Joachim Ringleben Wahrhaft auferstanden
Joachim Ringleben
Wahrhaft auferstanden Zur Begründung der Theologie des lebe...
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Joachim Ringleben Wahrhaft auferstanden
Joachim Ringleben
Wahrhaft auferstanden Zur Begründung der Theologie des lebendigen Gottes
Mohr Siebeck
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ringleben, Joachim: Wahrhaft auferstanden : zur Begründung der Theologie des lebendigen Gottes / Joachim Ringleben. - Tübingen : Mohr Siebeck, 1998 ISBN 3-16-146896-1
© 1998 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Microverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Bembo Antiqua belichtet, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Weissenstein in Pforzheim gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden.
Vorwort Wer über die Auferstehung Jesu Christi reden will, darf dabei weder die Gottesfrage im Unklaren oder ganz ausfallen lassen noch die Auferstehung aus dem Zusammenhang mit Wort und Geschichte des historischen Jesus herauslösen. Unter diesen fundamentalen Defiziten litt evidentermaßen – auch für einen unvoreingenommenen Beobachter – der unlängst in der Öffentlichkeit entfachte Streit um Auferstehung und leeres Grab. Beide blinden Flecke sollen hier korrigiert werden – mit spürbaren Folgen für ein besonnenes theologisches Urteil. Ich meine, mit diesem Buch eine durchgeführte Gesamtauffassung der Auferstehung (einschließlich der österlichen Erscheinungen) zur Debatte stellen zu können. Sie ist keineswegs bloß als Reaktion auf jene suggestiv verkürzten Thesen zustandegekommen, sondern schließt an grundsätzliche Überlegungen zur Eschatologie und zum Begriff des ewigen Lebens an, die schon vorher veröffentlicht waren. Zur Begründung einer Theologie des lebendigen Gottes von der Auferstehung her bedarf es wohl einer neuen Auffassung auch vom Verhältnis der Ewigkeit zur Zeit; eine solche versuche ich zu gewinnen. Insofern verdankt sich die hier vorgelegte Auferstehungstheologie ganz dem eigenen Gewicht der Sachfragen und der Konsequenz meiner systematischen Arbeit; jener aktuelle kritische Bezug ist für sie – mit Gründen – eher peripher. Für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Herstellung des Manuskriptes bin ich Frau Regine Pfau zu großem Dank verpflichtet. Göttingen, 30. März 1997
J.R.
Aus dem dritten hauffen werden nu komen und sind bereit viel furhanden, die werden nicht gleuben, das Christus sey von den todten aufferstanden, noch sitze zur rechten Gottes, und was mehr von Christo im glauben folget. Die werden dem fass den boden ausstossen und des spiels ein ende machen. Denn damit wird der gantze Christus untergehen, Und wird die welt nichts halten vom kunfftigen leben. So ist denn Christus nichts mehr. Denn wer das künfftige leben nicht hoffet, der (be)darff Christus eben so wenig, als die küe und andere thier des Paradises. M. Luther, 1538 (WA 50, 269)
Es ist auff erden noch nie (ein) nerrischer, unmuglicher, verzweiffelter ding gehort noch gesehen, denn das ein sterbender mensch solte nicht alleine lebendig, sondern auch Herr und austeiler des lebens und aller todten aufferwecker sein. M. Luther, 1526 (WA 19, 154)
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Kapitel 1: Auferstehung in der Jesus-Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Kapitel 2: Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis . . . . . . . . . . 2. Auferstehung im eschatologischen Horizont . . . . . . . . 3. Der handelnde Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 28 36 45
Kapitel 3: Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
1. Das Wesen der Erscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Die Wahrheit der Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 A. Das Sein des Auferstandenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 B. Die Wirklichkeit der Auferstehung . . . . . . . . . . . . . 79 C. »Am dritten Tage – nach der Schrift« . . . . . . . . . . . 88 3. Zur Visionsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4. Die Begrenzung der Ostererscheinungen . . . . . . . . . . . 100 5. Zur Erscheinung vor Paulus (systematisch) . . . . . . . . . . 102 Kapitel 4: Auferstehung als Neuschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Das leere Grab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Die neue Leiblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Kapitel 5: Auferstehung als die Mitte von Gottes Heilshandeln . . . . . 117 1. Auferstehung und Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Auferstehung und Menschwerdung . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus . . . . 130 Kapitel 6: Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes . . . . 142 1. 2. 3. 4.
Auferstehung und Erhöhung (Himmelfahrt) . . . . . . . . Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh 5,26) . . . Der Tod des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pneuma, Dynamis und Doxa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142 150 157 169
X
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 7: Auferstehung und Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Exkurs: Die Metapher »Auferwecken« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Register Bibelstellen (in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
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Kapitel
Einleitung Virum prudentiorem haberem, si hoc non crederet. Kardinal Bembo1
a. Die Botschaft von der Auferweckung des gekreuzigten Jesus von den Toten durch Gott ist das Fundament des christlichen Glaubens2, und dieser ist ohne die Auferstehungsaussage ebensowenig historisch wie sachlich zu bestimmen3. Zugleich ist diese Botschaft die härteste Zumutung an die verständige Wirklichkeitsauffassung und -einstellung des neuzeitlichen Menschen. Gleichwohl fragen auch die heute lebenden Menschen dringlich nach
1 Zu G. Sabinus über Melanchthons Auferstehungsglauben: »Ich hielte ihn für einen klügeren Mann, wenn er das nicht glaubte«; zit. bei J.G. Herder, Von der Auferstehung, als Glaube, Geschichte und Lehre (1794). 2 Cf. I Thess␣ 4,14, wo p‡sti“ definiert ist! Für Paulus war die Auferstehung dringende »Hauptsache« (†n pr„toi“, I Kor␣ 15,3; cf. Barth, Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 74 u.␣ 81), und für die ganze frühe Christenheit und Urkirche ist das Ostergeschehen »der Angelpunkt« (Kittel, aaO.␣ 165) und »Brennpunkt ihres Selbstverständnisses« (Niebuhr, aaO.␣ 23). Luther hat es klassisch formuliert: »Denn wo dieser Artikel [sc. von der in Christus begründeten Auferstehung] hinweg ist, da sind auch alle ander hinweg und der Heubtartikel und gantze Christus verloren …« (WA 36, 483, 13f.; cf. ähnlich 605, 16ff.). Sie ist »grund und ursache und ende aller artikel des glaubens« (aaO.␣ 605, 20f.), Hauptartikel paulinischer Predigt (523, 25f.; 544, 21f.) und Hauptstück christlicher Lehre (524, 32f.), cf. WA 29, 324–335; 49, 727–746 (es geht um das ganze Evangelium). 3 Nicht nur ist die Auferstehungsbotschaft das centrum Paulinum (Künneth, aaO.␣ 128), was man insbesondere an Luther zeigen kann, sondern es gilt prinzipiell: »Es gibt … keinen neutestamentlichen Text, der nicht von diesem Ereignis her gedacht und geschrieben ist« (Koch, aaO.␣ 62), – das wird auch da gelten, wo in einigen eher peripheren Schriften des NT ausdrückliche Hinweise auf die Auferstehung fehlen (II Thess, Tit, Philem, III Joh, II Petr, Jud, Jak). Insgesamt gilt nicht nur, daß das Neue Testament die »Ostersonne im Rücken« hat (Althaus, aaO.␣ 52), sondern grundsätzlicher noch, daß es ohne den Auferstehungsglauben gar kein NT gäbe. Wir verdanken dem Glauben der ersten Auferstehungszeugen das Neue Testament selber, denn ohne ihre Erfahrungen des lebendigen Herrn wäre es zu dessen Abfassung überhaupt nicht gekommen. Insbesondere ist auch die literarische Gattung der Evangelien eine direkte und spezifische Folge jener Widerfahrnisse, die dann in ihnen berichtet werden. Schon aus diesen allgemeinen Einsichten dürfte hervorgehen, daß die Auferstehungsaussage kein einfach herauslösbares Traditionselement ist, dessen Eliminierung nicht das Ganze des Christentums im Kern beschädigte.
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Einleitung
dem ewigen Leben und der Auferstehungsrealität – ob es so etwas gibt und was es bedeutet –, und die Theologen fragen mit ihnen. Die Spannung zwischen dem modernen Wirklichkeitsbewußtsein, wie es alle Zeitgenossen bis ins Alltägliche hinein bestimmt, und der Rede von Auferstehung wird auch dadurch verschärft, daß das Neue Testament selber uns die Frage nach der Wirklichkeit der Auferstehung unabweisbar und durch keine moderne Interpretation umgehbar stellt, indem es betont: ontos egerthe, vere resurrexit, »er ist wahrhaft auferstanden« (Lk␣ 24,34). Nun ist freilich auch zu sehen, daß nicht erst in der Neuzeit und ihrem wissenschaftlich geprägten Weltbild die absurd scheinende Zumutung an der Vorstellung einer Auferstehung vom Tode empfunden wird. Aristoteles hat ebenso wie auch Plinius so etwas für selbstverständlich unmöglich gehalten4, und kraftvoller, als Luther es tut, kann man das Ärgernis und schwer Erschwingliche am Auferstehungsglauben kaum aussagen: »Denn die Vernunft ist da und … siehet schlicht in das Werk, wie es vor Augen ist, daß die Welt so lang gestanden, und stirbt immer einer nach dem andern, und bleibt alles tot und verwest und gar zerpulvert im Grab, und ist noch nie keiner wiederkommen … Wenn sie [die Vernunft] nun in diesen Artikel gerät und will ihm nachdenken, so ist es gewißlich gar verloren. Denn es kommen ihr soviel wunderliche, seltsame, ungereimte Gedanken vor, daß sie muß sagen, es sei nichts dran …«5 b. Aus dem allen ergibt sich, daß sich das theologische Nachdenken der Frage nach dem Wirklichkeitscharakter des eigentlichen Ostergeschehens – als dem Grunde allen christlichen Auferstehungsglaubens – entschlossen stellen muß6. Dazu hat die Theologie umso mehr Anlaß, als an keiner Stelle so 4 Arist., De anim. I, 3; 406 b 4f. Im Zusammenhang eines Arguments gegen die Bewegung der Seele selbst: sie müßte sich im Raum bewegen, örtlich verändern und d.h. am Körper heraustreten und wieder hineingehen (†xelje‡n – e¢sifinai p›lin); das würde die für A. absurde Folge einschließen, daß gestorbene Lebewesen wieder »auferstehen« (ün‡stasjai). Cf. Plin., hist. nat. 7, 55 und dazu WA 34/I, 273, 3u.␣ 49, 439, 19ff. Anders in der Heraklit-Überlieferung, frg. B␣ 63. 5 Cf. WA 36, 493, 15–26; cf.␣ 494,15ff.; 504, 22ff.; 530, 10f.; 622, 26–34 (!) u.ö. Cf. auch: »und hat mich selbs offt wunderlich und frembd angesehen, und ist ein schwerer Artikel jnns hertz zubringen, wenn ich sehe einen menschen tot hintragen und bescharren, das ich doch mit solchen hertzen und gedancken sol davongehen, das wir werden mit einander widder aufferstehen …« (aaO.␣ 557, 35–558, 14). Auch der ungläubige Spott über dies Pfaffengeschwätz ist Luther bestens bekannt (cf. aaO.␣ 601, 27–29; 615, 30; 620, 28f.). 6 R.R. Niebuhr hat in seinem anregenden und klugen Buch »Auferstehung und geschichtliches Denken« (1960) zu Recht die Überzeugung geäußert, »daß dieses Ereignis [sc. der Auferstehung Christi] es ist, das uns befähigt, christlich über Gott, Geschichte und Natur zu sprechen« (aaO.␣ 5). N. hat in diesem Buch selber den Versuch unternommen, die Auferstehung als Ausgangspunkt einer neuen und spezifisch christlichen Konzeption von Geschichte (und geschichtlichem Verstehen!) methodo-
Einleitung
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wie beim Thema der Auferstehung Jesu Christi die Frage dringlich wird: was ist zuletzt und in Wahrheit »die Wirklichkeit«7? Damit aber bricht bei diesem Thema spezifisch die Frage nach der Wirklichkeit Gottes selber auf. Bei dem Thema Auferstehung zeigt sich definitiv, was man über Gott denkt bzw. wie man eigentlich Gott denkt. Wegen dieser Bewandtnis des Auferstehungsthemas ist als erstes folgendes zu berücksichtigen: Theologisch abwegig ist jede enge Fixierung auf das Thema dergestalt, daß man über das isolierte Mirakel der Wiederbelebung eines Leichnams streitet oder über die ganz abstrakte Frage, ob Gott in seiner Allmacht einen Toten wieder zum Leben erwecken könne, oder über die noch abstraktere, wenn auch scheinbar hart realistische Frage, ob das Grab Jesu leer gewesen sei oder nicht8. Alle diese Fragen sollen zwar möglichst einer Antwort zugeführt werden. Aber sinnvolle Fragen sind es erst in einem umfassenden Zusammenhang, nämlich der Grundaussage von Ostern, daß Gott an Christus wirklich gehandelt hat. Dieser durchgehende Bezug auf einen Begriff vom Handeln Gottes ist die Eigenart der hier vorgelegten systematisch-theologischen Besinnung über die Auferstehung9. Ein solcher Begriff ist einerseits ausführlich zu exponieren10 – und zwar sowohl im Unterschied zu sonstigem Handeln, das wir kennen, wie auch nicht nur in Differenz zu unserem Handeln (also nur negativ), vielmehr positiv als Handeln Gottes ganz im Zusammenhang von dessen eigenem Sein11 –, und er ist andererseits im Lichte des Ostergeschehens selber zu konturieren12. Derart soll die Auferstehung Jesu Christi konlogisch zu reflektieren (cf. aaO.␣ 10), wobei er sich davon leiten läßt, das Auferstehungsereignis als »eine kurze Darstellung des Wesens des historischen Geschehens selbst« zu fassen (11). 7 Cf. Niebuhr, aaO.␣ 5: »Die Auferstehungsüberlieferung (ist) der Punkt, an dem die gesamte christliche Weltauffassung unter dem Gericht steht (Mk␣ 16,8; Act␣ 26,22–25)«. 8 Insbesondere von der ersten und der dritten Einseitigkeit in der Fragestellung bestimmt, hat zuletzt das Buch von G. Lüdemann dazu beigetragen, die Auferstehungsdebatte in einer wenig hilfreichen Weise in die Medienöffentlichkeit zu bringen. Die falsche Abstraktheit des Zugangs konnte sich nur uninformierten Lesern als schonungslose Wahrhaftigkeit im kritischen Hinterfragen empfehlen; zur Einzelauseinandersetzung siehe im Folgenden passim. 9 Darin hat die vorliegende Schrift eine weitreichende und, weil ungesuchte und nachträglich festgestellte, erfreuliche Übereinstimmung mit dem neuen Auferstehungsbuch von I.␣ Dalferth. 10 Der Begriff göttlichen Handelns hat in letzter Zeit überhaupt die Aufmerksamkeit jüngerer Theologen gefunden: cf. Marburger Jahrbuch Theologie I (hg. von W. Härle u. R. Preul), 1987 (darin besonders einschlägig der Aufsatz von Chr. Schwöbel, aaO.␣ 56ff.) und H.J. Körtner: Der handelnde Gott, in: NZSTh 39 (1989), 18–40, sowie Härle, Dogmatik (1995) 283f. 11 Grundlegendes dazu findet sich in meinem Aufsatz: Gottes Sein, Handeln und Werden, in: Vernunft des Glaubens (FS W. Pannenberg), 1988, 457–487. 12 R. Bultmann hat in seiner klassischen Abhandlung »Neues Testament und Mythologie« (1941, Nachdruck 1985) die für das Entmythologisierungsprogramm
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Einleitung
sequent vom Handeln Gottes am toten Jesus her gedacht und dadurch in einen Begriff vom göttlichen Leben eingezeichnet werden13. Auf diese Weise – das ist meine Hoffnung – beginnen auch die historisch umstrittenen Osterberichte des Neuen Testamentes über die Erscheinungen des erhöhten Herrn an seine Jünger zu sprechen. Denn erst in diesem Horizont, d.h. wenn man versteht, was für eine Art von Geschehen überhaupt und insbesondere im Hinblick auf Gott hier eigentlich gemeint ist, kann verstanden werden, wovon bei »Auferstehung« die Rede ist14. Je isolierter und je mehr aus dem sachlichen Zusammenhang gerissen man fragt, umso verkürzter und kurzatmiger müssen auch die Antworten ausfallen15. c. Ich möchte mit diesem Buch beanspruchen, als Systematiker Schrifttheologie zu treiben. Gerade zu diesem Thema kann es einen angemessenen Zugang auch für die dogmatische Arbeit nur im theologischen Umgang mit der hl. Schrift geben. Und es hat sich mir bei der Arbeit die Erfahrung immer zwingender eingestellt, daß im Vernehmen des Schriftzeugnisses in möglichster Breite und im Hören auf die besondere Redeweise der Schrift das theologisch-systematische Denken auch als Denken an Bestimmtheit gewinnt. Die vielen im Folgenden herangezogenen biblisch-neutestamentlichen Beleschlechthin entscheidende Frage nach dem Status der Rede vom Handeln Gottes – ob »mythologisch« oder nicht? – ausgeklammert; Näheres dazu in meinem Aufsatz (s. vorige Anm.), aaO.␣ 457f. Anm.␣ 4. Die Bedeutung dieser Frage auch für die Auferstehungsthematik liegt auf der Hand. 13 Über das Verhältnis von Gottes eigenem und dem ewigen Leben handelt – ohne durchgehende Berücksichtigung der Auferstehung Christi – mein Aufsatz: Gott und das ewige Leben. Zur theologischen Dimension der Eschatologie, in: K. Stock (Hg.): Die Zukunft der Erlösung (1994), 49–87. Den angedeuteten Mangel dieser Abhandlung zu ergänzen, ist das eigentliche systematische Anliegen und auch der sachliche Anlaß des vorliegenden Buches, das Christi Auferstehung und die Eschatologie systematisch ins Verhältnis setzen möchte. 14 Ich bin mit G. Lüdemann einig in der Kritik an theologischen Aussageweisen, die gegenüber solchen Nachfragen verbale Immunisierungsstrategien aufbauen und für die das 1. und 2. Kapitel seines Buches etliche, zu Recht als ausweichend oder ungenügend empfundene Beispiele geben (cf. aaO.␣ 11ff.). Daraus folgt freilich nicht, wie L. zu meinen scheint, daß jede von seiner eigenen Auffassung abweichende Rekonstruktion des Auferstehungsgeschehens eo ipso nur apologetisch oder obsolet supranaturalistisch sein müßte! 15 Die irreführende Beschränkung der Auferstehungsfrage auf ein isoliertes, gar noch quasi biologisch verstandenes Mirakel wird in den Erörterungen der folgenden Kapitel vor allem in drei Hinsichten korrigiert: 1. durch den Zusammenhang mit Gottes Handeln und Leben überhaupt (Kap.␣ 2.1. u.␣ 3.; Kap.␣ 5.1. u.␣ 2.; Kap.␣ 6), 2. durch die eschatologische Allgemeinheit der Auferweckung Jesu (Kap.␣ 2.2.); 3. durch die wesentliche Bezogenheit der Auferweckungstat auf diesen bestimmten Menschen Jesus, die nur im Kontext der Glaubensgeschichte Israels verständlich wird (Kap.␣ 5.3.). Dazu gehört in gewissem Sinne auch die Beziehung des Ostergeschehens auf Jesu eigenen Auferstehungsglauben (Kap.␣ 1).
Einleitung
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ge und insbesondere die einläßliche Schriftauslegung zu besonders wichtigen derselben, die ich immer wieder versucht habe, belegen das schon äußerlich. Gleichwohl wird nirgends, so meine ich, der genuin systematisch denkende Theologe zu verkennen sein. Aber es hat eben Folgen, daß wir auch »rein« systematisch dem sprachlichen Wort »Gott« nur nachdenken können, weil und insofern wir immer schon vom Wort Gottes herkommen, d.h. der hl. Schrift. Darum ist – grundsätzlich – für jede systematische Theologie die Schriftauslegung und d.h. die sprachwissenschaftliche (philologisch-historische und exegetische) Beschäftigung mit dem Wort Gottes unverzichtbar. Systematische Theologie, wie ich sie verstehe, ist, weil durch ihren grundlegenden Bezug auf das Wort »Gott« sprachbezogen, stets an die Auslegung der hl. Schrift rückgebunden und nimmt insofern den Ausgang zu ihrer Selbständigkeit von der Exegese. Alle theologische Exegese aber hat mit dem Wort Gottes genau darum zu tun, weil sich darin die Dynamis des Wortes Gott sprachlich ausarbeitet – wofür zentral das Thema Auferweckung Jesu Christi steht. Überhaupt scheint mir nötig, daß die Theologie in allen ihren Disziplinen – d.h. auch den exegetischen Fachdisziplinen – immer neu lernt, auf die Schrift␣ im Ganzen␣ zu hören. Daß frühere Zeiten in allem vielfältigen Reichtum des Schriftzeugnisses eine grundlegende Einstimmigkeit wahrnahmen, kann nicht bloße Einbildung gewesen sein, so sehr eine solche heute nur unter historisch-kritischen Bedingungen, und d.h. unausweichlich: sehr viel differenzierter, zu rekonstruieren ist. Indem die kritische Arbeit am Neuen Testament darauf auszugehen wieder lernt, wird sie auch von der gefährlichen Tendenz sich weiter entfernen, durch eine gewisse Art der historischen Nachfrage zuletzt die Geschichte (und Geschichtlichkeit) selber zu beseitigen16. Was als geschichtlich und als geschichtlich möglich gelten kann, muß sie bereit sein, sich immer auch aus den Texten selber sagen zu lassen17. Wo indes wäre das mehr angebracht als bei der Auferstehungsüberlieferung! d. Zur Vororientierung darüber, was eine systematische Erörterung zum Thema Auferstehung Jesus Christi leisten kann, ist es unerläßlich, sich zur exegetischen Debatte dieses Komplexes ins Verhältnis zu setzen. Diese ist nun bekanntlich seit langem so unübersichtlich und überaus vielfältig, was die
16 Cf. die treffsichere Frage J. Baurs: »Wie stringent ist eine Methode, die dazu anleitet, die innerkanonischen Differenzen schärfstens herauszuarbeiten, aber im religionsgeschichtlichen Vergleich auch nur entfernte Ähnlichkeiten als erhellende Analogien zu beanspruchen?« (Sola scriptura – historisches Erbe und bleibende Bedeutung, aaO.␣ 106). 17 Dafür ist grundsätzlich auf die methodologischen Überlegungen in dem beeindruckenden Buch von R.R. Niebuhr zu verweisen.
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Einleitung
historischen, literarkritischen und traditionsgeschichtlichen Fragen der neutestamentlichen Osterberichte angeht, daß es dem nicht exegetisch arbeitenden Theologen kaum möglich ist, dieser Vielschichtigkeit im Ganzen und in den zahllosen Details genau Rechnung zu tragen – hat doch beinahe jeder Fachgelehrte, der sich historisch dazu äußert, zu dem ganzen Komplex wie zu den speziellen exegetischen Einzelfragen eigene, von anderen Positionen wiederum auf sehr diffizile Weise abweichende Meinungen. Ehe ich hier im Allgemeinen umreiße, wie ich mit den historisch-kritischen Fragen umzugehen gedenke – auf exegetische Erörterungen werde natürlich auch ich nicht verzichten können (s.u.) –, sollte man sich zunächst die ebenfalls seit langem bekannte, ungewöhnlich schwierige Situation nüchtern vor Augen halten, wie sie in der den betreffenden Textzusammenhängen eigentümlichen und wohl irreduziblen Disparatheit ihren Grund hat und auf die, wie die unendliche Literatur zeigt, die exegetische Arbeit mit immer neuen Versuchen ihrer Aufklärung reagiert hat – bisher ohne ein anderes Resultat, als wiederum korrigierende neue Versuche zu provozieren. Daß es in diesem Felde so gut wie nichts gibt, was von den exegetischen Fachleuten in breitem Konsens akzeptiert wäre, sondern daß hier fast alles – von Buch zu Buch, von Aufsatz zu Aufsatz – in immer neuer Weise strittig ist, das muß an der Eigenart dieser Erzählstränge und Texte selber liegen. In der Geschichte der Theologie und Exegese ist die in ihrer Widersprüchlichkeit offensichtlich nicht auszugleichende Disparatheit der Überlieferung immer wieder klar ausgesprochen worden. Ich gebe zur Feststellung dieser eigentümlichen Situation vier Stimmen exemplarisch wieder, denen in unterschiedlicher Hinsicht erhebliches Gewicht zukommt. So kann man, um nur eine Stelle herauszugreifen, schon bei M. Luther lesen: »Die Evangelisten all vier haben nit groß achtung gehabt, daß sie die geschicht in ain ordnung bringen und nacheinandern erzelen. Ainer schreybt mer, der ander mynder, der schreibt das, ain ander jhenes stuck«18. Bemerkenswert ist sodann, daß der wahrlich mit den schwierigen Detailfragen nicht unvertraute Lessing im Rückblick dezidiert formuliert: »Ich erwidere: die Auferstehung Christi kann ihre gute Richtigkeit haben, ob sich schon die Nachrichten der Evangelien widersprechen«19. Das ermutigt – aus solchem Munde! – natürlich den Dogmatiker – wenn auch nicht ohne Fühlungnahme mit der exegetischen Debatte –, seine am Sachproblem orientierten Fragestellungen nicht völlig vom jeweils letzten Stand der historischen Arbeit am Detail abhängig zu machen. Vielleicht ist solche relative Unabhängigkeit 18
WA 17/I, 179, 15–17. Cf. 183, 37. Eine Duplik (1778), in: Gesammelte Werke (Rilla), Bd.␣ 8, 25. Lessing verweist übrigens mehrfach auf vergleichbare Spannungen in profangeschichtlichen Darstellungen, die in der Hauptsache nicht zum Bezweifeln der Sache selber geführt hätten (cf. aaO.␣ 29, 32f. u.ö.). 19
Einleitung
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der Theologie gegenwärtig sogar nötig und heilsam20. Jedenfalls scheint das die Ansicht von K. Barth gewesen zu sein, der in diesem Zusammenhang auf einen nicht unwichtigen Umstand aufmerksam macht: »Da steht man vielmehr vor den bekannten Dunkelheiten und nicht auszugleichenden Widersprüchen und kann sich wohl wundern, daß bei der Entstehung des Kanons niemand daran Anstoß genommen zu haben scheint, niemand den Versuch gemacht hat, die verschiedenen Relationen von diesem für die neutestamentliche Botschaft so grundlegend wichtigen Geschehen einander anzugleichen«21. Es könnte immerhin so sein, daß die Erzählungen über die Begegnung mit dem Auferstandenen darum so widersprüchlich und historisch geheimnisvoll sind, weil das Ereignis der Auferstehung mehr ist (und anders), als Berichte darüber narrativ wiedergeben können22. Wie dem auch sei, jedenfalls ist die historisch komplizierte, so ungemein schwer auflösbare Gemengelage der Ostertexte als Faktum grundsätzlich in Rechnung zu stellen. Dazu schließlich die gleichfalls gewichtige Stimme eines solchen Kenners des Urchristentums wie M. Hengel: »In diesen bewegten, für uns dunklen, aber für die Jünger so herrlich leuchtenden Monaten des Anfangs waren vielfältige Bewegungen und Entdeckungen neben- und miteinander, ja z.T. verwirrend »durcheinander« möglich. Die Begegnungen mit dem Auferstandenen bilden zusammen mit der Ausformung frühester Erhöhungschristologie einen verschlungenen Knoten, bei dem wir die einzelnen Fäden nicht mehr fein säuberlich entwirren und chronologisch ordnen können, zumal die von eschatologischem Enthusiasmus geprägte Vorstellungswelt der ersten Jünger durchweg nicht den Regeln unserer analytischen Methode entsprach«23. e. Wenn die Dinge so stehen, und die beschriebene forschungsgeschichtliche Situation reflektiert diesen Zustand durchweg, ist zumindest die Frage nicht abwegig, ob nicht, was die Osterüberlieferung angeht, ein Überlieferungskomplex vorliegt, der einer historisch-kritischen Rekonstruktion faktisch Grenzen setzt, ob vielleicht hier sogar ein Sachverhalt tradiert wird, an dem die historisch-kritische Erforschung des NT selber an eine Grenze ge20 Klagt doch schon derselbe Lessing: »Nein, so tiefe Wunden hat die scholastische Dogmatik der Religion nie geschlagen, als die historische Exegetik ihr itzt täglich schlägt« (aaO. 37)! 21 KD IV/I, 369. Cf. auch die an sich nicht unvernünftige Folgerung aus der disparaten Beschaffenheit der Ostertexte: »Wir sind nicht aufgefordert, von dieser Begegnung, d.h. von ihrem Wie mehr wissen zu wollen und auch sagen zu können, als die Berichte selbst sagen« (aaO.␣ 377). Inwiefern sich eine systematisch-theologische Erörterung doch einer solchen Aufforderung ausgesetzt sieht, wird die folgende Darstellung zeigen. 22 U.a. auch deshalb, weil sie uns – die Leser – selber in das Geschehen mit einbeziehen. 23 Psalm 110 und die Erhöhung des Auferstandenen zur Rechten Gottes, aaO.␣ 72.
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langt. Jedenfalls aber, mag dies auch dahingestellt bleiben, ist das Recht einer spezifisch dogmatischen, d.h. den gedanklichen Zusammenhalt und die theologische Einheit in der Auferstehungsüberlieferung sachlogisch rekonstruierenden Arbeit zum Thema Auferstehung angesichts jener Situation unbestreitbar. Will man nun weder die beschriebene Situation der Forschung ignorieren, noch auch weiterer historischer Untersuchung einen möglichen Wert absprechen, stellt sich für eine in systematischer Absicht unternommene Nachfrage nach der Auferstehung Jesu Christi und ihrer Wahrheit das Problem, wie zu verfahren sei, wenn die rein historischen Erklärungsversuche der Ostertexte hier nicht um eine weitere Variante bereichert werden sollen – was ohnehin nur ein exegetischer Fachmann überhaupt versuchen könnte –, andererseits aber auch ohne enge Fühlungnahme mit den einschlägigen neutestamentlichen Texten die dogmatische Reflexion theologisch abstrakt bleiben müßte. Ich versuche, dem mit einem kombinierten Verfahren gerecht zu werden. 1. Zugrunde liegen soll eine systematische Lektüre und Auswertung der Texte unter ständigem Bezug auf einen theologischen Begriff vom göttlichen Handeln (s.o.) – was deren eigenem Selbstverständnis entspricht; dabei liegt es in der Natur der Sache, daß dieser Begriff vom Handeln Gottes selber zu entfalten ist und sich an den Texten bewähren, sogar inhaltlich konturieren lassen muß24. 2. Konkretisiert wird dies mit dem Versuch, gewisse (eher phänomenologisch zu nennende) Beobachtungen an den speziellen Ostertexten, die relativ unabhängig von bestimmten historischen Thesen über diese Texte erhoben und systematisch fruchtbar gemacht werden können, zu jenem theologischen Begriff von Gottes Handeln zu Ostern sachkritisch in Beziehung zu setzen25. (Auch die historisch orientierte Exegese und Beurteilung der 24 Gottesgedanke und Auferstehung – in beide Richtungen – in Beziehung zu setzen, impliziert Fragen der folgenden Art: Was bedeutet das Auferstehungsgeschehen für Gott selber? Wie verhält sich das neue Leben des Auferstandenen zum eigenen Leben Gottes? Was hat Gottes Handeln mit dem Tod zu tun? Die Konzentration auf Gottes Handeln eröffnet den Raum für solche Fragen, und im Sinne solcher Konzentration ist meine Untersuchung betont theologisch. Damit steht man vor weiteren Fragen systematischer Natur: Was ist überhaupt »Handeln Gottes«, und wie verhält es sich zu Gottes Sein? Wie ist die Auferstehung Christi als göttliches Handeln zu verstehen? Zu welchem Verständnis der Ostererscheinungen führt ein solcher Begriff, bzw. auch umgekehrt: was tragen die im NT berichteten Erscheinungen des Auferstandenen vor seinen Jüngern zum Verständnis von Gottes Handeln bei? Wie ist das Auferstehungshandeln zu Gottes Handeln als Schöpfer und als Vollender der Welt (Protologie und Eschatologie) ins Verhältnis zu setzen? Wie umgreift das Handeln Gottes Leben, Wirken und Sterben des historischen Jesus und␣ das neue Sein des erhöhten Herrn? 25 Es geht um das Verfolgen von Fragen wie: Was ergibt sich aus der Konzentration auf einen Begriff göttlichen Handelns für das Verständnis der Ostererzählungen in
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überlieferten Auferstehungsgeschichten und ihrer Authentizität kann – implizit oder explizit – bekanntlich auf sachkritische (»dogmatische«) Stellungnahmen faktisch nicht verzichten!) 3. Um zu einem theologischen Verständnis der Sache selbst, die in den Ostererzählungen angesprochen wird, vorzudringen, scheint es unverzichtbar, auf möglichst viele andere einschlägige Texte des NT Bezug zu nehmen und sie für die theologische Reflexion über Auferstehung fruchtbar zu machen26. (Im Blick auf I Kor 15,3–8 vor allem ist das in historischer und systematischer Hinsicht selbstverständlich immer schon getan worden.) Es gilt, das bei aller Vielstimmigkeit doch erstaunlich einheitliche und im NT nahezu omnipräsente Zeugnis von der Auferstehung für einen Begriff von der Sache selber auszuwerten; gleichsam die Bäume wieder in dem Walde zu sehen, der sie sind, bzw. als diesen Wald. Dabei werden m.E. Textstellen exegetisch und systematisch wichtig, die sonst eher am Rande der Aufmerksamkeit liegen, wenn es um die Auferstehung geht; im Folgenden gehört dazu die exegetische Bemühung um Texte wie Mt␣ 22,23–33 par.; Joh␣ 5,26; Röm␣ 4,17 u.a. Was die historisch-kritische Exegese jeweils für sich zum Gegenstand ihrer eindringlichen und höchst differenzierten Analysen gemacht hat, kann so vielleicht wieder auf jenen einen unerhörten Tenor des Neuen Testamentes zurückbezogen werden, den das Evangelium mit den Worten meint: »Er ist wahrhaft auferstanden«. systematischer Hinsicht und was für die Interpretation (und Exegese) der Auferstehungstheologie des NT überhaupt? Lassen sich spezifische Züge insbesondere der Auferstehungsgeschichten – zu welchem Urteil auch immer ihre historische Einschätzung gelangt – in ihrer Eigenart verständlich machen? Kommt so auch eine gewisse Möglichkeit in den Blick, die Auferstehungsbotschaft bei Paulus und überhaupt im NT aus ihrem Einheitsgrund wieder wahrnehmbar zu machen oder jedenfalls die wesentliche Dimension ihrer letzten sachlichen Übereinstimmung zu erreichen? 26 Um es nochmals zu betonen: es soll im folgenden nicht aus einem Begriff – dem des göttlichen Handelns – »deduziert« werden, was Auferstehung ist oder sein muß, sondern die Auferstehung – eben als Gottes zum Leben aus dem Tode erweckendes Handeln – soll im Horizont des Gottesgedankens, von Gott selbst her verstanden werden, – was der Sicht des ganzen NT entspricht. Nur so kann theologische Sachhaltigkeit in die Debatte um die Auferstehung hineinkommen. Andererseits wird sich zeigen, daß der Begriff göttlichen Handelns erst durch das ganze Buch hindurch – in ständiger Bereicherung durch die Auferstehungsthematik – zureichend zu erläutern ist. Außerdem ist dieser Versuch, Auferstehung und Gottes Handeln in strenger Korrelation zu denken, die einzige Weise, um in der Frage nach deren Wirklichkeit und Wahrheit (ontos egerthe) theologisch weiter zu kommen. So allein wird es möglich, von vorschnellen weltanschaulichen Fixierungen sich freizumachen, bei denen die Auferstehungsbotschaft, sei es als Mythologem, d.h. als religionspsychologisch zu entschlüsselnde oder existential zu interpretierende, jedenfalls als vergangene Vorstellungsweise, sei es als ein isoliertes supranaturales Mirakel, dessen Anerkennung als wunderhaftes Eingreifen göttlicher Allmacht die Aufgabe gehorsamen »Glaubens« wäre, zu stehen kommt.
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Auferstehung in der Jesus-Tradition Die Sadduzäerfrage Mt␣ 22,23–33 par.1 »Einen Fingerzeig nenne ich, was schon irgend einen Keim enthält, aus welchem sich die noch zurückgehaltne Wahrheit entwikkeln läßt. Dergleichen war Christi Schluß aus der Benennung Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Dieser Fingerzeig scheint mir allerdings in einen strengen Beweis ausgebildet werden zu können.« (G.E. Lessing, Die Erziehung des Menschengeschlechts (1780), §␣ 46)
a. Der von den sadduzäischen Fragestellern ausgeklügelte Fall (Mt␣ 22,24– 27 par.)2 setzt bereits ihre bekannte Verneinung einer Auferstehung (Mt␣ 22,23 par.) voraus3 und zielt auf die den Auferstehungsglauben ad absurdum führende Fangfrage an Jesus (Mt␣ 22,28 par.). Die von Jesus überlieferte, mit Mt␣ 22,29 (Mk␣ 12,24) beginnende Antwort stößt souverän zur theologischen Tiefe und d.h. den grundsätzlich falschen Voraussetzungen einer derartig ausgedachten, »theoretischen« Frage vor und 1 Außer den Kommentaren cf. S.A. Fries, Jesu Vorstellung von der Auferstehung der Toten, ZNW 1 (1900), 291–307 (zur Kritik: A.T. Nikolainen, Der Auferstehungsglaube (II), 1946, 39 Anm.␣ 1); A. Suhl, die Funktion der alttestamentlichen Zitate im Markusevangelium (1965), 67–72; K. Müller, Jesus und die Sadduzäer, in: Biblische Randbemerkungen (FS R. Schnackenburg), 1974, 3–24; G. Stemberger, Pharisäer, Sadduzäer, Essener (1991, Stuttgarter Bibelstudien 144); O. Schwankl, Die Sadduzäerfrage (Mk␣ 12,18–27 par). Eine exegetisch-theologische Studie zur Auferstehungserwartung (1987; Bonner biblische Beiträge 66); K. Huber, Jesus in Auseinandersetzung. Exegetische Untersuchungen zu den sog. Jerusalemer Streitgesprächen des Markus-Evangeliums im Blick auf ihre christologischen Implikationen (1995, Forschung zur Bibel 75), 273–293. – Eine detaillierte Gliederung des Gesprächs bietet Huber, aaO.␣ 285f.; zur allgemeinen Charakterisierung des Verhältnisses der Mk-Fassung zu den Seitenreferenten, cf. aaO.␣ 287f. 2 Zur genauen biblisch-historischen Interpretation dieses konstruierten Falles, die hier nicht von Interesse ist, cf. die einschlägigen Kommentare. 3 Cf. auch Act␣ 23,8 mit 6f.; außerdem Josephus, ant. XVIII 1, 4; bell. iud. II, 8, 14. Differenzierter zur Auferstehungsleugnung der Sadduzäer cf. Stemberger, aaO.␣ 68f. (Auch Paulus setzte seine Auferstehungsbotschaft Leugnern der Auferstehung entgegen: I Kor␣ 15,12.)
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kritisiert ungewöhnlich scharf ihre Scheinplausibilität: planôsje4. Als Bedingung der Möglichkeit, überhaupt eine derartige Frage sich auszudenken, wird ein doppelter theologischer Defekt, der zugleich einer des gelebten Gottesverhältnisses selber ist, festgestellt. Diese religiöse Zurechtweisung5 führt den »Irrtum« der so Fragenden auf eine Unkenntnis der Heiligen Schriften6 sowie, was wohl auch dafür den Grund hergibt, ein Verkennen der Dynamis Gottes zurück (Mt␣ 22,29; Mk␣ 12,24)7. Mit diesem Hinweis auf die Macht des lebendigen Gottes ist das entscheidende Stichwort für alles Folgende genannt8, und ihre völlige Andersartigkeit gegenüber allem Vorstellbaren läßt die Zuhörer am Schluß über Jesu Ausführungen so heftig erschrecken (Mt␣ 22,23). Es geht bei diesem Stichwort um nicht weniger als die Gottheit Gottes selber, denn seine lebendige Dynamis bedeutet eben, daß bei ihm oder für ihn »alles möglich« (p›nta d‚nata) ist (Mt␣ 19,26b; cf. Mk␣ 14,36 u. Lk␣ 18,27 mit 1,37)9. Darum ist ™ d‚nami“ bzw. ¨ dunat·“ Umschreibung des Gottesnamens selber (Mt␣ 26,64 par., Lk␣ 1,49), und auch Paulus bringt ewige Dynamis und die Gottheit zusammen (Röm␣ 1,20). Diese Macht des lebendigen Gottes ist seine »Allmacht« (Mk␣ 10,27) und als solche die Macht über den Tod (cf. Mk␣ 14,62)10. Die Auferweckung von Toten wird eben dieser lebendigen Dynamis zugeschrieben: †ge‡retai †n dun›mei (I␣ Kor␣ 15,43b)11, und daher steht d‚nami“ parallel zu d·xa(Mt␣ 24,30).
4 Dieser explizite Vorwurf des »Irrtums« hinsichtlich Schrift und göttlicher Macht fehlt bei Lk; vielleicht, weil hier die Lehre Jesu selber betont im Vordergrund steht. Denn die Lk-Perikope leitet die Auferstehung ganz von Jesu Lehre ab (20, 34) und gibt anschließend aus der Schrift nur Hinweise (cf. G. Schneider, Ökumenischer Taschenkommentar 3, 2, 1984 2, 405). 5 Ähnlich scharf bedenkt Paulus die Auferstehungsleugner: I Kor␣ 15,36. Freilich verschweigt Mt auch nicht ein einschlägiges Jünger-Unverständnis (19, 10f.). 6 Unkenntnis der Schrift wird auch Mk␣ 12,10 unterstellt. 7 Auch Paulus spricht von ügnws‡a jeoú (I Kor␣ 14,34b). Der Ausdruck d‚nami“ jeoú␣ findet sich bei Mt und Mk nur hier; cf. Schwankl, aaO.␣ 361–364. 8 Auch Gnilka hebt hervor, die d‚nami“ jeoú verdiene in dieser Perikope hauptsächlich die Aufmerksamkeit (EKK II/2 (Markus), 1979, 161). Von daher, d.h. im Blick auf den durchgängigen Sachgehalt der Perikope, erscheint mir die Gliederung von Jesu Antwort: 1. die Macht Gottes erläuternd (Mt␣ 22,30 par.) und 2. die Schrift deutend (Mt␣ 22,31ff par) nur vordergründig richtig, theologisch aber viel zu schematisch; cf. z.B. Schnackenburg, Matthäus: Die neue Echter Bibel (1987), 214; ähnlich Schmithals, Ökumenischer Taschenkommentar 2,2, 1979, 534; umgekehrt ordnet Lührmann zu (Handbuch zum NT 3 (Markus), 1985, 204). 9 Cf. Gen␣ 18,14; Hiob␣ 10,13 (LXX), 42, 2; Sach␣ 8,6 (LXX). Cf. auch den korrespondierenden Vers Mk␣ 10,27 und dazu u. S.␣ 17. 10 R. Pesch, Das Markusevangelium (Herders Theologischer Kommentar zum NT II (1977), 232). Auch Huber akzentuiert Auferstehung als »ein Tun der Allmacht Gottes«, das nicht einfach Fortsetzung der alten Lebensverhältnisse sei (aaO.␣ 281). 11 Cf. Hebr␣ 11,19; Röm␣ 4,21 mit I Kor␣ 6,14 u. II Kor␣ 13,4.
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Unverkennbar geht es in Jesu Antwort im folgenden um diese Dimension lebendigen Gottesglaubens, und für die ganze Frage wird das zugrundegelegte Verständnis von Gott selber als schlechthin entscheidend aufgezeigt. Die vollmächtige Konzentration auf die Gottesfrage verleiht Jesu Antwort ihre religiöse Wucht und Unwidersprechlichkeit (Lk␣ 20,40) und hebt sie weit über eine bloß »schriftgelehrte« Argumentation hinaus. Das Thema: Gottes lebendige Macht ist auch der eigentliche Hintergrund von Jesu Ablehnung der fiktiven sadduzäischen Voraussetzung, daß sich im Himmel die natürliche Geschlechtlichkeit fortsetze (Mt␣ 22,30 par.). Daß die Auferstandenen »wie Engel« seien, heißt nur, daß die himmlische Herrlichkeit als von Gott bestimmt eine ganz andere ist12. Insbesondere Lk deutet auf die Verknüpfung von natürlicher Fortpflanzung und Tod hin und betont daher die Todesentnommenheit der Auferstandenen (20, 35f.)13, weil ja in der neuen Welt der Tod nicht mehr ist14. Als nicht mehr von Menschen natürlich gezeugte Nachkommen, sondern als␣ Kinder Gottes15 sind sie zugleich Kinder der (übernatürlichen16) Auferstehung17. Der »Irrtum« der Sadduzäer bei ihrer Frage erweist sich also bei näherem Zusehen, ein Irrtum über den lebendigen und so lebenschaffenden Gott selbst zu sein und damit als tiefer Unglaube: polÜ planôsje (Mk␣ 12,27b)! Daraus allein entspringt ein Verkennen der Auferweckung in Herrlichkeit18 wie auch Unglaube an die Schrift, in der ja Gott selber redet19. Die Texte geben überdies eine besondere Pointe andeutungsweise zu erkennen, die das Irrige im vorausgesetzten Gottes- bzw. Auferstehungsverständnis der Sadduzäer noch einmal spezifisch beleuchtet. In dem von ihnen konstruierten Fall ist nämlich von der geschlechtlichen Fortpflanzung selber in Auferstehungstermini die Rede!20 Darin steckt – rein sprachlich bereits – 12
Cf. I Kor␣ 15,40; s. auch u. Anm.␣ 47. Cf. I Kor␣ 15,26 und 42b: †ge‡retai †n üfjars‡a. 14 Cf. Offb␣ 21,4. 15 Cf. Mt␣ 5,9 (!), I Joh␣ 3,1f. u. Gen␣ 6,2 (LXX). 16 Cf. I Kor␣ 6,13 u.␣ 15, 50. 17 Cf. Justinus Mart., Dial. 81, 4 (z. St.): tfikna toú jeoú tö“ ünast›sew“ µnte“. Zu verstehen ist Lk␣ 20,36b als ein Implikationsverhältnis: Söhne Gottes, indem Söhne der Auferstehung (cf. Grundmann, Theol. Handkommentar III (Lukas), 19716, 374). Weil damit aber zugleich gemeint ist: »Auferstehung ist Ursache und Voraussetzung der Gottessohnschaft und der Engelgleichheit, die Gottes Art an sich trägt« (aaO.␣ 375), kann man auch, wie schon Luther, sagen: Gotteskinder, weil Kinder der Auferstehung (ähnlich Rengstorf u. Schweizer). Jedenfalls liegt bei Lk der Ton darauf, »daß Gott die Menschen will, zu ihnen strebt und an ihnen sein Werk tut, eben weil er Gott und als solcher der Schöpfer ist«, cf. Lk␣ 2,14; 20, 38 (ThWbNT III, 294, 40f.; Rengstorf ). 18 I Kor␣ 15,43a: †ge‡retai †n d·xÔh. Mk␣ 12,26 †ge‡rontai ist pass div.! 19 Cf. Mk␣ 12,26; Mt␣ 22,31, cf.␣ 15,4; 19, 5. Auch der Unglaube an Mose als Gottes Propheten (Mk␣ 12,26; Lk␣ 20,37) entspringt hier (cf. ThWbNT IV, 869, 12f ). 20 Cf. ünastflsei spfirma␣ (Mt␣ 22,24) bzw. †xanastflsÔh spfirma (Mk␣ 12,19; Lk␣ 20, 28). Dagegen ist I Kor␣ 15,44 zu halten! 13
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die Annahme von so etwas wie einer gleichsam »natürlichen« Auferstehung in den eigenen Kindern21. In diesem potenzierten Sinn sind die hier von der natürlichen Fortpflanzung aus denkenden Sadduzäer auch ganz »Kinder dieses Äons« (Lk␣ 20,34; cf.␣ 16,8)22. Schon darin, daß sie menschliche Aktivität zur Fortpflanzung natürlichen Lebens gleichsam in den Himmel hineintragen (oder diesen dadurch ersetzen), liegt ihr abgrundtiefer Irrtum über Gott und seine in der Schrift bezeugte Macht, die von der himmlischen Herrlichkeit mit ihrer göttlichen Andersartigkeit (I Kor␣ 15,40) nichts ahnt. So können sie kaum zu denen gezählt werden, die des neuen Äons würdig sind, den Gott schöpferisch werden läßt (cf. Lk␣ 20,35)23. Allein aus einem rechten Verständnis der Gottheit Gottes wird im Duktus der weiteren Antwort Jesu auch das Zeugnis der Schrift für die Auferstehung der Toten klar (cf. Mt␣ 22,31 par.)24. Als ein solches Zeugnis führt Jesus Ex␣ 3,6 an, wo Gott sich selber Mose als »der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«25 vorstellt. (Der Ex␣ 3,2 erwähnte »Dornbusch« wird hier vielleicht schon als Sinnbild von Gottes unvergänglicher Lebendigkeit angeführt (Mk␣ 12,26b; Lk␣ 20,37b) und deutet verheißungsvoll darauf voraus, daß bei und durch Gott trotz des Sterbens doch Leben möglich ist26.) Dies ist die Substanz von Jesu Antwort und insofern der zentrale Vers des Textes. Indem »der Gott der Väter«, d.h. der Erzväter, zum Zeugen aufgerufen wird (cf. Ex␣ 4,5; 1. Kö␣ 18,36; Act␣ 3,13), ist die Abrahamskindschaft als Vorbedingung und Garant der Gotteskindschaft herangezogen27 und ist der Gedanke göttlicher Erwählung präsent28. Das angeführte Gotteswort hat also 21 Auch Gnilka stellt heraus – in Zustimmung zu dieser These von Rawlinson –, daß die Nachkommenschaft die Auferstehung ersetzen sollte (cf. aaO, wie o.Anm.␣ 8, 158). 22 Nach Braun ist der Inhalt des von Jesus Abgelehnten: »die Fassung der Auferstehung als Fortsetzung der irdischen Existenzweise« (ThWbNT VI, 245, 10f.); bzw. die Sadduzäer verkennen die Verschiedenheit der beiden Äonen (aaO.␣ 11f.). 23 Zu diesem »Gewürdigtwerden« auch Lk␣ 14,14 (cf.␣ 21,36; Act␣ 24,15 u. Weisheit␣ 5,16) sowie Phil␣ 1,27f.; 3,11 u. I Kor␣ 15,34; II Thess␣ 1,5. Rabbinische Parallelen bei Grundmann, aaO., wie o. Anm.␣ 17, 375. 24 Lk␣ 20,37 betont mehr das »Daß« der Auferstehung (cf. ähnlich IV Makk␣ 7,15; 16, 25) und findet in der Schrift nur einen andeutenden »Hinweis« des Mose (†mflnusen). 25 Cf auch Ex␣ 3,15ff. 26 Als Bild der Auferstehung Christi hat Luther den brennenden Dornbusch aufgefaßt, cf. WA 20, 354, 26 bis 355, 28. 27 Cf. Mt␣ 3,9 par. »Daß das göttliche Handeln mit Abraham, Isaak und Jakob für das Verhältnis Gottes zum Bundesvolk Vorbild und Bürgschaft ist, wird hier [auch Mk␣ 12,26 par.] als selbstverständlich vorausgesetzt« (ThWbNT III, 191, 30 –34). Daher sei auch die Auferstehung für Abrahams Kinder sicher (aaO. Z.␣ 35f.); cf. auch Mt␣ 8,11. Denn die Bundeszusage ist durch den Tod nicht einfach aufzulösen, cf. Huber, aaO.␣ 283. 28 Cf. von Rad, Theologie des Alten Testaments I (1969 6), 21f.
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»den vollen Klang und Sinn einer Gottesoffenbarung«, und auch Ex␣ 3,14 enthält bereits die Zusicherung einer bleibenden Gegenwärtigkeit Gottes29. Damit aber ist Jesu »Schriftbeweis« in der Substanz eine Beweisführung aus dem geoffenbarten Gottesnamen, und d.h. aus dem lebendigen Wesen Gottes selber. Die Mt␣ 22,32a par. zitierte Ex-Stelle benennt auch nicht einen bloß faktischen Sachverhalt (daß Jahve nun einmal der Gott dieser Väter war), sondern führt dies auf seinen Grund in Gott selber zurück. Daran hängt nun die folgende Auferstehungsaussage über den »Gott der Lebendigen« (Mt␣ 22,32b; Mk␣ 12,27a; Lk␣ 20,38a), was ja auch die Einführung des Zitates (Mt␣ 22,31a par.) schon erwarten ließ. Denn der hier sich selbst vorstellende und von sich selbst redende Gott (Mt␣ 22,31b; Mk␣ 12,26c) setzt sich selber wirksam in seinem göttlichen »Ich«-Wort. †g„ e¢mi (Mt␣ 22, 32a) ist göttliche Selbstsetzung und so allmächtige Sprechhandlung, die auf die genannten Väter unwiderruflich und bestimmend übergreift, indem sie sie in den Machtbereich göttlichen Sich-Zusprechens einbezieht. Dies »Ich bin der Gott von␣ …« ist schon nichts anderes als die sich selbst im Wort manifestierende Dynamis Gottes30, die Jesu Zuhörer so fundamental verkennen. Diese Selbstzusage des lebendigen Gottes ist lebenschaffendes Schöpferwort, und wie der in kraft dieser d‚nami“ Auferweckte später sagen wird: †g„ e¢mi a§t·“ (Lk␣ 24,39)31, so hat im Gottesverständnis Jesu der Allmächtige bereits hier zu Mose gesagt: »Ich␣ bin␣ die Auferstehung und das Leben« ( Joh␣ 11,25). Davon redet ausdrücklich die zweite Vershälfte unserer Perikope (Mt␣ 22,32b par.); sie erst exegesiert das Schriftzitat maßgeblich. b. In diesem allgemeinen, das Einverständnis der Hörer zunächst voraussetzenden Satz: »Gott ist nicht Gott von Toten, sondern von Lebenden« wird der alttestamentliche Glaube an Gott als den »lebendigen Gott« herangezogen32. Als solcher war er nach gemeinjüdischer Auffassung auch ausschließlich ein Gott der noch Lebendigen und nicht der von Toten – in dem Sinne, daß der lebendige Gott ohne jede Beziehung zu Toten ist und die Gestorbenen außerhalb seines Machtbereichs schattenhaft wesen33. Nach dem zu Jesu Antwort an die Sadduzäer vorher Ausgeführten drängt sich hier die Vermutung auf, daß der Meinung, Gott habe gar nichts mit Toten zu schaffen und sei insofern nur ein Gott der irdisch Lebenden, ein noch »natürliches« Verständnis von Gottes Lebendigkeit zugrunde liegt, zumal der Tod dabei für Gott eine Art Grenze seiner Macht bildet. Wird voll29
Lohmeyer/Schmauch, Meyers Kommentar (Matthäus), 19582, 327. Cf. Joh␣ 6,63. Cf. auch die sprachtheoretischen Ausführungen zu Gottes Selbstzusage im »Ich bin …« bei Schwankl, aaO.␣ 125–128! 31 Cf. Mt␣ 14,27 (Mk␣ 6,50; Joh␣ 6,20); Mk␣ 14,62; Lk␣ 20,70; Joh␣ 4,26 (!); 8,18; 9,9; 13,13 u.␣ 19; cf.␣ 18,5.6.8. Cf. auch in der Erscheinung an Paulus: Act␣ 9,5; 22, 8; 26,15. 32 Cf. (LXX) Num 14, 28; Jos␣ 3,10; Y␣ 41, 2; Jes␣ 37,4.17; 49,18b. 33 Cf. Ps␣ 6,6; 30,9f.; 18,11; 115,17; Jes␣ 38,10.18; Bar␣ 2,17; Sir␣ 17,27. 30
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ends dieser scheinbar selbstverständliche Satz herangezogen, um so etwas wie Auferstehung zu begründen34, so schafft sich geradezu schockartig (cf. Mt␣ 22,33: †xeplflssonto) die Einsicht Raum, daß der Satz hier in »einem völlig neuen Sinn, der aus dem Wissen Jesu um die Kraft Gottes und um die Intention der Schrift kommt«, angeführt ist35. Er ist nach Jesu Argumentation so zu verstehen: Der eine, wirkliche Gott ist als Gott nicht einer von Toten; daher gibt es keinen Gott von Toten, sondern überhaupt nur einen solchen von Lebenden36. Daß Gott gerade nur ein Gott von Lebenden ist, wird also in radikaler Umprägung seines gewöhnlichen ( jüdischen) Verständnisses ernst genommen. Die verblüffende Logik dieser Zitierung ist, daß, wenn der Satz von Gott als dem Lebendigen gilt, die zur Zeit Mose, an den Ex␣ 3,6 gerichtet ist, bereits Verstorbenen in Wahrheit (vor Gott) Lebende sein müssen37. Gott nennt sich den Gott der Väter lange nach ihrem Tod: also ist sein schöpferisches Verhältnis zu ihnen, sein Erinnern ihr Leben!38 Weil in diesem Sinn ihre Zeit in Gottes Händen steht (Ps␣ 31,16), darum sind die Väter in Gottes Herrschaftsbereich lebendig (Mt␣ 8,11). Dieser Gott der Lebenden, den Jesus vor Augen hat, ist, christlich verstanden, der Gott Jesu Christi, des Lebendigen39. Zu beachten ist, daß auch »Auferstehung« hier einen spezifischen Sinn erhält, insofern ausdrücklich von gar keiner besonderen Handlung Gottes die Rede ist, sondern nur von Gottes (lebendigem) Sein selber (†g„ e¢mi) als Sein eines Gottes von … (sc. Lebendigen) bzw. Gottes der Väter. Dieses Sein Gottes in seinem (den Vätern) Zugewendetsein, sein Ausgreifen auf …, Einbeziehen von …, ist es, was als solches schöpferisch ist: verewigend. Und in diesem Sinne geht Auferstehung allein darauf zurück, daß Gott durch sich und von sich her (als Gott) nur ein Gott der Lebenden (bzw. ein Gott nur von Lebenden) ist, sein will und sein kann. D.h. ein Gott, für den nur Lebende da 34 Schon Luther fragte: Quis unquam credidisset in illis verbis comprehensam resurrectionem? (WA 20, 355, 15f.). Nach der Meinung vieler heutiger Exegeten soll Jesu Heranziehen dieses Satzes nur das »Daß« der Auferstehung belegen. Aber da diese auf ein spezifisches Verständnis von Gottes Gottsein und Schöpfersein zurückgeführt wird, ist doch immer schon ein »Wie« mitgedacht. 35 Grundmann, Theologischer Handkommentar II (Markus), 19777, 332. Zur genaueren Beschreibung s.u. Anm.␣ 43. 36 Cf. Zahn, Kommentar zum NT (19052), 636. 37 Cf. Lührmann, Handbuch zum NT 3 (Markus), 1985, 204. Schmithals (aaO. wie o. Anm.␣ 8) konstatiert hier ein wesentlich nicht-apokalyptisches Auferstehungsverständnis, aaO.␣ 536. 38 Cf. Mt␣ 8,11; Lk␣ 16,22ff.; Joh␣ 8,56ff. Zumindest in diesem Sinn gilt, daß Mk␣ 12, 27 par. ohne jüdische Parallelen ist (cf. Schniewind, NTD 1 (19526), 159). 39 Es gilt christlich auch (und mehr noch als für Abraham) für Christus: »Gott ist nicht Vater eines Toten, sondern eines Lebenden« (Schlatter, Erläuterungen zum NT, 1. Bd. (1922), 223). Und daher erstreckt sich auch die Herrschaft des lebendigen Christus über Lebende und Tote (Röm␣ 14,9).
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sind bzw. für den, wer vor ihm ist, eo ipso lebendig ist. »Nur aus der Wirklichkeit Gottes folgt die Wirklichkeit der Auferstehung«40, und von ihr, als einer Dynamis-Wirklichkeit, wird der Tod, als eine nicht-letzte Wirklichkeit, durch Gott selbst begrenzt41. Auferstehung besagt in dem hier dokumentierten Verständnis Jesu: »Als der Lebendige ist Gott ein Gott der Lebenden«42; er ist der, der Treue hält ewiglich und nicht fahren läßt das Werk seiner Hände (cf. Ps␣ 138,8). Der Irrtum der Sadduzäer gründet in einem Verkennen des lebendigen Gottes, dessen Macht als göttliche Allmacht von jeder menschlich vorstellbaren Macht unendlich verschieden ist (Mk␣ 10,27). Die Tiefe dieses Irrtums verdeutlicht noch einmal, als Auslegung von Lk␣ 20,38a par., der nur bei Lk sich findende Halbvers 38b; er spricht es aus, was für Menschen ganz unmöglich, allein bei Gott aber möglich ist. c. Der wichtigste, weil aufschlußreichste Vers der Varianten dieser Perikope dürfte Lk␣ 20,38b sein, denn er spricht am Schluß den eigentlichen Grund für␣ die Verneinung und für die positive Aussage von V.␣ 38a (=␣ Mt␣ 22,32b; Mk␣ 12,27) aus und macht damit dessen überraschend neues Verständnis explizit: p›nte“ gÅr a§tù zùsin (»Denn alle leben sie ihm (vor ihm, für ihn)«). Eindeutig ist hier p›nte“ betont, weil 38b eben gegen die im normalen jüdischen Verständnis von 38a liegende Beschränkung von Gottes Beziehung ausschließlich auf (noch) Lebende gewendet ist und betont: alle, deren Gott er ist, sind dadurch für ihn auch Lebende. Denkt das übliche Verständnis jenes Satzes vom natürlichen Leben aus, so wird das hier abrupt umgekehrt: V.␣ 38b exegesiert »Leben« von Gott her43. Was in Wahrheit Leben heißt, wird 40
Schniewind, NTD 2 (Matthäus), 1937, 216. Cf. KD III/2, 718ff. u.␣ 756ff. 42 Gnilka, aaO., wie o. Anm.␣ 8, 161. 43 Auch sprachlich zeigt diese radikale Umkehrung einen interessanten Aspekt. Sind im jüdischen Verständnis des Satzes über Gott als Gott der Lebenden (und nicht der Toten) Subjekt (Gott) und Prädikat (ist einer von …) gleichsam additiv verbunden, so ändert sich dies Verhältnis im Munde Jesu bzw. nach der Exegese des Satzes durch Lk␣ 20,38b entschieden. Jetzt bestimmt »Gott« als Subjekt auch das von ihm zu Prädizierende noch durch sich selbst. Daß er es ist, der sich zu Toten nicht, sondern nur zu Lebenden verhält, qualifiziert auch »Leben« und »Totsein« neu, nämlich ganz von dem her, was er an sich selber ist. Was Jesu ungewöhnliche Lesart des bekannten Satzes angeht, so würde Hegel hier von einem »spekulativen Satz« sprechen: »Das Denken verliert daher so sehr seinen festen gegenständlichen Boden, den es am Subjekte hatte, als es im Prädikate darauf zurückgeworfen wird, und in diesem nicht in sich, sondern in das Subjekt des Inhalts zurückgeht« (Phänomenologie des Geistes (Hoffmeister), 19526 , S.␣ 52 (Vorrede).) Der spekulative Satz zerstört die feste Voraussetzung im »Räsonnieren« der Sadduzäer: »Der feste Boden, den das Räsonnieren an dem ruhenden Subjekte hat, schwankt also, und nur diese Bewegung selbst wird der Gegenstand« (aaO.␣ 50). Da genau dies durch Jesu Rede tatsächlich geschieht, ist die Reaktion der »Erschütterung« bei den Zuhörern, die sich in diese »Bewegung« selbst hineingezogen finden, erklärlich (Mt␣ 22,33)! 41
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ganz aus Gott gedacht und in seiner – der er selber der schlechthin Lebendige ist – Schöpferperspektive gesehen und nicht in der geschöpflichen Perspektive des sterblichen Menschen; dies ist auch der tiefste Grund für die Unterscheidung des jetzigen und des anderen Äons (V.␣ 34f.). Dieser an Gott selber orientierte Begriff von Leben ist sprachlich durch den Dativ der Beziehung a§tù44 mit Gott verklammert. Er spricht deutlich aus, was 38a par. meinte: daß die Menschen im Verhältnis zu ihm (vor ihm sich wissend) und zugleich in seinem Verhältnis zu ihnen (von ihm gewußt)45 wahrhaft leben, auch wenn sie für andere Menschen tot sein mögen (cf. Joh␣ 11,25b). Insofern leben sie »für« ihn im Sinne von »vor ihm«, in seinen Augen. Aber für Gott selber (da) sein, das heißt an seinem Sein und Leben teil zu gewinnen: Ihm, dem »Gott von Lebenden« (38a par.), zu leben, bedeutet überhaupt zu leben, nämlich durch Teilhabe an seinem eigenen Leben46. So »vor Gott« sein, das ist der Inhalt und das Resultat des »jenes Äons Gewürdigtwerdens« (35), und Auferstehen ist nichts anderes, als Anteil zu erhalten (tucein) an Gottes Leben selbst47. Leben ist so verstanden als ein ewiges Sein »mit« Gott, in seiner Gemeinschaft, und darum ganz anders Leben als das natürliche, weil unmittelbar durch die ewige Selbstgegenwart des Schöpfers bestimmt. Daß Leben nur Leben ist als Leben von …her bzw. aus … und ganz bestimmt ist durch sein »Woher«, das ist hier zu seiner absoluten Vollendung gekommen. Es enthüllt sich, daß der Genitiv in Verbindungen wie »der Gott Abrahams« etc. (Mt␣ 22,32 par.) ein gen. possessivus ist und ein qualitatives, ja konstitutives Verhältnis ausdrückt: daß Gott, indem er spezifisch »ihr Gott« sein will (Hebr␣ 11,16; Offb␣ 21,7), sie spezifisch als die »Seinen« sein und d.h. leben läßt48: als seine Kinder und so zugleich »Kinder der Auferstehung« (Lk␣ 20,36b)49. Sind sie aber in diesem emphatischen Sinn sein Eigen, so kommt das Sein vor ihm (a§tÔù) einem Sein »in« ihm (†n a§tÔù) sehr nahe. Denn »für Gott« sind sie allein in seinem Wissen und Wollen bzw. durch es50, der er ein wirkender und gebender Gott ist. Sagen diese Texte unmittelbar nur aus, daß Gott ein Gott für die dadurch Lebenden ist, so ist das eine Aussage über sein lebendiges Sein als Schöpfer: 44 Oder Dat. ethicus; cf. Blass/Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch (196512), 121f. u.␣ 123f. (§␣ 188, 192). 45 In diesem Doppelbezug besteht die Relation: coram Deo. 46 Ita … vivunt Deo, ut Deo fruantur (I Petr␣ 4,6), Bengel, Gnomon, z. St. 47 So Schniewind, NTD 1 (Markus) (1937, 151). Schwankl deutet so das Sein wie Engel: »Ganz Gott zugeordnet, nur von ihm her und auf ihn hin definiert« (aaO.␣ 380). 48 Cf. Bengel, Gnomon, zu Mt␣ 22,32: Haec locuti: Deus tuus, exprimit et beneficium divinum … est infinitum, aeternum. Gottes Liebe erschafft sich nach Luther das Geliebte (WA 1, 354, 35f.). 49 Schlatter betont, daß allein »Der Mensch, für den Gott sein Gott ist, lebt« (Markus der Evangelist für die Griechen, 1935, 226). 50 Cf. Schneider, Ökumenischer Taschenkommentar 3, 2 (Lukas), 19842, 407.
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Gott ist durch sein Sein (schon) die schöpferische Verwandlung der Vergangenheit in lebendige Gegenwart (bzw. bewirkt sie), und er ist selber lebendig als Leben-gebend ( Joh␣ 5,26) oder Leben-erzeugend (verlebendigend). Doch schließt dieses Sein als schaffend ein Sich-in-Beziehung-Setzen schlechthin ein (bzw. ist dies an sich selber), nämlich zu denen, die eben so vor ihm und für ihn leben. Diese lebendige Zuwendung Gottes zu den an ihnen selber Toten ist so etwas wie sein schöpferischer Blick51, seine verewigende Erinnerung, seine allmächtige, lebenschaffende Anrede. Daß die Toten dadurch, daß sie »für ihn« sind, vor ihm leben, bedeutet eine schöpferische Aufhebung ihrer (als solche definitiven) Vergangenheit, – derer, die durch die von Gott ausgehende Einbeziehung in sein eigenes Leben bzw. durch die lebendige Aneignung ihres Lebens durch Gott zu ewiger Gegenwart bei ihm gelangen. Dieses wirkende und (sich) gebende Sein Gottes für die für ihn Lebenden ist als ein ihnen Sich-Zusprechen52 am ehesten als schöpferische Inbesitznahme durch sein anredendes Wort zu denken: Indem sie von Gott so angesprochen werden, daß sie ihm gehören bzw. er ihr Gott ist, sind sie die Seinen, d.h. lebendig: »wen er verheißend anredet, der kann auch durch den Tod nicht mehr von ihm getrennt werden, sondern bekommt an seinem Leben teil«53. Ähnlich hat schon Luther Gottes allmächtiges Wort anläßlich von Jes␣ 26,19 (!) dadurch charakterisiert, daß Gott auch mit den Toten redet, als wenn sie lebten – und dadurch seien sie wirklich unsterblich54. Luther fügt hinzu: einen solchen Gott hatte Abraham! Daraus folgert er, daß wer der Verheißung an Abraham anhängt, denselben Gott hat und etiam mortuus dormiendo vivet55. Auch Luther bringt, wo immer er auf Mt␣ 22,23–33 par. eingeht, das schöpferische Sprechen Gottes mit dem Sein des lebendigen Gottes in Verbindung und findet in dieser Perikope Gottes auferweckende Kraft als die Macht schöpferischer Vergegenwärtigung ausgesagt: Si deus et omnium prophetarum, oportet sint vivi, quia deus non est rei, quae non est. Qualis est deus,
51 Cf. Luther z. St.: Coram oculis nostris sunt mortui, Sed in oculis dei vivi (WA 37, 365, 22). 52 Cf. dazu Schweizer, NTD 1 (Markus), 1973, 142. 53 Grundmann, Theologischer Handkommentar II (Markus), 19777, 334. Grundmann verweist für Gottes Sich-Geben auf Mk␣ 10,18 (ebd.)! Damit ist ein Bezug zu␣ dem alten Motiv: bonum est diffusivum sui und insbesondere zu Luthers das Heilsgeschehen überhaupt zusammenfassenden Aussagen über Gottes gütige Selbsthingabe hergestellt, cf. BSLK 650, 651 u.␣ 660 mit 565, 35–566, 2 (!) und WA 26, 505, 38–506, 9. 54 Cf. WA 43, 481, 24ff.; zu dieser Stelle in meinem o. Einleitung, Anm.␣ 13, genannten Aufsatz, aaO.␣ 73f. 55 Cf. aaO. Z.␣ 35–38. Vorher zitiert Luther die vox coelestis von Gen␣ 26,24: »Ego sum Deus tuus, Sum Dii Abrahae« (aaO.␣ 22f.).
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oportet, sit deus cuius, quod est56. Zu Gottes eigenem Sein als Zuwendung gehört das Seinlassen dessen, dem er sich zuwendet57. Darum ist für Luther die Auferweckung Jesu Christi wie der Toten überhaupt nicht ein isoliertes Mirakel, sondern die Dynamis der Gottheit Gottes: Ideo dicit: »Hoc est nomen meum in ewigkeit« (cf. Ex␣ 3,15)58. Das Sterben ist also – paulinisch gesprochen – wesentlich ein der Sünde (Ab-)Sterben; dagegen: »wer aber lebt, lebt Gott« (Röm␣ 6,10), d.h. in Wahrheit lebt, wer Gott lebt. Der paulinische Dativ des (Vor- oder Für-) GottSeins entzieht ebenfalls die Begriffe von Leben und Tod der menschlichen Perspektive natürlicher Plausibilität bzw. dem, daß sie einen Sinn in sich selber haben könnten. Ihre »Selbst-Genügsamkeit« (©autù) wird vielmehr vom Herrn und Gott über Leben und Tod her aufgesprengt und umbestimmt: Röm␣ 14,7f.! »Ihm« leben, »für ihn« leben, besagt damit auch: auf ihn hin, geöffnet für ihn – und dies auch durch ihn (Phil␣ 1,21; Gal␣ 2,20). Und genau dieser Herrschaftswechsel, was die Qualifikation von Totsein und Leben angeht, ist in Christi Auferstehung begründet, die seinsbestimmend auf Tote und Lebende ausgreift (Röm␣ 14,9)59. Durch ihre Hinordnung auf den lebendigen Gott wird Gott in allen, den noch Lebenden und den schon Gestorbenen, zu allem für sie (I Kor␣ 15,28), und ihr wahres Leben ist das ewige als ein allezeit beim Herrn Sein (I Thess␣ 4, 17; Phil␣ 1,23; II Kor␣ 5,8). So erfüllt sich gerade auch über den Tod hinaus: »Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht« ( Jes␣ 7,9b), denn: »Wer … in Gottes Gemeinschaft steht, hat ewiges Leben«60. 56 WA 37, 365, 19–21 (1534); cf. die Verdeutschung bei Walch2, Bd. XIIIb, 1902f.: »Gott kann nicht ein Gott sein, des, das nicht mehr ist, sondern muß ein Gott sein des, das da ist«. Ähnlich Bengel, Gnomon, zu Mt␣ 22,32: Deus autem non est non entis Deus: ipse est Deus vivens. 57 Cf. auch zu Mt␣ 22,31–33: »Drumb fragt er: Wolt ir got machen zum Gott der todten oder sonst eines diengs, das nichts sej, oder kein wesen hab? sondern so er ein Gott ist, so mus das etwas sein, des Gott er ist, denn es leidet sich nicht, das es also heissen sollte: Ich bin ein Gott fur mich … Er, Christus deutet es, das alles im lebe. Fur mir und dir ist Abraham tod, aber Christus saget: mir ist er nicht tod, den ich hab ihn also gefastt (Hervorhebung J.R.), das ich sein Gott bin, er sol gantz bleiben, aufferstehen, und mir ist er albereit lebendig … Den wie Christus gestorben ist und dennoch Got lebet, also leben auch Abraham und alle heiligen, ob sie gleich sterben. Und ist Gott ein gerieng arbeit, das er einen todten lebendig macht« (WA 47, 434, 40 – 435, 18). 58 WA 37, 365, 22f. Cf. auch ähnliche Stellen bei Luther zu dieser Perikope WA 37, 545, 18–546, 7; 21, 232, 20 –233, 4; 24, 136, 32–137, 20; 20, 255, 9–17; 36, 530, 20f. u.␣ 563, 11f. 59 Cf. II Kor␣ 5,15 (!) u. I Thess␣ 5,10 mit 4,14. Zu Christi Herrschaft über Lebende und Tote s.u. Kap 2.2. (S.␣ 39). 60 Schlatter, Erläuterungen zum NT, 1. Bd. (1922), 223 (zu Mt␣ 22,32); ähnlich Althaus: »Wen Gott einmal in seine Gemeinschaft gerufen hat, den stellt er damit für immer
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Das hier sich aussprechende Verständnis der Totenauferstehung in Kraft göttlicher Lebensmacht ist doch wohl zu unterscheiden von der im zeitgenössischen und frühen Judentum anzutreffenden Vorstellung, daß die Väter (irgendwie) bei Gott leben61, die auch im NT gelegentlich vorausgesetzt wird (cf. z.B. Mk␣ 9,4; auch Lk␣ 16,22). Im Zusammenhang solcher scheinbaren Parallelen wird die Auferstehung in der hier besprochenen Perikope oft als noch zukünftig aufgefaßt: »Die Väter sind schon bei Gott und harren der Auferstehung (vgl. Lk␣ 16,23; 4. Makk␣ 7,19; 16, 23)«62. Der richtige Schluß aus dem dargelegten Verständnis der Perikope muß vielmehr lauten: »Dann aber ist die Auferstehung der Väter schon geschehen«63. Das Eigentümliche der interpretierten Aussagen liegt in einer Zeitumkehrung, die auf Gottes Dynamis zurückgeführt wird: daß, was für uns vergangen ist, kraft schöpferischer »Erinnerung« für ihn Gegenwart, gegenwärtiges Leben ist. Dies gilt dann ebenso für das, was in unseren Augen noch Zukunft ist: vor Gott zum Leben zu kommen, ist eins mit der Auferstehung (mag diese für uns, diesseits des Todes, noch ausstehen). Von hieraus gesehen, hat Schlatter sachlich recht, wenn er zu dieser Perikope sagt: »Leben und Auferstehung faßt Jesus zusammen; eins liegt ihm im anderen«64. Umgekehrt gilt die Zeitumkehrung auch für das Ereignis der Auferstehung selbst: Wenn es eingetreten ist, wird es seinen (zeitlichen) Charakter, in der Vergangenheit einmal zukünftig gewesen zu sein, eo ipso ablegen bzw. abgelegt haben und rein sich gegenwärtiges Leben sein. Einmal auferweckt zu werden, heißt auf seine wahre Gegenwart: ewiges Leben vor Gott, zuzugehen. Was, leben wir uns selber, »für uns«, noch unterschieden ist als Vergangenes und Zukünftiges, schon Geschehensein und noch Ausstehen, Tod nach dem Leben und Leben nach dem Tod, ist lebendig eins, leben wir Gott, »für ihn«. Aus dieser schöpferischen Integration der Zeitekstasen ist die Ewigkeit ewiges Leben65. vor sich zu »ewigem Leben««. (Die christliche Wahrheit, 19584, 660; zu Mk␣ 12,27 par.). Zu vergleichen ist auch das johanneische mfinein. 61 Cf. z.B. R. Pesch, Das Markusevangelium (Herders Theologischer Kommentar zum NT II, 1977) 232. 62 Gnilka, Das Matthäus-Evangelium, II. Teil (Herders Theologischer Kommentar zum NT, 1988), 255. Auch Haenchen stellt als Meinung des Textes fest: die Toten »werden einst auferstehen« – obgleich sie für Gott jetzt leben (Der Weg Jesu, 1966, 411). Rengstorf findet, daß überhaupt nicht von den jetzt Lebenden die Rede sei – obwohl doch das Präsens betont ist! – , sondern nur die Hoffnung auf den Schöpfer für die Zukunft begründet werden solle (NTD 3, 197817, 229; cf. viel richtiger Schweizer, NTD 3, 1982, z. St). 63 Grundmann, Das Evangelium nach Markus, Theologischer Handkommentar II (19777), 334; mit Verweis auf Mk␣ 9,4. Umso mehr betont Grundmann auch für Lk␣ 20, 38 die wirkliche Gegenwärtigkeit des »Lebens für Gott« (Theologischer Handkommentar III, 375), mit Hinweis auf IV Makk␣ 7,19; 16, 25 zur Erklärung des Dativs a§tù. Cf. auch Phil␣ 1,21–23; 3,20f.; Kol␣ 3,3f. u. II Kor␣ 5,1–10. 64 AaO., wie o. Anm.␣ 60, 223. 65 Cf. »Gott und das ewige Leben«, aaO., wie o. Einleitung, Anm.␣ 13, 51f.
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d. Wenden wir uns jetzt der Frage zu, ob die Perikope eine authentische Jesus-Überlieferung darstellt. Die Exegeten sind hierin aus verschiedensten Gründen uneins. Gegen die Zuschreibung an Jesus und für die Annahme einer Gemeindebildung plädieren Bultmann66, Haenchen67, Schweizer u.a.68. Auch Gnilka will die älteste Fassung der Mk-Perikope der judenchristlichpalästinischen Gemeinde zuweisen69, erkennt aber als Kern der Überlieferung eine historische Reminiszens an70. Für nicht sicher auszumachen hält H. Braun die Zuweisung an die Gemeinde71. Das hängt damit zusammen, daß Braun findet, Jesu Argumentation entspreche der Art rabbinischer Exegese72. Freilich wird auch eingewandt, daß die Rabbinen niemals Ex␣ 3,6 als Schriftbeleg für die Auferstehung benutzt haben73. Schniewind dagegen räumt zwar ein, daß es sich hier um den Stil eines rabbinischen Streitgesprächs handelt, argumentiert dann aber vom Inhalt der Rede Jesu her: »aber in diesem überkommenen Stil reden die neuen Worte seiner Verkündigung«74; daher hält er den Text für authentisch: letztlich »von Jesus selber«75. Auch Grundmann findet hier mehr als ein Rabbinentum Jesu (wie er andererseits auch einen anderen als einen Gemeindeursprung annimmt), nämlich: Jesu »Weisheit im Horizont des Reiches Gottes, von dessen Nahekommen«76. Außer Schniewind und Grundmann
66 Geschichte der synoptischen Tradition (19646), 25 (Debatten der Gemeinde liegen zugrunde), cf. 51. Bultmann hält Mk␣ 12,26–27 – nicht überzeugend – für vormarkinisch und hier für einen sekundären Zusatz bzw. Nachtrag, aaO.␣ 25; dagegen zu Recht Huber, aaO.␣ 289. 67 Cf. »ohne historische Grundlage im Leben Jesu«, vielmehr »von einem christlichen Schriftgelehrten erdacht« (Der Weg Jesu, 1966, 411). 68 NTD 1 (1973), 140; ähnlich auch Kertelge, in: Die neue Echter Bibel, Markusevangelium (1994), 119. 69 Das Evangelium nach Markus, EKK II/2 (1979), 157. Für V.␣ 26f. postuliert er hellenistisch-judenchristliche Tradition (ebd.). 70 AaO.␣ 161. 71 ThWbNT VI, 245 Anm.␣ 80. 72 AaO.␣ 245, 15–17 mit Hinweis auf Strack-Billerbeck I, 893–895. Auch Lohmeyer sieht Jesus hier im Geleise rabbinischen Denkens (Das Evangelium nach Markus, Meyers Kommentar, 196316, 257, cf. 256, zit. u. S.␣ 26 bei Anm.␣ 99) und schreibt daher dies »Beispiel des Rabbinentums Jesu« nicht der Urgemeinde zu (aaO.␣ 257). 73 Gnilka aaO., wie o. Anm.␣ 69, 159f.; cf. die Präzisierung 160 Anm.␣ 21. 74 NTD 1 (19526), 158f. Auch Rengstorf argumentiert mit der Selbständigkeit in der Verwendung der Schrift (ThWbNT VII, 234, 14). 75 AaO.␣ 159. 76 Theologischer Handkommentar II (Markus), 19777, 332; cf. auch die These eines völlig neuen Sinns, den der Satz »Gott der Lebenden und nicht der Toten« bei Jesus annimmt (ebd.); s. dazu o. S.␣ 17f.
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argumentieren für eine authentische Jesusüberlieferung auch Schlatter77, Jeremias78, Lohmeyer79, R.␣ Meyer80, Schnackenburg81, Pesch u.a.82. M.E. zeigt diese Uneinigkeit der Exegeten in der historischen Frage, ob die Perikope auf Jesus selbst zurückgeht, daß der uneindeutige Sachverhalt rein literarkritisch nicht zu entscheiden ist. Ausschlaggebend muß daher hier das inhaltliche Verständnis sein: was an der Textoberfläche wie eine (fragwürdige) formalistische Schriftauslegung aussieht (»rabbinisch«), das ist in Wahrheit und der Sache nach Ausdruck eines völlig eigenartigen, neuen und kühnen Gottesverständnisses83. Dies ist u.a. durch eine bestürzende Direktheit in der Aktualisierung der Gegenwart des Schöpfers und seiner schwer begreiflichen Dynamis in dem Text präsent. Eben dies paßt aber zu allem, was wir von Jesu Verkündigung über die paradoxe Nähe des Gottesreiches auch sonst wissen – mitsamt der Souveränität, mit der er gängigem Fragen und Reden darüber den Boden entzieht (Mt␣ 22,33f.). Insofern ist es aus theologischen Gründen das Wahrscheinlichste anzunehmen, dieses Gespräch bzw. Jesu entscheidende Aussagen darin seien historisch84. Sollte denn Jesus nicht eine ihm eigentümliche Auffassung über das Thema »Auferstehung« gehabt haben85, und sollte sie nicht überliefert worden sein? e. Wenn es nicht auszuschließen, sondern aus sachkritischen Gründen eher wahrscheinlich ist, daß in der Perikope Mt␣ 22,23–33 par. und besonders im Zitat von Ex␣ 3,6 mit seinem pointierten Verständnis, das Lk␣ 20,38b formuliert, sich der eigene Auferstehungsglaube Jesu ausdrückt, dann ist dieser Text eine weitere der Spuren für einen spezifisch eigenen Ewigkeitsglauben Jesu, die im NT sich erhalten haben und an die der Osterglaube der Jünger 77
Cf. u. bei Anm.␣ 88 u.␣ 93. Neutestamentliche Theologie, Erster Teil (1971), 180, Anm.␣ 28 (mit Gründen). 79 Das Evangelium nach Markus (Meyers Kommentar), 196316 , z. St. 80 Cf.: »irgendwie auf Jesu Auseinandersetzung mit den Sadduzäern zurückgehend« (ThWbNT VII, 51f.). 81 Er hält den Schriftbeweis nicht für spätere Zutat der ( jüdisch-hellenistischen) Gemeinde; dagegen spreche die Einheitlichkeit der Perikope und daß sie keinerlei Anspielung auf Jesu Auferweckung enthalte; cf. Matthäus-Evangelium, in: Die neue Echter Bibel (1987), 214. 82 Das Markusevangelium (Herders Theologischer Kommentar zum NT II, 1977), 235. 83 Schniewind ist völlig zuzustimmen: »Man muß hier aus der Gesamtheit der Jesus-Worte denken«, aaO., wie o. Anm.␣ 74, 159. 84 Verschiedene Gründe sprechen ohnehin für eine sehr alte Überlieferung. Wichtig ist auch, daß das Argument Jesu aus der Thora, also dem einzigen von den Sadduzäern als verbindlich anerkannten heiligen Text, genommen ist. Die große Untersuchung von Schwankl kommt zu einem schwankenden Resultat: »letztlich unsicher, … aber anzunehmen« (aaO.␣ 587, cf. 501–587); Huber findet hier die »historische Reminiszenz eines authentischen Jesusgeschehens«, aaO.␣ 291. 85 S.u. bei Anm.␣ 86. 78
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anknüpfen konnte86. Dieser selbst ist freilich nicht schon durch solche Anschlußmöglichkeiten im Gottesverständnis Jesu selber hinreichend zu begründen87, sondern er ist vielmehr durch das unvorhersehbare und unableitbare Faktum des kontingenten Widerfahrnisses von Erscheinungen des Gekreuzigten als eines wirklich Auferstandenen und Lebendigen hervorgerufen worden. Im Rückblick mögen dann auch jene Spuren und z.T. schwer verständlichen Aussagen Jesu, wie z.B. die unserer Perikope, sich plötzlich in ihrer Wahrheit erhellt haben. Zwei inhaltlich Züge an dieser Perikope sind es nun, die eine Rückführung auf Jesu eigene Verkündigung nahelegen. Einmal, daß die unmittelbar an die Sadduzäer gerichtete und sie vollmächtig zum Schweigen bringende Antwort Jesu ein so eigenartiges Auferstehungsverständnis einschließt, daß es zugleich auch in Front gegen die ausdrücklich nicht angesprochenen Pharisäer und ihre Erwartung einer wunderhaften Wiederherstellung der irdischen Verhältnisse in der Endzeit ausgesagt ist. Denn das inhaltlich Charakteristische von Jesu Antwort auf die Frage nach der Auferweckung liegt in folgendem: »Für Jesus ist die Auferweckung nicht die Wiederkehr des alten, vom Tod zerstörten Lebens, sondern die Offenbarung der schaffenden Kraft Gottes, die den Menschen in einen neuen Lebensstand erhebt«88. Sodann, der entscheidend wichtige Zug, in dem eben Gesagten schon mitgesetzt, betrifft das eigentümliche Gottesverständnis in der Perikope. Der Text muß von daher als »ein hochbedeutsames Dokument der Gotteserfahrung und Gottesgewißheit Jesu, seines Auferstehungsglaubens« gewertet werden89. Er enthält eben als solches den Hinweis auf »eine wichtige Voraussetzung der Entstehung des Glaubens an Jesu Auferstehung«90. 86 Als solche Spuren lassen sich etwa Lk␣ 23,43 und Mt␣ 26,29 par ansprechen. Auch die Tradition von Jesu Ankündigung seiner eigenen Auferstehung (Mk␣ 8,31; 9,31; 10,34; cf.␣ 16,7) ließe sich damit in Verbindung bringen. 87 Gegen eine mögliche Herleitung des Osterglaubens, demgemäß die Jünger aus Jesu eigenem Auferstehungsglauben nach seinem Tode einfach folgerecht die Auferstehung hätten erwarten müssen, spricht – außer dem Umstand, daß die Texte ein gänzlich anderes Bild überliefern – sachlich zweierlei: 1. Die Jünger hätten höchstens eine (bloße) Entrückung zu Gott erwarten können; 2. durch seinen Fluchtod am Kreuz hatte Jesus auch in ihren Augen jeden Anspruch bei Gott eingebüßt und war definitiv widerlegt. 88 Schlatter, Der Evangelist Matthäus (19574), 654. Diese Auffassung von Auferstehung hat sich an Jesus selber bewahrheitet, insofern sie auch nicht als einfache Wiederkehr eines Gestorbenen zu begreifen ist. 89 R.Pesch, Das Markusevangelium (Herders Theologischer Kommentar zum NT II), 1977, 235; ähnlich Huber, aaO.␣ 284 u.␣ 291. 90 Ebd. Gleichwohl ist es zutreffend (und sachgemäß), daß die Perikope keinerlei ausdrückliche Anspielung auf die Auferstehung Jesu enthält, was Schnackenburg zugunsten der Echtheit anführt (Matthäus-Evangelium, in: Die neue Echter Bibel, (1987), 214). Auch Pesch findet hier das »Zeugnis einer wichtigen Voraussetzung der Entste-
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Auch wenn die Perikope lediglich eine »Verteidigung der Denkbarkeit der Auferstehung« darstellte91 – tatsächlich ist sie bedeutend mehr! –, ist festzuhalten: bei Jesu selber »beruht der Glaube an die Möglichkeit einer zukünftigen zwfl« sehr wohl und ganz entscheidend »schon auf dem Gottesgedanken überhaupt«92. An Christus selber hat Gott freilich diese Möglichkeit definitiv bewahrheitet, so daß der Glaube an Christus nun einer an die Wirklichkeit der zukünftigen zwfl ist und an Christus selber der (hier artikulierte) Gottesgedanke Jesu seine eschatologische Wahrheit (für uns) hat (cf. Act␣ 3,13!). Wenn es richtig ist, »daß Jesus mit dem Gottesbewußtsein die Gewißheit des Lebens unmittelbar verband«93, dann ist es, bei der dargelegten Eigenart seines Glaubens an den mit seiner Zuwendung Leben erweckenden Schöpfer94, unausweichlich, Jesus als einen aufzufassen, »der den Auferstehungsgedanken in sich trägt«95. Und nur im Zusammenhang seiner Botschaft vom nahegekommenen Gott ist begreiflich zu machen, daß und warum schon für Jesus selber »der Auferstehungsgedanke Heilscharakter (besitzt)«96. Auch in diesen Zusammenhängen ist es wichtig, daß der von Jesus hier behauptete »Irrtum« letztlich als Unglaube zu verstehen ist (s.o.). Schließlich muß als ein starker Hinweis auf die Meinung der Tradition, daß es sich hier um ein zentrales Zeugnis für den Jesus eigentümlichen Gottesglauben handelt, auch noch der Umstand berücksichtigt werden, daß der Perikope in allen drei Evangelien die von der Zinsgroschenfrage der Pharisäer (Mt␣ 22,15–22 par.) vorhergeht und bei Mt und Mk die nach dem höchsten Gebot (Mt␣ 22,34–40 par.) ihr folgt. Diese redaktionelle Anordnung, bei der es stets um die Gottheit Gottes geht (Gott geben, was Gottes ist; Gottes lebendige Macht, Gott über alles lieben97), verfolgt offensichtlich die Absicht, das Jesus eigene, lebendige Verhältnis zu Gott als seinem himmlischen Vater, dessen Kommen er sich unbedingt verbunden weiß, in den Mittelpunkt zu stellen. Auf diesem Hintergrund ist auch die Frage nach dem eigentümlichen Status des Gesprächs, das unsere Perikope zum Inhalt hat, d.h. ob es ein bloß theoretisches Streitgespräch sei, nochmals aufzugreifen (s.o.).
hung des Glaubens an Jesu Auferstehung« (Markus, Herders Theologischer Kommentar II/2 (1984), 235). 91 Lührmann, Markus (Handbuch zum NT III), 1987, 204. 92 Gegen Bultmann; cf. ThWbNT II, 866, 11f. 93 Schlatter, Der Evangelist Matthäus (19574 ), 655. 94 S.o. bei Anm.␣ 35. 95 Schlatter, aaO.␣ 650. 96 Cf. Pannenberg, Grundzüge der Christologie (19693 ), 74. 97 Man könnte im Doppelgebot als dem obersten Gebot die inhaltliche Füllung der luk. Rede vom »Würdigwerden« (sc. des kommenden Äons, Lk␣ 20,35) sehen.
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Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition
Von der »mehr theoretischen Haltung« dieses »Schulgesprächs« hatte bereits J.␣ Weiß gesprochen98. Lohmeyer fand dann hier einen Nachweis der Auferstehung geführt »in der phantasievollen rabbinischen Weise, die feststehende in der Schrift nicht enthaltene Glaubenssätze nachträglich aus Schriftworten zu begründen sich müht«99. Entsprechend finden auch andere Exegeten, daß solche »schriftgelehrte« Argumentation auf äußerst schwachen Füßen stehe100. Diese Sicht der Dinge ist aber schon darum ganz abwegig, weil völlig außer Acht bleibt, daß es um Jesu lebendiges Verständnis von Gottes schöpferischer Gegenwart geht, für das ein Ausdruck in der Schrift durch ein produktives Neuverständnis in Anspruch genommen wird. Aber in dieser wesentlichen Beobachtung steckt noch eine tiefere Einsicht über das, was in dem in Rede stehenden Text eigentlich vorgeht. Für sein theologisches Verständnis vom Gottesglauben Jesu her dürfte entscheidend sein zu sehen, daß hier von Jesus durch die Weise seiner Antwort auf die Fangfrage der Sadduzäer in actu gezeigt wird, daß, wer nach der Auferstehung als solcher fragt, notwendigerweise schon nach Gott fragt bzw. Annahmen über ihn voraussetzt. Jesu »Antwort« demonstriert den Zusammenhang, daß allein richtiges Fragen nach Gott bereits die Frage nach dem ewigen Leben löst und daß der »Irrtum« der Fragenden nur Ausdruck ihres falschen, weil Gott verkennenden Gottesverhältnisses ist. Darum lebt, die Frage angemessen zu stellen, gleichsam schon von der Antwort und praktiziert die richtige Fragestellung bereits die Antwort. Denn diese Frage in der rechten Weise zu stellen (und nicht so wie die Sadduzäer), das heißt bereits, in einem bestimmten Verhältnis zum lebendigen Gott und seiner schöpferischen Gegenwart zu leben. Darum ist das wahre Fragen nach Gottes Wirklichkeit an sich schon so etwas wie ein Teilgewinnen (oder -haben) an dem, wonach gefragt wird. In diesem Sinn handelt es sich bei dieser Perikope um nichts weniger als ein »theoretisches« Schulgespräch, sondern vielmehr um eine theologische Sprachhandlung Jesu von zentraler Bedeutung. Jesus gibt hier nicht eine »gelehrte Antwort« auf eine theoretische Frage, sondern er nimmt vielmehr mit seiner Antwort die Fragenden – ihre Situation als Fragende theologisch qualifizierend – aktiv in sein eigenes Gottesverhältnis hinein. Aus dieser besonderen »Vollmacht« seines Schriftgebrauchs (cf. Mt␣ 7,29), d.h. ihrer spezifisch theologischen Wendung ad hominem, erklärt sich erst die berichtete Reaktion auf seine Antwort: sei es im scheuen Verstummen, 98
In: Die Schriften des Neuen Testaments (1. Bd., 1907), 186 (zu Mk). Das Evangelium nach Markus (Meyers Kommentar), 196316, 256. Huber dagegen erblickt hier ein »typisch jesuanisches Verhalten« – ganz im Unterschied zu rabbinischer und urkirchlicher Argumentationsweise (aaO.␣ 291) und führt diese vollmächtige Schriftauslegung auf Jesu besonderes Gottesverhältnis zurück (ebd.). 100 Cf. Haenchen, Der Weg Jesu (1966), 411, der hier bloße Schriftgelehrsamkeit der Gemeinde am Werk sieht. Weiß (aaO., wie o. Anm.␣ 98, 187) bezweifelt, daß Jesus eine solche Schlußfolgerung für beweisend gehalten hätte. 99
Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition
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das nicht weiter so zu fragen wagt (Lk␣ 20,40; cf. Mt␣ 22,46 u. Mk␣ 12,34b)101, sei es im Erschüttertwerden durch diese »Lehre« (Mt␣ 22,33; cf.␣ 7,28!). Man darf wohl sagen, daß in solcher verkündigend praktizierten Exousia sich eben die Dynamis Gottes in Jesu Worthandlung an seinen Hörern durchsetzt, von der er zu ihnen redet (cf. Lk␣ 9,43!).
101
Zum Zusammenhang mit Lk␣ 2,46f. cf. ThWbNT II, 685, 8–14 (Greeven).
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Kapitel 2
Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. I Kor␣ 15,14
1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis Der Ausdruck eschatologisches Ereignis bedeutet, daß die Auferweckung Jesu durch Gott nicht ein willkürlicher und isolierter Machtbeweis Gottes an einem zufälligen Individuum ist, sondern daß Gott hier endgültig die Zukunft und Vollendung aller Menschen und der Wirklichkeit im Ganzen schöpferisch entschieden, festgelegt und schon heraufgeführt hat. An Jesus ist vorweg Ereignis geworden, was Gott dem Menschen und seiner Welt bestimmt hat – die Vollendung im ewigen Leben. »Die Auferstehung Jesu … ist als das eschatologische Ereignis schlechthin zu verstehen. Die Auferstehungswirklichkeit ist schon das ≤scaton …«1. Damit ist zunächst gesagt, daß die Auferstehung Jesu Christi nicht nur (oder auch nur primär) ein zeitliches Geschehen ist, sondern sie ist auch – ebenso wie die Menschwerdung Gottes – als Ereignis der Ewigkeit zu denken, zugleich aber als dessen Manifestation hier in der Zeit2. Gott läßt von Ewigkeit her das Eschaton an Christus geschehen und an ihm den Glaubenden offenbar werden. Damit ist die Auferstehung nicht weniger als das wirkliche und endgültige Kommen der Ewigkeit bzw. des ewigen Lebens in die Zeit: also nicht ein isoliertes Mirakel, sondern der Einbruch der Endvollendung. Das impliziert umgekehrt auch ein Hineingezogenwerden der Glaubenden in die Ewigkeit3.
1 Künneth, aaO.␣ 229. K. Barths Bestreitung des eschatologischen Charakters von Ostern faßt Gottes »reine« bzw. »ewige Gegenwart« eigentümlich un-lebendig auf (cf. KD I/2, 125f.). 2 »Aber damit [sc. mit Jesu Auferstehung als Antizipation des Eschaton] wird die Eschatologie selbst zu einem Geschichtsverlauf, während sie ursprünglich die Aufhebung aller Geschichte ist« (C. Stange, Die Auferstehung Jesu, ZSTh 1 (1923), 709), zur »Geschichtlichkeit« von Ostern cf. auch Barth, KD III/2, 530. 3 Christi dies nunquam cessat (WA 16, 171, 9f.; cf.␣ 37,68–70: ewiger Ostertag).
1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis
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Mit der Auferstehung ist also die letzte Wahrheit über die Welt überhaupt ans Licht gebracht4, und darum gilt: »Denn dazu ist Christus gestorben und auferstanden, daß er Herr sei (kurie‚sÔh) über Tote und Lebende« (Röm 14,9) bzw. bekennen wir im Credo: »er wird kommen zu richten die Lebenden und die Toten«. Daß sich mit dem Ereignis der Auferweckung Jesu »Gewaltiges in und mit der Welt vollzieht«5, heißt, die Auferstehung ist der Beginn der Weltvollendung und »Anbruch der Neuschöpfung der Welt«6. Auferweckung zu ewigem Leben – das ist die Weise, wie Gott der Erde treu bleibt, denn dazu gehört »ein neuer Himmel und eine neue Erde« (II Petr␣ 3,13; cf. Offb␣ 21,1; Jes␣ 65,17; 66, 22). Darum scheiden sich an der Auferstehung alte und neue Welt: Die sündenbestimmte Zeitlichkeit bleibt gleichsam verschlossen oder riegelt sich ab gegen das Neue der kommenden Ewigkeit (I Kor␣ 2,14); erst Gottes Vergebung und Versöhnung im Kommen des Gekreuzigten und Auferweckten ist die Eröffnung der neuen Wirklichkeit inmitten der alten ( Jes␣ 43,18). Denn nur »wo Vergebung der Sünde ist, da ist auch Leben und Seligkeit« (Luther)7, d.h. ewiges Leben in der Gegenwart des Geistes Christi, neues Sein im alten, Leben aus dem Tode, Beginn der Neuschöpfung. Darum ist die Auferstehungshoffnung ganz allein Hoffnung und Sichverlassen auf Gottes schöpferische Lebensmacht, nicht aber auf irdische Kontinuität (cf. Ps␣ 73,25f.). Ostern hat eschatologische Realität: es geht dabei nicht um die glaubende Erkenntnis der bloßen »Bedeutsamkeit« des vergangenen Golgatha-Geschehens, sondern darum, daß der Weg Jesu Christi der geschichtliche Weg des sich offenbarenden Gottes ist – ein Weg, auf den die Glaubenden vom Auferstandenen gerufen und mitgenommen werden. Osterglaube ist insofern nicht Vergangenheits-, sondern Zukunftsglaube8! Ostern als Erscheinen des Gekreuzigten heißt: Gottes Werk der Weltzuwendung ist nicht abgeschlossen, sondern geht weiter, und der Gekreuzigte lebt; die eschatologische Zukunft der Welt ist sein weitergehendes Leben. So gehören der historische Jesus und der Christus des Auferstehungsglaubens geschichtlich, nämlich eschatologisch in der Gottesgeschichte als der Geschichte der kommenden
4 Cf. Dalferth, aaO.␣ 78. Ph. Marheineke formuliert bündig: »Die Wahrheit dieser Welt ist nicht sie, sondern die andere Welt, nicht das Reich dieser Welt, sondern das Reich Gottes. Joh␣ 18,36. I Cor␣ 7,31. I Joh␣ 1,15. Luc␣ 17,20.21.« (Die Grundlehren der christlichen Dogmatik als Wissenschaft. 2. Auflage 1827, 141 (§␣ 240). Zur Erläuterung cf. auch aaO.␣ 163f. (§␣ 278). 5 Koch, aaO.␣ 53. 6 Heim, Jesus der Weltvollender, aaO.␣ 186; cf. 192 und zum Anbruch der Endzeit überhaupt 185ff. 7 Kleiner Katechismus, BSLK 520, 29f. 8 Koch, aaO.␣ 263.
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Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi
Ewigkeit, zusammen9, und das ist der theologische Sinn der Erscheinungen des Auferweckten, die Bedeutung von Ostern10. Mit der Auferweckung ist die eschatologische Vollendung freilich erst angebrochen11, aber eben der »Anbruch des Eschaton bricht in die Geschichte der Welt ein«12. Mit diesem Eingetretensein des Eschaton, d.h. dessen, woraufhin es allein noch wahre Zukunft für die Weltwirklichkeit gibt und ein neues Denken13, nämlich eine Weisheit, die nicht von dieser Welt ist 9
»Dieser eine Punkt in der Geschichte ist Bürge für das Ende der Geschichte« (L. Ihmels, Zur Frage nach der Auferstehung Jesu, in: Studien zur systematischen Theologie (FS Haering), Tübingen 1918, 35). 10 Weil das so ist, gibt es im NT auch nicht so etwas wie eine historische Biographie Jesu, sondern das NT ist implizite und explizite Christologie, d.h. das Evangelium Jesu Christi (Gen. subj. und obj.). Daher enthält das NT auch nicht ein Psychogramm der Jünger, sondern das Bekenntnis der Auferstehungszeugen. 11 Cf. II Kor␣ 3,18 mit I Kor␣ 13,12 und zum Spiegelmotiv ThWbNT II, 693 sowie zur Vollendung im Anbruch, aaO.␣ 694. 12 Koch, aaO.␣ 55. Zur Geschichtlichkeit des absolut Neuen cf. E. Bloch: »Alle Möglichkeiten kommen erst innerhalb der Geschichte zur Möglichkeit; auch das Neue ist historisch« (Das Prinzip Hoffnung, 2. Bd., 556). 13 Entsprechend ist Luther sich schon 1515/16 über die ontologische Bedeutung dieses Glaubens völlig im Klaren gewesen. In der Römerbrief-Vorlesung deutet er Röm␣ 8,19 (!) in der Glosse so, daß Paulus hier von dem erwarteten Dienst aller (auch nicht-menschlichen) Kreatur bei der Verherrlichung Gottes rede: Hunc ergo finem suum naturaliter expectat (WA 56, 79, 26f.). Die Scholie dazu bietet eine grundsätzliche Verhältnisbestimmung zwischen dem philosophischen Denken (insbes. in aristotelischer Tradition und scholastischer Manier) und dem Denken, das in biblischer Tradition ein eschatologisches Wirklichkeitsverständnis zugrunde legt. Der Apostel ist Vertreter eines Denkens, das zur »Weltweisheit« eine »ontologische« Alternative darstellt: Aliter Apostolus de rebus philosophatur et sapit quam philosophi et metaphysici (aaO.␣ 371, 1f.). Das philosophische und scholastische Denken ist nämlich gerichtet in praesentiam rerum, also daran orientiert, was als Vorhandenes und unmittelbar gegebene Wirklichkeit vor Augen liegt (aaO.␣ 2f.). Das geht zurück auf die aristotelische Metaphysik, die gemäß Buch G␣ das Seiende als solches (ens qua ens) untersucht (Met. 1003 a 21ff.). Weil dies metaphyische Denken auf die Anwesenheit des Anwesenden fixiert bleibt, gilt ihr ein Noch-nicht-Seiendes in diesem Sinn nicht als ens. Ein solches Denken, fundamental am Sichtbaren und Greifbaren ausgerichtet, beschäftigt sich allein mit dessen quidditates et qualitates (aaO.␣ 3) und hat es mit Kategorien wie »essentia«, »accidens«, »operatio«, »actio et passio«, »motus« etc. zu tun (aaO.␣ 7f.), die alle von der unmittelbar vorfindlichen Wirklichkeit abstrahierte ontologische Konzepte darstellen. Genau wegen dieser für die Ratio kennzeichnenden Orientierung gibt es einen Konflikt zwischen ihr und dem Glauben: Ratio praesentibus soleat niti, fides absentia complectitur, et ea contra rationem praesentia esse iudicat (WA 42, 452, 23–25). Daher entsteht ein Streit um die wahre Wirklichkeit, denn der Glaube geht wesentlich auf das, was noch nicht sichtbar ist und nur verheißen (Heb 11, 1): Atque haec causa est, quod non sicut auditus omnium est, ita etiam fides sit omnium. Pauci enim credunt (aaO.␣ 25f.). Der gesunde Menschenverstand stützt sich aufs Handgreifliche, sichert sich in empirisch vorhandener Wirklichkeit ab: Reliqua multitudo praesentibus rebus, quas tangit et palpat, potius, quam verbi vult niti (aaO.␣ 26f.).
1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis
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(I Kor␣ 2,6), ist die Wirklichkeit in einer »Geburtswehe« (Röm␣ 8,22; cf. I Thess␣ 5,3) begriffen14. Weil die Gestalt des Auferstandenen die Zukunft der Welt ist, gilt: »die Gestalt dieser Welt vergeht« (I Kor␣ 7,31; cf. I. Joh␣ 2,17). Die Geschichte geht von Ostern her auf die consummatio mundi zu bzw. Im Gegensatz dazu philosophiert der Apostel anders, nämlich aus der sich im Verheißungswort ankündigenden neuen Wirklichkeit. Sein Denken transzendiert das sichtbar vor Augen liegende Gegenwärtige (weg vom intuitus rerum praesentium) und ist bestimmt von der Wirklichkeit des kommenden Gottes: gerichtet in eas (sc. res), secundum quod futurae sunt (WA 56, 371, 5f.). Paulus philosophiert theologisch: auf Grund der »neuen und wundersamen Vokabel »Expectatio creaturae«« (aaO.␣ 8f.). Theologisch zu denken (sapiemus et videbimus, aaO.␣ 13), heißt daher, die Kreatur nicht mehr (nur) nach dem zu denken, was sie an ihr selbst unmittelbar ist (non ipsam creaturam amplius, aaO.␣ 9f.), sondern sie darauf hin zu befragen und zu begreifen (intendere et quaerere, aaO.␣ 10), worauf sie selber (noch) aus ist: quid creatura expectet (ebd.).Denn alle Dinge sind noch nicht in ihrer Wahrheit; in ihrer unmittelbaren Wirklichkeit weisen sie über sich selbst hinaus (cf. auch WA 34/II, 480f., zit. u. Kap.␣ 3.2. Anm.␣ 157). Für die theologische Ontologie ist maßgebend, daß alle Kreatur ihr Sein hat als cupientem id, quod futura/non dum/est (aaO.␣ 30). Weil nichts schon wahrhaft mit sich identisch ist, gilt: res ipsae essentias suas et operationes et passiones fastidiunt et gemunt (aaO.␣ 372, 8f.). Das ist die Expectatio creaturae, daß sie de se ipso tristatur et sibiipsi displicet (aaO.␣ 372, 10). Theologisch denken besagt daher, die Kreatur als Geschöpf des kommenden Gottes zu denken (Creaturas esse creaturas, aaO. 372, 25) und d.h. von ihrer zukünfigen Bestimmung her als vorläufige Materie dessen, was Gott als Form ihrer endgültigen Wahrheit werden läßt: creatura Dei, quae paratur ad futuram gloriam (aaO.␣ 372, 3f.). Ganz entsprechend hat Luther 1536 die wahre Wirklichkeit des Menschen eschatologisch gedacht: homo huius vitae est pura materia Dei ad futurae formae suae vitam (Disp. de homine, Th. 35; WA 39/I, 177, 4f.; cf. die Thesen 34–38). Das bestimmt auch seine Sicht des Lebens überhaupt: hanc vitam … non habeo pro vita. Non enim est vere vita, sed tantum larva vitae (WA 40/I, 288, 23– 25, zu Gal␣ 2,20). Von dieser eschatologischen Wirklichkeitsauffassung ist auch Luthers theologische Abwehr des scholastischen modus loquendi her motiviert: Sed heu, quam profunde et noxie haeremus in praedicamentis et quidditatibus, quot stultis opinionibus in metaphysica involuimur! (WA 56, 371, 11f.; cf. den Hinweis auf Seneca, Ep. 45, 4, aaO. 15f.). Im un-eschatologischen Wirklichkeitsverständnis der herkömmlichen Metaphysik und der sich ihr anschließenden Theologie liegt Luthers Kritik der Philosophie und seine Orientierung an der Schrift eigentlich begründet (der Grund latrandi contra philosophiam et suadendi ad Sacram Scripturam, aaO.␣ 371, 17f.; cf. auch Kol␣ 2,9!). Bemerkenswert bleibt aber, daß hier in Luthers Sicht ein philosophisches Denken gegen das andere aufgeboten wird. Paulus »philosophiert spekulativ« von der in der Schrift bezeugten Offenbarung Gottes her, und seine theologische »Ontologie« betrifft das darin mitgesetzte geschichtlich-eschatologische Seinsverständnis. Daher gilt für eine theologische Ontologie, sich an der eschatologischen Wirklichkeitsauffassung des Apostels zu orientieren: Igitur optimi philosophi, optimi rerum speculatores fueritis, si ex Apostolo didiceritis Creaturam intueri expectantem, gementem, parturientem i.e. fastidientem id, quod est, et cupidientem id, quod futura/nondum/est. (aaO.␣ 28– 31; Hervorhebung J.R.). 14 Joh␣ 16,21 verbindet im Bild der Geburtswehe, das schon Jes␣ 26,17 endzeitlichen Charakter hat (cf. Offb␣ 12,2) und dort mit der Totenauferweckung zusammenhängt ( Jes␣ 26,19), zweierlei: das »Weggehen« Jesu, d.h. sein Sterben (V.␣ 16f.) und die
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Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi
wird von ihrem Telos im Eschaton her auf es hin gezogen. Unsere letzte Zukunft ist bei Gott entschieden, und Jesu Verkündigung und Botschaft, sein Evangelium, ist die eschatologische Dynamis Gottes, die sie als Wahrheit endgültig durchsetzen wird (Röm␣ 1,16f.). Insofern ist Ostern kein abgeschlossenes Ereignis der Vergangenheit, sondern gerade ein »Zukunftsgeschehen«15. Und eben weil »die angebrochene Wirklichkeit des neuen Lebens … noch nicht vollendet«, vielmehr noch strittig ist und auch für den Glauben zwar wirkliches Geschehen, aber noch nicht definitiv geworden ist, darum ist »das dort und damals an Jesus Geschehene für uns noch unausdenkbare Zukunft«16. So begründet auch unser Reden von Auferstehung ist, wir vermögen doch nicht restlos auszudenken, was wir damit sagen17 und vermögen in gewisser Weise nur metaphorisch von diesem Verborgenen zu reden18. Auf die Frage, wohin Christus auferstanden sei, darf also nicht einfach gesagt werden: zu Gott, sondern muß die eschatologische Antwort gegeben werden: »Er ist auferstanden in das Leben der Zukunft, die Gott dieser Welt geben wird«19. Das qualifiziert auch seine Gegenwart damals und heute als eschatologisch: »Ist der Auferstandene uns gegenwärtig, so ist er es von dem Leben dieser Zukunft her, in das er vorausgegangen ist«20. In diesem eigentümlichen Sinne ist Christi Auferweckung die Antizipation (Vorweg-Ereignung) der eschatologischen Zukunft der Welt21. Für die Auferstehungszeugen, d.h. die dem auferstandenen Herrn Begegnenden, war momentan schon »die Gestalt dieser Welt vergangen« (I Kor 7,31; I Joh␣ 2,17), und ihr Auferstehungszeugnis ist das Zeugnis für die Vorläufigkeit (par›gein) unserer Wirklichkeitserfahrung und ist ein Bekenntnis zu Gottes schöpferischem Handeln als der kommenden Wahrheit dieser Welt. Insofern ruft die Osterbotschaft uns aus dieser Welt heraus und in Gottes beginnende Zukunft hinein. Der Auferstehungsglaube ist Übergang, denn »auf Hoffnung sind wir gerettet« (Röm␣ 8,24). Und darum gehört zum Auferstehungsglauben eine eschatologische Existenz der Glaubenden: »Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nahe herbeigekommen« (Röm␣ 13,12a)22. Wir leAnfechtung durch seinen Kreuzestod (V.␣ 20; cf. 32), und die Geburt des neuen Menschen in seinem Wiederkommen (bzw. als dieses) (V.␣ 22f.; cf. 33). Christi sich wieder sehen Lassen ist die Geburt des eschatologischen Menschen ( Joh␣ 14,19f.). Auf diesen Text machte mich mein Kollege J. Martikainen aufmerksam. 15 Moltmann, zit. bei Pannenberg, STh II, 393 A.␣ 73. 16 Pannenberg, aaO.␣ 405 A.␣ 116. 17 Pannenberg, Offenbarung als Geschichte, aaO.␣ 105. 18 Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 70; cf. unten den Exkurs, S.␣ 197ff. 19 Joest, Dogmatik, 1. Bd. (19872), 268. 20 Ebd. 21 Cf. Aristoteles: tÖ dû ≤scaton ürcÉ tö“ pr›xew“ (De an. G 10; 433a 16f.). 22 Dem entspricht ein Leben im Auferstehungslicht (V.␣ 12b-14) als Bekenntnis zum lebendigen Herrn und Gott (Röm␣ 14,11 u.␣ 9).
1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis
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ben als Glaubende Gott in Christus (Röm␣ 6,11) und, weil die Herrschaft des Todes gebrochen ist (V.␣ 9), im transitus: »als die da aus den Toten lebendig sind« (V.␣ 13). Der eschatologische Charakter der Auferstehung besagt auf diesem Hintergrund: in der Auferweckung Jesu hat Gott die bestimmte Gegenwart Jesu Christi (insbesondere seines Todes und neuen Lebens) in einem schöpferischen Handlungsakt mit der Zukunft zu einem einheitlichen und unauflösbaren Geschehen verbunden, das in der Ewigkeit auch nur eines ist und sich allein für uns in die zeitliche Geschichte vom Jahre 30 bis zum zukünftigen Ende aller Geschichte auseinanderlegt und erstreckt23. Damit ergibt sich ein eigentümlicher Sachverhalt, was das Sein Jesu Christi betrifft. Zwar gilt mit Nachdruck »der Auferstandene hat in der Geschichte seine Existenz«24, – dies aber eben aus der Ewigkeit Gottes her. Das Sein des Auferstandenen ist nicht einfach wieder das des Irdischen, sondern er ist derselbe anders, eben eschatologisch. Sein Wirklichsein ist zugleich sein Ewigsein bzw. sein Zukünftigsein. Was hier zu denken wäre, Antizipation, ist ein Sein als Sich-voraus-Sein; nur »hier« als zugleich auch »dort«; bei Gott, indem bei uns und umgekehrt; zeitlich: jetzt schon da als der, der kommt, und als der endgültig Kommende hier und jetzt. Christus konnte demnach nur als »Erscheinender« leibhaft gegenwärtig sein, weil sein Sein zugleich eschatologisches Sein ist. Andererseits hat der Auferstandene kein bloß subjektives Sein als Bewußtseinsgegenstand (z.B. in einer »Vision« oder als bloßes Phantasiegebilde), sondern er ist darin »objektiv«, daß er nur so zugegen war, daß er zugleich über die bestimmte Gegenwart unendlich hinaus Sein hatte (nämlich Ewigkeit und Zukünftigkeit). Darum entzog der Lebendige sich in allen Erscheinungen auch immer wieder. So wie der Menschgewordene als endlicher Mensch zugleich Gottes Gegenwart war (vere Deus – vere homo), so ist der Auferstandene als konkret Anwesender zugleich ewige Person im göttlichen Leben. Das Sein des Auferstandenen ist nach seinem ontologischen Status eschatologisch, d.h. ein Sein, das wirklich ist in der Ausgespanntheit von bestimmter persönlicher Gegenwart bei den Glaubenden und ewiger Lebendigkeit bei Gott25.
23 Cf. Luthers Versuch vorstellig zu machen, was Ewigkeit ist: »Für Gott ist der anfang der Welt ja so nahe als das ende, tausent jar als ein tag. Und Adam, der am ersten geschaffen ist, als der letzte Mensch, der da wird geporn werden. Denn er sihet die zeit also an, wie des menschen auge zwey ding, die weit von einander sind, ynn einem augenblick zusammen bringt« (WA 24, 25, 16–20). Zur internen Zeitstruktur dieser ewigen Simultaneität cf. das zugehörige Zitat u. Anm.␣ 76 (Abschn.␣ 2). In ihr ist auch das unerläßliche Pro-me ermöglicht! 24 Koch, aaO.␣ 57. 25 Zur genaueren Bestimmung des Status dieser Gegenwart s.u. Kap.␣ 3.1.
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Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi
Dafür, Auferstehung und Eschaton als einen Geschehenszusammenhang anzusehen26, spricht auch, daß der gedankliche Gehalt von Jesu Auferstehung für die Urchristenheit nicht ablösbar war von der Erwartung einer allgemeinen Totenauferstehung am Ende der Zeiten27. Das besagt aber, auch der Wirklichkeitsmodus des Seins Christi als Auferstandener, wie es in den Erscheinungen sich kundtat, kann nur in diesem Zusammenhang mit der Enderwartung artikuliert werden28. Das Sein des Auferstandenen zu denken, bedeutet, die eschatologische Realität von bloßer Halluzination oder dem Erscheinen eines Totengeistes zu unterscheiden. Dieser Zusammenhang besagt nun für die erwartete Parousie des Herrn, also die Wiederkehr Christi am Ende der Zeiten, daß sie selber schon in Ewigkeit zum Auferstehungsgeschehen dazugehört. Sie ist nur die endgültige Enthüllung der Auferstehung Jesu Christi, und bei ihr wird der jetzt verborgene Kyrios als Herr der Welt offenbar29. Die Auferstehung ist als Überholen aller zukünftigen Zeit schon selber die Vorwegnahme der Parousie, und beides ist nur eine Wirklichkeit30 und zwar eine auf sich zugehende Wirklichkeit. Die Parousie ist das telos des Kosmos (cf. Röm␣ 8,19), der im Status der Hoffnung ist (V.␣ 20) – wie wir (V.␣ 24), und dies Ziel besteht in der Freiheit der Herrlichkeit (doxa) von aller Vergänglichkeit (V.␣ 21; cf. I Kor␣ 15,42). In dieser Einheit der Parousie mit der Auferstehung liegt eine bedenkenswerte Umkehrung der Zeit. Wenn der auferweckte Herr in der Parousie wiederkommt, heißt das: der Vergangene ist der Zukünftige; bzw. aus der Zukunft her ist ständig gegenwärtig, was in der Vergangenheit war und dort abgeschlossen ist31. Die Einheit von Auferstehung und Parousie gibt die le26 Luther behauptet ausdrücklich Christi Auferstehung und die der Toten am jüngsten Tag als ein und dieselbe, als eine einzige Auferstehung (cf. WA 49, 762, 32–763, 21; 764, 28). 27 I Kor␣ 15,13 u.␣ 16; cf. Pannenberg STh II, 392. 28 Ebd. 29 Cf. Künneth, aaO.␣ 255. Auch bereits für Paulus gilt die Apokalypsis des Sohnes (Gal␣ 1,15f. u.ö.) schon als »antizipierende Enthüllung der Hoheitsstellung Jesu, die in der bevorstehenden Parousie aller Welt offenbar gemacht werden wird« (Hoffmann, TRE 4, 495, 42–44). Cf. auch H.W. Bartsch, zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 145f. 30 Von einer Parousie redet auch Barth, Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 97. In der KD gilt die Parousie als eigene Finalität der Auferstehung (IV/1, 361; cf. die Rede von der ersten Parousie, aaO.␣ 367; cf.␣ 351,352). 31 Wegen der Einheit von Auferstehung und Parousie kann auch Christi Wiederkunft zum Gericht nicht im räumlichen Sinn eines »vom Himmel herab« und auch nicht auf einen bestimmten Ort auf Erden fixierbar vorgestellt werden (cf. Lk␣ 17,20 – 24). Die Parousie Christi als seine endgültige Gegenwart muß mit der lebendigen Allgegenwart Gottes zusammengedacht werden; s.u. Kap.␣ 3.2. Von daher, daß der Vergangene als der Wiederkommende und so Gegenwärtige geglaubt wird, ist Christi Gegenwart im Abendmahl theologisch zu begreifen, das daher als »Auferstehungssakrament« (Künneth, aaO.␣ 176) zugleich »Wiederkunfts-
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bendige Ewigkeit als Aufhebung und Umkehrung der Zeit zu denken. Insofern ist mit der Auferstehungswirklichkeit auch eine neue Zeit gesetzt: die Christus-bestimmte, d.h. Ewigkeits-bestimmte Zeit, das ist die auf ihre Vollendung zugehende, schöpferisch aufgehobene Zeit, Zeit im Modus ihrer ewigen Erfüllung, »Vollzeitlichkeit«32. Damit aber ist auch eine Neubestimmung der Vergangenheit gegeben, die der paulinischen Aussage, der Auferstandene herrsche über Lebende und Tote (Röm␣ 14,9), ontologischen Sinn verleiht. Denn die Öffnung der Todeswelt hin auf Gottes (im Auferweckten) kommendes Leben bewirkt auch eine Umwertung und -polung der Vergangenheit (II Tim␣ 1,10). Als der aus Gottes Zukunft alle Wirklichkeit neu Bestimmende qualifiziert der lebendige Christus auch das Vergangene neu; in diesem Sinne hat er die Schlüssel des Hades in seiner Hand (Offb␣ 1,18; cf.␣ 2,11) und ist sein descensus ad inferos zu deuten (I Petr␣ 3,19; Eph␣ 4,9!), der zugleich kräftiger Erweis seiner »Erhöhung« ist (Eph␣ 4,8–10; cf. FC IX)33. Entsprechend bedeutet der eschatologische »Augenblick« (†n üt·mw †n ØipÔö £fjalmoú), von dem Paulus I Kor␣ 15,52 spricht, die Gleichzeitigkeit der Lebenden und der schon Toten in der Auferstehung; vor Gott leben sie alle34, und d.h. das Eschaton verwandelt rückwärts, gleichsam mit einem Schlag, auch die Vergangenheit. Insofern kommt im descensus des Auferstandenen nur zum Ausdruck, daß für den ewigen und lebendigen Gott nichts Vergangenes definitiv abgeschlossen ist, so daß er dessen schöpferische Möglichkeiten hervorrufen und verwandelt aktualisieren kann und so »alles neu« machen kann (cf. Offb␣ 21,4f.)35. sakrament« (Rengstorf, aaO.␣ 158) ist. Dagegen bleibt bei Lüdemann, aaO.␣ 199, völlig unausgemacht, wieso die Mahlpraxis »Erfahrung mit Jesus« soll sein können, wenn es sich nicht überhaupt um zweideutige Rede handelt. Daß die »Erfahrung von der uneingeschränkten Gnade Gottes« zu Ostern unwiderruflich gemacht sei (cf. aaO. ebd.), ist abstrakte kerygmatische Deutung: die Gnade wird gerade durch das Leben des Gekreuzigten selber »unwiderruflich«! – Auch die bei Joh an der Stelle des letzten Mahles stehende Fußwaschung reflektiert die dialektische Einheit von zum Vater Gehen und heilvollem bei den Jüngern Sein, cf. Joh13, 1ff.; besonders V.␣ 1 u.␣ 3 mit 13 u.␣ 14. 32 H.W. Schmidt, Zeit und Ewigkeit, aaO.␣ 299ff. Zur näheren Ausführung s.u. Abschnitt 2 (S.␣ 43f.). 33 Cf. die zahlreichen bildlichen Darstellungen vor allem in der byzantinischen Kunst, die durch Christi Sprengung der Pforten der Hölle bzw. des Todesreiches veranschaulicht, daß die Auferstehung das Abgeschlossene und Definitive der Vergangenheit – Herausführung Adams und Evas als Repräsentanten der vorchristlichen Menschheit – aufgebrochen (oft sind zerbrochene Türen und Riegel bzw. Schlüssel dargestellt!) hat und sie für die eschatologische Zukunft geöffnet ist. 34 Zu Lk␣ 20,38 s.o. S.␣ 17ff. 35 Zu Gottes schöpferischem Durchdringen der Vergangenheit in kraft seines Lebens cf. vom Vf. »Gott und das ewige Leben, aaO.␣ 71f. Im Gesagten ist auch die Hoffnung einer Restitution aller Opfer der Geschichte eingeschlossen, deren W. Benjamin eingedenk war: »Freilich fällt erst der erlösten Menschheit ihre Vergangenheit vollauf zu« (Über den Begriff der Geschichte, Th. III, in: Gesammelte Schriften I/2, 694).
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Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi
Ist Christi Auferstehung das eschatologische Ereignis, so ist mit Christus selbst schon der »Beginn der ewigen Lebenswirklichkeit« bzw. der »Anfang der letzten Wirklichkeit« proleptisch gegeben36. Mit dieser Antizipation des Zukünftigen ist aber die Verborgenheit des neuen Äons unter den Bedingungen des alten verbunden, ja der Zukünftigkeit entspricht wesentlich Verborgenheit. Denn das eschatologische Sein entzieht sich gegenständlicher Fixierung: die von ihrer Antizipation in Christus auf ihr endgültiges Offenbarwerden zugehende Wirklichkeit ist als Umkehrung der Zeit unanschaulich. Die Zukunft der Welt ist das Mit-sich-Zusammengehen des Perfekts der Auferstehung, oder auch: sie ist das Auf-sich-Zurückkommen des eschatologischen Futurs aus seiner Vorweg-Ereignung in der Auferstehung Jesu Christi. Darum impliziert der Glaube Hoffnung (Röm␣ 8,24)37, lebt nicht im Schauen (II Kor␣ 5,7), sondern geht wesentlich auf Unsichtbares (Hebr␣ 11,1)38. Auch die Begrenzung der Erscheinungen auf einige Wenige dient dazu, Glauben möglich zu machen ( Joh␣ 20,29). Aus dem allen folgt zunächst, daß mit der Auferstehung der eschatologische Charakter des christlichen Glaubens auf dem Spiel steht: »Die Leugnung des Wunders der Auferstehung ist nicht nur die Leugnung einer einzelnen historischen Thatsache, sondern Leugnung der ganzen prophetischen Weltanschauung des Christenthums, die an der Auferstehung ihren lebendigen Ausgangspunkt hat.«39
2. Auferstehung im eschatologischen Horizont a. Ist mit dem im ersten Abschnitt Ausgeführten bereits dargetan, daß die Auferweckung Jesu »kein isoliertes Wunder« ist40, so ist nun wahrzunehmen, daß das Neue Testament die eschatologische Allgemeinheit der Auferstehung vielfältig und mit Nachdruck betont. Der Apostel Paulus dankt für die Auferweckung Jesu als für den »Sieg« schlechthin (über Sünde und Tod), den Gott uns »gegeben hat durch unseren Herrn Jesus Christus« (I Kor␣ 15,57; Röm␣ 7,25). Daher ist das Sein des Auferstandenen zugleich unser zukünftiges Sein (cf. I Kor␣ 15,49: e¢kwn␣ mit
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Künneth aaO.␣ 53 u.␣ 68. Cf. R.R. Niebuhrs Aussage über die christliche Hoffnung, die als Interpretation der Zukunft aufgrund der Auferstehung Jesu sich gründet in der »Erkenntnis, daß die Gegenwart auf die Zukunft durch die Gestaltung der Vergangenheit gerichtet ist« (aaO.␣ 136). 38 Freilich nicht im platonischen Sinn! Cf. auch II Kor␣ 4,18. 39 H.L. Martensen, Die christliche Dogmatik, aaO.␣ 297 (§␣ 172). Auch für Luther fällt mit der Auferstehung alles andere (WA 36, 605, 20 –23). 40 Graß, aaO.␣ 262. 37
2. Auferstehung im eschatologischen Horizont
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Röm␣ 8, 24)41, und wir sind vor Gott schon mit Christus auferweckt und in das »himmlische Wesen« versetzt (Eph␣ 2,6). Insofern hat die Auferstehung ihren Sinn nicht in sich selber, sondern als Anfang eines sich fortsetzenden und auf die Glaubenden ausgreifenden eschatologischen Geschehens (Kol␣ 3, 4!)42. Auferstehung ist ein sich selbst fortsetzendes, schöpferisches Wirklichkeitsgeschehen. Ihre erste Wirkung ist ihr Sichtbarwerden für die Jünger, d.h. deren Ostererfahrung, und die Erscheinungen des Auferstandenen sind die sich kommunizierende Auferstehungsrealität und insofern selber eschatologisches Geschehen43. Daher gehört zu ihrem Widerfahrnis wesensmäßig die Bitte »Bleibe bei uns, denn es will Abend werden …« (Lk␣ 24,28)44. Weil der Sieg Christi uns, den Glaubenden, zugute kommt ( Joh␣ 10,28!), gilt: »Christi Auferstehung wurde für das sterbliche Geschlecht der Beginn der Auferstehung zu einem neuen Leben«45. Das gründet in dem einen Geschehenszusammenhang der göttlichen Schöpfermacht (dynamis): »Gott hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Dynamis« (I Kor␣ 6,14; cf. II Kor␣ 4,14). Von daher ist das Auferstehungsgeschehen vollständig erst als die Einheit von Christi und unserer Auferstehung46. Dies grundsätzliche Einbezogenwerden der Glaubenden in die eschatologische Wirklichkeit ist ein Implikat des Glaubens an die Auferstehung Christi selber (I Thess␣ 4,14; 5,10). Spezifisch als der Erstling aus den Toten (üparcfl) wurde Christus auferweckt (I Kor␣ 15,20; cf. 23) – das ist der Sinn der Vorwegereignung des Eschaton. Damit ist noch einmal gesagt, daß die Auferstehung als ein isoliertes Faktum als solches nicht zureichend erfaßt ist; sie wird erst begriffen in einem einheitlichen eschatologischen Wirklichkeitszusammenhang, d.h. in Einheit mit der wahren Wirklichkeit, die das Sein des kommenden Gottes ist. Darum gehört es zum ontologischen Status des Auferstandenen, der »Erstgeborene unter vielen Brüdern« zu sein (Röm␣ 8,29), die er auch »meine Brüder« nennt 41 Dies Sein schließt als Erlösung vom »Leib dieses Todes« (Röm␣ 7,24; 8,32c) die Hoffnung auf neue Leibhaftigkeit im Geist ein (I Kor␣ 15,44). 42 Insbesondere Luther hat später in diesem Sinn das pro nobis der Auferstehung Christi betont; cf.: »daß alles das Werk, welches Gott in Christus tut, mir geschieht, ja mir geschenkt und gegeben sei, so daß seine Auferstehung in mir das wirke, daß ich auch auferstehen und lebendig werde mit ihm« (WA 10/I, 2, 220, 14–16; cf.␣ 46,337, 12–338, 13). Cf. auch KD IV/1, 363. 43 »Dazu ist Christus mit seiner Auferstehung uns vorgangen und hat uns die Bane gebrochen und den Weg gemacht, das wir jm nachfolgen söllen« (WA 49, 430, 39f.). 44 Zum Verhältnis zur Endvollendung cf. bei Lüdemann, aaO.␣ 253 A.␣ 570! 45 Gregor von Nyssa, or. catech. 25, 2. Daß die Auferstehung Christi Grund der Auferstehung der Menschen ist, ist nach R. Staats das die altkirchliche Theologie bewegende Thema gewesen (cf. TRE 4, 517–519). 46 Cf. wiederum Luther: erst beides zusammen ist »ein volkomene Auferstehung« (WA 49, 396, 9f.; cf.␣ 397,30 –33). Gott »leibet Christi und unser Aufferstehung in einander von anfang der Welt bis ans ende« (WA 49, 762, 32f.).
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Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi
( Joh␣ 20,17b; cf. Mt␣ 28,10). Weil er der »Erstgeborene aus den Toten« ist (Kol␣ 1,18; cf. 15 und Offb␣ 1,5 mit Ex␣ 4,22), gibt es für uns Auferstehung nur durch ihn. Denn nicht nur als den ersten hat Gott Jesus Christus auferweckt (Act␣ 3,26), sondern er hat ihn eben damit zum »Anführer des Lebens« gemacht (Act␣ 3,15). Er ist um unsertwillen auferweckt, d.h. zu unserer Gerechtigkeit (Röm␣ 4,25). Der »erste aus der Auferstehung der Toten« (Act␣ 26,23) bestimmt uns zu »Kindern der Auferstehung« (Lk␣ 20,36), wahren Kindern Gottes (Röm␣ 8,16). Eben als der »Erstling« ist der auferstandene Christus Inbegriff einer neuen Menschheit, die aus der Schöpfermacht Gottes in seiner Wahrheit und Gemeinschaft lebt. Mit und in Christus fängt das (wahre) Leben für den Menschen erst an, so wie mit Adam Leben als Todesrichtung (I Kor␣ 15,22 u.␣ 45). Insofern wird die theologische Anthropologie als Begriff des Menschen ersten und zweiten Adam nur in ihrem Zusammenhang aufstellen können (cf. I Kor␣ 15,45–47)47, eben weil Christus als unsere (kommende) Wahrheit48 erst den Begriff von Menschsein überhaupt vollendet. Nimmt man Röm␣ 5, 12ff. nach ihrem grundsätzlichen Gewicht hinzu, so wird man sagen können, daß christlich das Menschsein des Menschen als die (eschatologische) Geschichte vom ersten zum zweiten Adam begriffen49 und so das Wesen des Menschen überhaupt geschichtlich gedacht werden muß. Theologisch wird der Begriff des Humanum »verflüssigt«50. b. Nicht zufällig wird die Auferweckung an Jesus (†n tù Ihsoú) verkündigt (Act␣ 4,2); denn eben durch den einen Christus (cf. Röm␣ 5,15–19) kommt die Auferstehung aller Toten überhaupt (I Kor␣ 15,21), d.h. durch ihn für die Seinen (23), weil sie in ihm lebendig gemacht werden (22)51. In diesem Kontext ist kurz auf die Ausführungen des Paulus in I Kor␣ 15 einzugehen. Er betont, daß Christi Auferstehung nur wahr ist, wenn es überhaupt eine Totenauferstehung gibt bzw. geben wird (13.15c u.␣ 16! cf. 47 Auch Barth betont, daß 1. und 2. Adam als »nicht zwei, sondern einer« zu denken sind; in: Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 116, cf. 118. 48 Dazu cf. Barth, aaO.␣ 117. 49 Im Sinne einer o¢konom‡a e¢“ tÖn kainÖn ±njrwpon (Ign., Eph␣ 20,1); cf. Eph␣ 1, 10 u. u. Kap 5.1. Anm.␣ 35. 50 So auch Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie 2, 177, der auch von einer »Historisierung und Prozessualisierung des griechischen Begriffs der menschlichen Wesensnatur« spricht (ebd.). So wie damit der Begriff des menschlichen Selbstseins – durch Christus vermittelt – als objektiv im Werden zu sich gedacht werden muß, so auch subjektiv–individuell als im Zuge der Auferstehungswirklichkeit extern (neu) konstituiert (cf. Heim aaO.␣ 187 und Dalferth zum »Werden als Person«, aaO. 155f.). In Luthers Gedanke des Simul von Sündersein und Gerechtersein wird diese Ausspannung des Selbstseins subjektiv und objektiv gefaßt. 51 Auch Mt␣ 27,52f. dürfte legendärer Reflex dieses Zusammenhangs von Christi und aller Toten Auferstehung sein.
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I␣ Thess␣ 4,14; I Petr␣ 1,21). Das schließt ein, Christi Auferstandensein ist wirklich in der Kraft (und als realer Vorschein) der zukünftigen allgemeinen Auferstehung. Für Paulus ist die Wirklichkeit von beidem eine Wirklichkeit52. Darum zieht er die Folgerung: wenn die Auferstehung Christi nicht geschehen ist, dann sind die Predigt und der Glaube, der auf Gottes Zukunft hofft, vergeblich (14f. 17), und es gibt keine Erlösung in Christus (17f.). Fällt mit Christi Auferstehung auch das Eschaton hin, ist das Leben rein diesseitig (32b). Denn die Hoffnung auf Christus greift notwendig über dies Leben auf das zukünftige hinaus (19); anders wären die Christen in wahnhafter Unwahrheit befangen: »die elendsten unter allen Menschen« (ebd.). Christus ist also als Auferweckter und Lebender der Garant für eine »lebendige Hoffnung« (I Petr␣ 1,3f.). Entscheidend ist in alle Ewigkeit für die Menschheit, »daß das Haupt der Gemeinde die Herrlichkeit des ewigen Lebens hat«53. So ist er selber Fundament und Eckstein seiner Kirche (Eph␣ 2,20; I Kor␣ 3,11; Act␣ 4,11), ja der »lebendige Grundstein« (I Petr␣ 2,4ff.). Dieser Zusammenhang ist die objektive Intentionalität von Christi Sein als lebendiger Herr: er zieht, wie Luther einmal sagt, alle Dinge mit sich54. Er ist als Auferweckter die lebendige Verheißung: »Ich lebe und ihr sollt auch leben« ( Joh␣ 14,19; cf.␣ 17,24). Weil Christus »die Wahrheit und das Leben« ist ( Joh␣ 14,6) und als »der Weg« den Zugang zum Vater darstellt (6b), ist er auch »die Auferstehung und das Leben« (11, 25), d.h. für die Glaubenden Leben aus dem Tode (25b)55 und ewiges Leben (26; cf.␣ 6,47). Als der Lebendige ist er »euer Leben« (Kol␣ 3,4) bzw. »mir das Leben« (Phil␣ 1,21). Indem er über Tote und Lebende herrscht (Röm␣ 14,9; cf. I Thess␣ 4,14)56, werden wir gerettet in seinem Leben (Röm␣ 5,10). Eben aufgrund der Auferweckung ist Christus der Kyrios (Röm␣ 10,9) und wird Gott im Auferstandenen angebetet ( Joh␣ 20,28; cf. Mt␣ 16,16f.). Das bedeutet, daß unter seiner Herrschaft niemand »sich selber lebt oder stirbt« (Röm␣ 14,7), sondern für ihn, den für uns Gestorbenen und Auferweckten (V.␣ 8; II Kor␣ 5,15). »Ihm leben«, heißt, ihm dienen (Röm␣ 14,18) und ihm als dem Herrn »stehen oder fallen« (Röm␣ 14, 4b; cf. 10b): als dem, er einzig lebt (11) und daher Retter (10, 9) und Richter über Lebende und Tote ist (14, 11f.; Act␣ 10,42). Christus gehören, heißt dem 52
Für Paulus gehören Auferstehung Christi und die künftige Auferstehung der Christen »im selben Ereigniszusammenhang der Endgeschehnisse wesenhaft zusammen« (U. Wilckens, Ursprung und Überlieferung der Erscheinungen, in: P. Hoffmann (Hg.), aaO.␣ 146. Auch Barth redet von dem einen Geschehen (zu I Kor␣ 15,12–19; cf. Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 86f.). Zu Luther s.o. Anm.␣ 46. 53 Schlatter, Das christliche Dogma (1923), 308. 54 WA 36, 582, 21–25; cf. Joh␣ 12,32. 55 Cf. die Umkehrung: »tot zu sein, ob man gleich lebt« (I Tim␣ 5,6). Zu Joh␣ 11,25 cf. Luther WA 49, 53, 4–54, 2. Mit Christus sind wir schon im ewigen Leben (cf. WA 36, 550, 27f.; 554, 33ff.; 581, 26–28), d.h. nicht mehr im Bereich des Todes (aaO.␣ 31f.). 56 Zum Sinn von Christi Herrschaft auch über die Toten überhaupt s.o. S.␣ 35, sowie cf. Lk␣ 20,38.
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Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi
Leben gehören, weil dem lebendigen Gott (I Kor␣ 3,23; 6,19), und nicht aus sich, sondern aus ihm das Leben zu haben (Gal␣ 2,20), weil Christus der Gestorbene selber nur Gott lebt (Röm␣ 6,10f. u.␣ 7,4), und daher nicht mehr stirbt (6,9), da der Tod keine Macht über ihn hat. Wer in Christus ist, der ist in der wahren Wirklichkeit: eine neue Kreatur (II Kor␣ 5,17), denn er hat ontologisch Christus als den neuen Menschen »angezogen« (Kol␣ 3,9f.). »In« Christus sein, heißt aber nur, ihm als dem Auferstandenen gehören (I Kor␣ 3,23; Röm␣ 7,4), indem man in der Gemeinschaft seiner Leiden und seines Todes ihn erkennt und damit die Kraft (Dynamis) seiner Auferstehung erfährt (Phil␣ 3,10f.; cf. Eph␣ 3,20). Damit aber ist Christus durch den Glauben »in« denen, die im Glauben »in« ihm sind (Gal␣ 2,20; Phil␣ 1,21), und diese haben durch Christus Anteil am Leben der Ewigkeit (Röm␣ 8,11; I Kor␣ 15,22), so daß sie ewig im Leben bleiben und das Leben in ihnen57. Diese enge eschatologische Gemeinschaft ist ein Mit-sein mit Christi Lebensbewegung: unser Mitleiden mit ihm wird auch ein Mitverherrlichtwerden (Röm␣ 8,17; Kol␣ 3,4), unser Mitgekreuzigtwerden (Röm␣ 6,6; Gal␣ 2,19; cf. II Kor␣ 13,4) auch ein Mitauferstehen (Röm␣ 6,5; II Kor␣ 4,14; Eph␣ 2,6; Kol␣ 2,12; 3,1), unser Mitsterben (Röm␣ 6,5 u.␣ 8; II Kor␣ 4,11; Eph␣ 2,5; II Tim 2,10) auch ein Mit-ihm-Leben (Röm␣ 6,8; Gal␣ 2,20; II Kor␣ 4,11; 13,4; Eph␣ 2,5; II Tim␣ 2,11) und unser Mitbegrabenwerden (Röm␣ 6,4; Kol␣ 2,12) auch ein zu neuem Leben Gelangen (Röm␣ 6,4)58. So sind die Glaubenden in allem »Miterben Christi« (Röm␣ 8,17). Denn der Glaube als Versetztsein in Christus ist ein Hineingezogenwerden in die eschatologische Auferstehungswirklichkeit, die auf uns wartet (cf. II Kor␣ 5,1f. u. Phil␣ 3,20; Kol␣ 1,13; cf. Joh␣ 12,32). Darum sind die an Christus Glaubenden diejenigen, die »die Kräfte der zukünftigen Welt« geschmeckt haben (Hebr␣ 6,5), eine eschatologische Gemeinschaft, die die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden (Mt␣ 16,18)59. Das Hineingenommenwerden in die Bewegung auf die endgültige Zukunft vermittelt sich durch das Wort (der Verkündigung) (Hebr␣ 6,5)60, und 57
Cf. WA 36, 685, 34–36. Von Luther im Kleinen Katechismus zitiert (4. Hauptstück; BSLK 517, 3ff.). 59 Weil Christus unser Haupt »hindurch« ist, sind wir es mit ihm (WA 36, 526, 17– 19; 548, 14–16; 567, 23f.). Luther sagt drastisch immer wieder, mehr als die Hälfte von uns sei daher schon ins Auferstehungsleben hinübergezogen, cf. WA 36, 547, 36f.; 549, 13; 581, 21–25; 563, 17f.; 580, 36f.). 60 Von hier aus ist zu verstehen, daß bei Theologen wie Bultmann, Hirsch, Fuchs u.a. so etwas wie eine Auferstehung ins Wort in den Vordergrund tritt; cf. Wilckens, Auferstehung, aaO.␣ 158. Auch Luther kennt einen innigen Zusammenhang von Auferstehung und Auferstehungsverkündigung (s.u. Kap.␣ 3.1. Anm.␣ 104). Ebenso wie für Bultmann gilt, daß als historisches Ereignis nur der Osterglaube der ersten Jünger faßbar ist (Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung. Nachdruck München 1985 (hg. von E. Jüngel), 58
2. Auferstehung im eschatologischen Horizont
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den glaubenden Hörern des Wortes geht es wie den Toten, die durch das schöpferische Wort zum Leben erweckt werden ( Joh␣ 5,24f.; 6,47)61. Diese Teilhabe im Glauben äußert sich hier als Verwandeltwerden in das Bild des Kyrios (II Kor␣ 3,18), das wir dort in Ewigkeit tragen werden (I␣ Kor 15,49). Denn wie wir zur Gleichgestalt mit dem Bilde des Gottessohnes bestimmt sind (Röm␣ 8,29), so auch zum Bilde seiner Auferstehung (Röm␣ 6, 5). Konkret vollzieht sich dies Anteilbekommen in der Taufe als Einbezogenwerden in die Gemeinschaft des Lebens Christi (cf. Röm␣ 6,3ff.; I Kor␣ 12,13; Gal␣ 3,27; Kol␣ 2,12) und im Abendmahl als Teilgewinnen an seinem Leib (I␣ Kor␣ 10,16f.). Und es wird als ein »dem Herrn Leben« lebenslang eingeübt in der Buße als einer met›noia e¢“ zwfln (Act␣ 11,18; cf.␣ 13,48), die sich – im Sinne der ersten von Luthers 95 Thesen – täglich im Austragen des peccator in re, iustus in spe erweist und als solche »vorausblickt auf die Auferweckung der Toten«62. Paulus hat dies »dem Herrn Leben« z.B. Röm␣ 14,4ff. ethisch konkretisiert. Seine Paraklese sollte (statt im klischeehaften Schema von Indikativ und Imperativ) aus dem Zugleich von noch im alten, todverfallenen Leben Sein und doch schon im Glauben auf das neue Leben in Ewigkeit Zugehen begriffen werden. Mit Christus zu leben, ist wegen bleibender Sünde stets noch immer ein mit Christus sterben Müssen, d.h. aber ein Sein im eschatologischen Widerspruch, wie ihn Luthers »Simul« festhält. Unser wahres Leben ist noch »verborgen mit Christus in Gott« (Kol␣ 3,3), da noch nicht erschienen ist, was wir sein werden (I Joh␣ 3,2a)63. Es geht aber auf seine endgültige Offenbarung zu: in der Doxa ihm gleich zu sein (I␣ Joh 3,2b; Kol␣ 3,4). Glaube ist insofern Unterwegssein auf dem »lebendigen Wege« (Hebr␣ 10,19) durch Teilhabe am Perfekt des Christusereignisses als Grund künftiger Vollendung und in kraft von Gottes Auferstehungsenergie (Kol␣ 2,12)64. Die »kommende Herrlichkeit«, die an uns offenbart werden soll (Röm␣ 8,19), ist unser unvergängliches Erbe (I Petr 1,4). 61) und daß der Auferstehungsglaube nichts anderes ist als der Glaube an das Kreuz als Heilsereignis (aaO.␣ 60f.), ebenso gilt für ihn konsequent, daß der Auferstandene uns nur im Wort der Verkündigung und nirgends anders begegnet (aaO.␣ 63 u.␣ 61). Das hat pointierten Ausdruck in der Formel gefunden, Christus sei »ins Kerygma auferstanden« (Das Verhältnis der urchristlichen Christusbotschaft zum historischen Jesus, in: Exegetica, Tübingen 1967, 469), cf. auch u. Anm.␣ 71 und Kap.␣ 3.1. Anm.␣ 119 u. Kap.␣ 7. Anm.␣ 15. 61 Cf. zu Luthers Auslegung von Jes␣ 26,19 o. S.␣ 19 u. u. Anm.␣ 113. 62 Cf Joest, Dogmatik, 2. Bd. aaO.␣ 482 mit Anm.␣ 6. 63 Cf. zum homo absconditus bei Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens II, aaO.␣ 246. 64 Cf. Luther in einem Brief an Fr. Myconius vom 9.1.1541 über diese Teilhabe der Christen: qui iam conresuscitati, convivificati, concollocati cum Christo in celestibus … ita, ut nihil restet nisi amotio velaminis et enigmatis (WA Br. 9, 303, 9–11). Daß das wahre Leben noch nicht da ist, aber täglich angeht und fortschreitet, dazu cf. WA 36, 580, 35f.
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Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi
Wird so die eschatologische Allgemeinheit von Ostern im Neuen Testament theologisch reflektiert, so hat die Urchristenheit auch dadurch von der Auferstehung den Anschein eines isolierten Wunders ferngehalten, daß sie es von der Heiligen Schrift alten Bundes schon geweissagt und vorangekündigt bzw. in ihr vorabgebildet fand65. Damit wird die Auferstehung Jesu Christi in einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang gerückt, den sie selber allerdings auch erst rückwärts erschließt66. Das kommt im Neuen Testament so zum Ausdruck, daß nach dem Osterkerygma der Auferstandene selber es ist, der diese Art von Schriftauslegung begründet (Lk␣ 24,25–27. 32 u.␣ 44ff.) und durch die »Öffnung der Schriften« in den Evangelien deren eigene Konzeption legitimiert, da diese ja ganz von Ostern her geschrieben sind67. Die eschatologische Geschichte der Auferstehung geht demnach nicht nur auf die endgültige Zukunft zu, deren Vorschein sie ist, sondern hat ihrerseits eine vorabbildende Geschichte in der Offenbarungsurkunde der alttestamentlichen Heilsgeschichte sich vorausgesetzt. c. Das im Vorhergehenden biblisch veranschaulichte Verhältnis von Einzelheit und Allgemeinheit der Auferstehung Jesu Christi als eines eschatologischen Ereignisses ist noch auf seine systematische Bedeutung hin zu erläutern. Deutlich wurde, daß Jesus – mit Luther zu sprechen – nicht als persona privata, sondern als persona publica auferstanden ist68, d.h. eben als der Christus, als Bringer des Gottesreiches für alle Menschen. Darin ist zunächst impliziert, daß es von Gott her kein Zufall oder nur kontingenter Akt ist, daß er diesen bestimmten Menschen mit seiner Botschaft und seiner Geschichte auferweckt hat und nicht irgendeinen Beliebigen. Vielmehr ist es in Gottes Handeln selber als seinem Handeln mit dieser Welt tief begründet, daß er den in Israel Gekreuzigten auferweckt hat. Es handelt sich bei der Auferstehung also nicht um eine pure Machtdemonstration Gottes (als Beweis einer abstrakt vorgestellten »Allmacht«), sondern um einen Sachverhalt, der seine konkrete Wirklichkeit allein im Sinn- und Geschehenszusammenhang gött65
Cf. dazu mit einer Fülle von Stellenbelegen Graß, aaO.␣ 262. Wird heute historisch festgestellt, daß Jesu Auferweckung »ein völlig neues Schriftverständnis mit sich gebracht hat« (Rengstorf, aaO.␣ 143), so hat systematisch bereits Luther die Eröffnung des klaren Schriftsinns darauf zurückgeführt, daß mit der Auferstehung »der Stein vom Grab weggewälzt« sei (cf. WA 18, 606, 24–28). 67 Cf. dazu Graß, aaO.␣ 37, 40, 92 u.␣ 252. 68 Christus ist auferweckt als maxima persona (WA 49, 99, 34), darum nicht allein für seine Person, sondern für die aller Menschen (cf. WA 40/I, 443; 36, 546, 27; 565, 22–24; cf. auch 34/I, 450 –452). Für diese hat daher die Auferstehung schon begonnen, ja ist mehr als zur Hälfte schon geschehen: WA 36, 547ff. (primitiae nostrae sthet oben, mea resurrectio incepta, 549, 6), 562f. u.ö.; cf. auch 161, 32–162, 4. Es geht also nicht um eine privata resurrectio, sondern um die »gemeine aufferstehung« (WA 36, 565, 22f.). Cf. Ebeling, aaO. II, 323ff. 66
2. Auferstehung im eschatologischen Horizont
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licher Zuwendung zur gefallenen Menschheit und von Gottes an seinem Volk Israel bewiesener Treue zu seiner Schöpfung von Anfang bis zur Vollendung hat. Man kann das auch als den Offenbarungskontext der Auferstehung beschreiben, insofern von Jesus Christus als dem Auferstandenen spezifisch gilt, daß er »durch Gott selbst vor allen anderen als derjenige ausgezeichnet (wurde), der Gottes Wesen letztgültig, irreversibel und unüberbietbar wahr zum Ausdruck brachte«69 – nämlich in der eschatologischen Bewahrheitung seiner irdischen Geschichte. Die eschatologische Spannung von Schon (Antizipation) und Noch-nicht (Vollendung), die sich darin ausdrückt, daß z.B. für Paulus die Bedeutung der Einzelauferstehung Jesu nur im Horizont der jüdisch-apokalyptischen Vorstellung von einer allgemeinen Totenauferstehung am Ende der Zeiten artikulierbar war (cf. I Kor␣ 15,12ff.), reflektiert das Verhältnis von Einzelheit und Allgemeinheit im göttlichen Handeln70. (Als vorweggenommenes Eschaton entspricht die Auferstehung auch noch einmal der Menschwerdung.) Für uns ist das Ereignis der Auferstehung (als Auferweckung Jesu allein) als Handeln Gottes ein zunächst singuläres Geschehen, das doch für Gott schon die allgemeine Realität aller Menschen (bzw. Glaubenden) in Christus ist (endzeitliche Auferstehung aller). Der Glaube an Christi Auferstehung ist demnach der Ort, an dem die eschatologische Realität (das für Gott schon real Sein) des göttlichen Auferstehungshandelns wahrgenommen wird bzw. (unter zeitlich-empirischen Bedingungen) partiell zur Auswirkung kommt (üparcfl␣ I Kor␣ 15,20). Insofern ist jeder Glaubende eine Antizipation der eschatologischen Wirklichkeit ewigen Lebens in der Zeit, und Glaube ist selber ein Moment im sich verwirklichenden Eschaton. Denn für den Glauben (im Glauben) ist die Neubestimmung Gottes durch sein Auferstehungshandeln als Qualität seiner verborgenen Allgegenwart schon da: er lebt von dem Leben, das als das ewige Leben an Christus schon erschienen ist71. 69
Dalferth, aaO.␣ 28. Überhaupt steht auch alles Reden von Gott in der Spannung zwischen Bestimmtheit und Vereinzelung Gottes, sofern er Gegenstand solchen Redens ist, und der schlechthinnigen Allgemeinheit, die zum Begriff dieses »Gegenstands« gehört (und die eigentlich mit dem Wort »Gott« gemeint ist). Die empirische Unauflösbarkeit dieser Spannung – zwischen der Konkretheit und der Universalität des Gottesgedankens – gibt allem Reden von Gott eine eschatologische Richtung mit, sofern diese Spannung für Gott selber so nicht besteht und auch für uns als durch ihn selbst zur Auflösung bestimmt gedacht werden muß. Gottes (verborgene) Allgegenwart ist insofern ein eschatologischer Begriff (cf. I Kor␣ 15,28). – Kaum überzeugend ist die These von Hirsch, daß die Verknüpfung von Jesu Auferstehung und allgemeiner leiblicher Auferstehung nachträglich erfolgt sei (aaO.␣ 52 u.␣ 55f.). 71 Von daher wird ebenso verständlich, inwiefern es zu Auferstehungstheologien kommen kann, die »Auferstehung« sogar primär als Geschehen am Glauben verstehen (cf. Hirsch, Bultmann, J. Becker), aber auch inwiefern das Wahrheitsmoment, das solche (»entmythologisierende«) Auffassung in der Sache selber besitzt, dabei zugleich nur auf theologisch einseitige Weise Berücksichtigung finden kann. Die in der Tat 70
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Freilich muß man sehen, daß in der zeitlichen Spannung zwischen dem »Erstling« und dem »einst auch wir« (I Kor␣ 15,20ff.) für die ihn bekennenden Jünger eine enorme Zerreißprobe des Wirklichkeitsverständnisses enthalten ist. (Darauf hat besonders Dalferth aufmerksam gemacht.) Denn zum einen zerbrach die Einheit des allgemeinen Erfahrungszusammenhangs, für den die Disjunktion tot – lebendig unaufhebbar ist72. Zum andern drohte damit auch die eigene Identität der Erfahrungssubjekte sich aufzulösen73. Allein der Gedanke der Antizipation, daß mit Jesu Auferstehung das Kommen der neuen Welt schon beginnt bzw. begonnen hat, vermag dies fundamentale Konsistenzproblem zu lösen – freilich mit entsprechenden Folgebestimmungen für das Verständnis von Ewigkeit einerseits, menschlicher Wirklichkeit andererseits (Verflüssigung des Menschseins bzw. Externkonstitution menschlicher Identität). Man kann das genannte Problem auch so beschreiben: die geschilderte eschatologische »Aufspannung der Zeit«74 hängt sowohl mit der Bestimmtheit des göttlichen Handelns (als Handeln; cf. Christus als »Erstling«) wie auch der Universalität dieses Handelns (als eines Gottes; cf. allgemeine Totenauferstehung) zusammen. Das besagt: unter den Bedingungen der Zeit stellt sich das ewige Handeln Gottes als Entzweiung – Dalferth nennt das »interne Zeitstruktur«75 – in Beginn (Antizipation) und Vollendung, d.h. als Werden zu sich dar76. Der Bestimmtheit entspricht der perfektische Charakter dieses Handelns Gottes (†f›paz, Röm␣ 6,10; Hebr␣ 7,27; 9,12), seiner Universalität
wesentliche Beziehung des Sachverhalts »Auferstehung« auf den Glauben muß theologisch selber, soll sie sich nicht in sich – in transzendentalistischer Reduktion – abschließen, vom eschatologischen Handeln Gottes her (in einem realistischen Sinn verstanden) begriffen werden. Auch Luther beschreibt »Glauben« als Weiterwirken der Auferstehung (in uns): WA 27, 126, 10 –23 (Z.␣ 21 lies: fides!); cf. u. Kap.␣ 7. 72 Der Begriff »Auferweckung« steht für die Überwindung dieser Disjunktion in Gott; cf. Dalferth, aaO.␣ 69f. Ist Auferweckung daher kein bloß innerweltliches Geschehen, so doch auch wieder nicht ein ausschließlich nicht-innerweltliches, wie Dalferth möchte (cf. aaO.␣ 79f.). »Auferweckung« steht gerade dafür, daß, was in Gott geschieht, zugleich innerweltlich bzw. an der Welt manifestiert wird. Zum Widerspruch von Kontinuität und Diskontinuität beim Gekreuzigten und Auferstandenen cf. auch Moltmann, Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 180. 73 Dalferth, aaO. 67. 74 AaO. 76. 75 Ebd. Es fragt sich allerdings: Struktur wessen? 76 Cf. dazu Luther: Opera dei non sunt perfecta, donec ad perfectionem perveniant (WA 24, 20, 6f.). Das wird ausführlicher im Vergleich mit dem Reifen des Embryos im Mutterleib erläutert und die Spannung zwischen Gottes vollkommen Erschaffen und für uns noch nicht vollkommen Sein so aufgelöst: »Drumb verstehe es also: wenn es Gott ausgericht und volendet hat, sind seine werck wol volkomen, aber weil [=␣ während] er noch das werck für yhm hat und daran machet, so ist es nicht volkomen. Nu ist es also für unsern augen, das er ymmerdar macht und schaffet … Also ist auch Gottes werck nicht ehe volkomen denn wenn es gemacht ist« (aaO. Z.␣ 23–29; cf.␣ 25,19f.).
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der eschatologische Charakter im Ganzen77. Zwischen beiden Momenten vermitteln (zeitlich strukturierte, d.h. aufgrund des Perfektums zukunftsorientierte) »Vollzugsformen«78, d.h. Gottes konkretes glaubenerweckendes Handeln. So bekommt die Relation Wort und Glaube, zumal als Auferstehungsverkündigung, ihren Ort in einem eschatologischen »Zwischen den Zeiten«, d.h. ontologisch den Status des Aufsichzugehens der Vollendung, inhaltlich: der Realisierung des in Christi Auferstehung Antizipierten.
3. Der handelnde Gott »Warum wird das bei euch für unglaublich erachtet, daß Gott Tote auferweckt?«- so wird bereits im NT gefragt (Act␣ 26,8; cf.␣ 17,18). Die bloße Berufung auf Gottes Allmacht79 ist freilich zu abstrakt – so wenig sie an sich falsch ist –, um die sehr formale Frage sinnvoll zu beantworten, ob Gott so etwas »kann«. Eine konkrete theologische Antwort muß versuchen, Aussagen darüber zu machen, was das Auferstehungshandeln über Gott selber besagt und wie es im Zusammenhang seines Seins zu denken ist80. Das NT sagt die Auferweckung Jesu Christi eindeutig und unüberhörbar als ein spezifisches Handeln Gottes aus, als actio divina (cf. Act␣ 2,32f. 36; 3,26; 5,30f.; Röm␣ 4,24; Gal␣ 1,1; Eph␣ 1,20; Phil␣ 2,9; II Kor␣ 4,14; I Thess␣ 1,10 u.ö.). Insofern ist Auferweckung ein theozentrischer Begriff 81; denn Gott handelt in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi wie als Schöpfer (Röm␣ 4,17), so auch als Versöhner (Röm␣ 4,5) und als Vollender (Röm␣ 4,17)82. Die Auferweckungstat Gottes und die Auferstehung Jesu Christi sind in der Tat Gottes letztgültiges Ja zum Leben und zur Schöpfung, ein Ja, das gerade am Tod und über ihn (als den »letzten Feind« I Kor␣ 15,26) hinaus ergeht, so daß dieser zum Durchgang eines aus Gott quellenden Lebens und dahinein »verschlungen« wird (I Kor␣ 15,54). Aber dies Ja zum Gekreuzigten
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Zur Entzweiung der Welt in alt und neu cf. Dalferth, aaO.␣ 79. Dalferth, ebd. 79 Sie findet sich schon bei dem frühchristlichen Apologeten Justin (Apol. I, 18,␣ 6: Mt 19, 26). 80 Dasselbe gilt auch für theologische Formulierungen wie: Gott »bekennt sich« in der Auferweckung zu Jesus (Althaus, aaO.␣ 54) oder Gott habe sich mit dem toten Jesus »identifiziert« ( Jüngel, Tod, aaO.␣ 137; Gott als Geheimnis der Welt, aaO.␣ 297ff., 446ff., 495ff. u.ö. Es geht hier nicht primär um die Frage, ob so etwas tatsächlich und wie es erfahrbar sei, sondern wie es überhaupt theologisch denkbar ist. 81 Künneth, aaO.␣ 111 u.ö. Auch Rengstorf z.B. betont unter Hinweis auf Act␣ 2,24, daß der Skopus von Ostern sei: Gott hat gehandelt! (aaO.␣ 32f.). Cf. auch, wie Paulus Glauben an Gott bestimmt als Glauben an den, der »unsern Herrn Jesus von den Toten erweckt hat« (Röm␣ 4,24; cf. II Kor␣ 4,14). 82 Dalferth, aaO.␣ 164. 78
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muß eben als ein Vorgang, als ein Geschehen auch in Gott begriffen werden83, als Ja Gottes auch zu sich selber. Die Auferweckung kommt als die eschatologische Tat der Neuschöpfung aus der schöpferischen Tiefe von Gottes Leben selbst (I Kor␣ 2,9). Daher wird sie von Paulus mit der Schöpfermacht Gottes, die aus dem Nichts das Seiende ruft, in Verbindung gebracht: Gott ist der Lebendigmachende (zwopoioún) schlechthin in beidem, der Schöpfung und der Totenauferweckung (Röm␣ 4, 17)84. In diesem Zusammenhang wird er auch als der geglaubt, der unsern Herrn Jesus von den Toten auferweckt hat (Röm␣ 4,2f.; cf. II Kor␣ 1,9). Glauben ist ein Vertrauen auf den schöpferisch lebendigen Gott. Als schöpferisch Lebendiger ist Gott Geist, und sein Lebendigmachen von den Toten geschieht durch die Kraft seines Geistes (Röm␣ 8,11), als durch seine göttliche dynamis (I Kor␣ 6,14; Phil␣ 3,10) und die Energeia »der Kraft seiner Stärke« (Eph␣ 1,19; Kol␣ 2,12), wie sie sich besonders in Christi Auferweckung und Erhöhung erweist. Letztlich geht es dabei um die wirksame Macht seiner doxa (»Herrlichkeit«: Röm␣ 6,4; cf. I Petr␣ 1,21), die sich in göttlicher Schöpfervollmacht gerade am Leiden beweist (I Petr␣ 1,11; cf. Joh␣ 12, 23). Indem Christus durch die Dynamik von »Gottes gewalt« (WA 26, 331) auferweckt worden ist, ist er auch in kraft dieser dynamis der Kommende (II␣ Kor␣ 4,14). Wie er durch sie mit der Auferstehung als Sohn Gottes eingesetzt wird (Röm␣ 1,4)85, so ist er selber als Auferstandener die d‚nami“ jeoú (I␣ Kor␣ 1,24), aus der und in der er lebt, wie auch wir es werden (II Kor␣ 13,4). Die dynamis seiner Auferstehung trägt uns aber auch durch die Gemeinschaft seiner Leiden und in der Gleichgestalt seines Todes (Phil␣ 3,10). Im Grunde ist dieselbe dynamis wie bei der Auferstehung auch am Glauben wirksam, denn das Evangelium, das in der Auferstehung Christi gründet, ist selber die d‚nami“ jeoú – uns zur Rettung (Röm␣ 1,16; I Kor␣ 1,18). Daher gilt von den Evangelien: spirant resurrectionem (Bengel)86. In solcher dynamis äußert sich die spezifische Lebendigkeit Gottes. Genau die Kraft, mit der Gott sich in der Menschwerdung entäußert hat, ist das Maß der Kraft, mit der er die Einheit seines Lebens wiederherstellt bzw. bewahrt. Im selben Grade, wie Gott sich bei der Menschwerdung von sich und in sich entzweit, setzt er zugleich auch seine Einheit mit sich durch. Insofern ist die dynamis der Menschwerdung schon die Macht der Endvollendung, und die Macht der Auferweckung ist die Macht von Gottes Leben, schließlich alles in allem zu sein (I Kor␣ 15,28). Die Kraft der Auferweckung ist daher auch schon die Kraft der endgültigen Wiederkunft Christi. Dergestalt ist die Macht 83 84 85 86
Cf. Ebeling, aaO.␣ 308. Genauer dazu s.u. S.␣ 119ff. Cf. dazu genauer u. Kap.␣ 6.2., Anm.␣ 66. Zit. nach Barth, KD IV/2, 147.
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der Neugeburt der Welt (Act␣ 2,24; Röm␣ 8,18ff.) nichts anderes als die Dynamik des Gottseins Gottes87. Weil zu dieser Lebendigkeit Gottes Selbstentäußerung und Selbstrestitution gehören, ist die dynamis theou von einer eigentümlichen Dialektik von Positivität und Negativität geprägt, die später genauer zu bedenken ist88. Sie zu begreifen, ist menschlichem Sinn schwer, und daher verkennt man die dynamis Gottes so leicht (Mt␣ 22,29)89. Aus diesen Zusammenhängen geht hervor: Die Macht Gottes, vom Tode aufzuerwecken, muß als die göttliche Macht gedacht werden, überhaupt Leben zu schaffen (cf. Ps␣ 104,30 u. Ez␣ 37,5) und d.h. überhaupt etwas zu schaffen90. Gottes schöpferisches Handeln geschieht auch in der Auferstehung durch die Weitergabe seines inneren unendlichen Lebens91 in kraft des Geistes (Röm␣ 8,11). Die Auferweckung Jesu ist ein (auch geschichtlich) neues Handeln Gottes, und es beinhaltet das Neue schlechthin92, auch darin, daß es schöpferisch gerade vom Kreuz ausgeht93. Denn wegen der Auferstehung Christi wird sein Tod als das Heil verkündet (I Kor␣ 11,26). Aber dies neue Handeln hängt so eng mit Gott zusammen, daß es sein eigenes Leben betrifft. Freilich muß Gottes Sein, weil er der Lebendige schlechthin ist, überhaupt als Handeln 87 Daß es bei der Auferstehung um Gottes Gottheit geht, betont Luther immer wieder (cf. WA 36, 527, 38f.; 529, 38f.). 88 Cf. zum Leben Gottes u.␣ 150ff. u.␣ 162ff. 89 Zur Auslegung dieser Perikope s.o. Kap.␣ 1. 90 Cf. u. S.␣ 150. 91 Genauer dazu Kap.␣ 6.2. Alles Schaffen und Neuschaffen Gottes vollzieht sich als Teilnehmenlassen an seinem Sein: et inplet ea, quia inplendo ea fecit ea (Augustin, Conf. IV, 9, 14). 92 Von diesem eschatologischen Novum, das nicht nur weltgeschichtlich neu, sondern auch das Neue für die Welt und ihre Geschichte ist, spricht Paulus I Kor␣ 2,9! (cf. dazu Bloch, Das Prinzip Hoffnung (Bd.␣ 3), aaO.␣ 1407 u.ö.). Dabei ist auch historisch zu berücksichtigen: »Die Auferstehung Christi von den Toten ist in der Religionsgeschichte analogielos, aber die apokalyptische Weltverwandlung zu einem noch völlig Unvorhandenen findet außerhalb der Bibel nicht einmal eine Andeutung« (Bloch, aaO.␣ 1504). Anders Lüdemann, aaO.␣ 194; cf. auch die folgende Anm. 93 Daher ist unbedingt festzuhalten, daß die Auferstehung nicht das individuelle Schicksal eines beliebigen Menschen betrifft – und als solches das Neue wäre –, sondern eine objektive Bedeutung hat für die Geschichte der Welt, ja mit Jesu Tod zusammen deren Wendepunkt ist, und zugleich ein Ereignis auch von kosmischer Bedeutung (cf. Stange, Die Auferstehung Jesu, in: ZSTh 1 (1923), 734f.). Als dies religiös schlechthin Neue wurde das Ereignis der Auferstehung von den Jüngern erfahren, und insofern bestimmt auch ihre Perspektive entscheidend mit, als was dies Ereignis erfahren wird (gegen Lüdemann). Es gilt hier, richtig zu gewichten: »Man darf die Frage nicht so stellen: wie konnten die Jünger zum Glauben an die Wiederbelebung ihres gestorbenen Meisters kommen? Die Frage muß vielmehr viel präziser lauten: Wie konnten die Jünger zu dem Glauben kommen, daß der Lebensausgang Jesu eine weltgeschichtliche Bedeutung habe?« (Stange, aaO.␣ 735). Nur auf diese Weise wird man die unbedingte Singularität des Glaubens an die Auferstehung und das damit verbundene Sendungsbewußtsein historisch angemessen würdigen können.
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bzw. darf Handeln Gottes94 nicht als kontingentes, einzelnes Tun, sondern muß als Vollzug seines ewigen Lebens gedacht werden95. Das kann hier noch nicht näher ausgeführt werden96; deutlich ist aber, daß Gottes handelnde Lebendigkeit bzw. sein schöpferisch-lebendiges Handeln als dynamische Einheit von Einheit und (interner) Differenz bestimmt werden muß. So redet auch Dalferth97 von dem »einheitlichen und in sich differenzierten Handlungsvollzug« göttlicher Lebendigkeit. Statt einer dualen Ontologie von Ewigkeit und Zeit bzw. Gott und Mensch verpflichtet zu sein, ist eine in sich differenzierte Einheit bzw. eine Differenz zu denken, in der sich Einheit lebendig ausarbeitet. Damit aber ist in die Kontinuität göttlichen Seins immer auch schon Negativität eingeschrieben. Weil lebenschaffendes Leben zu Gottes Sein gehört, ist eine Auferwekkung von den Toten wesentlich nur als göttliches Handeln zu verstehen98. Darum ist theologisch grundlegend von der Auferstehung zu sagen: hier hat Gott selber und wesentlich allein gehandelt99. Und weil die Auferweckung Jesu exklusiv göttliches Handeln ist, darum sind die Erscheinungen des Auferstandenen ein wirkliches und unverfügbares Widerfahrnis gewesen, das Zweifel und Unglaube auch der Jünger vollmächtig überwinden konnte (cf. Mt␣ 28,17; Joh␣ 20,28), und nicht etwa nur subjektive Phantasie, die dem Bewußtsein der Jünger entsprang, oder ein Sichdurchhalten des Glaubens in kraft übermächtiger Erinnerung o.ä.100. Weil dies durch den lebendigen Gott 94
Zu diesem Begriff cf. auch Graß, aaO.␣ 243ff. u.␣ 326 (Realitätsgrund). Cf. Dalferth, aaO.␣ 203 u.␣ 208 sowie meinen o. Einl. Anm.␣ 11 genannten Aufsatz. Dalferth bestimmt Gottes Leben als »ursprüngliche Selbsttätigkeit oder ursprüngliches Handeln«, sein Sein also als ein Tätigsein (aaO.␣ 228). Schon Ph. Marheineke hat formuliert: »Die freie Bewegung Gottes aus sich ist das reinste Handeln, dieses aber ohne Unterschied von seinem Sein« (Die Grundlehren der christlichen Dogmatik als Wissenschaft. 2. Auflage, 1827, 112 (§␣ 192)). Bei Barth heißt es dann zugespitzt: »Gott ist, der er ist, in der Tat seiner Offenbarung« (KD II/1, 288, Leitsatz) und grundsätzlich: »Gott ist in seiner Tat« (aaO.␣ 305). An Marheineke erinnert Barths Rede von Gottes Sein als »das durch sich selbst bewegte Sein« (aaO.␣ 301), cf. zu Barths Bestimmung von Gottes Sein als Tätigsein, den o. Einl. Anm.␣ 10 genannten Aufsatz von U.H.J. Körtner, aaO.␣ 21ff. 96 S.u. Kap.␣ 6.2. u.␣ 3. 97 AaO.␣ 279; für den folgenden Satz cf. ebd. 152. 98 Cf. vom Vf. »Gott und das ewige Leben«, aaO., wie o. Einl Anm.␣ 13, 52, 55 u.ö. 99 Dies theologische Selbstverständnis der Auferstehungstexte nicht zu berücksichtigen (d.h. es entweder auszuklammern oder religionskritisch zu reduzieren), spricht schon historisch gegen Lüdemanns Analyse dieser Texte (s.u. Anm.␣ 129). 100 Gegen Bultmanns bekannte existenzielle Engführung führt R.R. Niebuhr zu Recht ins Feld: »Wie könnte die Kirche oder wie könnten gar einzelne Christen hoffen, von Gottes Handeln zu sprechen, wenn es nichts für sie gäbe, auf das sie hinweisen könnten, außer dem Wunder der Gegenwart des Glaubens in ihren Herzen? … Ohne eine historische Basis [d.i. Kreuzigung und Auferstehung als historisches Handeln Gottes und so Ursprung der Kirche] ist der existenzielle »Christus des Glaubens« eine unaussprechliche Erfahrung der Religiosität« (aaO.␣ 125). Damit wäre die 95
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und ihn allein heraufgeführt worden ist, wird ausschließlich Gott im NT als Subjekt des Auferstehungshandelns namhaft gemacht und ist die Botschaft, daß Jesus von den Toten auferweckt worden ist, eine »Gottesaussage im exklusiven Sinn« (Becker). Darum muß die Auferstehung als ein spezifischer »Taterweis Gottes«, d.h. seiner Wirklichkeit und Lebendigkeit, betrachtet werden101. Und der Glaube an die Auferstehung Christi ist wesentlich nichts anderes als lebendiger Glaube an den lebendigen Gott (cf. II Kor␣ 1,9)102. In diesem Sinn erweist sich Gottes schöpferische Allmacht in der schlechthinnigen Kräftigkeit von Jesu Auferstehungsleben (Phil␣ 3,10). Daß Gott der ist, »der die Toten lebendig macht«, das ist bereits im Judentum eine Gottesprädikation103. Das NT hat diesen Ausdruck eschatologischer Hoffnung auf Gottes Handeln (cf. Mt␣ 22,31ff.par.) zum Inbegriff der eschatologischen Wende aller Wirklichkeit gemacht, die von Gott schon tatsächlich eingeleitet worden ist: in dem Handeln Gottes an dem toten Jesus (Röm␣ 4,17 u.␣ 24; II Kor␣ 1,9; Hebr␣ 11,3 u.␣ 19). Weil es dabei auch um Gottes eigenes, inneres Leben (als Dreieiniger) geht, ist Gott exklusiv selber das Subjekt eines todüberwindenden Tuns104. Denn Todesüberwindung ist prinreale Grundlage der Gemeinde und ihrer gemeinsamen Geschichte preisgegeben. Zur Kritik an Bultmanns Verständnis vom »Handeln Gottes« cf. auch meinen o. Einl. Anm.␣ 11 genannten Aufsatz, aaO.␣ 457f. (Anm.␣ 4). 101 Ebeling, aaO.␣ 308. Vom »Tatbeweis« spricht auch Barth (KD IV/1, 376), der entsprechend vom Auferstehungsereignis sagt, es kommuniziere sich selbst und sei »sein eigener Erkenntnisgrund« (KD IV/2, 150). Lüdemann versichert von der angeblichen Ostervision (cf. aaO.␣ 195), sie sei »eine primäre Erfahrung und trägt die religiöse Wahrheit ganz in sich selbst« (261 A.␣ 679), was ihn nicht hindert, diese Vision auf bestimmte Wünsche zurückzuführen (196). 102 Zuletzt geht es bei der Erörterung der Auferstehung Jesu Christi um die Frage, ob Gott in Christus wirklich selber in die Welt gekommen ist und von sich aus Gemeinschaft mit uns Menschen hergestellt hat (cf. II Kor␣ 5,19ff. u. Hebr␣ 1,2ff.; sowie Ihmels, aaO.␣ 27f.). Darum ist der Glaube an die Auferstehung wesentlich eins mit dem Glauben an Gottes Gottheit: »So dringet dich die Folge, daß du die Auferstehung der Todten mußt glauben, so gewiß als Gott Gott ist« (WA 36, 527). An die Auferstehung zu glauben, ist nicht schwerer oder leichter, als überhaupt an Gottes Wirklichkeit zu glauben. 103 Cf. II Makk␣ 7,28 u. ausführlich TRE 4, 486, 14–22 (Hoffmann) sowie u. Kap.␣ 6.2., Anm.␣ 45. Wilckens weist auf den 2. Lobpreis des 18-Bitten-Gebetes hin: »Gepriesen bist du Jahwe, der die Toten lebendig macht!« (Auferstehung, aaO.␣ 30). 104 Cf. Gogarten, Ich glaube an den dreieinigen Gott, aaO.␣ 165. Es gibt einen spezifischen Bezug zwischen dem Auferweckungshandeln und Gottes Subjektsein. Dieses Tun verweist in so spezifischer und streng einzigartiger Weise auf das handelnde Subjekt zurück, daß es dies als wirkliches Subjekt endgültig definiert. Denn das Auferwecken Jesu ist a. kein natürlicher Vorgang und auch nicht damit verwechselbar, b. kein bloß innerweltliches Ereignis, das auf ein innerweltliches Subjekt zurückverwiese und c. entspricht ihm kein Subjekt von begrenzter, sondern nur eins von schlechthin schöpferischer Macht, also ein allmächtiges Subjekt. Hinzu kommt noch etwas: auch das »Resultat« dieses Handelns, das Leben des Auferweckten aus Gott,
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zipiell keine menschliche, sondern prinzipiell nur eine göttliche Möglichkeit; Gott erweist sich auferweckend als der, auf den der Mensch, der im Tod auf seine letzte Grenze und Ohnmacht stößt, zuletzt ganz angewiesen ist (cf. Luk␣ 18,27)105 . Indes wird genau so, wie uns Gottes Sein und Handeln entzogen sind, uns auch der Vorgang der Auferweckung und das Sein des Auferstandenen entzogen106. Das spezifische Handeln Gottes an Jesus in der Auferweckung läßt sich genauer bestimmen als worthaftes Handeln – gemäß der Schöpfung durch das Wort überhaupt. Wie nach Luthers Verständnis von der Schöpfung im Wort die Dinge ihr Sein nur im wirklichen Sprechen haben107 und Gottes Wissen von den Dingen schöpferisch ist108, so daß diese ihr Sein überhaupt nur im Gewußtsein durch Gott haben, genau so ist es auch bei der Auferweckung109. Schon für die allgemeine Totenauferweckung gilt, daß sie durch Gottes allmächtiges Wort »hervorgerufen« wird, »das so gering und nichts scheinet … und doch so große Dinge tut und so mächtig ist, daß es Himmel und Erde zerreißen und alle Gräber auftun wird in einem Augenblick. Und wenn du nur darin bleibest, so sollst du dadurch ewig leben«110. Denn »das Wort hats und vermags, und mus also geschehen, Denn es ist Gottes eigene krafft und macht«111. Ebenso kann auch Christi Auferstehung nur als in kraft des schöpferischen Wortes geschehend ausgesagt werden: »Must es doch jnn Christo definiert das Sein des handelnden Subjektes wesentlich, insofern es sich um ein sich in seinem Tun als lebendiges Subjekt verdoppelndes Subjekt handelt ( Joh␣ 5,26). Der Auferweckende – erweckt nicht etwa bloß irgendwie Leben in einem Anderen, sondern – teilt sein eigenes Leben mit dem des Auferweckten, läßt ihn in diesem Handeln sein, wie er, der Handelnde, selbst ist. Das Leben des auferweckten Subjekts ist zugleich das Leben des auferweckenden Subjektes, Gottes, der Christus in sein eigenes Leben hineinnimmt und ihn ewig daran teilhaben läßt. 105 Dazu Luther: »Wenn ich sterbe, gehe ich in das Nichts; nichts sehe ich, nichts höre ich. Dann allererst wird Gott erkannt, da erkenne ich, was er sei, nämlich, daß er aus nichts etwas macht. Bei mir ist Finsternis. Er aber spricht: Es werde Licht und Leben! Alsdann geschiehts, daß ich aus nichts, aus dem Tode Leben werde« (WA 11, 182, 32–27). 106 »Was keine Creatur vermag, das vermag Ich, Allmechtiger Schepffer« (WA 49, 411, 26). 107 Deus enim vocat ea, quae non sunt, ut sint [cf. Röm␣ 4,17], et loquitur non grammatica vocabula, sed veras et subsistentes res (WA 42, 17, 16f.). Luther deutet gleichsam den bekannten Doppelsinn des hebr. dabar (Wort, Sache) theologisch. 108 Cf. Augustin: Et nulla natura est, nisi quia nosti eam (Conf. VII, 4, 6). 109 Schon Israels besondere Geschichte ist für Luther nur als durch Gottes allmächtiges Wort bestimmt und geführt, d.h. hervorgebracht, zu verstehen; cf. WA 14, 567. 110 WA 36, 497, 34–38. Cf.: »Durch sein Wort werden die todten aufferstehen, das Gott sagen wird: Surgite qui iacetis in pulvere terrae … Durch des Allmechtigen sprechen wird es geschehen« (WA 49, 414, 8f. u.␣ 12; cf.␣ 411,20f.). 111 AaO.␣ 6f. Cf. auch WA 10/I, 2, 221, 7f.: »Also mechtig ist das wort, das Gott ehe underligen müßt, eh dis wort sollt unterligen …«. Zum allmächtigen Wort cf. auch WA 20, 498, 12ff.; 27, 119, 17–36; 120, 16f.; 29, 274, 8–16; 34/II, 208, 6–14; 213, 6– 12; 37, 36, 25–41; 149, 22–150, 9 (»Martine geh herfür«).
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auch so gehen, da er gestorben und begraben war, Da war auch kein fülen noch warten des lebens … das hat niemand können begreifen noch denken, das Christus würde am dritten Tag leben … Noch ist [aber] das wort da, das jn lebendig spricht, da er noch jm Grab ligt, und wie es sagt, so mus es geschehen …« (cf. Ps␣ 39,9; 140, 3; 148, 5b)112. An der Auferweckung Christi hat sich endgültig und fortwirkend gezeigt, daß derjenige, zu dem Gott spricht, zu neuem, ewigen Leben erweckt und schöpferisch am Leben erhalten wird, auch wenn er gleich stürbe113. Und weil Christus, das Wort schlechthin, ganz aus der Schöpfermacht Gottes lebt, darum ist sein, des Sohnes und auferstandenen Herrn, Wort selber schöpferisch und vermittelt die Auferstehung an die Glaubenden: Welche seine Stimme hören, die empfangen das ewige Leben ( Joh␣ 10,27f.), denn er hat Worte ewigen Lebens (6,68 u.␣ 63) und auch die Toten werden durch seine Stimme zum Leben der Auferstehung erweckt (5,25 u.␣ 28f.). Er als der Auferstandene ist so selber »die Auferstehung und das Leben« (11, 25) – auch für die Toten. Wie an ihm in seiner Auferweckung, so wird durch ihn an allen Glaubenden wahr, daß der Mensch wesentlich und letztlich von Gottes schöpferischem Worte lebt (Mt␣ 4,4)114. Dies hat seinen ewigen Grund darin, daß Gottes Seinlassen des ewigen Sohnes ein Sprechen und dieser Gottes ewiges Selbstwort ist115. Weil nach 112
AaO.␣ 36, 496, 11f. u.␣ 34–37. Cf. Barths Aussage über Gottes Tun in der Auferweckung: »ein Jesus Christus überlegener Anderer …, der ihn mit seiner Hand ergriffen und durch sein Wort aus dem Tode ins Leben gerufen hat« (KD IV/1, 369). 113 Das hat wiederum Luther zu Jes␣ 26,19 für die göttliche Zuwendung zu Toten ausgesagt: Wenn Gott mit ihnen redet, ist es nicht anders, als wenn sie (für ihn) leben (ac si viverent). Dieses lebendigmachende Anreden von Toten durch Gott ist ein testimonium efficacissimum, daß jene unsterblich auch im Tode sind (bzw. werden), um ewig zu leben (in perpetuum vivere). Denn Gottes Wort ist in sich schöpferischmächtig: non frustra loquitur. Wo und mit wem Gott redet, der ist gewiß über den Tod hinaus (immortalis) (cf. WA 43, 481; zur genaueren Interpretation: »Gott und das ewige Leben, aaO.␣ 73f.). Dies ist zweifellos auch für Jesu Auferweckung gültig. 114 Diese Stelle bezieht Luther auf den Auferstandenen, cf. WA 36, 496, 36! Er lebt als solcher nur aus Gottes Macht bzw. lebendiger Gnade (cf. KD IV/1, 335).Im NT ist es besonders der Hebr, der die schlechthinnige Kräftigkeit des göttlichen Wortes herausarbeitet. Als Wort des selber lebendigen Gottes (3,12 u.ö.) ist auch das göttliche Wort: »lebendig und wirkend« (4,12). Luther erklärt vivus est: vivificat credentes (WA 57/III 160, 23). Dieses Wort Gottes ist es, das im Sohn die Welt schafft und erhält (1,3b; 11,␣ 3), und hat daher auch, als Gottes »gutes« Wort, die Kräfte (dun›mei“) des kommenden Äons, der zukünftigen Welt, bei sich (6,5) und ist mächtig (dunat·“), von den Toten zu erwecken (11, 19). Gottes eigene ewige Anrede zeugt den Sohn (1,5), setzt ihn für alle Ewigkeit ein (7,28) und verherrlicht ihn durch sein schöpferisches Wort (5,5). Dieser redende und anredende Gott (¨ laloún: 12, 25!) ist es auch, der durch Leiden den »Anführer des Heils« zur Vollendung geführt (2,10), ihn dadurch zu einem »lebendigen Weg« gemacht hat (10, 20) und so viele Söhne zur Doxa bringt (2,10). 115 Cf. Luthers Auslegung von Joh␣ 1,1 in der Kirchenpostille 1522 (WA 10/I, 1, 180ff.) und dazu A. Beutel, Am Anfang war das Wort. Studien zu Luthers Sprachverständnis, Tübingen 1989.
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Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi
Luther das trinitarische Leben Gottes ein ewiges Gespräch ist116, darum könnte man bei der Auferstehung von einem (ökonomischen) Hineinsprechen Jesu Christi in die Menschheitsgeschichte reden: das ewige Wort als unaufhörlich zeitliches117. Wie als schöpferisches Sprechen darf Gottes Handeln am toten Jesus auch als schaffendes Schauen bestimmt werden118. Auferstehung besagt demgemäß, daß Gottes schöpferischer Blick Jesu Leben »verewigt«, d.h. schaffend Christus als den Lebendigen sein läßt. Denn während wir nur das erblicken können, was bereits da ist, gilt von Gottes Schauen, daß es schöpferisch und als solches Grund des Erschaffenen ist: Tu autem quia vides sunt119. Das besagt für die Auferstehung: Gott schaut Jesus nach seinem Tode als den Lebendigen in das Leben der Menschheit hinein, d.h. Jesu Leben als ganzes. In dieser Dimension gilt, daß Gott uns im Verhältnis zu Jesus bzw. »in« Jesus sieht. Zugleich gilt: Gott hält Jesu Leben als Moment seines eigenen Lebens ewig fest und erhebt es damit zu ewiger Gegenwärtigkeit ( Joh␣ 5,26). Auch in solcher Hinsicht ist Gottes Erinnerung schöpferisch. In dieser Dimension gilt, daß Gott sich selber ewig in Jesus als er selber weiß. Nimmt man das Dargelegte zusammen, so ist ausgesagt: Gott selber stellt schöpferisch die Identität des ewig Lebenden ( Jesu Christi als des erhöhten Herrn) mit dem toten Jesus und seinem vergangenen Leben her. Gott umgreift mit seinem eigenen Leben diese Identität120, und darum ist Jesu Auferweckung von den Toten nicht ein quasi-biologischer, sondern ein gleichsam metaphysischer Vorgang, eben als ein göttliches Handeln, das Zeit und Ewigkeit vermittelnd durchwirkt. 116
Cf. z.B. WA 46, 59, 26–60, 6 (1538). Cf. Hamanns Diktum: »Weil ich von keinen ewigen Wahrheiten, als unaufhörlich Zeitlichen weiß: so brauche ich mich nicht in das Cabinett des göttlichen Verstandes, noch in das Heiligtum des göttlichen Willens zu versteigen …« (Golgatha und Scheblimini, Sämtliche Werke (Nadler) III, 303f.). Anders interpretiert hier L. Schreiner in: J.G. Hamanns Hauptschriften erklärt, Bd.␣ 7 (1956), 100. 118 Dalferth redet von der »Perspektive des göttlichen Schöpfers auf ihn« als Grund des »Jesus lebt« (aaO.␣ 81), von der »göttlichen Sicht auf Jesus« (aaO.␣ 82), die als »Gottes Sicht in ihrer eigentlichen Wahrheit« (ebd.) ebenso »Gottes schöpferische Sicht seiner selbst« ist (ebd.), wie sie zugleich in den Erscheinungserfahrungen bei den Jüngern zur »Teilgabe an der Schöpferperspektive Gottes auf Jesus« wird (aaO.␣ 81). Zur genaueren Interpretation dieser Formeln s.u. Kap.␣ 6.3., S.␣ 168. 119 Augustin, Conf. XIII, 38, 53; cf. VII, 4, 6 (zit. o. Anm.␣ 108). Auch Cusanus formuliert: videre tuum est creare tuum (De visione Dei XII, in: Philosophisch-Theologische Schriften, Bd. III, 1967, 144). Für den Glaubenden bedeutet das: Et non est videre tuum nisi vivificare … fontem vitae immittere … et tuam immortalitatem communicare … caelestis et altissimi atque maximi regni gloriam inaccessabilem condonare, hereditatis illius, quae solius filii est participem facere … (aaO. IV, 106). 120 S.o. Anm.␣ 91! Nach Barth ist für Paulus eben Gott selber dies unbegreifliche, schöpferische Leben: »das Eine, das mitten im Tode sich wandelt in der Erscheinung, um im Wandel nun erst recht sich als das Eine zu bewähren« (Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 109). 117
3. Der handelnde Gott
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Solches Handeln hat Offenbarungscharakter, und als die »eschatologische Selbstidentifikation Gottes in Jesus Christus« (Dalferth)121 ist die Auferstehung als die endgültige Gottesoffenbarung zu denken. Das liegt auch bereits in Dalferths Verständnis der Ostererscheinungen als Teilgabe an Gottes Schöpferperspektive auf Jesus beschlossen122. Insofern überhaupt gilt, daß eine Selbst-Offenbarung Gottes im eigentlichen Sinne nur am Ende einer Geschichte möglich ist123, als diese in sich hinein aufhebend124, ist es konsequent, in der Auferweckung Jesu das eigentliche Offenbarungsgeschehen, als Antizipation des Eschaton, zu erblicken125. Anders wird man kaum urteilen können, wenn denn, was unbestreitbar ist, die Auferweckung Christi eine Bedeutung auch für Gottes eigenes Sein und Selbstsein (gerade als trinitarischer Gott) hat. Gehört demgemäß der auferweckte Jesus zum Wesen Gottes selber126, so definiert sich im Christusgeschehen Gott selber endgültig für uns als der, der er und was er ist. Er offenbart sich so durch sein Handeln als lebendig in der Einheit von Schöpfersein und Totenauferweckung (Röm␣ 4, 17; cf.␣ 8,11). In der Geschichte göttlicher Selbstvorstellung (als Geschichte auf die Offenbarung von Gottes endgültigem Namen zu) läßt sich so eine Linie von Ex␣ 3,14 hin zum Offenbarsein des Namens des Kyrios (Phil␣ 2,9f.) ziehen127, in der Gottes Weltzuwendung sich zu ihrer Vollendung bringt128. Bei dem allen ist aber grundsätzlich festzuhalten, daß, wie auch immer die theologischen Näherbestimmungen ausfallen, der Offenbarungscharakter des Osterereignisses schon ganz elementar damit gegeben ist, daß es sich dabei um »das konkret geschichtliche Ereignis der Selbstkundgebung Jesu nach seinem Tode« gehandelt hat129. Das wird im nächsten Kapitel genauer zu bedenken sein. 121
AaO.␣ 228. S.o. Anm.␣ 118. 123 Cf. Pannenberg, Offenbarung als Geschichte, aaO.␣ 17f. u.␣ 95ff. (2. Th.). Nach Luther wird Gott sich im ewigen Leben selbst offenbaren, WA 36, 594, 37f. 124 Cf. meinen o. Einl. Anm.␣ 11 genannten Aufsatz, aaO.␣ 459ff. 125 Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 127. 126 Pannenberg, aaO.␣ 128. 127 Cf. Koch, aaO.␣ 49 (mit Berufung auf Lk␣ 24,39; Vulg.) u.␣ 240. 128 AaO.␣ 191. 129 Dies hat K. Barth besonders herausgearbeitet: KD IV/2, 163f. Er unterstreicht den Offenbarungsstatus der Erscheinung des Auferstandenen durch die zutreffende Feststellung, daß diese als »Erkenntnis erweckende und begründende göttliche Kundgebung und Mitteilung partizipiert … an der Majestät des Willens und der Tat Gottes, die in ihm offenbar werden« (aaO.␣ 163). Joh␣ 20,28 ist eben dies reflektiert. Leider hat Lüdemann sein eigenes Postulat, »den eigenen Glauben am Glauben der ersten Zeugen zu messen bzw. von dort gegebenenfalls korrigieren zu lassen« (aaO.␣ 11) in dieser Hinsicht, d.h. was die Erscheinungen als Offenbarungserfahrungen betrifft, überhaupt nicht eingelöst. Das aber wäre von den Texten her gefordert, weil, wenngleich alle religiösen Aussagen faktisch Aussagen menschlicher Subjekte sind (aaO.␣ 29), 122
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Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi
Zusammenfassend läßt sich sagen: Gottes Handeln an Christus ist eine (sich uns aufschließende) Lebensbewegung Gottes, die zugleich als eine Neubestimmung Gottes erscheint130. Diese ewige Bewegung im göttlichen Leben reflektiert sich auch in der Christologie: von der Auferstehung her (als rückwärts Jesu irdisches Leben qualifizierendem Ereignis) kann es nur eine »in sich bewegte Christologie« geben131. Mit dieser Formel ist die eschatologische Bewegtheit des Seins Christi selber als Ort göttlichen Handelns angedeutet. Gottes Neuschaffen Jesu ist zugleich und unabtrennbar (eodem actu) die eschatologische »Wiederholung« seines irdischen Lebens. Das besagt: Gott identifiziert den Zukünftigen mit dem Gewesenen. Der jetzt bei ihm und vor ihm lebt (cf. Lk␣ 20,38) und von daher bei uns und für uns, der ist nach Gottes Willen zugleich derjenige, der schon einmal hier bei uns Menschen war132. Daß der Kommende derselbe ist wie der Vergangene, das ist Gottes schöpferische Identifikation mit dem toten Jesus bzw. verdankt sich ihr. Die Dieselbigkeit des erhöhten Herrn mit dem Irdischen ist selber nicht etwa die selbstverständlich gegebene Identität der Person Jesu als Substrat göttlichen Handelns (im Sinn einer bloßen Wiederbelebung), sondern ist lebendiges Resultat schöpferischen Tuns von jenseits des Todes. deren adäquates Begreifen nicht an dem vorbeigehen kann, was darin, wenn vielleicht nicht immer explizit erwähnt, so doch der Sache nach vorausgesetzt und mitgedacht ist – so Lüdemann selber, aaO.␣ 120, cf. 174 ( Joh)! Von der Eigenart der Texte her gefordert ist die Verbindung von historisch-distanzierter Einsicht und und persönlicher Haltung (aaO.␣ 200). Mag sich die Frage nach dem »Wie« der Auferstehung in einem bestimmten Sinne einer historischen Fragestellung entziehen (bei Lüdemann wird dieses »Wie« verschieden verwendet: cf.␣ 22,23 u.␣ 26), im Blick auf das hier stets »mitgedachte« bzw. mitzudenkende Handeln Gottes ist ein Ausweichen auf eine »rein historische« Rückfrage nach dem, was hinter den Texten steht, abstrakt und sogar irreführend. (Cf. Niebuhr: »das historische Denken kann nicht hinter das Neue Testament zurückgehen, sondern kann nur in es eindringen« (aaO.␣ 23); Niebuhr sieht diese Tatsache als durch die Geschichte der Bibelkritik unwiderlegbar erwiesen an.) Obwohl Lüdemann beansprucht, neben der theologischen Dimension auch die historische zur Geltung bringen zu wollen, ist die Durchführung so einseitig, daß die theologische Frage stets umgangen wird. Aber schon eine text-adäquate historische Nachfrage nach der Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu kann nicht an der Gottesfrage vorbei gestellt werden (s.o. Anm.␣ 99); das ist historisch wegen des Selbstverständnisses der Texte und theologisch wegen der Begründung solchen Glaubens verwehrt. Man muß sagen: den Auferstehungsglauben und die Osterereignisse rein historisch – was Lüdemann wegen seiner dubiosen Anleihen bei psychologischen Theoremen auch gar nicht durchhält – erforschen zu wollen bzw. unter methodischer Ausklammerung der Gottesfrage und in positivistischer Fixierung auf das Empirische, ist in diesen Kontexten petitio principii. 130 Cf. Künneths Rede vom »Fortschritt«, aaO.␣ 115; zu Gottes Neubestimmung s.u. Kap.␣ 6.4., S.␣ 174f. 131 Künneth, ebd. Cf. Dalferth, aaO.␣ 159 mit 141 u.␣ 151 (actio). 132 Cf. das Zitat von R.R. Niebuhr, o. Anm.␣ 37.
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Kapitel 3
Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens Und es erschienen ihnen diese Worte, als wär’s Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht. Lk␣ 24,11
1. Das Wesen der Erscheinungen a. Die von Paulus I Kor 15,5–8 berichteten und die in den Evangelien in z.T. legendenhafter Ausgestaltung erzählten Ostererscheinungen, in denen sich der Auferstandene seinen Anhängern zu erfahren gab, müssen als exemplarische Manifestation seines verklärten Lebens bei Gott verstanden werden. Nur dann läßt sich auch begreiflich machen, inwiefern es sich bei diesen anfänglichen Auferstehungserfahrungen um wirkliche Offenbarung gehandelt hat (s.u.; cf. Gal␣ 1,15f. u.␣ 12). Denn Ostern ist das Offenbarwerden der wahren Wirklichkeit von Jesu Leben und Sterben, d.h. seiner irdischen Geschichte als der Geschichte göttlichen Handelns mit der Welt, und zugleich das Offenbarwerden der Auferstehungswirklichkeit für die Geschichte1, d.h. des neuen Lebens Jesu Christi als das Für-uns-werden der ewigen Gottestat. Die Ostererscheinungen vermittelten die eschatologische Wahrheit dadurch, daß sie Menschen daran Anteil gaben und sie in die von ihnen offenbarte Wirklichkeit einbezogen und von diesen weiter bezeugt wurden. Als eine solche Offenbarung waren die in den Ostergeschichten berichteten Erfahrungen in strenger Ausschließlichkeit einzigartig, unvergleichlich und unwiederholbar2. Nach ihrem Sachgehalt handelt es sich bei diesen Offenbarungserfahrungen zu Ostern, wie sich unter Anknüpfung an das im vorhergehenden Kapitel 1
Künneth, aaO.␣ 66. Gegen Gunkel ist zu betonen: die »Erscheinung« antiker Götter als Parallelen zu den österlichen Erfahrungen anzuführen, ist irreführend (cf. Lüdemann, aaO.␣ 162 u. A.␣ 577), da bei diesen der zu Gott Erhöhte im irdischen Verkehr mit den Seinen erscheint; zu dieser dialektischen Einheit des bei Gott und bei uns Seins s.u. S.␣ 65f.; cf. auch Lüdemann, aaO. A.␣ 578! R.R. Niebuhr hat mit Recht auf den Umstand hingewiesen, daß die Erscheinungen Christi für die Betroffenen so zwingend waren, daß sie zum Grund von etwas historisch Neuem wurden: der Entstehung der christlichen Gemeinde, cf. aaO.␣ 113, 148 u.ö. 2
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Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens
Ausgeführte (S.␣ 52) sagen läßt, um die »Teilgabe an der Schöpferperspektive Gottes auf Jesus«, die zugleich, wie gesagt, auch »Gottes schöpferische Sicht seiner selbst« ist3. Zum Verständnis dieses Teilgewinnens an Gottes schöpferischem Blick auf den Menschen Jesus ist dreierlei zu bemerken. Erstens, bei dieser Erfahrung waren die Jünger selber für die Zeit der Begegnung Jesu mit ihnen verändert, insofern sie vorübergehend an seiner »Verklärung« (irgendwie) teilhatten4. Vielleicht darf man sagen, sie befanden sich selber an der Grenze des Entrückt- oder Verklärtwerdens, denn mit Christus kam ihnen die ewige Welt so nahe, wie das möglich war, ohne ihr irdisches Leben zu sprengen oder ganz aufzuheben5. Die gegenwärtige Welt wurde in ihrer Ostererfahrung partiell durchlässig für die zukünftige oder auch durchsichtig auf diese hin, und zwar dies von Jesus her bzw. an ihm, den sie real bei sich sahen. »Erscheinung« des Auferstandenen besagt, mit dem bei ihnen lebendig gegenwärtigen Jesus war die neue Welt unter den Bedingungen der alten da: »Die künftige Welt war auf der Erde, da das geschah␣ …« (Klopstock)6. Dies einzigartige Ereignis läßt sich nicht auf einen nur psychologisch erfaßbaren Vorgang reduzieren7. Zweitens, man müßte also sagen, das Wunder der Auferstehung ist von einem zweiten Wunder, dem an den Jüngern geschehenen, begleitet. Genau
3
Dalferth, aaO.␣ 81 u.␣ 82. Entsprechend, d.h. mutatis mutandis, kann man auch die ekstatische Entrückung des Paulus (II Kor␣ 12,1ff.) als Vorwegnahme der Heimfahrt zum Herrn (Phil␣ 1,21; II Kor␣ 5,1ff.) oder als Vorwegnahme der endzeitlichen Gemeinschaft mit dem himmlischen Christus auffassen (cf. Lüdemann, aaO.␣ 88). 5 Zweierlei zur Erläuterung: 1. In der neuen Welt selber ist kein abstechender Kontrast zur »alten« als solcher (mehr) zu erfahren; dieser stellt sich nur in der Perspektive von außen (d.h. vorher bzw. unter den Bedingungen der »alten Welt«) so dar, nämlich als das total Andere: die völlig unbegreifliche Antizipation der neuen Welt, ein Wunder und schlechthin unbegreiflich. 2. Die erläuterte Annahme des Textes erklärt die relative »Selbstverständlichkeit«, mit der die Erzählungen weithin berichten, was sie berichten – bedenkt man, was sie erzählen wollen. Auch wenn beispielsweise im Falle des Thomas ( Joh␣ 20,24–29) zunächst Unglauben und völlige Überraschung angesichts des schlechthin Unausdenklichen vorhergehen, stellt sich doch das vertraute Verhältnis zum Herrn auch bei ihm dann wieder ein. Dies »Fehlen des Sensationellen« unterscheidet die Ostergeschichten auffällig von Abenteuern, wie antike Romane sie zu berichten pflegen. (Cf. Lüdemann, aaO.␣ 253 A.␣ 571). 6 Der Messias, XV, 3f. 7 Pannenberg faßt die Erscheinungen als Manifestation dessen, was im Himmel bei Gott ist und künftig, am Ende der Zeiten, offenbar werden wird und so das Sehen des wiederkehrenden Herrn als Vorwegnahme der Parousie, will aber diese Erscheinungen selbst von Christi Wiederkunft noch unterscheiden (cf. Grundfragen systematischer Theologie, 2, 170f.). Diese notwendige Unterscheidung ist freilich bei ihm verknüpft mit seinem Verständnis der Erscheinungen als »in der Form apokalyptischer Visionen« sich vollziehend (ebd.). 4
1. Das Wesen der Erscheinungen
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genommen, handelt es sich aber nicht um zwei wunderhafte Vorkommnisse8, sondern um das eine eschatologische Wunder Gottes, das sich primär und für alle Ewigkeit an Jesus und das sich, im Zusammenhang damit und davon abhängig, in zeitlich-irdischer Begrenzung an den Jüngern, denen Jesu Begegnung nach seinem Tode widerfuhr, darstellt. Da in den Ostergeschichten nicht in dieser Hinsicht auf die Befindlichkeit der Jünger reflektiert wird – außer daß ihr Nichtverstehen, ihre Zweifel und anfänglicher Unglaube und dann ihre selige Freude berichtet werden –, sondern die Begegnung jeweils ganz von der Zuwendung ihres lebendigen Herrn bestimmt ist, ist von einer wunderbaren Verfassung der Jünger, deren eher alltäglicher Bewußtseinszustand gerade betont wird – es fehlt in den Geschichten jede Spur von Ekstase, Entrückung, Verzückung im Geist u.ä.9␣ –, in den Texten nicht ausdrücklich die Rede. Freilich liegt über allen Berichten unverkennbar ein scheues Staunen angesichts des Unfaßbaren, dessen beherrschende Präsenz aber ein Reflektieren über den eigenen Zustand kaum erlaubt. Drittens, der unlösbare Zusammenhang beider »Wunder« ist Antizipation und Anfang dessen, daß Jesus Christus die Seinen endgültig mit in sein Leben hineinziehen wird, d.h. daß alle Glaubenden »mit ihm« auferweckt werden sollen (s.o. S.␣ 40) und daß er sein Auferstehungsleben nicht für sich allein hat, sondern geradezu für die, die »sein Leib« sind. Das Integrative des Auferstehungsgeschehens, seine eschatologische Allgemeinheit als Kommen der neuen Welt, ist von Beginn an wirksam. Die Erscheinungen an die Jünger sind das erste Zeugnis dafür. Sie offenbaren nur, was eo ipso seinen Anfang nimmt. Aus diesen Überlegungen folgt, daß das für Ostern bezeugte wirkliche »Sehen« des Kyrios und seiner Doxa (cf. Joh␣ 20,20. 25; I Kor␣ 9,1) von seinem eschatologischen Kontext her zu verstehen ist10. Andererseits macht auch die Begrenzung der Erscheinungen deutlich, daß die Auferstehungswirklichkeit nur ausnahmsweise, nicht aber dauerhaft und allgemein sichtbar sein kann, 8 Einerseits lassen sich alle von Jesus berichteten »Wunder als signa resurrectionis« auffassen (cf. Joest, Dogmatik I, 237), andererseits ist fraglich, ob die Auferstehung mit der Kategorie des Wunders (d.h. einer einzelnen, innerweltlichen wunderhaften Begebenheit) zureichend erfaßt werden kann – Rengstorf empfiehlt, aaO.␣ 90f., den Verzicht auf diese Kategorie –, ebenso kritisiert sie Niebuhr, aaO.␣ 150 –, weil die Auferstehung nicht so sehr etwas in der Welt, als vielmehr Zeichen des Neuen an ihr und mit ihr bzw. für sie ist: ihre Zukunft in Gott. 9 Solches tritt erst nach Ostern auf: zu Pfingsten! 10 Daß das Sehen selber eschatologisch ist, betont Althaus, aaO.␣ 23. Gegenüber dem alttestamentlich und neutestamentlich gewohnten Vorrang des Hörens für diesen Äon gilt von den Auferstehungserscheinungen: »Bestätigend für die neutestamentliche Vorläufigkeit des Hörens ist der Vorrang des Sehens bei Johannes, der am stärksten die eingetretene Präsenz des Eschaton vertritt; ebenso bringt das eschatologisch trächtige Osterereignis das Moment des Gesehenhabens vor dem bloßen Hören zur Geltung« (H. Blumenberg, Licht als Metapher der Wahrheit, in: Studium generale 10, 1957, 442f.).
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Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens
solange der alte Äon fortbesteht. In den Ostererscheinungen ist das so realisiert, daß auch die eschatologischen Erscheinungen selber nur »stückweise« da sind (I Kor␣ 13,12). Die Erscheinungen vor den Glaubenden gehören in die verborgene Geschichte des Gottesreichs, die von Jesu menschlicher Geschichte über das Sehen des Auferstandenen durch einige wenige Zeugen und über den Glauben der Kirche weitergeht bis zur eschatologischen Schau der Vollendeten (ebd.). Für uns, die Glaubenden in der Zeit der Kirche, gibt es eine vergleichbare Begegnung mit dem Auferstandenen darum erst im Eschaton (I Joh␣ 3,2). Das besagt aber auch, unser Christusverhältnis geht nicht in der gegenwärtigen Glaubenserfahrung auf; das hat bereits Paulus gegen die Schwärmer geltend gemacht. Auch das Sehen des Auferstandenen durch die Osterzeugen war nur eine fragmentarische Vorwegnahme des endgültigen Schauens im Eschaton (visio beatifica)11. Dieser vorläufigen Welt entspricht das Nicht-sehen und Glauben ( Joh␣ 20,29b): praesentia videntur, creduntur absentia (Augustin)12. Im Falle von Ostern aber ist von »Erscheinung« zu reden, weil »das entscheidende Erlebnis primär in den Bereich des ›Sehens‹, des ›Sichtbarwerdens‹ gehört«13. Freilich ist nachher noch zu berücksichtigen, daß gleichwohl das Offenbarwerden (s.u.␣ S.␣ 70f.) auch bei diesen Erscheinungen nicht auf das Sichtbarwerden zu beschränken ist14. Denn es handelt sich um das eschatologische Ereignis des Entgegenkommens dessen, der noch kommt, um das Schon-mit-Sein des Zukünftigen. »Erscheinung« (des Auferstandenen) ist Erscheinung der Dialektik von gegenwärtiger und zukünftiger Welt. Indem der Terminus »Erscheinung« hier die Daseinsweise der eschatologischen Wirklichkeit in der vorläufigen bezeichnet, ist sie weder auf eine massive, innerweltliche Realität (in gewöhnlicher empirischer Körperlichkeit) noch auf ein halluzinatorisches »Gesicht« (Vision) zu reduzieren. In ihr ist eine konstitutive Beziehung auf das Sichtbare und Gewesene (d.h. den Jüngern von Jesus Bekannte und Vertraute) nur gegeben, um zugleich und daran dessen Jenseits, das Neue und aus Gottes Zukunft Kommende aufscheinen zu lassen. Insofern könnte man sagen, Erscheinung meint nur so viel Sichzeigen, wie nötig ist, um sichtbar zu machen, daß der, der sich zeigt, mehr ist als nur das, was er (hier) von sich zeigt. Es handelt sich um ein Sichtbarwerden (von sich aus), um auch die Grenze solcher Sichtbarkeit zu zeigen15. 11 Das Schauen der Doxa Christi ist nur von Ostern her möglich ( Joh␣ 1,14, cf. Luk␣ 9,32), das auch den Blick der Evangelien auf Jesus bestimmt (cf. das Bengel-Zitat o. Kap.␣ 2.b. A.␣ 86). 12 Epist. CXL, VII, 2, 7; MPL 33, 599; cf.␣ 4,10 (600) u. Hebr␣ 11,1; Röm␣ 8,24. 13 Graß, aaO., 188. Interessant ist, daß für dies Sehen im Munde der Maria Magdalena dieselbe Formel gebraucht wird ( Joh␣ 20,18) wie von Paulus (I Kor␣ 9,1). 14 Graß, aaO.␣ 189. 15 Cf. Barth, der vom Berühren als Nichtberühren spricht; Der Römerbrief, aaO.␣ 6. Cf. auch ThWbNT V, 360, 6–11 (Michaelis). W. Pannenberg hat herausgear-
1. Das Wesen der Erscheinungen
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Dies Sichtbarwerden wird – neben anderen Termini – insbesondere mit dem Ausdruck ∑fjh (I Kor␣ 15,5–8: »er wurde sichtbar, erschien«) wiedergegeben. Dieser Terminus, auch schon in alttestamentlichen Theophanien (LXX) vieldeutig verwendet16, hält aber das visuelle Moment nur so fest, daß er zugleich »die Aktivität Jesu bei den Erscheinungen« unterstreicht17. Diese Hervorhebung läßt eine deponentiale Übersetzung am stärksten zum Ausdruck kommen: »er ließ sich sehen«18. Wird derart aber »Erscheinung« als das In-Erscheinung-Treten des erhöhten Herrn selber aufzufassen sein, dann ist mit ∑fjh␣ primär die objektive Tatsache des Erscheinens ausgedrückt und erst in zweiter Linie die subjektive Wahrnehmung dessen19. Diese Gewichtung zwischen dem sich aufdrängenden Ereignis und seiner dadurch veranlaßten, bloß rezeptiven Erfahrung von ihm entspricht auch ganz dem Erzählgefälle und -duktus der Ostergeschichten. Den philologischen und phänomenologischen Beobachtungen entspricht nun auch theologisch, daß die Initiative zu den Auferstehungserscheinungen sowohl ganz bei Christus liegt als auch ganz bei Gott. Beides ist nacheinander zu erörtern; ich fange bei dem theologischen Gedanken an (b) und behandle dann die christologische Frage der Erscheinungen (c). b. Theologisch ist festzuhalten, daß der tote Jesus von Gott zum Leben bei ihm und in seiner Ewigkeit erweckt worden ist und daß eben dies sich in den österlichen Erscheinungen und im Damaskuserlebnis des Apostels Paulus manifestiert hat. Nur bei dieser sachlichen Ordnung kann das Mißverständnis vermieden werden, als hätte die Auferweckung zunächst in dem irdischen beitet, daß sich im Begriff der Erscheinung überhaupt »wirkliche Gegenwart des Erscheinenden in der Erscheinung und seine Transzendenz gegenüber der einzelnen Erscheinung« verbinden, cf.: »Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen«, in: Theologie und Reich Gottes (1971), 86. 16 Cf. TRE 4, 492, 34–493, 30; Goppelt, Theologie des Neuen Testaments I, aaO.␣ 291 u.␣ 283 und Pannenberg STh II, 395 A.␣ 81. J. Jeremias spricht daher für Ostern von »Christophanien«. Cf. auch ThWbNT V, 324ff. (Michaelis). 17 Graß, aaO. 189. Rengstorf möchte den einschlägigen neutestamentlichen Sprachgebrauch vom spätantiken fainesjai (wie z.B. »Erscheinungen« im Traum bei Josephus) abheben (aaO.␣ 121). Anders versteht er etwa fanerousjai␣ ( Joh␣ 21,1 u.␣ 14). 18 TRE, aaO.␣ 492, 39f.; ebenso Lüdemann, aaO.␣ 61. Rengstorf findet in ∑fjh 1.␣ ein Sichtbarwerden aus dem Unsichtbaren und Unzugänglichen (aaO.␣ 56f.) und 2. ein (exklusives) pass. div.: Gott hat … sichtbar werden lassen (bzw. menschlichen Augen zugänglich gemacht) (aaO.␣ 57). Von daher sei Act␣ 10,40 sachgemäß. Daß Christi eigene Aktivität gar nicht gemeint sei (57), scheint mir einseitig und unnötig zugespitzt: cf. Act␣ 1,3! R. gibt selber Beispiele für das aktive Kommen des Herrn (ebd.), cf. auch Joh␣ 21,1 u.␣ 14. 19 Cf. Graß, ebd. Auch Rengstorf weist »Sehen« im Sinne der Visionshypothese zurück (aaO.␣ 58), da es sich – schon im NT sei dies entgegengesetzt worden – um Gottes Sache handelt (aaO.␣ 59). Cf. auch seinen Exkurs I (117); dort wird hervorgehoben, daß hier eine visuelle statt einer Wortoffenbarung vorrangig sei (aaO.␣ 117f., 125).
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Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens
Mirakel der Wiederbelebung eines Toten bestanden, der dann nachträglich – nach einer Art »Zwischenzustand« – gen Himmel gefahren sei20. Insofern liegt die Aktivität des Auferweckens und zur Erscheinung bei den Jüngern Bringens ganz bei Gott und ist eine Tätigkeit; so kann es ausdrücklich heißen: »Gott hat ihn erscheinen lassen« (≤dwken †mfanö genfisjai Act␣ 10,40). Christus wurde demnach wesentlich auferweckt, um zu erscheinen: »Im Erscheinen Jesu, in seinem geschichtlichen Offenbaren offenbart sich das Machtwort Gottes«21. Gottes Auferwecken ist Erscheinenlassen, so daß man sagen kann, Christus wurde vom Vater her in das Erscheinen auferweckt22. Die österliche Erscheinung des aus dem Tode Lebendigen ist also nicht ein bloßes »Kundwerden« der Auferweckung für uns23, auch nicht eine bloße »Erscheinung«, die als etwas Vorletztes auf eine metaphyische Eigentlichkeit (das zeitlose Wesen) nur verweist bzw. sie nur kognitiv zugänglich macht24. Im theologischen Rang der Auferstehungserscheinungen manifestiert sich, daß Auferstehung selber auch etwas für die Ewigkeit bedeutet, womit ein außer- oder übergeschichtlicher Begriff von Ewigkeit, die sich in zeitlicher Erscheinung nur uneigentlich abbilden könnte, christlich ausgeschlossen ist. Gehört die Erscheinung Jesu Christi derart in die Auferstehung hinein, so ist andererseits auch die Auferweckung nicht von seiner Erhöhung zu trennen. Das situiert die erschienene Lebendigkeit in Gott selber: »Daß der Gekreuzigte zum Leben gekommen ist, ist … nur ein Moment im Geschehenszusammenhang seines triumphalen Aufstiegs und himmlischen Machtantritts an der Seite Gottes«25. Der Auferstandene lebt ganz aus der dynamis Gottes (wie auch wir es werden mit ihm, II Kor␣ 13,4), so daß sein Leben das Leben Gottes in ihm oder an ihm ist, weil er ganz in es hineingenommen worden ist: Christi Leben ist jetzt Gottes eigene Lebendigkeit (cf. Joh␣ 5,26)26. Das qualifiziert auch sein Sein im Wort und im Glauben. Insofern ist das aktive Sichbekunden und als er selber Kommen des Auferstandenen in den Erscheinungen auch Selbstvergegenwärtigung des dreieinigen Gottes. Umgekehrt hat der Sohn, der das Leben in ihm selber hat ( Joh␣ 5,26), teil an des lebendigen Gottes Herrschaft auch auf Erden: »Wo der auferstandene Christus ist, da ist 20 Bekanntlich nennt bereits Joh Jesu Tod am Kreuz schon sein »Erhöhtwerden«, cf. Joh␣ 3,14; 8,28; 12, 32.34. Gegen das isolierte Thematisieren der Wiederbelebung eines Toten als abstrakte Frage wendet sich auch Barth, cf. KD IV/2, 166. 21 Koch, aaO.␣ 179. 22 AaO.␣ 191. 23 Gegen Ebeling, aaO.␣ 302. 24 Pannenberg formuliert im Blick auf Gottes erscheinendes Sein in Jesus: »Erscheinung und Wesensgegenwart sind hier eins« (aaO., wie o. Anm.␣ 15, 85). 25 Wilckens, Auferstehung, aaO.␣ 92. 26 Dazu s.u. Kap.␣ 6.2., S.␣ 150ff.
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Gott, und Gott ist dort, wo der Kyrios die Herrschaft hat«27. Im Himmel regiert ein Mensch, dieser Mensch28. Aus der Macht Gottes hat Christus sein Leben in Ewigkeit (Hebr␣ 13,8), wie umgekehrt das christliche Verständnis von Ewigkeit durch seine Auferstehung neu qualifiziert ist29. Daß Gott mit den Erscheinungen die glaubenden Jünger »in seinen Lebensund Wahrnehmungskontext einbezieht«30, besagt also, daß der auferstandene Jesus Christus die Gegenwart des lebendigen Gottes ist, Selbstoffenbarung Gottes in Menschengestalt. Das ist im Thomas-Bekenntnis realisiert: »Mein Herr und mein Gott« ( Joh␣ 20,28)31. Insofern die Erscheinung des Auferstandenen – wie die Auferweckung selber – in der Kraft göttlichen Geistes geschieht, gilt von ihr qua Offenbarung: der Geist erforscht die Tiefen der Gottheit (I Kor␣ 2,10). Denn alle Offenbarung geschieht »im Geist«, insofern der Geist Gottes es ist, der als das Sichoffenbaren Gottes (bzw. der sich offenbarende Gott) zugleich das Sichentgegenkommen vom Ort seiner Offenbarung her (bzw. als der Mensch, für den im Geist überhaupt Offenbarung ist) übergreift und selber ist. Ist alle Offenbarung eine, wenn auch nicht unvermittelte32, so doch unmittelbare Gotteserfahrung, so sind die Erscheinungen des im Geist Auferweckten deren anschauliche (räumlich-zeitlich dimensionierte) Selbstgegenwart bzw. vergegenwärtigung. Hier erzwingt das Gesehene an ihm selber den Überschritt hin auf Gottes unfaßbare Schöpfermacht (im Sinne von Röm␣ 4,17): als die himmlische d·xa␣ im Angesicht Christi selbst (II Kor␣ 4,6)33. Eben diese Bewegung ist die – nicht primär psychologisch zu fassende – Bedeutung von »im Geist«. Umgekehrt kann man sagen: wenn Gott sich selber in einer Erscheinung vergegenwärtigen wollte, konnte das überhaupt kaum angemessener geschehen als in Gestalt eines aus dem Tode Lebendigen. Denn eben hier ist sichtbare Präsenz an ihr selber schon wunderhaft transzendiert: im Sehen des Niegesehenen schlechthin34. 27
Künneth, aaO.␣ 119. Cf. WATR, 6, 66 (Nr.␣ 6599), BSLK 1040, 29ff. und Hamann, Briefwechsel (Ziesemer/Henkel) Bd 1. (1955), 339f. mit Mt␣ 28,18. 29 »Gegenwart einer vergangenen Geschichte … wäre die schlechthinnige Aufhebung der verschiedenen Zeitmodi«, Koch, aaO.␣ 152. 30 Dalferth, aaO.␣ 82. 31 Cf. Dalferth zum vere homo – vere deus, ebd. u. Koch, aaO.␣ 298. 32 Luther weist darauf hin: »Solcher blinder geist ist dieser, das er nicht weis, wie dem glauben allzeit ein leiblicher anblick wird fur gestellet, darunter er doch ein anders verstehe und begreiffe« (WA 26, 436, 21–23). 33 Diese Bewegung ereignet sich in genau umgekehrter Richtung wie nach Tillichs Symbolverständnis, wo Jesus durch Selbstrücknahme im Kreuzestod zum vollkommenen »Symbol«, d.h. letztgültige Offenbarung wird, cf. STh II (19582) 134 und Gesammelte Werke Bd.␣ 1 (Stuttgart 19592), 345 (Religionsphilosophie, 1925). 34 Cf. P. Celan: »es komme, was niemals noch war! Es komme ein Mensch aus dem Grabe« (Spät und tief; Gesammelte Werke Bd.␣ 1 (Frankfurt a.M. 1983), 36). 28
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Von daher beantwortet sich die systematisch wichtige Frage, was die Begegnung mit dem Auferstandenen in den Erscheinungen für die Gotteserfahrung der Jünger bedeutet. Das Erscheinen dieses Menschen Jesus – also nicht die Epiphanie von etwas Übergeschichtlichem – in der Herrlichkeit Gottes – also nicht ein einfaches Wiederdasein –, d.h. des Gekreuzigten als des Kyrios, besagt theologisch, daß Gott als der Ewige zugleich zeitlich gegenwärtig ist. Der lebendige Herr manifestiert durch sein Erscheinen Gott als den selber Lebendigen, der in ihm kommt und doch der ewige Gott bleibt. Das »Daß« des österlichen Gekommenseins des in die Herrlichkeit Erhöhten zu den Seinen ist der eigentliche Gehalt der Auferstehungsbotschaft35: er lebt bei Gott und so zugleich für uns! Die Erhöhung zur Herrlichkeit der »Rechten Gottes« geschieht zugleich mit dem Erscheinen hier auf Erden (cf. Joh␣ 14,3!). Damit ist auch schon gesagt: die Nähe des Auferstandenen ist die leibhafte Nähe des von Jesus verkündigten Reiches Gottes. Was vorher von ihm zu hören und zu glauben (allenfalls spurenhaft zu erfahren) war, ist in den Ostererscheinungen vorübergehend ganz zu erfahren: als seine Erscheinung. In ihm ist ganz realisiert und da, was das endgültige Heil bedeutet, der Endzweck der Schöpfung und ihre Vollendung: Gottes eigenes Reich. c. In der christologischen Perspektive liegt bei den Erscheinungen das ganze Gewicht auf dem Umstand, daß sie nur als Selbstvergegenwärtigung des Auferstandenen verstanden, der Intention der Osterberichte gerecht werden. Christi Erscheinung ist sein Selbsterweis als aus dem Tode Lebendiger. Verbal schon betonen die Texte sein Wirken und Herbeiführen der Begegnung36. Die Erscheinungen werden als seine eigene Zuwendung erfahren: er tritt mit seinem Kommen und Nahen selber und von sich aus in Beziehung zu den Menschen, die dadurch zum Glauben kommen. Er gewährt seine Nähe. »Ich will euch wiedersehen« ( Joh␣ 16,22). Und schon auf die nach der Katastrophe von Jesu Hinrichtung desorientierten und verzweifelten Jünger paßt die Verheißung genauestens: »In der Welt habt ihr Angst (jlõfi“), aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden (nen‡khsa)« ( Joh␣ 16,33b). Weil, wie die Erscheinungen offenbaren, das Mitsein des Auferstandenen für das Leben in Ewigkeit essentiell ist, darum gilt: »das Personsein Jesu kommt als nach außen gehende Tätigkeit in Betracht. Seine Existenz [sc. als Auferstandener] wird von seiner Wirksamkeit erfaßt␣ …«37. 35
Gegen Graß, aaO.␣ 294! Cf. dazu Koch, aaO.␣ 72. Zu Christi eigenem Kommen cf. auch KD IV/2, 161, wo Barth viele neutestamentliche Belege anführt. 37 Koch, aaO.␣ 72. Wohl darum werden weder seine Beschaffenheit oder sein Aussehen noch der »Vorgang« der Auferstehung – wenn überhaupt als eigenständiges Ereignis von Christi Sichvergegenwärtigen abhebbar! – in den Texten beschrieben. 36
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Fragt man nach dem »Ort« des Auferstandenen, so ist er nur prozessual zu bestimmen: er liegt »in dieser göttlichen Wirksamkeit, die diese Welt in ihre zukünftige Gestalt verwandelt«38. Dem entspricht, daß die Auferweckung Christi nichts anderes ist als die »Annahme« seines Werkes durch Gott selbst39. Ist in gewisser Weise das Auferstehen selber das Erscheinen Jesu aus dem Tode und zwar ein Erscheinen in der Weltwirklichkeit40 – also ganz etwas anderes als die mirakulöse Belebung eines Toten –, dann ist sein lebendiges Mit-uns-Sein doch wesentlich, auch wenn es sich nur in einer begrenzten Anzahl von Erscheinungen visualisiert hat, eine unbegrenzte Mit-Zeitlichkeit41: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende« (Mt␣ 28,20). Die in den Erscheinungen sich manifestierende eigene Präsenz Christi läßt sich aufgrund dieser Zusage und Verheißung nur als von ihm selber aufrechterhaltene bzw. fortgesetzte verstehen. Für die Erscheinungen ist nicht nur überhaupt der Bezug auf die bestimmte Person Jesu von Nazareth, der bis zum Tode am Kreuz gelitten hat, konstitutiv42, sondern spezifisch ist für diese Erscheinungen – schon phänomenologisch –, daß sie das sich an ihm selbst und von ihm selbst her Zeigen dieses Erscheinenden sind, d.h. eine wirkliche Handlung Christi als Selbstbekundung (s.o. zu ∑fjh). Das Sehen des Auferstandenen ist durch diesen selbst ermöglicht, ist seine Selbstvergegenwärtigung (inkraft göttlicher Lebendigkeit): »er hat sich nach seinem Leiden lebendig erzeigt (durch mancherlei Erweisungen)« (Act␣ 1,3: parfisthsen ©autÖn zùnta). Schon darin liegt, daß er anders zu »sehen« war als ein bloß vorhandener, neutraler Gegenstand43. Den Gesehenen zu erkennen, ist dann immer noch durch sein Wort (s.u. S. 73) und zeichenhaftes Handeln (wie das Brotbrechen Lk␣ 24,35), also eine über das bloße Sehen hinausgehende, teilhabende Beziehung zu ihm vermittelt und bedingt44. Vielleicht ist darin schon impliziert, daß auch seine Leiblichkeit keine einfach bloß vorhandene war (s.u. S.␣ 70f.). Diese Selbstbekundungen ereignen sich je und je aus der Verborgenheit Gottes45 bzw. des Himmels46 heraus, in die hinein der Erscheinende sich jeweils wie38
Mildenberger, TRE 4, 559. S. auch u. den Abschnitt 2., S.␣ 76ff. AaO.␣ 558, 25f. 40 Cf. Koch, aaO.␣ 154. 41 Koch spricht, aaO.␣ 243, von sempiternitas. 42 Eben das macht sie zu echten Wiederfahrnissen: »Für die Erscheinungserlebnisse ist die Beziehung auf eine konkrete Person, auf die Gestalt Jesu, und zwar auf den Gekreuzigten, konstitutiv« (Ebeling, aaO.␣ 306). 43 Cf. Koch, aaO.␣ 232. 44 »Aber erst indem das Sehen zum Erkennen wird, wird der Glaube an den Auferstandenen geweckt« (Härle, Dogmatik, 313). Cf. Dodd über das nicht sofort Erkennen des Christus, zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 40 (2.) sowie Lk␣ 24,16; Joh␣ 20,14; 21,4. 45 Althaus, Die Wahrheit des kirchlichen Osterglaubens, aaO.␣ 36. Darum bleibt nach Althaus an den Erscheinungen auch etwas für uns nicht Bestimmbares, cf. aaO.␣ 22. 46 So Pannenberg, STh II, 397. 39
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der der Sichtbarkeit entzieht (Lk␣ 24,31). Zu sagen, daß er aus ihr kommt und wieder in sie zurückkehrt47, scheint aber schwierig zu denken, wenn denn die »übergeschichtliche« Gegenwart des Herrn bei den Seinen48 nur als Zugleich von bei Gott und bei uns Sein verstanden werden kann, wie noch zu zeigen ist (s.u. S.␣ 65f.). Daher wäre der Vorgang des sich sichtbar Machens und sich der Sichtbarkeit Entziehens eher über die Relation zu den Jüngern zu bestimmen bzw. auf sie zu beziehen: ihnen wird transitorisch der Zugang zu seiner Wirklichkeit – auf Erden wie im Himmel – geöffnet, und sie werden so gleichsam für die Dauer der Begegnung in sein ewiges Leben hineingenommen, bis ihnen dieser Zugang wieder entzogen ist. Die eigene Intentionalität dieser Erscheinungen liegt evidentermaßen im Stiften einer qualifizierten Beziehung zum auferstandenen Herrn derart, daß er sie von sich aus eröffnet49. In ihrer Erscheinung ist die Auferstehung »Beziehungswirklichkeit«50. Das gehört so spezifisch zur Nähe Jesu Christi bei den Seinen, daß diese Begegnung sowohl das Erscheinen umgreift – der Unglaube sieht und erfährt hier nichts oder nicht das Entscheidende (cf. Act␣ 9,7 u.␣ 22, 9) – wie auch das Erkennen des Erscheinens, das darum nie ohne Antwort in Bekenntnis und Zeugnis ist51. Man kann sagen, die Erscheinungen sind das »Pro nobis« von Auferweckung und Erhöhung, die darin als uns zugute geschehen zugeeignet werden52. Als der Erscheinende zieht der Gekreuzigte die Glaubenden in seine heilvolle Nähe. So bedeutet das aktive Sichbekunden und als er selber Kommen des Auferstandenen, daß die an ihn Glaubenden in die innergöttliche Liebesgemeinschaft des ewigen Lebens Gottes hineingezogen werden, auf daß Gott alles in allem sei (I Kor␣ 15,28). Wie schon der Irdische, so will auch der Erhöhte nicht allein sein, sondern beruft sich eine Gemeinde. Diese weiß sich ihrerseits eben aufgrund dieses Ursprungs und des lebendigen Mitseins Christi mit ihr auf dem Wege in die Endvollendung, die zugleich das Ziel aller Geschichte ist. Die Ostererscheinungen manifestieren die aktuelle Gegenwärtigkeit des Auferstandenen und Lebendigen in je unserer Zeitlichkeit – Auferstehung ist also gerade nicht die Entrückung in eine zeitlose Ewigkeit! – und verweisen so auf die Bedingung der Möglichkeit unserer Gleichzeitigkeit mit ihm. Nur so wird denkbar, daß »das Ewigkeitsleben des Auferstandenen das Ichleben umgreift und in ihm seinen Anfang nimmt«53. 47
Althaus, aaO.␣ 36. Ebd. 49 Cf. Koch, aaO.␣ 199. 50 AaO.␣ 155. 51 Cf. Koch, aaO.␣ 155. Daher ist der formgeschichtliche – zu strikte – Unterschied von »Erscheinungsgeschichte« und »Bekenntnisformel«, d.h. von Bezeugung der Auferstehung und Erscheinungen des Auferstandenen (cf. dazu Lüdemann, aaO.␣ 161), sachkritisch zu relativieren. 52 Cf. z.B. WA 12, 518; 37, 30 u.␣ 31; 45, 19; 36, 162 u.␣ 526. 53 Künneth, aaO.␣ 176. 48
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Von daher läßt sich auch sagen, daß Jesus in die Welt bzw. in die Geschichte hinein auferstanden ist54. Gilt so die Auferstehung spezifisch der Welt, so ist aber gerade diese »Geschichtlichkeit« des Auferstandenen das Aufsichzugehen der Ewigkeit, die sich in Christus an der Welt selber durchsetzt. Christi Stand der Erhöhung ist aus diesem lebendigen eschatologischen Geschehenszusammenhang ebensowenig zu isolieren55, wie daß Christus als der Gekreuzigte in der Geschichte ewig gegenwärtig ist. Auf die Frage, wie der Auferstandene und Erhöhte selbst aus der Ewigkeit in unsere Zeit kommt, wie es in anderer Weise schon für den Gedanken der Menschwerdung gilt, antwortet theologisch der Begriff der Selbstentäusserung und -verendlichung des lebendigen Gottes und eschatologisch der Gedanke des Sichvorauslaufens seiner endgültigen Parousie. So wird mit dem Satz »er lebt« die Wirklichkeit des Auferstandenen spezifisch qualifiziert56, denn seine Wirklichkeit ist nichts anderes als die Wirklichkeit ewigen Lebens, als die wahre Wirklichkeit von allem, die eschatologische Wirklichkeit. Auferstehungserfahrung ist Erfahrung seiner ewigen Gegenwart oder auch: seiner gegenwärtigen Ewigkeit (Mt␣ 28,20). Jesus Christus kommt in den Erscheinungen als der, der »nach dem Tode« ihm zugleich ewig entnommen und so auch »vor« ihm ist, eben als der Lebende schlechthin, d.h. er kommt als Ewiger so, wie er zeitlich-irdisch war, nur aber verklärt, ohne Todesverfallenheit, als einer, für den der Tod nicht (mehr) ist (Offb␣ 21,4). d. Was sich nach allem bisher Ausgeführten über das Sein des Auferstandenen überhaupt bzw. allgemein über sein Leben sagen läßt, kann mit den eindrucksvollen Schlußsätzen von Luthers Freiheitssschrift (§␣ 30), christologisch paraphrasiert, so formuliert werden: Aus dem allen folget der Beschluß, daß Christus lebt nicht in sich selbst57, sondern in Gott und seinem Nächsten (d.h.: dem Glaubenden); in Gott durch die Auferweckung, im Glaubenden durch die schöpferische Liebe; durch die Auferweckung fährt er über sich in Gott, aus Gott fährt er wieder unter sich durch die Liebe, und bleibt doch immer in Gott und göttlicher Liebe58. Als diese Doppelbewegung muß das Leben des Auferstandenen begriffen werden, und er hat sein Sein in der Wirklichkeit dieser Lebensbewegung. Der ontologische Status der Erscheinungen als Zuwendung zu den (dadurch) Glaubenden ist als die lebendige Einheit von »aus Gott fahren« und 54
Koch, aaO.␣ 241 bzw. 54 u.␣ 57. Cf. besonders 175: »Der Gekreuzigte und in das Grab Gelegte erlangt durch Gottes Machtwort Sein in der Welt« (Hervorhebung J.R.). 55 Koch, aaO.␣ 70. 56 Lüdemanns Rede von österlicher »Erfahrung des Lebens« ist unterbestimmt; es geht spezifisch um die des Lebendigen; cf. aaO.␣ 194. 57 D.h.: für sich selbst, obgleich er das Leben in sich selber hat ( Joh␣ 5,26). 58 Cf. WA 7, 38, 6–10; es folgt das Zitat von Joh␣ 1,51, cf.␣ 3,13!
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doch »immer in Gott bleiben« aufzufassen.59 Letztlich handelt es sich dabei um die Dynamis-Wirklichkeit des göttlichen Lebens selber, das Liebe ist (cf. I Joh␣ 4,16b mit V.␣ 9 und Joh␣ 3,16) – im Zugleich von Gottes Sein bei uns als Sein bei sich. Daher ist Christi Gehen zum Vater unausdenklich gut für uns ( Joh␣ 16,7), weil es zugleich sein Kommen zu uns ist (cf. Röm␣ 4,25). Sein Leben für die Seinen ist Joh␣ 20,17b so gedeutet: »Ich gehe zu meinem Vater und zu eurem Vater, meinem Gott und eurem Gott«. Das ist der Sinn des Ostergeschehens, daß Christus gerade, indem er zum Vater geht, bei uns bleibt bzw. uns mitnimmt, so daß sein himmlischer Vater auch unser Vater wird60. So bringt er uns Gott als Gott für uns. Nur darum ist der Auferstandene zum Vater erhöht worden, damit er alle Tage bis zum Ende bei den Menschen sein kann (Mt␣ 28,20). Als Kommen zu den Glaubenden zugleich Sein bei Gott und Gehen auf das Eschaton zu (und Mitnehmen), d.h. im Kommen Weitergehen und Hinausgehen über das Gegenwärtige zu sein, das ist der eschatologische Status des Erscheinens Christi. »Erscheinung« hat also den dialektischen Sinn eines zeitlich bei den Jüngern Seins als zugleich Sein in der Ewigkeit. Mit ihm schon kommt die Ewigkeit, die erst noch kommt, d.h. sein Sein antizipiert das Eschaton. »Antizipation« bedeutet ein vorlaufendes Sein, das zugleich noch auf sich zugeht. Christi Erscheinung ist daher die aus ihrem realen Vorschein in sich zurückkehrende vollendete Wirklichkeit61. Daran wird auch deutlich: »Erscheinung« bedeutet hier nicht mindere oder schwächere Wirklichkeit, sondern das proleptische Sein des Eschaton im Irdischen, den Reflex des ewigen Lebens in die Geschichte, also gerade Manifestation einer höheren, der neuen eschatologischen Wirklichkeit, die Wirklichkeit ist in der Dynamik der Selbstvollendung göttlichen Lebens als der einzigen, letzten und wahren Wirklichkeit. In diesem Sinn ist der Auferstehungsglaube nicht der Glaube an ein Überweltliches, Jenseitiges. Vielmehr ist es gerade der Trost der Glaubenden, »daß in Jesus Christus der Himmel der nahe und geöffnete Himmel ist«62, denn Christus ist im Himmel nur so, daß er zugleich auf Erden ist63. Man kann 59
Bzw. zugleich »über sich in Gott fahren« – in Analogie zu Phil␣ 2,7f. u.␣ 9. Luther selber formuliert anderenorts: »Denn die Gottheit feret nicht vom Hymel …, sondern ist ym hymel und bleibt ym hymel, ist aber auch zu gleich auff erden und bleibt auff erden« (WA 26, 421, 35–37; von den Christen: 422, 21f.) und legitimiert so die o. im Text vorgenommene Paraphrase. 60 Daher hier auch die Bezeichnung »Brüder« (17a)! 61 Eschatologisch gehört zusammen, was E.Bloch (auf Kunst und Religion verteilt) auseinanderhalten möchte: der Vor-schein der Gegenwart des Auferstandenen ist zugleich »letzthin Vor-Existenz« (unserer selbst in totaler Betroffenheit); cf. Das Prinzip Hoffnung, Bd.␣ 3 (1967), 1414. 62 Koch, aaO.␣ 280; cf. Joh 1,51! 63 Cf. dazu WA 10/I, 2, 303, 23–35 u.␣ 12, 564, 16–27; 26, 343, 35–345, 28.
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daher mit Luther sagen, um die Bedeutung von Christi Sitzen zur Rechten Gottes für uns zu beschreiben: »Nun ist Himmel und Erden Ein Ding worden«64. Ist Christi Weggehen sein Kommen65, so ist das Sein seines Erscheinens eigentlich ein Übergehen. Das entspricht dem durchsichtigen Ineinanderübergehen der Bestimmungen im ewigen Leben selber, wie etwa dem für das Eschaton anzunehmenden Zugleichsein von individueller Ichhaftigkeit (als begrenzt) und von Gott Erfülltsein bzw. lebendiges Moment göttlichen Lebens Sein (als unbegrenzt)66. Wenn Gott alles in allem ist (I Kor␣ 15,28)67, dann sind beispielsweise räumliche und zeitliche Bestimmungen zugleich gesetzt und aufgehoben, d.h. sie scheinen ineinander (Ubiquität)68. Von daher muß das Sein des Erscheinens, in dem der Auferstandene sich als ewig lebendig erweist, verstanden werden69. Die legendär anmutende Nachricht, er sei bei verschlossener Tür zu den Jüngern gekommen und plötzlich unter ihnen gewesen ( Joh␣ 20,19), enthält die eschatologische Wahrheit, daß der Auferstandene nicht mehr nur von außen (im räumlichen Sinn) da ist – so wenig er erst recht etwa nur »innen« in den Jüngern wäre70. Luther hat diese Wahrheit auf die Formel gebracht: »Da er auf Erden war, war er uns zu ferne; jeztund ist er uns zu nahe«71. Darum hat Luther auch annehmen können, Christus sei aus dem (durch einen Stein) verschlossenen Grabe (cf. Mk␣ 15, 46; Mt␣ 27,60; cf. Lk␣ 24,2; Joh␣ 20,1) hervorgegangen72. 64
WA 46, 713, 20. Cf. z.B. WA 12, 546f. u.␣ 564f. 66 Cf. auch u. Kap.␣ 6.1., S.␣ 148. 67 Cf. Vf.: Gott und das ewige Leben, Abschn.V, aaO. S.␣ 81ff. 68 Über die Aufhebung irdischer Distanzen und Begrenzungen im ewigen Leben cf. WA 36, 595, 38–596, 13; 657, 30ff.; 660, 32–35. 69 Luther erklärt es dementsprechend für miteinander wahr, »Das Christus bey den jüngern sass nach seiner aufferstehung (Lk␣ 24,24), und doch zu gleich nicht bey yhn war« (WA 26, 414, 25–27; cf. 424f.).Christi Dasein und Nicht-Dasein kann beides wahr sein (aaO.␣ 413, 20f.). Wie von Christus gilt: »Er sass und as und redet mit yhn, und ist doch nicht ynn der welt« (aaO.␣ 300, 30f.), ebenso schließt sich nicht aus, »das Christus leib ym hymel und ym abendmal sey« (aaO.␣ 314, 23f.) – nämlich in der lebendigen Dynamis von »Gottes gewalt« (aaO.␣ 317, 33f.; cf. 318 u.␣ 414, 22ff.). 70 Cf. Luthers Vergleich von Christi Kommen bei verschlossener Tür und ins Herz der Jünger, WA 12, 518, 19–519, 8. 71 WA 12, 562, 25f. 72 WA 26, 328, 31f. Luther präzisiert: »Denn er ist ym stein des grabes gewest on solche begreiffliche weise, Des gleichen ynn verschlossener thür … on raum und stete seiner grösse gemesse … das yhm alle Creatur so durchleufftig [= durchdringbar] und gegenwärtig sind …« (aaO.␣ 330, 18–27), ohne daß »die thür … ausgedenet noch sein leib eingezogen« war (aaO.␣ 334, 3f.) oder es einer besonderen »subtilietet des leibs« bedurft hätte (aaO.␣ 418, 29–419, 25). Besonders plastisch die Stelle WA 26, 328, 31– 37: »Auff solche weise war der leichnam Christi, da er aus dem verschlossen grabe fur und zu den jungern durch verschlossene thür kam …, Denn da ist kein messen noch begreiffen, an welchem ort sein heubt odder fusse sind gewest, da er durch die steine 65
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e. Auf diesem Hintergrund läßt sich die Weise seines Sichvergegenwärtigens näher bestimmen. Für alle Osterberichte gilt, daß sie sein Kommen als plötzlich auffassen, d.h. sie erzählen es gar nicht als Kommen, sondern als ein auf einmal Da-Sein (cf. Mt␣ 28,9; Mk␣ 16,9. 12. 14; Lk␣ 24,15. 36; Joh␣ 20,14. 19. 26; 21, 4)73. Dem unvermittelt in ihrer Mitte Stehen entspricht ein ebenso wunderhaftes, scheinbar unkörperliches wieder Verschwundensein (Lk␣ 24, 31; anders freilich Mk␣ 16,19 u. Lk␣ 24,50f.)74; oft bricht die Erzählung auch nach den Worten des Auferstandenen ab (cf. Mt␣ 28,20; Joh␣ 20,17. 20. 29; 21, 13 bzw. 23)75. Mit dem allen ist zum Ausdruck gebracht, daß das Gegenwärtig-Werden des Erhöhten sich ohne empirische Kontinuität in Raum, Zeit und Materie ereignet, als ein absolutes Sich-Setzen, das es als göttliche Spontaneität ausweist. Insofern die Erscheinungen des Auferstandenen bloße Vorwegnahme der Parousie sind, könnte man sie – mit Vorbehalt – Atome der Ewigkeit nennen. In ihnen durchdringen sich Vergangenheit – sie sehen den, den sie schon kennen; insofern handelt es sich eher um »Erinnerung« als um Vision – und Zukunft76 – sie erfahren den gegenwärtig, der noch kommen wird; insofern handelt es sich eher um Entrückung (und Zeugenschaft) als um Vision –, und sie durchdringen sich in einem unteilbaren Jetzt, das als »Ewigkeitsatom« nur plötzlich da sein und ebenso plötzlich gewesen sein kann. Diese Diskontinuität zeigt sich auch im Leersein des Grabes, das das Moment von Negativität im neuen Sein des Christus bezeichnet77. Das Anwesen des Auferstandenen ist auf diese Weise in einer Linie gesehen mit der Schöpfung als creatio ex nihilo (cf. Röm␣ 4,17); freilich ist die Auferstehung eine creatio, die den gewesenen Jesus schöpferisch neu sein läßt78. Die Diskontinuität zeigt sich weiter auch in der Mehrheit einzelner, unzusammenhängender Erscheinungen (I Kor␣ 15,5ff.) sowie in ihrem schließlichen Aufhören, fur und mußte doch ia herdurch, da nam er keinen raum, so gab yhm der stein auch keinen raum, sondern der stein bleib stein gantz und fest wie vor, und sein leib bleib auch so gros und dick, als er vor war«. Auch dies wird nur von der lebendigen Gewalt Gottes her erklärbar (cf. aaO.␣ 331, 20 –31). 73 Anders Graß, der dies nicht als die ursprüngliche Erfahrung wertet, cf. aaO.␣ 188. 74 Dies »Verschwinden« ist nach Lüdemann typisch lukanisch (aaO.␣ 160; er verweist auf Lk␣ 1,38; 2,15; 9,33; Act␣ 10,7; 12,10). 75 Das Verschwundensein ist, dogmatisch geurteilt, nur die unmittelbare Seite seiner Allgegenwart. Indem Christus vor ihren Augen verschwunden, unmittelbarer Sichtbarkeit (wieder) entzogen ist, ist er doch zugleich im Abendmahl leibhaftig gegenwärtig; cf. Lk␣ 24,30f.! Übrigens gehören das unvermutete Erscheinen (im geschlossenen Raum) und das plötzliche Entschwinden des Erscheinenden nach J. Jeremias zu den ältesten Zügen der Osterüberlieferung (Neutestamentliche Theologie, 1. Teil, 288; anders Lüdemann aaO.␣ 34f.). 76 S.u. Abschn.␣ 2, S.␣ 76f. Zum »Atom der Ewigkeit« cf. S. Kierkegaard, Der Begriff Angst (Ges. Werke (Hirsch), 11/12. Abt., S.␣ 90; S.V. IV 358). 77 S.u. Kap.␣ 4.1. 78 S. dazu u. S.␣ 110 nochmals.
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d.h. ihrer Beschränkung auf einen begrenzten Zeitraum, durch die sie an der Partikularität des Historischen (trotz ihrer universellen Bedeutung für den christlichen Glauben überhaupt) teilnehmen. Das spätere Ausbleiben von Auferstehungserscheinungen wiederholt gleichsam für die folgenden Generationen das leere Grab. Dies Sich-Entziehen im Einzelnen der Ostererfahrung wie im Ganzen gehört insofern zum Sein des Auferstandenen, als ihm das Hinausgehen über jedes bestimmte, bloße Hiersein wesentlich ist. Das Neue Testament stellt selber fest, daß es »unmöglich war, ihn festzuhalten« (cf. Act␣ 2,24b), was wie vom Tode, so erst recht von allem andern gilt. So unwiderstehlich gewaltig ist die Macht des göttlichen Schöpfungshandeln an ihm, durch die der Auferstandene in die eschatologische Dynamik der Geburtswehe einer neuen Welt ewigen Lebens gehört (V.␣ 24a). Die erwähnte Diskontinuität präzisiert Christi Auferstehungsgegenwart noch in einer anderen Hinsicht. Nicht der den Jüngern bekannte Jesus kommt Ostern wieder, in einer einfachen (nur zeitweise unterbrochenen) Fortsetzung seines irdischen Umgangs mit ihnen. Sondern es ist bei den Erscheinungen auf einmal einer unter ihnen da, der sich (erst) erweist, der ihnen vor seinem Tode vertraute Jesus gewesen zu sein79. Das besagt, der lebendig Gegenwärtige stellt seine Identität mit dem Gewesenen selber allererst dar (in gewisser Weise auch her)80. Das spiegeln die Ostererzählungen im Motiv des erst in einem zweiten Schritt Erkennens (Wiedererkennens) dessen, der zunächst für einen anderen gehalten wird81: einen Fremden (Lk␣ 24,16; cf. 31; Joh␣ 21,4), ein Gespenst (Lk␣ 24,36; cf. Mt␣ 14,26), den Gärtner ( Joh␣ 20, 14f.)82, sowie in dem immer wieder berichteten Zweifel (Mt␣ 28,17) und 79 Cf. dazu KD IV/2, 160 –162. Nach R.R. Niebuhr konzentrieren sich die Ostererzählungen sogar auf das Wiedererkennen und die Identifizierung, aaO.␣ 148! 80 Das betont auch Barth, KD IV/2, 162 u.␣ 163; Graß spricht aaO.␣ 252 vom »Erinnerungsmotiv«. Zum »Wiedererkennen« (Emmaus) cf. KD III/2, 566ff. Schon rein phänomenologisch gibt es einen Strukturzusammenhang zwischen Erscheinen und Sich-uns-Vorstellen, wie man vergleichsweise, aber treffend vergleichsweise sagen kann: »Das gleichsam sich-uns-Vorstellende ist somit … geradezu das uns-seinen-NamenNennende« ( J. König, Sein und Denken (19692), 188 A.␣ 1). König bringt dies Merkmal ausdrücklich mit »Erscheinung« in Verbindung; cf.: »Das hier auftretende mediale sich (medial z.B. in einem hier spezifisch möglichen fa‡netai) …« (ebd.). Leider ist hier nicht Raum, Königs Untersuchung des So-Wirkens als Sich-uns-Vergegenwärtigen genauer darzustellen, sondern muß es bei diesem Wink bleiben. 81 Weil der auferweckte Gekreuzigte derselbe anders ist, muß er seine Identität für die Jünger oder bei ihnen erst selber herstellen, denn eben darum können sie ihn von sich aus nicht einfach erkennen (cf. Rengstorf, aaO.␣ 79). Wenn Rengstorf aber die Identität der Person von der Identität der Erscheinung – als nicht dasselbe – unterscheiden will (ebd.), sind sowohl der bei ihm zugrundeliegende Begriff der Person wie der Erscheinung problematisch, weil offenkundig nicht eschatologisch qualifiziert. 82 Man könnte erwägen, ob nicht die in den Berichten sich zunächst am Grab findenden Engel auch eine solche Vertreter-Funktion haben, den noch nicht erkannten Auferstandenen zu repräsentieren. Auch Lüdemann weist auf eine Ähnlichkeit
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Unglauben (Mk␣ 16,11. 13; Lk␣ 24,11. 41; Joh␣ 20,25) den Erscheinungen oder ihrer Erzählung gegenüber. Erst der Auferstandene selbst knüpft dann durch seine Anrede (insbesondere namentlich: Joh␣ 20,16; 21, 15ff.)83 oder auch durch ihn identifizierende Zeichen (Wundmale: Lk␣ 24,39f.; Joh␣ 20,20. 27; 84 Brotbrechen: Lk␣ 24,30f. u.␣ 35; Essen: Lk␣ 24,43; Joh␣ 21,1385) den definitiven Zusammenhang mit seinem vergangenen Dasein, er identifiziert sich vor ihnen bzw. für sie und gewährt ihnen Teilnahme an sich, indem er sich jenes ausdrücklich zueignet, es jetzt als seines und damit sich als selbst dieser erweist86. f. Deutlich ist aus dem allen: der Auferstandene hat nicht die Seinsweise eines einfach Vorhandenen: »Erscheinen hat keine ruhende Seinsweise, ist kein Etwas«87. Und genau so, wie die Erscheinung sich der Verdichtung zum Dinglichen widersetzt (– sie ist ganz verbal zu beschreiben, s.o. S.␣ 62f.␣ –), entzieht sie sich auch einer distanziert-neutralen Feststellung und Beschreibung88. Die Erscheinungen des auferweckten Gekreuzigten sind der zeitlichgeschichtliche Reflex eines Ereignisses bzw. Momentes im ewigen Leben Gottes. Verbal von Erscheinen zu reden, ist legitim, weil ihnen bei dieser theologischen Verfassung kein Sein im Sinne empirisch-dinghafter Gegebenheit zukommt. Vielmehr handelt es sich um eine Reflexionswirklichkeit (d.h. ein Sein in der Einheit von Sichvoraussein und Aufsichzugehen); denn sein Sein aus Gott und vom Eschaton her durchdringt sich ständig damit, daß auch sein Sein bei den Jüngern immer reales Rückstrahlen auf sein Sein bei Gott und in der Endvollendung ist, eben weil er selber nur realer Vorschein zwischen Engel und Jesus hin (aaO.␣ 172, cf. 146); Mk␣ 16,5 wäre umgekehrt wie in der Forschung üblich zu interpretieren (cf. Lüdemann, aaO.␣ 40). Albertz will sogar – nach Lüdemann, aaO.␣ 134 – die Angelophanien aus den Christophanien ableiten. 83 Cf. Joh␣ 10,3 u. Jes␣ 43,1; Mt␣ 28,18; Lk␣ 24,25 u.␣ 44. Moltmann schreibt: »Ohne vernommene Rede wäre es unwahrscheinlich und doch auch unmöglich gewesen, den Erscheinenden mit dem gekreuzigten Jesus zu identifizieren. Ohne gehörte Rede wären die Ostererscheinungen gespenstisch geblieben … In seinen Reden muß so etwas wie eine Selbstidentifikation vorgelegen haben (»Ich bin es«).« (Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 180). 84 Die Wundmale besagen nicht: Jesus ist wieder da; sondern mit ihnen bekundet der Gekreuzigte als solcher seine Gegenwart, cf. Koch, aaO.␣ 229. 85 Cf. Act 1,4; 10, 41. 86 D.h. Jesu Identität wird in den Erscheinungen aufgedeckt durch »historische Zeichen aus dem vergangenen Leben Jesu, die den Zeugen durch ihr Erinnerungsvermögen vertraut sind« (R.R. Niebuhr, aaO.␣ 147, cf. zum Brotbrechen 153). Daher wird gerade die Leibhaftigkeit zum Medium des Wiedererkennens (cf. ebd.). Entsprechendes gilt mutatis mutandis von Christi Selbstidentifizierung für Paulus (s. dazu u. S.␣ 102ff.), weil überhaupt jede historische Gegenwart in Termini der Vergangenheit, die durch die Erinnerung ausgewählt sind, identifiziert werden muß. 87 Koch, aaO.␣ 180. 88 Cf. o. Anm.␣ 45.
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von seiner (und Gottes) letztgültiger Wirklichkeit ist. Im Sinne solcher Verschränkung von Reflexionsrealitäten (d.h. Realität an ihr selber als Reflexion) handelt es sich bei dem Erscheinen des Auferstandenen um eine weltlich-überweltliche, d.h. eschatologische Realität. Diese eigentümliche Doppelseitigkeit von zugleich weltlich-leibhaft und überweltlich Sein89 bezeichnet das Ineinanderübergehen von Identität (der Person) und Transzendenz, wie sie für den Erscheinenden charakteristisch ist: ein merkwürdiges Ineinander von »handfester Leiblichkeit« und »unverfügbaren Anwesens und Entschwindens«90. Dies Nebeneinander bzw. »ZweiWelten-angehören«91 dürfte für den bestimmten Sachverhalt, um den es hier geht, bedeutsam und bezeichnend sein – gleichgültig, was davon in der erzählerischen Gestaltung historisch als legendäre Ausmalung zu gelten hat92. Verständlich daran ist der Umstand, daß sich das eschatologische Sein des Auferstandenen unseren gewohnten Alternativen entzieht (vergangen␣ –␣ gegenwärtig, hier␣ –␣ dort, leiblich␣ –␣ himmlisch usw.)93. Zwar spiegelt das Nebeneinander von körperlicher Berührbarkeit (Mt␣ 28, 9; Lk␣ 24,39; Joh␣ 20,20. 27(?)94) und Unberührbarkeit ( Joh␣ 20,17; cf. I Kor␣ 15, 50) in den Texten zunächst den Umstand, daß die »Leibhaftigkeit« des Auferstandenen95 die Realität seines Ankommens bei und Daseins für die Glaubenden bedeutet, die immer auch Reflex ihrer eigenen irdischen Leiblichkeit ist96. Gleichwohl kann man die Erscheinungen nicht als je und je aktuelle Verleiblichung (Materialisation) einer an sich selber nicht-leiblichen Instanz vom unsichtbaren Himmel her auffassen. Denn das auf Erden Sein ist dem 89 Cf. Althaus, der von »unvisionärer leibhaftiger Weltwirklichkeit und … geheimnisvoller Überweltlichkeit« spricht (aaO.␣ 22), um das eschatologische Geschehen zu beschreiben (aaO.␣ 23). Cf. Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 488/489 sowie auch Ihmels, Die Auferstehung Jesu Christi (19174), 39 (A.␣ 17). 90 Ebeling, aaO.␣ 305; cf. die Luther-Zitate o. Anm.␣ 68 u.␣ 72. 91 Kittel, aaO.␣ 157; cf.␣ 134,131, 149. 92 Z.B. doch wohl das Essen (Lk␣ 24,42f.; Joh␣ 21,9 u.␣ 13, cf. aber Tob 12, 19 mit Joh␣ 4,32 u.␣ 34!). Die Legendenbildung bezüglich der drastischen Ausmalung einer Körperlichkeit des Auferstandenen wird aber gerade dann gut erklärbar, wenn die ursprüngliche Erscheinung ein reales Bei–ihnen -Sein Jesu selbst in Person war: daran konnten sich, um es zu veranschaulichen und zu verstärken, sehr leicht übertrieben ausmalende Züge anhängen, die die o. beschriebene »Doppelseitigkeit« der Erscheinungen zurücktreten ließen zugunsten eindeutiger, massiver Innerweltlichkeit. 93 Cf. Kittel, aaO.␣ 150. 94 Cf. I Joh␣ 1,1 mit Joh␣ 1,14. 95 Genaueres dazu s.u. Kap.␣ 4.2. Nach Luther war Christus zugleich »begreiflich« (circumscriptive; cf. WA 26, 334, 34: »das die augen sehen und die hende greiffen mügen«) und »unbegreiflich« (diffinitive) da (WA 26, 328, 31ff.; cf.␣ 332,14–18) – analog wie im Abendmahl (aaO.␣ 336, 5f.). 96 Neuerdings hat noch einmal H.D. Betz betont, daß der massive Realismus, was die Körperlichkeit des Auferstandenen angeht, nicht als naiver Volksglaube einzuschätzen sei; er ist vielmehr theologisch reflektiert und gegen magisch-dämonische Deutungen gerichtet (zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 166).
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Erhöhten, wie gezeigt wurde, gerade als solchem wesentlich. Ebensowenig darf man andererseits sagen, daß er nur eine Zeitlang ein »verklärtes Erdendasein« geführt habe97. Man sollte demgemäß weder von einer endgültigen Rückkehr des Auferstandenen in den Himmel noch von einer nur zeitweiligen Rückkehr in die weltliche Seinsweise sprechen98. Denn von Christi Auferstehung überhaupt (als seinem immer auch bei den Glaubenden in der Welt Sein), insofern sie gerade die endgültige Rückkehr in die weltliche, diesseitige Seinsweise ist – denn, wenn auch nach Ostern verborgen, ist sie dies gerade als himmlische, eschatologische Seinsweise auch99 –, ist sein zeitweiliges Erscheinen bei einzelnen Jüngern oder Gruppen von ihnen zu Ostern auch zu unterscheiden. Christi Rückkehr ist ein für allemal, †f›pax, und als solche ist sie zu Ostern proleptisch manifestiert und wird sie bei der Parousie sich eschatologisch darstellen. Diese Verhältnisse werden nur klar, wenn man festhält: das Erscheinen Jesu bei den an ihn Glaubenden ist weder einfach die Wiederkehr eines Toten noch die Vision eines in den Himmel Entrückten, sondern es manifestiert den Einbruch einer neuen Welt, die sich an ihm als dem Lebenden und sich Ostern Vergegenwärtigenden darstellt. Denn die Auferstehung Jesu ist schon die vorweg ereignete Endvollendung100, und in den Erscheinungen des Auferstandenen tritt proleptisch die neue Welt in Erscheinung101 . Die Auferweckung aus dem Tode ist wirklich als Setzung an Jesus; zugleich ist sie Voraussetzung des Eschaton bzw. dessen Sich-selbst-sich-Voraussetzen. »Erscheinung« ist das Sich-Vorlaufen der endgültigen Wirklichkeit, der Vorschein ewigen Lebens. Insofern ist Jesus nach Ostern im wörtlichen Sinne der Mensch, der aus der (absoluten) Zukunft kam. Denn das Sein des auferweckten Gekreuzigten ist das Sein des Kommenden bzw. Wiederkommenden – gemäß der eschatologischen Logik des Werdens zu sich. Der aus dem Tode Lebendige lebt ewig, d.h. schöpferisch neu aus seiner Vergangenheit102. Die nachher zu erörternde spezifische Auferstehungsleiblichkeit (soma pneumatikon) muß auch als zeitlich-ekstatisches Sein verstanden werden, d.h. als dem zeitdurchdringenden Leben der Ewigkeit entsprechend. 97
Zur Problematik cf. Dibelius, aaO.␣ 117 u.␣ 119. So zu Recht Graß (gegen K. Barth, cf. aaO.␣ 245 A.␣ 1), der aber seinerseits die »himmlische, eschatologische Seinsweise« ganz von einer welthaft-zeitlichen absondern möchte. Auch das halte ich für ein Mißverständnis eschatologischer Realität. 99 Luther betont die lebendige Nähe des auferstandenen Christus, der nicht im Himmel – wie gefangen – an einem Ort sitzt (cf. WA 26, 420, 20f. u.␣ 422, 26–27 u.␣ 437, 12!). 100 Cf. das Klopstock-Zitat o. bei Anm.␣ 6. 101 Künneth, aaO.␣ 163. 102 Das Kommen bei verschlossener Tür ( Joh␣ 20,19) deutet auch auf diese qualifizierte Wiederholung seiner Vergangenheit, s.o. S.␣ 67. Zum Sachverhalt cf. bei Luther WA 6, 510, 12f.; 12, 477, 5–8; 23, 147, 9–19; 26, 328, 31ff.; 334, 2–5 u.␣ 17–23 u.ö. 98
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g. Abschließend ist noch auf den worthaften Charakter aller berichteten Erscheinungen einzugehen; man hat sie geradezu als verbum visibile apostrophieren können103. Sie sind es grundlegend darin, daß erst das Wort des erscheinenden Herrn die Erscheinung eindeutig macht104. Zu ihnen gehört, daß die Selbstvergegenwärtigung des Auferstandenen durch eine Bekundung seiner Auferstehung von Christus selbst identifiziert wird105. Da es keine Ostergeschichte ohne Selbstaussage des erhöhten Herrn gibt106 – für das Damaskuserlebnis des Paulus hat sie eine Schlüsselfunktion (cf. Act␣ 9,3ff.) –, kann man von den Erscheinungen als spezifischen Formen einer Wortoffenbarung sprechen107. Die Worte des Auferstandenen explizieren überhaupt die eigene Bedeutung der Auferstehung, so daß man von einer »Einheit von Geschehen und Wort« in den Erscheinungen reden kann108; dies besagt, es handelt sich um Ereignisse, die ihre eigentümliche Bedeutung mit sich bringen109. Da die sich in ihnen vollziehende Wiederherstellung der Gemeinschaft mit den Jüngern (auf eine neue Weise) immer auch Vergebung einschließt110 – was im besonderen für des Petrus Ostererfahrung gelten muß111, cf. Lk␣ 24,34 u. I Kor␣ 15,5 mit Joh␣ 21,15ff. –, haben diese Auferstehungserlebnisse den Charakter eines Sprachereignisses112. Nur im Vorübergehen ist hier noch gleichsam die andere Seite dieses Vergebungsgeschehens zu notieren. Christi Sichzeigen aus seiner Erhöhung heraus für die Seinen ist als Teilgeben an seinem Sein auch deren vor Gott Gebrachtwerden in ihm. Insofern darf man sagen, daß die Erscheinung des Auferstandenen auf Erden zugleich die Vertretung der Glaubenden durch ihn vor Gott ist (Röm␣ 8,34). Christi Erscheinen ist als Vergebungshandeln schon seine Intercessio als Hoherpriester im Himmel (Hebr␣ 5,9f.; 7,25; 9,24). 103
Künneth, aaO.␣ 82 u.␣ 85. S.o. S.␣ 70. Für Luther entspricht Christus reden zu hören in seinem Wort ganz seinen österlichen Erscheinungen, cf. WA 12, 496, 1–3 u.␣ 505, 19–32! 105 Graß betont, daß die Worte des Irdischen und des Auferstandenen eine Einheit bilden und spricht in diesem Zusammenhang vom »Erinnerungsmotiv« (aaO.␣ 252). 106 Cf. Schlatter bei Künneth, aaO.␣ 71 A.␣ 35 u.␣ 82. 107 Luther beschreibt das Sprechen des Auferstandenen als seinen Lebenserweis und ordnet es dem Sehen und Erkennen der Jünger vor, cf. WA 21, 223, 20 –36. 108 Cf. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 68f. 109 Pannenberg, aaO. ebd. u.␣ 89. Zur Einheit von Faktum und Bedeutung überhaupt cf. STh II, 386. 110 Cf. II Kor␣ 5,17 u. Röm␣ 4,25. Die Berufung durch den Auferstandenen (cf. Mt␣ 28,10; Joh␣ 20,17), die mit seinem Erscheinen vorliegt, beseitigt eo ipso die Sünde, ist Vergebung, weil ein neues Sein im Gottesvolk. Cf. Graß, aaO.␣ 239 sowie Ebeling, aaO.␣ 301 und Lüdemann, aaO.␣ 194 u.␣ 195. 111 Cf. Althaus, aaO.␣ 42. Bei Lüdemann, aaO.␣ 113, bleibt das Verhältnis von Vergebungswort und Sehen undeutlich (ebenso wie das von Gotteswort und Menschenwort bzw. von psychologischem Phänomen und göttlichem Geist, aaO.␣ 123). 112 Cf. dazu auch Graß, aaO.␣ 254. So wie Jesus als Lebendiger sprechend und in Anspruch nehmend erscheint, ruft er Glauben hervor und eine eigene Zeugenschaft der Jünger (Ebeling, aaO.␣ 300). 104
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Das Sprachereignis der Auferstehungserfahrung selber setzt sich darin fort, daß sie mit der Aussendung113 zu weiterem Bekennen und Zeugnis der Jünger verbunden ist114. Die Beauftragung zur Verkündigung und Mission gehört zur Intentionalität der Erscheinungen selber. Überblickt man das Verhältnis von Auferstehung und Wort systematisch, so lassen sich vier Aspekte bzw. Phasen unterscheiden. 1. Am Beginn steht der Widerspruch zum Tode Jesu in der Verkündigung durch göttliche Boten (Mk␣ 16,5–7; Mt␣ 28,2–7; Lk␣ 24,4–7). 2. folgen die Erscheinungen als Selbstvergegenwärtigung des Auferstandenen als zu den Jüngern Sprechender. Sein Wort am Ostermorgen ist die eschatologische Morgenröte115 . Und wie er selber in diesem seinen Wort kommt, – so kommt dann im Wort von der Auferstehung der Auferstandene selbst116. Die pneumatische Christuswirklichkeit ist wortgebunden, weil das Pneuma als Dynamis der Auferweckung Gottes schöpferisches Wort ist und weil das Wort der Auferstehungsbotschaft selber Glauben begründendes Pneuma ist. Man kann auch sagen: durch die Auferstehung wird Jesus selber das Wort Gottes, das er vorher (als Irdischer) verkündigt hat. Christus ist das lebendige Wort Gottes, insofern er sein neues Leben Gottes schöpferischem Allmachtswort verdankt bzw. besser: als dieses Wort allein dieses Leben hat. Gottes Sprechen in der Offenbarungsgeschichte vom alten Bund her hat sich im lebenschaffenden Wort der Osternacht definitiv vollendet117. Indem die Auferstehungszeugen Christus als dies Wort vernehmen, dessen Wort auch das Wort des Kommenden ist118, vollzieht sich ihre Bewegung vom Hören zum Schauen – »Rede, daß ich dich sehe!« – als Antizipation des Weges vom Glauben zur ewigen Schau (II Kor␣ 5,7; I Kor␣ 13,9–12) bzw. vom irdischen Leben ins Eschaton. 3. Nach Ostern (d.h. nach dem Aufhören der Erscheinungen) begegnet der Gekreuzigte als der Auferstandene wesentlich nicht (mehr) in der Unmittelbarkeit – wenn auch worthaft vermittelter – Schau (oder gar in so etwas 113 So z.B. Joh␣ 20,22. Nach Lüdemann handelt es sich bei dem Zusammenhang von Erscheinung und Sendung um einen alten Typ von Berichten (aaO.␣ 180). 114 Jesus als den Herrn bekennen und glauben, daß Gott ihn von den Toten auferweckt hat (Röm␣ 10,9), sind zwei Seiten einer Sache. Dies ist, in Gestalt des Glaubensbekenntnisses zu dem im Kommen begriffenen Gott und zur kommenden ewigen Welt, unsere Rettung schlechthin (cf. Röm␣ 4,25 u. Act␣ 17,31!). Cf. Ebeling aaO. II 300 und o. Anm.␣ 112. 115 Cf. Klopstock: »Worte sprechen ihn nicht aus; aber sie sind doch/ seines Lichts ankündende Dämmerung, werden / Morgenröthe …« (Das Schweigen (1801), in: Sämmtliche Werke (1856), 5. Band, 35). 116 Nach Luther ist sein Kommen im Wort heute sogar wichtiger und heilsamer, als wenn er auch gegenwärtig zur Tür hereinkäme, cf. WA 10/I, 2, 237, 8–11! 117 Von hier aus dürften das katÅ tÅ“ graf›“ bzw. auch Hebr␣ 1,1f. zu lesen sein; s.u. Abschn.␣ 2. C., S.␣ 88ff. 118 Cf. Koch, aaO.␣ 199.
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wie visionärer Entrückung oder mystischer Ekstase), sondern allein durch das Wort. Das kann so sein, weil das österliche Sehen selber schon vom Wort herkam und worthaft war. Christus begegnet nun nur in der Verkündigung (Röm␣ 10,17), und die Verkündigung (von ihm und seiner Auferstehung) gehört insofern selber zum Christusgeschehen als Auferstehungsgeschehen (II Kor␣ 5,18f.): das ist die »kirchengründende Predigt« (M.␣ Kähler). Christi Tod und Leben werden rflmata tö“ zwö“ (Act␣ 5,20 u.␣ 30f.). Dies Wort als »Medium des Osterglaubens«119 muß zugleich selber als eschatologisch begriffen werden120. Denn dies Wort vergegenwärtigt dem Hörer auf Glauben hin zusammen mit dem Wort Jesu sein Leben und seinen Tod am Kreuz und in eins damit das Perfektum seiner Auferstehung. In seinem Wort begegnet der Auferstandene121, der schon als Menschgewordener das Wort in Person war (bzw. ist: Joh␣ 1,1 u.␣ 14) und der Gottes endgültiges Wort in Gericht und Vollendung ist (Hebr␣ 1,1f.). 4. Zwischen dem zu 2. und 3. angesprochenen Sachverhalt liegt die Dimension einer Textwerdung der Auferstehung als Sprachereignis. Denn die Ostererscheinungen sind in Gestalt der Evangelien, die von ihnen auch berichten, erneut sprachlich verleiblicht worden und sprachproduktiv geworden. Als visuell vergegenwärtigtes Wortgeschehen122 setzen die Erscheinungen des Auferstandenen ihrerseits den Osterglauben frei, der nun auch an den Texten der Evangelien einen Anhalt hat, nicht aber setzt sich ein vorausgehender Glaube der Jünger, der sich als Zutrauen zu Jesus etwa durch die Katastrophe hindurch durchgehalten hätte, produktiv in die Erscheinungen um123. Würde man entsprechend in den Evangelien nicht eine Reaktion auf die Ausrufung der Herrschaft Christi durch Gottes Auferweckungstat an ihm sehen124, sondern die Ausrufung seiner Auferstehung selbst125, dann gehörten 119 Ebeling, aaO.␣ 311. Insofern die o. im Text unter 1. u.␣ 2. benannten Dimensionen des Auferstehungsgeschehens für uns heute als Wort des Kerygma begegnen, ist für uns die Auferstehung auch als Wortwerdung (Sprachwerdung) und Textwerdung (dazu gleich im Text 4.) aufzufassen. Bultmanns Auferstehungsverständnis hat hierin seine teilweise Berechtigung; der Gedanke findet sich auch schon bei Luther, cf. o. Anm.␣ 104 u.␣ 116 sowie R. Prenter, Spiritus Creator, aaO.␣ 116. 120 Das Auferstehungszeugnis und die Verkündigung vom Auferstandenen sind im Raum der Sprache das Aufsichzurückgehen der eschatologischen Wirklichkeit auf ihrem Weg von der Antizipation zur Erfüllung. 121 Cf. Ebeling, aaO.␣ 340–345. 122 Das wiederholt sich gleichsam im Visuellwerden als Text, der das Wort zu lesen gibt. 123 Cf. Graß, passim u. J. Moltmann: »Die Erscheinungen sind nicht aus dem Glauben der Jünger, sondern ihr Glaube ist aus den Erscheinungen zu erklären« (Der Weg Jesu Christi, 1989, 239). Cf. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 93. 124 Cf. R.R. Niebuhr dazu, daß »Die Evangelien … gänzlich auf Grund der Annahme geschrieben sind, daß Jesus durch seine Auferstehung von den Toten zum Herrn erklärt worden ist« (aaO.␣ 133). 125 Eben mit dieser Alternative setzt Niebuhr sich aaO. auseinander (ebd.).
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diese Texte nicht nur in das Auferstehungsgeschehen (als Sprachgeschehen) hinein bzw. zu ihm, sondern wären es an ihnen selber. Auferstehung wäre so aber reduzierend identifiziert mit dem Kommen des Geistes der Gemeinde und der Gestaltwerdung von deren Selbstbewußtsein126. Dabei wäre, was Grund des Glaubens ist – Gottes freie schöpferische Tat am toten Jesus – mit dessen Folge verwechselt, die der Glaube selber ist samt seiner Verkündigung und der sie ausdrückenden und bestimmenden Texte127. Dieser Unterschied aber konstituiert den Glauben als solchen – auch in dem Sinne, daß er selber nur ist, indem er diesen Unterschied weiß. Abschließend ist hier noch auf den schon kurz berührten, ganz allgemeinen Sachverhalt aufmerksam zu machen, daß wegen des unauflösbaren Ineinanders von religiösem Phänomen (hier: die Erscheinungen des Auferstandenen) und sprachlichem Deutungsmuster durch dieses als eine auch sprachliche Innovation eine neue Realitätssicht eröffnet wird128. Die durch die Ostererscheinungen inaugurierte christliche Deutung von »Auferstehung« in Bezug auf den toten Jesus verschiebt den Sinn von Realität auf diese eine Person derart, daß eine neue »Weltansicht« mit einer ihr eigentümlichen, internen Dynamik freigesetzt wird. Durch das in der Auferstehung Jesu Christi von den Toten begründete Zusammensprechen eines wirklichen Menschen mit der göttlichen Realität ist die Erfahrung von Wirklichkeit anders geworden. Dafür stehen die Erscheinungen des Auferstandenen ein.
2. Die Wahrheit der Auferstehung A. Das Sein des Auferstandenen Der eben historisch und systematisch festgestellte Begriff der Auferstehungserscheinungen gestattet zusammenfassende Formulierungen über das eigentümliche Sein des Auferstandenen. Christus, der auferweckte Gekreuzigte, kommt aus der Zukunft oder aus der Ewigkeit – diese Aussage ist in ihrem genauen Sinn zu bestimmen durch die andere, ebenso wahre, daß er der aus seinem Tode, d.h. aus der Vergangenheit, Lebendige ist – und umgekehrt. Als der Erste und der Letzte (Offb␣ 1,4 u.␣ 8) ist er auch der Kommende129. Erst im Begriff des Sichdurch126
Cf. ebd. Schon Barth hat betont, daß die Erscheinungen dem Glauben begründend vorausgehen: KD IV/1, 377. 128 Das zeigt für die Christologie instruktiv M. Hengel, Die christologischen Hoheitstitel im Urchristentum, in: H. v. Stietencron: Der Name Gottes, Düsseldorf 1975, 90 –111. Zum Humboldtschen Begriff der »Weltansicht« (überhaupt) einer Sprache cf. T. Borsche, Sprachansichten. Der Begriff menschlicher Rede in der Sprachphilosophie W. von Humboldts, Stuttgart 1981, besonders Kap.␣ 21 (256ff.). 129 Cf. KD IV/1, 356 u.␣ 358; zur Bedeutung für die Glaubenden: aaO.␣ 362! 127
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dringens beider »Richtungen« ergibt sich der volle Sinn des eschatologischen Status, zu dem er erweckt ist bzw. der sein Auferwecktsein ist. Sein Sein (als »wahrhaft« Auferweckter und so lebendiger Herr) ist Inbegriff des eschatologischen Unterwegsseins der Wirklichkeit zu ihrer Vollendung in Gottes eigenem Leben. Daher ist seine Gegenwärtigkeit als schlechthin »entschränkt« zu verstehen130, und der Auferstandene ist mit allen Zeiten und allen Menschen als er selber gleichzeitig – eine Gleichzeitigkeit, die der Glaube wahrnimmt: für den Glaubenden ist die eigene Zeit immer zugleich die Zeit des lebendigen Herrn, die von Christi Mit-sein bestimmte Zeit131. Diese wahre Gleichzeitigkeit – als die mit Jesus, dem Vergangenen – kann nicht vom Menschen aus hergestellt werden (etwa qua Einfühlung, Erinnerung o.ä.), denn sie ist nicht ein Sichzurückversetzen in die Vergangenheit, sondern deren Präsenz in kraft ihrer Zukunft132. Vom »Unterwegssein« ist im Sinne einer Antizipation des Ziels aller Wirklichkeit in Christi Person zu reden. D.h. an Christus dem Auferweckten hat sich vorweg ereignet und realisiert, wozu Gott alle Wirklichkeit eschatologisch bestimmt hat. Seine Vollendung zum erhöhten Herrn ist tendenziell auch die Vollendung aller an ihn Glaubenden und der Welt in ihm und durch ihn. Im Auferstandenen hat die von ihm bestimmte Wirklichkeit ihre endgültige Bestimmung, und seine Gegenwart ist schöpferische Zukunftseröffnung133. R.R.␣ Niebuhr hat derart zu Recht von der Auferstehung als einem »offenen historischen Ereignis« gesprochen134. Denn die Abgeschlossenheit und Undurchdringlichkeit des Todes – Index reiner Übermacht der Vergangenheit als solcher –, der uns in bloße Vergangenheit stößt und jeder Zukunft – als nicht mehr unserer – beraubt, ist in Christi Auferweckung grundlegend durchbrochen. Christus ist also in Person der antizipierte Status der Welt auf ihrem Weg zur Vollendung. Sein Sein ist das Sichdurchdringen von Vergangenheit und Zukunft in einer immerwährenden lebendigen Gegenwart, die eschatologisch verfaßt ist, d.h. auf ihre Vollendung in Gott zugeht135. 130
Cf. das Zitat von H.-D. Betz bei Lüdemann, aaO.␣ 254 A.␣ 579. Cf. die Eingangssätze in Kierkegaards »Einübung im Christentum« (1850), I.␣ «Anrufung« (Gesammelte Werke (Hirsch), 26. Abt., S.␣ 5). Jede Zeit des Glaubens ist »unmittelbar zu Gott«! 132 Was die Abhängigkeit der Gegenwart von erinnerter Vergangenheit und antizipierter Zukunft für die – von Augustin her erläuterte – Erinnerung und auch für das Sein des Auferstandenen bedeutet, kann man im Anschluß an die einschlägigen Reflexionen von R.R. Niebuhr (aaO.␣ 86–88) weiterdenken. 133 »Alles geschieht nun in seiner Präsenz, Führung und Kraft« ( Joest, Dogmatik 1, aaO.␣ 267). 134 Niebuhr, aaO.␣ 151. 135 Cf. Hebr␣ 10,13 mit 2,8b u.␣ 9,28b. Der späte Barth hat das für Christus so formuliert: »Er selbst begegnet uns hier auch in dem konkreten Sinn als Lebendiger, daß 131
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Die Erscheinungen des Auferstandenen manifestieren daher weder bloß die Vergangenheit des Irdischen noch bloß die ewige Zukunft des Erhöhten. Sie sind vielmehr das Gegenwärtigwerden jener wechselseitigen Durchdringung des von Christus bestimmten Weges aller Wirklichkeit aufs Eschaton zu und des von Gott bestimmten Gezogenwerdens der neuen Schöpfung auf seine Ewigkeit hin bzw. in sie hinein136. In Christus hat – antizipatorisch – das neue eschatologische Sein aller Wirklichkeit seine personale Verdichtung und Gestalt gefunden137. Der ontologische Status dieses Seins als Erscheinung erklärt sich aus seiner eschatologischen Realität im Sinne des eben erwähnten Sichdurchdringens beider Zeitrichtungen138. Christus ist dergestalt der Werdestand aller Dinge in kraft der Vorwegereignung des Eschaton an seiner Person. Das qualifiziert auch die Gegenwart des Erhöhten jetzt und heute: sie ist ein Sein im Werden zu sich, d.h. in ewiger Koinzidenz von Jesu Auferstehung und seiner Parousie139 oder auch: im Sichdurchdringen seiner Vergangenheit (seines gewesenen Lebens und Sterbens) und seiner eschatologischen Zukunft, die beide in Gottes Allgegenwart eins sind. Christus, der lebendige Herr, ist jetzt gegenwärtig in der Mächtigkeit des Kommenden, der der ein für allemal Gekreuzigte ist, und so allgegenwärtig wie Gott selber: ubique et nusquam. Seine Gegenwart ist die eschatologische Dynamik der Wirklichkeit in kraft des sich in der Welt an ihr durchsetzenden Lebens Gottes. Der eigentümliche Schwebe-Charakter seiner im NT beschriebenen »Erscheinungen«, d.h. das diesen eigentümliche Ineinander von seiner von sich überführenden Realität einerseits, die die Glaubenden, denen Erscheinungen widerfuhren, von seiner lebendigen Gegenwart gewiß machten, und seiner »Ungreifbarkeit«, d.h. seiner sich empirischer Nachprüfbarkeit entziehenden er … sich offenbar gerade hier in Bewegung, auf seinem Weg als gottmenschlicher Mittler, im Ausschreiten von seinem Anfang her zu dem in ihm schon beschlossenen und angezeigten Ziel befindet … Als Offenbarer seines Werkes ist er selbst noch nicht an seinem Ziel, geht er ihm vielmehr selbst entgegen: von dessen Anfang in der Offenbarung seines Lebens her entgegen dem Ziel seiner noch nicht geschehenen Offenbarung des in seinem Leben beschlossenen Lebens aller Menschen, der ganzen Kreatur, ihres Lebens als neue Schöpfung … von dem einen Ostertag dem Tag aller Tage, dem »jüngsten Tage«, dem Tag seiner letzten, abschließenden Wiederkunft entgegen. Er hat schon im Anfang seines Werkes dieses Ziel … Und antizipierend ist es in seiner Auferstehung … auch schon erreichtes Ziel … Es ist dieses Ziel aber in seinem Anfang noch nicht das außer Ihm, auch in der Situation der Welt und des Menschen erreichte Ziel. Sondern eben jenem auch außer ihm selbst zu erreichenden Ziel geht er in jenem Anfang und von ihm her entgegen. In diesem Abschluß seiner Wiederkunft ist er sich selbst noch Zukunft« (KD IV/3, 377f.). 136 Cf. Joh␣ 12,32 u.␣ 6,44: »mit Seilen der Liebe«! 137 Insofern gilt, daß der gegenwärtige Christus seine Auferstehung für unser neues Leben einsetzt; cf. Joest, aaO.␣ 2, 492. 138 S.o. Kap.␣ 2.1., S.␣ 34 u.␣ 36 und 2.2. S.␣ 44f. 139 S.o. Kap.␣ 2.1., S.␣ 34.
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Transzendenz (verklärtes Sein bei Gott) andererseits, muß von daher verstanden und erklärt werden140. Es handelt sich also nicht um die gewöhnliche, empirische und alltäglich vertraute, persönliche Gegenwart eines Menschen, aber auch nicht um ein bloß mentales Erschlossenwerden (»subjektive Vision«) eines unzugänglichen himmlischen oder rein zukünftigen Sachverhalts. Sondern es geht um ein »neues Sein« in dem spezifischen Sinn der Manifestation eschatologischer Dynamis als neuschöpferischer Konstitution des Personseins aller Menschen sowie der Wirklichkeit überhaupt. Läßt sich der Wirklichkeitscharakter des Auferstehungsereignisses, der damit beansprucht wird, noch differenzierter aussagen?
B. Die Wirklichkeit der Auferstehung Dieser ganzen theologischen Besinnung auf die Auferstehung Jesu Christi liegt die – auch methodisch realisierte – Einsicht zugrunde, daß es sich dabei um ein Thema handelt, bei dem aus Sachgründen historische und systematische Fragestellung sich unlösbar durchdringen. So wenig eine (scheinbar) nur historische Zugangsweise das Thema als solches erreicht – sie verfehlt es vielmehr schon historisch gesehen, weil sie die maßgeblichen Texte gar nicht trifft, für die der Zusammenhang ihrer Auferstehungsaussagen mit der Rede von Gott konstitutiv ist –, so ist es andererseits wegen der ausdrücklichen Betonung: ontos egerthe (Lk␣ 24,34) unerläßlich, den damit gesetzten Wirklichkeitsanspruch zu klären und zu begründen, wenn denn die systematische Theologie über den Wahrheitsgehalt des christlichen Glaubens Rechenschaft geben will141. Solche theologische Rechenschaft hat eine logische und eine ontologische Dimension. Das Grunderfordernis einer theologischen Logik der Auferstehungsthese besteht wohl darin, deren Konsistenz im Horizont des (christlichen) Gottesgedankens herauszuarbeiten und die Rede von Auferstehung so theologisch nachvollziehbar zu machen. Diesem systematischen Desiderat versucht die vorliegende Darstellung durchgehend gerecht zu werden. Einer ontologischen, den eigentümlichen Wirklichkeitsstatus der Auferstehung aufklärenden Darlegung stellen sich andere Schwierigkeiten entgegen, die einerseits mit dem Anderssein Gottes überhaupt und andererseits spezifisch mit der Seinsweise des Eschaton und seiner »neuen Wirklichkeit« (II Kor␣ 5,17) zusammenhängen. Hier wird weithin nur indirekt (bzw. auch nur negativ) etwas formulierbar sein142, für das gleichwohl ontologische Relevanz be140 Cf. die faszinierende Beschreibung der eigentümlichen Zeitlichkeit der Auferstehungserfahrungen in ihrem dialektischen Zusammenspiel von Gegenwart und Vergangenheit bei R.R. Niebuhr, aaO.␣ 148f. 141 Cf. Ebeling, aaO.␣ 285. 142 Ebeling verweist hierzu auf die traditionelle via negationis und via eminentiae, aaO.␣ 304.
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hauptet werden muß, weil vom theologischen Sinnzusammenhang der Eschatologie die Wirklichkeit im Ganzen und die Frage nach der Wahrheit ihres Seins betroffen ist. Unbefangen-geradezu kann die scheinbar naheliegende und selbstverständliche Frage: Was ist da (damals) eigentlich geschehen? jedenfalls weder gestellt noch beantwortet werden. Denn schon die Bestimmung »eigentlich« impliziert die weiterreichende Frage danach, was überhaupt an Verstehenshorizonten aufzubieten ist, um adäquat die Wirklichkeit der Auferstehung (bzw. von so etwas wie Auferstehung) zu begreifen. Denn es handelt sich hier zweifellos nicht um ein eindeutiges Faktum, das für sich schon evident und dessen Bedeutung nur noch zu eruieren wäre. Es geht vielmehr – jedenfalls für heutiges Nachdenken darüber – zunächst und grundlegend darum, welchen Wirklichkeitscharakter dieses »Ereignis« hat: Was ist die Wirklichkeit von Auferstehung als Wirklichkeit? Bzw. was ist ihr Ereignischarakter als Ereignis? Weil nun diese Frage nach dem eigenen Wirklichkeitsstatus durch den ausdrücklichen Hinweis: ontos auch von den Ostertexten selber dringlich gemacht wird, ist sie zufriedenstellend weder durch die Reduktion auf ein subjektives Betroffensein – sei es affirmativ als Glaubensgewißheit, sei es kritisch als visionäres Erlebnis etc. – zu beantworten, noch auch sachgemäß durch die apriorische Festlegung auf eine »historische«, d.h. nach den methodischen Standards einer Spezialwissenschaft verfahrende Rekonstruktionsmöglichkeit143 – so sehr eine historisch saubere Klärung der Tatbestände, soweit sie feststellbar sind, unverzichtbar ist. Damit ist gesagt: ontologische Vorentscheidungen dürfen – auch nicht in methodologischer Gestalt – einer um Angemessenheit bemühten, unverengten Wahrnehmung des Sachverhaltes nicht im Wege stehen. Der vorhergehende Abschnitt hat nun eine Reihe von Aussagen über das spezifische Sein des Auferstandenen in theologischem Verständnis gemacht, deren ontologische Relevanz jetzt nochmals für sich zu erörtern ist. Der Wirklichkeitsmodus der Lebenswirklichkeit des auferstandenen Christus, wie er sich in den Erscheinungen bekundet, wurde als eschatologisch bestimmt. Darunter ist ein Sein verstanden, das, weit entfernt auf gegenwärtiges Vorhandensein oder gar gegenständliche Realität im empirischen Sinne beschränkt zu sein, die von Gott heraufgeführte und in der Durchsetzung begriffene endgültige, wahre Wirklichkeit meint. Über die eigentliche Wirklichkeit der Auferstehung ist damit ein Doppeltes gesagt. Zum einen, sie ist als Wirklichkeit schlechthin neu und unver143 Für eine tiefgreifende Beunruhigung des säkularen Geschichts- und Wirklichkeitsverständnisses steht in der Tradition religiöser und biblischer Sprache immer schon das Wort »Gott«. Auch vom »Handeln« Gottes zu reden, ist unlösbar vom Vorkommen dieses Wortes in einer bestimmten Art von Erfahrungen und ist auch unverzichtbar, um theologisch dieses Vorkommen zu begreifen.
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gleichlich – das ist der mehr inhaltliche Aspekt –, nämlich ein Sein nur im ontologischen Zusammenhang mit der allgemeinen Totenauferweckung am Ende aller Dinge144. Indem Christi Auferweckung der Einbruch des ewigen Lebens Gottes selber in dieser Welt ist, und dieses in dem Auferweckten und wahrhaft Lebenden ganz präsent ist, hat er nicht eine isolierte Wirklichkeit für sich, sondern seine ganze Wirklichkeit ist (erst) die eschatologische, neue Wirklichkeit. Sein Sein ist das des Weggehenden (ins Eschaton Gehörenden) als des Wiederkommenden (d.h. von da die allgemeine Auferstehung der Toten Bringenden); demgemäß wird, wie von der neuen Wirklichkeit als Aufhebung irdischer Wirklichkeit145, so auch von Ontologie nur in dialektischer Brechung durch den eschatologischen Begründungszusammenhang die Rede sein können146. Zum andern – das ist der mehr formale Aspekt –, die Wirklichkeit der Auferstehung ist die von Gott gesetzte Überbietung der bisher bekannten Wirklichkeit durch ihre Wahrheit. Insofern stellt der Auferstehungsglaube unausweichlich einen Protest gegen die evidente Welterfahrung da, dessen ontologische Relevanz eins ist mit der des (christlichen) Gottesglaubens selber. Denn der Osterglaube ist nur, was er ist, weil er »sich begründet, gefordert, getragen durch eine Wirklichkeit« weiß147, die wirklich ist als Wirklichkeit über alle Wirklichkeit hinaus: also nicht nur unsere Erkenntnis von einem uns vorher Verborgenen (bzw. nur dessen Offenbarung), sondern »die Setzung eines neuen Tatbestandes«148, der ontologisch alles in ein neues Licht, d.h. einen neuen Seins- und Geschehenszusammenhang hineinstellt. Von diesem Neuen ist als der Wahrheit der Wirklichkeit überhaupt die Rede, weil und insofern die Auferstehung als die Wahrheit von Jesu irdischem Leben (und Sterben) verstanden wird. Mit dieser kommt die Wahrheit allen geschöpflichen Seins überhaupt als dessen eschatologische Wirklichkeit. Auferstehung gibt Gott als die alles bestimmende Wirklichkeit in dem Sinn zu denken, daß er die Wahrheit der Wirklichkeit, die sein Leben ist, für diese (alte) Wirklichkeit selber heraufführt bzw. heraufzuführen im Begriff ist149. Darin liegt inbegriffen, daß von der Auferstehung Jesu Christi ein real 144 Gegen eine einseitige Reduktion der Auferstehung auf die vorgegebenen apokalyptischen Vorstellungsschemata, in denen sie artikuliert wird, ist mit Ebeling daran festzuhalten, daß Christi Auferstehung doch »ein Innovationsgeschehen« in sich birgt – und zwar von denkbar umfassendster Bedeutung (cf. aaO.␣ 306). 145 Zum Kommen des neuen ewigen Lebens als Absterben des alten cf. WA 36, 685, 28–35. 146 Gott erwählt, wie Paulus I Kor␣ 1,28 sagt, das mÉ µnta, d.h. er ruft eine neue Schöpfung ins Sein, damit die alte (tÅ µnta) destruiert werde. 147 Cf. Althaus, aaO.␣ 38. 148 Althaus, aaO.␣ 60. 149 Das Neue dieser neuen Wirklichkeit ist nicht beziehungslos zu der eodem actu als alt qualifizierten (Hebr␣ 10,9b, cf.␣ 8,13), sowie auch die persönliche Wirklichkeit des Auferstandenen neu war (z.B. gegenüber dem Zweifel und der Verzweiflung der
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veränderndes Licht auf alles menschliche Leben fällt: also auf etwas, das im letzten betrachtet nur wirklich ist, sofern es geschöpflich ist, angelegt hin auf diese seine endgültige Wahrheit aus Gott. Darum gilt das neue (eschatologische) Leben als das eigentliche Leben150. Es ist vom göttlichen Geist bestimmt, der wie Ursprung so auch Ziel und so die Kraft der wahren Verwirklichung des Lebens ist151. Darin liegt weiter die grundstürzende ontologische Bedeutung der Auferstehung inbegriffen, insofern sie der Wirklichkeit im Ganzen – ihren Seinssinn völlig umpolend – eine Ausrichtung auf ihr letztes Ziel in Gott mitgibt bzw. in sie einstiftet und sie, d.h. die ganze Wirklichkeit, in sich als ihre letztgültige Wahrheit hineinziehen will. In diesem eschatologischen Wirklichkeitsgeschehen – als Geschehen an unserer Wirklichkeit – bezieht sich die Neuheit, die ihm eignet, sowohl auf Gott selber wie auch auf die geschaffene Wirklichkeit. Indem Gott sich als Macht der eschatologischen Wahrheit aller Wirklichkeit über diese Wirklichkeit in der Auferstehung Jesu zum ewigen Leben erwiesen hat, hat er sich neu bestimmt. Denn er hat sich dadurch neu und spezifisch als der mit Jesus Christus, dem aus dem Toten Lebenden, Lebendige und d.h. als der sein Leben auch am Tode Durchsetzende bestimmt. Diese Selbstbestimmung Gottes zum ewig Lebendigen ist neu, insofern er sich zugleich als der nur als trinitarischer Gott wahrhaft Lebendige und als der in der Vollendung der Geschichte Lebendige erwiesen hat. In dieser Hinsicht muß man sagen: die Wirklichkeit der Auferstehung ist, daß Gott selber sich wirklich verändert hat – nicht ein anderer Gott, sondern anders Gott und als Gott anders geworden ist152. Im Zusammenhang von Gottes neuer Selbstbestimmung hat die Auferstehung sodann auch die Bedeutung von Neuschöpfung. Das Auferstehungsereignis ist ja der Schöpfung zunächst vergleichbar153, weil es dieselbe absolute Faktizität wie diese hat: es verdankt sich einer wirklichen Setzung bzw. Äußerung göttlichen Lebens (und ist als solche in ihrem realen Eintreten unableitbar, wenn auch im Zusammenhang der Schöpfungs- und Heilsgeschichte rückblickend sinnvoll, nämlich vollendend darauf bezogen), in
Jünger) als neues Bei-ihnen-Sein Jesu mit seinem Wort und seiner Geschichte, d.h. desselben anders, in Aufhebung und Verklärung seines irdischen Seins. Zu diesem Charakter der Begegnungen mit dem lebendigen Herrn cf. Althaus aaO.␣ 69 u.␣ 45, 86. 150 Cf. II Kor␣ 4,10; 5,4; Röm␣ 5,10; Gal␣ 6,8; Röm␣ 2,7; 5,21; 6,22f. mit Joh␣ 1,4; 5,26; 14, 6. 151 Cf. Pannenberg, STh II, 388. 152 Darauf ist beim Thema »Auferstehung und Menschwerdung« und »Gottes Leben« zurückzukommen, s.u.␣ 126 u.␣ 174. Übrigens ist diese Neubestimmung Gottes in der Auferstehung der letzte theologische Grund für die Weltmission (cf. Mt␣ 28, 18–20). 153 Über das systematische Verhältnis von Schöpfung und Auferstehung s. Näheres u. S.␣ 117ff.
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der sich die Liebe Gottes zum Geschaffenen als ein von Gott Unterschiedensein und doch aus Gott Existieren manifestiert154. Als schöpferische Wirklichkeit aus Gott ist die Auferstehung des Gekreuzigten also weder als bloß etwas Immanentes (»rein historisch«), noch auch als etwas rein Transzendentes zu fassen155. Sondern sie ist wie die Schöpfung wirklich als Wirklichkeit begründend (konstituierend), d.h. sie ist, weil gerade das Zustandekommen (die Setzung) neuer Wirklichkeit betreffend, Wirklichkeit im Übergang und insofern eschatologische Wirklichkeit. Sie ist aber nicht nur wie Schöpfung zu denken, sondern auch als Neuschöpfung, d.h. als Gottes vollendende Fortsetzung seines protologischen Schöpfungshandelns. Dies ist theologisch sogar als ein (ewiger) Heilszusammenhang, der sich in sich differenziert, zu begreifen. Indem die Neuschöpfung im Auferstandenen die »erste« Schöpfung in sich hinein aufhebt, sind der ewige Zusammenhang und die (geschichtliche) Differenz bei uns zu denken. Zugleich ist diese Bestimmung des ontologischen Status der Auferstehung als schöpferisch neuer Wirklichkeit nur ein Sonderfall des allgemeinen Sachverhaltes, daß theologisch Wirklichkeit überhaupt nicht zureichend, und wahre Wirklichkeit zumal, ohne Gott verstanden werden kann, d.h. ohne sein Kommen bzw. ihn als den kommenden Gott (Ps␣ 50,3; Jes␣ 40,10). Hierin ergibt sich auch ein Zusammenhang mit dem biblischen Wirklichkeitsverständnis, demgemäß Wirklichkeit »als Feld göttlichen Handelns mit Einschluß seiner eschatologischen Vollendung« aufgefaßt wird156, was auch eine herkömmliche Ontologie herausfordern muß157. Zur Präzisierung dessen, daß die mit der Auferstehung gesetzte neue Welt die vorausgehende in sich aufhebt, ist noch folgendes zu bemerken158. Diese neue Welt Gottes kommt nicht, »nachdem« die alte vergangen ist, sondern indem sie kommt, ist die alte im Vergehen begriffen. Das neue Setzen der eschatologischen Wirklichkeit ist an ihm selber schon das Vergehen und Vergangensein der alten (Hebr␣ 10,9b; Offb␣ 21,4)159, d.h. deren eodem actu Ver154 Diese Faktizität der Auferstehung wird unterstrichen bei Kittel: »die Gotteswirklichkeit ist da, ist Wirklichkeit« (aaO.␣ 168; cf. auch 169: »Die Gottestat, die Gotteswirklichkeit, das Wort, das Gott zu der Welt spricht in Seinem Christus« (d.h. dem Gekreuzigten).) 155 Das Zweite tut mit dem relativen Recht der Einseitigkeit Dalferth, aaO.␣ 79f. 156 Cf. dazu Pannenberg, STh II, 405. 157 Cf. o. Kap.␣ 2.1. Anm.␣ 13 und eine andere ähnliche Äußerung Luthers: »… ein seltsame Sprache und newe grammatica … Denn er wil, weil wir sollen newe menschen sein, daß wir auch ander und new gedancken, verstand und sinne haben, und kein ding ansehen nach der vernunfft, wie es fur der welt stehet, sondern wie es fur seinen augen ist, und uns richten nach dem zukünfftigen, unsichtbarn newen wesen, des wir zu hoffen haben und nach diesem leiden und elenden wesen folgen sol …« (WA 34/II, 480f.); cf. auch die bekannte Stelle WA 7, 337, 30 –35! 158 Das folgende ist eine Auseinandersetzung mit H. Graß, aaO.␣ 171 u. vorher. 159 Cf. auch o. Anm.␣ 149.
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zehrtwerden160. Radikalität und Diskontinuität des Neuanfangs161 dürfen nicht auf die Zeitlinie (als ein Nacheinander) aufgetragen werden. Radikalität und Diskontinuität liegen im Handeln Gottes (als schöpferischer Spontaneität); insofern sollte man bei der neuschöpferischen Auferweckung als Setzen neuer Wirklichkeit nicht von bloßer »Umwandlung« reden, bei der sich »etwas durchhält«162. In Wahrheit geht es um ein radikales Neusetzen (d.h. göttliches Setzen) Desselben; insofern dies das ihm Vorausgehende in sich hinein aufhebt, bleibt eben nichts als Substrat einer bloßen Umwandlung fixierbar. Was Gott von sich aus neu setzt, ist ganz und ausschließlich sein Eigenes und nichts mehr für sich, an dem so etwas wie eine Umwandlung stattfinden könnte. Wegen dieser Dialektik von Neuschöpfung hat das Auferstehungsereignis denn auch ganz spezifische Bezüge auf das Leben des historischen Jesus an sich selber163. Man kann sie, insofern dieses irdische Leben Jesu als die Antizipation seines erhöhten Lebens bzw. als in ihm durch die Auferweckung »aufgehoben« zu denken ist, als ein Verhältnis der »rückwirkenden Bestätigung« beschreiben164. Diese Figur der Antizipation ist von der Logik eines dialektischen Aufgehobenwerdens bestimmt und in das Werden zu sich einzuzeichnen. Werden zu sich meint eben das Einholen der Antizipation in ihren ihr zeitlich folgenden Ursprung bzw. das Aufsichzurückkommen aus der selbst sich vorausgesetzten Vorwegereignung des Endes als des wahren Anfangs. Der ontologisch rückwirkenden Bestätigung entspricht die vorlaufende Realisierung des wahren Anfangs. Das Sichvorauslaufen des Eschaton, seine Antizipation in der Auferstehung Jesu, betrifft die Realität selber und im Ganzen, und die Wirklichkeit – als dadurch qualifiziert – hat, ontologisch gesehen, eschatologisches Sein, eben weil sie ihre Wahrheit in Gottes Werden zu sich (als Lebendiger) hat. Die Spannung von Antizipation und Vollendung (bzw. von Neuschöpfung zwischen Schöpfung und Eschaton oder auch: von Christi Auferweckung und allgemeiner Totenauferstehung) ist die Kraft der Einheit göttlichen Lebens, das als solches diese Spannung in sich trägt bzw. an ihr eigentlich lebendig ist165. Das besagt auch: mit dem (antizipatorischen) »Anfang« ist das Zugehen aufs Ende (als den wahren Anfang) notwendig 160
Cf. Graß, aaO.␣ 164. Gerade daran liegt Graß soviel. Auch Moltmann betont die »Identität im totalen Widerspruch« stark und verlegt die Identität zugleich aus der Personkontinuität Jesu: »extra se in den Gott, der aus dem Nichts Leben und neues Sein schafft« (Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 181 u.␣ 182). 162 In seiner Rede von Umwandlung berücksichtigt Graß nicht die eigentümliche Dialektik eines Übergangs von Zeit in Ewigkeit. 163 Zum Verhältnis von historischem Jesus und auferstandenem Christus s. ausführlicher u. S.␣ 130ff. 164 So Pannenberg, STh II, 342, 408 u.ö.; cf. schon »Grundzüge der Christologie«, aaO.␣ 134ff., 169, 230 u.ö. 165 Cf. Künneths Rede von »innerer Dynamik«, aaO.␣ 53. 161
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gegeben: es muß kommen, so wahr Gott Gott ist, d.h. der Lebendige166. Insofern besagt Antizipation immer167: es ist schon da und auch in sich (!) vollendet168. Von hier aus läßt sich vielleicht die oben behauptete Einzigkeit der Auferstehung Jesu Christi (s. S.␣ 55) noch präzisieren. Gerade weil sie (als Antizipation des Eschaton) schlechthin analogielos ist, ist sie keine partikulare und damit empirische Gegebenheit, d.h. ein Wirklichkeitsphänomen u.a., sondern ist (sinnvoller) Kandidat für die eine Wahrheit aller Wirklichkeit, auf die diese zutreibt. So manifestiert sie, daß Gottes Handeln an und mit der Welt deren letztes Wesen und Telos ist. In eschatologischer Hinsicht ist dann die beschriebene Dynamik von Sich-Vorauslaufen und In-sich-Zurückkehren nicht einmal schlechthin (exklusiv) singulär, sondern möglicherweise die verborgene Logik aller Wirklichkeit überhaupt (als auf neuschöpferische Vollendung zugehender Schöpfung), die eben als Wahrheit von allem in Christus heraufgeführt und ins Licht getreten ist. Ontologisch steht hier eine eschatologische Verfassung der Wirklichkeit selber in Frage. Vor diesem Hintergrund jedenfalls kommt dem Glauben (als immer Auferstehungsglauben) eine ontologisch bedeutsame Erschließungskraft für die Erfahrung von Wirklichkeit zu. Glaube ist als andere Wirklichkeitserfahrung primär nicht eine andere »Deutung« derselben Wirklichkeit, sondern ist Erfahrung der als Wirklichkeit anderen Wirklichkeit des kommenden Gottes169. Diese ist freilich, wie gesagt, nicht abstrakt oder unbestimmt anders, sondern als bestimmte Negation auf die empirische Wirklichkeit bezogen, nämlich als ebenso deren interne Dynamik und Triebkraft des Vorhandenen aufs Eschaton zu wie als deren (nicht abstrakt negierende) Aufhebung. Sofern der Glaube an dieser Antizipation teilhat und der Ort ist, an dem sie sich menschlich wiederholt bzw. reflektiert, hat er oder ist er immer zugleich die Gewißheit ihrer noch ausstehenden endgültigen Erfüllung wie die ihrer letztgültigen Wirklichkeit schon jetzt. Da wir, wie Luther einmal sagt, die Kraft der Auferstehung erst im zukünftigen Leben recht erkennen können170,
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Entsprechend redet Moltmann von der »inneren Notwendigkeit des Christusgeschehens«, sich eschatologisch durchzusetzen, cf. Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 196. 167 Von Prolepse, Antizipation ist in Künneths Auferstehungsbuch durchweg die Rede, cf. z.B. 243. Ähnlich sprach auch schon I.A. Dorner im einschlägigen Kontext von »vorgebildetem Ende«, »prophetischen Vorzeichen« (aaO. II 671 u.␣ 667) und von jenem zugleich als Anfang der Palingenesie der Menschheit (cf. 671). Auch bei Hirsch ist der Gedanke der Antizipation (cf. aaO.␣ 40) im Zusammenhang zweier Momente eines Aktes verstanden (cf. 76f.). 168 Cf. die Reich-Gottes-Verkündigung Jesu, insbesondere das Schon und Nochnicht; cf. auch das o. S.␣ 56 gegebene Klopstock-Zitat (Mess. XV, 3f.). 169 Cf. o. Kap.␣ 2.1. Anm.␣ 13! 170 WA 21, 225, 20f.
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ist er der wahren Wirklichkeit irdisch nur sub contrario inne171. Man kann dies eschatologische Unterwegssein des Glaubens daher auch so bestimmen, daß die Auferweckung schon etwas das Heil Verwirklichendes ist, als diese Erfüllung zugleich aber auch etwas Kommendes verbürgt172. Dieses Unterwegs des Glaubens zur Vollendung selber läßt sich ebenfalls nur als das Werden zu sich begreifen: als Verwandeltwerden »von Herrlichkeit zu Herrlichkeit« (II Kor␣ 3,18) – und eben nicht als quantitative Entwicklung von einem Weniger zum Mehr (II Kor␣ 3,11). Diese interne eschatologische Ausrichtung des Osterglaubens hat aber stets zur Voraussetzung, daß er aufruht auf der Wirklichkeit der an Jesus wahrhaft geschehenen Auferweckung zum Leben. Die Tatsächlichkeit der Auferstehung in diesem Sinn173 setzt aus sich heraus das eschatologische Zeugnis des Glaubens daran frei. Denn in der Erfahrung des Auferstandenen erfahren die Glaubenden sich in die Wirklichkeit gerufen, wenngleich als eine von Gott her neu qualifizierte, und das besagt: sie wollen nicht berichten, was ihnen als Subjekten psychologisch widerfahren ist, sondern kundtun, was sich für die Welt und an ihr selber wirklich verändert hat: ontos174. Unbeschadet dessen kann man, da es sich bei der Auferstehung um ein Handeln Gottes handelt, demgegenüber prinzipiell kein neutraler Augenzeugenbericht möglich erscheint, nur in einem solchen Sinne dessen Zeuge sein, daß man es als zugleich in dieses Geschehen Einbezogener, selbst daran Teilnehmender und von ihm Bestimmter ist175. Auf die ontologische Frage nach dem Wirklichkeitscharakter in Bezug auf Raum und Zeit hin betrachtet176, ist die Aussage, daß es sich bei der Auferstehung nicht um einen »raum-zeitlichen Akt« im gewöhnlichen Sinne handelt177 – und daß sie insofern auch nicht »vorstellbar« ist –, zu präzisieren durch die andere, daß es sich
171 Hirsch redet – mit Anklang an Luther – von dem »tiefste(n) heimlichste(n) Ja Gottes da wo das Herz nichts als Nein versteht und vernimmt« (aaO.␣ 84), denn »es ist vor Vernunft und Sinnen verborgen, daß er lebendig und daß er der Herr ist« (aaO.␣ 88). 172 Cf. Künneth, aaO.␣ 141. 173 Für die Osterberichte ist charakteristisch die »Form der einfachen freudigen Bezeugung einer erfahrenen Tatsache« (Graß, aaO.␣ 238). 174 Lk␣ 24,34 hat ontos in der Reaktion auf den Bericht der beiden aus Emmaus kommenden Jünger sicher den Sinn einer bestätigenden Verstärkung: auch Simon ist er erschienen (34b; cf. I Kor␣ 15,4f.). So dient die Hinzufügung des ontos gegen möglichen Zweifel über das Widerfahrene der Vergewisserung und Bestärkung. 175 Cf. auch Ebeling, aaO.␣ 294. 176 Cf. die Diskussion bei Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 2, 166f. 177 Cf. Ebeling, aaO.␣ 294. Althaus hat herausgestellt, daß die Betonung der leibhaftigen Realität des Auferstandenen der »antithetisch-notwendige Ausdruck« für die Sicherung seines Gegenüberseins zu denen, denen er erscheint, ist (aaO.␣ 46) und daß Ausdrücke wie »objektiv« oder »gegenständlich« zum Gehalt des Ereignisses insofern gehören, als es nur als transsubjektiv ist, was es ist (cf. aaO.␣ 45).
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gleichwohl um ein Geschehen auch an Raum und Zeit178 und nicht um etwas rein Transzendentes handelt179. Die Frage nach der Historizität der Auferstehung muß also mit der differenzierten Formulierung beantwortet werden, daß es zwar nicht um einen »der menschlichen Geschichte in Raum und Zeit gänzlich transzendenten Sachverhalt« geht180, sondern daß die Auferstehung als ein Ereignis des Übergangs von der bekannten irdischen Welt in ein neues und unvergängliches Leben bei Gott doch als dieses Ereignis selbst sich auch in dieser Welt und so an ihr vollzogen hat181. In diesem Sinn kann und muß auch bei aller Andersartigkeit gegenüber sonstigem »historischen« Geschehen182 doch die Tatsächlichkeit der Auferstehung als wichtiges Implikat des Sachverhaltes festgehalten werden183. Die darin liegende Herausforderung des normalen Verständnisses von Wirklichkeit ist aber dadurch spezifisch qualifiziert, daß diese neue Wirklichkeit eschatologisch, d.h. noch nicht definitiv da ist, sondern als im Werden an der alten begriffen. Im Grunde geht es bei diesem Problem um die metaphysische Frage: muß alles, was in der Geschichte geschieht, darum auch nur aus der Geschichte stammen und auf sie beschränkt bleiben?! Inhaltlich ist, was die Frage nach der Geschichtlichkeit der Auferstehung angeht, zu sagen: die Auferweckung Jesu ist die Antwort (Gottes) auf die Frage nach dem Sinn und Ziel der Geschichte (Act␣ 17,30f.), die in der Geschichte über die Geschichte der Schöpfung und des Kosmos hinausführt – ein Sinn, der sich vom antizipierten Ende der Geschichte, ihrer »vorwegnehmenden Erfüllung« (Tillich) her ergibt und an der Geschichte wirksam bleibt. Die Auferstehung stellt diejenige reale Verheißung einer Aufhebung der Geschichte in der neuen Wirklichkeit von Gottes ewigem Leben dar, mit der selber schon ihre Erfüllung begonnen hat (Mt␣ 28,20) und in der ihrerseits die Väterverheißungen erfüllt sind (Act␣ 13,33; cf. 29). Auf dem Hintergrund solcher Überlegungen läßt sich die oben angesprochene Wahrheitsfrage zusammenfassend noch einmal aufnehmen. Die Auferstehungsbotschaft hat die Funktion einer Bewahrheitung des Glaubens, der durch sie begründet wird, insofern sie die Wirklichkeit als Ort der Wahrheit Gottes bzw. Gott als die wahre Wirklichkeit bestimmt184. Darum hängt 178
Von hier aus müssen Ebelings Ausdrücke »körperlicher Vorgang« (aaO.␣ 297) bzw. »physikalisch« wohl verstanden werden. Zur Raum-Frage cf. auch Heim, aaO.␣ 194f. 179 Cf. o. bei Anm.␣ 155; gegen ein »historisches« Verständnis (in diesem Sinn) der Auferstehung wendet sich auch Moltmann (zit. bei Pannenberg, STh II, 403, A.␣ 114). 180 Pannenberg, STh II, 402. 181 Nämlich vom Grabe in Jerusalem aus, cf. ebd. 182 Zur Frage nach der historischen »Beweisbarkeit« cf. Pannenberg aaO.␣ 405 A.␣ 115. 183 Pannenberg, aaO.␣ 405f. 184 Cf.: »Die Auferweckung Jesu Christi macht eben das wahr, was in seinem Tode wirklich ist« (KD IV/ 1, 349) – sie tut dies aber eben als neue Wirklichkeit, die jenen Tod in seine Wahrheit hebt.
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Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens
– erstens – die Wahrheit des Glaubens an der Wirklichkeit der Auferstehung (I Kor␣ 15,14 u.␣ 17). Sodann wird dadurch – zweitens – die Bindung Gottes, der hier sich als aus dem Tode Lebendiger erwiesen hat, an ein durch biologische Gesetzmäßigkeit vollständig definiertes Wirklichkeitsverständnis – als deren Garant oder auch Inbegriff er insbesondere in vitalistischen Religionen fungiert – durchbrochen. Schließlich ist – drittens – die Wirklichkeit des Auferstandenen als die Endgültigkeit des göttlichen Urteils über Jesus von Nazareth die neue Wirklichkeit schlechthin (Mt␣ 28,18). Im »er lebt« ist die Wahrheit aller Wirklichkeit realisiert. So kann man sagen, daß Gottes Kommen, seine Liebe und Nähe, wie sie sich in der Auferweckung Jesu eschatologisch manifestiert, »die eigentliche Wirklichkeit ist«185 . Denn eben in der Auferstehung erweist sich Gottes den Menschen suchende Liebe als »tatsächlich stärker als selbst der Tod und damit fundamentaler als selbst die fundamentalste Realität« unserer Erfahrung186. Die Wahrheit aller Wirklichkeit ist Ostern erschienen: daß der, der das erste Wort hat (Gen␣ 1,1; Joh␣ 1,2f.), auch das letzte behält, und zwar schöpferisch (Ps␣ 90,3). In diesen Bezügen redet das ontos (Lk␣ 24,34) davon, daß Gott selber sich in dem Handeln der Auferweckung des Gekreuzigten als der wahre Gott (als lebendiger Schöpfer) erwiesen hat187, und so meint ontos letztlich die Wahrheit Gottes selbst als der alles bestimmenden Wirklichkeit.
C. »Am dritten Tage – nach der Schrift« a. Daß Christus am dritten Tage nach seinem Tod am Kreuz auferweckt worden sei, sagen als faktisch geschehen Paulus (I Kor␣ 15,4) und Lukas aus (Act␣ 10,40, cf. Lk␣ 24,21). In den Evangelien reflektiert sich das in den Vorankündigungen Jesu von seinem Leiden und Auferstehen (Mk␣ 8,31; 9,31; 10, 34; Mt␣ 16,21; 17, 23; 20, 19; cf.␣ 27,64; Lk␣ 9,22; 18, 33; 24, 7. 46; Joh␣ 2,19). Auch dabei ist das tatsächliche Eingetretensein des Angekündigten sicher vorausgesetzt. Vielleicht hat dies Motiv im Prozeß Jesu auch irgendeine Rolle gespielt (cf. Mt␣ 26,61 u.␣ 27, 40). Paulus (aaO.) und Lukas (24, 46; cf. Joh␣ 20,9) führen die Auferstehung am dritten Tag ausdrücklich auf die heilige Schrift alten Bundes zurück: katÅ tÅ“ graf›“, ohne allerdings eine bestimmte Schriftstelle des AT zu nennen. Obwohl dies vermutlich deswegen unterbleibt, weil das AT nach seiner Ganzheit im Blick ist188, als dessen »Erfüllungsgeschehen« das Sterben und Aufer185
Dalferth, aaO.␣ 26. Dalferth, aaO.␣ 25f. 187 Cf. Jüngel, Tod (1979), aaO.␣ 137. 188 »Es kann sich nicht um Einzelheiten handeln« (K. Barth, Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 80), und darum werde »mit gutem Grund keine Stelle zitiert« (ebd.). Cf. auch Luther, WA 36, 680, 22–27. 186
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stehen Christi angesehen wird189, sind doch verschiedene Versuche gemacht worden, die Bestimmung »am dritten Tag« als eine bestimmte Anspielung im AT selber nachzuweisen. Da im NT für die Auferstehung selber Psalm 16, 10 herangezogen wird (Act␣ 2,27. 31; 13, 35. 37), konnte das auch nicht ganz unberechtigt bzw. aussichtslos erscheinen. Insbesondere in Hos␣ 6,2 hat man eine Vorausdeutung für das Auferstehungsdatum gefunden: »Er macht uns lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, daß wir vor ihm leben werden« (cf. Dtn. 32, 39 u. Mt␣ 16,21; Lk␣ 9,22; 24, 26; Joh␣ 5,21; Act␣ 10,40; I Kor␣ 15,4)190. Daß es bei dieser alttestamentlichen Stelle um Rettung aus äußerster Not und Todesgefahr geht, hat auch eine andere als mögliche Vorausdeutung auf die Auferstehung empfohlen, an der vom dritten Tag die Rede ist: Jona␣ 2,1. Dies umso mehr, als hierauf die Evangelien selber Bezug nehmen (Mt␣ 12,39f.; cf.␣ 16,4 u.␣ 27, 63! Lk␣ 11,29f.)191. Auch spezifische symbolische Bedeutungen der Zahl drei, die sich ebenfalls im AT finden, könnten hereinspielen192. Sachlich gewichtiger als solche historisch nicht völlig aufklärbaren Einzelbezüge193 dürfte die systematische Bedeutung der Dreitageformel sein194. In diesem Belang ist zum einen die Kürze des Zeitraums von Jesu Totsein wichtig, die durch die Formel »am dritten Tage« (d.h. schon) akzentuiert wird. Die Kürze der Zeit, die Tod und Auferweckung trennen (cf. Joh␣ 16,16 u.␣ 22; 14, 19), spricht allein schon gegen eine rein psychologische Deutung der Ostererfahrung aus einem innerseelischen Umschwung von der Depression zum Auferstehungsglauben. Zum andern markiert die Formel von der Auferwekkung am dritten Tag unübersehbar das Nacheinander von Jesu Tod am Kreuz und seinem Erwecktwerden durch Gott. Nur im Festhalten eines zeitlichen Nacheinander kann die Wirklichkeit des Todes und das wirkliche Ereignis der Auferweckung bewahrt werden. Von dieser Realität der zeitlichen Differenz her ergibt sich weiter die überaus große theologische Bedeutung der Formel. 189
Goppelt, Theologie des Neuen Testaments, aaO.␣ 297. Zur Sache s.u. b. Als förmlicher »Schriftbeweis« wird Hos␣ 6,2 vor Anfang des 2. Jahrhunderts nirgends in Anspruch genommen (Goppelt, aaO.␣ 295). 191 Zur kritischen Diskussion des Bezugs auf Hos␣ 6,2 und Jona␣ 2,1 als »Schriftbeweis« cf. Hirsch, aaO.␣ 44f. 192 Der 3. Tag als Tag der Entsühnung (Num 19, 12. 19; 31, 19) oder als Tag, an dem der Wiedergeheilte in den Tempel Gottes hineingeht (II Kö 20, 5.8f.; auf diese Stelle verweist auch Korff, der dennoch meint, die Überzeugung vom 3. Tag als Auferstehungsdatum müsse aus der Erfahrung der Erscheinungen am dritten Tag erwachsen sein, aaO.␣ 112, 116) oder auch als Tag der Tempelvollendung (Esr␣ 6,15) könnten erwogen werden. 193 Zur heutigen exegetischen Diskussion der Dreitageformel cf. Pannenberg, STh II, 403 und Anm.␣ 111 u.␣ 112 (mit weiterer Lit.). 194 Lüdemann hält sie für traditionell und erwägt unter Hinweis auf Act␣ 20,7; Offb␣ 1,10 u. I Kor␣ 16,2 (?), ob dies Datum möglicherweise zur Rechtfertigung der kirchlichen Osterfeier gedient haben könnte (aaO.␣ 131); dabei bleibt ungeklärt, ob das Datum den Feiertag oder dieser es begründet hat. 190
100 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens Denn sie impliziert eine sachliche Bedeutsamkeit der Zeit für die Erhöhung Christi und die Ewigkeit seines neuen Seins. Es handelt sich geradezu um so etwas wie den Hinweis auf die Verewigung der Zeit (und so auch deren Vollendung) durch die Auferstehung Christi als seine Aufnahme in Gottes ewiges Leben. So aber ist die Auferstehung nicht Rückkehr in eine Überzeitlichkeit, sondern umgekehrt das Gegenwärtighalten der Zeitlichkeit für die Ewigkeit wie auch zugleich die Überwindung der bloßen Vergangenheit Jesu (des Perfektums) zugunsten seiner lebendigen Gegenwart. Damit aber ist gesagt: nur durch Festhalten der zeitlichen Bestimmung »auferweckt am dritten Tage« kann es gelingen, Gottes ewiges Leben in der Gemeinschaft mit Christus als wahrhaft lebendig zu denken, und dies so spezifisch, daß das Nacheinander von Kreuz und Auferstehung als Moment für die Lebendigkeit dieses Lebens ewig in Geltung bleibt195. Insofern steht der neutestamentliche dritte Tag für den geschichtlichen, einmaligen Zeitpunkt des Auferstehungsereignisses und ist zugleich spezifisches Symbol für dessen Vollendung in Ewigkeit. b. Nun ist aber auch zu sehen, daß die Angabe »am dritten Tage auferweckt nach der Schrift« (I Kor␣ 15,4) in unlösbarem Zusammenhang damit steht, daß ebenso auch das Kreuzesgeschehen als »schriftgemäß«, d.h. als Erfüllung göttlicher Ankündigungen im AT, verstanden wird: »gestorben für unsere Sünden nach der Schrift« (I Kor␣ 15,3; cf. z.B. Röm␣ 15,3f. mit Ps␣ 68,10 LXX!). Für diese Psalmenstelle wird als alttestamentlicher Einzelbeleg meist Jes␣ 53,3– 9 angeführt196. In Wahrheit sieht das Urchristentum auch die ganze Passion als Verwirklichung alttestamentlicher Vorausdeutungen, die sich an Jesus detailliert erfüllt haben (Mk␣ 14,49; 15, 28; Mt␣ 26,54 u.␣ 56; Lk␣ 18,31; 22, 37; Joh␣ 19,24. 28. 36f.; Act␣ 8,32–35; 13, 29; 17, 3). Ähnlich ist das Heilsgeschehen (cf. Mk␣ 12,10 par.; I Petr␣ 2,6) bzw. das Christusgeschehen überhaupt als␣ tatsächliche Erfüllung von Weissagungen des AT verstanden worden ( Joh␣ 1,45; 5,39 u.␣ 46f.; 15, 25; 17, 12; Lk␣ 24,44 u. Act␣ 18,28; Röm␣ 1,2). Hinzu kommt – gleichsam als Engführung dieser Bezüge –, daß, weil Jesus selber anhand des AT den Sinn von Auferstehung eigentümlich und unverwechselbar festgestellt hat (Mt␣ 22,24 par.)197, es einen ebenso historisch wie
195 Barth hat zwar das geschichtliche Nacheinander von Kreuz und Auferstehung energisch betont (KD IV/1, 350ff.), ist aber überhaupt nicht auf den Sinn, den es für Gott hat, eingegangen (cf. auch aaO.␣ 357). So auch u. Kap.␣ 5.3., S.␣ 138 (bei Anm.␣ 105). 196 So auch Herder, aaO.␣ 125. Einzelne Verse dieses deuterojesajanischen Textes werden im NT auffällig häufig auf das Geschick Jesu bezogen: Mk␣ 9,12; Phil␣ 2,7 (V.␣ 3 mit 11); Mt␣ 8,17; I Petr␣ 2,24; I Joh␣ 3,5 (V.␣ 4f.); Röm␣ 4,25; 5,1; I Petr␣ 2,24 (V.␣ 5); I Petr␣ 2,25 (V.␣ 6); Mt 27,12; Mk␣ 14,49.61; Joh␣ 1,29; Act␣ 5,6–9; 8,32f. (V.␣ 7f.); I Kor␣ 15,3; I Petr␣ 2,22; I Joh␣ 3,5; Act␣ 14,5 (V.␣ 8f.). 197 S.o. Kap.␣ 1 (zur Frage der Authentizität der Perikope bes. S.␣ 22f.).
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theologisch strikten und konzisen Zusammenhang ergibt, wenn die Evangelien betonen, daß der Auferstandene selber eben den Sinn der Schrift eröffnet habe, den sie ihrerseits ständig und im ganzen zur Legitimation ihrer Botschaft von der Auferstehung und von Jesu Sendung überhaupt in Anspruch nehmen (cf. Lk␣ 24,27 u.␣ 45; Joh␣ 2,22; 12, 16)198. Hinter der expliziten oder impliziten Aussage »nach der Schrift« steht also die systematisch entscheidend wichtige These, daß die Geschichte Jesu (einschließlich Kreuz und Auferstehung) nur im prägnanten Zusammenhang mit der Glaubensgeschichte Israels ihren Sinn erschließt, weil sie ihn von daher hat (Lk␣ 4,21!). Diese Geschichte Jesu und seines Wortes ist nicht ein kontingentes historisches Faktum, sondern ist, wie insbesondere der tiefreichende Zusammenhang von Kreuz, Gesetz und Sünde199, gegründet in Jesu Solidarität mit den Sündern, zeigt, eingeschrieben in die Geschichte göttlichen Redens mit seinem Volk (cf. Act␣ 13,32f.!; Hebr␣ 1,1f.). Freilich ist umgekehrt deren wahres Verständnis auch nicht unmittelbar erreichbar (Lk␣ 24,19–21), sondern allein vom Gekreuzigten her (v. 26f.). So sehr die Auferstehung (als Gottes Auferweckungshandeln an Jesus) wahrhaft neu ist, ja das Neue schlechthin, so wenig ist sie darum voraussetzungslos; denn sie hat Voraussetzungen – und unterscheidet sich dadurch von einem willkürlichen Machterweis – im Gotteswort des AT und in Jesu eigener Botschaft und seinem Wirken200, ohne daß sie aus diesen Voraussetzungen einfach ableitbar wäre, die sich vielmehr erst von ihr her, rückwärts, erschließen. Die Auferweckung Jesu Christi von den Toten antwortet spezifisch auf göttliches Handeln in der Lebensverheißung des alten Bundes und auf den Glauben als Lebenserwartung, wie sie im AT bezeugt sind201 und in der paulinischen Formel von der »Fülle der Zeit« (Gal␣ 4,4) zum Ausdruck kommt. Das Neue Testament ist in Bezug auf Jesus der sich nahezu überall Ausdruck verschaffenden Überzeugung, »daß nämlich in ihm – in seinem Kreuz und Erscheinen – der verborgene geschichtsmächtige Gott, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, offenbar geworden und daß im Erscheinen Jesu der verborgene Grund der Welt ihnen aufgestrahlt ist«202. Zu betonen ist dabei, daß es spezifisch angemessen ist, daß das Ende der Geschichte innergeschichtlich bzw. daß die Antizipation des Eschaton als das Sichdurchsetzen der absoluten Wahrheit aller Wirklichkeit an ihr gerade im »Erscheinen« des zu ewigem Leben Erweckten und im Erscheinen allein sich manifestiert.
198
Dazu mit Bezug auf Graß schon o. Kap.␣ 2.2., S.␣ 42 mit Anm.␣ 65 u.␣ 67. Cf. zur Ablösung des Gesetzes durch die Auferstehung R.R. Niebuhr, aaO.␣ 130 (Paulus) u.␣ 132 (systematisch). 200 Cf. Künneth, aaO.␣ 106ff.; cf. Gogarten, aaO.␣ 166 u.␣ 171. 201 Cf. aaO.␣ 107 sowie das u. zu Röm␣ 4,17ff. Ausgeführte (S.␣ 119f.). 202 Koch, aaO.␣ 198; s. das über die Formel ∑fjh␣ und ihre Analogie atl. Theophanien Gesagte, o. S.␣ 59. 199
102 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens »Erscheinung« steht hierbei für das Sichdurchdringen der Zeitekstasen in der Gegenwart ewigen Lebens ein, in dem sie durchsichtig zusammengehören203. Die Erfüllung der Geschichte in der Auferstehung Jesu Christi gilt so nach rückwärts und vorwärts zugleich – und das Eine im Anderen. Dieser rückwärtig die Vergangenheit (neu) qualifizierende Bezug kommt in der Einfügung in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang von Gottes Handeln mit Israel zum Ausdruck, in dem Kreuz und Auferstehung als Erfüllung der Schriften, d.h. als Einlösung der göttlichen Verheißungen und Vollendung der Hoffnungen Israels seit dem Exodus durch die Treue Gottes, des lebendig Schöpferischen, verstehbar werden (Gal 4,4). Der vorwärts gerichtete, die Zukunft erschließende Bezug kommt durch die Verknüpfung insbesondere mit der spätjüdischen Hoffnung auf eine allgemeine Totenerweckung und so durch Ausspannung des geschichtlichen Auferstehungsereignisses hin auf die Vollendung der Geschichte im Eschaton, das es allgemein werden und vollkommen realisiert sein läßt (Parousie), zum Ausdruck. Darin liegt, daß Gottes Heilshandeln nicht durch den Ausstieg aus der Geschichte sich erfüllt, sondern es betont gerade die Geschichte als Weg Gottes und Ort seines Handelns mit den Menschen unwiderruflich. In diesen Hinsichten ist das katÅ tÅ“ graf›“ christlich von grundlegender theologischer Bedeutsamkeit. »Nach der Schrift« redet davon, daß die Vergangenheit (Israels) von der ewigen Gegenwart des Auferstandenen lebendig in die Zukunft hinein aufgehoben wird. Diese geschichtstheologische bzw. heilsgeschichtliche Bedeutung der Schrift konzentriert sich in der Rolle, die sie auch als Schrift dabei spielt. Denn der tiefste Inhalt der Schrift (alten Bundes) wird durch Menschwerdung und Auferstehung in den lebendigen Herrn übersetzt, der als »das Wort« selber auch wieder Schrift und Wort, nämlich im Text des Evangeliums204 und in der Verkündigung von ihm 205, wird. Aus diesen Überlegungen folgt zwingend, daß kein Verständnis von Auferstehung zureichend ist – weil es deren Wirklichkeitsbedeutung gar nicht erreicht –, das nicht wesentlich berücksichtigt, daß es dabei nicht um ein beliebiges Handeln Gottes – sozusagen als pure Machtdemonstration abstrakter Allmacht – geht, sondern um ein Handeln an und mit diesem bestimmten Menschen, Jesus von Nazareth. Nur an ihm konnte sich die Antizipation des Eschaton wirklich ereignen. Darum sind die Bestimmungen »am dritten Tage – nach der Schrift« für die Theologie der Auferstehung wesentlich.
203 204 205
S.o. Abschn.␣ 1. S.o. S.␣ 75 und u.␣ 139. S.o. S.␣ 74.
3. Zur Visionsfrage
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3. Zur Visionsfrage In dieser vieldiskutierten Frage ist zunächst davon auszugehen, daß der Ausdruck »Vision« in vielen auferstehungstheologischen Entwürfen in einem psychologisch nicht präzisierten Sinn verwendet wird206, demgemäß bei den so verstandenen Erscheinungen etwas geschaut wird (nämlich der Auferstandene), und dies meist in einem irgendwie gesteigerten Bewußtseinszustand, wobei dann offenbleibt, wie sich das Geschaute zur Tatsache seines Geschautwerdens verhält, z.B. ob es sich bei solcher Vision um ein nur formell subjektives Vergegenwärtigen eines davon unabhängigen, objektiven Sachverhaltes handelt oder um ein überhaupt nur subjektives Gewahren, bei dem die Frage nach seinem realen, außersubjektiven Anhalt entweder gar nicht gestellt oder für nicht beantwortbar gehalten oder sogar ausdrücklich negativ beantwortet wird. Demgegenüber muß aber theologisch als entscheidend der Umstand gewichtet werden, daß bei den im Neuen Testament berichteten Ostererscheinungen diese gerade als wirkliche Selbstvergegenwärtigung des Auferstandenen erlebt und bezeugt werden: als sein gnädiges Kommen zu den Jüngern und so als seine Offenbarung, die zu der Aussage legitimiert und nötigt: er lebt. Wenn nun gesagt wird, für die Menschen der Antike habe auch das in einer Vision Geschaute »objektive Realität«207, so ist weder deutlich, was dann hier »Schauen« besagt, noch ob es sich dabei um eine rein historische Feststellung handelt, die das naive Vorurteil einer voraufgeklärten Bewußtseinslage beschreibt, das für den heutigen Menschen und Christen obsolet geworden ist. Aus dem bisher Dargelegten folgt aber, daß das »Sehen« der Erscheinungen von ihrem eschatologischen Charakter her zu bestimmen ist208. Das kann man richtig als ein »Sehen im Geist« ausdrücken, wodurch aber die Realitätsfrage noch nicht entschieden ist209. Der Begriff »Vision«, einfachhin gebraucht, zieht nun aber zwangsläufig das, was – im Falle der Erscheinung des lebendigen und erhöhten Herrn bei 206 Cf. zu kritischen Differenzierungen im Visionsbegriff, die auch religionsgeschichtlich konkretisiert werden, Th. Korff, Die Auferstehung Christi und die radikale Theologie (1908), 160 –208 (unzureichende Deutungen); zur irrtümlichen Beschreibung als ekstatische Visionen cf. 184ff. (keine Analogie zu den Ostererscheinungen in der sonstigen Geschichte religiöser Visonen: 187!; weder bei Paulus noch bei den Erscheinungen vor den Jüngern natürliche oder rein psychologische Visionen: 187). Überraschenderweise entscheidet sich Korff schließlich aber doch für den Visionsbegriff (cf. 236ff.). 207 So Graß, aaO.␣ 189. 208 S.o. Kap.␣ 2.1. und Kap.␣ 3.1. 209 Lüdemann hält ein »Sehen im Geist« – wohl im Anschluß an Hirschs Rede vom »Gesicht« – für das ursprüngliche Auferstehungserlebnis (aaO.␣ 181), bestimmt dies aber sachlich entschieden als Halluzination, s. dazu u. Anm.␣ 212.
104 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens den Seinen – nur als sich zeigende Grenze des Jenseits gegen das Diesseits wirklich ist, in das fraglos als unverändert vorausgesetzte Diesseits (bzw. die Bewußtseinsimmanenz der Jünger) zurück: als psychogenes »Gesicht«210. Was man gewöhnlich in empirisch-deskriptivem Sinne »Vision« nennt, ist in theologischer Hinsicht – orientiert an den Ostertexten – aber gerade eine reale Antizipation (Vorwegereignung) der Auferstehungswirklichkeit der Glaubenden selber durch Teilhabe an der Auferstehung Jesu Christi211. D.h. das für den Visionsbegriff wesentliche Gegenüber von »Schauen« und »Geschautem« ist in der Ostererfahrung in einer Weise überwunden, die den Visionsbegriff eher ungeeignet erscheinen läßt, den Sachverhalt angemessen wiederzugeben. Denn der – zumindest – vom Subjektiven her konzipierte Begriff einer Vision läßt das konstitutive Moment des Hineingezogenwerdens oder -seins in die Sphäre von Auferstehung, d.h. aber ihren eschatologischen Charakter, konzeptionell unberücksichtigt. Was sich hier ereignet, ist nicht auf das Schema von (distanziert) sehenden Subjekten und gegenständlichem Objekt (von mehr oder weniger problematischem Realitätsstatus) abbildbar. Es handelt sich um ein subjektiv – objektives Integral, in dem die (auch leibliche) Beziehung auf die Subjekte, die von der Erscheinung überführt und zum Glauben gebracht werden, wesentlich mit zum Tatbestand gehört. Das läßt sich nicht auf eine bewußtseinsimmanente (abstrakte) »Gegenständlichkeit« reduzieren212. Die Auferstehungsgläubigen sind – und wissen sich auch als solche – in das neue Leben des Auferstandenen durch die Erscheinungen mit einbezogen und werden von ihm in ihrem eigenen Leben erfüllt (cf. Gal␣ 2,20). Gerade auch für Paulus relativiert das eschatologische Offenbarungsgeschehen als eine Erfahrung von Wirklichkeit die Alternative subjektive oder objektive Vision213. Das spricht gegen ein »subjektives Visionsverständnis«. Denn die Erscheinungen »weisen« nicht nur »hin« auf den Erhöhten, sondern erschließen für die davon Betroffenen dessen Sein im Modus der Teilhabe, die ihnen daran gewährt wird214. 210
So die Hirsch’sche Eindeutschung für Vision, cf. aaO.␣ 33ff. S. dazu o. Kap.␣ 2.2. und das einhellige Zeugnis des NT sowie o. S.␣ 56f. 212 Konsequent nimmt diese Lüdemann vor, indem er »Vision« entschieden rein subjektiv (psychogen) als »Halluzination« versteht (aaO.␣ 226 A.␣ 244 u.␣ 236 A.␣ 350). Freilich gerät er damit sowohl in Spannung zu seiner eigenen Charakterisierung der Ostererscheinungen als »Primärerfahrung« (aaO.␣ 261 A.␣ 679; cf. dazu o. Kap.␣ 2. Anm.␣ 101) wie auch in eklatanten Widerspruch zu seiner von W. Herrmann entlehnten Rede von Jesus als »objektiver Macht« – was eher für eine sogenannte »objektive Vision« spräche (cf. aaO.␣ 196 u.␣ 262 A.␣ 686). Bei dem von Lüdemann angeführten Satz »Jesus ergreift, beugt, erhebt und beseligt, liebt … mich« (aaO.␣ 200f.) ist freilich in der Schwebe gelassen, ob er Lüdemanns eigene Auffassung wiedergibt oder nur eine Herrmann-Paraphrase darstellt – eine ähnliche Zweideutigkeit wie in der von Hirsch übernommenen Rede von Jesus als »lebendiger Person« (aaO.␣ 201). 213 Das zeigt der etwas anders gelagerte Fall von II Kor␣ 12,2f. 214 Ebeling will zwar gegen ein »psychologistisch verflachtes Visionsverständnis« behaupten, daß der Begriff Vision »stets auf etwas (tendiert), was man nicht aus sich 211
3. Zur Visionsfrage
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Die Ostererscheinungen vereinen in sich also gerade beides: als sinnlichobjektive Wirklichkeit sind sie zugleich einer anderen unsichtbaren Wirklichkeit zugehörig. Darum ist der Terminus »Vision« ungeeignet, ohne Mißverständlichkeit dies eschatologische Geschehen zu bezeichnen. Denn der Begriff »Vision« setzt offenkundig subjektiv an und vermag diese Herkunft in psychologischer Immanenz eigentlich auch nicht zu überwinden215. Im Falle der österlichen Erscheinungen handelt es sich aber gerade – auch im deutlichen Selbstverständnis der Betroffenen! – um etwas von außen her und spontan sich selbst Zeigendes und Vergegenwärtigendes, d.h. Erscheinendes bzw. einen (diesen) Erscheinenden. Also um etwas, das nur so da ist, daß es nicht nur schlechthin »für« die davon Betroffenen ist216, sondern nur so für sie, daß es als solches unübersehbar wesentlich mehr und anders ist als nur etwas für sie217. Im Für-Sein der Erscheinung ist diese an ihr selbst ein Sein-von-woanders-her, d.h. statt um eine Vision handelt es sich um eine Christophanie. »Vision« ist ein einseitig und primär erkenntnistheoretisch orientierter Begriff, und er reduziert den Vorgang auf die subjektiv-bewußtseinsmäßige Seite bei den Betroffenen, und dies unter der Voraussetzung, diese sei die zunächst und eigentlich wirkliche, sozusagen als fragloser Ausgangspunkt einer Erkenntnis des Geschehenen. »Vision« verlegt somit den Erkenntnisgrund unvermeidlich ins visionäre Subjekt, »Erscheinung« dagegen in eine Selbstkundgebung, die auch – und zwar streng eodem actu – den Zugang zu ihr erschließt: »Nur indem er kommt, wird er ihnen wahrnehmbar«218. Natürlich läßt sich ein so eröffneter »Zugang« zum Geschehen gerade nicht als eine für sich vorauszusetzende Instanz gegenüber dem diesen Zugang ermöglichenden Geschehen isolieren. Die im (subjektiven) Visionsbegriff mitgesetzte Voraussetzung ist schon religionsphänomenologisch falsch, wie jede Theophanie zeigt. Religiös hanselbst hervorbringt, sondern was einem widerfährt« (aaO.␣ 299), stuft die Erscheinungen dann aber doch in einen »sekundären Rang« ein, da sie »nicht selbst der Glaubensgrund« seien, sondern »nur auf Jesus als den Grund des Glaubens hin(weisen)« (aaO.␣ 301). Die Erscheinungen sind aber nichts anderes als Selbstvergegenwärtigung des Gekreuzigten und Lebenden als Glaubensgrund! 215 Zur Kritik einer psychologischen Erklärung cf. bes. R.R. Niebuhr, der hierbei einen »unkritischen Begriff historischer Kausalität« (aaO.␣ 11) diagnostiziert. Ähnlich aaO.␣ 19, 82 (»Massenhypnose«), 117, 152. 216 Rengstorf will den Visionsbegriff wegen der Beschränkung der Erscheinungen auf Jesu Anhänger verwenden (aaO.␣ 98); der wesentliche Bezug auf die Glaubenden ist aber anders zu verstehen, s.u. Kap.␣ 7. 217 Gegen den Terminus »Vision« (als psychologisch bedingte) spricht auch die zeitliche Begrenzung der Erscheinungen auf die wenigen Jünger der ersten Zeit (cf. Stange, ZSTh 1 (1923), 716). Spätere Christus-Visionen in der Christentumsgeschichte sind mit den Ostererscheinungen nicht vergleichbar. 218 KD IV/2, 161; cf. 164 (Zugang als Offenbarung).
106 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens delt es sich nicht um eine Vision219, sondern um eine Epiphanie, eine »Erscheinung«, die als solche etwas Subjekt-Objekt-Übergreifendes ist und in diesem Sinn ein Sich-selbst-Manifestieren für … . Die österlichen Erscheinungen sind Christophanien als Theophanien (bzw. umgekehrt), und die Jünger haben nicht »Visionen«, sondern ihnen widerfährt etwas von eigener Wirklichkeit: d·xa kur‡ou perifilamyen (Lk␣ 2,9)220. Ein psychologischer bzw. psychogener Begriff der Vision widersetzt sich dem auch, bzw. er verunmöglicht es, den hier maßgeblichen Sinn von ∑fjh (als Eigenaktivität des eschatologisch Erstandenen221) als einer Bewegung von Gott her zu fassen. Denn er kommt über eine bloß innerweltliche Bestimmung der Art und Weise des Sehens nicht hinaus, d.h. bleibt auf die menschlich-subjektive Rezeption der Erscheinung – bestenfalls – fixiert222. Positiv gewendet gilt: das Sich-selbst-Vergegenwärtigen des Auferstandenen bestimmt auch die Weise seines Seins – für … bei den ihn Erfahrenden, so daß deren subjektive Rezeption (oder deren »Organ« dafür) überhaupt nicht eigens als etwas für sich Seiendes thematisiert werden kann. Was Gott den Jüngern zu Ostern »bereitet« hat (I Kor␣ 2,9), das läßt sich nicht gnoseologisch auf ein empirisch vorhandenes, psychologisches Vermögen beziehen und z.B. einer »visionären Anlage« zuschreiben223. Denn es ist eben das, was vorher nicht nur »kein Auge gesehen hat« (ebd.), sondern was sich auch der Alternative »sehen« oder »visionär erleben« gar nicht fügt. Überhaupt gilt nicht, daß er, weil sie ihn sehen, lebt, sondern umgekehrt ist es der intrinsische Sinn ihrer Erfahrung: weil er lebt, sehen sie ihn. Ihr »Sehen« (d.h. eben sein Erscheinen für sie) ist nur – und wird auch von ihnen so verstanden – als sein von ihm ausgehendes und gewirktes Sie-sehen-Lassen. Sie »sehen« weder im gewöhnlichen Sinn mit ihren empirischen Augen noch »visionär«, sondern haben allein von ihm her die Bedingung der Möglichkeit, ihn zu gewahren. Offenbar stehen Schwierigkeiten des Visionsbegriffs in der bisher geschilderten Art hinter dem Versuch, den im Anschluß an entsprechende Thesen schon des 19. Jahrhunderts vor allem H.␣ Graß unternommen hat, die Vorstellung einer »objektiven Vision« zur Charakterisierung der Ostererfahrungen aufzubieten224. Nun ist diese terminologische Prägung durch eine prin219 Im Falle von Ostern schloß die sogenannte »Vision« auch auditive Züge stets mit ein (Lüdemann, aaO.␣ 192). 220 Cf. u. Anm.␣ 231. 221 S.o. Kap.␣ 3.1., S.␣ 59 u.␣ 62. 222 »Alle Vorstellungen über die Art des Sehens dieser Erscheinung sind unvollziehbar, sie können alle nur auf die Leugnung des ∑fjh hinauslaufen …« (K. Barth, Die Auferstehung von den Toten, aaO.␣ 79). 223 Zu I Kor␣ 2,9 cf. Bloch, Das Prinzip Hoffnung, aaO.␣ 1407, 1523, 1547 u.ö. 224 Cf. Graß, aaO. bes. 247ff.; auch Marxen spricht von »objektiver Vision« (aaO.␣ 119). Pannenberg tendiert zumindest in diese Richtung, wenn er behauptet, die
3. Zur Visionsfrage
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zipielle Uneindeutigkeit belastet, die es zweifelhaft macht, ob sie den Mängeln des Visionsbegriffs wirklich abhelfen kann. Denn entweder ist »objektive Vision« etwas, das wirklich in objektiver Weise von außen veranlaßt ist – dann aber wäre theologisch genau über dies Veranlassende zu reden (was bei Graß nicht geschieht). Oder der Ausdruck meint nur das wirkliche Sehen von etwas Wirklichem – was sicher nicht die Meinung von Graß ist –; dann aber handelt es sich gar nicht um eine »Vision«! Schließlich kann der Ausdruck »objektive Vision« noch die interne, intentionale Bezogenheit einer Vision auf einen Gegenstand (Inhalt) meinen; in diesem Fall wäre das Phänomen aber von einer »subjektiven« Vision überhaupt nicht zu unterscheiden. Freilich ist noch eine Variante dieses dritten Falls denkbar, bei der das intentionale Objekt als solches der Vision in (bzw. von) dieser selbst noch einmal unterschieden, d.h. eben als etwas »Objektives« gewußt wird. Dabei würde es sich um eine Vision handeln, die in sich selber ihres von ihr strukturell unterschiedenen Grundes selbst ansichtig wird. D.h. »objektiv« wäre eine Vision, die evident »weiß«, daß sie nicht nur sie selbst (d.h. nicht nur »Vision«) bzw. aus sich selbst ist oder sein kann, sondern von ihrem »Gehalt« (d.h. dem durch sie und in ihr Wahrgenommenen) allein her (begründet) sein kann. Aber evidentermaßen ist diese strukturelle Differenzierung im visionären Vorgang selber – falls sie empirisch überhaupt vorkommt bzw. falls diese Modifikation nicht auch darauf hinauskommt, den Begriff »Vision« gerade aufzuheben! – noch keineswegs identisch damit, wie es Ostern geschah, »Ihn selber« zu sehen oder auch nur, ihn zu sehen. Es könnte höchstens bedeuten, ihn als den in Gottes Ewigkeit Erhöhten zu »sehen«, was aber gerade nicht sein Erscheinen auf Erden einschließt225. Es bleibt also nur übrig, den Begriff »objektive Vision« im Sinn der ersten Bedeutungsmöglichkeit, die er bei Graß auch unzweifelhaft hat, zu diskutieren. Aber diese Untersuchung des Begriffs wird nur seine theologische Unbrauchbarkeit zutage bringen226. Form der Erscheinungen als »visionäre Erlebnisse« beweise als solche noch nichts gegen deren »Realitätsgehalt« (STh II, 396), cf. Graß, aaO.␣ 292 u.␣ 230 Anm.␣ 2! Zur »objektiven Vision« cf. schon L. Ihmels kritisch: »Die Auferstehung Jesu Christi«, aaO.␣ 21ff. u.␣ 36f. (Anm.␣ 12), sowie P. Horn, Der Kampf um die biblische Auferstehung des Herrn. Neue Kirchliche Zeitschrift 13 (1902), 241ff. u. E.G. Steude, Die Auferstehung Jesu Christi. Eine kritische Untersuchung, Leipzig (1888), 18932. 225 Cf. die eingreifende Kritik am Visionsbegriff bei Schlatter, die aus den Sätzen: »Die Deutung der Vorgänge als Vision entstellt sie tief« und »wurde durch die Gestalt der Osterereignisse, die uns der Bericht der Jünger zeigt, die Geschichte bekräftigt, nicht vernichtet« resultiert (Das christliche Dogma, 19232, 309f.). 226 Man kann sagen, der Begriff »objektive Vision« bei Graß ist Index aller von ihm nicht thematisierten theologischen Fragen. Überhaupt überzeugt sein verdienstvolles Buch mehr in den gründlichen exegetischen Partien als in den eigentlich systematischen.
108 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens 1. Der Begriff »objektive Vision« ist zum einen widersprüchlich. Denn, wie oben gezeigt, ist »Vision« als solche stets eine subjektive. »Objektiv« kann daher in dieser Verbindung eigentlich nicht mehr sagen, als daß eine Vision als solche immer Schau von etwas ist, d.h. ein visionär geschautes »Objekt« hat227. Dies wäre der dritte o.g. Fall, bei dem die Unterscheidung von einer »subjektiven Vision« hinfällig wird. Sobald aber eine Vision als nicht nur aus dem Subjekt stammend, d.h. nicht nur aus dessen psychologischen und historischen Voraussetzungen erklärbar beurteilt wird – und das tut der fragliche Ausdruck bei Graß –, ist sie eben keine »Vision« mehr, sondern bezeichnet nur die Seite subjektiven Beteiligtseins (Erlebens) eines solchen subjektivobjektiven Ereignisses. Für ein solches Ereignis ist die Bezeichnung »Erscheinung« jedenfalls entschieden dem Visionsbegriff vorzuziehen, zumal wenn zugleich versucht wird, den Wirklichkeitsstatus solcher Erscheinung ontologisch und theologisch zu präzisieren. »Vision« besagt in solchem Fall kaum mehr, als daß die beteiligten Subjekte in eine eindeutig außergewöhnliche, wirkliche Transzendenzerfahrung einbezogen sind, sagt dies aber auf eine höchst mißverständliche, weil unvermeidlich reduktionistische Weise. Der problematische Ausdruck »objektive Vision« soll freilich diesen Schein einer psychologischen Reduktion abweisen, was ihm aber nicht gelingen kann228. 2. Der Begriff »objektive Vision« ist zum andern überflüssig. Denn wenn, wie Graß schreibt, »Christus wirklich auferstanden (ist) und lebt«229, dann bedarf es auch keiner Vision mehr, deren Gott sich »bedient« hätte. Das Wunder, daß Gott in den Jüngern qua Vision »die Schau des Auferstandenen … bewirkte«230, ist nicht geringer, als den Auferstandenen bei ihnen erscheinen 227 Es ist bei solcher Sachlage unerfindlich, mit welchem Recht Graß »an der transzendenten Wirklichkeit des in diesen Visionen Geschauten und Geglaubten« festhält (cf. aaO.␣ 248). Der Verzicht auf eigentlich theologische Explikation kann eben nicht durch einen suggestiven Ausdruck wie »objektive Vision« kompensiert werden. So wird bei Graß z.B. nicht deutlich, wie man ein »wirkliches Sehen des Herrn«, nämlich seiner »selbst« und zwar »von Angesicht zu Angesicht« (cf. aaO.␣ 231, 230) als die »eigentliche, durch den Inhalt Christus« bestimmte Auferstehungsvision von einem späteren, legendären »real leibhaftigen Gegenwärtigwerden des Auferstandenen inmitten der Jünger« (231) unterscheiden können soll: »Nicht durch eine reale, innerweltlich in Erscheinung tretende Leibhaftigkeit, nicht durch einen unvisionären Charakter unterscheiden sich die Auferstehungserscheinungen von den anderen visionären Erlebnissen, sondern dadurch, daß sie und nur sie wirkliche »Christus«-Visionen waren« (aaO.␣ 232). 228 Die Rede von »objektiver Vision« unterliegt bei Graß u.a. zusätzlich der Zweideutigkeit, ob gemeint ist: es sind nur historisch betrachtet Visionen gewesen, theologisch aber noch etwas ganz anderes (z.B. eschatologische Prolepsen), oder ob es eigentlich heißen soll: es sind auch theologisch betrachtet Visionen im eigentlichen Sinne (cf. Graß, aaO.␣ 249), freilich nicht nur dies, sondern zugleich auch »Mittel« göttlichen Handelns. 229 AaO.␣ 245. 230 Ebd.
3. Zur Visionsfrage
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zu lassen231. Vielmehr ist Auferstehung als Erscheinen in wirklichem Lebendigsein (im o. beschriebenen Sinne) eine so direkte und wirkliche Selbstgegebenheit, daß eine künstlich herbeigeführte »Vision«, als deren Verursachung ein eigenes göttliches Tun anzunehmen wäre, völlig überflüssig ist. Darin liegt: »Erscheinung« ist nicht eine bloß subjektive Zugangsweise zum erhöhten himmlischen Herrn, also bloß ein Vehikel unserer Erkenntnis davon, daß er jetzt bei Gott ist, sondern Erscheinen gehört unablösbar mit zum Sinn der neuen Lebendigkeit des Auferstandenen selbst. Nur, weil er auch hier erscheint, ist er wirklich als ewig Lebendiger auferstanden. Ein bloßes himmlisches Erhöhtsein wären nicht sein Lebendigsein im eschatologischen Sinne. Daß er erscheint, definiert sein Lebendigsein als Auferstandener mit. Die Jünger erhielten nicht bloß Kenntnis von einer Auferstehung Jesu »an sich«, sondern in den Erscheinungen teilte sich auch deren Sinn selber mit; das Faktum stand für seinen Bedeutungsgehalt: Jesus Christus lebt, d.h. als Verewigter kommt er und ist bei uns. Die Erscheinungen sind ein »Taterweis« der Auferstehung232, also dessen, daß Jesus lebt. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist, daß die Erscheinungen des Auferstandenen nicht bloß als subjektive Ahnung, Imagination, Vision oder Halluzination, die sich auf ein Sein Jesu in der Ewigkeit richtet, begriffen werden können, sondern daß sie als die einzigartige Erfahrung von dessen wirklichem Kommen aus seiner Ewigkeit (und d.h. auch mit dieser) in je bestimmte Zeitmomente zu denken ist. Der ontologische Status dieser Erscheinungen bzw. von Erscheinung ist nach Maßgabe des µntw“ °gfirjh (Lk␣ 24,34) als reale Antizipation des Eschaton zu bestimmen, d.h. als Manifestation von Gottes neuer Wirklichkeit inmitten unserer alten. Psychologische Kategorien wie »Vision«, auch in der eher trüben Fassung als »objektive«, sind nicht ausreichend, dies zu formulieren, weil dabei ein innerweltliches Subjekt als unverändert-fixe Größe vorausgesetzt wird. Theologisch ist nicht primär zu fragen: wie konnten die Jünger dies erleben, ihn sehen und erfahren usw., sondern vielmehr: wie konnte er (aus Gottes Ewigkeit) sich (bei ihnen) vergegenwärtigen?! Das ist die gedankliche Aufgabe, die sich theologischer Besinnung bei dieser Thematik grundlegend stellt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß, wie Jesu Auferweckung das sich vorwegereignende Eschaton ist, so sein Erscheinen bei den Jüngern ihr antizipiertes Sein im Eschaton bedeutet. Das gebrochene österliche Sehen hier ist das Sichvorlaufen vollendeter Schau dort, und die vorläufige Durchsichtigkeit, in der hier erkannt wird, ist nur in Kraft der vollkommenen Durchsichtigkeit, in der alles jetzt schon bei Gott steht (I Kor␣ 13,12). 231 Stange fragt zu Recht (angeführt bei Graß, aaO.␣ 248 Anm.␣ 1, cf. auch 249): ob die d·xa␣ wirklich nur in einer visionären Schau zu sehen oder als d·xa nicht jenseits von Vision und äußerlichem Lichtglanz sei (cf. Act␣ 26,13); s.o. bei Anm.␣ 220. 232 Cf. zum »Taterweis« Gottes o. Kap.␣ 2. Anm.␣ 101.
110 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens
4. Die Begrenzung der Ostererscheinungen Das systematisch Grundlegende zu dieser Frage ist bereits oben in 3.1. (S.␣ 57f. u.␣ 68f.) gesagt worden, nämlich, daß die Gemeinde noch in der Zeit der Welt, d.h. der Unvollendetheit existiert und auch daher die neue Wirklichkeit nur teils fragmentarisch, teils verborgen gegenwärtig ist. Dieser Abschnitt soll das dort Angedeutete weiter konkretisieren. Von einer Begrenztheit der Erscheinungen ist aufgrund der Geschlossenheit der Zeugenreihe, wie sie für die I Kor␣ 15,3–9 aufgezählten Erscheinungen berichtet wird, historisch auszugehen. Offensichtlich werden sie in der ursprünglichen Paradosis der Urgemeinde (bzw. von dieser) selber als erschöpfend, d.h. als alle eigentlichen Ostererscheinungen nennend, verstanden233. Das impliziert schon die vorausgesetzte Glaubwürdigkeit der Paradosis234, aufgrund derer nicht nur »Apostel« als solche ausgewiesen sind, sondern auch das Fundament der Gemeinde als definitiv gelegt gilt. Es steht auch fest, daß spätere »Gesichte«, d.h. visionäre Schauungen in religiöser Ekstase (Entrückung), als von den ursprünglichen Ostererfahrungen unterschiedene »Geisterfahrungen« ganz anders bewertet wurden (cf. z.B. Act␣ 22,18!, II Kor␣ 12,1 u.␣ 9; Act␣ 18,9; 23, 11). Das besagt, es existierte im Bewußtsein der Urchristenheit ein qualitativer Unterschied zwischen der spezifischen Begründung des Osterglaubens überhaupt, die sich in einer begrenzten Anzahl von Erscheinungen des lebendigen Herrn vollzog, und der allgemeinen Geisterfahrung, zu der – nach Pfingsten! – in manchen Fällen auch eine pneumatische »Schau« des Erhöhten gehören kann – als sozusagen abgeleitete Ostererfahrung. Systematisch betrachtet wiederholt die Begrenztheit der österlichen Erscheinungen, d.h. ihr definitives Ende zu einem gewissen Zeitpunkt235 , die schon für Leben und Verkündigung des irdischen Jesus charakteristische Struktur von Schon und Noch-nicht, bzw. sie entspricht der auch nach seiner Auferstehung bleibenden Verborgenheit seiner als des eschatologischen Herrn und wiederkommenden Menschensohnes in dieser Weltzeit. Der Abschluß der Reihe von Erscheinungen markiert indes auch das »Ein für allemal« der Auferstehung – so wie es dem wirklichen Tod Jesu am Kreuz
233 Cf. K. Holl, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, II (Tübingen 1928), 50; Althaus aaO.␣ 18 u.␣ 20. 234 In den Evangelienberichten könnte die Glaubwürdigkeit durch das Auftreten von zwei Zeugen unterstrichen worden sein (Lk␣ 24,13ff.; Joh␣ 20,1ff.), weil erst deren Zeugnis gültig ist (cf. Dtn 17, 6; 19, 15; Num 35, 30 mit Mk␣ 14,55ff.; Joh␣ 8,17; II␣ Kor␣ 13,1; Hebr␣ 10,28; I Tim␣ 5,19). 235 An sich ließe sich noch unterscheiden zwischen der Beschränkung je auf bestimmte einzelne Erfahrungen (von Einzelnen oder Gruppen) und zwischen dem Enden der Erscheinungen überhaupt.
4. Die Begrenzung der Ostererscheinungen
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und seinem irdischen Leben überhaupt auch zukommt236. Gerade daß die Erscheinungen enden, unterstreicht ihre ewige Bedeutung »ein für allemal«, und ihr definitiver Abschluß, als »Himmelfahrt« vorgestellt, macht nur das in den Erscheinungen sich partiell manifestierende neue Lebendigsein Christi als universal wirklich kund (cf. Mt␣ 28,18–20) – als das Lebendigsein dessen, der allgegenwärtig im Hl. Geist wirkt und am Ende wiederkommt. Insofern entspricht die Himmelfahrt dem †f›pax. Man kann also sagen, in den faktischen Erscheinungen war ihr Heilssinn auch schon vollendet (realisiert). Weitere Erscheinungen bzw. ein unbegrenztes immer weiter Vorkommen von Erscheinungen hätte unausweichlich solche an Jesu unmittelbare Jünger – Paulus stellt einen Grenzfall dar, s.u. – und solche an alle die, die ihn nicht mehr persönlich kannten, in problematischer Weise gegeneinander abgestuft, d.h. die letzteren wären immer mehr losgelöst worden vom Bezug auf Jesus, den Irdischen, wie er für die genuinen Ostererscheinungen gerade konstitutiv ist, – sozusagen als Erscheinungen zweiter Klasse. Demgegenüber ermöglicht gerade das Aufhören der ursprünglichen Erscheinungen des Auferstandenen den glaubenden Bezug auf das Ganze der Geschichte Jesu Christi (in Leben, Tod und Auferstehung). Damit ist ein weiteres angesprochen. Nur aufgrund des definitiven Endes der Erscheinungen konnte die Auferstehung des Gekreuzigten zum Kerygma (im vollen Sinne) werden, d.h. zu dem durch die Apostel – als kirchengründende Predigt – weiterverkündigten göttlichen Wort, dem erst eigentlich der Glaube entspricht (cf. Joh␣ 20,29b). Die Begrenzung der Ostererscheinungen ermöglicht christlichen Glauben als Glauben an das Wort Gottes allein, in dem »Erfahrung« nur ein Moment ist. Insofern unterscheidet erst das Ende der Erscheinungen, was in ihnen noch ungetrennt war: den Glauben an Gottes Wort und unmittelbare Sichtbarkeit237. Schließlich darf die Begrenzung der Erscheinungen, wie die Überlieferung sie darstellt, auch noch unter einem inhaltlichen Gesichtspunkt betrachtet werden, insofern als der Kreis der von ihnen Betroffenen eigentümliche strukturelle Merkmale aufweist238. Diejenigen, denen Ostererscheinungen widerfahren, haben nämlich so etwas wie einen exemplarischen Charakter, was sich (mindestens) in dreifacher Hinsicht verdeutlichen läßt.
236 Althaus gibt einen Hinweis mit der Feststellung, daß das Sehen als partielle »Begegnung mit der Herrlichkeit Jesu« doch »aufs Ganze gesehen, die Niedrigkeit Jesu nicht« durchbrach (aaO.␣ 65). 237 Althaus will damit auch das Eintreten einer weiteren Unterscheidung verbinden: die einer neuen Unmittelbarkeit der Späteren im Verhältnis zu Gottes Handeln von seiner historischen Vermittlung (cf. aaO.␣ 69). 238 Zum folgenden cf. insbes. Jeremias, Neutestamentliche Theologie, 1. Teil, aaO.␣ 285!
112 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens Zum einen werden überliefert bzw. berichtet: Erscheinungen an einen Einzelnen (Petrus), an ein Jüngerpaar bzw. auch eine geschlossene Gruppe und an die große Menge der Fünfhundert (I Kor␣ 15,6), so daß in dieser Hinsicht alle Sozialformen sozusagen vertreten sind: Individuum, Intersubjektivität und ein (repräsentatives) Kollektiv, das vielleicht für die universale Bedeutung des Ereignisses einsteht239. Sodann geschehen die Erscheinungen sowohl Frauen wie Männern, d.h. der natürliche und soziale Geschlechterunterschied wird hier religiös neutralisiert oder relativiert, wie es einerseits der Verkündigung und Lebenspraxis Jesu, andererseits der Auferstehungstheologie des Apostels Paulus entspricht (Gal␣ 3,28 u.ö.). Schließlich lassen sich die Erscheinungen auch strukturieren hinsichtlich des Verhältnisses zu Jesus selbst. Sie betreffen seine engsten Anhänger, sodann Anhänger im weiteren Sinn (Act␣ 1,22f.), weiter dann Skeptiker wie Jakobus (I Kor␣ 15,7)240 oder Thomas ( Joh␣ 20,24ff.) und schließlich auch noch den Extremfall eines fanatischen Gegners: Paulus (I Kor␣ 15,8 – dies zugleich außerhalb von Palästina). Diese Beobachtungen stellen heraus, daß im Insgesamt der uns vorliegenden Überlieferung faktisch der Kreis aller prinzipiell möglichen Zeugen exemplarisch erschöpft ist. Die historisch eingetretene Begrenzung der Erscheinungen paßt – das kann zumindest gesagt werden – eigentümlich zu diesem strukturellen Sachverhalt. Nachdem in dem so realisierten Umfang die Erscheinungen alle paradigmatischen Adressaten erreicht hatten, konnten sie gleichsam wieder aufhören. In dieser strukturierten Antizipation stellte sich das Ganze des universal ausgerichteten Christusheiles in nuce, d.h. hier: proleptisch, erschöpfend dar.
5. Zur Erscheinung vor Paulus (systematisch) Die den Christusverfolger Saulus zum Apostel machende Erscheinung des Auferstandenen an ihn vor Damaskus (I Kor␣ 9,1; Gal␣ 1,15f., Phil␣ 3,8)241 hat ihn in den Augen der Jerusalemer Urgemeinde und ihrer »Säulen« völlig als Apostel legitimiert (I Kor␣ 15,8f.). Wichtiger als etwaige Unterschiede zu den vorliegenden Erscheinungsberichten der Synoptiker und bei Johannes ist also, daß auch die Erscheinung vor Paulus eine echte Offenbarung des erhöhten Herrn als des Lebendigen an ihn war (Gal␣ 1,16: üpokal‚yai), die ein
239 240 241
Cf. auch Mk␣ 16,9–20 und dazu Lüdemann, aaO.␣ 38f. Spuren: Mk␣ 3,21 u. Joh␣ 7,5. Cf. auch Act␣ 9,3; 22, 6; 26, 13 und möglicherweise II Kor␣ 4,6.
5. Zur Erscheinung vor Paulus (systematisch)
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wirkliches Sehen des Herrn selbst (I Kor␣ 9,1: tÖn k‚rion ™mùn ©·raka) einschloß und insofern der Christophanie an die Jünger (∑fjh) entsprach242. Gemeinsam war der Damaskus-Erscheinung und den Erscheinungen vor den Jüngern, daß Christus von Gott her als der auferweckte Gekreuzigte offenbar wurde. Dabei ist die Entsprechung zu beachten: das was für die zum Glauben kommenden Auferstehungszeugen Vergebung war (s.o.␣ 3.1. S.␣ 73) – freilich spricht auch Paulus von c›ri“: I Kor␣ 15,10 –, das war für den Rabbinenschüler Paulus, der seine Erfahrung sofort und mit erstaunlicher Klarheit und Konsequenz in ihren theologischen Implikationen und Konsequenzen gedanklich durchdrungen haben muß, das Evangelium als Freiheit vom Gesetz (Röm␣ 10,3f.; Gal␣ 3,13. u.␣ 24). Eine Schlüsselbedeutung kommt dabei m.E. den Worten zu: »Ich bin Jesus, den du verfolgst« (Act␣ 9,5; bzw.: »warum verfolgst du mich?« V.␣ 4)243. Sie besagen für Paulus, daß er, indem er in den Jesus-Anhängern eigentlich Jesus selber verfolgt, tendenziell nur die Kreuzigung wiederholt244. Saulus geht in der Erscheinung an ihn auf, daß sein Tun und Treiben immer schon überholt ist von dem, der als der Gekreuzigte lebt245. Darum wird das Kreuz Christi das Zentrum der paulinischen Theologie. Der sich ihm als der bei Gott Lebendige erweist, qualifiziert durch diesen Tatbeweis seines Herr-Seins246 das Verhalten des Saulus als die Sünde, für die er am Kreuz schon gelitten hat, und sein Selbsterweis vor Paulus ist Taterweis seiner dadurch bei Gott erwirkten Vergebung. Die Erscheinung vor Paulus – heute meist als Lichterscheinung aufgefaßt247 – war jedenfalls für ihn eine übermächtige Erfahrung von so bezwingender und eindeutiger Evidenz, daß sie am Ort einer extremen Gegeninstanz248 die unwiderstehliche Macht der neuen eschatologischen Wirklichkeit zu erkennen gibt. Das Ereignis bezeugt die ausgreifende Dynamik der Auferstehung, die nicht nur auf unmittelbar Prädisponierte, wie die Jünger es trotz ihrer Verzweiflung waren, beschränkt bleibt.
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Cf. Hoffmann bei Lüdemann, aaO.␣ 65 und 62. ∑fjhn␣ steht auch Act␣ 26,16. Cf. Act␣ 22,7f. u.␣ 26, 14f. 244 Cf. Act␣ 22,4: †d‡wxa ±cri jan›ton. 245 Das ist der eigentliche Sinn von »wider den Stachel ausschlagen« (Act␣ 26,14b). 246 k‚rie: Act␣ 22,8 u.␣ 10; 26, 15. 247 So z.B. Pannenberg, STh II, 396 A.␣ 85. Pannenberg möchte, wie auch viele Exegeten es tun, die Erscheinung vor Paulus als Hinweis auf die Urgestalt der übrigen Erscheinungsberichte verstehen (aaO.␣ 397); so etwa erschließt Hirsch das allererste österliche »Gesicht« an Petrus (cf. aaO.␣ 16ff. u.␣ 21ff.), das von ihm aber nur ohne jede Textbasis hypothetisch postuliert werden kann. Sollte man nicht annehmen, daß sich von einer solchen »Urgestalt« mindestens Spuren in der Überlieferung erhalten hätten? 248 Wohl im Blick darauf spricht Lüdemann von der Pauluserfahrung als »einem äußersten Punkt [so statt: äußeren] des ältesten Osterglaubens« (aaO.␣ 193). 243
114 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens Wenn Gal␣ 1,1 daher betont, Paulus sei nicht durch menschliche Überlieferung (also einen bloß historischen Traditionsstrom, cf.␣ 1,8), sondern durch eigene unmittelbare Offenbarung Apostel geworden, so heißt das auch: der Glaube ist nicht an einen direkten Zusammenhang mit dem historischen Jesus als solchen gebunden, er verdankt sich vielmehr wesentlich einer Selbstvergegenwärtigung Christi, die ihn als Glauben allererst begründet. Insofern bringt erst der Auferstehungsglaube eine wahre Erkenntnis auch des irdischen Jesus und macht sein Wort und seine Geschichte ewig bedeutsam, so wie umgekehrt die überlieferte (historische) Kenntnis davon sich im Glauben an ihn als den Lebendigen erst erfüllt und vollendet249. Es ist nicht verwunderlich, daß Paulus aufgrund dieser Erfahrung dazu kam, den inclusiv universalen Charakter der Auferweckung Christi als Auferstehen der Glaubenden »mit ihm« (s.o. Kap.␣ 2.2.) theologisch herauszuarbeiten. Die lebenswendende und lebensbestimmende Gewalt des Erscheinungswiderfahrnisses für Paulus läßt sich historisch, psychologisch und theologisch wohl nicht verständlich machen ohne die Annahme, daß er in seiner vorausgehenden religiösen Biographie – insbesondere seiner sich steigernden Anteilnahme und Abwehr im Verhältnis zur christlichen Gemeinde (cf. Act␣ 7,57 u.␣ 8,1; 8,3; 9,1f.) – auf eine ihm vielleicht bis Damaskus selber verborgene Weise für diese radikale Umkehr innerlich vorbereitet war (cf. auch Gal␣ 1,15!). Der blitzartige Umschlag betrifft ihn als seine eigene Wahrheit, insofern sie ihm gerade den Gott erschließt, mit dem er es in seiner leidenschaftlichen Verfolgung der Christen im tiefsten immer schon zu tun hatte. Indem er Christus erkennt – sofort und unwiderruflich –, erkennt er seine eigene Geschichte mit Gott (bzw. Gottes mit ihm) von deren ihm hier und jetzt schlagartig offenbarten Telos her (cf. skeúo“ †klogö“, Act␣ 9,15). Er hätte im Rückblick auf diese Vorgeschichte auch sagen können: »Brannte nicht mein Herz …« (Lk␣ 24,32), so sehr war das ihn äußerlich umwerfende Licht zugleich schon verborgen in ihm250. Aus diesem notwendig anzunehmenden Kontext der überwältigenden Christus-Erfahrung des Paulus läßt sich auch die Frage beantworten, woher Paulus wissen konnte, daß Jesus es war, mit dem er es zu tun hatte bzw. wie er dessen Selbstvorstellung251 (Act␣ 9,5b; 22, 8b; 26, 15; †gá e¢mi ûIhsoú“) verstehen konnte. Der auferstandene Herr identifiziert sich hier für ihn 249 Von da aus wird die Möglichkeit auch der Heidenmission verständlich (Gal␣ 1,16). 250 Vielleicht ist in des Paulus »drei Tage« dauernder Abgeschiedenheit vom Leben (Act 9,9) eine Analogie zu Christi Sein im Grabe zu sehen? (cf. auch Act␣ 9,8: °gfirjh). 251 Sie steht bei dieser Erscheinung anstelle der den Auferstandenen identifizierenden Worte oder Zeichen in den Evangelienberichten (s.o. Kap.␣ 3.1., S.␣ 69f.). Freilich ließe sich gegen die theoretisch gestellte Frage auch einwenden: wer sollte es denn sonst sein?
5. Zur Erscheinung vor Paulus (systematisch)
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selbst, »und zwar in Termini aus der Erinnerung des Paulus – als derjenige, der von Paulus verfolgt wird«252. Und für die Jerusalemer Gemeinde dürfte des Paulus eigenes Bekenntnis zum lebendigen Herrn ausgereicht haben, seine Erscheinung zu verifizieren. Aus allem hier Gesagten geht m.E. hervor, daß man den Unterschied zwischen den Ostererscheinungen der Evangelien und der Erscheinung vor Paulus nicht übertreiben oder sie gegeneinander ausspielen sollte. Das entscheidende Gemeinsame ist ihr theologischer Kern: daß Jesus selbst gesehen und erkannt wurde – mit einer unwiderleglichen Gewißheit für die Betroffenen. Für die oft diskutierten Unterschiede ist zu beachten, daß die Situation, auf die jeweils die Erscheinung bezogen war bzw. in die hinein sie traf, bei Paulus und bei den Jüngern auch eine je verschiedene gewesen ist. Die Jünger kannten Jesus leibhaft und persönlich, und sie wurden aus der Zwischenphase ihrer Verzweiflung über seinen Tod herausgerissen und durch die Auferstehung in ihrem Glauben an Jesus über die Maßen neu bestätigt und bestärkt. Bei Paulus ist eine größere Distanz gegeben, er hatte kein Bild von Jesus, und die Erscheinung hatte in einem bis ins Innerste seiner Person und seines theologischen Denkens hinein einschneidenden Geschehen seinen leidenschaftlichen Widerstand zu überwinden. So ist die Erscheinung des Auferstandenen bei ihm in einer Hinsicht gleichsam distanzierter und hat noch stärker als bei den Jüngern den Charakter einer WortGegenwart, in der anderen Hinsicht aber wurde er in einer äußerst dramatischen Umkehrung seines gesamten Innern überwunden und ihm eine, seine ganze bisherige Lebenshaltung erschütternde Einsicht unwiderstehlich aufgezwungen; von daher ist es stimmig, daß der Lebendige ihm von einer blitzartigen Lichtaura umgeben erscheint253.
252
Cf. R.R. Niebuhr, aaO.␣ 147. Niebuhr macht darauf aufmerksam, daß jede historische Gegenwart in Termini der Vergangenheit, die durch die Erinnerung ausgewählt sind, identifiziert werden muß (ebd.). Cf. o. Anm.␣ 86. 253 Freilich kann das spezifische physische Element der »Lichterscheinung« vor Damaskus für Paulus nicht eine solche (entscheidende) Rolle gespielt haben, daß es ihn gehindert hätte, eine Auferstehungsleiblichkeit (soma pneumatikon, I Kor␣ 15,44) anzunehmen.
116
Kapitel 4
Auferstehung als Neuschöpfung Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Lk␣ 24,5
1. Das leere Grab Ich gehe davon aus, daß es historisch das Wahrscheinlichste ist anzunehmen, das Grab Jesu sei leer gefunden worden1. Dies Faktum selber war von Anfang an nicht strittig2; strittig war vielmehr, aus welchem Grunde: ob im Zusammenhang mit Gottes Auferwecken oder, wie die jüdischen Kritiker der Urgemeinde sehr bald behauptet haben, weil die Jünger den Leichnam entfernt hätten (Mt␣ 28,13)3. a. Aber mag es historisch damit bestellt sein wie immer, theologisch wichtig ist, daß schon im NT das leere Grab, als objektives Faktum für sich genommen, nicht als Beweis für die Auferstehung gewertet wird4. Der Sachverhalt wird jeweils sprechend erst durch die Botschaft des Engels und in unlösbarem Zusammenhang mit dem Erscheinen des Auferstandenen selbst5. Das besagt, 1 Zur historischen Diskussion cf. den umsichtigen Überblick bei Pannenberg, STh II, 398–402, für den das leere Grab nur eine zusätzliche Bestätigungsfunktion hat (402). Schon H. v. Campenhausen hält bekanntlich die Grabestradition für alt. 2 Die alte These, das Grab Jesu sei unbekannt gewesen (D. F. Strauß, Leben Jesu für das deutsche Volk (Leipzig 1864), 312, cf. 596ff. und G. Volkmar, Die Religion Jesu und ihre erste Entwicklung nach dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft (Leipzig 1857), 81ff. sowie die scharfe historische Kritik an ihr bei K. v. Hase, Geschichte Jesu (Leipzig 1876), 584!), ist mit weniger überzeugender Argumentation von Lüdemann erneut vorgebracht worden (aaO.␣ 57f., 134, 141, 191). Gegen diese schwache Behandlung der Frage ist auch einzuwenden: eben weil das Grab leer war, hat sich kein Kult bei ihm entwickelt und konnte es allmählich in Vergessenheit geraten. 3 Gegen Lüdemann (aaO.␣ 141) ist zu fragen: warum sollten die Juden die bloße christliche Behauptung vom Leersein des Grabes akzeptiert – und nur anders interpretiert – haben, wenn der Augenschein sie einfach hätte widerlegen können? Weiter: ist es vorstellbar, daß der Leichnam Jesu nicht ordentlich begraben wurde? 4 Zum sachlichen Gefälle: Auferstehungserfahrung – Entdeckung des leeren Grabes cf. A. Lindemann (zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 129f.). Am ehesten könnte das leere Grab wohl bei Joh als eine Art »Beweis« gesehen sein (cf. Lüdemann, aaO.␣ 171 u. A.␣ 601). 5 Nur in diesem theologischen Kontext läßt sich sagen: »die Kirche Jesu Christi erbaut sich über dem offenen Grabe« (Ihmels, aaO.␣ 27).
1. Das leere Grab
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das leere Grab an sich kann nicht primär Gegenstand des Glaubens sein6. Die nur negative Feststellung: »Er ist nicht hier« (Mk␣ 16,6) führt auch nicht zum Glauben, sondern ins Vieldeutige (z.B. auch zur Vorstellung bloß einer Entrückung in den Himmel!7). Das nackte Faktum hat die Offenheit des Negativen, eines argumentum e silentio, aber auch die Fruchtbarkeit des Möglichen, denn es weist über sich hinaus. Darum kann man das leere Grab mit K. Barth als »sprechendes Zeichen« (KD III/2, 542f., IV/1, 351) ansehen; für den Glauben ist es eben Zeichen für das angebrochene Eschaton (cf. Ez␣ 37,12–14 mit Mt␣ 27,52f.). Freilich ist es m.E. kein Zeichen, das auch entbehrlich wäre8; sondern ob man das Grab leer denkt oder nicht, das entscheidet natürlich über das Verständnis der Auferstehungsrealität selber. Die Urchristenheit jedenfalls konnte sich eine wirkliche Auferstehung nur mit dem Leergewordensein des Grabes zusammen vorstellen. Sie berief sich dafür auf Ps␣ 16,10 (cf. Act␣ 2,27 u.␣ 31f.; 13, 35 u.␣ 37; I Kor␣ 15,53)9. Daß Jesus wirklich begraben worden ist (I Kor␣ 15,4), wird wohl nicht nur betont, um die volle Realität seines Todes zu bekräftigen10, sondern auch, um darzutun, daß dieser Tote aus dem Grabe heraus, also wirklich, erweckt worden sei11. Dabei gilt, daß aus dem Grabe Erweckt-
6
Für Barth ist das leere Grab eine »Nebenbestimmung« des Zeugnisses vom lebendigen Christus (KD IV/1, 376), die aber zur Unterscheidung vom Doketismus sachlich doch unentbehrlich ist (376f.). 7 Demgegenüber ist eine Erzählung vom leeren Grab wie Mk␣ 16,6 gerade eine »Veranschaulichung der Auferweckungsbotschaft im Kontrast antiker Entrückungslegenden« (TRE 4, 499, 45f.). Lüdemanns angebliche Parallelen aus antiken Schriftstellern überzeugen sämtlich nicht, sondern schildern ganz anders gelagerte Fälle (cf. aaO.␣ 135f., 136f., sowie (ganz abwegig) 113f.). 8 Gegen Althaus, aaO.␣ 30f. 9 Lüdemann kann nicht plausibel machen, wie es zum Auferstehungsglauben (sensu stricto!) kommen konnte, wenn das Grab nicht leer war (cf. 29f.). Auch die beiden theologischen Argumente, die er gegen das Leersein des Grabes anführt (cf.␣ 59, 3.␣ Abs.), überzeugen nicht. 1. I Kor␣ 15,50 besagt nur, daß Fleisch und Blut nicht als solche das Gottesreich erwerben; eben darum redet Paulus ja auch vom sùma pneumatik·n (V.␣ 44)! Cf. auch das »Verwandeln« (V.␣ 51 u. I Thess␣ 4,15 u.␣ 17 und Lüdemann, aaO.␣ 60.) 2.␣ Der Vergleichspunkt ist scharf festzuhalten: der wirkliche Tod (und nicht das Verwesen) entspricht dem Verwesen des Samenkorns (cf. I Kor 15,36: üpoj›nÔh!). Insgesamt ist Lüdemanns ganze Konstruktion von einem »unehrenhaften Begräbnis« (cf. 56–58) historisch nicht zwingend; denn Jesu Begräbnis als ehrenvoll (d.h. doch wohl als normal) darzustellen, wie die Texte es tun, muß nicht schon das Gegenteil voraussetzen! Als historische Erklärung reicht der Kontrast zu seinem schmachvollen Tode völlig aus (cf. aaO.␣ 56, 58). 10 Gegen die Scheintod-Hypothese, die immer nahelag, bzw. gegen Doketismus jeder Art. 11 Insofern spricht auch I Kor␣ 15,53 (cf. 52) für das leere Grab: Gott erweckt aus dem Tode, d.h. aus dem Grabe bzw. aus der Sterblichkeit und Verweslichkeit. Cf. auch Korff, aaO.␣ 138.
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Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung
werden nicht einfach identisch ist mit der Wiederbelebung eines Leichnams, der aus dem Grabe hervorkommend sich den Jüngern zeigte12. Doch wofür ist das leere Grab denn ein »sprechendes Zeichen«?13 Es ist ein anschaulicher Verweis weg vom Tod: »Er ist nicht hier« (Mk␣ 16,6), denn Christi Leben ist »verborgen mit Gott im Himmel« (cf. Kol␣ 3,3) und so auch bei uns. D.h. es ist Anzeichen dafür, daß der Tod ihn nicht halten kann und daß sein Leben seinen Tod in sich hinein überwunden hat: als das Leben in sich und aus sich selbst ( Joh␣ 5,26b). Die Leere des Grabes zeigt es: dem Tod bleibt nichts übrig, er geht »leer« aus. Und daß er »nicht hier« ist besagt, daß er selber es ist, der wiederkommt in den Erscheinungen vor den Jüngern. Von hier aus läßt sich ein wechselseitiger Verweisungszusammenhang zwischen (leerem) Grab, Erscheinung und Auferstehungsglaube feststellen. Die Negativität des leeren Grabes – als die Fehlanzeige des »nicht hier« – bezieht sich auf etwas Positives, eben die sich selber vergegenwärtigende Realität (des Auferstandenen), die aber zugleich andersartig ist, das Grab hinter sich hat. »Erscheinung« ist nicht von derselben massiven Realität wie der im Grab nicht vorhandene Leichnam, sondern als Realität auch irgendwie ungreifbar, nicht festzuhalten oder verfügbar. Der Glaube an die Auferstehung – das Nein des Grabes mit dem Ja der Gegenwart Christi vermittelnd – ist als Glaube auf eine übergegenständliche Wirklichkeit bezogen (cf. Hebr␣ 11,1), die Gewißheit ermöglicht, empirische Verifikation aber ausschließt. Das leere Grab verkündigt eben damit aber auch: »das Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden« (II Kor␣ 5,17). Denn es zeigt, es gibt keine unmittelbare Kontinuität mit dem Irdischen, der tot ist, keine einfache Wiederkehr und Fortsetzung seines Lebens, das gewesen ist14. Die die suchenden Jünger anstarrende Leere sagt: das ist endgültig vorbei. Insofern hält das leere Grab Kreuz und Auferstehung fest, markiert einen unhintergehbaren Einschnitt und ist die unübersehbare Spur dessen, daß hier Leben aus dem Tod kommt. Das läßt sich noch weiter denken. Das steinerne Schweigen des Grabes, in dem der tote Jesus liegt bzw. lag15, entspricht »der tödlichen Stille der Gottverlassenheit« in Jesu Agonie16, in der der verzweifelte, fragende und ankla12 J. Weiß erklärt von daher das leere Grab: »Christus wird mit einem schon verklärten Leibe das Grab verlassen haben« (Der erste Korintherbrief, KEK 5 (19109), 349); cf. dazu Lüdemann, aaO.␣ 60. 13 »Sprechend« ist dies Zeichen eigentlich erst durch das deutende Wort, dessen es daher wesentlich bedarf! 14 Darin besteht das Mißverständnis der Maria Magdalena, Joh␣ 20,16f.; V.␣ 17b wehrt ein allzu handgreifliches Verständnis der Auferstehungsleiblichkeit ab. Auferstehung ist eben nicht einfach Rückkehr zu dem bisherigen leibhaftigen Umgang. 15 Cf. die sprechende Formulierung bei Lüdemann: »Endete der Karfreitag also stumm wie in einer dunklen Höhle …« (aaO.␣ 192). 16 Dalferth, aaO.␣ 43.
1. Das leere Grab
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gende Schrei des Sterbenden (Mk␣ 15,34) unbeantwortet stehen bleibt. So wie die Gottverlassenheit am Kreuz Ort von Gottes versöhnender Gegenwart ist, so ist die Totenstarre des Leichnams, den sie ins Grab legen, Anhalt für Gottes neuschaffende Lebendigkeit. An beiden Stellen, im mentalen und physischen Aufscheinen des Nichts, ereignet sich – darauf kommt es hier an – Gottes Anwesenheit. Sie ist eine das Nichts negierende, sich vom Nichts unterscheidende, schöpferische Macht; an beiden Stellen gibt sich das Geheimnis des göttlichen Lebens aus sich selber als Geheimnis der Negativität zu erfahren17. Das leere Grab manifestiert das schöpferische Geheimnis im Herzen des Nichts selber ad oculos: »Er ist nicht hier!« So viel zum leeren Grab als sprechendem »Zeichen«. b. Grundsätzlich ist seine Bedeutung darin zu sehen, daß es ein Index für die Tatsächlichkeit der Auferstehung ist und für ihre Wirklichkeit steht. Nichts anderes nötigt so wie das leere Grab zu fragen, was das ontos egerthe denn ontologisch besagt18. Es besagt, daß der auferweckte Christus als solcher sein leibliches Leben wieder in Besitz genommen hat, und das ist gerade nicht das vereinzelte Wiederbelebtwerden eines Leichnams, das ja wieder nur die Richtung auf ein erneutes Sterben in sich hätte (wie z.B. der wiedererweckte Lazarus noch einmal wird sterben müssen)19. Ontologisch bedeutet die Macht des Lebens Christi aber gerade den Tod des Todes, und das heißt endgültiges Leben: aus der Kraft »unauflöslichen Lebens« (zwö“ ükatal‚tou Hebr␣ 7,16). Auf diesem Hintergrund hängt am leeren Grab die Wirklichkeit der Auferstehung oder ist das Leersein des Grabes eine Implikation einer als real gedachten Auferstehung20. Das leere Grab steht dafür, daß Gott in der Auferweckung Jesu sich ganz mit dem ganzen Jesus, und d.h. mit Jesus selbst, identifiziert hat, mit seinem wirklichen (irdisch-leibhaftigen) Leben als dieser einmaligen Person. Gottes Handeln an Jesus betraf nicht nur einen Teil oder ließ gar einen Rest unberührt. Nichts irdisch noch Aufweisbares bleibt ausgenommen, d.h. übrig, wenn und in dem Gott Jesu ganzes Leben in seine Ewigkeit hinein aufhebt: das bekundet das Leersein dieses Grabes. Wenn man annimmt, das Grab sei nicht leer gewesen, ist die unausweichliche Konsequenz, daß dann der Auferstandene nicht völlig er selbst als diese ganze Person wäre, sondern nur eine gespensterhafte Verdoppelung, ein farbiger Schatten seiner selbst, ein vielleicht himmlisches Bild der Person, aber nicht 17
Zur Negativität s.u. Kap.␣ 6.3., S.␣ 162ff. Ebeling, aaO.␣ 297. Ganz vergleichgültigt sollte die Frage nach dem leeren Grab daher nicht werden, wie z.B. Mildenberger tut (TRE 4, 559, 24ff.). 19 Joh 11, Lk␣ 16,29ff. u.a. 20 Wenn das Grab nicht leer war, reduziert sich der Glaube auf bloße Innerlichkeit (cf. KD IV/I, 377). 18
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Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung
diese selber, d.h. Jesus Christus selbst21. Jede Annahme über das Nicht-Leersein des Grabes läuft also auf eine Aufspaltung des Seins Jesu Christi hinaus (Chorismos)22. Wie hat man theologisch zu verstehen, was mit dem toten Jesus geschehen ist, wenn der Leichnam weder entwendet wurde noch auch natürlich verwest ist (cf. Act␣ 2,27 u.␣ 31f.)? Man muß hier denken, daß sich an Jesus in einer Art »Zeitraffung« antizipatorisch auch im Leiblichen vollzogen hat23, was sich im Eschaton mit den Leibern aller Gestorbenen begeben wird – so wie Christus überhaupt unsere Vollendung antizipiert: nämlich, daß sie schöpferisch in Gottes ewiges Leben aufgehoben werden24. Das Kommen des neuen ewigen Lebens ist an sich selber das Absterben und Verzehrtwerden des alten, d.h. dessen Aufhebung25. In einer neuen Welt kann es keine »alten«, d.h. nichtleeren Gräber mehr geben!26 Aufhebung bedeutet hier: Gottes Neuschaffen Jesu Christi – in kraft von Gott als dem Lebendigen – war zugleich und als solches (eodem actu) die Annihilation des toten Leibes27 – insofern besagt »leeres Grab« gerade, daß Christus ganz tot war! – und seine Wiedererschaffung28 (cf. o.␣ 68 u. u.␣ 121f.). Dieser aufhebende Akt Gottes an dem Toten – toto coelo verschieden von einer biologischen Wiederbelebung – hat eine Analogie an dem Verwandeltwerden der Lebenden, die von der Parousie überrascht werden (üll›ssejai, I Kor␣ 15,51 u. I␣ Tess␣ 4,15 u.␣ 17, cf. Hebr␣ 1,12). Insofern weist das leere Grab, 21 Über die Folgen eines Verständnisses der Auferstehung Christi als nicht leiblich cf. L. Ihmels, Zur Frage nach der Auferstehung Jesu, in: F.S. Haering (1918), 20–35. 22 Gegen Graß, der durchweg Auferstehung als Erscheinung (objektive Vision!) des Erhöhten vom Himmel her bzw. sie als Erhöhung dahin versteht, und sie so um ihre spezifische eschatologische Wirklichkeit bringt. 23 Zu solcher »Zeitraffung« cf. im Zusammenhang mit I Thess 4: WA 36, 676, 23f. u.␣ 677, 29f. 24 Die allgemeine Totenauferstehung bedeutet nicht etwas, wovon die sterblichen Überreste in den Gräbern unbetroffen bleiben könnten, wie Althaus annimmt, cf. aaO.␣ 31. 25 Cf. Hebr␣ 10,9b u. WA 36, 685, 28ff. 26 H. Graß nimmt das paulinische »Die Gestalt dieser Welt vergeht …« (I Kor␣ 7,31b) so auf, daß »die alte im Grab liegende Leiblichkeit [nicht] zur Bildung der neuen Leiblichkeit dient« (aaO.␣ 171, Hervorhebung J.R.). Aber spricht der Umstand, »daß es zur Herstellung der neuen Leiblichkeit der Elemente der alten nicht bedarf« (aaO.␣ 163, cf. 171 u.ö.), schon gegen das leere Grab und nicht gerade eher dafür? Dies wird deutlich, wenn man bedenkt, daß das Vergehen der »Gestalt dieser Welt« eben auch für die Elemente der alten Leiblichkeit, und zwar theologisch gleich radikal gelten muß. 27 Cf. WA 36, 676, 23f. 28 Diesen Aufhebungs-Vorgang kann man mit Graß – im Anschluß an II Kor␣ 5,2 – als »ein Verzehrtwerden der alten Leiblichkeit durch die vom Himmel kommende neue« beschreiben (cf. aaO.␣ 164 mit 170). Unter Bezug auf das von Graß, aaO.␣ 308 (Anm. zu S.␣ 164), Angeführte kann man sagen: indem dem Glaubenden in der Auferstehung von Gott ein sùma pneumatik·n geschenkt wird, wird er sich als er selber geschenkt.
2. Die neue Leiblichkeit
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wie gesagt, auf den Abbruch der empirischen Kontinuität (I␣ Kor␣ 15,36) hin als die Voraussetzung bzw. als intrinsecisches Moment von Gottes Neuschaffen im Geist zu einem neuen pneumatischen Sein. Oder auch: das leere Grab zeigt, daß wirklich der irdische Christus selbst (mitsamt seinem Tod) in Gottes Leben hinein aufgehoben wird. Nach Ostern ist auch im empirischen Sinne nichts mehr katÅ s›rka von ihm da, weil er selbst ganz lebendiger Herr ist.
2. Die neue Leiblichkeit Im 3. Kapitel wurde gezeigt, daß man das Himmlische und das Irdische an der Realität des Auferstandenen nicht gegeneinander ausspielen kann, da für sein neues Sein gerade das lebendige Zugleich entscheidend ist, als ein Sein im Übergang von plötzlichem Kommen und Sichentziehen, von Nähe und Distanz, von gleichsam körperlichem Dasein und doch Ungreifbarkeit. Diese Merkmale sollen in diesem Abschnitt als solche der spezifischen Auferstehungsleiblichkeit unter dem Begriff des »geistlichen Leibes« (sùma pneumatik·n, I Kor␣ 15,44) weiter bedacht werden. Dabei werden die paulinischen Aussagen über die eschatologische Auferstehungsleiblichkeit auf die Verfassung des auferweckten Christus zurückübertragen, weil alles dafür spricht, daß Paulus sie auch von daher formuliert29. a. Es geht bei der Leiblichkeitsdiskussion wesentlich um die Frage nach der Identität des auferstandenen Christus mit dem gekreuzigten Jesus. Diese Frage ist entscheidend30, weil die Auferstehung nur ist, was sie ist, wenn es sich um wirklich und ganz denselben Jesus handelt – aus ähnlichen Gründen wurde im vorhergehenden Abschnitt das leere Grab theologisch verteidigt31. Das Interesse an der Leiblichkeit des Auferstandenen ist theologisch ein Interesse an der »Ganzheit der Neuschöpfung«32 und an der Kontinuität seines Lebens, also nicht an der isolierten Körperlichkeit als solcher33, sondern an 29
Cf. Rengstorf, aaO.␣ 84f. (zur Paradosis: 83f. u.␣ 86!), Kittel, aaO.␣ 139 u. Graß, aaO.␣ 149 sowie Lüdemann, aaO.␣ 64 (mit Hinweis auf Delling, A.␣ 229). Im Munde Christi selbst: Joh␣ 12,23f.! 30 Künneth, aaO. 224. 31 Cf. bes. Anm.␣ 21. Es ist unverständlich, daß Graß davon reden kann, Christus selbst sei auferstanden, zugleich aber die Leibhaftigkeit bestreitet, aaO.␣ 231f. Auch er redet von »Wirklichkeit« und »Identität« (232)! 32 Ebeling, aaO.␣ 304, der freilich meint, die Identität der Leibesmaterie anzunehmen, sei nur eine vorstellungsmäßige Absicherung. Daß die leibliche Ganzheit den Auferstandenen von einem Gespenst unterscheide, betont Luther WA 36, 604, 13ff; 633, 35ff. u.␣ 650, 27f; cf.␣ 628,31ff. (Seele allein). 33 Cf. o. Anm.␣ 14; zum Verhältnis altes und neues Leben cf. Althaus, aaO.␣ 30ff.
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Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung
der Realität des geschichtlichen Menschen, der ebenso wie er leiblich am Kreuz litt, als Auferstandener geschichtlich ist34, d.h. mit einem Wort gesagt, an seiner Wirklichkeit35. Schon darum wird man den Erscheinungsleib und den »himmlischen Leib« Christi nicht voneinander unterscheiden dürfen36. Die Auferweckung bestand in dem Schaffen einer neuen, pneumatischen Leiblichkeit Jesu, die zur Doxa des Kyrios gehört. Dieser Geistleib, den Paulus I Kor␣ 15,44 allen Auferstehenden für das Eschaton verheißt, bedeutet »ein Leben aus unzerstörbarer Verbundenheit mit dem schöpferischen Geist Gottes als dem Ursprung des Lebens«37. Dieser Geist, der eben Jesus auch auferweckt hat (Röm␣ 1,4; 8,2 u.␣ 11), ist die Kraft unauflöslichen Lebens (Hebr␣ 7,16) und insofern selber lebenschaffend (zwopoioún, I Kor␣ 15,45). Weil der Geist lebenschaffend ist, entsteht ein geistiger Leib! An genau diesem lebenschaffenden Geist ist auch des Apostel Paulus Verheißung für unsere sterblichen Leiber ausgerichtet, die neu lebendig werden sollen (Röm␣ 8,11; II Kor␣ 4,10), und seine Wirksamkeit erscheint bereits als Sterben und Leben Jesu an den Leibern der Glaubenden (II Kor␣ 4,10f.; Röm␣ 8,10). Daß in Christus die ganze Fülle der Gottheit »leibhaft« wohnt (Kol␣ 2,9), ist daher auch erst nach seiner Auferweckung wahrzunehmen (cf. Joh␣ 1,14) und endgültig wahr38. Dieser Geistleib in der Dynamis göttlicher Doxa kann wie nichts anderes davor bewahren, die Auferweckung als bloße Wiederbelebung eines toten Körpers aufzufassen39; er ist gemeint, wenn man von
34 Koch, aaO.␣ 240: Es gibt ohne Leiblichkeit keine Liebe Gottes. Zur Leiblichkeit als Medium göttlichen Handelns im Geist cf. Dalferth, aaO.␣ 235 u. cf. u. Kap.␣ 5. Anm.␣ 26. 35 Wilckens, aaO.␣ 96. 36 Mit Künneth, aaO.␣ 224 gegen Althaus, u. dazu cf. Althaus, Die letzten Dinge, aaO.␣ 121ff. 37 Cf. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis (1972, Siebenstern Taschenbuch 165), 106f. u.␣ 145; Grundfragen systematischer Theologie 2, 168 u.␣ 170; Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 71 u.␣ 172. Daß der geistliche Leib aus der Verbindung mit Gott ist, was er ist, sagt Luther von unserer und Christi Auferstehung WA 36, 660, 21–26 u.␣ 665, 37–666, 15. Körperliches und Geistiges werden – in polemischer Absicht – von C.G. Jung töricht gegeneinander ausgespielt, cf. das Zitat bei Lüdemann, aaO.␣ 263 A.␣ 694. 38 Barth spricht von »Gottes Fleisch gewordenem und im Fleisch auferstandenem Sohn« (KD IV/ 1, 389), um mit der Leiblichkeit der Auferstehung die Endgültigkeit der Inkarnation zu unterstreichen. 39 Künneth, aaO.␣ 68. Wegen der radikalen Verwandlung geht ein biologisches Verständnis ganz fehl (cf. Phil␣ 3,21; I Kor␣ 15,53). Das wäre die (theologisch) »absurde Idee einer nochmaligen und zeitweiligen Rückkehr aus dem Grab in dieses Leben«, wie Ebeling – nicht ganz präzis – sagt (aaO.␣ 308). Auch die Erscheinung vor Paulus bei Damaskus läßt sich mit einer solchen Auffassung nicht vereinbaren bzw. ist nicht mit einem Wiederbelebten zu verwechseln. Gegen dies Mißverständnis wenden sich bereits die Kirchenväter (!), cf. die patristischen Belege bei Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 73f. (A.␣ 68).
2. Die neue Leiblichkeit
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einem »verklärten« Sein des Auferstandenen spricht40. Darin ist der Bezug zu einer Leiblichkeit Jesu festgehalten, diese aber trotz der Selbigkeit als neu und andersartig bestimmt41. Nur so kann die neutestamentliche Auffassung, daß der erscheinende Herr nicht wie ein irdischer Leib an irdische Schranken gebunden ist, sondern trotz der unbezweifelten Evidenz seiner Person doch irgendwie fremdartig und sogar unnahbar wirkt, und vor allem die Beschreibung seiner Erscheinung als göttliche Lichtherrlichkeit (Doxa) verstanden werden (cf. Lk␣ 24,16. 31. 36; Joh␣ 20,14. 17. 19; Act 9. 3; 22, 6; 26, 13). Es ist einleuchtend, daß eine solche geheimnisvolle, weil eschatologische Realität der neuen Leiblichkeit sich näherer objektiver Beschreibung entzieht42. Inhaltlich hängt die Unmöglichkeit einer solchen Beschreibung der Auferstehung und Leiblichkeit Jesu auch damit zusammen, daß eine Beziehung zum Auferstandenen vermittelt ist durch die Kenntnis seines irdischen Wirkens43. Also auch, was die Leibhaftigkeit des Auferstandenen angeht, ist eine radikale Verwandlung trotz alles Zusammenhangs mitzudenken, und gerade bei ihr44. Denn zwar steht diese Leiblichkeit dafür, daß in der verwandelten Dauer von Jesu Sein er er selbst bleibt, in »der unverwechselbaren Konkretheit dieses menschlichen Lebens«, und daß es wirklich um »die fortwirkende Mächtigkeit seines Werkes geht, das die endgültige Zukunft dieser Welt bestimmt«45. Andererseits ist eine einschneidende Veränderung Bedingung der Transformation – bzw. schon ihr Vollzug – in das pneumatisch-eschatologische Sein, denn »Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben« (I␣ Kor␣ 15,50, bzw. nicht die Verweslichkeit die Unvergänglichkeit)46. Gleichwohl fand auch am irdischen, todverfallenen Leibe Jesu in der Auferstehung
40 So tritt z.B. nach Schlatter Christus »mit verklärtem Leben« zu den Jüngern, Dogma aaO.␣ 308. Jesu Verklärung (Metamorphosis, Transfiguratio) auf dem Berge Tabor (Mk␣ 9,2ff. par.) ist ein Vorschein der Auferstehung ins irdische Leben Jesu (cf. Mk␣ 9,9; Mt␣ 17,9). Davon muß an Jesus selber irgendwie etwas spürbar gewesen sein. 41 Diese Neuheit betont Luther immer wieder (WA 49, 438. 430. 729 u.ö.); die Andersartigkeit sichert diese neue Wirklichkeit als wirklich neu und als wirklich (z.B. gegenüber bloßer Erinnerung, cf. Althaus, aaO.␣ 69); der Auferstehungsleib ist ohne irdische Gebrechen, cf. WA 36, 636, 24f. 42 Althaus, aaO.␣ 45. 43 Schlatter, aaO.␣ 309. 44 Cf. WA 49, 732f. Soma pneumatikon steht für eine radikale Verwandlung (ül›ssein, I Kor␣ 15,51), bei der nichts unverändert, also auch keine substantielle Kontinuität erhalten bleibt, die aber doch an demselben irdischen leiblichen Leben geschieht; cf. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 72. Dieses Doppelte meint der Begriff »Aufhebung« (als Beseitigung und Bewahrung zugleich, cf. Künneth, aaO.␣ 157). Über exegetische Auslegungsmöglichkeiten zu soma pneumatikon cf. Pannenberg, aaO.␣ 71 Anm.␣ 61. 45 Mildenberger, TRE 4, 558. 46 Die Zerstörung des irdischen Leibes ist impliziert (I Kor␣ 6,13; 15, 36f.).
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Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung
statt, was Paulus so ausdrückt: »Denn dies Verwesliche muß die Unvergänglichkeit anziehen und dies Sterbliche die Unsterblichkeit« (I Kor␣ 15,53; cf. II Kor␣ 5,4). Darin besteht die schöpferische Verwandlung und Verklärung bei der Auferstehung, daß der »Leib dieses Todes« (Röm␣ 7,24b) vom pneumatischen Leib, dem sùma tö“ d·xh“ (Phil␣ 3,31: »Leib der Herrlichkeit«), überformt wird – zur Neuheit des Geistes (Röm␣ 7,6). Wie bei Christus es geschah, so gilt auch für die Christen, daß sie nach der »Erlösung unseres Leibes« (Röm␣ 8, 23) in Christus »des Geistes des Lebens« (Röm␣ 8,2; cf. Phil␣ 3,21; I Kor␣ 15, 44)47 teilhaftig werden sollen. Diese Verwandlung geschieht in der schöpferischen Dialektik von Verneinung und Bejahung, die Paulus am Gleichnis vom sterbenden und von Gott neu verleiblichten Samenkorn veranschaulicht (I Kor␣ 15,36ff.) und die sich im Leben des Christen als mit Christus Sterben und mit Christus Erwecktwerden vollzieht (Röm␣ 6,3ff.). Nur aus dieser Dialektik der Schöpfermacht Gottes als Geist kann die Identität der Person des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus über den Tod hinweg, also trotz aller Antithetik des Umbruchs doch eine Kontinuität nicht preisgebend (vielleicht sie allererst schaffend) verstanden werden48. Das Geheimnis von Gottes neuschaffender Dynamis ist das Geheimnis dieser Negativität. Es gehört als Zusammenhang von Aufhebung und Verklärung – durch alle legendäre Ausmalung der Erscheinungsleiblichkeit hindurch auszumachen – unabtrennbar zum theologischen Gedanken der Auferweckung Jesu zu pneumatischer Leiblichkeit. Diese als Vollendung setzt Destruktion und Wiederholung zugleich in Kraft (I Kor␣ 15,46; cf. Hebr␣ 10,9 u. Joh␣ 3,6). b. Der geistliche Leib, von dem Paulus I Kor␣ 15,44 spricht, ist der in Zukunft werdende Leib (V.␣ 37), den Gott gibt (V.␣ 38) und den wir als »Bild des himmlischen Menschen« (sc. Christus, V.␣ 47) im Eschaton tragen werden (V.␣ 49)49. Denn Christus ist selber das Pneuma, das lebendig macht (zwopoioún,V.␣ 45). Dieser pneumatische Leib, mit dem die Vollendung an Christus proleptisch anbricht, wird von Paulus durch die Stichworte: üfjars‡a (Unvergänglichkeit, V.␣ 42), d·xa (Herrlichkeit, V.␣ 43a) und d‚nami“ (Kraft, V.␣ 43b) bzw. üjanas‡a (Unsterblichkeit, V.␣ 53f.) näher gekennzeichnet. Im Verhältnis zu dieser eschatologischen Vollkommenheit der zukünftigen Leiblichkeit ist unser gegenwärtiger Körper nur als ein schattenhaftes Vorstadium einzuschätzen50. Indem an Christus vorab die »Fleisches47
Luther übersetzt: »des Geistes, der da lebendig macht«. Ebeling, aaO.␣ 304. 49 Cf. WA 12, 336 u.␣ 36, 496, 10f.; 530, 37f.; 595, 31–596, 25; 597, 26f; 599, 13– 15 u. bes. 593, 22ff.; 660, 15ff. 50 Cf. entsprechend Kol␣ 2,17 u. Heim, aaO.␣ 191 u.␣ 193. Luther hat das 1536 auf die Formel gebracht: homo huius vitae est pura materia Dei ad futurae formae suae vitam (Disp. de homine, Th. 35; WA 39/1, 177, 3f.). 48
2. Die neue Leiblichkeit
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gestalt« (Röm␣ 8,3) zerbrochen und schöpferisch »aufgehoben« wurde, ist seine Inkarnation verewigt51; darum ist das soma pneumatikon ein christologisch und theologisch unverzichtbarer Gedanke. Es ist bei dieser Thematik der neuen Leiblichkeit sicher sachgemäß zu erwägen, ob nicht, um die eschatologische Allgemeinheit der Auferstehung Jesu Christi voll zur Geltung zu bringen, die Konzentration auf die individuelle Leiblichkeit des Auferstandenen, wie sie in den Osterberichten einseitig betont wird, zu ergänzen ist durch den paulinischen Gedanken von der Gemeinde als Leib Christi (cf. Röm␣ 12,4ff.), ohne aber die eschatologische Leiblichkeit wiederum hierauf zu reduzieren52. Auch vom Abendmahl als Teilhabe an dem Leibe Christi her, der die Gläubigen zu seiner Einheit verbindet, dürfte sich dies empfehlen. Denn im Zusammenhang mit der Auferweckung Christi zu einem soma pneumatikon wird Gott durch sein schöpferisches Pneuma auch unser soma auferwecken (I Kor␣ 6,13–14 u. Röm␣ 8, 10f.!). Dann sind unsere Leiber »Glieder Christi« (I Kor␣ 6,15) und dies im Geist (V.␣ 17), so daß gilt: der Leib (gehört und lebt) dem Herrn und nicht sich selbst, weil auch der Herr dem Leib (V.␣ 15). Aufgrund dieser Auferstehungsdynamis sind die menschlichen Leiber zum Tempel des lebendigen Gottes bestimmt (II Kor␣ 6,16) bzw. seines schöpferischen Geistes (I Kor␣ 3,16; 6,19 u. Röm␣ 8,9 u.␣ 11) und sollen in das Herrlichkeitsbild ihres Herrn verwandelt und verklärt werden (II Kor␣ 3,18). Gilt das, dann kann auch die Auferstehung Christi nicht als die »Wiederherstellung der separaten Wirklichkeit einer von anderen getrennten individuellen Leiblichkeit« begriffen werden53. Zu recht findet man in der Betonung der paulinisch verstandenen pneumatischen Leiblichkeit des Auferstandenen als seiner verklärten Präsenz jedenfalls eine Absage an die doppelte Richtung von Spiritualismus und Materialismus54. Hier wird der Begriff der schöpferischen »Aufhebung« wichtig, demgemäß dasselbe anders wird. Das soma pneumatikon steht damit jenseits der Alternative von hellenistischer Spiritualisierung (das Abstraktum einer »unsterblichen Seele«), gegen die einzuwenden ist, daß das Ewige kein Restprodukt sein kann, und von judaistischer Materialisierung55, die auf eine übernatürliche bloße Verdoppelung hinausläuft und gegen deren naturalistische Option einzuwenden ist, daß das Ewige keine mechanische Wiederholung sein kann. »Aufhebung« redet davon, daß auch die Leiblichkeit in ihre eigene Wahrheit gelangt und daß derart das Ewige die wahre »Wiederholung« des Zeitlichen ist. Von dieser Aufhebung redet der Sache nach Paulus, wenn 51
S.o. Anm.␣ 38. Cf. dazu Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 2, 184f.; zum Parousie-Gedanken in diesem Zusammenhang cf. 186f. 53 AaO.␣ 185. 54 Cf. Künneth, aaO.␣ 69f. u. Kittel, aaO.␣ 139. 55 So Graß, aaO.␣ 235. 52
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Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung
er als die Logik der Auferstehung formuliert: »daß das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben« (II Kor␣ 5,4; cf. I Kor␣ 15,55 mit 42–44 u.␣ 53f.). c. Hier ist noch ein kurzer eschatologischer Ausblick anzuschließen. Der Ausdruck sùma pneumatik·n hat, unbefangen genommen, eine strukturelle Verwandtschaft zum Wort als einem sinnlich-geistlichen Gebilde. Diese paulinische Formel für unser himmlisches Sein (I Kor␣ 15,48) spräche also (auch) von der endgültigen Wortwerdung unseres Fleisches, gemäß dem Satz Luthers: Sic verbum caro factum est … ut caro verbum fit et homo formam assumat verbi56. Die Form des Wortes anzuziehen, ist letztes Ziel des Glaubenden, dessen Glauben selber schon wortförmig ist57. Der eschatologische »geistliche Leib« ist also, was er ist, als »ins Wort gefaßt«58. Diesen Bezügen entspricht bei Paulus, daß es dieselbe Dynamis und Doxa ist, die sowohl das soma pneumatikon konstituiert (I Kor␣ 15,43f.), die als ewig (Röm␣ 1,20) das Wort des Evangeliums selber schon ist (Röm␣ 1,16) und als Pneuma die Auferweckung wirkt (Röm␣ 8,11). Gottes allmächtiges Schöpferwort59, das in Christus menschgeworden und zu ewigem Leben erweckt worden ist, schafft sich im Glauben und in der eschatologischen Verklärung der Glaubenden zum soma pneumatikon (als von diesem Wort durchdrungen) diejenige Wiederholung, in der Gott sein unerschöpfliches Leben lebt, weil er (dann) »alles in allem« ist.
56 WA 56, 330, 1–3, cf.␣ 62,18: ut nos verbum efficiamur und WA 1, 28, 26f. S.␣ auch o. Anm.␣ 50! 57 Cf. WA 56, 330, 3 u.␣ 62, 17 mit 227, 4–6. 58 WA 11, 403, 3. 59 Es läßt sich – wiederum im Anschluß an Luther – auch zeigen, daß und wie die Schöpfung selber, in eschatologischer Perspektive, worthaft verfaßt ist.
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Kapitel 5
Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes. Mt␣ 22,29
1. Auferstehung und Schöpfung Es ist mehrfach betont worden, daß die Auferweckung als Gottes Ja zu dem gekreuzigten Jesus eine schöpferische Identifikation mit dem Toten, um ihn so als Lebenden sein zu lassen, darstellt. Ist dieses Festhalten des lebendigen Gottes an seiner Gemeinschaft mit Jesus auch im Tode und durch ihn hindurch bzw. aus dem Tode heraus ein schöpferisches Handeln Gottes, so stellt sich die Frage, wie sich die Auferstehung zum Schöpferhandeln Gottes überhaupt, d.h. zur protologisch verstandenen Schöpfung verhält. a. Mit der Schöpfung hat die Auferweckung zunächst den reinen Ereignischarakter eines unableitbaren, Wirklichkeit setzenden göttlichen Tuns gemeinsam1. Weil das Auferstehunghandeln sich am toten Jesus vollbringt, kann es »nur mit dem Ereignis der Schöpfung aus dem Nichts verglichen werden«2, das es unter den spezifischen Bedingungen menschlicher Erfahrung von der nichtenden Macht des Todes (und der das Schöpfungsziel negierenden Macht der Sünde und dem zur tödlichen Macht verkehrten Gesetz) »wiederholt«: ein gleichsam unter verschärften, weil als falsche Positivität des Negativen zu überwindenden Bedingungen potenziertes Sichdurchsetzen göttlicher Kreativität, die, an nichts Vorhergehendes unmittelbar gebunden, sich am radikalen Gegenteil ihrer (neu) durchsetzt. Insofern setzt Gottes Handeln bei der Auferweckung des Gekreuzigten neues Sein nur so, daß es zugleich das verkehrt Seiende negiert (I Kor␣ 1,28)3. 1 Nach der eindrücklichen Formulierung von H. Bergson sind die Ergebnisse von wahrhaft schöpferischer Macht »die Unvorhersehbarkeit selber« (Schöpferische Entwicklung, Jena 1912, 229). D.h. doch wohl auch, wo ein absolut Neues, ganz und gar Singuläres, Unvergleichbares auftritt – wie bei der Auferstehung –, wird die, zumeist verstellte oder verborgene, Unvorsehbarkeit überhaupt als Offenheit der Wirklichkeit selbst und im ganzen, ihr Möglichkeitsraum nach vorn schlagartig erfahrbar. 2 R.R. Niebuhr, aaO.␣ 145. Moltmann redet – im Anschluß an E. Bloch – vom »novum ex nihilo« (Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 328). 3 Cf. zu dieser Stelle schon Kap.␣ 3.2., Anm.␣ 146.
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Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln
Insofern der Tod, aus dem Gott schöpferisch das Leben (Christi) hervorruft, ein sozusagen potenziertes Nichts darstellt, kann sein Auferweckungshandeln also mit der ursprünglichen creatio ex nihilo verglichen und jenes sogar mit dieser auf einer Linie, eben der des Selbsterweises göttlich produktiver Lebendigkeit gesehen werden. Ein Unterschied liegt in dieser Hinsicht darin, daß die Auferstehung, wie gezeigt, sich auf etwas Vergangenes bezieht und neue geschichtliche Möglichkeiten der Zukunft freisetzt4, ja das Eine nur in und mit dem Andern tut! Ist die Schöpfung aus dem Nichts als Gottes freies Seinlassen von (im Verhältnis zu ihm) Anderem zu bestimmen, so die Auferweckung Christi als ein Seinlassen bei sich. Damit ist gesagt, daß die Auferstehung die Schöpfung auch in dem Sinne wiederholt, daß sich in ihr der eigentliche Grund der protologischen Schöpfung endgültig manifestiert und so das Schöpfungshandeln überhaupt zum Ziel bringt, nämlich die ewige Liebe. Der Gott, dem mit aller Kreatur auch wir das Dasein verdanken, zeigt sich in Christi Auferweckung zum neuen Leben »unwiderruflich als Gott für uns«5. Darum muß man mit Paulus und Luther den Auferstehungsglauben als Schöpfungsglauben auffassen6. b. Insofern die Auferstehung Gottes schöpferisches Mitsein mit Jesus in kraft seines eigenen Lebens ist ( Joh␣ 5,26) und Gott dabei bleibend wirksam ist als allmächtiger Grund von Christi ewigem Leben, zu dem wir im Glauben gehören sollen, zeigt sich darin qualifiziert Gottes sich fortsetzendes Schöpferhandeln, als creatio continuata. Daher schließt insbesondere und endgültig die Auferstehung ein deistisches Gottesverständnis aus7, weil die Auferwekkung eben nicht bloß eine isolierte göttliche Machtwirkung ist, um den Toten zum Leben zu bringen und ihn dann dieser eigenen Lebendigkeit für sich wieder zu überlassen, sondern weil sie ein definitives und effektives Sicheinigen des göttlichen Schaffens mit Christus im eschatologischen Vollendungshandeln ist. Die Auferstehung ist Gottes eigenes Weiterführen seiner Schöpfung auf ihr Ziel hin. Darum ist die neue Schöpfung, als die die Auferstehung verstanden werden muß, nur die Fortführung der Schöpfung überhaupt bzw. ihr deren Vollendung antizipierendes sich endgültig Durchsetzen. Indem sie die neue Wirklichkeit setzt, erweist sich Wirklichkeit überhaupt und als ganze, nämlich vom Anfang her und auf die Vollendung hin, als Schöpfung bzw. 4
Niebuhr, ebd. Dalferth, aaO.␣ 77. 6 Cf. WA 49, 400ff. u.␣ 437; zu Röm␣ 4,17 s.u. c. 7 So schon J.S. Semler: »die Aufgabe, ob Jesus auferstanden ist, oder nicht, theilet die Menschen in Christen und Deisten« (Beantwortung der Fragmente eines Ungenannten insbesondere vom Zweck Jesu und seiner Jünger, Halle 1779, S.␣ 279). 5
1. Auferstehung und Schöpfung
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erweist sie sich gerade vom Ende her als auch am Anfang schon Schöpfung8, d.h. als ein Sichdurchsetzen der alles bestimmenden Macht Gottes, die in ewiger Liebe alles in allem sein will (I Kor␣ 15,28). Ist die Auferstehung »gleichsam ein zweites Schöpfungswunder«9, wodurch der Glaube an Gott den Schöpfer noch einmal neu begründet und vertieft wird, so ist umgekehrt bereits die erste Schöpfung als praeludium resurrectionis (Calvin) zu bestimmen10. Weil das göttliche Handeln Ausdruck des einen ewigen Lebens Gottes ist, knüpft die Vollendung an die Schöpfung an11 und geht die Schöpfung über die Versöhnung auf die Erlösung zu12, um deretwillen sie überhaupt begonnen hat und deren Aufsichzugehen sie ist. Daher ist die Auferstehung die zweite Schöpfung als das eigene Neuwerden der (sozusagen) ersten auf ihrem Wege vom Proton zum Eschaton, der in Wahrheit Weg des Eschaton zu sich selber (als dem wahren Anfang des Proton) ist. Dieser Weg ist im Kern der Weg vom ersten Adam zum zweiten als dem mit Gottes Schöpfergeist Geeinten (I Kor␣ 15,45). Insofern dieser Weg der Schöpfung zu sich als Neuschöpfung – von Adam zum Auferstandenen – die innere Bewegtheit von Gottes eigener Lebendigkeit kreatorisch handelnd darstellt, sind Schöpfung und Auferstehung von dem einen Tag göttlichen Schöpferhandelns in Ewigkeit umschlossen13. c. Der Apostel Paulus hat diese Verschränkungen von Schöpfung und Auferstehung insbesondere in Röm␣ 4,17ff. in einer Art Engführung ins Licht gesetzt. Dieser Text umgreift durch den Bezug auf denselben lebendigen Gott die Differenz zwischen Abraham und den Christen in der Gemeinsamkeit eines Glaubens, der von Abraham sich bis zu den Christen fortsetzt; darum ist Abraham ebenso am Anfang des Glaubens wie jetzt für die Christen von Bedeutung, eben als der Vater des Glaubens14. Dieser Zusammenhang im Glauben gründet im Bezug auf den einen Gott, und Paulus entfaltet die in dieser Beziehung auf den lebendigen Gott liegenden Verschränkungen (mindestens) in vierfacher Hinsicht. 1. Es wird die Gott zugeschriebene allgemeine Totenerweckung (überhaupt) mit der creatio ex nihilo identifiziert (V.␣ 17). Leben aus dem absoluten 8 E. Bloch – allerdings mit kritikbedürftiger Fortsetzung –: »Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende …« (Das Prinzip Hoffnung, aaO.␣ 1628). 9 Künneth, aaO.␣ 158. 10 Zu I Kor␣ 15,39 (bezüglich der Differenziertheit der Schöpfung) cf. CR 77, 556. 11 Dalferth, aaO.␣ 232. 12 Cf. zu den drei Grundtypen göttlichen Handelns (Schöpfung, Versöhnung, Erlösung) Dalferth, aaO.␣ 203f., 207 Anm.␣ 86 u.␣ 231f. 13 Cf. Barth, Auferstehung der Toten, aaO.␣ 115, 118. 14 Cf. Röm␣ 4,16: tù spfirmati … tù †k p‡stew“ ûAbra›m␣ mit V.␣ 18 u. V.␣ 23: kaÑ d¢ ™mô“.
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Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln
Gegenteil davon zu schaffen, Seiendes sein zu lassen ohne Voraussetzung – das wird hier zum Prädikat Gottes schlechthin. 2. Der Verheißungsglaube Abrahams ist selber Schöpfungsglaube an diesen todüberwindenden Lebendigen, insofern die wunderbare Erzeugung von Nachkommenschaft für Abraham mit der Totenerweckung analog gesetzt wird15. 3. Alle Bezüge, die der Text anspricht, sind im Glauben (bzw. für ihn), von dem in jedem Vers die Rede ist (V.␣ 16ff.). An diesem Glauben wiederholt sich der Widerspruch des Schöpfers gegen das Nichts16 bzw. des Lebendigen gegen den Tod, insofern er parû †lp‡da †pû †lp‡di (V.␣ 18) ist. Diese Wiederholung ist wohl noch qualifizierter, insofern die Dynamik des Glaubens der Dynamik des schöpferischen göttlichen Handelns selber entspricht; der Glaube ist demnach der Ort dieser Dynamik Gottes oder auch der Schöpfung beim Menschen17. 4. Der Glaube der Christen ist identisch mit dem Glauben an den lebendigen Gott, an den Abraham geglaubt hat, und er ist es in Abhängigkeit davon18, nämlich Glaube an den totenerweckenden Schöpfergott, der sich neu schaffend und aus dem Tode erweckend eben als dieser an Jesus Christus erwiesen hat19. In Bezug auf den lebendigen und lebenschaffenden Gott gilt: wie Abraham an die Schöpfermacht des totenerweckenden Gottes glaubte (4,17 u.␣ 19; cf. o.␣ 1. u.␣ 2.), so glauben wir an diesen Gott als den, der den gekreuzigten Jesus von den Toten erweckt hat (V.␣ 24: tÖn †ge‡ranta ûIhsoún … †k nekrùn). In der Verschränkung dieser Bezüge ist die lebendige Einheit des einen Glaubens an den einen Gott, der als Schöpfer auch weiter- und neuschaffend und der als aus dem Tode rufend auch ewiges Leben erschaffend ist, so stark betont, daß man in dem Nacheinander jener Bezüge letzlich doch nur ein einziges Handeln Gottes zu erkennen hat, nämlich einen einheitlichen Handlungszusammenhang, der ebenso in sich (zeitlich) differenziert wie in Gott und für Gott (ewig) eins ist: das Sichfortsetzen der Schöpfung als ihre Vollendung. Dieser durchgehende einheitliche Zusammenhang wird von Paulus bis in die Gegenwart der Glaubenden als von Gott Gerechtfertigten weiter verfolgt. Wie der Schöpfung (der Welt) aus dem Nichts (4,17) die Erwekkung Jesu vom Tode (weiterführend) entspricht (V.␣ 24), so dieser die Rechtfertigung der Gottlosen (4,5), weil der Hingabe Jesu an den Tod um der Sünder willen (V.␣ 25) die Auferweckung um deren Rechtfertigung willen 15
Cf. V.␣ 19: sùma nenekr„menon␣ … nfikrwsi“ (S›rra“). Nach II Clem␣ 1,8 werden die Geretteten aus dem Nichtssein ins Sein gerufen. 17 Cf. †nedunam„jh (vom Glauben; V.␣ 20) mit dunat·“ … kaÑ␣ poiösai (von Gott; V.␣ 21). 18 Cf. kaÑ d¢ ™mô“ (V.␣ 23). 19 Der aus dem Nichtseienden Sein Schaffende als der aus den Nicht-mehr-Seienden Sein Schaffende (cf. Jüngel, Tod, aaO.␣ 137). 16
1. Auferstehung und Schöpfung
131
entspricht (ebd.)20. Was an Abraham verheißen wurde, galt schon für uns21, und darum ist er der Vater: wie seine Rechtfertigung auch um unsertwillen festgehalten worden ist (V.␣ 22f.), so ist Jesus um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt worden (V.␣ 24). Was dem Vater des Glaubens widerfuhr, erfüllt sich im Herrn des Glaubens: ûIhsoún tÖn k‚rion ™mùn (V.␣ 24). Weil das so ist, bedeutet Christsein, durch Bekenntnis zum Herrn und Glauben an Gottes auferweckendes Handeln an ihm an der Gerechtigkeit und an Gottes Heil teilzuhaben (Röm␣ 10,9) – eine Gerechtigkeit und ein Heil, in dem sich der Schöpfer als eins mit dem Vollender erweist22. Dafür, daß Paulus die enge Aneinanderbindung von Schöpfung und Auferweckung Christi als einen Geschehenszusammenhang verstehen kann, läßt sich – die Deutung von Röm␣ 4,17ff. unterstützend – auch II Kor␣ 4,6 heranziehen. Sofern hier die Erscheinung des Auferstandenen vor Paulus bei seiner Bekehrungserfahrung in Analogie zur Lichtwerdung bei der Schöpfung (Gen␣ 1,3) gesehen wird, als sei das in Ewigkeit nur ein Ereignis, sind – gespiegelt im Erlebnis des Paulus, das für ihn in metaphysische Tiefen zurückreicht – theologisch Schöpfung und Vollendung in einer Ewigkeitsparadoxie (das Heutige als das Voranfängliche bzw. Ewige) ebenso in eins geschaut wie es für den Zusammenhang von Christi Auferweckung und allgemeiner Totenauferstehung bzw. von Ostererscheinungen und Parousie gilt. In solcher Identifikation des zeitlich Differenten, d.h. auseinander und nacheinander Seienden, in ewiger Einheit, wird Gottes Ewigkeit als ewiges Leben erfaßbar, wie es die Figur des Werdens zu sich auf den Begriff bringt23. d. Steht am Ende der Schöpfung als ihre Vollendung durch Neuschöpfung hindurch das verheißene Omega, ein »neuer Himmel und eine neue Erde« (II Petr␣ 3,13; cf. Offb 21,1 u.␣ 5; Jes␣ 65,17 u.␣ 66, 22), so sind in der Antizipation davon, wie sie sich in den Erscheinungen des Auferstandenen manifestiert hat, bereits proleptisch – mit Luther zu sprechen – »Himmel und Erde ein Ding geworden«24. Diese spannungsreiche und die Existenz der Glaubenden einer Zerreißprobe aussetzende Diastase zwischen »Schon« und »Noch nicht« ist die Signatur der geschaffenen Welt im Übergang zur neuen, ist Kennzeichen ihrer eschatologischen Verfassung. Gleichwohl macht sich seit der Auferstehung und aufgrund ihrer für die geöffneten Augen des Glaubens vielfältig wahrnehmbar, wie »durch die Natur die neue Schöpfung ein20 Röm␣ 5,18 spricht von der dika‡wsi“ zwö“ (cf. auch V.␣ 21), und Paulus kann sogar Christi Auferweckung mit †dikai„jh †n pne‚mati␣ (zitierend) wiedergeben. 21 S.o. Anm.␣ 14. 22 Cf. u. Kap.␣ 6.1. Anm.␣ 30. 23 Zu einem von diesem Begriff zu unterscheidenden prozeßtheologischen Verständnis einer Vollendung der Schöpfung (H.N. Wiemann, L. Thornton) cf. kritisch R.R. Niebuhr, aaO.␣ 24–26. 24 WA 46, 713, 20.
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Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln
herging« und -geht25. Das gilt nicht nur von den Erfahrungen, die der Glaube an sich selber machen kann, sondern – von ihm aus – auch an der Natur, über der ein Abglanz der Auferstehungsherrlichkeit liegen kann; z.B. in ihrer »paradiesischen« Schönheit oder auch in ihrer Verklärung in der Kunst – und für die die pneumatische Leibhaftigkeit des Auferstehungslebens nicht ohne Bedeutung sein kann26. Die Natur ist durch Gottes Auferstehungshandeln geheiligt und kann im Licht der Auferstehung in mancher Hinsicht für diese auch zum Gleichnis werden27. Als Vorläufiges und Vorletztes steht auch die Natur unter der Verheißung auf endgültige Vollendung im ewigen Leben Gottes (Röm␣ 8,20f.)28. Dieses Nicht-in-ihr-Gestilltsein und über sich Hinausweisen hat Paulus als Seufzen auch der außermenschlichen Kreatur nach ihrer Erlösung benannt (Röm␣ 8,19 u.␣ 22). Er begreift damit den status quo der Wirklichkeit als eine kosmische Geburtswehe (V.␣ 22; cf. Joh␣ 16,21), dessen Integral das Kreuz von Golgatha ist. Darum ist die Auferstehung Christi als persönliche Verklärung Christi zugleich die neue Geburt aus der Todeswelt (Act␣ 2,24; cf. Hebr␣ 1,5 u. Röm␣ 8,29), indem Christus »der Erstgeborene aus den Toten« ist (Kol␣ 1,18; cf. 15)29. Wie derart die neue »Geburt der Welt aus der Zuwendung Gottes« entspringt30, der in Christus das Alte vergangen sein läßt und alles neugemacht hat (II Kor␣ 5,17), so ist für den einzelnen Menschen die Begegnung mit dem Auferstandenen, dessen Zuwendung ihn zum Glauben ruft, seine individuelle Wiedergeburt (I Petr␣ 1,3ff.). Der Auferstehungsglaube impliziert so eine neue (eschatologische) Erfahrung der unergründlichen göttlichen Kreativität31. Auferstehung als Schöpfung bedeutet: Gott setzt neues Leben aus sich heraus, d.h. aus der Fülle seiner lebendigen Ewigkeit ein Leben, das an dieser selbst und ihrer Vollendung und Vollkommenheit teilhat – wie es sich mit der Menschwerdung schon anbahnt. Diese vollendete Selbsterschließung und Selbsthingabe (und -weitergabe) seines Lebens ( Joh␣ 5,26) überholt die erste Schöpfung, die schon Seinlassen endlichen Lebens ist, indem sie sie zum definitiven Ort 25
Klopstock, Der Messias XVIII, 111. Eschatologisch und christologisch zu denken wäre das Oetingersche Wort von der Leiblichkeit als Ende aller Werke Gottes (in: Biblisches und Emblematisches Wörterbuch (1776), Nachdruck 1969, 407 (s.v. »Leib«)). 27 Cf. Luthers häufige Gleichnisse für die Auferstehung (der Toten) aus dem Naturleben, WA 36, 639f. Indes folgt Luther hier nur dem Apostel Paulus, I Kor␣ 15,35ff. Für Luther liegen diese Dinge jedem »täglich vor Augen« als ein lebendiges Zeugnis der Auferstehung (cf. aaO.␣ 645, 15–18): Gott hat derart »uns sein werck zum vorspiel gestelt [sc. des Heils], was er mit uns machen wil, umb welcher willen er solchs alles geschaffen hat« (aaO.␣ 646, 10f.). 28 Cf. zu des Apostels eschatologischem »Philosophieren« o. Kap.␣ 2. Anm.␣ 13. 29 Die alte Kirche unterschied eine dreifache Geburt Christi, cf. I. A. Dorner, Geschichte der Christologie I, 1062f. 30 Cf. Heim, aaO.␣ 185. 31 Cf. Dalferth, aaO.␣ 210. 26
1. Auferstehung und Schöpfung
133
göttlichen Lebens macht32. Indem Gott schöpferischer Ursprung des Auferstehungslebens ist, gibt er sein innerstes Leben an seine Schöpfung weiter und bezieht so deren vergehendes Leben ewig in sein eigenes Leben ein33. Weil der Gott, der in der Weltschöpfung als Ursprung von Leben und ewige Lebensmacht sich erwiesen hat, sich bei der Auferstehung als allmächtiger Vollender des Lebens und ewige Lebensfülle erweist, verhält sich die Schöpfung zur Auferstehung wie das lebendige Sein Gottes als unvordenklicher Anfang zu seiner ewigen Vollendetheit. Diese Proportion stellt im zeitlichen Abbild die Einheit von Gottes immanenter Lebendigkeit heraus, dergemäß er alles in allem ist bzw. sein wird34. Im Leben der Auferstehungsgemeinde ist diese neue Schöpfung präsent im Sakrament, in dessen eschatologisch qualifizierten Naturelementen der lebendige Herr des Kosmos sich selber gibt. Dieser auferstandene Herr ist selber die Erfüllung der Schöpfung (Kol␣ 1,15–18). Seine eschatologische Wirklichkeit ist die Wahrheit der jetzt noch unvollendeten Schöpfung und begründet deren Angelegtsein auf Vollendung in der Auferstehung, d.h. auch den Weg vom »psychischen« zum »pneumatischen Adam« (I Kor␣ 15,45–49)35. Derart liegt das ihr von Gott eingestiftete Hoffnungsziel der Schöpfung in der Auferstehungsherrlichkeit der freien Kinder Gottes (Röm␣ 8,19f.)36. Indem die von der Auferstehung Christi Ergriffenen sich in ihm zur ewigen Herrlichkeit Gottes berufen wissen (I Petr␣ 5,10), können sie ihr Beteiligtwerden am Schöpfungsziel (Röm␣ 8,28f.) nur auf Gottes Wahl vor seiner Schöpfung zurückführen (Eph␣ 1,4). e. Was die voranstehenden Ausführungen über die lebendige Einheit von Schöpfung und Auferstehung dargelegt haben, das kann die Dichtertheologie vielleicht zugleich kürzer und in tiefsinniger Anschaulichkeit zur 32
Cf. Luthers Behauptung: »Und ist also eben das Reich hie auff erden, das hernach wird sein jm himel, on das es jtzt zugedeckt und nicht fur augen ist« (WA 36, 569, 33–35). 33 Künneth spricht von Aufgehobensein und »aufhebender Erfüllung«, aaO.␣ 78 u.␣ 52. 34 Luther kann daher sagen: »Ja, das natürliche Leben ist ein Stück vom ewigen Leben und ein Anfang« (WA 10/I, 1, 200). Dieser durch Sünde und Tod abgeschnittene Zusammenhang wird in der Auferstehung wiederhergestellt, und im Glauben als Erkenntnis dessen, von dem man lebt, nämlich Christus, gilt: sie »sterben nimmermehr, sondern das natürliche Leben wird gestreckt ins ewige Leben … [ Joh␣ 8,52 u.␣ 11, 25]« (ebd.). Genau dies ist eine Wiederholung des Zusammenhangs von geschichtlichem Jesus und erhöhtem Christus! 35 Cf. E. Bloch: »Denn auch das Menschsein (wie jeder andere »Wesensgrund«) steht im Prozeß, kann also, im strengen Sinn, nicht einmal einer so ausnahmslosen Erscheinung wie der Sterblichkeit logische Notwendigkeit verleihen« (Das Prinzip Hoffnung, aaO.␣ 264). 36 Cf. Künneth, aaO.␣ 156.
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Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln
Sprache bringen, indem sie den Ostermorgen als ewigen Schöpfungsmorgen anschaut: Die Morgenröte war noch nicht mit ihrem Licht vorhanden; und siehe, da war schon das Licht, das ewig leucht, erstanden. Die Sonne war noch nicht erwacht, da wacht und ging in voller Macht die unerschaffne Sonne. (P.␣ Gerhardt)37
2. Auferstehung und Menschwerdung Die systematische Beziehung zwischen der Menschwerdung Gottes und der Selbstidentifikation Gottes mit dem Gekreuzigten in der Auferweckung ist nur auf dem Hintergrund gewisser herauszustellender Gemeinsamkeiten darzutun. a. Mit beiden christologischen Hauptthemen ist ein unerwartetes bzw. unableitbares, freies Eingreifen des lebendigen Gottes von Ewigkeit her bezeichnet: Gottes selbst (nach seiner zweiten Person im ewigen Sohn) bei der Menschwerdung und Christi (als des mit Gott nach dem Tod am Kreuz neu Geeinten) bei den Auferstehungserscheinungen. Diese Gemeinsamkeit drückt sich darin aus, daß ebenso wie die Auferstehung auf die den Widerspruch des Todes überwindende, lebenschaffende Kraft des Geistes so auch schon die Inkarnation auf eben dessen schöpferische Macht zurückgeführt wird, die ohne Anknüpfung an vorgegebenes Menschliches Gott an diesem Menschlichen gegenwärtig sein läßt. Denn daß Gott auch im Menschengeschlecht nur mit sich selber anfängt38, ist der theologische Sinn der Überlieferung von der Jungfrauengeburt aufgrund der Zeugung Jesu in kraft des Geistes39. Gleichwohl ist, was die Einheit mit Gott in der Menschwerdung und in der Auferstehung angeht, wie sie sich in Christi Person ereignet (bzw. als diese Person), sogleich zu sagen, daß in der Auferstehung in einem neuen Sinn gilt: Gott war in Christus (II Kor␣ 5,19) und die Fülle der Gottheit wohnte in ihm (Kol␣ 2,9), nämlich nicht nur in einem noch verborgenen, sondern im eschatologisch-vollendeten Sinn. In der Lebendigkeit des aufer37 »Nun freut euch hier und überall«, 3. Strophe, in: Paul Gerhardt, Dichtungen und Schriften (hg. von E. v. Cranach-Sichart), München 1957, 79; zit. KD IV/2, 427. 38 Cf. KD II/1, 343: Gott »der in seiner Offenbarung so mit sich selber Anfangende ist der von Ewigkeit her mit sich selbst Anfangende …«. 39 Lk␣ 1,26–31; cf. Mt␣ 1,23.
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weckten Gekreuzigten ist Gott bereits »alles in allem« (I Kor␣ 15,28). D.h. aber, hierbei wird der Menschgewordene ins ewige Leben, in Gott selber, aufgenommen und zugleich als solcher bei uns offenbar. Man kann vielleicht sagen, dabei wird die neue Wirklichkeit, die an sich mit Gottes Menschwerdung gesetzt ist (Gal␣ 4,4), für Christus selbst und für uns endgültig durchgesetzt ist, schöpferisch vollendet. Denn freilich ist bereits die Menschwerdung (als mit Jesu Lebensanfang gesetzte Inkarnation gedacht) ein wirkliches Erscheinen Gottes aus seinem Jenseits bzw. das Erscheinen dieses Jenseits in unserer Welt, wie umgekehrt gilt, daß der Umstand, daß Ostern der (schon) Menschgewordene erscheint, diese Erscheinungen auch menschlich ganz wirklich bzw. wirklich ganz menschlich macht. Darin ist eine wechselseitige Entsprechung mitgedacht, dergemäß gilt, daß bei der Menschwerdung das Wort (der ewige Logos) Fleisch wird, so daß bei der Auferstehung das Fleisch Wort wird, was proleptisch für Christus gilt40 und in der Endvollendung für die Glaubenden41. Im Zuge dessen, daß eben der menschgewordene und wieder auferstandene Logos als der »Erstgeborene« (Kol␣ 1,18; Röm␣ 8,29) die Vollendung der Menschheit im göttlichen Leben einleitet – für den Zusammenhang von ewigem Ausgang vom Vater, Inkarnation und Auferstehung des Logos bildet die Menschwerdung die »Mitte« –, gilt ebenso, daß die Menschwerdung Gottes die Menschwerdung des Menschen vollendet, weil der Auferstandene die vollkommene imago Dei ist, wie daß mit der vollendeten Menschwerdung Gottes im Auferstandenen der Menschgewordene auch ganz Gott ist, d.h. die Gottwerdung des Gottmenschen vollendet ist, was im Thomas-Bekenntnis ausgesprochen wird ( Joh␣ 20,28). Für die Menschen bedeutet das, daß wie schon in der Menschwerdung des Gottessohnes, so erneut und unzerstörbar mit der Auferstehung Gott und Christus vollkommene Gemeinschaft mit sich gewähren, so daß sich die Menschwerdung Gottes zu eschatologischer Allgemeinheit erweitert: »Bei Gott hat seine Stelle / das menschliche Geschlecht«42. Denn weil die Fleischwerdung des Wortes (nach Joh␣ 1,14) sich vollendet in der Auferstehung dieses Fleisches, begründet die Auferstehung nicht nur die Gewißheit von der Menschwerdung Gottes in Jesus endgültig43, sondern hat Gott sich im Auferstandenen auch endgültig zur ewigen Gemeinschaft mit dem Menschensohn und über ihn zum ewigen Leben mit uns Menschen bestimmt. b. Berücksichtigt man, daß erst im Auferstehungsglauben Menschwerdung Gottes und das Kreuz von Golgatha zusammen gedacht werden können, 40
S.o. S.␣ 74. Cf. Luthers Rede vom »ins Wort gefaßt sein« (s.o. S.␣ 116) und spezifisch WA 11, 403, 3 u.␣ 36, 497, 37f.; 498, 31f. 42 J.S. Bach, Weihnachtsoratorium, Schluß. 43 Cf. Jüngel, Tod, aaO.␣ 131 u.␣ 137. 41
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ergeben sich Beziehungen von Auferstehung und Inkarnation, die für die Bestimmung des christlichen Gottesgedankens wesentlich sind. Das betrifft einerseits das Verständnis von göttlicher Liebe44, die sich sowohl im Selbsteinsatz Gottes, der sich im Annehmen der Menschheit und als Selbsthingabe für die Sünder am Kreuz zeigt, wie eben damit auch darin erweist, daß Gottes Zuwendung zum Menschen und sein Festhalten an diesem auch durch den Tod als äußerste Zuspitzung menschlicher Sündhaftigkeit und Trennung von Gott hindurch45 schöpferisch die Versöhnung der Welt mit sich heraufführt. So wie die Menschwerdung die sich herablassende Liebe Gottes bedeutet, so die Auferstehung deren Vollendung in Herrlichkeit, so daß Gottes Doxa zugleich Verherrlichung und Selbstverherrlichung ist – im Namen Jesu Christi (Phil␣ 2,5–11). Und es betrifft andererseits das Verständnis von göttlichem Leben. Ist in der Menschwerdung Gott über den unendlichen Hiatus hinweg mit seiner Lebensmacht bei Jesus, so nimmt er durch die Auferweckung Jesu Leben (als eines aus dem Tode) in sein eigenes Leben auf. Gemeinsam ist beiden, aneinander sich anschließenden göttlichen Lebensvollzügen, daß Jesu wirkliches Leben zugleich Gottes wahres Leben ist, d.h. daß es in Menschwerdung und Auferstehung zuletzt um die eine und dieselbe göttliche Lebendigkeit geht. Darum sind die Auferweckung und die Menschwerdung beide schlechthin analogielos – wie Gott selber, der mit seinem Leben Wirklichkeit setzt und neu bestimmt. Für den bei der Menschwerdung zu überwindenden »unendlichen qualitativen Unterschied« von Gott und Mensch und für die bei der Auferweckung zu überwindende Macht des Nichts, die der Tod markiert, gilt gleichermaßen, daß weder äußerste Differenz noch ein letzter Widerspruch des Nichtigen für Gottes Lebensmacht eine Grenze darstellen, sondern daß auch sie noch in seinem allmächtigen Leben, das schöpferische Lebendigkeit ist, in die absolute Selbstdurchsichtigkeit hinein verwunden werden, die Gottes ewige Doxa ist. Hängen Menschwerdung und Auferstehung so zusammen, lassen sich die eine als Beginn und die andere als Zielpunkt des Handelns Gottes auffassen46. Redet die Inkarnationsvorstellung davon, daß Gott sich verändert und neu bestimmt hat – uns zu gut, so die Auferstehungsbotschaft davon, daß Gott sich vollendet hat in Christus – und uns dabei hat –, in Christi Mitsein mit uns, so daß sein Leben unser ewiges Leben werden soll ( Joh␣ 6,53 u.␣ 56).
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Der leicht falsch isolierte und verallgemeinerte Satz »Gott ist Liebe« (I Joh␣ 4,8 u.␣ 16) findet seine christliche Bestimmtheit durch den Hinweis auf die Hingabe des Sohnes (V.␣ 9f.), die als solche das Ziel der Liebe, die Gott ist, ermöglicht und realisiert: ewiges Leben ( Joh␣ 3,16). 45 Cf. WA 7, 55, 13–17. 46 So auch Künneth, aaO.␣ 123; cf. dort das Gogarten-Zitat 122 A.␣ 46 (Gogarten, aaO.␣ 166).
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c. Was nun das genauere Verhältnis von Auferstehung und Menschwerdung angeht, so läßt sich zwar sagen, die Menschwerdung sei vorweggenommene Auferweckung und die Auferstehung verewigte Menschwerdung47. Gleichwohl scheint damit die präzisierende Frage noch unbeantwortet: Ist Auferstehung die Folge und Auswirkung der Inkarnation oder wird mit der Inkarnationsvorstellung eigentlich nur zurückverlegt, was die Auferweckung Jesu bedeutet und so von Gott her begründet? Es ist damit die Frage nach dem Verständnis der Einheit von Gott und Mensch in Jesus dem Christus in einer bestimmten Hinsicht gestellt. Relativ leicht scheint aussagbar, wie das Verhältnis von Menschwerdung und Auferstehung nicht bestimmt werden kann. Einerseits nämlich führt es zu Schwierigkeiten, die Inkarnation als mit Jesu Lebensbeginn für sich vollkommen realisiert (gleichsam schon fertig) und nur für seine Mitmenschen bzw. uns (noch) nicht erkennbar vorzustellen, so daß die Auferstehung sie nur offenbar und erkennbar machte48. Andererseits läßt sich auch nicht sagen, daß die Inkarnation für das Leben des irdischen Jesus überhaupt noch nicht anzunehmen ist und erst durch die Auferweckung zustande gekommen wäre, so daß von ihr vor dieser gar nicht die Rede sein könnte49. Aber es ist auch nicht denkbar, daß die Inkarnation anfänglich noch unvollständig gewesen und sich erst durch die Geschichte Jesu bis hin zu Kreuz und Auferstehung vollendet habe, so daß die Auferstehung Zielpunkt einer sukzessiven Entwicklung der Einigung von Gott und Mensch in Christus wäre. Vielmehr muß hier so etwas wie eine »in sich bewegte Christologie« in Anschlag gebracht werden50, in die sich die Figur eines »Werdens zu sich« einzeichnen läßt51. Demgemäß ist zu der – hier einschlägigen und umstritte47 Althaus spricht von einer »Präsenz ohne Ende« (Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 491). 48 So wird z.B. bei Thomas von Aquin Auferstehung als (bloße) Bestätigung der Menschwerdung und als zur Bestärkung des Glaubens an Christi Gottheit geschehen ausgesagt, cf. STh III q.53 a.1c. Gegen dies traditionelle Verständnis von Inkarnation als anfänglich vollständig gegeben hat sich insbes. Pannenberg gewandt und mit guten Gründen die daraus resultierenden Aporien im Verständnis der Gottheit Jesu aufgezeigt, cf. Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 152ff. 49 Gegen Künneths Position wendet Pannenberg ein, daß Jesus durch die Auferweckung die Gottheit nicht erst empfangen habe (cf. Künneth, aaO.␣ 112ff. und Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 134). 50 Zu diesem treffenden Ausdruck Künneths (aaO.␣ 115) cf. schon o. S.␣ 54. Moltmann hat wegen des eschatologischen Sinnes die Christustitel als »dynamische Titel« bezeichnet: »Es sind darum keine festen Titel, die fixieren, wer er war und ist, sondern gleichsam offene, gleitende Titel, die das, was er sein wird, verheißend ankündigen«, und er spricht zugleich von »bewegten und bewegenden Begriffen« (der Sendung), cf. Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 184. 51 Ohne daß es zu diesem Begriff kommt, ist der Sache nach vom Werden zu sich die Rede bei Barth: »Sein Tod am Kreuz war und ist der vollendete Vollzug der Fleisch-
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nen52 – Stelle Röm␣ 1,4 zu sagen, daß sie die von Ewigkeit vorherbestimmte Einsetzung zur Gottessohnschaft als von der Dynamis der Auferstehung her realisiert sein läßt53. Das bedeutet, die Auferstehung entscheidet mit rückwirkender Kraft, daß Jesus (immer) schon Gottes Sohn war54. Insofern begründet die Auferstehung auch das Bekenntnis zur Inkarnation und artikuliert die Inkarnationsvorstellung die wirkliche Einheit des Irdischen mit dem Auferstandenen55. Daher kann auch gesagt werden, daß die Auferstehung die Gottheit Jesu »bestätigt«; sie tut das aber nicht bloß im gnoseologischen, sondern in einem ontologischen Sinn: mit rückwirkender Kraft56. Auferstehung hat einen »retroaktiven Sinn«57, indem sie rückwirkend von der Auferweckung aus begründet, worin Jesu Wesen besteht bzw. bestanden hat: mit Gott eins zu sein. Indem er es in kraft der Auferweckung ist, war er es auch (schon) im Sich-Vorlaufen dieser Kraft58. Derart läßt sich eine Beziehung von Auferstehung und Menschwerdung denken, bei der diese weder anfänglich vollendet noch auch erst später verwirklicht oder auch für uns erst durch die Auferstehung erkennbar würde59. Man darf also sagen: Die Inkarnationsvorstellung hält (zu Recht!) fest, daß im irdischen Leben Jesu sich die Einheit von Gott und Mensch, die die Auferstehung realisiert, vorausläuft und insofern die Menschwerdung auf die Auferstehung als ihr eigenes Zusichkommen bezogen ist. Vom Ende her realisiert sich als Werden zu sich, was sich von Anfang an als auf sich zu-
werdung des Wortes: Dieser Vollendung ging er in jener Ereignisfolge entgegen – aber doch erst entgegen. Wie konnte, was noch nicht vollendet geschehen war, in Vollendung offenbar werden? Wie konnte anders als antizipierend offenbar werden, was zwar in Wahrheit schon, in abgeschlossener Wirklichkeit aber noch nicht geschehen war?« (KD IV/ 2, 157). Barths anschließender Bemerkung: »Man müßte sich wohl wundern, wenn es eine Überlieferung von Jesus gäbe, die von jener antizipierenden Wahrheitsoffenbarung etwa gar nichts zu berichten wüßte« (ebd.), korrespondiert die frühere Feststellung: »daß auch jene »vorösterliche« Ereignisreihe selbst und als solche dieses Lichtes [sc. des Osterereignisses] durchaus nicht entbehrt« (aaO.␣ 151). 52 Cf. dazu Wilckens, Der Brief an die Römer (Röm 1–5), EKK VI/1, 1987 2, 65f. 53 Zur »Verleihung« der Gottheit verweist Künneth auch auf Stellen wie Eph. 1,10f. 21f.; Kol␣ 2,10; Phil␣ 3,31 (Anrufung des Herrennamens, cf. Künneth aaO. 120 Anm.␣ 42). 54 So Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, aaO.␣ 2, 163. 55 Cf. aaO.␣ 171. 56 Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 134, cf. 62f.; zur Ontologie dessen cf. 134f. Zur rückwärtigen Bestätigung s. auch schon o. S.␣ 84. 57 AaO.␣ 317. Auch Künneth spricht von einer »Rückbeziehung« im Licht von Ostern (aaO.␣ 123). 58 So möchte ich Pannenbergs Theorem vom retroaktiven Sinn der Auferstehung aufnehmen (cf. aaO.␣ 135, 140, 152, 230), indem ich den bei ihm zugrundeliegenden Antizipationsgedanken mit der Logik des Werdens zu sich verknüpfe. 59 Dazu Pannenberg, aaO.␣ 135f.
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gehend voraussetzt60. Die Paradoxie der sich hier einstellenden Aussagen drückt die Dialektik der Antizipation aus, dergemäß, weil die Auferweckung Jesu Christi Antizipation des Eschaton ist, dies auch in der irdischen Geschichte Jesu schon sich proleptisch reflektiert. d. Ein neutestamentlicher Anhalt für eine derartige Interpretation einer Dialektik des Heute der Auferstehung und der ewigen Wirklichkeit der Menschwerdung ist Act␣ 13,33 zu finden. Ps␣ 2,7: u´·“ mou eè s‚, †g„ sflmeron gegfinnhk› se, sonst im NT modifiziert auf die Taufe Jesu bezogen61, wird hier im Hinblick auf die Auferweckung Jesu Christi (als Erfüllung der Verheißungen an die Väter) ausgesagt. Seine ewige Geburt wird als eine neue, als Wiedergeburt in Ewigkeit ausgesagt und er so als der eschatologisch »Erstgeborene«. Die Auferstehung ist das Weitergeben des Lebens vom Vater an den Sohn, der so allererst wahrhaft der Sohn ist62. Das schöpferische Wort als Heute der Auferstehung, in Ewigkeit gesprochen, qualifiziert auch die Vergangenheit ebenso neu wie die Zukunft. Im »Heute« der ins Leben rufenden göttlichen Anrede an Christus eröffnet sich für den Auferweckten die unabsehbare Gegenwart des lebendigen Gottes, die zugleich dessen ewiges Heute und so unvordenkliche Voraus-Vergangenheit ist (»habe ich dich gezeugt«). Im Heute der Ewigkeit Gottes ist der Sohn er selbst und sich unendlich voraus – vom Vater her. Dieser retroaktive Sinn des Christus betreffenden Schöpferwortes des Vaters findet sich auch im Hebräerbrief. Nachdem eingangs die Zusprechung des Sohnesnamens in eher traditionell unbestimmter Weise mit Ps␣ 2,7 angeführt worden ist (1,5a)63, wird das Psalmzitat Hebr␣ 5,5 in einem Zusammenhang wiederholt, der die Anrede des »heute« gezeugten Sohnes mit der Verherrlichung Christi (†d·xasen) zum ewigen Hohenpriester in eins setzt64. Die schöpferische Anrede qualifiziert Christus als den himmlischen Hohenpriester von Ewigkeit her. Gottes Wort ist schöpferisch – dies sein Sprechen ist sein »Zeugen« bzw. Gezeugthaben –, indem es mit »rückwirkender Kraft« heraufführt und an Christus setzt, was er so ist, daß er es ewig gewesen ist. Wird mit dem Ausdruck »Hoherpriester« Christi Selbstopfer am Kreuz als 60 Entsprechend denkt Pannenberg daher auch die Schöpfung der Welt vom Ende her, cf. aaO.␣ 169, 237, 407f. u.␣ 378 sowie STh II, 171. In diesen Zusammenhängen ergeben sich auch paradoxe Aussagen über Gott selbst (und ein Werden in ihm), cf. aaO.␣ 157, 332 (3.) mit Anm.␣ 3 und meinen Aufsatz: Gottes Sein, Werden und Handeln, aaO., wie o. Einl. Anm.␣ 11, bes. 473ff. 61 Cf. Mk␣ 1,11 u. Mt␣ 3,17; Lk␣ 3,22. 62 Cf. Joh␣ 5,26 und s. dazu u. Kap.␣ 6.2. (S.␣ 150ff.) sowie bes. Anm.␣ 65. 63 Cf. auch das Parallelzitat II Sam␣ 7,14 in 1,5b! 64 Genauer: †d·xasen genejönai ürcierfia (Hebr␣ 5,5) – aus der Verneinung einer Selbst-Verherrlichung Christi; im Zusammenhang mit üllû ¨ lalflsa“ prÖ“ a§t·n erschlossen; cf. auch 5,6.
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Grund dieser Verherrlichung durch Gott angedeutet65, so war bereits vorher die himmlische Erhöhung dieses Hohenpriesters und insofern auch die Auferstehung als der Moment seiner Verherrlichung als Sohn Gottes ausgesagt: dielhluj·ta toÜ“ o§rano‚“ (4,14)66. Im Heute des göttlichen Erweckungswortes an den Gekreuzigten ist über die Wirklichkeit »ein für allemal« (cf. Hebr␣ 7,27; 9,12.28; 10, 10) entschieden, für Vergangenes und Zukünftiges und so auch über das wahre Sein Jesu Christi als des Menschgewordenen, der als Auferstandener ewig lebt und so in diesem Augenblick Gottes wird, was er ist und gewesen ist. Menschwerdung und Auferstehung sind – dialektisch aufeinander bezogen – Momente des einen göttlichen Lebensvollzuges selbst, der als ewige Selbstlebendigkeit Vergangenheit und Zukunft schöpferisch umgreift, indem er sie in sich unterscheidet.
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus Das eschatologische Ereignis von Ostern ist als Auferweckung des gekreuzigten Jesus eine definitiv qualifizierende Neubestimmung der vorösterlichen Geschichte seines Lebens67. In seinem schöpferischen Handeln am toten Jesus bestätigt Gott dessen Sterben am Kreuz, indem er es in sein eigenes Leben hineinnimmt, und bringt so Jesu Geschichte überhaupt zu einer ewigen Erfüllung. Damit gewinnt die Geschichte des Irdischen eine endgültige Bedeutung, und weil die Auferstehung die Auferweckung dieses Gekreuzigten ist (Mk␣ 16,6; Act␣ 4,10; 2,36; I Kor␣ 1,13), »bleibt der christliche Osterglaube für alle Zeiten gebunden an die irdische Geschichte Jesu von Nazareth«68. Wie die damit gegebene unlösbare Beziehung des Auferstehungsglaubens auf den irdisch-geschichtlichen Jesus genauer zu verstehen ist, soll in einigen Hinsichten entfaltet werden, weil nur durch diesen Rückbezug der Sinn des Auferstehungsgeschehens theologisch begriffen werden kann.
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Cf. Hebr␣ 9,11f. 14.28 (£fjflsetai); 10, 10.12. Cf. auch Hebr␣ 9,24. 67 Von einer definitiven Entscheidung spricht – unter vielen anderen – Pannenberg, STh II, 387. 68 AaO.␣ 385. Mit Auferstehung »wird alles auf die Person Jesu Christi selbst konzentriert« schreibt Dalferth im Blick auf das heilsgeschichtliche Verständnis des NT (aaO.␣ 251). Daher ist er selber in Person – und nicht nur seine Verheißung, sein Werk und seine Wirkung – alles, worauf es für das Heil ankommt. Und die Teilhabe des Glaubens an dem durch sein Leben, Leiden und Auferstehen Heraufgeführten ist stets grundlegend Teilhabe an ihm selber. 66
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus
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a. Man kann sagen, die Auferstehungserfahrung war »das Wiedererkennen des Gekreuzigten … als eines Gegenwärtigen, der in die Zukunft weist«69. Insofern schließt das Ostererlebnis wesentlich die Erfahrung von der Identität des gegenwärtig Lebendigen mit dem Vergangenen in sich, und dies dergestalt, daß in der österlichen Begegnung mit ihm allererst definitiv aufgeht, wer er war und ist70. Obwohl die Jünger ihn kannten, führt seine Erscheinung nach dem Tode doch in neuartiger Weise zum Verstehen und Begreifen, zu Klarheit und unerschütterlicher Überzeugung in Bezug auf seine göttliche Wahrheit. Ostern identifiziert sich Jesus endgültig für die Seinen, und dieses Erschlossenwerden seiner wahren Wirklichkeit ist der wesentliche Inhalt der Auferstehungserfahrung: Lk␣ 24,31f. Eben daß Derselbe so neu und anders bei den Jüngern und für sie da ist, ist das, was die Auferstehungserfahrung von ihrem von vorher bekannten Umgang mit Jesus unterscheidet; er ist anders in dieser Begegnung als vor der Kreuzigung in ihrer Mitte. Insofern ist gerade wegen der für Ostern (und den Osterglauben) wesentlichen Dieselbigkeit Jesu Christi auch immer festzuhalten, daß es sich bei den Erscheinungen des Auferstandenen nicht um eine bloße Wiederkehr, d.h. ein in derselben Weise einfach Wiederdasein wie vorher, dieses Menschen handelt71. Eben dies Anderssein Desselben ist aber gerade – inhaltlich – die Etablierung der ewigen Bedeutung dessen, den die Jünger kannten. Von daher impliziert der christliche Glaube als begründet in der Auferstehung ein spezifisches Verhältnis zum historischen Jesus, und dies so wesentlich, daß er von der Beziehung auf diesen nicht nur unablösbar, sondern als Osterglaube notwendig ein Verhältnis zu diesem ist72. Wird aber der christliche Glaube dabei auf ein Verhältnis zu dem vergangenen irdischen Menschen Jesus reduziert73, so ist das einerseits eine schiefe Alternative zum Auferstehungsglauben, der ja niemand anderen als eben diesen bestimmten Menschen als den ewig Lebendigen meint74. Andererseits ist 69 Ebeling, aaO.␣ 300; zur Identität des Auferstandenen mit dem Irdischen und Gekreuzigten cf. WA 36, 605, 13–15. 70 Cf. aaO.␣ 300. 71 Wie auch H.D. Betz – für Mt! – unterstreicht (zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 151); cf auch Pannenberg, STh II, 390, 400 A.␣ 102 u.␣ 402. 72 Dies betont, indem er Glauben als Gewissensverhältnis zum Menschen Jesus faßt, von dem der Glaubende sich innerlich im Gottesverhältnis bestimmt weiß, einseitig E. Hirsch, aaO.␣ 41 (cf.␣ 43,49, 50, 73 u.ö.) – einseitig, weil die Auferstehung auf das Zustandekommen solcher Einheit mit Jesus reduziert wird. Zur Herkunft des Osterglaubens vom historischen Jesus her cf. aaO.␣ 76, 77, 79 sowie 75 (Titel). 73 So will z.B. Lüdemann bei Destruktion der Auferstehung doch den Zusammenhang mit Jesus selbst festhalten, cf. aaO.␣ 12. 74 »Der wirksam Erhöhte bleibt mit der Geschichte engstens verbunden« (Koch, aaO.␣ 107; zu Kähler!) – dieser Satz gilt nur allgemein von der Geschichte, weil er auch und zunächst von der besonderen Geschichte Jesu selber gilt.
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das eine Position, die selber nur als Restprodukt des überkommenen Auferstehungsglaubens überhaupt verständlich zu machen ist75. Schließlich ist es gerade eben die religiöse Bestimmung und Besetzung des historischen Jesus, die, wie eben gesagt, im Auferstehungsglauben ihre theo-logische Fassung (und damit interne Vervollständigung) erfährt. Damit ist gesagt, die Frage nach der wirklichen Geschichte Jesu zählt seit Ostern gerade theologisch!76 b. Daß der Auferstandene der Lebendige ist, besagt also, daß die Zeit seines irdischen Lebens und Wirkens nicht Vergangenheit werden kann, sondern jeder Zeit wieder zur Gegenwart wird77. Christi neue Lebendigkeit als erhöhter Herr ist das Sich-gleichzeitig-Machen seiner als dieses geschichtlichen Menschen Jesus mit jeder folgenden Epoche78. Jede Deutung der – nicht eigentlich gemeinten – Auferstehung rein von der Lebensmacht des irdischen Menschen Jesus her muß mit einem solchen theologischen Verständnis seiner Lebendigkeit als wahrhaft Auferstandener in Schwierigkeiten kommen79. Die Auferstehung weist nur insofern eschatologisch in die Zu75 Von diesen Spuren des eigentlichen Osterglaubens zehrt auf verborgene Weise jede reduktionistische Position in der Auferstehungsfrage, wie z.B. an Hirschs Auferstehungsbuch leicht zu demonstrieren ist (s.u. Anm.␣ 79). 76 Das ist bei Lüdemanns Ansatz völlig übersehen. Zur Einheit von vorösterlichem und nachösterlichem Christus cf. die Erörterung bei Lüdemann, aaO.␣ 200 u. Anm.␣ 699 (zu Fuchs). 77 Gegen die theologisch wenig hilfreiche, schon immer in der liberalen Theologie beliebte, aber höchst vage Ostern deutende Formel »die Sache Jesu geht weiter« ist zu sagen: Jesus ist mit »seiner Sache« streng identisch: »es ist Gottes eigenste Sache, in ihm mit uns geworden zu sein« ( Joest, Dogmatik, 1, 267). Darum ist nichts anderes als Jesus Christus selbst in Person »der bleibende und in die Zukunft führende »Weg« Gottes zum Menschen« (aaO.␣ 268). 78 Zur Gleichzeitigkeit s.o. Kap.␣ 3.2., S.␣ 77 (bei Anm.␣ 131). Das gegenwärtige Beiuns-Sein und An-uns-Handeln des Auferstandenen ist nichts anderes als das Leben und Sterben Jesu von Nazareth – integriert in Gottes allmächtiges Wirken hier und jetzt. Wie einst Gott in Christus auf Erden war, so ist es jetzt Christus in Gott wieder. Der Auferstandene ist der Gekreuzigte: im gegenwärtigen Leben Gottes. 79 Das zeigt sich deutlich wiederum in Hirschs Auferstehungsbuch. Er muß die »Lebendigkeit« des vorösterlichen Jesus so stark machen, wenn er von dessen nachösterlicher Lebendigkeit nicht äquivok reden will, daß als das eigentliche »Geheimnis« gilt (cf. dazu Althaus, aaO.␣ 21f.), wie in dem Mächtigwerden von Jesu Gottesverhältnis über die Jünger nach seinem Tode – ein Mächtigwerden gerade in seinem Sterben (cf. Hirsch, aaO.␣ 50, 70 u.ö.) – sich »Gottes ewiges Leben selbst« Geltung verschafft (cf. Jesus Christus der Herr, Göttingen 1926, 40). D.h. auch Hirsch muß letztlich ein »unergründliches Tun« des lebendigen Gottes (cf. Hirsch, Jesus Christus der Herr, aaO.␣ 39; zit. bei Althaus 43, cf. Fn 1) voraussetzen als letzten Grund dessen, was sich »psychologisch und geschichtlich« in Gestalt der als »Gesicht« verstandenen Erscheinungen manifestiert. Freilich weigert Hirsch sich wegen seines Begriffs von der »gestaltlosen Ewigkeit« (aaO.␣ 70), diese letzten theologischen Annahmen über ein Handeln Gottes in dem Geschehen als solche auch explizit zu machen und durchgreifend zur Geltung zu bringen. Verzichtbar aber ist auch ihm die Rede von Gottes
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kunft ewigen Lebens, als sie zugleich in die Vergangenheit des geschichtlichen Jesus zurückweist, indem sie dessen Leben in die Ewigkeit mitnimmt. Man hat das mit Recht so formuliert, daß der Inhalt der Auferstehung die Vergangenheit ist, die zu ihr führte, nämlich das Leben und Leiden Jesu, das der lebendige Herr neu vergegenwärtigt80. Die Lebendigkeit des Auferstandenen ist das Neuwerden seiner Vergangenheit als Irdischer. Es ist insbesondere die Selbstidentifikation des auferstandenen Christus für die Seinen, die, indem er seine Identität mit dem Vergangenen herstellt81, die Bedeutung gewinnt, durch rückwirkende Neuqualifikation die Vergangenheit seines Lebens in die Gegenwart aufzuheben. Das veranschaulicht vor allem die Emmaus-Perikope (Lk␣ 24,13ff.). Den sich vom unmittelbaren Geschehen entfernenden (V.␣ 13) und sich an es als bloß Vergangenes trauernd erinnernden Jüngern (V.␣ 14, 17 u.␣ 19–21) gibt der Auferstandene zunächst Anlaß, noch einmal zu fragen, was das ihnen scheinbar völlig bekannte Geschehene eigentlich ist (V.␣ 17 u.␣ 19). Und erst als er ihnen durch die Zeichenhandlung (V.␣ 30) dann als der Gegenwärtige selbst evident wird und sie in ihm den Vergangenen wiedererkennen (V.␣ 31), da erschließt sich genau mit dieser »Erleuchtung« vom Gegenwärtigen her auch die Vergangenheit als auf ihn hinführend und so als schon seine, d.h. als in dieser Gegenwart zu sich (und ihnen) kommend. Die Vergangenheit erstrahlt in kraft dieser Evidenz nicht nur (subjektiv) in einem neuen Licht, sondern sie zeigt sich selber schon auf dem Wege zu dieser Gegenwart gewesen zu sein: »Brannte nicht unser Herz in uns?« (V.␣ 32) Das kann nur im Präteritum und fragend ausgesprochen werden! Jetzt kommt auch aus ihrer lebendigem Handeln bzw. seinem sich als lebendiger Gott Erweisen dennoch nicht gänzlich. Dieser, auch für seine theologische Position sachlich unvermeidbare, theologische Kerngedanke der Auferstehungsfrage ist nur radikal minimalisiert bzw. zum kaum noch kenntlichen Grenzwert zurückgedrängt. Die grell hervorstechende Kritik am Mythologischen der von Hirsch sog. »wiederbelebten Leiche« (aaO.␣ 32, 59, 67, 88, 90) sollte einem diese in der Natur der Sache liegende Spannung der Hirsch’schen Konzeption nicht überdecken. (Cf. auch die schillernde Annäherung an die traditionelle Redeweise vom »lebendigen Herrn« bei Hirsch, z.B. aaO.␣ 45, 54, 70, 73! 88). An der richtigen Diagnose von Hirschs Position durch Althaus: »Der Grund unseres Osterglaubens – ist Jesu eigener Osterglaube« (Althaus, aaO.␣ 39) wird schlagartig klar, daß Hirsch im Grunde die theologische Frage nur verschieben, aber nicht eliminieren kann. Indes auch bei dem, was »im Geheimnis der Gottesbegegnung, die Herz und Gewissen zuteil wird«, geschieht – nach Hirsch das eigentliche Wunder in der Begegnung mit Jesus, cf. aaO.␣ 89 –, weiß sich der Glaubende von Gottes lebendigem Tun selber berührt und im Glauben begründet; d.h. aber Gewissenserfahrung und Selbstbekundung des Auferstandenen (aus Gottes lebendiger Macht) dürfen nicht so entgegengesetzt werden, wie Hirsch es tut (cf. dazu Althaus, aaO.␣ 56). Cf. auch die Unausgeglichenheit zwischen Hirschs erwähnter Rede von »gestaltloser Ewigkeit« und von Gottes ewiger Liebe (cf. aaO.␣ 70, 72 u.␣ 46, 47, 62). 80 Cf. dazu R.R. Niebuhr, aaO.␣ 46, mit Hinweis auf KD I/2, 117ff, 134 u.␣ 122. 81 Sie dazu o. schon Kap.␣ 3.1., S.␣ 69f.
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Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln
Vergangenheit sich entgegen, was ihre Gegenwart neu bestimmt; in diesem Sinne sind ihre vorher »gehaltenen Augen« (V.␣ 16) nun »geöffnet« (V.␣ 31). Die Gegenwart des Auferstandenen gibt ihnen eine neue Erinnerung bzw. macht ihr Gedächtnis des Vergangenen neu82, so daß sie es jetzt als auf die Gegenwart zugehend erinnern können, – eben weil der Auferstandene die Vergangenheit (als schon sein Kommen zu ihnen) an sich zieht. Der Auferstandene ist von hier aus derselbe wie der Gekreuzigte, und der Erhöhte hebt sein irdisches Leben auf, nimmt es mit in Ewigkeit. Darum gilt, daß erst die Auferstehung (bzw. der Auferstandene) den Sinn von Jesu Sendung und Lebensweg und den Sinn der heiligen Schrift erschließt ( Joh␣ 2,22; Lk␣ 24,25–27; 44–47). Das ist für jede spätere Epoche des christlichen Glaubens genauso wie für die anfängliche: »Die Erinnerung an die Auferstehung ist integrierend für die gesamte Erinnerung an den Menschen Jesus … zurückschauend … gewinnt Jesus in der Erinnerung seine Verständlichkeit von den Auferstehungsbegegnungen her«83. Primär ist es also so, daß eben die Erfahrung, daß Christus als Auferstandener lebendig für die Jünger da ist, zur Erkenntnis ihrer Erinnerung daran führte, wie Jesus als ihr Meister war und was er war. Und es verhält sich gerade nicht so, daß »Erinnerungen daran, wie Jesus war, … zur Erkenntnis (führten), wie Jesus ist«84, wenngleich überhaupt nicht zu bestreiten ist, was Graß so formuliert: »Dies Bild des irdischen Jesus hat zweifellos nachgewirkt in dem Bild des Erhöhten«85. In Wahrheit war eben die Vergangenheit nicht 82 Ganz ähnlich gewinnt Augustin mit seiner »Bekehrung« (bzw. den Augenblikken des »Berührtwerdens« von Gottes Gegenwart (cf. Conf. VII, 17, 23; IX, 10, 24 u. X, 27, 38)) ein »neues Gedächtnis« seiner biographischen Vergangenheit und von Gottes Wirken darin, wie das 10. Buch der Konfessionen in minutiösen Analysen der memoria zur Darstellung bringt. Damit löst sich die Aporie, Gott nicht einfach »im Gedächtnis«, sondern nur in auch dessen Überschreiten, ihn aber auch nicht »draußen«, außerhalb des seiner gedenkenden Gedächtnisses, finden zu können (cf. X, 17, 26 u.␣ 24, 35). 83 R.R. Niebuhr, aaO.␣ 91. Aus der historischen Beobachtung, die Niebuhr beibringt: »in der Urkirche diente die Auferstehung gerade der Aufgabe, Jesus in seiner wahren Gestalt zu enthüllen und alle vorschnellen und Teil-Interpretationen seiner Person zu berichtigen und zu vervollständigen« (aaO.␣ 22), zieht er mit Recht die Konsequenz für die systematische Bedeutung, die dem unlöslichen Zusammenhang von Auferstehung und historischem Jesus zukommt: »die Anerkennung der Priorität der Auferstehungsüberlieferung (ist) für eine adäquate theologische ratio cognoscendi erforderlich … Unsere Fähigkeit, den historischen Jesus zu erkennen, hängt davon ab« (aaO.␣ 21; cf. 23). 84 So einsinnig ableitend Lüdemann, aaO.␣ 116. Welchen Sinn hat im zitierten Satz das »ist«?! 85 Graß, aaO.␣ 237. Auch Lüdemann konstatiert insoweit zutreffend, es hätten vielleicht »Erinnerungen an das historische Zusammensein mit Jesus in Galiläa im Rückblick die Formung der Erscheinungsgeschichten geprägt« (aaO.␣ 190). Eben weil der Bezug der Auferstehung auf den Irdischen für diese wesentlich ist, haben jene Erinnerungen die literarische Gestaltung notwendig mitgeprägt (s.u. d.).
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus
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mehr für sich und als solche, sondern nur im Zusammenhang mit der sie neu bestimmenden Gegenwart erinnerbar. Daher ist es bis heute so, daß das persönliche Bild von Wort und Geschichte Jesu (bzw. das darin zu uns sprechende Evangelium) und die Auferstehungsbotschaft von Ostern ein unauflösbares Ineinander darstellen, weil in beidem, und d.h. gerade in ihrem Zusammenhang, Gottes Handeln mit dem sündigen Menschen sich manifestiert: »Das alles ist ein [sc. pneumatischer] Sinnzusammenhang, darin alles sich gegenseitig trägt und ins Licht setzt«86. c. In diesen Verflechtungen von Gegenwart und Vergangenheit kommt zum Ausdruck, daß Jesu irdisches Leben nur darum im Glauben erinnert wird, weil es als solches Inhalt der Auferstehung ist. Die Auferweckung als göttliches Handeln richtet sich auf Jesu Leben als ganzes, wie es Inbegriff seiner Person, seiner Geschichte, seines Wortes und Werkes und seiner Wirkung ist (cf. I Kor␣ 15,53)87. Nach Jesu Tod kommt es nicht zu einem ganz anderen (»jenseitigen«) Leben, sondern eben dies bestimmte Leben Jesu ist als ewiges Leben gegenwärtig88. Das besagt, an seinen Tod grenzt nichts anderes als das ewige Leben: als das gleichsam »wiederholende« Neusein des Lebens, das vor jenem Tod gelebt wurde. Das Leersein des Grabes entspricht daher der Negativität, die das Ewige für eine Vorstellung auf der Zeitschiene, d.h. von gradlinig fortdauernder Kontinuität hat89. In diesem Sinne ist die Auferwekkung Jesu Christi die ewige Restitution seines geschichtlichen Lebens90. Sie stellt Wort und Geschichte des irdischen Jesus als das endgültige und universal für alle Menschen gültige Gotteswort und Gotteshandeln schöpferisch heraus: diese Geschichte des Gekreuzigten als die Geschichte des Heils. Dieser allgemeine Sachverhalt läßt sich in zwei Hinsichten konkretisierend näher bestimmen, was hier kurz angedeutet werden soll. Erstens, die Auferstehung hebt Jesu Verhältnis zu den Sündern ins ewige Leben. Wie der irdische Jesus die Sünder in das neue Leben einer Gemeinschaft mit ihm hineingenommen hatte, so hat Gott den selber als Sünder 86
Althaus, aaO.␣ 63. Auch daran wird klar, wie abstrakt die Konzentration auf die isolierte Frage der Leiblichkeit als solcher ist. 88 Daß es sich um dasselbe Leben Jesu handelt, sagt auch Hirsch (aaO.␣ 40, 85, 86; cf. auch Jesus Christus der Herr, aaO., 40), läßt aber die Frage nach dem Status der Verklärung (durch das Bei-Gott-Sein) aus (cf. z.B. 56, 70, 73, 88). Zutreffend formuliert Barth den Sinn der Todesüberwindung (Röm␣ 6,9): »sein damaliges Leben, Reden und Handeln, sein Sein auf dem Weg vom Jordan bis nach Golgatha, sein Sein als der dort Leidende und Getötete wurde und ist als solches sein ewiges und also auch sein an jedem Tag unserer Zeit heutiges Sein« (KD IV/1, 345). 89 Zur »Umkehrung« des einsinnigen Zeitverlaufs durch das Ewige cf. vom Vf. den o. Einleitung, Anm.␣ 13 genannten Aufsatz, aaO.␣ 52 u.␣ 54 und o. S.␣ 35. 90 Von hier aus ist Luthers o. zit. Aussage über die »Fortsetzung« des irdischen Reichs im Himmel zu verstehen, s.o. Anm.␣ 34. 87
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Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln
Hingerichteten durch die Auferweckung in sein eigenes endgültiges Leben aufgenommen und hat so Jesu Anspruch, im Namen seines göttlichen Vaters Sünde zu vergeben, als seine Wahrheit bestätigt. Diese Bezüge sind im Verhältnis von Kreuz und Auferstehung91 verdichtet. Denn wie das Kreuz für Jesu extreme und für ihn tödliche Solidarität mit den Sündern steht – als letzte Konsequenz dieses Verhaltens in einem vom Gesetz bestimmten Lebensraum –, so die Auferstehung für Gottes ewige und seine Lebendigkeit als Liebe bestimmende Solidarität mit den Versöhnten – als letztgültige Bejahung jenes Verhaltens. Der radikalen Gottverlassenheit Jesu (als des Sohnes Gottes) entspricht so – antithetisch und schöpferisch – die ewige Gottesgemeinschaft der Kinder Gottes (in einem vom Evangelium bestimmten Lebensraum). Man kann dafür auch sagen, daß Jesu Sündenvergebung die wirkliche Antizipation der Lebensvollmacht des auferstandenen Kyrios war92. Die hiermit aufgezeigte Entsprechung, die das Leben des Erhöhten und des Irdischen unlösbar miteinander vereinigt, spiegelt sich auch in Jesu ReichGottes-Verkündigung, die natürlich mit dem besprochenen Sachverhalt eng zusammengehört. Diese Botschaft Jesu muß nämlich selber als proleptischer Anbruch der Auferstehungswirklichkeit verstanden werden93. Mit der Auferweckung hat Gott selbst Jesu Verkündigung von der eschatologischen Nähe seines Reiches durch die Tat endgültig bestätigt94, d.h. die in dieser Verkündigung verborgene gegenwärtige Wahrheit hat sich durch Gottes Handeln selbst als Realität gesetzt und so jene verifiziert. Was im Wort ( Jesu) anfing, wurde in der Wirklichkeit bzw. als Wirklichkeit vollendet, und Jesu Wort ist das Sichvorauslaufen der eschatologischen Realität des Reiches, von dem es kündet. Der Botschaft Jesu vom Nahe-herbei-Gekommensein (Mk␣ 1, 15) entspricht erfüllend Jesu eigene Auferstehung. Nicht zufällig erschien das Reich Gottes bereits in Jesu Verkündigung als an ihn selbst gebunden (Mt␣ 8,13; Lk␣ 12,8f.), und mit seiner Auferstehung war »das Reich mitten unter ihnen« (cf. Lk␣ 17,21). Dergestalt ist die Königsherrschaft Jesu Christi die Gottesherrschaft selbst (Eph␣ 5,5; Kol␣ 1,13 u.ö.). Das, was Jesus verkündigte, wurde an ihm selbst Wirklichkeit, nämlich die ewige Lebensgemeinschaft mit Gott95. Man könnte sagen: Jesus verkündigte das Gottesreich, und es kam – der Auferweckte!96 Darin liegt der Rechts91
Dazu gleich Näheres. Künneth, aaO.␣ 111; cf. ähnlich auch Dalferth, aaO.␣ 25 u.ö. 93 Cf. Künneth, aaO.␣ 108. 94 So Dalferth, aaO.␣ 202. 95 Cf. Dalferth, aaO.␣ 26 und ausführlicher 25. 96 Von hier aus läßt sich das Falsche an der Alternative ermessen, die in dem bekannten Diktum von A. Loisy vorausgesetzt ist: »Jésus annonçait le royaume, et c’est l’Église qui est venue« (in: L’Évangile et l’Église, Paris 19295, 153). Dies ist ein Beispiel dafür, wie der Blick auf das Historische sich verzerrt, wenn die theologische Dimension ausfällt. 92
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus
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grund für die ersten Glaubenden, Jesu Wort und Geschichte rückblickend im Licht von Ostern zu verstehen und auszusagen. Denn durch diesen Ausgang seiner Geschichte zeigte sich, daß Jesus in der Tat – gleichgültig, wie er selber davon wußte und ob überhaupt –, wenn er Gottes Kommen verkündigte und bezeugte, immer auch schon von (seiner) Auferstehung gesprochen hatte97. Ostern enthält die »wahre Bedeutung« von Jesu Sein98. Auch auf diejenige Korrespondenz ist noch hinzuweisen, daß die Antizipation der allgemeinen Totenauferstehung in der Auferweckung Jesu nur das »Schon« in seiner Reich-Gottes-Verkündigung selbst wiederholt, aber auch ebenso eine (empirisch) erst nur partielle Erfüllung ist99. Zweitens, was für Jesu Leben auszusagen ist, gilt auch von seinem Sterben. Hier ist kurz der systematische Zusammenhang von Kreuz und Auferstehung zu berühren. Bereits aus dem zum ersten Punkt Ausgeführten geht hervor, daß das Auferstehungsereignis nicht zufällig irgendeinen beliebigen Menschen betrifft – gleichsam als pure Demonstration göttlicher Macht überhaupt –, sondern eben diesen Bestimmten und ihn als den Gekreuzigten, der es »für uns« ist (cf. Röm␣ 4,25!). Das besagt, Auferstehung ist von vornherein auf Gott (als den Handelnden) und auf die Menschen (als die, denen zugut Kreuz und Auferstehung stattfanden: pro nobis) bezogen, und ist derart als Ereignis schon zweistrahlig. Durchaus nicht wird zu einem für sich sinnfreien – nur als pures Mirakel anzustaunendem – Faktum etwa nur nachträglich eine Bedeutung hinzugefügt, sondern diese ist ihm als Faktum bereits innewohnend. Zugleich ist der Glaubenssinn von Auferstehung des Gekreuzigten auf ein tatsächliches Sichereignethaben angewiesen: ontos egerthe!100 Ostern enthält derart die Erfahrung vom Sinn des Kreuzes, wie sie im deõ zur Sprache gelangt101, daß nämlich das Kreuz nicht das Scheitern, sondern die 97
S.o. zu Jesu eigener Auferstehungsverkündigung, Kap.␣ 1. (bes. S.␣ 24). Dalferth, aaO.␣ 24. 99 Cf. Pannenberg, STh II, 393 u.␣ 409. Pannenberg hat an dem eigentümlichen Verhältnis von Schon und Noch-nicht in Jesu Verkündigung des Reiches den spezifischen Status von »Erscheinung« demonstriert, cf. »Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen«, in: Theologie und Reich Gottes (1971), 83ff. 100 Es ist die gleiche unsachgemäße Abstraktion wie bei Bultmanns Rede vom bloßen »Daß des Gekommenseins« Jesu, wenn Joest schreibt: »Der Glaube bedarf keiner Vorstellung über das Wie der Auferstehung. Ihn trägt das Zeugnis, daß Gott Jesus Christus auferweckt hat von den Toten, und die Gewißheit: Er ist gegenwärtig …« (Dogmatik 1, 273). Freilich ist hier ganz unbestimmt, was »Wie« heißen soll. Aber der Glaube an (das Daß der) Auferweckung impliziert natürlich als solcher schon Annahmen über das Wie, z.B. des dabei gemeinten Zusammenhangs von Gottes Handeln und Tod – so schwer sie theologisch zu artikulieren sein mögen – oder auch über den Sinn von (gegenwärtigem) »Leben« bei einem zuvor Toten u.ä. Außerdem ist es gänzlich unsachgemäß, davon zu abstrahieren, daß die Auferstehung sich eben nicht zufällig an diesem bestimmten Menschen Jesus in Israel und auf dem Hintergrund seiner Glaubensgeschichte ereignet hat. 101 Mt␣ 16,21 par., Lk␣ 24,26. 98
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Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln
Vollendung von Jesu Weg ist, sofern es Gottes Weg mit Jesus und so Gottes eigenste Sache war. Daher beseitigt die Auferstehung auch nicht etwa das Kreuz, sowenig sie den Tod Jesu einfach ungeschehen macht102, und ist auch nicht eine Korrektur des Kreuzestodes – dies gerade nicht! –, sondern seine ewige Inkraftsetzung103. Die Auferstehung ist die schöpferische Setzung einer bleibenden Bedeutung von Jesu Tod am Kreuz, worin eben die Heilsbedeutung seiner Verwerfung (durch Gottes Zorn, vor dem Gesetz) und seines Abstiegs zur Hölle zugleich mit festgehalten ist104. Gleichwohl ist das Kreuz nicht an sich selber schon dasselbe wie die Auferstehung; sondern die auch zu denkende Differenz beider akzentuiert nicht nur die schöpferische Neuheit göttlichen Handelns am toten Jesus, sondern ebenso die geschichtliche Abfolge von beiden (»am drittenTage«) als zeitliches Indiz einer wirklichen göttlichen Lebensbewegung105. Man darf abschließend sagen: der l·go“ tö“ katallagö“ (II Kor␣ 5,19) ist ein solcher nur in kraft des l·go“ toú stauroú (I Kor␣ 1,18), den er als sein konstitutives Moment innehat. Zusammengefaßt ergibt sich für die Verhältnisbestimmung von Kreuz und Auferstehung das Folgende. Die Auferweckung Jesu Christi ist die schöpferische Einbeziehung des Todes Jesu – als letzter Konsequenz insbesondere seiner Solidarität mit dem sündigen Menschen – in das ewige Leben Gottes. Das Sein des Auferstandenen als Antizipation des Eschaton ist Manifestation der Lebendigkeit Gottes selbst durch die Neuschöpfung des Lebens Jesu aus dem Nichtsein seines Todes, d.h. als Transformation des Kreuzes zum Quell unerschöpflichen Lebens. Jesu Sterben am Kreuz wird so mitgenommen bzw. verwunden (schöpferisch aufgehoben) auf dem Weg und durch ihn, den Gott mit der Welt geht oder auch: auf dem Gott die Welt in sein eigenes Leben einbezieht. Das Kreuz erhält so selber eschatologische Realität als Lebensmoment des ewigen Gottes und seines Handelns am Menschen. Das Kreuz Christi wird weder abgelöst durch ein es durchstreichendes und abstrakt negierendes Anderes (was die Erhöhung wäre) im Sinn einer theologia gloriae, noch ist das Erscheinen des Auferstandenen eine bloße Erkenntnishilfe zur subjektiven »Bedeutsamkeit« des Kreuzestodes Jesu (so daß theologia crucis gegen theologia gloriae ausgespielt werden könnte). Sondern das Kreuz wird durch 102 Cf. Schlatter, Dogmatik, aaO.␣ 309. Ebeling, der zwar auch behauptet, durch die Auferstehung sei der Tod Jesu nicht rückgängig gemacht, sondern »überwunden« (aaO. II, 304), wendet sich dementsprechend gegen die Vorstellung einer »Wiederbelebung des Leichnams Jesu« (296), klärt aber das Problem einer positiven Bestimmung des Verhältnisses nicht wirklich (cf. 303). 103 Cf. Röm␣ 4,25 u.␣ 5,18 (dika‡wsi“ und dika‡wma). 104 Cf. R.R. Niebuhr, aaO.␣ 32f. 105 Diese zeitliche Abfolge von Kreuz und Auferstehung ist in Barths Auferstehungstheologie nicht reflektiert (cf. KD IV/1, 350ff.). Tut man es, so wird sie als Wirklichkeit einer göttlichen Lebensbewegung zum Hinweis auf die Selbstkonstitution von Ewigkeit, d.h. auf Gottes Neubestimmung als ewig Lebendiger (cf. o. S.␣ 90).
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus
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die Auferweckung gerade in ewige Geltung gesetzt inkraft der aus seiner Negativität ewiges Leben (neu) schaffenden göttlichen Allmacht. Aufgrund der Auferstehung ist die Theologie des Kreuzes allererst eine Theologie des Kreuzes. Durch die so verstandene Auferstehung ist das Kreuz von Golgatha in die Geschichte Gottes mit der Menschheit unauslöschlich eingeschrieben und das Kreuz »objektiv« über der Welt aufgerichtet. D.h. das †f›pax ist nicht als abstraktes »Gelten« (gleichsam »nur« in Gottes Augen) zu verstehen, sondern als endgültige Neuqualifizierung des lebendigen Geschichtshandelns des ewigen Gottes und seiner schöpferischen Weltzuwendung. In einer Weise, die die (protologisch gedachte) Schöpfung durch ein unvergleichliches Maß an Intensität und Endgültigkeit überbietet und vollendet, ist im Versöhnungshandeln in Tod und Auferstehung Christi Gottes Selbsteinsatz in seiner Welt zur eschatologischen Vollendung gelangt. Es handelt sich insofern auch um eine (neue) Selbstbestimmung Gottes als ewig Lebendiger vom Tod Christi am Kreuz her. d. Die bisher erörterte lebendige Einheit des Auferstandenen mit dem Irdischen dokumentiert sich nun auch literarisch. Der »Aufhebung« des irdischen Lebens Jesu in das erhöhte Leben des Auferstandenen entspricht die Aufhebung der Tatsächlichkeit des Wirkens des historischen Jesus in die von Ostern her entworfenen Evangelien. Denn es ist eine geschichtliche Tatsache, die auch theologisch bedeutsam ist, daß die Auferstehung (bzw. die Erfahrung von ihr) eine eigene, neue literarische Gattung generiert hat: die Evangelien106. »Evangelium« bezeichnet die christliche Basisformel ›Gott erweckte Jesus von den Toten‹(cf. Röm␣ 1,1 mit V.␣ 3f. u.␣ 16 und 10, 9)107. Daraus folgt: Die Evangelien reden am Ende (sc. in den Auferstehungsberichten) von ihrem eigenen Anfang bzw. Ursprung; denn aufgrund der Auferstehung und von ihr her verkündigen sie. Ohne die Erfahrung der Auferstehung Jesu wären sie nicht, weil vermutlich nicht von ihm erzählt bzw. dies nicht schriftlich niedergelegt worden wäre. Das aber besagt: sie sind als Texte Fortsetzung dessen, was sie in diesen Texten am Schluß selber erzählen108. Dieser strukturelle Zusammenhang wirkt sich inhaltlich in den Evangelien mannigfaltig aus109. Ich weise hier nur auf die bekannte Vordatierung von 106
S.o. Kap.␣ 3.1, bes. S.␣ 75. W. Schenk, Evangelium – Evangelien – Evangeliologie (1983), 22. 108 Ich möchte Kählers bekannte Rede von den Evangelien als Dokumenten der kirchengründenden Predigt in dieser Weise aufgreifen. In dem Gesagten liegt auch das Wahrheitsmoment an der im Rahmen der Bultmannschen Theologie formulierten These, Jesus sei ins Kerygma auferstanden – eine These, die an Luther bereits einen gewissen Anhalt hat; s. auch o. Kap.␣ 2. Anm.␣ 60 u. Kap.␣ 3. Anm.␣ 119. 109 Cf. dazu beispielsweise den Exkurs 4 bei Rengstorf (aaO.␣ 146–155) über »Österliche Züge im Jesusbilde der Synoptiker«, der kritisch differenziert. 107
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Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln
(indirekten) Auferstehungsgeschichten (wie z.B. Lk␣ 5,1–11 u.a.) hin, die die Einheit des Erhöhten mit dem Irdischen reflektieren. Diese indirekten Ostererzählungen verkünden gleichsam auf ihre besondere Weise, daß der Auferstandene auch je schon im irdischen Leben (für die Menschen der Geschichten selbst bzw. auch für uns, die Hörer dieser Geschichten) gegenwärtig ist und wirkt. Man hat also in dem Umstand, daß die Evangelien das Bild Jesu immer wieder (auch) von Ostern her zeichnen, nicht nur ein literarisches Verfahren (vielleicht gar problematischer Art) von Texten zu sehen, die Glaubenszeugnisse sind110, sondern den Ausdruck des theologisch wahren Sachverhaltes, daß Jesu irdisches Leben durch Ostern wirklich verewigt ist, d.h. ewig lebendig. Nach der Auferstehung (und von ihr her) gilt: sein irdisches Leben war ewiges Leben. Auferstehung ist »Wiederholung« durch Gott oder von Gott her (»vor ihm«)111. Von daher liegt in unvergänglicher Gegenwärtigkeit Jesu geschichtliches Leben im Osterlicht, ist es auferstandenes Leben112. e. Statt von einer Aufhebung des Lebens (und Sterbens) Jesu in das Gottes kann man auch davon sprechen, daß in der Auferweckung durch Gott Jesu irdisches Leben, sein Wort und seine Geschichte, zu ihrer Wahrheit gebracht werden113. Gottes schöpferisches Setzen dieser Wahrheit, das ist der lebendige Zusammenhang von Kontinuität und Diskontinuität, wie er zwischen Jesu geschichtlich-irdischem Leben, das am Kreuz endete, und seinem Auferstehungsleben waltet. Gottes Handeln bestimmt sich im Blick auf die Verifikation und ewige Legitimation Jesu als des Gottessohnes als das wirkliche Durchsetzen von Wahrheit (als seiner eigenen)114. Eben dies Verständnis der Auferstehung als der Wahrheit von Jesu Leben qualifiziert auch rückwärts die Darstellung dieses seines Lebens von Anfang an, wie oben schon zur Sprache kam115. Insofern der irdische Jesus nach seiner Wahrheit als Antizipation des erhöhten Christus aufgefaßt werden muß116, läßt sich auch dies Sichereignen der Wahrheit Gottes an ihm (durch die Negativität seines Todes hindurch) als 110
Cf. Althaus aaO.␣ 53. Das ist der tiefste Gehalt des »Erkennens« der Jünger von Emmaus und des Thomas. 112 Cf. Althaus, aaO.␣ 62 (mit Anm.␣ 1): »Das neutestamentliche Zeugnis von Jesus Christus handelt von Jesu geschichtlichem Leben und von seiner Auferstehung in einem Atem … das Bild Jesu … liegt im Osterlicht«. Bei Barth heißt es in diesem Sinne, »daß auch jene »vorösterliche Ereignisreihe selbst und als solche dieses Lichtes [sc. des Ereignisses von Ostern] durchaus nicht entbehrt« (KD IV/2, 151). 113 Das hebt immer wieder Dalferth hervor, cf. aaO.␣ 81 mit 25 u.ö. 114 Über die Folgen dieses Begriffs von Bewahrheitung für die Frage der Identität Jesu Christi cf. Dalferth, aaO.␣ 81 Anm.␣ 87. 115 Cf. Dalferth, aaO.␣ 95 Anm.␣ 22 u. o. S.␣ 127f. 116 So Barth, KD IV/2, 151. 111
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus
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die eine zeitlich-ewige Geschichte eines Werdens zu sich begreifen (cf. o. S.␣ 84). Freilich kann man auch schon die irdische Lebensgeschichte Jesu als Werden zu sich verstehen (cf. Lk␣ 2,52)117. Das Auferstehungsleben Christi ist eben die ewige »Wiederholung« – im qualitativen Sinn Kierkegaards – seines menschlichen Lebens auf Erden. Wiederholung bedeutet das endgültige Sichdurchsetzen der Ewigkeit an der Zeit (und in ihr). Inhaltlich ist das nichts anderes als eine Art Umkehrung: Was schon vergangen ist, wird nun Gegenwart des Zukünftigen, d.h., wie wir schon öfter bemerkten, die Vergangenheit kommt (neu) aus der Zukunft wieder. So bricht die Zukunft gegenwärtig ein als göttliche Bewahrheitung des Vergangenen: das ist der eschatologische Status der Erscheinungen des Gekreuzigten als des Lebenden. Aus allem hier Dargelegten ergibt sich zwingend, daß die Auferstehung (bzw. der Auferstandene) allein im Rückbezug auf den irdischen Jesus selbst der Grund des christlichen Glaubens ist118. Schließlich ist das Gesagte noch einmal anders zu wenden119. Durch die Auferstehung ist der Sachverhalt, daß Jesu Verhältnis zu Gott als seinem himmlischen Vater in Wahrheit nichts anderes ist als Gottes Verhältnis zu ihm als seinem ewigen Sohn (und darin auch zu uns als den zur Gotteskindschaft im Reich Bestimmten), aus seinem Ansichsein in ein Für-ihn-sein (d.h. für Christus selber) und so auch in ein Für-uns-sein transformiert. Denn Jesus ist »auch für ihn selbst, in seiner eigenen Relation zum Vater, in die Identität mit der Gottheit Gottes aufgenommen«120. Dergestalt ist die Auferstehung die realisierte Wahrheit von Jesu Gottesverhältnis (bzw. seinem aus Gott Sein): für den Auferweckten und Erhöhten ist die Wahrheit seines Seins als Irdischer (nun) seine offenbare Wirklichkeit, die seine Erscheinungen manifestiert haben.
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Dem kommt Marheineke sehr nahe, cf. Die Grundlehren, aaO.␣ 63. Cf. Pannenberg, STh II, 385. Cf. zum Folgenden in der Sache auch Joest, Dogmatik 2, 463. AaO.␣ 1, 236.
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Kapitel 6
Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes Niemand nimmt mein Leben von mir, sondern ich selber lasse es. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen. Joh␣ 10,18
1. Auferstehung und Erhöhung (Himmelfahrt) Die unzähligen Auferstehungsbilder der abendländischen Kunstgeschichte haben im Grunde nur eine Botschaft, die unüberhörbar bzw. unübersehbar ist. Sie lautet: Sieg – wunderbarer Sieg über den Tod, d.h. Sieg über tiefste Schmach, sinnloses Ende, Vernichtung, Gottverlassenheit, und Sieg durch wunderbares Neuwerden und Lebendigsein, Wiederherstellung und Heraufführen einer neuen Wirklichkeit, göttliche Bestätigung und ewige Sinnhaftigkeit. Sie malen diesen Sieg als das Wunder schlechthin, als das unausdenklich Neue, das Gott gemacht hat, als das unbedingt Anbetungswürdige, das Gott sein ließ. Denkt man über die theologische Substanz dieser frommen Veranschaulichungen – etwa von Grünewald bis Rembrandt – nach, so scheint es ein Gedanke zu sein, den dieser Sieg vor Augen führt, der Gedanke: Gott selbst war in der äußersten Negativität, die dem Sieg vorausging, Gott hat selber eingegriffen und hat das undurchdringliche Dunkel von Golgatha eben durch sein eigenes Dabeisein wunderbar erhellt (Ps␣ 139,12). Dieser Gedanke drückt die theologische Kernsubstanz und das eigentliche Wesen der Auferstehungsrealität und des Auferstehungsglaubens aus. Darum hängt der christliche Glaube ausschließlich am Gekreuzigten, weil er hier und hier allein das weltüberwindende Geheimnis des göttlichen Lebens und so hier Gott selber als das Geheimnis der Wirklichkeit findet. Sieg liegt in diesem Tod am Kreuz, sofern Gott selbst sich seiner angenommen und ihn zu seiner Sache gemacht hat. Gottes Handeln am toten Jesus, das ist seine schöpferische Zuwendung zu diesem Abgrund, ist seine lebendige Identifikation mit dem Nichts, das hier aufbrach, das Festhalten des auferweckten Gekreuzigten in seinem ewigen Blick. a. Bei der theologischen Beurteilung der relativ späten Erzählung von Christi Himmelfahrt (Act 1) ist von der historischen Tatsache auszugehen, daß die
1. Auferstehung und Erhöhung (Himmelfahrt)
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ältesten Zeugnisse des Neuen Testamentes die Auferstehung und die Entrükkung Jesu in den Himmel als ein einziges Geschehen aufgefaßt haben (cf. Phil␣ 2,9; Act␣ 2,36; 5,30f.). Ist das Zusammenfallen von Auferstehung und Erhöhung offensichtlich die ursprüngliche Auffassung1, so daß Ostern und Christi Himmelfahrt nicht zeitlich auseinandergelegt werden, so muß man die zwar bedeutsame, aber einzelne Himmelfahrtserzählung als eine später ausgegliederte und zu einer quasi-anschaulichen Geschichte mit stark legendären Zügen ausgestaltete Sekundärbildung in kerygmatischer Absicht ansehen. Aber selbst, wenn das literarische und historische Urteil anders ausfallen würde, müßte das theologische Verständnis von Himmelfahrt und Erhöhung an dieser Stelle sachkritisch orientiert sein2. Denn bereits der o. exponierte Begriff der Ostererscheinungen, von denen jedenfalls auszugehen ist, nötigt dazu, Erhöhung und Erscheinung (als Antizipation der Parousie) als sachlich ineinsfallend zu denken3. Nur so kann auch ein vernünftiger Begriff von der dem Auferweckten eigenen Lebendigkeit konzipiert werden, demgemäß sein Sein bei Gott (als dem Lebendigen) zugleich sein Sein bei uns ist4. Diesen theologischen Sinn der »Himmelfahrt« hat Luther präzis festgestellt: »Er ist in die Höhe gefahren und das Gefängnis gefangen genommen [Ps␣ 68,19], das ist, er sitzt nicht allein da oben, sondern ist auch hier nieden. Und eben darum dahingefahren, daß er hier nieden wäre, daß er alle Ding erfülle und an allen Orten kund sei, welches er nicht konnte tun auf Erden, denn da konnten ihn nicht alle leiblichen Augen sehen. Darum ist er dorthin gesessen, da ihn jedermann sehen kann und er mit jedermann zu schaffen habe, daß er alle Kreatur erfülle, da er ist überall gegenwärtig und sind alle Ding seiner voll und ist nichts so groß in Himmel und Erde, darüber er nicht Gewalt habe, daß es tun muß was er will … Daß er nicht allein alle Kreatur regiere und erfülle (denn damit ist noch nicht meinem Glauben geholfen noch die Sünde hinweggenommen), sondern hat auch das Gefängnis wieder gefangen geführt«5. Damit ist als theologischer Gehalt von Himmelfahrt die schlechthinnige Entgrenzung des zu Ostern an Jesus Geschehenen, eben die Universalität der Auferstehungswirklichkeit, welche die Erscheinungen partikular bekunden, 1 Cf Pannenberg, STh II, 397. Zur engen Verbindung von Auferstehungs- und Erhöhungsaussagen (mit weiterer Lit.) cf. aaO.␣ 391 Anm.␣ 71. 2 Immerhin kann man fragen, ob nicht in Act␣ 1,11a eine im Text selber angebrachte Korrektur an etwaiger weltanschaulicher (weltbildhafter) Verselbständigung des berichteten Vorgangs zu sehen ist! Denn V.␣ 11b verrät jedenfalls ein Bewußtsein des Zusammenhangs von Weggehen und Kommen Christi (cf. auch Joh␣ 3,13), der als von systematisch grundsätzlicher Bedeutung festzuhalten ist. Nur aus ihm wird der theologische Status von »Erscheinung« begreiflich, wie früher gezeigt wurde. 3 S.o. S.␣ 60, 62 u.␣ 65. 4 S.o. S.␣ 65f.; cf. WA 10/I, 2, 303! 5 Cf. 12, 564, 16–26 (1523); ähnlich Walch 2XIIIa, 613 (cf. Eph 4,8–10).
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herausgearbeitet. So wie das geschichtlich Einmalige von Jesu Leben und Sterben zum Einfürallemal und das Zeitliche zum Ewigen verklärt wird, eben so ist das geschichtliche Handeln Gottes in der Auferweckung hiermit als in die Allgegenwart seines Lebens aufgehoben gewußt. Damit ist eine unbeschränkte Nähe Jesu zur irdischen Menschheit als ganzer eröffnet. Wo Gott für uns gegenwärtig wird, mit seinem Leben, da ist Jesus Christus mit gegenwärtig. Anzeichen dafür ist, daß »Jesus Christus« zu einem Eigennamen wird: das irdische Leben und Sterben Jesu verschmilzt gänzlich mit dem Sein des Auferstandenen zur Rechten Gottes6. Die »Himmelfahrt« bringt zum Ausdruck, daß der in Person Auferweckte als zu Gott Erhöhter nun endgültig »der Weg« ist ( Joh␣ 14,6), den er für uns vorausgegangen ( Joh␣ 14,3) und der er selber für uns geworden ist (cf. I Kor␣ 15,20 u.␣ 32). Was Himmelfahrt in der Sache bedeutet7, ist in Bekenntnis und Dogmatik als sessio ad dexteram Dei festgeschrieben8. Damit wird nur auf einen endgültigen Ausdruck gebracht, was immer schon integrales Moment der Selbstbekundung des Auferstandenen war, wie sie die Erscheinungsgeschichten beschreiben9. b. Ist die Erhöhung Christi nicht als neue Stufe nach der Auferstehung, sondern gleichsam als deren »andere Seite« aufzufassen10, so lassen sich im 6
Die »Zeugung« des Gottessohnes in der Auferweckung Jesu (Act␣ 13,33; Genaueres s.o. S.␣ 129) und seine Auferweckung durch Gottes schöpferisches Wort (s.o. S.␣ 50f.) kommen, sich vollendend, zusammen in der Nennung seines Namens: »Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!« ( Jes␣ 43,1). Hierbei ist zu bedenken: »In Gott ist der Name schöpferisch, weil er Wort ist, und Gottes Wort ist erkennend, weil es Name ist … Das absolute Verhältnis des Namens zur Erkenntnis besteht allein in Gott, nur dort ist der Name, weil er im innersten mit dem schaffenden Wort identisch ist, das reine Medium der Erkenntnis« (W. Benjamin, Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen, in: Gesammelte Schriften II/1, 148). Im Namen Jesu Christi, des auferweckten Gekreuzigten, ist das Verhältnis zur Erkenntnis auch in dem Sinne absolut, daß Gottes schöpferischer Blick auf den toten Jesus und seine schöpferische Benennung mit dem Christus-Namen als die Erkenntnis, in der der Gekreuzigte lebt, zugleich Gottes vollendete Erkenntnis seiner selbst ist (cf. o. S.␣ 52 u.u.␣ 168). Und für wen gilt mehr als für den aus der Lebensmacht Gottes Auferstandenen: »Der Eigenname ist die Gemeinschaft des Menschen mit dem schöpferischen Wort Gottes« (Benjamin, aaO.␣ 150)! 7 Der Sache nach geht es um das mit der Himmelfahrts-Vorstellung Intendierte u.a. Mt␣ 28,20b u. Joh␣ 20,17; cf. Joh␣ 1,14.51; 3,12; 5,19.26; 6,38. 50f.62; 8,21.23; 14, 2–6; 16, 5.30.33; 17, 5ff. 8 Cf. Röm␣ 1,3f.; 8,34; Kol␣ 3,1; I Petr␣ 3,22; Eph␣ 1,20 u.ö. und Lüdemann aaO.␣ 137. 9 Daher ist es zu kurz gegriffen, wenn z.B. Stange in der Himmelfahrtsgeschichte nur den plastischen Ausdruck für die Vorstellung sehen will, daß die Erscheinungen an einem bestimmten Zeitpunkt ihr Ende gefunden haben (ZSTh I (1923), 717). Dies war sachlich immer schon Moment in allen Erscheinungen, insofern sie proleptischen und d.h. partikularen Charakter hatten, s.o. Kap.␣ 3.4. 10 Cf. dazu Goppelt, Theologie des Neuen Testaments␣ I, 286 (hier auch zur Geschichte des Terminus »erhöhen«).
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Zusammenhang damit einige Wesenszüge des mit Christi Erhöhung zur Rechten Gottes Ausgesagten verdeutlichen. Zunächst unterstreicht die Erhöhungsaussage unüberbietbar das Besondere am Sein des Auferweckten, daß er nämlich dem Tode nicht mehr unterworfen ist, sondern der höheren und andersartigen Dauer ewigen Lebens teilhaftig ist. So ist die in Einheit mit der Erhöhung gedachte Auferstehung11 spezifisch unterschieden von sonstigen Totenerweckungen, wie sie aus dem NT und der Religionsgeschichte bekannt sind; erst diese Zusammenschau mit der Erhöhung bestimmt Christi Auferstehung im Unterschied von traditionellen Vorstellungen über so etwas wie vom Tode Wiedererwecktwerden. Freilich ist die Verbindung beider Themen auch in der anderen Richtung signifikant. Beides darf nicht in ein Gefälle gebracht werden, so daß einerseits Auferstehung nur als die historisch-empirische Bezeugung von Christi Erhöhung zu ewigem Leben und Wirken bei Gott verstanden würde; dann wäre Gottes lebendige Gegenwart in der Welt, die sich gerade durch ihn realisiert, ebenso vergessen wie der Heilssinn des pro nobis von Auferstehung. Andererseits sollte die Erhöhung nicht, wie in der traditionellen dogmatischen Stände-Lehre nahelag, als eigener »Stand« (d.h. im Unterschied zur Auferstehung) isoliert werden12; dabei bliebe ebenso der Umstand unberücksichtigt, daß schon die »Höllenfahrt« Christi (descensus ad inferos) Ausdruck der Herrschaftsübertragung auf ihn ist13, wie auch die Mahlgemeinschaft des Erhöhten mit den Glaubenden im Sakrament an grundsätzlichem Gewicht verlöre. Auferstehung und Erhöhung tun sich beide in den Ostererscheinungen kund und sagen zusammen das theologisch Entscheidende aus: »Das Menschsein Jesu wird vollendet und verklärt hinein in das ewige Leben Gottes«14. Diese Verklärung und Vollendung läßt sich aussagen als Erhöhung des auferweckten Gekreuzigten in den Himmel, d.h. in die himmlische Gemeinschaft mit Gott (Gal␣ 1,1), aus der heraus er den Seinen erscheint15. Durch die Erhöhung zu Gott16 vertritt der Auferweckte uns zur Rechten Gottes (Röm␣ 8,34)17. Dabei ist – nicht nur durch ein adäquates Verständnis von »Rechter Gottes«18, sondern spezifisch auch aufgrund der Einheit von Erhöhung und Auferstehungserscheinungen – die Auffassung von Himmel bzw. 11
Cf. dazu Wilckens, aaO.␣ 92. Dagegen Koch, aaO.␣ 70. 13 Cf. FC IX und Künneth, aaO.␣ 118. 14 Althaus, Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 491. 15 Cf. Goppelt, aaO.␣ 286, der von den Erscheinungen als ursprünglich »Offenbarungen des Erhöhten von Gott, bildlich geredet, vom Himmel her«, spricht. 16 Cf. Phil␣ 2,8f. (bzw. 5ff.); Act␣ 2,33 u.␣ 36; 5,30f.; 13, 33. 17 Cf. Graß, aaO.␣ 229f. u.␣ 319 Anm.␣ 1 (Diskussion der Frage). 18 Cf. Luthers klassische Festsetzungen in: Daß diese Wort … noch feststehen (1527), WA 23, 131ff. 12
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Rechter Gottes als bloßes »Jenseits« im trivial-weltanschaulichen Sinne gerade definitiv ausgeschlossen19. Weil in kraft der Erhöhung Christi durch Gott der Auferweckte und Gott selber ewig zusammen gehören (cf. Röm 1,3 f.)20, ist die Macht des Auferstandenen21 nun eins mit der Allmacht von Gottes Liebe, der Wirklichkeit des Heils, deren schöpferische Macht stärker ist als Sünde und Tod (Röm␣ 8,38f.). Als der Erhöhte, der zum Vater gegangen ist, ist der zu Gottes Leben Auferweckte »alle Tage bis ans Ende der Welt« bei den Seinen, als Brüdern aus diesem Vater (Mt␣ 28,20 u. Joh␣ 20,17!). In diesem Sinne wirkt er als Erhöhter alle Zeit. Damit ist gesagt, die Gegenwart des Auferstandenen ist nicht als eine auf der Zeitlinie verlängerte Wirksamkeit, die von der Vergangenheit her zu uns kommt, vorzustellen; sondern Auferstehung ist Erhöhung gerade auch aus der durch Gesetz, Sünde und Tod bestimmten Zeitlichkeit heraus, so daß Christus kraft seines ewigen Lebens unmittelbar ist zu jeder Zeit22. Seine Zeit als Lebender und Erhöhter ist Zeit im Modus ihrer ewigen Erfüllung, »Vollzeitlichkeit«23. Mit der Erhöhung ist der Auferweckte – das liegt in dem Gesagten bereits – aufgenommen in die Herrlichkeit (doxa) Gottes, in deren Kraft er auferweckt wurde und deren Abglanz über seinen österlichen Erscheinungen liegt (cf. I Tim␣ 3,16). Indem Gott selber an den toten Jesus sein eigenes Leben weitergibt (cf. Joh␣ 5,26 und den nächsten Abschnitt 6.2.) und so sein Leben mit dem Gekreuzigten (und dessen irdischem Leben) identifiziert, ist die Erhöhung des Auferweckten so etwas wie die Konstitution der trinitarischen göttlichen Lebensgemeinschaft (dazu s.u. c.): »Der Mensch Jesus tritt in Gottes Gottheit ein«24. Insofern das eine, zeitlich vermittelte, Neubestimmung des ewigen Gottes als des Lebendigen einschließt, kann man von der Erhöhung in letztem Betracht auch sagen, daß mit ihr »auch für das innergöttliche Leben ein Neues« statthat25. Zusammenfassend und zum nächsten Abschnitt überleitend läßt sich sagen: insofern die Auferstehung Jesu mit seiner Erhöhung zum Kyrios zusam19 Als gänzlich abwegig muß daher Lüdemanns (apologetischer) Hinweis auf (freilich auch für ihn uneindeutige) Erfahrungen aus dem Bereich des Okkultismus gelten (cf. aaO.␣ 201); eine Kontamination des Auferstehungsglaubens mit dem Spiritismus, die man sonst nur von der Anthroposophie her kannte (cf. Rittelmeyer, Theologie und Anthroposophie (1930), 81 mit 28, 40, 50, 57, 117f.). Abgesehen davon, daß das NT selber schon die Verwechslung mit einem Totengeist abwehrt (Lk␣ 24,36; Mt␣ 14,26), ist kaum verständlich, wie man eine Offenbarung Gottes spiritistisch mißdeuten kann (cf. o. S.␣ 34). 20 Cf. Wilckens aaO.␣ 33. 21 Cf. aaO.␣ 41f. 22 Cf. das o. S.␣ 77 über »Gleichzeitigkeit« Gesagte. 23 Cf. zu diesem Begriff Schmidt, Zeit und Ewigkeit, aaO.␣ 297. 24 Althaus, Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 491. 25 Ebd.
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menfällt26, ist von Gott her das ewige Heil der Menschheit gestiftet27. Als der durch Verleihung des Gottesnamens zum Kyrios Erhöhte (Phil␣ 2,9–11) steht der ewige Christus lebendig der ganzen Welt- und Geschichtswirklichkeit gegenüber28 – als ihr Richter, der eins ist mit ihrem Schöpfer (Mt␣ 28,18; I Kor␣ 4,5). Die Auferstehung ist so der Herrschaftsantritt Jesu als des Kyrios: im Himmel herrscht ein Mensch29. c. Jesus Christus ist der Kyrios als der von Gott zu seiner Herrlichkeit Auferweckte (Röm␣ 10,9)30. Insofern er dies ist, bleibt er aber der, der er war: der Menschensohn und leidende Gottesknecht, denn eben als der Gekreuzigte ist er durch die Auferstehung Kyrios geworden (Act␣ 2,36). Indem Christus die Menschheit in sein Leben beim Vater mitgenommen hat und so wahrhaft ihr Kyrios ist, ist seine Erhöhung zum gottgleichen Sein in Ewigkeit auch die Antizipation der Erfüllung und Vollendung aller Schöpfung31 und er, wie mehrfach herausgestellt, Anfänger und Vorbild der im Leben Gottes vollendeten Menschheit32. Kyrios ist der zu Gottes ewiger Doxa Auferweckte, indem er zugleich an Gottes Allwirksamkeit teilgewinnt, d.h. indem er »zur Rechten Gottes« erhöht wurde – als dem lebendigen Ort seines Kyrios-Seins (Röm␣ 8,34; Eph␣ 1,20 u.␣ 22). Insofern drückt sich wie schon in der Auferweckung, so auch in der Erhöhung zum Kyrios – als deren auch Gott selber in seinem Handeln an Jesus betreffende Seite – Gottes schöpferische Identifikation mit Leben und Sterben Jesu von Nazareth aus. Daher ist mit der Erhöhung zum Kyrios die Verleihung der Gottheit ewig verbunden (cf. Eph␣ 1,10f. 21f; Kol␣ 2,10; Phil␣ 3,21)33. Dieser Sachverhalt, daß Gottes eschatologisches Handeln am Menschen Jesus auch Gott selber betrifft und etwas für ihn selbst als den Lebendigen bedeutet, ist im Thomas-Bekenntnis realisiert ( Joh␣ 20,28), das darum virtuell eine Trinitätslehre impliziert34. Ist die Auferweckung Jesu Christi nicht anders als seine Erhöhung in den eigenen Lebenszusammenhang Gottes zu 26
Cf. Röm␣ 4,24 u.␣ 14, 9 mit I Kor␣ 15,25; Hebr␣ 1,13; Act␣ 2,34f. u.␣ 10, 42. In ihm ist die Soteria: Act␣ 16,31; 15, 11 (cf.␣ 4,12); Röm␣ 10,9; Phil␣ 3,8f.; 2,11; I␣ Kor␣ 12,3. 28 Cf. Künneth, aaO.␣ 113. 29 Cf. o. Kap.␣ 3.1., Anm.␣ 28. Althaus formuliert: »Jesus hat Teil bekommen an Gottes weltgegenwärtiger Gewalt« (Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 492, cf. Mt␣ 28,18). 30 Mit Bezug auf diese Pls-Stelle bringt Moltmann das Sein des Erhöhten und Gottes Handeln zusammen: »Das Bekenntnis zur Person Jesu als des Herrn und das Bekenntnis zum Werk Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat, gehören untrennbar zusammen« (Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 150). 31 Künneth, aaO.␣ 157. 32 AaO.␣ 158. 33 Dies legitimiert die Anrufung Christi mit dem Gottesnamen k‚rio“, cf. aaO. 120 Anm.␣ 42. 34 Cf. Joh␣ 1,1; dazu Dalferth, aaO.␣ 117f. 27
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deuten35, dann stellt die dogmatische Trinititätslehre das konsequente Zuendedenken dieser Bezüge dar. Es geht in ihr um das Begreifen dessen, was Gottes Identifikation mit dem toten Jesus über Gott selber besagt, also darum, ihn aus seinem schöpferischen Handeln als den schlechthin lebendigen Gott zu verstehen. Denn erst mit dem auferweckten Gekreuzigten zusammen ist Gott in Ewigkeit der dreieinig-lebendige, wahre Gott: »Die ewige Dreifaltigkeit schließt jetzt die Gottmenschheit des Sohnes in sich ein«36. Dieses »jetzt« ist das Heute ewigen Lebens – siehe dazu schon oben Kap.␣ 5.2. S.␣ 129 –, in dem die sich mit der Auferweckung Jesu Christi ewig konstituierende Trinität ihrer eigenen Vollendung inne ist. Diese lebendige Selbstvollendung der Trinität, die sich in der dialektischen Einheit von Menschwerdung Gottes und Erhöhung Christi zu Gottes Rechter in der Auferstehung (s. dazu o. Kap.␣ 3.1.) ereignet, ist, weil Christi Gehen zum Vater sein Kommen zu uns ist, zugleich Gottes endgültiges Bei-uns-Sein. Eben das manifestieren die Erscheinungen des Auferstandenen: die innertrinitarische Gemeinschaft Gottes ist zugleich seine eschatologische Gemeinschaft mit den Menschen. Noch einmal: »Bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht«! Was das als innergöttlicher Lebensvorgang – als Handeln Gottes am Sohn – bedeutet, ist im nächsten Abschnitt näher zu bedenken (6.2.). Hier ist im Zusammenhang des Thomas-Bekenntnisses ( Joh␣ 20,28, cf. auch V.␣ 17b!) noch eine andere trinitarische Spur kurz aufzuzeigen. Insofern nämlich die Auferstehung Jesu eschatologisch nur im Zusammenhang der der Glaubenden gedacht werden kann (s.o. Kap.␣ 2.2.), ist damit ein neues Verhältnis von individueller Unterschiedenheit und gemeinschaftlicher Einheit auch der Auferstandenen im ewigen Leben anzusetzen. Verwandlung und Verklärung beseitigen auch die substantielle Absonderung der Individuen voneinander, die für das irdische Leben kennzeichnend ist; so tiefgreifend muß die Veränderung im Eschaton, wenn Gott alles in allen sein wird, gedacht werden. Eben diese eschatologischen Verhältnisse durchsichtigen Füreinanderseins im lebendigen Einssein denkt die Trinitätslehre als in Gottes eigener Lebendigkeit ermöglicht und begründet37. Als Inbegriff solcher Beziehung des Unterschiedenseins in innigster Gemeinschaft wird neutestamentlich der Begriff des Geistes in Anspruch genommen. Darum ist der zu Gottes Leben erhöhte Kyrios selber nur als der Geist aufzufassen (II Kor␣ 3,17), aus dessen Lebensmacht er jenseits des Todes ist38. Sein Geistsein als lebendiger Herr ist die Wirklichkeit seiner Auferste35 Zur Aufnahme Jesu in die Trinität cf. WA 41, 86, 29 – 87, 19; 90, 37–40 u.␣ 91, 7–12(!). 36 Althaus, Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 491. 37 Cf. hierzu Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 2, 186 u.␣ 185. 38 Es scheint eindeutig zu sein, daß Christi Auferweckung ausschließlich auf Gottes Schöpfermacht, nicht aber auf Christi eigene Aktivität zurückgeführt werden kann
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hung, und zu deren voller Bestimmung gehört daher die – jeden endlichen Dualismus von Geist und Materie überwindende – Rede vom sùma pneumatik·n (s.o. Kap.␣ 4.2.)39. Die lebendige Dialektik im Sein des Auferweckten, bei Gott zugleich beim Menschen zu sein, ist Ausdruck dessen, daß er an der Dynamik göttlichen Geistseins teilhat40. Darum ist die Erhöhung zum himmlischen Kyrios nichts anderes als seine Bestimmung zur Diakonie an der Welt (cf. Joh␣ 13,1– 17 u.␣ 15, 12–17)41. Dies Leben des auferweckten Kyrios aus der Lebensmacht Gottes ist nur, was es ist, als von sich her übergreifend auf das Leben der im Glauben zu ihm Gehörigen. Daher ist es in kraft seines Geist-Seins, daß die Glaubenden – im (cf. Rengstorf, aaO.␣ 30 Anm.␣ 42 (gegen Oepke) und 57 mit Hinweis auf Act␣ 10,40 (cf.␣ 2,24), wo das Erwecken und den Auferstandenen zu sehen Geben ganz Gott zugeschrieben wird; anders vielleicht Joh␣ 21,1: †fanfirwsen ©aut·n). So hat auch K. Barth die Auferstehung als rein passives Widerfahrnis an Jesus verstanden, während R. Prenter Christus sogar nach seiner menschlichen Natur an der Auferstehung beteiligt sehen will. Nun scheinen alle Stellen des NT, die auf die Macht des Gottessohnes zur Auferstehung hinweisen, dies immer im Zusammenhang seines besonderen Gehorsamsverhältnisses zum Vater zu tun (cf. Joh␣ 10,18 mit 17; 12, 1.9.17 mit 10, 40 (d·xa jeoú); offen ist vielleicht Joh␣ 2,19, cf. aber Rengstorf 30 Anm.␣ 41 dazu; Joh␣ 11,43 ruft Christus mit der Schöpferstimme. Cf. kurz Pannenberg STh␣ II, 388 Anm.␣ 63). Freilich hat Luther z.B. in Predigten oft die Auferstehung auf Christi Gottheit bezogen: »aus eigner Kraft« (Walch2, Bd. XIIIa, 614; cf. Denz. 539: virtute propria suscitatus … surrexit, Toletanum XI, 675 n. Chr.) und hat entsprechend behauptet, wegen und nach seiner Gottheit habe Christus nicht sterben können (z.B. WA 20, 360, 20ff.; 37, 26, 27–33). Man wird also urteilen müssen, daß die Eigenbeteiligung Christi an seiner Auferstehung ein sehr spezieller Gesichtspunkt ist, der im Rahmen der sich konstituierenden Einheit des trinitarischen Lebens geltend gemacht werden müßte; wozu hier nicht der Ort ist. Dabei wäre die Frage wichtig: ist die Auferweckungstat ein Handeln Gottes ad extra, so daß die Regel gälte: opera trinitatis ad extra sunt indivisa? Das partikulare Recht, das jenem Gesichtspunkt so allenfalls zukommen kann – allerdings unter erheblichen Komplizierungen der Frage –, muß aber stets gegen die Gefahr abgegrenzt werden, in die theologisch desaströse Folge abzugleiten, daß die aktive Selbstbeteiligung Christi so stark betont wird, daß damit die Realität und Ernsthaftigkeit seines Todes (doketistisch) abgeschwächt würde (daher ist z.B. Künneth dagegen; cf. aaO.␣ 112). Hier kann nur ein genaues Durchdenken der lutherischen Zwei-Naturen-Lehre (communicatio idiomatum) weiterführen. Cf. zur Frage auch KD IV/1, 334f. 39 Von hier aus erhellt nochmals das Törichte daran, die Begegnung mit dem Auferstandenen mit sog. »Geistererscheinungen« in Verbindung zu bringen, cf. o. Anm.␣ 19 u. o. Kap.␣ 4.2., Anm.␣ 37. 40 Von hier aus ergibt sich für das grundlegende (d.h. systematische) Verständnis von Phil␣ 2,6–11, daß Entäußerung und Erhöhung in Gottes lebendiger Ewigkeit als ein Geschehen, weil ein göttlicher Lebensvorgang, aufzufassen sind: indem die Entäußerung geschieht, ist sie bereits Erhöhung, und die Erhöhung ist nichts anderes als die Kraft der Entäußerung. Entäußerung und Erhöhung beschreiben im Nacheinander den geisthaften Vollzug von Gottes Selbstunterscheidung als Selbstvermittlung. 41 Cf. Koch, aaO.␣ 56f.
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endlichen Abglanz seiner Doxa an ihnen – im eschatologischen Unterwegssein in sein Bild verwandelt werden (II Kor␣ 3,18). Und die Aufforderung an die im Glauben vom Herrn neu Bestimmten, sich nicht der gegenwärtigen Weltgestalt gleich zu gestalten (suschmat‡zesjai), entspricht nur der Realität, daß eben, wie die Gestalt dieser Welt (schma) vergeht (I Kor␣ 7,31)42, so auch sie selber nicht mehr aus sich und dieser Welt leben, sondern in dem Herrn, den sie – als ihre neue Gestalt – »angezogen« haben (Röm␣ 13,14; Gal␣ 3,27; cf. Eph␣ 4,24; Kol␣ 3,10 u.ö.). Aus solcher Kyriosbestimmtheit als Geistbestimmtheit läßt sich insbesondere die paulinische Paränese verständlich machen (Gal␣ 2,20; Phil␣ 1,21)43. Es gilt, in kraft der Auferstehungsrealität, die im eschatologischen Werden zu sich hin ist, »sich selbst Gott hinzugeben als die aus den Toten Lebendigen« (Röm␣ 6,13; cf. 14b: ≠pÖ c›rin). Für die mit Christus Auferstandenen macht es ihr Sein im Glauben aus (Gal␣ 3,26), »zu suchen, was droben ist« (Kol␣ 3,1; cf. 2: froneõn). »Droben« ist aber unser verborgenes Leben mit Christus in Gott (V.␣ 3), so daß so Leben heißt, aus der Kraft des Erhöhten in einem neuen Leben zu leben (Röm␣ 6,4; Gal␣ 5,25).
2. Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh␣ 5,26) In Aufnahme alttestamentlicher Gottesprädikate (cf. Dt␣ 5,41 u.␣ 39, Dan␣ 6,27) ist auch für das NT das Leben Gott ursprünglich zu eigen, ihm als »dem Lebendigen« schlechthin (¨ zùn; cf. Röm␣ 9,26; Mt␣ 16,16; 26, 63; Act␣ 14,15 u.ö.). Er ist an sich selber der, der ewig lebt (Offb␣ 4,9f.; 10, 6; 15, 7) und der allein die Unsterblichkeit selber hat (1␣ Tim␣ 6,16). Gottes Leben (zwfl) ist wesentlich seine Schöpferkraft44. Als der Lebendige ist er schöpferisch im Unterschied zu geschöpflichem Leben; daher ist er der, der überhaupt lebendig machen kann (Act␣ 17,25), und zwar auch die Toten ( Joh␣ 5,21; cf.␣ 6,57; Röm␣ 4,17; II Kor␣ 1,9; I Tim␣ 6,13; dies wird geradezu zu seinem Attribut)45. Das geschieht insbesondere durch seinen lebenschaffenden Geist (I Kor␣ 15, 45; Joh␣ 6,63). 42
Cf. Graß, aaO.␣ 170 (mit Anm.␣ 2). Für die »Zeugen« des Auferstandenen war das in den Erscheinungen geschehen, und eben für dies Vergehen steht auch das leere Grab ein! 43 Cf. dazu bündig das Wesentliche bei Graß, aaO.␣ 264 (mit vielen ntl. Stellen). 44 Cf. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (Meyers Kommentar, 196410 ), 195 Anm.␣ 4. 45 Cf. Art. zwopoifiw␣ in: ThWbNT 2, 876f. (Bultmann). Als zwopoioún␣ wird Gott auch im Corp. Herm. noch bezeichnet (XVI, 8; cf. X, 17; XII, 22). Schon LXX haben durchweg Gott als Subjekt des Verbums zwopoieõn␣ (aaO.␣ 876, 36). Im NT und bei den apostolischen Vätern entspricht ihm die Bedeutung »lebendig machen« im soteriologischen Sinn (mit Gott, Christus oder dem Pneuma als Subjekt). Für die eschatologische Totenauferweckung gebraucht Paulus das Verb Röm␣ 4,17 (cf. I Kor␣ 15,22);
2. Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh␣ 5,26)
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Über Gottes eigenes Lebendigsein und den Zusammenhang mit dem in Christus erschienenen neuen Leben macht das Joh.-Evangelium eine denkwürdige Aussage von erheblicher grundsätzlicher Bedeutung, über die nachzudenken sich um so mehr empfiehlt, als die Exegeten ihr meist relativ wenig Aufmerksamkeit widmen. »Denn wie der Vater das Leben in ihm selbst hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in ihm selbst« ( Joh␣ 5,26). a. Zunächst ist der auffälligen Formulierung der ersten Vershälfte nachzugehen, daß Gott der Vater das Leben »in ihm selbst« hat. Das Leben zu sein und zu haben, das – so wird meistens festgestellt – spricht Gott die schlechthinnige Lebensfülle zu und auch, daß er Lebensursprung an sich und aus sich ist. Das ist genauer zu durchdenken, um der großen Bedeutung dieser einzigartigen Aussage gerecht zu werden. »Leben in ihm selbst« besagt: Das Leben ist nicht etwas, das außer Gott als ein Allgemeines schon irgendwie da ist, und er hätte als lebend nur Anteil daran. Gott hat nicht am Leben teil, wie irgendein lebendiges Wesen, und er empfängt es nicht von woanders her. Er »hat« es nicht eigentlich, wie ein Geschöpf eine Eigenschaft hat, die als solche nie nur auf dieses, dessen Eigenschaft sie ist, beschränkt ist. Dann wäre Gott nur eine besondere Gestaltung des Lebens überhaupt. Sondern er »hat« es nicht eigentlich wie etwas von ihm Unterschiedenes, sondern ist selber das Leben, das ihm zukommt46. Gott ist das Leben, das er hat, aus sich und durch sich. Gottes Gottheit besteht darin, aus sich und in sich selbst quellendes Leben zu sein (cf. Ps␣ 36,10). Gott selber ist suisuffizientes Leben. Das Leben nur zu haben und es nicht selber zu sein, bedeutet nicht so damit identisch zu sein, daß es einem nicht auch wieder genommen werden könnte. Leben nur zu haben, heißt in kraft des Lebens überhaupt zu leben: als dessen Teil. Demgegenüber besagt, das Leben in sich zu haben, in kraft von sich selbst zu leben, und d.h. mit dem Leben selbst streng identisch zu sein. So ist Gott a§tozùo“, das absolute Leben selbst und als er selbst. Ein solches Leben in sich selbst zu haben bzw. selber selbst zu sein, heißt unverlierbar lebendig, ewig zu sein47. Als Lebendiger schlechthin lebt Gott ganz aus sich selber, ewig, und eben nicht aus dem Leben überhaupt als einem Übergreifenden, ihm gegenüber Anderen oder Vorgegebenen. Der lebendige Gott ist sein eigenes Leben; und parallel zu †ge‡rein␣ steht es Röm␣ 8,11. Zur Gleichsetzung mit †ge‡rein␣ cf. auch II Kor␣ 1,9 u. Joh␣ 5,21(!). Für die Auferstehung Christi ist es auch I Petr␣ 3,18 gebraucht, für das Mitauferstehen mit ihm Eph␣ 2,5 u. Kol␣ 2,13. 46 Cf.: quod est vita, et non solum … vivens, Thomas von Aquin STh I q.3, a.3. sed c. (zu Joh␣ 14,6). 47 Cf.: quia non aliud illi est esse, aliud vivere, quasi possit esse non vivens, Augustin, De civ. Dei VIII, 6 (MPL 41, 231).
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daß er das Leben »in ihm selbst« hat, heißt darum, er beschließt es ganz in sich selber. Sein Selbst bzw. sein er selbst Sein als Gott ist schlechthin das Leben selbst, als sein Wesen und seine Existenz in ihrer Identität. Das hat bereits Anselm von Canterbury auf die Formel gebracht, die sich als der beste Kommentar zu Joh␣ 5,26a liest: Tu es igitur vita qua vives48. Gott verdankt sein Leben nur sich selbst, darum ist er zugleich, was er in sich hat. Oder auch: sein Wesen, das Leben zu sein, manifestiert sich in seinem eigenen wirklichen Leben. Er ist lebendig in kraft des Lebens, das er selber wesentlich ist49. Sein Wesen ist sich selbst hervorbringendes Leben, also seine eigene Existenz. Er ist selber das Leben, durch das er und als das er lebt; Gott ist Grund seiner eigenen Lebendigkeit. Insofern er das Leben hat, hat er darin nur sich selber bzw. ist er darin er selbst und nur bei sich selbst. Solcherart das Leben in sich selbst zu haben, das ist Ewigsein, und Gottes Ewigkeit ist nichts anderes, als das Leben »in ihm selbst« zu haben. Und das heißt: nicht durch das Leben als ein von ihm Unterschiedenes, sondern nur durch sich selbst zu leben bzw. durch das Leben als durch sich selbst; Gott ist sein eigenes »Wodurch er lebt« selbst. Die Formulierung, daß Gott das Leben »in ihm selbst« hat, bestimmt auch noch das Verständnis der Rede, daß er von sich her (a se) ist, indem er »durch sich und aus sich selbst« lebendig ist. Denn keineswegs ist Gott von sich selbst derart unterschieden oder in sich aufgeteilt, daß er selbst, durch den (bzw. aus dem) er das Leben hat, und er, der es durch ihn (bzw. aus ihm) als sich selbst hat, wirklich zu unterscheiden wären (bzw. auch nicht er, insofern er das Leben hat, und er, insofern er auch (selbst) der ist, durch den er es hat). Vielmehr ist er selbst sein »Durch sich selbst«, er selber ist das, »woraus er ist«, d.h. sein eigenes Wodurch und Woraus. Das »durch« (bzw. »aus«) ist also nur die Selbstunterscheidung, in der Gott als er selber ist und in der gerade sein eigenes Leben besteht, d.h. lebendig ist. Es handelt sich um eine Selbstunterscheidung (selbst durch eben sich selbst), die gerade die Einheit dieses Lebens als eine selbsthafte (d.h. als seine eigene, von ihm selber her ihm zukommende) Einheit und als eine das Leben beinhaltende Einheit ausmacht. Gott ist ewig er selbst als das Leben, sofern er in Selbstunterscheidung (aus sich selber durch sich selber lebend) und Einheit (selbst dies Leben seiend) lebendig er selbst ist. Er hat das Leben »in ihm selbst«50. b. Wird durch die denkwürdige Formulierung, daß Gott der ist, der das Leben »in ihm selbst hat« (5,26a), ausgesagt, was Gott zu Gott macht, so bringt die zweite Vershälfte – nicht weniger bedeutungsvoll – zum Aus48
Prosl. 12: »Du bist also das Leben, durch das du lebst«. Cf.: cui esse et vivere non aliud et aliud est, quia summe esse atque summe vivere idipsum est, Augustin, Conf. I, 6, 10. 50 Über Gott als das absolute Leben cf. I.A. Dorner, aaO. I (18862 ), 245ff. (§␣ 21) und 403. 49
2. Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh␣ 5,26)
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druck, daß Gott im Weitergeben dieser seiner Gottheit zugleich »der Vater« ist: »so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in ihm selbst« (5,26b). Wie im ganzen Joh.-Evangelium Jesus überhaupt »ist, was er ist, durch Gottes Geben« (cf.␣ 3,35)51, so wird das hier im Hinblick auf das gesagt, was ihn grundsätzlich als den »Sohn« sein läßt. Er ist nicht nur der vom Vater Gesandte, sondern – sein Sein überhaupt konstituierend – der, der durch den Vater lebt (6,57), – als Sohn des lebendigen Gottes (Mt␣ 16,16 par.) der, der selber das Leben »in ihm selbst« hat. Entsprechend meint dies »Geben« des Vaters (did·nai) auch ein Handeln Gottes, das ihm ganz allein vorbehalten ist und einzig seiner Initiative entspringt (cf.␣ 3,27; 6,65; 19,11)52. In diesem Falle besteht die Gabe nicht in einem für Jesus äußerlichen Etwas, sondern dies göttliche Geben »gewährt ihm Anteil an seinem [sc. Gottes] eigenen inneren Besitz, ohne selbst vom Reichtum seines Lebens zu verlieren«53. Was Gott in sich selbst ist, setzt er nach außen, wiederholt er (und damit wiederholt er sich) im Sohn. Das ist nicht so gesagt, als wäre sein internes Leben erst wahrhaft Leben dadurch, daß es sein Eigenstes, Leben in und aus sich zu sein, außerhalb seiner wiederholt. Das würde ja bedeuten, er bringt sein Leben im Weitergeben an den Sohn für sich (und den Sohn) allererst hervor. Freilich macht dies Weitergeben den Vater wesentlich erst zum Vater und macht auch den Sohn insofern zu »dem Sohn«, als er dem Vater wesentlich gleich wird in kraft dieses Gebens des Vaters. Dadurch hat der Sohn nicht so das Leben, wie ein Geschöpf es nur »hat«, sondern er hat es gerade durch dies spezifische »Geben« des Vaters dergestalt, daß er es ebenso wie der Vater »in ihm selbst hat«; d.h. das Geben des Vaters ist auch ein Selbständigmachen ihm gegenüber. Der Sohn ist also kein Geschöpf, sondern Selbstwiederholung Gottes in diesem Andern, den er durch sein Geben als seinen Sohn sein läßt: »Ergo quod dicitur, dedit Filio, tale est ac si diceretur, genuit filium: generando enim dedit«54. Insofern das Leben in ihm selber zu haben, den Vater gerade zu Gott macht, gibt er mit dem Weitergeben davon sein Eigenstes, sein Gott-sein an den Sohn, damit dieser auch wie der Vater Lebensursprung aus sich sei. Das Perfekt dieses Gegebenhabens (≤dwken) betont das ein für allemal dieses Gebens: in Ewigkeit. 51
ThWbNT II, 168, 26 (Büchsel). Diese göttliche Lebensmacht klingt in Joh␣ 10,17f. durch! Cf. R. Schnackenburg, Das Johannes-Evangelium, II. Teil (Herders Theologischer Kommentar Neues Testament, Bd. IV/2, 1971), 108 A.␣ 2. 53 AaO.␣ 142. Schnackenburg ist einer der wenigen Kommentatoren, der näher auf den spezifischen theologischen Sinn von Joh␣ 5,26 eingeht. 54 »Daß also gesagt wird: er hat dem Sohn gegeben, das ist so, als wenn gesagt würde: er hat den Sohn gezeugt; zeugend nämlich hat er gegeben«, Augustin, in Joan tract. XXII, 10 (MPL 35, 1580). Schnackenburg macht auf diese Stelle aufmerksam. 52
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Daher erscheint im Sohn selbst das ewige Leben, das beim Vater war (I␣ Joh␣ 1,2), und ist als das Leben schlechthin nun ebenso »in ihm« ( Joh␣ 1,4). Der Sohn selber ist derart auch »der wahre Gott und das ewige Leben« (I␣ Joh␣ 5,20). Durch dies Teilgeben an seinem Leben ist der Begriff von Gottes Leben als einer lebendigen Ewigkeit bestimmt und verändert. Gottes Leben bleibt ewig auch im Seinlassen dieser Differenz, die mit dem Sichwiederholen im Andern als dem Sohn zu seinem Leben gehört55. Andererseits gibt Gott sein in ihm selber beruhendes Leben an den Sohn nicht so weg, daß er es dabei gleichsam minderte oder verlöre, also irgendwie weniger »in ihm selbst« hätte – als beraubte er also sein eigenes Lebendigsein dadurch56 –, sondern es ist in solcher Weitergabe und Selbstwiederholung gerade lebendig als eins, das eben derart Leben »in sich selbst« ist, daß es nicht nur in sich selber bleibt, sondern sich gleichsam zweifach setzt, um darin erneut mit sich eins zu sein. Im Herausgehen aus sich kehrt dies Leben zugleich in sich zurück und bleibt im unterscheidenden Außenbezug auf sich selbst bezogen. Dies ist der christlich neu bestimmte Begriff von Ewigkeit: ewig sich schenkende Ewigkeit zu sein, als Leben göttlicher Liebe ( Joh␣ 3,35). In der Hingabe seines eigensten Lebens an den Sohn bewahrt Gott es als sein eigenes. Im Seinlassen des Sohnes ist Gott, und zwar noch einmal mehr, lebendig, ganz er selbst, Gott der Vater als die absolute Lebendigkeit: ¨ zùn patflr ( Joh␣ 6,57). Gehört dies Weitergeben zu seinem immanenten göttlichen Leben, dann lebt Gott eben in dieser Weitergabe des Lebens an den Sohn und hat sein Leben in ihm selbst, indem er es nicht nur für sich hat (d.h. behält), sondern dem Sohn gibt. Sein in ihm selbst Haben von Leben als dessen Weitergeben ist Ewiges Leben: das sich wiederholende Leben des »Vaters«. Sein in ihm selbst Haben von Leben als dessen Empfangen ist Teilhabe an Gottes Ewigem Leben: das es wiederholende Leben des »Sohnes«. c. Durch den Vater, der das Leben in ihm selber hat, lebt Christus aus diesem Leben als »der Sohn« ( Joh␣ 6,57). Wie Gott lebendig und wahr ist (I Thess␣ 1,9), so ist auch Christus selber wahrer Gott und ewiges Leben (I Joh␣ 5,20), denn das Leben war »in ihm« ( Joh␣ 1,4; I Joh␣ 1,1;␣ 5,11). Der Sohn ist selber »das Leben« ( Joh␣ 14,6) und als das Leben schlechthin ist er »die Auferstehung« ( Joh␣ 11,25) – für die an ihn Glaubenden, die letztlich nur in ihm »das wahre
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Zum trinitarischen Sinn dieser Differenz cf. Dalferth, aaO.␣ 78. Augustin versteht das In-ihm-selbst-Haben des Lebens bei Christus daher, daß er »das Wort« ( Joh␣ 1,1) ist. Cf. aaO. (wie die vorige Anm.) XXII, 9 u.␣ 10. (MPL 35, 1579 u.␣ 1580). 56 Daß Gottes Leben mehr ist als nur das Gegenteil von endlichem Leben, hebt auch Dalferth hervor: »Es ist dadurch prinzipiell von unserem unterschieden, daß es anderem als es selbst Anteil an diesem ewigen Leben geben kann, ohne sich aufzulösen« (aaO.␣ 77).
2. Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh␣ 5,26)
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Leben« (™ µntw“ zwfl, I␣ Tim␣ 6,19) erlangen (II Tim␣ 1,1; Kol␣ 3,4; Phil␣ 1,21 u. Gal␣ 2,20). Denn das »Geben« des Vaters (did·nai) hat an ihm selbst Intentionalität: was dem Sohn gegeben wird, wird »ihm verliehen, um etwas zu tun«57. Der Sohn setzt somit nur das Wirken des Vaters fort ( Joh␣ 5,17; auf dem Hintergrund von 1,1–4!58); darum wird ihm gegeben, auch das Leben zu haben in ihm selbst. Entsprechend gibt der Sohn (im Abendmahl) an die Glaubenden weiter, das Leben zu haben »in ihnen selbst« ( Joh␣ 6,53; cf. 37), d.h. das ewige Leben zu haben (6,␣ 54), das Gott uns in ihm und durch ihn gibt (I Joh␣ 5,11 u. Joh␣ 10,28; 6,33; cf. I Joh␣ 5,20 mit Joh␣ 17,3). Diese Verknüpfung ist im Kontext von Joh␣ 5,26 bereits dadurch bezeichnet, daß der Entsprechung in Vers 21, der vom Lebendigmachen handelt: »wie (der Vater) – so (auch der Sohn)«, eine solche Entsprechung in Vers 26 genauestens korrespondiert59. Das Leben schaffende und es wieder neu schaffende Handeln Gottes des Vaters (zwopoieõn, V.␣ 21; cf. I Tim␣ 6,13), das die Toten auferweckt, wird ausdrücklich auch dem Sohn zugesprochen (cf. Joh␣ 5,21 mit 6,39 u.␣ 54). Dieser tut nur, was der Vater selber tut ( Joh␣ 5,19). Ist der schaffende Gott überhaupt der, der die Toten erweckt und lebendig macht (zwopoioún, Röm␣ 4,17; cf. Jes␣ 26,19; Dan␣ 12,2 u.a.), so begründet Joh␣ 5,26, warum der Sohn der ist, der die Auferstehung bringt; sein schöpferisches Wort ruft ins ewige Leben (5,␣ 26; cf. 28f. u.␣ 6,63!)60. Christus bringt durch sein lebendiges Wort (5,␣ 24) zur Auferstehung, die das ewige Leben ist (6,␣ 54), das der Vater ihm gegeben hat. Auferstehung der Toten ist daher Teilhaben am Leben, das der Sohn »in ihm selbst« hat ( Joh␣ 14,19). Wie das ewige Leben als aus der Auferstehung vom Tode entspringend todüberwindendes und vom Tode nicht mehr unterbrochenes Leben ist ( Joh␣ 11,25)61, so ist das Weitergeben des eignen Lebens durch den Vater an den Sohn, der es seinerseits an die Seinen weitergibt ( Joh␣ 6,53), das eine sich fortzeugende Leben, ein lebendiger Auferstehungszusammenhang. Darin ist aber eine kreuzestheologische Vermittlung mitgesetzt. Denn weil und indem Gott in den Tod Christi am Kreuz kommt und darin sich gegenwärtig macht (d.h. der stets aus dem Nichts Schöpferische und schaffend Handelnde), darum wird dieser Tod spezifisch zum Ursprung eines Lebens aus Gottes Macht. Eben am Ort dieses Todes gibt Gott schöpferisch 57
Schnackenburg, aaO. (wie o. Anm.␣ 52), Bd. IV/2, 452 (zu Joh␣ 3,27). Joh␣ 1,4f. spricht auch von der Aufhellung der ewigen Zukunft, cf.␣ 8,12! 59 Bei Philo wird Gott selber presbut›th phgÉ zwö“␣ genannt (Fug et invent 198), im Joh.-Evangelium der Sohn als »Quelle« beschrieben (7,37f., cf.␣ 4,13f.!). 60 Über Luthers Auslegung von Jes␣ 26,19 (Gottes schöpferisches Anreden der Toten, WA 43, 481) cf. Vf., »Gott und das ewige Leben« (wie o. Einl., Anm.␣ 13), aaO.␣ 73f. 61 Cf. ThWbNT II, 825, 12ff. (Hanse). 58
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sein eigenes Leben weiter. Das ist der tiefste Grund dafür, daß der Auferstehungsgedanke allein in Verbindung mit den Gottesgedanken begriffen werden kann62. Ist die Auferweckung der Toten im Joh.-Evangelium darauf zurückzuführen, daß Christus als Logos und ewiger Sohn das Leben ist und in sich hat63, so ist er ganz offensichtlich diese Auferstehungsmacht darum, weil seine eigene Auferstehung in der Gabe des Vaters an ihn, das Leben »in ihm selbst« zu haben, mitgesetzt ist. Nur wenn Christi eigene Auferstehung in diese Weitergabe des ewigen Lebens durch den Vater wesentlich hineingehört, kann gesagt werden, daß Christus dazu »erhöht« werden mußte, damit jeder an ihn Glaubende das ewige Leben habe ( Joh␣ 3,14f.)64. Wovon Joh␣ 5,26 spricht, das schließt auch insofern die Auferweckung Jesu Christi mit ein, weil das ganze Evangelium von seiner Auferstehung her den Irdischen und Erhöhten ewig zusammen und in eins schaut. Daher läßt sich sagen: erst nach der Auferstehung gilt für den Sohn definitiv, daß er als der Sohn, dem der Vater es gegeben hat, das Leben in sich selbst hat. Dazu stimmt, daß Act␣ 13,33 die Auferstehung als das »Heute« der Erzeugung des Gottessohnes gemäß Ps␣ 2,7 aufgefaßt wird65 (cf. Röm␣ 1,466). Christi Auferstehungswirksamkeit ist nur im Zusammenhang seiner eigenen Auferstehung zu begreifen, die in seiner lebendigen Einheit mit dem Vater gründet, welche als schöpferische Weitergabe ewigen Lebens letztlich 62
Cf. Ebeling, aaO.␣ 303. Cf. ThWbNT II, 871f. V.␣ 25 ist begründet in V.␣ 21 und dieser hat seine Bedingung in V.␣ 19. 64 Cf. V.␣ 16 (≤dwken). 65 »Weil die Auferstehung als eine Erzeugung zu ewigem Leben gefaßt wird, kann sie mit Ps␣ 2,7 belegt werden« (Haenchen, Kommentar, 353); cf. ThWbNT I, 669 (Büchsel) und VIII, 368, 17–369, 5 (Schneemelcher). Die zum Vergleich sich anbietende Zitation von Ps␣ 2,7 in Hebr␣ 1,5 mit II Sam␣ 7,14! ist schon von Hilarius auf die Auferstehung bezogen worden (tract. in ps. zu 2.7; Origenes und Augustin deuten auf die ewige Zeugung); unter den gegenwärtigen Exegeten interpretiert z.B. Hegermann das »Heute« auf die österliche Erhöhung (cf. auch 5,5!). Grässer bezieht Hebr␣ 1,5 eher auf das Jetzt des neuen Äon allgemein (EKK XVII/1, (1990), 75), spricht aber bei 5,5 auch von der Erhöhung (aaO.␣ 287 u.␣ 289; so schon Michel, Meyers Kommentar (Hebräerbrief, 19498), 49f.). 66 Wilckens lehnt vielleicht zu schnell die Auffassung ab, daß Christus »erst als Auferstandener zum Sohn Gottes geworden ist« (EKK VI/1, 65). Er meint, Paulus sage Röm␣ 1,4 nur die Übertragung der Machtstellung des himmlischen Herrschers an den Auferstandenen aus (ebd.). Dabei bleibt offen, wie Christus für Paulus »als der von Ewigkeit her zu Gott gehörende Sohn des Vaters« und als der »aus der Höhe vollkommener Teilhabe an seiner Herrlichkeit« Kommende (aaO.␣ 64) ohne jene Macht gedacht werden soll. Althaus formuliert vermittelnd: »durch seine Auferstehung von den Toten … als Sohn Gottes mit Machtfülle eingesetzt« (NTD 6, 19599 , 7), will die Auferstehung Christi also als »die Wende in der Geschichte des Sohnes«, d.h. als seine Einsetzung zum Kyrios, verstehen (ebd.). Vgl. auch ThWbNT VI, 415, 1ff. (Schweizer). 63
3. Der Tod des Todes
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im Vater ihren Ursprung hat ( Joh␣ 5,26). Daher spricht schon Joh␣ 17,2 von der »österlichen Allmachtsverleihung«!67 Das Perfektum von Christi Auferstehung ist der Grund für die Metabasis derer, die an ihn glauben, zum ewigen Leben (I Joh␣ 3,14). Glaube ist Teilhabe an diesem Perfektum in der Kraft zukünftiger Vollendung (cf. Joh␣ 5,24)68. Daher ist das ewige Vollendetsein (aeternum perfectum)69 zugleich die Vollendung der Ewigkeit (aeternum perfectum).
3. Der Tod des Todes Mit dieser Formel, die vor allem für Luthers Verständnis von Tod und Auferstehung Jesu Christi charakteristisch und bekannt ist (cf. auch Hos␣ 13,14 u. Jes 25, 8; 26, 19)70, ist das Neue, das mit Christi himmlischem Sein bei Gott im Zuge seines Erhöhtwerdens und von Gottes Weitergeben des eigenen Lebens an den Sohn eingetreten ist, prägnant bezeichnet. Zugleich gibt die Formel zweierlei zu denken auf: einmal, was Überwindung des Todes bzw. Christi Sein jenseits seiner besagt, und sodann, was es mit der Negativität (des Todes) im göttlichen Leben selber auf sich hat. a. Die Gottesfeindschaft der Sünde hat in sich die Todesrichtung (Röm␣ 8,6f.), der die Sünder verknechtet und verfallen sind (Hebr␣ 2,15). Indem Christus diese Knechtschaft durch Überwindung des Todesstachels in der Sünde (Hebr␣ 2,14; I Kor␣ 15,55f.) aufgehoben hat, ist damit proleptisch der »letzte Feind« der Schöpfung Gottes, eben der Tod (I Kor␣ 15,26), besiegt, so daß antizipiert ist, was am Ende gilt: daß der Tod nicht mehr ist (Offb␣ 21,4). Doch wie ist dieser »Sieg« über die große Antithese zum ewigen Leben Gottes zu verstehen? In welchem Sinn gilt, daß der Tod in Christus nicht mehr herrscht? Die Antwort liegt in dem Zusammenhang beschlossen, daß der Tod (zunächst) über Christus eben darum nicht mehr Macht hat (Röm␣ 6,9b), weil er als Auferweckter ganz und gar »Gott lebt« (V.␣ 10b), d.h. aus ihm und für ihn, in der Macht von Gottes eigenem Leben. In dieser Nähe zu Gott hat der Tod offenbar keine von Gott trennende und endgültig vernichtende Macht71. 67 So T. Onuki über das ≤dwka, in: Gemeinde und Welt im Johannesevangelium. Ein Beitrag zur Frage nach der theologischen und pragmatischen Funktion des johanneischen »Dualismus«, Neukirchen 1984, 168. 68 Cf. E. Brunners Bestimmung der Auferstehung als perfectum futurum, in: Der Mittler (19474), 531. 69 Cf. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens III (1979), 424. 70 Cf. z.B. WA 36, 530, 15–17 mit Hos␣ 13,14 (Gottheit Gottes!), 543,13; 547,14; 682,28. 71 In Christus erst wird wahrhaft das realisiert, dem das alte Dictum sophistisch vorgriff, das sagte: Wo der Tod ist, sind wir nicht, und wo wir sind, ist der Tod nicht
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Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes
Daraus folgt unmittelbar, daß Christus nicht wieder stirbt (Röm␣ 6,9a), eben weil er Gottes ewiges Leben teilt. Denn wen Gott zu sich erweckt, den berührt kein Verderben und keine Verwesung (Act␣ 13,37; cf. 34 u.␣ 36 mit Ps␣ 16,10). Aber was ist mit dem Tod, den er hinter sich hat: inwiefern kann er ihn als abgetan hinter sich haben? Dieser Tod mit seinem Sterben bzw. Gestorbensein ist ja nicht einfach rückgängig gemacht, sondern durch die Auferstehung eben »überwunden«72. Für dieses – nicht Beseitigen, sondern – Verwandeln des Todes als solchen (als Vernichtungsmacht) hat Paulus die Wendung vom »Hineinverschlungenwerden« des Todes in den Sieg des Lebens (I Kor␣ 15,54 und II Kor␣ 5,4)73. »Verschlungensein« der Negativität des Todes bedeutet, daß er Moment der Selbstaffirmation des göttlichen Lebens ist74. Darum ist die Entmachtung des Todes nur der Ausdruck für eine schöpferische Erweiterung der Lebensmacht Gottes, die eben ihre letzte Antithese in sich hineinnimmt. Das sieghaft Neue, das mit dem Auferstandenen erschienen ist, besteht also darin, daß das ewige Leben selbst nicht ohne den zeitlichen Tod, zumal diesen Tod Jesu am Kreuz, ist, was es ist. Die Schöpfermacht Gottes macht sich das Nichts, dessen Spur der Tod ist, selber dienstbar, um sich als lebenschaffend – nun nicht mehr aus dem Nichts, sondern aus dem Tod, d.h. sozusagen am Nichts, zu betätigen75. Gottes Lebendigkeit in ihrer Allmacht ist auch das nicht-ewige Leben; d.h. das Leben selber wird anders, es gewinnt einen eschatologischen »Entwicklungscharakter«, wird verklärt, d.h. ohne auf das Irdisch-Somatische begrenzt zu sein. Gottes Geschichte mit Jesus Christus hat so den Lebensbegriff neu bestimmt; der christlich verstandene Lebensbegriff ist historisch, weil eschatologisch geworden: statt von der Todesrichtung durchwaltet von der Richtung auf vollendetes, ewiges Leben76. Wenn das Ewige das Zeitliche durchdringt, indem es dieses in sich aufnimmt, wird dessen Richtung auf ein Enden hin gleichsam umgebogen. Es begegnet in sich dem, was es »nach« dem Ende (dem Tod) das neu sein läßt, (cf. Epikur, Ep. ad Menoikeus). Denn »in ihm« allein ist der Glaubende von seinem eigenen Tod ewig unterschieden: wo Christus der in Gott Lebendige ist, da ist der Tod selber tot bzw. vergangen. Cf. WA 49, 99, 24 u. Ebeling, Des Todes Tod. Luthers Konfrontation mit dem Tode, ZThK 84 (1987), 162–194. 72 Ebeling, aaO.␣ 304 u.␣ 303. 73 Diese paulinische Hoffnungsformel hat einen deutlichen Niederschlag bei E. Bloch gefunden; cf. Zur Ontologie des Noch-Nicht-Seins (Philosophische Grundfragen I; 1961), 62 und Das Prinzip Hoffnung, aaO.␣ 15, 363, 1290, 1293 u.ö. 74 Bei Luther heißt es, der Tod sei im Leben verschwunden, wie »ein Funke im Meer« (WA 17/I, 421, 12–29); cf. die alte Formel von Gott als einem pfilago“ o§s‡a“␣ (»Meer des Seins«). 75 Den Vergleich Schöpfung aus dem Nichts und aus dem Grabe zieht Luther WA 36, 650, 18–20. 76 Luther sagt: »er will ein new ewig leben machen aus diesem zeitlichen tod und verwesen« (WA 36, 530, 21f.).
3. Der Tod des Todes
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was es »vorher« war, und es so grenzenlos erfüllt. Die zeitliche Richtung nach vorn (auf das Ende zu, den Tod) erleidet im Ewigen eine Umkehrung77: sie wird als Zusammengehen des Ewigen mit sich Ort innerer Unendlichkeit, für die die Todesgrenze bedeutungslos ist. Im ewigen Leben ist die Bewegung nach vorn immer auch die zurück, und die »Zeit« des ewigen Lebens geht in zwei Richtungen zugleich; das ist seine spezifische Lebendigkeit. Weil die Lebensbewegung in kraft des Ewigen ein Gegenstoß in sich selber ist, ist sie mit ihrer »Grenze« in sich unerschöpflich. Die Grenze zum Nichts, die der Tod überall im Leben und definitiv an seinem Ende ist (bzw. war), ist durchlässig geworden, d.h. überwunden, weil sie das ewige Leben nicht unterbrechen kann, das immer auch schon diesseits ihrer ist; es geht eben an dieser Grenze mit sich zusammen78. Mit der Auferstehung hat sich etwas ereignet, was die Zeit selber verändert hat: eine Metabasis aus dem Tode zum Leben (I Joh␣ 3,14; cf. Joh␣ 5,24). Das aber ist, wie das eben Ausgeführte zeigt, kein einfacher Übergang, sondern ein im schöpferischen Übergreifen der endenden Zeit rückwärtiges Neubegründen derselben, ihre – eine Umkehrung einschließende – lebendige »Aufhebung«. Daß Gott mit der Auferweckung des am Kreuz gestorbenen Jesus die ins Nichts verendende Zeit ins ewige Leben hinein umgewendet hat, das hat den Tod so verändert, daß seine abgrenzende Macht verschwunden ist; dem Tod ist seine eigene Liquidierung widerfahren79. Diese Metabasis ist es, in deren ontologischer Macht »alles neu geworden ist« (II Kor␣ 5,17; Offb␣ 21,5). An diesem neu-schaffenden Definitivum haben die Anteil, die mit dem zum Leben Gottes Auferstandenen im Glauben verbunden sind; auch sie sind durch eine Metabasis vom Todesleben zum todüberwindenden Leben hinübergeschritten: als (noch) Diesseitige schon jenseits und vom »Jenseits« her neu diesseitig: als hier im ewigen Leben ( Joh␣ 5,24b) bzw. durch es qualifiziert. Dieses – gerade auch rückwärts umbestimmende – Überschreiten der Todesgrenze (metabasis) ist vermittelt durch den, an dem es durch Gottes Schöpfermacht sich so ereignet hat, daß er selber in seiner Person nichts anderes ist als dieser Übergang: die Auferstehung und das Leben ( Joh␣ 11,25). An ihm und so von ihm her wird das Sterben Durchgang ins Leben, so daß auch die Glaubenden ewig »leben, ob sie gleich stürben« (V.␣ 26). Dies eben 77
Cf. »Gott und das ewige Leben«, aaO., wie o. Anm.␣ 13, 51f. u.␣ 54f. Nach Luther werden wir sehen, »wie er den tod gar auffreiben wird, das man jn nicht mehr wird spüren und gar nicht anders denken werden, denn es sey nie kein tod da gewest« (WA 36, 587, 16–18). 79 Wegen dieser definitiven, eschatologischen Entmachtung des Todes ist nicht einsichtig, warum es bei Ebeling vorsichtig heißt, das Ja Gottes zum Gekreuzigten sei »nun als Auferweckung von den Toten verstanden« worden (aaO.␣ 308, Hervorhebung J.R.) – als könne nur von einer (u.a. möglichen) Deutung die Rede sein (cf. der Kontext)! 78
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Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes
ist Überwindung des Todes im Auferstehungsleben! Für diese ist die Abfolge von »Auferstehung«, d.h. metabainein, und »Leben«, d.h. unendlich auf die eigene Zeit zurückzukommen, signifikant. Dieselbe Gewichtung hat auch der Apostel Paulus beiläufig markiert, wenn er die Lebensmacht des vom Kreuzestod Auferweckten so beschreibt: »der gestorben ist, ja vielmehr, der (auch) auferweckt ist« (Röm␣ 8,34). Der beschriebene dialektische Zusammenhang von Tod (am Kreuz) und Leben (durch Auferstehung) – als rückgewandte Überwindung des Todes – ist in der die erste Aussage überbietend korrigierenden Zufügung »ja viel mehr« (môllon) sprachlich mitvollzogen. Da so das ewige Leben gerade am Tode und aus ihm sich erzeugt, können »weder Tod noch Leben« die an Christus Glaubenden (V.␣ 38) von der schöpferischen »Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Kyrios« trennen (V.␣ 39; cf. 35)80. Diese Auferstehungsmacht ist göttliche Lebensmacht über alle Mächte (Eph␣ 1,20ff.). Darum sind Leben und Sterben schöpferisch neu bestimmt, nämlich ganz von Gottes im erhöhten Herrn lebendiger Ewigkeit her (Röm␣ 14,7f.). Insofern liegt in jener Metabasis nicht einfach nur eine Vereinerleiung von Ewigkeit und Zeit, sondern durch die Umqualifizierung von zeitlichem Leben zum Ort ewigen Lebens, von jenseits der Todesgrenze her, wird das zeitliche Leben »kritisch« ( Joh␣ 3,18) von sich selber unterschieden. Indem die Ewigkeit sich in Christus der Zeit mitteilt, unterscheidet sie sich gerade auch von ihr81; als so sich in der Zeit mit sich vermittelnde ist die Ewigkeit das Leben Gottes. In diesem Sinne ist der Tod post Christum resuscitatum ein (zunächst für Christus den Lebenden) Vergangenes: »Ich war tot und siehe, ich bin lebendig« (Offb␣ 1,18; cf.␣ 2,8). Unter den Bedingungen des alten Äons ist Tod die Vergangenheit, die nur Vergangenheit ist, d.h. die eine Art »Gegenwart« nur hat ohne Distanz zu ihr als Vergangenheit, eben als bloß noch vergangenes Faktum bzw. als etwas, dessen Vergangensein (Gewesensein als solches) die einzige Weise ist, wie es (irgendwie) gegenwärtig sein kann. Normalerweise also gibt es kein zeitliches Jenseits für das Totsein selber und für den Toten, für den mit seinem Tod auch die Zeit aufhört, der dann eben nur noch vergangen ist. Hier dagegen wird eine (ewige) Gegenwart gewußt – als ein Jenseits des Todes –, die es für den ist, für den auch der eigene Tod Vergan80 Die überwältigende Zuversicht, mit der Paulus Röm␣ 8,38f. formuliert, ist nur aus der Gewißheit der neuen eschatologischen Wirklichkeit als der letzten Wahrheit dieser Welt verständlich! Cf. auch über das neue »genos« der Christusgläubigen: »Die Folge war eine metabasi“ e¢“ üllo geno“, davon das vornehmste in das kleine Golgatha verpflanzt ist« (Hamann, Metakritik über den Purismum der Vernunft (1784, in: Gesammelte Werke (Nadler) III, 289, 27–29). 81 Cf. Ebeling, aaO.␣ 355. Umgekehrt gilt, daß der Tod in die Vergangenheit gestossen wird: »Vergänglich wird der Tod in der verheißenen Auferstehung« (Moltmann, Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 150).
3. Der Tod des Todes
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genheit ist. So überwindet dieser ins ewige Leben überführte Tod (Christi) den Tod als bloße Vergangenheit, indem er ihn als Tod ins Leben selber mit aufnimmt und so seiner tödlichen Vergangenheitsmacht beraubt82. Wenn die angeführte Bibelstelle Offb␣ 1,18 nicht nur eine gleichsam chronologische Abfolge ausspricht – und dagegen spricht entschieden der denkwürdige Zusatz: »… lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit«! –, dann ist in ihr auch ein sachlicher Zusammenhang impliziert dergestalt, daß sie von einem spezifischen »Leben aus dem Tode« redet. So erst kann das zu Ende gegangene Leben Jesu von Nazareth als ein in der Dynamis Gottes gerade Anfangendes und so ewig Lebendiges verstanden werden. In diese Richtung weisen auch paulinische Formulierungen wie »(ihr) gleichsam aus den Toten Lebende« (Röm␣ 6,13b; 11,15), »als die Sterbenden, und siehe, wir leben« (II␣ Kor␣ 6,9b)83. Der Sinn dieses »aus« (†k) bestimmt sich nach der dargestellten Logik von Metabasis, die eben eine in ein anderes Genus von Leben ist. In dem Gesagten deutet sich wieder das Geheimnis der Negativität im schöpferischen Handeln Gottes an, auf das gleich näher einzugehen ist (b.). Jedenfalls ist nur in diesem Zusammenhang die paulinische Aussage verstehbar, die Tod und Vergehen zur Durchgangsbedingung neuen Lebens macht (I Kor␣ 15,36)84. Das ist auf den hier erörterten Sachverhalt der »Überwindung« des Todes so zu beziehen, daß eben Sterben und Tod nichts anderes sind als die Vereinigung mit unserer Auferstehung85: wir sterben – als an den Auferstandenen und Erhöhten Glaubende – ins ewige Leben hinein, d.h. in die Aufhebung unseres Sterbens86. Der Abbau des alten Leibes ist das Überkleidetwerden mit dem neuen geistlichen (I Kor␣ 15,37f.; II Kor␣ 5,1–4)87. So 82 Die von Jüngel herausgearbeitete totale »Beziehungslosigkeit«, die dem Tod als solchem zukommt, ist derart überwunden (cf. Jüngel, Tod, aaO.␣ 99f.). 83 Entsprechend redet Althaus von Christus stets als von »dem aus dem Tode Lebendigen« (aaO. passim). 84 Cf. auch WA 49, 429, 15–20. 85 Mit dem täglichen Sterben, das wir an unserem Leibe tragen, wird auch das Leben Jesu daran offenbar (I Kor␣ 15,31 u. II Kor␣ 4,10; cf. dazu WA 36, 609, 36–611, 17). 86 Cf. dazu Luther, WA 52, 248, 31–249, 14; 251, 7–15; 36, 161, 18–162, 17 (cf. Walch2 XIIIb, 1876f.). Zu Luthers Osterpredigt überhaupt cf. E. Mühlhaupt, D. Martin Luthers Evangelien-Auslegung, 5. Teil: Die Passions- und Ostergeschichten …, Göttingen 1950, 262–407. 87 Diesen eigentümlichen Zusammenhang hat Fr. Brunstäd in eindringlichen Überlegungen zum Phänomen des menschlichen Leichnams und seiner Zersetzung dialektisch zu denken versucht (cf. Gesammelte Aufsätze, 1957, 303ff.). Danach entspricht eben der natürlichen Verwesung die Überwindung zum geistlichen Leib – in göttlicher »Tathandlung« (cf. besonders 306, 310f.). Von hier aus ergibt sich für Br. »der Weg, der ins Mysterium der Auferstehung führt« (aaO. 306), denn: »Die Auferstehung ist die geoffenbarte Bedeutung des Todes« (aaO.␣ 311). Bei dem Barock-Dichter D.C. von Lohenstein liest man: »Ja / wenn der Höchste wird vom Kirch-Hoff erndten ein / So werd ich Todten-Kopff ein Englisch-Antlitz seyn« (in: Blumen, Hyazinthen, Breslau 1708, 50).
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Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes
war auch Paulus selber sich gewiß, eben durch seinen Tod unmittelbar ins Leben mit Christus zu gelangen (Phil␣ 1,20b-23; II Kor␣ 5,8). b. Das Geheimnis göttlicher Dynamis und Lebendigkeit bei der Überwindung des Todes hat mit dem Zusammenhang von Negativität und Positivität zu tun, genauer: mit der Negativität als Ursprungsort neuer Positivität. Die Voraussetzungslosigkeit (Freiheit) göttlichen Tuns ist nur die äußere Seite dieses internen Zusammenhangs, dem jetzt nachzugehen ist. Wie mehrfach deutlich wurde, ist eben dieser Zusammenhang, der nur scheinbar ein natürlicher ist ( Joh␣ 12,24; cf.␣ 16,21), von Paulus nicht zufällig für den Gedanken der Auferstehung – als neuer Positivität aus dem Negativen schlechthin in kraft göttlicher Macht – in Anspruch genommen worden (I Kor␣ 15,36–38; cf. II Kor␣ 5,1–5). Und eben dieser Zusammenhang reflektiert sich – in deutlicher Konsequenz – auch in der paulinischen Rede von Kraft und Schwachheit. In beiden Kontexten, die eben, als eschatologisch nur einer, tief zusammengehören, wirkt die Kraft Gottes verborgen am Ort ihres Gegenteils, der fleischesschwachen und vergänglichen menschlichen Existenz (cf. II Kor␣ 4,7 mit 10f. u.␣ 16)88. Diese in der irdischen Schwachheit unaufweisbar-indirekt wirksame Kraft ist Auferstehungskraft – wirksam am Ort des Todes, eingreifend in seine Macht und diese gerade so überwindend (cf. II Kor␣ 12,9b)89. Für Paulus waltete dasselbe Gesetz von Schwachheit und Dynamis auch schon im Leben und Sterben Jesu (II Kor␣ 13,3f.; cf. Röm␣ 1,4), insofern eben genauestens aus seinem Tod (als Unterliegen unter der Macht von Sünde, Tod und Gesetz) mit der Auferstehung Gottes Macht siegreich hervorbricht, wie es dann wieder bei der endzeitlichen Totenauferstehung bestimmend sein wird (I Kor␣ 15,43b)90. Es handelt sich, vermittelt durch das Auferweckungshandeln am Gekreuzigten, um ein Überformt- und Aufgehobenwerden von Verweslichkeit in Unverweslichkeit (I Kor␣ 15,42b; cf. V.␣ 50, 53a u. I Petr␣ 1,4), die mit der Herrlichkeit (Doxa) zusammengehört (Röm␣ 1,23; cf. Röm␣ 8,21), wie sie Gott selber zukommt (Röm␣ 1,23 u. I␣ Tim␣ 1,17) und das ewige Leben ausmacht (Röm␣ 2,7; cf. I Kor␣ 9,25). Unverweslichkeit und Leben sind eins (II Tim␣ 1,10; cf. I Kor␣ 15,52), und sie kommen der Christusliebe zu (Eph␣ 6,24). Und wie die Niedrigkeit in Herrlichkeit (I Kor␣ 15,43a; cf. II Kor␣ 6,8), so wird das Sterbliche vom Leben verschlungen werden (II Kor␣ 5,4), das die Unsterblichkeit bedeutet (I Kor␣ 15, 53b), die allein Gott selber zukommt (I Tim␣ 6,16). In solchem Umschlagen in Gottes eschatologischer Dynamis91 wird die Vergänglichkeit dem ewigen 88
Cf. Grundmann, ThWbNT II, 317, 11–15. AaO.␣ 318, 13–15f. Von dieser Dialektik ist bei Luther sehr häufig die Rede; hier nur einige Stellen: WA 7, 585 (cf. 574 u.␣ 588), 586; 32, 122f.; 1,183, 39–184, 5. 90 Nach Joh␣ 11,4 dient die Schwachheit der d·xa! 91 Verewigung ist Verwandlung, Verklärung und Verherrlichung im Lichte der Herrlichkeit Gottes, und ewiges Leben bedeutet gerade nicht ein »Perennieren«, son89
3. Der Tod des Todes
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Leben selber dienstbar gemacht92 und der Tod in den Sieg »hineinverschlungen« (I Kor␣ 15,54b). Die scheinbare »Torheit« Gottes, der entgegengesetzten Macht in Schwachheit zu begegnen, ist in Wahrheit die Stärke seiner Macht, die sich am Nicht-Seienden als die stärkere und d.h. schöpferisch erweist (I␣ Kor␣ 1,25 mit 28). Diese Verkettung ist geradezu strukturell für das Evangelium. Von diesem Geheimnis der Negativität redet Dalferth in universeller Perspektive, wenn er feststellt, daß, weil »Gottes Handeln immer durch das Nichtsein hindurch vermittelt«, es überhaupt alle Sachverhalte und Zusammenhänge der Welt »durch das Nichtsein hindurch zusammenhält«93. Weil das so ist, kann mit Hinblick auf Gottes Schaffen überhaupt sinnvoll von »einem einzigen, in sich differenzierten Handlungsvollzug« geredet werden94. Damit ist zu Recht festgehalten, daß es im göttlichen Handeln so etwas wie Kontinuität nur über Diskontinuität vermittelt gibt. Insofern liegt sie zwar »einzig in Gottes schöpferischem Handeln«95, – dies ist aber nicht so zu verstehen, daß unser Rekurs auf den »einen Gott« als solcher schon die Vorstellung von Kontinuität garantiert, die eben von der Kontinuität dieser unserer Vorstellung gar nicht zu unterscheiden ist. So würde Gott – als formeller Garant – nur ein Wort für eine sonst nicht gegebene und nur postulierte »Kontinuität«. Sondern: Gottes schöpferisches Handeln muß als aus sich und in sich »Kontinuität« in radikaler Diskontinuität hervorbringend bzw. stiftend gedacht werden, d.h. aber als schöpferisch gerade in oder an der Negativität selber: als die Macht, das Negative an ihm selbst positiv sein zu lassen. Wir versuchen, uns diesem logischen Kern der Frage durch erneute Bezugnahme auf die Auferstehung zu nähern. Vor und außerhalb der Auferstehung sind Gott und Tod in unbezüglicher Andersheit voneinander getrennt. Ist der Tod als (sich selber überlassenes) Zuendegehen, sich ins Nichts Auflösen ein Phänomen des endlichen, irdischen Seins, so ist für Gott gerade die selige Vollendung des in sich ruhenden, ewigen Lebens kennzeichnend. Grenzt mit dem Tod das Nichts ans Sein und zehrt das Leben auf, so steht das Leben Gottes in seinem Ganz-Anders-Sein dem in unnahbarer Ferne, ohne irgendeine Berührung mit Tod und Nichts gegenüber. Genau das ist unter den Bedingungen der Auferstehung anders: Gott und Tod lassen sich nicht mehr (einfach) auseinanderhalten. Weil Gott in seiner Identifikation mit dem toten Jesus jenen unendlichen qualitativen Abstand von sich selber her überbrückt hat, ist nun der Tod so etwas wie ein
dern Auferwecktsein der Toten aus bzw. in Gottes Lebensmacht (cf. anders Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie 2, 156). 92 Ebeling spricht von einer »Intensivierung des Bezugs von Ewigkeit und Zeit« im Christusgeschehen, aaO.␣ 355. 93 Der auferweckte Gekreuzigte, aaO.␣ 59; cf. 79. 94 AaO.␣ 279. 95 AaO.␣ 79.
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Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes
Übergang – statt bloßer Abbruch; d.h. das Sterben wird zu einem Sterben in Gott und sein ewiges Leben hinein. Was ist oder bewirkt ein solches schöpferisches Zusammenkommen von Gott und Tod, wie sie in der Botschaft von der Auferweckung des Gekreuzigten zusammengesprochen werden? Es handelt sich um ein Anknüpfen Gottes über den Hiatus des Nichtseins hinweg. Damit verliert der Tod seine Eindeutigkeit (als definitives Ende), und zwar durch Integration in Gottes Leben, und wird so selber zum Möglichkeitsort von Hoffnung über ihn hinaus. Derart wird mit der Auferstehung die strickte Trennung von Diesseits (als heillos auf sich fixierter Endlichkeit) und Gottes Jenseits aufgehoben96. In dieser Weise verändert die Auferweckung Jesu die Wirklichkeit überhaupt: sie wird mehr als sie selbst in ihrer unmittelbaren Vorfindlichkeit97. Doch wie ist alles dieses als von Gott aus möglich zu denken? Deutlich wurde schon: an Tod und Nichts die es übergreifende schöpferische Macht zu realisieren, heißt das Nichtsein zu negieren98. Eben dies ist die Frage nach der innersten Lebendigkeit Gottes selbst, die als solche schon todüberwindend (und nicht nur -aussparend) und schöpferisch ist99. Das besagt, Gottes Macht, das Nichtsein zu negieren, so daß es zum Ort neuen Seins wird, hat zu tun mit Gottes eigenem lebendigen Sich-im-Sein-Halten. Weil Gott lebendig ist und so Nichtsein durch sich verneint, kann er es in sich aufnehmen100, und indem er das tut, überwindet er es als isoliertes Negatives außer sich. Es ist darum von tiefer Stimmigkeit, daß Hegel, der über den internen Zusammenhang von Positivem und Negativem wohl am gründlichsten nachgedacht hat, die Auferstehung Jesu Christi – so anders im Ganzen seine Sicht theologischer Fragen ist! – mit lutherischem Anklang in eben demselben Begriff zu fassen versucht, der formell für sein Verständnis von der Lebendigkeit des Lebens leitend ist, nämlich »Negation der Negation«: »Der Tod Christi aber ist der Tod dieses Todes selbst, die Negation der Negation«101.
96 Die sog. »präsentische Eschatologie« im Joh.-Evangelium ist von hier aus verständlich zu machen. 97 In diesem Sinne habe ich oben vom Werdestand der Schöpfung oder auch von der Wirklichkeit als Weg zu ihrer Wahrheit geredet. 98 Das muß so streng gefaßt werden, daß am Überwinden des Negativen der Begriff von Macht selber erst zu definieren ist: »Macht besteht nur darin, sich im Negativen seiner zu erhalten« (Hegel, Suhrkamp-Werkausgabe, Bd.␣ 13, 234). 99 Cf. über Gott und das Nichts WA 32, 122, 39–124, 16. 100 »So in Gott selbst enthält die Qualität, Tätigkeit, Schöpfung, Macht usf. wesentlich die Bestimmung des Negativen« (Wissenschaft der Logik I, (Hg. G. Lasson, 1963, Phil. Bibl. 56), 70). 101 Religionsphilosophie II (Suhrkamp-Werkausgabe, Bd.␣ 17), 292. Cf.: »daß Gott es ist, der den Tod getötet hat, indem er aus demselben hervorgeht« (ebd. u.␣ 291).
3. Der Tod des Todes
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Der Tod des Todes entspringt dem innersten Selbstsein Gottes102, das das Negative mit sich selbst überwindet (Negation der Negation)103. In solcher Selbstbezüglichkeit der Negativität besteht die eigentliche unendliche Lebendigkeit Gottes104 und hat er sein allmächtiges Selbstsein. Mit diesem Gedanken der Selbstbezüglichkeit der Negativität ist freilich ein Letztes für den Gedanken berührt105, der Gottes schöpferische Macht am Tode aus dessen eigenstem Leben heraus verstehen will: die Auferweckung als Negation der Negation Gottes im Tod106. c. Auf diesem Hintergrund kann man sagen, daß das Osterzeugnis abschliessend den Glauben an den lebendigen Schöpfer-Gott begründet107. Und umgekehrt gilt, daß der christliche Gottesgedanke als solcher von der eschatologischen »Durchbrechungserfahrung« bestimmt sein muß, die Ostern bedeutet108. Christlicher Glaube ist wesentlich der »Glaube, daß sich Gott an Jesu Tod als Gott erwiesen hat« und gründet insofern überhaupt in dem »Taterweis Gottes« eben als des lebendigen Gottes109. Wirklich ist Gott (auch für uns) allein als der, der sich am Gekreuzigten als der Lebendige schlechthin erweist110. Er ist lebendig als der unbegreiflich Schöpferische (Röm␣ 4,17), 102 Auch Hegel behauptet, daß, indem die Negation in Gottes Wesen immanent und der Tod Moment in Gott selbst wird, Gott wahrhaft Subjekt ist; cf. Religionsphilosophie I (Suhrkamp-Werkausgabe, Bd.␣ 16), 421–423. 103 Zu dieser Denkfigur (schon vor Hegel) cf. Hist. Wörterbuch der Philos. Bd.␣ 6, Sp. 686ff. 104 Über Unendlichkeit als Negation des Nichtseins cf. Tillich, STh I, 224 u.␣ 290 mit Hegel, Wissenschaft der Logik I, aaO.␣ 138. Tillich denkt eben wegen dieser Selbstbejahung gegen das Nichtsein Gott als lebendigen Gott (Gesammelte Werke XI, 133) und denkt so das Leben überhaupt (STh III, 456 u.␣ 457) – mit Berufung auf Hegel (STh I, 306 u.␣ 315f.). Hegel handelt von der Negation der Negation als Quell aller Lebendigkeit (als sich aus sich erzeugende Bewegung) in: Wissenschaft der Logik II (aaO. Bd.␣ 57), 16, 33, 58f., 375, 496 (!). 105 Cf. meinen – diese Frage vornehmlich an Tillich genauer diskutierenden – Aufsatz: »Die Macht des Negativen«, in: G. Hummel (Hg.): Natural Theology versus Theology of Nature?/Natürliche Theologie versus Theologie der Natur? (Berlin – New York 1994, TBT 60), 212–234 (bes. 228ff.). 106 Tillich deutet auch »Auferstehung« (und Erlösung) von der Negation des Negativen her, cf. STh II, 169 u.␣ 179. 107 Cf. Goppelt, Theologie des Neuen Testaments, aaO.␣ 297 (3.). 108 Dalferth, aaO.␣ 212. Es ist daher schlechterdings unerfindlich, wie etwa Hirsch anders als ganz uneigentlich vom »lebendigen Gott« (bzw. Jesus als lebendigem Herrn) reden kann, wenn er grundsätzlich »die Ewigkeit … das uns schlechthin in Gestaltlosigkeit Verborgene« nennt (aaO.␣ 70). Die damit gekoppelte Prämisse: »Der Tod ist die Grenze alles Wissens« (ebd.) ist theologisch eine schlichte petitio principii! 109 Cf. Ebeling, aaO.␣ 308. 110 Daß an Jesus das Wunder Gottes (sichtbare) »Tat geworden sei«, hält Kittel (Die Auferstehung Jesu, in: Deutsche Theologie 4 (1937), 163) für den entscheidenden theologischen Nenner des Christentums: »Gott! Kundmachung der Wirklichkeit des
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Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes
der als solcher der totenerweckende Gott ist ( Jes␣ 26,19; Dan␣ 12,2.9), und das besagt: der Alles (neu) Belebende (I Tim␣ 6,13)111. Gott ist schöpferisch in kraft seines ewigen Lebens: »das Eine, das mitten im Tode sich wandelt in der Erscheinung, um im Wandel nun erst recht sich als das Eine zu bewähren«112. So qualifiziert die Auferweckung Christi das göttliche Leben. Denn die Auferstehung besteht in nichts anderem, als daß Gott Jesus »in seine Nähe« holt. Und kann, in Gottes ewige Nähe zu gelangen, etwas anderes sein als Leben?113 Da kann auch der Tod keine trennende Grenze bedeuten. Wie Gott diesseits und jenseits des Todes gegenwärtig ist, so heißt in seine Nähe kommen, neu und anders mit dem eigenen Leben zusammenzukommen, nämlich auch jenseits des eigenen Todes, und so sich selber neu gegenwärtig zu werden114. Die Auferweckung Jesu Christi ist theologisch primär als ein Ereignis im göttlichen Leben selber zu begreifen, von dem die Ostererscheinungen die Ausstrahlung in die Menschenwelt, Gottes eschatologisches Ankommen in seiner Schöpfung, darstellen – ein Ausstrahlen, daß freilich nicht zufällig oder gar entbehrlich ist, sondern wesentlich zu jenem innergöttlichen Ereignis, als einem der Liebe Gottes (s.u.), hinzugehört. Aber wie wäre, was Ostern »hier« geschah, überhaupt zu verstehen, wenn nicht von Gottes eigener, interner Lebendigkeit her? Das ist so grundsätzlich zu denken, daß die Gottheit Gottes theologisch nicht unter Absehen von der konkreten Geschichte dessen auszusagen oder zu denken ist, den Gott von den Toten auferweckt hat115. Die Geschichte Jesu Christi und Gottes Handeln als lebendiger Gott gehören untrennbar zusammen; jene Geschichte (als irdisch-menschliche) ist die »Geschichte Gottes«116. lebendigen Gottes an Menschen, auf daß sie diese Wirklichkeit im Glauben ergreifen möchten« (aaO.␣ 168). 111 Auch Ebeling bestimmt Gottes Sein als Tätigkeit schlechthin, und diese als »lebenspendendes Leben« (Dogmatik des christlichen Glaubens I (1979), 231 u.␣ 233). 112 Barth, Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 109. 113 »Nichts, was in ihm [sc. Gott] ist, zerfällt oder verlöscht, wird gehemmt oder gebunden, sondern … ist lauter Lebendigkeit« (A. Schlatter, Erläuterungen zum NT, 1. Bd. (1922), 63). Cf. über Gott als den Lebendigen, für den die Toten leben, schon o. Kap.␣ 1, S.␣ 17ff. 114 Über die Frage des Ich-Seins im ewigen Leben cf. meinen o. Einl. Anm.␣ 13 genannten Aufsatz, aaO.␣ 67ff., bes. 75f. 115 Cf. dazu Dalferth, aaO.␣ 148f. 116 AaO.␣ 141. Dalferth spricht auch von Gottes »Selbstkonstitution durch interne Selbstdifferenzierung« (227), um so den Begriff des göttlichen Handelns grundsätzlich (und trinitarisch) denken zu können: »als einen intern differenzierten Prozeß göttlicher Selbstkonstitution, Selbstorganisation und Selbstkommunikation« (aaO.␣ 205, im Anschluß an Chr. Schwöbel). In diese »Geschichte« der Selbstsetzung göttlicher Lebendigkeit gehört als wesentliche Neubestimmung das Ereignis der Auferweckung Jesu Christi wesentlich hinein: als zeitliches Sichvoraussetzen dessen, was Gott in Ewigkeit ist.
3. Der Tod des Todes
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Gilt als Essenz des Ostergeschehens, »daß Jesus und Gott unwiderruflich zusammengehören«117, so bedeutet das gerade angesichts seines Todes am Kreuz ein neues Konfrontiertssein mit Jesus von Nazareth, der als Auferstandener uns zugut als Gestalt der ewigen schöpferischen Macht Gottes erschienen ist. Darin kommt Gottes Leben – sich als das Leben schlechthin erweisend – an uns; denn indem Gott sich mit dem Gekreuzigten identifiziert, hat er sich neu mit jedem Menschen identifiziert, um ihn in sein ewiges Leben zu ziehen. Fragt man, wie denn »die Geschichte des gekreuzigten Jesus von Nazareth« überhaupt konstitutiv »auf das Leben Gottes selbst« bezogen werden kann118 , so ist zum einen davon zu reden, wie Geschichte und Leben Gottes überhaupt kompatibel werden können, und zum andern, daß sie vom göttlichen Handeln umgriffen werden. Erstens, nur weil und insofern Gott als in sich Lebendiger sein Leben hat bzw. besser: sein Leben ist (s.o. Abschnitt 6.2.) und darin so etwas wie eine ewige Geschichte des Werdens zu sich als ewiges Aus-sich-Sein (esse a se im Sinne von causa sui), kann überhaupt eine zeitliche Geschichte (eben die Jesu) zu ihm in Beziehung gesetzt werden bzw. kann er sich selber dazu in Beziehung setzen und kann er sie in die Beziehung zu sich selber als Moment des eigenen Lebens hineinnehmen. Zweitens, insofern Gott sein Leben hat als der primär an sich Handelnde, sein Handeln also Erscheinung seiner Lebendigkeit und sein Leben Vollzug ewigen Handelns ist, läßt sich das »Verhältnis von geschichtlichem Ereignis und umfassender Realität göttlichen Handelns«119 konkret so denken, daß das göttliche Handeln die Wirklichkeit ist, die jenes geschichtliche Ereignis von Jesu Leben und Sterben derart »umfaßt«, daß es als Ort ihres (seines) Sichdarstellens und als Moment von Gottes sich als ewig Lebendiger immer neu Hervorbringens ist und nur von daher »wahrheitsgemäß« in Betracht kommt120, d.h. das Ereignis der Wahrheit ist ( Joh␣ 14,6). Beides zusammengenommen, ist zu sagen: dies In-Beziehung-Setzen der Geschichte Jesu Christi mit Gottes eigenem Leben derart, daß im Leben des auferweckten Gekreuzigten Gott sein ewiges Leben selber durchsetzt, vollzieht und besitzt, ist Sinn der Rede von der ewigen Gemeinschaft von Vater und Sohn nach der Auferweckung Jesu von den Toten, die Gott selber in Auferstehung und Erhöhung herstellt. Das entsprechende Handeln Gottes in dieser Geschichte ist mit dem joh. Wort did·nai (im Perf.) bezeichnet und hat seinen grundsätzlichen Ausdruck Joh␣ 5,26 gefunden (s.o.␣ 6.2.). Daß Gott sich mit seinem Auferweckungshandeln zum gekreuzigten Jesus in schöpferische Beziehung gesetzt hat, bedeutet nun aber immer auch, daß 117 118 119 120
Ebeling, aaO.␣ 307; cf. 309. Formulierungen Dalferths, aaO.␣ 56. AaO.␣ 60 Anm.␣ 42. Cf. H.-G. Geyer bei Dalferth, ebd.
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Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes
der Tote und sein abgeschlossenes, vergangenes Leben zu einem wesentlichen Moment von Gottes eigenem Leben integriert werden121. Das besagt: damit der aus dem Tode Lebendige ewig wie Gott selber sein kann, muß auch sein Tod (als stets schon überwundener) im Leben Gottes durchsichtig präsent sein. So ernsthaft ist zu denken, daß Gott den Tod (auch unsern) in sich hineinnimmt, daß in der Tübinger Orthodoxie formuliert werden konnte: »Als Christus starb, war ein Leichnam in der Dreieinigkeit selbst«122. Das früher behandelte Jesus-Wort über die Toten: »denn sie leben alle vor ihm« (Lk␣ 20,38; s.o. Kap.␣ 1) erhält so einen unerhört realistischen christologischen Sinn. Daß dieser Tote lebt und daß darum Gott der Dreieinige ist, in dessen Leben der auferweckte Gekreuzigte seinen ewigen Ort hat, daß also Ostern für die Ausbildung der Trinitätslehre das auslösende Datum ist, ist bereits oben zur Sprache gekommen (6.1.). Man kann, um die Erhöhung Jesu zum lebendigen Kyrios als Implikat der Auferstehungserfahrung zu verdeutlichen, auch sagen: die Auferstehung war Anlaß dafür, daß den Jüngern aufging, daß Jesu Sein und Geschick ein ewiger Gedanke Gottes war bzw. ist und daß Gott sich mit diesem Menschen und seinem Leben und Sterben in Ewigkeit so verbunden hat, daß er sich darin sein eigenes Leben bereitet. Das gibt Gelegenheit, im Kontext der genaueren Erörterung des göttlichen Lebens, wie sie hier versucht wird, noch einmal auf die Frage zurückzukommen, wie sich Gottes schöpferischer Blick auf Jesus (das Ereignis der Auferweckung) und Gottes schöpferische Sicht seiner selbst (seine innere Lebendigkeit) zueinander verhalten123. Einmal, indem Gott den toten Jesus zusammen mit seinem vergangenen Leben in sein eigenes Leben hinein »auferweckt«, d.h. mit seinem eigenen Leben schöpferisch identifiziert und zusammenschließt, »sieht« Gott dieses sein Handeln als sein Leben bzw. ist er sich selber in solchem Handeln als lebendig mit sich eins durchsichtig. Er weiß sich allmächtig handelnd als der Schöpfer und ist seines ewigen Lebens auf lebendige Weise ewig inne: »hat das Leben in sich selbst« ( Joh␣ 5,26). Sodann, Gottes schöpferische Sicht seiner selbst ist Gottes ewiges sich als Gott Wissen und aus sich Hervorbringen. Darin ist Christi Auferweckung als ewiges Handlungs- und Selbstvergewisserungsmoment Gottes selber und seines Wesens als Liebe einbezogen. In Gottes Sicht seiner selbst gehören Weltschöpfung aus dem Nichts und Auferweckung von den Toten (Röm␣ 4,17ff.) ewig zusammen als der innerste Quellpunkt seiner Macht und göttlichen Lebendigkeit. In Christi Auferwekkung weiß Gott – in schöpferischem Anschauen – seine eigene Lebendigkeit. 121 Es ist eigentlich unerfindlich, wie man diesen metaphysischen Sachverhalt als Wiederbelebung im biologischen Sinn überhaupt mißverstehen kann. 122 Moriente Christo in ipsa Trinitate funus fuisse (St. Gerlach); zit. nach J. Baur, Luther und seine klassischen Erben (1993), 305 u. Anm.␣ 53. 123 Mit diesen Formeln Dalferths (cf. aaO.␣ 81 u.␣ 82) wurde o. S.␣ 52 Gottes Handeln bei der Auferweckung wiedergegeben.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa
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In solcher Weise ist das Wo des Auferstandenen Gottes Weltverhältnis, insofern dies in seinem Selbstverhältnis begründet und eingelagert ist. Der auferweckte Gekreuzigte teilt (gerade auch als Mensch) das Leben Gottes124 und so auch immer die göttliche Wirksamkeit an der geschaffenen Welt125. Gilt als Grundauffassung des Neuen Testaments: »Leben ist im wesentlichen Bezug auf Gott«126 – im Schöpfungsglauben des AT ist das begründet (cf. Ps␣ 104,29f.) –, so gehört unser menschliches Leben seit Christi Auferweckung nicht nur in diesen Bezug, weil wir es dem Schöpfer verdanken, sondern wesentlich neu und potenziert deshalb, weil wir zur Teilhabe an Gottes ewigem Leben berufen sind. Daß Gottes Leben selber ewiges Leben ist, besagt demgegenüber, daß es nur sich selbst sich verdankt, nur auf Grund von Gottes eigener Tätigkeit unerschöpfliches Leben ist127. Und die Kraft (dynamis) von Christi Auferstehung (Phil␣ 3,10) ist nichts anderes als diese Kraft (dynamis) unauflöslichen Lebens (Hebr␣ 7,16; cf. Eph␣ 1,19f.).
4. Pneuma, Dynamis, Doxa a. Von den in diesem Abschnitt in ihrem Zusammenhang mit der Auferstehung Jesu Christi zu verhandelnden Hauptbegriffen des göttlichen Lebens ist der des hl. Geistes (Pneuma) in früheren Kapiteln immer schon verwendet worden. Das war durch den Sprachgebrauch des Neuen Testamentes ebenso wie durch die Auferstehungsthematik selber nahegelegt und ist jetzt noch einmal für sich in den Blick zu nehmen. Ohne daß an dieser Stelle der Begriff des Geistes bzw. des göttlichen Geistes systematisch entfaltet werden kann, dürfte einleuchten, daß er zum Lebensbegriff in enger sachlicher Beziehung steht128. Weil der Geist als Ursprung des Lebens überhaupt gedacht werden kann129, ist es plausibel, ihn auch als Kraft der Auferstehung zu neuem Leben zu denken (Röm␣ 8,11). Denn es geht beim Reden vom Geist in der Sache immer um das eigentümliche Verhältnis von Negativität und Positivität, wie es im vorhergehenden Abschnitt (3.) erörtert wurde, insofern mit Geist die sich aus der Negativität ihrer selbst mit sich vermittelnde Identität und ein im Andern seiner selbst 124
Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie 2, 170. Mildenberger, TRE 4, 559. 126 Koch, aaO.␣ 159. 127 Zur Ergänzung dieses Satzes durch Gottes Liebe-Sein s.u. Kap.␣ 6.4.b., S.␣ 172ff. 128 Cf. beispielhaft P. Tillichs große Darlegung im 3. Bande der Systematischen Theologie: »Das Leben und der Geist« (aaO. STh III, 21ff.) und dazu meine Analyse »Der Geist und die Geschichte« (Geist als Dimension des Lebens), in: H. Fischer (Hg.), Paul Tillich – Studien zu einer Theologie der Moderne (Frankfurt a. M. 1980), 231– 243. 129 Cf. bes. Pannenberg, STh II, 388. 125
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über den Widerspruch hinweg Zusichkommen und Sichwiederfinden gedacht wird, wie es gleichfalls für den Lebensbegriff kennzeichnend ist. Weil Gott sein Leben hat und aus sich erzeugt, indem er auch im Andern seiner mit sich identisch ist – sein Leben ist die lebendige Einheit von Einheit mit sich und Selbstentäußerung –, und weil das göttliche Handeln als der aktuelle Vollzug dieses ewigen Lebens gedacht werden muß, ist es zwingend, auch »den Begriff des Handelns Gottes konsequent pneumatologisch zu entfalten«130 – was eben für das Thema Auferstehung spezifisch relevant ist. Denn von Pneuma als Inbegriff göttlichen Handelns muß bei der Auferweckung gesprochen werden, um die Kontinuität Gottes selber in aller empirischen und menschlichen Nicht-Kontinuität, wie sie der Tod bedeutet, und über sie hinweg auszusagen: es ist Gott allein – in seinem Geist –, der die Identität des gekreuzigten Jesus und der unsere zukünftige Identität gegen den Augenschein des Nichts lebendig wahrt bzw. wiederherstellt. Denn das pneúma jeoú (Röm␣ 8,9a), das ist eben das Pneuma dessen, »der Jesus von den Toten auferweckt hat« (V.␣ 11). Gottes pneumatisches Handeln, das ist vornehmlich – man könnte sagen: paradigmatisch – auferweckendes Handeln, und die Auferweckung Jesu von den Toten ist das pneumatische Geschehen schlechthin131. Denn eben in der Auferweckung des Gekreuzigten erweist sich der Schöpfer selbst als lebendiges Pneuma bzw. der Geist als selber schöpferisch (creator spiritus). Der Geist als Vermittlungsmacht über Tod und neues Leben manifestiert sich im Übergang vom Tod zur Auferstehung schon beim Tode Jesu selber (Lk␣ 23,46): indem der Sterbende seinen Geist aufgibt (†xfipneusen), läßt er ihn in Gottes kreativer Macht aufgehoben sein (»in deine Hände befehle ich mein Pneuma«)132. Sterben ist – in kraft des lebendigen Geistes – Auferstehen in Gott. Dieser in Jesu Erhöhung zum ewigen Gottessohn wirksame Geist ist die Manifestation göttlicher Dynamis (Röm␣ 1,4)133. Und das Leben des Gekreuzigten ist Gottes eigener Tatbeweis des pneúma und der d‚nami“ (I␣ Kor␣ 2,4). Die schöpferische Dynamis Gottes ist als Geist lebenschaffend (zwopoieõn, Röm␣ 8,11). Was an dem toten Jesus geschah, wirkt dieser schöpferische Geist 130 Dalferth, aaO., 235. Cf. auch den Hinweis auf die trinitarischen Bezüge dieses Redens vom Handeln als Pneuma: »Im Wirken des Geistes konkretisiert Gott sich selbst, insofern er sein Leben als Prozeß der Selbstkonkretisierung durch perichoretische Ausdifferenzierung von Vater, Sohn und Geist vollzieht. Diese sind, was sie sind, jeweils nur in und aus den anderen. Durch das ständige Sich-Unterscheiden und Sich-in-Beziehung-Setzen von Vater, Sohn und Geist ist Gott daher lebendig und konkretisiert ewig sein göttliches Leben« (aaO.␣ 236). 131 Darum konstituiert sich in diesem Ereignis auch Gottes trinitarisches Leben als solches; s.o. zur »Erhöhung« (s.o. S.␣ 147f.). 132 Hier vollzieht sich die für die trinitarische Wirklichkeit konstitutive Selbstunterscheidung Jesu vom Vater als sein Einssein mit ihm. 133 Der hier genannte »Geist der Heiligung« kommt den Glaubenden als »Gerechtigkeit« zugute, s. dazu u. S.␣ 175f.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa
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ebenso an den sterblichen Glaubenden: er macht sie lebendig in ihren Leibern (s„mata, ebd.). Darum ist Christus zu einem sùma pneumatik·n auferweckt, wie auch wir es werden (I Kor␣ 15,44)134. Die Identität zwischen dem irdischen Jesus und dem auferweckten Christus ist über die äußerste Negativität von Gerichtszorn und Tod hinweg die übergegenständlich lebendige Identität des Pneuma, das schöpferisch wirkt: derselbe in radikaler Verschiedenheit. Als dieser sich im Andern seiner lebendig Fortsetzende ist der Geist auch das Prinzip der Erscheinungen des Auferstandenen selber. Das ist so streng zu fassen, daß sein Erscheinen für die (eben dadurch) Glaubenden genau das Weitergeben des heiligen Geistes ist ( Joh␣ 20, 22)135. Die Erscheinungen des auferweckten Gekreuzigten waren lebendiges Geistgeschehen (cf. I Kor␣ 12,3)136. Denn eben weil das schöpferische Kommunikationsgeschehen, das Pneuma ist, das neue Lebensprinzip und die eigentliche Lebensmacht des Auferweckten und seiner pneumatischen Leiblichkeit (sùma pneumatik·n) sind, darum ist der heilige Geist auch Prinzip aller Weisen, in denen Jesus Christus mit uns, bei uns, in uns und für uns da ist137. Dergestalt ist das Pneuma des Auferstandenen bzw. er als lebendiges Pneuma Gottes selber spiritus creator im Verhältnis zu den Glaubenden: als der wahre Mensch, in dem Gott ist, das pneúma zwopoioún (I Kor␣ 15,45b). »In« Christus Jesus und durch ihn wird der Geist des Lebens (tÖ pneúma tö“ zwö“) mächtig (Röm␣ 8,2), und bei denen, »in« denen er anwesend ist, ist das Leben des Geistes als lebenschaffend wirksam durch ihn (cf. V.␣ 11; zwopoiflsei). Zu Christus gehören, das heißt daher, sein Pneuma haben (Röm␣ 8,9b), das Gottes ist (9a). Die Rede vom »Christus in uns« ist Rede vom Geist als heiligem Geist: sein Geist in unserm Geist, d.h. Gottes Geist am Orte unseres Selbst. Vom heiligen Geist als Glaubender bestimmt sein, heißt daher, in der Gegenwart des Gekreuzigten und Auferweckten selbst zu leben: dem Absterben der Sünde und ihres Leibes abgewandt und dem Geist, der Leben ist, in kraft von Christi Gerechtigkeit zugewandt (Röm␣ 8,10 u. I␣ Petr␣ 3, 18)138. Denn sein Geist ist Leben durch Gerechtigkeit, und wer »in« Christus ist (Röm␣ 8,1) bzw. »in« wem Christus ist (8,11), der ist befreit vom Gesetz des Todes (Röm␣ 8,2), weil dem Gesetz gestorben, um dem Auferweckten zu gehören (Röm␣ 7,4)139. Christi Tod um der Sünder willen führte zur Aufer-
134 Umgekehrt kann Dalferth sinnvoll sagen: »Die »Leiblichkeit« des Handelns Gottes ist der Geist« (aaO.␣ 235). 135 Hier ist schon angedeutet, daß Gottes Geisthandeln sein Wirken als Liebe ist, cf. dazu u. S.␣ 173f. und Dalferth, aaO.␣ 235. 136 Das psychologistische Mißverständnis dieses Satzes liegt ebenso nahe, wie es nach allem Vorigen ausgeschlossen sein sollte. 137 Cf. Ebeling, aaO.␣ 339. 138 Cf. I Petr␣ 3,22, wo dieser Zusammenhang die Taufe strukturiert. 139 Zum Verhältnis von Gesetz (als tötend) und Auferstehung cf. WA 11, 183, 1–9.
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weckung – unserer Gerechtigkeit wegen (Röm␣ 4,25)140 – und d.h. zur »Gerechtigkeit des Lebens« (5,18)141. Gottes schöpferische Identifikation mit dem toten Jesus identifiziert auch unser verfallenes Leben neu – im Geist: weil der Gekreuzigte auferweckt wurde, kann der peccator zugleich ein iustus sein142. Auferstehungsglauben heißt, in der Kraft des lebenschaffenden und lebenerneuernden Geistes zu leben (Röm␣ 8,13b), so daß der Geist des Auferstandenen die lebensbestimmende Macht ist (8,9). Das ist Gottes Neuschöpfung an uns: ein Leben in der »Neuheit des Pneuma« (7,6). Von dessen Macht im Innersten lebendig bewegt, sind die Glaubenden »Gottes Kinder« (8,14; cf. 15f.) bzw. unterwegs zu diesem ihrem wahren, eschatologischen Sein (V.␣ 23): reich an Hoffnung durch den heiligen Geist (15, 13). Dieser Geist ist zugleich die Macht des ewigen Lebens, in das er hineinzieht (Gal␣ 6,8)143. Daher kann Paulus das Geistgeschehen mit den Worten zusammenfassen: »(daß) die Gnade herrsche durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unsern Herrn« (Röm␣ 5,21). Geist ist die Kraft sich kommunizierenden Lebens, das sich stets neu als es selber setzt; darum ist sein »Trachten« selber Leben (Röm␣ 8,6). Dies Pneuma ist auch der Geist des Auferstandenen, der sich weitergeben will, auf daß sich das Leben des dreieinig-lebendigen Gottes geisthaft im Leben der Glaubenden wiederhole (cf. den Taufbefehl Mt␣ 28,19). b. Daß der lebendige Gott »Geist« (Pneuma) ist ( Joh␣ 4,24), ist die eine nahezu definitorische Aussage, die sich im NT über Gott findet. Ihr entspricht – sicher nicht zufällig – die andere, daß der lebendige Gott »Liebe« ist (I Joh␣ 4, 8b)144. Auf diesen Begriff ist an dieser Stelle im Zusammenhang des Auferstehungsthemas auch kurz einzugehen145.
140 Cf. I Petr␣ 2,24 u.␣ 3,18; 1,21. Über Auferstehung und Rechtfertigung cf. u.a. Asendorf, Die Theologie Martin Luthers nach seinen Predigten (Göttingen 1988), 116ff. u.ö. 141 Die Rechtfertigungslehre muß als eine geschichtliche Interpretation der biblischen Geschichte verstanden werden; diesen Bezug hat nachdrücklich R.R. Niebuhr herausgestellt: »Das Evangelium von der Rechtfertigung durch den Glauben bedeutet nichts ohne die konkreten historischen Ereignisse, die es interpretiert« (aaO.␣ 130). Diese hinter der Rechtfertigungslehre stehenden geschichtlichen Ereignisse sind eben Tod und Auferstehung Jesu Christi (cf. aaO.␣ 129), was Niebuhr – unter Verweis auf Röm␣ 4,25 – für Paulus und den Römerbrief (129f.) und für die Reformation zeigt (129). 142 So Künneth, aaO.␣ 141. 143 Paulus redet hier genauso vom »Säen« (spe‡rein), wie in eschatologischer Hinsicht I Kor␣ 15,36ff.! 144 Hinzu kommt noch die Aussage, daß Gott Licht ist (I Joh␣ 1,5). 145 Cf. o. Anm.␣ 135.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa
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Dieses ganze Buch versucht zu zeigen, »daß die Geschichte Jesu Christi theologisch nur verstanden werden kann, wenn man sie ganz als Tat Gottes und zugleich Gott von dieser Tat her ganz neu versteht«146. Dieses Gott in seinem Gottsein qualifizierende Tun muß als ewige Liebe gedacht werden, so daß als Wesensaussage gesagt werden kann: Gott ist Liebe147. Das Liebeshandeln Gottes in der Geschichte Jesu Christi hat seinen Mittelpunkt in seiner Auferweckung von den Toten, und von dieser her kann erst mit letztem Wirklichkeitsernst gesprochen werden von »der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn« (Röm␣ 8,39). Es ist die Liebe, die im unbedingten Selbsteinsatz das Verlorene sucht und zurückbringt und d.h., das ihr unter der Macht von Sünde und Tod heillos entfremdete Leben der Geschöpfe erlöst zur Gemeinschaft ewigen Lebens mit Gott. Insofern dies in der Auferweckung des Gekreuzigten Realität geworden ist, ist die Macht der Auferstehung die Macht von Gottes allmächtiger Liebe, und das Thomas-Bekenntnis »Mein Herr und mein Gott« ( Joh␣ 20,28) besagt auch schon: »Ich bete an die Macht der Liebe«. Diese Auferstehungsrealität Christi ist, wie im zweiten Kapitel ausgeführt wurde, eschatologisch auch die Auferstehung aller an ihn Glaubenden (Abschn.␣ 2). Von ihrer Mitte im Auferstehungsereignis an Jesus Christus her realisiert sich die göttliche Liebe durch die Geschichte hindurch in eschatologischer Allgemeinheit ausgreifend und sich betätigend in der Wiedervereinigung mit dem Entfremdeten bis zur Vollendung der Welt. Darum meint der Satz, Gott ist Liebe, im umfassendsten Sinn die Geschichte göttlichen Handelns, mit der der dreieinige Gott148 sich in Menschwerdung, Auferweckung und Vollendung in seiner Doxa149 an der Welt als ihre wahre Wirklichkeit offenbart und durchsetzt150. Das Ergriffensein von dieser wahren Wirklichkeit, die im Kommen ist, ist der Glaube an den auferstandenen Christus (Röm␣ 8,34b). An diesem als dem Erhöhten,durch den wir bei Gott ewig vertreten sind (V.␣ 34c), ist der Glaube der unüberwindlichen Wahrheit aller Wirklichkeit inne (V.␣ 31 u.␣ 35), die in Gottes eigenem Selbsteinsatz (V.␣ 32) und in seiner Selbstweitergabe (cf. V.␣ 32b: p›nta) ihren Grund hat. Weil der aus den Toten Lebendige für den allmächtigen Zusammenhang über alle Negativität hinweg, ja in ihr (V.␣ 35), 146
Cf. Dalferth, aaO.␣ 149. Zur Präzisierung gegen ein sentimentales oder durch die »humanistische« Umkehrung (»Liebe ist Gott«) bestimmtes Verständnis dieses Satzes s.o. Kap.␣ 5.2.b. (S.␣ 126) mit Anm.␣ 44. 148 Zu Gottes Handeln als Liebe des Dreieinigen cf. Dalferth, aaO.␣ 208. 149 Zum Zusammenhang der Auferweckung Jesu Christi mit Schöpfung und Vollendung s.o. Kap.␣ 5.1. und S.␣ 45f.; zu Gottes Selbstverwirklichung als Lebendiger in Schöpfung und Selbsterniedrigung zur Versöhnung und Vollendung cf. auch Dalferth, aaO.␣ 207 Anm.␣ 86. 150 Über Gottes Liebeshandeln als Offenbarung cf. Dalferth, aaO.␣ 206. 147
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einsteht, der die Lebendigkeit der ewigen Liebe ausmacht, darum kennt der Glaube den Sieg (V.␣ 37), der Gottes Sieg schlechthin ist und als Tod des Todes ewiger Sieg der Liebe ist, die Gott selber ist (I Kor␣ 15,54f.). Die Auferweckung Jesu Christi gehört so zu Gottes Sein als Liebe, daß Gott das, was er für sich ist – innertrinitarische Liebesgemeinschaft von Vater und Sohn im Geist –, auch nach außen, in seiner Schöpfung, durch freie Wiederholung seines Lebens an ihrem Orte, sein will. Daß Gottes Leben als ewiges Leben zugleich die ewige Liebe ist, besagt daher, daß er sein Leben nicht nur in sich hat und in solchem ewigen Sichselber-Lieben und -Besitzen ewiges Genügen findet, sondern daß er sein Leben um Anderes erweitert (Schöpfung), daß er dies Andere in sein Leben aufgrund lebendigen Handelns hineinnimmt (Versöhnung) und an seinem Leben ewig teilhaben läßt (Vollendung). Gottes Leben ist nicht einfachhin Leben, sondern Liebe: im Sichöffnen für Anderes und In-sich-Hineinnehmen von Anderem ein über sich hinausgehendes und sich unendlich bereicherndes Leben. Gottes Liebe ist sein eigenes Leben als integratives Leben: die Hingabe an und Vollendung von anderem Leben schöpferisch heraufführendes Leben. Gottes Liebe ist sein eigenes Leben als kommunikatives Leben: er kommuniziert sich – d.h. sein trinitarisch-kommunikatives Leben – an uns, um uns zu wahrhaft in Liebe Kommunizierenden zu machen. Als der so ewig Liebende hat Gott sich in der Geschichte von Jesu Kreuz und Auferstehung – als der Geschichte seines schöpferischen Verhältnisses zur Menschheit – neu bestimmt151. Von Neubestimmung ist dabei zu reden, weil Gottes Liebe Ausdruck seiner Freiheit ist. Die göttliche Freiheit ist nicht die Beliebigkeit irgendeiner Selbstbestimmung zu etwas und auch nicht eine akzidentelle Neubestimmung des (gleichsam schon fertig existierenden) göttlichen Subjektes. Sondern sie ist die Spontaneität des sich ewig als Gott Hervorbringens und Selbstverwirklichens Gottes. Darum werden Gottes Freiheit und Gottes Liebe-Sein als Neubestimmung seiner gefaßt: es handelt sich um die Neubestimmung Gottes als des in Freiheit sein Leben ewig Restituierenden bzw. um die Neubestimmung als des in Liebe ewig Lebendigen. Weil die Liebe nicht sozusagen ein Naturgesetz des göttlichen Wesens ist, ist sie – in Christus – Resultat seiner Neubestimmung, in der Gott ewig und lebendig mit sich eins ist. Neubestimmung zur Liebe ist die zeitliche Erscheinung von Gottes Freiheit, wie sie im Kontext der Auferweckung des gekreuzigten Jesus sich handelnd manifestiert152. Weil und insofern Gott in seinem Handeln ist, was er ist (esse est operari)153, bedeutet die Tatsächlichkeit der Auferweckung Jesu Christi, daß Gott sich selber in der Zeit verändert hat – für alle Ewigkeit bzw. von Ewig151 152 153
Cf. Dalferth, aaO.␣ 131 u.␣ 135. AaO.␣ 161 u.ö. AaO.␣ 203.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa
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keit her für uns in der Zeit154. Diese Neubestimmung Gottes, in der Menschwerdung und Erhöhung Christi zu seiner Rechten zusammengehören, ist eine Veränderung Gottes uns zugut – gleichsam im lebendigen Reagieren auf die Schöpfung und ihren Fall –, die, wie sie aus Liebe geschieht, doch nur die Selbstübereinstimmung der ewigen Liebe ist. c. Das Handeln Gottes in der Auferweckung Jesu Christi hat ein Telos: unsere Gerechtigkeit vor Gott (Röm␣ 4,25), d.h. unser Leben in der Macht seiner Liebe. Ihre Dynamis ist die Verklärung unserer »Schwachheit« (üsjene‡a) in ewiges Leben (I Kor␣ 15,43b; cf. II Kor␣ 13,2f.; 12, 9). Dies ewige Ziel als erreichtes ist die Verwindung bzw. das Verwundensein unserer »Verweslichkeit« (fjor›) und unsere »Niedrigkeit« (ütim‡a) in der himmlischen Doxa, der göttlichen Herrlichkeit selber, in der Gott lebt (cf. I␣ Kor␣ 15, 42 mit Röm␣ 8,21 sowie I Kor␣ 15,43a mit II Kor␣ 6,8 u. Röm␣ 1,21. 23). Diese Doxa ist vorweg erschienen am auferweckten Gekreuzigten155, und sein neues Leben mit den Seinen und für sie, sein Erscheinen bei den ersten Jüngern und seine Glauben erweckende Kraft für alle späteren Jünger, ist ein zeitlicher Abglanz dieser unausdenklichen und unvorstellbaren ewigen Herrlichkeit Gottes selber (Hebr␣ 1,3). Denn der erhöhte Christus ist das Abbild (bzw. wahre Ebenbild) Gottes eben in der Doxa (II Kor␣ 4,4; Joh␣ 1,14; II Petr␣ 1,16), durch die er auferweckt wurde (Röm␣ 6,4; cf I Petr␣ 1,21)156. Der Gott, der Licht werden ließ (Gen␣ 1,3), wie er selber alles verklärendes Licht ist (I Joh␣ 1,5 u. Ps␣ 139,12), hat mit dem Aufstrahlenlassen seiner Doxa auf dem Angesichte Jesu Chrisi die ganze Schöpfung vollendet (II Kor␣ 4,6). Indem er in den Glaubenden dieses selbe Licht zur Erkenntnis Jesu Christi leuchten läßt, will er uns in dessen und seine Doxa verwandeln (II Kor␣ 3,18). Was als himmlische Herrlichkeit des verklärten Kyrios Jesus mit seiner Auferstehung vollendet ist, das wartet als vollkommene Verklärung, d.h. ein Sein ohne Sünde, Tod und irdische Mängel (cf. Röm␣ 8,8 u.␣ 35), auf die, die zu ihm gehören. Das Eschaton, das mit der Auferstehung Christi antizipiert wurde, ist auch deren zukünftige Herrlichkeit (Röm␣ 8,17f.: mfillousa d·xa). Glaube ist das Warten darauf (Tit␣ 2,13), die lebendige Hoffnung auf die Doxa Gottes als Wahrheit aller Wirklichkeit (Röm␣ 5,2b; Kol␣ 1,27). Diese verheißene Herrlichkeit bei Gott ist unüberbietbare Lebensvollendung (I␣ Kor␣ 15,42f.; Röm␣ 8,20f.; II Tim␣ 2,10), worin alle Nichtigkeit durch Lebensbehinderung und -zerstörung einschließlich des Todes als letztem 154 Daher spricht Dalferth von einer Neubestimmung auch des Gottesverständnisses durch Gott selbst (aaO.␣ 160). 155 Gott hat am toten Jesus seine Doxa offenbart; cf. Jüngel, Tod, aaO.␣ 136. 156 Hier wäre der eigentliche Sachverhalt des (wechselseitigen) »Verklärens« (oder »Verherrlichens«␣ =␣ d·xasjai) im Joh zu vergleichen (cf. z.B. 12,23.28; 13,31; 17,1.4. u.␣ 10), s. dazu kurz u. S.␣ 178.
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Lebensfeind ewig überwunden ist157. Weil und indem Gott in Jesus Christus sich mit seinem ewigen Leben unserm endlichen Leben verbunden hat, darum wird sich alles Negative und Dunkle auflösen in durchsichtiger Klarheit (Offb␣ 21,23). Alles bloß Sterbliche und sündhaft Abgesonderte ist dann hineinverschlungen in den Sieg des Lebens (cf. I Kor␣ 15,54f. mit Röm␣ 8,37), der Gottes endgültiger Sieg, d.h. der Sieg seiner ewigen Liebe ist (Röm␣ 8,38f.). Glauben heißt, an dieser Bewegung aller Wirklichkeit auf ihre ewige Wahrheit zu unwiderruflich Anteil bekommen (Röm␣ 8,35), in der Gott sich als Vollender seiner Schöpfung in Herrlichkeit erweist (Röm␣ 11,36). Gottes schöpferisches Handeln, das in Christi Auferweckung seine Mitte in der Zeit hat, reicht von der Vorherbestimmung der Glaubenden bis zu ihrer Verherrlichung (Röm␣ 8,30; cf. 28f. u.␣ 9,23), und am Ende dieser Berufung steht Gottes eigene Herrlichkeit in Jesus Christus (I Thess␣ 2,12; I␣ Petr␣ 5, 10), in dem wir zur Vollendung berufen sind – mitsamt dem Kosmos (Röm␣ 8,20f.). Was der Glaube proleptisch am Auferstandenen wahrnahm und wahrnimmt, das wird sich bei seiner Parousie, im Eschaton, endgültig vollenden (II Kor␣ 3,11), wenn er seine Herrlichkeit schaut ( Joh␣ 17,24), und der Glaube wird damit eins sein: »Wenn der Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in der Doxa« (Kol␣ 3,4)158. d. Die voranstehende Skizze zum neutestamentlichen Begriff der d·xa ist schließlich noch in eine allgemeinere Betrachtung einzubetten, die seine umfassenden theologischen Bezüge erhellen soll. Dabei soll er zugleich zu dem ebenfalls grundlegenden Begriff der göttlichen d‚nami“ ins Verhältnis gesetzt werden159. Mit dieser systematischen Verhältnisbestimmung von Doxa und Dynamis erst ist die Erörterung des eigentümlichen Lebens Gottes abgeschlossen, wie sie sich von der Machttat Gottes in der Auferweckung Christi zur Herrlichkeit her ergibt. Beide Begriffe kommen darin überein, wesentliche Gottesattribute zu sein. Doxa benennt, vom AT herkommend160, neutestamentlich aber spezifisch durch LXX geprägt161, wo das griechische Wort erst seine religiöse Bedeutung gewonnen hat162, den göttlichen (himmlischen) Lichtglanz als Aus157 Von der Verherrlichung der ganzen Welt (clarificatus) redet Luther WA 34/I, 450 –452; 34/II, 126, 2–10; cf.␣ 36,181f. u.␣ 266, 4–267, 3. 158 Von daher betont Luther immer wieder, der verklärte Leib der Auferstandenen sei heller als die Sonne, cf. WA 36, 496, 10f.; 530, 37f.; 531, 30f.; 552, 19–21; 675, 34. 159 Dieser Begriff hat hier zur Erläuterung des göttlichen Handelns vom 1. Kap. an (Mt␣ 22,29b.) eine wichtige Rolle gespielt (cf. auch Kap.␣ 2.3.). 160 Zur Bedeutung der alttestamentlichen kabod cf. ThWbNT II, 241–245 (von Rad) sowie 245, 35f. u.␣ 246, 4 (Kittel; Art. d·xa). 161 Cf. aaO.␣ 247, 38f. (Kittel); zu Philo cf. aaO.␣ 239, 36ff. (Kittel). 162 AaO.␣ 235, 20f. u.␣ 248, 26ff., s.u. Anm.␣ 165.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa
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druck der göttlichen Erhabenheit und Majestät163, die Gottes Wesen überhaupt ausmachen164. Wird Gott in seiner Gottheit als basileÜ“ tö“ d·xh“ (y 23, 7ff.; 28, 3; cf. Act␣ 7,2) angesprochen, so ist das »die Aussage des Objektivums schlechthin …, der Gotteswirklichkeit«165. Doxa ist so der »doxologische« Terminus instar omnium (cf. Lk␣ 2,14; 19, 38; Offb␣ 4,9). Ähnlich grundsätzlich ist auch der Dynamis-Begriff als Bezeichnung von Gottes eigenster Wirklichkeit (als Wirksamkeit), so daß er alt- und neutestamentlich dunat·“ heißen kann (y 88,9; Zeph␣ 3,17; Lk␣ 1,49 u.ö.; cf. Mt␣ 26,64; Mk␣ 14,62; Lk␣ 22,69)166. Daß Gottes Wesen in seiner »Kraft« besteht167 und so schöpferischer Grund der Welt ist, diese religionsgeschichtlich auch sonst bekannte Vorstellung168, wird im AT spezifisch dahingehend verstanden, daß er ihr Schöpfer und Erhalter eben durch sein Wort (als den besonderen Träger seiner Kraft) ist (cf. Jer 27, 5; 32, 7)169. Auch neutestamentlich ist die geschaffene Welt Ausdruck seiner Dynamis und Offenbarung seiner Doxa (Röm␣ 1,20), und das NT kann – beides zusammennehmend – von der »Herrlichkeit seiner Stärke« reden (II Thess␣ 1,9). Als weitere religionsgeschichtliche Besonderheit ist die Verwurzelung dieses biblischen Dynamis-Begriffs in der Erfahrung des Exodus und der Errettungstat Gottes am Roten Meer170 – Errettung aus Todesgefahr! – zu sehen: »Die Kraft Gottes hat … einen geschichtsgestaltenden und geschichtsbildenden Charakter«171. Nur vor diesem Hintergrund ist auch die entscheidende Rolle zu verstehen, die die beiden Begriffe dynamis und doxa in der neutestamentlichen Christologie spielen. Denn »im Christusgeschehen ist Gottes geschichtsgestaltende und die Geschichte zu ihrem Telos führende Kraft als eschatologisches Geschehen wirksam«172. Es leuchtet ein, daß auf diese einzigartige Weise die alttestamentliche Vorstellung von göttlicher Dynamis aufgenommen und zugleich weitergeführt ist. Dabei erweisen sich nun die Begriffe doxa und dynamis als 163
Es gibt fließende Übergänge zu Begriffen wie (göttliche) Ehre, Pracht, Macht, Glanz (cf. aaO.␣ 251, 3f.). 164 AaO.␣ 240, 27f.; 250, 44; 251, 6 (Kittel); cf. Gal␣ 1,5; I Petr␣ 4,11. 165 AaO.␣ 248, 32. Kittel weist hier auf die völlige Umprägung des Terminus doxa␣ gegenüber dem Griechentum hin. 166 S. schon o. S.␣ 12. 167 Für das Judentum cf. aaO.␣ 298, 52 (Grundmann, Art. d‚nami“). 168 Zur Stoa (die Gottheit als sich selbst bewegende, unsichtbare Kraft, die die Welt bewegt) cf. aaO.␣ 289, 27f. u.␣ 288, 49f. Interessant ist der Ausdruck d‚nami“ zwhtikfl bei Poseidonias (298, 2ff. u.␣ 51f.) 169 Cf. das Tg Jes␣ 48,13, zit. aaO.␣ 296, 42f. 170 AaO.␣ 292f.; Grundmann schreibt: »Damit wird ein Geschichtsereignis, das als Krafttat Gottes erfahren wurde, gedeutet von einem großen Ziel in der Geschichte her« (293, 21f.). Weltschöpfung und Geschichtsgestaltung durch Gott fallen so zusammen (aaO.␣ 294, 37–39). 171 AaO.␣ 239, 31–33. 172 Grundmann, aaO.␣ 307, 17f.
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Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes
– über die Christologie vermittelt – eschatologisch zusammengehörig, wie jetzt in aller Kürze darzutun ist (cf. Offb␣ 4,11; 5,12; 7,12; Röm␣ 6,4; I␣ Kor␣ 6, 14; II Kor␣ 13,4). Von Gottes eschatologischem Handeln in und an Christus gilt daher: »Dieselbe Tat ist sowohl auf die d·xa wie auf die d‚nami“ Gottes zurückgeführt«173. Der allgemeine Satz dexiÅ kur‡ou †po‡hse d‚namin (y 117, 15f.) steht auch im Hintergrund der Inkarnationsvorstellung (Lk 1, 35b), die als »schaffendes Wortgeschehen« aufzufassen ist174. Weil die göttlich-allmächtige Dynamis zugleich auch als Überwindung der Todesmacht175 und so schöpferischer Sieg über den Tod gilt176, darum folgt auf die Passion Christi die Herrlichkeit für ihn (I Petr␣ 1,11): »Die d·xa entsteht aus seinem Tod«177. Denn die Dynamis Gottes ist »Ewigkeits- und darum Auferstehungskraft«178, und die Auferstehung von den Toten wird von Jesus selber auf die »Kraft Gottes« zurückgeführt (Mt␣ 22,29), so wie seine eigene Auferweckung etwa von Paulus ebenso aus Gottes Dynamis (I Kor␣ 6,14; II Kor␣ 13,4a; cf. auch Act␣ 2,24)179 wie aus Gottes Doxa als gleichsam deren Telos begründet wird (Röm␣ 6,4). Daß Christus auferweckt und ihm die Doxa gegeben (I Petr␣ 1,12) bzw. er als Erhöhter »in die (bzw. der) Doxa« aufgenommen wurde (I Tim␣ 3,16), heißt gleichermaßen, daß er »in der Dynamis« zum Sohn eingesetzt wurde (Röm␣ 1,4). Wie Christus durch Übertragung der doxa-Prädikation auf ihn (Hebr␣ 13, 21; I Petr␣ 4,11; Offb␣ 5,12f.) zum k‚rio“ tö“ d·xh“ wird (I␣ Kor␣ 2,8; Jak␣ 2,1), so ist er ebenso die d‚nami“ jeoú schlechthin (I Kor␣ 1,24) – gemäß Gottes eigener Lebensdynamis (Hebr␣ 7,16) – und als solche die absolute worthafte Macht (Hebr␣ 1,3b), wie Licht vom Lichtglanz Gottes (Offb 1,16; Hebr␣ 1,3a). Wird das wesentlich theologische Attribut der Doxa auch auf Jesus angewandt, so spiegelt sich darin »die ganze Bewegtheit des Gott-ChristusVerhältnisses«180. Es handelt sich um ein wechselseitiges »Verherrlichungs«Geschehen (d·xasjai)181, bei dem der Vater, in dem der Menschensohn verherrlicht wird ( Joh␣ 17,1), in dessen Tod und Auferstehung seinen eigenen Namen verherrlicht ( Joh␣ 12,28a) und so im Sohne selbst verherrlicht wird ( Joh␣ 13,31f.), wie er wiederum den Sohn in ihm selbst verherrlicht 173
AaO.␣ 306, Anm.␣ 76. AaO.␣ 301, 30. 175 Cf. bes. aaO.␣ 317f. (Weizenkorn!). 176 Cf. Hebr. 11, 19 mit Röm 4,21 u. Mt 22,29 sowie Mt 19,26 par. (mit Gen 18,14; Hiob␣ 42,2; Sach␣ 8,6). 177 Kittel, aaO.␣ 252, 36f.; cf. ähnlich auch Joh␣ 12,24ff. u. I Kor␣ 15,36ff. 178 Grundmann, aaO.␣ 317, 11f. 179 Vom Auferstandenen gilt: »Sein Leben hat er aus der Kraft Gottes«, aaO.␣ 305, 18f.; Entsprechendes von der Gemeinde: II Kor␣ 13,4b. 180 Kittel, aaO.␣ 251, 36f.; cf. das Stichwort von der »in sich bewegten Christologie« (Künneth, aaO.␣ 115). 181 Cf. dazu Bultmann, Theologie des Neuen Testaments (19614), 401. 174
4. Pneuma, Dynamis, Doxa
189
( Joh␣ 13,32). Weil diese Verherrlichung ebenso mit dem Wirken des irdischen Jesus anfängt ( Joh␣ 17,4), wie sie sich in dem des Erhöhten vollendet, hat Gott schon verherrlicht wie er noch verherrlichen wird ( Joh␣ 12,28b). Auch in solchem in sich bewegten »Verklären«182 sind das Eschaton und seine Antizipation ständig aufeinander bezogen: »Seine Verklärung ist Vorwegnahme seiner Eschatologie«183. Dynamis und Doxa sind daher auch eschatologische Charaktere des am Ende der Zeiten Wiederkommenden (Mk␣ 13,26; cf. Mt␣ 24,30 u. II Thess␣ 1,7), d.h. bei seiner Parousie (Mk␣ 8,38; 13, 37; Mt␣ 19,28; 25, 31; I Petr␣ 4,13; 5,1). Für die Zwischenzeit ist Christus – als selber worthafte d‚nami“ jeoú (Mk␣ 1,24) – anwesend im Evangelium – als eben dieser Dynamis (Röm␣ 1,16; I Kor␣ 1,18)184. War schon die doxa am Irdischen (nach Joh) »niemals anders als durch die p‡sti“« wahrnehmbar185, so sind p‡sti“ und pneúma auf den Dynamis-Begriff bezogen (I Kor␣ 2,4; Röm␣ 15,19; II Tim␣ 1,7)186. Denn durch die d‚nami“ jeoú – als ihren Glaubens- und Existenzgrund (I Kor␣ 2,1–5; Eph␣ 1,19) – hat die Gemeinde ihr pneumatisches Leben, eben in der Auferstehungsdynamik (II Kor␣ 13,3f.; Phil␣ 3,10), in der sie, mit Christus zusammen erweckt, von seiner eschatologischen Macht getragen wird (I␣ Kor 6,14 u. Phil␣ 3,21; Joh␣ 10,28f.). Dabei ist auch die künftige Teilhabe der Gläubigen an seiner endgültigen Erscheinung †n d·xÔh (Kol␣ 3,4; Phil␣ 3,21; Röm␣ 8,17; cf. II Thess␣ 1,10 u.␣ 12 mit y 88, 8; Jes␣ 24,15; 59, 19) antizipiert in der †lpÑ“ tö“ d·xh“ (Kol␣ 1,27; cf. Röm␣ 5,12), wie es Jesu Verheißung entspricht (Mt␣ 19,28). Verband sich immer schon mit dem Doxa-Begriff auch ein Stück eschatologische Hoffnung auf »ein Offenbarwerden … der endgültigen Verwirklichung seines [sc. Gottes] Herrschaftsanspruches an die Welt« (cf. Ps␣ 72,19; 57, 6.12; Jes␣ 40,5; 35, 2; 66, 18f.)187, so kehrt er auch zur Bestimmung des eschatologischen Heilsziels in Christus wieder (Phil␣ 3,21). Die a¢„nio“ d·xa ist das eigentliche Ziel der Berufung des Menschen durch Gott zum Heil (I␣ Petr␣ 5,4. 10; I Thess␣ 2,12; II Thess␣ 2,14; II Kor␣ 4,17; II Tim␣ 2,10). Daher hat nicht schon »der Mensch … der Gegenwart, sondern des Eschaton … teil␣ an der d·xa«188. Während in Gott schon alles vollendet ist, bewegt sich 182
So übersetzt Luther d·xasjai (»verherrlichen«), z.B. Joh␣ 13,31f. E. Lohmeyer zur als »eschatologische Theophanie« aufgefaßten Verklärungsgeschichte (Mk␣ 9,2ff.), in: Die Verklärung Jesu nach dem Markusevangelium, ZNW 21 (1922), 183 (zit. ThWbNT II, 252, 11f.). 184 Evangelium ist »die in der Geschichte, und zwar im Christusgeschehen wirkende und handelnde Kraft Gottes« (Grundmann, aaO.␣ 310, 30f.), und dessen Verkündigung daher »Fortsetzung der Rettertätigkeit Jesu Christi« (311, 6f.; cf. 310 A.␣ 84). 185 Kittel, aaO.␣ 252,20 (mit Stellen). 186 Cf. Grundmann, aaO.␣ 312, 17ff. 187 Von Rad, aaO.␣ 245, 14–16. 188 Kittel, aaO.␣ 254, 5f. Cf. I Kor␣ 15,43! Zwischen dem noch entbehrenden Jetzt und künftiger Vollendung ist der Glaube ausgespannt (cf. Röm␣ 3,23 mit 8,18 u.␣ 21). 183
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Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes
die irdische Existenz zwischen Haben und Noch-nicht-Haben189. Aber dieses lebendige Bewegtsein ist die Dynamis, die in der Selbstbewegung zwischen Antizipation und Vollendung sich steigert und in sich verklärt: »Die Brücke zwischen Gegenwart und Eschatologie steckt im üpÖ d·xh“ e¢“ d·xan (II␣ Kor␣ 3,18)«190. e. In diesen Bezügen von Doxa und Dynamis ist schließlich auch der herkömmliche doxologische Schluß des »Vaterunser« zu verstehen (Mt␣ 6,13). Die Bitte: rúsai ™mô“ üpÖ toú ponhroú (13a) trägt eschatologisches Gepräge191: »die endzeitliche Bewahrung vor dem Herausgerissenwerden aus dem von Gott verheißenen ewigen Heil«192. Die Doxologie selber, die der Bitte Erfüllung verheißt, sieht in Gott selber wesentlich die basile‡a und die d‚nami“ und die d·xa (cf. Offb␣ 4,11; 7,12 u. außerdem 11, 17f.; 12, 10ff.; 19, 1f.). Das schreibt sich vom AT her und seinem »Universalismus des Glaubens an die Allmacht Gottes« (I Chr 29, 11f.!)193. Hier, im Herrengebet des Neues Testamentes, sind – in einer die Heilsgeschichte voraussetzenden und einschließenden Weise194 – Dynamis und Doxa endgültig vermittelt, sofern es um die »Kraft Gottes, die eschatologischen Charakter trägt … und die Welt ihrer Vollendung entgegenführt«195, geht. Dieser das Gebet des Herrn besiegelnde Lobpreis zieht den Blick des Betenden in einem gewaltigen Aufschwung aufwärts zu Gottes Majestät und gewinnt von daher Gewißheit für das Gebet. Gottes unfaßbare Größe, seine dreifaltige Lebendigkeit klingt mit den erhabenenen Wörtern: Basileia – Dynamis – Doxa an; sein allein ist das ewige Leben und Reich, sein allein ist die Macht zu dessen Durchsetzung und in ihm allein liegt die unausdenkbare Erfüllung, wenn er selber alles in allem sein wird. Mit dem letzten Wort dieses Hauptgebetes der Christenheit, mit dem Wort: Doxa, ist auch auf die letzte Grenze allen Denkens und Sprechens hingewiesen. Es verspricht die unfaßbare Wirklichkeit Gottes selber, ohne alle Schranken. 189
AaO.␣ 255, 4. AaO.␣ 254, 43f.; cf.␣ 258,10f. 191 Für den Dynamis-Begriff tritt im Judentum allmählich die eschatologische Machtentfaltung Gottes in den Vordergrund (cf. schon Jes␣ 2,19; 40, 10; Ez␣ 20,33); sie wird wesentlich als Überwindung der dämonischen Mächte vorgestellt (cf. Grundmann, aaO.␣ 297, 7f.), was sich auch in Mt␣ 6,13a niederschlägt. 192 Kasch, in: ThWbNT VI, 1003, 39f.; cf.␣ 1004,33f. 193 Bertram, in: ThWbNT V, 890, 20f.; cf. zu dynamis aaO. II, 296, 21; 288, 6 und zu Exousia II, 561, 54. 194 »Diese d‚nami“, die eschatologische Kraft ist, ist bereits wirksam im Christusgeschehen, aus ihr hat Christus seine wunderbare Existenz (Lk␣ 1,35), sie ist wirksam in seinem Handeln … Diese eschatologische Kraft ist Geschichtskraft, die die Welt und Geschichte zu ihrem Ziele bringt« (Grundmann, aaO.␣ 308, 9–12). 195 AaO.␣ 308, 5f. 190
4. Pneuma, Dynamis, Doxa
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Die drei Wörter reden in ihrem Zusammenhang von einer Einheit von Sein und Wirken, wie sie nur Gott allein, dem in Ewigkeit Lebendigen, der das Leben hat in ihm selbst ( Joh␣ 5,26), zukommt. Eine selber lebendige Einheit dergestalt, daß das »Reich« zugleich die »Kraft« ist, die es hervorbringt und gestaltet, und die »Kraft« auch der ständige Aufbau des »Reiches«, auf das sie hinführt und von dem sie ausgeht. Diese Einheit ist die »Herrlichkeit«, insofern sie sich lebendig durchdringt und ihrer vollkommen inne ist, indem sie im immer neuen Sichöffnen nach außen sich durchsichtig wird als unendliches Rückkehren zu sich, ewiges Beisichsein im ewigen Hervorbringen ihrer selbst. »Herrlichkeit« spricht vom Geheimnis vollendeten Lebens in sich (als Einheit von Dynamis und Basileia), das in all seiner Bewegtheit doch nur die durchsichtige und einfache Ruhe des ewigen Lichtes ist. Versuchen wir zum Schluß noch, die ausgebreiteten Bezüge der Begriffe Dynamis und Doxa – im Rahmen unseres Themas – in ihrem systematischen Verhältnis zu bestimmen. Zunächst ist als der konkrete Kontext des Dynamis-Begriffs das Leben Gottes in Erinnerung zu rufen. Er insbesondere bestimmt die d‚nami“ als todüberwindend. Das gilt, insofern die göttliche Lebendigkeit 1. negativitätsüberwindende Macht (Allmacht), 2. Macht zum Lebendigsein (als sich immer neu verwirklichend, auch im Integrieren des Anderen und Entgegenstehenden) und 3. »unauflösliches Leben« ist (d.h. sich identifizierend im Sichausweiten). Ist schon natürliches Leben nur als ständiges Überwinden des eigenen Nichtseins zu verstehen (bzw. als produktives Aufhalten der dem endlichen Leben immanenten Todesrichtung), so ist es als das Leben Gottes Leben, das sich selber absolut hervorbringt und besitzt, und Leben, das anderes Leben aus dem Nichtsein schafft und es schöpferisch am eigenen Leben teilhaben läßt196. In der Auferweckung Jesu Christi hat Gott die allgemeine, todesbedrohte Lebensdynamik zu der seines eigenen unsterblichen Lebens gemacht. Er nimmt so die von ihm geschaffene Lebensdynamik in seine eigene unerschaffene Lebensdynamik auf; daher ist dieses »Aufnehmen« selber seiner göttlichen Dynamis (als schöpferisch-allmächtig) spezifisch eigentümlich, ist sein Handeln als Vollzug seines eigenen Wesens. Derart meint der Begriff d‚nami“ den Selbstvollzug des göttlichen Lebens. (Wobei zu beachten ist: Gott »hat« nicht eine Dynamis, sondern ist selber die Dynamis, durch die er lebt: sein absolutes Leben als Leben aus sich und durch sich!) Der Begriff d·xa geht auf diese göttliche Lebendigkeit in ihrer Vollendung (Vollendetheit). Die doxa ist also das immanente Ziel der dynamis, denn Gott hält sich durch sich selber im Sein und will immer er selber bleiben. Und die dynamis ist immer schon auf doxa bezogen, d.h. sie ist die 196 »Denn er lebt jnn jm und durch sich selbs, Warumb solt ers denn nicht auch jnn uns thun, das wir alles allein jnn und durch jn selbs haben konden? (WA 36, 596, 17– 19).
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Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes
göttliche Weise der Selbsthervorbringung und -verwirklichung von Gottes Leben in seiner Vollendung. Somit kann Gottes Leben – von der Auferstehung Jesu Christi her – nur als stetige und zugleich immer neue Selbstverklärung und -verherrlichung gedacht werden, d.h. als schöpferisches Handeln im Bezug auf Anderes, das ewig bei ihm ist. Gott hat mit der Auferweckung des Gekreuzigten gehandelt auf sein absolutes, ewig seliges Beisichsein hin, das er als die Macht aus sich selber quellenden Lebens (Hebr␣ 7,16) ist197. Dieses ewige Leben besitzt Gott in durchsichtiger Vollkommenheit198 und zugleich vollzieht er es in ständig neuer Selbstdurchdringung ewig lebendig: in unausschöpflichem Reichtum immer neuen Er-selbst-Seins. Zu diesem gehört, kraft dieser Macht zum Lebendigsein, die seine ewige Liebe zum Zeitlichen und Geschaffenen ist, eine lebendige Gemeinschaft, durch die er ebenso für sich wie auch freier Grund von allem ist, das er in durchsichtiger Andersheit als Stätte (seines) ewigen Lebens sein läßt und in diesem Sinne selber »alles in allem« ist199.
197 Gott selbst »ist das leben und ein unausschepflicher abgrund alles guten und ewiger freude« (WA 36, 599, 16.). 198 Zur Bestimmung der Ewigkeit durch Boethius: Aeternitas … est interminabilis vitae tota simul et perfecta possessio, cf. meinen Aufsatz »Gott und das ewige Leben«, aaO., wie o. Einl. Anm.␣ 13, 60ff. 199 Indem Gott unser Alles sein wird, wie Luther schön ausmalt (WA 36, 571, 38– 572, 23; 596, 17–19; 597, 26f.; 599, 13–17), wird er Alles in Allem sein (aaO.␣ 593, 22ff.; 635, 16f.). Zur Interpretation von I Kor␣ 15,28 cf. den eben genannten Aufsatz, aaO.␣ 81ff.
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Kapitel 7
Auferstehung und Glaube Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde. Lk␣ 16,31
Da der christliche Glaube als in der Auferstehungserfahrung entstanden und begründet wesentlich eschatologisch bestimmter Glaube ist, ist hier abschliessend (und auf diese Zusammenhänge konzentriert) einerseits die unauflösbare Bezogenheit der Auferstehung auf Glauben und die Bedeutung, die die Auferstehung für den Glauben grundsätzlich hat, und andererseits die solchem Glauben einwohnende Hoffnung zu erörtern. a. Man kann – beispielsweise – schon bei Hegel lesen: »Die Auferstehung gehört … wesentlich dem Glauben an: Christus ist nach seiner Auferstehung nur seinen Freunden erschienen; dies ist nicht äußerliche Geschichte für den Unglauben, sondern nur für den Glauben ist diese Erscheinung«1. Eben das wußte die Urchristenheit selber auch, wie in einer Predigt von Petrus ausgesprochen wird: »Diesen hat Gott auferweckt am dritten Tage und hat ihn gegeben zu erscheinen, nicht allem Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen …« (Act␣ 10,40f.; cf.␣ 3,15; Joh␣ 14,22 u.␣ 19!). Daß die Auferstehungsrealität – der Vorgang der Auferweckung selber entzieht sich ohnehin der Beschreibung und wird auch nirgends erzählt – »nur« für Glaubende und nicht für neutrale Zuschauer da ist, muß als positiver Ausdruck des Sachverhaltes selber begriffen werden. Denn es geht um eine Wirklichkeit insofern sie göttliches Werk ist, das als solches kein bloß zu konstatierendes objektives Faktum sein kann, sondern Wirklichkeit – sogar die absolute Wirklichkeit – für solche ist, die, genau indem sie von ihr erreicht werden, zugleich erst Glaubende werden und es – in strikter Korrelation mit diesem Erreichtwerden – von daher sind. Sie erfahren sich notwendig von Gottes Handeln so betroffen und ergriffen, daß sie auch dies ihr davon Betroffen- und Ergriffensein nur aus diesem Wirklichkeit setzenden Handeln verstehen können: eben als die »von Gott vorher erwählten Zeu1
Vorlesungen über die Philosophie der Religion (II), Theorie-Werkausgabe (Suhrkamp), Bd.␣ 17, 291.
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Kap. 7. Auferstehung und Glaube
gen«. Inhaltlich besagt das für die Auferstehungserfahrung: sie konnte sich nicht – in ungebrochener, erfahrungsmäßiger Kontinuität – abstützen auf die Kenntnis des vorösterlichen Jesus; vielmehr ist es die Bedeutung der Selbstbezeugung des Auferstandenen, daß er als derselbe neu erscheint2. Auch in dieses allein von dem ihnen Erscheinenden ausgehende Sichereignen neuer Wirklichkeit für sie sind die Jünger, denen es widerfährt, notwendig so einbezogen, daß ihr zum Glauben daran Kommen und dies Geschehen an ihnen wesentlich eins sind. Daß diese Wirklichkeit überhaupt ist und daß sie für sie da ist, fällt hier in einem spezifischen Sinn zusammen, weil es sich eben um die Wirklichkeit handelt, durch deren an sie Gelangen sie überhaupt die Möglichkeit haben, sie als Wirklichkeit wahrzunehmen3. Diese Wirklichkeit setzt sich bei ihnen, indem sie sie zum Glauben daran überführt. Die neue Gegenwart des Gekreuzigten bei ihnen ist, indem sie »im Glauben« von ihr ergriffen werden, als übergegenständliche Wirklichkeit zugleich auch ihre eigene neue Wirklichkeit: »Der vom Selbst ergriffene Tod des Mittlers ist das Aufheben seiner Gegenständlichkeit oder seines besonderen Fürsichseins«4. Wie der Auferweckte nicht mehr katÅ s›rka gekannt wird (II Kor␣ 5,15f.), so sind auch die Glaubenden eine kainÉ kt‡si“ »in« ihm (V.␣ 17), eben weil sie Glaubende nur sind als in sein Auferstehungsleben einbegriffen (V.␣ 15!). Dies konstitutive Einbezogensein des Glaubens in die Wirklichkeit, an die er glaubt, weil und indem sie ihn als Glauben begründet5, hat aber auch eine Kehrseite, die wesentlich dazugehört. Sie ist einsichtig zu machen, indem man von der scheinbar trivialen Beobachtung ausgeht: Jesus »konnte nur für jene der Auferstandene sein, die wußten, daß er tot war«6. Denn nur sie waren überhaupt in der Lage, ihn wiederzuerkennen. Daß der Auferstandene in seinen Erscheinungen sich für die, die eben dadurch zum Glauben kamen, selber identifizierte, setzt voraus, daß sie ihn als ihren Herrn wiedererkennen konnten. Das aber konnten eben nur sie, für die er derjenige war, mit dem sie eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Der Anteil der Jünger an der Vergangenheit des Gekreuzigten ist zugleich auch Jesu Anteil an ihrer eigenen 2 Dies ist die systematische Bedeutung der Erscheinung an Paulus vor Damaskus, s.o. S.␣ 102ff. 3 Insofern ist die gegenständliche Wirklichkeit des Auferstandenen eine strukturell andere als z.B. die neutrale Gegenständlichkeit des Kreuzes, das auch ohne Glaube objektiv konstatierbar war. (Freilich ist das Kreuz nach seiner Wahrheit auch erst (und allein) im Glauben zu erkennen.) An diesen Unterschied schließt Bultmanns Bestimmung an: Auferstehung als die Bedeutsamkeit des Kreuzes. Tillich drückt den Sachverhalt als unterschiedliche Akzentuierung mit der zu glatten Formel aus: »daß … das Kreuz beides ist: Ereignis und Symbol, und daß die Auferstehung beides ist: Symbol und Ereignis« (Syst.Theol.II (19582), 166). 4 Hegel, Phänomenologie des Geistes (Hoffmeister), 545f.; cf. u. Anm.␣ 15. 5 Nach Kol␣ 2,12 ist der Glaube erfüllt von der Energeia Gottes, der Christus auferweckt hat – und mit ihm die Glaubenden erweckt. 6 R.R. Niebuhr, aaO.␣ 152.
Kap. 7. Auferstehung und Glaube
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Vergangenheit, und d.h. indem sie ihn von seiner Gegenwart als Auferstandener her in seiner Vergangenheit wiedererkennen, schließt das einen Bezug auf ihre eigene Geschichte mit ihm ein. So enthält seine Selbstidentifikation für sie auch ihre eigene Identität (als neu bestimmte). Daß der Auferstandene nur »für« die Glaubenden ist, was er ist, bedeutet daher auch: »Nur diejenigen, die an seiner Geschichte teilhatten, konnten deren Zeichen wiedererkennen«7. Von daher hängt, daß er nur »für« die Glaubenden da ist, damit zusammen, daß er »für sie« in den Tod ging: »Jesus war der Mensch, der für sie starb, und sie waren Menschen, für die er starb«8. Der jetzt neu für sie da ist, ist notwendig zugleich der, der zuvor – bis in seinen Tod hinein, ja bis zum Tode am Kreuz, – »für sie« da war9. Insofern sind die Erscheinungen Manifestationen des »Pro nobis« von Jesu Auferweckung und Erhöhung10 als göttlicher Bewahrheitung seines »Pro nobis« als Irdischer. In diesem differenzierten Sinn ist die Auferstehung als »Beziehungswirklichkeit« die Wahrheit des Glaubens (d.h. ihn begründende und an ihm sich fortsetzende Wirklichkeit): eine »wirkende Wirklichkeit, die ihr Sein nur in der Relation [sc. zu ihr] erschließt«11. Weil der Auferstandene und von Gott her Lebendige in der empirischen Welt nicht »objektiv« vorhanden ist, »bedarf (es) des Sicheinlassens«12 – ein Sicheinlassen, das freilich von eben der übergegenständlichen Wirklichkeit her, auf die es sich einläßt, sich ermöglicht und begründet weiß. Diese Notwendigkeit eines wesentlichen Sicheinlassens auf die nicht verobjektivierbare, weil das Subjekt neu bestimmende Wirklichkeit der Auferstehung – als Wirklichkeit einer Zuwendung Gottes – erklärt verschiedene Phänomene, die schon am Anfang mit dem Auferstehungsglauben verbunden sind. Das eine ist die in solcher Situation unaufhebbare Möglichkeit des Sichnicht-Einlassens. Daß von Beginn an neben dem Glauben auch Zweifel und Unglaube ebenfalls mögliche und reale Reaktionen auf die neue Wirklichkeit waren, betont das NT selber nachdrücklich (paradigmatisch an Thomas: Joh␣ 20,24f.; cf. auch Mk␣ 16,14; Mt␣ 28,17; Lk␣ 24,10f. u.␣ 41; Act␣ 17,32).
7
AaO.␣ 152. Gemeint sind die »Zeichen«, durch die der Auferstandene sich den Seinen zu erkennen gibt, cf. dazu o. S.␣ 70. 8 AaO.␣ 153. 9 In diesem Zusammenhang die Frage zu stellen, wer der Auferstehung »bedurfte« (Lüdemann, aaO.␣ 263 Anm.␣ 698), ist ebenso abwegig wie die Rede der Anthroposophen von einem »Auferstehungsbedürfnis« (cf. F. Rittelmeyer, Meine Lebensbegegnung mit Rudolf Steiner (1928, 1983 10), 137). 10 Cf. WA 12, 518; 37, 30; 45, 19; 37, 31; 36, 162; 2,140. Zum Pro me von Ostern cf. noch WA 15, 517, 30 –518, 35; 520, 24–28; 29, 262, 1–265, 14; zu Röm␣ 4,25: 46, 315, 5–316, 20; cf.␣ 49, 160, 10 –163, 35; 29, 328, 1–8. 11 Koch, aaO.␣ 234. 12 AaO.␣ 58.
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Kap. 7. Auferstehung und Glaube
Das andere ist die Tendenz der frühchristlichen Literatur, die nur den Glaubenden erschlossene Auferstehungswirklichkeit, und d.h. die Verborgenheit des Osterereignisses, in eine öffentliche Demonstration zu verfälschen (ansatzweise schon Mt␣ 28,2ff.; massiv ausgeführt im Hebr.-Evangelium und Petrus-Evangelium)13. Schließlich und theologisch bedeutsam ist hier die verändernde Kraft der Auferstehungserfahrung zu beachten. Die Begegnung mit dem Auferstandenen ist selber eine Wiedergeburt (cf. I Petr␣ 1,3ff.)14. Und die Auferstehung Jesu hat nicht nur eine sachliche Parallele, sondern sie setzt sich real fort in Bekehrung (Lk␣ 15,24 u.␣ 32; Joh␣ 5,25) und Taufe (Kol␣ 2,13; Eph␣ 2,5f. u. 5,14). Darum ist auch gegenwärtig ein zum Glauben Finden nichts anderes als ein Moment der lebendigen Auferstehungswirklichkeit15: Glaube ist als solcher ein »mit Christus Auferstehen«16. Auf die Frage, warum der Auferstandene »nur« den Glaubenden erschienen ist, wäre also theologisch zu antworten: weil die Auferstehung nicht ein isoliertes Geschehen an Jesus allein ist, sondern das eschatologische Gottesverhältnis des Menschen und der Welt – als ihr Heil – betrifft. Die Auferwekkung Jesu Christi vom Tode ist als Gottes lebendige Einigung mit Jesus dem Gekreuzigten sein Heilshandeln für uns, weil jene – als eschatologisches Handeln – zugleich Gottes lebendige Einigung mit uns ist, nämlich seine Leben schaffende Nähe bei uns, und dies über den Tod hinaus. Die Wirklichkeit der Auferstehung ist eschatologische, d.h. auf die Endvollendung ausgespannte Wirklichkeit17. Diese ist naturgemäß allein »für« den Glauben, weil der Glaube eben selber auch Moment dieser Wirklichkeit ist. 13
Cf. dazu Heim, aaO.␣ 184. Cf. aaO.␣ 185. 15 Das ließe sich z.B. an Luthers »Sermon von der Bereitung zum Sterben« (1519, WA 2, 680 –697) genauer durchführen. Gemäß Luthers Regel: »suche dich nur in Christo und nit yn dir, ßo wirstu dich ewiglich yn yhm finden« (690, 24f.) scheint die Aneignung des Gekreuzigten (d.h. daß er zum Träger meines Todes wird – sterben mit Christus (Röm␣ 6,8; 14, 8) – und mich aus meiner Todesnot befreit) so etwas wie die Auferstehung als Lebendigwerden des Gekreuzigten für mich zu sein. Das Für-michSein (bzw. Werden) des Gekreuzigten (als eine Art »fröhlicher Wechsel«) steht im lebendigen Wirkzusammenhang der historischen Auferstehung Jesu vom Tode. Von hier aus ließe sich ein Wahrheitsmoment in dem Auferstehungsverständnis bei Hirsch (Auferstehung in unserem Glauben) und bei Bultmann (Auferstehung ins Kerygma) finden, das auf Luther (einseitig) zurückgeht (cf. o. Kap.␣ 3, Anm.␣ 119). 16 »So ir nu … die Aufferstehung Christi mit dem Glauben gefasset und der selben krafft und trost empfangen habt, Und also mit jm aufferstanden seid, So muß sich ja solchs an euch beweisen, das jr es fuelet und bey euch gespueret werde, wie es in euch angefangen habe zu wircken, das es nicht allein wort, sondern warheit und Leben sey. Denn welche es nicht also empfinden, denen ist Christus noch nicht aufferstanden« (WA 21, 266, 20ff.). 17 In der – von W. Marxen propagierten – Formel für die Auferstehung: »Die Sache Jesu geht weiter« ist das bis zum Nichtssagenden verblaßt und ins Unkenntliche entstellt. Sie findet sich übrigens schon in der freisinnigen Theologie des 19. Jahrhunderts. 14
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Denn der christliche Glaube ist überhaupt nichts anderes als ein Hineingezogenwerden in den Zusammenhang von Kreuz und Auferstehung Jesu Christi, und die Teilhabe daran †n Cristù ist ein Teilgewinnen auch an der neuen Wirklichkeit †n Cristù (II Kor␣ 5,15–17). Im Glauben lebt weder das »alte« Ich noch lebt es sein von der Todesrichtung bestimmtes Leben, sondern »in ihm« lebt – als seine eigentliche Wirklichkeit« – das eschatologische Leben des Auferstandenen, das neue Leben, das die ewige Zukunft des Ich und der Welt ist (cf. Gal␣ 2,20). Daß der Auferstandene »für« den Glauben ist, besagt daher, daß allein der Glaube ihn »erkennt«, und d.h. eben »die Dynamis seiner Auferstehung« als in der Gemeinschaft seiner Leiden und seines Todes (Phil␣ 3,10). Denn diese Dynamis (»Kraft«) der Auferstehung kommt gerade auch in der eigenen Schwachheit der Glaubenden zur Vollendung (II Kor␣ 12,9). Glaube ist so nichts anderes, als daß »das Leben« (als das Christi aus seinem Tod) in einem wirksam wird (II Kor␣ 4,12). Das Sein der Auferstehung wesentlich »für« den Glauben bedeutet, daß dieser eben nur als »Erkenntnis« des wahren Gottes und seines Christus schon »das ewige Leben« ist ( Joh␣ 17,3)18. Glauben ist selber nur das lebendige Teilgewinnen am Leben des Auferstandenen – vermittelt durch das Hören auf sein Wort – und so ein sich vom lebendigen Gott selber bestimmt Erfahren ( Joh␣ 5,24). Weil in Christus der Sieg des Lebens über den Tod erschienen ist (I␣ Kor␣ 15, 54f.) – darum macht die Auferstehung das Kreuz zum Heilsereignis! –, ist der Auferstehungsglaube an sich selber »Freude im Herrn« (Phil␣ 4,4). Als solche Freude am Heil nimmt der Glaube etwas von der Doxa vorweg, die er – als Glaube – noch nicht sieht (cf. I Petr␣ 1,8f.). In solcher Freude realisiert der Glaube, daß die Auferweckung des Gekreuzigten auf die Rechtfertigung des Sünders zielt (Röm␣ 4,25)19. Der Gerechtfertigte ist es aber nur als der Berufene: berufen zu neuem Leben (Röm␣ 6,4 u.␣ 12 ff.; Gal␣ 5,6) – darin setzt sich die Auferstehungswirklichkeit in den Glaubenden fort20 – und berufen zum Zeugnis von der Auferstehung (cf. Röm␣ 10,9 u. II Thess␣ 2,14)21 – darin setzt 18
Das »Erkennen« (Gal␣ 4,9) ist Lieben (I Kor␣ 8,3; 13, 12). Calvin hat zu II Kor␣ 5,18f. entscheidende Ausführungen über die Rechtfertigung aus Glauben gemacht, die wegen des Kontextes auf die Auferstehung zu beziehen sind, cf. Inst. III, 11, 4. 20 Das Auferstehungsgeschehen ist als eschatologisches stets nach vorwärts gerichtet, cf. Wilckens aaO.␣ 155f. 21 Zum »Zeugnis« s.o. Kap.␣ 3.1. (S.␣ 74). Gegen die Alternative von historischer Objektivität und existenzialer Bedeutsamkeit weist Moltmann auf den Charakter des eschatologischen Zeugnisses hin: »Wenn in diesem Geschehen etwas steckt, was sich noch nicht verwirklicht hat und auf eine bestimmte Zukunft aus ist, dann wird es verständlich, daß von diesem Geschehen nicht auf die Weise eines Berichtes über einen in sich abgeschlossenen Vorgang in historischer Distanz geredet werden kann, sondern nur auf die Weise einer erinnernden Hoffnung« (Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 171). 19
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sich die Auferstehungswirklichkeit im Kerygma fort22. Die Auferweckung Jesu von den Toten ist genau darum Anhalt zum Glauben, der sie weiter verkündigt (Act␣ 17,31), weil es bei ihr um die in der Heraufführung durch Gott begriffene und so zukünftige, endgültige Wirklichkeit geht23. Der Auferstehungsglaube ist immer Glaube an Gott überhaupt, weil die Auferweckungstat göttliches Handeln und ein neues Handeln ist, das mit der Schöpfung zusammen Gottes Werk an der Welt darstellt. Weil so nur theologisch ausgesagt werden kann, was in der Auferstehung geschehen ist (d.h. was Gott hier getan hat)24, darum ist die Auferstehung, auch wenn man sie als historisches Ereignis auffaßt, eine prinzipiell ungesicherte Sache. Sie hat ihre Präsenz wesentlich im Wort von ihr. Auferstehungsglauben – auf ein Extra nos angewiesen wie der Vergebungsglaube25 – ist letztlich Glaube an Gottes schöpferisches Wort26, das in den Erscheinungen an die Jünger und in der Verkündigung des Evangeliums heute an uns kommt27. Luthers Auslegung des Zweiten Artikels zufolge ist auch der Glaube an die Auferstehung eine integrales Moment dessen, was den christlichen Glauben überhaupt ausmacht, nämlich des Bekenntnisses im Glauben, »daß Jesus Christus sei mein Herr …«28. Als Herrn aller Wirklichkeit ihn zu glauben, das heißt im eigentlichen Sinne, ihn auch als den Auferstandenen zu glauben. Darin sind der (damalige) Glaube der ihm in seinen Erscheinungen Begegnenden (»Auferstehungszeugen«) und der (heute mögliche) Glaube der ihm im Wort vom Auferstandenen (als seinem Wort) Begegnenden eins als dem 22 Lk␣ 12,8f. ist auch auf den auferstandenen Herrn zu beziehen! Cf. von hier aus die Kritik an Lüdemann, o. Anm.␣ 51 (Kap.␣ 3.1.). Auch daß »Auferstehung« als ein sog. »Glaubensgedanke« sich bei Lüdemann (aaO.␣ 201) wie von selbst einstellt, ist nicht einsichtig zu machen. 23 Darum betont Wilckens, die Wahrheit des ursprünglichen Osterzeugnisses »zeigt sich nicht am Gewesenen für sich, sondern am Gegenwärtigen, … an den geschichtlichen Wirkungen, die es provoziert hat und noch hervorbringt« (aaO.␣ 169). 24 Zum theozentrischen Begriff der Auferstehung cf. o. S.␣ 45ff. 25 Cf. Althaus, aaO.␣ 44f. Gegen Hirsch ist festzuhalten, daß einerseits das Wort kein »objektiver« Grund des Glaubens ist (cf. aaO.␣ 65, 67, 69 u.ö.) und andererseits ohne Auferstehung das Evangelium nicht denkbar ist. Hirschs Rede vom Triumphalismus des Auferstehungsglaubens ist eine groteske Verzerrung (cf. Hirsch aaO.␣ 82ff.; dazu Althaus, aaO.␣ 76–77). 26 Ein Ewigkeitsglaube (in Hirschs Verständnis von Ewigkeit, s.o. Kap.␣ 6. A.␣ 108) kann allerdings nur ein »überwissensmäßiges Erahnen« (Hirsch) anstatt wortbezogener Glaube sein. Das wird bei Lüdemann angeführt (aaO.␣ 202), der sich überhaupt gern auf Hirschs »Ewigkeitsglauben« beruft (aaO.␣ 194 A.␣ 682; aaO.␣ 155 wird Luther ganz einseitig herangezogen!). 27 Lüdemann behauptet ganz abstrakt – ohne die Vermittlung im Wort in ihrer Bedeutung zu sehen –, daß »dieser Jesus« durch den Tod nicht vernichtet wurde, sondern auch als der nun »Lebendige bei uns ist« (aaO.␣ 201) – was soll das heißen angesichts der von ihm angenommenen Verwesung (aaO.␣ 198)? 28 BSLK 511, 23–38. Zur Sache cf. auch Ebeling, Der Aussagezusammenhang des Glaubens an Jesus, Wort und Glaube, Bd.␣ III, 246–269. Cf. Röm␣ 10,9.
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Wesentlichen: Begegnung mit dem lebendigen Gott in seinem schöpferischen und lebendigen Wort29. b. Diese Einsicht ist an dem nicht einzuebnenden Unterschied zu bewähren, der zwischem dem Glauben der ersten Auferstehungszeugen, der ein Glaube »auf Grund von Sehen« war30, und dem heutigen Glauben derer, denen keine Erscheinungen zuteil werden, zunächst besteht. Denn unbestreitbar ist unser Osterglaube ein Glaube auf das Osterzeugnis derer hin, die ihn gesehen haben. Freilich ist dieser Unterschied zwischen ihnen und uns auch nicht ohne wesentliche Entsprechungen auf beiden Seiten. Auch für die Adressaten der Erscheinungen war das Sehen nur mit dem Glauben zusammen gegeben. Denn, was sie sahen, war wesentlich vermittelt durch das Wort dessen, den sie sahen. Er war leibhaft-verklärt und worthaft zugleich für sie da. Darum eben sind die Erscheinungen nur solche für die Glaubenden, und darum stoßen sie bei anderen auf Zweifel und Unglauben. Daß das Sehen (bzw. Gesehenhaben) die Notwendigkeit von Glauben nicht beseitigt, sondern – unter den Bedingungen des irdischen Lebens – zur Kehrseite hat, hat Paulus grundsätzlich zum Ausdruck gebracht (cf. I Kor␣ 9,1 u.␣ 15, 8 mit II Kor␣ 5,7). Unser Glaube ist einer im Zusammenkommen von Hören (und nicht Sehen) und Glauben. Eben dies reicht aber nach dem neutestamentlichen Christuswort völlig aus, ist heilssuffizient ( Joh␣ 20,29)31. Die, aus theologischen Gründen32, begrenzte Zeit des »Sehens« ist für diese Weltzeit vorbei (I Petr␣ 1,8). Durch seine Gegenwart in seinem Wort (bzw. dem Wort von ihm) wird der Auferstandene für uns gegenwärtig im Glauben. Was ist nun die Bedeutung der Ostererscheinungen für den Glauben heute? Gehören sie zum Grund des Glaubens, obwohl wir sie selber nicht erfahren? Man muß als erstes festhalten: der christliche Glaube ist Ostern entstanden!33 Darum gründet sich der Glaube an Jesus Christus auf das – als Wort des lebendigen Gottes – erfahrene neutestamentliche Zeugnis von ihm, aus dem die Osterbotschaft nicht herausgelöst werden kann, ohne Sinn und Zusammenhang des Ganzen zu zerstören34. Daraus folgt: wir können überhaupt nicht an der Ostererfahrung der Jünger (d.h. dem Zeugnis von den 29
Zum wesentlichen Verhältnis von Erscheinung und Wort s.o. Kap.␣ 4.1., S.␣ 74f. Cf. dazu Althaus, aaO.␣ 66. Althaus betont diesen Unterschied (aaO.␣ 65) und spricht ihm sogar theologische Bedeutung zu (aaO.␣ 66). 31 Zur Interpretation der Stelle cf. Althaus, aaO.␣ 66f. 32 Cf. dazu o. S.␣ 100f. 33 »Das »Sehen« der ersten Zeugen gehört in das glaubenerweckende Zeugnis, das die Kirche begründet hat, hinein« (Althaus, aaO.␣ 46). 34 »Der Grund des Glaubens ist kein anderer als der ganze Gehalt des ursprünglichen Christuszeugnisses, einschließlich des bezeugten Ostergeschehens. Man kann hier nichts ausscheiden« (Althaus, aaO.␣ 52). Was dies Eingeschlossensein systematisch bedeutet, versuchen die o. im Text folgenden Sätze auszusagen. 30
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Erscheinungen an sie) vorbei ein glaubendes Verhältnis zu Wort und Geschichte Jesu gewinnen, weil die Evangelien dies Wort und diese Geschichte (Kreuz!) eben im Lichte von Ostern und auf es hin (als Wort und Geschichte des Christus) überliefern35. Am irdischen Jesus auch verkünden sie den auferstandenen Christus36. Damit ist ein theologisches Verständnis der Zusammenhänge vorgegeben, das sich so formulieren läßt. Das Wort der Verkündigung, das uns erreicht und unseren Glauben hervorrufen kann, ist nichts anderes als die Botschaft der Erscheinungen selber: der Vergangene (schon) ist der Lebende (bzw. der Lebende auch der Vergangene), und seine Worte (schon) waren (und sind) Worte ewigen Lebens ( Joh␣ 6,68). D.h. für uns Heutige ist die Verkündigung des Glaubens an den Auferstandenen »aufgehobene« Ostererscheinung – so wie die Erscheinungen sich, an ihnen selber worthaft, in Verkündigung (eben die Evangelien!) übersetzten (s.o. S.␣ 73f.)37. Überdies ist es auch ein integrales Moment dieser Verkündigung, daß die, die sie weitergaben, sich dazu von dem ihnen lebendig Erschienenen selber gesandt wissen! Sein Wort kommt (an uns) als Wort dessen, der darin wirklich zu uns kommen will, als er selbst, der »im Wort von der Auferstehung wirksam sich erweisende Christus«38. Indem wir heute hören, was er damals als Erscheinender getan und gesagt hat – und was das für sein Reden und Tun als Irdischer bedeutet –, gelangt nur zur Verwirklichung, daß sein Erscheinen schon Verkündigung war und es für uns ausschließlich ist. Die Botschaft seines Erscheinens (als aus dem Tode Lebendiger) kommt heute in der Verkündigung (als Weiterverkündigung) zu uns. Darum ist, zum Glauben an das Wort des Auferstandenen zu gelangen, Wiederholung der Ostererfahrung im Glauben39. Dies kann nur geschehen in der Kraft des hl. Geistes, der uns die Verkündigung von Jesu Wort und Geschichte als Botschaft vom Auferstandenen als das Wort gegenwärtig werden läßt, in dem der lebendige Gott an uns handelt. So wird Vergangenes zur eigenen Gegenwart des Glaubens, wird die Ostergeschichte zur Ostererfahrung im Wort davon. Und in solcher lebendigen »Wiederholung« in der schöpferisch den Zeitunterschied überwindenden Gegenwart des ewigen Gottes streift der eigene Glaube das äußerliche 35
Auch bei W. Herrmann wird das ausdrücklich eingeräumt: »Wären sie [sc. die Osterereignisse] nicht geschehen, so wäre uns das Zeugnis der ältesten Gemeinde von dem Erdenleben Jesu nicht geschenkt« (Dogmatik, 1925, 83). 36 »Das Osterwunder wird uns nicht für sich, isoliert und nicht historisch-theoretisch gewiß. Es wird auch nicht für sich berichtet, sondern inmitten des zur Entscheidung rufenden Gesamtzeugnisses von Jesus« (Althaus, aaO.␣ 61), – ein Zeugnis, »das als Ganzes um Glauben wirbt und die Macht hat, Glauben zu begründen« (ebd.). 37 »Das Bild des geschichtlichen Jesus ist nicht nur geschichtlich-zufällig, sondern wesentlich-grundsätzlich eingefaßt in die Osterbotschaft von seinen Erscheinungen, seiner Auferstehung« (Althaus, aaO.␣ 52f.). 38 Künneth, aaO.␣ 81. 39 »Dann wissen wir im Glauben, daß er lebt« (Althaus, aaO.␣ 65).
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Verhältnis zu Erfahrungen, die nur Andere vor Zeiten gemacht haben, ab und findet – frei von äußerer Abhängigkeit von den Berichten Anderer – zu sich als Glaube und d.h. zur Gleichzeitigkeit mit dem lebendigen Christus. Er findet von der Schrift als Gesetz zu Christi Selbstwort als Evangelium. Dann wird dieser selbst uns gegenwärtig, und genau das ist Glaube40. Auferstehung und Glaube sind beide eine pneumatische Wirklichkeit, und sie sind es gerade als eine Wirklichkeit. Denn das Pneuma ist wortgebunden, und der Glaube kommt aus dem Hören der Verkündigung (Gal␣ 3,2; Röm␣ 10,17 u.␣ 14). Und der Glaube ist pneumatische Wirklichkeit gerade in kraft der Auferstehung bzw. des Auferstandenen selber, der sich in seinem Wort lebendig vergegenwärtigt: Christus ist daher »non objectum … in ipso fide Christus adest«41. Darum ist der Auferstehungsglaube da lebendig – und ist so erst eigentlich Glaube an die Auferstehung als Glaube in kraft der Auferstehung –, wo er »im Worte bleibt«42. Und vom Wort her, als die Auferstehungswirklichkeit mit sich bringend, haben »wir auch einen Schmack der selben durch den Christum inn unserem hertzen empfangen« (cf. Hebr␣ 6,5)43. Von hier aus wäre auch das Problem des Verhältnisses von Glaube und Erfahrung genauer zu erörtern, wozu hier nicht der Ort ist44. Jedenfalls ist es verkehrt, Wort und Erfahrung gegeneinander auszuspielen45, so daß sie ein Gefälle bilden derart, daß eine reine Erfahrung primär sei46 und das Wort nur deren nachträgliche Deutung47. Gerade die Auferstehungserfahrung ist überhaupt keine Erfahrung ohne ihren – im mehrfachen Sinne – wesentlichen Wortcharakter, wie gezeigt wurde (s.o. S.␣ 73ff.). Daher ist eine These wie »am Anfang war nicht der Satz«48 ganz schief, weil die Erfahrungen mit dem 40 »Die Vermittlung durch Menschen wird aufgehoben in der Unmittelbarkeit des Eindruckes der Wirklichkeit Jesu« (Althaus, aaO.␣ 69). 41 WA 40/I, 229, 15. Luther bestimmt den Glauben auch als das »medium, das zusamen kopelt me et Christum« (WA 49, 99, 10f.). 42 Cf. WA 36, 498, 31. 43 AaO.␣ 561, 33f. 44 Zur Bedeutung von Erfahrung beim Auferstehungsglauben überhaupt cf. Luther aaO.␣ 495f. 45 Für Lüdemann steht am Anfang das Kerygma (aaO.␣ 135, cf. 138 zu »Dogma«) als bloß ein solches (cf. 194), so daß eine davon isolierte »Verifikation« eingefordert werden kann. Der »zentrale Punkt« ist für Lüdemann daher die »Erfahrung« des Ausgesagten (aaO.␣ 194 u.␣ 202 mit 31). 46 Die Berufung Lüdemanns auf Kant ist nicht einschlägig (cf. 261 A.␣ 678). 47 Daß dies schon nicht einmal für das Wort »Gott« zutrifft, hat der englische Sprachphilosoph I. T. Ramsey gezeigt. »Gott« ist ein key-word, das seinerseits überhaupt bestimmte »Erfahrungen« erst möglich macht und insofern immer schon in ihnen präsent ist (cf. Religious Language. London 1957 (Paperback 1963), 51 u.␣ 59; ähnlich J. Hick, Religious Faith as Experiencing-As, in: G.N.A Vesey (ed.), Talk of God, London 1969, 20 –25). 48 Lüdemann, aaO.␣ 31.
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Auferstandenen als Erfahrungen mit dem lebendigen Gott (s.o. S.␣ 45f.) gar nicht Erfahrungen von Gott sein konnten49, ohne worthaft erschlossene und in ihrer Bedeutung gewußte Erfahrungen zu sein50. Mit diesen Einsichten ist natürlich überhaupt nicht die religiöse Wichtigkeit von (auch gegenwärtigen) Erfahrungen der Auferstehungswirklichkeit bestritten. Sie sind für den christlichen Glauben sogar unverzichtbar, insofern als allein solche Erfahrungen z.B. die Entlastung vom Identitätszwang des in␣ sich verkrümmten Subjektes (und seiner »Verständigkeit«) herbeiführen können – Erfahrungen, wie sie sich an glaubenden Menschen machen lassen, die dann zur lebendigen Anrede Gottes bzw. Christi an uns zu werden vermögen. Die universale Erfahrbarkeit der Realität von Ostern, so fragmentarische Spuren auch immer dem Einzelnen in seinem Glaubensleben zugänglich werden, ist überhaupt vorauszusetzen; sie sollte allerdings nicht mit pauschalen Generalisierungen verwechselt werden. Das gilt besonders in der Hinsicht, daß, wenn Auferstehung ein historisches Ereignis ist, sie dies nur so sein kann, daß auch heutige historische Erfahrungen unter dessen Einfluß stehen. Gegen eine falsche Unmittelbarkeit dabei und überhaupt im Verhältnis zum Auferstandenen steht aber die grundlegende Korrelation von Wort und Glaube ein. In dieser Korrelation ist mitgesetzt, daß schon der historische Ereignischarakter der Auferstehung als solcher immer vermittelt ist durch die Erinnerung des Glaubens, der das Ereignis identifiziert hat51. Die Unmöglichkeit solcher Unmittelbarkeit ist nun genau der Ort des Glaubens, der unter den Bedingungen des irdischen Lebens zugleich eschatologisch ausgerichtet ist. Im Wort hat er real präsent, was die Wahrheit der im Kommen begriffenen Wirklichkeit ausmacht: der Auferstandene »regiret durch das Wort, nicht ynn sichtlichem, offentlichen wesen, sondern ist gleich,
49 Lüdemann will freilich die Christuserlebnisse von Gotteserfahrungen abheben (aaO.␣ 36), was schon phänomenologisch falsch ist. Thomas spricht deren Einheit zu Ostern zu Recht aus ( Joh␣ 20,28). 50 Auch das Graß-Zitat bei Lüdemann (aaO.␣ 212 A.␣ 94) ist anders zu verstehen, als L. will. 51 Mit der Berufung darauf, daß Vergangenheit immer nur Vergangenheit für … (83) bzw. daß im historischen Erkennen Subjekt und Objekt untrennbar sind, will man nicht die Geschichtlichkeit zerstören (85, 86, 91), stellt R.R. Niebuhr fest: »daß die Auferstehungsüberlieferung überhaupt nicht zu irgendeiner Vergangenheit gehören könnte und damit überhaupt kein historisches Ereignis sein würde, wenn sie nicht durch die Kirche erkannt würde« (aaO.␣ 84) – natürlich durch die Kirche, die ihrerseits durch diese Erinnerung konstituiert ist! Wenn das stimmt, dann folgt daraus: »Es ist unmöglich, sich diesem Ereignis in einer anderen Weise als durch die Erinnerung der Kirche zu nähern« (aaO.␣ 87, cf. 91). Ein solches geschichtliches Verständnis des Ereignisses von Ostern spricht nicht nur gegen Barths »heilsgeschichtliche« bzw. »übergeschichtliche« Auffassung der Auferstehung (cf. aaO.␣ 75f., 78f., 85f.), sondern auch gegen die naive Annahme, ein »rein« historischer Zugang zu den kruden Fakten sei überhaupt möglich.
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wie man die Sonne siehet durch eine wolcken, da sihet man wol das liecht, aber die Sonne selbst sihet man nicht« (WA 36, 569, 19–22). Das Unterwegssein der Glaubenden – entsprechend dem Werdestand aller Dinge52 – kann jetzt nicht im Schauen sich erfüllen; nur der Glaube wird ihm gerecht (II Kor␣ 5,7)53. Freilich ist die zukünftige Schau der Doxa die Wahrheit und das Telos des Glaubens ( Joh␣ 17,24), der selber in aller Gebrochenheit schon einen Abglanz dieser Doxa an sich hat bzw. ein solcher ist54. Nur wie durch einen Spiegel (II Kor␣ 3,18) und in fragmentarischer Prolepse (I Kor␣ 13,12) ist im Glauben antizipiert, daß dieser Glaube dahin unterwegs ist, wo die Glaubenden mit dem Auferstandenen das lebendige Reich innehaben (Röm␣ 5,17b). c. Paulus hat Gal␣ 5,5 den engen Bezug des Glaubens, der pneumatisch ist und rechtfertigt, zur Hoffnung ausgesprochen (cf. I Kor␣ 13,13). Dem systematischen Verhältnis beider Begriffe ist abschließend in der Perspektive der Auferstehung in einigen Hinsichten nachzugehen. Weil der Glaube, von der Auferstehung her begründet und auf sie gerichtet, eschatologisch bestimmt ist, hat er eine Bezogenheit auf die Zukunft notwendig in sich, die mit der Auferweckung Jesu Christi von den Toten schon angebrochen ist. Darum streckt er sich nach vorne aus (Phil␣ 3,13b) und ist an sich selber (immer auch) Hoffnung: »das wir unser hertz richten auff ein ander leben und wesen, das noch nicht vorhanden ist und doch gewislich kommen sol«55. Man kann also sagen: als Hoffnung, die ihm selber innewohnt, übersteigt der Glaube sich in seinem Anfangen – eben in Richtung auf Vollendung dieses Anfangs. Er ist indes selber Antizipation dessen, worauf er sich zugleich hoffend richtet. Die Hoffnung ihrerseits muß Glaube sein, denn sie zielt auf das, was wir nicht sehen (Röm␣ 8,24f.; Hebr␣ 11,1), weil es im Kommen ist – aber das ist gerade das Ewige (II Kor␣ 4,18)56. Eben dies aber ist im Auferstandenen antizipiert und als sein Leben schon gegenwärtig; in diesem Sinne sind wir »auf Hoffnung gerettet« (Röm␣ 8,24a; Gal␣ 5,5), denn in Christus haben wir es – in spezifischem Sinn! – mit dem »Gott der Hoffnung« zu tun (Röm␣ 15,13). Und wie die an Christus, dem auferweckten Gekreuzigten, erschienene Doxa unsern Glauben und unsere
52 Barth beschreibt die eschatologische Situation der Glaubenden als durch Christi Kreuz und Auferstehung veränderte sehr schön so: »Sie sind … schon nicht mehr, was sie waren, [sind] schon, was sie sein werden« (KD IV/1, 349). 53 Zum Nicht-Sehen cf. auch I Petr␣ 1,8; Joh␣ 20,29 u. Röm␣ 8,24f. 54 Ebeling, aaO.␣ 357. 55 WA 36, 544, 34f. 56 Das »Unsichtbare« des NT darf daher nicht platonisch mißverstanden werden; es entspricht ihm wesentlich und notwendig Glaube (cf. I Joh␣ 3,2a!).
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Hoffnung freisetzt (I Petr␣ 1,21) – eine Hoffnung zu Gott! –, so ist diese Hoffnung des Glaubens »Hoffnung der Doxa Gottes« (Röm␣ 5,2b)57. Darum sammeln sich in dem Ausdruck »wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferweckung Jesu Christi von den Toten« (I Petr␣ 1, 3)58 alle wesentlichen Bezüge dieses Sachkomplexes. Die Hoffnung des Glaubens ist lebendig, weil sie sich auf den richtet, der ewig lebt und Christus an seinem Leben teilgegeben hat. Als Vorschein ewigen Lebens ist Hoffnung selber lebendig. Darin liegt nun zum einen, daß sie einen lebendig an ihr wirksamen Grund hat, der in ihr verborgen gegenwärtig ist: »sind jnn die hoffnung gesetzt, ja zum teil schon gefurt jnn das ewig reich«59. Gerade dies spannungsvolle Ausgestrecktsein auf das Zukünftige – als das, das schon da war – macht zum andern den Glauben so »überschwenglich reich an Hoffnung« – in kraft des hl. Geistes (Röm␣ 15,13). In kraft dieser Bezüge weiß sich der Glaube als Bewegung der Hoffnung eingelassen in Gottes lebendiges Handeln an der Welt – von Christi Auferweckung her und auf die Vollendung im Eschaton zu. Daraus gewinnt er die Schwungkraft seiner Zuversicht, »daß denen, die Gott lieben, alles zum Guten beiträgt« (Röm␣ 8,28), denn in seinem Sohn hat Gott ihnen alles schon geschenkt (V.␣ 31f.). Gerade als Hoffnung also ist der Glaube »Glaube der Wahrheit« (II Thess␣ 2,13b)60. Christlicher Glaube ist hoffendes schon Bestimmtsein, und christliche Hoffnung ist glaubendes noch Unterwegssein der Gemeinde durch das, was Gott als ihr endgültiges Ziel an der Welt durchzusetzen begonnen hat und im Begriff ist. Die Hoffnung ist bestimmt durch die Antizipation des Eschaton in der österlichen Parousie des Auferstandenen und der Glaube ausgerichtet auf seine endgültige Parousie als die eschatologische Wahrheit aller Wirklichkeit. Im Glauben, der eins mit der Hoffnung (und in der Liebe tätig: Gal␣ 5,6; I Kor␣ 13,13) ist, haben die Jünger Jesu Anteil am eschatologischen Handeln Gottes, das in der Welt als Werden zu sich wirklich ist. Die mit allem Gesagten gegebene Rückbindung der Hoffnung an den Auferstehungsglauben verhindert eine Verselbständigung und inhaltliche Ausmalung – etwa nach dem Beispiel apokalyptischer Szenarien vom Weltende61 – des Hoffnungszieles gegenüber dem Hoffnungsgrund in der Aufer57
I Petr␣ 1,21 werden Glaube und Hoffnung zu Auferweckung und Doxa in Beziehung gesetzt: so wie diese als ein Handeln Gottes an Christus zusammengehören, so jene als die eine eschatologische Existenz. 58 V.␣ 4 redet vom ewigen Leben! 59 WA 36, 610, 20f. 60 Zu ihm gehört die »Liebe der Wahrheit« (V.␣ 10). 61 So hat seinerzeit schon M. Heidegger zu recht und unter eindringlichem Hinweis auf den ursprünglichen »Vollzugszusammenhang« des christlichen Lebens darauf hingewiesen, »daß das Eschatologische niemals primär Vorstellung ist« (Einleitung in die Phänomenologie der Religion (1920/21), 3. Kap.: Phänomenologische Explikation des ersten Briefes an die Thessalonicher; §␣ 26: Die Erwartung der Parousie; in:␣ Gesamtausgabe II. Abt., 60. Bd. (1995), 11). Mit Bezug auf das eschatologische
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weckung Jesu Christi (und darüber hinausschießend). Daß die Parousie am Ende der Tage62 seine Parousie, d.h. die des zu Ostern schon Erschienenen, und daß eschatologisch beides nur ein Geschehen ist, das sichert die Unüberholbarkeit des Glaubens (durch eine hypostasierte Hoffnung) und hält den Glauben in dieser ihm eigentümlichen »Zeitlichkeit«63 seines Unterwegsseins zwischen Schon und Noch-nicht64. Der Glaube ist von der Gegenwart des kommenden Gottes bestimmt und hat seinen Grund im göttlichen Handeln an dem toten Jesus bei der Auferweckung. Die ihm innewohnende Hoffnung ist an dem eigentlichen Ziel dieses göttlichen Handelns orientiert und so von der zukünftigen Vollendung eben dies selben göttlichen Handelns für die Welt bestimmt. Weil jener Grund nur das sich vorlaufende Ziel von Gottes Handeln an der Wirklichkeit ist und das ewige Ziel der eigentliche Grund jener Begründung des Glaubens, bildet das zweieinige Verhältnis von Glaube und Hoffnung eben die Lebendigkeit des Werdens zu sich ab, in das beide zugleich eingelassen sind. Es ist mehrfach erörtert worden, wie in diesem Zusammenhang der Gedanke der Ewigkeit und des Seins des lebendigen Gottes zu denken sind65. Hier war der Begriff des christlichen und so spezifisch mit Hoffnung verbundenen Glaubens dazu in Beziehung zu setzen. Dabei hat sich vom neutestamentlichen Hoffnungssinn des Glaubens her bestätigt, was von dem systematischen Begriff des Handelns Gottes als ewig Lebendiger vorgezeich-
ünamfinein␣ (I Thess␣ 1,10) sagt Heidegger daher: »das »Erharren« ist kein vorstellungsmäßiges »Erwarten«, sondern ein doule‚ein jeù « (aaO.␣ 112; cf. I Thess␣ 1,9 u. Eph␣ 2,12!). 62 Wiederum bei Heidegger ist zu lernen, daß der spezifisch christliche Sinn von Parousie (als »das Wiedererscheinen des schon erschienenen Messias«) mit diesem Begriff eine gänzlich neue und durch religionsgeschichtliche Vergleiche nicht nivellierbare Struktur verbindet: »Man könnte zunächst denken: das Grundverhalten zur parous‡a ist ein Erwarten und die christliche Hoffnung (†lp‡“) ein spezieller Fall davon. Aber das ist ganz falsch! Wir kommen niemals durch die bloße Analyse des Bewußtseins von einem zukünftigen Ereignis auf den Bezugssinn der parous‡a. Die Struktur der christlichen Hoffnung, die in Wahrheit der Bezugssinn zur Parousie ist, ist radikal anders als alle Erwartung. … Das »Wann« ist schon nicht ursprünglich gefaßt, sofern es im Sinn einer einstellungsmäßigen »objektiven« Zeit gefaßt wird« (aaO.␣ 102; cf. auch 151). 63 »Aus jenem Vollzugszusammenhang mit Gott erwächst erst so etwas wie Zeitlichkeit« (Heidegger, aaO.␣ 114; s.u. Anm.␣ 66). 64 »Dem Christen darf entscheidend nur sein tÖ nún des Vollzugszusammenhanges, in dem er eigentlich steht, nicht aber die Erwartung eines als zukünftig in der Zeitlichkeit stehenden abgehobenen Ereignisses« (aaO.␣ 114). 65 Auch Heidegger hält an einem Zusammenhang dieser Begriffe mit der Zeitlichkeit des Glaubens fest: »Der Sinn der Zeitlichkeit bestimmt sich aus dem Grundverhältnis zu Gott, so allerdings, daß die Ewigkeit nur versteht, wer die Zeitlichkeit vollzugmäßig lebt … Erst aus diesen Vollzugszusammenhängen kann der Sinn des Seins Gottes bestimmt werden« (aaO.␣ 117).
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net war: daß der christliche Glaube eine Weise ist, die Zeitlichkeit als solche zu leben66. Daher ist der christliche Glaube – wie sein Name bereits zu denken gibt – in der Zeit entstanden und (historisch) begründet. Er lebt ganz in der Zeitlichkeit, sowohl aus ihr her als auch auf ihre Zukunft zu, und dies gerade darum, weil mit der Auferweckung Jesu Christi von den Toten im Handeln Gottes das ewige Leben in unser Leben gekommen ist und es von da an mit sich trägt – der Vollendung entgegen.
66 Dies ist Heideggers Grundeinsicht (aaO.␣ 80. 82, 104, 116 u.ö.), die in den vorausstehenden Anmerkungen 61–65 an ihrer paulinischen Ausprägung konkretisiert wird (cf. bes. Anm.␣ 63).
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Exkurs
Die Metapher »Auferwecken« Der für uns gestorben ist, damit, ob wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben. I Thess␣ 5,10
In der Literatur zur Auferstehung wird gelegentlich die Auffassung vertreten, die Rede von der Auferweckung Jesu nehme die Metaphorik von »Aufwekken« in Anspruch1. Es ist kurz zu untersuchen, wie es sich sprachlich mit diesen Bezügen verhält (a) und inwiefern die Metaphorik des »Aufweckens« hier stimmig ist, obwohl der Gekreuzigte doch tot war und nicht schlief, oder, anders formuliert, ob es Analogien zwischen Schlaf und Tod gibt derart, daß die Metaphorik des Weckens auch sachlich für die Auferstehung einschlägig ist (b). a. Bekanntlich bevorzugt das NT für den Sachverhalt das Verb †ge‡rein (bzw. †ge‡resjai, daneben auch ün‡sthmi)2; vielleicht um damit eine »konkrete Vorstellung vom Handeln Gottes« zum Ausdruck zu bringen3. Das Wort †ge‡rw4 kann in den verschiedenen Bedeutungen von »aufwecken« (vom Schlaf: Mt␣ 8,25; vom Tode: Mt␣ 10,8), »aufrichten«5, »sich erheben, aufstehen«6, (Tote) »auferwecken« ( Joh␣ 12,1, bzw. »erwecken«: 12, 9) bis hin zu »vom Tode auferstehen« (Mt␣ 17,9) spielen7. 1
So sagt z.B. Pannenberg, die Rede von der Auferstehung Jesu sei Metapher, weil das Wort »auferwecken« das Bild des Erwachens aus dem Schlaf nahelege (STh II, 387, cf. 388 und Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 70 u.␣ 189). Andererseits sei aber der Begriff »Leben« in gar keinem Falle (weder »vor« noch »nach« dem Tode) als Metapher zu verstehen (aaO.␣ 388). Dalferth spricht sogar vom »Bild«-Charakter der Rede vom Auferwecken/Aufwachen/Aufstehen als »Modell« oder »Denkfigur« für das Handeln Gottes insbesondere am gekreuzigten Jesus (cf. aaO.␣ 74f.). 2 Statt ≤gersi“ (Mt␣ 27,53 und Kerygma Petri bei Clem. Alex., Strom. VI, 15, 128) aber ün›stasi“␣ (Mt␣ 22,13.31). 3 Oepke, ThWbNT II, 334, 19f. 4 Cf. Art. †ge‡rw, ≤gersi“ … in: ThWbNT II, 332ff. (Oepke). 5 In dieser und nicht in der ersten Bedeutung will Oepke den Anhaltspunkt für die Rede von Auferstehung sehen (aaO.␣ 333, 14)! Sie kann auch soviel wie »gesund machen« meinen (cf. Jak␣ 5,15). 6 ≤gersi“␣ heißt Sich-Aufrichten, Aufstehen in Ps␣ 138,2 (LXX) und bei Empedokles (personifiziert) das »Erwachen« (frg. 123, Diels-Kranz I, 361, 13). 7 Bemerkenswert ist, daß das Kompositum †xege‡rw␣ – an sich nicht vom Simplex
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Was die einschlägigen deutschen Wörter angeht, bestehen tatsächlich ähnliche sprachliche Beziehungen wie zwischen den schon im Griechischen sich überlagernden Bedeutungsfeldern. So hat das Wort »wachen« als Durativbildung zu »erwachen« zu gelten, wozu kausativ »wecken« gehört8. Die präfigierten Bildungen wie »auferwachen« (als verstärktes Aufwachen) bzw. »erwecken«, »auferwecken« (als verstärktes Aufwecken) werden in Bezug auf vorausgehenden Schlaf oder – wohl zumeist biblisch beeinflußt – Tod (oder auch Ohnmacht) gebraucht. Übertragene Verwendungen sind für fast jeden Fall literarisch bezeugt, und allgemein verbreitet ist die metaphorische Rede vom Erwachen des Tages, der Natur, eines Gefühles u.ä. Religiös einschlägig ist die Rede von »Erweckung«, nämlich zu einem Leben in Gott. Das Wort »erstehen« ist früher mit aufstehen gleichbedeutend gewesen9; sonst bedeutet es soviel wie: bestehen, durchstehen, überstehen10; »auferstehen« (als verstärktes Aufstehen) kommt religiös, aber auch in freier Übertragung vor11. b. Eine theologische Einschätzung dieses Bedeutungsspielraums, der hier in knappestem Umriß angedeutet wurde, sowie das Recht der Rede vom metaphorischen Sinn der Auferstehungsterminologie kann sich aber erst ergeben, wenn man den sachlichen Beziehungen zwischen Schlaf, Tod und Aufwecken nachzugehen versucht. Bekanntlich hat die Antike euphemistisch den Tod als Schlaf bezeichnet12. Im Neuen Testament korrespondiert der Rede vom Gestorbensein als Schlabedeutungsvariant – im Profangriechischen schon »vom Tode auferwecken« oder »auferstehen« heißen kann und in dieser Bedeutung auch bei Paulus vorkommt (I Kor␣ 6, 14), der es zugleich auch in der Bedeutung »ins Dasein rufen« verwendet (Röm␣ 9,17); cf. hierzu Oepke, aaO.␣ 336f. 8 Genaueres bei Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (198922), 771 und 780. Möglich ist auch ein Zusammenhang der zugrundeliegenden germ. Wurzel mit »lebenskräftig sein« (cf. »wacker«␣ =␣ wachsam, aaO.␣ 772, und »aufgeweckt«). 9 Cf. mhd. urstende␣ =␣ Auferstehung. 10 Cf. Kluge, aaO.␣ 187. 11 Eine besondere Verwendung von »aufstehen lassen« findet sich bei Luther, I␣ Sam 22,8; cf. ähnlich »erwecken« (II Kö␣ 11,23) u.ö. 12 Nachweise in den Art. kaje‚dw,␣ in: ThWbNT III, 434ff. (Oepke), bes. 436, 15ff. (AT: 438, 25; NT 439, 42ff.) und æpno“, aaO. VIII, 545ff. (Balz), bes. 547, 48ff. Ich verzichte auf eine kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Thesen; cf. im übrigen im Register s.v. »Schlaf und Tod« (aaO., X/1, 323). Auch im Deutschen wird der Ausdruck »entschlafen« für sterben gebraucht (»im Herrn entschlafen«). Ursprünglich »zu schlafen beginnen« meinend (cf. »entschlummern« u. überhaupt Kluge, aaO.␣ 179), klingt im Wort »ent-schlafen« die eigentliche Bedeutung der Vorsilbe – sie entspricht der Trennung von etwas: »weg (von) …« – stark mit. Was zunächst heißt: sich vom Leben trennen (ihm weg-sterben), könnte man christlich so akzentuieren: diesem Leben entgehen (ihm entschlafen) und in das Gottes hinein übergehen (weil zu ihm erwachen).
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fen die vom (wieder) Erwecktwerden (cf. Mt␣ 27,52; Act␣ 13,36f.; II Petr␣ 3,4). Insbesondere aber der Apostel Paulus scheint vom Tod als Schlaf spezifisch nur im Blick auf die Christen zu reden (I Kor␣ 15,6. 18. 20. 51; cf.␣ 7,39 (?) u.␣ 11, 30 sowie I Thess␣ 4,13ff.!), und dies wegen der Auferweckung Christi (I Kor␣ 15,20)13. Daß und insofern für Gott der Tod nur ein Schlaf ist (cf. Joh␣ 11,11. 13 u.␣ 4), wie er in der Auferweckung Jesu durch Taterweis gezeigt hat, das entmächtigt auch den Tod der Christen (nach der Auferstehung Christi) zu einem bloßen Schlaf14. Denn jetzt gehören irdisches Leben und Sterben in eins zusammen gegenüber dem neuen Leben, das wahres Leben aus Gott ist und zu dem im »Heute« der Auferstehung Alle aus dem alten Äon erwachen sollen (Röm␣ 13,11a). Jetzt ist das Heil näher gekommen (V.␣ 11b u.␣ 12b), demgegenüber das irdische Leben bloße »Nacht« ist (V.␣ 12a). Dieses »Erwachen« besteht in nichts anderem als darin, »den Herrn Jesus Christus«, d.h. den Auferweckten, »anzuziehen« (V.␣ 14), was schon das wahre Leben ist. Demgegenüber sind als solche weder das uns bekannte »Leben« – in Gottes Sicht wie Schlaf! – noch das Sterben selber wirkliches Wachsein bzw. wirkliche Teilhabe an der wahren Wirklichkeit15. »Vom Schlaf aufwachen« und »von den Toten auferstehen« ist insofern dasselbe, als es heißt, ins Licht des wahren Tages einzutreten (Eph␣ 5,14!)16. Von hier aus formuliere ich die systematische These: Der Tod ist der eschatologische Bruder des Schlafs. Unser irdischer Schlaf (als »Bruder des Todes«, Il. 14, 231) ist ein empirisches Gleichnis dafür, daß der Tod, eschatologisch verstanden, nur Schlaf ist. Eschatologisch verstanden besagt, daß nur von Gottes schöpferischem Han13
So Rengstorf, aaO.␣ 128; cf. 129. Cf. Luthers Auslegung von Ps␣ 3,6 (WA 5, 88– 90) und bes. 89, 34f. vom überwundenen Tode: ut in qua, sicut in dulci quiete somni, nobis indubitata et melior exurrectio et vigilia promittatur. Im Choral »Mit Fried und Freud fahr ich dahin« heißt es: »der tod ist meyn schlaff worden« (WA 35, 439, 2). 14 So auch Luther zu I Kor␣ 15,20; WA 36, 547, 22–33! Weil der Tod in einen Durchgang zum Leben verwandelt ist, tritt – im Anschluß an I Kor␣ 15,36ff. (cf. Gal␣ 6,8) – eine neue göttliche Sprache in Kraft: die eschatologische Metaphorik des »Säens« (WA 36, 643, 29ff. u.␣ 655, 28–30); cf. auch o. Kap.␣ 5 A.␣ 27. Der lutherische Dichter F.G. Klopstock hat von ihr ausgiebig Gebrauch gemacht, cf. z.B. das bekannte »Saat, von Gott gesät, dem Tage der Garben zu reifen!« (Der Messias, XI 845 cf. Il. 11, 67– 71). 15 Und nur, weil wir es jetzt dafür halten, werden wir »dann« – von hier aus gesehen – »sein wie die Träumenden« (Ps␣ 126,1); cf. Eph␣ 5,14 u. I Thess␣ 5,10! Für I Thess␣ 5,7a gilt: das Schlafen definiert »Nacht«! 16 Nicht nur wach zu sein, sondern faktisch schlafen zu müssen, kennzeichnet das irdische Leben des Menschen als Geschöpf: »Nun ist gewiß der rhythmische Wechsel von Tag und Nacht und der auf das engste damit verknüpfte Rhythmus von Einschlafen und Aufwachen ein alles durchdringender Zug im Bild unseres Erdendaseins, so daß ihn wegzulassen, einer Zerstörung dieses Bildes gleichkäme …, und es gehört zum Phänomen des Schlafes, daß er uns immer nur gleichsam von rückwärts her und wie aus verborgenen Gründen befällt« ( J. König, aaO., wie u. Anm.␣ 18, 191f.); s.u. Anm.␣ 21.
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deln her der Tod in Analogie zum Schlaf gesehen werden kann. Dann aber ist die Rede vom Tod als Schlaf und der Vergleich beider in Bezug auf das »Auf(er)wecken« keine vage Metapher oder gar eine Äquivokation, sondern gründet in der Metabasis (I Joh␣ 3,14), die das Eschaton mit der Zeit vorgenommen hat17. Theologisch ist zu fragen: was ist das Leben, wenn der Tod für Gott nur – Schlaf ist?! Jedenfalls wird der strikte Unterschied, der an sich zwischen dem Phänomen des Weckens und der Totenerweckung empirisch besteht, eschatologisch relativiert18. Und eschatologisch ist die Metapher des Aufweckens mehr als eine bloße Metapher. Gleichwohl finden sich wesentliche Merkmale des Aufweckens auch bei der Auferweckung wieder, wie nun gezeigt werden soll. c. Vom Aufwecken gilt: »Durch das Erwachen und also durch ein Anderes, das zu ihm hinzukommt, wird das Wecken erst, was es ist … Die Bewegung des Weckens dringt von außen auf den Schlafenden ein und ist insofern von ihm unabhängig; doch aber ist sie eine Welle, die getragen zu werden verlangt von der entgegengesetzt gerichteten Bewegung des Erwachens zum Weckenden, denn wesentlich erwachen wir zum Licht, zum Geräusch und überhaupt zum Anstoß«19. Entsprechend muß man von Jesu Erwecktsein vom Tode sagen: weil es ein Auferwecktsein zu seiner Wahrheit aus Gott und bei Gott ist20, der selber Licht und reine Wahrheit ist (Ps␣ 121,3f.)21, ist er in Wahrheit wach und ist es absolutes Wachsein und hat seine Wirklichkeit und Wahrheit nur im wesentlichen und dauernden Wissen um die ihn erweckende Macht Gottes. Jesu Christi Erwecktsein ist in strenger Identität Wissen von Gottes ihn er17
S.o. Kap.␣ 6.3. S.␣ 159f. Diesen Unterschied arbeitet der Philosoph J. König, der den interessanten logischen Bezügen zwischen Wecken und Wachsein subtil nachgeht, zunächst deutlich heraus: »nur einen Schlafenden können wir wecken; und nur wer erwachen kann, schläft« und »Der Schlafende schläft nur, d.h. er ist nicht tot; das Wecken weckt nur; d.h. es macht nur wach, es macht nicht einen Toten lebendig …« (in: Sein und Denken, 19692 , 24 u.␣ 45f.). Trotz dieser klaren Differenz können wir uns Königs Ausführungen über das Wecken (aaO. §␣ 9 u.␣ 38, 4.) zur analogen Verdeutlichung nutzbar machen. 19 König, aaO.␣ 25. Dies Erwachen als Wirkung eines Gewecktwerdens ist wesentlich verschieden von einem Von-selbst-Erwachen (aaO.␣ 41 u.␣ 42), denn beim Erwachen unter einem Anstoß gilt: »Wir wissen dann eigens um das Erwachen und um das, was uns geweckt hat. Wir erwachen dann wesentlich zum Anstoß, zum Licht, zum Ruf« (aaO.␣ 42, 44). Von diesem Ruf (kaleõn, Röm␣ 4,17) lebt der auferweckte Christus ausschließlich als vom schöpferischen Worte Gottes (Mt␣ 4,4). 20 S.o. Kap.␣ 5.3., S.␣ 140f. Umgekehrt kann Luther von Gott (in veralteter Redeweise) einmal sagen: »wird er aufwachen zu dir« (Hiob␣ 8,6). 21 So spricht König von der Wahrheit, »daß Wachheit an und für sich auf sich selbst steht. Zur Idee des Wachseins gehört nicht die des Schlafs … Hingegen vom Standpunkt des Wachseins aus ist auch, daß es überhaupt Schlaf gibt, bloß Faktum« (aaO.␣ 192, s.o. Anm.␣ 16). 18
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weckt Haben bzw. ihn Erwecken22. Seine neue Existenz als Auferstandener ist (wissendes) Leben in und aus der konstitutiven Verbindung zu Gott und in unlösbarer Abhängigkeit von diesem göttlichen Handeln an ihm23. Damit ist, wie gesagt, das Auferstehungsleben nur die potenzierte Wiederholung24 von Jesu irdischem Verhältnis zu seinem himmlischen Vater bzw. dessen eschatologische Vollendung. Man darf also in eschatologisch interpretierter Metaphorik sagen: Christi Auferwecktsein ist sein Erwachtsein zu sich selbst als aus und von Gott Lebendem. Denn alles wirkliche Aufwachen ist ein »zu sich selbst erwachen«25, d.h. ein zu sich selber Gebrachtwerden, in dem allererst die Entfremdung von sich, die im Schlaf liegt, für den ist, der sich jetzt als einen weiß, der in ihr (ihm) befangen gewesen ist. Derart ist Christi Wissen um seinen Tod als hinter ihm liegend zu verstehen26. So wie man erst beim Aufwachen weiß, daß man (nur) geschlafen hat, bzw. weiß, daß, was hinter einem liegt, Nacht war, die uneigentliche Realität für das Ich, während man jetzt in der wahren Wirklichkeit, dem Licht des Tages ist, ebenso ist auch für den Auferweckten sein vorheriges Nicht-beisich-Sein (das Totsein war) Schlaf, und zwar nur Schlaf, d.h. das, was dem Erwachen vorausgeht. So wird für alle Auferweckten der Tod erst am Ende nur Schlaf gewesen sein. Was diesseits der Todesgrenze endgültiger Abbruch vom Nichts her ist, ist jenseits ihrer (von Gott her) ein bloßes Vor- und Übergangsstadium, »wie eine Nachtwache … wie ein Schlaf« (cf. Ps␣ 90,4 u.␣ 5). Noch einmal: daß der Tod zum (bloßen) Schlaf geworden ist, ist Ausdruck von Gottes Zuwendung zum toten Jesus. So hat der lebendige Gott den Tod entmächtigt. Auch für das Erwachen schon – als ein Aufwachen zu sich selber – trifft zu, was für die Auferweckung ungleich radikaler gilt: daß sie Kontinuität (des Ich) stiftet über völlige Diskontinuität hinweg. Daß das Ich sich jeden Morgen neu als es selber und in Identität mit sich über das Dunkel passiv widerfahrener Nichtidentität hinweg wiederfindet27, das ist nicht nur ein Phänomen von besonderer philosophischer Bedeutung28. Sondern es ist wie ein 22 Cf. König: »daß wir um das Erwachen nur von diesem Weckenden her wissen« (aaO.␣ 44). 23 Cf. die entsprechende Erwägung Königs (vom Licht des Tages): »Wie muß es heißen? wach hält? fortfährt uns wach zu halten? fortfährt uns zu wecken? Ist das Wachhalten sozusagen die Fortsetzung des Weckens?« (aaO.␣ 50 A.␣ 1). Theologisch muß man dies als »Leben im Geist« ansprechen. 24 Potenziert, insofern unter Überwindung der Nacht äußerster Gottverlassenheit! 25 H. Lipps, Die menschliche Natur (1941), 46. 26 Nach König wissen wir von dem Schlaf »nur von eben diesem Wecken und Weckenden her« (aaO.␣ 44). 27 Augustin bemerkt: tantum interest inter me ipsum et me ipsum intra momentum, quo hinc ad soporem retranseo vel huc inde retranseo (Conf. X, 30, 41). 28 Darauf hat in seinen Überlegungen zum Aufwachen eindrücklich O.F. Bollnow
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Vorschein jener schöpferischen Identifizierung, aus der Gott den Toten neu er selbst als Lebendigen sein läßt29. Unter solchen Aspekten lassen sich Auferstehen und Aufwachen, Tod und Schlaf analog in Beziehung setzen. Von ihrer eschatologischen Verwirklichung her ist die einschlägige Metaphorik gerechtfertigt, aber zugleich als bloße Metaphorik überholt30. Das Zitat, das diesen kurzen Exkurs beschliessen soll, redet denn auch nicht eigentlich metaphorisch, sondern, wie die biblischen Anklänge zeigen, eher typologisch. Hamann bezieht Sterben, Aufwachen und Auferstehen in kunstvoller Verschränkung folgendermaßen aufeinander: »Ein sterbender Mensch ist dem von Rausch aufwachenden Noah gleich … Glücklich derjenige, der eine Decke bey diesem Aufwachen um sich findt, die ihn einer ewigen Schaam und Schande entzieht …«31. Es ist nur konsequent, wenn unter diesen Bedingungen auch der Glaube als etwas verstanden wird, zu dem man nur »erweckt« werden kann32.
hingewiesen: »daß man den Wechsel zwischen Wachen und Schlafen nicht so auffassen kann, als ob ein in seinem Wesen gleichbleibendes Ich sich im Wachen und im Schlafen durchhält oder daß die Stetigkeit der erlebten Zeit jede Nacht nur durch den Schlaf unterbrochen wird und morgens dann einfach wieder da anknüpft, wo sie am Abend durch den Schlaf unterbrochen war. Das Ich selber verwandelt sich vielmehr in diesen Vorgängen, und mit ihm zugleich die umgebende Welt. Der Mensch taucht jeden Abend in eine größere Tiefe ein, in der sich sein bewußtes Ich … auflöst, und jeden Morgen baut sich dieses Ich … neu wieder auf« (Mensch und Raum, 1963, 175). Bollnow zieht diesen notwendigen Schluß aus ganz alltäglichen Erfahrungen, die in feinen phänomenologischen Beschreibungen analysiert werden (Proust, von Dürckheim, cf. aaO.␣ 176–183). Die hier gemachten Andeutungen wären weiterzudenken anhand von E. Lévinas, Vom Bewußtsein zur Wachheit, in: Ders., Wenn Gott ins Denken einfällt, Freiburg /München 1985 (Alber), 44–78 (bes. 59ff. u.␣ 72ff.). Lévinas ist um »das immer von neuem beginnende Erwachen in der Wachheit selbst« (60) bemüht, um zu einem lebensbezogenen, vertieften Vernunftbegriff zu gelangen, der den Bezug auf den Anderen (und Gott) einschließt (cf. 64f. u.ö.). 29 Als solch ein vestigium resurrectionis gilt schon für den I Clem jeder neue Tag (24, 3) – ebenso wie das Aufsprießen der Pflanze aus dem vergehenden Samenkorn (24, 4f; cf. ähnlich Paulus I Kor␣ 15,35ff. u. M. Luther, s.o. Anm.␣ 14 u. Kap.␣ 5.1., S.␣ 122 bei Anm.␣ 26). 30 Das in der vorigen Anm. Nachgewiesene zieht geradezu umgekehrt die empirischen Sachverhalte als bloße Metaphern des Eschaton an! Cf. im übrigen meine Studie »Luther zur Metapher«, in ZThK 94 (1997), 336–369. 31 Werke (Nadler), Bd. I, 318, 27–31; cf. mit Gen␣ 9,24 u.␣ 23 und II Kor␣ 5,2–4! 32 KD IV/1, 369 u.␣ 373 und Härle, Dogmatik (1995), 70; cf. o. im Text den Hinweis auf die Rede von »Erweckung«. In diesem Sinne lassen sich Parallelen zur Auferweckung sowohl in der Bekehrung (Lk␣ 15,24 u.␣ 32; Joh␣ 5,25) wie in der Taufe sehen (Kol␣ 2,13; Eph␣ 2,5f. u.␣ 5,14).
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Bibelstellen (in Auswahl) Mk 12,18–27 Mt 6,13 22,23–33 28,20 Lk 20,27–39 20,38b 24,13ff. 24,32 24,34 (ontos) Joh 5,26 11,25 14,6 16,21 20,28 Act 1 13,33 (Ps 2,7) Röm 1,4 1,16f. 4,17 6,13 (aus den Toten)
8,31ff. 11ff. 14,9 (Lebende u. Tote) 180ff. 11ff., 47, 49, 90, 176, 178, 197 63, 65, 66, 82, 87, 101, 144, 146, 178 11ff., 38 17ff., 23, 39, 54, 140, 168 133f. 104, 131, 133 2, 9, 79, 86, 88, 99, 109, 137 19, 50, 52, 60, 65, 82, 108, 118, 122, 129, 146, 151ff., 167, 168, 181 15, 18, 39, 51, 123, 154, 155, 159 39, 144, 151, 154, 167 31, 122, 162 39, 48, 53, 56, 61, 125, 140, 147, 148, 173, 192 142f. 87, 91, 129, 144, 145, 156
I Kor 2,9 7,31 (schema) 15 15,28 (alles) 15,43 15,53 15,54 (verschlungen) II Kor 3,18 4,6 5,17 Gal 2,20 Kol 3,3
46, 47, 96 31, 32, 110, 150 38f., 43f., 59, 88, 100 20, 43, 46, 64, 67, 116, 119, 123, 125, 148, 180, 182 12, 13, 114, 116, 162, 175, 179 107, 112, 114, 116, 135, 162 45, 116, 158, 163, 174, 176, 187 30, 41, 86, 115, 150, 175, 180, 193 61, 102, 121, 175 40, 73, 79, 108, 122, 159, 184, 187 20, 31, 40, 94, 150, 155, 187 41, 108, 150
Hebr 7,16
46, 128, 139, 144, 146, 156, 162, 170, 178 32, 46, 116, 139, 179 45, 46, 49, 50, 53, 61, 68, 119ff., 150, 155, 165, 168, 200 33, 150, 161
144, 145f., 147, 160, 173f., 176, 194 16, 20, 29, 32, 35, 39, 147
51, 129f., 156, 178 109, 112, 169, 178, 181, 182
I Joh 3,2a 41, 58, 193 3,14 (metabasis) 157, 159f., 161, 200 Offb 1,18
160f.
218
Namen Albertz, M. 70 Althaus, P. 1, 20f., 45, 57, 63f., 71, 73, 81, 86, 100f., 107, 110, 111, 112, 113, 127, 133, 135, 140, 145, 146, 147, 148, 156, 161, 188ff. Anselm von Canterbury 152 Aristoteles 2, 30f., 32 Asendorf, U. 172 Augustin 47, 50, 52, 58, 77, 134, 151f., 153f., 156, 201
Celan, P. 61 Cusanus 52
Bach, J.S. 125, 148 Balz, H. 198 Barth, K. 1, 7, 17, 28, 34, 37f., 39, 46, 48, 49, 51, 52f., 58, 60, 62, 69, 76, 77, 87, 88, 90, 95, 96, 107, 109, 112, 119, 124, 127, 135, 138, 140, 149, 166, 192f., 202 Bartsch, H.W. 34 Baur, J. 5, 168 Becker, J. 43, 49 Bembo (Kardinal) 1 Bengel, J.A. 18, 20, 46 Benjamin, W. 35, 144 Bergson, H. 117 Bertram, G. 180 Betz, H.D. 71, 77, 131 Beutel, A. 51 Bloch, E. 30, 47, 66, 96, 117, 119, 123, 158 Blumenberg, H. 57 Boethius 182 Bollnow, O.F. 201 Borsche, T. 76 Braun, H. 22 Brunner, E. 157 Brunstäd, F. 161 Büchsel, F. 153, 156 Bultmann, R. 3, 22, 25, 40, 43, 48, 75, 137, 139, 150, 178, 184, 186
Ebeling, G. 41, 46, 49, 60, 63, 71, 73f., 75, 79, 81, 86f., 94, 109, 111, 112, 114, 131, 138, 156, 157, 159f., 163, 165f., 167, 171, 188, 193 Empedokles 197 Epikur 158
Calvin, J. 119, 187 v. Campenhausen, H. 106
Dalferth, I.U. 3, 29, 38, 43, 44f., 48, 52, 53, 54, 56, 61, 83, 88, 108, 112, 118f., 122, 130, 136f., 140, 147, 154, 163, 165, 166f., 168, 170f., 173ff., 197 Dibelius, M. 72 Dodd, C.H. 63 Dorner, I.A. 85, 122, 152
Fischer, H. 169 Fuchs, E. 132 Gerhardt, P. 124 Gerlach, St. 168 Geyer, H.-G. 167 Gnilka, J. 22 Gogarten, F. 49, 126 Goppelt, L. 59, 89, 144f., 165 Grässer, E. 156 Graß, H. 36, 42, 48, 58f., 62, 68f., 72, 73, 75, 83f., 86, 91, 93, 96, 97ff., 110f., 115, 134, 145, 150 Gregor v. Nyssa 37 Grünewald, M. 142 Grundmann, W. 22, 162, 177f., 179f. Haenchen, E. 22, 156 Härle, W. 3, 63, 202 Hamann, J.G. 52, 61, 160, 202 Hanse, H. 155 v. Hase, K. 106 Hegel, G.W.F. 17, 164f., 183, 184 Hegermann, H. 156 Heidegger, M. 194ff.
Namen Heim, K. 29, 38, 87, 114, 122, 186 Hengel, M. 7, 76 Herder, J.G. 1, 90 Herrmann, W. 190 Hick, J. 191 Hilarius 156 Hirsch, E. 40, 43, 85f., 89, 93f., 103, 131ff., 135, 165, 186, 188 Hoffmann, P. 34, 49, 103 Holl, K. 100 Horn, (P.) 97 v. Humboldt, W. 76 Ihmels, L. 30, 49, 71, 97, 106, 110 Jeremias, J. 23, 59, 68, 101 Joest, W. 32, 41, 57, 77, 78, 132, 137, 141 Jüngel, E. 45, 88, 120, 125, 161, 175 Jung, C.G. 112 Justinus (Mart.) 13, 45 Kähler, M. 75, 131, 139 Kant, J. 191 Kasch, W. 180 Kierkegaard, S. 68, 77, 141 Kittel, H. 1, 71, 83, 111, 115, 165, 176f., 178ff. Klopstock, F.G. 56, 72, 74, 122, 199 Kluge, F. 198 Koch, G. 1, 29, 30, 33, 53, 60f., 62f., 64f., 66, 70, 74, 91, 112, 131, 145, 149, 169, 185 König, J. 69, 199ff. Körtner, U.H.J. 3, 48 Korff, Th. 89, 93, 107 Künneth, W. 1, 28, 34, 36, 45, 54, 55, 61, 64, 72f., 84f., 86, 91, 111, 112, 113, 115 119, 123, 126f., 128, 136, 145, 147, 149, 172, 178, 190 Lessing, G.E. 6f., 11 Lévinas, E. 202 Lindemann, A. 106 Lipps, H. 201 v. Lohenstein, D.C. 161 Lohmeyer, E. 23, 26, 179 Loisy, A. 136 Lüdemann, G. 3, 4, 34, 37, 47, 48, 49, 53, 55f., 59, 63, 64f., 68, 69, 71, 73f., 77, 89, 93, 94, 96, 102f., 106f., 108, 111, 112, 131f., 134, 144, 146, 185, 188, 191f.
219
Luther, M. 1, 2, 6, 13, 14, 16, 18, 19, 20, 28, 29, 30f., 33f., 36f., 38, 39, 40f., 42, 44, 47, 50f., 52, 53, 61, 64, 65, 66f., 71, 72f., 74, 81, 83, 85, 88, 110, 111, 112f., 114, 116, 118, 121, 122f., 125f., 131, 139, 143, 145, 149, 155, 157ff., 161f., 164, 176, 179, 181f., 185f., 188, 191, 192f., 194, 198f., 200, 202 Marheineke, Ph.K. 29, 48, 141 Martensen, H.L. 36 Marxen, W. 96, 132, 186 Meyer, R. 23 Michel, O. 156 Mildenberger, F. 63, 109, 113, 169. Moltmann, J. 32, 44, 70, 75, 84f., 87, 117, 127, 147, 160, 187 Mühlhaupt, E. 161 Niebuhr, R.R. 1, 2f., 5, 36, 48, 54, 55, 57, 69, 70, 75f., 77, 79, 91, 95, 105, 117, 118, 121, 133f., 138, 172, 184f., 192 Oepke, A. 197f. Oetinger, F.Ch. 122 Onuki, T. 157 Origenes 156 Pannenberg, W. 25, 32, 34, 38, 53, 56, 58f.,60, 63, 73, 75, 82f., 84, 86, 87, 89, 96, 103, 106, 112f., 115, 127, 128f., 130f., 137, 141, 143, 148f., 169, 197 Paulus 1, 11, 12, 30f., 39, 45, 55, 56, 58, 59, 70, 73, 81, 88, 94, 100f., 102ff., 103, 104, 105, 111ff., 118, 119, 120, 158, 160, 162, 171, 172, 179, 184, 189, 193, 198, 199 Pesch, R. 23 Philo (Alex.) 155, 159, 176 Plinius (d.J.) 2 Poseidonias 177 Prenter, R. 75, 149 v. Rad, G. 14, 176, 179 Ramsey, I.T. 191 Rembrandt van R. 142 Rengstorf, K.H. 35, 42, 45, 57, 59, 69, 95, 111, 139, 149, 199 Ringleben, J. 3f., 21, 35, 48, 51, 53,
220 67, 129, 135, 155, 159, 165, 166, 182, 202 Rittelmeyer, F. 146, 185 Schenk, W. 139 Schlatter, A. 21, 23, 39, 73, 97, 113, 138, 166 Schmidt, H.W. 35, 146 Schnackenburg, R. 23, 153, 155 Schneemelcher, W. 156 Schniewind, J. 22 Schreiner, L. 52 Schweizer, E. 22, 156 Schwöbel, Ch. 3, 166
Namen Semler, J.S. 118 Staats, R. 37 Stange, C. 28, 47, 95, 99, 144 Steude, G.E. 97 Strauß, D.F. 106 Thomas v. Aquin 127, 151 Tillich, P. 61, 87, 165, 169, 184 Volkmar, G. 106 Weiß, J. 26, 108 Wilckens, U. 39, 40, 49, 60, 112, 128, 145, 146, 156, 187f.
221
Begriffe Abendmahl 34, 41, 67, 68, 71, 115, 123, 145, 155 Adam 33, 38, 119, 123 Allgegenwart 33, 34, 43, 60f., 65, 66, 78, 101, 135, 143f., 147, 169 Allgemeine Totenauferstehung 34, 35, 36ff., 42, 43, 49, 53, 57, 81, 92, 110, 119, 121, 137, 155, 162, 178 Allmacht 3, 9, 12, 17, 42, 45, 49, 50, 92, 118, 126, 132, 139, 146, 149, 156, 158, 165, 168, 180, 181 Alter Bund (Israel) 4, 14f., 42, 50, 53, 74, 87, 88ff., 120, 129, 137, 177, 180 Antizipation 28, 33, 44f., 66, 77f., 84, 85, 102, 121, 128, 136, 147, 193 Aufwecken 197, 200f. Bekenntnis 64, 74, 187, 189f. Christologie (i.s.bewegte) 54, 127, 178 Christus in uns 40, 171, 187 descensus ad inferos 35, 138, 145 Doxa 12, 34, 46, 57, 61, 113, 114, 126, 129, 149, 150, 162, 173, 175f., 177, 180ff., 187, 193f. Dynamis 12, 15, 17, 21, 32, 37, 46f., 51, 67, 99, 114, 120, 161, 162, 170, 176f., 178f., 180ff, 187 Ereignis 73, 76, 80, 99, 137, 191 Erfahrung 101, 121f., 183, 190f., 191ff. Erhöhung 35, 60, 62, 65, 110, 129, 130, 131, 132, 136, 138, 142ff., 149, 156, 175, 178, 185, 186 Erinnerung 48, 68, 77, 133f., 192 Erscheinung(en) 30, 32, 33, 34, 37, 48, 55ff., 58f., 60, 63, 64, 65, 66, 69f., 72, 73, 74f., 78, 91f., 95, 99, 100, 110, 121, 131, 137, 141, 143, 145, 150, 166, 171, 185, 189f. Evangelium 42, 46, 75, 91, 92, 103, 116, 139f., 163, 179, 188
Ewigkeit (u. Zeit) 21, 28, 33, 34f., 48, 52, 60, 62, 63, 66, 68, 84, 90, 121, 130, 135, 141, 144, 146, 151, 154, 156, 158ff., 163, 165, 166, 174f., 182, 188, 195f. †f›pax 44, 72, 100f., 130, 139, 144, 153 Geburtswehe 31, 47, 69, 122 Geist 46, 61, 74, 82, 112, 114, 115, 124, 148f., 150, 169ff., 190, 191, 194, 201 Gemeinde 39, 40, 49, 55, 57, 64, 76, 115, 123, 178, 179, 194 Gerechtigkeit 38, 120f., 138, 170, 171f., 175 Gesetz 91, 103, 117, 136, 138, 146, 162, 171, 191 Glaube 24, 40f., 43, 46, 49, 73, 74, 75, 85f., 101, 104, 108, 116, 120, 121f., 130f., 149f., 157, 159, 171f., 173, 175, 179, 183ff., 202 Gleichzeitigkeit 63, 64, 77, 101, 132, 146, 191 Gott – Einheit d. Handelns 33, 34, 37, 39, 44, 48, 83, 84, 85, 119, 120f., 123, 126, 135, 143, 149, 163, 191, 194, 195 – Erinnerung G.s 16, 19, 52 – Für- bzw. Vor-Gott-Sein 18f., 20, 35, 39f., 41 – Handeln G.s 3, 8, 9, 16, 33, 42, 44, 45f., 47ff., 80, 84, 109, 117, 119, 132f., 147, 153, 155, 163, 165f., 167, 170, 171, 173, 174, 176, 181, 186, 197 – Leben G.s 4, 15ff., 46f., 49, 50, 52, 60, 62, 65f., 82, 84, 90, 109, 116, 119, 122f., 126, 130, 132, 139, 147f., 150ff., 160, 164, 165, 166, 167, 168, 169f., 181f. – Liebe G.s 65, 83, 88, 112, 118, 119, 126, 136, 146, 154, 168, 169, 171, 172ff., 182
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Begriffe
– Neubestimmung G.s 54, 82, 126, 138, 139, 146, 154, 166, 174f. – Rechte G.s 62, 144f., 147, 178 – Reich G.s 23, 42, 62, 136, 180f. – Schöpferwort 15, 19, 41, 50f., 65, 74, 88, 116, 129, 144, 149, 153, 155, 177, 178, 188, 200 – Sehen G.s 19, 52, 56, 142, 144, 168 – Trinität 33, 49, 52, 60, 82, 124, 141, 146, 147f., 149, 153ff., 166, 167f., 170, 173f. Heute 121, 129f., 135, 148, 156, 195, 199 Himmelfahrt 101, 142ff. Hoffnung 29, 32, 34, 35, 36, 39, 49, 120, 123, 158, 164, 172, 179, 187, 193ff. Identität Jesu Christi 29, 52, 54, 69f., 81, 84, 104, 111, 114, 131, 133, 140, 146, 167, 170, 171, 184f. intercessio 73, 145, 173 Jesus (ird.) 23ff., 84, 100, 104, 109, 112, 113, 123, 127, 128, 130ff., 156, 166f., 171, 179, 185, 189, 190, 201 Kreuz 32, 41, 47, 60, 63, 90, 91, 100, 103, 109, 122, 125, 129, 130, 136, 137f., 139, 142, 155, 159, 174, 184, 186, 187 Kyrios 34, 39, 53, 61, 75, 136, 147, 148f., 156, 175, 178 Leeres Grab 3, 68f., 106ff., 135, 150 Leiblichkeit (soma pneumatikon) 37, 43, 63, 71f., 86, 105, 107, 110, 111ff., 122, 135, 149, 161, 171, 176 Menschwerdung 33, 43, 46, 65, 112, 115, 122, 124ff., 144, 148, 175, 178 Metabasis (s. I Joh 3, 14) 160f. Negativität – Positivität 47, 50, 68, 108, 114, 135, 162ff., 169f. Neuschöpfung 46, 47, 54, 81, 82f., 110, 111, 118, 119, 138, 158, 172 Offenbarung 15, 24, 43, 53, 55, 61, 93, 102, 124, 145, 161, 173, 179 ontos: s. Lk 24, 34
∑fjh 59, 63, 96, 103 Paränese 41, 150 Parousie 34, 65, 68, 72, 78, 92, 115, 143, 176, 195 Pro nobis 33, 37, 64, 118 Psychologie 34, 53f., 56, 61, 86, 89, 93ff., 95, 171 Rechtfertigung 41, 120f., 138, 172, 187 Rückwirkende Bestätigung 25, 54, 84, 92, 128, 129, 133, 140, 159 Schau (endzeitl.) 36, 58, 74, 99, 176, 193 Schlaf 198ff. Schöpfung 13, 45ff., 68f., 116, 117ff., 129, 139, 150, 158, 165, 168, 170, 173, 174, 175f., 177, 181, 188 Schon – Noch nicht 32, 41, 43, 44, 58, 85, 100, 121, 137, 180, 193, 194, 195 sessio ad dexteram: s. Gottes Rechte Sünde 29, 41, 91, 103, 117, 126, 135f., 146, 157, 162, 171, 173 Taterweis 49, 99, 103, 165, 170, 199 Taufe 41, 171, 186, 202 Tod 13, 15f., 17, 40, 49f., 65, 77, 118, 126, 135, 146, 155, 157ff., 168, 170, 173, 186, 197ff. Totenerweckung (rel.-gesch.) 47, 55, 107, 145, 198 Verborgenheit 34, 36, 86, 123, 186 Vergangenheit 19, 34f., 54, 61, 68, 70, 72, 77f., 79, 90, 92, 100, 105, 118, 129, 130, 133f., 141, 160f., 185, 188, 190, 192 Vergebung 29, 73, 103, 136 Verklärung 113, 114, 116, 122, 135, 148, 158, 162, 175f., 179, 182 Vision 33, 49, 56, 58, 59, 68, 72, 79, 80, 93ff., 96f., 100 Wahrheit 9, 29, 38, 81f., 87f., 91, 123, 140, 160, 167, 173, 194 Werden zu sich 34, 36, 38, 45, 65, 72, 75, 77f., 84, 86, 119, 121, 127ff., 141, 150, 167, 194, 195 Wiederholung 54, 72, 115, 117, 118, 120, 135, 140, 141, 153, 174, 190, 201
Begriffe Wirklichkeit 3, 9, 30f., 37, 44, 58, 65, 66, 70f., 76, 79ff., 83, 117, 118, 164, 165f., 173, 183f., 185, 199 Wort 15, 40f., 45, 60, 70, 73ff., 92, 101, 105, 108, 116, 125, 136, 144, 154, 178f., 187, 188f., 191, 192 Wunder 56f., 165
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Zeitumkehrung 21, 34f., 36, 65, 84, 135, 141, 158f. Zukunft 28ff., 68, 72, 76f., 118, 129, 130, 132f., 141, 155, 157, 193, 194, 196 Zweifel (Unglaube) 13, 17, 48, 57, 64, 69f., 185, 189