sie redeten und lachten eine Weile miteinander, dann kam er zurück zu der Gruppe. "Sie sind nett. Getränke haben die teilweise ..." Er verdrehte verzückt die Augen. Sarr' Tik griff zu und hielt Gnor mit einem Tentakel fest. "Verdammt, Du spinnst." "He he." "Schnauze, Chharr. Die tun Dir schön, machen Geschenke und lullen Dich ein. Was ist los mit Dir. Sonst bist Du doch das Misstrauen in Person? Die Kerle stinken. Vielleicht wollen sie uns vergiften. Wer weiß das schon. Ich traue ihnen sowas zu. Und bestimmt wimmelt es an ihnen vor Ungeziefer." Gnor packte den Tentakel und bog ihn mühelos von seinem Körper weg. "'Tik, was ist los mit DIR, muss ich DICH fragen. Du bist ja der reinste Rassist geworden." Chharr rasselte mit seinen Kieferzangen, dann wandte er ein: "Du musst zugeben, dass sie sich recht seltsam benehmen. Ja, sie sind freundlich, aber sie sind mir ZU freundlich. Und bei Hiirik hat es Ärger gegeben. Das hat er mir heute Mittag am Visiophon erzählt." Gnor winkte ab. Chharr war ein Arachnide. Diese Wesen hatten sowieso eine kühle Gefühlswelt, und daher wunderte er sich schon über seine Worte. Er lehnte er sich zu Hiirik hinüber und sah ihn fragend an. "Aach ja, die Nackten waren heute bei Giirian und haben Streit gemacht. Haach, haben ihn einfach auf den Arm genommen. MEINEN Schwager. Und dann ..." Gnor winkte ab. "Ich hab' davon gehört. Es war ein Versehen, ein Irrtum. Ihr seid einfach zu empfindlich. 17
Sie wußten nicht, dass man euch nur dann berühren darf, wenn ihr es einmal erlaubt habt. Moment." Er ging wieder zu den Fremden, die mit ihm tuschelten. Gnor sah zu Tik, Chharr und Hiirik, dann nickte er. Die Fremden warteten, bis die drei ihre Gläser vor sich stehen hatten, dann nahmen sie die ihren und kamen auf sie zu. Gnor flüsterte: "Die Drinks haben sie Euch spendiert. Um Ereks Willen - benehmt Euch jetzt mal nur für fünf Gannos." Die drei brummten nur, und Hiirik ließ sein weinerliches 'Haach' hören. Die Neuankömmlinge hatten die Dreiergruppe erreicht. Einer der Fremden hob sein Glas und sagte: "Ich hoffe, dass wir alle gute Freunde werden können. Mein Name ist Senar Tangene, und wir kommen von einem Planeten mit Namen Erde." ENDE
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Eine neue Hoffnung? von Tobias Funke
Das Volk von den Sternen fliegt einen neuentdeckten Planeten an. Wird ein friedlicher Kontakt gelingen?
Langsam driftete die NEUE HOFFNUNG an dem Doppelplanet vorbei, der als neunter um die kleine gelbe Sonne kreiste. Das Schiff war ein absoluter Neubau und das größte je über Taral gebaute Forschungsschiff. Sie war nur zu einem Zweck gebaut worden, einen kleinen Planeten zu erforschen, der scheinbar intelligentes Leben beherrbergte. Allein schon die Tatsache, daß dort eventuell Leben existierte war für den Wissenschaftlichen Rat von Taral Grund genug um ein neuartiges Schiff bauen zu lassen, da nirgendwo sonst in der Galaxis Leben existierte. Es gab nur Leben auf Taral und den Planeten, auf denen man es ausgesetzt hatte. Vor sieben Zans war diese Sonne entdeckt worden, und sie war von einer Wolke aus Radiowellen umgeben, die künstlichen Ursprungs war und etwa 91 Zanas weit in den Raum reichte, wobei ein Zana der Zeit entsprach, die das Licht in einem Zan zurücklegte. Inzwischen hatte man den Ursprung der Funksendungen ausgemacht, den dritten Planeten dieses Systems. Er umkreiste seine Sonne in 0.7 Zans. Langsam näherte sich die NEUE HOFFNUNG dem vierten Planeten und ging in einen Orbit, um weitere Daten zu sammeln. Dabei fing sie Funksendungen auf, die ihren Ursprung auf dem Planeten hatten und die digital verschlüsselt waren. Also wurde eine Landekapsel startklar gemacht. Das Funkgespräch zwischen dem neuen Zentrum für internationale Raumfahrt im Atlantik und der ersten bemannten Marsmission spielte sich im Zeitraffer ab. Zwischen einer Anfrage und einer Antwort vergingen neunzig Minuten. "Controll, ARES-Rover. Wir haben hier ein Problem." "ARES-Rover, was für ein Problem." "Hier stehen einige Aliens um unseren Kabienen-Rover herum und untersuchen ihn." "ARES, bitte wiederholen." Kurze Zeit später bekam das Zentrum ein Bild. Es zeigte, wie Wesen in Raumanzügen in den Rover kletterten. Hilflos musten die Männer und Frauen mitansehen, wie die beiden Menschen in dem Rover erstickten, als die Türen gewaltsam geöffnet wurden. "ARES-Lander, starten sie so schnell wie möglich. Ich wiederhole, staren sie so schnell wie möglich." Das Bild riß ab. Eine Stunde später gab es eine erneute Hiobsbotschaft. Ein Raumteleskop nahm einen gewaltigen Lichtblitz in einer Marsumlaufbahn auf. Die magnetische Eindämmung des Antimaterie-Tanks hatte versagt und ARES zerrissen. Gleichzeitig wurde ein bleistiftförmiges Objekt in einer Marsumlaufbahn entdeckt. Das Zentrum alarmiete als allererstes die UN. Nur einige Stunden nach dem Vorfall wurde der UN-Sicherheitsrat zusammengerufen. Alle Streitkräfte der NATO und der anderen UN-Staaten wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die Wissenschaftler auf der Oberfläche des vierten Planeten begannen mit ihren Untersuchungen. Sie hatten ein Gefährt gefunden, in dem sich zwei taralahnliche Geschöpfe befanden. Sie versuchten mit den beiden Kantakt aufzunehmen. Als dies nicht funktionierte beschlossen sie in das Gefährt zu steigen. Als sie die Schleuse öffneten ströhmte die Atmosphäre aus der kleinen Kabiene und die beiden Insassen erstickten. Im Orbit des Planeten hatte die NEUE HOFFNUNG inzwischen ein Raumschiff entdeckt das 19
ebenfalls den Planeten umkreiste. Man schickte eine kleine Kapsel los, um an Bord zu gehen. Der Versuch gelang und die Wissenschaftler trafen zum gleichen Zeitpunkt mit den Nichttaralern zusammen, wie auf der Oberfläche, wo man in eine kleine Station gelangt war, die aus einer kleinen Anzahl von einzelnen Modulen bestand. An Bord des anderen Raumschiffes drehte einer der Nichttaralern durch und beschädigte das Schiff. Er wurde von einem seiner eigenen Artgenossen wie im Rausch getötet. Mit einer plötzlichen Abscheu verließen die Wissenschaftler das Schiff, das einige Zeit später explodierte, als Antimaterie, die das Schiff als Antriebsmaterie einsetzte, frei wurde. Vor einigen Minuten hatte die Restcrew der ARES mit ansehen müssen, wie die Aliens sich Zugang zum Zentralmodul verschafft hatten. Die Crew bewaffnete sich mit Werkzeug und erwartete die Aliens in der Kommandozentrale der ARES. Als die Aliens die Zentrale betraten, erschauderten die Menschen. Die Aliens sahen fast menschenähnlich aus. In den gelb leutenden Augen der Aliens glaubte der Kommandant der ARES Wissensdurst zu erkennen. Er ging auf die Aliens zu und versuchte mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Als er glaubte, den Kontakt hergestellt zu haben, hob einer der Aliens seine Hand mit einem unbekannten Gerät. Einer der Techniker der Restcrew begann zu schreien und stürmte mit einem Laserschweißbrenner auf die Aliens zu. Er hatte ihn eingeschaltet und der Laserstrahl tanzte über die Kontrollen, die hinter den Aliens waren. Mit Mühe und Not konnten die anderen Crewmitglieder den Mann überwältigen. Als ihn einer der anderen bewustlos schlug, machte sich Entsetzen in den Gesichtern der Aliens breit und sie flüchteten aus der Zentrale in ihr kleines Schiff, das kurz danach ablegte. Der Techniker hatte mit dem Laser eines der wichtigsten Systeme zerstöhrt, die Eindämmung der Amtimaterie. Das besiegelte das Schicksal der ARES. Auf dem vierten Planeten ging der Kontakt besser voran. Einige Zeit nachdem die taralischen Wissenschaftler die Station betreten hatten, konnte eine einfache Kommunikation mit den Nichttaralern aufgebaut werden, die über einen Computer der in der Station stattfand. Die Taraler fanden heraus, das die anderen ebenfalls Wissenschaftler waren. In einem Zeitraum, in dem sich der vierte Planet vier Mal um seine eigene Achse gedreht hatte, wurde das erste Wort gewechselt. So erfuhren die Taraler, dasß sich die anderen Menschen nannten. Weitere vier Umdrehungen später boten die Taraler den Menschen, sie zu ihrem Heimatplaneten zu bringen. Man beschlß die Neuigkeiten an den Wissenschaftlichen Rat zu senden, insklusive aller bisher gemachten Forschungergebnissen. In New York sah man die Annäherung des bleistifförmigen Schiffes mit Schrecken. Man war sich sicher, daß die ARES und das Landeteam des Schiffes von dem Schiff vernichtet worden ist. Computerauswertungen der Bilder von den dem Rover hatten ergeben, daß die Alien fast menschenähnlich waren. Aber die gelben Augen, die zu sehen waren, verliehen ihnen etwas teuflisches. Hier griff die schiere Angst, die Stimmen der Wissenschaftler wurden beiseite gelegt und eine Reihe von alten Interkontinentalraketen in eine Umlaufbahn gebracht und mit Fernstartrechnern ausgerüstet. Sie sollten das Schiff der Aliens zerstören. Man hatte eine Woche Zeit gehabt, als das Schiff die Mondumlaufbahn überschritt und sich der Erde näherte. Das Schiff glitt in eine hohe Umlaufbahn und die Raketen starteten. Niemand an Bord der NEUEN HOFFNUNG hatte an das geglaubt, was in der Umlaufbahn passierte. Unmittelbar nach erreichen der Umlaufbahn begannen sich einige Objekte zu bewegen. Sie bewegten sich auf das Schiff zu. Fast gleichzeitig erreichten drei der Objekte das Schiff. Danach war nicht mehr. Das fünf Kilometer lange Schiff platzte auseinander und die Reste, teilweise bis zu einhundert Meter lang stürzten auf die Oberfläche der Erde. 20
Hier wie dort von Barbara Jung
Weil sie sich als Männer lieben und ein Paar sind, jagt man sie und schleppt sie zur Burg des Strafenden Gottes. Aber das kann doch nicht das Ende sein...
„Lauf allein weiter!“ ächzte er. „Allein hast du vielleicht eine Chance. Ich kann nicht mehr.“ Schweratmend ließ sich Cha-rill zwischen die Blätter des Busches fallen und umfaßte mit beiden Händen sein verletztes Bein. Durch seine aufgeschlitzte Hose quoll noch immer Blut aus der tiefen Speerwunde an seinem Unterschenkel und färbte das Grün-Weiß seiner schlanken Finger rot. Das Tuch, mit dem er die Wunde notdürftig verbunden hatte, war längst verlorengegangen. Ma-lo, der zwar unverletzt, aber kaum weniger erschöpft war, blickte voller Verzweiflung auf den Mann herab, den er liebte wie sonst nichts auf der Welt. Streckenweise hatte er Cha-rill getragen. So auch über die offene Steppe, und er war gelaufen, so schnell er konnte. Sie wollten den Waldrand erreichen, bevor man die gefährlichen Troks aus ihren Käfigen holen und ihnen hinterher schicken konnte. Das hatte ihn ausgelaugt, denn Cha-rill war groß und muskulös, mehr noch als Ma-lo selbst. Dabei war er ebenfalls nicht gerade schmächtig zu nennen. Er hob den Kopf mit dem langen schwarzen Haarbüschel und lauschte hinauf ins rauschende Blätterdach. Die winzigen Schuppen seiner rot-schwarz gefleckten Stirn waren in sorgenvolle Falten verzogen. Noch waren die Verfolger nicht in der Nähe, aber die Zeit drängte. Mit ihrem untrüglichen Spürsinn würden die Troks den Flüchtigen erbarmungslos folgen, sobald sie erst einmal ihre Witterung aufgenommen hatten. Es gab kein Entkommen. Sie würden im dichten Wald mit ihren ledernen Schwingen nicht so schnell vorankommen. Aber sie würden ihnen folgen. Unerbittlich, bis sie die beiden Gejagten gestellt und in einem Bombardement aus körpereigenen Betäubungsstoffen handlungsunfähig gemacht hatten. Dann würden die Schergen der Gesetzeshüterin leichtes Spiel mit ihnen haben. Ma-lo zog sein Hemd aus und riss es in Streifen. Er mochte nicht daran denken, wieviel Schmutz inzwischen an dem grob gewebten Stoff kleben musste. Nachdem sie am frühen Abend von einem missgünstigen Bekannten verraten worden waren, hatten sie sich während der Nacht bis zur morgendlichen Öffnung der Stadttore in unzähligen mit Unrat übersäten Winkeln herumgedrückt, um sich vor denen zu verstecken, die sie gefangennehmen und dem Tod überantworten wollten. Doch Cha-rills Blut mußte endlich gestoppt werden, sonst würde er hier in seinen Armen verbluten. Mit fliegenden Händen machte sich Ma-lo ans Werk „Ich werde dich stützen“, sagte er, als der provisorische Verband fest um das Bein des Freundes gewickelt war. „Wir werden es schaffen. Es ist nicht mehr weit.“ Er packte Cha-rills Arm. Wie kalt und feucht sich dessen Schuppenhaut anfühlte. Er hatte schon viel Blut verloren, viel zu viel. Cha-rill mühte sich auf sein gesundes Bein. Einen Moment lehnte er seinen Kopf in Ma-los Halsbeuge. Er hatte keine Kraft mehr ... aber für den Partner würde er es zumindest noch einmal versuchen. Ma-lo sah den Riss in der Kopfhaut des Freundes. Auch hier sickerte Blut. Auf dieser Seite des Kopfes hatte es das weiße Haar bereits in rote Strähnen gefärbt und tropfte von dort auf die grün-weiße Haut. Erst im dunklen Rot des ärmellosen Hemdes des Freundes verlor sich die Farbe des Blutes. Cha-rill hob den Kopf und schaute Ma-lo an. In den geliebten Augen standen Schmerz und Resignation. Ihr samtenes Schwarz war von einem milchigen Schleier überzogen, das perfekte Rund halb verdeckt vom dunkelgrünen Wimpernkranz der unteren und oberen Lider. Ma-lo erwiderte den Blick möglichst unbefangen. Was sie versuchten, war hoffnungslos. Sie 21
wußten es beide. Niemals würden sie den Einbaum erreichen, der in der abgeschiedenen Lagune versteckt auf sie wartete. Alles war schief gegangen. Immer wieder hatten sie ihre Flucht hinausgezögert, denn auch die Fahrt übers Meer war mit großen Gefahren verbunden. Jenseits der Meerenge lebten Ungeheuer, Wesen, die Feuer speien konnten und äußerst bösartig waren. Erst vor einigen Monden hatten es ein paar wagemutige Wasmaris wieder versucht, sich dort drüben umzusehen, doch nur zwei von ihnen waren zurückgekehrt. In ihre Gesichter hatten die erlebten Schrecken tiefe Spuren gegraben. Dorthin, auf diesen Kontinent des Grauens, hatten die beiden liebenden Männer beschlossen vor der Gnadenlosigkeit der beiden Stämme ihres eigenen Volkes zu fliehen. Jenseits des Meeres hatten sie sich eine winzige Überlebenschance ausgerechnet, doch hier in der Heimat waren sie verloren. Aus der Eisernen Burg des Strafenden Gottes war noch keiner lebend zurückgekehrt. Plötzlich schraken beide auf. Da war es, das gefürchtete, unverkennbare „Kraah-kraah“ der Troks! Noch kamen die Rufe aus einiger Ferne, doch es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie heran waren, die geflügelten Helfer der Schergen. Als hätte der letzte Blutstropfen seinen Körper schon verlassen, rutschte Cha-rill kraftlos an Ma-los Brust hinunter. Diesem gelang es gerade noch, den Freund aufzufangen, bevor er auf den Waldboden fiel. Sanft ließ er den Körper des geliebten Mannes ins Moos gleiten. Malo wollte nicht aufgeben. Wie ohne sein Zutun fuhren die scharfen Krallen aus seinen Fingerspitzen. Sein Verstand jedoch sagte ihm, daß er damit nichts auszurichten vermochte. Nichts half gegen die Gefahr, die in kurzer Zeit aus den Wipfeln der Bäume auf sie beide herabstoßen würde. In fieberhafter Eile suchten seine Augen nach Steinen, die er als Wurfgeschosse verwenden konnte. Doch es gab kaum welche in passender Größe. Im Wald gab es nur Moose, Farne und Schlingpflanzen. Sein Vorhaben war auch mehr als lächerlich. Er besaß nur zwei Hände, und lediglich mit der rechten konnte er zielsicher treffen. Cha-rill war zu schwach, um hart genug zu werfen. Und außerdem würde die Übermacht sowieso zu groß sein. Cha-rill warf flehende Blicke zum Freund empor. „Lauf weg!“ beschwor er ihn. „Du mußt dich retten.“ Ma-lo fühlte, wie Zorn in ihm aufstieg. Wie konnte Cha-rill ihn um so etwas bitten? Würde er ihn im umgekehrten Fall allein lassen? Niemals! Breitbeinig stand er über Cha-rill und stieß beide Arme in die Luft. Das Rot seiner schwarz gesprenkelten Schuppenhaut erglühte plötzlich in feurigem Orange. Mit geballten Fäusten drohte der junge Wasmari den Göttern, die dem Volk die Liebe geschenkt hatten, nur um die Einzelnen dann so sehr unter ihr leiden zu lassen. Seine spitze, gegabelte Zunge formte Triller der Wut, seine Stimmbänder vibrierten, als er seinen Zorn und seine Ohnmacht hinausschrie ins Dämmerlicht des Waldes. Cha-rill ließ den Kopf ins Moos sinken und schloss die Augen vor soviel Seelenqual. Seine Hände preßten sich vor den lippenlosen Mund. Er wollte nicht, daß das Schluchzen aus ihm entwich, das in seiner Kehle steckte. Und dann waren sie da. Wie von der Sehne geschnellte Pfeile schossen die Flugtiere durchs dichte Ast- und Blattgewirr, die Schwingen eng an den schmalen Leib gelegt, nur dort ausgebreitet, wo die Bäume ihnen den Raum dazu boten. Doch das genügte ihnen, um Geschwindigkeit und Schnelligkeit aufrecht zu erhalten. Keiner der beiden Männer, die angstvoll zu ihnen aufsahen, hätten jemals vermutet, daß diese Tiere auch noch zwischen den dicht an dicht stehenden Bäumen so irrsinnig schnell sein konnten. Ihre stromlinienförmigen Körper hatten eine braune Lederhaut mit windabweisenden Rillen, und auch die geschmeidigen Flügel waren einem schnellen Vorwärtskommen angepaßt. Allein ihre Köpfe paßten nicht in das Bild: Sie waren rund, und sie besaßen keine Schnäbel wie andere Flugtiere, sondern breite, mit Lippen geränderte Mäuler. Ihr Kreischen war ohrenbetäubend. Und dann verstummte es schlagartig. 22
Ma-lo kniete neben Cha-rill nieder. Ihre Hände fanden und umklammerten sich, ihr Druck versicherte sie ihrer gegenseitigen Liebe, gleichgültig was mit ihnen passierte. Schon rasten schillernde Blasen auf sie herab. Die Troks erzeugten sie in ihren Backentaschen, füllten sie mit giftiger Flüssigkeit aus ihren Kröpfen und spuckten sie zielsicher auf ihre Opfer. Die erste Blase zerplatzte an Ma-los Brust und setzte ihr Übelkeit erregendes, betäubendes Gift frei. Weitere Geschosse folgten. Das Atmen wurde den beiden Wasmaris schwer, und vor ihren Augen wurde es schwarz. Als Ma-Lo und Cha-rill in dem düsteren, nach Moder und Exkrementen stinkenden Verlies erwachten, wußten sie nicht, wie lange sie ohnmächtig gewesen waren. Der Tag schien sich jedoch bereits zu neigen, denn es fiel nur noch sehr wenig Licht durch die zwei kleinen Öffnungen in den feuchten Steinwänden. Die Zeit verging. Keiner sprach ein Wort. Nur die Ketten, mit denen sie gefesselt waren, klirrten ab und zu leise, wenn sich einer von ihnen bewegte. Schließlich fiel Cha-rill in einen unruhigen Schlaf, und Ma-lo überließ sich vollends seinen bedrückenden Gedanken. Er erinnerte sich, wie erst vor wenigen Tagen der letzte Todeskarren die Stadt verlassen hatte. Eine junge Frau vom Stamm der Rokans und ein Mann der Kreens waren von übelwollenden Nachbarn angeschuldigt worden, weil sie einander liebten – eine verbotene Liebe, die ihnen den Tod eingebracht hatte. Denselben Tod, den er und Cha-rill nun erleiden würden. Die Götter forderten gnadenlose Unnachsichtigkeit. Als vor langer Zeit die Kreens nach etlichen Perioden der Dürre ihre Bergdörfer verlassen mußten und sich in den Städten der Rokans in den Ebenen ansiedelten, wurden sie geduldet, weil es an helfenden Händen in der Landwirtschaft fehlte. Doch eine Vermischung beider Stämme, der Kreens mit der grün-weiß gefleckten Haut und der schwarz-rot gesprenkelten Rokans, war strengstens untersagt. Irgendwann war sogar die Todesstrafe für Zuwiderhandlung eingeführt worden, und dabei war es bis auf den heutigen Tag geblieben. Auch für andere Vergehen wurden die Strafen drastisch verschärft. Doch neben der Tötung eines Artgenossen waren sowohl Verstöße gegen die Reinhaltung der Stämme als auch gleichgeschlechtliche Liebe, die der Erhaltung und Vermehrung des Volkes insgesamt zuwiderlief, die schlimmsten Verbrechen, die ein Kreen oder Rokan begehen konnte. Hatte jemand einen anderen getötet, wurde er auf die gleiche Art und Weise ums Leben gebracht wie sein Opfer. Ob es sich bei der Tat um Vorsatz oder vielleicht um einen Unfall handelte, war bedeutungslos. Die letzteren Verbrechen aber wurden mit der Verbannung der Sünder in die Eiserne Burg des Strafenden Gottes geahndet, was einem Todesurteil gleichkam. Denn noch niemals war ein derart Gestrafter aus den silbern schimmernden Wänden dieser Burg vor den Toren der Stadt zurückgekehrt. Ma-lo tauchte aus seinen Gedanken auf, als Cha-rill neben ihm laut zu stöhnen begann. Ihm ging es zunehmend schlechter. Hin und wieder schüttelte ein Fieberschauer seinen Körper. War seine Haut vor der Gefangennahme unnatürlich kühl und feucht gewesen, so fühlte sie sich nun glühend heiß an. Er war nicht mehr imstande, seine Hautschuppen abzuspreizen, um dem Körper Kühlung zuzuführen. Der behelfsmäßige Verband um seine Beinwunde war inzwischen durchgeblutet. Ma-lo bettete den Kopf des Geliebten auf seinen Schoß. Hin und wieder streichelte er seinen weißen Haarbüschel oder strich sanft über die geschlossenen Lider. Er wußte nicht, was er sonst tun sollte. Sie hatten sowieso nicht mehr lange zu leben. Bald würde es dunkel werden, dann würde man sie holen kommen. Wie haßte er die Gesetzeshüterin und ihre Getreuen. Alle, die gleich ihm klar zu denken vermochten, hatten gehofft, daß sie die Regeln lockern würde, als sie den Stab der Gerechtigkeit nach dem Tod ihres Vaters übernahm. Aber nein, obwohl sie selbst zu dessen Lebzeiten geknechtet und drangsaliert worden war, hatte sie im Gegenteil die Gesetze noch verschärft. So wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, einem armen Bauern, der sich in seiner Not am Saatgut seines Nachbarn vergriffen hatte, die rechte 23
Hand abgehackt. Wie sollte er fortan sein Feld bestellen? Solche und auch viele andere Gesetzesregeln verschärften das Problem des Bevölkerungsrückgangs nur, dessen war sich Ma-lo gewiß. Nicht kleine Diebe oder Unschuldige, deren Vergehen lediglich in ihrer Liebe bestanden, waren für die Seuchen verantwortlich, die immer häufiger und immer stärker die Bevölkerung geißelten. Nicht sie zogen den Zorn der Götter auf die Städte herab, sondern der Schmutz brachte die Leute um, der unvorstellbare Dreck, der die Gassen der Stadt mit einer glibbrigen Schicht überzog. Und dann hörte er die Schergen kommen. Ma-lo atmete auf, als der rumpelnde Karren endlich die Stadttore passiert hatte und hinaus aufs freie Land gefahren war. Er dankte den Göttern, daß Cha-rill in seiner Ohnmacht diese Demütigung nicht hatte miterleben müssen, daß ihm diese peinigende Schmach erspart geblieben war. Schulter an Schulter hatte die Menge die Gassen gesäumt, um den wiederholten Bekanntmachungen und Aufrufen der Gesetzeshüterin Folge zu leisten. Aufgewiegelt von den freigiebig ausgeschenkten berauschenden Getränken hatte die Menge den zum Tode Verurteilten mit Wurfgeschossen aller Art den üblichen entwürdigenden Abschied bereitet. Faulige Eier, matschiges Gemüse und stinkende Fischreste waren auf sie niedergeprasselt. Wer mit leeren Händen gekommen war, begnügte sich damit, die beiden Männer in dem von vier Schergen gezogenen Karren anzuspucken und mit bloßen Fäusten auf sie einzuschlagen. Obwohl harte Gegenstände nicht erlaubt waren, war Ma-lo doch von Bechern und anderen kleineren Gerätschaften getroffen worden, die beschädigt waren und im Haushalt nicht mehr gebraucht wurden. Da er wußte, was ihm bevorstand – wie viele Todeszüge hatte er in seinem Leben schon mit ansehen müssen -, hatte sich Ma-lo vorgenommen, allen Angriffen mit Gleichmut zu begegnen. Er erkannte seine Schuld nicht als solche an, und dies hatte er ihnen durch den Beweis seines ungebeugten Stolzes verdeutlichen wollen. Doch dann konnte er den Anblick nicht länger ertragen, wie sich zerbrochene Eierschalen und grünlicher Dotter mit dem bräunlichen Saft von überreifen Strauchfrüchten auf Cha-rills Gesicht zu einem Gemälde vereinigten, das nur ein Wahnsinniger gemalt haben konnte. So hatte er sich über den Kopf des Freundes gebeugt, um diesen mit seinem eigenen Körper und mit seinen Händen zu schützen. Mochte es ruhig aussehen, als senke er voller Scham den Blick vor der entfesselten Menge. Es spielte ja sowieso keine Rolle mehr. Ein kleiner Trost war ihm vergönnt: Nicht ohne Schadenfreude stellte er fest, daß die vier Schergen, die den Karren zogen, nicht verschont blieben und von schlecht gezielten Gegenständen beinahe fast so oft getroffen wurden wie ihre zwei Gefangenen auf dem Karren. Jetzt waren sie vor der Burg des Strafenden Gottes am Fuße des Gebirges eingetroffen. Noch niemals hatte Ma-lo dieses sonderbare Gebilde aus der Nähe gesehen. Damals, noch vor der Geburt seines Großvaters, war es, einer riesigen silbernen Zigarre gleich, wie sie die Männer in den Tavernen zu rauchen pflegten, aus dem Himmel über die Stadt geschossen und geradewegs mit dem vorderen Teil in die ersten Felsen des Berges geprallt. Dort lag es seither, und nichts regte und rührte sich. Nur als ein paar mutige Männer der Stadt das Ding näher untersuchen wollten, hatte sich eine Pforte aufgetan. Kaum hatten die Unglücklichen sie betreten, hatte sie sich von selbst wieder geschlossen. Man hatte von den Männern nie wieder etwas gesehen oder gehört. Vor genau dieser Pforte standen sie nun. In der fugenlosen Wand dieses sonderbaren Bauwerkes waren ihre Umrisse kaum auszumachen, aber wenn man genau hinschaute, sah man, daß sie da war. Es gab jedoch keine Klinke, kein Guckloch, nichts. Unter groben Flüchen und Schmährufen zerrten die Schergen nun Ma-lo und Cha-rill vom Karren. Mit Spießen, die sie zu diesem Zweck durch Holzstöcke verlängert hatten, stießen sie nach Ma-lo, um ihn noch weiter auf die Öffnung zuzutreiben. Da Ma-lo durch eine Kette mit Cha-rill verbunden war, mußte er den Freund über die Schulter nehmen, wollte er den spitzen Spießen ent-
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rinnen. An eine Flucht war nicht zu denken. Mit den Ketten an seinen Füßen würde er nicht weit kommen. Er strauchelte. Unversehens stieß er dabei an die Wand des Bauwerks. Sie war kühl und glatt, tatsächlich wie Eisen. Doch welcher Schmied konnte ein solches Ungetüm gefertigt haben? Ma-lo kam nicht zu weiterem Nachdenken. Hinter ihm glitt ein Teil der Pforte zur Seite, und er stolperte ein paar Schritte rückwärts, direkt in einen sich öffnenden Schlund, der nun ein gleißendes Licht hinaus in die dunkle Landschaft warf. Ohrenbetäubender Lärm erfüllte jäh die Luft. Unter lauten Schreckensschreien ergriffen die Schergen das Weite. Obwohl sie nicht zum ersten Mal einen Todeskarren hierher gezogen hatten, erfüllte sie die Stimme des Strafenden Gottes mit erbärmlicher Angst. Auch Ma-lo hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, doch das konnte er nicht, weil er Cha-rill festhalten mußte. Furchterfüllt lauschte er dem Getöse, das bei genauem Hinhören mit melodischen Klängen vermischt zu sein schien. Doch er kannte keine Musikinstrumente, die einen solchen Krach verursachen konnten. Höchstens Trommeln. Ja, Trommeln vermeinte er herauszuhören. Und dann war da auch eine Stimme, die etwas in einer fremden Sprache sagte. Oder sollte es Gesang sein? Es klang nicht schön, nur abgehackt und irgendwie bedrohlich. Und dann war da eine weitere Stimme. Direkt hinter ihm. Er drehte sich um. Ein lauter Schrei des Entsetzens entfuhr ihm, obwohl er sich doch vorgenommen hatte, wie ein Mann zu sterben. Aber wenn man einem Gott aus Eisen gegenüberstand, der eine entfernte Ähnlichkeit mit einem selbst hatte und einen in der eigenen Sprache anredete, konnte man schon sämtliche guten Vorsätze vergessen. Ma-lo drehte sich um. Fliehen! Nur fort von hier!, war sein erster Gedanke. Doch er hatte seine Fesseln vergessen, und so fiel er mitsamt Cha-rill polternd zu Boden. Aus den Augenwinkeln sah er, daß sich die Pforte schon wieder geschlossen hatte. Nun waren sie unrettbar verloren. Der eiserne Gott beugte sich zu ihm herunter. Doch mitten in seiner Bewegung hielt er inne. Im Hintergrund, am Ende des Ganges, hatte sich eine weitere Pforte geöffnet. Ma-lo traute seinen Augen nicht. Ungläubig rieb er sie mit beiden Händen. Durch die Öffnung war ein Wasmari getreten. Und dieser winkte ihm freundlich zu. Dann jedoch trat er an die Wand und drückte dort auf etwas, das Ma-lo nicht sehen konnte. Unvermittelt herrschte lautlose Stille. Verwirrt überlegte Ma-lo, ob er vielleicht schon tot war. Möglicherweise war er bereits mit dem Betreten der Burg des Strafenden Gottes in dessen Totenreich gelandet und traf nun auf lange vergangene Nachbarn. Denn der Wasmari, der nun auf ihn zukam, war niemand anderes als Tor-sil, ein Nachbar, der, als Ma-lo noch ein Kind gewesen war, zusammen mit seiner Geliebten vom Stamm der Kreens in die Eiserne Burg des Strafenden Gottes verbannt worden war. Bei dieser Gestalt konnte es sich also nur um dessen Geist handeln. „Du solltest dein Gesicht sehen, Junge“, lachte jetzt dieser Geist. „Ich weiß, was in dir vorgeht. Schweig! Du wirst früh genug alles erfahren. Für jetzt laß dir gesagt sein, daß ihr gerettet seid.“ Ma-lo verstand nichts. Aber Cha-rill fiel ihm wieder ein, den er für die Augenblicke des übermächtigen Schreckens vergessen hatte. Wenn er, Ma-lo, gerettet war, Cha-rill war es noch lange nicht. Der Geliebte war dem Tod näher als dem neu geschenkten Leben. Bekümmert schaute er ihn an. „Robo“, sagte da der tot geglaubte Tor-sil, „kümmere dich um diesen jungen Mann hier. Du weißt, was zu tun ist.“ In die Gestalt des eisernen Gottes kam erneut Bewegung. Er richtete einen seiner grau glänzenden Finger zuerst auf die Fessel, die die beiden jungen Wasmaris miteinander verband. Ein leuchtender Strahl zischte aus der Fingerspitze, die Kette glühte rot auf ... und schon war sie entzwei. Das gleiche geschah mit Ma-los Fußfessel. Dann nahm der Gott Charill behutsam auf seine Arme. Ma-lo wollte eingreifen, doch Tor-sil hielt ihn zurück und ver-
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sicherte ihm, dass Robo den Kranken innerhalb kurzer Zeit von seinem Fieber befreien und auch seine Wunde heilen würde. „Du befiehlst einem Gott?“ fragte Ma-lo ehrfürchtig und sah der Gestalt nach, wie sie mit dem Geliebten auf den Armen dort verschwand, wo Tor-sil hergekommen war. „Er ist kein Gott, Junge. Er ist eine lebende Maschine mit einem endlos langen Namen. Robo-ter-proto-typ und dann noch Zahlen und Buchstaben. Er ist aber damit einverstanden, dass wir ihn Robo nennen. Er gehorcht fast allen unseren Befehlen.“ Tor-sil half Ma-lo auf die Beine. „Komm, Junge, du siehst erbärmlich aus. Einen solch schmutzigen Wasmari können wir hier nicht gebrauchen. Wer weiß, welche Bakterien du einschleppst.“ „Bakterien?“ „Du wirst noch viel lernen müssen“, seufzte Tor-sil. „Immer das Gleiche, wenn ihr hier eintrefft. Du kriegst jetzt erst einmal eine Spritze, und dann wird dich Robo im Medo-tek durchchecken.“ „Ich kann dich kaum verstehen“, wunderte sich Ma-lo. „Welch sonderbare Wörter du sprichst!“ „Die wirst du alle auch noch lernen. Doch nun komm mit mir.“ Als Ma-lo auf einer weichen, mit weißen Stoffen überzogenen Lagerstätte erwachte, konnte er sich kaum daran erinnern, was mit ihm geschehen war. Tor-sil und er waren dem Gott, der Robo hieß und gar kein Gott war, in einen sonderbaren, taghell erleuchteten Raum mit vielen unbekannten Einrichtungsstücken, die Ma-lo keiner Bestimmung hatte zuordnen können, gefolgt. Dort hatte er seine Kleider ausziehen müssen. In der Zwischenzeit hatte sich die lebende Maschine in einem Nebenraum um Cha-rill gekümmert, wie Tor-sil ihm sagte. Dann war Robo gekommen, hatte mit irgendetwas in seiner Hand in seine Armbeuge gestochen, und dann hatte sich Ma-lo nur noch schnell auf eine schmale Liege setzen können, denn ihm war ganz schwummerig vor den Augen geworden. Soweit seine Erinnerung. Doch jetzt fühlte er sich ausgeschlafen und erfrischt. Gewaschen hatte man ihn anscheinend auch. Und ihn wohl mit irgendetwas eingerieben, denn seine Schuppen fühlten sich glatt und geschmeidig an. Er roch den herben Duft unbestimmbarer Blumen. „Bist du endlich wach?“ hörte er da Cha-rills Stimme neben sich. „Kannst du mir erklären, wo wir hier sind? Sind wir tot?“ Ma-los Kopf fuhr herum. Neben seinem Lager stand ein zweites, und darauf lag sein Freund, den Kopf auf einen Arm gestützt und mit fieberfreien, schwarz glänzenden Augen zu ihm herüber blickend. Mit einem Satz war Ma-lo bei ihm. Er schämte sich der Tränen nicht, die ihm aus den Augen quollen. „Du bist gesund“, stammelte er. Mitten in die Umarmung platzte Tor-sil. In seiner Begleitung befand sich eine junge Wasmari. Fast noch ein Kind. Es war die erste Kreuzung zwischen Kreens und Rokans, die Ma-lo und Cha-rill je zu Gesicht bekommen hatten. Sie war wunderschön. Wie faszinierend ihre Haut aus schwarz-weiß-rot-grünem Schuppengemisch aussah! „Meine Tochter Sal-wi“, stellte Tor-sil vor. „Behalte deine Augen und dein Herz für dich, Tochter. Diese beiden sind nichts für dich.“ Das rief Ma-lo in Erinnerung, daß er nackt war, und er sprang genauso schnell zurück unter die weißen Stoffe des Lagers, wie er herausgesprungen war. Das Mädchen lächelte, drehte sich dann um und verließ den Raum. Doch gleich darauf kehrte sie mit einem kleinen Tisch auf Rollen zurück, auf dem in Schalen und auf Tellern herrlich duftende Speisen standen. „Mein Vater meint, ihr müßtet euch erst daran gewöhnen, weil es Syntho-Essen ist. Mir schmeckt es, aber ich kenne nichts anderes.“
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Syntho-Essen? Die beiden jungen Männer schauten sich verständnislos an. Dann zuckten sie mit den Schultern und begannen zu essen. Ihnen schmeckte es ebenfalls. Sie waren ausgehungert wie Raubtiere und, wenigstens für den Augenblick, überhaupt nicht wählerisch. Und dann sah Tor-sil endlich die Zeit gekommen, die beiden Neuankömmlinge aufzuklären. Er gab ihnen fremdartige Kleidung und half ihnen dabei, sie anzuziehen. Dann führte er sie durch endlose, seltsam anmutende Gänge in einen großen Saal, und dort erlebten Ma-lo und Cha-rill die nächste große Überraschung. Hunderte Wasmaris waren dort an Tischen versammelt: Ältere, jüngere, Rokans und Kreens, und die meisten der jüngeren waren Mischlinge wie Sal-wi, Tor-sils Tochter. Sie alle lachten herzlich über die verdutzten Mienen der beiden Neuankömmlinge und hießen sie freundlich willkommen. Bei der folgenden Begrüßung trafen Ma-lo und Cha-rill auf manch bekanntes Gesicht von Wasmaris, die sie längst tot geglaubt hatten. Bei der Eisernen Burg des Strafenden Gottes handele es sich um ein Raumschiff, so erklärte Tor-sil nun, das von den Sternen komme. Während des Fluges habe sich eine Meuterei ereignet, und die Besatzung habe sich gegenseitig umgebracht. Zwar habe ein letzter Überlebender gerade noch ihren Planeten ansteuern können, doch sei er während des Landevorgangs seinen Verletzungen erlegen. Das Raumschiff selbst sei nun defekt, aber es gäbe ein riesiges Beiboot im Hangar, das ausgezeichnet gewartet und jederzeit einsatzbereit sei. Robo habe zwar gewußt, wie man mit diesem Beiboot umging, doch brauchte er dazu Helfer, und außerdem hatte er keinen Auftrag, es in Bewegung zu setzen. Er handele immer nur auf Befehl. Da sein Maschinengehirn ihm gesagt habe, daß das Schiff eine neue Besatzung brauche, um wieder ins All starten zu können, habe er die Zugangsschleuse so programmiert, daß jeder, der sie berührte, ungehindert eintreten konnte. Um seinen neuen Gebietern einen freundlichen Empfang zu bereiten, habe er den Türöffner mit einer Musikanlage gekoppelt, die den Schleusenbereich mit Musikstücken beschallte, die zur Zeit des Aufbruchs des Raumschiffs ins All in der Heimat gerade beliebt waren. „Die ersten von uns Wasmaris“, sprach Tor-sil weiter, „die hier herein gerieten, wußten nicht, wie sie das Raumschiff wieder verlassen sollten, denn wie sollten sie sich mit den komplizierten Mechanismen auskennen? Doch Robo versorgte sie ausgezeichnet, und nach und nach verloren sie ihre Furcht und gewöhnten sich an ihr neues Leben. Und auch die nächsten blieben. Denn was erwartete sie draußen anderes als Verfolgung und Tod?“ Cha-rill und Ma-lo lauschten stumm. Das meiste verstanden sie nicht. Nur daß auch sie hierbleiben würden, das war ihnen klar. Hier waren sie unter Ihresgleichen, und im Gegensatz zu draußen störte sich offenkundig niemand daran, daß sie ein Liebespaar waren. Ganz im Gegenteil hatte es den Anschein, als ob noch mehrere von ihnen anwesend waren, Frauen wie Männer. „Wir haben viel gelernt in der Zeit unseres Hierseins“, sagte Tor-sil nicht ohne Stolz. „Ich selber habe mehr als die Hälfte meines bisherigen Lebens mit dem Studium der Schiffselektronik verbracht. Zusammen mit einigen unserer Freunde kann ich das besagte Beiboot ohne weiteres fliegen. Wir haben es oft genug simuliert. Robo war uns dabei ein hilfreicher Lehrmeister.“ Er machte eine kurze Pause, um aus einem Gefäß zu trinken, das vor ihm auf dem Tisch stand. Dann fuhr er fort: „Und jetzt stehen wir vor einer großen Entscheidung. Wir sind so weit, daß wir mit besagtem Beiboot unseren Heimatplaneten verlassen können. Wir können fliegen, wohin wir wollen. Zum Beispiel auf andere zivilisierte Welten mit intelligenten Lebewesen. Es ist wahr!“ versicherte er, als er Cha-rills und Ma-los ungläubige Gesichter sah. Die beiden beschlossen zu schweigen. Mit der Zeit würden auch sie alles verstehen lernen, dachten sie zuversichtlich. „Aber es gibt ein Problem“, sagte Tor-sil. „Was wir suchen, ist ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit an einem Ort, an dem sich jeder so entfalten kann, wie es seiner Natur entspricht. Wir sind friedliche Leute, wir würden niemanden stören, würden niemandem etwas 27
zu Leide tun.“ Dem konnten Cha-rill und Ma-lo nur zustimmen. „Aber andererseits gibt es hier auf unserem eigenen Planeten unsere Artgenossen, die in Not und Elend leben. Wir haben die Möglichkeit, sie aufzuklären und zu lehren, ein neues, gesünderes und besseres Leben zu führen. Die Frage ist: Würde man auf uns hören? Wie würde man uns überhaupt empfangen, wenn wir dieses Raumschiff verlassen? Würde man nicht wieder versuchen, uns zu töten? Jetzt sind wir nicht mehr wehrlos. Wir haben jetzt Waffen, von denen bisher noch nicht einmal die Kühnsten unserer Erfinder geträumt haben. Wir könnten alle besiegen, die sich unseren guten Absichten in den Weg stellen. Aber ist es das, was wir wollen? Wollen wir töten, wollen wir Krieg?“ Unwillkürlich schüttelten Ma-lo und Cha-rill die Köpfe. Nein, so etwas war doch unvorstellbar! „Das dachten wir uns auch“, stimmte Tor-sil zu. „Also haben wir uns in den Archiven des Schiffs nach Welten umgeschaut, die für unseren Neuanfang in Frage kämen. In unserer Galaxis gibt es Planeten, die völlig unberührt sind von intelligentem Leben. Doch drohen dort ähnliche Gefahren, wie wir sie hier auf unserem Nachbarkontinent vorfinden: wilde Bestien, giftige Pflanzen und Umweltphänomene, die wir nicht kennen und erst verstehen lernen müssen. Die Besiedelung eines solchen Planeten würde viele Opfer von uns fordern, trotz unserer Waffen. Für einen solchen Neuanfang sind wir zahlenmäßig viel zu wenige.“ „Dann sollten wir vielleicht lieber eine Welt suchen, auf der schon Siedlungen bestehen. Sicher werden sie uns ein kleines Plätzchen abgeben, wo wir leben können“, wagte Ma-lo einzuwerfen. „So zu denken, liegt nah“, nickte Tor-sil. „Doch auch diese Lösung scheint nicht ohne Risiken zu sein. Wir haben einen Demonstrationsfilm vorbereitet, den wir allen Neuankömmlingen vorführen. Paßt auf!“ Er zeigte auf eine leere graue Fläche an der Stirnwand des großen Saals, wo plötzlich wie aus dem Nichts Bilder erschienen. „Das ist ein Film des Planeten, von dem unser Raumschiff stammt“, erläuterte Tor-sil. „Ihr seht hier Häuser, die fast in den Himmel reichen, sie stehen so dicht wie die Bäume im Wald. Diese Lebewesen, die da wie die Ameisen in den Straßen herumwimmeln, nennen sich Menschen. Es sind Humanoide, so wie wir, und sehen uns ein bißchen ähnlich. Sie fahren in Autos und Flugmaschinen. Hier, diese Gefährte ...“ Er deutete auf einen Strom voller sich selbständig und schnell bewegender glänzender Karren, die mit Scheiben versehen waren, hinter denen sich Köpfe von Menschen zeigten. Unvorstellbarer Lärm drang aus dem Bild an der Wand. Weder Ma-lo noch Cha-rill hatten solche Töne jemals gehört. Nur einmal, als das Bild wechselte, meinte Ma-lo so etwas zu hören wie das, was er bei seiner Ankunft im Raumschiff vernommen hatte. Diese Laute, die er für die Stimme des Strafenden Gottes gehalten hatte. „Viel freier Platz ist da nicht ...“ sagte er zweifelnd. „Es gibt auch andere Stellen, völlig unbesiedelte und solche, wo entschieden weniger Menschen wohnen“, antwortete Tor-sil. „Aber das ist nicht das, was ich euch zeigen wollte. Hier.“ Das Bild wechselte wieder, und es erschien eine große steinerne Figur, die einen Kranz mit Zacken um ihre Stirn trug. Es sei eines ihrer Symbole für die Freiheit, sagte Tor-sil dazu. Und plötzlich war da ein anderes Bild mit Gestalten, die hohe, spitze und weiße Kapuzenmäntel trugen. Große dunkle Tiere waren da mit aufgerissenen Mäulern, in denen scharfe Zähne schimmerten. Sie jagten hinter anderen Lebewesen her, die wie Menschen aussahen und eine dunkle, fast schwarze Hautfarbe hatten. Manchmal gab es einen grellen Blitz, dann ertönte ein lauter Knall, und oft fiel darauf einer der Flüchtenden mit schmerzverzerrtem Gesicht hin. Bildwechsel: Eine Gruppe Menschen mit weißen Gesichtern und andere mit dunkler Haut bewarfen einander mit Gegenständen oder schlugen mit schmalen Knüppeln aufeinander ein. Es floß viel Blut, das war deutlich zu sehen.
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Ma-lo überlief ein kalter Schauer. Er fühlte sich mitten hineinversetzt in die entsetzliche Fahrt mit dem Karren durch die Stadt, bevor er hierher gebracht worden war. „Hier“, unterbrach Tor-sil seine Gedanken. „Dieses Material stammt aus einem anderen Land. Es scheint etwas älter zu sein.“ Diesmal fehlte den beweglichen Bildern die Farbe. Alles war schwarz, grau und weiß. Es waren nur hellhäutige Menschen zu sehen, aber dennoch deutlich erkennbar zwei Gruppen. Die einen trugen Hosen und Jacken, alle von einem Schnitt, und schwarze Schuhe, die bis zu den Knien hinauf reichten. Diese stießen und zerrten an anderen Menschen, die ganz unterschiedliche Kleidungsstücke trugen, und trieben sie in einen großen hölzernen Karren, in welchen viele von ihnen paßten, viel mehr als Ma-lo und Cha-rill angenommen hätten. Erst als sie dachten, jetzt müßten diese Bemitleidenswerten bestimmt bald ersticken oder zerquetscht werden, wurde eine Tür vor die Öffnung des Karrens geschoben und ein Riegel davor geschlossen. „Ist euch etwas aufgefallen?“ fragte Tor-sil. Sie wußten nicht, was er meinte, also verneinten sie. „Es waren alles Männer. Und sie alle trugen an ihren Jacken oder Hemden ein Zeichen. ‚Winkel‘ nannten sie das Zeichen, und es war von einer blassroten Farbe. Es gab noch ein weiteres Zeichen, um bestimmte Gruppen von Menschen zu kennzeichnen, das war gelb und hatte die Form eines Sterns. Aber ich habe euch mit Absicht erst die Gruppe mit dem Winkel gezeigt. Es handelte sich nämlich um Männer wie ihr es seid, um solche, die sich für die Liebe und das Leben nicht mit Frauen, sondern mit anderen Männern zusammentun. Man hat sie in riesige Gefängnisse gebracht. Und dann hat man sie nach und nach auf alle erdenkliche Weise umgebracht.“ „Weil sie so waren wie wir.“ Es war keine Frage, es war eine Feststellung. Cha-rill hatte verstanden. Und so auch Ma-lo. „Nun kenne ich das Problem, vor dem wir stehen. Du willst uns sagen, daß es hier wie dort und wahrscheinlich auch auf vielen anderen Welten, zu denen wir fliegen könnten, ganz genauso oder ähnlich ist wie hier auf unserem - wie sagst du? - Planeten.“ „Hier wie dort“, bestätigte Tor-sil. „Überall scheint es das Gleiche zu sein. Wir müssen uns sehr gut überlegen, was wir tun sollen.“ (Entstehungshintergrund dieser Geschichte ist das Projekt „SF und Homosexualität“ des SFFlash.de / „Hier wie dort“ erscheint demnächst in Alisha Biondas Anthologie FREMDE WELTEN im Bernd Terlau-Verlag, ISBN 3-935473-04-4, und wurde vom Verlag für die Veröffentlichung in warp-online.de freigegeben / Barbara Jung, im Juli 2001)
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Der Flugzeugabsturz von Tobias Funke
Als ein Flugzeug mit über 200 Menschen zerstört wird, gibt es keinen Ausweg mehr. Ein Raumschiff rast in die Sonne...
Eigentlich hätte dieser EgyptAir-Flug reine Routine werden sollen. Das Wetter an diesem Tag, dem 31. Oktober 1999, war vergleichsweise gut. Mehr als Hundert Kilometer vor der Ostküste der USA, leuchtete ein Warnlicht auf den Armaturen der Boeing 767 auf. Der Pilot sah seinen Ko-Pilot an und dann auf das Wetter-Radar. Er runzelte die Stirn. "Warum gibt's einen Kollisionsalarm. Dort draußen ist doch überhaupt nichts." "Vielleicht nur ein Defekt. Ich werde mir das gleich mal ansehen." Mit einem Mal sackte die Verkehrsmaschine durch und begann mit einem Sturzflug. "Scheiße! - Die Kontrollen reagieren nicht!" Mit Entsetzen Sah er auf den Höhenmesser und die Geschwindigkeitsanzeige. Die 767 war um fast 2500 Fuß gesunken und die Geschwindigkeit näherte sich unaufhörlich Mach 1. Der Pilot zog die Schubhebel zurück. Weder die Umdrehung der Triebwerke änderte sich noch die Geschwindigkeit. In seiner Not schaltete er die Triebwerke ab, oder versuchte es wenigstens. Wieder reagierte das Flugzeug nicht. Als die Maschine um fast 5000 Fuß gefallen war, kehrte die Kontrolle wieder und der Pilot fing die Maschine ab. Dann setzten die Triebwerke aus. Der Pilot hatte vor Aufregung vergessen sie wieder einzuschalten. Wieder sackte die Maschine durch und raste dem Meer entgegen. Während des Sturzes versuchte er die Triebwerke wieder anzulassen. Er schaffte es nicht. Die Boeing 767 der EgyptAir zerschellte auf dem Meer und die Wrackteile sanken in 80 Meter Tiefe. 217 Menschen starben. "Bei Dalan!" Aklon faßte sich mit zwei Händen an die Gehirnkapsel und blickte entsetzt auf das Meer unter sich. Überall schwammen Trümmerteile eines Verkehrsflugzeuges von diesem Planeten. Auch zu Hause auf Dalank wurden noch ähnliche Flugzeuge, da man den Bewohnern dieses Planeten nur um etwa 150 Jahre voraus war. Er konnte und wollte nicht glauben, daß er an dem Absturz schuld war. Er, einer der größten dalankischen Wissenschaftler. Er hatte dieses Flugzeug doch nur gescannt! Was sollte er jetzt tun? Er schloß seine vier Augen. Tief in seinem Inneren glaubte er die Schreie der sterbenden Menschen zu hören. Er wollte erst mit dem großen Forschungsrat Kontakt aufnehmen, der in 25 Lichtjahren Entfernung auf Dalank tagte, hielt dann aber inne. Der Forschungsrat würde ihn sofort zurück beordern. Und die zweiwöchige Rückreise würde ihn bestimmt den Verstand rauben. Dalanker achteten jedes Leben und es machte ihnen schon Gewissensbisse wenn sie einen Saugwurm töteten, einen Parasiten der einen Dalanker töten konnte. Er betätigte einen Schalter der sei Forschungsschiff in eine Umlaufbahn bringen würde. Er hätte es besser wissen müssen vor Jahren hatte ein Kollege ein anderes Verkehrsflugzeug gescannt und zum Absturz gebracht. Es war ein Flugzeug von BirgenAir gewesen. Auf der Rückreise hatte er sich selbst getötet, da ihn sein Gewissen gequält hatte. Aklon machte einige Eingaben auf der Tastatur des Bordcomputers. Alle Daten, die er gesammelt hatte, wurden in einer Art Boje gespeichert. Als sein Schiff einen Orbit erreichte schoß er sie ab. Sie würde immer weiter beschleunigen und dann mit einem kleinen Überlichttriebwerk nach Dalank fliegen. Dann verließ sein Schiff den Erdorbit und steuerte auf die Sonne zu. Er würde das einzig richtige tun. Er würde sich in die Sonne dieses Planeten stürzen und Dalan damit um Verge30
bung für den Mord an über 200 Lebewesen bitten. Wenn er Glück hatte würde er nur in der Zwischenwelt bleiben. Sollten ihm Dalan nicht vergeben, wartete ein Dasein als ein Doman auf der Heimatwelt auf ihn. Er würde ewig für den Mord büßen. Kurz bevor er durch Korona der kleinen gelben Sonne stürzte. Mußte er an die Menschen denken. Sie waren eine anziehende, aber doch auch abstoßende Spezies. Sie hatten absolut keine Achtung vor dem Leben. Sie töteten einander und andere Lebewesen. Und ihre vielen Glaubensrichtungen konnten sie nicht mit der Wissenschaft vereinen. Die menschlichen Wissenschaftler hätten ihn für seinen überstarken Glauben für verrückt erklärt. Dann tauchte sein Schiff unter die Oberfläche der Sonne. Seinen letzten Gedanken schrie er laut aus, bevor des Plasma der Sonne die Hülle seines Schiffes durchdrang und ihn tötete. "Vergieb mir, Dalan!!"
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Das Swing-Trio: Kundenbedürfnisse von if
Fleisch ist köstlich. Oder auch nicht. Es kommt halt drauf an.
Hallo, da bin ich. Ich hoffe inständig, Sie haben nicht so arg lang auf mich gewartet. Gut, dann muß ich mir ja keine Sorgen machen. Sie freuen sich aber schon darauf? Na, dann ist ja gut. Ich kann Ihnen hiermit versprechen, dass Sie sich nicht zu unrecht freuen, denn die Geschichten sind spannend, obwohl sie auf wahren Ereignissen beruhen. Ja, sie sind wahr. Glauben's Sie mir: Manchmal mögen sie wirklich unwahrscheinlich klingen, doch ich schwöre es, sie sind wahr. Ja, wahr. Wer ich nochmals bin? Hat man mich noch nicht vorgestellt? Nein. Auch nicht schlimm. Dann mach ich es halt selbst. Na, ich bin der Benjamin Blume. Manche meinen ja , ich sei ein äußerst arroganter Sohn reicher Eltern. Andere meinen, ich sei etwas distanziert und kühl. Ja, das meinen einige, aber so kann man es auch nicht wieder sagen. Wie diese Leute auf das Vorurteil kommen, dass ich kühl und distanziert sei? Tja, um ehrlich zu sein, so genau weiß ich es auch nicht. Ich mutmaße mal. Vielleicht weil ich immer in der Villa meiner Eltern wohne, weil ich vielleicht elegant gekleidet bin. Nicht, ich bin doch gut gekleidet? Oder vielleicht auch weil ich oft in Max' Swingbar gehe. Ich hoffe, Sie gehören nicht zu diesen oberflächlichen Menschen. Oder wirke ich distanziert und kühl? Na, also. Es gibt auch ein ganz anderes Vorurteil über mich. Manche Leute glauben tatsächlich, ich brauche mich um nichts mehr zu kümmern, ich kann mir einen faulen Lenz erlauben. Doch eins will ich einmal klar gestellt wissen, ich bin nicht faul. Ich bin sogar ein fleissiges Kerlchen. Kann ja jeder sagen, meinen Sie. Stimmt. Ich studiere Germanistik, verdiene mein Geld als Gelegenheitsreporter des Hauptstadtblattes und bereite emsig meinen ersten Roman vor. Sehen Sie? Oder finden Sie das nicht fleißig? Na, sehen Sie. Aber nicht nur ich spiele eine gewichtige Rolle in diesen Geschichten. Es gibt noch andere Figuren in meinen Geschichten. Dazu gehört erstens Alexander. Er war einst ein draufgängerischer Typ. Keinem Rock konnte er widerstehen, jedenfalls bis zu einer radikalen Lebenswende war das so. Dazu später mehr. Ich will das Ende nicht vorweggreifen. Sie haben recht, Frau Abend. Da- das ist Frau Abend- die Mutter von Alexander. Und es tut mir leid wegen ihres Sohnes. Ich hoffe, Sie sind schon etwas über die Trauer. Wo war ich in meinem Text stehen geblieben? Er hatte jedenfalls einen Schlag bei den Frauen. Das liegt wahrscheinlich auch an seiner guten Figur, die er sich durch ein hartes Training im Fitnessstudio erkämpft hatte. Die Arbeit in seiner Kampfsportschule stählte zusätzlich seinen Körper, einen Astralkörper um ehrlich zu sein. Wenn man ihn nackt sah, merkte man , was für einen prächtigen Körper er besaß. Eine Figur wie von einer griechische Heldenstatur der klassischen Zeit. Sehen, Sie wollen es sehen. Tja, ich hatte nie 'nen Fotoapparat dabei gehabt. Tschuldigung. Aber ich gestehe, ich war oft richtig neidisch wegen seines gestählten Muskelkörpers. Man hätte oft neidisch werden können, denn er war oft nackt. Tut mir leid, Frau Abend, er war nun mal oft nackt. Aber meistens war er eher unfreiwillig unbekleidet. Später mehr. Stimmt, er hatte sonst einen äußerst eleganten Kleidungsstil. Kommen wir zu Christian Clauß. Christian Clauß ist eine weitere wesentliche Figur in meinen Geschichten. Er war Gourmet und das sah man ihm auch an. Er besaß eine wirklich rundliche Figur. Vielleicht führte diese rundliche Figur dazu, dass er schwul wurde. Welche vernünftige Frau konnte so ein Pummelchen schon lieben? Manche behaupten, er könne gut zuhören. Gehört das aber nicht zum Standard bei einem Barmixer? Christian ist nämlich Barmixer bei Max von der Ratte- einer weiteren wichtigen Figur in meinen Geschichten. Eigentlich war er ja Kriminalist. Der Adlige schmiß aber seinen 32
Job, um in Berlin-Mitte ein kleines Swinglokal aufzumachen. Ich war dort oft und freundete mich mit ihm und ,zugegeben, auch mit Christian an.
Kapitel 1 Kundenbedürfnisse Eigentlich begann die ganze Geschichte ziemlich harmlos. Es war ein angenehmer Frühlingstag. Die Sonne schenkte uns ihre volle Aufmerksamkeit. Ein kühles Lüftchen strich sanft über unsere Haut, über unsere Haare und über unsere Kleidung. Der Autokassettenrecorder swingte. Genau richtig- Musik von Glenn Miller natürlich. Wir fuhren mit meinem Maybach zur Pressekonferenz des millionenschweren Agrarunternehmers Heinz Heinzens. Dieser Unternehmer hatte nämlich vollmundig das Huhn 2100 + angekündigt. Mein Chef erwartete keine große Sensation, und da er nicht die Zeit seiner Professionellen verschwenden wollte, schickte er mich zu dieser Pressekonferenz. Christian nahm ich als Experte mit. Christian kannte sich in der Zubereitung von Essen excellent aus. In der umgebauten Scheune. Heinz Heinzens verwöhnte uns, Presseleute, mit zahlreichen Leckereien, die auf unsere hungrigen Mäuler warteten. Der gefräßige Christian konnte sich nicht in Zaum halten und griff sofort, als wir ankamen, zu. Eine kleine Band junger Gören spielte die grossen Hits der Saison nach. Backstreetboys, Echt und die Blödelhits eines gewissen Stefan Raabs- all das wurde uns präsentiert. Ich muß zugeben, die Band war ziemlich gut. Auch sonst war alles angerichtet. Stuhlreihen waren aufgebaut, Vorne befand sich ein Podium. Es war noch nicht besetzt. Ein eifriger Stift überprüfte lediglich die Mikrofone. Neben diesem Podium stand ein gewaltiger Käfig. Die neuartige Kreatur wurde also in diesem Käfig hinter einem weißen Vorhang versteckt. Darauf war zu lesen :"Huhn 2100+". Das sollte wohl die Spannung erhöhen. Ja, unsere Aufregung und unsere Neugier sollte ins Unermeßliche gesteigert werden. Tja, die meisten ließ dieser protzige Aufwand aber vollkommen kalt. Das ist doch nur ein neues Huhn und was soll man da schon erwarten, dachte auch ich. Manch ein Reporter scherzte auch über den gewaltigen Aufwand. Einer raunte mir leicht spöttisch zu:"Sehr professionell gemacht. Jetzt haben selbst die Landeier heraus, wie man auf seine Sache aufmerksam macht. Das darf alles nicht wahr sein. Auch das Land macht vor den Neuerungen nicht halt. Schon verrückt." Auffällig viele junge Reporter waren erschienen. Offenbar hatten die wenigsten Chefredakteure etwas wahnsinnig Neues erwartet. Als wir dann fast alle Platz genommen hatten, ergriff der Firmensprecher, ein schneidiger Geselle, das Mikrofon :"Bitte, üben Sie sich noch ein wenig in Geduld. Sie kommen gleich. Die großen Bosse kommen gleich. Gleich wird das große Geheimnis gelüftet." Während der Ansage schaute ich Christian grinsend an, stopfte gemütlich meine Pfeife und ließ mich zu ein paar spöttisch-satirischen Bemerkungen hinreißen. Ich fand das ganze einfach zu albern. Christian signalisierte mit einem Nicken, dass er die Lage ähnlich sah. Er hatte dabei ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Anscheinend amüsierte auch er sich über diesen gigantischen Aufwand. Dann kamen auch endlich Heinz Heinzens und sein Forscher Jim H. Hinterwood herein. Der vollschlanke Agrarunternehmer hatte augenscheinlich eine Vorliebe für schmucke Anzüge aus dem Hause Armani. Damit zeigte er, dass er es geschafft hatte, dass er zu Geld gekommen war. Er hatte es ja auch wirklich geschafft. Den väterlichen Hof hat er zu einem stattlichen Agrarunternehmen ausgebaut. Es war damals das größte seiner Art in Deutschland. Sie werden wahrscheinlich auch ein paar Produkte von seiner Firma gekauft haben, da bin ich mir sicher..
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"Ich heiße sie herzlich willkommen", begrüßte er uns gut gelaunt, "Ich freue mich, daß sie alle so zahlreich erschienen sind. Heute präsentieren wir ihnen voller Stolz das Huhn 2100 +. Es kommt den Wünschen vieler Familien zu Gute, denn häufig streitet man sich, wer die leckere Keule bekommen darf. Jetzt hat mein wissenschaftlicher Mitarbeiter, der exzellente Genforscher Jim H. Hinterwood, eine Lösung für dieses Problem gefunden. Und ich bin stolz jetzt ihnen diese geniale Lösung zu präsentieren." Heinz hielt eine kurze Rede und gab danach der Band einen Wink. Sie spielte einen Tusch, während Jim H. Hinterwood aufstand und zu diesem Käfig eilte. Bis dahin ließ es mich noch kalt. Was soll da schon passieren, dachte ich mir. " Nun darf ich Ihnen, lieber Jim H. Hinterwood, voller Stolz erlauben, unser Huhn 2100+ endlich zu enthüllen.", bat Heinz freundlich seinen Mitarbeiter. Der Wissenschafter folgte der Bitte und nahm das Laken vom Käfig. Ich staunte. Im Käfig befanden sich ein paar Hühner und Hähne und zwar mit vier Beinen. Sie hatten keine Flügel. Ja, Sie können sich erinnern. Sie haben auch davon in den Zeitungen gelesen. Jim H. Hinterwood erklärte der interessierten Hörerschaft, wie er diese Kreatur erschaffen hatte, doch mich interessierte es nicht mehr, denn ich war erschrocken über diese erbärmliche Kreatur von Huhn und fragte mich, zu was der Mensch noch alles fähig sei. Unser Pragmatiker Christian versuchte, auch die Vorteile der Kreatur zu finden. "Dann kriegt jeder seine Keule. Ist doch praktisch, irgendwie" Ich teilte seine Ansicht nicht. Ich empfand es als scheuselig! Mir fiel ein Ausspruch eines klugen Kopfes ein, der da sagte :"Der Fortschrittsgedanke der Zivilisation hat sich als ein Übermut des Menschen entschleiert." In diesem Augenblick konnte ich diesen Gedanken voll und ganz unterstreichen. Zu Hause tippte ich meinen Artikel in mein Notebook. Ich versuchte meine Abscheu gegen diese gentechnische Kreatur in Worte zu kleiden und wandte mich somit auch gegen die Ausläufe der Gentechnik. Natürlich bemühte ich mich um eine humorvolle Betrachtungsweise. Moralinsaures gibt es schon zur Genüge. Als ich fertig war, las ich mir meinen Text noch einmal durch. Ich war überzeugt von ihm und auch überzeugt von der leicht pädagogischen Intention meines Aufsatzes. Selbstverständlich nahm ich an, Hans Hugenberg, mein Chefredakteur, teilte meine Ansichten. Um es zuzugeben, ich war stolz auf meine Arbeit. Doch Pustekuchen.... "Wir sind doch keine Moralanstalt, nicht?", belehrte mich Hans Hugenberg "Die Leute bilden sich ihre eigene Meinung. Freund, du hast dem geneigten Leser lediglich Informationen über dieses Thema zu präsentieren. Fakten, Fakten, Fakten. Nichts anderes zählt! Das erwartet der Kunde von uns. Das ist das Bedürfnis unserer Kundschaft." Ich war baff. Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich zu sammeln. Ich stammelte :"Aber, sie müssen doch zu geben, das ist doch ein unnötiger Eingriff in die Natur." "Freund, das mag sein, doch wo wollen wir da die Grenze ziehen? Freund, jeder hat seine eigenen Grenzen", entgegnete mir mein Chef kaltschnäuzig. "Wo soll das enden? Ich bezweifle, daß der Mensch auch Halt vor seiner eigenen Art macht." Er ging aber leider nicht weiter auf meine Argumentation ein. Mein Chef sah nicht das Gespenst am Himmel. Er beharrte auf Fakten. Fakten, Fakten, Fakten- sein Ausspruch und der noch geklaut. Ich konnte nicht von meinem moralischen Standpunkt weichen. Für mich wogen die moralischen Bedenken zu schwer, um dieses Thema nur in einem kühl-sachlichen Bericht abzuhandeln. Wir kamen auf keinen gemeinsamen Nenner. Mit meinen bösen Vorahnungen sollte ich später einmal Recht bekommen. Ja, später. Zu... Na ja, wir wollen nicht vorgreifen. Ein kluger Kopf sagte einmal "Leben ohne Erleben ist Vegetieren", deshalb grübelte ich nicht stubenhockerisch zu Hause weiter über dieses Problem nach und ging in den Club meines
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geschätzten Freundes Max von der Ratte. Stimmt, ich wollte mich einfach ablenken. Ich wollte in Musik und Tanz schwimmen. Als ich kam, griff Max von der Ratte wieder mal kräftig in die Tasten, die seine Welt bedeuteten, jedenfalls seitdem er den Beruf des Polizisten an den Nagel gehangen hatte. Mein Freund Christian schenkte aus. Mein Freund Alexander baggerte mal wieder ein hübsches Mädel an. Sicherlich die gleiche Masche wie immer. Die Frauen mit Komplimenten zu überhäufen- die Taktik war immer erfolgreich. Ich habe es Gott sei dank damals nicht nötig gehabt oder besser gesagt: noch nicht nötig gehabt. Meine Freundin Karolina wartete nämlich auf mich in der Bar. Ich begrüßte meine Freundin mit zwei charmanten Küßchen auf beide Wangen. "Hallo, mein Schatz!", lächelte ich. "Schön, dass du endlich gekommen bist.", freute sie sich. Doch danach :" Wie war die Arbeit? Wie ist der Artikel angekommen, min Dichterle?" Frauen können es einfach nicht lassen, Fragen zu stellen. Meine Freundin war keine Ausnahme. Ich konnte meine Niederlage nicht eingestehen und schwieg, man sah sie mir trotzdem an. Ich weiß nicht, warum mein Körper immer alles verraten muß. Karolina strich sanft über meine Wange. "Ach, Dichterle, das tut mir leid. Was hat denn der Hugenberg gesagt?" " Es war ihm zu moralgeschwängert. Er wollte Fakten, Fakten, Fakten!", gab ich knapp als Antwort. Zu Hause tröstete sie mich mit ihren zärtlichen Berührungen und hüllte mich in ihre liebevollzärtliche Zuneigung ein. Wir waren vereint- eins. Ich in sie. Sie in mich. Es war die pure Lust. Es war der Himmel auf der Erden. Erst später sollte ich erfahren, daß ich es mit ihr nie wieder genießen dürfte. Der Himmel nahm sie von der Erde. Vorher machte sie aber einen unnötigen Schlenker in die Hölle. Das war wirklich nicht ihre Art. 4 Tage hatte sie sich schon nicht gemeldet. Es verwunderte mich schon. Ich rief sie an, doch niemand ging ran. So ging ich in ihr Fitneßstudio. Dort stand ihre Partnerin Biggi Tamm an der Reception. "Hallihallöle, was willst du, Benjamin?" "Sag mal, weißt du vielleicht, wo die Karolina ist", wollte ich wissen. "Pe, ne, du. Nee, nee", meinte sie. "Du hast noch keine Vermißtenanzeige aufgegeben, oder ?" "Ich dachte, sie fährt mal wieder zu ihrem Vater an den Bodensee. Er ist doch schwer herzkrank. Schon mehrmals kam er ins Krankenhaus. Na, jetzt nehme ich an, dass es wieder so ist." "Ach so. Und ohne etwas zu sagen?" "Tja, das macht sie doch immer so." "Sag mal, haste die Nummer ihrer Eltern? " " Nö!" Ich telefonierte mit der Auskunft. Sie gab mir freundlicherweise die Nummer ihrer Eltern. Dann rief ich bei ihren Eltern an. Sie war nicht bei ihnen. Wo war sie also dann? Ich wußte mir nicht anders zu helfen und gab eine Vermißtenanzeige auf. Man machte mir bei der Polizei aber keine Hoffnungen. Irgendwann erzählte ich es auch Max, als er am Klavier klimperte. "Deine Freundin ist verschwunden. Weißt du, was mich wundert? Die Vermißtenanzeigen häufen sich." "Tatsache?" "Ja, ich habe eben mit einem Freund von der Kripo geredet." 35
"Ach so." " Was mich noch wundert, alle Vermissten sind relativ jung und sehr durchtrainiert. Seltsam. Vielleicht hat es auch nichts zu sagen.", meinte Max. Als ich eines Tages die Zeitung aufschlug, war ich verblüfft. Dort las ich über die Vorstellung des exclusiven und edlen Fleisches 2100 + aus dem Hause Herrn Heinzens. Sie können sich erinnern. Bitte, verderben Sie mir die Pointe nicht! Herr Heinzens lobte ,dem Artikel zufolge die Qualität seines Produktes in den Himmel und garantierte feierlich die Reinheit von Dioxinen und Hormonen und all den anderen schädlichen Stoffen. Da hohe Qualität bekanntlich nicht so einfach zu erreichen ist, sollte dieses Fleisch nur in geringen Stückzahlen produziert werden. Das sollte sich auch in einem dementsprechend hohen Preis ausdrücken. Der Artikel in der Zeitung war logischerweise nicht von mir geschrieben worden, sonst hätte ich nicht erst in der Zeitung davon gelesen. Mein Chef vertraute mir das also nicht mehr an. Er hatte anscheinend Angst, daß ich wieder moralisch geworden wäre. Ich wäre ihm nicht sachlich genug gewesen. Ich hätte vielleicht nachgefragt, was es für ein Fleisch gewesen sei. Katze oder Hundefleisch, man hört ja so vieles. Wenn solch kritische Nachfragen unsachlich gewesen wären, dann wäre ich unsachlich gewesen. Hätte ich nur mal unsachlich sein dürfen. Mein Freund Christian hatte anscheinend keine Probleme damit. Er servierte uns das Fleisch 2100+ in einer schmackhaften Form, ohne das wir wußten, dass es das Fleisch 2100 + war. Ich lobte ihn für seine Kochkünste und wollte wissen, was es sei. "Mmh, schmeckt ja lecker. Was ist das denn?" "Dieses neue Fleisch. Fleisch 2100+." "Ja, das schmeckt wirklich lecker", lobte ich nochmals. "Ja, es war in einem Supersondersparangebot und das Schnäppchen mußte man einfach nehmen.", erzählte er mir. Hätte ich gewußt, was es für ein Fleisch gewesen wäre, hätte ich diesen Braten nicht so sehr genossen. Ich hätte ihn auch nicht bei mir behalten. Ich wußte aber nicht, was das für ein Fleisch war. Oh, wie süß ist das Nichtwissen. Sie geben mir recht. Oh, sie haben auch davon gegessen. Doch ich hatte andere Probleme, als dieses Fleisch. Ich trauerte noch immer um meine Karolina. Sie war schon seit 10 Tagen verschwunden. Doch auf die Lösung dieses Problems kamen wir nicht. Wer kommt schon auf solch eine verrückte Idee? Verrückte Idee? Na ja, ich will es mal so nennen. Aber der Reihe nach: Wir gelangten nur durch einen gewaltigen Zufall dahinter. Was ich Ihnen jetzt berichte, hat mir Alexander später erzählt. Um es kurz zu machen: Alexander besuchte mal wieder sein Fitneßstudio, um seinen Körper zu stählen. Er glaubte damit, noch mehr Herzen des weiblichen Geschlechts gewinnen zu können . Natürlich ist das eine abwegige Idee, das tut aber dennoch nichts zur Sache. Da er früh morgens das Fitneßstudio besuchte, befand er sich fast ganz allein dort. Nur ein paar andere Verrückte taten es ihm gleich und leisteten ihm Gesellschaft. Als er gut gelaunt pfeifend dann unter der Dusche stand, stürmten drei vollkommen vermummte Männer herein. Sie ergriffen meinen Freund. Dieser versuchte sich natürlich dagegen körperlich zu wehren, doch er kam nicht gegen die Männer an. Sie hatten ihn voll im Griff. Er versuchte um Hilfe zu schreien, doch diese Handlanger hielten ihm brutal den Mund zu. Dann schleppten und zerrten sie ihn über eine Hintertür aus dem Fitneßstudio in einen kargen Hinterhof. Dort stand ein Lkw. Auf der eigentlichen Ladefläche war eine große Kabine aus Metall befestigt worden. In diese Kabine konnte man nicht hineinsehen. Von diesen beiden brutalen Handlangern wurde der wehrlose und unbekleidete Alexander hinein geschmissen. Dann wurde die Tür zugedonnert. Die Kabine war verschlossen. Alex36
ander richtete sich langsam auf und schaute sich um. Dort lagen auch schon vier andere nackte Männer und zwei nackte Frauen. Alle gut durchtrainiert. "Wo bin ich?", fragte Alexander, als er sich langsam aufrichtete. Die anderen zuckten mit ihren Schultern. Sie alle ahnten auch nicht, wo die Reise hinging. Sie waren genauso unwissend wie er. Doch das Ziel sollte die schlimmen Erwartungen übertreffen und zwar alle. Vorher füllte sich der LKW allmählich. Die schwarz vermummten Handlanger schleuderten in herz- und gedankenloser Brutalität weitere unbekleidete junge und durchtrainierte Männer und Frauen in die eingepferchte und ängstlich schweigende Menschenansammlung. Man traute sich kaum ein Wort zu sagen. Schweigend sah man sich an und harrte der Dinge, die da so kommen mochten. "Brutal, brutal. Ich finde, man behandelt uns wie Vieh.", brachte es einer der Menschen auf den Punkt. Während die jungen Körper in diesem dunklen LKW eingekerkert waren, gondelte dieser durch eine bezaubernd frühlingshafte Landschaft. Ein sanftes, jungenhaftes Grün schmückte die Bäume. Blumen strahlten in voller Farbenpracht. Die Wolken hatten sich sprichwortlich in Luft aufgelöst. Angenehm die Temperaturen- nicht zu heiß und nicht zu kalt . Kurzum der Tag war eigentlich wunderschön. Dann auf einem Fabrikgelände. Der Lkw wurde geöffnet. Die jungen, fast unschuldigen Körper rutschten und purzelten wie Vieh eine Rutsche herunter und kamen auf ein Fließband in eine große, durchtechnisierte Halle. Kalt, mechanisch, steril. Dort warteten nämlich mollige Arbeiterinnen auf diese Typen. Arbeiterinnen, die froh waren, nach einer langen Zeit der Arbeitslosigkeit endlich wieder Arbeit gefunden zu haben. Sie machten also alles. Der erste Mann rollte auf die Frauen zu. Drei dieser Frauen hielten den armen Kerl fest, so daß er sich nicht mehr wehren konnte. Eine andere nahm eine Spritze und spritzte ihn bedenkenlos bewußtlos. Die Opfer schauten erstarrt zu. Sie wehrten sich nicht. Der Schock lähmte sie. Alexander aber nicht. Er richtete sich nämlich auf und kletterte vom Fließband, bevor ihm diese Frau mit einer Spritze bewußtlos spritzen konnte. Die Frauen ließen ihn aber nicht so einfach gehen. Eine dieser Frau drückte auf einen roten Knopf, einen Alarmknopf . Und schon waren sie dazwei Securitymänner mit dem bulligen Escheinungsbild. Sie sollten Alexander hier festhalten. Mit aller Gewalt. Alexander durfte nicht entkommen. Gott sei dank- ich sage nur, Gott sei dank konnte Alexander diese beiden Handlanger abschütteln. Mein Freund wehrte sich in Todesangst. Wahrscheinlich hat sein jahrelanges Kampfsporttraining geholfen. Als die beiden endlich auf dem Boden lagen, suchte er das Heil in der Flucht und stürmte los. Und er lief so schnell, wie er nur konnte. Ängstlich zitternd, um sein Leben bangend, verschwand er hinter einer Tür. Dort war ein Flur und der unbekleidete Alexander flitzte durch diesen Flur. Er vergewisserte sich mehrmals bange, ob er unbeobachtet sei. An seinem hörbaren Atem konnte man seine Angst erkennen. Doch dann erschienen diese verdammten Handlanger wieder. Aber er konnte sich vorher in einem verstaubten Aktenzimmer verstecken, so liefen die beiden dumpfen Handlanger weiter. Als Alexander, mein Freund, aus diesem Aktenzimmer kam, atmete er erstmal erleichtert auf. Weg waren diese dumpfen Männer. Aber dann ging es auch schon wieder los. Er mußte hier raus. Raus, raus, raus. Während mein guter Kumpel durch die Flure um sein nacktes Überleben lief, erwartete Heinz Heinzens im repräsentativen Teil des Gebäudes den schwerreichen Scheich Uhned Surgend. Der Scheich suchte nach neuen Geschäftsmöglichkeiten, denn die Ölquellen werden ja nicht ewig sprudeln.
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Andere Scheichs investierten schon fleißig in die Touristikbranche. Sie zauberten Hotelpaläste aus dem Wüstensand, modernisierten ihre alten kostbaren Moscheen, rekonstruierten geschichtsträchtige Stätten alter Kulturen und entwickelten ein attraktives Sportprogramm. Andere verteilten ihr Geld an Unterhaltungskonzerne und unterstützten das Pay-tv-programm alter Medienimperien. In diesem Agrarkonzern glaubte Uhned Surged halt eine gute Geldanlage erkannt zu haben. Schließlich bestach die märkische Firma durch gute wirtschaftliche Zahlen. Wachstumprozente von über 10 % gehörten zum Regelfall, nicht zur Ausnahme. Binnen weniger Jahre avancierte der Heinzen-Konzern zu einem der großen in der Ernährungsbranche. Mit gut plazierten Neuerungen und spektakulären Innovationen erreichte man diesen beachtlichen Aufstieg. Weitere Neuerungen waren zu erwarten. Die Zahlen würden auf ihrem konstant hohen Niveau bleiben. Sowohl die Zahlen als auch das Konzept überzeugten den Scheich. Doch vor der Vertragsabzeichnung wollte sich der Scheich den Firmenkomplex noch einmal persönlich anschauen. Schließlich wollte er genau wissen, womit er sein Geld in Zukunft vermehren würde. Der Scheich kam dann auch. Auf einem Kamel. Der Scheich war schon ein verrückter Kerl. Der Scheich konnte sich diese Verrücktheit auch leisten. Er schwamm ja im Geld. Nachdem Uhned Surgend von seinem Trampeltier gestiegen war, schritt dieser die herrschaftliche Treppe herauf und begrüßte umarmend Heinz Heinzend. Dann ging man in die edle Empfangshalle. Ein Mitarbeiter band das Kamel an einen Strauch an und ging dann gedankenversunken wieder weiter. Was scherte ihn das Kamel? Alexander konnte sich noch rechtzeitig hinter einer gewaltigen Topfpalme wegstecken, als Scheich Uhned Surgend und Heinz Heinzens plaudernd, witzelnd und scherzend in die pompöse Empfangshalle hereinkamen. Die beiden Herren verstanden sich ausgezeichnet. Man hatte sich anscheinend auch viel zu sagen, denn man quatschte und quatschte. Es wollte kein Ende haben. Alexander kam die Zeit elendlang vor, die er sich hinter dieser Palme verbergen mußte. Schließlich hatte er noch ein paar Verfolger hinter sich, die ihm zu Hackfleisch und zu anderen fleischlichen Spezialitäten verarbeiten wollten. Mehrmals warf er einen Blick in den Flur, aus dem er kam. Doch das Unheil drohte noch nicht. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis es doch drohte. Er mußte so schnell wie möglich weg. Er mußte es ohne viel Aufsehen tun. Niemand durfte ihn dabei sehen. Niemand durfte sehen, wie er über den Flur flitzt. Und dann war endlich der Moment. Der Agrarunternehmer verzog sich mit seinem Gast, dem Scheich, in ein anderes Zimmer. Anscheinend benötigte man für die Verhandlungen eine ruhige, angenehme Gesprächsatmosphäre. Mein Freund atmete auf. Und er- er konnte losspurten. Er konnte endlich losspurten. So stürmte er aus dem Gebäude. Immer noch nackt. Er hastete ängstlich die Treppe herunter. Dort war das Kamel. Er mußte hier so schnell wie irgendwie möglich wegkommen. Er war noch nie auf einem Kamel geritten. Aber er hatte keine andere Wahl. Es war wahrscheinlich seine einzige Chance. So band er das Wüstenschiff los, versuchte dann aufzusteigen. Einmal scheiterte er, doch dann glückte der nächste Versuch. Zunächst wußte er nicht, wie er das Tier in Bewegung setzen sollte. Er probierte mehrere Sachen aus. Als er mit dem Fuß leicht in die Oberschenkel des Kamels stieß, trabte das Kamel endlich los. Gott sie dank- noch rechtzeitig. Alexander hatte anfänglich Probleme, sich auf dem Kamel zu halten. Schließlich nutzte er diese Fortbewegungsmöglichkeit wie gesagt zum ersten Mal. Doch schnell paßte er sich an die schaukelnden Bewegungen des Kamels an und ritt durch den Wald. Mehrmals schaute er bangend hinter sich. Er wollte sich vergewissern, dass ihm niemand folgte. Doch er konnte mehrmals erleichtert aufatmen. Kein Verfolger war in Sichtweite. Nun hatte er nur noch sein Ziel vor Augen. Die nächste Dienststelle der Polizei. Während er so den Wald durchritt, konnte er endlich über die Geschehnisse nachdenken. Jetzt begann er die komplette Lage zu begreifen. Er kombinierte und reimte sich die Geschehnisse zusammen. Er raffte, was das Ganze bedeuten sollte. Das Fleisch 2100 + des Agrarunternehmers Heinz Heinzens war mehr oder weniger Menschenfleisch. Menschenfleisch! 38
Doch die beiden Polizisten glaubten ihm nicht und brachen sogar in schallendes Gelächter aus. Sie amüsierten sich köstlich. Schon seine Aufmachung fanden sie lächerlich. Dann tat die Geschichte noch ihr übriges dazu. Ein nackter Spinner erzählt uns jetzt eine übertriebene Geschichte, dachten sie sich. Dennoch erlaubten die dumpfen Herrschaften ihm, mich anzurufen. Er bat mich mit haspelnder und unruhiger Stimme in dieses Kaff in der Nähe von Berlin zu kommen . Weiterhin trug er mir mit eindringender Stimme auf, für ihn etwas Kleidung einzupacken. Am liebsten hätte ich ihn natürlich gleich am Telefon gefragt, was ihm eigentlich zugestoßen sei, doch spürte ich sofort, dass es nicht die richtige Zeit war, dumme Fragen zu stellen. Ich mußte mit der Befriedigung meiner Neugier noch etwas warten. Alexander, mein Freund, er brauchte mich. Wahllos griff ich nach ein paar Sachen, warf sie in eine Sporttasche und raste in dieses Kaff. Dort wartete er schon auf mich. Doch während sich Alexander von seiner Nacktheit befreite und sich etwas anzog, erzählte er sie mir- seine schauderliche Geschichte. Ich lauschte mit offenem Mund. Ich spürte an seiner Stimme, dass seine Geschichte echt war. Einmal im Gang, setzten meine grauen Gehirnzellen das Denken fort. Ich ahnte , was mit meiner Freundin geschehen war. In drastischen Bildern malte ich mir ihr schauerliches Ende aus. Dann fiel mir noch ein, dass ich auch mal vom Fleisch 2100+ probiert hatte. Weiter konnte ich nicht denken, denn mein Magen begann Lambada zu tanzen. Ich suchte überhastet die Toilette auf. Ich spürte, daß mein Mageninhalt nicht mehr lange mein Mageninhalt bleiben sollte. Im Auto beratschlagten wir, was wir als nächstes machen sollten. Letzten Endes einigten wir uns darauf , daß wir erst einmal unseren guten Freund Max von der Ratte zu Rate ziehen wollten. Dort erzählte Alexander seine Geschichte, obwohl es ihm sichtlich schwer fiel. Er stotterte. Er stockte oft. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Es war ihm ja auch nicht zu verübeln. Noch einmal den ganzen Mist durchkauen. All die schlimmen Ereignisse, dieser reale Horror, mußte er sich dabei noch einmal vergegenwärtigen. Wir verstanden seine Aussetzer. Wir drängten nicht auf Tempo. Wir gaben ihm alle Zeit der Welt. Wir versuchten ihm, ein verständnisvolles Umfeld zu bieten. Max griff nach dieser Geschichte sofort zum Telefon. Dieser Anruf verfehlte seine Wirkung nicht. Schon wenig später konnte man im lokalen Fernsehen bewundern, wie Polizisten den Agrarunternehmer verhafteten. Ich muß zugeben, ich sah dieses mit später Genugtuung. Ich hatte diesem Agrarunternehmer schon von Anfang an mißtraut. Sie werden es sicherlich auch gesehen haben, wie er abgeführt worden ist. Waren Sie auch so wütend über seine laxe Rechtfertigung für seine Tat? Ich kann mich noch heute darüber aufregen, wie er damals seine Tat gerechtfertigt hat. "Kundenbedürfnisse- Man wollte wieder ein gutes Stückel Fleisch auf dem Tisch haben"- was für eine Unverfrorenheit. Am übernächsten Tag wurde ich höflich wieder in die Chefredaktion bestellt. Ich traute meinen Augen nicht, als ich das schlichte Büro betrat. Dort thronte nicht mehr Hugenberg, sondern saß jemand anderes. Es war der Herr Meyer. Er bat mich höflich, über die Erfahrungen meines Freundes einen aufregenden Artikel zu schreiben. Ich tat es. Er nahm den Artikel fast widerspruchslos an. Nur ein paar rechtschreibliche Schnitzer korrigierte er. Doch dann konnte ich es mir nicht verkneifen und erkundigte mich, was mit Hugenberg geschehen sein sollte. Er solle sich einfach aus dem Staub gemacht haben, als der Skandal bekannt wurde. Das gab man mir als Antwort. Ich weiß nicht, ob mein ehemaliger Chefredakteur in dieses Verbrechen involviert war oder nur zuschaute. Ich sollte es nie erfahren.
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Sondermüll von Bernd Regitz
Da gibt es eine kleine geheime Deponie, wo man seien Genmüll loswerden kann...
"Schon wieder so ein Scheißjob, den keiner hatte haben wollen! Und wen musste der Boss dann wieder verdonnern? Natürlich mich!" Solche und ähnliche Gedanken gingen dem Fahrer des Transporters durch den Kopf, während er auf seiner Tour war. "Sie müssen das Zeug irgendwo loswerden, wo es uns nichts oder nur wenig Gebühren kostet", hatte der Chef gesagt, "sie wissen ja, dass in öffentlichen Entsorgungsparks das Abladen von genetischen Restprodukten verboten ist! Und die 1-2 Sonderdeponien sind einfach zu teuer, da bleibt mir, äh der Firma kein Gewinn!" Die Fragen nach der Rechtmäßigkeit dieses Tuns, die bei dem Fahrer aufkamen, wurden vom Blick des Firmenleiters im Bruchteil einer Sekunde entsorgt. Jeder im Betrieb wusste, so etwas wie moralische Bedenken kannte der Alte nicht. Für Ihn zählte in erster Linie das Finanzielle! Sollten sich doch die Anderen und die späteren Generationen mit den eventuell auftretenden Umweltfolgen herumschlagen ! So ein- und gleichzeitig abgewiesen, verließ der Fahrer das Büro seines Bosses. Er ging zum Fuhrpark um sein inzwischen beladenes Fahrzeug abzuholen. Dort angekommen überreichte Ihm einer der Verladungsspeziallisten ein Merkblatt der Auftragsfirma und sagte: "Paß bloß auf! Das Zeugs ist teuflisch. Du darfst auf keinen Fall ungeschützt damit in Kontakt kommen. Am besten Du steigst gar nicht aus, und entsorgst das Zeug über das automatische Ablasssystem!" "Du hast gut reden! Wo soll ich´s denn überhaupt hinbringen? Der Boss hat strikt verboten, es regulär zu entsorgen. Und ich kenne keine wilde Deponie, die mir das Dreckszeug abnimmt! Und einfach so in die Pampas ablassen ist auch nicht, du weist das es die Aufsichtsbehörden nach dem Regierungswechsel sehr genau mit den Kontrollen der freien Flächen nehmen! Da ist in unserem Staat keine wilde Entsorgung möglich!" "Ja, bei uns hier nicht, aber ich hab da einen Geheimtipp für Dich! Eine alte, geschlossenen, Deponie nicht weit hinter der Grenze. Wenn Du dein Zeug dorthin bringst, löst Du alle deine Probleme mit einem Schlag! Keine Gebühr, keine Kontrolle und bis zum Ende deiner Schicht bist Du wieder hier!" "Und die Grenze? Wird da nicht kontrolliert", wollte der Fahrer wissen. "Nein, der Zoll ist total unterbesetzt, und zur Zeit sind die gerade mit allen Mann auf Demo, um sich für eine Aufstockung ihrer Mannschaftsstärke einzusetzen!" "Und das alles weist gerade Du", fragte der Fahrer ungläubig. "Ja, der Bruder des Mannes meiner zweiten Tochter, ist der Fahrer des Dienstwagens des Innenministers und der hat es seinem Bruder, meinem Schwiegersohn, gesagt weil der auch so seine Geschäfte macht", bei diesem Wort zwinkerte der Verlader verschwörerisch. Der Fahrer wollte gar nicht mehr wissen, da er nicht in noch mehr illegale Sachen hineingeraten wollte. "Ok, ist gut. Und wie finde ich diese Deponie?" Sein Gegenüber griff in die Tasche und zog eine Karte hervor, der Fahre wollte gar nicht erst fragen, wieso der andere dieses Schriftstück bei sich trug, wahrscheinlich hatte er schon mit anderen Fahrer diese Art von Geschäft abgewickelt. "Wieviel?" fragte er. "Naja, sagen wir 25 für einmalige Benutzung und 150 wenn Du die Karte behalten willst", erhielt er zur Antwort. 40
Nach kurzem Zögern griff er in seine Tasche, zog seine Börse hervor und gab dem Andren drei Scheine zu je 50. "Gute Wahl", meinte der und übergab nun die Karte. Diese war scheinbar schon etwas älteren Datums, denn mit Schriftstücken dieser Art wurde nicht mehr gearbeitet. Neuerdings gab es zu jeder Karte einen Chip, welcher direkt in den Bordcomputer des Fahrzeugs eingelegt wurde. Auf Wunsch des Fahrers konnte nun sogar der Computer die Steuerung des Gefährts übernehmen, um es selbstständig ans Ziel zu steuern. Doch dieser Luxus fiel hier wohl weg. "Danke", sagte der Fahrer fuhr aber fragend fort, "Die Deponie ist wirklich unbewacht?" "Ja, da war schon ewig keiner mehr! So ein paar Ökofreaks haben schon vor einiger Zeit die Schließung durchgedrückt, weil sich im Laufe der Zeit auf der Deponie ein eigenes, äh wie war das Wort noch mal warte gleich fällt es mir ein, ach ja Ökosystem entwickelt hatte. Soviel ich weiß gibt es dort jetzt ein paar Echsen und noch weiteres Ungeziefer. Wenn Du mich fragst, nicht der Rede wert, aber die vom Ministerium wollen nicht weiter in dieses Ökodings eingreifen. So ein paar Viecher haben heute eine größere Lobby als unsere Wirtschaft. Und all das wegen so ein paar Spinnern." Bevor der Verlader noch weitere Schimpftiraden vom Stapel lassen konnte, stieg der Fahrer ein und verließ den Platz. Falls die Karte korrekt war, würde es eine lange Tour werden. *** Die Deponie lag nun vor Ihm, ein kleiner friedlicher Ort, in einem stillen Teil der Welt. Etwas abseits von den oft befahrenen Routen aber knapp innerhalb der Reichweite seines Gefährtes. So konnte er ohne aufzutanken wieder nach Hause, ein Umstand, welcher bei einer illegalen Aktion, wie dieser, gar nicht hoch genug bewerten werden konnte. Aber nun musste es schnell gehen, bevor doch noch eine der Grenzpatroullien aufmerksam wurde. Schon am äußeren Rand der Deponie öffnete der Fahrer die Luke des Ablassystems. Der Genmüll floss träge aus dem Tank, während sich das Fahrzeug einmal rund um die Deponie bewegte. Als der Anzeiger des Mülltanks auf Null stand, wählte der Fahrer das Spülsystem an. Dieses reinigte mittels einer Speziallösung den Tank von den letzten Resten des Genmülls und sterilisierte ihn gleichzeitig. Nachdem der Tank so für die nächste Tour vorbereitet war, schloss der Fahrer das Ablasssystem und trat die Rückreise an. Vielleicht war es das schlechte Gewissen, vielleicht auch nur Neugier, jedenfalls besah er sich noch einmal die Deponie, die hinter Ihm zurückblieb. Aufgrund der hohen Beschleunigungswerte seines Fahrzeuges sah er die Deponie jetzt schon aus einiger Entfernung. Sie bot ein schönes friedliches Bild. Nur schade, dass die meisten Lebewesen welche sich gerade auf ihr entwickelt hatten wohl zum Tode verurteilt waren. Aber, wer konnte schon wissen, was sich alles ereignen würde, auf diesem Stückchen Erde. Vielleicht hatte gerade er den Anstoß zu einer neuen Entwicklung gegeben! Und wie hieß es doch so schön: "Der Bessere wird überleben!" Als er sich wieder auf die vor Ihm liegende Strecke konzentrierte, war die Deponie für Ihn nur noch eine kleine blaue Kugel, die auf dem samtschwarzen Kissen des Alls ruhte. Der Fahrer dachte nur noch an seine Feierabend, das der von Ihm abgeladene Genmüll das 41
Ende einer Ära eingeleitet hatte, hat er nie erfahren. *** Seit diesem Moment, ist auf dieser Deponie nie wieder Genmüll entsorgt worden ! Ob die Karte wohl noch existiert ? Hoffen wir das es nicht so ist !!!!!
ENDE
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