Werbe- und Markenforschung: Meilensteine – State of the Art

Andreas Strebinger/Wolfgang Mayerhofer/Helmut Kurz (Hrsg.) Werbe- und Markenforschung Werbe- und Markenforschung Meil...

Author: Andreas Strebinger | Wolfgang Mayerhofer | Helmut Kurz

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Andreas Strebinger/Wolfgang Mayerhofer/Helmut Kurz (Hrsg.) Werbe- und Markenforschung

Werbe- und Markenforschung Meilensteine – State of the Art – Perspektiven Herausgegeben von Andreas Strebinger/Wolfgang Mayerhofer/Helmut Kurz

Mit Beiträgen von Henry Bartel • Carsten Baumgarth • Florian Becker Sigrid Bekmeier-Feuerhahn • Manfred Bruhn • Sandra Diehl Salima S. Douven • Franz-Rudolf Esch • Alexander Fischer Gereon Friederes • Andrea Gröppel-Klein • Arnold Hermanns Stephanie C. Kiendl • Richard Köhler • Dietrich Kropfberger Ernest Kulhavy • Helmut Kurz • Wolfgang Mayerhofer • Josef Mazanec Gernot Mödritscher • Bruce I. Newman • Thomas Otter • Tanja Ringle Lutz von Rosenstiel • Henrik Sattler • Anja Spilski Hartwig Steffenhagen • Andreas Strebinger • Kristina Strödter Anke Trommershausen • Franziska Völckner • Martin Waiguny Peter Weinberg • Junichi Yoshida

Günter Schweiger zum 65. Geburtstag

Bibliograﬁsche Information Der Deutschen Nationalibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograﬁe; detaillierte bibliograﬁsche Daten sind im Internet über abrufbar.

1. Auﬂage Oktober 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Barbara Roscher / Jutta Hinrichsen Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0395-7 ISBN-13 978-3-8349-0395-2

Günter Schweiger

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Wir danken den Sponsoren dieser Festschrift:

Wir danken den Sponsoren dieser Festschrift:

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Vorwort

Vorwort

Zu Entstehen und Konzept der Festschrift Ein 65. Geburtstag ist ein willkommener Anlass, um für einen der verdientesten Werbe- und Markenforscher eine Festschrift herauszubringen. Eine Festschrift ist traditionellerweise auch eine gute Gelegenheit, um Rückschau auf die großen Entwicklungslinien der Forschung zu halten und auf die Impulse und Akzente, welche der Jubilar gesetzt hat. In diesem Sinn laden Festschriften eine „Zunft“ zu einer kritischen Reflexion des eigenen Wirkens abseits der Moment- und Detailaufnahmen ein, welche das tägliche Brot einer auf Journalbeiträge ausgerichteten Publikationsindustrie sind. Aber ist eine Rückschau der richtige Schwerpunkt einer Festschrift für einen Forscher, der viel lieber nach vorne, auf neue Forschungsprojekte blickt, und der an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das laufende Jubiläumsjahr 2006 die Devise ausgegeben hat: „Nicht feiern, sondern weiterforschen!“? Wir haben uns entschlossen, in der Festschrift sowohl der Rückschau auf Meilensteine als auch dem State-of-the-Art und dem Ausblick auf zukünftigen Forschungsbedarf Raum zu widmen, aber – ganz im Sinne des Jubilars – der Gegenwart und Zukunft den Vorrang zu geben. Unser herzlicher Dank gilt den hochkarätigen Autorinnen und Autoren der Festschrift, welche dieses Konzept mit ihren Beiträgen so mustergültig mit Leben erfüllt haben. Der Innovativität und Offenheit des Jubilars haben wir auch bei der Auswahl der eingeladenen Autorinnen und Autoren Rechnung getragen. Nicht nur langjährige akademische Wegbegleiter und die der Wissenschaft verbunden gebliebenen Schüler von Prof. Schweiger haben wir gebeten zu dieser Festschrift beizutragen, sondern auch weitere führende Forscher der Werbe- und Markenforschung aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Dass praktisch alle Eingeladenen nicht nur zugesagt haben, sondern ihre großteils originären Arbeiten rechtzeitig übermittelt und auf Basis unserer Anregungen oft tiefgreifend überarbeitet haben, macht uns als Herausgeber und Mitarbeiter von Prof. Schweiger nicht nur sehr dankbar, sondern auch stolz, zeigt es doch die überragende Stellung, die der Forscher und Mensch Günter Schweiger im Kreis seiner Kollegen und Schüler innehat. Herausgekommen ist ein Sammelband, dessen Autorenliste sich wie das „Who-is-Who“ der Werbe- und Markenforschung des deutschsprachigen Raums und darüber hinaus liest und der einen eigenständigen Wert als Impuls- und Ideengeber für forschungsinteressierte Praktiker im Bereich Markenmanagement und Kommunikation ebenso, wie für Marken- und Werbeforscher und fortgeschrittene Studierende des Fachs Marketing für sich beanspruchen kann.

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Vorwort

In der Wahl der Themen haben wir den Autorinnen und Autoren zwar Vorschläge gemacht, ihnen aber innerhalb des weiten Feldes der Werbe- und Markenforschung freie Hand gelassen. Viele innovative Themenstellungen haben sich auf diese Weise ergeben, welche die aktuellen Entwicklungstrends von Marke und Werbung widerspiegeln: Zeitgleich mit einem stürmischen Siegeszug der Kerngedanken der Markenführung in neuen Anwendungsfeldern wie Kunst, Politik oder Non-Profit-Organisationen sehen sich klassische Markenartikelunternehmen heute neuen Herausforderungen gegenüber, die sich aus einer sinkenden Effizienz und Glaubwürdigkeit klassischer Werbung und dem komplexen Wechselspiel zwischen dem Innen (Markenidentität) und Außen (Markenimage) des Unternehmens ergeben. Auf Basis des Standes der internationalen Forschung, neuer eigener Untersuchungen und von Fallstudien beschäftigen sich die 19 Beiträge des Sammelbands

mit einem Überblick über Entwicklungstendenzen in Markenwesen (Köhler) und Werbeforschung (Mazanec),

mit den aktuellen Rahmenbedingungen, wie dem sinkenden Markenbewusstsein des Konsumenten (Strebinger/Otter) und den Möglichkeiten der Weiterentwicklung von Markenstrategien über Markentransfers (Sattler/Völckner) und Country-ofOrigin-basierter Markenpositionierung (Friederes),

mit neuen Anwendungsfeldern des Markenmanagements, wie dem B-to-BBranding (Baumgarth/Douven), dem Kulturbranding (Bekmeier-Feuerhahn/ Trommershausen), dem Political Branding (Newman), dem Branding von Ausbildungsprogrammen (Kurz) oder der Positionierung von stationären und virtuellen Läden durch Erlebnisorientierung (Weinberg/Diehl),

mit aktuellen Herausforderungen in der Markenkommunikation, wie der Authentizität von Werbung (Gröppel-Klein/Spilski), integrierter Kommunikation (Bruhn), identitätsorientiertem Sponsoring- und Eventmarketing (Hermanns et al.), neueren Optionen der Werbeetatplanung (Steffenhagen) oder der Auswahl von Werbeagenturen illustriert am Fallbeispiel Japan (Yoshida),

mit einem Stakeholder übergreifenden Blick auf Unternehmensmarken durch Behavioral Branding im Bereich der eigenen Mitarbeiter (Esch et al.) und neuen Methoden der Messung der Unternehmenspersönlichkeit bei Kunden, Mitarbeitern oder Aktionären (Rosenstiel und Becker) und

dem Controlling der Werbewirkung durch Beobachtung (Mayerhofer) und der Markenführung durch den Markenwert als Teil der Balanced Scorecard (Kropfberger et al.). Die Aktualität dieser Themen macht auch den richtungsweisenden Charakter der Forschungsarbeiten von Prof. Günter Schweiger deutlich, spiegeln sie doch, beispielsweise mit dem Imagetransfer, der Forschung zu Länderimages und deren Wirkung auf die Produkt- und Markenbeurteilung (Country-of-Origin-Effekt), der nonverbalen

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Vorwort

Imagemessung oder dem Markenwert vielfach Forschungsbereiche wider, denen sich der Jubilar sehr frühzeitig zugewandt hat. Dokumentiert sind diese Forschungsschwerpunkte von Günter Schweiger in nicht weniger als 14 Büchern als Autor, 26 Büchern als Herausgeber, darunter der Schriftenreihe „Empirische Marketingforschung“ (Facultas Verlag, Wien), der Schriftenreihe „Die Marke“ (gemeinsam mit der WWG) und der Schriftenreihe „Werbe- und Markenforschung“ (Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden) sowie 140 Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, wie sie sich auszugsweise im Schriftenverzeichnis des Jubilars am Ende dieser Festschrift wiederfinden. Zahlreiche Ehrungen, darunter der Eduard-Haas-Preis (1973), die Funktionen als Honorary Fellow Member of the Institute of Marketing and Management, Neu-Delhi (1980), und als Honorable Advisor for the MBA Program der Ramkhamhaeng University, Bangkok, der Emco-Preis für Produktinnovation (1991), das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (1992), der Preis der Senator-Wilhelm-Wilfling-Stiftung der Wirtschaftsuniversität Wien (1992) und seine Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften (1994) unterstreichen den Pioniercharakter seiner Forschungsarbeiten. Noch mehr aber spiegeln Themen, Methoden und Autoren der Beiträge dieser Festschrift die generellen Leitlinien wider, die sich im Leben und in der Forschungsarbeit von Günter Schweiger ausmachen lassen und die Prof. Henry Bartel in seinem „International Tribute to Professor Schweiger“ trefflich skizziert hat: empirische Fundierung, Praxisnähe, Internationalität und der Blick auf das Ganze, welcher zur Lösung betriebswirtschaftlicher Probleme erforderlich ist. Ein Forscherleben für Praxisorientierung, Internationalität und empirische Fundierung Günter Schweiger wurde am 23. Mai 1941 in Krummau an der Moldau geboren. Nach seiner Matura im Juni 1960 an der Handelsakademie Wels in Oberösterreich studierte er an der Hochschule für Welthandel, der Vorläuferin der heutigen Wirtschaftsuniversität Wien, und erwarb dort seinen Abschluss als Diplomkaufmann (Oktober 1963) und Doktor der Handelswissenschaften (Dr.rer.comm., Dezember 1966). Seine folgenden Jahre als Universitätsassistent (1966-1973) und Dozent (1973-1974) am Institut für Internationales Marketing an der Johannes Kepler Universität Linz schildert uns Prof. Kulhavy in seiner „Grußadresse“ zu dieser Festschrift sehr spannend und anschaulich. Im Juni 1973 erfolgte die Habilitation an der Johannes Kepler Universität mit der im Jahr 1975 im Gabler Verlag erschienenen Habilitationsschrift „Mediaselektion“. Seit Juli 1974 ist Günter Schweiger ordentlicher Universitätsprofessor für Werbewissenschaft und Marktforschung und Leiter des Universitätslehrgangs für Werbung und Verkauf an der Wirtschaftsuniversität Wien. Seit dieser Zeit treibt er unermüdlich die Internationalisierung von Lehre und Forschung voran, und das nicht nur durch Forschungs- bzw. Lehraufenthalte in den USA (California State University) und Asien und seine vielfältigen Mitgliedschaften in internationalen Organisationen wie der Association for Consumer Research (ACR), der International Advertising Association

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Vorwort

(IAA), der American Marketing Association (AMA) oder der European Society for Opinion and Marketing Research (ESOMAR). In seiner Rolle als Vorstandsmitglied (seit 1975), später als Präsident (seit 1986) der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (WWG), welche unter seiner Führung zur größten Vereinigung der österreichischen Kommunikationsbranche auf freiwilliger Basis herangewachsen ist, stellte er die Kooperation mit der deutschen Schwesterorganisation DWG auf eine völlig neue Basis und initiierte mit der „Werbeforschung & Praxis“ ein gemeinsames Medium, das heute – nach einem umfassenden Relaunch 1999 als „transfer – Werbeforschung & Praxis“ – unter der Schriftleitung von Prof. Schweiger für die von der WWG gestalteten Ausgaben zum engsten Kreis der weltweit auflagen- und leserstärksten wissenschaftlichen Medien im Bereich Kommunikation zählt. Besondere Verdienste um die Internationalisierung der Lehre erwarb sich Günter Schweiger als Kooperationsbeauftragter der Wirtschaftsuniversität für die Austauschprogramme mit mehreren Partneruniversitäten (zurzeit mit der Getúlio Vargas Universität, São Paulo) sowie nach der Ostöffnung als Programmdirektor des Studienprogramms zur Förderung des Führungsnachwuchses in Mittel- und Osteuropa (JOSZEF) an der Wirtschaftsuniversität Wien (seit 1994). In der Lehre am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung und dem Universitätslehrgang für Werbung und Verkauf sind Praxisorientierung und die empirische Fundierung von Entscheidungen wesentliche, von Günter Schweiger forcierte Leitlinien. Der anspruchsvollen Mischung aus Theorie, Methodik und Arbeiten an praktischen Projekten mit Kooperationspartnern aus der Wirtschaft, welche dieses Lehrkonzept den Studierenden abverlangt, stellt er persönlich und an seinem Lehrstuhl ein hohes Ausmaß an persönlicher Betreuung und Vermittlung von „Soft Skills“ (z.B. Präsentationstechnik) gegenüber. Dass diese Mischung, die nirgends besser dokumentiert ist als in seinem mittlerweile in der 6. Auflage erschienenen Buch „Werbung – Eine Einführung“ (Stuttgart 2005, gemeinsam mit Gertraud Schrattenecker), von den Studierenden dankbar angenommen wird, zeigt nicht nur die hohe Treue der Absolventinnen und Absolventen der beiden Institutionen in ihrer Mitgliedschaft zur WWG, sondern auch die hohe Zufriedenheit, welche das Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung in einer von der Wirtschaftsuniversität Wien 2005 durchgeführten Befragung unter den Absolventen der Universität unter 24 Spezialisierungen punkto Gesamtzufriedenheit, der Vermittlung des Wissens sowie dessen Anwendbarkeit auf den ersten Platz gebracht hat. Wie sehr die Wirtschaft diese Praxisnähe begrüßt, haben wir bei der Suche nach Sponsoren erfahren, ohne deren Unterstützung diese Festschrift nicht möglich gewesen wäre. Wie selbstverständlich und oft ganz spontan zahlreiche langjährige Praxis-Kooperationspartner von Prof. Schweiger ihre Unterstützung zugesagt haben, hat uns überrascht und gefreut.

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Vorwort

Unser Dank für die großzügige Unterstützung gilt folgenden Unternehmen (in alphabetischer Reihenfolge): A. Darbo AG, Bank Austria Creditanstalt AG, Brau Union Österreich AG, Gewista Werbeges.m.b.H., IPA-plus Österreich, marketmind Markt- und Markenforschung, Österreichische Post AG, Publicis Group Austria, Raiffeisen Zentralbank Österreich AG, Römerquelle Ges.m.b.H., Siemens AG Österreich, Unilever Austria Ges.m.b.H., Unique Werbeges.m.b.H., Wirz Werbeagentur Ges.m.b.H. und Wiener Städtische Versicherung AG sowie dem Team der WWG, Dr. Wolfgang Prochazka, Mag. Florian Keusch und Christine Bösenkopf, für die organisatorische Betreuung und die Kommunikation mit den Sponsoren. Viele hilfreiche Geister haben darüber hinaus am Zustandekommen dieses Buches mitgewirkt. Unser besonderer Dank gilt Frau Jutta Hinrichsen vom Gabler Verlag für ihre aufmerksame Unterstützung bei der Erstellung des Buches, Frau Mag. Vera Pink für das engagierte und fachlich wie zeitlich sehr konzentrierte Lektorat, Frau Mag. Birgit Fasching, die nicht nur den Satz übernommen hat, sondern unermüdlich die vielen kleinen, aber wichtigen Aufgaben und Probleme gelöst hat, welche im Zuge der Erstellung eines solchen Werkes auftauchen, Frau Amtsrätin Friederike Jäger für die organisatorische Unterstützung, Herrn Reinhard Flunger für den technischen Support und Frau Mag. Gerlinde Adrian für die Unterstützung in der Verlagsauswahl. Unser großer Dank aber gilt Herrn Prof. Günter Schweiger, der uns Herausgeber in unserer akademischen Karriere als Doktor- und Habilitationsvater gefordert und gefördert hat, für seine Unterstützung im Verlaufe all der Jahre.

Wien, im Juni 2006

Andreas Strebinger

Wolfgang Mayerhofer

Helmut Kurz

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Geleitwort

Geleitwort

Als Günter Schweiger im Juli 1974 das Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien übernahm, war er mit einer besonderen Vorgabe konfrontiert. Der von Karl Skowronnek, dem Pionier der Werbeforschung im deutschsprachigen Raum, im Jahr 1955 gegründete Lehrstuhl war (und ist) die einzige Ausbildungsstätte mit einer Spezialisierung auf diese wissenschaftliche Forschungsdisziplin. Internationalisierung und Innovation kennzeichnen den Weg, den Schweiger in und mit dem Lehrstuhl eingeschlagen hat. So wirkte er in den Jahren 1985 bis 1988 als Vorsitzender der Kommission für Internationale Kontakte, verbrachte im Wintersemester 1983/84 ein Forschungssemester am Marketing Department der California State University in den USA, ist langjähriger Kooperationsbeauftragter der Wirtschaftsuniversität für die Austauschprogramme mit der Getúlio Vargas Universität, São Paulo, engagierter Lehrbeauftragter an der Sommeruniversität in Thailand (2004) und Vietnam (2005) und nicht zuletzt Honorable Advisor für das MBA Program an der Ramkhamhaeng University in Bangkok. Frühzeitig hat Günter Schweiger die Bedeutung Osteuropas für Österreich und die österreichische Wirtschaft erkannt. Als Mitglied der Hochschulkommission hat er das Studienprogramm zur Förderung des Führungsnachwuchses in Mittel- und Osteuropa (JOSZEF-Programm) an der Wirtschaftsuniversität Wien mitbegründet und seit 1994 als Programmdirektor wesentlich zur positiven Entwicklung beigetragen. Von Anfang an war ihm neben der Ausbildung auch die Weiterbildung im Fach Werbung und Verkauf ein wichtiges Anliegen. Der von ihm geleitete Universitätslehrgang für Werbung und Verkauf nimmt aus Sicht von Studierenden, Absolvent/inn/en und der Wirtschaftspraxis trotz eines stark gestiegenen Angebots an Weiterbildungsveranstaltungen eine herausragende Stellung ein. Günter Schweiger ist Autor von 14 Büchern, Herausgeber von 26 weiteren Büchern und hat mehr als 140 Veröffentlichungen in Fachzeitschriften zu den Schwerpunkten seiner Forschungstätigkeit in den Bereichen Marketing, Marktforschung, Werbe-, Image-, Marken- und Herkunftslandforschung (Auswirkungen des Herkunftslandes auf die Beurteilung von Produkten – Country-of-Origin-Research) und Exportmarketing publiziert. Er ist Schriftleiter der Zeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis", Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Markt", Mitglied des Redaktionskomitees des „Journal für Betriebswirtschaft" sowie Herausgeber der Schriftenreihen „Empirische Marketingforschung", „Die Marke – Werbe- und Markenforschung“ sowie „Werbe- und Markenforschung“.

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Geleitwort

Zwei innovative Forschungsansätze sollen besonders hervorgehoben werden. Dies betrifft einerseits den Aufbau des Werbepsychologischen Labors an der Wirtschaftsuniversität mit zahlreichen Möglichkeiten des Einsatzes apparativer Verfahren der Werbeforschung und die Weiterentwicklung der Nonverbalen Imagemessung (NVI) und deren erfolgreiche Anwendung zur Erhebung von Länder-, Produktgruppen- und Markenimages. Nicht zuletzt konnte Günter Schweiger durch seine zahlreichen Kontakte mit der Wirtschaftspraxis nicht nur seinen Studentinnen und Studenten eine praxisnahe Ausbildung bieten, sondern wurde nicht müde, Forschungsmittel für sein Institut und die Wirtschaftsuniversität Wien einzuwerben. Diese intensiven Kontakte pflegt er auch als Präsident der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (WWG) und als Mitglied des Kuratoriums der KR-Wilhelm-Wilfling-Stiftung, die mit dem Zweck der Förderung des Studiums, der Lehre und der Forschung am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien gegründet wurde. Zahlreiche Preise und Ehrungen würdigen die Forschungsleistungen von Günter Schweiger. Er ist korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Honorary Fellow Member of the IMM (Institute of Marketing and Management) Neu-Delhi, Indien und wurde mit dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. Als Rektor bedanke ich mich bei Herrn Schweiger für sein jahrzehntelanges Engagement für unsere Universität, an dem sich viele ein Beispiel nehmen können. Ich wünsche dem Jubilar noch zahlreiche erfüllte Jahre voll Schaffenskraft.

Christoph Badelt Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien

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Grußadresse

Grußadresse

Vor 40 Jahren kam ein junger Mann, Absolvent der Hochschule für Welthandel in Wien, zu mir auf mein Institut für Internationales Marketing auf der im selben Jahr 1966 gegründeten Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz und sagte mir, dass er sehr daran interessiert wäre, Assistent auf diesem Institut zu werden. Ich war erfreut und überrascht. Erfreut deshalb, weil ich gerade dringend einen Mitarbeiter suchte und überrascht über die Zielstrebigkeit dieses jungen Bewerbers. Günter Schweiger sagte mir nämlich schon bei seinem ersten Besuch, dass er die Absicht habe, die akademische Laufbahn einzuschlagen. Ich wusste also, woran ich bin. Da er einen ausgezeichneten Eindruck machte, zögerte ich nicht lange, sondern unterbreitete ihm das Angebot, im Oktober 1966 im Institut zu beginnen. Und ich habe es nicht bereut. Er hoffentlich auch nicht. Im Laufe der nachfolgenden Monate kamen noch drei weitere Absolventen der Hochschule für Welthandel nach Linz, und ich konnte daher schon ab dem ersten Semester des Studienjahres 1966/67 ƺ unterstützt von vier Mitarbeitern ƺ ein komplettes Marketing-Lehrprogramm anbieten. Da Günter Schweiger ƺ im Gegensatz zu den anderen drei Assistenten, die allerdings auch schon Diplomkaufleute waren ƺ bereits das Doktorat erworben hatte, nahm er vom ersten Tag an die Stellung eines Ersten Assistenten ein. In den Jahren, die folgten, war mir Günter Schweiger ein äußerst wertvoller Mitarbeiter. Er war verlässlich und kompetent. Neben seinen Aufgaben im Lehrbetrieb des Instituts widmete er sich bald zielstrebig der Forschung und konnte sich trotz der Arbeitsbelastung, die mit dem Aufbau der jungen Linzer Hochschule unweigerlich verbunden war, bald habilitieren. Seine Reputation war inzwischen so gewachsen, dass er einen Ruf auf die Hochschule für Welthandel bekam, jener Hochschule, die nicht nur die seine Herkunftshochschule, sondern auch die meine ist. Es sei mir gestattet zu schreiben, dass ich „mit Wohlgefallen“ seine Karriere verfolgt habe. Die Energie, die ich in seiner Linzer Zeit feststellen konnte, nahm nicht ab, sondern hatte sich verstärkt. Das Ansehen seines Lehrstuhls und seines Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung stieg von Jahr zu Jahr an. Aber nicht nur das des Instituts, sondern auch des Universitätslehrgangs für Werbung und Verkauf, der inzwischen in Österreich zu einer nicht mehr wegzudenkenden

XVII

Grußadresse

Institution der Ausbildung von jungen Menschen auf dem Gebiete des Marketings im vollständigen Sinne des Wortes geworden ist. Die Anziehungskraft dieses Lehrgangs hält auch heute noch unvermindert an. Schweigers Initiative ist es zu verdanken, dass die Zusammenarbeit mit der Deutschen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (DWG) zu einer gemeinsamen Publikation geführt hat, die sowohl in Österreich als auch in Deutschland und darüber hinaus in Europa hohes Ansehen genießt. In seinem deutschen Kollegen der Zeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis“, Professor Werner Kroeber Riel, fand er einen kongenialen Partner. Jenen Kroeber Riel, der übrigens ƺ was vielleicht an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang erwähnt werden darf ƺ in den Jahren 1963 bis 1966 ebenfalls mein Erster Assistent auf der Technischen Universität Berlin war. Nicht zu übersehen ist Schweigers Interesse an der engen Zusammenarbeit mit der Praxis. Nicht nur in der Lehre, sondern auch in der Forschung. Das belegen die zahlreichen Diplomarbeiten und Dissertationen, die er vergeben hat und die zahlreichen Zeitschriftenartikel und Bücher, die er geschrieben oder deren Herausgabe er als Lehrstuhlinhaber betreut hat. Der alljährliche Forschungsbericht seines Instituts beweist, dass er mit seinen Mitarbeitern und Studenten alle relevanten Forschungsthemen seines Fachgebietes, beispielsweise die Kommunikation, das Konsumverhalten, die Marken- und Medienforschung sowie die Werbewirkungsforschung, um nur einige zu nennen, durchleuchtet hat. Dass ihm dies gelungen ist, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er ein Forschungsleitbild für sein Institut ausgearbeitet hat. Dabei achtet Schweiger darauf, dass nicht nur der aktuelle Stand, sondern auch das Gestern dieser Wissenschaft behandelt wird. Der beste Beweis dafür, dass er die Lehrgeschichte seines Faches ernst nimmt, ist die beachtliche Reklamemarkensammlung, die er aufgelegt hat. In der Lehre sind seine Marketing Praxis-Dialoge allgemein bekannt und von Studenten und Praktikern gleichermaßen sehr geschätzt. Es ist ihm immer wieder gelungen, führende Unternehmungen der Wirtschaft für Partnerschaften von Lehrveranstaltungen zu gewinnen. Fast „selbstverständlich“ könnte man sagen, hat er auch einige Jahre die Funktion eines Präsidenten des Marketing Clubs Österreich ausgeübt. Und nicht übersehen darf man sein Geschick in der Leitung der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft und damit auch seine Funktion als Kurator der Stiftung „Mataja-Medaille“. Günter Schweiger kann auf ein erfolgreiches Berufsleben zurückblicken. Er ist ein angesehener Mann in der Wissenschaft der Werbung, der Marktforschung und des Verkaufs ƺ kurz: des Marketing und damit auch der marktorientierten Managementtheorie und der klassischen Betriebswirtschaftslehre. Als Nachfolger auf dem Lehrstuhl seines Vorgängers Professor Karl Skowronnek hat er dessen Pionierarbeit

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Grußadresse

ausgebaut und die Funktion und Stellung der Werbung in der Wirtschaft und in der Werbewissenschaft sowie in der Betriebswirtschaftslehre endgültig festgelegt. Ich wünsche ihm weiterhin alles Gute für die kommenden Jahre. Aus meiner Sicht ƺ vom Standpunkt meines Alters aus betrachtet ƺ hoffe ich, dass er das richtige Maß der Aktivitäten zwischen seinem Beruf und seiner sich nähernden Emeritierung findet. Ich bin mir sicher, dass ihm das gelingen wird. So wie ihm auch alles andere gelungen ist. Günter, ich gratuliere Dir.

Ernest Kulhavy emeritierter Universitätsprofessor Johannes Kepler Universität Linz

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An International Tribute to Günter Schweiger

An International Tribute to Günter Schweiger

Few Professors are honoured with a Festschrift. It is a tribute undertaken by many colleagues, friends, and past students to celebrate a lifetime of achievements in research, in publications, and in the classroom. It is clear that Günter Schweiger’s professional life is one of distinction and international recognition not only within Austria itself, but within the European Community, as well as North America and beyond. I first met Günter in person in 1989 when I took up a year-long Visiting Professorship at the Wirtschaftsuniversität of Vienna, hosted in his Institute of Advertising and Marketing Research, and funded by the Austrian mineral water brand Römerquelle. I had of course heard of him before, but his reputation did not prepare me for the man. He welcomed me as if I were the prodigal son. And, yet, we initially approached one another cautiously, and he queried my knowledge, my accomplishments, and my capabilities. In the gentlest and kindest of ways he challenged my preconceived notions and thereby caused me to broaden my understanding in a variety of subject matters. Günter’s list of publications is long and impressive. But it deserves a second reading for there is work of significant importance hidden in there. His work on Country Imaging is seminal. His contributions to the design of the 1 troy ounce Austrian Gold Coin, the Philharmoniker, are without parallel. And more recently, his involvement in helping to establish a D.A.C. designation for certain Austrian wines, similar to the French Appellation Contrôlée and the Italian Denominazione Controllata, may very well herald in a new modus operandi for the Austrian wine export industry. Even now, as Austrian wines are already making their inroads in restaurants of world-class chefs from New Orleans to New York to California, wine lists have been expanded in some restaurants to include up to 40 Austrian wines, the Gruener Veltliner and Ice Wines of course enjoying prominence. In Austria there is one big difference that must be noted, and that is the system of utilizing various Research Centres, or Ordinariate, which have a primary research focus but also combine teaching and mentoring of junior faculty. This is in contrast to the approach taken in North American Universities where this is not common. In effect, such an Ordinariat seems to operate as a mini-department with all the administrative duties and student responsibilities that this carries. That Günter has been the head of such an Institute for some 30 years is a testament to his extraordinary talents. It is also clear from his long and impressive publication list that while academically exceptionally respectable it is also very applied. Günter’s very hands-on work with

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An International Tribute to Günter Schweiger

Römerquelle, Siemens, Mercedes-Benz, VOEST-Alpine, Unilever etc., reflects most positively on the practical relevance of his academic work. In the area of teaching he must also be lauded. His undergraduate and graduate students undertake a rigorous program of instruction that makes them eligible to work in any international environment and corporation. I recall on one occasion being asked to take part in the oral exams given to students achieving the Magister degree and title. Günter, myself, and the then President of IBM Austria conducted these exams in three languages – English, French and German – and expected the students to answer in those languages, correctly, which they did. Again, in oral defences of doctoral dissertations that I was involved in, we were at liberty to switch languages at will. It is amazing, to my mind, given his administrative, teaching and service duties, that he has not only a great quantity of research output but, more notably, it is of superlative quality. Repeatedly he has shown an ability to come up with major new ideas and to follow them through effectively. The caliber of his work has withstood not only the test of time, but earned him praise and recognition. I feel most privileged and honoured to have known and worked with Günter and I write this all too short tribute to an outstanding man and Professor, with affection and utmost admiration.

Henry Bartel Full Professor of Management Science York University, Toronto

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ....................................................................................................................................IX Christoph Badelt – Geleitwort ............................................................................................... XV Ernest Kulhavy – Grußadresse ..........................................................................................XVII Henry Bartel – An International Tribute to Günter Schweiger ....................................... XXI

Teil 1: Entwicklungstendenzen in Werbe- und Markenforschung Richard Köhler Entwicklungstendenzen des Markenwesens ........................................................................3 Josef Mazanec Eine „Landkarte der Werbeforschung“ – Schlagwortvisualisierung am Beispiel der Zeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis“.............................................................. 27

Teil 2: Markenstrategie: Rahmenbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten Henrik Sattler und Franziska Völckner Markentransfer: Der Stand der Forschung.......................................................................... 51 Andreas Strebinger und Thomas Otter Wer glaubt noch an bekannte Marken? Zur Struktur des Markenbewusstseins bei schnell drehenden Konsumgütern ....................................................................................... 77 Gereon Friederes Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung ..................................................... 109

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Inhaltsverzeichnis

Teil 3: Neue Felder der Markenforschung Carsten Baumgarth und Salima Douven Business-to-Business-Markenforschung – Entwicklungsstand und Forschungsausblick ..............................................................................................................135 Helmut Kurz Ausbildungsprogramme als Marken? Eine empirische Analyse der Erfüllung der Anforderungen an Marken anhand des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien“ ....................................................169 Bruce I. Newman Branding and Political Marketing in the United States ...................................................197 Sigrid Bekmeier-Feuerhahn und Anke Trommershausen Kulturbranding – Lassen sich Kulturinstitutionen zu Marken aufbauen? ...................213 Peter Weinberg und Sandra Diehl Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel..........................................................................................................................245

Teil 4: Werbung und aktuelle Fragen der Markenkommunikation Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels ....................................277 Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege..........307 Hartwig Steffenhagen Neuere Optionen der Werbeetatplanung ..........................................................................331 Manfred Bruhn Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen – Ausgewählte empirische Befunde und Schlussfolgerungen ..........................................355 Junichi Yoshida Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan – Geschickte Umsetzung der Power of Media Buying .......................................................................................................383

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Inhaltsverzeichnis

Teil 5: Unternehmensmarken im Spannungsfeld zwischen Identität und Image Franz-Rudolf Esch, Kristina Strödter und Alexander Fischer Behavioral Branding – Wege der Marke zu Managern und Mitarbeitern..................... 403 Lutz von Rosenstiel und Florian Becker Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken – Ein deutschsprachiges Instrument ............................................................................................................................. 435

Teil 6: Werbe- und Markencontrolling Wolfgang Mayerhofer Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung ..................................... 465 Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny Markenführung und Controlling – Der Markenwert in der Balanced Scorecard ........ 487

Autorenverzeichnis .............................................................................................................. 521 Schriftenverzeichnis von Günter Schweiger ..................................................................... 539

XXV

Entwicklungstendenzen des Markenwesens

Teil 1 Entwicklungstendenzen in Werbe- und Markenforschung

1

Entwicklungstendenzen des Markenwesens

Richard Köhler

Entwicklungstendenzen des Markenwesens1

1

Aktuelle Anforderungen an die strategische Markenführung.....................................5 1.1 Markenpositionierung..............................................................................................5 1.2 Identitätsorientierung...............................................................................................7 1.3 Markenarchitektur ....................................................................................................8 1.4 Integrierte Markenkommunikation...................................................................... 11 1.5 Internationalisierung der Marke ........................................................................... 13

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Markencontrolling............................................................................................................ 14 2.1 Markenstärke........................................................................................................... 15 2.2 Finanzieller Markenerfolg und Markenwert....................................................... 16 2.3 Beurteilung des Markenportfolios ........................................................................ 17

3

Ausblick............................................................................................................................. 18

1

Der vorliegende Beitrag stellt einen im Wesentlichen unveränderten Wiederabdruck ausgewählter Abschnitte des Beitrags „Entwicklungstendenzen des Markenwesens aus Sicht der Wissenschaft“ von Prof. Dr. Dr. h.c. Richard Köhler dar, welcher in Bruhn, M. (Hrsg.): Handbuch Markenführung, 2. Auflage, Band 3, S. 2765-2798, Gabler Verlag: Wiesbaden 2004, erschienen ist. Die Herausgeber danken Prof. Dr. Dr. h.c. Köhler für die Adaptierung sowie punktuelle Aktualisierung des Beitrags für die vorliegende Festschrift sowie der Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, und Prof. Dr. Manfred Bruhn, Universität Basel, für die freundliche Genehmigung des Wiederabdrucks.

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Richard Köhler

Abstract

Der vorliegende Beitrag geht auf Kernaufgaben der strategischen Markenführung ein. Anknüpfend an den „klassischen“ Ansatz der klar profilierten Markenpositionierung (der sich neuen Herausforderungen in dynamischer Umwelt und bei wechselnden Zielgruppen gegenübersieht) wird auf gegenwärtige Überlegungen zur identitätsorientierten Schaffung von Markenpersönlichkeiten eingegangen. Die anschließend erörterte Markenarchitektur betrifft das stimmige Verhältnis zwischen Unternehmensmarken, Markenfamilien und Einzelmarken, wobei auch die Problematik der Markendehnung (Marken- bzw. Imagetransfer) angesprochen wird. Zu dieser Frage hat Günter Schweiger schon sehr früh (zu Beginn der 1980er Jahre) grundlegende Ausführungen vorgelegt. Als aktuelle Sondergesichtspunkte kommen das Erfordernis der integrierten Markenkommunikation sowie die durch Internationalisierung und Globalisierung entstehenden Anforderungen an die Markenführung zur Sprache. Der darauf folgende Abschnitt konzentriert sich auf das noch relativ junge Gebiet des Markencontrolling. Als ausgewählte Schwerpunkte werden dabei in knapper Form die Messung der Markenstärke, Versuche zur Schätzung finanzieller Markenwerte sowie die Beurteilung des gesamten Markenportfolios skizziert. Der hier wiedergegebene Text ist, im Wesentlichen unverändert, der 2004 erschienenen 2. Auflage des „Handbuch Markenführung“ (Hrsg.: Manfred Bruhn) entnommen. Es handelt sich, unter Verzicht auf die dortigen Kapitel 1.-3., um die ursprünglichen Kapitel 4.-6. des Aufsatzes „Entwicklungstendenzen des Markenwesens aus Sicht der Wissenschaft“.

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Entwicklungstendenzen des Markenwesens

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Aktuelle Anforderungen an die strategische Markenführung

Dass sich der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten zum Markenwesen von Einzelheiten der Markentechnik stärker zu Fragen der langfristigen Markenführung verlagert hat, zeigen einschlägige Buchtitel aus jüngster Zeit (Esch 2001a; Esch 2004). „Strategische Markenführung ist ein Begriff, der ... als kontinuierliche und systematische Pflege von eingeführten Marken verstanden werden soll“ (Haedrich und Tomczak 1996, S. 27). Es geht darum, im Zeitablauf und in dynamischer Umwelt die Persönlichkeit einer Marke zu profilieren und zu stärken, wobei im Wandel eine Kontinuität des Markenkerns zu wahren ist. Über die einzelne Marke hinaus bezieht sich die Markenführung auch auf das gesamte Markenportfolio des Unternehmens, das immer wieder im Hinblick auf seine Zielgruppenausrichtung und die Ergiebigkeit der anzusprechenden Teilmärkte, etwaige Wechselbeziehungen zwischen den Marken (Absatzverbund oder Kannibalisierung) sowie unter erfolgsrechnerischen Gesichtspunkten zu überprüfen ist. Die Markenführung beinhaltet also Grundsatzentscheidungen über die Markenpositionierung bzw. -identität und über die gesamte Markenstruktur einschließlich der erforderlichen Anpassungsentscheidungen im Laufe der Zeit (Homburg und Schäfer 2001). Auf diese wesentlichen Aufgaben und auf damit verbundene Sonderfragen der integrierten Markenkommunikation sowie der Internationalisierung wird im Folgenden eingegangen.

1.1

Markenpositionierung

Mit der Positionierung soll erreicht werden, dass bestimmte Nutzenattribute sachlichfunktionaler und emotionaler Art aus Sicht der Nachfrager mit der Marke verknüpft werden. Dabei kommt es entscheidend auf die Assoziationen an (Aaker 1992), die sich in der subjektiven Vorstellung der Nachfrager auf die Marke beziehen. Ries und Trout, die „Klassiker“ bei der Darstellung von Positionierungskonzeptionen, sprechen davon, dass man „ein Produkt in den Köpfen der potentiellen Kunden“ platzieren müsse (Ries und Trout 1986, S. 19). Eine klare Profilierung wird dabei erreicht, wenn die subjektive Wahrnehmung der Nutzenattribute zugleich zu einer deutlichen und positiv bewerteten Abhebung von Konkurrenzprodukten führt. Ohne das Stichwort „Positionierung“ zu verwenden, hat dies schon Domizlaff angesprochen, indem er als Ziel „die Sicherung einer Monopolstellung in der Psyche der Verbraucher“ nennt (Domizlaff 1982, S. 118). Die Uhrenmarke Swatch steht für modisches Design, Abwechslung, Pfiffigkeit und günstigen Preis, zugleich für Schweizer Herkunft. Porsche-Sportwagen werden unverwechselbar mit Sportlichkeit, Kraft, gediegenem Design und Exklusivität 5

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assoziiert. Die Produktlinie „Du darfst“ ist mit dem prägnanten Vorstellungsbild der kalorienarmen Ernährung verbunden (Köhler 2001). Für eine erfolgreiche Positionierung ist zu beachten, dass die herangezogenen Nutzenattribute für die anvisierten Nachfrager wirklich relevant sind und mit deren gewünschtem Selbstbild im Einklang stehen (Fitbedingung). Außerdem wird Prägnanz nur bei der Beschränkung auf wenige markante Merkmale erreicht, wobei die Vermittlung emotionaler Erlebnisinhalte bei vielen Produktarten nicht vernachlässigt werden darf (Weinberg und Diehl 2001). Die Positionierungsmerkmale sollten eine günstige Differenzierung zu Konkurrenzmarken ermöglichen und für eine längerfristige Beibehaltung (d.h. strategische Nachhaltigkeit) geeignet sein (Köhler 2001). Entscheidend allerdings ist, dass die vom Anbieter angestrebte Positionierung auch tatsächlich von den Nachfragern – so wie geplant – wahrgenommen wird. Dies verlangt eine entsprechende Umsetzung in der Produktgestaltung, der Kommunikation und den anderen Marketing-Mix-Instrumenten, vor allem auch nachhaltige Glaubwürdigkeit der Anbietersignale. Insofern ist die Positionierung als „die hohe Schule des Marketing“ und der Markenpolitik anzusehen (Esch 2004, S. 134), auch wenn Gerken den Eindruck erwecken will, dass es heutzutage keine klar definierbaren Zielgruppen und deswegen keine eindeutige Positionierung mehr gäbe (Gerken 1995; Gerken 1996). Ganz abgesehen davon, dass es gar nicht in allen Branchen vielfach wechselnde Szenen mit unterschiedlichen Teilnehmern und Erlebniswelten gibt, greift die Kritik nur im Hinblick auf traditionelle, vor allem sozio-demografische Merkmale der Segmentierung und Zielgruppenabgrenzung (Karmasin 1999). Zutreffend weisen Kreilkamp und Nöthel darauf hin, dass nicht einfach von Szenen statt Zielgruppen auszugehen ist, sondern dass man auch Szenen als Zielgruppen verstehen kann (Kreilkamp und Nöthel 1996). Die Wissenschaft wird sich künftig verstärkt der Frage zuwenden müssen, wie Prägnanz und Kontinuität in der Positionierung auch dann erreicht werden können, wenn wechselnde Zielgruppen (z.B. in verschiedenen Erlebniswelten) anzusprechen sind und wenn sich Nutzenanforderungen der Produktverwender im Zeitablauf ändern. Die Kunst besteht darin, erforderliche Anpassungen (Trout 1996) durch jeweils ergänzende Positionierungsmerkmale vorzunehmen, ohne die Kernpositionierung mit nachhaltig relevanten Nutzenattributen aufzugeben. Dies ist über die Jahrzehnte z.B. bei Coca-Cola, Nivea und Persil gelungen (Köhler 2001). Hier kam es zu einer bleibenden „Botschaft der Marke zwischen Innovation und Zeitlosigkeit“ (Kapferer 1992, S. 109). Forschungsbedarf besteht auch weiterhin hinsichtlich der Verbesserungsmöglichkeit von Positionierungsmodellen, die in ihrer herkömmlichen Form unterstellen, dass für alle betrachteten konkurrierenden Produkte dieselben Imagedimensionen von Bedeutung sind (Trommsdorff und Paulssen 2001; Trommsdorff und Zellerhoff 1994). Klassische Positionierungsmodelle knüpfen außerdem nur an bereits bekannte

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Nutzeneigenschaften an und eignen sich deshalb nicht für die aktive Positionierung anhand neuartiger Attribute, mit denen die Nachfrager erst vertraut gemacht werden müssen (Becker 1996; Tomczak und Roosdorp 1996).

1.2

Identitätsorientierung

Ein wesentliches Anliegen der Markenführung besteht in der Schaffung von Markenpersönlichkeiten, die unverwechselbar sind und somit aus der Sicht der Nachfrager eine ausgeprägte Identität besitzen. Auch dies hat Domizlaff (1982, S. 141) schon frühzeitig (1939) betont: „Eine Marke hat ein Gesicht wie ein Mensch. ... Der Wert eines Markenartikels beruht auf dem Vertrautsein des Verbrauchers mit dem Gesicht des Markenartikels“. Seit den 1990er und besonders in den letzten Jahren sind umfassende Konzepte der identitätsorientierten Markenführung vorgestellt worden (Aaker 1996; Esch 2004; Kapferer 1992; Kapferer 1997; Meffert et al. 2002b). Keine völlige Einheitlichkeit besteht in der Literatur hinsichtlich des Verhältnisses von Markenidentität und Markenpositionierung. Esch versteht unter Markenidentität das unternehmensintern gebildete Selbstbild bezüglich der Marke, das zum Ausdruck bringt, wofür die Marke stehen soll. Eine erfolgreiche Markenpositionierung setze dies so um, dass aus externer Sicht, insbesondere der Nachfrager, ein identitätsentsprechendes Markenimage (Fremdbild) entsteht. „Die Markenidentität dient als Ausgangspunkt für die Markenpositionierung“ (Esch 2004, S. 86). Kapferer hingegen geht davon aus, dass Positionierungskonzepte ergänzungsbedürftig seien, um eine Markenpersönlichkeit zu schaffen. Er fragt: „What does the identity concept add to that of positioning?“ (Kapferer 1997, S. 98). Ähnlich sehen es auch Tomczak und Ludwig, die auf die gestellte Frage folgende Antwort geben: „Dieses Konzept konkretisiert die Positionierungsziele, die lediglich recht grobe Aussagen hinsichtlich Leistungen, Kunden und Konkurrenzvorteil, aber nicht über die Philosophie, Tonalität, Kultur etc. einer Marke machen“ (Tomczak und Ludwig 1998, S. 54). Folgt man dieser Auffassung, so beinhaltet eine identitätsorientierte Markenführung, über die Festlegung der Positionierungsmerkmale hinaus, weitere Gestaltungsdimensionen, die zur Prägnanz der Markenpersönlichkeit beitragen. Aaker (1996) wie auch Meffert und Burmann (2002) heben neben der eigentlichen Produktdimension die symbolische und die organisationale Dimension sowie die Personalisierung der Markenidentität hervor. Zur Produktdimension gehören die technisch-qualitative und die Design-Gestaltung, „Made in“-Eigenschaften (geografische Verankerung), die Art der Präsentation am Point of Sale sowie die preisliche Positionierung. Die symbolische Dimension wird im Wesentlichen ausgefüllt durch Kommunikation, die Vorstellungsinhalte einschließlich emotionaler Erlebniswelten vermittelt und sich dabei auf den Markennamen und das Markenzeichen stützt wie ggf. auch auf eine eindrucksvolle Markenhistorie.

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Die organisationale Dimension betrifft nicht nur die Möglichkeit, eine besondere Unternehmenstradition oder Branchen- bzw. Konzernzugehörigkeit für die Profilierung der Marke zu nutzen. Sie betrifft darüber hinaus das Involvement und das Verhalten der Unternehmensmitarbeiter sowie die letztlich von den Mitarbeitern getragene Unternehmenskultur. Damit wird deutlich, dass die Markenidentität durch das Erscheinungsbild des Unternehmens und seiner Angehörigen mitgeprägt wird, was besonders bei Dienstleistungsmarken wegen der unmittelbaren Interaktion mit den Kunden eine große Rolle spielt. Identitätsorientierte Markenführung ist somit nicht nur nach außen gerichtet, sondern auch auf die unternehmensinterne Sphäre bezogen. Die Personalisierung der Markenidentität schreibt der Marke Persönlichkeits-merkmale zu, die sich aus einer Kennzeichnung der typischen Verwender ergeben („Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“, „The more you know“). Darüber hinaus können auch aus der Kultur des Herkunftslandes oder des Anbieterunternehmens Persönlichkeitszüge der Marke hergeleitet werden (wie „Savoir vivre“ bei der Marke Gauloises oder „innovativ“ bei Marken der Firma 3M). Die vier genannten Identitätsdimensionen formen innerhalb des Anbieterunternehmens ein Selbstbild, das auch mit dem Stichwort „Markenphilosophie“ umschrieben wird. Zu Recht weisen Meffert und Burmann darauf hin, dass die angestrebte Identität im Außenverhältnis erst zustande kommt, wenn das bei den Adressaten entstandene Fremdbild (Markenimage) dem Selbstbild entspricht. „Die Stärke der Markenidentität ist ganz wesentlich vom Ausmaß der Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdbild abhängig“ (Meffert und Burmann 2002, S. 47). Das Konzept der identitätsorientierten Markenführung ist ein umfassender strategischer Ansatz, der – wie gezeigt – mehrere miteinander verzahnte Komponenten enthält. Er verbindet die Markenführung mit der marktorientierten Unternehmenssteuerung insgesamt und wird deshalb auch künftig ein wichtiger Untersuchungsgegenstand der Marketing- und Markenforschung bleiben.

1.3

Markenarchitektur

Lange Zeit haben sich wissenschaftliche Studien zum Markenwesen schwerpunktmäßig auf die Entwicklung, Markteinführung und Pflege einer Marke konzentriert. Viele Unternehmen verfügen aber über eine Mehrzahl von Marken, die insgesamt in ihren Beziehungen zueinander und hinsichtlich ihrer Beiträge zum Unternehmenserfolg zu betrachten sind. „Die Markenarchitektur eines Unternehmens unterscheidet sich von der klassischen Markenstrategie durch ihre unternehmensweite Sichtweise und ... Berücksichtigung aller Marken eines Unternehmens“ (Meffert et al. 2002a, S. 168).

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In einem spezielleren Sinne wird unter Markenarchitektur die Hierarchie (Keller 1998) von Marken, die zu verschiedenen organisatorischen Unternehmensebenen gehören, verstanden (Aaker und Joachimsthaler 2000; Kapferer 1997). Der Top-ManagementEbene entsprechen Corporate Brands, auf der Ebene verschiedener Unternehmensbereiche finden sich Company Brands, während die Ebene der strategischen Geschäftseinheiten Einzelmarken (Individual Brands) oder Markenfamilien (Family Brands) aufweist (Meffert et al. 2002a). Ergänzend zu dieser vertikalen Betrachtung kann man aber auf den genannten Ebenen jeweils eine horizontale Sichtweise anschließen, um so z.B. Mehrmarkenstrategien innerhalb einer Produktart oder die Markendehnung (Markentransfer) mit zu berücksichtigen und so wirklich alle Marken eines Unternehmens und die dazu gehörenden Produkte unter dem Stichwort „Markenarchitektur“ zu erfassen. So erwähnt Esch im Rahmen komplexer Makenarchitekturen auch die „Dehnung der Marke in neue Produktkategorien“ (Esch 2004, S. 279). Schon seit langem werden Dachmarken (z.B. Firmenmarken), Markenfamilien wie etwa Nivea und Einzelmarken wie beispielsweise Ariel als markenstrategische Optionen erörtert (Becker 1994; Meffert 1992). Im Rahmen komplexer Markenarchitekturen geht es um die gezielte, systematische Kombination dieser Markentypen, wobei zu fragen ist, welche Wahrnehmungs- und Verhaltenskonsequenzen hierdurch bei den angesprochenen Zielgruppen entstehen (Bräutigam 2004; Esch und Bräutigam 2001). Manche Unternehmen, die früher die einzelne Produktmarke, z.B. Persil, ganz in den Vordergrund gestellt haben, verknüpfen diese jetzt ausdrücklich mit der Firmenmarke, im Beispiel: Henkel. In anderen Fällen sind die Markenbezeichnungen auf der Produktebene völlig dominant, während die Firmenbezeichnung nur im Kleingedruckten auf der Packungsrückseite erscheint und in der werblichen Kommunikation keine Rolle spielt, so bei Procter & Gamble. Es sind verschiedene Kriterien, die diese Entscheidung beeinflussen. Hat die Firmenmarke historisch einen höheren Bekanntheitsgrad als Bezeichnungen auf den nachgelagerten Ebenen der Markenhierarchie, so wird man auf ihre Hervorhebung nicht verzichten. Dies trifft vor allem im Investitionsgüter- und im Dienstleistungssektor zu, wo unter dem bekannten Dach des Firmennamens erst im Laufe der Zeit ergänzende Submarken für einzelne Leistungen oder Produktgruppen entstanden sind. Hingegen hat die Marke Nivea, ursprünglich für Hautcreme und heute für eine große Markenfamilie, bei den Konsumenten eine weit höhere Bekanntheit als die Unternehmensbezeichnung Beiersdorf AG. Letztere wird dementsprechend für die Markierung nicht mit herangezogen. Symbolisiert die Dachmarke eine Vertrauen stiftende Kompetenz, so spricht dies ebenfalls stark dafür, sie stets mit den Produkt- bzw. Produktgruppenmarken zu verknüpfen. Dies gilt insbesondere in Branchen, die Gebrauchsgüter auf der Grundlage eines hohen technischen Know-how herstellen. So ist in der Automobilbranche seit eh und je die Verknüpfung von Firmenmarke (VW) und Produktmarke (Passat) üblich gewesen.

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Ob sich eine Markenarchitektur unter konsequenter Verbindung der Corporate Brand oder Company Brand mit allen Produktmarken empfiehlt, hängt auch davon ab, inwieweit von der Dachmarke umfassende „Fit-Assoziationen“ ausgehen. Wird die Dachmarke als stimmig für das gesamte Produktspektrum angesehen (z.B. Nestlé), ist die ausdrückliche Kombination näher liegend als bei Unternehmen, unter deren Firmenbezeichnung sich ein durchaus heterogenes Produktprogramm findet (wie bei Procter & Gamble). Es hängt von der bereits erreichten Bekanntheit und Reputation einer Produktmarke ab, inwieweit die mit ihr verknüpfte Firmenmarke dominant ist oder nur eine ergänzende Stützung darstellt (Aaker und Joachimsthaler 2000, S. 105, sprechen im letzteren Fall von „Endorsement“). Im Rahmen der gesamten Markenarchitektur spielt die Markendehnung, die im Englischen als Brand-Stretching (Sattler 2001b) bezeichnet wird, eine besondere Rolle. Es handelt sich dabei um die Übertragung eines etablierten Markenzeichens auf ein neu in den Markt einzuführendes Produkt. Anders als bei der vertikal-hierarchischen Betrachtung von Unternehmens- bzw. Unternehmensbereichsmarken und Produktmarken liegt hier ein horizontaler Vorgang auf der Produktebene vor, der zur Bildung oder Vergrößerung einer Markenfamilie führt. Ein vertikaler Gesichtspunkt klingt allerdings mit an, wenn bei einer sehr stark gewachsenen Markenfamilie Submarken zur näheren Kennzeichnung der Produktverwendung oder -eigenschaften geschaffen werden, sodass sich gewissermaßen Unterfamilien ergeben wie z.B. Nivea Hair Care, Nivea body, Nivea Baby etc. (Esch 2004). Keller (1998, S. 416) spricht diesbezüglich von „brand modifiers“. Die Strategie der Markendehnung hat in der wissenschaftlichen Analyse schon seit langem Aufmerksamkeit gefunden, so unter dem Stichwort „Markentransfer“ (Hätty 1989) und mit Blick auf den damit verbundenen Imagetransfer (Mayer und Mayer 1987). Die Thematik wird aber neuerdings wieder verstärkt diskutiert. Dies entspricht dem aktuell hohen Stellenwert in der Unternehmenspraxis, der sich nicht zuletzt aus erheblichen „Kostenvorteilen von Markentransfers im Vergleich zu Neumarkenstrategien“ ergibt (Sattler 2001a, S. 76). Dieser Kostengünstigkeit und der Chance, von einem guten Image der bereits länger eingeführten und von den Nachfragern akzeptierten Muttermarke zu profitieren, stehen aber auch Risiken der Markendehnung gegenüber. Wenn das neue Produkt der Art nach oder durch seine Positionierung nicht zum bereits etablierten Vorstellungsbild über die Marke passt, so liegt eine Überdehnung vor, die letztlich auch das Image der Muttermarke beeinträchtigen kann. Deswegen konzentrieren sich wissenschaftliche Untersuchungen vor allem auf die Bedingungen eines hinreichenden „Fit“ zwischen Muttermarke und Transferprodukt, wobei den subjektiven Assoziationen der Nachfrager und der dabei empfundenen Stimmigkeit oder Widersprüchlichkeit hohe Bedeutung zukommt (Baumgarth 2001; Caspar 2002; Esch et al. 2001a; Kapferer 1997; Sattler 2001b; Schweiger 1983; Völckner 2003; Zatloukal 2002).

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Die Markenarchitektur betrifft, wie schon gesagt, die Gesamtheit aller Marken auf den verschiedenen organisatorischen Ebenen eines Unternehmens und ihre Beziehungen untereinander. Insofern scheint es so, als ob der Begriff im gleichen Sinne wie der Ausdruck „Markenportfolio“ verwendet würde. In der Literatur wird allerdings mitunter darauf hingewiesen, dass die Markenarchitektur das Ergebnis einer bewussten, auf strategischen Grundsätzen beruhenden Gestaltung ist, während sich das Portfolio im Laufe der Zeit auch ohne konsistente Abstimmungen entwickelt haben kann. „Durch die Festlegung der Markenarchitektur wird die oftmals allein historisch begründete Zusammensetzung des Markenportfolios eines Unternehmens einer systematischen Steuerung zugänglich gemacht“ (Meffert et al. 2002a, S. 168). Manche Unternehmen führen eine tiefgreifende Restrukturierung ihres historisch gewachsenen Markenportfolios durch, so etwa der Unilever-Konzern, der weltweit bis zum Jahre 2004 zu einer Konzentration auf 400 Marken, ausgehend von ursprünglich 1.600 Marken, kommen will (Stach 2002).

1.4

Integrierte Markenkommunikation

Mellerowicz (1963, S. 39) hob bei seiner Definition der Markenartikel die „für sie betriebene Werbung“ als begriffliches Merkmal hervor. Es steht außer Zweifel, dass die Marke Kommunikation benötigt, um Aufmerksamkeit, Bekanntheit und ein Image entsprechend den Positionierungszielen zu erreichen. Die dafür genutzten Instrumente sind aber sehr vielfältig und umfassen neben der klassischen Werbung in Massenmedien u.a. die direkte persönliche Kommunikation, Sales Promotions, inszenierte Events, Sponsoring sowie die Nutzung neuerer Informations- und Kommunikationstechniken, insbesondere Internetauftritte (Bruhn 2003a; Esch 2004). Die einzelnen Instrumente weisen Unterschiede hinsichtlich der Erreichbarkeit bestimmter Kommunikationsziele auf. Breit streuende Medienwerbung ist nach wie vor gut geeignet, einen hohen Bekanntheitsgrad aufzubauen. Um Einstellungen in ihrer kognitiven wie auch ihrer emotionalen Komponente zu formen und Bindung zu verstärken, bieten sich eher persönlich geprägte Maßnahmen des Direct Marketing und die unmittelbare Einbeziehung der Adressaten z.B. in Events an. In Zeiten knapper Budgets stellt sich besonders nachdrücklich die Frage, welche Aufteilung der begrenzten Kommunikationsetats auf die verfügbaren Instrumente die beste Zielerreichung verspricht. Dieses Problem eines „optimalen Kommunikationsmix“ wird auch in der Zukunft weiterhin eine herausfordernde Aufgabe für wissenschaftliche Studien sein (G·E·M 2003). Wirkungsanalysen haben sich bisher stärker auf jeweils einzelne Maßnahmen – z.B. eine bestimmte Werbekampagne – konzentriert, weniger auf die schwierige Frage der bestmöglichen Maßnahmenkombination bei Mehrfachzielen.

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Weitgehend anerkannt ist inzwischen die Tatsache, dass es einer koordinierten Abstimmung der Gestaltungsgrundsätze für alle Kommunikationsformen bedarf, um eine konsistente Wahrnehmung zu sichern und (lerntheoretisch gesehen) Verstärkereffekte zu erzielen. So nahe liegend dies klingt, so wenig selbstverständlich ist es in der praktischen Umsetzung immer dann, wenn völlig verschiedene betriebliche Organisationseinheiten für Teile des Kommunikationsmix (z.B. Medienwerbung einerseits, Verkaufsförderung andererseits) zuständig sind. Eine stimmige Markenführung verlangt deshalb ein integriertes Kommunikationsmanagement (Bruhn 2003b). Es wird von formaler Integration gesprochen, wenn Designelemente, z.B. ein Logo, konsequent bei allen Kommunikationsmaßnahmen erkennbar werden. Die inhaltliche Integration bedeutet eine grundsätzliche Übereinstimmung der verbalen oder durch Bilder vermittelten Aussagen (Esch 2001b). Dies darf nicht mit Eintönigkeit verwechselt werden. Auf der Grundlage gleich bleibender Kernelemente sind Gestaltungsvarianten möglich. Eine solche Kontinuität der formalen und inhaltlichen Grundsätze, bei allen Abwechslungen im Einzelnen, empfiehlt sich auch für die Markenführung im Zeitablauf (zeitliche Integration). Neue Möglichkeiten der Markenkommunikation hat das Internet eröffnet. Dabei ist zu unterscheiden zwischen reinen Online-Brands, die ausschließlich im Internet geführt werden (wie z.B. Amazon oder eBay) und herkömmlichen Marken, für die das relativ neue Medium Internet zusätzlich in den Marketingmix einbezogen wird. Im ersten Fall wird auch von reinen E-Brands oder Electronic Generated Brands gesprochen, im zweiten Fall von Electronic Enabled (Offline-) Brands (Bongartz 2002; Hermanns 2001; Specht 2001). Die Kommunikation im Internet weist gegenüber der klassischen Werbung wesentliche Unterschiede auf, woraus sich bei richtiger Nutzung besondere Chancen ergeben. Unzulänglich wäre es, vorhandene Offline-Werbekonzepte einfach auf das elektronische Medium zu übertragen. Das Internet ist eine interaktive Kommunikationsplattform, die sich für die gezielte Informationssuche seitens der Nachfrager und für Nutzen stiftende Beratungsleistungen anbietet. Obwohl es von der ständig wachsenden Reichweite her an sich ein Massenmedium ist, gestattet es im Dialog mit dem Nutzer eine Individualisierung, die beziehungsfördernd wirkt. Hinzu kommt die Möglichkeit, über die Bildung von Internet-Communities einen Informationsaustausch der Nachfrager über die Marke zu stimulieren. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass der zusätzliche Nutzen, den die potenziellen Käufer aufgrund von Interaktion und Communities empfinden, nicht bei allen Produktarten gleich groß ist (Specht 2001). Im Gegensatz zur üblichen Werbung kommt der Kommunikationskontakt im Internet grundsätzlich nur zustande, wenn der Nutzer die betreffende Website von sich aus wählt (abgesehen von den nicht unumstrittenen so genannten Interstitials, die vom Nutzer nicht gewollte Unterbrecher-Werbung darstellen). Deshalb empfiehlt es sich, bei der Offline-Kommunikation nachdrücklich auf das Informationsangebot im

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Internet hinzuweisen. Die Offline- und Online-Kommunikation ergänzen sich somit bei jenen Marken, die keine reinen E-Brands sind. Trotz ihrer technisch bedingten Eigenheiten und spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten sind Internetauftritte in das Konzept der integrierten Markenkommunikation einzubeziehen, sodass aus Sicht der Nachfrager jedenfalls keine inhaltlichen oder formalen Widersprüchlichkeiten entstehen (Bruhn 2003b; Esch et al. 2001b; Fantapié Altobelli und Sander 2001). Für die Wissenschaft bietet sich noch ein weites Forschungsfeld hinsichtlich der differenzierten Ziele und Wirkungen, die mit der Eingliederung des Internet in die gesamte Markenkommunikation erreicht werden können.

1.5

Internationalisierung der Marke

Angesichts zunehmender „internationaler Wirtschaftsverflechtungen stellt sich für Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung weniger die Frage, ob internationale Markenstrategien verfolgt werden sollen, sondern vielmehr wie diese Strategien implementiert werden sollen“ (Sattler 2001a, S. 109). Die wissenschaftliche Diskussion internationaler Markenstrategien hat Ende der 1980er und in der ersten Hälfte der 1990er Jahre starke Impulse durch die Vorbereitung und die seit 1993 erfolgte Realisierung des gemeinsamen Europäischen Binnenmarktes erhalten, später durch das Voranschreiten der wirtschaftlichen Globalisierung. Seitdem sind Euro-Brands (Remmerbach und Walters 1994; Weinberg 1992) und Global Brands (Kelz 1989; Sander 2001) Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen. Im Mittelpunkt dieser Studien steht die Frage, inwieweit europa- oder weltweit Standardisierungen der strategischen Positionierung, des Markennamens und des gesamten Marketingmix-Einsatzes möglich sind. Hierzu sind insbesondere Bedingungen des mehr oder weniger homogenen Nachfragerverhaltens, der vorhandenen Medien und Vertriebskanäle, der technologischen und politischrechtlichen Gegebenheiten (einschließlich internationaler Markenschutz), des Konkurrentenverhaltens und der verfügbaren Unternehmensressourcen analysiert worden (vgl. für einen Überblick Sattler 2001a). Es wurde gezeigt, dass Positionierungsmerkmale oft in Einzelheiten an Länderspezifika anzupassen sind, ohne dass deswegen aber ein einheitlicher Positionierungskern aufgegeben werden muss (Meffert 1988; Waltermann 1989). Recht eingehend sind die wirtschaftlichen Vorteile einer international standardisierten Markenpolitik, die dafür günstigen Voraussetzungen, aber auch die zahlreichen hemmenden Faktoren aufgezeigt worden (Kapferer 1997; Keller 1998; Kelz 1989; Meissner 1994; Sander 2001). Dabei wurde deutlich, dass selbst Weltmarken wie CocaCola nicht ohne gewisse länderspezifische Anpassungen auskommen. Das Ausmaß

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der möglichen Standardisierung oder nötigen Differenzierung hängt von der Produktart ab. Weltweit gleiches Vorgehen fällt beispielsweise bei Computern leichter als bei Lebensmitteln, für die eine größere Heterogenität der Verbrauchergewohnheiten gilt. Während die vorstehend angedeuteten Fragen im Hinblick auf einzelne Marken bereits recht eingehend erörtert worden sind, steht eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit internationalen Markenportfolios bzw. mit internationalen Aspekten der Markenarchitektur noch aus. In einer empirischen Bestandsaufnahme stellte Kreutzer (1989, S. 570) fest, dass in den meisten der damals befragten international tätigen Unternehmen „ein Nebeneinander von Welt-, Regional- und Lokalmarken“ bestand. Hier werden Beurteilungskriterien und Konzepte für strategische Neuausrichtungen benötigt, zumal solche Markenportfolios oft das Ergebnis historischer Entwicklungen und nicht übergreifender Planungen sind. So haben in jüngerer Zeit bei Procter & Gamble Erwägungen stattgefunden, nur noch solche Marken zu führen, deren Namen und Image international akzeptiert sind, was auf eine Trennung von Marken mit regional engerer Länderausrichtung hinausläuft. Aufmerksamkeit aus wissenschaftlicher Sicht verdient auch ein besonderer Gesichtspunkt des Verhältnisses zwischen Hersteller- und Handelsmarken: International tätige, große Handelsunternehmen haben sich – mit unterschiedlichem Erfolg – bemüht, eine länderübergreifende Markenpolitik zu betreiben und z.B. EuroHandelsmarken zu etablieren (Hammann et al. 2001). Die Erfolgsbedingungen dieser Strategie und die Konsequenzen, die hieraus für den Wettbewerb auf der Handelsstufe wie auch für die Konflikt- oder Kooperationsbeziehungen zwischen Herstellern und Handel entstehen, sind wissenschaftlich erst wenig untersucht worden.

2

Markencontrolling

Ganz allgemein hat das Controlling die Aufgabe, durch koordinierte Informationsversorgung Steuerungshilfen für das Management bereitzustellen. Controllingkonzepte speziell für das Markenmanagement sind bis vor wenigen Jahren nur selten explizit erörtert worden (Güldenberg und Franzen 1994; Wiedmann 1994). Erst in jüngerer Zeit zeigt sich auf diesem Gebiet des Markenwesens eine neue Entwicklungstendenz, indem versucht wird, ein umfassendes System der Steuerungsinformationen für das Markenmanagement zu entwerfen. Eine erste ausführliche Monografie hierzu hat Kriegbaum (2001) vorgelegt. Die Planungs- und Kontrollinformationen des Markencontrolling schließen nichtmonetäre und monetäre Größen ein. Letztere bilden sowohl den kurzfristig ermittelbaren finanziellen Erfolg von Markenprodukten als auch den in langfristiger Perspektive geschätzten Markenwert ab. Nichtmonetäre Größen (wie die Marken-

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bekanntheit oder der erreichte Distributionsgrad) werden oft zu dem Konstrukt „Markenstärke“ zusammengefasst. Im Wesentlichen befasst sich das Markencontrolling mit den Beziehungen zwischen der Markenstärke, dem daraus resultierenden finanziellen Markenerfolg und dem Markenwert (Homburg und Richter 2003; Kriegbaum 2001; Meffert und Koers 2001; Meffert und Koers 2002). Somit trägt das Markencontrolling letztlich zu einer wertorientierten Unternehmensführung bei. Über die einzelne Marke hinaus ist im Rahmen des Markencontrolling auch das gesamte Markenportfolio zu beurteilen.

2.1

Markenstärke

Die Markenstärke (mitunter auch synonym als Markenkraft bezeichnet) entzieht sich einer einfachen direkten Messung. Es sind Indikatoren zu bestimmen, die unmittelbar erfasst werden können und als Anhaltspunkte für die Stärkenbeurteilung dienen (Huber et al. 2003). Allerdings ist die Wissenschaft wie auch die Marktforschungs- und Beratungspraxis noch weit von einer Einigkeit über die Indikatorenauswahl entfernt. Vielfältige „Beispiele für Faktoren der Markenstärke in der Literatur“ sind bei Kriegbaum (2001, S. 81) zusammengestellt. Relativ oft werden dabei die Markenbekanntheit, der aus Markenassoziationen entstandene Imagevorteil, die erreichte Markenloyalität sowie Distributionskennzahlen genannt. Einige dieser Dimensionen der Markenstärke müssen ihrerseits noch näher durch Indikatoren operationalisiert werden (z.B. Image, Loyalität). Der Marktanteil wird von einigen Autoren als Bestandteil der Markenstärke aufgefasst, von anderen als davon abhängige Ergebnisgröße. Uneinheitlichkeit besteht auch hinsichtlich der datenanalytischen Auswertung der Variablen, die zur Ermittlung der Markenstärke herangezogen werden. Ein verhältnismäßig einfacher (aber wie bei allen Punktbewertungsmodellen problematischer) Weg besteht darin, Scorings für die empirisch erfassten Merkmale der Markenstärke zu vergeben, auch wenn dadurch das zum Teil ursprünglich höhere Messniveau heruntergestuft wird. Zu den ersten Ansätzen dieser Art zählt die so genannte Markenbilanz von Schulz und Brandmeyer (1989). Der additiv ermittelte Gesamtscore kann dann zum Vergleich mit konkurrierenden Marken herangezogen werden. Anspruchsvollere Auswertungen fassen mehrere Indikatoren der Markenstärke mittels der Faktorenanalyse zusammen und untersuchen dann durch Regressionsbzw. Korrelationsrechnungen, welche Zusammenhänge zwischen der Markenstärke und dem Marktanteil bzw. dem First-Choice-Buyer-Anteil bestehen (wobei Letzterer den Anteil der Käufer einer Marke darstellt, für die diese Marke die höchste Präferenz als „erste Wahl“ genießt). Dies gilt für den als „Markeneisberg“ bezeichneten Untersuchungsansatz von icon (Andresen und Esch 2001) und für den „Brand

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Potential Index“ der GfK (Högl und Hupp zwischen Markenstärke und Marktanteil finanzieller Markenerfolge geschlagen, da Erfolgskomponente beeinflusst und über Auswirkungen auf die Kosten hat.

2.2

2001). Durch die errechnete Beziehung wird eine Brücke zur Betrachtung der Marktanteil den Umsatzerlös als Degressions- bzw. Lerneffekte auch

Finanzieller Markenerfolg und Markenwert

Beim Controlling der Marketingaktivitäten ist es üblich, Produktdeckungsbeiträge pro Leistungseinheit und pro Periode zu berechnen, um so Gewinn- oder Verlustquellen im Angebotssortiment zu ermitteln. Dies sollte im operativen Markencontrolling auch für die einzelnen Markenprodukte geschehen. Denn für den Brand Manager bzw. die Marketingleitung ergeben sich hieraus wichtige Hinweise für die aktuelle Erfolgsbeurteilung. Zur Schätzung des Markenwerts als strategischer Größe liefern diese IstDeckungsbeiträge allerdings nur grobe Anhaltspunkte. Der Markenwert ist, theoretisch gesehen, als Barwert aller abgezinsten künftigen Überschüsse der markenspezifischen Einzahlungen über die markenspezifischen Auszahlungen zu verstehen, was dem so genannten Ertragswertprinzip entspricht (Kern 1962). Es geht also letztlich um einen investitionsrechnerischen Ansatz, wozu künftige Zahlungsrückflüsse zu schätzen sind (Kriegbaum 2001). Mit derartigen Schätzungen verbindet sich ein langfristiges Prognoseproblem, dessen Lösung sich angesichts sehr unsicherer Erwartungen als schwierig erweist. Die Vorhersage der künftigen Zahlungsströme hängt u.a. von Annahmen über die künftige Ausübung markenstrategischer Realoptionen (z.B. eines Markentransfers) ab, was die Vorausschau zusätzlich komplizierter macht. Schließlich ist ein Isolationsproblem zu bewältigen, da es auf eine Trennung der wirklich markenspezifischen Zahlungsströme von den auch mit einem unmarkierten Produkt erzielbaren Einzahlungsüberschüssen ankommt (Sattler 2001a; Sattler 2001c). Für die Isolation einer markenspezifischen Preisprämie gibt es grundsätzlich methodisch geeignete Ansätze, wie die Auswertung von Präferenzurteilen der Nachfrager mit der Conjoint-Analyse (Herp 1982; Sattler 1997) oder die Ermittlung hedonischer Preisfunktionen durch Regressionsanalysen anhand von Marktdaten. Dabei werden beobachtete Preise als abhängige und Produkteigenschaften, einschließlich der Markenbezeichnung, als unabhängige Variablen betrachtet (Sander 1994). Für die längerfristige Prognose der Zahlungsmittelzuflüsse wären in Verbindung mit der markenbedingten Preisprämie die künftigen markenspezifischen Absatzmengen zu schätzen. Hierzu wird in manchen Bewertungsmodellen auf Indikatoren der Markenstärke zurückgegriffen. Dies gilt für den seit langem bekannten Ansatz von

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Entwicklungstendenzen des Markenwesens

Interbrand (Hammann 1992) wie auch für den so genannten Brand Performancer von Nielsen (Riedel 1996). Auch einzelne Werke der Grundlagenforschung (BekmeierFeuerhahn 1998; Sattler 1997) gehen von einer „Markenbewertung mit Markenstärkeindikatoren und anschließender monetärer Transformation“ aus (Kriegbaum 2001, S. 118). Für diese Transformation gibt es aber bisher kein allgemein anerkanntes Verfahren. Aus der Vielfalt der Methoden mit unterschiedlichen Basisannahmen erklärt es sich, dass bisher – je nach Verfahren – große Abweichungen in der Wertermittlung für ein und dieselbe Marke vorkommen. Dies ist unbefriedigend, zumal sich bei einer Bilanzierung entgeltlich erworbener Marken die Frage stellt, ob der beim Kauf gezahlte Gegenwert noch gilt oder ob im Laufe der Zeit eine durch Abschreibung zu berücksichtigende Wertminderung eingetreten ist. Das rechnerische Vorgehen der Unternehmen sollte dabei aber eigentlich vergleichbar sein. Die Wissenschaft ist daher aufgefordert, an einer Vereinheitlichung der bislang heterogenen Methodenvorschläge mitzuarbeiten, wobei auch die Anforderung der praktischen Handhabbarkeit und eines vertretbaren Aufwandes für die Bewertungsprozedur zu beachten ist (Baumgarth 2001).

2.3

Beurteilung des Markenportfolios

Aufgabe des Markencontrolling ist es, über die Betrachtung einzelner Marken hinaus auch eine Analyse der Gesamtstruktur des Markenportfolios vorzunehmen. Dabei wird auf qualitative und quantitative Informationen zurückgegriffen. In qualitativer Hinsicht ist zu überprüfen, wie die erreichten Markenpositionierungen zueinander stehen. Wenn die durch Marktforschung ermittelten Nachfragerurteile zeigen, dass sich zwei oder mehrere Marken desselben Unternehmens in der Wahrnehmung der Befragten nicht klar unterscheiden, so besteht ein Profilierungsproblem (das möglicherweise dadurch entstanden ist, dass angestrebte Zielpositionierungen verfehlt worden sind). In diesem Fall kann es leicht zu Kannibalisierungen kommen (Esch 2004), die in der Regel ungewollt sind. Denkbar ist es allerdings auch, dass eine Kannibalisierung in Kauf genommen wird, um den Markenwechsel von Nachfragern im eigenen Angebotsprogramm zu halten und damit eine Abwanderung zu Konkurrenzmarken zu verhindern. Das muss aber erörtert werden. Innerhalb von Markenfamilien lässt sich durch Positionierungsstudien feststellen, ob es gelungen ist, für alle Produkte unter der Familienmarke die Übereinstimmung im Markenkern zu wahren. Wenn das nicht zutrifft, deutet sich eine Markenüberdehnung an, die das Image unscharf werden lässt und die Markenidentität beeinträchtigt. Zur quantitativen Untersuchung bietet sich zunächst einmal die Deckungsbeitragsrechnung an, um die Ergiebigkeitsstruktur des Markenportfolios zu beurteilen.

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Richard Köhler

Deckungsbeitragsschwache Marken sind mögliche Kandidaten für eine Portfoliobereinigung. Für diese Entscheidung sind dann aber auch qualitative Gesichtspunkte heranzuziehen, wie etwa die Überlegung, dass das Unternehmen aus Präsenzgründen in einem relativ kleinen Land mit einer dortigen Regionalmarke weiter vertreten sein will. Quantitative und qualitative Kriterien können (über Punktbewertungen) miteinander kombiniert werden, um Angaben über die mehr oder weniger hohe Wettbewerbsstärke von Marken zu gewinnen und diese der Attraktivität der Zielmärkte gegenüberzustellen. Auf diese Weise lässt sich die aus der allgemeinen strategischen Unternehmensplanung bekannte Portfolioanalyse für das Markencontrolling heranziehen, wobei eine Marke als strategisches Geschäftsfeld angesehen wird (BekmeierFeuerhahn 1998; Kriegbaum 2001). In jüngster Zeit wird vorgeschlagen, das Konzept der Balanced Scorecard auf Markenportfolios anzuwenden (Meffert und Koers 2002). Dabei sollen Maßgrößen der Ergebnisperspektive (z.B. Umsatz, Gewinn), der Marktperspektive (z.B. Positionierungen) und der internen Perspektive (z.B. Akzeptanz der Markenidentitäten durch die Mitarbeiter) als Ziele vorgegeben und in ihrer Realisierung überwacht werden. Dies kann vertikal abgestuft auf der Ebene des gesamten Markenportfolios sowie für die einzelnen Marken(familien) geschehen. Die praktische Umsetzung dieses Ansatzes im Markenmanagement steht erst am Anfang.

3

Ausblick

In den letzten Jahren hat sich die Gewichtung der Problemstellungen im Markenwesen und deren Erforschung durch die Wissenschaft gewandelt. Manche schon länger diskutierten Themen wie die Markenpositionierung und die Internationalisierung der Marke haben nichts an Aktualität verloren. Neuer in den Mittelpunkt der Betrachtung sind Fragen gerückt, die eine identitätsorientierte Markenführung, die Markenarchitektur und die integrierte Markenkommunikation unter Einschluss jüngerer elektronischer Informations- und Kommunikationstechniken betreffen. Das aktuelle Gebiet des Markencontrolling, das sich auf die Informationsbereitstellung für das Markenmanagement bezieht, wird künftig noch relevanter werden. Viele dieser Untersuchungsaspekte verlangen einen interdisziplinären Ansatz, der die wirtschaftswissenschaftliche Sichtweise mit Erkenntnissen der Verhaltenswissenschaften und der Rechtswissenschaft verbindet.

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Entwicklungstendenzen des Markenwesens

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Das Literaturverzeichnis von 2004 ergänzende bzw. aktualisierende Angaben: Baumgarth, C. (2004): Markenpolitik, 2. Auflage. Wiesbaden: Gabler. Bruhn, M. (2004): Handbuch Markenführung, Band 1 - Band 3, 2. Auflage. Wiesbaden: Gabler. Domizlaff, H. (2005): Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch der Markentechnik, 7. Auflage. Hamburg: Verlag Marketing Journal. Esch, F.-R. (2005a): Strategie und Technik der Markenführung, 3. Auflage. München: Vahlen. Esch, F.-R. (2005b): Moderne Markenführung, 4. Auflage. Wiesbaden: Gabler. Meffert, H., Burmann, Ch. und Koers, M. (2005): Markenmanagement, 2. Auflage. Wiesbaden: Gabler. Schweiger, G. und Schrattenecker, G. (2005): Werbung, 6. Auflage. Stuttgart: UTB. Schweiger, G., Dabic, M. und Strebinger, A. (2004): Brand Architecture – The View of Practitioners, Paper Presented at the 2004 Marketing Science Conference, Rotterdam. Zednik, A. und Strebinger, A. (2005): Marken-Modelle der Praxis. Wiesbaden: Gabler.

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Eine „Landkarte der Werbeforschung“

Josef Mazanec

Eine „Landkarte der Werbeforschung“ Schlagwortvisualisierung am Beispiel der Zeitschrift „transfer — Werbeforschung & Praxis“

1

Visualisierungsidee .......................................................................................................... 29

2

Realisierungswege............................................................................................................ 30 2.1 Methodenwahl......................................................................................................... 30 2.2 Visualisierungsprinzip und Datenaufbereitung ................................................. 32 2.3 Konstruktion der „transfer – Werbeforschung & Praxis“- Karte ...................... 35 2.4 Schlagwortstruktur auf der „transfer – Werbeforschung & Praxis“-Karte...... 39

3 Einschränkungen der Musterlösung einer Werbeforschungslandkarte für das Medium „transfer – Werbeforschung & Praxis“............................................................ 43

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Josef Mazanec

Abstract

Die „Landkarte der Werbeforschung” beruht auf der Anwendung der Methode der Self-Organizing Map (SOM) auf die Sammlung der Schlagworte der Beiträge in 15 Jahrgängen der Fachzeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis“. SOMs zählen zu den populärsten Verfahren des unsupervised learning und werden seit langem auch erfolgreich auf die Visualisierung von Textdatenbeständen mit vielen Tausenden von Dokumenten angewandt. Ziel dieses Versuchs ist die Veranschaulichung der thematischen Zusammenhänge und der Häufigkeit der Bearbeitung von Themen der Werbeforschung, soweit sie sich in „transfer – Werbeforschung & Praxis“ manifestieren. Ausgangsinformation ist das gemeinsame Auftreten (co-occurrence) von Fachtermini in der Beschlagwortung der einzelnen Beiträge. Auch ‚weiße Flecken’ auf der Werbeforschungslandkarte sollen damit sichtbar werden und dazu anregen, bisher vernachlässigte thematische Verknüpfungen aufzugreifen und zu bearbeiten. Die Landkarte besitzt in dieser Implementierung zwei Ebenen. Die erste Ebene zeigt das übliche SOM-Gitter, in dem jeder Knoten eine prototypische Kombination von Schlagworten beschreibt. Die Darstellung als bubble chart ermöglicht das gleichzeitige Anzeigen der mengenmäßigen Bedeutung jeder Kombination in Form der Bubble-Größe. Die zweite Ebene der Map präsentiert auf Mausklick Balkendiagramme, aus denen die Auftretenshäufigkeit jedes einzelnen der in den jeweiligen Knoten der Map vereinigten Schlagwörter hervorgeht. Die Landkarte liefert auch Erfolg versprechende Kombinationen von Schlagwörtern für Recherchen im Internet. Als Benutzer kopiert man sie einfach in die Stichwort-Container der jeweils bevorzugten Suchmaschine.

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Eine „Landkarte der Werbeforschung“

1

Visualisierungsidee

Jubiläen und Jahrestage sind Anlässe, die ein Innehalten und einen Rückblick auf Ereignisse aus vergangenen Zeiträumen nahe legen. Im folgenden Beitrag wird ein originelles Verfahren demonstriert, das schwer überschaubare Datenmengen auf landkartenähnliche Vereinfachungen reduziert. Bei den ‚Datenmengen’ handelt es sich in diesem Fall um jene Schlagworte, die Aufsatzpublikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften entweder von den Autoren selbst oder durch Bibliothekspersonal nachträglich zugeordnet werden. Inhaltliche Domäne ist die Werbeforschung. Möglichst umfassende Datenbasen von Abstracts und Schlagworten wären wünschenswert. So wurden in einer Anwendung im Rahmen des Projekts ‚Landkarte der Tourismusforschung’ probeweise Stichproben aus drei Datenbasen mit jeweils 3.000, 6.000 und 12.000 Dokumenten untersucht (Mazanec 2005). Für die Werbeforschung wäre beispielsweise die etwa 15.000 Dokumente umfassende Datenbasis des World Advertising Research Center (http://www.lib.uwo.ca/business/warcdesc.html) eine lohnenswerte Grundlage. Bevor man sich dieser internationalen, nur für Mitglieder zugänglichen Abstractsammlung zuwendet, sollte man das Vorhaben im kleinen Rahmen testen. Das Rohmaterial für einen Test liefert das am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung der WU Wien betreute Journal „transfer – Werbeforschung & Praxis“. Ziel der Landkartenidee ist somit die verdichtete und anschauliche Darstellung der Bearbeitungshäufigkeit von Themen der Werbeforschung, soweit sie sich in der Fachzeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis“ manifestieren. Das Medium „transfer – Werbeforschung & Praxis“ versteht sich als Zeitschrift für Werbung, Kommunikation und Markenführung (http://www.wwgonline.at/ content.php?lang=de&p=30) unter der Herausgeberschaft der Österreichischen (WWG) und der Deutschen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (DWG). Mit Berücksichtigung der Vorläuferin, der „WWG-Informationen“, bringt es das Transfermedium auf stattliche 50 Erscheinungsjahre. „transfer – Werbeforschung & Praxis“ erscheint vier Mal jährlich mit einer Auflage von derzeit 5.500 Exemplaren. Das Verhältnis zwischen Autoren aus Praxis und Wissenschaft ist ausgewogen. Die Leserschaft setzt sich zu einem Großteil aus Praktikern in den Bereichen Marketing, Kommunikation und Marktforschung, sowie Wissenschaftern und Studierenden zusammen. Für den Visualisierungsversuch mittels Werbeforschungslandkarte wurden die 15 letzten Jahrgänge mit insgesamt 545 wissenschaftlichen und werbefachlichen Beiträgen herangezogen. Die im Rahmen dieser Beiträge erörterten Themen und ihre wechselseitigen Verknüpfungen sollen in schaubildlicher Form auf einer Bildschirmoder DIN A4-Seite Platz finden. Sowohl die Popularität der Themen in „transfer – Werbeforschung & Praxis“ als auch ihre Verwandtschaftsverhältnisse sollen dabei zum Ausdruck gelangen. Also begebe man sich auf die Suche nach einer geeigneten Methode. 29

Josef Mazanec

2

Realisierungswege

2.1

Methodenwahl

Wie lässt sich grundsätzlich erkennen, welche Themen auf Gebieten wie der Werbeforschung, werbefachlichen Ausbildung und Beratung populär und intensiv bearbeitet oder vernachlässigt sind? Die Antwort steckt in der internationalen Fachliteratur und der ‚Grauen Literatur’ über kommerzielle Untersuchungen und Marktstudien zur Werbe- und Marketingberatung. In jedem Fall gilt es also, derartige Dokumente oder Informationen über diese Dokumente zu verarbeiten. Mögliche Instrumente zur Strukturierung von Dokument-Datenbasen sind ƺ abgesehen von althergebrachten Schlagwortkatalogen ƺ Bäume, Thesauri oder Ontologien. Schlagwortkataloge unterliegen präzisen bibliothekswissenschaftlichen Regeln (siehe etwa http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h66/). Gleichgültig, ob sie frei gewählt, einer geschlossenen Liste oder einem Thesaurus entnommen werden, sind sie individuell einem Dokument zugeordnet. Die Liste selbst liefert keine Anhaltspunkte über die Frequenz eines Schlagworts. Ebenso wenig geschieht dies im Rahmen eines Thesaurus, der zwar auch die Relationen zwischen Schlagwortbegriffen zur Repräsentation eines Wissensgebietes darstellt, aber ihre Verwendungshäufigkeit nicht zeigt. Ein praktisches Beispiel aus dem Arbeitsgebiet des Verfassers ist etwa der WTO Thesaurus on Tourism and Leisure Activities (siehe http://www.world-tourism.org/ doc/E/documentation.htm). Thesauri sind Sonderfälle einer übergeordneten Methodenklasse zur Wissensrepräsentation mit der Bezeichnung Semantische Netze. In diesen Anwendungen werden Gedanken aus traditionellen Verfahren der Textstatistik und der Inhaltsanalyse mit zeitgemäßen Methoden des Statistischen Lernens (Data Mining) oder der Graphentheorie zu neuen phantasievollen Analysekonzepten (und auch kommerziellen Softwareprodukten) verbunden. Wie jüngste Publikationen beweisen hat die Anwendung nichttrivialer Methoden des Data Mining auf Probleme der Textklassifikation einen außerordentlich anspruchsvollen Stand erreicht (Pui Cheong Fung et al. 2006). Dies gilt auch für die einschlägigen Visualisierungsmethoden. Ein Beispiel der Erstellung von Mind Maps stellen Urbanski und Mayerhofer (2005) in der Zeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis“ vor. Derartige Mind Maps – die übrigens auch unter den computergestützten Kreativtechniken Bedeutung besitzen – funktionieren dann am besten, wenn sie die semantische Nachbarschaft eines vorgegebenen Ankerbegriffs bildlich darstellen sollen. Bäume (Strukturbäume) sind dazu geeignet, ein Themenfeld durch hierarchisch geordnete Begriffe zu systematisieren. Allerdings verraten sie nichts über die praktische Relevanz einzelner Über- und Unter- bzw. Suchbegriffe. Aus der

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Eine „Landkarte der Werbeforschung“

Hierarchiestufe geht nur die semantische Abdeckungsbreite aber nicht die tatsächliche Verwendung in Forschung und Praxis hervor. Eine fortgeschrittene Form der Wissensrepräsentation wird durch Ontologien erzielt. Die Konzepte eines Wissensgebietes (z.B. Werbeforschung) oder eines Themenfeldes (z.B. Reisen und Freizeit) sind darin mit Rücksicht auf die begriffliche Über- und Unterordnung, auf Synonyme und Homonyme und auf die Regeln der Begriffsbildung so aufbereitet, dass eine maschinelle Analyse von Content ermöglicht wird. Die zahllosen Forschungsgruppen der Semantic Web-Initiative haben dazu spezialisierte Repräsentationssprachen entwickelt wie etwa die vom World Wide Web Consortium (W3C) propagierte Web Ontology Language (OWL). Auch hier gibt es aktuelle Beispiele aus dem Tourismus und Hospitality Management (siehe z.B. Dell’Erba et al. 2002). Die Bedeutung der Semantic Web-Initiativen für die Marketingpraxis wurde auch in einem Aufsatz in „transfer – Werbeforschung & Praxis“ betont (Bauer und Schuster 1996); Beispiele für eine Wissensrepräsentation anhand von Dokumenten der Werbeforschung waren hingegen nicht aufzufinden. Für die Bearbeitung der hier gestellten Aufgabe eignen sich unter den erwähnten Verfahren der Wissensrepräsentation grundsätzlich alle Formen Semantischer Netze, die auch die ‚Popularität’ (Auftretenshäufigkeit) der einzelnen Schlagworte veranschaulichen können. Zu den Kriterien für die engere Wahl eines originellen methodischen Ansatzes zur Problemlösung zählen mehrere Anforderungen. Unabdingbar sind

ein möglichst starker Verdichtungseffekt und die Visualisierbarkeit umfangreicher Datenbasen. Zusätzlich zu bedenken sind

der Neuigkeitsgrad in der werbefachlichen Forschungslandschaft, die Realisierbarkeit und laufende Aktualisierbarkeit mit verfügbaren Informationsgrundlagen,

die Eignung für eine Web-basierte Lösung und die bisherigen Erfahrungen mit dieser Methodenklasse. Der gesuchten Problemlösung am nächsten kommen die von Teuvo Kohonen (1982, 1989, 2001) und seinem Team an der Technischen Universität Helsinki entwickelten Self-Organizing Maps (SOMs), die sich u.a. auch für die Analyse von sehr großen Dokumentensammlungen bewährt haben (Kohonen et al. 2000). Die Verdichtung gelingt in extremer Form, da nicht einzelne Dokumente oder Begriffe (Datenpunkte) auf Netzwerkknoten zugeordnet werden, sondern charakteristische Bündel (Prototypen) mit vielen Datenpunkten auf den Map-Positionen sitzen können. Ein Zugriff auf die Dokumente selbst ist nicht erforderlich. Die Entscheidung in punkto Datenbasis fiel ja bereits zugunsten der Beschlagwortung der Dokumente (Zeitschrif-

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Josef Mazanec

tenaufsätze in „transfer – Werbeforschung & Praxis“). Während SOM-Anwendungen auf Dokumente sehr zahlreich sind, finden sich kaum Lösungen für Schlagwortrepertoires.2 Die SOMs bieten eine ‚natürliche’ graphische Visualisierungsmöglichkeit. Die laufende Aktualisierung ist sowohl, was die Daten als auch die Softwareunterstützung betrifft, gesichert. Eine Anwendung auf eine werbewissenschaftliche Datenbasis gibt es nach bestem Wissen des Autors noch nicht. Methodische Erfahrungen mit SOMs wurden im Rahmen des Spezialforschungsbereichs SFB010 über Adaptive Systems and Modeling in Economics and Management Science gesammelt (vgl. etwa den Einsatz für eine Imageanalyse von Wiener Luxushotels in Mazanec 19953).

2.2

Visualisierungsprinzip und Datenaufbereitung

Eine SOM ordnet beliebige Objekte, die durch Merkmale beschrieben sind, den Knoten auf einem meist zwei-dimensionalen Gitter zu. Dabei sollen die topologischen Eigenschaften der Objekte möglichst erhalten bleiben. Dies bedeutet, dass Objekte, die ähnliche Eigenschaften aufweisen, auch auf denselben oder auf unmittelbar benachbarten Gitterpunkten liegen sollen. Die Gitterpunkte sind äquidistant. Die Topologie ist nicht durch Distanz, sondern durch Nachbarschaft definiert. Schlagworte, die auf demselben Gitterpunkt zu liegen kommen, weisen die engsten Beziehungen untereinander auf. Schlagworte, die sich auf zwei benachbarten Positionen versammeln, sind stärker miteinander verbunden, als nicht direkte Nachbarn. Die konkrete Festlegung dieser ‚Beziehungsstärke’ ist entscheidend für das Visualisierungsergebnis. ‚Stärkere Beziehung’ bedeutet in der Landkarte das häufigere gemeinsame Auftreten innerhalb der Beschlagwortung von Dokumenten. Natürlich besitzt jedes einzelne Schlagwort auch eine individuelle Auftretenshäufigkeit innerhalb der Schlagwortlisten aller Dokumente. Aus beiden Teilinformationen ergibt sich die Bedeutung der einzelnen, durch die Schlagworte charakterisierten Landkartenpositionen (Gitterpunkte) und deren Nachbarschaftsstruktur. Wäre keine aktuelle und vollständige Schlagwortliste verfügbar oder abrufbar, dann würde man diese Liste aus den für die analysierten Dokumente tatsächlich vergebenen Schlagworten rekonstruieren. Jedes Schlagwort darf in dieser master list nur einmal vorkommen. Im Anwendungsbeispiel der Zeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis“ wurde die Schlagwortliste der Bibliothek des Instituts für

2 3

32

Eine Ausnahme der Anwendung auf Computer Science und Mathematik siehe unter der URL http://www.cest.ch/Publikationen/2000/am/math_leiden/cwts/swr-math/home.html Hier finden Methodeninteressent/inn/en auch einen kurzen Abriss des Kohonen-Algorithmus.

Eine „Landkarte der Werbeforschung“

Werbung und Marktforschung übernommen.4 Sowohl die Liste als auch die Beschlagwortung der Dokumente wurde auf Inkonsistenzen und Tippfehler überprüft. Blanks wurden durch das Underline-Symbol (‚_’) ersetzt, damit Schlagworte aus zwei oder mehr Einzelworten verlässlich als zusammengehörend interpretiert werden. Der folgende Ausschnitt aus der Datenbasis zeigt beispielhaft neun der insgesamt 545 Beschlagwortungen der Beiträge in den 15 Jahrgängen von „transfer – Werbeforschung & Praxis“. Zwei bis fünf Schlagworte wurden für diese Beiträge vergeben. Die in Matlab programmierten Aufbereitungsroutinen5 verarbeiten diese Textdaten direkt ohne weitere Umcodierung: Einstellungsforschung,Ethik/Kritische_Literatur,Umweltbewusstsein, Sponsoring Aktivierungsforschung,Distributionspolitik, Dienstleistungsmarketing_&_Handelsmarketing, Vkf_&_pers_Verkauf_&_Messen_&_Direktm./Eventm._&_Schaufenster Werbung_fuer_Dienstleistungen/Handelswerbung, Dienstleistungsmarketing_&_Handelsmarketing, Werbewirkungsmessung_&_analyse,Werbemittelgestaltung, Botschaftsgestaltung Corporate_Identity/Design,Imageforschung_&_Imagery, Dienstleistungsmarketing_&_Handelsmarketing, Werbung_fuer_Dienstleistungen/Handelswerbung Informationsverarbeitung,Werbeplanung,Werbewirkungsmessung_&_analyse, Werbemittelgestaltung,Botschaftsgestaltung Werberecht_und_Werbebeschraenkungen_&_Markenrecht Country-of-Origin-Forschung/Einfluss_des_Herkunftslandes, Export_und_internationales_Marketing,Einstellungsforschung, Exportmarktforschung,Regressionsanalyse Umweltbewusstsein,Public_Relations Schriftliche_Befragung,Mediaplanung_(inkl._Mediaforschung)

…

4

5

Der Verfasser dankt den Mitarbeitern des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung, insbesondere Mag. Florian Keusch und Prof. Dr. Wolfgang Mayerhofer, für die Herstellung und Überlassung der Beschlagwortungsdatenbasis! Erforderlich sind Funktionen zur Ermittlung der individuellen Auftretenshäufigkeiten der Schlagworte und zur Erstellung einer doublettenfreien Masterliste aller vorkommenden Schlagworte sowie zur Berechnung und Normalisierung der Co-Occurrence Matrix der Schlagworte aufgrund ihres gemeinsamen Auftretens in den Beschlagwortungen der Beiträge.

33

Josef Mazanec

Die Objekte der Landkarte sind die Schlagworte (Zeilen der Rohdatenmatrix). Ihre wechselseitige Verbundenheit folgt aus der Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens in den Beschlagwortungen der Beiträge. Ein Schlagwort wie z.B. Einstellungsforschung tritt in dem obigen Ausschnitt gemeinsam mit Ethik/Kritische_Literatur, Umweltbewusstsein, Sponsoring (Beitrag 1) sowie mit Country-of-Origin Forschung/Einfluss_des_Herkunftslandes, Export_und_internationales_Marketing, Exportmarktforschung und Regressionsanalyse (Beitrag 7) auf.

Um Bagatell-Schlagworte auszuschalten, wurden nur solche mit einer MindestAuftretenshäufigkeit berücksichtigt. Diese Mindesthäufigkeit ergibt sich entweder aus einem Vergleich mit der Länge der Schlagwort-Gesamtliste (z.B. mindestens 1% der Anzahl der Schlagworte in der Masterliste) oder auf Grund einer gewünschten kumulativen Abdeckungsquote aller Beschlagwortungen (z.B. 75%, 90% oder 95%). Für die Ermittlung der Beziehungsstärke genügt eine wesentlich kleinere Anzahl an Schlüssel-Schlagworten; sie entsprechen den Variablen (Spalten der Rohdatenmatrix). Ausreichend ist das obere Quartil der (25% am häufigsten auftretenden) Schlagworte. In der Diagonale der Co-Occurrence Matrix stehen die absoluten Auftretenshäufigkeiten jedes Schlagwortes; in der oberen (und symmetrisch in der unteren) Dreiecksmatrix stehen die Häufigkeiten des gemeinsamen Auftretens. In dem Miniaturbeispiel

Tabelle 2-1: Schlagwort #

Co-Occurrence Matrix - Miniaturbeispiel 1

2

3

4

1

232

24

9

66

2

24

34

5

1

3

9

5

42

2

4

66

1

2

512

…

…

…

kommen die Schlagworte 1, 2, 3 und 4 jeweils 232-mal, 34-mal, 42-mal bzw. 512-mal vor. #1 tritt 24-mal gemeinsam mit #2, 9-mal mit #3 und 66-mal mit #4 auf. Die ‚Popularität’ eines Themas (erkennbar an der Häufigkeit eines Schlagworts; = kursiv gesetzte Diagonalwerte) soll separat angezeigt werden. Sie lässt sich durch die Größe der Kreise darstellen, wenn die Landkarte als Blasendiagramm (bubble chart) konzipiert wird. Die ‚Größe’ eines Schlagworts als Ursache des Zusammentreffens mit anderen Schlagworten darf die co-occurrence-Information nicht verzerren. Für Schlagwort #4 ist z.B. das häufige Zusammentreffen mit #1 (66-mal) nicht überraschend; es kommt nämlich selbst sehr häufig vor (512-mal). #1 hingegen kommt nur 232-mal vor und daher hat das häufige gemeinsame Auftreten mit #4 hier einen höheren

34

Eine „Landkarte der Werbeforschung“

Informationswert. Den unerwünschten Größeneffekt schalten wir durch Division mit dem jeweiligen Diagonalwert aus:

Tabelle 2-2: Schlagwort #

Co-Occurrence Matrix - Miniaturbeispiel 1

2

3

4

1

1

0,10

0,04

0,28

2

0,71

1

0,15

0,03

3

0,21

0,12

1

0,05

4

0,13

0,00

0,00

1

…

…

…

Diese Werte signalisieren die Assoziationen unverfälscht und sind eine bessere Grundlage für die Ermittlung der Positionen der Schlagworte in der Self-Organizing Map. Sie soll ja ‚lernen’, eng verbundene Schlagworte auf identische und nah benachbarte Gitterpunkte zuzuordnen. Einen letzten Aufbereitungsschritt verlangt das Kohonen-Verfahren noch. Die Datenvektoren in den Zeilen müssen auf die Länge 1 normiert werden, so dass für die Häufigkeiten sij jedes von n Schlagworten die Bedingung

¦s

j 1, n

2 ij

1,0 i

gilt.6 Diese Vorkehrung macht das Verfahren gegen den Einfluss von Ausreißerwerten robust.

2.3

Konstruktion der „transfer — Werbeforschung & Praxis“- Karte

Die letzten 16 Jahrgänge der Zeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis“ enthalten 545 werbewissenschaftliche und werbefachliche Beiträge, für deren Beschlagwortung 136 unterschiedliche keywords verwendet wurden. Die Beiträge sind

6

Graphisch kann man sich das so vorstellen: Jedes Schlagwort ist ein Pfeil von gleicher Länge. Jeder Pfeil zeigt in eine bestimmte Richtung des vieldimensionalen Schlagwortraumes und über die Verbundenheit von zwei Schlagworten bestimmt lediglich der Winkel, den die beiden Pfeile zueinander einschließen.

35

Josef Mazanec

deutschsprachig und spiegeln die in Österreich und Deutschland während dieses Zeitraumes populären Themen wider, soweit sie Eingang in dieses Medium gefunden haben. Abbildung 2-1 zeigt die kumulative Auftretenshäufigkeit der Schlagworte.

Abbildung 2-1:

Abdeckungsgrad der Beiträge in „transfer – Werbeforschung & Praxis“ mit wachsender Schlagwortanzahl

Man benötigt also knapp 140 unterschiedliche Schlagworte, um alle für die 545 „transfer – Werbeforschung & Praxis“-Beiträge vergebenen Beschlagwortungsinhalte abzudecken. 20 der Schlagworte erzielen bereits eine fünfzigprozentige Reichweite innerhalb der Gesamtheit der Beiträge. Für die Lesbarkeit einer Schlagwortlandkarte ist es zweckmäßig, die Schlagwortauswahl auf die signifikanten Items zu beschränken. Wegen der schmalen Datenbasis lässt sich die Anzahl der in der Werbeforschungslandkarte darzustellenden Schlagworte nicht stark vermindern. Lediglich die extrem seltenen Schlagwortbegriffe, die nur ein- bis zweimal in den 545 Dokumenten auftauchen, werden ausgeschlossen. Sie würden eine Map-Position der ‚Exoten’ bilden, die inhaltlich nicht besonders aufschlussreich wäre. 111 Schlagworte, die zumindest dreimal auftreten, werden berücksichtigt. Die 111×111-Matrix der gemeinsamen Auftretenshäufigkeiten der Schlagworte enthält die Information über deren bivariate Zusammenhänge (wie z.B. in Urbanski und Mayerhofer 2005, genutzt). Die Information lässt sich jedoch auch multivariat nutzen, indem man die Spalten dieser Frequenzmatrix als Variablen betrachtet, welche die

36

Eine „Landkarte der Werbeforschung“

Schlagworte in den Zeilen beschreiben. Schlagworte stehen somit dann in engem Zusammenhang, wenn sie ein ähnliches Profil von Auftretenshäufigkeiten besitzen. Für diesen Vergleich der Zeilenvektoren sind nicht mehr alle 111 Spalten der Datenmatrix mit sehr vielen Nullhäufigkeiten oder schwach besetzten Werten erforderlich. Es genügt, sich auf die populärsten Schlagworte zu konzentrieren. Die Ermittlung der wechselseitigen Schlagwortähnlichkeit erfolgt daher anhand jener 26 Schlüsselbegriffe, die das obere Quartil der Häufigkeitsverteilung (das sind die 25% am häufigsten vorkommenden Schlagworte) bilden. Die Datenmatrix für die MapErstellung besteht somit aus 111 Zeilen (Objekte der Map) und 26 Spalten. Diese 26 Hauptschlagworte verkörpern daher die Variablen (Spalten der Datentabelle) für das Kohonen-Verfahren; sie treten zumindest 18 Mal (Werbeplanung) bis maximal 88 Mal (Werbewirkungsmessung & -analyse) in Erscheinung (Abbildung 2-2). Vergleicht man die Jahrgänge 1990 bis 1997 mit den Jahrgängen 1998 bis 2005, zeigen sich in einigen Punkten markante Veränderungen, so insbesondere eine Zunahme markenbezogener Themen wie „Markenforschung“ (von 9% der Beiträge der früheren Jahre auf 20% in den späteren Jahren) und „(Marken-)Positionierung“ (von 3% auf 6%), während gleichzeitig herkunfts- und internationalisierungsbezogene Themen wie „Export- und multinationale Werbung“ (von 9% auf 0%), „Country-of-Origin-Effekte“ (von 5% auf 2%), „Werbung mit Bezug zum Herkunftsland“ (von 4% auf 0%) sowie „Export- und internationales Marketing“ (von 5% auf 1%) deutlich abgenommen haben. Stark gewachsen ist die Zahl der Beiträge, die sich mit „Marketing und Neue Medien/Internet“ (von 2% auf 9%) sowie „Werbung und Neue Medien/Internet“ („von 3% auf 10%) beschäftigen, ebenso die Zahl der Beiträge mit Bezug zum Thema „Relationship Marketing“ (von 1% auf 6%). Eine Map mit 12×10 Gitterpositionen besitzt die (theoretische) Kapazität, um für jedes einzelne Schlagwort eine separate Position bereit zu stellen. Natürlich werden viele davon nicht benötigt werden. Da geringfügig variierte Map-Dimensionen (10×8, 10×10, 12×12) prinzipiell gleichartige Ergebnisse liefern, wird die 12×10-Variante beibehalten und in der Folge kommentiert. Der Anhang enthält für interessierte Leser/innen ein Script zum Einsatz in dem Open-Source-Analyse-Softwaresystem R.7

7

Darin wird das Contributed Package SOM von Jun Yan (siehe http://cran.r-project.org/) genutzt, das die originären C-Routinen von Kohonen implementiert. Für die relativ kleine Datenmenge ist die Batch-Version ausreichend. Die SOMs ließen sich auch online trainieren, d.h. man könnte damit auch eine unbeschränkte Anzahl an Datenpunkten, die z.B. laufend durch Web-Abfragen von Benutzern neu entstehen, inkrementell verarbeiten.

37

Josef Mazanec

Abbildung 2-2:

Anzahl der Beiträge in „transfer – Werbeforschung & Praxis“ mit Bezug zu einem Thema

Werbewirkungsmessung & -analyse Werbemittelgestaltung Marketing-Fallstudien Markenforschung Imageforschung & Imagery Sponsoring Dientsleistungsmarketing & Handelsmarketing Werbung und Neue Medien/Internet Export- und multinationale Werbung Botschaftsgestaltung Werbe- und Markenrecht Marketing-Planung/Marketing-Mix-Instrumente Marketing und Neue Medien/Internet (Marken)-Positionierung Institutionen und Berufe der Werbung Integrierte Kommunikation Produktpolitik Marken-/Imagetransfer & Line-/Brandextension Unternehmensführung Trendforschung Country-of-Origin-Effekte Direktwerbung Einstellungsforschung Mediaplanung und -forschung Apparative Verfahren Werbeplanung

88 80 80 72 42 32 32 31 30 28 26 25 25 24 23 23 23 22 22 21 21 20 19 19 19 18 0

20

40

60

80

100

120

n = 1.559 Schlagworte zu den 545 Artikel der Jahrgänge 1990 bis 2005 von transfer - Werbeforschung & Praxis

Anzahl der Beiträge

Das Script erzeugt die Werte der drei, für die graphische Darstellung in Form eines bubble chart nötigen Variablen, nämlich x-Position jedes Schlagworts, y-Position und absolute Häufigkeit des Auftretens jedes Schlagworts in den Dokumenten. Abbildung 2-3 zeigt das resultierende Landkartendiagramm als S/W-Screenshot einer WebBrowser-Seite.8 Die farbliche Gestaltung, die Einflussmöglichkeiten der Nutzer auf die Darstellungsform und die Interaktivität gehen aus der statischen Abbildung nicht hinlänglich hervor. Die interessierten Leser mögen daher die Map auf der URL http://tourism.wu-wien.ac.at\forschung\landkarten\VisSom_TRANSFER.html besuchen. (Der Web-Browser muss das Ausführen von Java-Applets gestatten.)

8

38

Die Java-Applets konzipierte DI Dr. Jürgen Wöckl ursprünglich für die Tourismusforschungslandkarte der ÖGAF (siehe http://tourism.wu-wien.ac.at/cgibin/oegaf.pl?projekte.html).

Eine „Landkarte der Werbeforschung“

2.4

Schlagwortstruktur auf der „transfer — Werbeforschung & Praxis“-Karte

Abbildung 2-3 liefert die erste und obere Ebene der Werbeforschungslandkarte. Jede Map-Position (bubble) ist darin mit jenem Schlagwort beschriftet, welches die höchste individuelle Frequenz aufweist. Die Kreisgröße wird durch die Summe der Häufigkeiten aller auf dieser Position gesammelten Schlagworte bestimmt. Wer auf der WebVersion der Karte mit dem Cursor einzelne Positionen berührt, dem liefert das tool-tipInstrument ein Fenster mit den hier assoziierten Subthemen (Abbildung 2-4). Für die grün (heller) markierten Positionen bietet die Map auf Doppelklick in die jeweilige bubble eine zweite untere Ebene mit einem Balkendiagramm und den zugehörigen individuellen Häufigkeitswerten aller in dieser Position aggregierten Schlagworte (Abbildungen 2-5 und 2-6). Rot (dunkler) markierte Bubbles kennzeichnen Positionen mit einem Einzelthema, also ohne zweite Map-Ebene.

Abbildung 2-3:

12x10 Landkarte der Beiträge zur Werbeforschung im „transfer – Werbeforschung & Praxis“ (siehe http://tourism.wu-wien.ac.at/forschung/ landkarten/VisSom_Transfer.html)

39

Josef Mazanec

Auffallend und in allen erprobten Varianten der Map-Größe hartnäckig wiederkehrend ist die Abkoppelung des Kartenteils ‚Werbemittelgestaltung – Werbewirkungsmessung’ am linken Rand. Hier versammeln sich offenbar genuin werbefachliche Themen, die mit dem Kartenzentrum und seinen stark marketinglastigen oder auf Marken-Management ausgerichteten Schlagworten selten kombiniert werden (Abbildung 2-4). ‚Werbewirkungsmessung und -analyse’ mit 88 und ‚Werbemittelgestaltung’ mit 80 Hits sind dabei die bedeutsamsten Einzelthemata.

Abbildung 2-4:

Nord-West-Ecke „Werbemittelgestaltung“ mit tool-tip-Fenster

Im östlichen Zentralbereich der Karte liegt eindeutig der inhaltliche Schwerpunkt der Beiträge in der Zeitschrift „transfer ̛ Werbeforschung & Praxis“. Das weiteste Themenfeld ‚Dienstleistungs- und Handelsmarketing’ versammelt die höchste Anzahl von Schlagworten an ein und derselben Position. Es besteht aus 26 Subthemen, unter denen der Namensgeber selbst (‚Dienstleistungs- und Handelsmarketing’) 32-mal und die nächsthäufigen Schlagworte ‚Marktsegmentierung’ und ‚Distributionspolitik’ 17bzw. 14-mal auftreten (Abbildung 2-6). Benachbarte und daher aufgrund der Dokumentenbeschlagwortung dazu kombinierte Themen sind ‚Werberecht, Werbe-

40

Eine „Landkarte der Werbeforschung“

beschränkungen und Markenrecht’ (oft verknüpft mit ‚Marketing und Neue Medien/Internet’) sowie ‚Markenforschung’, das mit 72 Nennungen ein Top-Thema darstellt. Kurioserweise erscheinen weder ‚Dienstleistung…’ noch ‚Handel…’ im Sachregister der 6. Auflage des Lehrbuchs der Werbung von Schweiger und Schrattennecker (2005); auch unter den Subthemen zu ‚Marketing’ sind Dienstleistung und Handel nicht angeführt. Hingegen sind für die Sachregister-Items zum Begriff ‚Marke/n’ — ganz konform mit der Popularität in der Werbeforschungskarte — mehr als 50 Einträge auffindbar (Schweiger und Schrattenecker 2005, S. 373f).

Abbildung 2-5:

Absolute Häufigkeit der Schlagworte auf der Position „Werbemittelgestaltung“

Bemerkenswert ist das Auftauchen des Internationalitätsaspekts in mehreren Positionen: ‚Export- und multinationale Werbung’, besonders verbunden mit ‚Einstellungs-’ und ‚Exportmarktforschung’ im Kartenzentrum; ‚Internationales

41

Josef Mazanec

Marketing’ als Einzelschlagwort am östlichen Rand und ‚Export- und internationales Marketing’ am Südrand; Letzteres hat die ‚Country-of-Origin-Forschung’ bzw. den ‚Einfluss des Herkunftslandes’ als Einzelschlagwort im Gefolge. Es zeigt sich, dass man fünf bis sechs intensiv bearbeitete Themengebiete ebenso klar erkennen kann, wie die ‚weißen Flecken’ in einigen dünn besiedelten Regionen der Werbeforschungslandschaft. Wer sich in phantasievoller Weise zu neuen oder vernachlässigten Forschungsthemen inspirieren lassen will, kann die Schlagworte auf weit(er) voneinander entfernten Positionen betrachten und zu ungewöhnlichen Problemkombinationen verknüpfen.

Abbildung 2-6:

Absolute Häufigkeit der Schlagworte auf der Position „Dienstleistungs- & Handelsmarketing“)

Die Web-Version der Werbeforschungslandkarte offeriert dem Internet-Benutzer noch eine weitere Dienstleistung. Sie hilft bei der Optimierung von Suchanfragen in beliebigen Datenbasen, indem sie ergiebige Verknüpfungen von Suchbegriffen vorschlägt. Wer also z.B. in einer Web-Suchmaschine recherchiert, wählt aus dem bar chart 42

Eine „Landkarte der Werbeforschung“

der Karte die gewünschten Begriffe. Sie gelangen in die Box am Ende der Seite und lassen sich von dort durch cut & paste bequem in die Suchwort-Container anderer Internet-Dienste übertragen. Beispielsweise wurden in Abbildung 2-5 die Schlagworte 1, 3, 4 und 6 aus der Position ‚Dienstleistungs- und Handelsmarketing’ durch Markieren der check boxes für eine solche Suchoperation vorbereitet.

3

Einschränkungen der Musterlösung einer Werbeforschungslandkarte für das Medium „transfer — Werbeforschung & Praxis“

Die geschilderte Anwendung der Technik der Self-Organizing Maps auf bibliographische Daten der Werbeforschung dient der Demonstration der praktischen Vorgangsweise. SOMs wurden erfolgreich auf Bibliotheksbestände mit mehreren Hunderttausenden von Dokumenten angewandt. Mit steigender Anzahl der Dokumente (oder ihrer Schlagwortlisten) und zunehmender Streuung ihrer Herkunft erhöht sich die Repräsentativität des Ergebnisses. Das „transfer – Werbeforschung & Praxis“-Demonstrationsbeispiel stützt sich auf eine sehr kleine und deutschsprachig ausgerichtete Sammlung wissenschaftlicher Beiträge zur Werbeforschung. Die 545 Dokumente aus 15 Jahren verkörpern einen ‚Mikrokosmos’ der Werbeforschung, in dem sich thematische Einseitigkeiten und Verzerrungen aufgrund der Forschungsschwerpunkte der beteiligten akademischen Einheiten oder der Politik der Österreichischen und der Deutschen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft auswirken müssen. Kurz gesagt ist also eine Extrapolation auf die internationale Szene der Werbeforschung nicht zulässig. Zu diesem Zweck ist eine Datenbasis von vielfacher Größe, etwa jene des eingangs erwähnten WARC-World Advertising Research Center (http://www.warc.com/Default.asp?ID=1) vonnöten. Damit ließe sich auch treffsicherer erkennen, welche der werbewissenschaftlichen Forschungstraditionen (ökonomische, psychologische, kreativ-gestaltungstechnische, psychometrische, kommunikationswissenschaftliche oder medienzentrierte) in welchem Umfang dieses Fach prägen.

43

Josef Mazanec

Anhang: R-Script zur Landkartenerzeugung

## R script for generating SOMs # # © JM 12/2004; 1/2006 # ## read the keyword data into matrix data raw <- scan('simdiag1mat.dat') ## specify the nr of rows and cols data <- matrix(raw,nrow=111,ncol=26,byrow=TRUE) ## read the keyword labels and frequencies ## from file 'shortlist.dat' into the table master master <- read.table('shortlist.dat') ## load the SOM package library(som) ## initialize and compute the SOM code <- som.init(data, xdim=12, ydim=10, init="linear") obj <- som(data, xdim=12, ydim=10,init="linear", alphaType="inverse", neigh="gaussian", topol="rect",err.radius=1) ## plot a SOM chart, summarize the SOM object plot(obj) summary(obj) ## augment the table master with SOM results master <- cbind(master,obj$visual[1],obj$visual[2]) ## sort whole table by x and y positions ind <- order(master$x,master$y) # preserve sorted version, might be done in one command: master$V1 <- master$V1[ind] master$V2 <- master$V2[ind] master$x <- master$x[ind] master$y <- master$y[ind] ## add column headings colnames(master) <- c("keyword","frequency","x","y") ## write the keyword labels, frequencies and ## x & y SOM positions to file 'TRANSFERsom.dat' library(MASS) write.matrix(master, file="TRANSFERsom.dat",sep=" ")

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Eine „Landkarte der Werbeforschung“

write.matrix(master, file="",sep=" ") ##print(master) ## with "..." ##write.table(master, file='TRANSFERsom.dat',row.names=FALSE,col.names=TRUE) #print(obj) #obj$visual # prepare data for bubble chart library(gplots) m <- data.matrix(master) z <- m[,2] x <- m[,3] y <- m[,4] ## just for fun; superimposes the balloons ## so that the largest balloon should appear on the plot ## for R Release 1.9: balloonplot(x,y,z,'x-position','y-position','main keyword frequency',label=FALSE) ## for R Release 2.0 (decomment if needed): # balloonplot(x,y,z,'x-position','y-position','keyword frequency', # dotsize=2/max(strwidth(19),strheight(19)), # # # # # # # # # # # # # # # #

dotchar=19, dotcolor="skyblue", 'Map der Werbeforschung', label=TRUE, label.digits=2, scale.method="volume", colsrt=par("srt"), rowsrt=par("srt"), colmar=1, rowmar=2, show.zeros=TRUE, show.margins=FALSE, cum.margins=FALSE, sort=TRUE, label.lines=FALSE, fun=function(x)sum(x,na.rm=T),

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Josef Mazanec

Literaturverzeichnis

Bauer, C. und Schuster, A. (1996): Direktmarketing im Internet: Einsatz bidirektionaler Kommunikation via World Wide Web. In: transfer ȭ Werbeforschung & Praxis, 41. Jg., Nr. 2-3, S. 1-5. Dell’Erba, M et al. (2002): HARMONISE: a Solution for Data Interoperability, Trento: eCommerce and Tourism Research Laboratory, ITC-Irst, http://ectrl.itc.it/home/ publications/2002/Harmonise_IFIP02-5.pdf, abgerufen am 30.03.2006. Kohonen, T. (1982): Self-organized Formation of Topologically Correct Feature Maps. Biological Cybernetics, Vol. 43, S. 59-69; wiederabgedruckt in: Neurocomputing: Foundations of Research, J.A.Andersen und E. Rosenfeld (Hrsg.) (1988), S. 511-521. Cambridge: MIT Press. Kohonen, T. (1989): Self-Organization and Associative Memory, 3. Auflage. New York: Springer. Kohonen, T. (2001): Self-Organizing Maps, Springer Series in Information Sciences, Vol. 30, 3. Auflage. Berlin, Heidelberg, New York: Springer. Kohonen, T., Kaski, S., Lagus, K., Salojärvi, J., Honkela, J., Paatero, V. und Saarela, A. (2000): Self Organization of a Massive Document Collection. In: IEEE Transactions on Neural Networks, Special Issue on Neural Networks for Data Mining and Knowledge Discovery, Vol. 11, Nr. 3, S. 574-585. Mazanec, J. A. (1995): Positioning Analysis with Self-Organizing Maps: An Exploratory Study on Luxury Hotels. In: Cornell Hotel and Restaurant Administration Quarterly, Vol. 36, Nr. 6, S. 80-95. Mazanec, J. A. (2005): Tourism Research in a Nutshell: The Tourism Knowledge Map. In: Tourism Review, Vol. 60, Nr. 3, S. 6-11. Noyons, E. C. M. und van Raan, A. F. J. (2005): Mapping of Computer Science & Mathematics (CSM), The Role of Switzerland. Centre for Science & Technology Studies (CWTS), University of Leiden, http://www.cest.ch/Publikationen/2000/ am/math_leiden/cwts/swr-math/home.html, abgerufen am 27.03.2005.

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Eine „Landkarte der Werbeforschung“

Pui C. F. et al. (2006): Text Classification without Negative Examples Revisit. In: IEEE Transactions on Knowledge and Data Engineering, Vol. 18, Nr. 1, S. 6-20. Schweiger, G. und Schrattenecker G. (2005): Werbung, 6. Auflage. Stuttgart: Lucius & Lucius. Urbanski, St. und Mayerhofer, W. (2005): Einsatz des WissensmanagementInstruments BibTechMon am Beispiel der Medienberichterstattung zum Thema Ernährung. In: transfer ȭ Werbeforschung & Praxis, 50. Jg., Nr. 4, S. 2-8.

47

Eine „Landkarte der Werbeforschung“

Teil 2 Markenstrategie: Rahmenbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten

49

Markentransfer: Der Stand der Forschung

Henrik Sattler und Franziska Völckner

Markentransfer: Der Stand der Forschung

1

Begriff und Relevanz........................................................................................................ 53

2

Chancen und Risiken von Markentransfers.................................................................. 54

3

Forschungskonzeptionen zur Untersuchung des Markentransfererfolges .............. 57

4

Empirische Befunde zum Markentransfererfolg.......................................................... 60

5

Fazit ................................................................................................................................... 68

51

Henrik Sattler und Franziska Völckner

Abstract

Marken stellen für die meisten Unternehmen einen herausragenden Vermögensgegenstand dar. Einen wichtigen Wertbeitrag liefern markenstrategische Optionen in Form von Markentransfers. Eine Markentransferstrategie ist durch die Übertragung einer etablierten Marke (z.B. Nivea) auf ein neues Produkt (z.B. Nagellack) gekennzeichnet. Trotz ihrer sehr weiten Verbreitung in der Praxis sind die Erfolgswirkungen einer Markentransferstrategie sehr unsicher. Als Folge hiervon hat sich die Forschung intensiv mit der Erklärung des Markentransfererfolges beschäftigt. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick zum State-of-the-Art der Markentransferforschung und skizziert zukünftige Forschungsfelder. Dazu werden in Kapitel 1 grundsätzliche Formen von Markentransferstrategien und ihre hohe Relevanz in der Praxis erörtert. In Kapitel 2 werden zentrale Chancen und Risiken von Markentransfers dargelegt. Im Mittelpunkt von Kapitel 3 stehen wesentliche Forschungskonzeptionen zur Erklärung und Analyse von Markentransfers, unter anderem das Imagetransfermodell von Schweiger (1982). In Kapitel 4 werden die umfangreichen empirischen Befunde der bisherigen Forschung zusammengetragen und erörtert. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion zukünftiger Forschungsfelder in Kapitel 5.

52

Markentransfer: Der Stand der Forschung

1

Begriff und Relevanz

Eine Markentransferstrategie (synonym Markendehnung, Markenerweiterung oder Brand-Stretching) ist durch die Übertragung einer etablierten Marke (Muttermarke) auf ein neues Produkt (Transferprodukt) gekennzeichnet. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die Dehnung der Marke Dextro Energy auf Müsliriegel. Ein wesentliches Ziel von Markentransferstrategien besteht darin, vorhandene Wissensstrukturen in Form von Markenbekanntheit und -image auf das neue Produkt zu transferieren und damit im Vergleich zur markenstrategischen Hauptalternative (der Neumarkenstrategie) Zeit- und Kostenvorteile zu realisieren. Markentransfers können in vielfältigen Formen realisiert werden. So kann eine Marke entweder auf neue Produkte der gleichen Produktkategorie (sog. Line Extensions) oder auf eine für sie neue Produktkategorie (sog. Franchise oder Brand Extensions) übertragen werden. Die Übergänge sind allerdings fließend, da sich in den meisten Fällen Produktkategorien nicht eindeutig abgrenzen lassen. Die Typisierung zielt letztendlich darauf ab, wie unterschiedlich die Produkte sind, zwischen denen ein Transfer vorgenommen wird. Die wesentlichen Wirkungsmechanismen gleichen sich zwischen Line und Franchise Extensions, allerdings mit der Besonderheit, dass typischerweise die Ähnlichkeit beziehungsweise der Fit zwischen Neuprodukt und Muttermarke bei der Produktlinienerweiterung stärker ausgeprägt ist als bei Franchise Extensions. Dieser Fit stellt eine wesentliche Erfolgsdeterminante von Markentransfers dar (vgl. Abschnitt 4). Im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse können interne und externe Markentransferstrategien unterschieden werden. Bei externen Markentransfers liegen im Gegensatz zu internen die Eigentumsrechte an der Muttermarke nicht im eigenen Unternehmen. Eine bedeutende Form des externen Markentransfers bilden Lizenzierungen (Reinstrom, Sattler und Lou 2006), zum Beispiel Davidoff Café, Landliebe Eiscreme, Mövenpick Konfitüre, Escada Brillen oder Camel Schuhe. Neben der klassischen Erweiterung einer Marke auf neue Produkte kann eine Marke auch räumlich, das heißt auf neue geographische Märkte, ausgedehnt werden. Hier liegt dann eine spezielle Form des Markentransfers vor, wenn Nachfrager aus dem Land, in das die Markenerweiterung vorgenommen wird, Kenntnisse über die Marke des Ursprungslandes haben. Ursache hierfür kann unter anderem die räumliche Mobilität der Nachfrager oder die überregionale Verfügbarkeit von Medien sein. So war zum Beispiel die Eiscrememarke Ben & Jerry’s schon vor ihrer Einführung in den deutschen Markt einer Vielzahl von Konsumenten in Deutschland bekannt, so dass Bekanntheit und Image der Marke zum Zeitpunkt der Markteinführung bereits zu einem gewissen Grad vorhanden waren. Als zumindest unterstützende Instrumente eines Markentransfers können unter anderem das Produktdesign (z.B. Braun), die Verpackungsgestaltung (z.B. Schwartau 53

Henrik Sattler und Franziska Völckner

Konfitüre) und die Regalgestaltung im Handel eingesetzt werden. Für den Markentransfer muss nicht notwendigerweise das Markenzeichen der Muttermarke verwendet werden. Es ist ausreichend, wenn im Rahmen des Transfers auf das ursprüngliche Markenzeichen Bezug genommen wird, wie zum Beispiel bei der Kampagne zur Umbenennung der KKB Bank in City Bank. Hier wurden Kenntnisse, die Nachfrager über die Marke KKB Bank hatten, auf die neue Marke (City Bank) übertragen, so dass auch hier ein Markentransfer vorliegt. Andere Beispiele bilden die Umbenennung von Raider in Twix, Texaco in Dea, Hoechst und Rhône-Poulenc in Aventis oder Ciba und Sandoz in Novartis. Solche Markennamenswechsel – häufig motiviert durch Überlegungen im Rahmen internationaler Markenstrategien oder Unternehmensakquisitionen beziehungsweise -fusionen – haben einen erheblichen Einfluss auf den finanziellen Wert von Unternehmen (z.B. Horsky und Swyngedouw 1987). Ein Markentransfer tritt bei einem Markennamenswechsel allerdings nur in dem Maße auf, in dem Nachfrager (und andere Stakeholder) den Zusammenhang zwischen ursprünglichen und neuen Markenzeichen tatsächlich wahrnehmen. Markentransferstrategien erfreuen sich in der Praxis einer außerordentlichen Beliebtheit. Bei kurzlebigen Konsumgütern werden national wie international in den allermeisten Kategorien mehr als 90 Prozent der Neuprodukte unter Verwendung einer Markentransferstrategie eingeführt. Eine ähnliche Dominanz findet sich im Dienstleistungsbereich. Die Gründe für diese Entwicklung sind unter anderem darin zu sehen, dass die Hauptalternative zur Markentransferstrategie – die Entwicklung neuer Marken – immer aufwendiger und kostenintensiver wird (z.B. Esch 2005, S. 30f). Als Folge hiervon konzentrieren sich Unternehmen auf ihre starken Marken und eliminieren Bund C-Marken. Die verbleibenden starken Marken werden dann als Plattform für Transfers verwendet. Unilever reduziert zum Beispiel sein Markenportfolio von 1600 auf 400 Marken; als Folge hiervon konnte der Anteil von Marken mit einem Umsatz von mehr als 1 Mrd. Euro von 4 im Jahre 1999 auf 14 Anfang 2003 gesteigert werden (u.a. Lipton, Knorr, Dove, Axe und Rexona, vgl. Chwallek 2003).

2

Chancen und Risiken von Markentransfers

Die weite Verbreitung von Markentransferstrategien erklärt sich aus einer Vielzahl von Chancen, die diese Strategie gegenüber einer Neumarkenstrategie bietet. An erster Stelle sind Zeit- und Kostenvorteile zu nennen. Durch die Übertragung der Wissensstrukturen der im Markt etablierten Marke auf das neue Produkt besteht die Möglichkeit, relativ schnell und kostengünstig einen verhältnismäßig hohen Bekanntheitsgrad und ein positives Image für das Neuprodukt aufzubauen (Schweiger und

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Markentransfer: Der Stand der Forschung

Schrattenecker 2005, S. 93f). Gemäß einer umfassenden Managerbefragung von Sattler (1997) umfassen die marketingbezogenen Produkteinführungskosten eines Markentransfers bei typischen kurzlebigen Konsumgütern lediglich circa 50 Prozent von denjenigen einer Neumarkenstrategie (zu prinzipiell ähnlichen Befunden vgl. Smith und Park 1992 sowie Sullivan 1992). Im günstigsten Fall profitiert auch die Muttermarke von dem Markentransfer. Vorteilhafte Markenassoziationen können verstärkt und die Marke kann darüber hinaus um neue Assoziationen erweitert werden. Ein Rückfluss positiver Image- und Bekanntheitseffekte stärkt zudem das Vertrauen der Konsumenten in die Marke und kann auf diese Weise zu einer Erhöhung des Markenwerts beitragen. Weiterhin können positive Rückwirkungen von Transferprodukten dazu eingesetzt werden, Umpositionierungen der etablierten Marke beziehungsweise Verjüngungen des Markenimages vorzunehmen. So wurde zum Beispiel die Marke Maggi mit dem ursprünglichen Produkt Maggi-Würze (Einführung 1886) in Deutschland erfolgreich auf zahlreiche neue Produkte wie Suppen, Saucen, Fertiggerichte, Süßspeisen usw. ausgedehnt. Auf diese Weise konnten vorteilhafte Markenassoziationen (z.B. hohe Qualität und Genuss) verstärkt, die Wissensstruktur der Marke um neue Assoziationen erweitert und das Markenimage aktualisiert werden, so dass Maggi bei deutschen Konsumenten heute als Marke für „Kochen, Ernährung und Genuss“ positioniert ist. Darüber hinaus können Kostensynergien auch durch gemeinsame Kommunikationsträger (z.B. Werbemittel) oder einheitliche Verpackungen und Markierungen erzielt werden. Im Vergleich zur Neumarkenstrategie bestehen Zeit- und Kostenvorteile auch durch den Wegfall des Namenfindungsprozesses für das neue Markenzeichen. Insbesondere bei internationalen Markenstrategien kann dieser Punkt von entscheidender Bedeutung sein. Zudem fallen in der Regel keine Kosten für die Registrierung eines Markennamens an, und das Risiko der Entstehung markenrechtlicher Prozesskosten ist gering. Angesichts der erheblichen Wachstumsraten der Markenanmeldungen stellt dies einen nicht zu unterschätzenden Vorteil dar, da es zunehmend schwieriger wird einen geeigneten Markennamen zu entwickeln. Neben Zeit- und Kostenvorteilen bietet die Markentransferstrategie ganz erhebliche neue Wertschöpfungspotenziale. Diese Wertschöpfungspotenziale erklären zu einem wesentlichen Teil die enormen Kaufpreise von Marken im Rahmen markenmotivierter Unternehmensakquisitionen wie zum Beispiel der Kauf von Reemtsma durch Imperial Tobacco zu einem Preis von circa 6 Mrd. Euro, was bei einem Gewinn von 235 Mio. Euro im Jahr 2001 einem Gewinn-Multiple von circa 26 entspricht. Weitere Chancen von Markentransfers werden in einem reduzierten Floprisiko von Neuprodukten gesehen. Eine Untersuchung von Sullivan (1992) zeigt für kurzlebige Konsumgüter in den USA, dass Markentransferstrategien für einen späten Produkteinführungszeitpunkt erfolgreicher als Neumarkenstrategien sind. Bei einem frühen Zeitpunkt der Produkteinführung innerhalb des Produktlebenszyklus waren hingegen die Flopraten der beiden Markenstrategien nicht signifikant verschieden. Im Einzelnen hängt der

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Henrik Sattler und Franziska Völckner

Erfolg von Markentransfers von einer Vielzahl von Faktoren ab, die weiter unter diskutiert werden. Markentransfers können auch einen erleichterten Zugang zum Handel bewirken. In dem Ausmaß, in dem es gelingt, durch Markentransfers eine erhöhte Verbraucherakzeptanz zu erreichen, können Pull-Effekte zu einer verstärkten Handelsakzeptanz führen. Auch sollte der Händler verhindern, dass er aufgrund einer lediglich partiellen Listung von Produkten einer Marke beim Verbraucher den Eindruck erweckt, sein Sortiment sei unvollständig. Weiterhin kann vermutet werden, dass nicht nur bei Nachfragern ein Bekanntheits- und Imagetransfer realisiert werden kann, sondern auch bei Absatzmittlern, beispielsweise im Hinblick auf Umschlaggeschwindigkeiten oder Verbraucherakzeptanz. Schließlich sind Markentransfers die Voraussetzung dafür, dass Markenlebenszyklen von Produktlebenszyklen entkoppelt werden können. Befindet sich ein Produkt der Marke am Ende seines Produktlebenszyklus, können die mit diesem Produkt verbundenen Assoziationen auf Nachfolgeprodukte übertragen werden. Lediglich das betreffende Produkt wird vom Markt genommen, die Marke beziehungsweise die anderen Produkte der Marke bleiben erhalten. Auf diese Weise wird es möglich, das in die Marke investierte Kapital über den Lebenszyklus eines einzelnen Produktes hinaus zu nutzen. Den Chancen von Markentransferstrategien stehen erhebliche Risiken gegenüber. Dies zeigt sich zunächst in den erheblichen Flopraten von Markentransfers (vgl. zusammenfassend z.B. Sattler und Völckner 2006). So sind im Bereich kurzlebiger Konsumgüter Flopraten in Höhe von ca. 70 Prozent nicht ungewöhnlich (Wieking 2006). Mögliche Ursachen hierfür sind unter anderem ein zu geringer Fit zwischen Transferprodukt und Muttermarke oder eine mangelnde Imagestärke der Muttermarke (vgl. Kapitel 4). Zudem zeigen Misserfolge wie zum Beispiel Ajax Waschmittel, Kleenex Windeln, Levi’s Herrenanzüge oder Xerox Computer, dass selbst bei bisher sehr erfolgreichen Marken das Risiko eines möglichen Flops des Neuproduktes nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Aaker 1990, S. 50ff; Keller 2003, S. 599). Ein noch höheres Risiko bilden mögliche Imagebeeinträchtigungen der Muttermarke infolge eines Markentransfers und damit einhergehende Absatzeinbußen für sämtliche Produkte, die unter der Marke angeboten werden (vgl. z.B. Gürhan-Canli und Maheswaran 1998; Swaminathan, Fox und Reddy 2001; Völckner, Sattler und Kaufmann 2006). Imagebeeinträchtigungen können durch eine Imageverwässerung oder durch neue, negative Imagedimensionen entstehen. Die nachhaltigsten Effekte treten dann auf, wenn ein Markentransfer sich als Flop erweist und zusätzlich das Image der Muttermarke beeinträchtigt wird (vgl. Aaker 1990, S. 50). Aber auch dann, wenn das Transferprodukt ein Erfolg ist, kann das Gesamtimage geschädigt werden, wie zum Beispiel bei der Einführung von Miller Lite in den USA mit negativen Folgen für das Stammprodukt Miller High Life (Ries und Ries 1998, S. 78ff). Als Folge solcher

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Markentransfer: Der Stand der Forschung

Imageschädigungen der Muttermarke können Markenwertverluste in ganz erheblichem Ausmaß auftreten. Ein weiteres Risiko von Markentransferstrategien besteht darin, dass eine klare Positionierung auf eine spezifische Zielgruppe nur schwer möglich ist. Mit zunehmender Anzahl beziehungsweise Heterogenität von Transferprodukten einer Muttermarke gewinnt dieses Problem an Bedeutung, da der Handlungsspielraum für eine Neuproduktpositionierung unter dem Dach der Marke infolge der Bindung an die zentralen Imagedimensionen der Muttermarke erheblich eingeengt wird. Mit zunehmender Abkehr von diesen Dimensionen würde die Gefahr von Imagebeeinträchtigungen steigen. Hätte zum Beispiel Henkel unter der für Vollwaschmittel bekannten Marke Persil das Farben schonende Feinwaschmittel Fewa positionieren wollen, so wäre die schonende Imagekomponente für die Muttermarke unter Umständen schädlich gewesen und zudem hätten die Imagekomponenten der Muttermarke „waschaktiv” und „Wäsche aufhellend” für das neue Feinwaschmittel belastend wirken können. Als Risiko wird vielfach auch die Kannibalisierung der bisher unter der Muttermarke angebotenen Produkte mit einem neuen Transferprodukt gesehen. In der Medienwirtschaft wurde zum Beispiel bei möglichen Transfers von Muttermarken aus dem Printbereich befürchtet, durch Angebote im Internet oder Fernsehen das Kerngeschäft zu kannibalisieren (vgl. Caspar und Burmann 2005, S. 252). Dementsprechend scheuten sich viele traditionelle Medienunternehmen, ein vollständiges Angebot ihrer Muttermarken ins Internet zu stellen. Allerdings ist hier zu prüfen, inwiefern Bedrohungen durch Wettbewerber bestehen. Im Zweifel gilt auch hier das Motto: „Kannibalisiere dich selbst, bevor es andere tun!“ Hiervon unabhängig ist zu prüfen, inwiefern ähnliche Kannibalisierungsprobleme auftreten, wenn anstelle eines Markentransfers eine Neumarkenstrategie verwendet wird.

3

Forschungskonzeptionen zur Untersuchung des Markentransfererfolges

Die bisherige Forschung hat sich auf die Analyse des Erfolgs von Markentransfers konzentriert. Grundsätzlich lassen sich monetäre und nicht-monetäre Ansätze unterscheiden. Monetäre Ansätze versuchen, beispielsweise im Rahmen von Markenbewertungsansätzen (vgl. die Übersichten bei Esch 2005, S. 540ff; Sattler 2005), den Markentransfererfolg finanziell zu quantifizieren, etwa in Form der Bewertung einer markentransferstrategischen Option, also dem zukünftigen Wertschöpfungspotenzial, das sich durch den Transfer einer Marke in neue (Produkt-)bereiche ergibt. Die For-

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Henrik Sattler und Franziska Völckner

schung steht hier noch in den Anfängen (vgl. Kaufmann, Sattler und Völckner 2006). Dabei muss berücksichtigt werden, dass markentransferstrategische Optionen häufig einen erheblichen Wertbestandteil von Marken ausmachen (vgl. Sattler 2000) und der Verzicht auf eine Bewertung implizit einer Bewertung mit Null gleichkommt, was vielfach vollkommen unrealistisch ist. Grundlage monetärer Ansätze können nicht-monetäre Ansätze darstellen. Letztere können auf Forschungskonzeptionen aufbauen, die eher technologisch oder eher theoretisch orientiert sind (vgl. Abbildung 3-1). Im wissenschaftstheoretischen Sinn sind Technologien Lehren vom zielerreichenden Gestalten (Popper 1969, S. 36ff). Technologien zielen in dem hier betrachteten Zusammenhang insbesondere darauf ab, konkrete Möglichkeiten, insbesondere in Form von Entscheidungsunterstützungssystemen, zur Gestaltung des Markentransfererfolgs aufzuzeigen. Im diesen Sinn ist beispielsweise von Sattler (1998) ein Entscheidungsunterstützungssystem zur Beurteilung der Erfolgschancen von Markentransfers entwickelt worden. Grundlage bilden hierbei zum einen Erkenntnisse der bisherigen empirischen Markentransfererfolgsforschung (vgl. Kapitel 4), zum anderen verschiedene theoretische Ansätze. Letztere haben in Form von Einstellungstheorien und gedächtnispsychologischen Theorien Verbreitung gefunden (vgl. Abbildung 3-1).

Abbildung 3-1:

Forschungskonzeptionen zur Untersuchung des Markentransfererfolges

Ansätze zur Untersuchung des Markentransfererfolges

Monetäre Ansätze

Nicht-monetäre Ansätze

Technologisch orientierte Ansätze

Einstellungstheorien

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Theoretisch orientierte Ansätze

Gedächtnispsychologische Theorien

Markentransfer: Der Stand der Forschung

Pionierarbeit im Bereich der Einstellungstheorien hat das Imagetransfermodell von Schweiger (1982) geleistet. Die Übertragung positiver Imagekomponenten von der Muttermarke auf das Transferprodukt stellt den Kern eines Markentransfers dar. Unter Image versteht Schweiger dabei ein System konnotativer (emotionale bzw. nicht-sachhaltige) Eigenschaften. Zentrales Erfolgskriterium ist die Nähe zwischen der Marke (B), dem ursprünglichen Produktbereich (P1) und dem Transferproduktbereich (P2) in einem mehrdimensionalen Wahrnehmungsraum. Ein Markentransfer ist dann Erfolg versprechend, wenn Konsumenten zwischen dem Produktbereich der Muttermarke und dem Transferprodukt eine hohe technologische und emotionale Ähnlichkeit wahrnehmen und zwischen Muttermarke und Transferprodukt eine hohe emotionale Ähnlichkeit vorliegt (vgl. Abbildung 3-2).

Abbildung 3-2:

Imagetransfermodell von Schweiger (Quelle: Schweiger 1982, S. 322) Legende: B = Muttermarke, P1 = ursprünglicher Produktbereich, P2 = Transferproduktbereich

groß

emotionale Affinität zwischen P1 und P2 gering gering

Aktualisierung von unverträglichen emotionalen Eigenschaften

Prädisposition zu einem Probekauf B-P2

+

emotionale Affinität zwischen B und P2

+

groß +

IMAGETRANSFER + -

Aktualisierung von unverträglichen technologischen Eigenschaften technologische Affinität zwischen P1 und P2

groß

+

Indikatoren für den Imagetransfer: • wahrgenommene Zufälligkeit der Markengleichheit • Prägnanz des Markenbildes B-P2

Prädisposition zu einem Wiederkauf B-P1

Zu den gedächtnispsychologischen Theorien zählen beispielsweise Kategorisierungstheorien (zu weiteren Ansätzen vgl. z.B. Esch 2005). Hier wird aufgezeigt, dass Gedächtnisinhalte durch mentale Schemata beziehungsweise Kategorien repräsentiert werden, die unter anderem Lernprozesse vereinfachen können, indem sie als Denkschablonen eingesetzt werden. Stimmen einzelne Merkmale eines neuen Stimulus mit dem Konzept einer bestehenden kognitiven Kategorie überein, so muss der Stimulus nicht für sich beurteilt werden, sondern kann der jeweiligen Kategorie zugeordnet und in Verbindung mit dieser „schematisch“ bearbeitet werden (z.B. Keller 2003, S. 608f).

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Henrik Sattler und Franziska Völckner

Dabei wird davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit der Zuordnung von Objekten zur selben Kategorie umso höher ist, je stärker die wahrgenommene Zusammengehörigkeit der Objekte ist. Es kann argumentiert werden, dass auch das Markenwissen im Gedächtnis durch mentale Kategorien repräsentiert wird (z.B. Boush und Loken 1991, S. 17). Für die Beurteilung eines neuen Transferproduktes bedeutet dies, dass die Konsumenten ihre Assoziationen hinsichtlich der Muttermarke eher auf das Neuprodukt übertragen, wenn sie zwischen diesem und der Muttermarke eine Ähnlichkeit wahrnehmen. Der Ablauf des Kategorienvergleichs der Marken- und Transferproduktschemata hängt dabei wesentlich vom Produkt- und Markeninvolvement der Konsumenten ab. Ist das Involvement hoch, so erfolgt der Prozess des Kategorienvergleichs mit hoher Verarbeitungstiefe anhand vieler Schemaattribute. Ist das Involvement hingegen gering, werden im Rahmen einer peripheren Beurteilung des Markentransfers nur die hervorstechenden Markenschemaattribute zur Markentransferbeurteilung herangezogen (z.B. Esch et al. 2005). Die Ausführungen verdeutlichen, dass sich Einstellungstheorien und gedächtnispsychologische Theorien ergänzen und somit die Abgrenzung der beiden Ansätze fließend ist. So lassen sich wesentliche Elemente beziehungsweise Annahmen einstellungstheoretischer Ansätze, beispielsweise des Imagetransfermodells von Schweiger (1982), in den gedächtnispsychologischen Ansätzen finden und umgekehrt.

4

Empirische Befunde zum Markentransfererfolg

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Risiken von Markentransferstrategien (vgl. Kapitel 2) hat sich die empirische Markentransferforschung intensiv mit der Analyse potenzieller Einflussgrößen des Markentransfererfolges beschäftigt. Grundlage der empirischen Untersuchungen bilden unterschiedliche Forschungskonzeptionen. Zumeist erfolgt eine theoriegestützte Ableitung von Hypothesen zur Wirkung spezifischer Erfolgsfaktoren von Markentransfers (z.B. Qualitätseinschätzung bzw. Imagestärke der Muttermarke oder Fit zwischen Muttermarke und Transferprodukt) auf einer nicht-monetären Ebene (vgl. Kapitel 3). Insgesamt wurden seit 1985 über 60 empirische Studien zur Wirkung von Markentransfer-Erfolgsfaktoren veröffentlicht (vgl. z.B. die Übersichten bei Völckner 2003; Völckner und Sattler 2006a; Zatloukal 2002). Üblicherweise beruhen die Studien auf einer Befragung von Konsumenten hinsichtlich ihrer Einstellung zu hypothetischen, das heißt bisher nicht in den Markt eingeführten Markentransfers (z.B. Aaker und Keller 1990; Boush und Loken 1991; Broniarczyk und Alba 1994; Collins-Dodd und Louviere 1999; Klink und Smith 2001; Kirmani, Sood und Bridges 1999; Lane 2000; Rangaswamy, Burke und Oliva 1993). Lediglich einige 60

Markentransfer: Der Stand der Forschung

wenige Untersuchungen betrachten real im Markt existierende Markentransfers (z.B. Kim und Sullivan 1998; Lane und Jacobson, 1995; Reddy, Holak und Bhat 1994; Smith und Park 1992; Swaminathan, Fox und Reddy 2002; Völckner und Sattler 2006a, 2006b). Von den Untersuchungen, in denen hypothetische Markentransfers als Stimuli eingesetzt werden, verwenden circa 80 Prozent tatsächlich existierende Muttermarken. Die übrigen 20 Prozent betrachten hypothetische Muttermarken, die den Testpersonen durch entsprechende Beschreibungen vorgestellt werden. In einem solchen Fall hat der Untersuchungsaufbau einen stark hypothetischen Charakter und schränkt damit die externe Validität der Befunde ein. Bei den befragten Versuchspersonen handelt es sich überwiegend um Studenten oder Universitätsangestellte. Auch hierdurch ist die externe Validität der Befunde eingeschränkt. Zur Messung des Markentransfererfolges wird überwiegend die Qualitätseinschätzung oder die Kaufwahrscheinlichkeit des hypothetischen Transferproduktes beziehungsweise eine Kombination aus diesen beiden Größen verwendet. Diese Erfolgsmaße dienen dann als abhängige Variable und die Erfolgsfaktoren als unabhängige Variablen im Rahmen von Regressions-, Varianz- oder Kausalanalysen. Dabei werden fast ausschließlich Partialanalysen durchgeführt, das heißt in den Studien wird nur ein relativ kleiner Teil der potenziell relevanten Erfolgsfaktoren untersucht. Aussagen zur relativen Bedeutung der Erfolgsfaktoren sind auf diese Weise kaum möglich beziehungsweise bleiben auf die in der jeweiligen Studie betrachteten Erfolgsfaktoren beschränkt. Die Ergebnisse dieser Studien ermöglichen aber eine erste Identifikation der potenziellen Erfolgsfaktoren von Markentransfers. Eine simultane Analyse einer Vielzahl potenzieller Einflussgrößen des Markentransfererfolges erfolgt erstmals in den Untersuchungen von Sattler, Völckner und Zatloukal (2003) sowie Völckner und Sattler (2006a, 2006b). Wesentliche empirische Befunde der Markentransferforschung werden im Folgenden dargestellt. Eine Übersicht über die wichtigsten von der empirischen Forschung identifizierten Einflussfaktoren des Markentransfererfolges ist in Abbildung 4-1 zusammengestellt. Von den in Abbildung 4-1 aufgeführten Einflussgrößen gehören die Muttermarkenstärke und die wahrgenommene Ähnlichkeit (der „Fit“) zwischen Muttermarke und Transferprodukt zu den von der bisherigen empirischen Forschung besonders häufig betrachtete Erfolgsdeterminanten. Konsumenten nutzen oftmals ihre mit einer Marke verbundenen Kenntnisse und Vorstellungen als Qualitätsindikator, das heißt sie schließen von dem Markennamen auf die Ausprägung der Eigenschaften eines unter der Marke neu angebotenen Produktes. Auf diese Weise reduzieren sie durch den Kauf einer bekannten und als qualitativ hochwertig eingeschätzten Marke ihr wahrgenommenes Kaufrisiko. Wird ein neues Produkt unter einem etablierten Markennamen eingeführt, so ist zu vermuten, dass bisherige (Qualitäts-)Assoziationen hinsichtlich der Muttermarke zu einem gewissen Grad auf das neue Produkt übertragen werden. Dabei ist gemäß den Erkenntnissen der Kategorisierungs- und Schematheorie davon auszugehen, dass Konsumenten ihre Assoziationen hinsichtlich

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Henrik Sattler und Franziska Völckner

der Muttermarke eher auf das Neuprodukt übertragen, wenn sie zwischen diesem und der Muttermarke eine Ähnlichkeit (d.h. einen „Fit“) wahrnehmen.

Abbildung 4-1:

Einflussfaktoren des Markentransfererfolges (Quelle: Sattler und Völckner 2006)

Transfermarkt

Konsumenten Muttermarkenerfahrung Muttermarkeninvolvement Empfundenes Kaufrisiko Einstellung gegenüber Neuem Produktinvolvement

Qualitätsunterschiede Kenntnisstand Konsumenten

Markentransfererfolg Unternehmen

Muttermarke (MM) Qualitätswahrnehmung Historie Markentransfers

Marketingkompetenz Unternehmensgröße Transferprodukt (TP)

Beziehung zwischen MM und TP

Handelsakzeptanz Kommunikative Unterstützung

Fit Art der transferierten Informationen

Die Befunde der zahlreichen empirischen Studien zum Einfluss der Muttermarkenstärke und des wahrgenommenen Fit zwischen Muttermarke und Transferprodukt auf den Markentransfererfolg sind allerdings nicht eindeutig. Betrachtet man zum Beispiel die Studie von Aaker und Keller (1990) und ihre sechs Replikationsstudien von Sunde und Brodie (1993), Nijssen und Hartmann (1994), Holden und Barwise (1995), Bottomley und Doyle (1996), Nijssen und Bucklin (1998) sowie Lye, Venkateswarlu und Barrett (2001), so zeigt sich, dass hinsichtlich der Erfolgsfaktoren „Fit zwischen Muttermarke und Transferprodukt“ und „Muttermarkenstärke“ nicht eindeutig ermittelt werden kann, ob sie einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg eines Transferproduktes ausüben oder nicht. Die betreffenden Studien kommen jeweils zu unterschiedlichen Ergebnissen. Hier ist zu vermuten, dass andere in den Studien nicht betrachtete potenzielle Erfolgsfaktoren die Ursache für die widersprüchlichen Befunde sind.

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Markentransfer: Der Stand der Forschung

Im Rahmen der bislang umfassendsten empirischen Untersuchung zum Markentransfererfolg analysieren Sattler, Völckner und Zatloukal (2003) sowie Völckner und Sattler (2006a, 2006b) die in Abbildung 3-2 aufgeführten Erfolgsfaktoren erstmals simultan. Grundlage der Untersuchung bilden unter anderem zwei Konsumentenbefragungen hinsichtlich hypothetischer Markentransfers (n = 917 Probanden, 90 Prozent Studenten) und realer im Markt existierender Transferprodukte (n = 2.426 Probanden, deutschlandweit repräsentative Quotenstichprobe von Käufern kurzlebiger Konsumgüter). Im Mittelpunkt der Studien stehen die folgenden Forschungsfragen: 1. Welche relative Bedeutung kommt den einzelnen Erfolgsfaktoren bei der Erklärung des Markentransfererfolges zu? 2. Welche Beziehungsstrukturen bestehen zwischen den Erfolgsfaktoren? 3. In welchem Maße unterscheiden sich die Wirkungen der Faktoren zwischen Produktgruppen? 4. Lassen sich die Befunde zur relativen Bedeutung der Erfolgsfaktoren über unterschiedliche Typen von Muttermarken generalisieren? 5. Gibt es Unterschiede in der Erfolgsfaktorenwirkung zwischen Konsumentensegmenten? 6. Inwiefern lassen sich Befunde auf Basis hypothetischer Transferprodukte auf reale Markentransfers übertragen? 7. Inwiefern lassen sich Befunde auf Basis von Studentenstichproben auf NichtStudenten übertragen? Ad 1: Relative Bedeutung der Erfolgsfaktoren: Von den in Abbildung 3-2 aufgeführten Erfolgsfaktoren kristallisieren sich sechs Faktoren mit einer deutlich überdurchschnittlichen Bedeutung heraus. Dabei handelt es sich um den Fit beziehungsweise die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Muttermarke und Transferprodukt, die vom Konsumenten wahrgenommene kommunikative Unterstützung des Transfers (Werbedruck), die Handelsakzeptanz des Transferproduktes (gemessen als die vom Konsumenten wahrgenommene Erhältlichkeit des Transferprodukts im Handel), das Involvement der Konsumenten gegenüber der Muttermarke, die Intensität der Muttermarkenerfahrung und die wahrgenommene Muttermarkenqualität. Sämtliche übrigen Erfolgsfaktoren sind von eindeutig geringerer Relevanz. Des Weiteren zeigt sich, dass moderierende Effekte (d.h. Interaktionen zwischen den Einflussgrößen) nur eine untergeordnete Rolle spielen (Völckner und Sattler 2006a). Ad 2: Beziehungsgeflecht der Einflussfaktoren: Wie aus Abbildung 4-2 hervorgeht, erweisen sich neben den direkten Effekten der Einflussgrößen auf den Markentransfererfolg eine Reihe von Beziehungen zwischen den Einflussgrößen als statistisch

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Henrik Sattler und Franziska Völckner

signifikant.9 Die identifizierten Einflussgrößen üben somit neben einer direkten Wirkung verschiedene indirekte Effekte auf die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Markentransfers aus (Völckner und Sattler 2006a). So zeigt sich beispielsweise, dass der stärkste Bestimmungsfaktor des Markentransfererfolges, die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Muttermarke und Transferprodukt, durch die vom Konsumenten wahrgenommene Marketingunterstützung des Transferproduktes positiv beeinflusst werden kann. Empirische Studien zeigen in diesem Zusammenhang, dass insbesondere die Betonung gemeinsamer Merkmale von Muttermarke und Transferprodukt und die Hervorhebung der Relevanz bestimmter Muttermarkenassoziationen in der Transferproduktkategorie im Rahmen kommunikativer Maßnahmen eine Erfolg versprechende Strategie sein kann (z.B. Bridges, Keller und Sood 2000). Die Marketingunterstützung für das Transferprodukt übt zudem einen positiven Effekt auf die Handelsakzeptanz aus (drittstärkster Bestimmungsfaktor). Der durch eine hohe Marketingunterstützung angeregte Bedarf führt in der Regel zu einer aktiven Nachfrage der Konsumenten beim Handel im Sinne eines Nachfragesogs. Der Handel sieht sich dadurch wiederum veranlasst, das Transferprodukt im Sortiment zu führen (z.B. Collins-Dodd und Louviere 1999).

Abbildung 4-2:

Beziehungsgeflecht der Erfolgsfaktoren von Markentransfers (Quelle: Völckner und Sattler 2006a)

Muttermarkenqualität

Muttermarkenerfahrung

Muttermarkeninvolvement

n.s.

0,30** 1** 0,1

0, 0

5*

0,13**

* 6* 0,5

-0,25**

**

Markentransfererfolg

* 6* 0,4

0,40**

9** 0,0

64

0,23**

* 0,14*

Wahrgenommener Werbedruck TP

9

Wahrgenommene Erhältlichkeit TP 0,3 0

n.s.

Historie Markentransfers

Empfundenes Kaufrisiko

**

n.s. 4** 0,7

0,64**

0,1 1

Fit

Einstellung gegenüber Neuem

** 06 0,

** p < 0,01 * p < 0,05 n.s.: nicht signifikant

Zur Operationalisierung der Erfolgsfaktoren vgl. Völckner und Sattler (2006a).

Markentransfer: Der Stand der Forschung

Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass die vom Konsumenten wahrgenommene Handelsakzeptanz positiv vom wahrgenommenen Fit beeinflusst wird. Auch diese Beziehung erscheint plausibel, da der Handel insbesondere bei einem hohen Fit Gefahr läuft, durch eine lediglich partielle Listung von Produkten der Muttermarke beim Konsumenten den Eindruck zu erwecken, dass sein Sortiment unvollständig sei. Des Weiteren lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass auch bei Absatzmittlern ein Bekanntheits- und Imagetransfer realisiert werden kann (z.B. Collins-Dodd und Louviere 1999), beispielsweise im Hinblick auf die Verbraucherakzeptanz von Produkten der Muttermarke. So konnte zwar kein signifikanter Effekt der Muttermarkenqualität auf die Handelsakzeptanz nachgewiesen werden, die Befunde zeigen jedoch eine signifikant positive Wirkung der Historie vorangegangener Markentransfers auf die Handelsakzeptanz. Schließlich kann eine signifikant positive Wirkung der Historie vorangegangener Markentransfers auf die wahrgenommene Qualität der Muttermarke festgestellt werden (Völckner und Sattler 2006a). Auch dieser Befund erscheint plausibel, da mit jedem Markentransfer eine Erweiterung beziehungsweise Veränderung des Markenwissens um Informationen zum jeweiligen Transferprodukt erfolgt. Die Wissensstruktur einer Marke wird somit auch durch die Schemastrukturen der unter der Marke angebotenen Produkte geprägt. Weitere signifikante und substanzielle indirekte Effekte ergeben sich über die wahrgenommene Qualität der Muttermarke für die beiden Faktoren Muttermarkeninvolvement und Muttermarkenerfahrung. Auffallend ist die Veränderung der relativen Bedeutung einzelner Erfolgsfaktoren bei einer Berücksichtigung von indirekten Einflüssen auf das Zielphänomen. So sinkt beispielsweise die relative Bedeutung der Handelsakzeptanz (d.h. der wahrgenommenen Erhältlichkeit des Transferprodukts) um gut 1/4 von 21 Prozent auf 13 Prozent und die des wahrgenommenen Fit um etwa 1/5 von 32 Prozent auf 29 Prozent. Ein eklatanter Unterschied ergibt sich hinsichtlich der relativen Bedeutung des Faktors „Marketingunterstützung“ (wahrgenommener Werbedruck). Bei alleiniger Betrachtung der direkten Effekte ergibt sich eine relative Bedeutung von 9 Prozent. Diesem Wert steht ein Bedeutungsgewicht von 23 Prozent bei Berücksichtigung der totalen (= direkte und indirekte) Effekte gegenüber (Völckner und Sattler 2006a). Einfache einstufige Erklärungsmodelle laufen somit Gefahr, die relative Bedeutung der betrachteten Einflussgrößen erheblich zu unter- oder zu überschätzen. Dies ist insofern problematisch, da die Gefahr einer Fehleinschätzung des Markentransfererfolges besteht. Konnte beispielsweise für eine bestimmte Einflussvariable kein signifikanter direkter Effekt nachgewiesen werden, so würde man diese im Rahmen einstufiger Erklärungsmodelle aus der Erfolgsprognose ausschließen. Unberücksichtigt bleibt hier, dass der betrachtete Faktor möglicherweise über andere Erfolgsfaktoren einen signifikanten Einfluss auf die Erfolgschancen eines Markentransfers ausübt. Des Weiteren erlaubt die Betrachtung des Beziehungsgeflechts der Einflussvariablen untereinander eine Identifikation der wesentlichen Stellgrößen zur Beeinflussung der direkt wirkenden Erfolgsfaktoren.

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Henrik Sattler und Franziska Völckner

Ad 3: Unterschiede zwischen Produktgruppen: Eine vergleichende Analyse der Erfolgsfaktorenwirkungen in verschiedenen Produktgruppen des kurzlebigen Konsumgüterbereichs zeigt, dass wesentliche Befunde der bisherigen Forschung über Warengruppen hinweg generalisierbar sind. Unabhängig von der Produktgruppe kann ein signifikant positiver direkter Effekt der Faktoren Markeninvolvement, Handelsakzeptanz, Marketingunterstützung und Fit auf den Markentransfererfolg nachgewiesen werden. Auch die wesentlichen Beziehungen zwischen den Erfolgsfaktoren lassen sich über Produktgruppen hinweg generalisieren. Darüber hinaus besteht hinsichtlich der relativen Bedeutung der Erfolgsfaktoren innerhalb der einzelnen Produktgruppen eine hohe Gemeinsamkeit. Die Befunde bestätigen allerdings auch die Vermutung, dass der Einfluss mehrerer Faktoren innerhalb der einzelnen Produktgruppen variiert. So ist z.B. die Qualität der Muttermarke in der Produktkategorie Koch-, Back- und Bratzutaten von besonderer Bedeutung, während die Handelsakzeptanz bei Süßwaren von wesentlicher Bedeutung ist. In keiner Produktgruppe können die Ergebnisse der Gesamtanalyse exakt repliziert werden (Völckner und Sattler 2006a, 2006b). Im Rahmen einer Detailanalyse potenzieller Markentransfers empfiehlt es sich folglich, warengruppenspezifische Wirkungen der Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen. Ad 4: Unterschiede zwischen Muttermarkentypen:10 Ähnlich wie bei den Produktgruppenanalysen zeigt sich auch bei einer Analyse über verschiedene Muttermarkentypen hinweg, dass die Erfolgswirkung wesentlicher Einflussgrößen über Muttermarken weitgehend generalisierbar ist. Teilt man die betrachteten Marken beispielsweise gemäß ihrer aus Konsumentensicht wahrgenommenen Markenpersönlichkeit (Aaker 1997) in zwei Gruppen (Völckner und Sattler 2006b) ein und nimmt dann die jeweiligen Analysen separat für die beiden Gruppen vor, so ergeben sich relativ geringe (wenn auch signifikante) Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich der Wirkung der Erfolgsfaktoren. Insbesondere zeigt sich, dass die Qualität der Muttermarke und der Fit über alle betrachteten Marken hinweg die dominierenden Erfolgsfaktoren sind. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bei einer vergleichenden Analyse von prestigeorientierten und funktionalorientierten Marken (Völckner und Sattler 2006b). Ad 5: Unterschiede zwischen Konsumentensegmenten: Im Gegensatz zu den Analysen über verschiedene Muttermarken und Produktgruppen hinweg zeigen sich bei einer Analyse auf Konsumentensegmentebene deutliche Unterschiede in den Wirkungen der Erfolgsfaktoren. Im Ergebnis können über ein Finite-Mixture-Modell drei Klassen identifiziert werden, die in sich jeweils weitgehend homogene Bedeutungsgewichte für die einzelnen Erfolgsfaktoren aufweisen, wohingegen zwischen den drei Konsumentensegmenten deutliche Unterschiede auftreten. So dominiert im ersten Segment 10

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Die Ergebnisse zu Muttermarkentypen, Konsumentensegmenten und realen versus hypothetischen Transferprodukten basieren teilweise auf einstufigen Auswertungen, während die Ergebnisse unter Ad 1 und Ad 2 auf komplexeren Kausalstrukturen basieren.

Markentransfer: Der Stand der Forschung

(ca. 53 Prozent der Stichprobe) eindeutig die wahrgenommene Qualität der Muttermarke, mit deutlichem Abstand gefolgt von den Faktoren Art der transferierten Informationen und Fit (vgl. auch Abbildung 3-1). Im zweiten Segment (ca. 26 Prozent) weist hingegen der Fit die eindeutig höchste Bedeutung auf, gefolgt von der deutlich weniger wichtigen wahrgenommenen Qualität der Muttermarke und nochmals klar weniger relevanten anderen Erfolgsfaktoren. Im dritten Konsumentensegment (ca. 21 Prozent der Stichprobe) sind die Faktoren Fit und Muttermarkenstärke etwa gleich bedeutend. Je nach Konsumentensegment wirken die Erfolgsfaktoren also in deutlich unterschiedlicher Weise (Völckner und Sattler 2005). Ad 6: Hypothetische versus reale Transferprodukte: Der weitaus größte Teil der empirischen Studien zum Markentransfererfolg basiert auf einer Betrachtung von für den Untersuchungszweck konstruierten, hypothetischen Transferprodukten. Ein Problem dieser Vorgehensweise kann darin bestehen, dass durch die Verwendung hypothetischer Markentransfers der Umfang der zur Transferproduktbeurteilung zur Verfügung stehenden Informationen stark begrenzt wird. Ein wesentlicher Unterschied zwischen realen und hypothetischen Markentransfers besteht darin, dass das Antwortverhalten der Befragten im Hinblick auf die Beurteilung des Markentransfers bei realen Transfers aufgrund eigener Erfahrungen gebildet wird, bei hypothetischen hingegen auf vom Forscher vorgegebenen Beschreibungen beruht. In der jüngeren Vergangenheit ist wiederholt die Vermutung geäußert worden, dass insbesondere die herausragende Bedeutung des Fit zwischen Muttermarke und Transferprodukt auf die Verwendung hypothetischer Untersuchungsprodukte zurückzuführen ist (z.B. Klink und Smith 2001, S. 326f; Swaminathan, Fox und Reddy 2001, S. 1f). Durch die Verwendung hypothetischer Transferprodukte stehen den Probanden zur Markentransferbeurteilung lediglich der Name der Muttermarke und die Transferproduktkategorie als Information zur Verfügung. Die Befragten sind demzufolge darauf angewiesen, von den verfügbaren Informationen auf die Qualität des Transferproduktes zu schließen (z.B. Wernerfelt 1988, S. 459; Klink und Smith 2001, S. 328). In der Realität können Konsumenten jedoch auf deutlich mehr Informationen zurückgreifen (z.B. Werbung, Produktverpackung, Testberichte, Erfahrungen Dritter oder eigene Produkterfahrung), wodurch sich die Notwendigkeit verringert, von Faktoren wie Markenname oder Fit auf die Qualität des Transferproduktes zu schließen (Dacin und Smith 1994, S. 241). Weiterhin ist davon auszugehen, dass Konsumenten in der Realität typischerweise wiederholt mit einem neuen Transferprodukt in Berührung kommen, wodurch die Wahrnehmung einer Zusammengehörigkeit von Muttermarke und Transferprodukt aus Konsumentensicht erleichtert wird (Klink und Smith 2001). Die Bedeutung des Fit für die Transferproduktbeurteilung sollte hierdurch ebenfalls sinken. Die Existenz eines solchen Untersuchungsdesign-Bias wird in der Studie von Völckner und Sattler (2006b) erstmals explizit getestet. Zwischen den Analysen auf Basis realer (d.h. in der Vergangenheit tatsächlich in den Markt eingeführter Transfers) und hypothetischer Transferprodukte (d.h. bisher nicht in den Markt eingeführter Transfers)

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Henrik Sattler und Franziska Völckner

zeigen sich nur geringe Unterschiede. Der vermutete Untersuchungsdesign-Bias kann nicht bestätigt werden. Dieser Befund lässt darauf schließen, dass Untersuchungsergebnisse auf Basis hypothetischer Markentransfers auf reale Markentransfers zu wesentlichen Teilen übertragen werden können. Ad 7: Studentenstichproben versus Konsumentenstichproben: Eine vergleichende Analyse der Erfolgsfaktorenwirkungen zwischen Studentenstichproben und Konsumentenstichproben zeigt schließlich, dass wesentliche Befunde der bisherigen Forschung auf Nicht-Studenten übertragbar sind (Völckner und Sattler 2006b). Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, dass der überwiegende Teil der bisherigen Forschung auf Studentenstichproben basiert.

5

Fazit

Dieser Beitrag gibt einen Überblick zum State-of-the-Art der Markentransferforschung. Es werden Chancen und Risiken der Markentransferstrategie systematisiert, Forschungskonzeptionen zur Erklärung und Analyse von Markentransfers erläutert und empirische Befunde der bisherigen Forschung ausführlich erörtert. Als wesentliche Befunde sind folgende Punkte festzuhalten:

Von herausragender Bedeutung für den Erfolg von Markentransfers sind der Fit beziehungsweise die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Muttermarke und Transferprodukt und die wahrgenommene Muttermarkenqualität, darüber hinaus aber auch die kommunikative Unterstützung des Transfers (Werbedruck), die Handelsakzeptanz des Transferproduktes, das Involvement der Konsumenten gegenüber der Muttermarke und die Intensität der Muttermarkenerfahrung.

Die identifizierten Erfolgsfaktoren üben neben einer direkten Wirkung verschiedene indirekte Effekte auf die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Markentransfers aus. Durch die Vernachlässigung indirekter Effekte kann es zu erheblichen Fehlinterpretationen kommen.

Zwischen Produktgruppen kurzlebiger Konsumgüter sowie Typen von Muttermarken kann die Wirkung der Erfolgsfaktoren variieren, die dominierende Relevanz der Faktoren Fit und Qualitätseinschätzung der Muttermarke bleibt jedoch weitgehend erhalten. Wesentliche Unterschiede treten hingegen in der Wirkung zwischen alternativen Konsumentensegmenten auf. Trotz der intensiven empirischen Forschungsanstrengungen verbleiben – gerade vor dem Hintergrund der erheblichen Relevanz und Unsicherheit in der Unternehmenspraxis – verschiedene zukünftige Forschungsfelder.

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Markentransfer: Der Stand der Forschung

Ein wichtiges Aufgabenfeld liegt in der weiteren systematischen Forschung zur Generalisierbarkeit von Befunden der bisherigen Markentransferstudien. So lassen sich Forschungsbefunde nur dann sinnvoll in der Unternehmenspraxis einsetzen, wenn sie hinreichend generalisierbar sind. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Ziel der Generalisierung von Ergebnissen und damit auch der breiten empirischen Fundierung der theoretischen Basis zentrale Relevanz. In einem engen Zusammenhang mit der Frage nach der Generalisierbarkeit beziehungsweise Stabilität von Forschungsbefunden steht die Forderung, Studien der bisherigen Markentransferforschung zu replizieren. Während in anderen Disziplinen – beispielsweise in den Naturwissenschaften – Replikationsstudien weit verbreitet sind, werden in der Betriebswirtschaftslehre bislang nur sehr vereinzelt Replikationen durchgeführt. Eine nennenswerte Ausnahme bildet im Marketing und speziell im Bereich der Markentransferforschung die Studie von Aaker und Keller (1990) und ihre Replikation durch Sunde und Brodie (1993), Nijssen und Hartmann (1994), Holden und Barwise (1995), Bottomley und Doyle (1996), Nijssen und Bucklin (1998) sowie Lye, Venkateswarlu und Barrett (2001). Diese Studien bestätigen nachdrücklich die Notwendigkeit von Replikationen in der Markentransferforschung. In zukünftigen Forschungsarbeiten sollte darüber hinaus eine Weiterentwicklung von Technologien zur Entscheidungsunterstützung in konkreten Einzelfällen vorgenommen werden. Ein solches Entscheidungsunterstützungssystem wird beispielsweise von Sattler (1998) vorgeschlagen. Neben den in Kapitel 4 diskutierten Einflussgrößen erscheinen weitere bislang noch nicht empirisch untersuchte Erfolgsfaktoren plausibel. So ist zu vermuten, dass wettbewerbs- und transferproduktbezogene Faktoren, wie zum Beispiel die Wettbewerbsintensität auf dem Markt des Transferproduktes und der wahrgenommene Nutzen des Markentransfers, ebenfalls eine wichtige Rolle spielen (vgl. auch Smith und Park 1992). Auch der Einfluss der Marketing-Mix-Unterstützung wurde bislang erst ansatzweise untersucht, wobei in erster Linie der Werbedruck betrachtet wurde. Zukünftige Forschungsarbeiten sollten hier eine deutlich breitere Betrachtung der Marketing-MixInstrumente vornehmen. Die bisherigen Studien nehmen entweder eine Single-Item-Messung der Erfolgsfaktoren vor oder operationalisieren die Konstrukte über reflektive Indikatoren, das heißt über im Prinzip austauschbare Indikatoren. Zukünftige Forschungsarbeiten sollten neue, insbesondere formative Konstruktoperationalisierungen vornehmen und auf diese Weise die unterschiedlichen Facetten der Erfolgsfaktoren detailliert erfassen. So kann beispielsweise das Konstrukt Fit durch die Ähnlichkeit der Produkteigenschaften von Muttermarke und Transferprodukt, die Ähnlichkeit des wahrgenommenen Qualitätsniveaus von Muttermarke und Transferprodukt, die vermutete Herstellungskompetenz, die Markenkonzeptkonsistenz, die Komplementarität von Muttermarke und Transferprodukt, die Substituierbarkeit der Produkte und durch den Fit zwischen Muttermarkenimage und Transferproduktimage gebildet werden. Bei diesen Indi-

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Henrik Sattler und Franziska Völckner

katoren handelt es sich um ein formatives Messmodell. Aus Praxissicht sind formative Konstruktoperationalisierungen wichtig, da sie detaillierte Aussagen über die Stellgrößen zur Beeinflussung des Markentransfererfolges erlauben. Weiterer Forschungsbedarf besteht darüber hinaus im Hinblick auf neue Bereiche des Markentransfers, das heißt hinsichtlich der Dehnung von Marken jenseits von neuen Produkten. Hierunter fallen insbesondere die Ausdehnung einer Marke auf neue geographische Märkte, neue Distributionskanäle und neue Zielgruppen. Spezifische Erfolgsfaktoren von geographischen Markendehnungen oder markeninduzierten Distributionskanalexpansionen sowie markeninduzierte Effekte im Rahmen der Erschließung neuer Kundensegmente wurden bislang so gut wie gar nicht betrachtet. Schließlich hat sich die bisherige Forschung primär mit Markentransfers im kurzlebigen Konsumgüterbereich beschäftigt. Interessant wäre es zu untersuchen, inwiefern sich die hier ermittelten Befunde auf andere Bereiche wie langlebige Konsumgüter und Dienstleistungen übertragen lassen. Ähnlich wie bei kurzlebigen Konsumgütern stellen Markentransfers auch bei Dienstleistungen die eindeutig dominierende Markenstrategie dar.

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Markentransfer: Der Stand der Forschung

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75

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

Andreas Strebinger und Thomas Otter11

Wer glaubt noch an bekannte Marken? Zur Struktur des Markenbewusstseins bei schnell drehenden Konsumgütern

1

Problemstellung................................................................................................................ 79 1.1 Handelsmarken aus der strategischen Perspektive des Handels ..................... 79 1.2 Handelsmarken aus konsumentenorientierter Perspektive .............................. 83

2

Die Struktur des kognitiven Markenbewusstseins in Abhängigkeit vom erlebten Risiko ................................................................................................................. 85

3

Empirische Studie ............................................................................................................ 88 3.1 Struktur des Samples und Messungen................................................................. 88 3.2 Test der Generalisierbarkeit der Ergebnisse vorangegangener Studien .......... 89 3.3 Test der Annahme unbeobachteter Heterogenität in Mittelwert- und Kovarianzstruktur................................................................................................... 91 3.4 Test des Mischungsmodells und Vergleich mit konkurrierenden Modellen................................................................................................................... 92 3.5 Profile der latenten Klassen ................................................................................... 94 3.5.1 Modellzugehörigkeit und soziodemographische Variablen................. 95 3.5.2 Modellzugehörigkeit und psychographische Variablen........................ 97

4

Zusammenfassung und Diskussion............................................................................... 98 4.1 Kernbefunde und Einschränkungen .................................................................... 98 4.2 Schlussfolgerungen für die Praxis ........................................................................ 99

11

Die Autoren danken dem Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) für die finanzielle Unterstützung dieser Forschungsarbeit.

77

Andreas Strebinger und Thomas Otter

Abstract

Einem im langjährigen Vergleich starken Anwachsen des Marktanteils von Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel steht auf Seiten des Konsumenten ein ebensolches Sinken der Überzeugung gegenüber, dass bekannte Marken überlegen sind. Unter Verwendung finiter Mischungen von Strukturgleichungsmodellen für ein allgemeines Konsumentensample untersucht der vorliegende Beitrag die Struktur des kognitiven Markenbewusstseins. Die Daten bestätigen die Vermutung, dass lediglich eine Minderheit der Konsumenten über ein allgemeines Markenbewusstsein verfügt, wohingegen die Mehrheit der Konsumenten nur in risikobehafteten Situationen markenbewusst denkt. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion der praktischen Implikationen dieser Befunde für die Markenartikelindustrie und den klassischen Lebensmitteleinzelhandel.

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Wer glaubt noch an bekannte Marken?

1

Problemstellung

Gerade im Bereich kurzlebiger Konsumgüter (Fast-Moving Consumer Goods, FMCG) sehen sich die Hersteller bekannter und traditionsreicher Marken einer im langjährigen Vergleich stark wachsenden Konkurrenz durch Eigenmarken des Handels (auch: „Handelsmarken“) gegenüber (Twardawa 2004, Weinberg und Diehl 2001). Auch wenn die Angaben je nach Quelle, Untersuchung und Abdeckung von Handelsketten schwanken, haben sich Handelsmarken (inklusive der Eigen- bzw. Exklusivmarken wichtiger Diskonter) im Bereich schnell drehender Konsumgüter in Westeuropa und Nordamerika einen hohen wertmäßigen Marktanteil erarbeitet, der in Deutschland laut einer ACNielsen-Studie von 2005 im Durchschnitt über 80 Produktkategorien in 14 Produktbereichen bei 30 Prozent, in Österreich (ohne Lidl) bei 14 Prozent und in der Schweiz bei 45 Prozent liegt. Die bisherige Forschung nähert sich dieser Thematik von zwei Seiten: zum einen durch eine Analyse der strategischen Konsequenzen dieser Entwicklung für die beteiligten Unternehmen, insbesondere die Handelsunternehmen, zum anderen aus einer konsumentenorientierten Perspektive mit der Frage, welche Käufer aus welchen Motiven heraus in welchen Situationen zu Handelsmarken greifen.

1.1

Handelsmarken aus der strategischen Perspektive des Handels

Aus strategischer Sicht verbindet der klassische Lebensmitteleinzelhandel (LEH), wie Befragungen unter Entscheidern wiederholt gezeigt haben (Bruhn 2000, S. 14ff, Hammann, Tebbe und Braun 1996, S. 262f, Koppe 2003, S. 86f, Sattler 2001, S. 117ff, Schenk 1997, S. 82f), mit Handelsmarken eine Vielzahl von Zielen, darunter vor allem

eine Stärkung der Einzigartigkeit des Sortiments, wodurch eine größere Differenzierung vom unmittelbaren Mitbewerb, Betriebstypen (Diskontern) erreicht werden soll,

aber

auch

von

anderen

die Unterstützung des Preiswürdigkeitsimages, welche insbesondere der Abwehr von Diskontern dient,

eine Verbesserung des Qualitätsimages des Unternehmens und eine stärkere Kundenbindung,

höhere Spannen bei den Handelsmarken und dadurch eine Ertragssteigerung, eine größere Unabhängigkeit von den Herstellern, welche einerseits durch die Verfügungsgewalt über die Marke, andererseits durch den Aufbau von Know-how

79

Andreas Strebinger und Thomas Otter

im eigenen Unternehmen gestützt wird (z.B. Markentechnik, Einblick in die Kalkulationsgrundlagen der Hersteller u.a.) sowie

ein innerorganisatorisches Zusammenwachsen in Verbundgruppen des Handels, da gemeinsam genutzte Eigenmarken als „organisatorisches Bindemittel“ das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Kooperationspartnern kräftigen kann. Innerhalb dieser Ziele ist, wie Schweiger und Strebinger (2003) ausführen, in zweifacher Hinsicht zu differenzieren: Zum einen hat sich das Ziel eines „verbesserten Preiswürdigkeitsimages“ durch Handelsmarken in Händlerbefragungen zwar wiederholt als im Durchschnitt am wichtigsten erwiesen (Koppe 2003, S. 107ff, Sattler 2001, S. 118), doch gibt es zwischen den Handelsunternehmen deutliche Unterschiede in der Akzentsetzung: Für manche Handelsunternehmen steht beispielsweise die Erhöhung der Kundenbindung und die Verbesserung des Images durch ihre Eigenmarken im Vordergrund. Zum anderen lässt sich nicht jedes Ziel mit jeder Handelsmarke gleichermaßen gut verfolgen. Eine nützliche Einteilung kategorisiert Handelsmarken in drei Typen (z.B. Hammann, Tebbe und Braun 1996, S. 260f):

Präferenz-Handelsmarken, auch Premium-Handelsmarken genannt (Koppe 2003, S. 69ff), basieren auf einem eigenständigen Positionierungskonzept und sind in der oberen Qualitätsklasse angesiedelt.

Imitationshandelsmarken, auch „Look-Alikes“ (Walsh 2002), „Äquivalenzmarken“ (Meffert 2002) oder – weniger freundlich – „Copy Cats“ (Kapferer 1995) genannt und zuweilen als „klassische Form“ der Handelsmarke betrachtet, streben bewusst eine Anlehnung an eine starke Herstellermarke an und imitieren dabei Funktion und Konsistenz dieser Herstellermarken, nicht selten auch deren äußere Form (vgl. Walsh 2002). Preislich positionieren sich solche „Look-Alikes“ spürbar unterhalb der imitierten Herstellermarke.

Diskonthandelsmarken (auch „Gattungsmarken“, Meffert 2002) werden im Einstiegspreisbereich positioniert und versprechen dem Konsumenten eine hinreichende Qualität ohne teure Extras. Sie dienen vor allem der Unterstützung des Preiswürdigkeitsimages des Handelsunternehmens und damit der Abwehr von Diskontern bei Käufe(r)n mit hoher Preissensibilität. Vor dem Hintergrund dieser Differenzierung steht die bisherige Forschung der Erreichung der von den Händlern genannten Ziele mit Skepsis gegenüber. Wie empirische Befunde aus Europa und den USA zeigen,

ist eine Differenzierung der Ladenmarke und eine Erhöhung der Kundenbindung nur über Premium- bzw. Präferenz-Handelsmarken, nicht aber über Diskonthandelsmarken möglich (Koppe 2003, Lingenfelder und Lauer 2001, S. 121ff). Die beste Profilierung bietet immer noch ein kluges Sortiment an Herstellermarken (Lauer 2003).

80

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

Diskonthandelsmarken könnten zudem die Kunden nicht von den Diskontern fernhalten, sondern – im Gegenteil – eher an diese heranführen. So wechselt der Euro mit dem Wechsel von Hersteller- zu Handelsmarke gleich den Laden, wie Twardawa (2004) auf Basis von Daten zum realen Kaufverhalten deutscher Konsumenten feststellt: 80 Prozent des Handelsmarkenwachstums gehen auf das Konto eines Einkaufsstättenwechsels (in Deutschland meist zu Aldi) und nur 20 Prozent auf einen Wechsel von Herstellermarke zu Handelsmarke innerhalb der gewohnten Einkaufsstätte. Die geringere Einkaufstättentreue von Heavy-Usern von Handelsmarken wurde wiederholt auch in den USA festgestellt (Ailawadi und Harlam 2004, Ailawadi, Neslin und Gedenk 2001). Schließlich erbrachten die bisher veröffentlichten Untersuchungen auch zur relativen Profitabilität von Handelsmarken überwiegend kritische Befunde (Noble, Sinha und Kumar 2002, vgl. dazu auch Sattler 2001, S. 124, Vanderhuck 2001) und bestätigten damit die in der Markenartikelindustrie weit verbreitete Ansicht, dass der LEH bei seinen eigenen Marken in der Kostenrechnung deutlich großzügiger kalkuliert als bei Herstellermarken (Koppe 2003, S. 121f, Quelch und Harding 1999, vgl. auch Vanderhuck 2001, S. 127ff). Zwar gibt es in der Profitabilität von Handelsmarken starke Unterschiede nach Produktgruppen, wie US-Daten nahelegen: Je höher die Werbeintensität der Herstellermarken in der Produktgruppe, je höher der Marktanteil der eigenen Handelsmarke und je schwächer die Konkurrenz durch andere Handelsmarken, desto besser ist auch die Profitabilität der Handelsmarke relativ zur Profitabilität der Herstellermarken für das Handelsunternehmen in dem jeweiligen Produktbereich. Im Durchschnitt über viele Produktgruppen weisen die US-Befunde für Handelsmarken des LEH jedoch eine zwar im Vergleich zu Herstellermarken höhere Nettomarge, aber einen geringeren absoluten Nettogewinn für das Handelsunternehmen aus (Ailawadi und Harlam 2004, vgl. dazu auch Sattler 2001, S. 124). Dies scheint insbesondere für Diskonthandelsmarken zu gelten. Und auch in kundenorientierter Betrachtung sind die Heavy-User von Handelsmarken, zumindest den US-Daten zufolge, für den Handel keinesfalls die profitabelsten: Vielmehr weisen sie nicht nur eine geringere Ladentreue auf, sondern erbringen auch einen deutlich geringeren Deckungsbeitrag für das Handelsunternehmen auf als „Light-User“ von Handelsmarken, welche den überwiegenden Teil ihres Bedarfs durch Herstellermarken decken. Handelsmarken, die einfach nur billig sind, tragen somit nicht zur Differenzierung der Ladenmarke bei und sind in absoluten Zahlen oft nicht profitabler für den Handel als Herstellermarken. Eher bringt ein hoher Anteil billiger Eigenmarken ein Downgrading der Handelskette mit sich: ein größeres Stück von einem kleineren Kuchen, den im Übrigen „andere (Diskonter) womöglich noch günstiger oder ums gleiche Geld besser backen können“ (Strebinger 2004, S. 39). Ob Diskonthandelsmarken für den klassischen LEH schädlich oder ein notwendiges Übel zur Abwehr von Diskontern sind, hängt von der Interpretation des Befunds geringerer Ladentreue von Handelsmarkenkäufern ab: Machen Diskonthandelsmarken untreue Käufer, wie es die Daten von Twardawa

81

Andreas Strebinger und Thomas Otter

(2004) und Wildner (2003) nahelegen, oder kaufen ohnedies untreue Käufer günstige Handelsmarken, wie Ailawadi und Harlam (2004) ihre Daten interpretieren. Die in der Folge berichtete empirische Studie wird in dieser Frage Anhaltspunkte liefern. Anders die strategische Rolle von Premium-Handelsmarken, welche, wie die bisherige empirische Forschung darlegt (Corstjens und Lal 2000, Schweiger und Koppe 1996), zur Profilierung und Differenzierung der Ladenmarke, zur Verbesserung des Qualitätsimages und zur Erhöhung der Kundentreue beitragen können, sich für Konsument wie auch für das Handelsunternehmen jedoch praktisch wie klassische Markenartikel darstellen. Allerdings raten Schweiger und Strebinger (2003) aus strategischer Perspektive von einer undifferenzierten Ausweitung des Angebots solcher Premium-Handelsmarken ab, ist doch fraglich,

warum Handelsunternehmen, die vor großen Herausforderungen und Kapitalbedarf in ihrem eigenen Kerngeschäft stehen, in einer Vielzahl von Produktkategorien langfristig die besseren Markenartikel-Unternehmen sein sollen (vgl. dazu Lingenfelder und Lauer 2001) – schließlich müssen Präferenz-Handelsmarken ebenso wie Herstellermarken ständig innovieren, um erfolgreich zu sein (Twardawa 2004), wie umgekehrt Handelsmarken auch nur schwache, d.h. nicht innovative Herstellermarken bedrohen (Bruhn 2000, Wübbenhorst und Wildner 2002).

warum Präferenz-Handelsmarken, zumal solche kleinerer Handelsunternehmen (Müller-Hagedorn 1998, S. 439), in einer günstigeren Kostenposition sein sollen als starke, national distribuierte Herstellermarken, stellt man die notwendigerweise geringere Distributionsquote solcher Handelsmarken in Rechnung (vgl. MüllerHagedorn 2001, Sattler 2001, S. 126).12

wie sich ein Handelsunternehmen des klassischen LEH mittels PräferenzEigenmarken von anderen Unternehmen desselben Typs differenzieren können soll, solange es keine ausreichende Differenzierung der Ladenmarken gibt (Feldmann und Tiemann 2003, Hupp und Schuster 2000, o.V. 2002). Solange alle Unternehmen des klassischen LEH alles an alle verkaufen wollen, werden erfolgreiche Präferenz-Handelsmarken, wie etwa das österreichische Beispiel zeigt, in kürzester Zeit vom Mitbewerb kopiert. Im Ergebnis gleichen sich auch die Präferenz-Eigenmarken unterschiedlicher Handelsunternehmen aus Sicht des Konsumenten häufig wie ein Ei dem anderen. Daher empfehlen Strebinger und Schweiger (2003) den Handelsunternehmen, zunächst einmal die Positionierung ihrer eigenen Ladenmarke(n) sowie die dafür erforderlichen Unternehmensfähigkeiten zu schärfen und dann erst selektiv – d.h. in

12

82

Dieser Nachteil wird allerdings mit zunehmender Handelskonzentration geringer, sodass der Handelsmarkenanteil in Ländern mit größerer Handelskonzentration typischerweise höher ist als in Ländern mit geringerer (ACNielsen 2005).

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

Übereinstimmung mit den Kernwerten der Ladenmarke(n) – das Sortiment durch imageprägende Präferenz-Handelsmarken zu ergänzen.

1.2

Handelsmarken aus konsumentenorientierter Perspektive

Eng mit der strategischen Vorteilhaftigkeit von Handelsmarken für den LEH verbunden ist die Frage, welche Konsumenten aus welchen Motiven heraus in welchen Situationen verstärkt zu Handelsmarken greifen. Auch wenn es in der Frage der Charakteristika „typischer Handelsmarkenkäufer“ aufgrund der unterschiedlichen Typen von Handelsmarken schwer zu verallgemeinern ist, deuten doch mehrere Studien aus den USA darauf hin, dass die echten „Handelsmarken-Fans“ nicht überproportional in einkommensschwachen Bevölkerungsschichten zu finden sind (Ailawadi, Neslin und Gedenk 2001, Sethuraman 2003).13 Personen mit tatsächlich knappem Budget stellen sich vielmehr als Wechsler dar, die kaufen, was gerade günstig ist, d.h. entweder Herstellermarken im Angebot oder eben Handelsmarken (Ailawadi, Neslin und Gedenk 2001, vgl. auch Chetterjee, Heath und Basuroy 2000). Die echten „Handelsmarken-Fans“ kaufen diese hingegen aus Überzeugung: Sie sind preisbewusst, haben Selbstvertrauen, halten sich selbst für weniger impulsiv und „cleverer“ als der durchschnittliche Konsument (Ailawadi, Neslin und Gedenk 2001, Burton et al. 1998), und gehören US-amerikanischen Daten zufolge tatsächlich zu jenen Konsumenten, die in ihren Kaufentscheidungen gerne nachdenken (Bao und Mandrik 2002). Nicht von ungefähr spielen die Namen vieler Handelsmarken („Denk Mit“, „Clever“) auf genau dieses Motiv an. Eine Studie von Sethuraman (2003) zeigt jedoch, dass die Motivlage für die Entscheidung zwischen Handels- und Herstellermarken weiter gefasst zu analysieren ist: Anhand eines Samples von 350 US-amerikanischen Konsumenten konnte er im Bereich schnell drehender Konsumgüter nachweisen, dass eine Präferenz für „nationale Marken“ gegenüber Handelsmarken einerseits auf Unterschieden in der Qualitätswahrnehmung, andererseits auf Komponenten des Zusatznutzens (z.B. Prestige, emotionale Vertrautheit) beruhen kann.14 13

Die zuvor erwähnte Studie von ACNielsen (2005) erbringt zwar im Schnitt von 20 untersuchten europäischen Ländern einen höheren Bedarfsdeckungsanteil von Handelsmarken in Abhängigkeit vom Einkommen. Die gefundenen Unterschiede (niedriges Einkommen: rund 33%, hohes Einkommen: knapp unter 30%) rechtfertigen allerdings auch kein stereotypes Denken der Handelsmarke als Wahl „armer Leute“. 14 Für kurz- und langlebige Konsumgüter dokumentiert eine groß angelegte europäische Studie für Konsumenten aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien eine Mehrzahl von Motiven hinter einer Präferenz für bekannte Marken: Neben Qualitäts- und Sicherheitsaspekten stehen bekannte Marken auch für Wertedimensionen wie Elitarität der Markenverwender oder ein ethisches Verhalten auf Seiten der Unternehmen (Griese und

83

Andreas Strebinger und Thomas Otter

Die Unterscheidung zwischen Herstellermarken und Handelsmarken, auf welchen diese Studien aufbauen, ist der Gedankenwelt des Konsumenten allerdings fern. Er differenziert nicht nach dem Inhaber der Marken(nutzungs-)Rechte. Gerade das Aufkommen der oben beschriebenen Präferenz- oder Premium-Handelsmarken als „Handelsmarken der 4. Generation“ (Koppe 2003, S. 69ff), welche dem Konsumenten wie klassische Markenartikel gegenüber treten, verwischt aus Sicht des Konsumenten die Grenzen zwischen Handelsmarken und Herstellermarken. Für ihn stellt sich die Markenwahl im Bereich schnell drehender Konsumentgüter vielmehr als Entscheidung zwischen assoziationsreichen, über klassische Werbung allgemein bekannten und in aller Regel höherpreisig positionierten Markenartikeln einerseits und nicht oder kaum über klassische Medien beworbenen Marken mit deutlich günstigerem Preis dar (Heinlein und Woll 1990, Hupp und Hofmann 2002, Schweiger, Koppe und Kahr 1997).15 Die in der Folge berichtete empirische Untersuchung konzentriert sich daher auf diese Unterscheidung, welche nicht nur dem Denken des Konsumenten gerecht wird, sondern auch zum ursprünglichen Konzept der europäischen Forschung zum Markenbewusstsein zurückkehrt (Kapferer und Laurent 1983, Meffert und Bruhn 1984). Und auch betriebswirtschaftlich ist diese Unterscheidung die relevante, denn genau in dieser Entscheidung des Konsumenten zwischen assoziationsreichen, über klassische Werbung allgemein bekannten und in aller Regel höherpreisig positionierten Markenartikeln einerseits und nicht oder kaum über klassische Medien beworbenen Produkten mit deutlich günstigerem Preis liegt für das markenführende Unternehmen der Schlüssel zur Frage, ob sich die mitunter beträchtlichen Kosten der Führung einer Marke – sei es eine klassische Herstellermarken, sei es eine Präferenz-Handelsmarke – rentieren oder als zusätzlicher, vom Konsumenten nicht mit entsprechender Mehrpreisbereitschaft quittierter Kostenfaktor zur strategischen Belastung des Unternehmens werden (vgl. Rao und Bergen 1992). Einen der wichtigsten Einflussfaktoren in dieser Entscheidung bildet das Markenbewusstsein des Konsumenten, d.h. die Überzeugung, dass allgemein bekannte Marken weniger bekannten bzw. weniger oder nicht beworbenen Marken überlegen sind. Empirische Studien zeigen, dass diese Überzeugung seit vielen Jahren abnimmt (z.B. Brettschneider 2005, Esch 2005, S. 32ff, Seiwert 2003). Die Praxis hat die

Kilzer 1997). Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf den Qualitäts- und Sicherheitsaspekt. 15 Auf die mancherorts gepflegte terminologische Unterscheidung zwischen „Markenartikel“ und „Marke“ wird hier verzichtet, da ihr normatives Denken, zuweilen auch Wunschdenken zugrunde liegt. Viele Anbieter, die sich als „Markenartikel“ mit all seinen normativen Charakteristika (insb. gleichbleibender oder steigender Qualität) verstehen möchten, sind in den Augen der Konsumenten ganz einfach nur noch „bekannte Marken“ (mit möglicherweise sogar nachlassender Qualität). Ob zwischen Markenbekanntheit und Qualität in den Augen der Konsumenten ein Zusammenhang besteht, ist eine empirisch zu klärende Frage dieses Beitrags.

84

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

Bedeutung dieses Einflussfaktors längst erkannt: Seit 1997 werben etwa die Mitgliedsunternehmen des Österreichischen Verbands der Markenartikelindustrie in TV- und Außenwerbung für ein stärkeres Markenbewusstsein, unter anderem mit Slogans wie „Achten Sie auf die Marke“ und der Kontrastierung guter Gründe für den Mehrnutzen konkreter (Hersteller-)Marken (in Farbe) mit dem „Geiz“, der hinter der Entscheidung für farblos abgebildete No-Names steht (siehe Abbildung 4-2). Solche Kampagnen zur Hebung des Markenbewusstseins finden mittlerweile in mehreren Ländern, darunter Deutschland und Ungarn, statt. Trotz der hohen praktischen Bedeutung des Konstrukts „Markenbewusstsein“ gibt es dazu in der akademischen Forschung, wie gezeigt, nur eine sehr begrenzte Anzahl von Studien. Dem Ruf nach mehr Forschung entsprechend (Coulter, Price und Feick 2003) geht der vorliegende Beitrag der Struktur dieses Konstrukts nach. In Abgrenzung zu sozialen, emotionalen oder ethischen Motiven für markenbewusstes Verhalten (Griese und Kilzer 1997, Sethuraman 2003) beschränkt sich der vorliegende Beitrag auf das kognitive Markenbewusstsein, hier verstanden als die Stärke der Überzeugung eines Konsumenten, dass allgemein bekannte Marken regelmäßig einen höheren Erwartungswert des Produktnutzens bieten als weitgehend unbeworbene oder wenig bekannte Marken. Dieser „rationale“ Teil des Markenbewusstseins entscheidet, wie Sethuraman (2000) zeigt, im Bereich schnell drehender Konsumgüter über die zentrale Frage, ob eine Handelsmarke überhaupt in das Set der näher betrachteten Marken („Consideration Set“) aufgenommen wird oder nicht.

2

Die Struktur des kognitiven Markenbewusstseins in Abhängigkeit vom erlebten Risiko

Selbst bei Fokussierung auf diese qualitätsbezogene Dimension des Markenbewusstseins zeigt sich, dass nicht nur unterschiedliche Menschen unterschiedliches Markenbewusstsein aufweisen, sondern dass auch ein und derselbe Konsument der Markenbekanntheit in unterschiedlichen Situationen einen verschieden hohen Stellenwert zuordnen kann. In aggregierter Betrachtung äußert sich das darin, dass das Niveau des Markenbewusstseins zwischen verschiedenen Produktbereichen stark variiert. Strebinger (2001) berichtet von einer Untersuchung, in welcher österreichische Konsumentinnen und Konsumenten für jede von acht Produktkategorien anzugeben hatten, ob 12 verschiedene Aussagen wie etwa „Auf die Qualität von Produkten bekannter Marken kann ich mich meistens verlassen“, „Marken, die weit verbreitet sind, bieten meistens gute Qualität“ oder „Häufig beworbene Produkte sind meistens qualitativ hochwertig“ eher zutreffen oder eher nicht zutreffen. Die Ergebnisse 85

Andreas Strebinger und Thomas Otter

dokumentieren zum einen, dass Konsumenten im Zusammenhang mit solchen Befragungen kaum zwischen Eigenschaften wie „stark beworben“, „bekannt“, „weit verbreitet“ oder „teurer“ differenzieren, sondern diese Eigenschaften – ganz in Übereinstimmung mit der oben skizzierten typischen Entscheidungssituation im Bereich schnell drehender Konsumgüter – bewusst oder intuitiv zu einem Stereotyp des (allgemein) bekannten, stark beworbenen und weit verbreiteten Markenartikels mit höherem Preis zusammenfassen. In weiteren Studien wurde daher als Surrogat dieses Stereotyps nur noch die allgemeine Markenbekanntheit als Stimuluswort verwendet. Zum Zweiten wies die Studie für Verbrauchsgüter wie Marmelade, Mineralwasser oder Waschmittel ein im Durchschnitt deutlich niedrigeres Markenbewusstsein aus als für Gebrauchsgüter wie Autos, Haushaltsgeräte oder Turnschuhe. Dies bedeutet aber nicht, dass das Markenbewusstsein innerhalb der hier interessierenden Verbrauchsgüter nicht stark streuen würde. Bruhn (2000), Koppe (2003), Wildner (2003) und ACNielsen (2005) dokumentieren die massiven Unterschiede des (wertmäßigen) Marktanteils von Handelsmarken innerhalb der schnell drehenden Konsumgüter, welcher etwa bei Babynahrung und vielen Kosmetikprodukten im niedrigen einstelligen Prozentbereich, bei Frischeprodukten oder einfachen Haushaltsprodukten teilweise deutlich über 50 Prozent liegen kann. Hinter diesen Unterschieden liegt, wie die bisherige Forschung ganz klar zeigen konnte, wesentlich das wahrgenommene Risiko des Konsumenten (BekmeierFeuerhahn 1998, S. 118ff, Koppe 2003, Schmalen, Lang und Pechtl 1996, Wildner 2003). Dieses setzt sich, wie Schweiger, Mazanec und Wiegele (1977) ausführen, aus zwei Komponenten zusammen: der Unsicherheit über das Eintreten negativer Folgen und der Schwere dieser negativen Folgen, sobald eingetreten (Schweiger, Mazanec und Wiegele 1977, S. 15). Wo der Konsument die Qualität eines Produkts also nicht eindeutig beurteilen kann und der mit einer falschen Markenwahl verbundene praktische, gesundheitliche oder finanzielle Schaden erheblich ist, sucht der Konsument nach Ersatzindikatoren für die Produktqualität, welche aus seiner Sicht aussagekräftig sind (Strebinger 2001). Dazu gehört bei vielen Konsumenten die Markenbekanntheit (Erdem und Swait 2004, Mazanec 1978, Strebinger 2001). In Kaufentscheidungssituationen mit hohem Risiko handelt der durchschnittliche Konsument in seinen Entscheidungen daher markenbewusster als in Kaufentscheidungssituationen mit geringem Risiko (Wildner 2003). Im Einklang damit stehen die Ergebnisse von Strebinger und Otter (2001). Sie finden im Rahmen einer Skalenentwicklung zur Messung des kognitiven Markenbewusstseins mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen zweiter Ordnung in zwei Studentensamples,

dass der Faktor zweiter Ordnung „Markenbewusstsein“ sich in drei Subdimensionen (Faktoren erster Ordnung) unterteilen lässt, welche sich als (1) „genereller Glaube an eine höhere Qualität bekannter Marken“ (somit als Marken-

86

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

bewusstsein auch in risikolosen Entscheidungssituationen), (2) „Sicherung eines Mindestanspruchsniveaus durch den Kauf bekannter Marken“ (insbesondere bei Bewertungsunsicherheit) und (3) „Markenbewusstsein unter hohem Risiko“ charakterisieren lassen.

dass das mittlere Niveau des Markenbewusstseins von (1) auf (2) auf (3) und somit mit dem Ausmaß des Risikos signifikant ansteigt. Allerdings wurden diese Erkenntnisse auf Basis von Studentensamples gewonnen. Zudem deutete sich in Folgestudien, darunter teilstrukturierten Interviews mit Konsumenten sowie Think-Aloud-Protokollen im Zuge der Verwendung der Skala von Strebinger und Otter (2001) an, dass dieses Modell eines risikoabhängigen Markenbewusstseins wohl eine Mehrheit von Konsumenten beschreibt, die im Übrigen keine Gründe für eine allgemeine Überlegenheit von bekannten Marken sehen. Dieser Mehrheit stand in den qualitativen Untersuchungen jedoch eine Minderheit von Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber, welche sehr wohl über abstrakte Begründungen ihres Markenbewusstseins verfügten und diese auch mit entsprechenden „Theorien“ gedanklich fundierten. Beispiele solcher Theorien waren etwa der Gedanke, dass eine bekannte Marke sich hoher Qualität verpflichtet fühlen müsse, da „die Firma ja von ihrem Namen lebt“, die Vermutung, dass weitverbreiteten Marken mehr Geld für die Entwicklung von neuen Produkten zur Verfügung stünde oder dass die Tatsache, dass bekannte Marken trotz ihres höheren Preises von vielen Konsumenten gekauft würde, ein Hinweis auf hohe Qualität sei. Diese Personen besaßen zugleich auch ein deutlich stärkeres und von der vorgegebenen Entscheidungssituation weitgehend unabhängiges Markenbewusstsein. Die qualitativen Studien deuteten somit darauf hin, dass in Abgrenzung zu einer überwiegenden Mehrheit von Konsumenten, deren Markenbewusstsein je nach erlebtem Risiko situativ unterschiedlich ist, ein kleineres Konsumentensegment mit generellem, das heißt eindimensional abbildbaren Markenbewusstsein existiert. Die nun berichtete empirische Folgestudie diente somit zwei Zielen:

zum einen der Replikation der auf Basis von Studentensamples gewonnenen Struktur des kognitiven Markenbewusstseins als Mehrheitsmodell in einem allgemeinen Konsumentensamples,

zum anderen der Überprüfung, ob sich neben diesem risikoabhängigen Mehrheitsmodell des Markenbewusstseins auch eine Minderheit von Konsumenten mit generellem, d.h. eindimensionalem Markenbewusstsein entdecken lässt.

87

Andreas Strebinger und Thomas Otter

3

Empirische Studie

3.1

Struktur des Samples und Messungen

Die Studie basiert auf Face-to-Face-Interviews mit 816 österreichischen Konsumentinnen (60%) und Konsumenten (40%). Die stärkere Gewichtung weiblicher Auskunftspersonen entsprach den Erfahrungen früherer Studien über typische Käuferstrukturen bei Produkten des täglichen Bedarfs. 32,1% der Auskunftspersonen verfügten über keine Hochschulreife, 47,1% über Hochschulreife (Matura/Abitur), 20,8% über einen Hochschulabschluss. 53,6% der Gesamtstichprobe war zum Zeitpunkt der Erhebung wenigstens teilweise berufstätig. Die Auskunftspersonen lebten zu 25,3% in Single-Haushalten, zu 37,1% in Zwei-Personen-Haushalten, zu 18,9% in Drei-Personen-Haushalten und zu 18,7% in Haushalten mit vier oder mehr Personen. Die Messung des Markenbewusstseins erfolgte eingebettet in eine Untersuchung des Kaufverhaltens bei Produkten des täglichen Bedarfs und verwendete der Vergleichbarkeit halber dieselben acht Items, welche zuvor in den Studien von Strebinger und Otter (2001) zum Einsatz gekommen waren. Die von den Auskunftspersonen auf einer Skala von 1 „trifft völlig zu“ bis 7 „trifft überhaupt nicht zu“ zu beurteilenden Items waren:

für die Dimension „höhere Qualität“: „Normalerweise sind bekannte Marken besser als unbekannte Marken“; „von bekannten Marken kann man annehmen, dass sie eine überdurchschnittliche Qualität besitzen“; „Produkte bekannter Marken haben in der Regel eine höhere Qualität als Produkte unbekannter Marken“;

für die Dimension „Anspruchsniveausicherung“: „Bei bekannten Marken kann man zumindest sicher sein, dass keine absolut notwendige Produkteigenschaft fehlt“; „bekannte Marken sind vermutlich besser auf die Bedürfnisse des durchschnittlichen Käufers abgestimmt als unbekannte Marken“; und „bekannte Marken sind zumindest nicht unbrauchbar“; und

für die Dimension „Risikoreduktion in stark risikobehafteten Entscheidungssituationen“: „Bei hohem Risiko ist mir eine bekannte Marke lieber als eine unbekannte“; „bei Entscheidungen, bei denen man viel verlieren kann, ist man mit einer bekannten Marke wahrscheinlich auf der sicheren Seite“.

88

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

3.2

Test der Generalisierbarkeit der Ergebnisse vorangegangener Studien

Zunächst sollte überprüft werden, inwieweit sich die strukturellen Ergebnisse der Studien von Strebinger und Otter (2001), welche mit Studentensamples durchgeführt worden waren, auf das nun untersuchte allgemeine Konsumentensample übertragen ließen. Der Modelltest ergab inakzeptable Fitwerte, welche auf eine Reihe von Mehrfachladungen der Indikatoren auf die Faktoren erster Ordnung zurückzuführen waren. Diese Mehrfachladungen traten regelmäßig an den Übergängen zwischen den Faktoren auf. Da die Aussage in der in Abbildung 3-1 von oben nach unten abgebildeten Reihenfolge beurteilt wurden, gehen wir davon aus, dass es sich bei diesen Kreuzladungen um Reihenfolgeeffekte in der Befragung handelt.16 Nach Freigabe dieser Kreuzladungen, welche in den mit Studentensamples durchgeführten Studien von Strebinger und Otter (2001) nicht aufgetreten waren, weist das zu testende Modell akzeptable Fitwerte auf.17 Die Studie bestätigt die vorangegangenen Untersuchungen insoweit, als sich auch in einem allgemeinen Konsumentensample drei unterscheidbare Facetten des Markenbewusstseins zeigen. Die Interpretation dieser drei Facetten wird durch die Mehrfachladungen einiger Items erschwert, dürfte jedoch im Kern erneut den drei Zielen „Höhere Qualität in risikolosen Entscheidungssituationen“, „Sicherung eines Anspruchsniveaus“ und „Risikoreduktion in stark risikobehafteten Entscheidungssituationen“ entsprechen.18

16

Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass diese Reihenfolge der Aussagen bereits in der Befragung von Strebinger und Otter (2001) verwendet wurde, dort jedoch zu keinen nachweisbaren Kreuzladungen an den „Faktorgrenzen“ geführt hat. Die Ursache für diesen Unterschied vermuten wir in einer möglicherweise größeren Bedeutung von Reihenfolgeeffekten in nicht-studentischen Samples. 17 Wie Mulaik und Quartetti (1997) zeigten, ist die Teststärke eines Vergleichs zwischen dem hier geschätzten „hierarchischen Modell“, in dem ein Faktor zweiter Ordnung hinter orthogonalen Faktoren erster Ordnung steht, und einem von ihnen als „nested factors model“ bezeichneten Modell, in dem für einen Generalfaktor zusätzlich zu orthogonalen Faktoren erster Ordnung direkte Beziehungen zu allen Indikatoren geschätzt werden, mit der hier zur Verfügung stehenden Samplegröße sehr gering. Die Entscheidung zugunsten des hierarchischen Modells kann sich demnach nur auf dessen größere Sparsamkeit stützen. 18 Diese Interpretation könnte kritisch betrachtet werden, da die beiden Aussagen „von bekannten Marken kann man annehmen, dass sie eine überdurchschnittliche Qualität besitzen“ und „bekannte Marken sind zumindest nicht unbrauchbar“ scheinbar ihre Faktorzugehörigkeit wechseln. Im Vergleich zu den jeweils am stärksten auf die drei Faktoren ladenden Aussagen scheint die getroffene Interpretation jedoch gerechtfertigt.

89

Andreas Strebinger und Thomas Otter

Abbildung 3-1:

Dimensionen des Markenbewusstseins ohne Modellierung der strukturellen Heterogenität

Struktur des kognitiven Markenbewusstseins 1,02

3,96

in der Regel höhere Qualität

0,50

normalerweise besser

1,21

überdurchschn. Qualität

Höhere Qualität

0,99 0,54

4,03

ohne Modellierung der strukturellen Heterogenität

1,47 1

0,30

1

n=816 österreichische Konsument/inn/en

3,65

3,71

1,52

besser f. durchschn. Käufer

0,65

nichts Notwendiges fehlt

1,93

zumind. nicht unbrauchbar

0,09

3,56 2,84

2,72

1,04

0,74 1

1,78

Anspruchssicherung

0,82

0,35

Markenbewusstsein Gütemaße

0,50

2,31

0,75 0,52

0,93

bekannte Marke sicherer

bei hohem Ris. lieber Marke

1

Risikoreduktion

0,82

Unstandardisierte Lösung, 1 Pfeilstärkenpunkt entspricht 0,20 unstand. Pfadkoeffizient

1,04

Chi-Quadrat

55,16 (p<0,01)

RMSEA

0,06

Stand. RMR

0,025

GFI

0,98

CFI

0,99

IFI

0,99

Lesehilfe: Die rechteckigen Kästchen beinhalten die acht Indikatoren, welche den drei latenten Faktoren erster Ordnung über ihre Faktorladungen (Pfeile von den latenten Faktoren erster Ordnung zu den Indikatoren) zugeordnet sind. Die Mittelwerte der Indikatoren (Skala von 1 „trifft völlig zu“ bis 7 „trifft überhaupt nicht zu“) finden sich über den vom Dreieck (als Symbol der Matrix der Mittelwerte) ausgehenden Pfeilen zu den Indikatoren.

Auf Basis der oben beschriebenen qualitativen Forschung gehen wir allerdings davon aus, dass dieses „Mehrheitsmodell“ eines risikoabhängigen Markenbewusstseins eine Minderheit von Konsumentinnen und Konsumenten mit generellem, d.h. eindimensionalem Markenbewusstsein verdeckt. Um diese Annahme unbeobachteter Heterogenität zu testen, wurde auf finite Mischungsmodelle zurückgegriffen (Leeflang et al. 2000, S. 451ff, Wedel und Kamakura 1999, S. 99ff). Die hier angewandte Form der empirischen Analyse des Markenbewusstseins und der Verteilung der verschiedenen hypothetisierten Formen desselben über die N Konsumenten nutzt einen um latente Klassen verallgemeinerten Strukturgleichungsansatz (vgl. Jedidi, Jagpal und DeSarbo 1997). Es handelt sich dabei um eine Mehrgruppenanalyse, bei der die Gruppenzugehörigkeiten zu schätzende Parameter darstellen. Im Unterschied zu den meisten traditionellen Clusterungsprozeduren, die lediglich eine einfache Heuristik für die 90

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

Ableitung datenbasierter Segmente darstellen, bietet diese Analyse einen modellbasierten Segmentierungsansatz, der simultan Unterschiede in Mittelwert- und Kovarianzstruktur berücksichtigt und einen formalen Hypothesentest im Rahmen der statistischen Standardtheorie erlaubt (Leeflang et al. 2000, S. 451).19

3.3

Test der Annahme unbeobachteter Heterogenität in Mittelwert- und Kovarianzstruktur

Um zu testen, ob die Daten überhaupt die Annahme unbeobachteter Heterogenität sowohl in Mittelwert- als auch Kovarianzstruktur rechtfertigt, wurden einander zunächst vier „naive“, atheoretische Modelle gegenüber gestellt:

ein Zwei-Gruppen-Modell ohne jegliche Restriktion der Mittelwert- und Kovarianzstruktur (unrestringiertes Modell),

ein Zwei-Gruppen-Modell mit Gleichheitsrestriktion der Mittelwertstruktur, aber der Möglichkeit zu unterschiedlicher Kovarianzstruktur,

ein Zwei-Gruppen-Modell mit Gleichheitsrestriktion der Kovarianzstruktur, aber der Möglichkeit zu unterschiedlicher Mittelwertstruktur und

ein Ein-Gruppen-Modell (Homogenitätsmodell). Das unrestringierte Modell erbrachte mit df=6439 einen Log-Likelihoodwert von -2LnL=21103,109 und schnitt damit signifikant besser ab als

19 Geht man allgemein von K verschiedenen latenten Gruppen mit strukturell unterschiedlichen

Modellen Mk und entsprechenden Parametervektoren Όk aus, ergibt sich bedingt auf den (unbekannten) Gruppenzugehörigkeitsindikator S folgendes Mehrgruppenproblem: N P1 , 61 T 1 , M 1 ° .... ° yi ~ ® .... ° ° N P K , 6 K T K , M K ¯

wenn

S

1

wenn S

K

Nach Integration über den unbekannten Gruppenzugehörigkeitsparameter S erhält man die marginale Log-Likelihoodfunktion: ln L

N

K

¦ ¦ ln f y T ,M lnK i

i 1 k 1

k

k

K

k

¦K

k

1

k 1

Ist der Parameter ΋k bekannt, entspricht er der a priori Wahrscheinlichkeit, mit der ein beliebiger Beobachtungsvektor yi auf Modell Mk und dem entsprechenden Parametervektor Όk zurückgeht. Wir gehen hier direkt von der marginalen Log-Likelihood aus und verwenden das Programm Mx (Neale et al. 1999) zur Schätzung der unbekannten Modellparameter.

91

Andreas Strebinger und Thomas Otter

das Zwei-Gruppen-Modell mit gleicher Mittelwertstruktur (-2LnL=21302,406, df=6447, Chi-Quadrat-Differenztest signifikant mit Λ2diff (8)=199,297, p<0,001),

das Zwei-Gruppen-Modell mit gleicher Kovarianzstruktur (-2LnL=21974,281, df=6475, Λ2diff (36)=871,172, p<0,001) und

das Homogenitätsmodell (-2LnL=22080,158, df=6484, Λ2diff(45)=977,049, p<0,001). Damit bestätigen die Daten die Annahme (zumindest) zweier latenter Segmente, die sich sowohl in Mittelwert- als auch Kovarianzstruktur unterscheiden.20

3.4

Test des Mischungsmodells und Vergleich mit konkurrierenden Modellen

In einem zweiten Schritt wurde das vorgeschlagene finite Mischungsmodell einem Test unterzogen und mit insgesamt 13 konkurrierenden Modellen verglichen, welche sich vom hypothetisierten Modell durch unterschiedliche Modellstrukturen, Segmentzahlen bzw. Parameterrestriktionen unterschieden. Tabelle 3-1 gibt einen Überblick über die getesteten Konkurrenzmodelle. In diesem untersuchten Bereich des Modellraums erwies sich das vorgeschlagene Modell mit einem Log-Likelihoodwert von 21320,063 (df=6473, npar=55, AIC=21430,063) acht der 13 konkurrierenden Modelle als überlegen, die restlichen fünf Konkurrenzmodelle konvergierten trotz Verwendung verschiedener Startwerte nicht oder nur im unzulässigen Parameterraum. Insoweit kann das hypothetisierte Mischungsmodell als vorläufig bestätigt betrachtet werden. Es unterstützt die aus den erwähnten qualitativen Untersuchungen gewonnene Vermutung, dass einem Mehrheitsmodell mit risikoabhängigem Markenbewusstsein ein Minderheitsmodell mit generellem Markenbewusstsein gegenübersteht: Die Schätzungen der durchschnittlichen Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zum Modell „Risikoabhängiges Markenbewusstsein“ (Modell 1) beträgt für die Stichprobe 62,7%. Diese Form des Markenbewusstseins zerfällt in die drei zuvor berichteten Subdimensionen und weist ein deutliches Ansteigen des Markenbewusstseins mit stei20

92

Weiters wurde ein unrestringiertes Drei-Gruppen-Modell getestet, welches jedoch nicht konvergierte. Auch im weiteren Test konkurrierender Modelle traten bei Annahme dreier latenter Segmente immer wieder Konvergenz- oder Zulässigkeitsprobleme auf. Die Annahme zweier latenter Segmente wird im Übrigen bezüglich der Mittelwertstruktur durch das Ellbogen-Kriterium einer hierarchischen Clusteranalyse des Datensatzes (auf Basis der Mittelwerte) bestätigt. Weiters erbringt ein ex-post-Vergleich der mit Hilfe der Clusteranalyse gefundenen Lösung mit jener des Mischungsmodells eine hohe Übereinstimmung dergestalt, dass das kleinere, markenbewusste Cluster eine im Schnitt 84%ige Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zum Modell 1 (generelles Markenbewusstsein) des Mischungsmodells aufweist. Obwohl also bei gegebenem Datensatz keine letztgültige Entscheidung zwischen zwei und drei latenten Segmenten möglich ist, deutet doch vieles auf die Plausibilität der Annahme zweier latenter Segmente hin.

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

gendem Risiko auf. Bemerkenswert ist, dass die durchschnittlichen Werte für die drei Items des Faktors „Höhere Qualität“ bei diesem Typ des Markenbewusstseins über dem Skalenmittelwert von 4 liegen, somit im Durchschnitt eher auf eine Ablehnung des Gedankens, dass bekannte Marken höhere Qualität bieten, hinweisen.

Tabelle 3-1:

Hypothetisiertes Modell und konkurrierende Modelle

Modell

2 21 diff

ng

Restriktionen

df

npar

-2lnL

Hypothetisiertes Mischungsmodell

2

keine

6473

55

21320,063

21430,063

1-Faktor-Modell

1

---

6504

24

22801,617

22849,617

1-Faktor-Modell

2

gleiche Kovarianzstruktur

6495

33

22801,617

22867,617

1-Faktor-Modell

2

gleiche Mittelwertstruktur

6487

41

21959,416

22041,416

1-Faktor-Modell

2

keine

6479

49

21743,400

21841,400

1-Faktor-Modell

3

keine

6454

74

3-Faktor 1. Ordnung / 1 F 2.Ordnung

1

---

6498

30

22135,391

22195,319

3-Faktor 1. Ordnung / 1 F 2.Ordnung

2

gleiche Kovarianzstruktur

6489

39

21863,885

21941,885

3-Faktor 1. Ordnung / 1 F 2.Ordnung

2

gleiche Mittelwertsstruktur

6475

53

21358,830

21464,83

3-Faktor 1. Ordnung / 1 F 2.Ordnung

2

keine

6467

61

unzulässige Lösung

3-Faktor 1. Ordnung / 1 F 2.Ordnung

2

gleiche Faktorladungen

6482

46

unzulässige Lösung

3-Faktor 1. Ordnung / 1 F 2.Ordnung

3

keine

6436

92

unzulässige Lösung

3-Faktor 1. Ordnung / 1 F 2.Ordnung

3

gleiche Faktorladungen

6468

60

unzulässige Lösung

Mischungsmodell H1

2

gleiche Mittelwertstruktur

6481

47

AIC / Ȥ

nicht konvergiert

21581,203

2

Ȥ diff (8) = 261,14, p<0,001

ng ... Zahl der Gruppen, df ... Freiheitsgrade, npar ... Zahl der Modellparameter 21

Mit Ausnahme des Mischungsmodells mit Restriktion der Mittelwertstruktur stellen das vorgeschlagene Modell H3 und die konkurrierenden Modelle keine genisteten Modelle dar, sodass anstelle des Λ2diff -Tests auf einen Vergleich des AIC zurückgegriffen wird. Zur Wahl des Kriteriums siehe beispielsweise Leeflang et al. (2000, S. 492ff).

93

Andreas Strebinger und Thomas Otter

Die durchschnittliche Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zum Modelltyp „generelles Markenbewusstsein“ beträgt 37,3%.22 Vom Modell des „risikoabhängigen Markenbewusstseins“ unterscheidet sich dieser Typ sowohl in Kovarianzstruktur (dem Denkmuster) als auch der Mittelwertstruktur (vereinfacht formuliert: dem Ergebnis des Denkens). Im Sinne der Kovarianzstruktur könnte etwa eine hohe Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zum Modell „Generelles Markenbewusstsein“ einerseits generell hohes Markenbewusstsein, andererseits aber auch generell niedriges Markenbewusstsein bedeuten. Die Mittelwertstruktur weist jedoch hypothesenkonform darauf hin, dass die Herausbildung einer generellen Einstellung gegenüber bekannten Marken mit einem stärkeren Markenbewusstsein einhergeht. Unterstützung erhält diese Interpretation auch durch eine MANOVA mit der Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zu einem der beiden Modelle als Zwischen-SubjektPrädiktor und den drei Subdimensionen als Innerhalb-Subjekte-Faktor: Eine signifikante Interaktion zwischen der Modellzugehörigkeitswahrscheinlichkeit und der Subdimension des Markenbewusstseins zeigt an, dass die Mittelwertstruktur der drei Subdimensionen umso heterogener ist, je höher die Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zum Modell „Risikoabhängiges Markenbewusstsein“ ist [F(1,882, 1532,293)=37,053, p<0,001] nach Greenhouse-Geisser-Korrektur), und bestätigt somit auch bezüglich der Mittelwertstruktur die höhere Einheitlichkeit des Markenbewusstseins für den Modelltyp „Generelles Markenbewusstsein“. Zusätzlich weist ein sowohl multivariat [F(1, 814)=614,124, p<0,001] als auch jeweils univariat signifikanter einfacher Effekt der Modellzugehörigkeitswahrscheinlichkeit auf das allgemein höhere Markenbewusstsein in diesem Modelltyp hin. Abbildung 3-2 und Abbildung 3-3 zeigen die Parameterschätzungen für diese beiden Modelle.

3.5

Profile der latenten Klassen

Da keine Hypothesen zum Profil der latenten Segmente gebildet worden waren, wurde die Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit der Auskunftspersonen zu den ermittelten latenten Klassen (Modellen) in einer ex-post-Analyse auf Zusammenhänge mit soziodemographischen und weiteren vorhandenen Merkmalen untersucht23 22

Streng genommen ist es nicht korrekt, aus den durchschnittlichen Zugehörigkeitswahrscheinlichkeiten auf ein „Mehrheits“- bzw. „Minderheitsmodell“ in den Daten zu schließen, da man aus überlappenden Segmentzugehörigkeiten nicht-überlappende ableitet. 22 Die a posteriori Klassifikation der Auskunftspersonen bedingt auf die Zahl der Gruppen, die formulierten Modelle und die geschätzten Parameter der marginalen Likelihoodfunktion und nutzt folgende Bayes-Regel:

94

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

Abbildung 3-2:

Mischungsmodell: Modell 1 („Risikoabhängiges Markenbewusstsein“)

Struktur des kognitiven Markenbewusstseins 1,21

4,67

in der Regel höhere Qualität

0,22

normalerweise besser

1,69

überdurchschn. Qualität

1,68 1

Höhere Qualität

1,10 0,51

4,49

Modell 1: Risikoabhängiges Markenbewusstsein

0,29

1

Gewicht dieses Modells im Mischungsmodell: 62,7%

4,32

4,26

1,93

besser f. durchschn. Käufer

1,04

nichts Notwendiges fehlt

2,78

zumind. nicht unbrauchbar

0,05

4,19 3,24

3,18

0,35

0,70 1

1,64

Anspruchssicherung

1,47

0,15

Markenbewusstsein

0,49

2,69

1,26 0,71

bekannte Marke sicherer

1,42

bei hohem Ris. lieber Marke

1

Risikoreduktion

0,80

1,60

n=816 österreichische Konsument/inn/en

Unstandardisierte Lösung, 1 Pfeilstärkenpunkt entspricht 0,20 unstand. Pfadkoeffizient

3.5.1

Modellzugehörigkeit und soziodemographische Variablen

Keinerlei Zusammenhang ergab sich zwischen der Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit der Auskunftspersonen zu den beiden Modellen und ihrer Bildung (p>0,56) bzw. der Berufstätigkeit (p>0,53). Ebenso kein Zusammenhang zeigte sich zwischen Modellzugehörigkeitswahrscheinlichkeit und der Haushaltsgröße (p>0,64) und dem NettoHaushaltseinkommen pro Kopf (p>0,73). Dieser Befund bestätigt erneut die Ergebnisse früherer Untersuchungen, welche im Bereich schnell drehender Konsumgüter keinen der einfachen Vorstellung „höheres Einkommen = stärkeres Markenbewusstsein“ entsprechenden Zusammenhang zwischen Markenbewusstsein und Einkommen feststellen konnten (vgl. Ailawadi, Neslin und Gedenk 2001, Burton et al. 1998, Grimm 1995, Kaplitza 1997, Sethuraman 2000).24 24

Für den Bereich der FMCGs und US-Konsumenten gelangt Sethuraman (2000) auf Basis der eigenen Daten und einer Gallup-Studie aus dem Jahr 1991 zu dem Schluss, dass es insbesondere die Gruppe mit mittlerem Einkommen ist, welche bekannten Herstellermarken gegenüber niedrigpreisigen Eigenmarken des Handels den wenigsten qualitätsbezogenen Mehrnutzen zuspricht. Ailawadi, Neslin und Gedenk (2001) dokumentieren, dass für

95

Andreas Strebinger und Thomas Otter

Abbildung 3-3:

Mischungsmodell: Modell 2 („Generelles Markenbewusstsein“)

Struktur des kognitiven Markenbewusstseins 1,02

in der Regel höhere Qualität

0,98

normalerweise besser

2,73

Modell 2: Generelles Markenbewusstsein 1

Gewicht dieses Modells im Mischungsmodell: 37,3%

2,91 0,41

überdurchschn. Qualität

0,85

besser f. durchschn. Käufer

0,34

nichts Notwendiges fehlt

2,49 2,17

0,60

1,15

2,54

2,78

0,95

0,94

1,18 0,96

Markenbewusstsein

0,91

1,95 0,41

zumind. nicht unbrauchbar

0,76

1,66 0,19

bekannte Marke sicherer

0,19

bei hohem Ris. lieber Marke

n=816 österreichische Konsument/inn/en

Unstandardisierte Lösung

Der Signifikanz nähern sich in dem untersuchten Sample zwei Befunde:

Zum einen scheinen Konsumentinnen weniger häufig dem Segment der „generell Markenbewussten“ anzugehören als Konsumenten (durchschnittliche Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zu Modell 1: Konsumentinnen 35,3%, Konsumenten 40,3%, t=-1,681, p<0,11).

Zum anderen steigt die Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zum Modell „generelles Markenbewusstsein“ mit zunehmendem Alter an, wie ein tendenziell signifikanter Einfluss des Alters in einer linearen Einfachregression andeutet (t(1,814) 1,794, p<0,08). Dabei ist daran zu erinnern, dass es sich hierbei lediglich um das kognitive Markenbewusstsein handelt. Möglicherweise steht einem mit steigendem Alter wachsenden Markenbewusstsein aus „rationalen“ Motiven ein sinkendes Marken-

Personen mit finanziellen Restriktionen neben dem Kauf von Eigenmarken des Handels auch andere Möglichkeiten bestehen, mit einem eng begrenzten Budget auszukommen. Die eigentlichen „Fans“ von Handelsmarken, d.h. solche Personen, die sich auch durch Aktionen der Herstellermarken von ihrer Präferenz für Handelsmarken nicht abbringen lassen, unterliegen dieser Studie zufolge sogar eher unterdurchschnittlichen Budgetbeschränkungen, agieren aber dennoch preisbewusst.

96

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

bewusstsein emotional oder sozial begründeter Natur gegenüber (vgl. Sethuraman 2000). In diesem Sinne wären jüngere Konsumentinnen und Konsumenten insgesamt nicht weniger markenbewusst als ältere, jedoch aus anderen Motiven (Ich-Nähe, Prestige o.a.).25

3.5.2

Modellzugehörigkeit und psychographische Variablen

Ein Test der Korrelation der Modellzugehörigkeitswahrscheinlichkeit mit drei in der Studie erhobenen psychographischen Merkmalen ergab schwache, aber signifikante positive Korrelationen der Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zum Modell „Generelles Markenbewusstsein“ mit den Charaktereigenschaften „Selbstattribution von Fehlkäufen“26 (r=0,08, p<0,03) und „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“27 (r=0,10, p<0,01), nicht jedoch mit der „privaten Selbstaufmerksamkeit“28 (r=0,05, p<0,13). Personen mit generellem Markenbewusstsein tendieren daher eher zu Selbstvorwürfen nach Fehlkäufen und beschäftigen sich stärker als Personen mit risikoabhängigem Markenbewusstsein mit ihrer Wirkung auf andere Menschen. Allerdings sind die gefundenen Effekte zu schwach um zu folgern, dass das kognitive Markenbewusstsein spürbar von Prestigedenken oder Unsicherheit getrieben würde.

25

Bei solchen in Querschnittsuntersuchungen gefundenen Altersunterschieden ist immer zu berücksichtigen, dass ihnen Geschichts-, Reifungs-, Generationseffekte oder eine Mischung derselben zugrunde liegen kann. Im Sinne eines Generationseffekts könnte man beispielsweise vermuten, dass das höhere generelle Markenbewusstsein bei älteren Konsumentinnen und Konsumenten auf einer anderen Erziehung beruht oder durch Erfahrungen aus einer Zeit geprägt ist, in der die Qualitätsunterschiede zwischen bekannten und unbekannten Marken tatsächlich noch stärker ausgeprägt waren. Dieser für Markenartikelhersteller pessimistischen Interpretation steht etwa die Auslegung als ein so genannter Reifungseffekt gegenüber, in dem negative Erfahrungen mit unbekannten bzw. positive Erfahrungen mit bekannten Marken mit zunehmender Konsumerfahrung zur Bildung einer allgemeinen Theorie der Überlegenheit bekannter Marken führt. 26 Summe der drei Items „auch bei Kleinigkeiten werfe ich mir Fehlkäufe oft vor“, „bei schlechten Einkäufen ärgere ich mich oft über mich selbst“ und „nach unüberlegten Einkäufen habe ich oft ein schlechtes Gewissen“ (Cronbachs ΅=0,77) 27 Summe der beiden Items „ich mache mir Gedanken darüber, wie ich auf andere wirke“ und „ich achte sehr auf mein Aussehen“ (r=0,52). 28 Summe der beiden Items „ich denke viel über mich nach“ und „ich versuche, über mich selbst etwas herauszufinden“ (r=0,78).

97

Andreas Strebinger und Thomas Otter

4

Zusammenfassung und Diskussion

4.1

Kernbefunde und Einschränkungen

Die empirische Studie zum kognitiven Markenbewusstsein unter 816 österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten erbringt folgende Kernbefunde:

Eine Mehrheit von Konsumentinnen und Konsumenten weist ein situatives, weil risikoabhängiges Markenbewusstsein auf, das zwischen drei Subdimensionen differenziert: (a) dem in dieser Gruppe unterdurchschnittlichen Glauben an eine allgemeine qualitative Überlegenheit bekannter Marken, welches auch in risikolosen Entscheidungssituationen wirksam würde, (b) einem Markenbewusstsein zur Sicherung eines Mindestanspruchsniveaus und (c) einem Markenbewusstsein zur Risikoreduktion in stark risikobehafteten Entscheidungssituationen. Die Stärke des Markenbewusstseins steigt dabei im Durchschnitt mit höherem wahrgenommenem Kaufrisiko markant an. Diese drei Facetten des Markenbewusstseins sind zwar über einen Generalfaktor miteinander verknüpft, was jedoch, wie die Daten zeigen, für diese Konsumentengruppe keine eindimensionale Betrachtungsweise des Markenbewusstseins erlaubt.

Nur eine Minderheit von Konsumentinnen und Konsumenten verfügt über ein generelles Markenbewusstsein. Dieses Markenbewusstsein ist nicht nur einheitlicher als bei den risikoabhängig Markenbewussten, sondern im Mittel auch deutlich stärker ausgeprägt. Diese Einheitlichkeit und zusätzliche, qualitative Befunde lassen vermuten, dass in den Gedanken dieser Konsumentengruppe ein bewusster „Reason Why“ für die qualitative Überlegenheit bekannter Marken existiert. Im Vergleich dazu muss für die übrigen, einem risikoabhängigem Markenbewusstsein verpflichteten Konsumenten wohl von einem Fehlen eines solchen Rationale ausgegangen werden (1999). Wenig Anhaltspunkte gibt es in der Frage, welche soziodemographischen Merkmale mit welcher Form des Markenbewusstseins korrelieren. Stereotype Vorstellungen vom „markenbewussten Konsumenten“ sind daher, wie bereits frühere Forschung zeigen konnte, nicht angebracht (vgl. Ailawadi, Neslin und Gedenk 2001, Burton et al. 1998 Grimm 1995, Kaplitza 1997, Sethuraman 2000).29 Schwach, aber signifikant sind die Zusammenhänge mit zwei psychographischen Variablen: Personen mit generellem Markenbewussten tendieren eher zu Selbstvorwürfen nach Fehlkäufen und

29

98

Wenn einkommensstärkere Schichten daher verstärkt unter den Käufern bekannter und hochpreisiger Marken zu finden sind, dann offenbar nicht deshalb, weil diese Bevölkerungsgruppe den Qualitätsabstand zwischen bekannten und unbekannten Marken größer einschätzt als andere Bevölkerungsgruppen, sondern weil der Aufpreis für diesen Qualitätsunterschied für sie weniger ins Gewicht fällt (Sethuraman 2000).

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

beschäftigen sich stärker als Personen mit risikoabhängigem Markenbewusstsein mit ihrer Wirkung auf andere Menschen. Einige Einschränkungen mahnen zu Vorsicht in Interpretation und Generalisierung. Die Studie basiert auf einem allgemeinen Konsumentensample, das zwar einen breiten Querschnitt durch die Gesamtbevölkerung darstellt, jedoch keine Repräsentativität für sich beansprucht. Die wesentliche Schlussfolgerung, dass einer Mehrheit risikoabhängig markenbewusster Konsumenten eine Minderheit generell Markenbewusster gegenübersteht, scheint dadurch jedoch nicht gefährdet.30 Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den verwendeten Stichproben ausschließlich um österreichische Samples handelte. Ob und inwieweit die hier berichteten Ergebnisse auf andere Länder übertragbar sind, dürfte sich wohl nur über einen Umweg beantworten lassen: Überall dort, wo die Konsumentinnen und Konsumenten auf eine weitgehend gleichartige Handels-, Angebots- und Kommunikationsstruktur trafen und treffen, ist auch eine entsprechende Differenzierung des Markenbewusstseins zu erwarten. Stellt man die ähnliche Markenlandschaft und die zunehmende Verflechtung deutscher und österreichischer Handelsbetriebe in Rechnung, könnten sich die Kernbefunde der Studie auf den deutschen Markt von der Grundtendenz her übertragen lassen.31 Schließlich soll daran erinnert werden, dass sich die Studie auf das kognitive Markenbewusstsein im Bereich schnell drehender Konsumgüter konzentrierte. Andere Motive für markenbewusstes Verhalten, etwa die Ich-Nähe von Marken oder ethische Aspekte, wurden in der vorliegenden Studie nicht untersucht.

4.2

Schlussfolgerungen für die Praxis

Unter den genannten Einschränkungen lassen sich aus den Befunden einige Schlussfolgerungen für die Wirtschaftspraxis ableiten. Zum einen zeichnen die Ergebnisse für die Unternehmen der Markenartikelindustrie, aber auch für die Premium-Handelsmarken ein nicht unbedingt erfreuliches Bild vom Stand des Markenbewusstseins. Nur eine Minderheit von etwas mehr als einem Drittel der Konsumenten (in der gegebenen Stichprobe) sieht in bekannten Marken ein positives Signal für eine höhere Qualität. Die Mehrheit neigt überwiegend zu der Ansicht, dass bekannte Marken normalerweise nicht für höhere Qualität stehen und verwendet sie lediglich zur Absicherung gegen negative Folgen in risikoreichen Kaufentscheidungen. Auch den klassischen LEH stellt diese Mehrheit vor eine schwierige

30

So würde eine der Gesamtbevölkerungsstruktur entsprechende Gewichtung nach der Variable „Geschlecht“ die durchschnittliche Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zum Modell des generellen Markenbewusstseins lediglich von 37,3% auf 37,8% erhöhen. 31 Auch international agierende Markenartikel-Unternehmen verwenden Österreich dem Vernehmen nach aufgrund einer typischen Struktur und der Überschaubarkeit des Marktes gerne als Testmarkt für das kontinentale Westeuropa.

99

Andreas Strebinger und Thomas Otter

Situation. Bei als nicht risikoreich empfundenen Produkten suchen diese Konsumenten wohl verstärkt nach günstigen Alternativen zu den bekannten Marken. Bietet ein Laden in mehreren solchen Produktkategorien keine günstigen Alternativen, besteht die Gefahr, dass dieser Konsumententyp zu anderen Ketten abwandert, sei es zu einem Diskonter, sei es zu einem anderen klassischen Lebensmitteleinzelhändler, der diese Alternativen bietet. Für diese Mehrheit der Konsumenten bleibt dem klassischen LEH somit gar keine andere Wahl, als zusätzlich zu den Markenartikeln Diskont(handels)marken im Einstiegspreisbereich anzubieten, auch wenn diese nicht zu Imagebildung beitragen und vielfach geringere absolute Deckungsbeiträge liefern als die höherpreisigen Markenartikel. Schweiger und Strebinger (2003) empfehlen daher dem klassischen LEH eine Sortimentsstruktur, welche sich in drei konzentrischen Kreisen um die davor zu definierenden Kernwerte des Handelsunternehmens schließt:

strategische Premium-Eigenmarken, welche als offensive Handelsmarken die Fortsetzung der Kernwerte der Dienstleistungsmarke der Ladenkette mit den Mitteln des Sortiments darstellen;

ein Portfolio aus Herstellermarken, welche auch in Zukunft das Gros des Sortiments ausmachen sollten und ebenfalls entsprechend den Kernwerten der Unternehmensmarke zu beurteilen sind; falls zur Absicherung gegenüber bestimmten Lieferanten erforderlich, ergänzt durch taktische (Imitations-) Handelsmarken; und

Diskont-Marken, welche als Herstellermarken oder als defensive Handelsmarken der Abwehr der Diskonter dienen. Letztere sind insbesondere in Produktkategorien erforderlich, in denen viele Konsumenten ein geringes Risiko wahrnehmen. Abgesehen von einigen Produktkategorien, in denen die große Mehrheit ein erhöhtes Risikoerleben hat (z.B. Babynahrung, viele Kosmetik- und Körperpflegeprodukte), gibt es jedoch für jeden Konsumenten andere Bereiche, die er als relativ risikofrei erlebt. Unter dieser Annahme rechtfertigen die Befunde der Studie den bereits breitstreuenden Einsatz von Diskont-Handelsmarken im klassischen LEH. Eine sehr interessante Zielgruppe sowohl für die Markenartikelindustrie als auch für den LEH stellen hingegen die generell Markenbewussten dar. Für die Großen in der Markenartikelindustrie könnten die Ergebnisse besonders für ein übergreifendes Management ihres umfangreichen Markenportfolios Bedeutung haben. Auch wenn sich aus einer Einstellung (Markenbewusstsein) nur mittelbar auf das reale Kaufverhalten schließen lässt, zeigt sich diese Gruppe in vielen Produktbereichen aufgeschlossen für bekannte Marken. Sie ist somit eine logische und lohnende, wenn auch mit den bislang vorhandenen Profildaten schwer erreichbare Zielgruppe für breite FMCG-Dachmarken (z.B. Henkel, Nestlé).

100

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

Abbildung 4-1:

Nachhaltige Markenstrategien für den LEH (nach: Schweiger und Strebinger 2003)

Die Daten zeigen, dass sich diese Gruppe in der Haushaltsgröße und im Einkommen nicht von der Gruppe der risikoabhängig Markenbewussten unterscheidet. Geht man davon aus, dass sie häufiger zu hochpreisigen Markenartikeln greift, liegt ihr Kundenwert auch für den klassischen LEH deutlich über jenem der risikoabhängig Markenbewussten. Will man dieses lukrative Kundensegment nicht zu niedriger Ladentreue erziehen, empfiehlt sich eine sehr detaillierte Analyse des Sortiments mit Bezug auf seine Attraktivität für diese Konsumenten. Zurzeit scheinen sich jedoch viele Handelsunternehmen in der Weiterentwicklung ihres Sortiments, insbesondere ihrer Diskont-Eigenmarken, vor allem auf die risikoabhängig Markenbewussten zu konzentrieren. Geht man über die betriebliche Ebene hinaus, so stellt sich das Markenbewusstsein des Konsumenten in all seinen Facetten als ein öffentliches Gut dar. Anders formuliert: Zumindest jene Anbieter, die sich für die meisten Konsumenten innerhalb desselben Risikoniveaus bewegen, sitzen im selben Boot und sind darauf angewiesen, dass keiner der anderen dem Boot ein Leck schlägt. Leider scheint es dem öffentlichen Gut „Markenbewusstsein“ nicht viel besser zu ergehen als den meisten seiner Pendants. Im FMCG-Bereich haben gerade kleinere Markenartikelhersteller oft mehr als

101

Andreas Strebinger und Thomas Otter

ausreichend Kapazität, aber nicht ausreichend Marktmacht, um gegenüber den Handelsunternehmen die von Diller (1989, S. 221f) beschriebene „Strategie der Stärke“ zu verfolgen und Anfragen nach der Produktion einer Handelsmarke kategorisch abschlägig zu beantworten. Jedes Mal, wenn aber ein solcher Hersteller in der Folge ein in seiner Rezeptur gerade einmal marginal verändertes Produkt in die Regale bringt, das sich aus Sicht des Konsumenten außer durch einen deutlich geringeren Preis in nichts von der Originalmarke des Herstellers unterscheidet, untergräbt er nicht nur den eigenen Markenwert, sondern auf dem Umweg des Markenbewusstseins auch den Markenwert anderer bekannter Herstellermarken. Eine ähnliche Gefahr geht von der Auslagerung der Fertigung durch Markenartikelunternehmen aus. Umso wichtiger sind daher jene Institutionen, die sich, wie etwa der Deutsche Markenverband e.V., der Österreichische Verband der Markenartikelindustrie, der Schweizerische Markenartikelverband oder der Europäische Markenverband, der Pflege des öffentlichen Guts „Markenbewusstsein“ widmen. Unsere qualitativen Daten deuten jedoch an, dass in der Gruppe der risikoabhängig Markenbewussten ein starkes kognitives Fundament („Reason Why“) für eine generell höhere Qualität bekannter Marken fehlt. Die bisher in Österreich verfolgte Kommunikationsstrategie zur Hebung des Markenbewusstseins (siehe Abbildung 4-2) verzichtet auf die Errichtung eines solchen kognitiven Fundaments, wie es die generell Markenbewussten zu haben scheinen, und stellt stattdessen exemplarisch dar, welchen Nutzen konkrete bekannte Marken schaffen. Dieser Weg ist für den Konsumenten sicherlich eingängiger als abstrakte Argumente, die sich allgemein auf bekannte Marken beziehen. Allerdings führen sie auf Seiten des kritischen Konsumenten wohl auch nur zu der Überzeugung, dass „unter den guten Marken auch einige bekannte Marken sind“, nicht aber, dass „bekannte Marken gut sind“. Um das Markenbewusstsein zu pflegen, könnte sich eine Doppelstrategie empfehlen: zum einen – nicht unbedingt in der klassischen Werbung – logische Argumente für eine typischerweise höhere Innovativität bzw. Qualität bekannter Marken als „Reason Why“ zu platzieren, zum anderen, wie derzeit gemacht, ausgewählte bekannte Marken als glaubwürdigen Beweis dafür zu präsentieren. Ob das in der Argumentation „Käufer/innen von Diskontmarken sind geizig“ unseres Erachtens mitschwingende Prestigemotiv für sich genommen ein direkter, starker Treiber der Wahl von Markenartikeln ist, kann auf Basis der hier vorliegenden Daten nicht beantwortet werden (vgl. dazu Bao und Mandrik 2002). Die indirekte Wirkung von Prestige über den Umweg einer stärkeren Überzeugtheit von der Qualität bekannter Marken ist in unseren Daten zwar nachweisbar, aber schwach. Eine Pflege des Markenbewusstseins kommt nicht nur den Markenherstellern zugute, auch Handelsunternehmen profitieren von einem hohen Markenbewusstsein, stellt es doch die Basis jenes Markenwerts dar, welcher die Größe des zwischen Hersteller, Handel und Konsument zu verteilenden Kuchens bestimmt (Schweiger und Strebinger 2003).

102

Wer glaubt noch an bekannte Marken?

Abbildung 4-2:

Beispiel für ein Plakat der Kampagne 2006 des Österreichischen Verbands der Markenartikelindustrie

Bildrechte: Bernhard Angerer Konzept: Demner, Merlicek & Bergmann, Wien

Denn: Wenn niemand mehr an bekannte Hersteller- oder Präferenz-Handelsmarken glaubt, geht nicht nur der Markenartikelindustrie, sondern auch dem klassischen LEH im Vergleich zu den Diskontern ein wichtiger Teil der Existenzberechtigung verloren.

103

Andreas Strebinger und Thomas Otter

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Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

Gereon Friederes

Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

1

Nationale Wurzeln für internationales Wachstum ................................................... 111

2

Theoretische Grundlagen: Die Match-Up-Hypothese .............................................. 113

3

Die Nutzung der Produktherkunft in der Markenführung ..................................... 116 3.1 Vorteile der Country-of-Origin-Strategie .......................................................... 116 3.1.1 Transfer vorteilhafter Imagefacetten ..................................................... 116 3.1.2 Eignung der Produktherkunft zur emotionalen Differenzierung ..... 117 3.1.3 Eignung der Produktherkunft zur qualitativen Differenzierung ...... 117 3.1.4 Der Herkunftsbezug in der Werbung: hohes Kreativpotenzial und gute Werbewirkung ................................................................................. 118 3.2 Umsetzung des Country-of-Origin-Brandings ................................................ 118 3.2.1 Markenname ............................................................................................ 119 3.2.2 Markenzeichen ......................................................................................... 120 3.2.3 Verpackung .............................................................................................. 120 3.2.4 Produkt und Produktbenennung .......................................................... 121 3.2.5 Markenkommunikation .......................................................................... 122

4

Marken des Dreiländerecks: Deutschland, Österreich, Schweiz ............................. 123 4.1 Made in A: Kapital für österreichische Marken? ............................................. 124 4.2 Swissness: Wer hat’s erfunden? .......................................................................... 124 4.3 Made in Germany: Wir sind Deutschland! ....................................................... 126

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Gereon Friederes

Abstract

Gerade in Zeiten der Globalisierung ist die Herkunft von Produkten und Marken für den Konsumenten ein wichtiger Anker für seine Urteilsfindung. Auf Basis internationaler Forschung sowie der bahnbrechenden Arbeiten von Günter Schweiger zeigt der Beitrag auf, unter welchen Voraussetzungen ein Herkunftsbezug vorteilhaft für Produkte und Marken ist, wie die Herkunft zur Differenzierung von Produkten und Marken beiträgt und wie der Herkunftsbezug in der Markenpositionierung hergestellt werden kann. Der Beitrag schließt mit einer Analyse der Stärken und Schwächen der internationalen Images von Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

1

Nationale Wurzeln für internationales Wachstum

Lassen wir uns von der Geschichte zeigen, welche Bedeutung Länderimages für die Führung von Marken im internationalen Wettbewerb haben. Die Entwicklung von Herkunftszeichen, wie sie heute als Gütesiegel für Produkte aus einem Erzeugerland eingesetzt werden, beginnt 1886 in London. Wenn auch nicht mit der Absicht, das Image eines Landes positiv für seine Produkte einzusetzen. Im Gegenteil! Unter den Abgeordneten des britischen Parlaments toben heftige Diskussionen, wie die Vorherrschaft von britischen Erzeugnissen in der industriellen Produktion aufrecht zu erhalten sei. Der über die Insel hinwegfegenden Flut an deutschen Produkten muss Einhalt geboten werden! Aber wie? Die Erhöhung der Schutz- und Einfuhrzölle für Erzeugnisse aus Kontinentaleuropa wäre der einfachste Weg, um das Problem in den Griff zu bekommen. Da Europa im Gegenzug die Exportgüter des Inselstaates jedoch umgehend mit Strafzöllen belegen würde, wird diese Alternative als Nullsummenspiel verworfen. Anstatt die deutschen Erzeugnisse zu bekämpfen, entschließt man sich, auf den ausgeprägten Nationalstolz der Briten als verlässlichen Abwehrmechanismus zu setzen. Am 23. August 1887 verabschiedet das britische Parlament mehrheitlich den „Merchandise Marks Act“. Ab sofort müssen aus Deutschland stammende Produkte deutlich mit der Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ gekennzeichnet werden. Ein unübersehbares Signal an die Bevölkerung, die so gebrandmarkten Waren nicht zu kaufen. Da die Briten nicht mit der raschen Lern- und Entwicklungsfähigkeit der deutschen Industrie gerechnet hatten, ging dieser nationalistisch motivierte Akt der Diffamierung nach hinten los. Denn noch im selben Jahr, als das Gesetz erlassen wurde, hatten sich die Produktionsverhältnisse in Deutschland dramatisch verbessert. Man war am besten Weg, neue Qualitätsstandards in der industriellen Produktion zu setzen. Deutsche Qualitätsware, die aufgrund des auf ihr angebrachten „Warnhinweises“ leicht von minderwertigen Produkten aus anderen Regionen unterschieden werden konnte, erfreute sich unter der britischen Bevölkerung bald solcher Beliebtheit, dass britische Hersteller ihre Erzeugnisse fälschlicherweise mit dem Gütesiegel versahen, um in den Genuss der Reputation deutscher Qualitätsprodukte zu kommen (vgl. Hirschmann 1990, S. 7-16). Dass der Stellenwert von nationalen Herkunftskennzeichen für Volkswirtschaften von ungebrochen hoher Bedeutung ist, verdeutlichte die hitzige Diskussion um den von der Europäischen Kommission 2004 vorgebrachten Vorschlag, Herkunftszeichen wie „Made in Germany“ oder „Made in Austria“ durch ein einheitliches „Made in the European Union“ zu ersetzen.

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Gereon Friederes

Ein Aufschrei ging durch Politik und Wirtschaft, und unverhohlene Proteste gegen ein solches Einheitslabel wurden laut. Wenn Marken „Made in Germany“ durch ein solches Herkunftskennzeichen den Marken „Made in Poland“ gleichgesetzt werden, bedeute dies eine massive Schädigung des Wirtschaftsstandortes Deutschland im internationalen Wettbewerb. Eine Meinung, die zwei Jahre später in der vierten Ausgabe des Anholt Nation Brands Index, einer weltweiten Umfrage zum Image von 35 Nationen, bestätigt wurde. Diese Studie untersuchte erstmals den finanziellen Markenwert verschiedener Ländermarken und lieferte ein Maß dafür, wie stark das Länderimage zur Volkswirtschaft beiträgt. Demnach müsste Deutschland rund 3.836 Mrd. Euro für die Marke „Made in Germany“ bezahlen, wenn es die Lizenz für das Label von einer dritten Partei erstehen müsste. Das sind laut Studie 167 Prozent des Jahresbruttoinlandsprodukts. Polen hingegen weist lediglich ein Hundertstel des Markenwerts Deutschlands auf. Die rund 36 Mrd. Euro Markenwert für „Made in Poland“ verweisen das Land auf den letzten Platz der einbezogenen Länder (Geiger 2006, S. 18). Die Marke Deutschland ist mit ihrem Image nach den USA und Japan das gefragteste Label weltweit. In den Boommärkten des 21ten Jahrhunderts wie z.B. China werden deutsche Marken im internationalen Vergleich sogar positiver wahrgenommen als amerikanische oder japanische Marken. Den Ergebnissen einer repräsentativen Studie der BBDO Germany und BBDO Consulting Shanghai zufolge gilt dies vor allem für die traditionellen deutschen Werte wie „Qualität“, „Zuverlässigkeit“, „Leistungsstärke“ und „Vertrauenswürdigkeit“. Auch der Prestigewert deutscher Marken liegt mit knapp 90 Prozent über den japanischen oder amerikanischen Vergleichswerten. Dennoch kann in der Herkunftskennzeichnung „Made in Germany“ kein Garant für den Markterfolg aller Produktkategorien am chinesischen Markt gesehen werden. Im Vergleich werden die aus Deutschland stammenden Marken deutlich weniger als „modern“ bzw. „modisch“ gesehen und unterliegen in der Dimension „Innovation/Hightech“ (vgl. BBDO 2005). Darüber hinaus werden die Preise für deutsche Marken als zu hoch empfunden. Besonders gute Chancen haben deutsche Marken in China daher vor allem als Anbieter im Luxus- bzw. Premiumsegment. Aber „Made in Germany“ im Value Segment? Auch die osteuropäischen Märkte bieten deutschen, österreichischen und Schweizer Anbietern aufgrund ihrer Größe, der geographisch günstigen Lage und vor allem durch die Osterweiterung der Europäischen Union Gelegenheit, die konjunkturell schwierige Lage auf den Heimatmärkten auszugleichen. Voraussetzung hierfür ist, den Anforderungen der Auslandsmärkte mit wirkungsvollen Marken- und Kommunikationsstrategien zu begegnen (vgl. Friederes, 1994, S. 120ff). Friederes identifizierte in seinen empirischen Erhebungen für den Markenaufbau in Osteuropa (1997) die westliche Produktherkunft als Erfolgspotenzial, für dessen möglichst weitgehende Ausschöpfung sich eine Integration der Produktherkunft in die Markenführung empfiehlt.

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Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

Klar ist in jedem Fall, dass nicht jedes „Made in Label“ für jede Produktkategorie und jede Positionierung vorteilhaft ist, und dies führt uns zum folgenden Kapitel.

2

Theoretische Grundlagen: Die Match-Up-Hypothese

Die Nutzung der Produktherkunft im Rahmen der Markenführung ist vor allem dann sinnvoll, wenn „Synergieeffekte“ im Spannungsfeld: „Produkt – Herkunft – Marke“ denkbar sind (Mayerhofer 1995). Diese Synergien beruhen hauptsächlich auf vorteilhaften Imagetransfereffekten a) vom Land auf das „Made in“-Image für bestimmte Produkte oder b) vom Land auf die Marke (Schweiger 1990). Beim Imagetransfer vom Land auf die Produktkompetenz wird aufgrund der Landesimages und der Images der Bevölkerung eines Landes auf die Fähigkeit zur Produktion bestimmter Güter geschlossen. Insbesondere in Zusammenhang mit der Entwicklung von Spezialistenimages (z.B. italienisches Design, deutsche Präzision, französische Eleganz) kommt diesen Landesimagekomponenten auch eine große wirtschaftliche Bedeutung zu. Die Effizienz der beiden Imagetransfers vom Landesimage auf das "Made in"-Image bzw. auf das Markenimage ist wie bei Brand Extensions (vgl. Schweiger 1982, S. 8f) von der Affinität zwischen beiden Imageträgern abhängig. Die Affinität zwischen Landes- und Produktimage, in der englischsprachigen Literatur meist mit "Match Up" bezeichnet, wurde vor allem von Choi (1991) und Roth und Romeo (1992) untersucht. Choi (1991) beschäftigt sich in seiner cross-nationalen Studie (USA, Japan) mit Laufschuhen aus den USA (hoher Match Up) und China (niedriger Match Up). Wenngleich das Studiendesign wenig zur Überprüfung der Hypothese geeignet ist, denn auch ohne Match Up wäre das US-amerikanische Produkt (auf jeden Fall in den USA, aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in Japan) besser als das chinesische Pendant bewertet worden, kommt Choi doch immerhin der Verdienst zu, als erster den (offensichtlichen) Zusammenhang in einer Hypothese formuliert zu haben. Die Studie von Roth und Romeo (1992) kann dagegen als empirische Bestätigung der Aussage „Je größer die Affinität zwischen Produkt- und Landesimage ist, desto vorteilhafter ist die zu erwartende Wirkung der „Made in“-Information auf die Beurteilung eines Produktes“ gewertet werden. Die beiden Autoren untersuchen die Kaufbereitschaft amerikanischer, mexikanischer und irischer Studenten im Hinblick auf sechs Produkte von unterschiedlicher technischer Komplexität (Automobile, Uhren, Bleikristall, Fahrräder, Lederschuhe, Bier) und in Verbindung mit neun Her-

113

Gereon Friederes

kunftsländern mit unterschiedlich gutem „Made in“-Image (Deutschland, USA, Japan, Großbritannien, Irland, Spanien, Korea, Mexiko, Ungarn). Immer dann, wenn ein Land bezüglich einer Produktdimension besonders gut bewertet wird (z.B. Design, Verarbeitungsqualität, Innovationskraft), schneidet es in jenen Produktkategorien überdurchschnittlich gut ab, in denen diese Dimension besonders wichtig ist. Zusätzlich zu den von Roth und Romeo (1992) gemessenen dimensionsspezifischen Match Ups, z.B.:

italienische Designkompetenz (Ergebnis: günstiger Herkunftslandeffekt für Möbel „Made in Italy“) oder

deutsche Pünktlichkeit (Ergebnis: vorteilhafter Herkunftslandeffekt für deutsche Fluglinien) gibt es aber sehr wahrscheinlich auch Match Ups, die direkt zwischen Produkt und Land hergestellt werden. So führen beispielsweise

die Assoziation von schlechtem Wetter und England zu einer hohen Kompetenz Englands zur Erzeugung von Regenkleidung,

die Wahrnehmung der Schweiz als Wintersportland und als Land der Berge zu einer hohen Kompetenz zur Skiproduktion und

das Image Österreichs als Land der klassischen Musik zu einer hohen Kompetenz zur Klaviererzeugung (Schweiger 1992). Ein großes Nutzungspotenzial des Herkunftslandes liegt in der Markenführung. Die Marke kann durch Imagetransfer sowohl vorteilhafte Komponenten des Landesimages auf sich übertragen als auch ein günstiges „Made in“-Image nutzen. Dies gilt in verstärktem Ausmaß für Marken kleiner und mittelständischer Unternehmen, denn diese Firmen sind auf die Kostenvorteile eines Imagetransfers aufgrund geringerer Werbebudgets stärker angewiesen, aber auch für internationale Marken multinationaler Konzerne: „Jede internationale (Unternehmens-)Marke benötigt eine ‚Heimatъ und damit ihre nationalen Wurzeln. Keine Marke kann ohne Zuordnung zu einem Land oder einem Gebiet abstrakt im weltweiten Raum schweben; sie würde schnell an Substanz und Positionierung verlieren. Internationaler Auftritt und nationaler Bezug sind keine Widersprüche, sondern Voraussetzungen erfolgreicher Markenpolitik" (Merbold 1993, S. 580; Claus Merbold war als Direktor der Siemens AG in München für die Marken- und Imageforschung verantwortlich). Es wird jedoch vermutet, dass die Produktherkunft bei einem Mismatch zwischen Land und Produkt auch ungünstige Auswirkungen für die Marke haben kann. Abbildung 2-1 zeigt Beispiele hierfür. So betrachten viele österreichische Hightechund Industrieunternehmen das Image Österreichs (vor allem die Komponenten Kultur, Tradition und Natur) als nicht affin zu ihren Produkten (vgl. Hopp 1992) und vermeiden daher in ihrer Kommunikation den Bezug zur österreichischen Herkunft.

114

Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

Abbildung 0-1:

Markenstrategische Implikationen bei passender und unpassender Produktherkunft (Quelle: Roth und Romeo 1992, S. 495)

Product-Country Matches and Mismatches: Examples and Strategic Implications Country image dimensions positive

Important Not important

Dimensions as product features

I Favorable Match

negative II Unfavorable Match

Examples: Japanese auto, German watch

Examples: Hungarian auto, Mexican watch

Strategic implications: - Brand name reflects COO - Packaging includes COO information - Promote brand's COO - Attractive potential manufacturing site

Strategic implications: - Emphasize benefits other than COO - Non-country branding - Joint-venture with favorable match partner - Communication campaign to enhance country image

III Favorable Mismatch Example: Japanese beer Strategic Implications: - Alter Importance of product category image dimensions - Promote COO as secondary benefit if compensatory choice process

IV Unfavorable Mismatch Example: Hungarian beer Strategic implications: - Ignore COO - such information not beneficial

Im Falle einer ungünstigen Produktherkunft besteht zusätzlich zu den bei Roth und Romeo genannten Optionen die Möglichkeit, eine andere Produktherkunft zu signalisieren. Bekannte Marken, die sich für diese Strategie entschieden haben, sind Pietro Pizzi, Bresso, Pariguette, Kelly's, Spar American Cola und Black Jack (vgl. Lahofer 1993). Die genannten Lebensmittelmarken nutzen alle ein Spezialistenimage eines Landes – italienische „Pizze e Paste“, französischer Weichkäse, französisches Baguette, amerikanisches Popcorn (Erdnüsse etc.), amerikanisches Cola –, obwohl keines der Produkte tatsächlich in diesen Ländern erzeugt wird. Die Produktherkunft bildet durch ihre Integration in die Werbung, den Markennamen, die Produktverpackung usw. die dominante Positionierungskomponente. Weitere Beispiele sowie Informationen zu den juristischen Grenzen der Vortäuschung einer falschen Produktherkunft finden sich bei Schweiger et al. (1995a, S. 138ff). Betreffend das Produktionsland ist in der Praxis immer wieder die Meinung anzutreffen, dass „starke Marken“ größere Freiheitsgrade genießen als „schwache Marken“, da sie für den Konsumenten Garant der Qualität wären. Zwar stützten empirische Studien den Gedanken, dass die Beurteilung von Produkten starker Marken weniger vom „Made-in“-Hinweis beeinträchtigt wird (Jo et al. 2003; Sattler

115

Gereon Friederes

1991). Allerdings darf man daraus nicht schließen, dass starke Marken nicht unter einer vom Konsumenten wahrgenommenen Koppelung mit einem wenig angesehenen Produktionsland leiden würden: Wie Studien in Schweiger et al. (1997) oder Häubl (1996) eindrucksvoll belegen, leidet auch der Wert von Produkten sehr starker Marken wie Mercedes, Sony, Rolex, WMF oder Lacoste ganz erheblich, wenn sie von Konsumenten mit einem negativ besetzten Produktionsland in Verbindung gebracht werden. Verantwortlich dafür ist nicht nur ein Verlust wahrgenommener Qualität, sondern auch ein Minus bei Prestige oder – wenn es um den Heimmarkt geht – ein geringerer Nutzen für den patriotischen Käufer (Gierl und Stich 1999).

3

Die Nutzung der Produktherkunft in der Markenführung

3.1

Vorteile der Country-of-Origin-Strategie

Die Integration der Produktherkunft in die Markenführung birgt eine Vielzahl von Vorteilen. Aus diesem Grunde entschließen sich immer mehr Unternehmen für Country-of-Origin-Strategien. Eine große Zahl an erfolgreichen Beispielen wird im Buch „Made in Austria – Kapital für österreichische Marken“ (Schweiger et al. 1995a) dokumentiert.

3.1.1

Transfer vorteilhafter Imagefacetten

Einer der wichtigsten Vorteile einer Country-of-Origin-Strategie besteht darin, dass die Marke ein günstiges „Made in“-Image für sich nutzen und vorteilhafte Komponenten des Landesimages mittels Imagetransfer auf sich übertragen kann: Coca-Cola und Marlboro verwendeten für ihren Markenaufbau Facetten des amerikanischen Landesimages und sind heute weltweit als Symbole des „american way of life“ bekannt; Swatch (als Abkürzung von swiss watch entstanden) hat in der Anfangsphase das gute „Made in“-Image Schweizer Uhren genutzt. Für Länder mit ausgeprägten Imagekomponenten besteht die Gefahr, dass Marken, die ursprünglich nicht aus diesem Land stammen, sich dieser Facetten bedienen, um von bestimmten Stereotypen des Landes zu profitieren. Eine solche Kuckucksmarke, die alleine schon durch den Klang ihres Markennamens an die große dänische Eiscremekunst erinnern soll, ist Häagen-Dazs. 1961 erfand der aus Polen stammende und in New York lebende Einwanderer Reuben Mattus den Fantasienamen für sein

116

Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

feines Speiseeis. Der Name sollte bei den amerikanischen Konsumenten Assoziationen zu den europäischen Traditionen und der europäischen Handwerkskunst herstellen. Um diesen Eindruck zu verstärken, ergänzte Mattus das Firmenlogo in den Anfangsjahren zusätzlich um den Umriss der Landkarte von Dänemark.

3.1.2

Eignung der Produktherkunft zur emotionalen Differenzierung

Durch die gesamtgesellschaftliche Informationsüberlastung (Kroeber-Riel 1991, S. 14) und das in vielen Produktkategorien rasante Wachstum der Marken- und Modellvielfalt wird der konsequente Aufbau innerer Marken- und Firmenbilder („emotionale Erlebnisbilder“) zur emotionalen Produktdifferenzierung immer wichtiger. Für den Aufbau dieser emotionalen Erlebnisbilder eignen sich so genannte „Schemavorstellungen“ (Klischees des Menschen über sich selbst und seine Umwelt), wie sie beispielsweise in den Länderstereotype zu finden sind (Schweiger et al. 1997, S. 6ff), am besten (vgl. hierzu Kroeber-Riel 1991, S. 189). Ein besonderer Vorteil der Länderstereotype gegenüber anderen Schemavorstellungen liegt darin, dass diese sich durch eine sehr hohe zeitliche Stabilität und interkulturelle Homogenität auszeichnen, wie die cross-nationalen und longitudinalen Länderimagestudien unter Leitung von Günter Schweiger (Puaschunder et al. 2004; Schweiger 1992) gezeigt haben. Im Automobilbereich ist etwa das Herkunftsland eines der wenigen Kaufentscheidungskriterien, denen in vielen Ländern der Erde einheitliche Relevanz und Bedeutung zukommen (Hsieh et al. 2004).

3.1.3

Eignung der Produktherkunft zur qualitativen Differenzierung

Neben der emotionalen Produktdifferenzierung kann die Herkunft in einigen Fällen auch zur qualitativen Produktdifferenzierung herangezogen werden, nämlich dann, wenn durch den Bezug zur Herkunft nationale Qualitätsstandards betont werden. Die vorgeschriebenen Qualitätsstandards liegen bei einzelnen Produkten in manchen Ländern deutlich über dem internationalen Durchschnitt. Auch innerhalb der EU gibt es die Möglichkeit, im Rahmen der allgemeinen EU-Standards die nationalen Standards strengeren Richtlinien zu unterwerfen. Ein bekanntes Beispiel ist das Reinheitsgebot beim deutschen Bier, aber auch österreichische Standards, wie sie z.B. im Lebensmittelrecht und im Weingesetz verankert sind, sind zum Teil deutlich restriktiver als die Standards anderer Nationen. Die in vielen Bereichen strengeren österreichischen und deutschen Vorschriften könnten in diesen Fällen gemeinsam mit der Herkunft eines Produktes kommuniziert und als Wettbewerbsvorteil genutzt werden.

117

Gereon Friederes

Auch die strengen österreichischen und deutschen Umweltgesetze stellen nationale Standards dar und verlangen in vielen Punkten im Vergleich zu anderen Ländern höhere Investitionen einheimischer Unternehmen in den Umweltschutz. Dieser Wettbewerbsnachteil lässt sich jedoch mit geeigneten kommunikationspolitischen Maßnahmen auch in einen Wettbewerbsvorteil im Export umwandeln: herausragende Produktqualität bei umweltgerechten Herstellungsverfahren (vgl. Kurz 1993). Ein weiterer Vorteil der Nutzung der Produktherkunft liegt im Trend begründet, dass Kaufentscheidungen schneller und damit auch oberflächlicher getroffen werden. Diese unter dem Namen „simplified information processing“ (vereinfachte Informationsverarbeitung) bekannt gewordene Entwicklung hat zu einer Bedeutungssteigerung für extrinsische (nicht-physische) Kaufentscheidungskriterien wie Herkunftsland und Marke geführt. Für den Fall, dass ein Hersteller über keine etablierte Marke verfügt, wäre die Betonung des Produktmerkmals „Herkunft“ daher eine sinnvolle Alternative. Wird eine vorteilhafte Produktherkunft in die Markenkommunikation integriert, so wirkt sie bei potenziellen Käufern im Rahmen einer vereinfachten Kaufentscheidung als positiver Schlüsselreiz und als Qualitätsgarantie.

3.1.4

Der Herkunftsbezug in der Werbung: hohes Kreativpotenzial und gute Werbewirkung

Eine Country-of-Origin-Strategie bietet unzählige Möglichkeiten für eine lebendige Umsetzung in der Markenkommunikation (s. dazu Head 1988, 1992; Hopp 1992 und Schweiger et al. 1995a). Das Interesse an fremden Ländern und deren Kultur ist enorm und wächst stetig, wie Presseauswertungen aus verschiedenen Ländern zeigen (vgl. Wilkinson 1996, S. 155). Dadurch hat sich bezüglich vieler Länder ein ausgeprägtes Assoziationsfeld entwickelt, welches herkunftsbezogener Werbung vielfältige Chancen bietet, einem Produkt Flair und Stimmung zu verleihen oder auch durch Anspielungen auf nationale Eigenheiten bzw. durch die Präsentation des „typischen Österreichers, Engländers, Italieners ...“ eine spritzig-witzige Kampagne zu gestalten.

3.2

Umsetzung des Country-of-Origin-Brandings

Das Ziel, sich durch den Bezug zum Herkunftsland vorteilhaft vom Wettbewerb abzuheben und durch den Transfer von positiven Imagekomponenten eines Landes auf die eigene Marke zu profitieren, kann nicht alleine durch die Verwendung eines Herkunftszeichen erreicht werden. Der gesamte kommunikative Markenauftritt muss auf das Herkunftsland abgestimmt werden. Durch die gezielte Gestaltung vieler weitere Markenelemente kann der Bezug zu

118

Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

Nationalstaaten, Bundesländern/Kantonen, Regionen, Städten oder supranationalen Einheiten (z.B. „Made in Europe“, siehe Schweiger et al. 1995b) für die Markenpositionierung im In- und Ausland hergestellt werden (Schweiger et al. 1995a, S. 113ff; Schweiger et al. 1999a).

3.2.1

Markenname

Eine rasche und unmittelbare Vermittlung des Bezugs zum Ursprungsland ermöglichen Markennamen, welche die Herkunft bereits in sich tragen (wie z.B. Austrian Airlines, Deutsche Bank oder Swatch) oder die durch ihre phonetischen Merkmale (Armani, Ferrari, Mitsubishi oder Volkswagen) die geographische Zuordnung der Marke unterstützen (vgl. Abbildung 3-1).

Abbildung 3-1:

Markenname mit Herkunftsbezug (Quelle: eigene Darstellung)

119

Gereon Friederes

3.2.2

Markenzeichen

Die Integration von Wahrzeichen (Stephansdom bei Manner, Schweizerkreuz im Swiss Logo) oder nationalen Symbolen (französischer Hahn bei Rossignol), aber auch die Verwendung von Elementen oder Farben der Nationalflagge (Rot-Weiß-Grün bei Pietro Pizzi, amerikanische Nationalfarben bei Kelly´s) im Markenzeichen können als Hinweise auf die Herkunft der Marke eingesetzt werden. Besonders bei der Verwendung von landestypischen Farben ist jedoch Vorsicht geboten: Länderspezifische Assoziationen, die ausgelöst werden sollen, können durch andere, gelernte Assoziationen unterdrückt werden. Verwendet man z.B. das österreichische Rot-WeißRot, kann diese Farbkombination unerwünschte Warnsignale an den Betrachter senden. Die Farbfolge kann z.B. an Bahnschranken, industrielle Schornsteine oder Brückenpfeiler erinnern. Die damit in Verbindung gebrachten (negativen) Assoziationen können die gewünschte Vorstellungsverknüpfung mit Österreich überlagern. Darüber hinaus sind Farben auf ihren Bedeutungsgehalt in unterschiedlichen Kulturkreisen zu überprüfen.

Abbildung 3-2:

3.2.3

Markenzeichen mit Herkunftsbezug (Quelle: eigene Darstellung)

Verpackung

Die Verpackung einer Marke bietet zusätzliche Flächen, um wiederum Landesflaggen, typische Landschaften, sprachliche Elemente, Wahrzeichen u.ä. als Herkunftsindikator einzusetzen. Aber auch die reine Form der Verpackung kann Assoziationen evozieren. Bei der Verpackung der Mineralwassermarke Gasteiner ziert nicht nur ein Bild der typisch österreichischen Bergwelt die Flasche. Der geschliffene Flaschenhals selbst hat

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Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

eine kristallähnliche Form, der die Assoziation zum kristallklaren Wasser der alpinen Berge unterstreichen soll. Wesentlich deutlicher machen die Verpackungen der Schokoladenmarke Camille Bloch durch den Einsatz der Landesfarben, des Schweizerkreuzes, der Wappen der 26 Kantone, des Berner Bären und landestypischer Trachten vor alpenländischer Fotokulisse auf ihren Schweizer Ursprung aufmerksam (vgl. Abbildung 3-3).

Abbildung 3-3:

3.2.4

Verpackung mit Herkunftsbezug (Quelle: eigene Darstellung, Copyright: © Chocolats Camille Bloch SA)

Produkt und Produktbenennung

In ausgewählten Fällen kann der Bezug zum Herkunftsland durch das Produkt selbstständig hergestellt werden. So werden Messer von Victorinox – nicht zuletzt auch durch die umgangssprachliche Bezeichnung „Schweizer Offiziersmesser“ – aus Konsumentensicht als fester Bestandteil der Schweizer Armee angesehen. Die Modemarke Giesswein gilt, aufgrund der Erzeugnisse mit für den alpenländischen Raum charakteristischen Stoffen, Schnitten und Mustern, als typisch österreichisch. Eine Alternative für Marken, bei denen sich der Bezug zum Herkunftsland nicht selbstverständlich aus dem Produkt ergibt, ist die Produktbezeichnung. So wecken die Schweizer Produktnamen „Urs“, „Heidi“, „Eisbärli“ und „Bub“ der Modemarke Alprausch oder die skandinavischen Namen (neben männlichen und weiblichen Vornamen auch die Bezeichnungen von Orten, Flüssen und Seen) „Gudrun“, „Lena“, „Knut“ und „Tore“ des Einrichtungshauses IKEA gewisse Assoziationen zum Erzeugerland (vgl. Abbildung 3-4).

121

Gereon Friederes

Abbildung 3-4:

3.2.5

Produkt und Produktbezeichnung als Herkunftszeichen (Quelle: eigene Darstellung, Copyright: © IKEA, © Giesswein, © Victorinox)

Markenkommunikation

Den effizientesten Beitrag zur Herstellung des Bezugs zwischen einer Marke und ihrem Herkunftsland leistet die Kommunikation. Sie nimmt schon deshalb einen besonderen Stellenwert ein, da der Einsatz von Massenkommunikationsmitteln und Below-the-line-Kommunikationsmaßnahmen den unterstützenden Einsatz der zuvor angeführten Markenelemente erlaubt. Die vielfältigen Möglichkeiten, den Länderbezug durch die Kommunikationsinstrumente zu transportieren, verringern darüber hinaus die Gefahr, mit der eigenen Marke eine austauschbare Position anzusteuern. Abbildung 3-5 gibt einen Überblick über mögliche Imagetransferachsen in der Markenkommunikation, die eine Verbindung zwischen Landesimage und Markenimage bewirken. Auch im Hinblick auf die Werbewirkung schneiden Sujets mit Herkunftsbezug sehr gut ab. Die Auffälligkeit von und die spontane Erinnerung an Anzeigen mit landestypischen Elementen ist höher als bei vergleichbaren Anzeigen, wie Forschungsstudien für mehrere Exportmärkte und verschiedene Produkte österreichischer Hersteller gezeigt haben (Kurz 1994).

122

Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

Abbildung 3-5:

4

Imagetransferachsen und erfolgreiche Beispiele für die Integration der Herkunft in die Markenführung (Quelle: eigene Darstellung)

Marken des Dreiländerecks: Deutschland, Österreich, Schweiz

Es ist nicht nur das geographische Nachbarschaftsverhältnis von Deutschland, Österreich und der Schweiz, das eine Untersuchung der Unterschiede in den jeweiligen Länderimages besonders interessant macht. Obwohl alle drei Staaten heute moderne, westlich orientierte, wirtschaftlich erfolgreiche Demokratien sind, in denen zum größten Teil die gleiche Sprache gesprochen wird und die – von der Größe einmal abgesehen – auch topographische Ähnlichkeiten aufweisen, kristallisieren sich im internationalen Vergleich der Länderimages doch klare Gegensätze heraus. Schweiger hat Gegensätze und Gemeinsamkeiten der Länderimages Österreichs, Deutschlands und der Schweiz in einem mehrjährigen, weltweiten Forschungsprojekt mit insgesamt 39 Einzelstudien detailliert untersucht und die Ergebnisse in hervorragender Weise Wissenschaftlern und Praktikern zugänglich gemacht (z.B. Schweiger 1992).

123

Gereon Friederes

Die Studien von Schweiger weisen auf weit verbreitete, zeitlich stabile Länderstereotypen hin, die ausgezeichnet in Country-of-Origin-Strategien umgesetzt werden können. Nicht selten bedienen sich daher Werbeagenturen und Markenmanager genau jener Schemata.

4.1

Made in A: Kapital für österreichische Marken?

Historisch bedingt ist das Image Österreichs bei seinen Nachbarländern, den ehemaligen Kronländern der österreichisch-ungarischen Monarchie und in Nordeuropa besonders deutlich ausgeprägt. Es sind vor allem die klassische Musik (W.A. Mozart, Johann Strauss), Kultur und Tradition (Wiener Hofreitschule, Museen, Volksfeste, Trachtenmusiker) und seine Geschichte (KuK-Monarchie) die das Image Österreichs in der Welt bestimmen. Die Verhaftung in der Vergangenheit, das wenig Moderne stellen für das Image des Landes keinen Nachteil dar. Österreich und die Österreicher gelten als gastfreundlich, romantisch, charmant und freundlich. Kompetenz gesteht man der Alpenrepublik vor allem bei der Produktion von Skiern und der Herstellung von Süßwaren zu. Österreichische Weine sind in Mitteleuropa ein Begriff (vgl. Schweiger 1992, S. 294f). Dass Länderimages eine hohe zeitliche Stabilität aufweisen und dass das Datenmaterial aus der zuvor zitierten Studie von Schweiger (1992) keineswegs als veraltet angesehen werden dürfen, belegt neben jüngeren Studien (Puaschunder et al. 2004) auch der erfolgreiche Auftritt Österreichs bei der Expo2005 in Japan: Den Österreich-Pavillon betrat man durch eine Art Ballsaal mit Walzerklängen, wanderte dann von Wiesen- und Blumendüften begleitet zu einem Wasserfall mit typischem Moosgeruch, stieg hinauf zur Schneebar oder zum Café Wien, um seinen Apfelstrudel zu genießen. Zurück führte den Besucher die Schlittenfahrt über „the Slope“, ein innovatives Paradebeispiel österreichischen Holzbaus, zu den kulinarischen Highlights der Weinverkostung (vgl. Expo 2005, o.S.). Wie österreichische Marken die zuvor beschriebenen Imagekomponenten für sich nutzen zeigt Abbildung 4-1.

4.2

Swissness: Wer hat’s erfunden?

Die Schweiz genießt weltweit ein Image, dass durch seine wirtschaftliche Stärke, den Wohlstand der Schweizer Bürger und seine Verlässlichkeit als Geschäftspartner geprägt ist. Da es ihr im Gegensatz zu Österreich und Deutschland gelungen ist, sich aus kriegerischen Auseinandersetzungen herauszuhalten, wird ihr als Land der Freiheit, Demokratie und Neutralität höchstes Ansehen entgegengebracht.

124

Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

Abbildung 4-1:

Herkunftsbezug österreichischer Marken (Quelle: eigene Darstellung)

125

Gereon Friederes

Die Schweizer erzielen bei den Imagedimensionen „Moral“ und „Ethik“ noch bessere Werte als Österreicher und Deutsche. Vor allem in Übersee übertrifft die Schweiz Österreich als Land der Berge und des Wintersports. Auch das Jodeln wird als Domäne der Schweizer gesehen. Schweizer Produkte genießen weltweit den Ruf, in ihrer Verarbeitungsqualität einzigartig zu sein. Dies gilt nicht nur für Uhren, Käse und Süßigkeiten, sondern auch für viele weitere Produktkategorien. Produkte aus der Schweiz werden als teuer angesehen. Die Schweizer selbst gelten als ein wenig engstirnig, was sie selbst gar nicht abstreiten (vgl. Schweiger 1992, S. 295f) Überhaupt sind laut einer Studie des Forschungsinstituts GfS-Zürich zwei Drittel der Eidgenossen stolz auf ihre Nationalität, weniger als ein Viertel kann sich vorstellen, in einem anderen Land zu leben, und 70 Prozent sehen einen klaren Trend zu „Swissness“ (vgl. Spichiger 2004, S. 5). Geprägt wurde der Begriff Swissness von dem in London lebenden Kanadier Tyler Brulé, der nach dem Debakel der Fluglinien Crossair und Swissair eine neue Airline-Marke für die Schweiz konzipierte, die den konsequenten Neuanfang darstellen und die Kernwerte der Schweiz (Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Freundlichkeit) in die Welt transportieren sollte. Mittlerweile streben immer mehr Schweizer Firmen Markterfolge mit dem „Reiz der Schweiz“ an. Besonders auffällig macht die Marke Ricola, das wohltuende Bonbon mit 13 Kräutern aus der Schweiz, seine Herkunft zur unterhaltsamen Kernaussage in der Markenkommunikation. In den TV-Spots sorgt ein kleiner, aber höchst energischer Ricola-Abgesandter weltweit dafür, dass sich niemand mit falschen Lorbeeren schmückt. Finnen, Brasilianern, Chinesen (vgl. Abb. 4-2) und Engländern – die sich alle rühmen, das wohltuende Bonbon erfunden zu haben – setzt er durch hartnäckiges Nachfragen und dezentem Hinweiß mit dem weißen Schweizerkreuz auf seiner roten Krawatte so lange zu, bis diesen nichts anderes übrig bleibt, als auf seine Frage, wer es denn nun erfunden hätte, wahrheitsgemäß zu antworten: „Die Schweizer!“.

4.3

Made in Germany: Wir sind Deutschland!

Deutschlands Image ist geprägt durch seine Industrie. Nicht nur im Vergleich mit Österreich und der Schweiz genießt „Made in Germany“ ein hervorragendes Industrieimage. Auf den Weltmärkten kann Deutschland sich mit seinen technischen Produkten, die sich durch hohe Produktqualität, guten Service und vernünftigen Preis auszeichnen, gegenüber der großen, internationalen Konkurrenz behaupten. Im Vergleich zu Österreich und Schweiz hat es die höchste spontane Bekanntheit. Als Land der Hochkultur und der Traditionen rangiert es jedoch nach Österreich. Die Deutschen gelten weltweit als intelligent und fleißig, man schätzt sie als verlässliche Geschäftspartner. Sie gelten aber als Menschen, mit denen nicht immer ganz leicht auszukommen ist (vgl. Schweiger 1992, S. 296f). In ihren Flaggschiff-Marken schlägt sich das aber nicht nieder: In Verbindung mit der Marke „Mercedes“ transportiert die

126

Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

Abbildung 4-2:

Ricola TV-Spots (Quelle: eigene Darstellung, Copyright: © Ricola)

Wer hat‘s erfunden? - Die Schweizer!

127

Gereon Friederes

deutsche Herkunft beispielsweise für US-amerikanische Pkw-Käufer überwiegend positive Assoziationen wie technische Kompetenz, Gründlichkeit in der Herstellung oder Prestige (Schweiger et al. 1999b).

Abbildung 4-3:

128

Imagekampagne – Du bist Deutschland (Quelle: eigene Darstellung)

Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

Der bereits diskutierte Nation Brand Index kommt zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn er festhält, dass Deutschlands Regierungsform sehr hoch angesehen und das Innovationspotenzial lobend anerkannt wird. Auch die deutsche Bevölkerung wird geschätzt, aber eher als Angestellte oder Manager und weniger als Freunde oder Gastgeber. Die Deutschen werden zwar als effektiv und verlässlich, weniger jedoch als lustig und sympathisch wahrgenommen. Deutschland, so fasst Simon Anholt, Autor der Studie, zusammen, vermittelt nach wie vor einen gesunden, aber harten und kalten Eindruck. Deutschland wird vor allem von jenen, die es nicht kennen, als „Fabrik“ wahrgenommen. Attribute wie Wärme, Gastfreundschaft, Schönheit, Kultur oder Spaß werden dem Land weniger zugeordnet. Alles sei voraussagbar. Deutschland wäre aber schlecht beraten, sein Image durch Kampagnen zu verändern und aufzuheitern, denn Menschen hängen an ihren Vorurteilen. Diese können durch Imagekampagnen (vgl. Abbildung 4-3) lediglich positiv verstärkt werden. In wirtschaftlich, politisch, sozial und ökologisch instabilen Zeiten ist es kein weiter Schritt von den Stärken „voraussagbar“ und „ernsthaft“ hin zu „verlässlich“ und „vertrauenswürdig“ – Werte, die in einer unbeständigen Welt eine wertvolle ImageRessource für ein Land darstellen (vgl. Anholt 2006, o.S.).

129

Gereon Friederes

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132

Country-of-Origin-Strategien in der Markenführung

Teil 3 Neue Felder der Markenforschung

133

Business-to-Business-Markenforschung

Carsten Baumgarth und Salima Douven

Business-to-Business-Markenforschung Entwicklungsstand und Forschungsausblick

1

Notwendigkeit einer integrierten Betrachtung .......................................................... 137

2

Methoden der Forschungskumulierung ..................................................................... 139

3

Ergebnisse der Forschungskumulierung .................................................................... 142 3.1 Formale Merkmale................................................................................................ 142 3.2 Inhaltliche Merkmale............................................................................................ 146 3.2.1 Analyseraster und Grobanalyse ............................................................. 146 3.2.2 Detailanalyse ............................................................................................. 149 3.3 Erkenntnisstand .................................................................................................... 152

4

Forschungslücken und Forschungsagenda................................................................. 153

135

Carsten Baumgarth und Salima Douven

Abstract

Aus Sicht der Praxis wird seit Jahren verstärkt auf die Bedeutung der Marke nicht nur für Konsumgüter, sondern auch für Industriegüter (B-to-B) hingewiesen. Auch existieren erste Studien, welche die grundsätzliche Relevanz von Marken im B-to-BBereich empirisch bestätigen. Ebenso finden sich in der wissenschaftlichen Literatur in den letzten Jahren (spätestens seit dem Special Issue im Journal of Brand Management im Jahre 2004) vermehrt Beiträge zum Thema B-to-B-Markenführung. Allerdings weisen diese formal und materiell deutliche Schwächen auf. Neben Schwächen in der angewandten Methodik sowie der häufig auf einzelne Unternehmen oder Branchen spezialisierten Untersuchungen vernachlässigen viele Beiträge die Besonderheiten von B-to-B-Märkten (z.B. Buying-Center, hoher Anteil persönlicher Kommunikation). Im Rahmen dieses state-of-the-art Beitrags erfolgt zunächst eine systematische Bestandsaufnahme der bisherigen Forschung (ca. 60 Beiträge) nach formalen Kriterien (z.B. Art der Forschung, eingesetzte Analyseverfahren) und inhaltlichen Kriterien (welche Felder der Markenführung werden behandelt). Darauf aufbauend erfolgt die Ableitung einer umfassenden Forschungsagenda für diesen Bereich der Markenführung, die sich an den grundsätzlichen Fragestellungen der Markenführung (Markenaufbau, Markenentwicklung, Markenimplementierung und Markencontrolling) orientiert. Neben dem Aufzeigen von Forschungslücken werden auch erste theoretische und empirische Ideen für die einzelnen Forschungslücken formuliert.

136

Business-to-Business-Markenforschung

1

Notwendigkeit einer integrierten Betrachtung

In der Praxis der Investitionsgüterhersteller wird zunehmend die Relevanz der Marke für den unternehmerischen Erfolg erkannt. Einen ersten Nachweis für die praktische Relevanz liefern umfangreiche Fallstudien von B-to-B-Marken wie die Fallstudie der österreichischen Stahlmarke BÖHLER, die in der Marken-Reihe von Prof. Schweiger 2005 erschienen ist (Himmelsbach 2005). Darüber hinaus belegen diverse, in den letzten Jahren in der Praxis etablierte Preise wie die Auszeichnung „Business Superbrands“ (Superbrands 2005) und der „BoB“ (Kommunikationsverband 2005) die steigende Relevanz von B-to-B-Marken. Schließlich stellen die hohen Markenwerte für Bto-B-Marken einen weiteren Nachweis für den ökonomischen Wert starker Marken auch in diesen Branchen dar. Beispielsweise lassen sich in dem aktuellen Ranking von Interbrand (Berner und Kiley 2005) 17 der 100 wertvollsten Marken dem B-to-BBereich zuordnen (z.B. IBM, SAP, CATERPILLAR, CISCO, SIEMENS, ACCENTURE, REUTERS). Im Gegensatz zu dieser hohen und weiter steigenden Praxisbedeutung vernachlässigt die Lehrbuchliteratur, die den gesicherten Wissensstand in einem Gebiet widerspiegelt, diesen Bereich bislang. Dies belegt eine Auswertung zentraler Lehrbücher aus den Bereichen Markenführung (Bruhn 2003)32 und Industriegütermarketing (Backhaus, Bonus und Sabel 2004). Wie Tabelle 1-1 zeigt, weist das Thema B-to-BMarke mit unter 1% sowohl in den Lehrbüchern und Überblicksbänden zur Markenführung als auch zum Industriegütermarketing nur eine sehr geringe Bedeutung auf. Vielmehr existiert eine Reihe von Publikationen aus diesen beiden Bereichen, die vollständig auf das Thema B-to-B-Marke verzichtet. Im Gegensatz zur Lehrbuchliteratur zeigt die Forschung, die überwiegend in Zeitschriften, Arbeitspapieren und Dissertationen erschienen ist, ein deutlich steigendes Interesse an dieser Thematik (vgl. Abbildung 1-1). Da die einzelne Forschungsarbeit jeweils überwiegend singuläre Aspekte beleuchtet, fehlt bislang ein systematischer und integrierter Überblick über den bisher erreichten Wissensstand zu diesem aus Praxissicht wichtigen Bereich der Markenführung. Ein solcher integrierter state-of-the-art, der im vorliegenden Beitrag dargestellt wird, thematisiert zum einen die bisherige Forschung in methodischer als auch inhaltlicher Sicht, und zum anderen verdeutlicht er Forschungslücken sowie darauf aufbauend Ansatzpunkte für die zukünftige Forschung.

32

Ausgeschlossen wurde aus der Liste von Bruhn die Dissertation von Kemper (2000), da es sich dabei nicht um ein Lehrbuch, sondern um eine Dissertation handelt.

137

Carsten Baumgarth und Salima Douven

Tabelle 1-1:

Relevanz des Themas B-to-B-Marke in der Lehrbuchliteratur Markenführung

Industriegütermarketing

Aaker, Joachimsthaler 2000

0 Seiten* (0%)

Anderson und Narus 2004

14 Seiten*(3,2%)

Baumgarth 2004b

9 Seiten (0,3%) Backhaus 2003

24 Seiten (3,0%)

Esch 2005a

0 Seiten (0%)

Bingham 1998

9 Seiten (1,5%)

Esch 2005b

0 Seiten (0%)

Brierty, Eckles, Reeder 1998

2 Seiten (0,3%)

Köhler, Majer, Wiezorek 2001 19 Seiten (5,7%) Buck 1998

0 Seiten (0%)

Meffert, Burmann, Koers 2005 0 Seiten (0%)

Chisnall 1995

4 Seiten (0,8%)

Sattler 2001

Dwyer, Tanner 2002

2 Seiten (0,4%)

Ford, et al. 2002

0 Seiten (0%)

Godefroid 2003

6 Seiten (1,7%)

Haas 1995

0 Seiten (0%)

Hayes, Jenster, Aaby 1996

4 Seiten (0,8%)

Hutt, Speh 1998

7 Seiten (1,3%)

Kleinaltenkamp, Plinke 2000

0 Seiten (0%)

Michel, Naudé, Salle, Valla

2 Seiten (0,4%)

0 Seiten (0%)

2003

Morris, Pitt, Honeycutt 2001

4 Seiten (0,8%)

Rangan, Shapiro, Moriarty

0 Seiten (0%)

1995

Durchschnitt: 4 Seiten pro Buch (0,9%)

Richter 2001

0 Seiten (0%)

Vitale, Giglierano 2002

11 Seiten (2,3%)

Durchschnitt: 4,4 Seiten pro Buch (0,9%)

* Seitenzahl bezieht sich auf die absolute Seitenzahl mit Bezug zum Thema B-to-B-Marke

Anschließend erfolgt zunächst eine kurze Skizzierung über die grundsätzlichen methodischen Vorgehensweisen der Forschungskumulierung sowie die Begründung für die im vorliegenden Beitrag gewählte Methodik. Die sich daran anschließenden Abschnitte analysieren den bisherigen Forschungsstand zum Themenbereich B-to-BMarke in formaler und inhaltlicher Hinsicht. Abgeschlossen wird dieser Beitrag mit der Diskussion von Forschungslücken und Ansatzpunkten für zukünftige Forschungsarbeiten im Bereich B-to-B-Marken.

138

Business-to-Business-Markenforschung

Abbildung 1-1:

Zeitliche Entwicklung der B-to-B-Markenforschung

Anzahl der Forschungsarbeiten (B-to-B-Marke)

25

20

15

10

5

0 1967

1970

1973

1976

1979

1982

1985

1988

1991

1994

1997

2000

2003

n = 93 Publikationen mit dem Schwerpunkt B-to-B-Marke

2

Methoden der Forschungskumulierung

Unumstritten ist in der Literatur die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von Studien, die das bisherige Wissen kumulieren. Dies wird umso wichtiger, je umfangreicher das Gebiet ist, je mehr Forschungsarbeiten in dem interessierenden Feld existieren und je verstreuter die Forschungsarbeiten vorliegen. Umstritten ist allerdings die zu wählende Methodik zur Kumulierung von Forschungsarbeiten (Bortz und Döring 2002, S. 627ff; Glass, McGaw und Smith 1981, S. 11ff; Hunter, Schmidt und Jackson 1982, S. 12ff). Unklarheit besteht in der Literatur auch über die verschiedenen Möglichkeiten der Kumulierung (z.B. Bangert-Drowns 1986, S. 390ff; Beaman 1991). Insgesamt lassen sich fünf Arten der Forschungskumulierung differenzieren: Metaanalyse (z.B. Wolf 1986), Voting (z.B. Hedges und Olkin 1985, S. 48ff), Häufigkeitsanalyse, narrativer Überblick (z.B. in Form von Sammelrezensionen) und Review (z.B. Monroe und Krishnan 1983). Diese Methoden unterscheiden sich insbesondere in Bezug auf den

139

Carsten Baumgarth und Salima Douven

Umfang und die Art der auszuwertenden Forschungsarbeiten sowie in Bezug auf die Auswertungsmethode. Während die Metaanalyse und das Voting homogene, empirische Kausalstudien kumulieren, erlaubt das Review mit Hilfe von interpretativen Techniken die Integration von heterogenen empirischen und konzeptionellen Arbeiten. Abbildung 2-1 zeigt die Systematisierung dieser Verfahren.

Abbildung 2-1:

Methoden der Forschungskumulierung

hoch

Auswertungsspektrum

Review

narrativer Überblick

Häufigkeitsanalyse

Voting

Metaanalyse gering quantitativ

qualitativ Angewandte Methodik

Da das im vorliegenden Beitrag zu untersuchende Forschungsgebiet zum einen relativ breit ist und zum anderen wenige empirische Arbeiten mit den gleichen bzw. sehr ähnlichen Hypothesen vorliegen, scheiden die Metaanalyse und das Voting zur Forschungskumulierung aus. Weiterhin scheidet ein klassischer narrativer Überblick, der die einzelnen Forschungsarbeiten komprimiert beschreibt, aufgrund der Anzahl an Forschungsarbeiten aus. Daher erfolgt im Folgenden eine Kombination aus einer Häufigkeitsanalyse und einem Review. Die Häufigkeitsanalyse dient dazu, einen komprimierten Überblick über formale und inhaltliche Aspekte der bisherigen Forschung zu erhalten. Der im Rahmen der inhaltlichen Analyse integrierte Review unterstützt insbesondere die Identifikation von gesichertem Wissen und die Ableitung einer Forschungsagenda.

140

Business-to-Business-Markenforschung

Voraussetzung für alle Methoden der Forschungskumulierung bildet die Bestimmung der auszuwertenden Publikationen (zur Bedeutung des Auswertungsdatensatzes vgl. z.B. Cooper 1986). Im vorliegenden Fall wurden zunächst durch Datenbank33- und Internetrecherchen34, systematische Durchsicht relevanter Zeitschriften35 und dem eine umfangreiche, aber nicht vollständige Closed-Circle-Verfahren36 37 Grundgesamtheit erarbeitet (n = 98). Zur Eingrenzung der Untersuchung fanden nur Arbeiten Berücksichtigung, die nach 1990 erschienen sind38, da erst ab diesem Zeitpunkt eine intensivere Beschäftigung mit dieser Thematik stattgefunden hat. Weiterhin wurden Arbeiten, die sich mit dem Ingredient Branding beschäftigen, ausgeschlossen39, da diese zum einen häufig eine Kombination der Industriegüterund Konsumgüterperspektive darstellen, und zum anderen die inhaltliche Heterogenität der Grundgesamtheit deutlich angestiegen wäre. Schließlich wurden solche Arbeiten eliminiert, die nur einen Umfang von einer Seite aufweisen40 oder die in branchenspezifischen Praxiszeitschriften41 erschienen sind. Insgesamt wurde auf der Basis dieser verschiedenen Auswahlkriterien die Zahl der berücksichtigten Arbeiten auf 64 reduziert (vgl. Anhang).

33 34

35

36

37 38 39 40 41

Ausgewertet wurden u.a. die Datenbanken WISO I und WISO III. In Google wurden folgende Stichworte und Kombinationen verwendet: B-to-B-Marken, B-toB-Brand, Industriegütermarken, Industrial Brand, Business-to-Business & Brand, Industrial & Brand, Industriegüter & Marke. Die folgenden Zeitschriften wurden eingeschränkt auf den Untersuchungszeitraum 1991 bis 2005 (soweit vorhanden) ausgewertet: Absatzwirtschaft, Die Betriebswirtschaft, Industrial Marketing Management, Journal of Brand Management, Journal of Business & Industrial Marketing, Journal of Business-to-Business Marketing, Journal of Marketing Research, Journal of Marketing, Journal of Product & Brand Management, Markenartikel, Marketing ZFP, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung. Im Rahmen des Closed-Circle-Verfahrens werden die Literaturverzeichnisse einzelner Beiträge systematisch nach weiteren themenspezifischen Quellen durchgeschaut. Nach einer bestimmten Anzahl von Auswertungsschritten lassen sich keine zusätzlichen Quellen mehr identifizieren. Wenn dieses Niveau erreicht wurde, wird dieses Verfahren beendet. Im Rahmen dieses Beitrags gehen wir daher von einer Stichprobe der weltweiten B-to-BMarken-Literatur aus. Dies führte u.a. zum Ausschluss der Arbeiten von Lehmann und O'Shaughnessy 1974; Saunders und Watt 1979; Sinclair und Seward 1988. Dies führte u.a. zum Ausschluss der folgenden Arbeiten: Baumgarth 1998; Havenstein 2004; Norris 1992; Norris 1993. Dies führte u.a. zum Ausschluss von Homburg 2004. Bspw. finden sich einige Beiträge in der Zeitschrift „Maschinen Markt“: z.B. Kircher 2004; Schiller und Erben 2004; Schmitt 2004.

141

Carsten Baumgarth und Salima Douven

3

Ergebnisse der Forschungskumulierung

3.1

Formale Merkmale

Zunächst werden im Folgenden die Ergebnisse der Auswertung der „äußeren Merkmale“ der Beiträge zur B-to-B-Markenführung präsentiert. (1) Zeitliche Entwicklung In dem Auswertungszeitraum 1991 bis 2005 stellen die Jahre 2001, 2004 und 2005 drei Schwerpunkte dar. Während sich für 2001 und 2005 keine Erklärungen finden lassen, resultiert die hohe Zahl der Publikationen im Jahr 2004 teilweise aus einem Sonderheft des „Journal of Product and Brand Management“. Insgesamt lässt sich aber erkennen, dass in dem Betrachtungszeitraum die Publikationsintensität in den letzten Jahren angestiegen ist. (2) Sprachraum Bei der Verteilung der Beiträge, differenziert nach dem Sprachraum, zeigt sich eine fast ausgeglichene Struktur. Dabei handelt es sich bei 45,3% der berücksichtigten Beiträge um deutsch- und bei 54,7% der Beiträge um englischsprachige Beiträge.42 Allerdings ist bei dieser Analyse zu berücksichtigen, dass durch die verwendeten Datenbanken und die Suchroutinen deutschsprachige Beiträge in der Stichprobe vermutlich überrepräsentiert sind. Die beiden Merkmale „zeitliche Entwicklung“ und „Sprachraum“ dienen im Weiteren auch als Differenzierungsmerkmal. Zusammenhänge werden dabei über einen ChiQuadrat-Test überprüft. Die Einteilung des Merkmals „zeitliche Entwicklung“ in zwei etwa gleich stark besetzte Gruppen frühe Publikationen (P1: 1991 bis 2001) und aktuelle Beiträge (P2: 2002 bis 2005) erleichtert im Weiteren die Interpretation. (3) Publikationsart Die Auswertung nach der Publikationsart ergibt eine deutliche Dominanz von Journalbeiträgen (57,8%), gefolgt von Beiträgen in Herausgeberwerken (14,1%) und Beiträgen in Transferzeitschriften (14,1%). Bei den dominierenden wissenschaftlichen Zeitschriften weisen die Zeitschriften „Industrial Marketing Management“ (37,8%) und das „Journal of Product and Brand Management“ (16,2%) die größte Konzentration von Beiträgen zur B-to-B-Markenführung auf. Eine detaillierte Analyse der Journale nach der grundsätzlichen Ausrichtung der jeweiligen Zeitschrift zeigt, dass die meisten Beiträge zum Thema B-to-B-Markenführung in spezialisierten Zeit42

142

Englischsprachige Beiträge werden im Folgenden auch als internationale Publikationen charakterisiert.

Business-to-Business-Markenforschung

schriften (Industriegüterzeitschriften: 48,6%; Markenführung: 29,7%) erscheinen sind. In allgemeinen Marketingzeitschriften (16,2%) und BWL-Zeitschriften (5,4%) finden sich hingegen bislang nur selten Beiträge zu dieser Thematik. Bei der Beurteilung der generellen Qualität der Journale, die Beiträge zu der Untersuchungsthematik enthalten, zeigt sich ferner, dass bislang nur die Artikel von Aaker und Jacobson (2001) (Journal of Marketing Research, A+-Journal) und von Firth (1993) (International Journal of Research in Marketing, A-Journal) in Top-Zeitschriften43 erschienen sind. Insgesamt zeigt daher die Art der Outlets für die Forschung im Bereich B-to-BMarkenführung bislang eine Fokussierung auf spezialisierte Zeitschriften mit einem Schwerpunkt auf Industriegüterzeitschriften und einem mittleren Niveau. (4) Art der Forschung Insgesamt verteilen sich die 64 berücksichtigten Beiträge gleichmäßig auf empirische (50%) und auf konzeptionelle Beiträge (50%). Eine Analyse der Forschungsart in Abhängigkeit vom Erscheinungsjahr zeigt keinen Zusammenhang, d.h. die Art der grundsätzlichen Forschungsart hat sich im Beobachtungszeitraum nicht verändert. Eine weitere Analyse der Forschungsart in Abhängigkeit vom Sprachraum zeigt hingegen eine deutliche Abhängigkeit. Danach überwiegen bei englischsprachigen Beiträgen empirische, bei deutschsprachigen Beiträgen konzeptionelle Beiträge (F2 = 14,19, p < 0,01).44 (5) Empirische Forschung Die 32 empirischen Beiträge zum Thema B-to-B-Markenführung wurden weitergehend in Bezug auf den empirischen Forschungsansatz analysiert. Dabei wurde zwischen der Art der Datenerhebung und Datenauswertung unterschieden, wobei zwischen diesen beiden Aspekten Interdependenzen bestehen. Abbildung 3-1 liefert einen Überblick über das empirische Design der untersuchten Beiträge. Bei der Art der Datenerhebung zeigt sich zunächst, dass die Abnehmerbefragung die häufigste Erhebungsmethode darstellt. Darüber hinaus basiert die empirische Forschung zum Thema B-to-B-Markenführung häufig auf Fallstudien. Bei der differenzierten Analyse der Erhebungsart in Abhängigkeit vom Erscheinungsjahr lassen sich deutliche Veränderungen feststellen.45 Während in früheren Publikationen häufig die Unternehmensbefragung zum Einsatz gelangte, verwenden neuere Forschungsarbeiten verstärkt Fallstudien. Hingegen finden sich Abnehmerbefragungen sowohl in

43

Als Grundlage wurde das VHB-Ranking verwendet; vgl. Henning-Thurau, Walsh & Schrader 2004. 44 Dieser Befund könnte allerdings auch auf den eingesetzten Suchverfahren zur Identifizierung von B-to-B-Marken-Quellen basieren, die evtl. zu einer Vernachlässigung konzeptioneller Beiträge im internationalen Raum beigetragen haben. 45 Auf einen Chi-Quadrat-Test wird verzichtet, da zu viele Zellen eine erwartete Häufigkeit von weniger als 5 Fällen aufweisen.

143

Carsten Baumgarth und Salima Douven

der frühen als auch in der späten Phase. Eine differenzierte Auswertung nach dem Sprachraum zeigt bei der Erhebungsart keine signifikanten Unterschiede.

Abbildung 3-1:

Empirisches Design der B-to-B-Markenforschung

42,4

Datenerhebung

Abnehmerbefragung

27,3

Fallstudie

21,2

Unternehmensbefragung

6,1

Experteninterv iews

3

Sekundärdaten

0

10

20

30

40

50

40

50

in %

n = 33 Datenerhebungsverfahren 34,4

Datenauswertung

Qualitative Interpretation

21,9

Deskriptive Ausw ertung Sonst. Multivariate Verfahren

12,5

Kausalanalysen

12,5

Conjoint

6,3

Ökonometrie

6,3

Mittelwertvergleiche

6,3 0

10

20

30

in %

n = 32 Auswertungsverfahren

Bei der Auswertungsmethode lässt sich abgesehen von der qualitativ-interpretativen Vorgehensweise (34,4%) eine relativ hohe Anzahl von Beiträgen mit statistischen Basismethoden (deskriptive Auswertungen: 21,9%; Mittelwertvergleiche: 6,3%) erkennen. Darüber hinaus finden sich noch vier Beiträge, die grundlegende multivariate Verfahren wie Faktorenanalyse oder Clusteranalyse einsetzen. Im Gegensatz dazu finden sich moderne und leistungsfähige Verfahren wie Conjoint (6,3%)46 oder Kausalanalysen/PLS (12,5%) nur vereinzelt.

46

144

Bei der Conjoint-Analyse handelt es sich um eine Kombination eines speziellen Erhebungsals auch Auswertungsverfahrens. Aus pragmatischen Gründen wird im vorliegenden Beitrag die Conjoint-Analyse nur der Kategorie Auswertungsverfahren zugeordnet.

Business-to-Business-Markenforschung

Bei einer Analyse der zeitlichen Entwicklung der Auswertungsmethode lässt sich erkennen, dass der Anspruch in den letzten Jahren angestiegen ist.47 Während alle Beiträge mit statistischen Basismethoden in der frühen Periode P1 publiziert wurden, findet sich der überwiegende Teil der leistungsfähigen Auswertungsverfahren in der aktuellen Periode P2 (Conjoint: 2 Beiträge; Kausalanalysen/PLS: 4 Beiträge). Bei einer differenzierten Auswertung nach dem Sprachraum zeigt sich kein erkennbarer Unterschied. Es ist lediglich zu erkennen, dass international im Vergleich zur deutschsprachigen Forschung häufiger interpretative Methoden zum Einsatz gelangen. (6) Theoriebezug Weiterhin umfasst die Auswertung der Literatur, inwieweit die Arbeiten theoretische Grundlagen einbeziehen und welche Theorien als Erklärungsbeitrag dienen. Die Auswertung bezüglich der verwendeten Theorien zeigt Defizite in der theoretischen Verankerung. Insgesamt greifen nur 15,6% der Arbeiten zur Fundierung ihrer Inhalte auf theoretische Grundlagen zurück. Jedoch ist anzumerken, dass von den zehn Arbeiten, die hier als theoriebasierend eingestuft sind, fünf keine Theorie explizit heranziehen. Vielmehr verweisen sie auf die Mechanismen des organisationalen Kaufverhaltens sowie des Interaktionsverhaltens (z.B. Egan, Shipley und Howard 1992; Mudambi 2002; Sitte 2001). Besonders herausgestellt wird der informationsökonomische Ansatz zu Erklärung von Marken im B-to-B-Bereich (z.B. Kemper 2000; Saab 2005; Voeth und Rabe 2004). Bei 84,4% aller berücksichtigten Arbeiten ist jedoch kein expliziter Theoriebezug erkennbar. (7) Branchenbezug Ein weiteres formales Argument bezieht sich auf den Branchenbezug der Beiträge. Dabei werden drei Arten differenziert: kein Branchenbezug, einzelne Branche, branchenübergreifend. Die Auswertung der 64 Beiträge belegt die geringe Berücksichtigung der Leistungsheterogenität im B-to-B-Bereich. 26 Beiträge (39,7%) weisen keinen Branchen- oder Leistungsbezug auf. Weitere 25 Arbeiten untersuchen hingegen sehr spezielle Branchen (39,7%). Lediglich 13 Beiträge (20,6%) berücksichtigen durch eine branchenübergreifende Analyse explizit die Leistungsheterogenität im B-to-B-Bereich, wobei nur vereinzelt die Branchenbesonderheiten theoretisch oder empirisch thematisiert werden. Bei der Analyse der zeitlichen Entwicklung lassen sich in Bezug auf den Branchenbezug keine Veränderungen identifizieren. In Bezug auf den Sprachraum existieren hingegen signifikante Unterschiede (F2 = 18,06; p < 0,01). Dabei zeigt sich, dass im englischsprachigen Bereich – bedingt durch den häufiger empirischen Charakter – vermehrt branchenspezifische Beiträge publiziert werden. Im deutschsprachigen 47 Auf einen Chi-Quadrat-Test wird verzichtet, da zu viele Zellen eine erwartete Häufigkeit von

weniger als 5 Fällen aufweisen.

145

Carsten Baumgarth und Salima Douven

Bereich dominieren hingegen Beiträge, die keinen Branchenbezug aufweisen. Branchenübergreifende Beiträge finden sich etwas häufiger in englischsprachigen Publikationen. (8) Zentrale Quellen der B-to-B-Markenführung Letztes Merkmal der formalen Analyse bildet die Identifizierung von zentralen Beiträgen zur B-to-B-Marken-Forschung. Dazu wurden die Zitationen aller Beiträge in Bezug auf die Zitation von Quellen zur B-to-B-Markenforschung ausgewertet. Bei dieser Auswertung ist zu berücksichtigen, dass englischsprachige im Vergleich zu deutschsprachigen Quellen und frühe zu aktuellen Publikationen jeweils eine höhere Zitationswahrscheinlichkeit aufweisen. Diese Abhängigkeiten der Zitationshäufigkeit bestätigen die Analysen durch signifikante Unterschiede in erwarteter Richtung. Die am häufigsten zitierten deutschsprachigen Quellen stellen aus der frühen Periode die Arbeiten von Kemper 2000 (10 Zitationen) und Merbold 1995 (10) und aus der aktuellen Periode die Arbeit von Caspar, Hecker und Sabel 2002 (6) dar. Von den internationalen Quellen besitzen aus der frühen Periode die Arbeiten von Shipley und Howard 1993 (18), Gordon, Calantone und di Benedetto 1993 (17) und McDowell Mudambi, Doyle und Wong 1997 (17) die höchsten Zitationswerte. Aus der aktuellen Periode stellen international insbesondere die Arbeiten von Mudambi 2002 (14) Bendixen, Bukasa und Abratt 2004 (7) zentrale Quellen dar.

3.2

Inhaltliche Merkmale

Insgesamt wird die inhaltliche Auseinandersetzung zur Marke im B-to-B als „sparsed and unfocused“ (Egan, Shipley und Howard 1992, S. 310) beschrieben. Es stellt sich die Frage, welche Themenfelder der Marke bisher in welchem Umfang bearbeitet wurden. Ferner interessieren Veränderungen der inhaltlichen Schwerpunkte im Zeitablauf sowie ein Vergleich der Schwerpunkte der internationalen und deutschsprachigen Forschung.

3.2.1

Analyseraster und Grobanalyse

Die inhaltliche Analyse der Literatur zur Marke im B-to-B erstreckt sich auf sieben Hauptkategorien, die vorwiegend der Markenführung aus einer prozessorientierten Perspektive entsprechen (vgl. Tabelle 3-1). Die Auswertungsbasis der inhaltlichen Analyse umfasst, wie im Rahmen der formalen Analyse beschrieben, 64 Quellen, wobei durch die häufige Berücksichtigung mehrerer

146

Business-to-Business-Markenforschung

Inhaltskategorien in einem einzelnen Beitrag die Auswertung insgesamt 144 Einheiten berücksichtigt.

Tabelle 3-1: Hauptkategorien

Inhaltliche Ausrichtung der B-to-B-Markenforschung Erklärung

Häufigkeit (in %)

Häufigkeit im Zeitablauf (in %)

Häufigkeit im internationalen Vergleich (in %)

P1 P2 engl. (n=75) (n=69) (n=58)

dt. (n=86)

Markenspezifika

Besonderheiten von Marken im Bto-B-Bereich; häufig erfolgt ein Vergleich mit der Markenführung im Konsumgüterbereich

9,7

12,0

7,2

5,2

12,8

Markenrelevanz

Konzeptioneller oder empirischer Nachweis der Bedeutung von B-toB-Marken allgemein oder für einen bestimmten Kontext

7,6

5,3

10,1

0

12,8

Markenaufbau

Grundsatzentscheidungen der Markenführung, die häufig bei Neumarken oder bei grundsätzlichen Veränderungen der Markenführung auftreten

36,8

45,3

27,5

29,3

41,9

6,3

4,0

8,7

6,9

5,9

11,8

8,0

15,9

13,8

10,4

13,2

12,0

14,5

24,5

7,0

14,6

13,3

15,9

22,4

9,3

Markenführungsentscheidungen, die nach Etablierung der Marke Markenerfolgen; häufig erfolgt im Rahmen entwicklung dieser Entscheidungen die Berücksichtigung von weiteren Marken Implementierung Markencontrolling

Markenwirkung

Verankerung der B-to-B-Marke im Unternehmen sowie Umsetzung der Marke in konkreten Marketinginstrumenten Erfolgskontrolle der Marke Analyse und Erklärung der Wirkungsweise von B-to-BMarken; häufiger Rückgriff auf verhaltenswissenschaftliche Ansätze

Es lassen sich hinsichtlich der Bearbeitungsintensität der sieben Inhaltskategorien deutliche Unterschiede erkennen (vgl. Tabelle 3-1). Der Markenaufbau stellt das mit

147

Carsten Baumgarth und Salima Douven

Abstand häufigste Themengebiet dar, das in der Literatur behandelt wurde (36,8%). Die Themenfelder Markenwirkung, Controlling und Implementierung folgen mit deutlichem Abstand in ähnlicher Größenordnung (14,6%, 13,2% bzw. 11,8%). Markenrelevanz und Markenentwicklung sind verhältnismäßig wenig bearbeitete Themengebiete im Rahmen der Markenforschung (7,6% und 6,3%). Für die Auswertung der zeitlichen Entwicklung wurden jeweils die relativen Häufigkeiten je Periode erhoben, um so die Vergleichbarkeit der Perioden darstellen zu können. In der Auswertung ist zu erkennen, dass die Markenspezifika sowie der Markenaufbau in der frühen Periode P1 (1991 bis 2001) relativ stark Gegenstand der Betrachtung sind (12,0% bzw. 45,3%) und in der späten Periode P2 (2002 bis 2005) deutlich in der Bearbeitungsintensität abnehmen (7,2% und 27,5%). Die Markenrelevanz hingegen hat in P2 stärkere Beachtung gefunden (10,1%). Eine ähnliche Entwicklung lässt sich mit einer Verdopplung der Beiträge von P1 (1991 bis 2001) zu P2 (2002 bis 2005) im Bereich Markenentwicklung feststellen. Die Bearbeitung der Kategorie Markencontrolling dokumentiert in P1 und P2 ein nahezu gleich hohes Forschungsinteresse. Die Beiträge zur Implementierung der Marke zeigen in P2 hingegen eine deutliche Steigerung, so dass sie insgesamt einen Anteil von 15,9% aufweisen. Ebenfalls eine steigende Tendenz kann für die Kategorie Markenwirkung attestiert werden. Zwar befassen sich in P1 schon 13,3% der Veröffentlichungen mit den Wirkungen der Marke, in P2 ist demgegenüber ein weiterer Anstieg auf 15,9% zu beobachten. Insgesamt ist zunächst festzuhalten, dass sich trotz fehlender statistischer Signifikanz Veränderungen in der Bearbeitungsintensität einzelner Inhalte erkennen lassen. Im Rahmen dieser Schwerpunktverschiebungen zeigt sich, dass bis auf die Themen Markenspezifika und Markenaufbau die übrigen Inhaltskategorien in P2 stärker bearbeitet werden. Die Veränderung der inhaltlichen Schwerpunkte zeigt, dass in P1 zwar alle Themenbereiche Gegenstand der Betrachtung sind, jedoch in recht unterschiedlicher Stärke Beachtung finden und sich somit keine Themenschwerpunkte identifizieren lassen (mit der Ausnahme Markenaufbau). In P2 hingegen bilden die Bereiche Controlling, Implementierung und Markenwirkung eine zahlenmäßig etwa gleich intensiv bearbeitete Gruppe. Die Kategorien Entwicklung, Relevanz und Spezifika stellen eine homogene, schwächer bearbeitete Gruppe dar (Markenaufbau bleibt weiterhin die Ausnahme). P1 kann somit als Orientierungsphase bezeichnet werden und ist charakterisiert durch eine auf das Thema Markenaufbau fokussierte Themenausrichtung. P2 lässt sich als Konsolidierungsphase bezeichnen, in der die inhaltliche Verteilung gleichmäßigere Strukturen annimmt. Ein Vergleich der Variablen Sprachraum und inhaltliche Ausrichtung zeigt signifikant unterschiedliche Schwerpunkte (F2 = 21,7, p < 0,01). Auffallend ist, dass das Thema Relevanz nur in deutschen Publikationen hauptsächlicher Untersuchungsgegenstand ist. Zwar betonen auch englischsprachige Arbeiten die Notwendigkeit der B-to-BMarke bzw. erzielen Ergebnisse, die die Relevanz bestätigen (z.B. Mudambi 2002),

148

Business-to-Business-Markenforschung

setzten sich jedoch nicht mit der Relevanz als zentrales Forschungsthema auseinander, so dass diese Arbeiten nicht dem Bereich Relevanz zugeordnet werden können. Weiterhin dominieren deutschsprachige Veröffentlichungen nur in den Bereichen Markenspezifika (12,8% zu 5,2%) und Markenaufbau (41,9% zu 29,3%). Während die Markenentwicklung hinsichtlich der Sprache nahezu ausgeglichen ist (deutschsprachig: 5,8%; englischsprachig: 6,9%), weisen die übrigen Inhaltskategorien eine höhere Intensität in internationalen Beiträgen auf. Auffallend ist hierbei, dass insbesondere bei den Bereichen, die erst in P2 einen Anstieg verzeichnen, wie Markencontrolling, Implementierung und Markenwirkung, die englischsprachigen Publikationen überwiegen und im Gegensatz dazu, bei den Bereichen, die in P1 stärker bearbeitet wurden, wie Markenspezifika und Markenaufbau, deutschsprachige Veröffentlichungen häufiger vertreten sind.

3.2.2

Detailanalyse

Die Hauptkategorien Markenaufbau, Markenentwicklung, Implementierung und Markencontrolling lassen sich jeweils in mehrere Unterkategorien aufteilen (vgl. Tabelle 3-2).48 Im Zeitablauf zeigen sich im Vergleich von P1 (1991 bis 2001) zu P2 (2002 bis 2005) für die einzelnen Unterkategorien Veränderungen in Bezug auf die Bearbeitungsintensität. Die Positionierung fällt in P2 von 17,3% auf 14,5% ab. Auch Inhalte zum Branding nehmen in der Bearbeitungsintensität ab. Enthielten in P1 (1991 bis 2001) noch 13,3% aller Veröffentlichungen das Thema Branding, sind es in P2 (2002 bis 2005) nur noch 5,8%. Die Beachtung der Markenstrategie fällt ebenfalls in P2 ab (von 14,7% auf 7,2%). Der allgemein starke Rückgang des Bereichs Markenaufbau ist also in erster Linie auf die abnehmende Bearbeitungsintensität der Kategorien Branding und Markenstrategie zurückzuführen. Insgesamt steckt die Markenentwicklung noch in der Startphase und findet überwiegend erst in P2 Beachtung. Die Arbeiten zum Markentransfer als stärkste Kategorie beschränken sich dabei auf das Co-Branding (APQC 2001; Baumgarth 2004a; Bengtsson und Servais 2005; Kreutzer 2004). Auch hier zeichnet sich ein Forschungsinteresse erst in P2 (2002 bis 2005) ab und nimmt dort insgesamt 4,3% der Inhalte ein (in P1 2,7%). Eine insgesamt geringe Betrachtung erfährt die internationale Markenführung, die im B-to-B-Markt aufgrund der Herausforderung durch die Globalisierung und internationale Ausdehnung der zu bearbeitenden Märkte ein notwendiges Thema ist (Backhaus 2003, S. 4). Nur jeweils eine Veröffentlichung in P1 (1991 bis 2001) und P2 (2002 bis 2005) beschäftigen sich explizit mit dieser Thematik.

48

Da hier nur die Kategorien beachtet werden, die Unterkategorien haben, ergeben die summierten Prozente von P1 und P2 in Tab. 3-2 keine 100%.

149

Carsten Baumgarth und Salima Douven

Das Thema der generischen Markenentwicklung ist ebenfalls in nur einer Forschungsarbeit berücksichtigt. Gänzlich vernachlässigt sind Arbeiten, die sich mit dem Management eines Markenportfolios auseinander setzen. Der Bereich Markenentwicklung weist sowohl insgesamt als auch für die Unterkategorien im Zeitablauf ein steigendes Forschungsinteresse auf.

Tabelle 3-2: Hauptkategorien

Detaillierte inhaltliche Ausrichtung der B-to-B Markenforschung Zugehörige Unterkategorien

Erklärung

Häufigkeit im Zeitablauf (in %) P1 P2 (n=75) (n=69)

Markenaufbau

Markenentwicklung

Implementierung

150

Positionierung

Ausrichtung, die das Bild der Marke repräsentieren soll, um für die Zielgruppe attraktiv zu erscheinen

17,3

14,5

Branding

Formale Gestaltung der Marke in Form von Markenname, Logo, Slogan und Produktdesign

13,3

5,8

Markenstrategie

Entscheidung über die strategische Form der Marke, bspw. ob eine Dachmarke oder Produktmarke vorteilhafter ist

14,7

7,2

Markentransfer

Markentransfer, der die Übertragung eines etablierten Markennamens auf ein neues Produkt umfasst

2,7

4,3

1,3

1,4

Internationale Markenführung

Ausdehnung der Marke in geographisch neue Märkte

Generische Marken

Eine generische Marke liegt vor, wenn der eigentliche Produktname synonym mit einem Markennamen verwendet wird

0,0

2,9

Markenportfolio

Das Management eines Markenportfolios umfasst die Steuerung verschiedener, parallel geführter Marken, wie bspw. Premium- und Low-Cost Marken

0,0

0,0

Marketing-Mix

Kategorie Marketing-Mix befasst sich mit der markenkonformen Gestaltung der Marketinginstrumente Preis, Vertrieb, Kommunikation und Produkt

8,0

8,7

Business-to-Business-Markenforschung

Organisation

Organisatorische Überlegungen hingegen beziehen sich auf aufbau- und ablauforganisatorische Merkmale als Rahmenbedingung für das Markenmanagement

0,0

1,4

Interne Markenführung

Interne Markenführung umfasst die mitarbeiterbezogene Vermittlung, Umsetzung und Kontrolle der Markeninhalte

0,0

5,8

Imagemessung

Der Aspekt Imagemessung befasst sich mit der Überprüfung des Markenbildes aus Perspektive außenstehender Zielgruppen

0,0

1,4

Positionierungsmodelle

Positionierungsmodelle bezeichnen Optionen zur Generierung und Überprüfung adäquater Markenpositionierungen

1,3

1,4

Markentreuemessung

Optionen und Verfahren zur Überprüfung von Wiederholungskäufen

0,0

1,4

Markenwertmessung

Monetärer und verhaltensgesteuerter Erfolgsnachweis sowie Exploration geeigneter Komponenten der Markenstärke im B-to-B

10,7

10,1

Implementierung

Markencontrolling

Arbeiten zur Markenimplementierung sind fragmentarisch bearbeitet. Der Bereich Marketing-Mix ist im Gegensatz zu den Unterkategorien Organisation und interne Markenführung in beiden Perioden mit einem ähnlichen Anteil (P1: 8,0%; P2: 8,7%) Gegenstand der Betrachtung. Die Verankerung der Marke innerhalb des MarketingMix ist in der Literatur vor allem im Teilgebiet der Kommunikation zu finden (z.B. APQC 2001; Lynch und de Chernatony 2005; Pettis 1995; Pförtsch und Schmid 2005). Andere Aspekte des Mix, wie der Vertrieb, die Preisgestaltung und die Produktgestaltung sind keine explizit behandelten Themenbereiche. Die Kategorie Organisation ist in P2 (2002 bis 2005) mit einer Arbeit beachtet. Die ebenfalls erstmalige Bearbeitung der internen Markenführung in P2 unterstreicht die Neuheit des Themas im Markenmanagement, wenngleich die interne Markenführung erst knapp 5,8% der gesamten Veröffentlichungen in P2 ausmachen. Der generelle Anstieg des Interesses an der Implementierung ist in erster Linie auf den Bereich interne Verankerung zurückzuführen. Die Verteilung des Bereichs Markencontrolling zeigt den Anstieg der Themenvielfalt in P2. Ähnlich wie bei der Markenentwicklung verzeichnet der Bereich allgemein einen Anstieg, der sich im Detail durch die Bearbeitung neuer Themen begründet. Während in P1 (1991 bis 2001) weder das Markenimage noch die Markentreue Gegenstand der Betrachtung waren, treten diese Bereiche in P2 (2002 bis 2005) erstmals in Erscheinung. Von zentralem und konstantem Interesse ist der Markenwert (P1: 10,7%; P2: 10,1%).

151

Carsten Baumgarth und Salima Douven

3.3

Erkenntnisstand

Wie bereits dargelegt, differiert der Forschungsstand zur Marke im B-to-B sowohl hinsichtlich der formalen Elemente als auch hinsichtlich der inhaltlichen Bearbeitungsintensität je Kategorie und Periode. Aussagen bezüglich der wesentlichen inhaltlichen Erkenntnisse der Hauptkategorien sind nachfolgend kurz aufgeführt. Im Bereich der Markenspezifikationen ist festzuhalten, dass über die zwei Perioden hinweg kaum neue Erkenntnisse diesem Bereich zuzuordnen sind. Die identifizierten spezifischen Merkmale wie bspw. langfristiger Beschaffungszeitraum, abgeleitete Nachfrage etc. wiederholen sich in beiden Perioden (u.a. Backhaus und Sabel 2004; Merbold 1995). Interessante Erkenntnisse zur Markenrelevanz in P1 (1995 bis 2001) zeigt die Arbeit von Kemper (2000). Sie entwickelt ein Entscheidungsverfahren für die Anwendung der Markenpolitik im B-to-B. In P2 (2002 bis 2005) liefert die Studie von Caspar, Hecker und Sabel (2002) Aufschluss darüber, für welchen Industriezweig Marken eine hohe bzw. niedrige Relevanz haben. Schaltanlagen sind demnach ein geeigneter Zweig zur Markierung, Industriechemikalien hingegen bilden das Schlusslicht (vgl. Caspar, Hecker und Sabel 2002, S. 45). Für den Markenaufbau ist im B-to-B periodenübergreifend die Erkenntnis zu attestieren, dass bei der Positionierung nicht nur rationale Eigenschaften in der Technikerwelt erfolgversprechend sind, sondern vor allem die Kombination mit emotionalen Botschaften die Begehrlichkeit der Marke fördert (u.a. Belz und Kopp 1994; Lynch und de Chernatony 2004; Schmidt 2001; Schweiger 1975, S. 57f). Die Markenentwicklung ist insbesondere durch den Markentransfer vertreten. Dieser ist in der B-to-B-Literatur durch Überlegungen des Co-Brandings repräsentiert (APQC 2001; Backhaus 2001; Baumgarth 2004a; Bengtsson und Servais 2005; Schmidt 2001). Andere Formen des Markentransfers im weiteren Sinn, wie bspw. der aus dem B-to-C bekannte Einsatz von Testimonials oder der Herausstellung von Referenzen, sind hingegen bisher nicht beachtet. Diese Vernachlässigung der Bearbeitung unterstreicht den generell niedrigen Erkenntnisstand zur Marke im B-to-B, so dass „fortgeschrittene“ Themen, wie Markenentwicklung wenig Berücksichtigung finden. Auch die vollkommene Vernachlässigung der Unterkategorie Markenportfolio lässt sich vor dem Hintergrund erklären, dass bisher in der Literatur die Dachmarke als zentrale Strategie im B-to-B-Bereich festgestellt wurde (z.B. Backhaus 2001, S. 27; Droege, Backhaus und Weiber 1993, S. 76f; Schmidt 2001, S. 178) und somit Überlegungen hinsichtlich einer Mehrmarkenstrategie gegenwärtig von geringerer Relevanz sind. Bei den Arbeiten zum Markenwert stehen insbesondere Ansätze im Vordergrund, die sich mit der Markenstärke auseinander setzten (Gordon, Calantone und di Benedetto 1993; Munoz und Kumar 2004; Thompson, Knox und Mitchell 1997; van Riel, de Mortanges und Streukens 2005) und weniger Ansätze zur monetären Berechnung des

152

Business-to-Business-Markenforschung

Markenwerts. Die unterschiedlichen Branchenbedingungen im B-to-B und B-to-C (Baumgarth 2004c, S. 801f; Caspar, Hecker und Sabel 2002; S. 18ff; Kemper 2000, S. 34f) lassen es notwendig erscheinen, einen differenzierten Ansatz zur Kennzeichnung „starker“ Marken zu entwickeln, der speziell auf die Bedürfnisse der B-to-B-Märkte abgestimmt ist. Für die frühe Periode P1 (1995 bis 2001) zeigen Michell, King und Reast (2001), dass zu den Quellen der Markenstärke die wahrgenommene Qualität, ein prägnantes Image und die Marktführerschaft zählen. In der späten Periode P2 (2002 bis 2005) bestätigen Bendixen, Bukasa und Abratt (2004) die Existenz des Markenwerts im B-to-B-Bereich in Form von Preispremium und Weiterempfehlung. Im Bereich der Implementierung zeigt die Arbeit von Schmidt (2001) analog zur Positionierung, dass auch im B-to-B die Mischung informativer und emotionaler Kommunikation einen höheren Erfolg generiert als die rein informationsorientierte Kommunikation. Lynch und de Chernatony (2004) tragen als eine der wenigen Autoren zu ersten Erkenntnissen hinsichtlich des internen Markenmanagements bei. Sie verbinden das interne Verständnis und die innengerichtete Kommunikation der Markeninhalte mit der extern gerichteten Kommunikation als Voraussetzung für die Markenwahl. Dem jungen Thema Interne Markenführung, das sich mit der Zielgruppe der Mitarbeiter als zentrale Markenbotschafter und Imageträger befasst, wird insbesondere im B-to-B-Bereich Bedeutung beigemessen (z.B. Esch 2006), da die Kommunikation verstärkt über persönliche und nicht über mediale Kanäle verläuft. Die Markenwirkung ist zwar in beiden Perioden in diversen Arbeiten behandelt worden (u.a. Firth 1993; Anderson 2005), jedoch greifen nur wenige Arbeiten die Thematik in einem umfassenden Ansatz auf und belegen ihre Annahmen. Kim, Reid, Plank und Dahlstrom (1998) bspw. entwickeln theoretisch ein Modell mit Determinanten und Wirkungen von Marken, belegen dieses jedoch nicht. Van Riel, de Mortanges und Streukens (2005) überprüfen zwar ihr Modell auch empirisch, jedoch untersuchen sie nur Loyalität als eine Wirkung der Marke und lassen andere Aspekte, wie Weiterempfehlung und Preissensibilität außen vor. Hier zeigt sich die enge inhaltliche Verknüpfung zwischen der Thematik Markenwert im Sinne der Markenstärke und der Markenwirkung: eine starke Marke induziert bestimmte Verhaltenswirkungen des Kunden, aus denen sich letztlich ihr Wert folgern lässt.

4

Forschungslücken und Forschungsagenda

Die formale Analyse der Forschungsarbeiten zur B-to-B-Marke zeigte, dass bislang nur relativ wenige Arbeiten mit empirisch anspruchsvollen Designs vorliegen. Weiteres Ergebnis der formalen Analyse ist die geringe theoretische Fundierung dieses For153

Carsten Baumgarth und Salima Douven

schungsgebietes. Diese beiden Befunde korrespondieren mit der überwiegend nur mittleren Qualität der gewählten Veröffentlichungsorgane. Zusammengenommen lässt sich festhalten, dass die bisherige Qualität in diesem Forschungsbereich sich zukünftig durch eine stärkere theoretische Fundierung sowie den Einsatz von leistungsfähigeren Erhebungs- und Auswertungsverfahren (z.B. Conjoint-Analysen, Kausalmodelle) steigern lässt. Ferner ergab die formale Analyse, dass die Forschung bislang entweder ganz spezielle Branchen betrachtet oder den Branchenkontext vollständig vernachlässigt. Branchenübergreifende Arbeiten, die die Heterogenität des B-to-B-Bereiches adäquat abbilden, bilden die Ausnahme. Die zukünftige Forschung ist daher angehalten, auf der Basis bestehender Typologien (z.B. Backhaus 2003, S. 300ff; Kleinaltenkamp 1994), Hypothesen über den Einfluss des Branchenkontextes zu spezifizieren und empirisch zu überprüfen. Zur Realisierung dieser Forderung lassen sich zwei Vorgehensweisen voneinander abgrenzen: Zum einen sind Studien denkbar, die auf der Basis von Leistungstypologien den Einfluss des Branchenkontextes explizit modellieren. Zum anderen ermöglicht die Replikation bestehender Studien in anderen Branchenkontexten die Überprüfung der Wirkung des Branchenkontextes. Neben diesen formalen Anmerkungen resultiert auch aus der inhaltlichen Analyse des Forschungsstandes eine Vielzahl von Ansatzpunkten für die zukünftige Forschung. Zunächst zeigt sich, dass mit Ausnahme des Feldes Markenaufbau alle übrigen sechs Inhaltskategorien bislang nur relativ wenige Arbeiten aufweisen. Speziell die Gebiete Markenentwicklung, Markencontrolling und Implementierung stellen wichtige zukünftige Forschungsfelder dar. Im Bereich der Markenentwicklung zeigt sich ferner, dass speziell der aus Praxissicht zentrale Aspekt der internationalen Markenführung bislang kaum untersucht wurde. Dies ist umso erstaunlicher, da gerade im B-to-B-Bereich der Grad der Internationalisierung weit fortgeschritten ist. Anregungen für zukünftige Forschungsarbeiten in diesem Bereich können insbesondere Beiträge zum interkulturellen Marketing (zum Überblick z.B. Müller und Gelbrich 2004) liefern. Auch das Markencontrolling bildet ein wichtiges zukünftiges Forschungsgebiet im Bereich der B-to-B-Markenführung. Speziell im B-to-B-Bereich fordert das Management, dass Investitionen in das Marketing und speziell in die Marke messbar und damit kontrollierbar sind. Bei der Entwicklung von Controlling-Ansätzen sollte neben der Berücksichtigung der Besonderheiten des B-to-B-Bereiches (z.B. fehlende PanelDaten, internationaler Kontext) eine Integration in ein umfassendes Marketingcontrolling (z.B. Kundenzufriedenheit, Kundenwert) angestrebt werden. Im Bereich der Implementierung ist es notwendig, im Rahmen des Marketing-Mix den Fokus von der (klassischen) Kommunikation auf Bereiche wie Vertrieb oder Leistungsgestaltung zu erweitern. Speziell der Vertrieb als persönlicher Markenbotschafter spielt im B-to-B-Bereich eine zentrale Rolle. Eng mit der stärkeren Berücksichtigung

154

Business-to-Business-Markenforschung

des Vertriebs hängt auch das Thema der internen Markenführung zusammen. Da im B-to-B-Bereich im Vergleich zum B-to-C-Bereich der Dienstleistungsanteil und damit verbunden der Anteil an persönlicher Interaktion hoch ausfällt, hängt der Erfolg einer B-to-B-Marke entscheidend von dem Wissen und dem Verhalten der Mitarbeiter ab. Daher ist der B-to-B-Bereich eine ideale Forschungsarena zur Untersuchung der Funktionsweise und Wirkung der internen Markenführung. Schließlich bildet die Analyse der Ausprägung und der Konsequenzen der Markenorientierung in B-to-BUnternehmen einen interessanten Aspekt für die zukünftige Markenforschung. Anregungen zu diesem Forschungsfeld liefern erste Arbeiten zu dem Konstrukt Markenorientierung (z.B. Hankinson 2001; Hankinson 2002; Wong und Merrilees 2005).

155

Carsten Baumgarth und Salima Douven

Anhang

Tabelle 4-1:

Appendix

IMM

E

Pers. AB

Merbold 1991

D

T

M und M

K

Perspectives on Marketing Management

E

UB

E

DS

Branchenbezug

Datenerhebung

J

Theorie

Art

E

Auswertung

Publikationsart

Gordon, Calantone, di Benedetto 1991

Autor

Zeitschrift

Sprache

Formale Aspekte Inhaltliche Aspekte

Nein

SB

MWir

Nein

Nein

MStrat

DS

OrgaV

BÜ

Brand

UB

DS

Nein

BÜ

Mspez, MStrat

Egan, Shipley, Howard 1992

E

J

Droege, Backhaus, Weiber 1993

D

H

Firth 1993

E

J

IJRM

E

AB

R

Nein

SB

Brand, MWir

Gordon, Calantone, di Benedetto 1993

E

J

JPBM

E

AB

DS

Nein

SB

MWert

Schröter 1993

D

H

Nein

Nein

Shipley, Howard 1993

E

J

IMM

E

UB

DS

Nein

BÜ

Winterling 1993

D

J

MA

K

Nein

Nein

Bennion, Redmond 1994

E

J

IMM

E

Nein

SB

Belz, Kopp 1994

D

K

H

AB

F

K

Nein

Nein

MSpez Brand, MWir MRelv Posimod Posi, Brand, MStrat

Merbold 1995

D

J

MA

K

Nein

Nein

MSpez

von Oelsnitz 1995 Yoon, Kijewski 1995

D E

J J

MA JBtoBM

K E

Nein Nein

Nein SB

MSpez MWir

Pettis 1995

E

M

Nein

SB

Büschken 1997

D

T

asw

K

Nein

Nein

Hutton 1997

E

J

JPBM

E

AB

DS

OrgaV

BÜ

Mwert

McDowell Mudambi, Doyle, Wong 1997

E

J

IMM

E

Qualit. Interview

I

OrgaV

SB

Posi

Thompson, Knox, Mitchell 1997

E

J

Irish Marketing Review

E

Expert.interview

I

Nein

BÜ

Posi

Kim, Reid, Plank, Dahlstrom 1998

E

J

JbtoBM

K

Nein

Nein

Mwert, Mwir

Ward, Light, Goldstine 1999

E

J

HBR

K

Nein

SB

Mspezi, Posi

Kalafatis, Tsogas, Blankson 2000

E

J

JoBundIM

E

Nein

SB

Kemper 2000

156

D

D

A; UB

Ö

K

K

AB

F

OrgaV; IntV, InfÖk

Nein

Mspez, Posi, Brand, MMix Posi

Posi Mspez, Mrelv; Brand, Mstrat, Mmix, Mwir

Business-to-Business-Markenforschung

Schäfer, Beutin 2000 D

T

Management Berater

K

Aaker, Jacobson 2001

E

J

JMR

E

Sekundärdaten, Panel

APQC 2001

E

A P

E

Backhaus 2001

D

A P

E

Baumgarth 2001

D

H

Malaval 2001

E

M

Michell, King, Reast 2001

E

J

IMM

Mrelv, Posi, Brand, Mstrat

Nein

Nein

Ö

Nein

SB

Fallstud.

I

Nein

BÜ

UB

DS

Nein

SB

K

Nein

Nein

Mspez, Mstrat, Mtrans

K

Nein

BÜ

Mspez, Mbrand, Mtrans, IntMafü, Mwert; Brand, Mwert

E

UB/Repli kation

DS

Nein

BÜ

E

Fallstud.

I

Nein

SB

Nein

Nein

Nein

BÜ

OrgaV; IntV

Nein

Nein

BÜ

Nein

Nein

Mwert Posi, Mstrat, Mtrans, Mwert, Mmix Mstrat, Mmix

Rosenbröijer 2001

E

J

JPBM

Beutin 2001

D

T

Jahrb. trolling

Schmidt 2001

D

D

E

Sitte 2001

D

D

K

Caspar, Hecker, Sabel 2002

D

A P

E

Ginter, Dambacher 2002

D

H

K

Low, Blois 2002

E

J

IMM

E

Fallstud.

I

Nein

SB

Mudambi 2002

E

J

IMM

E

AB

Cluster.

OrgaV

SB

Mwir

Rozin, Magnusson 2003

E

J

JBM

E

Fallstud.

I

Nein

SB

Posi, Brand

Backhaus, Sabel 2004

D

H

K

OrgaV

Nein

Mspez, Mrelev

Baumgarth 2004a

D

H

K

Nein

Nein

Mspez, Mrelv, Posi, Brand, Mstrat, Mtrans,

Con-

K UB

AB

K

DS

Mspez, Posi, Brand, Mstrat, Mmix, Mwir Mrelv, Posi, Brand, Mstrat, IntMafü, Mwert, Mmix Mrelv Mspez, Mstrat GenMar

Baumgarth 2004c

D

H

Bendixen, Bukasa, Abratt 2004

E

J

IMM

E

Cordt 2004 Kampmeyer, Wichert 2004

D D

T J

asw Thexis

K K

Kreutzer 2004

D

T

wundv

K

Nein

SB

Lynch, de Chernatony 2004

E

J

JBM

K

Nein

Nein

McQuiston 2004

E

J

IMM

E

Nein

SB

Moorthi 2004

E

J

JbtoBM

K

Nein

Nein

Posi, Mwir

Munoz, Kumar 2004

E

J

JBM

K

Nein

Nein

Mimag, Mtreu, Mwert

JBM

Nein

Nein

Mspez

ResA

BÜ

Webster, Keller 2004

E

J

Willrodt 2004

D

D

K

Mwir Posi, Mstrat, Mwert

AB

Fallstud.

C

I

K E

AB

K

Nein

Nein

Mrelv, Mwert

Nein

SB

Mwert, Mwir

Nein Nein

Nein SB

Mmix, Mwir Posimod, Mwir Mtrans Posi, Mmix, Intern Mafü Posi

Posi

157

Carsten Baumgarth und Salima Douven

Fortsetzung Tabelle 4-1:

Appendix

JBM

Branchenbezug

Theorie

H

Auswertung

J

D

Datenerhebung

E

Voeth, Rabe 2004

Art

Publikationsart

Wood 2004

Autor

Zeitschrift

Sprache

Formale Aspekte

K

Nein

BÜ

K

InfÖk

Nein

Inhaltliche Aspekte

Orga MRelv, Posi, MStrat, MWir

Andersen 2004

E

J

IMM

E

Fallstud.

I

Nein

SB

MWir

Baumgarth, Haase 2005

D

J

punda

E

AB

C

Nein

SB

MRelv

Bengtsson, Servais 2005

E

J

IMM

E

Fallstud.

I

Nein

SB

MTrans

Bennett, Härtel, McColl-Kennedy 2004

E

J

IMM

E

AB

K

Nein

SB

MWir

Cheng, Blankson, Wu, Chen 2005

E

J

IMM

E

Fallstud.

I

Nein

BÜ

IntMafü

Himmelsbach 2005

D

M

E

Fallstud.

I

SB

Mspez, Posi, Brand, MStrat GenMar, MWert, MMix

Lynch, de Chernatony 2005

E

A P

K

Nein

Nein

Posi, MMix, InternMafü

Pförtsch, Schmid 2005

D

M

K

Nein

Nein

MRelv, Posi, Brand. MStrat, MWert, MMix

InfÖk

Nein

Nein

SB

Saab 2005

D

J

WiSt

K

van Riel, de Mortanges, Streukens 2005

E

J

IMM

E

AB

K (PLS)

MWir MWert, Mwir

Art der Forschung: E = empirisch; K = konzeptionell Datenerhebung: AB = Abnehmerbefragung; UB = Unternehmensbefragung Auswertung: C = Conjoint, DS = Deskriptive Statistik; F = Faktorenanalyse, I = Interpretation; K = Kausalanalyse; Ö = Ökonometrie; R = Regression Publikationsart: AP = Arbeitspapier; D = Dissertation; H = Beitrag in Herausgeberwerk; J = (wissenschaftliches) Journal; M = Monografie; T = Transferzeitschrift Zeitschrift: HBR: Harvard Business Review; IJRM: International Journal of Research in Marketing; IMM: Industrial Marketing Management; JBM: Journal of Brand Management; JBtoBM: Journal of Business-toBusiness Marketing; JMR: Journal of Marketing Research; JoBundIM: Journal of Business and Industrial Marketing; JPBM: Journal of Product and Brand Management; MundM: Marktforschung und Management; MA: Markenartikel; punda: planung und analyse; wundv: werben und verkaufen; WiSt: Wirtschaftswissenschaftliches Studium Sprache: D = deutschsprachig: E = englischsprachig Branchenbezug: BÜ = branchenübergreifend; SB = spezielle Branche Theorie: OrgaV = organisationales Kaufverhalten; InV = Interaktionsverhalten; Infök = Informationsökonomie; ReA = Ressourcenansatz Inhalt: MSpez = Markenspezifikationen; MRelv = Markenrelevanz; Posi = Positionierung; Brand = Branding; MStrat = Markenstrategie; MTrans = Markentransfer; IntMafü = internationale Markenführung; GenMar = Generische Marke; MPort = Markenportfolio; MImag = Markenimage; Posimod = Positionierungsmodelle; MTreu = Markentreue; MWert = Markenwer; MMix = Marketing-Mix; Orga = Organisation; InternMafü = Interne Markenführung; MWir = Markenwirkung

158

Business-to-Business-Markenforschung

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167

Ausbildungsprogramme als Marken?

Helmut Kurz

Ausbildungsprogramme als Marken? Eine empirische Analyse der Erfüllung der Anforderungen an Marken anhand des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien“ 1

Problemstellung und Zielsetzung ................................................................................ 171

2

Anforderungen an Dienstleistungsmarken und ihre Erfüllung durch die Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ ........................... 171 2.1 Die Kernthese: „Werbewissenschaft und Marktforschung“ ist eine Marke .. 171 2.2 Eine klare Zielgruppenstrategie: Massenmarkt oder Marktnische?............... 172 2.3 Klare und unverwechselbare Positionierung der Dienstleistung ................... 174 2.3.1 Die Wunschpositionierung ..................................................................... 174 2.3.2 Die Übereinstimmung der Ist-Positionierung mit der SollPositionierung ........................................................................................... 175 2.4 Ein möglichst guter Markenname....................................................................... 179 2.5 Markierung durch ein unterscheidungskräftiges, marken- und schutzfähiges Zeichen und durch eine einheitliche Farbe............................... 180 2.6 Eine hohe Bekanntheit der Marke....................................................................... 181 2.7 Eine hohe und gleich bleibende oder sogar verbesserte Qualität der Dienstleistung........................................................................................................ 182 2.8 Eine hohe und gleich bleibende Qualität der Dienstleistungserbringer........ 185 2.8.1 Die fachlichen und sozialen Kompetenzen der MitarbeiterInnen des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung ................. 185 2.8.2 Die Qualität der Betreuung der StudentInnen durch die MitarbeiterInnen des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung 186 2.9 Eine hohe Zufriedenheit der Kunden mit den Dienstleistungserbringern und mit der Dienstleistung .................................................................................. 187 2.9.1 Die Zufriedenheit der StudentInnen mit den LeiterInnen der Lehrveranstaltungen im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ ...................................................................................... 187 2.9.2 Die allgemeine Zufriedenheit der AbsolventInnen mit der Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ ..... 191 2.10 Hohe Markentreue................................................................................................ 192 2.11 Positives Image bei den Nutzern der Dienstleistung ....................................... 192

3

Zusammenfassung und Schlussfolgerung.................................................................. 193

169

Helmut Kurz

Abstract

Ziel dieses Artikels ist es, zu prüfen, ob die Ausbildung der Studenten im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, das seit 1955, also seit mehr als 50 Jahren, am österreichischen universitären Ausbildungsmarkt angeboten wird, die in der wissenschaftlichen Literatur aufgestellten Kernanforderungen an eine Marke erfüllt. Dazu werden die Ergebnisse vieler Umfragen bei Studenten und Absolventen des Fachs sowie bei Managern aus der Werbe- und Marketingpraxis sekundärstatistisch analysiert. Diese Analyse ergab Folgendes: Die Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“

hat eine kleine und exklusive Gruppe von besonders motivierten Studierenden als „Kunden“,

hat ihre Wunschpositionierung als anspruchsvolle Ausbildung mit hoher Praxisnähe auf diesem Gebiet auch tatsächlich erreicht,

hat eine prägnante Markierung durch das Logo und den Namen, auch wenn dieser zu lang ist,

hat eine hohe Bekanntheit in der österreichischen Wirtschaftspraxis, hat eine hohe und konstante Qualität aus Sicht der Kunden und hat daher überdurchschnittlich zufriedene Kunden. Damit erfüllt die Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ an der WU Wien die wichtigsten Anforderungen an eine Marke und kann daher als solche bezeichnet werden.

170

Ausbildungsprogramme als Marken?

1

Problemstellung und Zielsetzung

Welche Eigenschaften muss ein Produkt oder eine Dienstleistung haben, damit es bzw. sie in den Augen der Verbraucher zu einer Marke wird? Sowohl die Marketingwissenschaft als auch die Marketingpraxis sind sich darüber einig, dass ein klarer, unverwechselbarer Nutzen für die Verbraucher, eine hohe Bekanntheit und vor allem eine hohe und gleich bleibende Qualität entscheidend dafür waren, dass aus einer simplen Hautcreme die Marke NIVEA oder aus einer schnöden braunen und süßen Erfrischungslimonade die Marke COCA-COLA geworden ist. Aber wie ist das bei Dienstleistungen und konkret bei universitären Ausbildungsprogrammen, deren Qualität aufgrund unterschiedlicher „Tagesform“ der Professoren, Assistenten und Lektoren im Unterricht beträchtlich schwanken kann? Ziel dieses Artikels ist es, zu prüfen, ob die Ausbildung der Studenten im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ an der Wirtschaftsuniversität Wien, das seit 1955, also seit mehr als 50 Jahren, am österreichischen universitären Ausbildungsmarkt angeboten wird, die von der Marketingwissenschaft entwickelten Kernanforderungen an Marken erfüllt. Dazu werden die Ergebnisse vieler Umfragen bei Studenten und Absolventen des Fachs sowie bei Manager aus der Werbe- und Marketingpraxis sekundärstatistisch analysiert.

2

Anforderungen an Dienstleistungsmarken und ihre Erfüllung durch die Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“

2.1

Die Kernthese: „Werbewissenschaft und Marktforschung“ ist eine Marke

Ob diese These stimmt oder nicht, wird anhand von zehn wichtigen, in Anlehnung an Bruhn (2004, S. 16ff) formulierten Anforderungen an eine Marke in den folgenden Punkten 2.2 bis 2.11 im Detail überprüft. Zur Bedeutung und Entwicklung des Markenbegriffs sei der Leser ebenfalls auf Bruhn (2004, S. 4ff) verwiesen.

171

Helmut Kurz

2.2

Eine klare Zielgruppenstrategie: Massenmarkt oder Marktnische?

Kotler und Bliemel (2001, S. 415) fordern als Voraussetzung für ein wirksames Marketing mit ihrem „STP-Marketing“ die Aufteilung des Gesamtmarktes in möglichst homogene Untergruppen („Segmenting“), gefolgt von einer Auswahl eines oder mehrerer attraktiver Marktsegmente („Targeting“) für die schließlich ein maßgeschneidertes Angebot entwickelt und kommuniziert wird („Positioning“). Die Manager erfolgreicher Marken wenden, vereinfacht ausgedrückt, in der Praxis meist eine der beiden folgenden Zielgruppenstrategien an: Entweder versuchen sie in ihrer Branche durch Gewinnung möglichst vieler treuer Kunden zum Marktführer zu werden (typische Beispiele für derartige Massenmarktführer sind z.B. McDONALDS in der Fast Food-Gastronomie oder COCA-COLA am Limonadenmarkt) oder sie konzentrieren sich mit einem qualitativ hochwertigen, aber knappen Angebot, hohen Preisen, exklusiver Distribution und meist emotioneller Werbung auf eine kleine exklusive Kundengruppe (z.B. PATEK PHILIPPE-Luxusuhren, PORSCHE-Sportwagen). Da ein Universitätsinstitut aufgrund des gesetzlichen Auftrages Forschung und Lehre betreiben muss, hat es im Wesentlichen folgende drei Zielgruppen: 1. Die „Scientific Community“, also die Forscherkollegen, die über neue Forschungsmethoden und -ergebnisse, vor allem in der Grundlagenforschung, informiert werden 2. Wirtschaftspraktiker und Fachjournalisten, die über praxisrelevante Forschungsergebnisse informiert werden 3. Die Studierenden, die im jeweiligen Fachgebiet möglichst gut ausgebildet werden sollen Die folgenden Ausführungen gelten ausschließlich für die Studierenden und die Wirtschaftspraxis; die im Vergleich dazu kleine Gruppe der Marketingwissenschafter wird aufgrund ihrer Besonderheiten hier nicht betrachtet. Die Zielgruppenstrategie für die Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ an der Wirtschaftsuniversität Wien entspricht dem oben angeführten zweiten Typ: sie ist eine typische „Marktnischenstrategie“. Das bedeutet, dass aus arbeitsmarktstrategischen – der Markt für Werbe- und Marktforschungsmanager in Österreich ist relativ klein – aber vor allem aus didaktischen Gründen (Durchführung von Projektarbeiten in Teams) die Zahl der Studenten auf eine kleine Gruppe beschränkt wird. Da einerseits öffentlich-rechtliche Universitäten und deren Institute aufgrund gesetzlicher Vorschriften nicht wie sonst üblich über den Preis die Nachfrage steuern können und andererseits die Nachfrage nach einer Ausbildung im Fach

172

Ausbildungsprogramme als Marken?

„Werbewissenschaft und Marktforschung“ seit vielen Jahren deutlich die wegen der geringen personellen Ressourcen beschränkten Studienplätze überschreitet, erfolgt die Auswahl der Studenten durch eine schwierige Zulassungsprüfung im ersten Grundkurs gleich am Beginn der Ausbildung. Nur die Studierenden mit den besten Noten bei dieser „Aufnahmeprüfung“ werden in den darauf folgenden zweiten Grundkurs aufgenommen und damit zum Studium des Fachs zugelassen. Tabelle 2-1 illustriert diesen Auswahlprozess, der sich sehr gut bewährt hat.

Tabelle 2-1:

Zahl der AnfängerInnen im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ an der WU Wien vom Wintersemester 2001/02 bis zum Wintersemester 2005/06

Semester

Zahl der StudentInnen, die zur Prüfung im ersten Grundkurs angetreten sind

Zahl der StudentInnen, die diese Prüfung bestanden

Zahl der StudentInnen, die in den zweiten Grundkurs aufgenommen wurden

Wintersemester 2000/01

105

54

49

Sommersemester 2001

84

75

44

Wintersemester 2001/02

104

77

34

Sommersemester 2002

100

78

38

Wintersemester 2002/03

117

86

36

Sommersemester 2003

120

86

36

Wintersemester 2003/04

121

86

34

Sommersemester 2004

110

87

34

Wintersemester 2004/05

116

67

39

Sommersemester 2005

90

70

38

Wintersemester 2005/06

85

68

36

Wie man sieht, begannen in den letzten Jahren meist 36 Studierende pro Semester, also ungefähr 70 Studenten pro Studienjahr, das Studium des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“. Die überwiegende Mehrheit dieser überdurchschnittlich motivierten und begabten Anfänger schließt, abgesehen von den üblichen Abbrüchen und Unterbrechungen (Schwangerschaft, Übernahme von Ganztagsjobs usw.) das Studium auch ab: Die Zahl der Absolventen des Fachs pendelt seit vielen Jahren um den Wert 60 pro Studienjahr. Diese finden meist rasch und ohne Probleme einen Job, abgesehen von Konjunkturflauten, auf die der Arbeitsmarkt der Werbeberufe überzyklisch reagiert.

173

Helmut Kurz

2.3

Klare und unverwechselbare Positionierung der Dienstleistung

Laut Bruhn (2004, S. 19), aber auch nach einhelliger Auffassung fast aller Marketingwissenschafter (vgl. dazu stellvertretend Esch 2002, S. 83ff) und Marketingpraktiker ist die klare Abgrenzung des eigenen Angebots gegenüber jenen der Konkurrenten eine unabdingbare Voraussetzung für den Aufbau einer Marke. Der Beginn der Positionierung der Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ kann mit dem Jahr 1955 datiert werden, in dem Univ. Prof. Karl Skowronnek das gleichnamige Institut an der damaligen Hochschule für Welthandel gegründet hat. 1975 übernahm der derzeitige Institutsvorstand Univ. Prof. Günter Schweiger die Leitung des Instituts. Das Institut hat also eine bereits mehr als 50-jährige Tradition und ist nach Wissen des Autors bislang das einzige Universitätsinstitut in der Welt, das sich auf die Ausbildung auf dem Gebiet der Werbung und Marktforschung spezialisiert hat und sich allein dadurch von den an den meisten Universitäten üblichen „Departments of Marketing“ abhebt.

2.3.1

Die Wunschpositionierung für das Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“: Anspruchsvolle und praxisnahe Ausbildung

Laut langjähriger Ausbildungsphilosophie, die Anfang der 90er Jahre in einem offiziellen Leitbild im Detail niedergeschrieben wurde (siehe http://www.wuwien.ac.at/werbung/Ueber_uns/leitbild; 24.05.2006) sollen sich die Ausbildungsinhalte von jenen der Konkurrenten im engsten Sinn (drei Institute mit dem Schwerpunkt Marketing an der WU Wien) sowie im weitesten Sinn (Fachhochschulen und Lehrgänge mit Ausbildungsschwerpunkten auf dem Gebiet der Werbung und der Kommunikation in Österreich) durch die Fokussierung auf eine anspruchsvolle Ausbildung in der Werbewissenschaft und Marktforschung mit hoher Praxisnähe abheben. Die Verwendung des Begriffs Werbewissenschaft statt Werbung soll einerseits die starke Integration der Methoden, Theorien und Erkenntnisse der empirischen Werbeund Kommunikationsforschung in die Ausbildung, andererseits aber die Schulung der Studenten in statistischen Methoden zur Absicherung von Marketingentscheidungen zum Ausdruck bringen. Diese Schulung der Studenten im richtigen Umgang mit anspruchsvollen statistischen Methoden wurde erstmals nach der Übernahme der Institutsleitung durch Professor Günter Schweiger im Jahr 1975 in die Ausbildung integriert. Interessierte Leser können den Aufbau des derzeit aktuellen Lehrprogramms, die Inhalte der einzelnen Kurse und die Lehrmethoden am besten auf der Internetseite des Instituts nachlesen (http://www.wu-wien.ac.at/werbung/Studium/ Spezielle_BWL/ Lehrveranstaltungen; 24.05.2006).

174

Ausbildungsprogramme als Marken?

2.3.2

Die Übereinstimmung der Ist-Positionierung mit der Soll-Positionierung

Als empirische Indikatoren für das angestrebte hohe Anspruchsniveau der Ausbildung wurden der subjektiv erlebten Zeitaufwand für die Ausbildung und der erlebte Schwierigkeitsgrad der Ausbildungsinhalte in bisher fünf schriftlichen Umfragen bei den Absolventen des Fachs Werbewissenschaft und Marktforschung im Zeitraum von 1988 bis 2005 erhoben (Aussprung 2006; Mäutner 1992; Martin 1988; Schamböck 2001 und Wallner 1997). Tabelle 2-2 enthält in der oberen Hälfte die methodischen Eckdaten dieser Umfragen, auf welche später noch einige Male Bezug genommen wird und in der unteren Hälfte den von den Absolventen empfundenen Zeitaufwand für das Studium von „Werbewissenschaft und Marktforschung“.

Tabelle 2-2:

Der Zeitaufwand für das Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ aus Sicht der AbsolventInnen im Langzeitvergleich 1988 bis 2005

VerfasserInnen der Studie und Jahr

Martin 1988

Mäutner 1992

Wallner 1997

Nettogrundgesamtheit: AbsolventInnen

n=128

n=150

n=216

n=261

n=203

AbsolventInnen-Jahrgänge

1984 1988

1989 1991

1992 1995

1996 2000

2001 2005

Juni 2000

Juni 2005

Umfragezeitraum

Mai 1988 Juni 1991 Jan. 1996

Schamböck Aussprung 2001 2006

Stichprobe

n=79

n=99

n=135

n=131

n=90

Rücklaufquote

62%

66%

63%

50%

44%

„Werbewissenschaft & Marktforschung“ war im Vergleich zum 2. Vertiefungsfach weniger zeitaufwändig

0%

6%

1%

1%

9%

genauso zeitaufwändig

13%

9%

9%

13%

22%

zeitaufwändiger

87%

85%

90%

86%

69%

Basis (n): nur jene AbsolventInnen mit Zweitfach

n=62

n=68

n=88

n=79

n=75

Bevor die Inhalte der Tabelle 2-2 interpretiert werden, sei hier der folgende wichtige Punkt angemerkt: Die Repräsentanz der Stichprobe für die Grundgesamtheit wurde jedes Mal durch den Vergleich der Verteilung des Geschlechts, der Studienrichtung, der Abschlussnoten, Anteil der Diplomandenquote in der Stichprobe mit der den entsprechenden Werten in der Grundgesamtheit sowie durch Prüfung einer etwaigen Korrelation der Rücklaufgeschwindigkeit der ausgefüllten Fragebogen mit der Be-

175

Helmut Kurz

wertung der Ausbildung („antworten die mit der Ausbildung Zufriedenen vielleicht rascher?“) überprüft und ist vorhanden (vgl. dazu Aussprung 2006, S. 61-63 und 66-70 und Kurz 1998, S. 179-180). Das bedeutet, dass die Umfrageergebnisse durch die „Nichtantworter“ nicht in Richtung einer zu guten Bewertung der Ausbildung verzerrt sind. Die in Tabelle 2-2 ausgewiesenen Antwortverteilungen zeigen, dass eine große absolute Mehrheit der Absolventen das Studium der „Werbewissenschaft und Marktforschung“ im Vergleich zum zweiten absolvierten betriebswirtschaftlichen Vertiefungsfach (Marketing, Finanzierung usw.) als zeitaufwändiger einschätzte. Allerdings ist dieser geschätzte Zeitaufwand für das Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ aus Sicht der letzten Absolventenjahrgänge (2001 bis 2005) im Vergleich zu allen vorhergehenden Jahrgängen anteilsmäßig deutlich geringer geworden (ChiQuadrat: 29,31, p<0,01). Dieser Rückgang hat wahrscheinlich zwei Ursachen: Einerseits haben viele Institute an der WU Wien aufgrund des Studentenandrangs die „Work Load“ in ihren Fächern erhöht und andererseits wurde wegen der überlangen Studienzeiten an der WU Wien (z.B. durchschnittlich 14,5 statt 8 Semester im Jahr 2003) die Mindeststudiendauer im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ im Jahr 2001 durch Umverteilung der Kurse von vier auf drei Semester „psychologisch“ verkürzt (die Zahl der Wochenstunden blieb gleich), um den Studenten ein rascheres Studium des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“ zu ermöglichen. Tabelle 2-3 zeigt den erlebten Schwierigkeitsgrad des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“ aus der Sicht der Absolventen.

Tabelle 2-3:

Der Schwierigkeitsgrad des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“ aus Sicht der AbsolventInnen im Langzeitvergleich 1988 bis 2005

„WuM“ war im Vergleich zum 2. Vertiefungsfach

Martin 1988

Mäutner 1992

Wallner 1997

Schamböck 2001

Aussprung 2006

leichter

10%

9%

13%

12%

21%

genauso schwierig

37%

44%

47%

48%

29%

schwieriger

53%

47%

40%

40%

50%

Basis (n): AbsolventInnen mit Zweitfach

n=62

n=68

n=88

n=79

n=75

Nur eine Minderheit von höchstens 21 Prozent (Absolventen der letzten Kohorte von 2001 bis 2005 in der Studie von Aussprung 2006) stufte die Ausbildung im Fach Werbewissenschaft und Marktforschung als leichter im Vergleich zu ihrem zweiten betriebswirtschaftlichen Vertiefungsfach ein. Dagegen empfanden mindestens 40 Prozent und höchstens 53 Prozent aller fünf Kohorten das Fach „Werbewissenschaft

176

Ausbildungsprogramme als Marken?

und Marktforschung“ als schwieriger. Diese Schwankungen der Antwortverteilungen im Zeitablauf sind statistisch signifikant (Chi-Quadrat = 16,24, p<0,05). Wie bereits erwähnt, haben die meisten anderen Vertiefungsfächer an der WU Wien ihr Anspruchsniveau aufgrund des großen Studentenzustroms erhöht, was wiederum einen vergrößerten Zustrom an Interessenten für das Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ ab dem Wintersemester 2002/03 zur Folge hatte. Diese verstärkte Nachfrage führte dazu, dass seitdem nur mehr höchstens 36 Studierende pro Semester in das Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ aufgenommen wurden (siehe Tabelle 2-1). Das dritte und letzte Prüfkriterium für die Übereinstimmung zwischen der Wunschpositionierung und der tatsächlichen Ist-Positionierung ist die empfundene Praxisnähe der Ausbildung. Dieser Indikator wurde einerseits bei den AbsolventInnen, die ja schon im Berufsleben stehen und den praktischen Nutzen ihrer Ausbildung aufgrund der beruflichen Erfahrungen am besten beurteilen können, und andererseits bei Werbeund Marketingmanagern in österreichischen Unternehmen erhoben. Tabelle 2-4 zeigt dazu zunächst die Ergebnisse für die Gruppe der Absolventen, wobei zu erwähnen ist, das die Praxisnähe der Ausbildung erst ab der Absolventenstudie 1997 abgefragt wurde.

Tabelle 2-4:

Die Praxisnähe der Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ aus der Sicht der AbsolventInnen im Zeitraum von 1996 bis 2005

„Werbewissenschaft und Marktforschung war im Vergleich zum 2. Vertiefungsfach praxisnäher“ (Skala von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 = „trifft völlig zu“) Mittelwert

Absolventen- Absolventen- AbsolventenUmfrage Umfrage Umfrage Wallner Schamböck Aussprung 1997 2001 2006 4,4

4,8

4,5

5

5

5

häufigster Wert: „trifft völlig zu“

30%

48%

36%

Basis(n): nur jene AbsolventInnen mit einem zweiten Vertiefungsfach

n=88

n=79

n=75

Median

Wie die in Tabelle 2-4 ausgewiesenen Kennzahlen zeigen, wurde die Praxisnähe des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“ in allen drei Studien deutlich höher als beim Zweitfach eingestuft (p<0,01 beim Vergleich der Mittelwerte mit dem theoretischen Skalenmittelwert von 3,5 mittels Wilcoxon-Test). Tabelle 2-5 zeigt die durchschnittliche Einstufung der Praxisnähe der Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ im Vergleich zu einigen anderen Ausund Weiterbildungsanbietern auf dem Gebiet der „Werbung und der Kommuni-

177

Helmut Kurz

kation“ aus der Sicht von österreichischen Werbe- und Marketingmanagern, die mit der jeweiligen Ausbildung vertraut waren. Diese Konkurrenzanbieter haben durchwegs eine hohe Praxisnähe als Kernpositionierung und kommunizieren diese auch in den Medien.

Tabelle 2-5:

Die Praxisnähe der Ausbildung am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung aus der Sicht von österreichischen Werbe- und Marketingmanagern

VerfasserInnen der Studie und Jahr

Dissmann 1993

Körmendi 2002 Urferer 2006

Erhebungszeitraum

Juni 1992

Februar 2002

Juli 2005

Umfragemethode

schriftlich

schriftlich

schriftlich

Rücklaufquote

23%

15%

34%

Stichprobenumfang

208

174

474

Die Praxisnähe der Ausbildung (Mittelwerte auf der Skala von 1 = „überhaupt nicht praxisnahe“ bis 6 = „sehr praxisnahe“) Institut für Werbewissenschaft & Marktforschung an der WU Wien

3,8 (n=185)

3,6 (n=122)

4,5 (n=271)

Universitätslehrgang für Werbung und Verkauf an der WU Wien

4,4 (n=193)

4,5 (n=135)

4,8 (n=357)

(1992: noch Fachlehrgang für Wirtschaftswerbung genannt)

4,4 (n=175)

4,7 (n=119)

4,9 (n=280)

Fachhochschule (FH) für Kommunikationswirtschaft in Wien

erst später gegründet

4,7 (n=70)

4,4 (n=99)

Werbeakademie am WiFi Wien

Basis (n): Kenner des jeweiligen Aus- und Weiterbildungsanbieters

Der Vergleich der Mittelwerte in Tabelle 2-5 zeigt, dass die von den österreichischen Werbe- und Marketingpraktikern empfundene Praxisnähe der Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ mit einer Ausnahme in allen drei Umfragen geringer war als bei den beiden, zur Weiterbildung von bereits Berufstätigen eingerichteten Konkurrenten „Universitätslehrgang und Werbung und Verkauf“ und „Werbeakademie“ (p<0,01; Wilcoxon-Test). Mit einem Mittelwert von 4,5 wurde die Praxisnähe der Ausbildung „Werbewissenschaft und Marktforschung“ von den Befragten der aktuellsten Umfrage im Sommer 2005 deutlich höher als im Jahr 1993 eingestuft (p<0,05; U-Test von Mann und Whitney). Dieser Mittelwert ist weiters deutlich höher als der theoretische Mittelwert der 6-stufigen Skala in Höhe von 3,5 (p<0,01, Wilcoxon-Test), so dass man von einer hohen Praxisnähe des Fachs „Werbewissen-

178

Ausbildungsprogramme als Marken?

schaft und Marktforschung“ sprechen kann. Ursache dafür ist wohl in erster Linie die verstärkte Information der österreichischen Wirtschaftspraxis über die vielen praxisnahen Projekte (Durchführung von Umfragen, Erstellung von Werbekampagnen) in der Ausbildung mittels Aussendung von Forschungsberichten (interessierte Leser können sich den aktuellen Forschungsbericht auf der Internetseite des Instituts ansehen ( http://www.wu-wien.ac.at/werbung/download/Forschungsbericht05/ Kommunikationsforschung.pdf; 25.04.2006). Man kann daher folgendes Zwischenresümee ziehen: Die Ist-Positionierung des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“ entspricht tatsächlich der angestrebten Wunschpositionierung als „anspruchsvolle und praxisnahe Ausbildung“.

2.4

Ein möglichst guter Markenname

Wenn ein neuer Markenname von vornherein bestimmte vorteilhafte Eigenschaften hat, kann man sich Geld bei der Erklärung und emotionalen „Aufladung“ des Produkts mittels Werbung und sonstiger Kommunikation ersparen. Kotler und Bliemel (2001, S. 746) haben einen praktikablen Katalog mit vorteilhaften Eigenschaften von Markennamen erstellt. Leider wurde dieser Anforderungskatalog bis dato in keiner Umfrage bei potenziellen Studenten oder sonstigen Zielgruppen für den Namen „Werbewissenschaft und Marktforschung“ abgefragt, so dass stattdessen lediglich eine Einschätzung durch den Autor vorgenommen werden konnte, die in Tabelle 2-6 wiedergegeben ist. Wie die Einschätzungen des Verfassers in Tabelle 2-6 zeigen, erfüllt der Name „Werbewissenschaft und Marktforschung“ die Anforderungen an einen guten Markennamen nur zum Teil, ist also kein besonders guter Name für eine Marke. Wie die meisten Namen von Universitätsinstituten oder Ausbildungsstätten ist er sehr lang und daher bei weitem nicht so gut wie etwa die Namen der allseits bekannten und renommierten „Bildungsmarken“ „Harvard“ oder „Oxford“. Auch die Namen vieler sehr renommierter Ausbildungsstätten werden wegen ihrer Überlänge meist abgekürzt, wie etwa das „Massachusetts Institute of Technology“, das zum Kürzel „MIT“ mutierte.

179

Helmut Kurz

Tabelle 2-6:

Erfüllung der Anforderungen an einen guten Markennamen durch „Werbewissenschaft und Marktforschung“? Einschätzung durch den Verfasser

Der Name einer Marke sollte: bereits so gut wie möglich den Produktnutzen (hier: „universitäre Marktforschungs- und Werbeausbildung“) kommunizieren

erfüllt vom Namen „Werbewissenschaft und Marktforschung“?

ja

möglichst viele positive und möglichst wenig negative Assoziationen auslösen

in den Kernzielgruppen „österreichische Wirtschaftsstudenten und Marketingpraxis“: „Werbung“ meist ja, „Marktforschung“ oft nein (oft negative Assoziationen zu „Statistik“)

möglichst kurz und möglichst leicht zu merken sein

nein: 3 deutsche Wörter, davon 2 lange mit 8 Silben, daher im Logo mit „WuM“ abgekürzt

möglichst leicht auszusprechen sein

in den Kernzielgruppen meist ja, aber langer Name, daher oft mit „Werbeinstitut“ abgekürzt

möglichst unverwechselbar sein (keine Verwechslung mit anderen Markennamen)

mit anderen Uni-Instituten ja, aber in Presseberichten manchmal falsch bezeichnet („Institut für Werbewirtschaft…“)

internetfähig sein

ja, aber Internetadresse abgekürzt (www.wu-wien.ac.at/werbung)

zukunftsfähig sein (keine abgelaufene Jahreszahl als Bestandteil des Namens)

2.5

ja

Markierung durch ein unterscheidungskräftiges, marken- und schutzfähiges Zeichen und durch eine einheitliche Farbe

Laut Bruhn (2004, S. 17) ist die Markierung der Leistung vor allem aus rechtlicher Sicht ein zentrales Definitionskriterium für eine Marke. Ein markantes, mit dem Produkt und dem Markennamen gut abgestimmtes und unverwechselbares Logo erleichtert den Markenaufbau immens (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2005, S. 84). Das in Abbildung 2-1 wiedergegebene Logo wurde Anfang der 70er Jahre von Institutsmitarbeitern kreiert und 1997 in einem „Corporate Design“-Handbuch hinsichtlich Aussehen und Verwendung spezifiziert (Pöllmann 1997). Dabei wurden auch „dunkelblau“ als Hausfarbe und „Times New Roman“ als Hausschrift festgelegt.

180

Ausbildungsprogramme als Marken?

Abbildung 2-1:

Das Logo des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung, in Kurz- und Langversion; Farbe: „Pantone Reflex Blue“ (dunkelblau)

Die Hausfarbe „dunkelblau“ wurde vor allem aufgrund ihrer, gemäß farbpsychologischer Studien, „seriösen“ Anmutung gewählt. An dieser Stelle sei kritisch angemerkt, dass die Vorgaben des CI-Handbuches für die Verwendung des Logos von den InstitutsmitarbeiterInnen in den Informationen nach außen (Mitteilungen auf dem „Schwarzen Brett“ usw.) aufgrund von Schlendrian und Hektik im Arbeitsalltag nicht immer eingehalten wurden und werden. Außerdem musste man Ende der 90er Jahre die Hausschrift „Times New Roman“ auf die neue Hausschrift der WU Wien „Arial“ umstellen, um die CI-Richtlinien der Gesamtuniversität zu erfüllen.

2.6

Eine hohe Bekanntheit der Marke

Laut Bruhn (2004, S. 12) bzw. Giefers (1995, S. 37) entsteht ein Markenschutz auch ohne Eintragung in das Markenregister – die für „Werbewissenschaft und Marktforschung“ nicht vorgenommen wurde – allein aufgrund einer notorischen Bekanntheit von mindestens 60 Prozent bei relevanten Verkehrskreisen. Der Bekanntheitsgrad des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung und anderer wichtiger Ausund Weiterbildungsanbietern im Bereich Werbung und Kommunikation wurde in gestützter Form (Vorgabe der Namen im Fragebogen) in insgesamt sechs Befragungen von wichtigen externen Zielgruppen in Österreich erhoben. Die Ergebnisse dazu sind samt den methodischen Eckdaten der Studien in Tabelle 2-7 wiedergegeben. Wie die Prozentwerte in Tabelle 2-7 zeigen, erreichte oder übertraf das Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung in allen fünf Umfragen den genannten Mindestwert von 60 Prozent Bekanntheit, hat also aus markenrechtlicher Sicht eine ausreichende notorische Bekanntheit.

181

Helmut Kurz

Tabelle 2-7:

Der gestützte Bekanntheitsgrad des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung in der österreichischen Wirtschaftspraxis

VerfasserInnen und Jahr

Dissmann 1993

Körmendi 2002

Wohlschlager 2003

„BRAINSTUDIO“ 2004

Urferer 2006

Erhebungszeitraum

Juni 1992

Feb. 2002

Sept. 2002

Juni 2004

Juli 2005

Umfragemethode

schriftlich

schriftlich

schriftlich

CAPI

schriftlich

Rücklaufquote

23%

15%

18%

-

34%

Stichprobe (n):

208 österr. Marketingmanager

174 österr. Marketingmanager

89 österr. Interessenten an Weiterbildung in der Werbung

89%

83%

64%

60%

87%

Universitätslehrgang für Werbung und Verkauf an der WU Wien

93%

90%

89%

73%

95%

Werbeakademie am WiFi Wien (1992: Fachlehrgang für Wirtschaftswerbung)

84%

83%

78%

87%

88%

erst später gegründet

68%

68%

58%

32%

Institut „Werbewissenschaft und Marktforschung“ an der WU Wien

Fachhochschule (FH) für Kommunikationswirtschaft in Wien

2.7

120 österr. Besucher 474 österr. der Fach- Marketingmanager messe „PUBLICA“

Eine hohe und gleich bleibende oder sogar verbesserte Qualität der Dienstleistung

Damit Konsumenten Vertrauen zu einem Dienstleistungsanbieter und damit in eine Dienstleistungsmarke aufbauen können, muss dieser vor allem Schwankungen in der Ausführungsqualität seiner Leistung möglichst gering halten (vgl. Bruhn 2004, S. 18; Meffert und Bruhn 2003; Scheuch 2002). In den bereits mehrfach zitierten Befragungen der Absolventen wurden diese sehr detailliert zu den Stärken und Schwächen der Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ im Lichte ihrer bereits im Beruf gesammelten

182

Ausbildungsprogramme als Marken?

Erfahrungen befragt. Tabelle 2-8 zeigt diese Bewertungen und ihre Änderungen im Zeitraum 1988 bis 2005.

Tabelle 2-8:

Die Qualität der Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ aus Sicht der AbsolventInnen im Langzeitvergleich von 1988 bis 2005

Mittelwerte auf der 6-stufigen Skala von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 = „trifft völlig zu“

1988 1991 1996

2000

2005

+ oder – von 1988 bis 2005

3,9

4,0

4,1

4,5

4,7

+0,8 (p<0,001)

3,9

4,3

4,3

4,6

4,6

+0,7 (p<0,001)

Die Umsetzung der Theorien in die Praxis wurde ausreichend geübt (z.B. die Anwendung theoretischer Modelle bei der Gestaltung von Werbemitteln)

3,4

3,5

3,5

4,0

3,8

Das erlernte Wissen ist auch für Berufe außerhalb der Werbung und der Marktforschung nützlich

4,6

4,2

4,5

4,7

4,5

Die Werbung kam im Verhältnis zur Marktforschung zu kurz

5,0

5,2

4,6

4,3

3,9

-1,1 (p<0,001)

3,8

3,9

3,5

3,5

3,3

-0,5 (p=0,02)

4,2

4,3

3,7

3,8

3,7

-0,5 (p=0,07)

1,9

1,9

2,1

2,1

2,0

Die Lehrinhalte waren sowohl theoretisch fundiert als auch praxis-bezogen Die Lehrinhalte sind in die Praxis umsetzbar

Theorien wurden zu ausführlich behandelt Es wurde zu viel Wert auf statistische Methoden gelegt Es wurden zu viele Themen behandelt

+0,4 (p=0,03) -0,1 (p=0,96)

+0,1 (p=0,40) +0,7

Die Anzahl der Studenten war in vielen Lehrveranstaltungen zu groß

2,0

Basis: Zahl der befragten Absolventen

77

2,5

2,1

2,1

2,7 (p=0,002)

99

135

131

90

Die Verläufe der Mittelwerte von 1988 bis 2005 in Tabelle 2-8 lassen folgende Schlüsse zu: 1. Der Praxisbezug der Ausbildung sowie ihre Umsetzbarkeit im Beruf waren aus Sicht der Absolventen im gesamten Untersuchungszeitraum überdurchschnittlich hoch (verglichen mit dem theoretischen Mittelwert der 6-stufigen Skala in Höhe

183

Helmut Kurz

von 3,5), wobei allerdings relativ viele Absolventen die Umsetzung der Theorie (z.B. über die Wirkung der Werbung) in die Praxis (z.B. beim Entwurf von Anzeigen) gerne öfter geübt hätten. 2. Die subjektiv empfundene Praxisnähe der Ausbildung konnte durch sukzessive Änderungen von Lehrinhalten und Lehrmethoden von 1988 bis 2005 signifikant verbessert werden (+0,8, +0,7 und +0,4 Skalenstufen bei den drei in Tabelle 8 erstgenannten Eigenschaften; U-Test von Mann und Whitney). 3. Das Übergewicht der Marktforschung im Verhältnis zur Werbung in der Ausbildung wurde von Studie zu Studie von immer weniger Absolventen bemängelt (Rückgang um -1,1 Skalenstufen zwischen 1988 und 2005), ist aber nach Auffassung der letzten Absolventenjahrgänge noch immer vorhanden. Stellt man diesen Einschätzungen der letzten Absolventenkohorte aus dem Jahr 2005 (Mittelwert 3,9) die tatsächliche Aufteilung der Lehrveranstaltungen mit eindeutigem Werbe- oder Marktforschungs- bzw. Statistikbezug gegenüber, zeigt sich eine Übereinstimmung der Einschätzung mit der Realität, wenn man nur die acht im Studienplan vorgeschriebenen Pflichtkurse als Basis heranzieht (siehe dazu das Lehrprogramm unter http://www.wu-wien.ac.at/werbung/Studium/ Spezielle_ BWL/ Lehrveranstaltungen; 24.05.2006). Berücksichtigt man bei diesem Vergleich aber auch sämtliche Wahlkurse (z.B. „Fallstudien aus Werbung und Marketing“) und die freiwilligen Kurse (z.B. „Werbe- und Mediaplanung“), dann ergibt sich in Wirklichkeit ein ausgewogenes Lehrprogramm, das aber offenbar noch immer nicht also solches wahrgenommen wird. 4. Der monierte zu hohe Theoriegehalt der Ausbildung in der Studie 1988 wurde bis zur letzten Studie 2005 subjektiv deutlich geringer (Abnahme um -0,5 Skalenstufen). 5. Der subjektiv empfundene Statistikgehalt der Ausbildung wurde von der im Sommer 2005 befragten Absolventenkohorte noch immer als relativ hoch eingeschätzt, ist aber seit 1988 um -0,5 Skalenstufen tendenziell gesunken. 6. Auch das Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung ist wie die anderen Institute vom starken Studentenandrang an die WU Wien nicht verschont geblieben und dieser Sachverhalt wurde daher ganz besonders von der 2005 befragten Absolventenkohorte bekrittelt (siehe vorletzte Zeile in Tab. 2-8).

184

Ausbildungsprogramme als Marken?

2.8

Eine hohe und gleich bleibende Qualität der Dienstleistungserbringer

2.8.1

Die fachlichen und sozialen Kompetenzen der MitarbeiterInnen des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung aus Sicht der AbsolventInnen im Langzeitvergleich von 1988 bis 2005

Da die Qualität einer rein immateriellen und persönlichen Dienstleistung wie die Ausbildung von Studierenden an Universitäten in erster Linie von den Kompetenzen der Dienstleistungserbringer, also der UniversitätslehrerInnen abhängt, wurde diese regelmäßig von den Absolventen bewertet. Tabelle 2-9 präsentiert die Ergebnisse dazu.

Tabelle 2-9:

Fachkompetenz und Betreuungsqualität der MitarbeiterInnen des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung aus Sicht der AbsolventInnen im Langzeitvergleich von 1988 bis 2005

Mittelwerte auf der 6-stufigen Skala von 1 = „sehr schlecht“ bis 6 = „sehr gut“

1988 1991 1996

2000

2005

+ oder – von 1988 bis 2005

Die Fachkompetenz der wissenschaftlichen InstitutsmitarbeiterInnen

5,1

5,0

5,0

5,3

5,5

+0,4 (p<0,001)

Die wissenschaftliche Betreuung bei der Diplomarbeit (Basis: Diplomanden)

5,6 (19)

5,6 (21)

5,4 (32)

5,7 (59)

5,5 (41)

-0,1 (p=0,57)

Die Betreuung bei den Projekten in der Übung aus Marktforschung und im Seminar aus Werbung und Marktforschung

5,0

4,6

4,5

5,1

5,2

+0,2 (p=0,13)

Die Hilfsbereitschaft der AssistentInnen

5,4

5,3

5,1

5,3

5,0

-0,4 (p=0,008)

Die Fairness bei den Prüfungen

5,2

4,9

4,7

5,2

5,3

+0,1 (p>0,05)

Die Atmosphäre am Institut

4,8

4,6

4,7

4,9

4,6

-0,2 (p=0,07)

Basis: Zahl der befragten Absolventen

75

100

134

130

90

Die Höhe und der zeitliche Verlauf der Mittelwerte in Tabelle 2-9 lassen folgende Diagnose zu:

185

Helmut Kurz

1. Die Mittelwerte liegen über die Jahre hinweg bei fast allen Indikatoren ziemlich konstant über dem theoretischen Mittelwert von 3,5 auf der 6-stufigen Bewertungsskala und zeigen damit eine überdurchschnittliche und konstant gute Betreuung durch die InstitutsmitarbeiterInnen. Ihre Fachkompetenz wurde 2005 deutlich besser beurteilt als im Jahr 1988 und erreichte einen Mittelwert von 5,5 auf der 6-stufigen Skala (Median: 6; 63 Prozent vergaben den Höchstwert 6 = „sehr gut“). 2. Lediglich die Hilfsbereitschaft der Assistenten wurde 2005 deutlich schlechter beurteilt als 1988 – vermutlich eine Folge des Zuwachses von zu betreuenden Studenten, insbesondere von Austauschstudenten in vielen freiwilligen Kursen und vielleicht auch eine Folge von erhöhten Ansprüchen nach Einführung der Studiengebühr von 373 Euro pro Semester im Herbst 2001.

2.8.2

Die Qualität der Betreuung der StudentInnen durch die MitarbeiterInnen des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung aus Sicht der AbsolventInnen im Langzeitvergleich 1988 bis 2005

Zusätzlich wurde in den Absolventenumfragen die allgemeine Qualität der Studentenbetreuung im Verhältnis zu den anderen Instituten an der WU Wien abgefragt. Tabelle 2-10 zeigt die Ergebnisse dieser Bewertung.

Tabelle 2-10: Die Qualität der Betreuung der StudentInnen durch die MitarbeiterInnen des Instituts für Werbewissenschaften und Marktforschung aus Sicht der AbsolventInnen im Langzeitvergleich von 1988 bis 2005 Die Betreuung der StudentInnen durch die „WuM“Mitarbeiter war im Vergleich zu den anderen Instituten an der WU Wien

1988

1991

1996

2000

2005

besser

73%

68%

73%

80%

81%

genauso gut

22%

25%

23%

18%

19%

schlechter

5%

7%

4%

2%

0%

n=74

n=98

Basis: Zahl der befragten AbsolventInnen

n=133 n=126 n=90

Mindestens 68 und höchstens 81 Prozent der Absolventen schätzten ihre Betreuung durch die Mitarbeiter des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung während des Studiums als besser ein, als an den anderen Instituten an der WU Wien (p<0,05 im Chi-Quadrat-Test gegen Gleichverteilung der Antworthäufigkeiten). Diese

186

Ausbildungsprogramme als Marken?

überdurchschnittliche Betreuungsqualität war außerdem im Zeitablauf sehr konstant, da der geringe Einbruch von 5 Prozent in der Antwortkategorie „besser“ in der Studie 1991 statistisch nicht signifikant ist (Chi-Quadrat: 11,1; p=0,20).

2.9

Eine hohe Zufriedenheit der Kunden mit den Dienstleistungserbringern und mit der Dienstleistung

Ein sehr guter Summenindikator für die Qualität von Produkten und Dienstleistungen, egal ob markiert oder nicht, ist die Zufriedenheit der Kunden. Laut Bruhn (2004, S. 20 und 27) erfüllt eine Leistung, mit der die Kunden unzufrieden sind, nicht die Anforderungen an eine Marke. Daher wird in der Folge überprüft, wie zufrieden die Studenten des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“ mit den Leitern ihrer Lehrveranstaltungen waren (2.9.1) und wie zufrieden die Absolventen mit ihrer Ausbildung sind (2.9.2).

2.9.1

Die Zufriedenheit der StudentInnen mit den LeiterInnen der Lehrveranstaltungen im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“

Seit Wintersemester 1998/99 ist an allen österreichischen Universitäten die regelmäßige Evaluierung aller Lehrveranstaltungen durch die teilnehmenden Studierenden Pflicht. An der WU Wien bewerten die teilnehmenden Studenten jede Lehrveranstaltung und deren Leiter anhand von 14 Kriterien (klare Struktur der Inhalte, Engagement und Fachkompetenz des Leiters der Lehrveranstaltung, Transparenz der Notenvergabe usw.) in einer schriftlichen Hörsaalbefragung im letzten Semesterdrittel. Dabei geben die Studenten auch ihre generelle Zufriedenheit mit der Lehrveranstaltung und deren Leiter/in bekannt. Jeder Kurs wird einem Zyklus von drei Semestern obligatorisch bewertet, kann aber auch außerhalb dieses Zyklus jederzeit auf Wunsch des LV-Leiters bewertet werden. Die folgende Tabelle 2-11 zeigt die durchschnittliche Zufriedenheit der Studierenden mit den Leitern der einzelnen Lehrveranstaltungen (Fragewortlaut: „ich bin mit dem LV-Leiter generell zufrieden“) im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ im Zeitraum Wintersemester 1998/99 bis Sommersemester 2005 auf einer Stichprobenbasis von jeweils mindestens 10 urteilenden Studierenden. Bevor die Werte in Tabelle 2-11 kommentiert werden sei Folgendes für das bessere Verständnis angemerkt:

187

Helmut Kurz

1. Bei den bisherigen Lehrveranstaltungsevaluierungen an den österreichischen Universitäten überwiegen generell eher positive Urteile (vgl. Rindermann 2001). Dieses Phänomen scheint auch an der WU Wien der Fall zu sein, wie man an der hohen durchschnittlichen Zufriedenheit mit den Kursleitern (86 bis 88 von maximal 100 Zufriedenheitspunkten, siehe letzte Zeile in Tab. 11) erkennen kann (vgl. Kern 2002, S. 4 sowie o.V. 2005a, S. 4 und o.V. 2005b, S. 4). 2. Aufgrund der, aus didaktischen Gründen, geringen Zahl an Teilnehmern bei den Lehrveranstaltungen sind die statistischen Schwankungsbreiten bei den Zufriedenheitsmittelwerten naturgemäß groß. 3. Die Namen der Leiter der Lehrveranstaltungen wurden in Tabelle 2-11 weggelassen, weil sie für die Argumentation nebensächlich sind. Die namensbezogenen Evaluierungen stehen aber jedem WU-Studenten nach Passwortidentifikation auf der Internetseite der WU Wien jederzeit zur Verfügung, sofern der LVLeiter der Veröffentlichung zugestimmt hat (http://apollo.wu-wien.ac.at:1963/cgibin/nph-skamrada/evae; 24.05.2006).

Tabelle 2-11: Die Zufriedenheit der StudentInnen mit den Leitern der Lehrveranstaltungen des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“ Skala bis inkl. WS 2003: 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 8 = „trifft völlig zu“; ab SS 2003: 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 = „trifft völlig zu“. Zwecks Vergleichbarkeit wurden die Mittelwerte auf eine Skala von 0 (geringste Zufriedenheit) bis 100 (höchste Zufriedenheit) umgerechnet. Lesehilfe: Der Leiter der „Einführung in die Marktforschung“ erhielt von den 88 Teilnehmern dieser Lehrveranstaltung im WS 2000/01 92 von 100 möglichen Zufriedenheitspunkten. (Kursiv geschrieben: von externen Lektoren aus der Wirtschaftspraxis abgehaltene Kurse). Grundkurs 1: Einführung in die Marktforschung

WS 00: 92(88)

Grundkurs 2: Übung aus Marktforschung: LV-Leiter A

WS 03: 90 (30) SS 05: 84 (37)

Grundkurs 2: Übung aus Marktforschung: LV-Leiter B

SS 02: 93 (36)

Grundkurs 2: Übung aus Marktforschung: LV-Leiter C

WS 00: 86 (43)

Grundkurs 2: Übung aus Marktforschung: LV-Leiter D

SS 99: 88 (14)

Vertiefungskurs 1: Langfristige Prognosetechniken

SS 02: 89 (32)

SS 05: 81 (41)

Vertiefungskurs 2: Konsumverhaltensanalyse mit statistischen Methoden

WS 00: 89(33)

SS 05: 88 (53)

188

SS 02: 92(70)

WS03: 89(102) SS 05: 91(71)

Ausbildungsprogramme als Marken?

Markenpositionierung und SS 99: 83 (24) Marktsegmentierung mit statistischen Methoden (ab SS 04 mit VK 2 fusioniert)

SS 02: 83 (62)

Vertiefungskurs 3: Panelforschung und Kurzfristprognose

WS 98: 95 (14) WS 00: 92 (19) WS 01: 92 (25) WS 03: 87 (48)

Vertiefungskurs 5: Werbewirkungsmessung: LV-Leiter A

SS 05: 85 (14)

Vertiefungskurs 5: Werbewirkungsmessung: LV-Leiter B

SS 02: 85 (44)

Werbewirkungsmessung II und WS 98: 90 (12) WS 00: 95 (29) Werbebudgetierung (ab SS 04 fusioniert mit Vertiefungskurs 5) Einführung in die Werbung

WS 00: 96 (38) WS 03: 93 (29) WS 04: 96 (17)

Die Marke: Markenimage, -positionierung und -wert

SS 99: 94 (22)

SS 02: 85 (59)

SS 05: 91 (34)

Werbe- und Mediaplanung

SS 99: 92 (34)

SS 02: 90 (33)

SS 05: 90 (24)

Statistische Tests in kleinen Stichproben

WS 00: 95 (16) WS 03: 94 (13)

Einführung in SPSS: LV-Leiter A

SS 99: 80 (16)

Einführung in SPSS: LV-Leiter B

WS 03: 88 (21) SS 05: 89 (22)

Fallstudien aus Werbung und Marketing

WS 00: 88 (22)

Werbeanalyse

WS 00: 91 (24) SS 05: 91 (14)

Werbekonzeptionen

SS 99: 86 (19)

Theorie & Praxis der Markenführung

WS 03: 95 (21)

Präsentationstechniken

WS 00: 99 (22) SS 02: 88 (18)

Konfliktorientierte Lösungsansätze im Verkauf

SS 99: 94 (20)

Strategische Verhandlungsführung

WS 03: 94 (35)

Seminar Direktmarketing: LV-Leiter A

WS 01: 97 (13)

Seminar Direktmarketing: LV-Leiter B

WS 00: 98 (21)

Wirtschaftspublizistik

WS 03: 95 (30)

Durchschnitt aller Kurse an der WU Wien

SS01-SS02: 88 WS01-SS04: n.e.

WS 00: 82 (47)

SS 05: 96 (20)

WS 03: 91 (21) SS 05: 95 (17)

WS 00: 93 (10) SS 02: 96 (21)

WS 04: 86

SS 05: 98 (15)

SS 05: 87

Die Zufriedenheitswerte in Tabelle 2-11 lassen folgende Schlussfolgerungen zu (vgl. dazu im Detail Grabner 2005, S. 168-203):

189

Helmut Kurz

1. Bei 39 von insgesamt 56 bewerteten Kursen des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“, also bei 70 Prozent, liegt die durchschnittliche Zufriedenheit mit dem Leiter über dem besten Durchschnittswert der gesamten Universität in Höhe von 88 Punkten (diese 39 Werte sind in der Tabelle 2-11 fett markiert). Bei 17 Kursen (30 Prozent) vergaben die Teilnehmer an den Leiter im Durchschnitt nur 88 oder weniger Punkte. Da die Fragebogen zentral an der WU Wien ausgewertet werden, standen die Rohdaten dem Autor nicht zur Verfügung, so dass die Unterschiede zwischen den Kursen nicht auf statistische Signifikanz getestet werden konnten. Der stattdessen durchgeführte Chi-Quadrat-Test ergab, dass dieses Verhältnis von 70: 30 signifikant von einer 50:50-Gleichverteilung abweicht (Chi-Quadrat = 8,63, p<0,01): Die Zufriedenheit der Studenten mit den Lektoren im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ ist also mehrheitlich überdurchschnittlich hoch. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die Studenten auch mit den Leitern von Kursen mit starkem Bezug zu statistischen Methoden überdurchschnittlich zufrieden waren, wie ein Vergleich mit den Leitern der anderen „Statistik-Kurse“ an der WU Wien zeigt, die z.B. im Wintersemester 2004/05 im Durchschnitt nur 79 Zufriedenheitspunkte erringen konnten (o.V. 2005a, S. 10). 2. Die Schwankung der Zufriedenheitswerte zwischen den einzelnen Lektoren ist relativ gering. Der höchste Wert beträgt 99 Punkte (für den Leiter des Kurses, der die Studenten bei der Vorbereitung von Präsentationen coacht), der niedrigste 81 Punkte (für den Lektor, der den Studenten Langfristprognosen z.B. für den ProKopf-Verbrauch von Kaffee mittels multipler Regressionsanalyse beibringt). 3. Die Schwankung der Zufriedenheitswerte zwischen den verschiedenen Leitern ein- und desselben Kurses ist relativ gering, wie man z.B. bei den vier Leitern der Übung aus Marktforschung erkennen kann. 4. Die Schwankung der Zufriedenheit mit einem bestimmten Lektor ist im Zeitablauf ziemlich gering, d.h. es kommt zu keinen Qualitätseinbrüchen. Diese beiden letzten Punkte sind für einen Dienstleistungsanbieter besonders wichtig, da die Qualität der Dienstleistung im Zeitablauf unbedingt konstant bleiben und es egal sein sollte, von welchem Mitarbeiter diese erbracht wird. Ergänzend sei an dieser Stelle angemerkt, dass das Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung zwecks Qualitätskontrolle bereits im Wintersemester 1987/88 freiwillig mit Lehrveranstaltungsevaluierungen begonnen hat. Mäutner analysierte die Bewertungen der drei damals am häufigsten eingesetzten Kursleiter vom Wintersemester 1987/88 bis inklusive Sommersemester 1991 auf Basis von insgesamt 580 ausgefüllten Fragebogen und ermittelte für diese eine Durchschnittsnote von 2,1 auf der 5-stufigen österreichischen Schulnotenskala, also eine „gute“ durchschnittliche Bewertung (Mäutner 1992, S. 196).

190

Ausbildungsprogramme als Marken?

2.9.2

Die allgemeine Zufriedenheit der AbsolventInnen mit der Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“

Seit 2000 wird auch die allgemeine Zufriedenheit der Absolventen mit ihrer Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ abgefragt. Von den 127 befragten Absolventen der Jahrgänge 1997 bis 2000 waren 98 Prozent mit ihrer Ausbildung zufrieden, von den 90 befragten Absolventen der Jahrgänge 2000 bis 2005 waren es 92 Prozent. Dieser Rückgang von 6 Prozent ist statistisch nicht signifikant (Chi-Quadrat: 3,69; p>0,05). Die durchschnittliche Zufriedenheit erreichte auf der in der Studie 2005 erstmals eingesetzten 6-stufigen Skala (von 1 = „völlig unzufrieden“ bis 6 = „völlig zufrieden“) den sehr hohen Wert von 5,0, der Median war ebenfalls 5. In Summe gesehen war also eine große Mehrheit der Absolventen mit ihrer Ausbildung zufrieden. In einer weiteren, vom Management der WU Wien durchgeführten schriftlichen Umfrage bei insgesamt 1470 WU-AbsolventInnen im Zeitraum Sommersemester 2004 bis inklusive Sommersemester 2005 (Rücklaufquote: 61 Prozent) wurde die Qualität der Ausbildung in insgesamt 26 Vertiefungsfächern abgefragt. Tabelle 2-12 zeigt die Ergebnisse dieser Bewertungen (vgl. Kutzelnig 2006, S. 54).

Tabelle 2-12: Die Zufriedenheit der AbsolventInnen des Fachs „Werbewissenschaft und Marktforschung“ im Vergleich zu den anderen Vertiefungsfächern an der WU Wien Mittelwerte auf der 6-stufigen Skala von 1 = „sehr gut“ bis 6 = „sehr schlecht“

Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“

alle 26 Vertiefungsfächer an der WU Wien im Durchschnitt

Vermittlung des Wissens

1,6

2,3

Anwendung des Wissens

1,6

2,5

Betreuung durch die LV-Leiter

1,7

2,4

generelle Bewertung

1,6

2,3

n=64

n=1.470

Basis: AbsolventInnen vom SS 2004 bis inkl. SS 2005

Leider wurden die Rohdaten dem Autor nicht zur Verfügung gestellt, so dass die Bewertungsunterschiede hinsichtlich ihrer Signifikanz nicht getestet werden konnten. Man sieht aber auch so, dass die 64 befragten Absolventen des Fachs Werbewissenschaft und Marktforschung die Qualität ihrer Ausbildung in allen vier

191

Helmut Kurz

abgefragten Kriterien deutlich besser als die Absolventen aller anderen Spezialfächer bewertet haben. Sämtliche Zufriedenheitsstudien lassen daher folgende Schlussfolgerung zu: Die Zufriedenheit sowohl der Studenten als auch der Absolventen mit ihrer Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“, mit den Institutsmitarbeitern und den Leitern der Lehrveranstaltungen ist überdurchschnittlich hoch und bleibt im Zeitablauf konstant.

2.10 Hohe Markentreue Da eine universitäre Ausbildung in einem bestimmten Fach nur einmal im Leben in Anspruch genommen wird, kann die Markentreue im gegenständlichen Fall nicht als Indikator für eine starke Marke (vgl. Bruhn 2004, S. 20 und 24) herangezogen werden. Stattdessen wird ein Ersatzindikator, nämlich die theoretische Wiederwahlabsicht zur Argumentation verwendet. Die Aussage „ich würde Werbewissenschaft und Marktforschung wieder studieren, wenn ich nochmals vor dieser Entscheidung stünde“ bejahten die einzelnen Absolventenkohorten in den Umfragen wie folgt: 1991: 90 Prozent, 1996: 86 Prozent, 2000: 85 Prozent, 2005: 90 Prozent (1988 noch nicht erhoben). Die fiktive „Markentreue“ der Absolventen war also im Zeitraum von 1988 bis 2005 sehr hoch und auch konstant (Chi-Quadrat: 2,21, p>0.50).

2.11 Positives Image bei den Nutzern der Dienstleistung Die Erfüllung dieser Anforderung an eine Marke (vgl. Bruhn 2004, S. 20 und 27) durch die Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ wurde anhand von drei dazu passenden Indikatoren überprüft, die in fünf Umfragen bei den früheren Nutzern der Dienstleistung, also den Absolventen und den derzeitigen und künftigen Nutznießern der Dienstleistung, nämlich bei österreichischen Werbe- und Marketingmanagern, die das Institut kannten, abgefragt. Tabelle 2-13 zeigt die Ergebnisse. Die Mittelwerte in der Tabelle 2-13 liegen bei allen drei Imagekriterien und in allen fünf Umfragen deutlich über dem theoretischen Mittelwert auf der 6-stufigen Skala in Höhe 3,5 und sie schwanken außerdem im Zeitablauf nur gering, so dass man von einem konstant positiven Image des Instituts und damit der Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“ in der österreichischen Wirtschaftspraxis sprechen kann.

192

Ausbildungsprogramme als Marken?

Tabelle 2-13: Das Image des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung in der österreichischen Wirtschaftspraxis VerfasserInnen und Jahr

Dissmann 1993

Körmendi 2002

Schamböck 2001

Aussprung 2006

Urferer 2006

Das Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung hat qualifizierte Lektoren

4,2

4,9

nicht erhoben

nicht erhoben

5,2

erhöht die Karrierechancen

4,2

5,1

nicht erhoben

nicht erhoben

4,7

hat einen guten Ruf in der Praxis

4,9

5,2

5,1

5,2

5,3

Mittelwerte auf Skala von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 = „trifft völlig zu“

Basis: 44 Marketingmanager

Basis: 32 Marketingmanager

Basis: 131 Absolventen

Basis: 90 Absolventen

Basis: 112 Marketingmanager

3

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die detaillierte und anhand aller verfügbaren empirischen Daten durchgeführte Überprüfung der wissenschaftlichen Anforderungen an eine Marke in den Punkten 2.2 bis 2.11 hat Folgendes ergeben: Die Ausbildung im Fach „Werbewissenschaft und Marktforschung“

hat eine kleine und exklusive Gruppe von besonders motivierten Studierenden als „Kunden“

hat ihre Wunschpositionierung als anspruchsvolle Ausbildung mit hoher Praxisnähe auf diesem Fachgebiet auch tatsächlich erreicht

hat eine prägnante Markierung durch das Logo und den Namen, auch wenn dieser zu lang ist

hat eine hohe Bekanntheit in der österreichischen Wirtschaftspraxis hat eine hohe und konstante Qualität aus Sicht der Kunden und hat daher überdurchschnittlich zufriedene Kunden

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Helmut Kurz

Die eingangs aufgestellte Kernthese kann daher bejaht werden: „Werbewissenschaft und Marktforschung“ erfüllt die wichtigsten Anforderungen an eine Marke und kann daher ruhigen Gewissens als solche bezeichnet werden. Der langjährige Institutsvorstand Univ. Prof. Günter Schweiger hat als Hauptverantwortlicher für die Führung dieser Marke mit seinen unermüdlichen Aktivitäten zum Aufbau und zur Etablierung einer hochwertigen Forschung und Lehre und zum ständigen Transfer der dabei erbrachten Leistungen in die Marketingwissenschaft und in die Marketingpraxis sicherlich das meiste zum Gelingen dieses anspruchsvollen Ziels beigetragen.

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Ausbildungsprogramme als Marken?

Literaturverzeichnis

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Helmut Kurz

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Branding and Political Marketing in the United States

Bruce I. Newman

Branding and Political Marketing in the United States

1

Introduction .................................................................................................................... 199

2

The Role of the Internet ................................................................................................. 200

3

Successful and Failed Branding Strategies in Recent U.S. History .......................... 201

4

Branding and Positioning.............................................................................................. 203

5

Image and Branding....................................................................................................... 205

6

Key Similarities and Differences between Branding a Politician and a Product.... 205

7

Political Branding and Relationship Marketing ......................................................... 208

8

Conclusion....................................................................................................................... 210

197

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Abstract

Similar to the challenge that companies have in branding their products and services in the commercial marketplace, governments, political parties and campaign organizations all rely on similar theories and strategic tools to carve out successful niches for their leaders. Political parties are like corporate brands that offer an umbrella of predictability of performance just as a corporate endorsement does for a new product that enters the market. Candidates become the political brands of a political party. Branding is all about appealing to peoples' dreams. Politics is all about selling hope to a people. It has become very difficult for politicians to communicate to their respective target audiences without a clearly defined brand image. We live in an era where politicians manufacture their images through clever branding strategies. These images are sometimes altered overnight because of unexpected events and uncontrollable forces that may take place around the world. Theories and models that explain how products and services are branded are inadequate when one attempts to make the leap to the political marketplace. This article will provide a "strategic overview" of the role of branding in politics; focus on the differences between the role that branding plays in the commercial and political marketplaces; and point to the increasingly more important role that branding is playing in the field of political marketing today and in the future.

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1

Introduction

Imagine as a brand manager if you had to build a national marketing campaign that constantly changed its focus depending on the latest poll, all to get slightly more than 50% market share on a single day! Unlike the commercial marketplace, where a 1% drop in market share can be made up in the next quarter, politicians in the United States have to make up that 1% market share on a fixed date. The two political parties are becoming blurred as distinctive brands in the political marketplace. Unlike products, where the definition of the contents of a package can be spelled out on a label, political parties must rely on the platform of their candidates and the personalities of the politicians that lead their party to distinguish their brands in the minds of citizens. This leads one to conclude that the two political parties, as brands, are very closely linked to the same basic issues driving the thinking of the electorate. It should not come as a surprise to know that the Democrats and Republicans are both using the same sophisticated polling techniques, leading strategists in both parties to rely on the same basic information to package and promote their respective candidates. The branding of products and services begins with the corporate strategy that is driving a company. In the same way, the two political parties in the U.S. represent a "corporate" style and approach to strategy that dictates the way in which John Kerry and George W. Bush were marketed to the American public. In effect, the branding of the political parties represents an umbrella of predictability of performance in the same way that a company name does when marketing a product. For example, a Rolls Royce will carry with it a certain degree of confidence on the part of the buying public that is associated with the quality of the car. Likewise, the two political parties assure the voting public that regardless of the branded politicians that are put up for election, voters can assume that each will offer a campaign platform that will not veer too far from a core set of issues and policies that the party has been advocating for many years. But still, the polling methods used by the two parties makes the differentiation of their candidates difficult when there is a single driving concern during a political campaign. For example, during the 2004 presidential campaign, international security was the most important issue that all polls were tracking, and as a result, both Kerry and Bush, each in their own unique way, were branded along the lines of that major issue. This is not unlike the commercial marketplace where consumers may choose between several brands along one or two critical evaluative dimensions. What is different however is the more limited choice that voters have during the course of an election. This reality makes the market segmentation strategies used in political campaigns more challenging as candidates have to appeal more segments of voters who have varied interests and concerns. As a result, political brands (e.g. the political parties and individual politicians) have to be developed with distinct identities on the one hand, but with a broad overall appeal as well.

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2

The Role of the Internet

Political stories about politicians that would have gone almost unnoticed have perpetuated a 24/7 (twenty-four hour, seven days a week) new cycle that makes the management of a brand very difficult. During early February, 2006, a story broke over the internet about Vice President Dick Cheney had accidentally shot a friend with buckshot when hunting quails on a Texas ranch. The story was repeatedly played over internet sites around the world and created a big enough news story that it forced the more "traditional" news broadcasters to carry the story as a headline news item. This forced the Vice President to respond publicly about the event. Similarly, when former President Bill Clinton was in the process of getting impeached, supporters relied on the internet to serve as a vehicle to communicate their version of the story behind his impeachment in an effort to raise money to run commercials that sought to influence public opinion. So the branded image of Clinton in the eyes of the public was being influenced on the one hand by Congressional hearings taking place in Washington D.C., as well as by his supporters who were using the internet to fight the Republicans with the airing of influential commercials equating the impeachment hearings as a "witch-hunt" against the Democrats. As the power of "traditional" network television media coverage of politics continues to have its' influence eroded with the power of the internet and other communication vehicles, one has to consider the changes that are perpetuating this evolution. One key factor is the growing sophistication of younger voters who are more familiar and facile with the use of the World Wide Web. Citizens around the world are going to the internet to define the brand images of politicians and political parties in place of turning on their television sets to get their political information. Another factor making the internet a key strategic tool used to manufacture the image of politicians is the fragmentation of political interest groups that use the internet as a low-budget approach to building up the volunteer network and fund-raising capability of virtual unknown political brands in the marketplace. Finally, the efficiency of the internet is playing out as a key communication vehicle between campaign organizations and the media. Political operatives are increasingly relying on the internet to communicate breaking stories and to respond with lightening fast speed to stories that will either tarnish or enhance the brand reputation of a political party or politician. Of course, the key difference between the role of the internet in a political campaign and a product campaign lies in the immediacy that comes with political branding. Managing crises in politics is a daily routine, making the role of the internet that much more significant. Unless a company is facing a crisis, the internet will not play as crucial a role in the management of the brand identity in the commercial marketplace.

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Successful and Failed Branding Strategies in Recent U.S. History

What makes a great leader? That question was analyzed by Genovese (2000) and it was determined that the most important characteristic for success of a politician is success in office, followed by compassion, intelligence, toughness and decisiveness. These characteristics become the key way in which leaders in the U.S. brand themselves. The average citizen in the U.S. also considers honesty and credibility as very important qualities for a president to have. But the real question is what are current day leaders in the U.S. doing to manage their brand image in the political marketplace? One of the most important strategic tools a president has to maintain his image is the ability to connect emotionally with voters and key opinion leaders (Newman 1994; 1999a, 1999b). For example, the recent presidency of George W. Bush reveals a candidate during his two presidential campaigns that was willing to do whatever was necessary to connect emotionally with the media. This included serving drinks on the press plane that would accompany the presidential jet on visits to campaign stops. At the same time, this is a president who is closely monitored by his aides who have limited his exposure to the public by limiting the number of press conferences held. It is a known fact that George W. Bush does not excel at speaking, and having to answer impromptu questions by an incisive press corps does not allow the branded image of a "leader in control" to be sold very easily to the American public. Another key strategic initiative that has worked well for recent leaders, including both Bush and Clinton, has been the ability for these politicians to take complex issues and communicate them in a way that voters can understand. Bill Clinton and even Ronald Reagan have been considered some of the best communicators in recent history. Each of these leaders had a way of speaking to the people with words and ideas that took the complexity of the job of the leader of the free world and presented it in a way that people could relate to. The ability of candidates in recent presidential elections to communicate the essence of a whole campaign in a matter of words has made the difference between winning and losing. Listed below are themes that candidates used in recent presidential elections to brand themselves in the political marketplace: 1. Ronald Reagan: "Morning in America" (1980): Ronald Reagan was responding to the perception in the U.S. in a post-Jimmy Carter era that he would bring with him to the White House a fresh and successful government. Jimmy Carter failed to bring home hostages that were held for over one year, and Ronald Reagan promised that it would be "morning in America" again. Reagan won by relying on this brand image. 2. George H. Bush: "A Thousand Points of Light" (1988): George H. Bush campaigned on a platform of inclusion. Part of this campaign strategy stemmed from the

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accusations of his opponent, Michael Dukakis, that Bush only represented the elite and rich people in the U.S. To counter that brand identity, Bush developed his campaign theme to reinforce the image of him as a leader who would reach out to all different types of citizens in his administration. This was a successful brand identity. 3. Bill Clinton: "It's the Economy Stupid!" (1992): Bill Clinton ran for the White House at a time when the economy was just working its way out of a recession. The theme, "It's the economy stupid," emphasized the fact that all that mattered to American people were their pocketbooks, and Bill Clinton wanted the voters to know that he understood that message. This brand image worked very well for Bill Clinton who won the election. 4. Bill Clinton: "A Bridge to the Twenty-first Century" (1996): The re-election of Bill Clinton was a difficult challenge to a Washington insider who campaigned on a platform as the outsider just four years prior to this. The role of branding became even more crucial in this election as Clinton was forced to create an identity that redefined him from his prior four years in office. In order to do this, Clinton used a theme that centered around the future, and the fact that he was looking to build a bridge to the next century. The metaphor was effective, and Clinton won the election. 5. George W. Bush: "Compassionate Conservatism" (2000): George W. Bush was saddled with the reputation as a Republican who didn't really have any feelings for the "little person" in society. To counter that perception, Bush relied on a campaign theme that positioned his brand as one that was not the typical Republican brand identity, but different. In this capacity, Bush had the warmth of personality to convince voters that he was a "different" kind of Republican who would bring compassion and warmth to the White House. It worked and he won the election. 6. Al Gore: "I'm for the people, not the powerful" (2000): Poor Mr. Gore was burdened with a president who just had been impeached and a country that was focused on Bill Clinton's weaknesses as a person and a leader, and not on the leadership that Mr. Gore brought with his tremendous experience, especially as the second in command for eight years. However, Mr. Gore never really did successfully brand himself in the minds of Americans, and there was the perception that he was all things to all people. By branding himself as a leader who was for the people, not the powerful, he relied on an old democratic branding strategy that fell flat with the voters. This turned out to be a failed brand strategy. 7. George W. Bush: "A Safer World" (2004): As with Clinton in 1996, Mr. Bush had the difficult task of re-positioning his brand in 2004 from bringing character and high morals to a post-impeachment White House in 2000 to a leader who claimed to be tested after 9/11. Bush tried to use his successful response to the terrorist attacks on

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the twin towers in New York as the basis for his claim that he would make the world a safer place for all Americans. The strategy worked and he won re-election. 8. John Kerry: "Respect in the World" for the U.S. (2004): Unfortunately for Mr. Kerry, he struggled to define his brand during the last presidential campaign. He chose to fight Mr. Bush on the very issue that voters respected him for, and that was the perception that he would be a safe, secure choice in a world full of surprises. Mr. Kerry tried to use his experience as a Vietnam war hero as the backdrop for this strategy only to find the Republicans more clever at defining his brand in the minds of voters. The Republicans found men who served with Kerry in Vietnam who were willing to make commercials suggesting that Mr. Kerry lied about his war background. The counter-claims about Kerry by the Bush people were successful, and Mr. Kerry lost the election. It is imperative that leaders understand the fact that every election is a reaction to the previous one, and having the good fortune of being the right person at the right time in history can spell the difference between success and failure of a politician or political party. For example, many analysts have pointed out that George W. Bush branded his presidency because of the attacks on the World Trade Centers in September, 2001. Without that attack, the consensus in the U.S. was that George W. Bush would not have been as successful as he was immediately following the bombing. Of course, it is now old news that Mr. Bush has relied too heavily on that same theme to define his brand in the world, and has lost popularity because of his actions in Iraq. This brings to mind the importance of understanding the role of positioning in politics, and the necessity of re-positioning a brand if it fails to drive public opinion in the desired direction of a leader.

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Branding and Positioning

Change is the most important issue that every candidate has to campaign on because it represents the future. Several of the last presidential elections since Jimmy Carter took office in 1976 can be characterized by the importance of positioning a politician as the agent of change for the people. In 1976, the U.S. was still hurting emotionally from the Watergate scandal that pushed Richard Nixon out of office. Promising to bring with a higher set of moral standards, Jimmy Carter beat Gerald Ford (who replaced Richard Nixon after he was impeached) on a platform of change. In 1980, Ronald Reagan promised the American people change again, only this time the manufactured image of change centered on the unsuccessful bid to release the American hostages held in Iran. Jimmy Carter paid dearly for not attaining the release of the hostages for over one year. Ronald Reagan won office and immediately secured the release of the

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hostages. Once again, change was the theme behind the positioning strategy of a presidential candidate. In 1992, Bill Clinton again relied on the same strategy to beat George H. Bush who was riddled with an economy just coming out of recession. Clinton promised to make changes on the economic front. Then in 2000, George W. Bush relied on change again with his promise to bring integrity back to the White House after Bill Clinton was impeached. Positioning strategies are intimately tied into the brand identity of a leader (Schweiger and Adami 1999). Once a politician, or political party for that matter, is branded, it becomes very difficult to alter that public persona. For example, Reagan was always pegged as a disengaged leader. Reagan was viewed as someone who delegated many of his leadership duties to his underlings, and was even caught napping at meetings in the White House. The picture of a president taking a "cat-nap" cemented the image of him as not on top of issues. When Michael Dukakis ran unsuccessfully against George H. Bush in 1988, he was seen in a commercial donning a helmet and riding in tank in one media event. The lasting image of his brand was equated with "wimpy" behavior, an American slang term for weakness. Bill Clinton was always viewed as slick, Robert Dole (who ran against Clinton in 1996 for the presidency) as nasty and most recently, John Kerry was effectively labeled as a "flip-flopper." The branded image of Kerry as a flip-flopper was the result of a very successful advertising campaign directed by strategists working for Bush. Positioning a defined brand of a politician or political party is a very difficult process when compared to a product or service. The image of politicians is constantly being redefined by situations that take place unexpectedly, as well as by opinion leaders who are in the news around the world. This raises the importance of relying on a strategy that is consistent over time and centered on a few key themes. However, the positioning of a brand in the commercial marketplace is much easier as it is under the control of the company that is creating the promotional strategy. Companies have to re-position as new competition enters the marketplace, but the intensity and frequency of uncontrollable events is much more scarce than it is in the political marketplace. Positioning a politician is a slow process at first as voters become familiar with a face (if it is a politician) or a message that is repeated over and over again if it is a political party. As the media continues to intensify its presence in the homes of citizens around the world over television and the internet, citizens become more familiar with the branded identities of politicians. Political branding is all about effectively positioning the ideas of political leaders in a concise and easily digestible manner. It is interesting that the electoral system in most democracies around the world were originally set up to give candidates the opportunity to let voters know who they are and what they stand for during the course of a campaign. However, an interesting twist has taken place in politics today. Through the use of scientific polling, candidates now use marketing research to do just the opposite, which is to find out who the voters are and what they want the candidates to stand for. Positioning political leaders essentially

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revolves around taking this information and using it to help campaign strategists to define the political brand in a consistent manner with the research results.

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Image and Branding

In recent U.S. presidential elections, most of the winning candidates (including George W. Bush and his father, Bill Clinton, Ronald Reagan, Jimmy Carter and Gerald Ford) have all worn cowboy boots. This could just be a coincidence, or it could be a natural selection process as a nation looks for a leader that embodies the "right" qualities. It could also be a strategic endeavor on the part of image consultants who are trying to manufacture an image of a rugged "John Wayne" like hero figure who they think will sell in the political marketplace. The fact is that it is probably a combination of all of the above. Perhaps most important to the image of a politician is how he comes across in public when speaking to a crowd or responding to questions from journalists. For example, a smile from a politician can communicate a sense of ease about how that person feels about himself. Hesitation, making fast and jerky motions or even looking down when speaking can communicate a leader's fear. The worst reaction a politician can exhibit is freezing when confronted in public with a difficult situation. Similar to primates, humans spend a good deal of their time looking at dominant role figures and scrutinizing their behavior patterns. As a result, a key challenge to political leaders lies in their ability to make a good impression as citizens are watching them.

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Key Similarities and Differences between Branding a Politician and a Product

There are six key dimensions that can be used to differentiate the branding of a politician and a service provider in the commercial marketplace (Newman 1988). 1. First of all, the politician is faced by situations that are both controllable and uncontrollable. As opposed to other service providers like doctors or lawyers, politicians must react constantly to forces within the environment which are difficult to control. This makes the management of a brand very difficult for the

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politician who is trying to present a consistent image to the public. With the large number of uncontrolled events that enter into the political limelight on a daily basis from around the world, it is not easy for a politician to be able to act instantaneously to events. Political strategies and advisors work with world leaders to help coach them on how to respond to unknown situations. This task is even more difficult for a political party that seeks to maintain a historical identity and image that is consistent with the expectations of voters who may have supported the party for many years. 2. A second dimension which sets politicians apart from other service providers is the dual roles played by politicians as both a campaigner and policy-maker. As a campaigner, the politician is in the business of trying to win enough votes to get put into office. The critical point to be made here is that the range of activities and resultant strategies very much depend on the role which the politician is playing. First of all, a politician must get elected to office to be in a position to lead. The activities that lead up to and include electoral strategies call for specific characteristics and traits that must be emphasized when selling the brand to the public. However, once a politician is elected, the role changes from candidate to leader, and the leader must then rely on the use of branding to run a permanent campaign. The advent of 24 hour news cycles has made the job of leading a country very much reliant on political marketing machinery that is used to manage the brand identity of both the politician and party at large. This may be the result of attacks from competition that are directed at both a personal level or a more general level towards the party. In the U.S., legislation is often marketed by political parties attacking the philosophy and ethics of a party in order to alter public opinion. Polling becomes a very important tool for the successful marketing of a political brand once the leader is in office. 3. The third distinction lies with the type and level of communication used by the politician and his organization. Unlike other service providers, politicians rarely can meet in person with all of their customers (or electorate), and instead must rely on the use of mass media communications, public appearances and direct mail procedures to make contact with their constituencies. You rarely see service providers or even CEOs of corporations in head-to-head televised debates on who provides better service. At the same time, political leaders have almost unlimited access to the media on a daily basis through the coverage of their activities while in office. The internet is becoming a very important promotional tool to influence brand perceptions and images by political operatives communicating directly with opinion leaders in the media through email. This is a very effective channel to disseminate information from politicians to journalists who will then serve in the role as opinion leaders by interpreting and re-sending the information to the rest of the citizens.

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4. Marketers work very hard at shaping the expectations of their customers. Expectations of customers are often influenced by the gaps in thinking that exist between their own perceptions and those of the service provider. The gaps that exist for a politician may be very wide because of the competitive nature of this marketplace. Hence, the politician must rely on sophisticated political marketing methods to respond to those gaps. This usually begins with a steady flow of information that is collected through polling and marketing research to determine what the mindset is of the citizens/voters of interest to the politician. Next, the politician must determine which channels and media venues are the best avenues through which to communicate to the people. In the U.S., a president has the opportunity to hold a presidential news conference, or even a prime time speech that is usually carried by the main television outlets. 5. There are, however, two glaring differences between marketing and politics. First of all, there are differences of philosophy. In business, the goal is to make a profit, whereas in politics, it is the successful operation of democracy (at least in the United States). Winning in politics is sometimes based on a few percentage points, whereas in business, the difference between winning and losing is based on huge variations. The difference outlined here applies to both electoral campaigns as well as permanent campaigns. During an election, the difference between winning and losing may boil down to one or two percentage points, as was witnessed during the 2000 presidential campaign between Bush and Gore. At the same time, the percentage of people who agree or disagree with a pollster may spell the difference between successfully passing legislation advocated by a leader or having to pull back from the policy because of the lack of support for an issue. One could certainly argue that the presence of a U.S. force in Iraq continues to hinge on the public support of that policy. Without continued support for the U.S. presence in Iraq and the possibility of an invasion into another country, leaders in the U.S. will have to seriously re-think their geo-political strategy. 6. Secondly, the implementation of marketing research results in business is often followed, whereas in politics, the candidate's or political party’s own political philosophy can shape the extent to which it is followed. This is a very important distinction, and one that really separates the strategies behind branding in the commercial and political marketplaces. Marketing research results in the commercial marketplace provide a strategic template for an executive to follow to insure the successful marketing of a product or service. This is usually the result of extensive research, both qualitative in the form of focus groups and quantitative in the form of surveys and panel studies. Companies routinely acquire information on their own products and competitors’ products and services. In politics, the same holds true, with politicians collecting a wide variety of information on their supporters as well as the supporters of their opponents. The big difference, however, lies with the decision to implement the conclusions of the information collected. A poll result may suggest to a leader that there is wide support for a

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particular policy or issue, but ideological pre-dispositions of a leader may prevent him/her from following up on the policy, even though it may be very popular with the public. The opposite also holds true, with political leaders making difficult decisions without the publics’ support. Both the tenure and popularity of a politician and political party are very important situational influences that may serve to push a leader in one direction or another. Successful branding in the political marketplace must be based on the similarities and distinctions identified above.

7

Political Branding and Relationship Marketing

The political marketplace is an area where relationship marketing advances can be used by campaign strategists to reinforce the successful branding of a politician or political party (Johansen 2006). This is an area that has been studied on the commercial side in a serious way for over a decade. The successful politician must be able to respond to the perceived brand identity that citizens have of both him/her and the political party that the person belongs to. In relationship marketing, the analysis of a market goes a step beyond the exchange process. There are four areas where one can begin to compare the political and commercial marketplaces from a relationship marketing perspective: 1. First, exchange serves as a focal event between two or more parties. In the case of politics, the exchange becomes much more complicated. There are the citizens, politicians, political parties, sitting government, interest groups, the media, and other organizations that seek to drive public opinion. It is not simply an exchange between buyer and seller. 2. Exchange provides an important frame of reference for identifying the social network of individuals and institutions that participate in its formation and execution. The network of individuals and institutions that participate in the political process will very much depend on the democracy in question. This will in all likelihood include the groups identified in number 1 above. 3. It affords the opportunity to examine the domain of objects or psychic entities that get transferred. The transfer in the political marketplace varies depending on whether it is a campaign or a politician in power that is in the process of governing. During a campaign, the domain is restricted to the casting of a ballot in exchange for a service provided by the leaders in power. Once a politician(s) is in power, polling is conducted to decipher how effective the transfer is between the

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Branding and Political Marketing in the United States

government and citizens. A positive poll result will be indicative of a government in power that is delivering on their promises made during a campaign. 4. Finally, relationship marketing allows for the careful study of antecedent conditions and processes in the buyer-seller exchange. Once again, the point needs to be made that the entities studied will include more than just buyers and sellers. The antecedent conditions may very well go beyond the scope of a marketplace and include people and organizations that can have an impact on a democracy from around the world. Relationship marketing is the evolution of different forms of communication. It crosses the previous boundaries between general advertising, sales promotion, direct marketing and public relations, and adds the purpose of building a long term connection between the company and the consumer. In politics, the internet has become a very critical tool by which politicians work to keep an established relationship between themselves and other important players in the political marketplace (including at a minimum the voters, interest groups and the media). The internet has also served as a very important communication vehicle through which the politician can attract both volunteers and money to support the policies and issues that are being advocated. Building and managing a successful brand identity in the political marketplace becomes an important part of helping to maintain the relationship between the politician and all other significant parties. Relationship marketing offers benefits to those political players who are dissatisfied with the traditional approaches of making connections with voters/citizens through more traditional outlets. Additionally, there are several technological advances which have made the benefits of relationship marketing an attractive alternative to political marketers. There are several reasons for the use of relationship marketing which point to the need for a new approach to building customer loyalty. First of all, there is the decline of the more traditional ways of promoting. Secondly, there are technological innovations which make it more reasonable for companies to have a more direct relationship with their customers. Advances on the political side have made it possible for politicians to keep closer track of public opinion as well as to track the impact that a political events have on the media as they report the news to citizens of a country. Political branding becomes the key way in which politicians are able to insure that their image is consistently and accurately reported in the news. Several benefits come from the use of a relationship marketing paradigm in politics. First of all, from the consumer's perspective, the most significant benefit is the assurance of uninterrupted services. For the politician, this means the attention paid to a permanent campaign that seeks to maintain a relationship with citizens as a political party all the time. Politicians come and go as time goes on, so the imperative to the political party is to insure that the communication with citizens does not die out with a

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popular politician whose brand may be strong enough to even elevate a political party to new heights in the mind of the citizenry. Second, a long term relationship will enable clients to obtain higher quality services. From the citizen's point of view, the political party must be branded in a way that convinces them that regardless of the individual brand being marketed in any particular campaign, they will always know that the services offered to them will be consistently maintained. Third, the provider is able to communicate a more realistic expectation about the range of products or services being sold. This is also true for a political party that seeks to identify itself with a unique platform that allows it to differentiate itself from political opponents. Finally, this approach enhances profitability by reducing marketing costs and by increasing orders. From the political perspective, maintaining a strong loyal party following eliminates the need for a whole new promotional campaign every time there are national elections. In other words, the use of relationship marketing allows a political party to use its brand identity to connect the individual personalities that represent it at any one point in time.

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Conclusion

The big difference between branding a product and branding a politician or a political party lies with the fact that strategy development, and especially advertising on the political side is so sharply focused on generating success on election day. Of course, this change as a politician continues to use the same branding strategies after they enter office. In effect, it is similar to the product marketers who stay focused on Christmas and other big shopping days during the year. The real downfall of political branding lies in the challenge to the strategists, and that is the communication of a positive emotion that connects the voter/citizen to the brand identity of the politician. Without the benefit of the more sophisticated promotional tools used by commercial advertisers, it becomes difficult for political branders to effectively carry out their duties, which primarily include strengthening their brand by bringing out those qualities that make each politician or political party unique and instantly recognizable. One of the most important distinctions between commercial and political branding lies in the immediacy of the news and the ability to make your brand relevant to the citizenry at the moment news is breaking, especially if it is close to election day. This emphasis on speed and instantaneous response to events makes the internet an increasingly more important tool in managing the brand identity of politicians. This is also forcing political strategists to move towards reliance on panels of voters/citizens to get feedback from as opposed to focus groups. There simply is not time for a

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political strategist to carry out full blown focus groups in the midst of a flurry of news events that are moving on a daily basis, especially towards the end of a campaign. The brand identity of a politician is becoming the most effective way that politicians can give voters an opportunity to pick up information about their candidate by an electorate that may not be as interested as they are in buying a car, but yet still feel motivated and obliged to cast a ballot on the basis of some information. Just as companies like McDonalds have created a brand identity around the golden arches, so do political marketers have to find some value that they can use to define their branded politician in a way that sets him/her apart from the competition. In so doing this, a candidate's strengths are emphasized and an opponent's weaknesses are highlighted. Another difference between commercial and political branding lies in the difficulty of strategists to rely on "niche" promotional strategies to target highly defined segments of voters/citizens. The risk of being all things to all people is that the image of the politician as a strong leader is minimized by trying to appealing to everyone's whims and desires. On the commercial side, this is often possible through the use of clever distribution, pricing and product strategies that are used to market a product or service without destroying the overall image of a product. This is why commercial marketers, like automobile manufacturers, have different models that are sold under one umbrella (e.g. brand name) but are altered to accommodate different price points and distribution channels. The "new and improved" version of a myriad of products just won't work for a political brand where consistency is valued by all interested parties. This brings us to the difficulty of political marketers to rely on market segmentation strategies in the same way that commercial marketers do. Political marketers may be forced to rely on issues and policies to segment their market, while not tampering with the overall image that is portrayed by advertising that defines the political brand. Lifestyle and value segmentation that is so popular on the commercial side is just beginning to be used on the political side as branding strategies are developed for politicians. The further fragmentation of promotional outlets through the use of cable, satellite and other technologies gives political strategists the opportunity to fine-tune highly targeted messages, with local customized messages that do not compromise the overall brand image of the politician. In the future, we can expect advances in political marketing to open up more doors for political strategists to rely on similar technologies that are currently available and being used by commercial marketers. Ultimately, the successful political marketer will be able to leverage the brand equity of a politician or political party in the same way that commercial marketers do with their most successful brands (Schiffman and Kanuk, 2005).

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References

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Kulturbranding

Sigrid Bekmeier-Feuerhahn und Anke Trommershausen

Kulturbranding Lassen sich Kulturinstitutionen zu Marken aufbauen?

1

Die Kultur in der Krise: Neue Herausforderungen an Kulturinstitutionen ........... 215 1.1 Die Finanzmisere und das Staatsziel Kultur ..................................................... 215 1.2 Zwischen Kommerz und Innovation: Kulturmarketing .................................. 216 1.3 Die Anspruchsgruppen von Kultur: Who has a stake?.................................... 220

2

Grundlagen: Merkmale von Kulturgütern und der Einzug von Marketingstrategien in die Kulturszene...................................................................... 222 2.1 Die Kulturleistung und ihre Rezeption aus Sicht der Kulturkundschaft ...... 222 2.2 Nachfrager, Anbieter und Angebote von Kultur im Horizont der Markenbildung...................................................................................................... 224 2.2.1 Funktionen von Kulturmarken aus Sicht der Abnehmergruppen ..... 225 2.2.2 Funktionen von Kulturmarken aus Anbietersicht................................ 228

3

Kulturbranding und seine Determinanten ................................................................. 232 3.1 Basis Corporate Identity....................................................................................... 232 3.2 Markenarchitektur im Kulturmarkt ................................................................... 235

4

Fazit: Kulturmarken im Aufbau ................................................................................... 237

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Sigrid Bekmeier-Feuerhahn und Anke Trommershausen

Abstract

Defizitäre öffentliche Haushalte und eine in Deutschland zu beobachtende Privatisierungswelle nötigen Institutionen der darstellenden und bildenden Künste wie Theater, Opern-, Konzert-, Festspielhäuser, Volkshochschulen, Festivals, Museen und Galerien, in den allgemeinen Erlebniswettbewerb zu anderen Freizeitangeboten einzutreten. Sie müssen sich zunehmend mit der Notwendigkeit effizienten Wirtschaftens und mit Marketing beschäftigen. Es ergibt sich die Frage, wie Kulturinstitutionen unter den stark veränderten finanziellen, wettbewerbstechnischen und kommunikativen Bedingungen, unter denen sie agieren, die Existenz ihrer Organisation erhalten und die Erfüllung ihres Bildungsauftrages gewährleisten können. Die zentrale These dieses Beitrages lautet: Dies können sie vor allem erreichen, indem sie ihre Anspruchsgruppen, die Besucher, Sponsoren und Dritte-Sektor-Organisationen über eine starke Marke ansprechen. Doch wie sieht im Kulturbereich eine starke Marke aus? Der folgende Beitrag erörtert, was eine Marke – eine fundierte Corporate Identity (CI) vorausgesetzt – für die kulturelle Dienstleistung bedeutet, welche Funktionen und Grenzen sie besitzt, vor allem aber, unter welchen Bedingungen es möglich ist eine „Kulturmarke“ zu kreieren bzw. welche Merkmale, Strategien, Erfolgsrezepte jene Kulturinstitute etwa in Berlin, Hamburg, Salzburg und Kassel aufweisen, die faktisch bereits zu Kulturmarken geworden sind.

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Kulturbranding

1

Die Kultur in der Krise: Neue Herausforderungen an Kulturinstitutionen

1.1

Die Finanzmisere und das Staatsziel Kultur

„Gäbe es einen Pisa-Test für Kultur, dann gehörte die Bundesrepublik Deutschland zweifellos zur Spitzengruppe“ (Merkel 2005, S. 1). So selbstsicher und stolz gibt sich die Bundeskanzlerin bezüglich der kulturellen Versorgung in Deutschland. Dieses Zitat muss erstaunen, denn zu oft wird der Eindruck erweckt, dass die Vorstellung des Landes der Dichter und Denker längst vergangenen Zeiten angehört. Nicht nur in ländlichen Gegenden kämpfen Stadttheater um ihr Überleben, auch Städte wie Frankfurt, München und Hamburg stehen bei der Frage, wie Kultur heute noch ermöglicht werden kann, vor neuen Herausforderungen. Schlagzeilen wie „Kulturfinanzierung in Deutschland vor dem Kollaps“49 oder „Frankfurt packt lautlos die Kultur ein“50 trüben das von Angela Merkel angesprochene Bild von blühenden kulturellen Landschaften nicht unwesentlich. Nicht umsonst wird vom Deutschen Kulturrat gefordert, das „Staatsziel Kultur“ in das Grundgesetz aufzunehmen (vgl. Müller 2005). Die Angst, im Pisa-Test für Kultur auf einen ähnlich mediokren Platz wie in der Bildungsarena zu fallen, ist keineswegs unbegründet, denn „sieht man sich die Situation der staatlichen Kulturfinanzierung in Deutschland an, ist festzustellen, dass die dramatische Situation der öffentlichen Haushalte nicht ohne Auswirkungen geblieben ist“ (Gerhardt 2005, S. 4).51 Von der finanziellen Krise betroffen sind daher vor allem die Kulturinstitutionen, die von der öffentlichen Hand (Bund, Länder und Kommunen) finanziert werden. Dabei ist herauszustellen, dass dabei in Deutschland hauptsächlich Länder und Kommunen von der Finanzmisere betroffen sind, da Kultur ausdrücklich „Ländersache“ ist (vgl. GG Art. 30). Das kulturell-politische Paradoxon liegt darin, dass auf der einen Seite Kulturpolitik zunehmend zu Mangelverwaltung mutiert, während sich auf der anderen Seite die Erwartungen an die Kultur in einer globalisierten, komplexen Welt steigern, nach der Devise: Die Kultur muss es richten und dem Einzelnen Orientierung, Identität sowie

49 50 51

Kulturportal (o.J.). Deutscher Kulturrat (2004). Dennoch ist hier anzumerken, dass Deutschland mit einer Subventionssumme von über 8 Milliarden Euro pro Jahr weltweit zu den Ländern gehört, die am meisten Geld für die Kulturförderung bereitstellen (vgl. Mandel 2005, S. 14). In Österreich betrugen nach der Systematisierung der LIKUS-Kategorien die Ausgaben für Kultur von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahr 2002 1,9 Milliarden Euro. (http://www.statistik.at/jahrbuch_2005/pdf/k06.pdf, abgerufen am 09.05.2006).

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Zusammenhalt und Sinn in einer sich stetig fragmentierenden Welt garantieren. „Kultur wird zum Zufluchtsort einer an sich zweifelnden Gesellschaft“ (Schmidt 2005). Wenn bei den Ländern der Rotstift angesetzt wird, so bedeutet das Existenzbedrohung für Stadttheater und vor allem Stadtbüchereien, denn „[…] in vielen Museen, Bibliotheken und Archiven macht der Anteil aus öffentlichen Mitteln mehr als 95% aus; in den meisten Stadttheatern reicht er an 85% heran.“ (Heinrichs 1997, S. 209). Der kulturelle Föderalismus beschert daher vielen Institutionen einen Überlebenskampf, in dem sich immer öfter die Frage stellt, wie die finanziellen Defizite ausgeglichen werden können. Bei der Beantwortung dieser Frage „hat sich in den letzten Jahren in der Praxis eine Reihe von neuen Wegen eröffnet, um die für die Aufrechterhaltung des Kulturbetriebes notwendigen Mittel auf andere, meist ergänzende Weise einzuwerben“ (Heinze 1999, S. 17). Eine klassische Alternative ist das Public Private Partnership (PPP), bei dem sowohl die öffentliche Hand als auch ein privatwirtschaftlicher Kooperationspartner in langfristigen Projekten, z.B. in Form einer Stiftung, gemeinsam kulturelle Projekte ermöglichen. Als Beispiel sei hier der Kunstpalast Düsseldorf genannt, ein Public Private Partnership zwischen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und der e-on AG. Auch die Freie und Hansestadt Hamburg reagierte auf das finanzielle Dilemma des Kulturhaushaltes. Hier wurden alle sieben Museen der Stadt in eine Stiftung öffentlichen Rechts umgewandelt, wobei die Freie und Hansestadt Hamburg weiterhin Eigentümer der Räumlichkeiten und Grundstücke ist. Die Institutionen wirtschaften jedoch auf eigene Rechnung und werden nur in sehr begrenzter Form vom Stadtstaat mitfinanziert. Kulturinstitutionen, die sich sowohl in ihren Statuten als auch mit ihren Finanzen von der sie immer weniger nährenden öffentlichen Hand lösen, benötigen, um weiterhin überlebensfähig zu bleiben, neue Strategien.

1.2

Zwischen Kommerz und Innovation: Kulturmarketing

Ziel dieser Strategien ist vor allem die Akquise alternativer Gelder, um die kulturelle Grundversorgung zu gewährleisten. Obwohl bei den Organisationsformen des Nonprofit-Bereichs nicht von Gewinn im eigentlichen Sinne gesprochen werden kann, werden doch auch für sie die Marktbearbeitungsstrategien (Marketing) und Kommunikationsstrategien (Public Relations und Werbung) zunehmend wichtiger. Es ist eine Gratwanderung, nicht die Sparte der Populärkultur mit Eventcharakter in der Spaßgesellschaft zu bedienen, sondern jenseits von Musicals und Operetten die Hochkultur auf innovative und moderne Art und Weise wieder gesellschafts- und vor allem überlebensfähig zu machen. Eine Notwendigkeit, die sich vor allem in dem Trend zeigt, dass es derzeit mehr eine „Kultur für Alte“ gibt, als die „Kultur für alle“

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Kulturbranding

(Schmidt 2005). Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit in der Freizeit- und Spaßgesellschaft kann nicht fernab des Trends einer zunehmenden Kommerzialisierung und Popularisierung von Kultur gesehen werden, in der das Bedürfnis nach Kulturerlebnissen ständig wächst. „[Deshalb] […] wird [es] wichtig für Kulturbetriebe, ihre Chancen und Potenziale zu definieren, um das Überleben bei gleichbleibenden Produktionsmöglichkeiten bzw. Leistungsangeboten zu sichern“ (Feld und MüllerHagedorn 2000, S. 29). Um dies umzusetzen, ist nach neuen Strategien zu suchen, die sich den Herausforderungen der aktuellen Eventkultur stellen, ohne allzu sehr in die Niederungen der populären Kulturindustrie52 abzurutschen. Um private und privatwirtschaftliche Geldgeber zu akquirieren, gewinnen Marketingstrategien, eine stärkere Serviceorientierung und die Steigerung der Eigeneinnahmen – z.B. über eine eingängige Markierung des kulturellen Angebots – an Bedeutung (vgl. Grosz und Delhaes 1999, S. 115). Doch stößt die Implementierung von Marketingstrategien gerade in Deutschland, wo die kulturelle Grundversorgung stets vom Staat finanziert wurde, auf starke Kritik und spürbaren Widerstand. Oft wird zudem eine zu einfache Adaption des klassischen Marketings vorgenommen – mit dem Ergebnis eines nicht recht überzeugenden Kunst- und Kulturmarketings. Das Überstülpen von klassischen Marketingstrategien stößt schnell auf begriffliche, inhaltliche und auch taktische Grenzen. Kultur ist nach Definition des Kulturrates kein Konsumgut im klassischen Sinne, sondern „Daseinsvorsorge“ (Deutscher Kulturrat 2004) und „Lebensgrundlage“ (Merkel 2005, S. 2). Die wesentlichen Einwände53 kreisen um das Spannungsfeld, kulturelle Angebote mit den insbesondere monetären Gesetzen der Marktwirtschaft in Einklang zu bringen. So ist häufig zu hören und zu lesen, dass, übertrüge man das klassische Konzept des Konsumgütermarketings auf eine kulturelle Dienstleistung, die Gefahr bestehe, durch aggressive Werbemaßnahmen negative Imageeffekte hervorzurufen, da eine zu starke Nähe zum kommerziellen Bereich assoziiert würde. Was als Werbekampagne für einen Hollywood-Blockbuster gut ist, muss nicht zwingend für ein Theaterstück in einem Kellertheater gelten. Hier ist es also notwendig, kulturspezifische Anpassungen vorzunehmen.54 Neben prominenten Kritiken am Einsatz von Werbung im kulturellen Bereich gibt es auch Ressentiments gegen eine zu ökonomische, zu marktorientierte Herangehensweise an dieses sensible Feld. Es sei zu befürchten, dass mit der Anwendung des Marketinginstrumentariums kulturelle Projekte zu sehr unter das „Diktat der Gewinnmaximierung“ geraten, zu Lasten der künstlerischen Qualität (vgl. Kolb 2000, S. 66). Auch Heinrichs (1993) diagnostiziert eine Ablehnung von Kultur52

Der Begriff ist hier im kulturkritischen Sinne der Frankfurter Schule zu verstehen. Vgl. genauer Adorno und Horkheimer 1997. 53 Die terminologischen Einwände sind hier als nachgeordnet zu sehen, vgl. hierzu genauer Feld und Müller-Hagedorn 2000, S. 32. 54 Gewarnt wird vor Steuerungsrisiken, v.a. auch im Bereich des Beschaffungsmarketings, wenn z.B. Sponsoren versuchen, ihre Interessen in das Zielsystem der Institution mit einzubringen. Vgl. Feld und Müller-Hagedorn 2000, S. 34.

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institutionen gegenüber dem Marketinggedanken, der sich zwar bis in die Gegenwart gehalten habe, jedoch erstaune, da es vor dem Hintergrund der oben skizzierten Rahmenbedingungen nun einmal neuer Handlungsstrategien bedürfe. Somit seien die Ziele des Marketings in den Augen der Kritiker von heute immer noch:

„ […] den Widerstand eines Konsumenten gegen den Kauf eines Produktes zu brechen,

die Kunden dazu zu bewegen, mehr zu kaufen, als sie eigentlich wollten, und mit fast allen nur möglichen Mitteln sehr hoch gesteckte Planabsatzzahlen zu erreichen“ (Heinrichs 1993, S. 175). Diese Statements sind selbstverständlich überzogen, aber die zugrunde liegende Sichtweise wirkt inzwischen, gemessen an den Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte, eher veraltet. Lässt man die immer vorhandenen „schwarzen Schafe“ außer Betracht, so muss das aktuelle Marketing weitaus differenzierter betrachtet – und ggf. kritisiert werden. Auch Heinrichs weist nach, dass es das Kunstmarketing seit jeher gab. Man brauche sich nur die großen Summen, die für Kunstwerke ausgegeben wurden, zu betrachten, dann werde klar, dass zwischen Künstler und Käufer Informationen ausgetauscht, Bedürfnisse erfragt und befriedigt werden (vgl. Heinrichs 1993, S. 173). Daher ist der kritischen Seite bezüglich des Kulturmarketings die offene Herangehensweise und vor allem die bereits in einigen Kulturbetrieben vorzufindende Praxis des Kulturmarketings gegenüber zu stellen. Die besonderen Gegebenheiten im Kulturbereich legen es nahe, sich am kulturellen Produkt, beziehungsweise der kulturellen Dienstleistung zu orientieren. Die künstlerische Idee muss es sein, die ein Marketingkonzept bestimmt, nicht umgekehrt. Es kann auf keinen Fall darum gehen, ein marktgerechtes Kulturprodukt zu kreieren (im Sinne eines Ausverkaufs der Kultur). Der Auftrag lautet, vor allem gesellschaftspolitische, ästhetische und nicht zuletzt den Bildungsauftrag berücksichtigende Ziele zu erreichen. Dabei steht nicht zuletzt die kreative Freiheit und Intention des Künstlers im Mittelpunkt, weniger die Frage der Absetzbarkeit dieser Dienstleistung. In Deutschland handelt es sich, wo die kulturelle Versorgung noch relativ gut ist, im Kulturbereich um einen „Käufermarkt“, auf dem das Angebot an kulturellen Dienstleistungen relativ hoch, die Nachfrage jedoch relativ gering ist. Dies ist besonders deutlich daran zu sehen, dass zu den regelmäßigen Konsumenten von (Hoch-) Kulturangeboten nur 10 Prozent der Bevölkerung, und hier auch nur diejenigen mit hoher Bildung gehören (vgl. Mandel 2005, S. 12). Das ist zum Teil mit dem Wandel des Freizeitverhaltens und einem ihm zugrundeliegenden Wertewandel zu begründen. Die Hochkultur konkurriert mit den Angeboten der kommerziellen Events der Populärkultur um Aufmerksamkeit und Zeit.55

55

218

Vgl. hierzu genauer Schulze 2000 und Franck 1998.

Kulturbranding

Das Marketing im Kulturbereich ist als Dienstleistungsmarketing zu verstehen (vgl. Meffert und Bruhn 2003 u. Abschnitt 2.1). Im Kulturbereich steht dabei nicht die Gewinnmaximierung, sondern die Nutzenmaximierung im Vordergrund, d.h. die Mittel sind so einzusetzen, dass ein größtmöglicher gesellschaftlicher Nutzen erreicht wird. Mandel merkt kritisch an, dass dies in der Vergangenheit nicht ausreichend erkannt und deshalb auch nicht umgesetzt wurde, da „[…] die traditionelle Angebotsorientierung der öffentlichen Hand ungeachtet deren Nachfrage, […] zu einer Vernachlässigung der Nutzerorientierung führte. Der Kulturbetrieb mutierte an vielen Stellen zum Selbstzweck und zum unbeweglichen Apparat“ (Mandel 2005, S. 14f). Eine recht spezifische begriffliche Annäherung an die kulturelle Vermarktung liefert eine Definition von Klein (2001, S. 40): „Kultur-Marketing in öffentlichen Kulturbetrieben ist die Kunst, jene Marktsegmente bzw. Zielgruppen zu erreichen, die aussichtsreich für das Kulturprodukt interessiert werden können, indem die entsprechenden Austauscheigenschaften (z.B. Preis, Werbung, Vertrieb, Service usw.) dem künstlerischen Produkt bzw. der kulturellen Dienstleistung möglichst optimal angepasst werden, um dieses mit einer entsprechenden Zahl Nachfragern erfolgreich in Kontakt zu bringen und um die mit der allgemeinen Zielsetzung des Kulturbetriebs in Einklang stehenden Ziele zu erreichen.“ An anderer Stelle sagt Klein über das Kulturmarketing im Nonprofit-Bereich, dass seine Besonderheit gerade in der „Nichtanpassung des Produktes an den jeweiligen Publikumsgeschmack liegt“ (Klein 2002, S. 308). Ähnlich argumentiert Colbert (1999), der ein Marketingmodell für Kulturunternehmen entwirft, in dem die Komponenten des klassischen Marketingmodells zwar dieselben bleiben, allerdings in ihrer Anordnung transformiert werden, nämlich Produkt vor Markt (vgl. Colbert 1999, S. 17ff). Es wird deutlich, dass ungeachtet einer eher kritischen Haltung zum Kulturmarketing nicht nur ein Bedarf, sondern auch Modelle für ein kulturgerechtes Marketing bereits vorhanden sind, die es ermöglichen, unter Berücksichtigung der Spezifika der kulturellen Dienstleistung ein adaptiertes Marketingkonzept zu kreieren, ohne dabei allzu sehr in den Bereich des „rein Kommerziellen“ abzurutschen. Entschließt man sich zu dieser Gratwanderung, so besteht der erste Schritt darin, die relevanten Zielgruppen des jeweiligen Kulturanbieters zu identifizieren, um die bestmöglichen Voraussetzungen für den Einsatz der vorhandenen Mittel, Maßnahmen und Instrumente zu erlangen.

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1.3

Die Anspruchsgruppen von Kultur: Who has a stake?

Beim Stakeholder-Ansatz geht es darum, die Beziehungen zwischen einer Kulturorganisation und ihrer Umwelt zu analysieren, um diese Beziehungen darauf aufbauend zu optimieren (vgl. Figge und Schaltegger 1999, S. 11). Freeman (1984, S. 46) definiert einen Stakeholder wie folgt: “A stakeholder in an organization is (by definition) any group or individual who can affect or is affected by the achievement of the organization’s objectives.” Geht es in erwerbswirtschaftlich orientierten Unternehmen vornehmlich darum, die Interessen der Stakeholder zu berücksichtigen, um die Legitimation für ihr wirtschaftliches Handeln zu erlangen und zu sichern, so nehmen in NPO’s die Anspruchsgruppen insofern einen anderen Stellenwert ein, als ihre Zufriedenheit sich nicht primär über die Realisierung eines hohen Gewinns oder positiven Images gegenüber einer stets kritischer werdenden Öffentlichkeit herstellt, sondern dass NPO’s das Entstehen von Goodwill sowie die emotionale Bindung an die Organisation als ihren originären Zweck betrachten, um ihre Stakeholder für ihre kulturellen Werte zu gewinnen. Die Anspruchsgruppen von NPO’s – und hier speziell von Kulturinstitutionen – werden im Folgenden kurz klassifiziert. Es geht um Sponsoren, Mitarbeiter, Besucher und eine weitere wichtige Anspruchsgruppe, nämlich die Medien als Meinungsführer. Kotler und Andreasen (1996, S. 81ff) schlagen eine funktionelle Klassifikation vor. Sie unterscheiden zwischen Inputgruppen (Förderer, Lieferanten, regulierende Organe), internen Gruppen innerhalb der Organisation, Vermittlergruppen und Abnehmergruppen (Publikum/Klienten, allgemeine Interessenten). Ob nun als echtes Sponsoring oder in Form einer Spende ist die Anspruchsgruppe der Sponsoren und Förderer, vor allem bei teilprivatisierten Kulturinstitutionen, die wichtigste, da hier die Finanzierung der kulturellen Dienstleistung gesichert wird. Diese Gruppe stellt der Institution Ressourcen zur Verfügung, die als Grundlage für die Aufgabenerfüllung, d.h. Erfüllung des kulturellen Auftrags, zu erachten sind. Auch die Mitarbeiter zählen zu den maßgeblichen Anspruchsgruppen des Marketings in Kulturinstitutionen. Hierbei ist hervorzuheben, dass innovative Marketing- oder Kommunikationsansätze – ähnlich wie die Identität einer Marke (vgl. Abschnitt 2.2.2) – von innen her getragen werden müssen. Sie sind zur internen Gruppe der Organisation zu rechnen und deshalb besonders wichtig, weil sie die Realisatoren der kulturellen Dienstleistung sind. Das Selbstverständnis im Sinne der Identifikation und die Kenntnis der gesetzten Marketingziele müssen auch und vor allem hier verankert werden, um die Aufgabenstellung erfolgreich erfüllen zu können (Top-down – Bottom-up-Prinzip).

220

Kulturbranding

Der Anspruchsgruppe der Besucher kommt eine zunehmend wichtige Rolle hinsichtlich der Marketingaktivitäten von Kulturinstitutionen zu. Der Besucher als zentrale Figur des „Absatzmarktes“, der vor dem Hintergrund eines stets komplexer werdenden Freizeit- und Erlebnismarktes aus einer Fülle von Events und Angeboten wählen kann, wird zur schwer umkämpften Erfolgsgröße.56 Kotler und Andreasen unterscheiden nach „Publikum und Klienten“ und „allgemeinen Interessenten“. Zu der Untergruppe „Publikum und Klienten“ gehören die Besucher, die aktiv und bewusst an der erstellten Leistung teilnehmen, während sich die „allgemeinen Interessenten“ nicht in direkter Wechselbeziehung zur anbietenden Institution befinden. Ihr ordnen sie die Medien zu, die einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung nehmen. Die Fokussierung auf Besucherzahlen ist zumindest im Nonprofit-Bereich nicht nur unter finanziellen Gesichtspunkten zu sehen. Mit dem Verkauf von Eintrittskarten, d.h. aus eigener Kraft zur Kostendeckung oder gar in die Gewinnzone zu gelangen, wird nur wenigen Institutionen vergönnt sein. Die wichtigste Funktion von „Kundenbindungsstrategien“, d.h. Versuchen, Stammbesucher in größerer Zahl zu gewinnen, liegt darin, bei den wesentlichen, vor allem den öffentlichen Geldgebern, für die notwendige Selbstlegitimation zu sorgen. „Ohne einen bestimmten Prozentsatz an Stammbesuchern wird es keinem Theater, keinem Museum, keiner Musikschule auf Dauer gelingen, sorgenfrei die eigene Bestandssicherung zu gewährleisten“ (Klein 2002, S. 16). Auf der Mikroebene gibt es eine starke Überschneidung zwischen den einzelnen Anspruchsgruppen. So kann ein und dieselbe Person Förderer, Mitarbeiter oder auch Besucher von Theater, Museum oder Musikclub sein. Außerdem gestatten es die immer leichteren und schnelleren Möglichkeiten der Informationsbeschaffung den Mitgliedern der Anspruchsgruppen, die einzelnen Organisationen aus verschiedenen Perspektiven gleichzeitig zu erleben. Vor diesem Hintergrund ist es essenziell für die Kulturorganisation, dass sie ein konsistentes Bild über alle Medien und Anspruchsgruppen hinweg abgibt, damit sie in diesem Fluss von Informationen und Interessen noch in der gewünschten Richtung wahrgenommen wird.

56

Hier muss angemerkt werden, dass es Kritik daran gibt die Entwicklung der Besucherzahlen rein quantitativ zu verstehen. Denn gerade bei kulturellen Institutionen fällt ein seltener, dafür qualitativ hochwertiger Besuch ebenfalls ins Gewicht. Von Bismarck hierzu: „Jede Institution muss in Zukunft ein ganz spezifisches Programm erfinden, mit dem sie sich von anderen erkennbar unterscheidet, auch wenn das mit Risiko verbunden ist. Keiner kann mehr warten, bis das Publikum zu ihm ins Haus kommt, er muss mit seinem Angebot auf die Suche nach seinem Publikum gehen. Das kann auch heißen, dass es nicht mehr so groß ist wie früher.“ Vgl. von Bismarck zit. nach Schmidt 2005.

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Sigrid Bekmeier-Feuerhahn und Anke Trommershausen

2

Grundlagen: Merkmale von Kulturgütern und der Einzug von Marketingstrategien in die Kulturszene

2.1

Die Kulturleistung und ihre Rezeption aus Sicht der Kulturkundschaft

Um die Funktionsweisen sowie Chancen und Risiken einer strategischen Markenpolitik in der Kulturgüterbranche untersuchen zu können, ist nach den konstitutiven Produktmerkmalen von Kulturgütern zu fragen. Das Hauptmerkmal von Kulturgütern stellt u.E. ihr Dienstleistungscharakter dar. Denn das, was Kulturinstitutionen anbieten, entspricht exakt dem, was Dienstleistungen auszeichnet: 1. Die Kombination interner und externer Faktoren bei der Leistungserstellung impliziert, dass die Kundschaft unmittelbar am Prozess der Leistungserstellung beteiligt ist. Somit entscheiden in nicht unerheblichem Maße das subjektive Geschick und Können des Leistungsempfängers im Umgang mit der Dienstleistung sowie seine Geldmittel über deren Qualität. Bereits Bourdieu (1987) weist darauf hin, dass „Kulturkundschaft“ über genügend kulturelles Kapital verfügen muss, um die jeweils erworbene Kulturleistung auch erwartungsgemäß genießen zu können. 2. Aus dem Uno-Actu-Prinzip, d.h. in diesem Fall der Symbiose von Produktion und Rezeption, folgt, dass die Dienstleistung nicht lagerfähig ist und bei Unzufriedenheit des Rezipienten von ihm auch nicht umgetauscht oder zurückgegeben werden kann, weshalb Benkert, Lenders und Vermeulen (1995, S. 24) von dem so gennanten „prosumtiven Prozess“ sprechen. Zudem impliziert dieses Merkmal Standortgebundenheit, denn in der Regel ist die kulturelle Dienstleistung nicht transportierbar, so dass der Rezipient Zeit und Mühe aufwenden muss, um zu den Orten der Dienstleistungserstellung zu gelangen, seien es Theater, Opern, Konzerte oder Museen, seien es Volkshochschulen, Festivals oder Galerien. 3. Normalerweise richtet sich das Angebot von Kulturanbietern nicht auf den Verkauf bestimmter Sachleistungen. Das zentrale Dienstleistungsversprechen von Kulturanbietern zielt auf ungreifbare, immaterielle Leistungen wie geistiger Gewinn, Zuwachs an sozialer Kompetenz und Lebensqualität und – gerade in letzter Zeit besonders beachtet – Erlebniswirkung. So gehört nach einer repräsentativen Studie des Zentrums für Kulturforschung derzeit Entspannung und Unterhaltung zu den primären Motiven des Kulturbesuches (vgl. Keuchel 2005, S. 123). Ob

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Hochkultur oder Populärkultur, so beobachtet Hellmann (2005b, S. 227), dass sämtliche NPO’s im Kultursektor nun auch die Vermittlung besonders intensiver Erlebnisse in Aussicht stellen. Aus deren Immaterialität ergibt sich ein spezifisches Problem, nämlich, dass es für den Nachfrager schwierig ist die Leistung zu beurteilen. Alle drei Aspekte haben zur Folge, dass der Erwerb einer Kulturleistung mit besonders hohen Risiken behaftet ist. Um sie zu reduzieren, können Nachfrager von Kulturangeboten nicht auf relevante Sucheigenschaften zur Leistungsbewertung, also Beurteilungsinformationen, die man durch Wahrnehmung im Vorfeld aufnehmen kann (vgl. Kaas 1990, S. 440f), zurückgreifen. Das heißt: Sie können die Qualität, den persönlichen Nutzen oder die Preiswürdigkeit der angebotenen Kulturleistung allenfalls im Laufe der Nutzung wahrnehmen und bewerten (Erfahrungseigenschaft) oder überhaupt nicht adäquat bewerten (Vertrauenseigenschaft). Beispielsweise beinhalten originäre Aufgabenbereiche von Museen, wie das nachhaltige Bewahren, Erforschen und professionelle Ausstellen von Exponaten, in hohem Maße Vertrauenseigenschaften. Sie sind für den Besucher auch nach dem Besuch nicht oder nur teilweise zu bewerten. Diesem Informationsmangel kann dadurch begegnet werden, dass die schlecht informierte Marktseite, also die Nutzer von Kulturangeboten, u.a. durch aktive Selbstinformation (Screening) versuchen, zusätzliche Informationen zu gewinnen. In Frage kommen mittelbare Sucheigenschaften von Kulturangeboten, die bereits vor dem eigentlichen Besuch die Ungewissheit, die dem Dienstleistungsangebot naturgemäß anhaftet, mindern können. Zu nennen sind beispielsweise Erfahrungen aus dem Bekanntenkreis (siehe Weiterempfehlungsverhalten im Kulturbereich) oder auch Reputation, die ein Anbieter aktiv oder durch pure Dauer seiner Marktpräsenz aufbaut. Insbesondere bei Letzterem bemühen sich Kulturinstitutionen, welche die gut informierte Marktseite sind, die Qualität ihrer Leistungen glaubhaft zu kommunizieren, u.a. über Markenaufbau und weitere Signale (vgl. Siegert, 2005, S. 92). Marken sind eine Art Qualitätsversprechen, das dem Rezipienten hilft, Vertrauen zu entwickeln und ihm zudem größere Such- und Informationskosten erspart (vgl. Köhler 2004, S. 2773). Dies wird angesichts der Vermehrung des Freizeitangebotes und der damit verbundenen komplexen Auswahlsituation zunehmend wichtiger. Dann weichen nämlich, wie Siegert (2005, S. 92) auch für den Nonprofit-Bereich konstatiert, Rezipienten auf einfache Selektionsheuristiken und Schlüsselinformationen aus. Von daher liegt es nahe, dass auch Organisationen aus dem Kulturbereich sich mit Markenbildung befassen. Anfänge sind gemacht: Hellmann (2005a, S. 225) datiert den Einzug der aktiven Markenbildung in die Kulturszene auf Anfang der 1990er Jahre und betrachtet diese Entwicklung als konsequente Weiterentwicklung der Marketingorientierung von Kulturinstitutionen, die bereits seit den 1980er Jahren zu verzeichnen ist.

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Sigrid Bekmeier-Feuerhahn und Anke Trommershausen

2.2

Nachfrager, Anbieter und Angebote von Kultur im Horizont der Markenbildung

Mit Marken Informationen zu vermitteln, die sich nicht aus den unmarkierten Leistungen erschließen lassen, hat eine lange Tradition. Marke bedeutet etymologisch „Grenze zur Unterscheidung“, „Zeichen zur Erklärung“, „vortäuschen“, auch „so zu tun als ob“, schließlich: „das Kenntlichgemachte beachten“ (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 12; Bruhn 2004, S. 5ff). Heute wird zur näheren Bestimmung der Marke eine mehr wirkungsorientierte, nachfragerorientierte Perspektive bevorzugt (vgl. Köhler 2004, S. 2769). Marke wird verstanden als ein in der Psyche des Nachfragers verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einer mit einem Namen oder Zeichen versehenen Leistung oder Leistungsbündel (vgl. Esch 2005; Kapferer 2004; ähnlich Keller 2005; Meffert und Burmann 2002, S. 81). Den Prozess, wie aus der Anbieterperspektive ein solchermaßen profiliertes Markenbild beim Nachfrager aufgebaut wird, beschreibt das in jüngster Zeit an Bedeutung57 gewinnende „Branding“.58 Es legt den Fokus zum einen auf Maßnahmen zur Bildung einer klaren Identifikation der Marke (z.B. Bekanntheit, Wiedererkennung, Erinnerung), zum anderen auf Imagewirkungen im Sinne der Vermittlung eines glaubhaften Nutzenversprechens (vgl. Esch 2005, S. 178). Angesichts der aktuellen Entwicklung in der Kulturlandschaft (vgl. Abschnitt 1.1), die für viele Kulturinstitutionen erhebliche Einbrüche in ihren Ressourcenaufkommen bedeuten, sowie der zunehmend komplexer werdenden Austauschbeziehungen mit multiplen Anspruchsgruppen (vgl. Abschnitt 1.3), wächst das Interesse an Markenbildung auch im Bereich der Kulturanbieter. Nach Hellmann (2005a, S. 11) entscheidet in dieser Situation der knappen Ressourcen immer mehr die überzeugende Selbstvermarktung über den Fortbestand einer Institution. Eine Besonderheit im Kulturbereich stellen hierbei kulturelle Events dar, die aufgrund ihrer zeitlichen Befristung und Einmaligkeit im Prinzip nicht als Marken zu verstehen sind, jedoch markenähnliche Vorstellungen beim Nachfrager auslösen können. Wo genau die Grenze zwischen reinen Events und Markenaufbau liegen, lässt sich theoretisch bislang nur unzureichend bestimmen und bedarf noch weiterer, insbesondere empirischer Forschungsanstrengungen. Im Folgenden soll geprüft werden, inwieweit die Markenstrategie, die genuin im kommerziell orientierten Marketing zu verorten 57

Sandberg (2004, S. 227) spricht in diesem Zusammenhang von einem „Marken-Hype“ und führt die in der Praxis intensiv geführten Diskussionen im Bereich von „Nation-Branding, City-Branding, Nonprofit-Branding und Charity Branding“ als typische Beispiele an. 58 Branding wird in diesem Beitrag in Anlehnung an die angloamerikanische Sichtweise, vertreten bspw. durch Aaker und Joachimsthaler (2000) oder Kapferer (2004, S. 9ff), im umfassenden Sinne als die Gesamtheit der Maßnahmen zum Markenaufbau und zur Markenführung verstanden, die insbesondere bei der Einführung einer Marke von Bedeutung sind. Eine ähnliche Sichtweise vertreten auch Esch (2005, S. 75ff), Tomczak und Kernstock (2004, S. 163) oder Schweiger und Schrattenecker (2005, S. 80).

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Kulturbranding

ist, auch Ansatzpunkte für nicht kommerziell orientierte Kulturorganisationen bietet. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Funktionen Marken für Kulturinstitutionen übernehmen können, und welche Bedeutung ihnen damit erwächst.

2.2.1

Funktionen von Kulturmarken aus Sicht der Abnehmergruppen

Hier lautet die Frage: Wie wirkt ein Markenaufbau auf die gegenwärtigen und potenziellen Abnehmergruppen, also auf Publikum, Klienten und allgemeine Interessenten. Traditionell werden den Marken Funktionen zugeschrieben, die eine Vereinfachung des Entscheidungsverhaltens bewirken und zur Markenbindung führen (vgl. Koppelmann 2004, S. 371ff; Meffert, Burmann und Koers 2002, S. 9ff): Risikoreduktions- und Vertrauensfunktion: Bei Kulturleistungen ist das Qualitätsrisiko besonders ausgeprägt. Sie stellen Dienstleistungen dar, die erst noch hergestellt werden müssen, obgleich der Nachfrager schon dafür bezahlt hat. Deshalb erfordert der Erwerb einer Kulturleistung ein besonderes Maß an Vertrauen. Die Marke bietet hier ein wichtiges Informationssurrogat, denn sie dient als Qualitätssignal. Marken erlauben Kaufprozesse ohne umfassende Qualitätsbeurteilung, denn die Konsumenten schließen aus der Marke auf eine gleichbleibend gute Qualität der gekennzeichneten Leistung.59 Positive Erfahrungen des Konsumenten mit Leistungen, die unter einer Marke geführt werden, überträgt er auf gleich markierte Leistungsangebote. Orientierungs- und Entlastungsfunktion: Durch Markierung werden Leistungsangebote nach Güterart und/oder Herkunft bzw. Anbieter gekennzeichnet, so dass diese für den Nachfrager von anderen Angeboten unterscheidbar und wieder erkennbar werden. Das alles gilt auch für Kulturmarken. Auf die gleiche Weise erhöhen Kulturmarken die Markttransparenz. Über die Markierung werden nach Bereich, Genre und Geschichte verschiedenartige Leistungen in der Wahrnehmung der Anspruchsgruppen kontinuierlich verknüpft und den betreffenden kulturellen Leistungen und Institutionen zugeordnet. Starke Kulturinstitutionsmarken in diesem Sinne sind etwa das „Guggenheim Museum“ in New York, die „Salzburger Festspiele“, die „Frankfurter Schirn“, die „documenta“ in Kassel und auch der kulturhistorisch bedeutsame „Hamburger Michel“ oder das österreichische „Schloss Schönbrunn“. So bedarf es bei den oben beispielhaft benannten Marken bereits nicht mehr der näheren Beschreibungen, sondern „Guggenheim“ wird automatisch assoziiert mit „Internationale Ausstellung“, „Frankfurter Schirn“ mit „kritischer Aktualitätsbezug zu Ausstellungen“, „documenta“ mit „moderner“ und „ästhetischer Bildung“, und „Schloss Schönbrunn“ steht 59

Entsprechend verlangt der Gesetzgeber im §23 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung für Markenwaren neben dem Produktmerkmal der Markierung mindestens gleichbleibende oder verbesserte Qualitätseigenschaften.

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für ein prunkvolles Residenzschloss mit unverwechselbarerer barocker Gartengestaltung. Das Markenverständnis im Kulturbereich ist allerdings nicht auf die institutionelle Perspektive zu begrenzen, auch Markierungen regelmäßig wiederkehrender kultureller Leistungen, etwa Klassiker wie Tschaikowskys „Schwanensee“ oder berühmte Symphonieorchester wie die „Wiener Philharmoniker“ kennzeichnen ein spezielles Angebot und lösen bei den Nachfragern spezifische Vorstellungen aus. Die Markierung wird damit zu einer Orientierungshilfe bei der Suche nach bestimmten Leistungskategorien oder bei der Unterstützung spezifischer Anliegen und Projekte. Damit wird für den Rezipienten der Prozess der Informationsbeschaffung und -beurteilung vereinfacht und sein Entscheidungsprozess, etwa für einen Ausstellungsbesuch, verkürzt. Die Bedeutung dieses Prozesses ist angesichts der Informationsüberlastung unserer Gesellschaft (vgl. Schulze 2000) und der zunehmenden Konkurrenz beim Gewinnen öffentlicher Aufmerksamkeit (vgl. Franck 1998) nicht zu unterschätzen. Marken können auch ideellen Nutzen stiften: Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 484) heben hervor, „dass das individuelle Verhalten in vielen Fällen mehr vom Bezugsgruppeneinfluss als von individuellen Prädispositionen abhängt.“ Und zwar sind es in erster Linie auffällige, markierte Produkte, bei deren Einschätzung der Bezugsgruppeneinfluss wirksam wird. Hierbei können zwei Varianten unterschieden werden: der Prestigeeffekt und der Identifikationseffekt. Zahlreiche Studien60 belegen, dass zum erstrebten Lebensstil als wichtiger Bestandteil das Ansehen gehört, das sich jemand in seinem Umfeld wünscht. Auf das Nachfragerverhalten bezogen bedeutet das: Individuen, die nach mehr Anerkennung (Prestige) streben oder diese sichern wollen, präferieren Produkte oder Leistungen, von deren Besitz oder Verwendung sie einen Zuwachs ihres Ansehens erwarten (vgl. auch Konvergenzhypothese nach Gierl 1991).61 Angesehene Marken, die eine Person benutzt, sind Schlüsselsignale an das soziale Umfeld und bringen die Gruppenzugehörigkeit zum Ausdruck (vgl. Meffert, Burmann und Koers 2002, S. 9). Pepels (2003, S. 226) spricht von der Marke als „Visitenkarte ihrer Nutzer, mit der diese sich gegenüber der Außenwelt darstellen und ausweisen.“ Welche Rolle spielen dabei Kulturmarken? Nach Bendixen (1998) genießt kulturelle Bildung, vor allem der Besuch kultureller Veranstaltungen, hohes Ansehen in der Gesellschaft. Auch in den wissenschaftlichen Studien zum Kulturverhalten zeigt sich, dass Prestige als grundlegende Determinante von Kulturbesuchern identifiziert wird

60

Einen anschaulichen Überblick über Einsatz und Verwendung des „Lebensstil-Konstrukts“ im Marketing bietet Gröppel-Klein 2004, S. 906ff. 61 So konnten z.B. auch Schweiger et al. (2000/01) im Rahmen einer interkulturell angelegten Studie zur Wahl von Einkaufsstätten belegen, dass eine eindeutige Korrelation zwischen dieser Wahlentscheidung und dem vorliegenden Lifestyletypen des Konsumenten vorliegt, d.h. der Konsument nur bestimmte Einkaufsstätten auswählt, die zu seinem jeweiligen Lebensstil passen.

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(Kirchberg 2001, 2004; Terlutter 2000, S. 40ff und S. 78). Nicht zuletzt, weil sie potenziell für jeden zugänglich sind und ihre Teilnahme daran öffentlich sichtbar ist, eignen sie sich besonders dazu, Geltungsnutzen zu transportieren. Besonders im kulturalistischen Erklärungsansatz des Kulturkonsums (z.B. Giddens 1995; Mead 1992) basiert der Kulturkonsum auf Entscheidungen von selbstbestimmenden Akteuren und ist Ausdruck der Gruppenzugehörigkeit eines Individuums (vgl. Gruber 2004, S 127). So führt Colbert (2002, S. 46) aus, dass Gruppenzugehörigkeit in besonderer Weise dadurch erreicht wird, dass man durch ein bestimmtes Kulturprodukt gesehen wird oder in der Lage ist, über diese Kulturprodukte zu sprechen. Die Bayerische Staatsoper nutzt die Prestigewirksamkeit ihres Leistungsangebotes ganz offensiv und formuliert in ihren Corporate-Identity-Vorgaben: „Wir bieten ein einzigartiges Erlebnis […] und sind zudem Kommunikationsauslöser für unsere Besucher, mit dem sie auch ihr Bedürfnis nach Prestige und sozialem Kontakt befriedigen können“ (Feldmann 2002, S. 56). In diesem Sinne können Kulturmarken als „Status-Maker“ verstanden werden, die als rasch verstandene Zeichen demonstrieren, welchen Rang man in der Gesellschaft einnimmt und welche Eigenschaften man besitzt oder nicht besitzt (vgl. Karmasin 1998, S. 236). Allerdings ist wegen ihres Dienstleistungscharakters (Immaterialität, Uno-Actu-Prinzip) ihre Nutzung in der Öffentlichkeit nur bedingt und zeitlich begrenzt erkennbar. Hier dient Markierung als Katalysator, der Geltungsnutzen in Bewegung setzen kann. Das zeigt sich in der Akzeptanz von Kulturrezipienten und ihrer Nachfrage nach Oberbekleidung, Accessoires und Gebrauchsgegenständen, die mitteilen, in welchem Kulturinstitut man gewesen ist oder an welchem Kulturevent man teilnahm. Es gibt T-Shirts mit Museumsbild, Streichholzschachteln mit Theaterlogo, Kaffeebecher mit Künstlerbildnis. Man denke auch an die ungezählten „Devotionalien“ des derzeitigen Mozart-Jahres. Marken können auch eine identitätsstiftende Wirkung für die Nachfrager entfalten. Bezugnehmend auf das als subjektive Identitätskonstruktion verstandene Selbstkonzept, das erst durch einen Prozess des selbstreflexiven Denkens gebildet wird (vgl. Burmann, Blinda und Nitschke 2003, S. 13), konstatieren Meffert und Lasslop (2004, S. 935) für Marken diese intrinsische Funktion. Dabei überträgt der Nachfrager die der Marke sozial beigemessenen Eigenschaften direkt auf seine eigene Persönlichkeit. Beispielsweise kann ein Individuum seine Selbsteinschätzung, er sei kulturinteressiert, durch den Besuch von namhaften Museen oder Opernhäusern bestätigen. Die Marke dient damit als Symbol in einem internen Kommunikationsprozess und trägt auf diese Weise zur Festigung oder Erhöhung des Selbstkonzeptes bei. Die dahinter stehenden Motive der Selbstverwirklichung und Selbstbelohnung sind als intrinsisch zu klassifizieren, weil sich die zur Motivbefriedigung zentrale ideelle Nutzendimension der Marke hier grundsätzlich ohne direkten Kontakt zur Außenwelt entfalten kann. Voraussetzung ist allein eine konkrete Vorstellung über die reale und ideale Komponente des Selbst und der Markenpersönlichkeit (ebenda, S. 936).

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2.2.2

Funktionen von Kulturmarken aus Anbietersicht

Als erste ist hier – als eine grundlegende Funktion in gesellschaftlicher Hinsicht – die Selbstlegitimation von Kultur zu benennen. So führt Hellmann (2005a, S. 11, mit Bezug auf Luhmann 1992) aus, dass sich in unserer Gesellschaft ein erhöhter Bedarf an Selbstlegitimation gebildet hat. Früher waren viele Institutionen dem Druck der öffentlichen Meinung weitgehend entzogen. Inzwischen sind sie allesamt der Beobachtung ausgesetzt, und das einzige Mittel, sich diesem Druck gegenüber zu behaupten, so Hellmann, sei eine glaubwürdige Selbstdarstellung durch Markenbildung. Denn der Vorteil der Markenbildung besteht in der Möglichkeit, kommunikativ ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit des Angebotenen zu erzeugen. Was in der gesamten Wirtschaft gilt, lässt sich so auch für den Bereich Kultur nutzen. Die Faszination, die von starken Marken ausgeht, wirkt sich überall positiv auf das Nachfragerverhalten aus. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass diese emotionale Eigenschaft der Faszination von Marken ein wichtiges, Verhalten steuerndes Entscheidungskriterium in nahezu allen Branchen ist. Vor dem Hintergrund dieser verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnisse ist zu erwarten, dass auch Nachfrager von Kulturgütern in ähnlicher Weise wie in wirtschaftlichen Bereichen reagieren. Ein anschauliches Beispiel für die Faszination der Marke im Kulturbereich bietet die im Jahre 2004 äußerst erfolgreich durchgeführte Ausstellung des Museum of Modern Art (MoMA)62 in der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Mittels professioneller Kommunikationsarbeit wurde hier mit der Leitidee „Das MoMA ist der Star“ eine eigenständige Marke in der Berliner Ausstellungswelt positioniert. Die Marke erreichte in Berlin einen Bekanntheitsgrad von 99 Prozent.63 Dies ist umso beeindruckender, als zum Auftakt des Projektes laut einer Umfrage in Berlin 95 von 100 Befragten mit dem Begriff „MoMA“ nichts anfangen konnten. Die Faszination der Marke reichte weit über die Grenzen Berlins hinaus. 70 Prozent der Besucher waren Touristen, wobei 18 Prozent der Besucher das erste Mal eine Ausstellung besuchten. Das ökonomische Ergebnis spricht für sich: Nach 186 Ausstellungstagen hatten mehr als 1,2 Millionen Besucher die Schau der Meisterwerke aus New York gesehen. Der Initiator der Veranstaltung, der „Verein der Freunde der Nationalgalerie“, bilanzierte im Abschluss einen Gewinn von 6,5 Millionen Euro. Eine besondere Rolle spielen neben den emotionalen Wirkungen auch die mit der Markierung einhergehenden Gedächtniswirkungen. Esch (2005, S. 206) spricht von mentalen Hinweisschildern in den Köpfen der Anspruchsgruppen. Aaker (2005) attestiert starken Marken eine leichte Erinnerbarkeit und höhere mentale Präsenz. 62

Das MoMA kann hier als Marke verstanden werden, da es praktisch einen Ableger des Museum of Modern Art in New York darstellte. Zudem belegen die im Folgenden referierten Umfrageergebnisse, dass sich aus Nachfragerperspektive eindeutige und prägnante Vorstellungsbilder zu der Markierung „MoMA“ gebildet haben. 63 Der Corporate-Identity Agentur MetaDesign AG sowie der Agentur Johanssen + Kretschmer Strategische Kommunikation sei an dieser Stelle für ihre großzügige Unterstützung bei der Vorbereitung dieses Beitrages mit Dokumentationsmaterial herzlich gedankt.

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Kulturbranding

Angesichts der herausragenden Bedeutung des persönlichen Weiterempfehlungsverhaltens im Kultursektor, wo die persönliche Empfehlung als Informationsquelle über Veranstaltungen an vorderster Stelle steht, ist die Erinnerbarkeitsleistung von Marken als besonderes Aktivum zu werten. Zeichnet sich hier doch die Möglichkeit ab, einen äußerst glaubwürdigen Kommunikationskanal strategisch und effektiv so zu nutzen, dass (teure) Werbe- und Mediakosten vermieden werden können. So berichtet Klein (2001, S. 156) von einer in einer Sommerakademie für Bildende und Darstellende Kunst durchgeführten Befragung, die untersuchte, wie die Teilnehmer auf die Veranstaltung aufmerksam geworden sind. Circa 80 Prozent der Befragten haben entsprechende Informationen über Freunde und Bekannte erhalten. Auch im Musikbereich dominiert das persönliche Empfehlungsverhalten vor der Nutzung von Presseberichten in Druck- und Funkmedien als Informationsquelle (GfK-Studie, LiveMusik-Veranstaltungen 2004). Bei der Ausstellung des New Yorker Museum of Modern Art in Berlin führte die mentale Präsenz und Aktualität der Marke „MoMA“ dazu, dass sie Anschlusskommunikation erzeugte. Das MoMA wurde zum Gesprächsstoff, sowohl im privaten Kreis wie auch in der Öffentlichkeit. Insgesamt konnten 3600 Presseberichte ermittelt werden, eine kostenlose Werbung, die breite Kreise für das MoMA begeisterte und so eine Sogwirkung erzeugte. Durch dieses effektive, auf persönliche Multiplikatoren und Medien gerichtete Kommunikationskonzept konnte das umfangreiche Ausstellungsprojekt MoMA mit einem Medienbudget von nur 750.000 Euro realisiert werden. Ein weiterer Beweggrund für das wachsende Interesse an Markenbildung bei Kulturinstitutionen ist sicher auch der zunehmende Konkurrenzdruck im Kultursektor. Für den Aufbau und die Absicherung von komparativen Konkurrenzvorteilen dient die Marke einerseits zur Präferenzbildung beim Nachfrager (Profilbildung) und andererseits zur Differenzierung gegenüber den Mitbewerbern (Meffert, Burmann und Koers 2002, S. 12). Angesichts der Intangibilität des Leistungsangebotes von Kulturanbietern ist die Markierung ein wesentliches Instrument, um das Leistungsangebot für die Zielgruppe unterscheidbar zu machen und sich von der Konkurrenz abzuheben. Dementsprechend betreibt etwa das Thalia Theater Hamburg eine zielgruppenorientierte Servicepolitik: z.B. „Gespräche mit Theaterleuten für Nicht-Theatergänger“ oder „Thalia-Talk“ im Thalia-Treffpunkt für junge Leute. Nicht zuletzt können Differenzierungsvorteile durch Werte, die den Markenkern repräsentieren, erlangt werden. So positioniert sich das Thalia Theater in der Hamburger Theaterlandschaft durch den Wertekanon: „Echtheit im individuellen Ausdruck“, „das Bemühen um höchste Qualität“, sowie „den kreativen Umgang mit Spannung“ und differenziert sich dadurch von anderen Theaterhäusern in der Region (Reiman und Rockweiler 2005, S. 190). Auch bei der Beschaffung von privaten Geldmitteln in den Austauschbeziehungen mit Förderern sind starke Marken von Bedeutung. Marken können zwar als eigenständiges Wahrnehmungs- und Beurteilungsobjekt betrachtet werden, vornehmlich

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dienen sie aber auch als Schlüsselinformationen für die ihnen zugrunde liegenden Kompetenzen, Wertvorstellungen und Ziele der Kulturinstitution. Die Identifikationsmöglichkeit mit den Markenessenzen, wie Aaker (1996, S. 90) diese Komponenten bezeichnet, ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Werbung um Unterstützung. Ein Förderer wird eher eine Kulturinstitution unterstützen, deren Werte mit den eigenen Wertvorstellungen übereinstimmen bzw. wenn er zu den vertretenen Werten eine Beziehung aufbauen kann (Klein 2002, S. 235). Ähnlich wie bei Nonprofit-Marken ist auch bei Kulturmarken davon auszugehen, dass starke Marken den Fundraising-Erfolg erhöhen (Hankinson 2002, S. 38ff). Ein anschauliches Beispiel im Bereich der Kulturobjekte bietet die Markenkampagne „Hamburger Michel“, die primär auf die Gewinnung von Förderern, Finanziers und Sponsoren für die dringend erforderliche Restauration des Michels zielte. Durch Branding wurde die spezifische Identität der Michaeliskirche kommuniziert, als Marke bei den Rezipienten aufgebaut, Markenbewusstsein bei den Kirchenmitgliedern und -freunden erzeugt und deren emotionale Bindung genutzt, um sie in das Projekt im Sinne des Erhaltes einer beliebten „Marke“ auch finanziell zu involvieren. Inzwischen ist der „Michel“ in Hamburg ein emotionales „Produkt“, es hat für die Hamburger einen emotionalen Mehrwert und vermittelt ihnen das Versprechen von Kontinuität in den Lebenszyklen und ein Gefühl von Heimat, Schutz, Identität.64 Die mit starken Marken einhergehende hohe Markenreputation – verstanden als das von anderen wahrgenommene Ansehen der Marke – bietet einen zusätzlichen Konkurrenzschutz. Die mit hoher Reputation einhergehende Vertrauenswürdigkeit, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit in die Marke bzw. in den Anbieter begründet einen Wettbewerbsvorteil, der nicht kurzfristig aufzuholen ist (vgl. Kapferer 2004, S. 29) und insofern eine Markteintrittsbarriere für potenzielle Wettbewerber darstellt. Formaler Schutz gegen Nachahmung bzw. Monopolisierungsfunktion bietet eine Markierung auch durch die Möglichkeit des Schutzes der exklusiven Nutzungsrechte. So regelt MarkenG §1 den Schutz von Dienstleistungsmarken und geschäftlichen Beziehungen. Von diesen Schutzmöglichkeiten haben bereits etliche Kulturorganisationen Gebrauch gemacht. So lassen sich im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts gegenwärtig 127 Theater- und 114 Museumseintragungen finden (vgl. Deutsches Patent- und Markenamt).65 Eine starke Marke bildet zudem eine gute Ausgangsposition, um positive Einstellungen und Markentreue auf andere Angebote zu transferieren. Eine Organisationsmarke kann als Plattform für Markenerweiterungen dienen und so eine strategische Neupositionierung unterstützen. Ähnlich wie das Profit-Branding er64

Um bei der Markierung zu bleiben: Zum Erfolg beigetragen hat das prägnante Wort-BildLogo. Unter der stilisierten Kirchturmspitze mit einem roten Herzen darauf lautet das klare Bekenntnis: „Michel Mein Michel“. 65 Diese Zahlen sind vermutlich noch höher, denn durch die Abfrage beim Patent- und Markenamt wurden nur die Institutionen genannt, die schon im Namen den Begriff „Theater“ oder „Museum“ tragen. Vgl. Deutsches Patent- und Markenamt.

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Kulturbranding

leichtert auch das Kulturbranding das Erschließen neuer Aufgabenfelder oder Marktregionen, wenn die ursprüngliche Leistung erfolgreich erfüllt wurde oder das Leistungsspektrum verfeinert werden soll (vgl. Birkin 2003). So können Kulturmarken eine Basis für erwerbswirtschaftliche Aktivitäten sein, mit denen unterfinanzierte Aktivitäten quersubventioniert werden können, und sie fördern Partnerschaften mit kommerziellen Anbietern. Denkbar ist u.a. eine Lizensierung von Produkten nach kulturinstitutionskonformen Kriterien. Das ist nicht nur lukrativ, sondern trägt auch zur Verbreitung der Marke und des jeweiligen Anbieters bei. Den markenspezifischen Erlösen und Kosteneinsparungen stehen allerdings Kosten der Markenführung gegenüber, die Ressourcen von den Kernaufgaben abziehen können. So bezeichnen Ritchie et al. (1999, S. 16) Branding als „a costly venture“, das nicht unwesentliche Zeit-, Personal- und Materialressourcen erfordert. Vor allem, wenn die Ressourcen, die für Branding aufgewendet werden müssen, die Entwicklung und/oder Bereitstellung der Kernleistung stören, ist in Betracht zu ziehen, dass Kulturbranding einer besonderen Rechtfertigung gegenüber internen und externen Anspruchsgruppen bedarf, zumal, anders als bei kommerziellen, klassischen Konsummarken, empirische Belege über Mehrwert und Nutzen der Markenbildung hier rar sind. Weiterhin muss sich das Branding im Kulturbereich bewusst sein, dass hier mit kritischeren Bewertungsmaßstäben zu rechnen ist als auf klassischen Konsumgütermärkten. Eine besonders häufig angeführte Beanstandung von Kritikern ist in der Markensoziologie zu verorten und basiert auf der Vorstellung, dass die Marke als Eigenwert der Werbung zu betrachten sei, welche die Kosten für die Leistung erhöhe, ohne einen sicheren Gegenwert zu schaffen (vgl. Hellmann 2003, S. 272). Angesichts dieser besonders häufig im Kreis von medienaffinen Kulturexperten (Kulturjournalisten und Künstlern) anzutreffenden kritischen Reflexion erscheint die Gefahr für Kulturanbieter, schnell in den Geruch einer oberflächlichen Kommerzialisierung zu geraten, nicht nur besonders groß, sondern ist auch als sehr folgenreich einzustufen. So konstatieren Ritchie et al. (1999, S. 15) gerade für den NonprofitBereich sehr problematische Konsequenzen: „Donors and governments may begin to withold financial support, volunteers may cease to volunteer, and clients may shift their business to organisations they see as more altruistic.” Selbst das überaus erfolgreiche MoMA, das es geschafft hat, ein sehr großes Publikum an anerkannte Meisterwerke heranzuführen, blieb von Kritik nicht verschont. Gerade in vielen deutschen Feuilletons ergriffen Kulturjournalisten die Gelegenheit, ihr Misstrauen gegen diese wirkungsorientierte Form der Kommerzialisierung von Hochkultur zum Ausdruck66 zu bringen.

66

So lautet eine Schlagzeile im Zeit-Feuilleton vom 12.02.2004: „Avantgarde des Spektakels. Die Ausstellung ’Das MoMA in Berlin’ soll alle Rekorde brechen – auf Kosten der Kunst“. Vgl. Rauterberg 2004.

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Die einschlägigen Reaktionen diskutiert beispielsweise Gumbrecht (2004) sehr pointiert. Diese Resonanz zeigt, dass selbst erfolgreiche Kommunikationsstrategien im Kulturbereich Widerspruch erzeugen, ohne den Nutzen der Markenbildung für Kulturanbieter zu goutieren. Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei vorrangig um eine Wertediskussion, die Ideale propagiert und eine prinzipielle Abstinenz im Bereich der marktorientierten Kommunikation von Kulturanbietern wünscht, ohne befriedigend angeben zu können, wie ein gesellschaftliches und ökonomisches Überleben unter den gegebenen Umständen zu realisieren ist.

3

Kulturbranding und seine Determinanten

Wenn über Markenaufbau in einem Bereich gesprochen werden soll, der bislang kaum dezidiert als Segment des allgemeinen Marktgeschehens und Thema betriebswirtschaftlicher Theoriebildung angesehen wurde, lautet die erste Frage: Was bedeutet Markenaufbau im Feld von Kulturanbietern? Und die zweite Frage: Wie sieht die strategische Umsetzung aus? Es geht auch im Kulturbereich um die Bildung einer Corporate Brand und darum, Grundsatzentscheidungen über Markenidentität, Markenpositionierung, Markenimage und Markenarchitektur zu fällen (ganz im Sinne von Köhler 2004, S. 2778; vgl. auch Esch, Kiss und Reh 2004, S. 54).

3.1

Basis Corporate Identity

Ausgangspunkt konzeptioneller Überlegungen zum Kulturbranding ist – ebenso wie bei Wirtschaftsunternehmen – die Identität der Organisation, die Corporate Identity. Der Kern der Corporate Identity ist das Leitbild. Das Leitbild reflektiert die „Persönlichkeit“ der Kulturinstitution, es gibt an, wofür die Institution steht, welche „Visionen“ sie hat, und welche „Missionen“ sie erfüllen will. Diese Institutions„Persönlichkeit“ definiert die Corporate Identity (CI), indem sie allen Institutionsmitgliedern einen gemeinsamen, einheitlichen Zweck, eine Richtung, Bedeutung und ein erstrebenswertes Ziel vorgibt. Zu Recht fordert Esch (2005, S. 89), auf Basis dieser Corporate Identity, den grundlegenden Manifesten, Auffassungen und Zielvorstellungen, die Markenidentität zu entwickeln. Eine ähnliche Auffassung vertreten Aaker (1996) oder auch Meffert und Burmann (2002, S. 49ff). Markenidentität erfasst demnach die strategischen Vorstellungen einer Organisation zu essenziellen, wesensprägenden Merkmalen der Marke. Besonders für Kulturinstitutionen ist die grundlegende Orientierung der Marke an der Identität der Organisation bedeutsam, denn 232

Kulturbranding

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Mitglieder der Trägerinstitution müssen die Grundwerte, Ziele und Aktivitäten der Kulturorganisation nicht nur akzeptieren, sondern sich darüber hinaus mit ihnen identifizieren, weil diese den Inhalt ihrer Kulturarbeit bestimmen (vgl. Fischer 2001, S. 110; Klein 2001). Begreift man die Kulturarbeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als wesentliche Komponente des zu markierenden Leistungsangebotes der Kulturinstitution (interne Komponente der Dienstleistungserstellung, vgl. Abschnitt 2.1), ergibt sich, dass für eine glaubwürdige Identität ein großes Maß an Entsprechung zwischen Organisationsidentität und Markenidentität notwendig ist. Die Corporate Identity manifestiert sich in der gelebten Unternehmenskultur, sie ist gelebte Identität. Demnach muss im Kultursektor gründlich analysiert werden, welche Organisationsphilosophie, welche Leitbilder und welche Vision für das Leistungsangebot zentral sind, damit eine Markenidentität auch und besonders in der Kulturinstitution auf diesen Grundwerten basieren kann, die in ihr wirksam sind. Insgesamt zeigen diese Ausführungen, dass die Markenidentität zunächst in einer Top-down Perspektive zu analysieren und anschließend in einem organisationalen Diskurs mit den Mitarbeitenden in geeigneter Form abzustimmen und zu implementieren ist (Bottom-up-Perspektive). Angesichts ihrer Innenorientierung markiert die Markenidentität das „Selbstbild“ der Marke (Esch 2005, S. 90; Meffert und Burmann 2002, S. 49ff). Ihm steht das bei den externen Anspruchsgruppen erzeugte Fremdbild der Marke, das Markenimage, gegenüber. Es formt sich bei ihnen anhand der vermittelten Identitätsmerkmale (vgl. Kapferer 2004, S. 97ff). Ziel des Markenmanagements ist es, bei den Anspruchsgruppen eine maximale Übereinstimmung zwischen der Identität einer Marke und dem Image einer Marke zu erzielen. Hierbei spielen die Markenpositionierung und die positionierungskonforme Umsetzung im Markt eine bedeutende Rolle. Bei der Positionierung werden einige wenige, besonders relevante und differenzierende Merkmale, für die eine Marke stehen soll, ausgewählt. So führen Esch et al. (2004, S. 57) aus, dass Positionierung eine Fokussierung auf wenige charakteristische Merkmale bedeutet, die gegenüber der Konkurrenz bei den Anspruchsgruppen die Points of Difference bilden. Anders formuliert: Es werden konkrete Identitätsmerkmale für die Marke festgelegt, welche die prägnante Abgrenzung zur Konkurrenz ermöglichen. Dass diese theoretischen Grundlagen die Basis für erfolgreiche Strategien auch im Kulturbereich bilden, zeigt der Aufbau der Marke „MoMA“ in Berlin. Ausgangspunkt für die Entwicklung der Markenstrategie des MoMA war das begründende Selbstverständnis des „Vereins der Freunde der Nationalgalerie“ als Initiator, welches da lautet: „Leidenschaft für die bildende Kunst“ – „Lust am Wagnis“ – „Enthusiasmus“. Es ging darum, die wichtigsten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts zu präsentieren und dabei die bildungspolitischen Zielvorstellungen der Nationalgalerie zu berücksichtigen. Auf Basis dieses Wertekanons konnte als Kern der Markenidentität „DAS MoMA IN BERLIN“ entwickelt werden. Der hohe Konkurrenzdruck durch das vielseitige Kulturangebot in Berlin sowie ein gewisses Defizit beim Zielpublikum, bei dem die Bekanntheit des New Yorker Museum of Modern Art eher gering war,

233

Sigrid Bekmeier-Feuerhahn und Anke Trommershausen

erforderte eine Positionierung, die auf die Ausstellung aufmerksam machte und das Leistungsangebot sympathisch darstellte. Diese Positionierung erfolgte kreativ umgesetzt unter der Leitidee: „Das MoMA ist der Star“. Es gab für die Positionierung eine Vielzahl kennzeichnender Markenattribute: unglaublich, elitär, jung, elegant, farbig, provokativ, herausragend etc. Unter dem Blickwinkel der Points of Difference gegenüber der Konkurrenz jedoch erwiesen sich die Differenziatoren „einmalig“, „sensationell“ und „faszinierend“ am überzeugendsten. Mit einer emotional ansprechenden Kommunikationskampagne wurden diese Eigenschaften als Markenmerkmale inszeniert und den Rezipienten vermittelt. Im Zentrum der kommunikativen Medien stand eine einprägsame Plakatierung in ganz Berlin durch auffällige City Light Poster, City Light Boards, Plakate an Litfaßsäulen und Banner. Die Plakatierung bestimmte förmlich das Bild der Stadt. So lautet eine Pressemitteilung in der WELT: „Berlin hat einen Star, an dem keiner vorbeikommt. An jeder Straßenecke, auf jeder Zeitungsseite springt er uns entgegen. So eine massive Werbekampagne gab´s noch nie für ein Berliner Museum“ (Walde 2004a). Die Auswahl von MoMA-Plakaten in Abbildung 3-1 vermittelt davon einen Eindruck. Sie illustriert ein Beispiel kreativer Markenpositionierung im Kulturbereich.67

Abbildung 3-1:

Beispielhafte Plakate des MoMA

Ob die Markenidentität erfolgreich transferiert werden konnte, bemisst sich daran, ob sich bei der Zielgruppe ein entsprechendes Markenimage aufgebaut hat (Esch et al. 2004, S. 56). Wie bereits erwähnt, übertraf im Falle des Markenbrandings „MoMA“ die positive Resonanz unter den erstrebten Zielgruppen bei weitem die Erwartungen der 67

234

Die Corporate-Identity-Agentur MetaDesign AG sowie Johanssen + Kretschmer Strategische Kommunikation haben für das innovative Kommunikationskonzept zum Aufbau der Marke MoMA in der Kulturlandschaft den Sonderpreis des Deutschen Preises für Wirtschaftskommunikation (2004) sowie den PR Report Award (2005) erhalten.

Kulturbranding

Initiatoren. Rezipienten assoziierten mit der Marke „MoMA“ spezifische eigenständige Vorstellungen, die zudem auch für die Bekanntheit des Stammhauses, des Museum of Modern Art in New York, förderlich waren. Statt der erhofften 700.000 Besucher kamen 1,2 Millionen zur Ausstellung in die Berliner Neue Nationalgalerie. Die Schlange vor dem Museum war so lang, dass die Kunstinteressierten bis zu 12 Stunden anstanden. Presseberichten zufolge gestalteten die Abnehmergruppen selbst die Wartezeit auch noch zum faszinierenden Happening.68

3.2

Markenarchitektur im Kulturmarkt

Betrachtet man das Angebot im Kultursektor, so wird sehr schnell deutlich, dass ihr Kerngeschäft weniger in der originären Produktion als in der Distribution von Kulturleistungen besteht. In den meisten Fällen fungieren Kulturinstitutionen als Vermittler, als Verteiler von Kulturleistungen. Hellmann (2005b, S. 227) vergleicht Kulturinstitutionen mit Handelsunternehmen und formuliert, es gehe bei vielen NPO’s im Kultursektor um Dienstleistungen zur Vermittlung von Dienstleistungen. Und so stellt sich wie bei Wirtschaftsunternehmen auch bei Kulturinstitutionen die Frage nach einer Markenarchitektur, nämlich der Wahl des Markentyps. Die Wirtschaftswissenschaft differenziert grundsätzlich zwischen den beiden strategischen Markentypen Einzelmarken- und Dachmarkenstrategie.69 Bei der Einzelmarkenstrategie geht es um ein Produkt- oder Monomarkenkonzept, bei der Dachmarke um ein Programm- oder Company-Markenkonzept (vgl. Assael 1990, S. 196; Becker 2005, S. 385; Esch 2005, S. 278). Für Kulturanbieter kommen grundsätzlich beide Perspektiven in Frage. Eine markentechnische Betonung von Einzelveranstaltungsmarken erscheint für Kulturinstitutionen dann sinnvoll, wenn stark profilierte, jedoch wechselnde Leistungen präsentiert werden, die von einem umfangreichen Zusatzangebot flankiert sind. Zudem müssen Kulturinstitutionen in der Lage sein, über eine aufmerksamkeitsstarke Darstellung das Publikum zu affizieren und ein klares Image aufzubauen.

68

So lautet eine Schlagzeile der Berliner Morgenpost vom 01.09.2004: „Die Kunst des Wartens. Die MoMA-Schlange ist die Attraktion des Sommers […].“ Vgl. Walde 2004b. 69 Es wäre in diesem Zusammenhang auch interessant zu untersuchen, inwieweit Erkenntnisse des Handelsmarketings auf Kulturgüter zu übertragen sind. So diskutieren Gröppel-Klein und Germelmann (2004, S. 1004ff) die markenorientierte Führung von Handelsunternehmen und kommen zu dem Schluss, dass auch der Handel ein klares Profilierungskonzept aufweisen muss, das ihn von der Konkurrenz eindeutig unterscheidet.

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Anschauliches Beispiel für eine erfolgreiche Strategie der Betonung von Einzelveranstaltungen ist die Präsentation des MoMA. Es ergibt sich allerdings bei dieser Strategie im Kulturbereich ein spezifisches Problem. Der Aufbau einer Markenidentität erfordert Zeit, da es sich um einen Lernprozess handelt. Daher ist eine solche Einzelveranstaltungsmarke nur dort zu empfehlen, wo eine Veranstaltung die kritische Größe und Dauer überschreitet, um die Fixkosten einer Markenbildung zu rechtfertigen, wie es etwa bei der MoMA-Ausstellung in Berlin mit 700.000 erwarteten Besuchern und einem Ausstellungszeitraum vom 20. Februar bis 19. September 2004 der Fall war. Bei knapper Zeit ist ein massiver Werbedruck erforderlich. Beide Ressourcen, Zeit70 und/oder finanzielle Mittel für den Markenaufbau, sind im Kulturbereich in der Regel jedoch nur sehr begrenzt vorhanden. Bei der Variante der Dachmarkenstrategie werden alle Leistungen eines Unternehmens unter einer einheitlichen Marke (Umbrella Branding) angeboten. Im Mittelpunkt der Profilierungsbemühungen steht die Organisation und ihre Kompetenz (Becker 2005, S. 390f). Kernstock, Esch, Tomczak und Langner (2004) sprechen in diesem Zusammenhang auch vom Corporate-Brand-Management. Insbesondere dort, wo sich ein Kulturanbieter mit einem variablen Angebot an immer dieselben oder ähnliche Zielgruppen richtet, eröffnet die Strategie, den Schwerpunkt der Markenbildung auf die Institution selbst zu richten, die Chance einer Kostendegression, die dadurch erreicht wird, dass alle Angebotsleistungen den Markierungsaufwand gemeinsam tragen. Ein weiterer Vorteil ist darin zu sehen, dass man neue Angebote wie etwa Ausstellungen oder Aufführungen unter einer schon bestehenden Dachmarke einführen kann und dadurch von der Reputation, dem guten Ruf, dem Vertrauenskapital des Markenimages profitiert, das die „Corporate Brand“ der Institution als solche schon besitzt. Ein vielfach beachtetes Beispiel für ein solches Corporate Branding findet sich in der Museumslandschaft: die Guggenheim Foundation, die über fünf Dependancen in vier Ländern präsent ist. Als Bestandteile ihrer spezifischen Identität, die die jeweiligen Museen gleichermaßen markieren, nennt Krens (2000) „einzigartige Sammlung“, „großartige Sonderausstellung“, „unverwechselbar, unkonventionell gestaltete Architektur“ und „beeindruckender Facility-Service“ (z.B. kreative Museumsshops und atmosphärische Gastronomieangebote). Das sei effektives Corporate Branding, das nicht nur national, sondern auch international über alle Medien und Anspruchsgruppen hinweg ein konsistentes Erscheinungsbild von der Foundation transferiere und dafür sorge, dass die Marke „Guggenheim“ weltweit ein Begriff geworden sei.

70

236

So zählt die saisonale Begrenzung des Leistungsangebotes zu den konstitutiven Merkmalen von Kulturinstitutionen, z.B. bei Theatern, Opern-, Konzert-, Festspielhäusern, Volkshochschulen, Festivals, Galerien, Museen.

Kulturbranding

4

Fazit: Kulturmarken im Aufbau

Kulturinstitutionen sind von der Finanzmisere in Bund, Ländern und Kommunen betroffen. Viele befinden sich im Überlebenskampf, Veranstaltungen der Hochkultur müssen zudem mit der Populärkultur konkurrieren. Damit in einem Land wie Deutschland, das als Land der Dichter und Denker gilt, Theater, Opern-, Konzert- und Festspielhäuser, Museen und Galerien wieder das öffentliche Leben auf vornehmliche Weise mitbestimmen, müssen Strategien entworfen werden, die den Bestand von Kultur zu sichern vermögen. Von der „privaten Daseinsvorsorge“ durch Kartenverkauf im bisherigen Stil kann sich heute kein Kulturinstitut mehr finanzieren. Das Beispiel „MoMA in Berlin“ hat etwas Zukunftsweisendes gezeigt: Es lassen sich auch im Nonprofit-Bereich Marken aufbauen. Durch spezifische Marketingstrategien ist es möglich, große Besucherzahlen anzulocken. Und ebenso hat das Beispiel „Hamburger Michel“ bewiesen, dass zur Marke aufgebaute Kulturobjekte auch zu einem äußerst ergiebigen Fundraising führen können. Notwendig – und wie die Ausführungen zeigen – höchst ergiebig, ist ein Kulturmarketing. In dessen Zentrum steht eine Dienstleistung, nämlich „Vermittlung von Kultur“. Deren Immaterialität und die spezifischen Gegebenheiten der meist saisonalen Kulturveranstaltungen erfordern besondere Marketingstile, um das „Produkt“ an die Anspruchsgruppen heranzubringen. Dabei ist durchaus eine Gratwanderung zu wagen – zwischen Kommerzialisierung und einer identitätsgemäßen Präsentation auch von Hochkultur „auf dem Markt“. Das bedeutet mitnichten, die Kultur „zu Markte zu tragen“, wie Kritiker meinen. Im Gegenteil: In einer ökonomisierten Welt werden es Marketingkonzepte der Kultur erleichtern, ihren Bildungsauftrag zu erfüllen und statt einer „Kultur für Alte“ eine „Kultur für alle“ zu generieren. So gesehen ist Marketing, das immer schon „Kreation“ war, Teil der modernen Kultur.

237

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244

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

Peter Weinberg und Sandra Diehl

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

1

Einleitung ........................................................................................................................ 247

2

Grundlagen der erlebnisorientierten Ladengestaltung............................................. 248 2.1 Ziele der Einkaufsstättengestaltung ................................................................... 248 2.2 Strategie der erlebnisorientierten Einkaufsstättengestaltung ......................... 249 2.3 Anforderungen an eine erlebnisorientierte Ladengestaltung und Gestaltungsempfehlungen ................................................................................... 251

3

Ein Verhaltensmodell für reale Läden und virtuelle Läden im Internet ................. 253 3.1 Allgemeine Überlegungen zur Möglichkeit des Transfers von Erkenntnissen der realen Ladengestaltung auf die virtuelle Ladengestaltung ...................... 253 3.2 Entwicklung eines Verhaltensmodells für reale und virtuelle Läden............ 254 3.3 Beschreibung des für die Studie konzipierten virtuellen Ladens................... 256

4

Ergebnisse der empirischen Studien............................................................................ 260 4.1 Ergebnisse der Prüfung des Verhaltensmodells für reale Läden in Deutschland, USA und Frankreich ..................................................................... 261 4.2 Ergebnisse der Prüfung der Übertragbarkeit des Verhaltensmodells auf virtuelle Läden....................................................................................................... 262 4.3 Ergebnisse der kausalanalytischen Prüfung des Modells für virtuelle Läden………….. .................................................................................................... 262 4.4 Unterschiede in den Modellen der realen internationalen Ladengestaltung und der virtuellen Ladengestaltung ................................................................... 264

5 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vergleichs von realer und virtueller erlebnisorientierter Ladengestaltung und Handlungsempfehlungen für die Gestaltung erlebnisorientierter Onlineshopping-Angebote ...................................... 265

245

Peter Weinberg und Sandra Diehl

Abstract

Der Beitrag befasst sich mit den Möglichkeiten der Vermittlung von Einkaufserlebnissen in realen Einkaufsstätten und virtuellen Einkaufsstätten im Internet. Während sich der reale Handel schon seit vielen Jahren mit der Erlebnisvermittlung in Geschäften beschäftigt, steht das Internet in Bezug auf die Vermittlung von Konsumerlebnissen erst am Anfang. Eine wichtige Frage, der nachgegangen wird, ist die, ob Shops im Internet überhaupt in der Lage sind, vergleichbare Konsumerlebnisse auszulösen wie reale Geschäfte. Hierfür wird ein Vergleich der Wirkung von erlebnisbetonten realen Läden und virtuellen Läden im Internet vorgenommen. Als theoretische Basis werden Erkenntnisse der Aktivierungsforschung, der Umweltpsychologie, der Lebensstilforschung und der Involvementforschung herangezogen, und es wird eine empirische Studie vorgestellt. Es kann gezeigt werden, dass reale und virtuelle Läden vergleichbare Wirkungen auf den Konsumenten ausüben. Erkenntnisse der wissenschaftlich gut erforschten realen Ladengestaltung lassen sich demnach auch auf die Gestaltung erlebnisorientierter virtueller Läden im Internet übertragen. Es werden Handlungsempfehlungen für die erlebnisbetonte Gestaltung von realen und virtuellen Einkaufsstätten gegeben.

246

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

1

Einleitung

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Vermittlung von Erlebnissen im realen und virtuellen Einzelhandel. Bezüglich der Erlebnisvermittlung im realen Einzelhandel basiert er auf dem Artikel „Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im Einzelhandel“ (Weinberg 1986). Dieser Artikel war einer der ersten Artikel, die sich mit Erlebnisvermittlung im Handel beschäftigten, und kann demnach als ein „Meilenstein“ des Erlebnismarketing angesehen werden. Im Folgenden wird dieser Beitrag um Erkenntnisse der Erlebnisvermittlung in virtuellen Läden ergänzt. Diese Erkenntnisse basieren in erster Linie auf Studien von Diehl (vgl. ausführlich 2002a, 2002b). Die Erkenntnisse der realen Ladengestaltung sind wissenschaftlich gut erforscht. Erkenntnisbeiträge liefern u.a. die Umweltpsychologie, die Handelsforschung und die Konsumentenforschung. Diese Forschungsrichtungen wurden, um nur einige zu nennen, z.B. von Baker et al. (2002), Bitner (1992), Bost (1987), Diller und Kusterer (1986), Donovan und Rossiter (1982), Donovan et al. (1994), Gröppel (1991), GröppelKlein (2005), Gröppel-Klein, Bartmann und Germelmann (2005), Kaltcheva und Weitz (2006), Machleit und Eroglu (2000), Russell und Pratt (1980), Stöhr (1998) auf die reale Ladengestaltung angewandt. Übersichtsartikel, die den Einfluss der Ladenumwelt auf das Konsumentenverhalten analysieren, liefern Lam (2001) und Turley und Milliman (2000). Ziel dieser Untersuchungen ist es, Erkenntnisse zu gewinnen, wie Einkaufsstätten verhaltenswirksam und erlebnisorientiert gestaltet werden können. Die Vielzahl der durchgeführten und aktuellen Studien demonstriert die nach wie vor hohe Bedeutung einer erlebnisorientierten Einkaufsstättengestaltung für die Marketing- und Handelsforschung. Da für die reale Ladengestaltung fundierte Erkenntnisse vorliegen, besteht ein wichtiges Ziel des Beitrags darin – mithilfe von empirischen Untersuchungen – zu prüfen, inwieweit reale und virtuelle Welten auf den Konsumenten ähnliche Wirkungen ausüben, was beträchtliche Folgen für die Erforschung des Konsumentenverhaltens in virtuellen Läden hätte: Virtuelle Läden, die die gleichen Wirkungen entfalten wie reale Läden, erlauben die Übertragung bereits gesicherter Forschungserkenntnisse auf die virtuelle Ladengestaltung. Virtuelle Läden können definiert werden als nicht stationäre, im raum-zeitlichen Sinne nicht real vorhandene bzw. begehbare Einkaufsmöglichkeiten, dargestellt durch elektronische Medien (vgl. ausführlich Diehl 2002a, S. 11ff). Nachdem lange Zeit technische Aspekte der Gestaltung von Internetshops dominierten, rückt der Konsument als Nutzer der Internetangebote stärker in den Fokus der Betrachtungen. Über Gesetzmäßigkeiten, die das Internetshopping zu einer erlebnisreichen Erfahrung für den Konsumenten machen können, ist allerdings noch wenig bekannt. Die erlebnisorientierte Gestaltung von Einkäufen, der im realen Handel seit Jahren eine wichtige Bedeutung zukommt, wird im Electronic Shopping bislang nur wenig beachtet. Ausnahmen stellen neben den Studien von Diehl (2002a) 247

Peter Weinberg und Sandra Diehl

Studien von Menon und Kahn (2002) und Eroglu, Machleit und Davis (2001) dar, die sich ebenfalls mit der Erzeugung einer positiven virtuellen Ladenatmosphäre beschäftigen. Andere Studien, die sich mit Konsumentenverhalten im Internet beschäftigen, wie z.B. Danaher, Wilson und Davis (2003) oder Bauer, Huber und Neumann (2004), legen in der Regel einen anderen Fokus und untersuchen z.B. die Markentreue in OnlineLäden und realen Geschäften oder die Bedeutung von Vertrauen im elektronischen Handel. Danaher, Wilson und Davis (2003), die die Markentreue in virtuellen und realen Läden für über 100 Marken in 19 Lebensmittel-Produktkategorien vergleichen, stellen beispielsweise fest, dass die Markentreue für starke Marken mit hohem Marktanteil bei Online-Käufen höher ist als die Markentreue bei Offline-Käufen. Bauer, Huber und Neumann (2004) analysieren die Bedeutung von Vertrauen im elektronischen Handel. Sie identifizieren mangelndes Vertrauen der Konsumenten gegenüber dem Medium Internet und den Internetanbietern als eine zentrale Einkaufsbarriere. Als Hauptdeterminanten von Vertrauen im Internet extrahieren sie das wahrgenommene Risiko und den wahrgenommenen Informationsgehalt einer Website. Ausgehend von den geschilderten Defiziten im Bereich der Gestaltung von Internetshops wird in dem vorliegenden Beitrag analysiert, wie neben realen Läden auch virtuelle Läden im Internet verhaltenswirksam gestaltet werden können, wobei der Fokus auf der Erzeugung einer erlebnisorientierten Ladenatmosphäre liegt. Hierfür wird ein Verhaltensmodell für virtuelle Läden im Internet konzipiert und empirisch getestet. Es wird geprüft, inwiefern Erkenntnisse der theoretisch und empirisch gut erforschten realen Ladengestaltung auf die Gestaltung von OnlineshoppingAngeboten übertragen werden können (vgl. Diehl 2002a).

2

Grundlagen der erlebnisorientierten Ladengestaltung

2.1

Ziele der Einkaufsstättengestaltung

Weinberg (1986, S. 97) stellt folgende drei Ziele der realen Einkaufsstättengestaltung heraus:

„ Bequemlichkeit des Kunden und Erleichterung des Einkaufs, Verlängerung der Verweildauer pro Kunde im Geschäft, 248

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

Beeinflussung des emotionalen Entscheidungsverhaltens der Konsumenten (z.B. Impulskäufe).“ Diese drei Ziele besitzen auch für die virtuelle Ladengestaltung Gültigkeit. Bei dem ersten Ziel ist zur Erhöhung der Einkaufsbequemlichkeit und Einkaufserleichterung insbesondere die Benutzerfreundlichkeit und Orientierungsfreundlichkeit des Onlineshops herauszustellen. Das zweite Ziel besteht im virtuellen Shop darin, dass der Kunde möglichst lange auf der Website verweilt (natürlich freiwillig und nicht, weil er sich auf einer benutzerunfreundlichen Website nicht zurechtfindet) und mehrere Seiten bzw. Angebote anklickt. Das dritte Ziel wird, wie oben bereits angeführt, momentan noch im Rahmen der Internetshop-Gestaltung vernachlässigt, spielt aber in den Augen der Konsumenten bereits eine wichtige Rolle. So gaben knapp 20 Prozent von 378 Befragten an, Internetshopping nicht zu nutzen, weil sie dabei Erlebnisse vermissen (vgl. Diehl 2002a, S. 77). Das dritte Ziel, die Gestaltung erlebnisbezogener Einkaufsstätten, steht im Folgenden im Vordergrund. Es geht hierbei – prägnant formuliert – darum, „Präferenzen für den Einzelhandelsbetrieb beim Kunden aufzubauen, um dessen Besuchshäufigkeit und Verweildauer im Geschäft zu verlängern und um sich von der Konkurrenz abzuheben“ (Weinberg 1986, S. 97). Anregungen und Beispiele für die Sortimentsbildung und reale Einkaufsstättengestaltung nach Erlebnisbereichen gibt Tabelle 2-1 (entnommen aus Weinberg 1986, S. 98). Diese Gestaltungsempfehlungen lassen sich auch auf virtuelle Läden im Internet übertragen und liefern Ansatzpunkte für eine zum jeweiligen Internetshop passende Erlebnisqualität.

2.2

Strategie der erlebnisorientierten Einkaufsstättengestaltung

Eine zentrale Anforderung an eine erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung lautet, dass sich die Ladengestaltung an Wertetrends von Konsumenten orientieren muss und vor allem Lebensfreude und Lebensgenuss ausdrücken sollte (vgl. Weinberg 1986, S. 99f). Die folgenden Ausführungen zum Wertewandel, entnommen aus Weinberg (1986, S. 99), besitzen auch für die heutige Gesellschaft noch Relevanz und Aktualität (vgl. z.B. Opaschowski 1998, 2000; Schulze 2000; Weinberg 1992; Weinberg und Diehl 2005; Wiswede 1998): „Viele Zukunftsforscher sehen in der zunehmenden Freizeit-, Erlebnis-, Genuss- und Umweltorientierung einen grundlegenden Wertewandel in der heutigen Gesellschaft. Die Wertedynamik betrifft auch das Einkaufsverhalten der Konsumenten, und

249

Peter Weinberg und Sandra Diehl

Konsumforscher gehen davon aus, dass die Suche nach individuellen Konsumerlebnissen ansteigen wird.

Tabelle 2-1:

Sortimentsbildung und Einkaufsstättengestaltung nach Erlebnisbereichen (Weinberg 1986, S. 98) Beispielhafte Kriterien für die

Erlebniswerte

Sortimentsbildung

Einkaufsstättengestaltung

Praktische Beispiele

Professionalität Berufsmäßiges Image: solide, haltbar, technisch kompliziert

Technische Einrichtungen als Hifi-Studios, Gestaltungselemente, Baumärkte überwiegend Metalle und unbunte Farben, Beleuchtung dominant, industrielle Warenträger

Ästhetik

Vermittlung von Schönheitserlebnissen durch ausgefallene Formen, Farben und Materialien

Kreatives Einrichtungskonzept mit Haushaltsund Sanitärkünstlerischem Akzent, das Verkaufs- und Warenaspekte geschäfte integriert.

Tradition und Stil

Weckung von Nostalgie durch Produkte oder Materialien oder Herstellverfahren der guten alten Zeit bzw. Nachbildung vergangener Formen und Farben

Wahl von Farben und Materialien, Einrichtungsdie Gemütlichkeit, Nostalgie, häuser Freude und Echtheit ausstrahlen. Die Warenpräsentation weist historische Bezüge auf.

Avantgarde

Strenge, geometrische Formen, Betonung zukunftsweisender Trends Verwendung von Farbkontrasten, unkonventionelle Warenträger durch moderne, progressive Gestaltungsmittel

Rustikalität

Ausstrahlung von Einfachheit, Robustheit und Zuverlässigkeit

Dunkle Hölzer, braune Farbe dominiert, natürliche Materialien und konventionelle Metalle als Warenträger, zurückhaltende Beleuchtung, geordnete Warenpräsentation

Jugendlichkeit

Lustige, unkonventionelle Anmutung durch ausgefallene Formen, Farben und Effekte

Realisierung spontaner Einfälle, Sport- und keine langfristige Planung, Musikeinfache Materialien, jugendliche geschäfte Verkaufsatmosphäre durch Farbe, Beleuchtung und lockere Warenpräsentation

250

Lampen- und Modegeschäfte

Textil- und Schuhgeschäfte

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

Derartige Konsumbedürfnisse stellen einerseits Ansprüche an das Produktangebot. In Zukunft werden solche Produkte präferiert, die sich auszeichnen durch:

Natürlichkeit, Gesundheit, Umweltverträglichkeit, Freizeiterlebnisse und Lebensfreude, Belohnungscharakter für anspruchsvolle Lebensstile. Eine derartige Orientierung stellt andererseits Ansprüche an die Produktpräsentation. Konsumerlebnisse beginnen beim Einkauf, und ein sensualistischer Konsument wird in einer erlebnisorientierten Ladenatmosphäre das Einkaufserlebnis als Bestandteil der gekauften Ware empfinden.“ (Weinberg 1986, S. 99) Einen einkaufsstättenspezifischen Erlebniswert definiert Weinberg (1986, S. 99) als „den subjektiv empfundenen, durch die Einkaufsstätte vermittelten Beitrag zur Lebensqualität des Konsumenten. Es handelt sich also um emotionale Einkaufserlebnisse, die in der Gefühls- und Erfahrungswelt der Konsumenten verankert sind und einen realen Beitrag zur Lebensqualität leisten.“ Die Erfassung von Erlebniswerten kann mittels Beobachtung oder Befragung erfolgen. Im Rahmen der Befragung können emotionale Erlebnisse auch mithilfe von Bilderskalen gemessen werden (vgl. ausführlich Weinberg 1986, S. 100f).

2.3

Anforderungen an eine erlebnisorientierte Ladengestaltung und Gestaltungsempfehlungen

Für die reale Ladengestaltung gilt (Weinberg 1986, S. 101f): „Die mittels Beobachtung und Befragung ermittelten emotionalen Erlebnisse, die Einkaufsstätten vermitteln, müssen immer strategisch ausgerichtet werden. Die Wahl der Erlebnisstrategie hängt von den genannten Faktoren der Lebensqualität ab: Lebensstandard, Lebenssinn, Familie und Kommunikation.“ Es ist wichtig, für die jeweilige Käuferstruktur zu prüfen, inwieweit die bekundeten Ladenbewertungen aktuelle Wertetrends ausdrücken und zu der damit angestrebten Lebensqualität passen. Mögliche Erlebnistrends sind (vgl. ausführlich Weinberg 1986) der Trend zur Individualisierung des Konsums, der Trend zur Natürlichkeit und der Trend zur Kommunikation. Die Variablen zur erlebnisbetonten Ladengestaltung sind vielfältig. Dazu zählen nach Weinberg (1986, S. 101f) insbesondere

Farben und Formen,

251

Peter Weinberg und Sandra Diehl

Pflanzen und Tiere, Beleuchtung und Dekoration, Musik und Bilder. Zusammenfassend bleibt festzuhalten (Weinberg 1986, S. 102): „Die erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung ist eine bewusste Gestaltung des Images. Handelsunternehmen mit Betrieben unterschiedlichen Typs oder auch verschiedenen Programmen in einem Geschäft müssen prüfen, ob und inwieweit eine erlebnisorientierte Imagepolitik für jedes Geschäft bzw. jede Abteilung betrieben werden kann. Dabei wird die gewählte Strategie der Ladengestaltung am stärksten unterstützt von Werbung und Public Relations als primären Instrumenten der Imagegestaltung.“ Erlebnisorientierte Ladengestaltung ist auch ein Element der Stärkung von Handelsmarken (vgl. Schweiger und Strebinger 2003). Neben den oben genannten Trends spielt auch die Preisorientierung der Konsumenten eine wichtige Rolle, die zu einer starken Bedeutungszunahme von Discountern in Deutschland geführt hat. Vor diesem Hintergrund ist eine erlebnisorientierte Ladengestaltung auch eine gute Strategie für ein Handelsunternehmen, um sich der Preisspirale nach unten zu entziehen. Die Anforderung, die Erlebnisvermittlung als strategischen Prozess zu begreifen und an aktuellen Wertetrends der Konsumenten zu orientieren, lässt sich ebenfalls auf die virtuelle Ladengestaltung übertragen. Auch hier ist es erforderlich, die Art des gewählten Erlebnisses an der Unternehmensstrategie auszurichten und sich bewusst zu werden, dass es sich um einen geplanten, langfristig ausgerichteten Prozess handeln sollte. Des Weiteren ist es bei Internetshops ebenfalls wichtig, Erlebnisse auszuwählen, die den aktuellen Bedürfnissen der Kunden entgegenkommen und zu ihrem Lebensstil passen. In Bezug auf die konkreten Gestaltungsempfehlungen müssen natürlich Adaptionen vorgenommen werden, so ist beispielsweise die Einrichtung von Ruhezonen nicht erforderlich. Bilder, Farben, Beleuchtung, Dekoration, Abbildungen von Pflanzen, Interaktionsmöglichkeiten mit dem Verkaufspersonal (beispielsweise durch den Einsatz von Avataren – künstliche Personen oder grafische Stellvertreter einer echten Person in der virtuellen Welt – , vgl. z.B. Bauer et al. 2005; Diehl 2002; Diehl und Terlutter 2002) und auch Musik spielen jedoch bei der virtuellen Ladengestaltung ebenfalls eine wichtige Rolle, um eine angenehme Atmosphäre des Onlineshops zu erzielen. Zu einer ausführlichen Erläuterung, wie geeignete Erlebniswelten für Marken und Einkaufsstätten ausgewählt und umgesetzt werden können, vgl. Weinberg und Diehl (2005).

252

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

3

Ein Verhaltensmodell für reale Läden und virtuelle Läden im Internet

3.1

Allgemeine Überlegungen zur Möglichkeit des Transfers von Erkenntnissen der realen Ladengestaltung auf die virtuelle Ladengestaltung

Zunächst ist zu prüfen, ob Erkenntnisse der gut erforschten realen Ladengestaltung auf virtuelle Läden übertragen werden können. Eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse der Umweltpsychologie auf virtuelle Läden kann aus mehreren Gründen angenommen werden: 1. Der Konsument konstruiert seine Wirklichkeit durch reale Erfahrungen und durch medial vermittelte Erfahrungen. Er ist häufig nicht in der Lage, zwischen Erfahrungs- und Medienumwelt zu unterscheiden (vgl. Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 419). 2. Zudem verwischen die Erlebnisquellen von Konsumerlebnissen langfristig immer mehr, da Inhalt und Quelle der Nachricht nach einiger Zeit nicht mehr gedanklich miteinander verknüpft sind – ein Effekt, der in der Psychologie als „Sleeper-Effekt” bezeichnet wird (vgl. McGuire 1985, S. 290ff). Das bedeutet, dass der Konsument im Extremfall nach einiger Zeit nicht mehr weiß, ob es sich um eine medial gemachte oder selbst erlebte Erfahrung handelt. 3. Durch dreidimensionale virtuelle Läden wird ein Raum aufgespannt, der räumliche Bewegungen des Betrachters ermöglicht. Das Eintauchen in virtuelle Welten wird aufgrund der zunehmenden Immersions- und Interaktionsmöglichkeiten immer leichter möglich und ist mit einem immer intensiveren und realeren Raumerleben verbunden. 4. Ausdrücke wie „Datenautobahn”, „Cyberspace” und „Internetsurfen” aus dem praktischen Sprachgebrauch weisen darauf hin, dass Menschen auch virtuelle Welten als Räume auffassen, und legen eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse der Umweltpsychologie ebenfalls nahe (vgl. ausführlich Diehl 2002a, S. 94ff).

253

Peter Weinberg und Sandra Diehl

3.2

Entwicklung eines Verhaltensmodells für reale und virtuelle Läden

Wie bereits in Kapitel 1 erläutert, liefert die Umweltpsychologie wichtige Erkenntnisse für die verhaltenswirksame Gestaltung von realen Umwelten, deren Übertragbarkeit auf die virtuelle Ladengestaltung in Kapitel 3.2 begründet wurde und für die im Folgenden der empirische Nachweis erfolgen soll. Das konzipierte Verhaltensmodell basiert auf dem umweltpsychologischen Modell von Mehrabian und Russell (1974), das in dem vorliegenden Beitrag grundlegende Erweiterungen und Modifizierungen erfährt. Das umweltpsychologische Modell von Mehrabian und Russell (1974) basiert auf dem S-O-R-Paradigma: Die Reize einer Umwelt (S) wie Musik, Düfte, Farben etc., die auch als Informationsrate bezeichnet werden (vgl. Mehrabian 1978, S. 16), lösen emotionale Reaktionen (I) aus, die – als intervenierende Variablen – das Verhalten (R) gegenüber der Umwelt beeinflussen. Aufgrund von Persönlichkeitsunterschieden (P) reagieren Individuen gegenüber einer Umwelt unterschiedlich. Im Folgenden werden die Erweiterungen des klassischen umweltpsychologischen Modells diskutiert (vgl. ausführlich Diehl 2002a, S. 94ff). Das umweltpsychologische Modell von Mehrabian und Russell (1974), das dem emotionalen Ansatz der Umweltpsychologie zuzurechnen ist, lässt kognitive Variablen unberücksichtigt. In das Verhaltensmodell für virtuelle Läden wird die kognitive Variable Orientierungsfreundlichkeit integriert, von der ein wichtiger Einfluss auf das Gefallen der Umwelt erwartet wird (vgl. z.B. Bost 1987; Grossbart und Rammohan 1981; Gröppel-Klein, Bartmann und Germelmann 2005). In dem Modell von Mehrabian und Russell (1974) wird keine zeitliche Abstufung der intervenierenden Variablen Lust-Unlust und Erregung-Nichterregung vorgenommen, in der vorliegenden Untersuchung wird jedoch die Auffassung vertreten, dass Aktivierung ein der emotionalen Dimension Lust-Unlust vorgeschalteter Prozess ist. Einer Definition von Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 106) folgend sind Emotionen „innere Erregungsvorgänge, die angenehm oder unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewusst erlebt werden“. Aktivierung als ein innerer Erregungsvorgang ist eine Grundvoraussetzung für das Zustandekommen von Emotionen und demnach ein der Emotion vorgeschalteter Prozess. Emotionen stellen zentralnervöse Erregungsmuster dar, die vom Individuum kognitiv interpretiert werden (KroeberRiel und Weinberg 2003, S. 56). Aktivierung, die das Individuum als angenehm bewertet, führt deshalb zum Gefallen einer Umwelt. Auch Erkenntnisse der Lebensstilforschung werden auf ihren Erkenntnisbeitrag für virtuelle Läden geprüft. Es ist zu erwarten, dass die Übereinstimmung, die der Konsument zwischen seinem Lebensstil und dem Geschäft wahrnimmt, eine wichtige Rolle bei den Präferenzen des Konsumenten für das Geschäft darstellt. Der Lebensstil wird in Form der Übereinstimmung des Kunden mit dem Geschäft („Match-Up”) in

254

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

das Verhaltensmodell für reale und virtuelle Läden integriert. Von einem wahrgenommenen „Match-Up” werden positive Auswirkungen auf das Gefallen des Geschäftes erwartet. Der Kritik an der von Mehrabian und Russell verwendeten Variable Persönlichkeit (vgl. Terlutter 2000, S. 206f) wird im vorliegenden Beitrag gefolgt – die Variable wird im Verhaltensmodell durch den Lebensstil ersetzt. Ein weiterer Forschungsansatz, der untersucht wurde, ist die Involvementforschung. Hier interessiert die Bedeutung des Involvements, das der Konsument vor dem Betreten des Geschäftes besitzt und von dem eine positive Wirkung auf die Aktivierung des Konsumenten und seine Annäherungsabsichten an die Umwelt erwartet wird. Das Involvement wird ebenfalls in das Verhaltensmodell integriert (vgl. Diehl 2002a, S. 116f). Die nachstehende Übersicht gibt einen Überblick über die aus der Umweltpsychologie, der Lebensstilforschung und Involvementforschung abgeleiteten Hypothesen für das Verhaltensmodell für reale und virtuelle Läden:

Abbildung 3-1:

H1: H2: H3: H4: H5:

H6: H7:

Übersicht über die Hypothesen des Verhaltensmodells für reale und virtuelle Läden

Je höher die Informationsrate des Geschäftes ist, desto höher ist die Aktivierung der Besucher. Je höher die Aktivierung der Besucher ist, desto besser gefällt den Besuchern das Geschäft. Je besser sich die Besucher in dem Geschäft orientieren können, desto besser gefällt ihnen das Geschäft. Je besser den Besuchern das Geschäft gefällt, desto stärker ist die Annäherungsabsicht der Besucher an das Geschäft. Je höher die empfundene Übereinstimmung zwischen dem Lebensstil der Besucher und dem Geschäft ist, desto besser gefällt den Besuchern das Geschäft. Je höher das Involvement der Besucher ist, desto höher ist die Aktivierung der Besucher. Je höher das Involvement der Besucher ist, desto stärker ist die Annäherungsabsicht der Besucher an das Geschäft.

Grafisch dargestellt ergibt sich das Modell in Abbildung 3-2, das in realen Läden in Deutschland, USA und Frankreich und in dem virtuellen Laden empirisch überprüft wird.

255

Peter Weinberg und Sandra Diehl

Abbildung 3-2:

Verhaltensmodell für reale und virtuelle Läden

Informationsrate Informationsrate

Aktivierung Aktivierung

Involvement Involvement

AnnäherungsAnnäherungsabsicht absicht

Lebensstil Lebensstil

Gefallen Gefallen

OrientierungsOrientierungsfreundlichkeit freundlichkeit

3.3

Beschreibung des für die Studie konzipierten virtuellen Ladens

Der virtuelle Laden wurde speziell für die vorliegende Untersuchung konzipiert und basiert auf der Vorlage eines der untersuchten realen Geschäfte. Die Konzeption erlebnisorientierter Internetshops steht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung. Ein Schwerpunkt der Analyse liegt in der Überprüfung der Übertragbarkeit der Erkenntnisse der realen Ladengestaltung auf die virtuelle Ladengestaltung. Da zu vermuten ist, dass dreidimensionale Läden besser zu einer Erlebnisvermittlung geeignet sind als zweidimensionale Läden, wurde als Darstellungsform für den virtuellen Laden ein dreidimensionaler Laden gewählt. In der vorliegenden Studie wurde ein virtuelles Einrichtungshaus untersucht. Bisher existieren im Internet aufgrund technischer Restriktionen nur rudimentäre Ansätze dreidimensionaler Läden, Shopping-Center, Messen oder Hotels (vgl. z.B. www.rolfbenz.de 6900-

256

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

Webspecial-Mix&Match; www.stilwerk.de Panoramabilder; www.jobfair24.de; www.gastwerk-hotel.de virtueller Rundgang; www.haribo.de Shop), die z.B. die eigene Farbgestaltung von Möbeln, das eigenständige Navigieren oder das direkte Anklicken und Bestellen der Produkte ermöglichen. Die vorliegende Untersuchung bietet damit den Vorteil, Erkenntnisse über eine zukunftsträchtige, neuartige Darstellungsform zu generieren. Wie kurz bereits beschrieben, wurde der untersuchte dreidimensionale Laden nach der Vorlage eines realen Geschäftes konzipiert. Das spezielle Ladengestaltungskonzept wurde gewählt, da umweltpsychologische Erkenntnisse zur Erzeugung einer emotional anregenden Ladenatmosphäre berücksichtigt werden (angenehme Beleuchtung, aktivierende Farben, z.B. gelbe Wände, Dekoration, wie z.B. Vorhänge und Grünpflanzen, sowie der Einsatz von Musik). Dies spiegelt sich auch in den sehr guten Beurteilungen der Konsumenten bei Befragungen in den realen Läden wider. Auch in dem virtuellen Laden wurde darauf geachtet, eine emotional anregende Ladenatmosphäre durch die Beleuchtung, die Farben, die Dekoration etc. zu erzielen. Abbildung 3-3 gibt den Bereich des realen Ladens wieder, der als Vorlage für den dreidimensionalen virtuellen Laden diente. Für die Erstellung des virtuellen Ladens wurde das 3D-CAD-Programm PYTHA Version 15.0 der Firma PYTHA Lab, Aschaffenburg, verwendet. Die Neuartigkeit des Ladens besteht vor allem darin, dass es sich um einen dreidimensionalen Laden handelt, durch den die Personen in Echtzeit gehen können. In Echtzeit bedeutet, dass von den Befragten vorgenommene Bewegungen oder Veränderungen im Laden sofort lichttechnisch neu berechnet und dargestellt werden, ohne dass die Nutzer Verzögerungen wahrnehmen. Der virtuelle Laden bietet den Probanden eine Vielzahl von Interaktionsmöglichkeiten, auf die ein direktes Feedback des Systems erfolgt. Er ermöglicht unter anderem die Bewegung durch den virtuellen Raum, einen Wechsel der Perspektive, die Beteiligung an der Ladengestaltung, die Individualisierung des Informationsabrufs und die Beteiligung an der Produktgestaltung. Im Einzelnen hatten die Probanden folgende Interaktionsmöglichkeiten: Sie konnten

selbstständig durch den Laden navigieren, die Betrachtungs-Perspektive verändern, z.B. eine Zentral-, Vogel- oder eine Froschperspektive wählen,

ausgewählte Produkte in einer Rundumansicht betrachten, Objekte verschieben, Schubladen und Schranktüren öffnen, die Farben und Materialien der ausgestellten Produkte (z.B. Muster des Geschirrs), der Wände (z.B. verschiedene Wandfarben), des Bodens (z.B. Parkett oder Fliesen) und der Teppiche verändern,

257

Peter Weinberg und Sandra Diehl

Informationen zu den Produkten sowohl schriftlich als auch akustisch abrufen, Hintergrund-Musik abrufen, sich von dem Verkaufspersonal begrüßen lassen, die Dekoration verändern, z.B. die Bilder an der Wand austauschen, den Blick aus dem Laden variieren, beispielsweise anstelle der voreingestellten Parklandschaft die Kulisse von Lissabon, einer Karibik-, Alpen-Landschaft oder der New Yorker Skyline auswählen, so dass der Eindruck entstehen konnte, in einer anderen (Wunsch-)Umgebung einzukaufen,

die Beleuchtung variieren. Abbildung 3-4 zeigt den virtuellen Laden.

Abbildung 3-3:

258

Realer Laden, der als Vorlage für den dreidimensionalen virtuellen Laden diente

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

Abbildung 3-4:

Screenshots des dreidimensionalen virtuellen Ladens

Durch den Einsatz verschiedener Medien – neben der visuellen Komponente wurden akustische Produktinformationen und Musik eingesetzt – werden mehrere Sinnesmodalitäten angesprochen. Zusätzlich war in den virtuellen Laden, der den Befragten präsentiert wurde, eine virtuelle Verkaufsberaterin integriert, die durch das Abbild einer realen Person dargestellt wurde. Die Verkaufsberaterin war an zentraler Stelle im Laden platziert (vgl. Abb. 3-5) und begrüßte die Personen akustisch. Es handelt sich um einen dreidimensionalen screen-based virtuellen Laden (d.h., der Nutzer ist an einen Computerbildschirm gebunden) mit Desktop-Virtual Reality (vgl. zu einer Klassifizierung virtueller Läden Diehl 2002, S. 17ff).

259

Peter Weinberg und Sandra Diehl

Abbildung 3-5:

4

In den virtuellen Laden integrierte Verkaufsberaterin

Ergebnisse der empirischen Studien

Bevor die Ergebnisse dargestellt werden, soll zunächst ein Überblick über die durchgeführten empirischen Studien gegeben werden. Es wurden Untersuchungen in realen Läden in den drei Ländern Deutschland, USA und Frankreich durchgeführt sowie eine Studie zur virtuellen Ladengestaltung in Deutschland. In den realen Geschäften wurde stets die typische Kundenaltersstruktur und Geschlechtsverteilung der Kunden von Villeroy & Boch berücksichtigt, im virtuellen Laden lag die Altersstruktur der Befragten zwischen 18 und 43 Jahre (zu einer ausführlicheren Beschreibung der Stichprobe und des Untersuchungsablaufes vgl. Diehl 2002a, S. 183ff).

260

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

Tabelle 4-1:

Überblick über die durchgeführten empirischen Studien

Bezeichnung der Studie

Land und Ort der Befragung

Anzahl der befragten Personen

Studie Trier

Deutschland - Trier, Simeonstraße

207

Studie Paris

Frankreich - Paris, Boulevard St. Germain

155

Studie New York

USA - New York, Madison Avenue

203

Studie virtuelle Ladengestaltung

Deutschland - Saarbrücken, Universität des Saarlandes, Institut für Konsum- und Verhaltensforschung

378

4.1

Ergebnisse der Prüfung des Verhaltensmodells für reale Läden in Deutschland, USA und Frankreich

Im Folgenden werden die Ergebnisse der internationalen empirischen Studien zur realen Ladengestaltung kurz zusammengefasst. Sie sollten zeigen, ob das untersuchte standardisierte Ladengestaltungskonzept in den drei ausgewählten Ländern Deutschland, USA und Frankreich einheitliche Wirkungen bei den Konsumenten hervorruft. Das Modell zur Wirkung von Ladengestaltung (vgl. Abbildung 3-2) konnte kausalanalytisch für jedes Land bestätigt werden. Alle aufgestellten Hypothesen konnten angenommen werden. Das Modell wies für jedes Land eine hohe Güte auf (vgl. detailliert Diehl 2002, S. 196ff). Anschließend wurden die drei Modelle im Rahmen von kausalanalytischen Mehrgruppenanalysen auf signifikante Unterschiede in den Parameterschätzungen untersucht. Es zeigte sich, dass nur wenige und auch nur bilaterale Unterschiede bestehen. Damit konnte der empirische Nachweis erbracht werden, dass das entwickelte Modell zur Wirkung von Ladengestaltung internationale Gültigkeit besitzt. Das Ladengestaltungskonzept kann demnach in allen drei Ländern in standardisierter Form eingesetzt werden. Es soll analysiert werden, ob das Modell zur Wirkung realer Ladengestaltung auch auf virtuelle Läden übertragen werden kann. Im Folgenden werden die empirischen Studien zur virtuellen Ladengestaltung kurz vorgestellt und eine Übertragbarkeit des Modells auf virtuelle Läden geprüft.

261

Peter Weinberg und Sandra Diehl

4.2

Ergebnisse der Prüfung der Übertragbarkeit des Verhaltensmodells auf virtuelle Läden

Wie in den empirischen Untersuchungen zur realen Ladengestaltung erfolgte die Datenerhebung mittels eines Fragebogens, der dem jeweiligen Probanden unter Aufsicht eines Interviewers zur Selbstausfüllung vorgelegt wurde (zu einer detaillierteren Beschreibung der Stichprobe und des Untersuchungsablaufes vgl. Diehl 2002a, S. 183ff). Dadurch sollten Einflüsse aus der Art der Datenerhebung im Vergleich mit den Studien zur realen Ladengestaltung ausgeschlossen werden. Es wurde auf eine computerunterstützte Befragung verzichtet, da es erforderlich gewesen wäre, den Testpersonen gleichzeitig zwei Bildschirme zu zeigen, was unter Umständen zu einer Ablenkung von dem virtuellen Laden geführt hätte. Nachdem die internationale Eignung des emotionalen Ladengestaltungskonzeptes für reale Läden nachgewiesen werden konnte, sollte in einem zweiten Schritt überprüft werden, ob das virtuelle Ladengestaltungskonzept ähnliche Wirkungen bei den Konsumenten auslöst wie das reale Ladengestaltungskonzept. Das in Kapitel 3.2 aufgestellte Kausalmodell wurde hierfür auf den Datensatz der virtuellen Läden angewandt. Besitzt das Kausalmodell auch für virtuelle Läden Gültigkeit, kann die Vermutung aufgestellt werden, dass das virtuelle Ladengestaltungskonzept ebenso wie das reale Konzept auf internationale Akzeptanz stoßen wird. Diese Vermutung müsste allerdings durch einen internationalen Vergleich der Wirkung des virtuellen Ladengestaltungskonzeptes empirisch überprüft werden. Dieser Vergleich muss aus forschungsökonomischen Gründen weiteren Arbeiten überlassen werden.

4.3

Ergebnisse der kausalanalytischen Prüfung des Modells für virtuelle Läden

Abbildung 4-1 zeigt das Kausalmodell für virtuelle Läden (vgl. Kap. 3.2) mit allen Schätzwerten. Alle Pfadkoeffizienten waren signifikant. Das Modell weist eine hohe Güte auf (vgl. ausführlich Diehl 2002a, S. 218ff). Wie bereits bei den realen Läden festgestellt, übt die Informationsrate einer Umwelt einen starken Einfluss auf die empfundene Aktivierung aus (J11 = 0,69). Aber auch das vorhandene Involvement beeinflusst die Aktivierung wiederum in signifikanter Art und Weise (J12 = 0,13). Sind die Konsumenten der Ansicht, dass das Geschäft gut zu ihrem Lebensstil passt, wirkt sich dies wie bei den realen Geschäften stark positiv auf das Gefallen des Geschäftes aus (J23 = 0,35). Die wahrgenommene Orientierungsfreundlichkeit des Geschäftes hat ebenfalls signifikante Auswirkungen auf das Gefallen (J24 = 0,11). In der Literatur über das Internet wird die Bedeutung der Orientierungsfreundlichkeit stark hervorgehoben. 262

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

Wie die empirische Untersuchung zeigte, hat die Orientierungsfreundlichkeit allerdings keinen höheren Einfluss auf das Gefallen des virtuellen Ladens als in den realen Geschäften. Am stärksten beeinflusst – wie in allen drei Ländern bei der realen Ladengestaltung bereits festgestellt – die empfundene Aktivierung, ob den Konsumenten das Geschäft gefällt (E21 = 0,68). Das Gefallen hat theoriekonform auch in virtuellen Umwelten einen starken Einfluss auf die Annäherungsabsicht gegenüber einer Umwelt (E32 = 0,76). Fühlt sich der Konsument in dem virtuellen Geschäft wohl, hat er auch Lust, länger in dem Geschäft zu verweilen. Des Weiteren ist sein Such- und Erkundungsverhalten stärker ausgeprägt und seine Kaufbereitschaft steigt.

Abbildung 4-1:

Pfaddiagramm zur kausalanalytischen Prüfung des Modells für virtuelle Läden mit allen Schätzwerten (Maximum-Likelihood-Schätzung, Programm AMOS 4.1) (zur ausführlichen Operationalisierung der Variablen vgl. Diehl 2002, S. 192ff)

aktiv aktiv yy1 1 vielfältig vielfältig xx1 1

0,88

abwechsabwechslungsreich lungsreich xx2 2

0,87

Interesse Interesse an an Computern Computern xx3 3 Spaß Spaß am am Internet Internet xx4 4 Geschäft Geschäft passt passt zu zu mir mir xx5 5

anregend anregend yy2 2

0,71 Informationsrate Informationsrate [[

0,59

0,83

0,69 Aktivierung Aktivierung KK

0,13 Involvement Involvement [[

0,77 0,19

0,79

AnnäherungsAnnäherungsabsicht absicht KK

0,68 1

OrientierungsOrientierungs- 1 freundlichkeit freundlichkeit xx6 6

Lebensstil Lebensstil [[

0,35 0,76

0,11 OrientierungsOrientierungs-[ freundlichkeit freundlichkeit

Gefallen Gefallen KK

0,87 LadenatmosLadenatmosphäre phäre gefällt gefällt yy3 3

0,78 Geschäft Geschäft gefällt gefällt yy4 4

Stöbern Stöbern yy5 5

0,63

SpontankaufSpontankaufbereitschaft bereitschaft yy6 6

0,71

VerweilVerweildauer dauer yy7 7

Gütemaß

Anforderung

GFI AGFI CFI NFI IFI RMR RMSEA Chi²/df

t 0,9 t 0,9 t 0,9 t 0,9 t 0,9 d 0,05 d 0,08 d 2,5

Wert des Kausalmodells 0,95 0,91 0,96 0,93 0,96 0,048 0,063 1,8

Wie aus den oben stehenden Ausführungen ersichtlich ist, besitzt das entwickelte Verhaltensmodell auch für virtuelle Läden Gültigkeit. Damit konnte ein Modell zur Wirkung von Ladengestaltung entwickelt werden, das das Verhalten sowohl in realen Läden als auch in virtuellen Läden erklären kann. Es kann deshalb angenommen werden, dass sich Erkenntnisse der realen Ladengestaltung auf die virtuelle Laden-

263

Peter Weinberg und Sandra Diehl

gestaltung übertragen lassen. Darüber hinaus zeigten die Studien zur realen Ladengestaltung in Deutschland, Frankreich und den USA, dass sich das Modell international bewähren konnte.

4.4

Unterschiede in den Modellen der realen internationalen Ladengestaltung und der virtuellen Ladengestaltung

Es konnte gezeigt werden, dass das entwickelte Kausalmodell auch für den Datensatz der virtuellen Ladengestaltung Gültigkeit besitzt. Im Folgenden soll analysiert werden, ob es in der Stärke der Zusammenhänge signifikante Unterschiede in den Modellen gibt – ob z.B. die Tatsache, dass das Geschäft zu dem eigenen Lebensstil passt, in virtuellen Läden einen stärkeren Einfluss auf das Gefallen des Geschäftes hat als in realen Läden. Hierfür wurde wiederum eine Mehrgruppenanalyse durchgeführt. Der deutsche, französische und US-amerikanische Datensatz der realen Läden wurden zu einer Gruppe zusammengefasst, der Datensatz des virtuellen Ladens bildete die zweite Gruppe. Wie sich im Rahmen der Mehrgruppenanalyse zeigte, gab es nur wenige signifikante Unterschiede zwischen den Modellbeziehungen der realen Ladengestaltung und der virtuellen Ladengestaltung. Es ergaben sich lediglich bei zwei Modell-Beziehungen signifikante Unterschiede:

In dem virtuellen Laden beeinflusst die Wahrnehmung, dass das Geschäft zu dem eigenen Lebensstil passt, das Gefallen signifikant stärker als in den realen Läden.

Das Gefallen des Geschäftes hat im virtuellen Laden einen signifikant stärkeren Einfluss auf die Annäherungsabsicht als in realen Läden. Die Unterschiede legen die folgenden Schlüsse nahe: Eine adäquate Ansprache des Lebensstils der Zielgruppe bei virtuellen Läden scheint eine wichtigere Rolle zu spielen als bei realen Geschäften, um eine positive Beurteilung des Geschäftes zu erreichen. Die Bedeutung des Lebensstils in virtuellen Läden wird noch dadurch verstärkt, dass das Gefallen des Geschäftes in dem virtuellen Laden einen stärkeren Einfluss auf die Annäherungsabsichten nimmt als in den realen Läden. Das bedeutet: Entspricht das virtuelle Geschäft dem Lebensstil der Zielgruppe, führt dies zu einem höheren Gefallen und das höhere Gefallen beeinflusst die Annäherungsabsicht stärker als in realen Geschäften. Ein besonderes Augenmerk sollte in virtuellen Läden deshalb darauf gelegt werden, dass das Geschäft dem Lebensstil der Zielgruppe entspricht. Als Resümee aus der Überprüfung des Kausalmodells und der kausalanalytischen Mehrgruppenanalyse lassen sich zwei zentrale Ergebnisse festhalten:

Das Gesamtmodell besitzt für reale und virtuelle Läden Gültigkeit, und 264

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

die Wirkungsbeziehungen der Variablen innerhalb des Modells erwiesen sich in realen und virtuellen Läden als weitgehend identisch. Aufgrund der geringen Unterschiede zwischen den realen Läden und dem virtuellen Geschäft kann vermutet werden, dass der virtuelle Laden auch in anderen Ländern standardisiert einsetzbar ist.

5

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vergleichs von realer und virtueller erlebnisorientierter Ladengestaltung und Handlungsempfehlungen für die Gestaltung erlebnisorientierter Onlineshopping-Angebote

Das Verhaltensmodell für reale und virtuelle Läden kann sowohl für reale Läden in Deutschland, Frankreich und den USA, als auch für den virtuellen Laden kausalanalytisch bestätigt werden. Die Güte des Kausalmodells, die ausführlich geprüft wurde, hat sich als hoch erwiesen (vgl. Diehl 2002a, S. 196ff). Zusammenfassend zeigen die empirischen Untersuchungen, dass man von weitgehend einheitlichen Wirkungsbeziehungen der untersuchten Variablen in realen und virtuellen Läden ausgehen kann. Dies hat die wichtige Erkenntnis zur Folge, dass reale und virtuelle Umwelten ähnliche Wirkungen auf den Konsumenten ausüben, z.B. führt eine höhere Aktivierung des Kunden in beiden Umwelten zu einem höheren Gefallen. Die Wirkungszusammenhänge der realen Welt lassen sich auf das Internet übertragen, so dass Erkenntnisse und Gesetzmäßigkeiten der realen Ladengestaltung auch für virtuelle Läden Gültigkeit besitzen. Für die reale Ladengestaltung wurden in Kapitel 2.3 bereits einige Gestaltungsempfehlungen aufgestellt. Im Folgenden werden aus den theoretischen und empirischen Ausführungen Handlungsempfehlungen für die Gestaltung verhaltenswirksamer virtueller Läden abgeleitet (vgl. ausführlich Diehl 2002a, S. 300ff). Es erfolgt eine Beschränkung auf die wichtigsten operativen Handlungsempfehlungen. In operativer Hinsicht können vier zentrale übergreifende Handlungsempfehlungen für eine verhaltenswirksame Gestaltung virtueller Läden im Internet gegeben werden. Diese vier übergeordneten Kriterien haben sich als zentrale Erfolgsfaktoren des erlebnisorientierten Electronic Shopping erwiesen, sowohl für die emotionale An-

265

Peter Weinberg und Sandra Diehl

sprache der Surfer als auch zur Erleichterung kognitiver Prozesse. Die vier Kriterien sind

die Dreidimensionalität des virtuellen Ladens, die Realitätsnähe des virtuellen Ladens, die Interaktionsmöglichkeiten des virtuellen Ladens und die multisensuale Ansprache der Konsumenten. Dreidimensionalität Die dreidimensionale Darstellungsform erweist sich als vorteilhaft in Bezug auf emotionale und kognitive Reaktionen des Nutzers. Sie erhöht die Orientierungsfreundlichkeit des Geschäftes und die Fähigkeit der Kunden, sich ein klares Bild von dem virtuellen Laden zu machen. Sie ist zudem besser zur Erlebnisvermittlung geeignet als die zweidimensionale Darstellung. Damit kann einem erlebnisorientierten Internetshopping-Anbieter eindeutig eine dreidimensionale Darstellung seines Angebotes empfohlen werden. Realitätsnähe Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, den virtuellen Laden möglichst realitätsnah zu gestalten. Realitätsnah gestaltete Läden wirken auf den Konsumenten aktivierend und sprechen ihn emotional an. Um eine möglichst hohe Realitätsnähe zu erzielen, ist es wichtig Bilder, Videos und Geräusche (am besten Originalgeräusche) einzusetzen. Es sollte versucht werden, sich bei der Gestaltung des virtuellen Ladens an realen Läden zu orientieren. Das Ausmaß der angestrebten Realitätsnähe virtueller Läden sollte auf keinen Fall dazu führen, durch zu hohe Detailtreue Nachteile eines realen Ladens auf den virtuellen Laden zu übertragen. Deshalb sollten den Kunden auf alle Fälle die Unannehmlichkeiten realer Läden, wie beispielsweise das Zurücklegen langer Wegstrecken, Wartezeiten an der Kasse etc., erspart werden. Die Verwendung der räumlichen Metapher eines realen Ladens in virtuellen Läden sollte den Einkauf im Internet erleichtern. Interaktionsmöglichkeiten Bei einem Vergleich von verschiedenen Versionen eines virtuellen Ladens wurde der interaktive virtuelle Laden eindeutig am besten beurteilt (vgl. Diehl 2002a, 287ff). Daraus kann gefolgert werden, dass ein interaktiver virtueller Laden die beste Darstellungsversion für einen verhaltenswirksamen Laden im Internet darstellt. Der virtuelle Laden sollte demnach nicht nur dreidimensional, sondern zusätzlich möglichst interaktiv gestaltet sein. Der selbst gesteuerten Navigation (der Möglichkeit, selbst in dem Laden stöbern zu können, ohne einem festgelegten Pfad folgen zu müssen) wurde eine hohe Bedeutung beigemessen.

266

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

Abbildung 5-1 gibt – abgeleitet aus den empirischen Ergebnissen – einen zusammenfassenden Überblick über die Bedeutung, die die einzelnen Interaktionsmöglichkeiten in einem virtuellen Laden für die Konsumenten besitzen.

Abbildung 5-1:

Bedeutung der einzelnen Interaktionsmöglichkeiten für die Konsumenten (vgl. Diehl 2002a, S. 311)

Bewegung in dem virtuellen Raum, eigenbestimmtes Navigieren und Interagieren

1

Internetspezifische Gestaltungselemente (z.B. Veränderung von Farben und Materialien)

2 3a

Interaktion mit produktspezifischem Nutzen (z.B. Beteiligung an Produktkonzeptionen)

3b

Möglichkeit der individuellen Warenpräsentation (nach eigenen Ordnungskriterien) Atmosphärische Gestaltungselemente (z.B. Musik)

5

Einbeziehung der eigenen Person (als Besucher des Internetshops)

6 7

Optionen mit Event-Charakter (z.B. Gewinnspiele)

Bei der Konzeption eines verhaltenswirksamen virtuellen Ladens sollten möglichst viele Interaktionsmöglichkeiten angeboten werden. Die erstgenannten Optionen sollten auf alle Fälle integriert werden, die beiden Optionen 6 und 7 besitzen weniger Bedeutung. Multisensuale Ansprache Eine multisensuale Ansprache der Konsumenten erwies sich im Rahmen einer erlebnisorientierten virtuellen Ladengestaltung als sehr wichtig. Bei der Analyse der einzelnen Sinnesmodalitäten kommt der visuellen Ansprache der Kunden über das Internet zurzeit die größte Bedeutung zu. Die Konsumenten können sich gut vorstellen, wie die Produkte in der Realität aussehen. Auch die Vermittlung akustischer Reize ist vergleichsweise problemlos möglich. Als problematischer stellt sich die Haptik dar. Die Befragten gaben an, dass sie haptische Eindrücke beim Einkauf über das Internet vermissen. Es sollte deshalb verstärkt versucht werden, die Haptik der Produkte so gut wie möglich zu visualisieren. Zukünftig können haptische Eindrücke zunehmend über Hilfsmittel der Virtual Reality realitätsgetreuer vermittelt werden.

267

Peter Weinberg und Sandra Diehl

Das Gefühl, die Produkte vor dem Kauf einmal in die Hand nehmen zu können, wird stärker vermisst als der Geruch der Produkte. Dies liegt vermutlich daran, dass der Duft des Produktes auch beim Einkauf im stationären Handel aufgrund der Verpackung in der Regel nicht vor dem Kauf zugänglich ist. Produkte sollten durch geeignete Ausgabegeräte möglichst multisensual erlebbar werden. Dies erhöht neben einer verstärkten Erlebnisvermittlung die Realitätsnähe des Shops und die Informationsverarbeitung der Konsumenten. Virtual Reality wird dem User in Zukunft erlauben, in die virtuelle Welt einzutauchen und sich so zu bewegen wie in der realen Welt (vgl. zu einem Überblick über zukünftige Entwicklungen im Bereich der multisensualen Ansprache der Konsumenten Diehl 2000, S. 39ff). Wichtig ist, dass im Rahmen des Einsatzes von Stimuli unterschiedlicher Modalität auf eine kongruente Reizkonstellation geachtet wird, so dass dem Konsumenten ein einheitliches Erlebnis über die unterschiedlichen Sinne vermittelt wird.71 Zusammenfassend kann in Bezug auf die vier übergeordneten Handlungsempfehlungen festgehalten werden, dass das Ziel eines erlebnisorientierten Onlineshopping-Anbieters eine dreidimensionale, möglichst realitätsnahe Gestaltung des Internetshops sein sollte, die zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten integriert und eine multisensuale Ansprache bietet. Ein solcher Shop ermöglicht die Auslösung positiver emotionaler und kognitiver Reaktionen. Eine dreidimensionale Darstellung eines virtuellen Ladens erlaubt auch die dreidimensionale Betrachtung der Produkte aus unterschiedlichen Perspektiven, was die Vorstellung, wie die Produkte in der Realität aussehen, fördert. Zudem ermöglicht eine dreidimensionale Darstellung einen schnellen Überblick über die Produktpalette. Abschließend soll noch auf zwei Punkte hingewiesen werden: Auch zweidimensionale virtuelle Läden, z.B. Amazon, können natürlich ein erlebnisreiches Einkaufen ermöglichen. Die Entscheidung für einen zwei- oder dreidimensional gestalteten Shop sollte – nachdem sich der Internetanbieter für eine Erlebnisstrategie entschieden hat – immer noch in Abhängigkeit des Produktes getroffen werden. Für die hier untersuchten Einrichtungsgegenstände oder auch für Kleidung bietet sich eine dreidimensionale Gestaltung an, da die Produkte von allen Seiten betrachtet werden können, für andere Produktkategorien, z.B. Bücher, DVDs oder CDs, kann sicherlich auch eine zweidimensionale Darstellung ausreichend sein. Während die Erlebnisvermittlung in realen Geschäften schon sehr weit fortgeschritten ist, steht sie bei virtuellen Läden erst am Anfang. Zurzeit steht außer Frage, dass reale Läden virtuellen Läden in der Erlebnisvermittlung noch überlegen sind, z.B. was die multimodale Vermittlung von Erlebnissen oder die haptische, gustatorische, olfaktorische Prüfung der Produkte angeht. Durch die fortschreitende technologische Entwicklung wird neben einer verbesserten multimodalen Ansprache der Kon71

268

Diese Anforderung besitzt auch für die reale Einkaufsstättengestaltung hohe Relevanz (vgl. z.B. Weinberg und Salzmann 2005).

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

sumenten zukünftig sicherlich auch eine bedeutend intuitivere und leichtere Interaktion mit Onlineshops möglich sein. Eine wichtige Bedeutung im Rahmen der Erlebnisvermittlung wird nach Ansicht der Autoren besser entwickelten Avataren zukommen, mit denen zukünftig eine realitätsnähere soziale Interaktion möglich sein wird. Auch eher nützliche Funktionen, wie z.B. Recommender-Systeme, die vollautomatisch Empfehlungen aussprechen (siehe z.B. www.amazon.de: „Kunden, die Bücher von … gekauft haben, haben auch Bücher dieser Autoren gekauft: …“), können erlebnisorientierter gestaltet werden, wenn beispielsweise ein persönlich wählbarer Avatar diese Empfehlungen ausspricht und im Dialog mit dem Kunden weiterentwickelt.

269

Peter Weinberg und Sandra Diehl

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272

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

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273

Erlebnisorientierte Einkaufsstättengestaltung im stationären und virtuellen Einzelhandel

Teil 4 Werbung und aktuelle Fragen der Markenkommunikation

275

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

1

Einleitung ........................................................................................................................ 279

2

Theoretische Grundlagen und Hypothesen................................................................ 279 2.1 Grundlagen der Authentizitätsforschung.......................................................... 279 2.1.1 Authentizitätsbegriff ................................................................................ 279 2.1.2 Ursachen der Authentizität ..................................................................... 280 2.1.3 Ideale als Vergleichsmaßstab der Authentifikation ............................. 282 2.2 Wirkung authentischer Werbung........................................................................ 285 2.2.1 Verarbeitung authentischer Informationen........................................... 285 2.2.2 Beurteilung authentischer Werbung ...................................................... 286 2.2.3 Werbewirkung aus Selbstkonzept-Perspektive .................................... 286 2.2.4 Unterschiede zwischen Konsumenten in der Beurteilung von Authentizität ............................................................................................. 288

3

Methodik ......................................................................................................................... 290

4

Ergebnisse ....................................................................................................................... 293 4.1 Informationsverarbeitung.................................................................................... 293 4.2 Einstellungen zur Werbeanzeige......................................................................... 294 4.3 Selbstbezug ............................................................................................................ 296 4.4 Einfluss des Medienkonsums auf Authentizitätsbeurteilung und Einstellung ............................................................................................................. 298

5

Diskussion ....................................................................................................................... 299

277

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

Abstract

Werbung stellt meist idealisierte Welten dar und zeigt Lebenssituationen, denen Konsumenten mit Hilfe der beworbenen Produkte nacheifern sollen, wie „magical moments we would like to experience“ (Schudson 1984, S. 221). In letzter Zeit finden sich jedoch Beispiele für Werbekampagnen, die sich absichtlich gegen diese idealtypische Art der Darstellung stellen und ganz normale, aus dem Leben gegriffene – eben authentische – Situationen als Werbegeschichte verwenden. Authentische Werbung bildet Personen und Situationen möglichst echt nach und spiegelt dabei einen Aspekt des umfassenden Bedeutungsgeflechtes des Begriffes Authentizität wider. Eine besondere Rolle kommt dabei den Werbefiguren (Testimonials) zu. Techniken zur Authentifikation von Werbefiguren sind die Nachbildung von „normalen“ Konsumenten oder die Darstellung der wahren Persönlichkeit lebensnaher oder berühmter Werbefiguren. Dieser Beitrag vergleicht am Beispiel des äußeren Erscheinungsbildes von Frauen in Werbeanzeigen die Verwendung „normaler“ Konsumenten als lebensnahe Werbefiguren mit idealisierten Werbefiguren. Dabei wird untersucht, wie authentische und idealtypische Werbung verarbeitet wird und welche Auswirkungen die unterschiedlichen Motive auf die Einstellung zur Werbeanzeige haben. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob Konsumenten Abbildungen, die „das wahre Leben“ zeigen, stärker auf sich beziehen als idealisierte Abbildungen. Schließlich ist von Interesse, inwiefern sich Konsumenten in der Wahrnehmung der Authentizität unterscheiden. Als Einflussfaktoren auf diese Wahrnehmung wird das Medienverhalten der Konsumenten herangezogen.

278

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

1

Einleitung

Marketing, Medien und insbesondere die Werbung stellen die Realität oft nicht so dar wie sie ist (Richins 1991), sondern wie sie (idealerweise) sein könnte, und zeigen Lebensweisen und -situationen, denen Konsumenten mit Hilfe der beworbenen Produkte nacheifern sollen, „magical moments we would like to experience“ (Schudson 1984, S. 221). In letzter Zeit finden sich jedoch Beispiele für Werbekampagnen, die sich absichtlich gegen diese idealtypische Art der Darstellung stellen und ganz normale, aus dem Leben gegriffene – eben authentische – Situationen als Werbeaufhänger oder Werbegeschichte verwenden. Authentische Werbung soll in diesem Beitrag auf ihre Wirkungsweise hin untersucht sowie mit idealtypischer Werbung verglichen werden.

2

Theoretische Grundlagen und Hypothesen

2.1

Grundlagen der Authentizitätsforschung

2.1.1

Authentizitätsbegriff

Der Begriff „Authentizität“ entstammt dem griechischen Wort „authentikós“ („zuverlässig“), einer Ableitung aus dem griechischen Wort „authéntes“, was „Urheber“ bedeutet (Kluge 1995, S. 68). Daraus entwickelte sich die Verwendung des Begriffes im Sinne von „Echtheit“, „als Original befunden“ oder „Ursprünglichkeit“. Diese Definition wird in der Literatur jedoch keineswegs eindeutig gehandhabt, und der Begriff der Authentizität wird vielfältig genutzt. Objekte der Authentizitätsbeurteilung können Produkte und sonstige Gegenstände, Marken sowie Orte (z.B. als Dienstleistungen) sein (Grayson und Martinec 2004, S. 297). Auch Personen können Objekte der Authentizitätseinschätzung darstellen, wenn betrachtet wird, wie Personen sich selbst beurteilen und insbesondere wie (bzw. ob) sie ihr wahres Selbst zeigen oder sich nach außen hin verstellen (Arnould und Price 2000; Guthey und Jackson 2005). Außerdem ist eine zeitliche Dimension zu berücksichtigen: Viele Forschungsarbeiten zur Authentizität beziehen sich auf die Beurteilungen von Kunstund Kulturgegenständen sowie kultureller und handwerklicher Gebräuche und deren historischer und traditioneller Echtheit (Ger und Csaba 2000; Lowenthal 1992). Andererseits werden auch Objekte der Gegenwart häufig mit diesem Attribut belegt, 279

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

z.B. wenn diese unverzerrt dargestellt werden (Kalisch 2000; Peterson 2005; Rose und Wood 2005). Medieninformationen und Mediendarstellungen können die Authentizitätswahrnehmung beeinflussen (Rose und Wood 2005). Dies betrifft insbesondere Informationsmedien wie Nachrichten oder Zeitungen, die reale Begebenheiten so wiedergeben sollen, dass sich Konsumenten ein Bild von den „wahren“ Ereignissen machen können (vgl. dazu z.B. die Diskussion um die Berichterstattung zum GolfKrieg in den 1990er Jahren, Woolley 1992, S. 190ff). Auch Werbung stellt ein Objekt der Authentizitätseinschätzung dar. Stern (1994, S. 388) definiert authentische Werbung als „Werbung, die die Illusion einer Realität des normalen Lebens in Bezug auf eine Konsumsituation vermittelt“. Der Begriff der Illusion spiegelt dabei die Herbeiführung von Authentizität durch das Marketing wider, welches real anmutende Geschichten und Situationen verwendet, um dem Konsumenten die Identifikation mit dem Gesehenen zu erleichtern. Authentische Werbung zeigt keine „magical moments“ (Schudson 1984, S. 221), sondern Situationen mit lebensnahen Werbefiguren, die im täglichen Leben passieren. Dabei schreibt Stern (1994) den Werbefiguren und deren Aussehen bzw. Verhalten besondere Bedeutung für die Erzeugung von Authentizität in der Werbung zu.

2.1.2

Ursachen der Authentizität

Die Bezeichnung eines Objektes als „authentisch“ kann unterschiedliche Ursachen haben. Authentizität kann von dem Objekt ausgehen (intrinsisch) oder von äußeren Faktoren bestimmt sein (extrinsisch) (Beverland 2005). Die intrinsische Authentizität basiert u.a. auf der Unterscheidung zwischen Original und Kopie. Ein authentisches Objekt wird als das Original angesehen (Grayson und Martinec 2004, S. 297 mit einem Überblick über Autoren, die diese Authentizitätsquelle betrachten). Beispiele sind Originalwerke berühmter Künstler (Maler, Komponisten usw.) oder überlieferte Originalrezepturen und -handwerke, die nicht durch moderne Mittel verändert wurden („purity ... condemns dilution“, Beverland 2005, S. 1007) und die mit einem „Echtheitszertifikat“ versehen sind (engl. „index“ für Nachweis, Grayson und Martinec 2004, S. 298). Bei der extrinsischen Authentizität (auf die wir uns vor allem in diesem Beitrag beziehen) wird der Begriff „authentisch“ oft verwendet, um ein Objekt zu beschreiben, welches kein Original ist, diesem jedoch physisch sehr ähnlich ist. Dieses Objekt stellt ein Abbild, eine Nachbildung (engl. „icon“, Grayson und Martinec 2004, S, 298) des Originals dar. Die Beurteilung als authentisch erfolgt hier nicht durch einen Nachweis wie bei der intrinsischen Authentizität, sondern durch die sensorische Beurteilung der Ähnlichkeit zum Original durch den Konsumenten, was ein gewisses Maß an Vorwissen bzw. Erwartungen voraussetzt (Grayson und Martinec 2004, S. 298). Inzwischen ist weitgehend anerkannt, dass sich Authentizität in vielen Fällen nicht durch „wahre Echtheit“, sondern durch „beigefügte, erzeugte Echtheit“ kennzeichnen

280

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

lässt. Die Literatur kennt vielfältige Begriffe für diese Quelle der Authentizität, z.B. „commercially created authenticity“ (Stern 1994), „fabricated authenticity“ (Peterson 1997), „illusion of authenticity” (Lu und Fine 1995), „contrived authenticity” (Beverland 2005; Rose und Wood 2005). Letztendlich bestimmt die Wahrnehmung des Konsumenten, ob es sich um eine dem Objekt innewohnende Authentizität oder Authentizität durch Nachbildung bzw. überhaupt um authentische Objekte handelt. Im Bereich der Werbung72 ist es möglich, dass Konsumenten die Werbefiguren als tatsächliche Konsumenten wahrnehmen und demnach solche Werbefiguren als „intrinsisch“ authentisch empfinden. Jedoch ist es eher wahrscheinlich, dass die meisten Konsumenten sich sehr wohl bewusst sind, dass Werbung professionell gestaltet wird. Der Versuch der Werbung, bei Konsumenten den Eindruck intrinsischer Authentizität zu erzeugen, kann daher auch Misstrauen erzeugen: Beispielsweise wurden für eine McDonalds-Kampagne73 2005 so genannte Qualitäts-Scouts verwendet, die ganz normale Menschen waren, per Bewerbung ausgesucht und namentlich in den Werbemedien erwähnt wurden. Dass dies von Konsumenten nicht automatisch als intrinsisch authentisch wahrgenommen wird, zeigt der Auszug aus einem Weblog74: „Beim Durchblättern des Stern fiel mir die ganzseitige Anzeige von McDonalds auf mit ihren Qualitätsscouts. ... Unter diesem Gesicht steht ,Henrike Haueisen’. Das hört sich nach so einem Kunstnamen an. Nach einer Figur die für diese Werbekampagne geschaffen wurde. Vielleicht werden 99% der Anzeigenleser das gedacht haben.“ Tatsächlich ist die Genannte eine reale Person, die in dem Weblog auch auf den Eintrag reagierte. „Advertising stories are fictions“ (Stern 1994, S. 389), daher ist es wahrscheinlich, dass Authentizität in der Werbung überwiegend als vom Marketing nachgebildet wahrgenommen wird. Die Ähnlichkeit mit „realen, normalen“ Personen des täglichen Lebens würde dann für eine positive Authentizitätseinschätzung ausreichen. Dazu ist es auch möglich, dass Werbefiguren als authentisch bezeichnet werden, auf die die Beschreibung „lebensnah“ auf den ersten Blick nicht passt, wie bspw. bei Celebrities. Die Aufmerksamkeitswirkung der berühmten Werbefiguren kann mit einer Wirkung der Authentizität der Stars kombiniert werden, die dann darin besteht, dass sie sich wie ganz „normale“ Personen verhalten und Ausschnitte aus ihrem täglichen Leben als „normale“ Konsumenten zeigen, bzw. dass Aspekte ihrer wahren Persönlichkeit gezeigt werden. Als ein Beispiel für Celebrities als normale Konsumenten lässt sich die Kampagne der Biermarke Veltins nennen, die auf „Glanz, Glamour, aufgesetzte Internationalität oder allzu vordergründige Natur verzichtet“ und eine „erfrischende Natürlichkeit“ (Peymani 2004, S. 41) verströmen will. Dazu wurden der Fußball72

Hier sind authentische Werbeinhalte gemeint, wie sie durch die folgenden Beispiele verdeutlicht werden. Davon abzugrenzen sind ganze Werbespots als Objekte, die als Originalspots eine intrinsische Authentizität im Vergleich zu Kopien dieser Werbespots durch nachahmende Wettbewerber aufweisen können. 73 Quelle: http://www.mcdonalds.de/scouts, abgerufen am 03.01.2006. 74 Quelle: http://www.dacosta.de/blog2/index.php?itemid=223, abgerufen am 03.01.2006.

281

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

Manager Rudi Assauer und seine Lebensgefährtin, die Schauspielerin Simone Thomalla, als Testimonials ausgewählt, die im Werbespot „ganz sich selbst spielen“ (Peymani 2004, S. 40), wobei der Spot auch in ihrem eigenen Wohnumfeld gedreht wurde. Auch hier entsteht wieder die Frage, inwieweit Konsumenten dies auch als authentisch empfinden. Ein Beispiel für Celebrities, die ihre „wahre“ Persönlichkeit zeigen, ist die Kampagne „Keep the rebel alive“ für die Automarke Seat, die den legendären Tennis-Choleriker John McEnroe zeigt, als er vom Training kommt und ein Polizist seinem Seat einen Strafzettel verpasst. Als McEnroe fragt, ob es ein Problem gäbe, zeigt der Polizist auf die Markierungen auf dem Boden und erklärt, dass der Wagen außerhalb („out“, wie der Ball beim Tennis) stehen würde. Der tobende und schimpfende McEnroe beharrt vergeblich darauf, dass sein Wagen „drin“ sei, schlägt mit dem Schläger auf den Boden und wirft diesen schließlich wütend weg, so wie er es in seinen Jahren als Tennis-Profi des öfteren getan hatte (o.V. 23.12.2005). Es lässt sich festhalten, dass authentische Werbung Personen und Situationen möglichst echt nachbildet. Eine besondere Rolle kommt dabei den Werbefiguren zu. Techniken zur Authentifikation von Werbefiguren sind die Nachbildung von „normalen“ Konsumenten (lebensnahe, aber auch berühmte Personen) und die Darstellung der wahren Persönlichkeit lebensnaher oder berühmter Werbefiguren. Dieser Beitrag wird sich auf die Nachbildung normaler Konsumenten als lebensnahe Werbefiguren beschränken. Dazu ist es sinnvoll, diese mit idealisierten Werbefiguren zu vergleichen, was anhand des Fallbeispiels der authentischen vs. idealtypischen Darstellung des äußeren Erscheinungsbildes von Frauen in (Kosmetik-)Werbeanzeigen erfolgen soll.

2.1.3

Ideale als Vergleichsmaßstab der Authentifikation

Eine Technik zur Authentifikation bei der Nachbildung von Objekten ist die Vermeidung von Idealbildern, die eine wünschenswerte, als erstrebenswert wahrgenommene Merkmalskombination von Objekten darstellen, aber die Realität selten so abbilden, wie sie ist, sondern eher so, wie sie sein könnte oder sollte (Schudson 1984, S. 217, 220). Hinsichtlich der Abbildung des äußeren Erscheinungsbildes von Frauen kann man jedoch eine eindeutige Präferenz der Medien zugunsten idealisierter Darstellungen erkennen. Frauenbilder in Zeitschriften (Garner et al. 1980; Spitzer, Henderson und Zivian 1999; Wiseman et al. 1992), in Film und Fernsehen (Silverstein et al. 1986), im Modebereich (Morris, Cooper und Cooper 1989) sowie in der Werbung (Gagnard 1986) zeigen durchgehend zierliche Körpermaße als Norm, so dass ein dementsprechend ausgeprägtes Medienschema als Vorwissen der Konsumenten angenommen werden kann. Dagegen argumentieren Kritiker, dass die große, schlanke und dennoch kurvenreiche Frau relativ selten in der realen Bevölkerung zu finden sei (Harrison

282

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

2003) und der Anteil der übergewichtigen Bevölkerung beständig zugenommen habe (Spitzer, Henderson und Zivian 1999, S. 554). Das Medienbild auf der einen und die davon abweichende Realität auf der anderen Seite werfen die Frage auf, wie Konsumenten idealisierte vs. authentische Darstellungen beurteilen. Hinzu kommt die Frage nach intraindividuellen Unterschieden. Möglicherweise verlangt die Beurteilung als authentisch „Ecken und Kanten“, „Charakterköpfe“ und „Individualität“. Diese Technik findet sich auch in der Werbung, z.B. bei den Frauendarstellungen in den Kampagnen der Kosmetikmarke Dove mit dem Slogan „Natürliche Schönheit ... hat viele Facetten“75, auf die wir später noch zu sprechen kommen. Die Untersuchung authentischer Werbung und Werbemodels steht noch am Anfang. Dagegen gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen zu der Wirkung idealisierter Werbemodels (Eagly et al. 1990), vielleicht auch, weil Werbung mit hoch attraktiven Gesichtern und makellosen Körpern in der Praxis weit verbreitet ist. Man verspricht sich davon eine gesteigerte Werbewirkung und eine Übertragung der Eigenschaft Attraktivität auf das Produkt. Eine Meta-Analyse von Eagly et al. (1990) untersuchte 76 empirische Studien, die sich mit der Attraktivität von Werbefiguren beschäftigten und zeigte, dass attraktive Testimonials im Allgemeinen mit positiveren Persönlichkeitsmerkmalen assoziiert werden als unattraktive Kommunikatoren, was die Verbreitung dieser Werbeform in der Praxis erklärt. Die zahlreichen empirischen Beiträge zum Zusammenhang zwischen der Attraktivität des Testimonials und der tatsächlichen Werbewirkung (bezogen auf Variablen wie Einstellungen zur Anzeige und zur Marke, Kaufabsichten) kommen allerdings zu differenzierten Ergebnissen. Sie zeigen vor allem, dass hoch attraktive Models nur für bestimmte Produktarten geeignet sind („Match-Up-Hypothese“, Kamins 1990; ebenso Baker und Churchill 1977; Kahle und Homer 1985; Lynch und Schuler 1994; Till und Busler 2000), für andere Produkte jedoch keine positiven Auswirkungen haben (Caballero, Lumpkin und Madden 1989; Kamins 1990). Als Beschreibung für das Erscheinungsbild hoch attraktiver Models finden sich vor allem folgende Attribute: „highly attractive models are both idealized and unrealistic“ (Bower und Landreth 2001, S. 2), „represent unrealistic ideals“ (Peck und Loken 2004, S. 426), „images of perfection“ und „unrealistically attractive and ... unrealistically thin“ (Richins 1991, S. 71). Zusätzlich dazu ist eine ideale Frau nicht nur besonders dünn, sondern besitzt bestimmte Proportionen von Hüfte, Taille und Brustumfang, die einer Umrechnung in Kleidergrößen von Größe 34 (Hüfte), 32 (Taille) und 40 (Brustumfang) entspricht (vgl. Harrison 2003, S. 255 mit Umrechnung in deutsche Kleidergrößen). Im Gegensatz dazu sind nicht idealtypische Models (auch als „normally attractive“ bezeichnet) geprägt durch durchschnittliches Gewicht und Größe, sind weniger makellos und werden daher eher mit dem Attribut „attraktiv“ anstatt „wunderschön“

75

http://www.dove.de, abgerufen am 03.01.2006.

283

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

beschrieben (Bower und Landreth 2001, S. 2). Es sind Darstellungen von Frauen mit größeren und realistischeren Körpergrößen (Duke 2002, S. 225; Peck und Loken 2004, S. 426), die aber dennoch den gesellschaftlichen Vorstellungen hinsichtlich Bekleidung, Attraktivität des Gesichtes und genereller Erscheinung entsprechen (Peck und Loken 2004, S. 439) und eine positive Ausstrahlung haben. Dieser Auffassung soll im Folgenden als Kriterium für die Authentizität der Darstellung von Frauen in Medien gefolgt werden, jedoch wird anstelle der Bezeichnungen „normally attractive models“ (Bower und Landreth 2001) oder „larger-sized female models“ (Peck und Loken 2004) und in Anlehnung an die Bezeichnung „real girls“ (Duke 2002) der Begriff „authentische Models“ verwendet. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass authentische Models dadurch gekennzeichnet sind, dass sie hinsichtlich ihrer Körpermaße eher den Maßen der Durchschnittsbevölkerung entsprechen und normale Konsumenten mit eigenem Stil, eigenem Kopf, eigenen Erfahrungen sind, bzw. als solche dargestellt werden, aber dennoch als attraktiv eingestuft werden können. Hinsichtlich der Werbewirkung von Anzeigen mit authentischen Models existieren erst wenige empirische Untersuchungen, die zudem sehr unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Verschiedene Studien (z.B. Caballero, Lumpkin und Madden 1989; Gierl und Praxmarer 2000) untersuchten die Wirkung moderater Attraktivität. Allerdings bezog sich die Attraktivitätseinschätzung dort ausschließlich auf das Gesicht der Werbefigur. Peck und Loken (2004) analysieren authentische Models, jedoch stellt ihre Untersuchung eine Attraktivitätsanalyse dieser Models unter bestimmten Bedingungen dar (z.B. Wie attraktiv werden Models in verschiedenen Medienumfeldern beurteilt?). Ein Wirkungsvergleich mit Werbeanzeigen mit nicht authentischen Models erfolgt nicht. Zudem erscheint es an dieser Stelle notwendig, eine Unterscheidung zwischen den genannten Studien und der hier betrachteten Authentizität zu treffen. Bisherige Studien zu moderaten Attraktivitätsausprägungen verwendeten vorwiegend Portraitaufnahmen als Stimulusmaterial. Im Folgenden soll nicht nur das Gesicht, sondern vor allem die realistischere Abbildung der Körpermaße relevant sein. Es ist zu prüfen, inwiefern die vermuteten Effekte auf die Authentizität der Darstellung und nicht auf die Attraktivität der Models zurückzuführen sind. Für einen Vergleich idealisierter vs. authentischer Werbung sind zwei Aspekte zu beachten: 1) Um Wirkungen zwischen Anzeigen vergleichen zu können, ist sicherzustellen, dass sich die Stimulusanzeigen hinsichtlich ihrer Authentizität unterscheiden (Authentizität als unabhängige Variable). 2) Um Unterschiede zwischen Konsumenten zu untersuchen, interessiert die Streuung der Authentizitätseinschätzung innerhalb der Anzeigengruppen, wodurch die Authentizitätseinschätzung auch als abhängige Variable relevant ist.

284

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

2.2

Wirkung authentischer Werbung

2.2.1

Verarbeitung authentischer Informationen

In einem Markt wie dem Kosmetikmarkt, der stark von idealtypischer Werbung geprägt ist, kommen Konsumenten dementsprechend häufig mit solchen Motiven in Berührung. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Motive als standardisierte Vorstellungen darüber, wie idealtypische Personen aussehen, Eingang in die Wissensstrukturen von Konsumenten erlangt haben. Solches Vorwissen von Konsumenten und dessen Strukturierung wird in der Forschung in den Ansätzen mentaler Repräsentationen behandelt. Weit verbreitet ist das „Schemakonstrukt“, definiert als kognitive Struktur organisierten vorhandenen Wissens, welche durch Abstraktion von Erfahrungen mit Einzelfällen entstanden ist (Fiske und Linville 1980). Solche standardisierten Vorstellungen übernehmen wichtige Funktionen bei der Organisation des Wissens und der Informationsverarbeitung, steuern die Wahrnehmung und vereinfachen Denkvorgänge (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 234). Darüber hinaus existiert in der Literatur der Begriff der mentalen Modelle, die ebenso wie Schemata Wissen strukturieren und als vereinfachte Repräsentation im Gedächtnis ablegen (van Dijk und Kintsch 1983) und u.a. zur Erklärung der Entstehung von Wissensstrukturen durch Medienkonsum verwendet werden (Roskos-Ewoldsen, Davies und RoskosEwoldsen 2004). Wenn Konsumenten ähnliche Inhalte immer wieder sehen, entstehen mentale Modelle, die nur bestimmte Merkmale des Gesehenen und nicht unbedingt ganze Bilder abspeichern (Roskos-Ewoldsen, Davies und Roskos-Ewoldsen 2004, S. 352). Im Kontext dieser Studie wären dies z.B. Information darüber, dass idealtypische Models häufig in Frauenzeitschriften, z.B. für Kosmetik und Mode, verwendet werden und sich dadurch typischerweise charakterisieren lassen. Authentische Werbung ist im Vergleich zu vorhandenen mentalen Modellen über idealtypische Werbung ein schemainkonsistenter Reiz, dessen Einordnung zusätzliche gedankliche Leistungen erfordert: Der Verarbeitungsprozess wird angeregt, die Verarbeitungstiefe wird größer, die Gedächtnisleistung steigt (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 344). Für die Verarbeitung idealtypischer Darstellungen kann erwartet werden, dass die aufgenommenen Informationen in vorhandene mentale Modelle eingeordnet werden und keine umfassenden kognitiven Leistungen ablaufen. Aus quantitativer Sicht ist daher eine geringere Informationstiefe, gemessen anhand der Anzahl an geäußerten Gedanken, zu erwarten als bei authentischer Werbung. Aus qualitativer Sicht ist für idealtypische Motive zu vermuten, dass die Informationsverarbeitung weniger analytisch, sondern eher reflektierend abläuft, das Gesehene wird erinnert. Bei authentischen Darstellungen ist aufgrund der Inkonsistenz mit vorhandenen mentalen Modellen dagegen eine höhere kognitive Verarbeitung wahrscheinlich. Wenn existierende Schemata nicht greifen, verändert sich die Art der Informationsverarbeitung von den eher automatischen schematischen

285

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

Prozessen hin zu abwägenden Verarbeitungsprozessen („deliberate cognition“, DiMaggio 1997, S. 272). Das Gesehene wird systematischer verarbeitet, indem mehr bewertende Gedanken zu dem Stimulus geäußert werden (Jain und Maheswaran 2000) als bei schemakonsistenten, idealtypischen Motiven. Zusammenfassend lässt sich folgende Hypothese formulieren: H1:

2.2.2

Schemainkonsistente Informationen führen zu intensiveren Informationsverarbeitungsaktivitäten als schemakonsistente Informationen. D.h.: Wenn authentische Darstellungen in einem Werbemarkt gezeigt werden, der sich in der Regel durch idealisierende Darstellungen auszeichnet, dann führen diese authentischen Werbefiguren im Vergleich zu idealtypischen Figuren a)

zu einer stärkeren kognitiven Verarbeitung, gemessen anhand der Anzahl an geäußerten Gedanken und Erinnerungen und

b)

zu einer höheren Anzahl bewertender Assoziationen.

Beurteilung authentischer Werbung

Des Weiteren ist die Beurteilung von mehr oder weniger authentischen Stimuli zu untersuchen. Betrachtet man zunächst affektive Wirkungen, so ist aufgrund der Inkonsistenz mit dem entsprechenden Schema wahrscheinlich, dass eine gedankliche Überraschung ausgelöst wird, die den Betrachter aktiviert (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 344) und ihn die authentischen Motive als origineller beurteilen lässt als schemakonsistente Ideal-Abbildungen. Im Bereich der kognitiven Wirkungen lässt sich als Folge der vermuteten tieferen und systematischeren Verarbeitung (H1) annehmen, dass authentische Motive als informativer beurteilt werden als idealtypische Abbildungen. Dazu soll folgende Hypothese geprüft werden. H2:

2.2.3

Wenn authentische Darstellungen in einem Werbemarkt gezeigt werden, der sich in der Regel durch idealisierende Darstellungen auszeichnet, dann führen diese authentischen Werbefiguren im Vergleich zu idealtypischen Figuren zu einer signifikant höheren Bewertung der Werbeanzeige als originell und informativ.

Werbewirkung aus Selbstkonzept-Perspektive

Ebenso wie Konsumenten bestimmte Vorstellungen von Objekten, Medien und Marken haben, können sie auch sich selbst zum Gegenstand der Betrachtung machen (Strebinger, Otter und Schweiger 1998, S. 9). Die Forschung kennt dafür den Begriff „Selbstkonzept“ und definiert ihn als „the totality of an individual´s thoughts and

286

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

feelings with reference to themselves as an object“ (Rosenberg 1979, S. 7). Menschen besitzen jedoch mehr als eine schematische Vorstellung von sich (Eisenstadt und Leippe 1994, S. 611), so dass unterschieden wird in das tatsächliche Selbst (wie man sich selbst sieht), das ideale Selbst (wie man selbst sein möchte), das tatsächliche soziale Selbst (wie man glaubt, von anderen Personen wahrgenommen zu werden) und das ideale soziale Selbst (wie man von anderen Personen wahrgenommen werden möchte) (Strebinger, Otter und Schweiger 1998, S. 10). Entsprechend dieser Strukturierung des Selbst bestehen normalerweise Differenzen zwischen der tatsächlichen und der idealen Wahrnehmung. Laut Selbstkonzept-Theorie handeln Menschen derart, dass sie ihre eigenen Selbstkonzepte bestätigen oder (in Richtung des Ideals) verbessern (Graeff 1994, S. 482), wobei in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass diese Bestätigung bzw. Aufwertung des Selbst durch den Konsumenten mit Hilfe des Kaufs, Besitzes und der Verwendung von Produkten, Dienstleistungen und Marken erfolgen kann (z.B. Belk 1988; Kleine und Kleine 1993). In der Literatur wird unter dem Begriff „Selbstbezug“ der Effekt untersucht, ob Konsumenten Werbung für Produkte auf sich selbst beziehen, d.h., ob sie die aufgenommenen Informationen mit Aspekten des eigenen Selbstkonzeptes in Beziehung setzen („self-reference“, z.B. Burnkrant und Unnava 1995, S. 17). Hier ist zunächst zu fragen, ob Konsumenten idealtypische Werbung auf sich selbst beziehen. Im Falle eines Selbstbezugs und der gewünschten Nachahmung kann der Konsument dazu angeregt werden, das hilfreiche Produkt zu erwerben. Diesen Fall erklären die Theorien der Social Adaption (Kahle und Homer 1985) bzw. des Social Comparison (Richins 1991), nach denen hoch attraktive Models in Werbeanzeigen für bestimmte Produkte effizienter als weniger attraktive Models sind und somit vorzuziehen seien. Allerdings kann es auch zu Bumerangeffekten kommen: Weil Konsumenten hoch attraktiven Personen ein glücklicheres und erfolgreicheres Leben zuschreiben als unattraktiven Personen, kann sich ein Gefühl des Neides und der Eifersucht einstellen (Dion, Berscheid und Walster 1972). Dies betrifft insbesondere Konsumenten, deren eigene Attraktivität im Vergleich zu dem hoch attraktiven Model geringer ist (Dermer und Thiel 1975) und die sich durch einen selbst angestellten Vergleich dem hoch attraktiven Model unterlegen fühlen (Bower 2001). War dies der Fall, so wurde das hoch attraktive Model „abgewertet“, was sich in einer schlechter beurteilten Kompetenz der Werbefigur zeigte, sowie in dem geringeren Glauben daran, dass das Produkt die Schönheit der Werbefigur unterstützt hat („Model als Produktargument?“, vgl. Bower 2001). In diesem Fall sind hoch attraktive Models in Werbeanzeigen weniger effizient. Eine Erklärung für diese Wirkung basiert auf der Annahme, dass Konsumenten motiviert sind, einen positiven Selbstwert aufrechtzuerhalten (z.B. Roth, Snyder und Pace 1986) und Dissonanz durch Ab- bzw. Umbewertungen zu reduzieren. Authentische Werbung stellt kein hochgestecktes Ideal dar, sondern zeigt normale, lebensnahe Werbefiguren. Daher kann vermutet werden, dass Konsumenten bei authentischer Werbung keine Abwertungsprozesse in Gang setzen, wie sie Studien bei

287

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

idealtypischer Werbung gezeigt haben. Ein Grund dafür könnte sein, dass in der wahrgenommenen Spanne zwischen tatsächlichem und idealem Selbst eine authentische Werbeanzeige bzw. ein authentisch beworbenes Produkt näher am tatsächlichen Selbst angesiedelt ist, die beworbene Situation als eher erreichbar eingeschätzt wird und daher die gezeigte Situation und die Nutzung des Produktes als eher vorstellbar im eigenen Leben angesehen wird. Daraus ergibt sich die Hypothese: H3a:

Authentische Werbung führt im Vergleich zu idealtypischer Werbung zu stärkeren Selbstbezug-Effekten gegenüber der beworbenen Marke.

Zudem sollen die Wirkungen des Selbstbezugs untersucht werden. Hier spielt insbesondere eine Rolle, inwiefern der Konsument das Produkt als passend zu seinem Lebensstil ansieht. Davon ausgehend wird vermutet, dass stärkerer Selbstbezug eher zu positiven Verhaltensabsichten führt. Dazu lässt sich folgende Hypothese formulieren: H3b:

2.2.4

Je stärker der Konsument einen Selbstbezug zur beworbenen Marke erfährt, desto positiver sind die Verhaltensabsichten ausgeprägt.

Unterschiede zwischen Konsumenten in der Beurteilung von Authentizität

Die „Konsumentenwirklichkeit“, d.h. Unterschiede in den Wahrnehmungen von Authentizität zwischen Konsumenten, soll durch die Untersuchung der Medieneinwirkung berücksichtigt werden. Die Erforschung von Wahrnehmungsunterschieden durch Medien findet in der Literatur u.a. unter dem Aspekt der „Kultivierung“ statt. Mit der gleichnamigen Hypothese wird untersucht, inwieweit der Konsum des Massenmediums Fernsehen die Wahrnehmung der Realität, d.h. Wissensstrukturen und Denkweisen über die Realität, beeinflusst. Die Kultivierungshypothese geht auf Gerbner et al. (1977) zurück und besagt, dass zunehmender Medienkonsum dazu führt, dass Konsumenten um so mehr glauben, die reale Welt sei so wie die medial dargestellte Welt. Was wird hier unter dem Begriff „Realität“ verstanden? Studien zur Prüfung der Kultivierungshypothese berücksichtigen als abhängige Variable zwei unterschiedliche Auswirkungen. Zum einen wird die Einschätzung von statistischen Werten durch Probanden erhoben (z.B. Anzahl an Gewaltverbrechen) und mit vorliegenden statistischen (objektiven) Daten verglichen (Shrum 2004, S. 329). Daraus wird eine „Verzerrung der Realität“ geschlussfolgert.76 Zum anderen wird als abhängige Variable untersucht, ob eine Übernahme des in den Medien Gesehenen in die eigene 76

288

Beispielsweise wurden Amerikanern nach der weltweiten Ausstrahlung der TV-Serie „Dallas“ der Besitz von sehr viel mehr Swimming-Pools als tatsächlich vorhanden zugeschrieben (Hirschman 1988).

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

reale Welt des Konsumenten erfolgt (z.B. „Angst, nachts allein zu sein“, vgl. Shrum 2004, S. 329). Hinsichtlich der Darstellung des äußeren Erscheinungsbildes von Frauen in Medien werden in der Literatur zunehmend kritische Stimmen hinsichtlich möglicher gesellschaftlicher Gefahren durch die Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen im täglichen Leben laut (Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, Internalisierung von Stereotypen, Essstörungen, Zunahme der Akzeptanz von Schönheitsoperationen usw.) (vgl. Botta 1999; Eggermont, Beullens und Van Den Bulck 2005; Hargreaves und Tiggemann 2003; Harrison 2003; Harrison und Cantor 1997; Rossmann und Brosius 2005; Stice und Shaw 1994). Die in diesem Beitrag vorliegende Fragestellung der Beurteilung der vom Marketing erzeugten Authentizität stellt ein weiteres Anwendungsgebiet der Kultivierungshypothese dar und wirft die Fragestellung auf, ob ein spezifischer Medienkonsum, der vornehmlich idealtypische Stereotypen enthält, Konsumenten prägt und dazu führt, dass idealtypische Werbstimuli als authentisch wahrgenommen werden, während realitätsnähere Figuren als originell beurteilt werden. Untersuchungen zur Kultivierungshypothese messen klassischerweise die Stunden des TV-Konsums (z.B. O´Guinn und Shrum 1997; Shrum, Wyer und O´Guinn 1998; Sirgy et al. 1998). Mit der Entwicklung der Fernsehtechnik, der Spartensender sowie der Vielfalt des Programms veränderte sich der Ansatz zu einer Ermittlung von genrespezifischen Kultivierungseffekten (Rossmann und Brosius 2004, S. 382), da nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass Probanden mit gleichem Ausmaß an Fernsehkonsum auch gleiche Inhalte wahrgenommen haben. Die veränderte Vorgehensweise besteht darin, den themenspezifischen TV-Konsum (z.B. „ideal-body television images“, Harrison 2003, S. 259) zu erfassen und diesen in Relation zu den entsprechenden Beurteilungen dieser Thematik im realen Leben zu setzen (z.B. Einstellung zu Schönheitsoperationen, Harrison 2003). Dabei wird der TV-Konsum mit Hilfe von Codern entsprechend der Thematik ausgewertet und kategorisiert. Zudem werden inzwischen auch Printmedien berücksichtigt. Harrison und Cantor (2003, S. 56) zeigten bspw., dass das Lesen von Zeitschriften, insbesondere von Fitnesszeitschriften, eine größere Erklärungskraft für Essstörungen hatte als das Fernsehen insgesamt, da Frauen bei diesen Titeln besonders häufig idealtypischen Bildern ausgesetzt waren. Entsprechend der Theorie der mentalen Modelle wird durch häufigen Konsum von Medien, die vorwiegend idealtypische Darstellungen von Frauen zeigen, ein mentales Model, also eine stereotypische Vorstellung dieses Medieninhaltes im Gedächtnis angelegt. Bei einem erneuten Konsum von idealtypischen Abbildungen (z.B. durch eine Werbeanzeige) wird diese idealtypische Repräsentation aktiviert und beeinflusst die Beurteilung des Stimulus als mehr oder weniger authentisch. Konsumenten, die dagegen weniger durch idealtypische Medien geprägt sind, haben kein oder nur ein schwaches mentales Modell davon, und dementsprechend wird die Wahrnehmung

289

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

der Werbung nicht bzw. weniger davon beeinflusst. Daraus lässt sich folgende Hypothese formulieren: H4a:

Konsumenten, deren Medienkonsum stark durch Medien geprägt ist, die überdurchschnittlich häufig idealtypische Motive verwenden, werden eine idealtypische Darstellung stärker als authentisch beurteilen als Konsumenten, deren Medienkonsum von Medien geprägt ist, die unterdurchschnittlich häufig idealtypische Motive verwenden.

Aus der verstärkten Informationsverarbeitung authentischer Werbung, also schemainkonsistenter Informationen (H1), lässt sich vermuten, dass Personen mit starkem idealtypischen Medienkonsum authentische Motive als kontrastierend zu den gewohnten Informationen empfinden. Das Gesehene passt nicht zum abgespeicherten mentalen Modell, „the information is excluded from the representation“ (Schwarz und Bless 1992, S. 77), was in einem Kontrasteffekt resultiert. Hier wird angenommen, dass die authentischen Informationen aufgrund eines solchen Kontrasteffektes und verstärkter Informationsverarbeitung als besonders originell angesehen werden. H4b:

3

Konsumenten, deren Medienkonsum stark durch Medien geprägt ist, die überdurchschnittlich häufig idealtypische Motive verwenden, werden eine authentische Darstellung stärker als originell beurteilen als Konsumenten, deren Medienkonsum von Medien geprägt ist, die unterdurchschnittlich häufig idealtypische Motive verwenden.

Methodik

Stimulusmaterial: Die Kosmetikmarke Dove führte 2004 eine Neupositionierung der Marke als Kosmetik für „Echte Frauen“ durch. Inhalt dieser Neupositionierung ist es, „echte Frauen statt makellose 90-60-90-Stereotypen zu zeigen und die Vielfältigkeit von Schönheit sichtbar zu machen. Die Kampagnen-Darstellerinnen sind keine Models, sondern ganz normale Frauen, die bei Street-Castings entdeckt wurden“.77 In der Print-Variante dieser Kampagne zeigen vier „ganz natürliche Frauen ihre echten Rundungen.“ Diese Anzeige wurde als Experimentalanzeige verwendet, die die authentische Darstellung von Frauen in der Werbung repräsentieren sollte. Im Gegensatz dazu wurde eine Anzeige der Marke Estée Lauder, die eine Frau mit makellosem Körper zeigt, als idealtypischer Stimulus verwendet. Bei der Auswahl wurde auf die Gleichheit des Produktkontextes geachtet: Beide Anzeigen warben für die Produktkategorie „Hautstraffende Pflegeprodukte“. Für die Verwendung im Experiment wurden beide Anzeigen mit Hilfe der Bildbearbeitung manipuliert: Um 77 http://www.dove.de/Unsere Kampagnen, abgerufen am 23.11.2004.

290

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

nur die Beurteilung der Darstellung der Frauen und des Produktes abfragen zu können, wurden die Slogans entfernt. In der Estée Lauder-Anzeige wurde die ursprüngliche Abbildung des Produktes und der Marke durch Produkt und Marke von Dove ersetzt, so dass sich beide Anzeigen nur noch durch die Darstellung der Frauen unterschieden (Abbildung 4-1). Um eine annähernd realitätsnahe Situation zu simulieren (und eine erzwungene Konfrontation zu mildern), wurden die Anzeigen in einem Umfeld von fünf anderen Werbeanzeigen als Anzeigenheft gezeigt, ähnlich wie auch in Lifestyle-Zeitschriften mehrere Anzeigen nacheinander geschaltet sind. Das Stimulusmaterial umfasste letztlich sechs Anzeigen: Fünf Anzeigen anderer Produktkategorien ohne Models sowie entweder die Dove-Anzeige (authentische Anzeige) oder die manipulierte einstige Estée Lauder-Anzeige (idealtypische Anzeige, nun mit Dove-Produkten). Um Reihenfolge-Effekte durch die Platzierung der Experimentalanzeigen im Booklet auszuschließen, wurden die Anzeigen im Heft rotiert, d.h. nach jedem Befragten wurde die erste Anzeige auf Platz 2 gerückt, die zweite auf Platz 3 usw. Dadurch ergab sich eine fast vollständige Gleichverteilung der Platzierungen im Vergleich der Anzeigengruppen (F2(5)=0,690, p=0,984). Weder für die idealtypische noch für die realitätsnähere Anzeige zeigten Varianzanalysen Reihenfolge-Effekte auf die Bewertung der verwendeten Variablen. Erhebungsdesign: Die Untersuchung wurde als mündliche, standardisierte Befragung durchgeführt. Um die Zielgruppe der verwendeten Produktkategorie zu treffen, wurden lediglich Frauen befragt, dabei jedoch verschiedene Altersgruppen berücksichtigt. Alle Interviewer waren weiblich, um Verzerrungen zu vermeiden, die zustande kommen könnten, falls sich Probandinnen vor männlichen Interviewern scheuen, Fragen zu Kosmetikprodukten, Frauendarstellungen und Selbstkonzept wahrheitsgetreu zu beantworten. Zuerst wurde jeder Probandin das Anzeigenheft vorgelegt, das sie sich anschauen und darin blättern konnte, solange sie wollte. Die Betrachtungsdauer wurde von der Interviewerin unauffällig festgehalten. Sie betrug im Mittel 57 Sekunden für alle Anzeigen und unterscheidet sich nicht zwischen den Gruppen: mideal+andereAnzeigen=58,79 (s=34,01), mreal+andereAnzeigen=56,71 (s=39,05), t(166)=0,369, p=0,712. Nach Beendigung der Anzeigenbetrachtung durch die Probandin wurde das Anzeigenheft weggelegt und während des folgenden Interviews nicht mehr gezeigt. Da ein between-subject-Vergleich angestrebt wurde, sah eine Probandin jeweils nur eine der beiden Experimentalanzeigen. Konnte sich die Probandin nicht an die jeweilige Dove-Anzeige erinnern, wurde das Interview beendet. Um das Durchschauen des Hintergrundes des Experiments zu verhindern, wurde der Probandin vorgegeben, dass die Dove-Anzeige zufällig ausgewählt wurde: „Sie sagten also, Sie erinnern sich an die Anzeigen der Marken ..., ... und Dove. Zu einer dieser Anzeigen möchte ich Sie jetzt ausführlicher befragen. Mal sehen, eben hatte ich einige Befragungen zu ... Dann nehmen wir jetzt die Anzeige der Marke Dove.“

291

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

Stichprobencharakteristika: Insgesamt wurden Daten in 161 (92%) vollständig ausgefüllten Fragebogen erhoben, während bei 14 (8%) Probandinnen das Interview abgebrochen wurde, weil die jeweilige Dove-Anzeige nicht erinnert wurde. In die folgende Auswertung der Untersuchung wurden nur die Bogen der Dove-Erinnerer einbezogen. Davon beziehen sich 82 Fragebogen auf die idealtypische und 79 Fragebogen auf die authentische Anzeige. Mittels Kontingenzanalysen wurde überprüft, ob sich die beiden Gruppen „idealtypische Anzeige gesehen“ versus „authentische Anzeige gesehen“ in Bezug auf die soziodemographischen Variablen Alter (Somers d=-0,003, p=0,961), Schulabschluss (Somers d=-0,059, p=0,410), Haushaltsgröße (Somers d=-0,038, p=0,585), Einkommen (Somers d=-0,050, p=0,449) und Herkunft (F2=4,404, p=0,201) unterscheiden. Da sich keine signifikanten Unterschiede zeigten, kann die Verteilung der Probandinnen auf die Experimentalgruppen als zufriedenstellend angesehen werden. Manipulation Check: Um zu testen, ob die experimentelle Variation erfolgreich war, wurde in einem Pretest mit n=30 Probandinnen (nideal=16, nreal=14) ein Manipulation Check mit zehn Variablen zur Authentizität durchgeführt. Für die Operationalisierung wurden Statements zur nachbildenden Authentizität gebildet, die sowohl den Aspekt der Nachbildung von Realität gut erfassen und andererseits auch Bezug zu den Experimentalanzeigen aufweisen sollten. In acht der zehn Variablen unterschieden sich die beiden Gruppen signifikant voneinander:

Anzeige ist fernab der Realität (neg.): t(28)=3,181, p=0,004 Personen wirken vollkommen natürlich: t(28)=-4,496, p=0,000 Situation, die man in Wirklichkeit nur selten finden kann (neg.): t(28)=2,089, p=0,046

mit Personen können sich die meisten Frauen identifizieren: t(28)=-5,255, p=0,000 spiegelt Tatsachen wider: t(28)=-2,847, p=0,008 wirkt authentisch: t(28)=-3,004, p=0,006 Anzeige präsentiert eine glaubwürdige Situation: t(28)=-1,864, p=0,073 ich kann gezeigte Situation nachvollziehen: t(28)=-1,843, p=0,076 nicht signifikant: „der Werbeanzeige kann ich vertrauen“ und „erinnert mich nicht an eigene Erfahrungen“ (neg.) Confounding Check: Der Einfluss der Attraktivität wurde mit fünf (teilweise negativ formulierten) Variablen überprüft („schön“, „unästhetisch“, „irritierend“, „geschmacklos“, „sexy“). Als Ergebnis der t-Tests zeigten sich keine signifikanten Gruppenunterschiede (0,290
292

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

schlossen werden, dass Beurteilungsunterschiede in den folgenden Hypothesentests auf die Attraktivität der jeweiligen Models zurückgeführt werden. Die unterscheidende Variable ist die Authentizität. Messung der Authentizität im Haupttest: Im Manipulation Check konnte die Variation erfolgreich nachgewiesen werden, jedoch ist Authentizität hier auch als abhängige Variable von Interesse. Daher wurde die Wahrnehmung der Authentizität der Anzeigen auch im Haupttest erfragt. Dabei wurde auf die Ergebnisse des Pretests zurückgegriffen, einige Variablen wurden schärfer in Richtung Werbemodels umformuliert bzw. entfernt. Folgende Statements wurden von den Probandinnen auf einer 5-stufigen Ratingskala (Zustimmen) bewertet: „Die Anzeige zeigt Menschen wie Du und Ich“, „Die Anzeige ist fernab der Realität“, „Die Personen wirken vollkommen natürlich“, „Die Darstellung wirkt wie aus dem Leben gegriffen“, „Mit den gezeigten Personen können sich meiner Meinung nach die meisten Frauen identifizieren“ und „Die Anzeige zeigt Personen, die man in der Wirklichkeit nur selten finden kann“. Die Variablen (Cronbachs ΅=0,895) wurden faktoranalytisch zu einer Dimension „Authentizität“ verdichtet (erklärte Varianz = 65,8%), die mittels Faktorwerten als abhängige Variable verwendet wurde.

4

Ergebnisse

4.1

Informationsverarbeitung

Hypothese H1 vermutet, dass schemainkonsistente Informationen intensiver verarbeitet werden als schemakonsistente Informationen. Dazu wurden die Probandinnen aufgefordert, ihre Gedanken zu und Erinnerungen an die jeweils gesehene Anzeige zu äußern. Diese wurden als Elemente der Informationsverarbeitung („cognitive responses“, Jain und Maheswaran 2000) interpretiert und bilden als Anzahl bzw. Qualität der kognitiven Elemente die abhängigen Variablen der Hypothese. Für die Anzahl der kognitiven Elemente (H1a) wurden die geäußerten Gedanken und Erinnerungen gezählt (siehe 1. Zeile, Tab. 1). Für die inhaltliche Qualität dieser kognitiven Elemente (H1b) wurden diese kategorisiert in i) rein beschreibende, erinnernde Gedanken wie zur Anordnung der Elemente in der Anzeige (z.B. „im Mittelpunkt steht eine Frau, sie ist nach vorn gelehnt, unten ist die Flasche abgebildet“), Farben in der Anzeige (z.B. „blauer Hintergrund“), Beschreibung der Kleidung der Personen („Mädchen in Unterwäsche“), sowie in ii) die Werbefiguren

293

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

bewertende Gedanken wie „Frauen etwas mollig“, „straffe Kurven, keine Models“, „bewundernswert schlanke Figur“.

Tabelle 4-1:

Informationsverarbeitung

Abhängige Variable

AnzeigenKategorie

n

m (s)

Varianzhomogenität

df

t

Sign. t

Anzahl der kognitiven Reaktionen

Idealtypisch

82

3,96 (1,71)

159

-0,769

0,443

Realitätsnäher 79

4,16 (1,60)

F=0,004, p=0,950

Idealtypisch

82

3,39 (1,58)

159

1,602

0,111

Realitätsnäher 79

3,00 (1,50)

F=0,720, p=0,398

Idealtypisch

82

0,57 (0,80)

138,17

-3,751

0,000

Realitätsnäher 79

1,16 (1,15)

F=6,003, p=0,015

i) Anzahl beschreibender Elemente ii) Anzahl bewertender Elemente

Bei der Hypothesenprüfung wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Anzeigen hinsichtlich der Anzahl (Quantität) der kognitiven Elemente gefunden, was zu einer Ablehnung von H1a führt. Ein t-Test zur Qualität der kognitiven Elemente erbrachte jedoch unterstützende Ergebnisse für die Hypothese H1b. Traf die Konsumentin auf schemainkonsistente Informationen (d.h. in diesem Fall auf authentische Darstellungen von Frauen), so erfolgte bei der Informationsverarbeitung eine stärkere Bewertung des Gesehenen, indem signifikant mehr bewertende Assoziationen geäußert wurden. Die Anzahl der beschreibenden Assoziationen unterscheidet sich nicht signifikant zwischen den Anzeigen.

4.2

Einstellungen zur Werbeanzeige

Aus der theoretischen Perspektive der Informationsverarbeitung und der Schematheorie wurde vermutet, dass authentische Werbeanzeigen als origineller bzw. informativer beurteilt werden als idealtypische Werbeanzeigen. Die Einstellungen wurden durch Items der Skala „attitude toward the ad“ nach Edell und Burke (1987) sowie zusätzlichen auf den Inhalt der Anzeigen passenden Items operationalisiert. Nach Anwendung von Faktorenanalysen ergaben sich die Beurteilungsdimensionen „originelle Anzeige“, „Exklusivität“, „Informationsgehalt“ und „Attraktivität“.78 Die

78

294

Der Faktor „Attraktivität“ diente zur erneuten Kontrolle neben dem im Pretest durchgeführten Confounding Check und zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

erklärte Varianz betrug 61 Prozent.79 Die Hypothesentests erfolgten mit den Faktorwerten dieser Faktoren.

Abbildung 4-1:

Stimulusmaterial

Die Ergebnisse der t-Tests bestätigen die Hypothese H2. Die Verwendung von authentischen Werbefiguren führt zu einer signifikant höheren Bewertung der Anzeige als originell und informativ. Dies ist insofern ein interessantes Ergebnis, als dass es sich hierbei um ein semantisches Paradoxon handelt: „normal ist originell“. Dies ergibt einen interessanten Ansatzpunkt für mögliche Differenzierungsstrategien in der Kommunikation: „Analysiere, welche Abbildungen sich als Ideale verselbständigen und kehre zurück zu den Wurzeln.“

den Anzeigen: mideal=-0,10 (1,04); mreal=0,10 (0,94); t(150)=-1,288, p=0,200. Hier wird der Faktor nicht weiter berücksichtigt. 79 Die ermittelten Faktoren wurden mit Hilfe des Außenkriteriums „Alles in allem gefällt mir die Werbeanzeige sehr gut“ daraufhin überprüft, ob sie tatsächlich relevante Faktoren für die Einstellung zur Werbeanzeige abbilden. Die Korrelation der hier relevanten Faktoren „Anzeige originell“ (r=0,543, p=0,000) und „Anzeige informativ“ (r=0,374, p=0,000) mit dem Außenkriterium war zufriedenstellend. Der Faktor „Exklusivität der Anzeige“ stellt hier keine einstellungsrelevante Größe (r=0,054, p=0,255) dar.

295

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

Tabelle 4-2:

Einstellungen zur Anzeige

Abhängige Variable

AnzeigenKategorie

n

m (s)

Varianzhomogenität

Aad: Originell

Idealtypisch

76

-0,52 (0,71)

Realitätsnäher

76

0,52 (0,97)

F=6,618, p=0,011

Aad: Idealtypisch Informationsgehalt Realitätsnäher

76

-0,17 (1,05)

76

0,17 (0.91)

Exklusivität der Anzeige *

76

0,37 (0,86)

Idealtypisch

Realitätsnäher 76

-0,37 (0,99)

df

t

148,11 -7,534

Sign. t 0,000

F=0,817, p=0,376

150

-2,208

0,029

F=2,422, p=0,122

150

4,963

0,000

* nicht relevant für die Einstellung gegenüber der Werbeanzeige Andererseits wird die realitätsnähere Anzeige als signifikant weniger exklusiv eingeschätzt, möglicherweise ein Effekt der mangelnden Distanz authentischer Werbefiguren zum Betrachter. Aufgrund der „Normalität“ der Darstellungen authentischer Abbildungen lässt sich damit ein Luxus-Image wahrscheinlich schwer aufbauen. Zudem handelte es sich in diesem Fall um ein eher problemlösendes Produkt, weniger um ein Produkt zur Selbstdarstellung. Weitere empirische Untersuchungen könnten einen solchen Vergleich der Wirksamkeit authentischer Werbung zwischen Produkten durchführen, die entweder das Selbstergänzungs- oder das Selbstdarstellungsmotiv (Strebinger, Otter und Schweiger 1998) ansprechen.

4.3

Selbstbezug

Der Bezug der authentischen Werbung zur eigenen Person wurde in der vorliegenden Studie durch drei Variablen gemessen, die unterschiedliche Aspekte des Selbstbezugs messen: den für sich selbst wahrgenommenen Produktnutzen, die Übereinstimmung des Markenimages mit dem eigenen Lebensstil sowie die Frage, inwieweit sich die Probandinnen mit der (für sie) typischen Kundin des Produktes identifizieren. Während die beiden ersteren Variablen mit Hilfe 5-stufiger Ratingskalen erfasst wurden, sollten die Probandinnen die Prozentzahl der empfundenen Gemeinsamkeit mit der typischen Kundin des Produktes auf einer 0-100%-Skala angeben. T-Tests auf Unterschiede zwischen den Werbeanzeigen erbrachten ein signifikantes Ergebnis für die Variable „Marke trifft eigenen Lebensstil“. Der Unterschied für die Variable „Produkt kann mir nützen“ ist nur auf einem 10%-Niveau signifikant. Die Hypothese H3 kann demnach nicht durchgehend bestätigt werden. Zudem ist zu beachten, dass die Mittelwerte der Selbstbezug-Variablen auch für die authentische Anzeige unterdurchschnittlich ausgeprägt sind.

296

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

Tabelle 4-3:

Selbstbezug

Abhängige Variable

AnzeigenKategorie

n

m (s)

Varianzhomogenität

df

t

Sign. t

Produkt kann mir nützen

Idealtypisch

80

2,11 (1,21)

157

-1,765

0,079

Realitätsnäher

79

2,47 (1,32)

F=2,176, p=0,142

Marke trifft Idealtypisch meinen Lebensstil Realitätsnäher

80

1,96 (0,83)

137,54 -1,980

0,050

79

2,29 (1,22)

F=19,769, p=0,000

Gemeinsamkeit mit typischer Kundin

Idealtypisch

80 40,11 (23,48)

153,91 -0,834

0,406

Realitätsnäher

79 43,44 (26,74)

F=2,906, p=0,090

Zusätzlich ist von Interesse, inwiefern der Bezug von Werbung zur eigenen Person (unabhängig von der jeweiligen Anzeige) mit den Verhaltensabsichten der Probandin in Beziehung steht. Letztere wurden als Weiternutzungswahrscheinlichkeit des Produktes (falls bereits Kunde), Probierwahrscheinlichkeit des Produktes (falls noch kein Kunde)80, Kaufwahrscheinlichkeit von anderen Produkten der Marke sowie der Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit der Marke operationalisiert. Die Variablen wurden faktoranalytisch auf einen Faktor verdichtet, der 77 Prozent der Varianz erklärt, einen Cronbachs-Alpha-Wert von 0,843 aufweist und dessen Faktorwerte für die folgende Hypothesenprüfung verwendet wurden. Die drei zum Selbstbezug operationalisierten Variablen korrelieren jeweils hochsignifikant mit dem Faktor „Verhaltensabsichten“, wobei die Variable „Marke trifft meinen Lebensstil“ die stärkste Korrelation aufweist.

„Produkt kann mir nützen“: r=0,428, p=0,000 „Marke trifft meinen Lebensstil“: r=0,652, p=0,000 Gemeinsamkeit mit typischer Kundin: r=0,419, p=0,000 Der Selbstbezug stellt demnach eine wichtige verhaltenswirksame Variable dar.

80

Hinsichtlich der Weiternutzungsabsicht wurde zunächst erfragt, ob die Probanden das beworbene Produkt schon einmal ausprobiert haben. Wurde verneint (n=138), dann wurde das Statement „Ich würde dieses Produkt sehr gern ausprobieren“ auf einer 5-stufigen Ratingskala bewertet und als Nutzungsabsicht (Probierwahrscheinlichkeit) interpretiert. Die n=23 Fälle, die das Produkt schon einmal probiert hatten, wurden nach ihrer Weiternutzungsabsicht (5-stufige Skala) gefragt. Die Werte für beide Variablen wurden zu einer Variablen „ausprobieren oder weiternutzen“ zusammengefügt.

297

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

4.4

Einfluss des Medienkonsums auf Authentizitätsbeurteilung und Einstellung

Den neueren Erkenntnissen der Kultivierungsforschung entsprechend (Rossmann und Brosius 2004), soll hier nicht der allgemeine, sondern der themenspezifische Medienkonsum von Interesse sein. Dies wurde einerseits auf die Abfrage des Konsums von Printmedien bezogen, da auch die verwendeten Stimuli Printanzeigen repräsentieren. Andererseits wurde die Thematik „Frauendarstellung“ durch Filterung von Medien, die über- bzw. unterdurchschnittlich häufig idealtypische Motive zeigen, berücksichtigt. Dazu wurden die Probandinnen nach ihren Lieblingszeitschriften gefragt, um den typischen Medienkonsum festzuhalten (Anzahl: m=1,19, s=0,939). Die genannten Zeitschriften wurden in Themenkategorien (Wirtschaft, Auto, Garten, Kochen, usw.) eingeordnet, die nach ihrem Gehalt an idealtypischen Frauenbildern beurteilt wurden („über- vs. unterdurchschnittlich häufig idealtypische Frauenbilder enthalten“). Als „idealtypische Medien“ wurden Zeitschriftenkategorien kodiert, die einen hohen Anteil an Abbildungen von idealtypischen Frauenkörpern (Diäten, Sport usw.), Abbildungen von Stars (Schauspielerinnen, Sängerinnen usw.) oder überdurchschnittlich häufig idealtypische Werbung mit Models zeigen. Diese Bedingungen erfüllten Frauenzeitschriften, Fitness- und Sportmagazine, Teenagerzeitschriften sowie TV-/Kinomagazine und Boulevardzeitschriften. Mit Hilfe dieser Kodierung wurden zwei Gruppen gebildet: Probandinnen, deren Liste an Lieblingszeitschriften mindestens eine als „idealtypisch“ kodierte Zeitschrift enthielt, wurden als Probandinnen mit „idealtypischem Medienkonsum“ kategorisiert. Probandinnen, deren Zeitschriftenangaben keine als „idealtypisch“ kodierte Zeitschrift enthielt, wurden als „wenig von idealtypischen Medien geprägt“ angesehen. Für die Hypothesentests wurde jeweils ein t-Test auf die idealtypische bzw. authentische Anzeige angewendet, die abhängige Variable bildet die wahrgenommene Authentizität (H4a) bzw. Originalität (H4b). Grundsätzlich beurteilen die Probandinnen die idealtypische Anzeige im Mittel als unterdurchschnittlich authentisch (unauthentisch). Jedoch ist ein Unterschied zwischen den Mediengruppen auf 10-prozentigem Signifikanzniveau zu erkennen: Die von idealtypischen Medien geprägten Probandinnen beurteilten die Authentizität der idealtypischen Anzeige als weniger unauthentisch, als die nicht durch idealtypische Medien geprägten Probandinnen (H4a). In Bezug auf die Wahrnehmung der authentischen Anzeige als originell (H4b) lässt sich ein Einfluss des Medienkonsums ebenfalls auf einem 10-prozentigen Signifikanzniveau festhalten. Von Konsumentinnen mit überdurchschnittlich idealtypischem Medienkonsum wird die authentische Anzeige häufiger als originell beurteilt als von Konsumentinnen mit geringerem idealtypischen Medienkonsum.

298

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

Tabelle 4-4:

Einfluss des Medienkonsums

Abhängige Variable

AnzeigenKategorie

n

m (s)

Varianzhomogenität

df

t

Sign. t

Idealtypischer Medienkonsum

33

-0,60 (0,68)

F=4,560, p=0,036

51,347

1,877

0,066

wenig idealtypischer Medienkonsum

46

-0,86 (0,44)

29

0,76 (0,93)

F=0,438, p=0,510

74

1,749

0,084

47

0,37 (0,97)

H4a: Idealtypische Anzeige Faktor: Authentizität

H4b: Authentische Anzeige Aad: Originell Idealtypischer Medienkonsum Wenig idealtypischer Medienkonsum

5

Diskussion

Der vorliegende Beitrag untersucht die Wirkung authentischer weiblicher Werbefiguren im Vergleich zur bisher vorherrschenden Verwendung idealtypischer weiblicher Werbefiguren. Die Ergebnisse zeigen, dass authentische und idealtypische Werbung von den Befragten durchaus unterschiedlich wahrgenommen wird. Insbesondere Konsumentinnen mit vorwiegend durch idealtypische Darstellungen geprägtem Medienkonsum beurteilen idealtypische Werbefiguren als weniger unauthentisch, aber schreiben realitätsnahen Anzeigen eine höhere Originalität zu als Personen, die die entsprechenden Medien meiden. Des Weiteren wurde gezeigt, dass authentische Werbung mit einer verstärkten Informationsverarbeitung einhergeht und grundsätzlich als origineller und informativer als idealtypische Werbung wahrgenommen wird. Insbesondere die verstärkte Beurteilung als „originell“ ist bezeichnend für einen Markt, in dem die Abbildung eines Ideals als normal wahrgenommen wird – ein Zeichen für „Hyper-Realität“? (Baudrillard 1988). Einschränkend ist hier jedoch zu erwähnen, dass diese Beurteilung als originell sich mit der Nachahmung durch Werbekampagnen der Konkurrenz abschwächen dürfte. Bei den Ausführungen zum Selbstbezug der Werbung auf die eigene Person wurde unterstellt, dass das idealtypische Aussehen der Werbefigur tatsächlich dem Ideal der Konsumentinnen entspricht. Einschränkend ist hier zu sagen, dass dieses auf die eigene Person bezogene ideale Selbst nicht kontrolliert wurde.

299

Andrea Gröppel-Klein und Anja Spilski

Weitere Studien könnten untersuchen, inwiefern Konsument/inn/en die Produkteigenschaften bei tatsächlichem Konsum wahrnehmen. Da authentische Werbung das Produkt näher am tatsächlichen Selbst (als am idealen Selbst) liegend darstellt, könnte es beispielsweise sein, dass die Zufriedenheit mit dem Produkt höher und die Nachkaufdissonanzen geringer ausfallen, da keine „ideale Welt“ versprochen wird. Ein weiterer Faktor, der in zukünftigen Studien kontrolliert werden sollte, ist die Preiskategorie des beworbenen Produktes. Bei Dove handelt es sich im Vergleich zu Estée Lauder um ein preiswertes Produkt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass authentische Werbung nicht zur Exklusivität der Marke beiträgt, was bei der Positionierung von Dove sicherlich auch nicht beabsichtigt war. Ob sich authentische Werbung bei Luxusprodukten eignet, ist angesichts der vorliegenden Ergebnisse zweifelhaft und müsste in zusätzlichen Studien untersucht werden.

300

Ist normal originell? Die Wirkung authentischer Werbemodels

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Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege

Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege

1

Einleitung ........................................................................................................................ 309

2

Aufgaben und Ziele der identitätsorientierten Markenführung im Markenlebenszyklus ...................................................................................................... 309

3

Integrierte Markenkommunikation als Erfolgskonzept der identitätsorientierten Markenführung .............................................................................................................. 312

4

Begriffliche Abgrenzung von Sponsoring und Markenevents ................................. 314

5

Sponsoring und Events als Instrumente für Markenaufbau und Markenpflege ... 319

6

Fallbeispiel: Aufbau der Marke bibop ......................................................................... 321

7

Fazit ................................................................................................................................. 322

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Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

Abstract

Zur Generierung von Markenwert bedarf es eines systematischen Markenaufbaus und einer kontinuierlichen Markenpflege, die auf einem ganzheitlichen identitätsorientierten Markenmanagement basieren. In dessen Zentrum steht die Etablierung einer starken Markenidentität. Je nach Phase des Markenlebenszyklus liegen die zentralen Aufgaben der Markenführung im Markenaufbau und in der Markenpflege. Um ein einheitliches, glaubwürdiges Bild des Unternehmens und seiner Marken zu vermitteln und Kommunikationsbarrieren zu überwinden, ist die optimale Abstimmung sämtlicher Kommunikationsmaßnahmen im Sinne des Konzeptes der integrierten Kommunikation notwendig. Angesichts der Wirkungsdefizite traditioneller Kommunikationsmaßnahmen erscheint es erforderlich, authentische zielgruppenrelevante Inhalte für die Markenkommunikation zu finden, die ein hohes Emotionalisierungspotenzial bieten und eine erlebnisorientierte Markeninszenierung ermöglichen. Die instrumentelle Umsetzung emotionaler Kommunikationsinhalte kann über Sponsoring und Events erfolgen. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich konzeptionell mit der Frage, welchen Beitrag Sponsoring und Events als Instrumente der integrierten identitätsorientierten Markenkommunikation zu Markenaufbau und Markenpflege leisten können, und bietet mit der Marke bibop ein Fallbeispiel für einen gelungenen Markenaufbau mittels dieser beiden Instrumente.

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Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege

1

Einleitung

In vielen Kommunikationskonzepten von Markenanbietern dominiert nach wie vor die klassische Werbung als Leitinstrument. Aus der „Überschwemmung“ der Verbraucher mit einer steigenden Anzahl von Markenangeboten und wachsendem Kommunikationsdruck von Seiten der Anbieter resultiert eine zunehmende Informationsüberlastung der Rezipienten. Aufgrund des steigenden Anteils nicht beachteter Werbebotschaften sinkt die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit klassischer Werbung (Kroeber-Riel und Esch 2004, S. 17). Daher lässt sich in Marketingtheorie und -praxis ein Bedeutungszuwachs innovativer Kommunikationsinstrumente wie Sponsoring und Eventmarketing feststellen (o.V. 2005a). Beide Instrumente ermöglichen eine authentische emotionale Zielgruppenansprache in einem realen Kontext, die erheblich zur Aktivierung der Konsumenten beiträgt. Dies unterstützt den Aufbau und die Pflege von Marken. Allerdings reicht eine monoinstrumentelle Betrachtungsweise des Kommunikationsinstrumentariums nicht aus, um im hart umkämpften Wettbewerbsumfeld ein einheitliches Bild der Marke bei allen Zielgruppen aufzubauen. Vielmehr sind integrierte Konzepte der Markenkommunikation gefragt. Dabei kann die Markenidentität als strategischer Bezugsrahmen dienen. Vor diesem Hintergrund gilt es im Folgenden aufzuzeigen, ob Sponsoring und Events – unter Berücksichtigung der integrierten Markenkommunikation sowie der Identitätsorientierung – zu Markenaufbau und Markenpflege beitragen.

2

Aufgaben und Ziele der identitätsorientierten Markenführung im Markenlebenszyklus

Aufgrund der Dynamik des Unternehmensumfeldes und der Wettbewerbsbedingungen haben sich in den letzten Jahren diverse Begriffsverständnisse der Marke sowie Ansätze der Markenführung herauskristallisiert (Bruhn 2003a, S. 179f). Im Folgenden wird unter einer Marke das durch eine unterscheidungsfähige, einheitliche Markierung als Element der Gestaltung einer Leistung (Produkt, Dienstleistung) in der Psyche der Konsumenten ausgelöste unverwechselbare Vorstellungsbild einer Sach- oder Dienstleistung verstanden (Meffert, Burmann und Koers 2002, S. 6). Zum Aufbau eines solchen einzigartigen Vorstellungsbildes bedarf es eines systematischen Markenmanagements, wobei vor allem das Konzept der identitätsorientierten Markenführung von der Wissenschaft und Praxis zunehmend Beachtung

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Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

bzw. Anwendung erfährt (Aaker 1996; Adjouri 2002; Esch 2004; Kapferer 2002; Meffert und Burmann 2002a). In Analogie zur menschlichen Identität wird davon ausgegangen, dass Marken ebenso über eine spezifische Identität verfügen können, welche wiederum die Voraussetzung für die Herausbildung einer Beziehung zwischen Kunde und Marke und somit der Generierung von Markenwert bzw. -erfolg darstellt (Riesenbeck und Perrey 2004, S. 186). Ausschlaggebend bei der identitätsorientierten Markenführung ist die wechselseitige Betrachtung vom Selbst- und Fremdbild der Markenidentität. Identitätsorientierte Markenführung stellt nach Meffert und Burmann (2002a, S. 30) einen nach außen und innen gerichteten Managementprozess dar, der die funktionsübergreifende Vernetzung sämtlicher mit der Marke zusammenhängenden Entscheidungen und Maßnahmen zum Aufbau einer starken Markenidentität (Brand Identity) zum Ziel hat. Die Markenidentität kann hierbei als eine in sich widerspruchsfreie Gesamtheit von Assoziationen der internen und externen Bezugsgruppen aufgefasst werden, welche die wichtigsten und unverwechselbaren Bedeutungen einer Marke ausmachen. Sie bringt den einzigartigen Charakter der Marke zum Ausdruck und konstituiert sich aus einem Selbst- und Fremdbild (Meffert und Burmann 2002b, S. 47). Das Selbstbild der Markenidentität bildet die interne Sichtweise der Marke ab und dient als strategische Planungsgrundlage für die Markenführung. Es wird über Marketingmaßnahmen nach außen umgesetzt und vermittelt, um letztlich das Markenimage zu beeinflussen. Letzteres wird als Fremdbild der Markenidentität aufgefasst, das sich entsprechend bei den externen Bezugsgruppen der Marke herausbildet (Esch 2004, S. 87). Folglich stellt die Markenidentität den Kern der identitätsorientierten Markenführung dar und dient als Entscheidungsgrundlage bzw. Unterstützungselement für strategische und operative Maßnahmen im Rahmen der Markenführung (Adjouri 2002, S. 89). Über die (annähernde) Deckungsgleichheit von Selbst- und Fremdbild der Markenidentität sowie die Erfüllung der konstitutiven Merkmale Konsistenz, Kontinuität und Individualität (Meffert 2004, S. 299f) ist der Aufbau einer starken, unverwechselbaren Markenidentität zu erreichen, mit der sich Markenanbieter langfristig im Konkurrenzumfeld der Wettbewerbsmarken durchsetzen und letztlich Marken- und Unternehmenserfolg erreichen können (Kapferer 1992, S. 44). Für eine langfristig erfolgreiche Markenführung gilt es, auch die zeitliche Dynamik der Marke zu berücksichtigen. Ähnlich wie beim Produktlebenszyklus (vgl. hierzu z.B. Hofstätter 1977; Meffert 2000, S. 338ff; Nieschlag, Dichtl und Hörschgen 2002, S. 124ff), durchlebt auch eine Marke verschiedene Phasen des Werdens und Vergehens, so dass von einem Markenlebenszyklus gesprochen werden kann.81 Anhand der

81

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Beim Produkt- und Markenlebenszyklus handelt es sich um zwei unterschiedliche Konzepte, die allerdings durchaus Interdependenzen aufweisen können. Unter einer etablierten Marke in der Reifephase kann zur Verjüngung ein neues Produkt eingeführt werden. Dieses kann auch vom Markt genommen werden, bevor die Marke selbst die Degenerationsphase erreicht.

Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege

verschiedenen Phasen des Lebenszyklus einer Marke können die jeweiligen Aufgaben und Ziele der identitätsorientierten Markenführung veranschaulicht werden. Mit diesen sind spezifische Aufgaben der Markenführung verbunden. Der Lebenszyklus einer Marke wird hierbei wesentlich durch den technischen Fortschritt sowie Zeitgeist-Strömungen und Veränderungen von Verbraucherbedürfnissen und –verhaltensweisen determiniert. Die Markenidentität dient bei dieser Entwicklung der Marke im Zeitablauf als der Orientierungspunkt, der die Konsistenz und Kontinuität der Marke sicherstellt und ihren einzigartigen Charakter langfristig prägt. Die zentrale Aufgabe in der Einführungsphase des Markenlebenszyklus ist auf den Aufbau der Marke gerichtet. Hier kommt es darauf an, dem Verbraucher insbesondere mittels geeigneter Markenkommunikation die Marke mit ihren Markenwerten zu vermitteln. Der Aufbau von Markenbekanntheit und eine klare Image-Profilierung sind Voraussetzungen dafür (Schweiger und Schrattenecker 2005, S. 81). Während der Wachstumsund Reifephase besteht eine verschärfte Wettbewerbssituation. Hier liegt die Aufgabe der Markenführung in der aktiven Markenpflege, die primär darin besteht, die geschaffene Bekanntheit der Marke konstant zu halten bzw. zu erhöhen und das Markenimage weiter zu stärken. Darüber hinaus sind Kunden langfristig an die Marke zu binden, um Umsatzpotenziale und Markenerfolg zu sichern. In der Degenerationsphase sind alle relevanten Zielgruppen der Marke im Zuge von Markenaufbau und aktiver Markenpflege erreicht. Es sind die entscheidenden Abschnitte im Leben einer Marke, um diese langfristig und erfolgreich im Markt zu positionieren. In dieser letzten Phase werden die Maßnahmen der Markenpflege in der Regel beibehalten bzw. während der Degeneration aufgrund der lebenszyklusbedingten geminderten Attraktivität der Marke eingeschränkt (passive Markenpflege). Eventuell besteht die Möglichkeit, über einen Technologiesprung, durch Markentransfer oder durch einen Relaunch neue Markt- und Wachstumsimpulse zu initiieren oder die Elimination der Marke in Erwägung zu ziehen (Daur 2003, S. 15). Abbildung 2-1 stellt die beschriebenen Phasen des Markenlebenszyklus dar und zeigt die zentralen phasenbezogenen Aufgaben und Ziele der Markenführung. Die Maßnahmen zu Markenaufbau und -pflege reihen sich zeitlich aneinander und sind inhaltlich eng miteinander verknüpft. Der Markenaufbau schafft die Basis, indem eine einzigartige Position der Marke im Markt etabliert wird. In langfristiger Perspektive der Markenführung gilt es, bereits etablierte, erfolgreiche Leistungen möglichst lange in ihrer Marktposition zu halten. Daher stellt die Markenpflege eine Daueraufgabe des Markenmanagements dar (Roosdorp 1998, S. 14ff). Über die Erfüllung der phasenbezogenen Aufgaben bzw. Erreichung hiermit einhergehender Markenziele ist schließlich Markenwert bzw. -erfolg zu generieren. Dazu sind unter Berücksichtigung der Markenidentität im Sinne des Konzeptes der integrierten Kommunikation alle Kommunikationsmaßnahmen aufeinander abzustimmen und geeignete Leitinstrumente der Markenkommunikation auszuwählen.

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Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

Abbildung 2-1:

Ziele und Aufgaben in den Markenlebenszyklusphasen

Phase des Lebenszyklus Aufgaben der Markenführung Einführung

Markenaufbau

Markenziele • Bekanntheit schaffen • Image aufbauen Markenwert schaffen

Wachstum

Markenpflege (aktiv)

Reife

Markenpflege (aktiv)

• Bekanntheitsgrad steigern oder konstant halten • Image stärken, pflegen oder modifizieren • Kunden binden

Markenwert steigern, konstant halten Degeneration

3

Markenpflege (passiv), Markenelimination

Markenwert kapitalisieren

Integrierte Markenkommunikation als Erfolgskonzept der identitätsorientierten Markenführung

Im derzeitig verschärften Marken- und Kommunikationswettbewerb lassen sich mit einem isolierten Einsatz von Kommunikationsinstrumenten kaum noch Wettbewerbsvorteile erzielen (Boenigk 2001; Bruhn 2005; Esch 2001; Ringle 2003, S. 198; Schultz und Schultz 1998). Dabei erfordert jeder Lebensabschnitt einer Marke aufgrund der unterschiedlichen Herausforderungen maßgeschneiderte Kommunikationslösungen. Nur ein gezielter und integrierter Umgang mit den zur Verfügung stehenden Kommunikationsinstrumenten erlaubt es, in den einzelnen Phasen des Markenlebenszyklus lebensverlängernd und präferenzbildend auf die Marken und ihre unverwechselbare Identität einzuwirken. Hieraus ergibt sich ein Bedeutungszuwachs integrierter Konzepte im Rahmen der Markenkommunikation. Integrierte Kommunikation wird dabei verstanden als die strategische, marktgerichtete und identitätsorientierte Harmonisierung und Integration

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Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege

sämtlicher Kommunikationsprozesse zwischen einem Unternehmen und internen wie externen Anspruchs- bzw. Zielgruppen (Robers 1999, S. 26). Durch formale (z.B. Farben, Zeichen, Schrifttypen), inhaltliche (z.B. Botschaften, Slogans, Bilder) und zeitliche Integration der Kommunikationsziele und -aktivitäten (Bruhn 2003b, S. 78ff) soll ein für sämtliche anvisierten Zielgruppen konsistentes Erscheinungsbild eines Unternehmens bzw. einer Marke vermittelt sowie Synergieund Rationalisierungseffekte etabliert werden (Hermanns und Püttmann 1993, S. 22; Robers 1999, S. 36). Integrationsbemühungen richten sich dabei sowohl auf die direkte als auch auf die indirekte Kommunikation (Holland 2003, S. 45). Dabei zeigt sich auch in der Praxis ein Bedeutungszuwachs der integrierten Kommunikation. Laut einer Studie des Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrums (WWZ) der Universität Basel, dem Studiengang Kommunikationswirtschaft der FH der Wirtschaft, Wien, und der österreichischen Nationalbank82 zum Stand der integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen messen 94 Prozent der Befragten einem einheitlichen Unternehmensauftritt eine hohe Bedeutung für einen nachhaltigen Kommunikationserfolg zu. Dabei gaben 71 Prozent der Unternehmen an, integrierte Kommunikation bereits zu praktizieren.83 Bei einer solchen integrierten Markenkommunikation fungiert die Markenidentitätskonzeption als strategischer Bezugsrahmen; sie bildet die Grundlage für die Planung. Über die Abstimmung der kommunikativen Maßnahmen mit dem Selbstbild der Markenidentität soll ein einheitliches Bild der Marke nach außen kommuniziert und ein konsistentes Markenimage aufgebaut werden. Ist bereits eine starke Markenidentität vorhanden, so können die Kommunikationsinhalte von dieser abgeleitet werden, so dass sich die Identität in der Kommunikation reflektiert. In Abhängigkeit von den kommunikativen Inhalten sind diejenigen Kommunikationsinstrumente als Leitinstrumente zu bestimmen, die sich am besten für die Umsetzung dieser Inhalte eignen. Bei vielen Konzepten der integrierten Kommunikation wird die klassische Werbung als das strategische Leitinstrument der Markenkommunikation tituliert (Bruhn und Boenigk 1999, S. 228; Esch 2001, S. 68f). Diese Sichtweise ist vor dem Hintergrund der Wirkungsdefizite dieses Kommunikationsinstrumentes jedoch kritisch zu hinterfragen. Angesichts des erhöhten Werbedrucks und der Informationsüberlastung der Verbraucher erreichen höchstens „5% aller angebotenen Werbeinformationen (...) ihre Empfänger, der Rest landet im Müll“ (Kroeber-Riel und Esch 2004, S. 17). Auch zeigen die Rezipienten immer weniger Interesse an den über Werbung vermittelten Informationen und fühlen sich von Werbemaßnahmen in sämtlichen Mediengattungen 82

Von 489 kontaktierten österreichischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchensektoren nahmen insgesamt 172 Unternehmen an der schriftlichen Befragung teil. 83 siehe hierzu den Aufsatz Bruhn, M. (2006): Stand der integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen – ausgewählte empirische Befunde und Schlussfolgerungen, in diesem Buch.

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Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

zunehmend gestört (o.V. 2005b, S. 22), was zu einer kritischeren Einstellung gegenüber der Werbung führt. Auch die durch die Werbung vermittelten künstlichen emotionalen Inhalte stoßen hinsichtlich ihrer Authentizität und Glaubwürdigkeit schnell an ihre Grenzen und können somit die Anforderungen an die Emotionalisierung von Marken nicht erfüllen. Angesichts der kommunikativen Rahmenbedingungen und des Trends zur Erlebnisgesellschaft (Levermann 1998; Opaschowski 1998; Schulze 1992; Weinberg 1992) sollten für die Markenkommunikation Themenfelder besetzt werden, die über eine hohe gesellschaftliche Relevanz und ein hohes Erlebnispotenzial verfügen, wie z.B. Sport oder Kunst und Kultur. Die besondere Attraktivität dieser Themenbereiche liegt darin, dass hier reale, emotionale Ereignisse, z.B. eine Sportveranstaltung, eine Kunstausstellung oder ein Musikkonzert für Markenaufbau und -pflege genutzt werden können, die sich durch Authentizität und Glaubwürdigkeit auszeichnen und zugleich für die spezifischen Markenzielgruppen von hohem Interesse sind. Diese Markeninszenierung mit erlebnisorientierten Themenfeldern – verbunden mit einer Berücksichtigung der Markenidentität – verbessert schließlich die Wirkungsvoraussetzungen der Markenkommunikation. Um derartige Themen für die Markenkommunikation zu nutzen und umzusetzen, bedarf es der Sicherung von Rechten an diesen exklusiven Inhalten. Dies kann zum einen durch das Sponsoring von externen Veranstaltungen und zum anderen durch die Inszenierung von unternehmenseigenen Events erfolgen.

4

Begriffliche Abgrenzung von Sponsoring und Markenevents

Sponsoring wird definiert als die Zuwendung von Finanz-, Sach- und/oder Dienstleistungen von einem Unternehmen (Sponsor) an eine Einzelperson, eine Gruppe von Personen oder eine Organisation bzw. Institution aus dem gesellschaftlichen Umfeld des Unternehmens (Gesponserten) gegen die Gewährung von Rechten zur kommunikativen Nutzung von Personen bzw. Organisationen und/oder Aktivitäten des Gesponserten auf der Basis einer vertraglichen Vereinbarung (Hermanns 1997, S. 36f). Nach dieser Definition lässt sich das Sponsoring von anderen Formen der Förderung Dritter, d.h. Mäzenatentum, Stiftungen sowie Spendenwesen, abgrenzen, die primär auf idealistischen, altruistischen Motiven beruhen. Wenngleich auch mit dem Sponsoring Förderabsichten verbunden sein können, so ist es doch an konkrete, meist kommunikative Gegenleistungen des Gesponserten geknüpft und ist ein vertraglich fixiertes Geschäft, das auf einer Austauschbeziehung beruht (Bruhn 2003c, S. 3f; Glogger 1999, S. 32; Hermanns 1997, S. 40). Für Unternehmen stellt das Sponsoring ein Instrument der Marketingkommunikation dar, wobei es entweder die anderen

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Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege

Kommunikationsinstrumente unterstützen und ergänzen oder als Basis für den integrativen Einsatz der übrigen Kommunikationsinstrumente dienen kann. In diesem Sinne lässt sich das Sponsoring als komplementäres oder als übergreifendes Instrument der Marketingkommunikation auffassen (Hermanns 2001, S. 394). Seit seiner Entstehung in den 1980er Jahren als innovative Form der Kommunikation hat sich das Sponsoring inzwischen als fester Bestandteil des Kommunikationsmix etabliert. Laut der vom Institut für Marketing der Universität der Bundeswehr München und der Bob Bomliz Group, Bonn, durchgeführten Studie „Sponsoring Trends 2004“84 setzen durchschnittlich 74 Prozent der befragten Unternehmen Sponsoring als Kommunikationsinstrument ein. Der Anteil des Sponsorings am gesamten Kommunikationsbudget beträgt dabei durchschnittlich 15 Prozent (Hermanns und Marwitz 2004, S. 8f). Mögliche Sponsoringbereiche sind der Sport, Kunst/Kultur, Wissenschaft und Bildung, die Medien sowie der soziale und ökologische Bereich. Beim Vergleich der Sponsoringarten hat das Sportsponsoring, das von 83 Prozent der Sponsoring betreibenden Unternehmen eingesetzt wird, eine dominierende Rolle inne, gefolgt vom Kunst- und Kultursponsoring mit 82 Prozent. Der Anteil des Budgets für Sportsponsoring macht dabei 44 Prozent des gesamten Sponsoringbudgets aus, der des Kunst- und Kultursponsorings 29 Prozent (Hermanns und Marwitz 2004, S. 11f). Für einen zielgerichteten Einsatz des Sponsorings als Instrument der Markenkommunikation ist ein fundiertes Wissen um seine Wirkungsweise und -potenziale unverzichtbar. Das Sponsoring nutzt fremdinitiierte Events in einem realen emotionalen Kontext als Medium für die Kommunikationsbotschaften von Unternehmen (Burmann und Nitschke 2005, S. 389). Dadurch werden Zielgruppen in nicht-kommerziellen Situationen angesprochen und die Umgehung von Kommunikationsbarrieren ermöglicht. Die Massenmedien wie Fernsehen und Tageszeitungen üben häufig eine Multiplikatorfunktion bei der Vermittlung von Sponsoringbotschaften aus, was das Sponsoring ökonomisch besonders interessant macht. In Abhängigkeit des gesponserten Bereichs können aufgrund dieses Multiplikatoreffektes der Medien hohe mediale Reichweiten erreicht werden, etwa bei Übertragungen großer Sportereignisse, wodurch breite Zielgruppen angesprochen werden können (Hermanns 1996, S. 332f). Andere Sponsoringbereiche wie z.B. die Kunst ermöglichen hingegen eine gezieltere Ansprache kleiner Zielgruppen, die über klassische Kommunikationsinstrumente nur schwer erreichbar sind. Allerdings steht bei einem Sponsorship nicht die Marke im Mittelpunkt des Interesses der Zielgruppe, sondern die gesponserte Person oder Veranstaltung (Hermanns, Kiendl und Ringle 2005, S. 18). Sponsoring eignet sich weniger zur Übermittlung komplexer Botschaften, sondern zielt auf die assoziative 84

Diese Studie wird seit 1998 in einem zweijährigen Turnus mit dem Ziel durchgeführt, Erkenntnisse über das Sponsoringverhalten und Trends der zukünftigen Sponsoringentwicklung zu erhalten. Die Grundgesamtheit der Studie „Sponsoring Trends“ bilden die 2.500 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland, die mittels standardisierter Fragebogen im Zeitraum von März bis Mai 2004 schriftlich befragt wurden. Insgesamt konnten 683 Fragebogen in der Auswertung berücksichtigt werden (27 Prozent).

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Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

Verbindung einer Unternehmung bzw. einer Marke mit den Attributen des Gesponserten bzw. der gesponserten Veranstaltung ab. Beim Einsatz des Sponsorings im Rahmen der integrierten Kommunikation ist jedoch eine erweiterte inhaltliche Verwendung möglich (Hermanns 2001, S. 393f). Der Status quo der bisherigen empirischen Untersuchungen zur Sponsoringwirkung zeigt die folgenden allgemeinen Erkenntnisse hinsichtlich der Wirkungspotenziale:

Sponsoring kann den Bekanntheitsgrad einer Unternehmung oder einer Marke positiv verändern (Bennett 1999; Cuneen und Hannan 1993; Grohs, Wagner und Vsetecka 2004; Harshaw und Turner 1999; Quester und Farrelly 1998).

Für einen Sponsor ist ein Imagetransfer über das gemeinsame Auftreten mit einem Gesponserten grundsätzlich möglich (Glogger 1999; Grohs, Wagner und Vsetecka 2004; Gwinner 1997; Gwinner und Eaton 1999; Johar und Pham 1999; Mason 2005; Pitts und Slattery 2004; Speed und Thompson 2000).

Die Vernetzung des Sponsorings mit anderen Instrumenten der MarketingKommunikation sowie des Marketing kann dessen Effizienz wesentlich steigern (Hermanns 1997, S. 108ff; Levin, Joiner und Cameron 2001). Dementsprechend stellen die Beeinflussung von Bekanntheits- und Imagegrößen die zentralen strategischen Zielsetzungen des Sponsorings dar; im Zuge zunehmender Ökonomisierung der Kommunikation werden auch verstärkt ökonomische Ziele wie Kundenbindung und Neukundengewinnung verfolgt (Hermanns, Kiendl und Marwitz 2004, S. 25). Eine weitere Möglichkeit zur Sicherung von Rechten an exklusiven Inhalten aus dem gesellschaftlichen Umfeld der Unternehmen für die Markenkommunikation ist die Inszenierung sogenannter Markenevents. Events finden in unterschiedlichen Kontexten des Marketings statt. So können sie im Rahmen des Veranstaltungsmarketing als Ereignisse im Sinne kommerziell verwertbarer Dienstleistungen professionell erstellt und vermarktet werden (z.B. Konzerte, Musicals, Sportveranstaltungen). Im Kontext der Marketingkommunikation finden sich Events sowohl als fremdinszenierte Ereignisse, die durch das Sponsoring genutzt werden, als auch als eigeninitiierte Ereignisse im Sinne von Marketing- bzw. Markenevents (Drengner 2003, S. 20ff). Events werden definiert als inszenierte Veranstaltungen in Form erlebnisorientierter Aktionen, die dem Adressaten firmen- und/oder produktbezogene Kommunikationsinhalte erlebnisorientiert vermitteln, d.h. emotionale und physische Reize darbieten, die zu einem starken Aktivierungsprozess führen können. Bei Markenevents steht entsprechend die Marke mit den jeweiligen charakteristischen Werten im Vordergrund. Seit der Mitte der 1990er Jahre hat das Eventmarketing als Instrument der Marketingkommunikation angesichts der zunehmenden Erlebnisorientierung der Gesellschaft und der abnehmenden Wirksamkeit klassischer Kommunikationsinstrumente stetig an

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Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege

Bedeutung gewonnen. So nutzen laut der Studie „Event Report 2003“85 bereits 58 Prozent der befragten Unternehmen das Eventmarketing als Kommunikationsinstrument; 10 Prozent planen, zukünftig Events durchzuführen (Zanger und Drengner 2004, S. 12). Nach der von TNS-Infratest durchgeführten Erhebung „EventKlima 2005“86 sehen 59 Prozent der Befragten in Events das Kommunikationsinstrument der Zukunft (Scholz 2005, S. 32). Markenevents setzen Werbebotschaften in tatsächlich erlebbare Ereignisse um, die sich bewusst von der Alltagswirklichkeit der Zielgruppe unterscheiden, und ermöglichen die erlebnisorientierte Inszenierung greifbarer Markenwelten (Zanger und Sistenich 1996, S. 234f). Dies führt zu einem höheren Aktivierungspotenzial der Zielgruppen im Vergleich zu klassischer Kommunikation (Drengner 2003, S. 37). Die positiven Markenerlebnisse der Zielgruppen tragen zum Aufbau langfristiger Gedächtnisinhalte hinsichtlich der Marke bei (Nufer 2002, S. 310). Markenevents zeichnen sich durch eine zielgruppenorientierte Ausrichtung und Interaktionsorientierung aus, wodurch sie eine hohe Kontaktintensität mit den Zielgruppen ermöglichen. Durch die aktive Teilnahme am Ereignis werden darüber hinaus mehrere Sinneskanäle der Konsumenten angesprochen (Drengner 2003, S. 35). Dieses multisensuale Erleben intensiviert die Wahrnehmung der Marke durch die Nachfrager. Über das direkte und/oder interaktive Erleben der Markenidentität bei einem Event kann eine starke Identifikation der Teilnehmer mit der Marke erreicht werden, die zu einer wirksamen Speicherung der dargebotenen Informationen führt und somit den Aufbau einer Beziehung zur Marke fördert (Burmann und Nitschke 2005, S. 394; Drengner 2003, S. 35). Intensiviert werden diese Wirkungen dadurch, dass eigeninitiierte Events große Freiräume bei der Inszenierung der Veranstaltung und der Darstellung der Marke bieten; die Marke steht für den Teilnehmer wahrnehmbar im Mittelpunkt der Aktion. Markenevents zeichnen sich durch die folgenden Wirkungspotenziale aus:

Markenevents ermöglichen einen Imagetransfer von Attributen des Ereignisses auf die Marke (Drengner 2003; Nufer 2002).

85

Im Rahmen der Studie „Event Report 2003“ wurden zur Erhebung des deutschen Eventmarktes telefonische Befragungen von Entscheidern aus Eventagenturen und eventveranstaltenden Unternehmen im Zeitraum von Oktober bis November 2003 durchgeführt. Die Datenbasis besteht aus 118 Eventagenturen und 120 eventveranstaltenden Unternehmen. 86 Durchgeführt wurde die Studie „Event-Klima 2005“ im Auftrag des FME durch TNS-Infratest Hamburg. Insgesamt wurden 263 Unternehmen im Zeitraum vom 15.11.2004 bis 19.01.2005 im Rahmen von Experteninterviews befragt. 126 davon gehören zu den 250 Top-Kommunikationstreibenden in Deutschland, 80 sind mittelständische Unternehmen, die selbst Marketingevents als Kommunikationsmaßnahmen einsetzen, sowie 57 sind Agenturen aus den Bereichen Klassik, PR und Event.

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Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

Über die aktive Einbindung der Zielgruppen in das Markenevent wird der Aufbau einer Beziehung zur Marke gefördert und damit Markenbindung ermöglicht (Gündling 1998, S. 86ff).

Durch das Aufgreifen der Eventinhalte im Rahmen der integrierten Kommunikation kann über die Nutzung von Massenmedien als Multiplikatoren im Sinne einer Publikumsplattform die Reichweite der Markenevents erhöht werden (Sistenich 1999, S. 91f), und es lassen sich somit auch Bekanntheitsgrößen beeinflussen. Diesen Forschungsergebnissen entsprechend sind laut „Event Report 2003“ in der Praxis die Beeinflussung von Image- und Bekanntheitsgrößen, Kundenbindung und Neukundengewinnung die zentralen strategischen Ziele von Events (Zanger und Drengner 2004, S. 44). Die Beeinflussung von Imagegrößen geschieht bei beiden Kommunikationsinstrumenten über einen positiven Imagetransfer, wobei das Image eines identitätskonformen gesponserten oder eigeninitiierten Ereignisses auf die Marke transferiert werden soll (Glogger 1999, S. 78ff; Nufer 2002, S. 65ff). Während Sponsoring über den Multiplikatoreneffekt der Medien hohe Reichweiten erzielen kann, bieten Events insbesondere die Möglichkeit einer fokussierten interaktiven Zielgruppenansprache. Diese Kommunikationsinstrumente können sich auf ideale Weise ergänzen. Durch die Nutzung von zielgruppenrelevanten Themen aus dem gesellschaftlichen Umfeld wird in aller Regel eine Emotionalisierung der Marke und eine höhere Kontaktqualität erreicht. Sponsoring und Events eignen sich daher in besonderem Maße als Leitinstrumente für die integrierte identitätsorientierte Markenkommunikation. So zeigt sich in der Praxis, dass bereits 65 Prozent der befragten Unternehmen Sponsoring und Events miteinander kombinieren. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend in Zukunft weiter verstärken wird (Hermanns und Marwitz 2004, S. 14). Hinsichtlich der Integration der beiden Instrumente in das System der Gesamtkommunikation zeigen sich in der Praxis jedoch noch Defizite, wie die bereits zitierte Studie zur integrierten Kommunikation dokumentiert: So vernetzen nur 68 Prozent der befragten österreichischen Unternehmen das Sponsoring und 69 Prozent das Eventmarketing mit weiteren Instrumenten.87

87

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siehe hierzu den Aufsatz Bruhn, M. (2006): Stand der integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen – ausgewählte empirische Befunde und Schlussfolgerungen, in diesem Buch.

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Sponsoring und Events als Instrumente für Markenaufbau und Markenpflege

Im Rahmen der Markenführung können Sponsoring und Events erheblich zur Etablierung der Markenidentität im Rahmen von Markenaufbau und -pflege sowie der Erreichung damit verbundener Markenziele beitragen. Dabei ist für die Gestaltung von Sponsoring und Events die Markenidentitätskonzeption als strategischer Bezugsrahmen heranzuziehen. Nur durch eine konsequente Abstimmung aller kommunikativen Maßnahmen auf die Markenidentität kann ein einheitliches Markenimage nach außen und eine Deckungsgleichheit von Selbst- und Fremdbild der Markenidentität hergestellt werden. 1. Markenaufbau Im Rahmen des Markenaufbaus gilt es, im Wettbewerbsumfeld in der subjektiven Wahrnehmung der Konsumenten eine Alleinstellung zu erreichen (Roosdorp 1998, S. 14). Hierzu bedarf es zunächst der Bekanntmachung der Marke bei den relevanten Zielgruppen. Dazu eignet sich ein schwerpunktmäßiger Einsatz des Sponsorings. Durch den Multiplikatoreffekt der Massenmedien lassen sich über das Sponsoring hohe Reichweiten erzielen. Verfolgt ein Sponsoring-Engagement nur Bekanntmachungsziele, steht die Optimierung der Zielgruppenkontakte unter Kostengesichtspunkten im Vordergrund, und das Sponsorship wird schwerpunktmäßig nach Kriterien der Reichweite und Kosten ausgewählt. Imageüberlegungen sind hierbei eher nicht relevant (Hermanns 1997, S. 145). Mit der Markenbekanntheit als notwendige Voraussetzung muss sich die Markenführung im Rahmen des Markenaufbaus darüber hinaus der Schaffung des erwünschten Markenimages bei den relevanten Zielgruppen widmen. Diesen Imageaufbau können Sponsoring und Events über einen Imagetransfer ermöglichen und unterstützen. Eine wichtige Wirkungsdeterminante für den Imagetransfer im Rahmen von Sponsoring bzw. Events ist die Kompatibilität zwischen Marke und dem Gesponserten bzw. dem eigeninitiierten Event (Drengner 2003; Erdtmann 1989; Glogger 1999; Nufer 2002; Rieger 1994). 2. Markenpflege Im Rahmen der Markenpflege soll die erreichte Alleinstellung erhalten oder ausgebaut werden (Roosdorp 1998, S. 14). Bei einer dynamischen Betrachtung der Marke sind hierbei auch die Entwicklungen der Zielgruppen, ihrer Struktur und Bedürfnisse im Laufe des Markenlebenszyklus zu berücksichtigen. So kann sich im Rahmen der Markenpflege bei den bestehenden Kunden eine Bedürfnisveränderung einstellen, auf die über die entsprechende Nutzenversprechen in der Markenkommunikation eingegangen werden sollte; oder es erfolgt eine Ausrichtung auf neue Zielgruppen, auf welche die Markenbotschaften anzupassen sind (Roosdorp 1998, S. 25ff). Ebenso kann 319

Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

sich bei der Markenpflege die Notwendigkeit ergeben, die unter der Marke angebotenen Leistungen im Zeitablauf anzupassend zu verändern. Unverändert bestehende Angebote sollten möglichst lange in der Reifephase gehalten werden, indem beispielsweise der Fokus auf eine dynamische Kommunikation gelegt wird (z.B. Marlboro oder Coca-Cola). Da in der Reifephase die Wettbewerbsintensität besonders hoch ist, gilt es, die Marke immer wieder zu aktualisieren und für eine Differenzierung durch symbolische und emotionale Nutzenkomponenten anzureichern. Des Weiteren kann unter einer Marke auch eine Sortimentsausdehnung vollzogen werden, indem die Kernmarke durch Submarken erweitert wird (Roosdorp 1998, S. 20f). Insgesamt ist die Markenkommunikation im Rahmen der Markenpflege – aufgrund des erhöhten Wettbewerbs und der zunehmenden Heterogenität der Gesamtzielgruppen z.B. durch Sortimentserweiterungen – differenziert und zielgruppenspezifisch zu gestalten, was in dieser Phase zu einer erhöhten Bedeutung von Markenevents führt. Hinsichtlich der Zielsetzungen der Markenführung stehen bei der Markenpflege die Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der Markenbekanntheit, die Verfeinerung, Anpassung und Aufrechterhaltung von Imagemerkmalen (Imagepflege) sowie der Aufbau und die Erhaltung von Markenbindung im Vordergrund. Die Zielsetzung der Imagepflege erfordert sowohl bei Sponsoring als auch bei Events eine Vernetzung mit dem gesamten Kommunikationsinstrumentarium, um über alle Kommunikationskanäle hinweg ein einheitliches Markenimage zu kommunizieren und aufzubauen. Markenbindung kann insbesondere über Markenevents erreicht werden, und zwar aufgrund deren hohen Interaktionspotenzials und Zielgruppenorientierung. Hierbei besteht die Möglichkeit, ein SponsoringEngagement durch Side-Events anzureichern. Diese von einem offiziellen Sponsor am Rande der Veranstaltung selbstinitiierten Markenevents bieten den Zielgruppen einen hohen Unterhaltungs- und Erlebniswert, ermöglichen den Dialog mit und die Einbindung der Zielgruppen (Hermanns und Marwitz 2003, S. 143). Des Weiteren kommen unternehmenseigene Markenevents in Betracht. Diese haben den Vorteil, dass sie vom Unternehmen selbst geplant und durchgeführt werden und damit größere Freiräume bei der Inszenierung der Marke bieten. Solche eigeninitiierten Markenevents sind besonders dann attraktiv, wenn sich kein identitätskonformes Sponsoring-Engagement finden lässt oder eine interaktive zielgruppenspezifische Kommunikation realisiert werden soll. Abschließend ist anzumerken, dass Sponsoring und Events als Leitinstrumente der Markenkommunikation bei Aufbau und Pflege von Marken einen hohen Beitrag zur Erreichung der kommunikativen Zielsetzungen Markenbekanntheit, Markenimage und Markenbindung leisten können. Allerdings decken sie nicht alle Aufgaben der Markenkommunikation ab, wie z.B. mit der Verkaufsförderung verbundene Absatzund Umsatzziele. Daher empfiehlt es sich, beide Instrumente in die integrierte

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Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege

Kommunikation einzubetten, wobei sie als Themenlieferant für die übrigen Kommunikationsinstrumente dienen und somit weitere kommunikative Zielsetzungen unterstützen. Im Folgenden soll der erfolgreiche Markenaufbau durch Sponsoring und Events im Rahmen eines integrierten Kommunikationskonzeptes am Beispiel der Marke bibop veranschaulicht werden.

6

Fallbeispiel: Aufbau der Marke bibop

Mit einem integrierten Kommunikationskonzept, das auf einem kommunikativen Engagement in der Club- und Musikszene basiert, konnte der Schwarzbierhersteller Köstritzer seine neue Marke „bibop“, ein Biermischgetränk aus Schwarzbier, Cola und Guarana, seit der Einführung im Frühjahr 2002 erfolgreich aufbauen und im hart umkämpften Markt der Biermixgetränke etablieren. Die zentrale Säule des Kommunikationskonzeptes stellen dabei Sponsoring und Markenmusikevents dar. Unter dem Motto „Taste the music – bibop. don’t stop“ vernetzt die Markenkommunikation von bibop Sponsoring und eigeninitiierte Events in der jungen Club- und Musikszene mit weiteren Instrumenten des Kommunikationsmix (siehe Abbildung 6-1). Das Sponsoring-Engagement umfasst das Sponsoring von Musikfestivals wie Berlinova, Melt! und SonneMondSterne sowie ein Mediensponsoring des Sendeformats „MTV Streetlive“. Eigeninitiierte Markenmusikevents von bibop sind die gemeinsam mit MTV konzipierte Showtour „Battle of the DJs“, die BEATS bibop Clubtour, die bis zum Frühjahr 2004 durch die Szeneclubs der neuen Bundesländer reiste, sowie der „bibop urban beach“, bei dem Resident-DJs der bekanntesten Clubs der Metropolen Berlin, Hamburg, Dresden und Leipzig in einem Zeitraum von 28 Tagen an 20 Stränden auflegten.

Das über Sponsoring und Events generierte Musikthema wird in weiteren Kommunikationsinstrumenten aufgegriffen, wie z.B. Hörfunkspots, POS-Werbung, Gewinnspiele, einer Internetplattform und Verkaufsförderungsmaßnahmen (Hase 2005; Will 2004). Somit fungieren Sponsoring und Events als Content-Lieferanten für die gesamte Markenkommunikation, die passgenau auf die spezifischen Zielgruppen abgestimmt ist. Mit dem zielgruppenspezifischen Engagement in der jungen Musik- und Clubszene konnten im Rahmen des Sponsorings über den Multiplikatoreffekt der Medien bei den jungen Zielgruppen hohe Reichweiten mit geringen Streuverlusten erreicht und damit in kurzer Zeit hohe Bekanntheitsgrade aufgebaut werden. „Mit jungen Sendeformaten

321

Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

und eigenen Musikevents werden millionenfache Kontakte mit der Zielgruppe generiert und die Musikkompetenz der Marke Köstritzer bibop erlebbar gemacht“ (Will 2004, S. 83). Die eigeninitiierten Markenmusikevents ermöglichen Köstritzer, in einen direkten Kontakt mit den Zielgruppen zu treten sowie die Marke positionierungsrelevant zu inszenieren und emotional aufzuladen. Dank des integrierten Konzeptes, das dieses Musikengagement über alle Kommunikationskanäle verbreitet, konnte ein Transfer von Imageattributen der im Trend liegenden Clubszene auf die Marke bibop realisiert werden.

Abbildung 6-1:

7

Markenaufbau durch Musiksponsoring bei der Marke bibop

Fazit

Aufgrund des verschärften Marken- und Kommunikationswettbewerbs erhöhen sich die Anforderungen an eine wirksame und wirtschaftliche Markenkommunikation, die den Aufbau und die Pflege wettbewerbsfähiger Marken unterstützt. Der Einsatz von Sponsoring und Events als Leitinstrumente im Rahmen eines integrierten Kommunikationskonzeptes ermöglicht eine emotionale, erlebnisorientierte Zielgruppenansprache. Damit können die zentralen Markenführungsziele Markenbekanntheit, Markenimage und Markenbindung erreicht werden, wie im Fallbeispiel der Marke bibop verdeutlicht werden konnte. Über eine konsequente Identitätsorientierung wird

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Der Beitrag von Sponsoring und Events zu Markenaufbau und Markenpflege

zudem der Notwendigkeit der Konsistenz und Kontinuität des Markencharakters in der zeitlichen Dynamik des Markenlebenszyklus Rechnung getragen. Markenartikelanbieter stehen dabei vor der Herausforderung, maßgeschneiderte Sponsoring- und Eventkonzepte zu entwickeln, die auf die spezifischen Marken, Zielgruppen und Märkte zugeschnitten sind. Hierzu bedarf es einer strategischen Fundierung in der Markenidentität und einer konsequenten Vernetzung mit dem gesamten Kommunikationsinstrumentarium. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines systematischen Marken- und Kommunikationsmanagements, das all diesen Aspekten Berücksichtigung schenkt und eine langfristige Wertschöpfung sicherstellt.

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Arnold Hermanns, Stephanie Kiendl und Tanja Ringle

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329

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

Hartwig Steffenhagen

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

1

Der Werbeetat im Werbeplanungsprozess.................................................................. 333

2

Alternative Ansätze der Werbeetatplanung................................................................ 333

3

Heuristische Werbeetatentscheidungen ...................................................................... 335 3.1 Monofaktoriell-pauschale Etatbestimmung ...................................................... 335 3.2 Multifaktoriell-pauschale Etatbestimmung....................................................... 336 3.3 Kompositionell-heuristische Etatbestimmung.................................................. 337

4

Empirische Werbewirkungsfunktionen als Basis analytischer Etatplanung .......... 338

5

Die pauschale Etatbestimmung auf Basis einer psychographischen WerbeetatWirkungsfunktion .......................................................................................................... 341 5.1 Etatbestimmung bei fixiertem Werbeziel........................................................... 341 5.2 Etatbestimmung bei fehlender Werbezielfixierung.......................................... 343

6

Die kompositionelle Etatbestimmung auf Basis einer psychographischen Werbemix-Wirkungsfunktion....................................................................................... 344 6.1 Etatbestimmung bei fixiertem Werbeziel........................................................... 344 6.2 Etatbestimmung bei fehlender Werbezielfixierung.......................................... 346

7

Zusammenfassung und Ausblick................................................................................. 348

331

Hartwig Steffenhagen

Abstract

Der vorliegende Beitrag versucht die offenbar erstarrte Auseinandersetzung mit Ansätzen der Werbebudgetierung neu zu beleben. Dies betrifft sowohl die heuristische als auch die analytische Werbeetatplanung. Es wird zum einen auf heuristische Verfahren aufmerksam gemacht, die sich in praktischen Erprobungen bewährten, jedoch in aktuellen Darstellungen übergangen werden. Zum anderen wird aufgezeigt, welches Anwendungspotenzial sich für die analytische Werbeetatplanung ergibt, wenn – wie zunehmend praktiziert – aus Werbetracking-Datenbasen empirische Werbewirkungsfunktionen zur Werbeawareness, Markenbekanntheit und anderen werbepsychologischen Zielgrößen ermittelt werden.

332

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

1

Der Werbeetat im Werbeplanungsprozess

Mit der Entscheidung über einen Werbeetat (synonym: Werbebudget) wird für einen speziellen Zeitraum (i.a. für ein Jahr) der finanzielle Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen sich alle zu bezahlenden Werbeaktivitäten für ein Produkt bzw. eine Marke eines Werbetreibenden88 bewegen dürfen (Schweiger 2001a). Der Werbeetat muss dabei alle anfallenden zahlungsrelevanten Kreations-, Produktions- und Streukosten abdecken. Er wird – aus planungssystematischer Sicht – im Rahmen eines umfassenden Planungs- und Entwicklungsprozesses festgelegt (Berndt 1995, S. 330; Bruhn 2005, S. 113; Sander 1993; Schweiger und Schrattenecker 2005). Dieser besteht zunächst aus Diagnoseschritten, in denen sich ein Planungsteam mit der aktuellen Marktsituation bezüglich werberelevanter Aspekte vertraut macht. Im weiteren Verlauf des Prozesses werden Zielgruppen und Werbeziele geplant; mit oder nach der Etatplanung wird festgelegt, welche monetären Anstrengungen auf verschiedene Produkte bzw. auf die Bearbeitung verschiedener Zielgruppen, auf den Einsatz diverser Werbeinstrumente, auf die Belegung gewisser Mediagattungen und Einzelmedien sowie auf gewisse Zeiträume entfallen sollen, in denen Werbeaktivitäten realisiert werden. Darüber hinaus werden – zum Teil zeitlich parallel zu diesen Schritten – Werbemittel entwickelt, in denen sich in gestalterischer Umsetzung (Bild, Text, Ton usw.) die zu übermittelnde, aus den Werbezielen abgeleitete Werbebotschaft niederschlägt. Je nachdem, in welcher Reihenfolge hierbei vorgegangen wird, und nach welcher Planungsmethodik Entscheidungen fundiert werden, ergeben sich unterschiedliche Ansätze der Werbeetatplanung.

2

Alternative Ansätze der Werbeetatplanung

Die in Praxis und Literatur anzutreffenden Ansätze der Werbeetatplanung lassen sich danach unterscheiden, ob mit dem jeweiligen Ansatz eine pauschale oder eine kompositionelle Etatbestimmung erfolgt, und ob die betreffende Entscheidung auf heuristischem oder auf analytischem Weg zustande kommt. 88

Als Werbetreibende werden im vorliegenden Beitrag Hersteller- und Handelsunternehmen betrachtet. Die institutionelle Werbung von Vereinen, karitativen Organisationen o.ä. bleibt außer Betracht.

333

Hartwig Steffenhagen

Bei pauschaler Werbeetatplanung wird – z.B. mit Blick auf ambitionierte Werbeziele – die Höhe des Gesamtetats fixiert, ohne bei dieser Entscheidung bereits detailliert die von diesem Etat abzudeckenden Werbeaktivitäten in Teilmärkten/Zielgruppen, Werbeinstrumenten, Mediagattungen oder Zeitfenstern geplant zu haben („Top DownPlanung“). Die kompositionelle Etatplanung dagegen berücksichtigt, welche detailliert vorzusehenden Werbeaktivitäten zielorientiert ergriffen werden sollen, und mit welchem Etatbedarf dabei zu rechnen ist. Sie beruht somit auf einer Erarbeitung einzelner Werbevorhaben in Zielgruppen, Werbeinstrumenten, Mediagattungen (sachlich kompositionell) und/oder Zeitfenstern (zeitlich kompositionell), um auf dieser Basis den erforderlichen Gesamtetat als resultierende Größe festzustellen („Bottom Up-Planung“). Beim heuristischen Entscheiden über den Werbeetat verkürzt und vereinfacht der Entscheider89 den abzuarbeitenden Prozess der Fundierung dieser Entscheidung, indem er z.B. auf Daumenregeln zurückgreift oder lediglich Schlüsselaspekte der zu bewältigenden Aufgabe beachtet. Da dabei nicht alle entscheidungsrelevanten Konsequenzen durchdacht werden, weist eine heuristisch getroffene Entscheidung Begründungslücken auf. Dies hat zur Folge, dass nicht jeder Dritte von der Angemessenheit der auf diesem Wege entschiedenen Werbeetathöhe zu überzeugen ist. Dagegen ist der Entscheider bei analytischer Werbeetatplanung in der Lage, alle von ihm durchdachten, problemrelevanten Annahmen und vermuteten Konsequenzen seiner Entscheidung freizulegen – vor sich selbst sowie gegebenenfalls gegenüber Dritten. Natürlich werden auch beim analytischen Entscheiden an gewissen Stellen des Denkprozesses Vereinfachungen vorgenommen; aber die schließlich bestimmte Werbeetathöhe lässt sich in ihrer Rationalität im Rahmen freigelegter Annahmen schlüssig begründen. Da die vereinfachenden Annahmen zu einer Modellierung der Entscheidungsaufgabe führen, ist es für die analytische Etatplanung typisch, dass zur Entscheidungsfundierung modellgestützte Evaluierungs- bzw. Optimierungshilfen herangezogen werden.90 Im Folgenden wird auf alle vier Ansätze der Werbeetatplanung (vgl. Abbildung 2-1) eingegangen, die in ihrer Charakteristik als Kombinationen aus pauschalem bzw. kompositionellen sowie heuristischem bzw. analytischem Vorgehen entstehen.

89

Auch wenn in der Praxis viele Werbeentscheidungen in Teams getroffen werden, sei im Folgenden sprachlich vereinfachend vom „Entscheider“ gesprochen. 90 Zur Unterscheidung und Erläuterung heuristischen versus analytischen Entscheidens sowie zur Typik modellgestützter Evaluierungs- und Optimierungshilfen vgl. Steffenhagen 2004, S. 232ff.

334

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

Abbildung 2-1:

Übersicht zu Ansätzen der Werbeetatplanung

Ansätze der Werbeetatplanung

Heuristische Ansätze

Pauschale Etatbestimmung

Kompositionelle Etatbestimmung

Analytische Ansätze

Pauschale Etatbestimmung

Kompositionelle Etatbestimmung

3

Heuristische Werbeetatentscheidungen

3.1

Monofaktoriell-pauschale Etatbestimmung

Bekannte Ansätze der heuristischen Werbeetatplanung, wie die „Prozent vom UmsatzMethode“, die „Alles was wir uns leisten können-Methode“, die „Wettbewerbsparitätsmethode“ sowie die „Marktanteil-Werbeanteil-Methode“ können als Wege einer monofaktoriell-pauschalen Etatbestimmung bezeichnet werden. In jedem dieser Ansätze wird ein ausgewählter Faktor als Wegweiser (z.B. eigener Umsatz, eigene Finanzmittel, Konkurrenzetat, Ziel-Marktanteil) herangezogen, von dem aus der Weg zur passenden Werbeetathöhe eingeschlagen wird. Die Funktionsweise, aber auch die Defizite an Logik bzw. Systematik dieser Ansätze wurden in der Literatur hinreichend oft herausgestellt (Berndt 1995, S. 342ff; Bruhn 2005, S. 238ff; Schweiger und Schrattenecker 2005, S. 183ff; Simon und Möhrle 1993); ihnen sei deshalb an dieser Stelle keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl sie in der Praxis nach wie vor breit angewendet werden (Lynch und Hooley 1990; Polifke und Siems 1996).

335

Hartwig Steffenhagen

3.2

Multifaktoriell-pauschale Etatbestimmung

Anders als die monofaktoriellen Ansätze greift die multifaktoriell-pauschale Etatplanung mehrere Faktoren auf, von deren Ausprägungen die Bemessung der Etathöhe im Einzelfall geleitet wird. Die Idee geht auf Burdich und Kaplitza (1987) zurück; sie wurde von Kall (1996) übernommen und weiterentwickelt. Der Ansatz sei mit Abbildung 3-1 erläutert.

Abbildung 3-1:

Einflussgrößen für die Bemessung der Werbeetathöhe

hoch

Produktinteresse der Abnehmer

niedrig

niedrig

Marktwachstum

hoch

hoch

bisheriger Share of Advertising

niedrig

niedrig

Erwarteter Werbedruck der Konkurrenz

hoch

hoch

bisheriger Goodwill/Marktanteil

niedrig

niedrig

Profitabilität des Produkts

hoch

eher niedrig

Werbeetat

eher hoch

Der Weg zur passenden Werbeetathöhe beginnt mit einer vorzuschaltenden, situationsanalytischen Diagnose- und Prognosearbeit bezüglich der in der Abbildung aufgeführten Faktoren. Dabei wird unterstellt, dass es nicht schwierig sei festzustellen, ob die Ausprägungen dieser situationsspezifischen Einflussgrößen im betreffenden Einzelfall eher als „hoch“ oder eher als „niedrig“ einzustufen sind; diese Einstufung ist natürlich eine Frage der Wahl eines geeigneten Referenzpunkts. Im Vertrauen darauf, dass der Entscheider die Einstufung schon „irgendwie“ bewältigen wird, lautet die von dieser Entscheidungshilfe ausgehende Empfehlung: „Je mehr im betreffenden Fall die Einträge auf der rechten bzw. linken Seite der Skalen zutreffen (siehe die für einen fiktiven Fall zutreffenden ovalen Umrahmungen), desto eher ist

336

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

der Empfehlung bezüglich der Werbeetathöhe in der Schlusszeile der Abbildung zu folgen“. Als Referenzpunkt, von welchem für den „eher hohen“ oder „eher niedrigen“ Werbeetat auszugehen ist, empfehlen Burdich und Kaplitza (1987) einen jeweils produktklassenbezogenen Share of Advertising-Wert, der aus Werbetrackingstudien abzuleiten ist. Zweifellos ist ein solcher Ansatz dem monofaktoriellen Vorgehen überlegen, selbst wenn die bekannten monofaktoriellen Vorgehensweisen im Anwendungsfall miteinander kombiniert werden, was die Praxis nicht selten tut; denn an die Stelle des geplanten Umsatzes oder der verfügbaren Geldmittel treten wichtigere Faktoren, wie etwa die Profitabilität des beworbenen Produkts, das Marktwachstum und der vom bisher in der Adressatenschaft bestehenden Goodwill gegenüber dem Werbeobjekt. Von solchen Faktoren ist aus ökonomischer Sicht eine gewinnorientierte Budgethöhe abhängig zu machen.91 Auch lassen sich – je nach werblicher Aufgabenstellung im Einzelfall – weitere Einflussgrößen explizit berücksichtigen (Kall 1996), wie z.B. mehr oder weniger anspruchsvolle Werbeziele bzw. werbliche Aufgabenstellungen. Die Entscheidungshilfe ist somit sehr flexibel, ohne dabei an Systematik einzubüßen. Der heuristische Charakter dieser Entscheidungshilfe bleibt jedoch evident: Nicht nur die Einstufung des Einzelfalls bezüglich der Faktoren muss der Entscheider „irgendwie“ bewältigen, sondern auch die schließlich zu präzisierende Etathöhe muss „irgendwie“ gegriffen werden.

3.3

Kompositionell-heuristische Etatbestimmung

Der Repräsentant kompositionell-heuristischer Werbeetatbestimmung ist die in der Literatur zwar stets erwähnte, in ihrer detaillierten Vorgehensweise jedoch selten näher beschriebene „Ziele-Maßnahmen-Methode“ („Objective and Task Method“). Allerdings veranschaulichen Schmidt (1994) sowie Kall (1996) anhand eines jeweiligen Anwendungsfalles ein systematisches Vorgehen, welches dem Prinzip dieser Methode entspricht. Ausgehend von in Inhalt, Ausmaß, Zielgruppen- und Zeitbezug klar definierten Werbezielen wird im Anwendungsfall, etwa für das zu bewerbende Produktmix (Schmidt 1994) bzw. ein Handelsunternehmen (Kall 1996), ein Arsenal denkbarer, situationsgerechter Werbeaktivitäten erarbeitet, von denen der Entscheider aufgrund seiner Wirkungsvermutungen erwartet, dass bereits mit einer Auswahl von ihnen – als Mix eingesetzt – die gesetzten Werbeziele zu erreichen wären. Diese Beurteilung betrifft jedoch lediglich den Wirkungsaspekt, nicht aber auch den Wirtschaft91

Der Stellenwert der hier genannten Faktoren spiegelt sich in gewinnorientierten Optimalitätstheoremen zur einperiodigen bzw. mehrperiodigen Werbebudgetierung wider. Vgl. hierzu etwa Schmalen 1992; Simon 1985, S. 45ff; Steffenhagen 2004, S. 256ff.

337

Hartwig Steffenhagen

lichkeitsaspekt, dem ein eingesetztes Werbemix ebenfalls gehorchen muss. Deshalb ist die voraussichtliche Wirksamkeit der verschiedenen Aktivitäten an ihren Einsatzkosten zu relativieren. Aufbauend auf die Beurteilung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit aller spezifizierten Werbeaktivitäten werden diese in eine Hierarchie gebracht. Gemäß dieser Hierarchie wird schließlich ein mit den Werbezielen vereinbares Werbeprogramm zusammengestellt, dessen Gesamtkosten durch einen entsprechenden Werbeetat abzudecken sind (Kall 1996, S. 151f). Erscheint dieser Gesamtetat dem Entscheider nicht als für das Unternehmen verkraftbar, müssen die Anspruchsniveaus in den Werbezielen gesenkt werden, und die Zusammenstellung des Werbemix ist zu wiederholen (Simon und Möhrle 1993, S. 306). Schmidt sowie Kall dokumentieren anhand ihrer jeweiligen Anwendungsfälle das hohe Maß an Systematik, welches dieser Vorgehensweise innewohnt. Allein schon in der damit verbundenen Herausforderung für den Werbeentscheider, über viele wichtige Aspekte der Werbemix- und -Etatplanung zu reflektieren, liegt die Kraft dieser Entscheidungshilfe. Kall (1996, S. 49) macht jedoch zu Recht darauf aufmerksam, dass diese Methode den Entscheider in einem zentralen Punkt alleine lässt, nämlich bei der Beurteilung der werbezielbezogenen Wirkung der spezifizierten Werbeaktivitäten bzw. des schließlich ausgewählten Werbemix. Diesen Beurteilungsschritt muss er „irgendwie“ bewältigen; der heuristische Charakter dieser Methode wird deshalb auch hier evident. Zusammenfassend wird deutlich, dass heuristische Wege der Werbeetatplanung von pragmatischen Werbeentscheidern sicherlich als hilfreiche Unterstützung empfunden werden können. Die seit vielen Jahren zunehmend professioneller betriebene empirische Werbewirkungsforschung bzw. einzelfallbezogene Werbewirkungskontrolle erlaubt es jedoch ebenso zunehmend, an die Stelle des heuristischen Entscheidens neue Wege der analytischen Werbeetatbestimmung treten zu lassen. Die erforderliche Grundlage dafür ist eine empirisch ermittelte, für den jeweils zu bewältigenden Fall gültige Werbewirkungsfunktion.

4

Empirische Werbewirkungsfunktionen als Basis analytischer Etatplanung

Für das analytische Entscheiden ist das bewusste Freilegen der zu erwartenden Konsequenzen einer zu treffenden Entscheidung charakteristisch. Deshalb bedarf die analytische Werbeetatplanung der Existenz insbesondere einer explizit formulierten, empirisch fundierten Werbewirkungsfunktion, die den im Einzelfall erwarteten kausalen

338

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

Zusammenhang zwischen der Höhe eines Werbeetats92 und dem damit erreichbaren Ausmaß verfolgter Werbeziele aufzeigt. Eine werbeetatbezogene Werbewirkungsfunktion bildet somit den Zusammenhang zwischen alternativen Etathöhen und der davon abhängigen, alternativ „starken“, werbezielbezogenen (kollektiven) Reaktion der Zielgruppe(n) ab. In der empirischen Forschung tritt an die Stelle des verausgabten Streuetats nicht selten der am Konkurrenzaufwand relativierte Share of Advertising (SoA) oder der in Kontaktmengen (z.B. Gross Rating Points) operationalisierte Werbedruck.93 Etatplanungsrelevante, empirische Werbewirkungsfunktionen unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht. Ein zentraler Unterschied ist die jeweils in die Funktion einbezogene Werbewirkung als abhängige Variable. Absatzmengen oder Marktanteile sind die in traditionell ökonomischen Werbewirkungsfunktionen betrachteten Effekte des Werbeetats. Da Absatzmengen oder Marktanteile aber selten dominant vom Werbeetat, dagegen viel häufiger von Preisen, vom Distributionsgrad, von promotionartigen Handelsaktivitäten sowie exogenen Größen wie dem Wetter, saisonalen Ereignissen u.ä. abhängen, sind werbepsychologische Wirkungsvariablen (z.B. der Bekanntheitsgrad einer Marke, die Werbeawareness oder Top Box-Einstellungswerte in Prozentpunkten) die für die Werbeplanung bereichsadäquateren Größen (Schweiger 1975, S. 143ff; Steffenhagen 1993). Diese Variablen reflektieren auch die prinzipiell relevanten Werbeziele, auf die das werbliche Handeln auszurichten ist. Entsprechende Wirkungsfunktionen seien im Folgenden als psychographische Wirkungsfunktionen bezeichnet. Empirische Studien, wie etwa die Arbeiten von Heinrich Bauer Verlag (1985), Böcker und Frank (1988), HÖRZU/FUNK UHR (1991), SevenOne Media (2003), Weber (1993) und Ellinghaus (2000) repräsentieren dieses Forschungsfeld. Eine zweite Unterscheidbarkeit etatplanungsrelevanter Werbewirkungsfunktionen knüpft an die unabhängigen Variablen an, von denen Werbewirkung ausgeht. Hier stehen Werbeetat-Wirkungsfunktionen, in denen der Gesamtetat/-werbedruck bzw. SoA einer Periode in seiner Wirkung aufgezeigt wird, Funktionen gegenüber, in denen die für die im Mix eingesetzten Werbeinstrumente bzw. Mediagattungen anfallenden Teiletats die erreichbare Werbewirkung erklären. Gestützt auf solche WerbemixWirkungsfunktionen lassen sich nicht nur die entsprechenden Werbeinstrumente bzw. 92

Kreations- und Werbemittelproduktionsausgaben seien im Folgenden nicht weiter betrachtet. Mit Werbeetat ist deshalb lediglich der Streuetat gemeint. 93 Hier nicht angesprochen sind Werbewirkungsfunktionen, in denen die individuelle Reaktion eines Werbeadressaten auf alternativ hohe, individuelle Kontaktfrequenzen aufgezeigt wird, wie auch Wirkungsfunktionen, in denen eine kollektive (aggregierte) Reaktion der Adressatenschaft auf alternativ hohe, für alle Adressaten identische individuelle Kontaktfrequenzen aufgezeigt wird (vgl. dazu etwa Hallemann 2001; SevenOne Media 2002; Spiegel-Verlag 2003). Solche Wirkungsfunktionen bilden ausschließlich Frequenzeffekte des Werbedrucks ab, nicht aber auch die mittels erhöhtem Werbedruck bzw. Streuetat erzielbaren Reichweitenzuwächse.

339

Hartwig Steffenhagen

Mediagattungen budgetieren; auch ein werbezielbezogener Gesamtetat lässt sich daraus kompositionell ableiten, wie in den Abschnitten 5 und 6 dieses Beitrags gezeigt wird. Eine dritte Unterscheidbarkeit etatplanungsrelevanter Werbewirkungsfunktionen zeigt sich in deren Zugänglichkeit für alternative Ansätze der empirischen Modellkalibrierung (Parameterschätzung): Manche Funktionen sind in ihrer Struktur so angelegt, dass sie einer eleganten regressionsanalytischen Parameterschätzung zugänglich sind, gestützt auf historische Zeitreihen- oder Querschnittsdaten aus dem Werbetracking oder aus Konsumentenpanels. Andere Wirkungsfunktionen sind einer erfahrungsgestützten, subjektiven Parameterschätzung gut zugänglich (z.B. die ADBUDG-Wirkungsfunktion in der vielbeachteten Arbeit von Little 1970). Da eine subjektive Modelleichung im Zusammenhang mit psychographischen Werbewirkungsfunktionen bislang weder in der Literatur noch in der Praxis erörtert wurde, sei dieser Aspekt und Ansatz im Folgenden vernachlässigt; im Vordergrund der darzustellenden analytischen Etatbestimmung stehen regressionsanalytisch geschätzte psychographische Werbewirkungsfunktionen. Im Zusammenhang mit psychographischen Werbewirkungsfunktionen ist Wirkungsdynamik ein theoretisch wie empirisch geläufiges Phänomen: Die Wirkung des in einer Periode (z.B. Quartal, Halbjahr, Jahr) eingesetzten Streuetats tritt nicht nur in derselben Periode in der jeweiligen Wirkungsgröße hervor. Vielmehr tritt die Wirkung entweder (teilweise) später ein (Time lag-Effekt, Wirkungsverzögerung) oder eine in der betreffenden Periode eingetretene Wirkung zieht eine Nachwirkung nach sich (Carry over-Effekt, Wirkungsübertragung). Allein schon wegen des Bezugs zu Gedächtnisgrößen sind für psychographische Werbewirkungsfunktionen Carry overEffekte als „Behaltenseffekte“ typisch. Einperiodig-statische Werbewirkungsfunktionen haben deshalb die geringere Realitäts- und Planungsrelevanz. Solche Werbewirkungsfunktionen zeigten bislang selten eine hinreichende Erklärungskraft historischer Daten. Die empirische Ermittlung realitätsnaher Werbewirkungsfunktionen ist in jüngerer Zeit in der Praxis des Konsumgütermarketing bemerkenswert stürmisch vorangetrieben worden (Ellinghaus 2000; Feldmeier 2002; Hallemann 2001; Schroiff 1999; SevenOne Media 2003; Werner 2004). Diese Entwicklung lässt die auch in der neueren Literatur noch verbreiteten Standard-Einwände gegen die analytische Werbeetatplanung („Wirkungen des Werbebudgets nicht genau nachweisbar“, „Isolation werblicher Einflüsse auf ökonomische Größen schwierig“, „erheblicher Aufwand bei der Informationsbeschaffung“) deutlich verblassen. Im Folgenden sei deshalb aufgezeigt, welches Anwendungspotenzial diese empirische Forschungsrichtung in der analytischen Planung des Werbeetats findet. Im Vordergrund steht dabei die Nützlichkeit psychographischer Werbewirkungsfunktionen, deren Etatplanungsrelevanz bislang kaum gewürdigt wurde. Zur bereits als „klassisch“ zu bezeichnenden analytischen Etatplanung auf Basis von Absatz- bzw.

340

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

Marktanteilsfunktionen sei dagegen auf die reichhaltige ältere und jüngere Literatur verwiesen, in der diese Planungsaufgabe mittels facettenreicher Optimierungsansätze bereits umfassend behandelt wurde (Hammann 1975; Hruschka 1996; Mantrala 2002; Rao 1970; Schmalen 1992; Simon 1985).

5

Die pauschale Etatbestimmung auf Basis einer psychographischen WerbeetatWirkungsfunktion

Liegt dem Etatplaner eine seinen „Fall“ angemessen abbildende psychographische Werbewirkungsfunktion vor, in welcher die Gesamtetathöhe mit dem damit erreichbaren Werbezielniveau empirisch verknüpft wird, ermöglicht es diese Funktion, die zielorientiert „passende“ Etathöhe im Wege einer Pauschalentscheidung zu bestimmen. Dies setzt allerdings voraus, dass im Zuge des Werbeplanungsprozesses zuvor ein angestrebtes Niveau der betreffenden Wirkungsvariablen als Werbeziel fixiert wird (z.B. „Bekanntheitsgrad auf 60% steigern“). Erfolgt diese Festlegung nicht, bleibt offen, an welchem Kriterium abgelesen werden soll, ob der Werbeetat „gut“ bzw. „passend“ gewählt wurde. Aber auch in einem solchen Fall wird die analytische Etatplanung nicht gänzlich vereitelt. Das Vorgehen bei fixiertem Werbeziel, wie auch bei fehlender Werbezielfixierung, wird in den folgenden Abschnitten näher erläutert.

5.1

Etatbestimmung bei fixiertem Werbeziel

Das Vorgehen beim Festlegen des Werbeetats auf Basis einer psychographischen Werbeetat-Wirkungsfunktion und einem fixierten Werbeziel sei am Beispiel von Abbildung 5-1 veranschaulicht. Beutelmeyer (1989) visualisiert damit die Idee an einem konkreten, jedoch anonymisierten Fall. Die linear geschätzte, im Beitrag des Autors numerisch nicht näher spezifizierte Werbewirkungsfunktion verknüpft den (spontanen) Bekanntheitsgrad österreichischer Mineralwassermarken mit deren im Untersuchungszeitraum realisiertem SoA. Soll Marke A auf einen Bekanntheitsgrad von 50% gebracht werden, wäre gemäß Wirkungsfunktion im nächsten Jahr dafür ein SoA von ca. 25% erforderlich. Bezogen auf das historische Werbevolumen im Produktbereich Mineralwasser entspräche dieser Prozentsatz einem absoluten Werbeetat von etwa 15 Mio. ÖS.

341

Hartwig Steffenhagen

Abbildung 5-1:

Werbeetat-Bestimmung auf Grundlage einer werbezielbezogenen Wirkungsfunktion

Werbedruck-Erfolgsplanung - Produktbereich Mineralwasser -

%

Spontane Bekanntheit Marke B

Wunschniveau

50%

50 40

Marke I

R=0.8701

Marke A

30 Marke H

Marke G

20 10

Marke C

Marke F Marke E

Werbedruck 15 Mio S

Marke D

Relativer Werbedruck

% 10

20

25 %

30

40

(Quelle: Beutelmeyer 1989, S. 20)

An die Stelle der graphischen Methode tritt im Anwendungsfall – viel einfacher – der algebraische Weg, welcher unmittelbar an die numerisch spezifizierte Wirkungsfunktion anknüpft. Die aus einem breit angelegten Markenquerschnitt (167 Marken aus 13 Produktbereichen schnell drehender Verbrauchsgüter wie Shampoo, Schokolade, Sekt etc.) hervorgegangene Werbewirkungsfunktion für die spontane Markenbekanntheit (HÖRZU/FUNK UHR 1991) diene der Veranschaulichung: mb t

mbt: mbt-1: SoUt-1: SoAt:

0,77 mb t 1 0,644 SoU t 1 0,238 SoA t

Am Ende der Periode t erwarteter Bekanntheitsgrad (in %) Am Ende der Periode t-1 erreichter Bekanntheitsgrad Am Ende der Periode t-1 erzielter Share of User In Periode t realisierter Share of Advertising

Der erste Term der Funktion repräsentiert den Carry over-Effekt. Der zweite Term zeigt auf, dass jedes Produkt infolge dessen Verwendung im Haushalt sog. „Eigenanstöße“ erhält, die den Bekanntheitsgrad aufrechterhalten. Der dritte Term spiegelt den Etateinfluss wider. Die Funktionsparameter wurden mit hoher

342

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

Anpassungsgüte aus Tracking-Jahresdaten geschätzt; sie galten im damaligen Untersuchungszeitraum für Marken mit Bekanntheitswerten kleiner als 72% und Werbeetats zwischen 20 und 90 Mio. € bei einem SoA zwischen 0% und 33%. Möglicherweise sind die numerischen Parameterwerte heute – rund 15 Jahre nach Publikation der Untersuchung – nicht mehr zutreffend. Dennoch sei an diesem Beispiel das prinzipielle Vorgehen verdeutlicht. Soll bei unterstellter Gültigkeit dieser Wirkungsfunktion als angestrebtes Werbeziel ein Bekanntheitsgrad in Höhe von mbt erreicht werden94, liefert eine einfache Umformung der Wirkungsfunktion den dazu erforderlichen SoAt: 1 ( mb t 0,77 mb t 1 0,644 SoU t 1 ) SoA t 0,238 Hat eine Marke z.B. 40 % Markenbekanntheit und einen Verwenderanteil von 10% erreicht, so wäre ein SoAt von rund 54% erforderlich, um im nächsten Jahr für diese Marke 50% Bekanntheit zu erreichen. An diesem Beispiel wird deutlich, wie „teuer“ es sein mag, den (spontanen) Bekanntheitsgrad deutlich zu steigern. Die Herausgeber der Studie unterstützen die praktische Anwendung der Wirkungsfunktion mittels eines Nomogramms, welches als graphische Lösungshilfe die Arbeit mit dem Taschenrechner ersetzen kann. Ist ein Werbezielniveau fixiert, ermöglicht eine empirische Werbeetat-Wirkungsfunktion folglich die Festlegung des dazu „passenden“ Werbeetats ohne jede Optimierung; ein elementares Einsetzungsverfahren leistet das Gewünschte.

5.2

Etatbestimmung bei fehlender Werbezielfixierung

Bekanntlich scheuen sich viele Werbungtreibende, im Rahmen einer Kampagnenentwicklung ein angestrebtes Zielausmaß zu präzisieren (vgl. Moriarity 1996; Prochazka 1998; Steffenhagen und Siemer 1996). In einer solchen Situation kann eine empirische Werbewirkungsfunktion die Etatplanung dennoch unterstützen. Das Fehlen einer Zielfixierung bedeutet nämlich nicht, dass es dem Entscheider völlig gleichgültig sei, wie weit ein für eine Marke bereits erreichtes Zielniveau in der Zukunft z.B. unterschritten wird. Im Allgemeinen wird man das Erreichte halten und gegebenenfalls „noch etwas drauflegen“ wollen. Für Ersteres ist ein gewisser Erhaltungsaufwand (maintenance energy), für Letzteres ein gewisser Steigerungsaufwand (shift energy) notwendig (Schroiff 1999). Der Erhaltungsaufwand beträgt als SoA für obige Wirkungsfunktion zur Markenbekanntheit (man setze mbt = mbt-1) 94

Die Unterstreichung von Variablen soll im Folgenden daran erinnern, dass es sich um spezifische Zielwerte bzw. damit korrespondierende spezifische Etathöhen handelt.

343

Hartwig Steffenhagen

SoA t

ma int .

1 >1 0,77 mb t 1 0,644 SoUt 1 @ 0,238

Im numerischen Beispiel wäre also ein Erhaltungsaufwand von rund 12% SoA erforderlich, um den Bekanntheitsgrad von 40% im nächsten Jahr zu halten. Der Steigerungsaufwand ergibt sich als

int . SoA t SoA ma t

SoA shift t

1 mb t mb t 1 0,238

mit mbt als einer a priori nicht festgelegten, noch offenen Höhe der wünschenswerten Markenbekanntheit am Ende der (Etat-)Periode t. Gestützt auf diese „Leitplanken“, nämlich den Erhaltungs- sowie einen gewissen Steigerungsaufwand, ist der Entscheider in der Lage, zum einen eine Basisentscheidung bezüglich des Erhaltungsaufwands und zum anderen eine „Willensentscheidung“ bezüglich des Steigerungsaufwands zu treffen. Diese „Willensentscheidung“ ersetzt die seitens des Entscheiders – aus welchen Gründen auch immer – nicht a priori vorgenommene Werbezielfixierung, welche allerdings mit der Etatfestlegung faktisch „durch die Hintertür“ ebenfalls erfolgt. Bei dieser „Willensentscheidung“ kann er – anstatt „ins Blaue hinein“– datengestützt den TradeOff zwischen geringerem Geldeinsatz und höherer Zielerreichung abwägen, was die Etatfestlegung sicherlich erleichtert.

6

Die kompositionelle Etatbestimmung auf Basis einer psychographischen Werbemix-Wirkungsfunktion

6.1

Etatbestimmung bei fixiertem Werbeziel

Die Veranschaulichung der kompositionellen Bestimmung eines Werbeetats auf Basis einer psychographischen Werbemix-Wirkungsfunktion erfordert es, eine realistische Wirkungsfunktion dieses Typs heranzuziehen. Die in Hallemann (2001) publizierte, für die aktive (= spontane) Markenbekanntheit aus einem Querschnitt von 88 Marken

344

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

aus 6 Produktklassen des täglichen Bedarfs empirisch ermittelte FrequenzeffekteFunktion95 mag als Anschauungsbeispiel dienen. Sie lautet:

mbt = 0,538 mbt-1 + (100 – 0,538 mbt-1) 1 e K t

,

wobei Kt = 0,0155 x10t, 7649 0 ,1271 x 20t, 2494 0 , 0122 x1t x 2 t 0 , 3675

Auch hier repräsentiert der erste Term auf der rechten Seite der Markenbekanntheitsfunktion einen Carry over-Effekt. Das Produkt der beiden Klammerterme in dieser Gleichung gibt die Beeinflussung der Markenbekanntheit durch das aus dem Print-Etat x1t und dem TV-Etat x2t bestehenden Werbemix an. Die Stärke dieses Einflusses hängt vom Niveau der am Ende der Vorperiode (t-1) erreichten Markenbekanntheit mbt-1 ab; die gewählte funktionale Verknüpfung stellt sicher, dass – auch für etablierte Marken mit hoher Bekanntheit – nicht mehr als 100 % Bekanntheit möglich sind. Mit dem Produkt der Teiletats im Klammerterm der Kt-Gleichung wird ein „Mixeffekt“, d.h. ein Wirkungsverbund (Synergieeffekt) abgebildet. Abbildung 6-1 visualisiert den Funktionsverlauf exemplarisch für mbt-1 = 20. Die Verfügbarkeit dieser oder einer anderen empirischen Werbemix-Wirkungsfunktion erlaubt es, für ein fixiertes Werbezielniveau ein geeignetes Werbemix und den damit verbundenen Gesamtetat zu ermitteln. Soll für eine Planperiode t ein Bekanntheitsniveau mbt erzielt werden, ist das Erreichen dieses Ziels jedoch mit vielen Werbemixes aus TV- und Print-Etats möglich. Aber nur ein einziges Mix leistet dies im vorliegenden Fall auf effiziente Weise: Es ist jenes Mix, bei dem die Summe aus x1t und x2t, also der Gesamtetat, so klein wie möglich ist.96 Die Optimierung des Werbemix, mit dem Ziel mbt zu erreichen, aber dabei mit möglichst geringem Gesamtetat auszukommen, liefert den für dieses Ziel optimalen Gesamtetat: Er ist die resultierende Größe dieses Planungsverfahrens. Deshalb handelt es sich hierbei um eine analytisch-kompositionelle Werbeetatplanung. Dieses Vorgehen entspricht der theoretisch richtigen Forderung nach simultaner Bestimmung des Werbeetats und dessen Aufteilung auf verschiedene Verwendungszwecke (Schmalen 1992; Simon und Möhrle 1993).

95

Die in dieser Funktion betrachteten Werbekontaktmengen in den Medien TV und Print können unter Berücksichtigung des bei optimaler Streuplanung für die Kontaktmengen erforderlichen Geldeinsatzes in eine etatbezogene Werbemix-Wirkungsfunktion transformiert werden. 96 Die (strikte) Quasikonkavität der Wirkungsfunktion stellt sicher, dass es ein einziges, eindeutiges Optimum der formalisierbaren Optimierungsaufgabe gibt. Zu Näherem vgl. Steffenhagen 2006.

345

Hartwig Steffenhagen

Abbildung 6-1:

Die modifizierte Exponentialfunktion für die aktive Markenbekanntheit (Ausgangswert 20%)

40 30 20

mbt(%)

15 1510 10 10 5 5 x2

(TV)

x1

(Print)

Am folgenden Beispiel sei das Vorgehen erläutert, wobei ersichtlich wird, dass die Aufgabenstellung sogar mit der weit verbreiteten und einfach zu bedienenden OfficeSoftware Microsoft-Excel zu bewältigen ist. Ausgehend von einem Bekanntheitsgrad mbt-1 von 20 Prozentpunkten sei es das Ziel, innerhalb einer Periode 30 Prozentpunkte zu erreichen. Wird die Aufgabenstellung „Minimiere die Summe aus x1t und x2t unter der Restriktion, mbt = 30 zu erreichen“ für die Wirkungsfunktion mbt formalisiert in den Excel-Solver eingegeben, führt dies zu folgender Lösung: x*1t (Print) ƿ 2,4 und x*2t (TV) ƿ 5,0. Sollten sogar 35 Prozentpunkte erreicht werden, würde dies eine Verdoppelung der Anstrengungen auf 14,8 erfordern, mit x*1t ƿ 6,4 und x*2t ƿ 8,4.

6.2

Etatbestimmung bei fehlender Werbezielfixierung

Wird im Rahmen eines Werbeplanungsprozesses vor der und für die Werbemixentscheidung kein psychographisches Werbezielniveau festgelegt, müssen beide Entscheidungen – über das Zielniveau und über das Ausmaß monetärer Anstrengungen – simultan erfolgen. Dabei ist aber offen, woran eine „gute“ Entscheidung zu 346

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

orientieren ist. In traditionellen Gewinnmaximierungsmodellen mit Absatz- und Marktanteilsfunktionen als Werbewirkungsfunktionen wird der Gewinn als die dem Absatz bzw. Umsatz (= „Werbewirkung“) und den Werbekosten (= „Werbeetat“) übergeordnete Zielgröße als Evaluierungskriterium herangezogen. Tritt an die Stelle der unmittelbaren Absatz-, Marktanteils- bzw. Umsatzwirkung des Werbeetats ein psychographisches Werbeziel (oder mehrere solcher Ziele), ist es nicht ohne weiteres möglich, die unmittelbaren Gewinnauswirkungen alternativ hoher Werbeetats zu ermitteln. Dies wäre nur dann möglich, wenn zusätzlich die Auswirkung der psychographischen Zielvariablen auf Absatz, Marktanteil bzw. Umsatz für den jeweiligen Anwendungsfall als empirisch-numerischer Zusammenhang bekannt wäre.97 Eine analytische Werbeetatplanung bedürfte deshalb einer zweistufigen Modellierung des Etat-Absatz-Zusammenhangs, nämlich einer Werbe(etat)wirkungsfunktion sowie einer Werbewirkung-Absatz-Funktion. Solange die dazu erforderliche zweistufige Wirkungsmodellierung trotz deren bereits erfolgter Erprobung (Ellinghaus 2000; Twardawa und Hupp 2000; Weber 1993) noch „in den Kinderschuhen steckt“, verbleibt für die Lösung der hier betrachteten Entscheidungsaufgabe lediglich ein Ansatz: Die Orientierung des Entscheiders an einer Menge effizienter Werbemixes, von denen jedes einzelne mit dem zugehörigen Gesamtetat ein spezifisches Werbezielniveau bestmöglich erreichen lässt. Die Menge effizienter Werbemixes, die jeweils mit unterschiedlich hoher Zielerreichung und entsprechend optimalem Gesamtetat verbunden sind, heißt effizienter Rand (Steffenhagen 2006).98 Da der effiziente Rand ausschließlich bestmögliche Kombinationen von Werbezielniveau und dazu jeweils passendem Gesamtetat repräsentiert, miteinander verbunden über ein optimal zusammengesetztes Werbemix, hilft die analytisch erzielbare Kenntnis dieser Kombinationen beim simultanen Sich-Festlegen auf genau eine dieser vielen Kombinationen. Bei Vorliegen einer auf den Anwendungsfall passenden empirischen WerbemixWirkungsfunktion lässt sich der effiziente Rand mittels diskreter Alternativrechnung ermitteln. Dazu ist das im vorigen Abschnitt erläuterte und am numerischen Beispiel veranschaulichte Vorgehen für zu variierende mbt -Vorgaben in einer frei wählbaren Schrittbreite wiederholt anzuwenden. Auf diese Weise ist rasch eine diskrete Menge alternativer, effizienter Werbemixes – jeweils eins für eine spezifische mbt -Vorgabe – generierbar. Wird im Beispiel exemplarisch wiederum von einem Niveau erreichter Markenbekanntheit in Höhe von 20 Prozentpunkten ausgegangen, ergibt sich der in Abbildung 6-2 gezeigte Verlauf des effizienten Randes. Der Kurvenverlauf wurde mit dem Microsoft-Excel-Solver berechnet; aus der entstehenden Wertepaar-Tabelle ergibt sich die Grafik. 97 Dieser Zusammenhang wird in der Literatur als die Frage nach der Verhaltensrelevanz

psychographischer Variablen bzw. nach der Prädiktorleistung solcher Variablen erörtert (Ellinghaus 2000; Mayer 1996; Steffenhagen 2000). 98 Das Konzept des effizienten Randes ist in der betriebswirtschaftlichen Produktionstheorie fest etabliert. Vgl. hierzu Dyckhoff 2003, S. 139 und 155ff.

347

Hartwig Steffenhagen

Abbildung 6-2:

Der effiziente Rand im numerischen Beispiel

mb t

45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 1

6

11

16

21

26

x*1t + x*2t

Anhand des effizienten Randes bleibt es allerdings dem Entscheider überlassen, wie er bei der Wahl eines der Punkte auf dem effizienten Rand die Inkaufnahme eines vergleichsweise höheren Werbeetats bei gleichzeitig zu erwartender, vergleichsweise höherer Werbewirkung als Zielerreichung bewertet. Diese Abwägung wird sicherlich vor dem Hintergrund subjektiv erwarteter Opportunitätskosten alternativ hoher, fiktiv verausgabter Werbeetats erfolgen; der Entscheider muss sich nämlich fragen, wie er einen potenziell verfügbaren Geldbetrag „marketing-nützlich“ verwenden wollte, wenn er diesen nicht in Werbung investiert. Isoliert als Werbeplanungsaufgabe verstanden, ist die Fixierung des Werbeetats deshalb nicht abschließend zu bewältigen; die Lösung der Aufgabe bedarf vielmehr einer umfassenden MarketingBudgetierung.

7

Zusammenfassung und Ausblick

Der vorliegende Beitrag zeigt auf, dass es um die verfügbaren Ansätze der Werbeetatplanung keineswegs so betrüblich bestellt ist, wie es deren Darstellung und Würdigung in der Literatur hier und da suggeriert. Im Bereich heuristischer Ansätze können an die Stelle der lange bekannten, in der Tat wenig leistungsfähigen monofaktoriellen Etatbemessungen Systematiken treten, die dem Werbeentscheider

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Neuere Optionen der Werbeetatplanung

eine erhebliche Reflexion abnötigen. Allein schon diese Notwendigkeit des Nachdenkens lässt solchen heuristischen Methoden ein hohes Maß an sinnvoller Entscheidungshilfe zubilligen. Auch die analytische Werbeetatplanung bietet der Praxis neue Optionen. Hierzu tragen vor allem empirische Studien bei, in denen Zusammenhänge zwischen dem Werbeetat bzw. medialen Teiletats und Werbewirkungsgrößen wie Werbeawareness, Markenbekanntheit, Markensympathie und Ähnlichem freigelegt werden. Mit dem weiteren Vordringen des so genannten Modelling ist für die Werbeplanung zu erwarten, dass Planungsverfahren der hier exemplarisch präsentierten Art zum Standardrepertoire des Werbemanagements zählen und die Werbeplanung transparenter und „schneller“ machen (Cook und Talluri 2004) werden. Natürlich entscheidet die Realitätsnähe und die jeweils fallbezogene Eignung der empirischen Werbewirkungsfunktion darüber, wie stark sich der Entscheider von einer analytischen Lösung leiten lassen kann. Bei hinreichendem „Fit“ der Werbewirkungsfunktion für den jeweiligen Planungsfall vermag sie jedoch als Richtschnur zu dienen; eine heuristische Feinsteuerung zur Berücksichtigung im Wirkungsmodell nicht adäquat beachteter Sachverhalte ist jederzeit ergänzend möglich.

349

Hartwig Steffenhagen

Literaturverzeichnis

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Neuere Optionen der Werbeetatplanung

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351

Hartwig Steffenhagen

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352

Neuere Optionen der Werbeetatplanung

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353

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

Manfred Bruhn

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen Ausgewählte empirische Befunde und Schlussfolgerungen

1

Notwendigkeit einer Integrierten Kommunikation................................................... 357 1.1 Rahmenbedingungen der Kommunikationsarbeit........................................... 357 1.2 Untersuchungsziele .............................................................................................. 357 1.3 Untersuchungsdesign und unternehmensdemografische Merkmale............ 358

2

Ausgewählte empirische Ergebnisse der Unternehmensbefragung in Österreich 359 2.1 Bedeutung einer Integrierten Kommunikation................................................. 360 2.2 Planung einer Integrierten Kommunikation ..................................................... 362 2.3 Strategisches Konzept einer Integrierten Kommunikation ............................. 364 2.4 Umsetzung einer Integrierten Kommunikation................................................ 367 2.5 Erfolgskontrolle einer Integrierten Kommunikation........................................ 376

3

Zukunftsperspektiven und Schlussfolgerungen ........................................................ 378 3.1 Stand und zukünftige Bedeutung einer Integrierten Kommunikation.......... 378 3.2 Schlussfolgerungen für die Wissenschaft .......................................................... 379

355

Manfred Bruhn

Abstract

Aufgrund der Veränderungen der Medien- und Kommunikationsmärkte sehen sich Unternehmen seit Beginn der neunziger Jahre einem intensiveren Wettbewerb im Bereich ihrer Kommunikationsarbeit gegenüber. Dies resultiert unter anderem in einer abnehmenden Wirkung der einzelnen Kommunikationskontakte (Esch 2000, S. 26). Um dieser Problematik entgegenzuwirken, setzen sich die Unternehmen verstärkt mit der Thematik einer Integrierten Kommunikation auseinander, um über einen vernetzten Einsatz der Kommunikationsinstrumente eine bessere Wirkung und ein einheitliches Erscheinungsbild bei den relevanten Zielgruppen zu erreichen. Auf Grundlage einer empirischen Untersuchung in deutschsprachigen Unternehmen analysiert der Beitrag den Einsatz einer Integrierten Kommunikation und die Bedeutung einer Abstimmung der Kommunikationsinstrumente. Er liefert zudem einen kompakten Einblick in die Vorgehensweisen von Unternehmen bei der Planung, Konzeption sowie der Umsetzung einer Integrierten Kommunikation und arbeitet Probleme bei der Integrierten Kommunikationsarbeit heraus. Die Untersuchungsergebnisse zeigen den aktuellen Entwicklungsstand einer Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen auf. Der Fokus auf Österreich ist auf die Herkunft des Jubilars Günter Schweiger sowie auf das aus seiner Publikationsvielfalt herauszulesende länderspezifische Interesse zurückzuführen (vgl. Schweiger et al. 1998 u.a.). Auch die Thematik der Integrierten Kommunikation hat Einzug in die Forschungsarbeit von Günter Schweiger gefunden (vgl. Krestan-Schön und Schweiger 2003).

356

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

1

Notwendigkeit einer Integrierten Kommunikation

1.1

Rahmenbedingungen der Kommunikationsarbeit

Die Kommunikationspolitik hat aufgrund eines ständig wachsenden Produktangebots, zunehmend homogener Marktleistungen, Sättigungstendenzen sowie der zunehmenden Individualisierung und Polarisierung des Nachfrageverhaltens (Bruhn 2005a, S. 89) an Bedeutung gewonnen und sich zu einem eigenständigen Wettbewerbsfaktor entwickelt. Des Weiteren führt der Wandel der Medien- und Kommunikationsmärkte zu einer abnehmenden Wirkung der einzelnen Kommunikationskontakte bei gleichzeitig knapperem Kommunikationsbudget (Esch 1998, S. 74), bedingt durch die wachsende Vielfalt der Medien, die fortschreitende Differenzierung der Kommunikationsinstrumente und das wachsende Ablehnungsverhalten der Konsumenten gegenüber der Werbung (Bruhn 2006a, S. 4f). Durch den Einsatz einer Integrierten Kommunikation, systematisches Vorgehen bei der Planung und Umsetzung der Kommunikation, d.h. den koordinierten und widerspruchsfreien Einsatz der Kommunikationsinstrumente, wird diesen Entwicklungen Rechnung getragen. Ein gelungenes Beispiel für die weltweite Umsetzung eines integrierten Kommunikationskonzeptes liefert die österreichische Marke Red Bull. Die inhaltliche Integration erfolgt über den einheitlichen und widerspruchsfreien Transport der übergeordneten Positionierung sowie der daraus abgeleiteten Kommunikationsbotschaften. Der Einsatz der Kommunikationsinstrumente wird darüber hinaus formal aufeinander abgestimmt, indem eine konsequente Verwendung des Red Bull-Logos, der Farbzusammensetzung und der Schrifttypen vorgenommen wird. Die zeitliche Integration spiegelt sich in der Dauer und Kontinuität des kommunikativen Unternehmensauftritts wider (vgl. hierzu Schweiger und Schrattenecker 2005, S. 137ff). Durch einen aufeinander abgestimmten Einsatz der Kommunikationsinstrumente wird u.a. das Ziel verfolgt, Synergieeffekte und hohe kommunikative Wirkungen zu realisieren (Bruhn 1997, S. 37f).

1.2

Untersuchungsziele

Die Relevanz eines konsistenten Erscheinungsbildes wird auch von den Unternehmen als strategischer Wettbewerbsfaktor erkannt, wobei die Realisierung eines aufeinander abgestimmten Einsatzes der Kommunikationsinstrumente jedoch mit Schwierigkeiten verbunden ist. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes zwischen der European Business School und dem Deutschen Kommunikationsverband BDW wurden 1991

357

Manfred Bruhn

deutsche Unternehmen zu der Thematik einer Integrierten Kommunikationsarbeit befragt. In einer zweiten Welle wurde 1998 die Erhebung als Kooperationsprojekt des Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrums (WWZ) der Universität Basel und des Kommunikationsverband.de in deutschen und Schweizer Unternehmen durchgeführt. Ziel dieser Längsschnittanalyse stellt die Dokumentation des aktuellen Entwicklungsstandes sowie der Fortschritte des Einsatzes einer Integrierten Kommunikation dar. Diese Studie wurde 2005 als Kooperationsprojekt des WWZ der Universität Basel, dem Studiengang Kommunikationswirtschaft der FH der Wirtschaft (Wien), gefördert vom Jubiläumsfond der Österreichischen Nationalbank, erstmals auch auf österreichische Unternehmen ausgeweitet99, um in einer so genannten Nullmessung den Stand der Integrierten Kommunikation zu erfassen, d.h. die erzielten Erfolge, Probleme und möglichen Barrieren zu ermitteln und zu analysieren.100

1.3

Untersuchungsdesign und unternehmensdemografische Merkmale

Die empirische Datenerhebung erfolgte mit Hilfe einer schriftlichen Befragung. Hierzu wurde ein 16-seitiger Fragebogen entwickelt, der sich an den beiden ersten Wellen orientiert. Der Versand des Fragebogens erfolgte an 489 österreichische Unternehmen unterschiedlicher Branchen, persönlich adressiert an die verantwortlichen Mitarbeitenden des Bereiches der Marketing-Kommunikation. Im Rahmen der Untersuchung nahmen insgesamt 172 Unternehmen teil, dies entspricht einer Rücklaufquote von 35 Prozent.101 Der größte Anteil der Untersuchungsstichprobe ist mit 48 Prozent der Kategorie der Dienstleistungsanbieter zuzuordnen, gefolgt von Herstellern industrieller Güter (17 Prozent), öffentlichen Unternehmen (14 Prozent), Verbrauchsgüter(12 Prozent) und Gebrauchsgüterherstellern (9 Prozent).102 99

Die Dokumentation und Analyse der Ergebnisse österreichischer Unternehmen sind in ihrer Gesamtheit in Bruhn und Bobolik 2006 wiedergegeben. Des Weiteren finden sich diese länderspezifischen Ergebnisse sowie ein entsprechender Vergleich mit den Ergebnissen der befragten deutschen und Schweizer Unternehmen in Bruhn 2006b. 100 Eine erste Betrachtung des Einsatzes einer Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen liegt bereits von Liebmann, Angerer und Foscht 2002 vor. Die genannten Autoren haben im Rahmen eines Studentenprojektes – in Anlehnung an den Fragebogen aus Bruhn und Boenigk 1999 – erste Untersuchungsergebnisse verzeichnen können, welche aufgrund der niedrigen Fallzahlen an dieser Stelle jedoch unberücksichtigt bleiben. Dementsprechend wird hier von einer ersten Bestandsaufnahme gesprochen. 101 Aufgrund der Konzentration auf jene Unternehmen, die bereits eine Integrierte Kommunikation einsetzen sowie aufgrund bestehender Filterfragestellungen, kann die Stichprobenfallzahl zwischen den einzelnen Fragestellungen variieren. 102 Die entsprechenden Daten aus den beiden anderen deutschsprachigen Ländern: Deutschland: 127 teilnehmende Unternehmen (Rücklaufquote von 17 Prozent), die sich aus 30 Prozent Dienstleistungsanbietern, 26 Prozent Verbrauchsgüterherstellern, 20 Prozent Ge-

358

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

Der Jahresumsatz der teilnehmenden Unternehmen liegt im Inland zwischen 4,7 Mio. und 5 Mrd. Euro, weltweit bewegt sich der Jahresumsatz zwischen 10 Mio. und 70 Mrd. Euro. Bei der Mehrzahl der Unternehmen ist eine positive Entwicklung der finanziellen Situation zu verzeichnen. Bezüglich der Größe variieren die befragten Unternehmen sehr stark. Die Zahl der Beschäftigen liegt im Inland zwischen 8 und 47.900 Mitarbeitenden, wobei 37 Prozent der Unternehmen bis zu 500 Mitarbeitende beschäftigen, weitere 40 Prozent zwischen 500 und 1.000 Beschäftige und die restlichen 23 Prozent mehr als 1.000 Mitarbeitende aufweisen. Weltweit werden von den untersuchten Unternehmen bis zu 420.000 Mitarbeitende beschäftigt.103 Bezüglich der Abteilungszugehörigkeit zu den kommunikationspolitisch relevanten Abteilungen weist der Persönliche Verkauf/Vertrieb mit durchschnittlich 162 Mitarbeitenden den größten Bereich auf.

2

Ausgewählte empirische Ergebnisse der Unternehmensbefragung in Österreich

Für die Datenanalyse kamen univariate, bivariate und multivariate (insbesondere regressionsanalytische) statistische Verfahren zum Einsatz. Trotz des streng genommen ordinalen Skalenniveaus wurden demnach auch Analysemethoden verwendet, die metrische Daten voraussetzen. Dies kann jedoch durch die Interpretation der verwendeten Ratingskalen als „ordered metric“ begründet werden, da eine relative Reihenfolge aller Abstände festlegbar ist. Inhaltlich betrifft die Untersuchung die Themengebiete der Bedeutung, der Planung, der strategischen Konzeption, der Umsetzung, der Erfolgskontrolle sowie der Zukunftsperspektiven einer Integrierten Kommunikation.

brauchsgüterherstellern, 18 Prozent Herstellern industrieller Güter und 6 Prozent öffentlichen Unternehmen zusammensetzen. Schweiz: 131 teilnehmende Unternehmen (Rücklaufquote von 27 Prozent), die sich aus 45 Prozent Dienstleistungsunternehmen, 25 Prozent Verbrauchsgüterherstellern, 16 Prozent Herstellern industrieller Güter, 9 Prozent Gebrauchsgüterherstellern, sowie 6 Prozent öffentlichen Unternehmen zusammensetzen (vgl. Bruhn 2006b). 103 Diese hohe Anzahl an Mitarbeitenden weltweit ist darauf zurück zu führen, dass in der Untersuchungsstichprobe ebenfalls österreichische Niederlassungen internationaler Konzerne enthalten sind und nicht nur Österreich-stämmige Betriebe. Dies ist bei der Interpretation verschiedener Ergebnisse – insbesondere hinsichtlich der Verantwortlichkeiten – zu berücksichtigen.

359

Manfred Bruhn

2.1

Bedeutung einer Integrierten Kommunikation

Das Verständnis des Begriffes der Integrierten Kommunikation ist weitgehend einheitlich. Einer vorgegebenen Definition der Integrierten Kommunikation als „Prozess der Analyse, Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle, der darauf ausgerichtet ist, aus den differenzierten Quellen der internen und externen Kommunikation von Unternehmen eine Einheit herzustellen, um ein für die Zielgruppen der Unternehmenskommunikation konsistentes Erscheinungsbild über das Unternehmen zu vermitteln“ (Bruhn 2005b, S. 100) stimmten 98 Prozent der befragten Unternehmen zu. Ein einheitlicher Unternehmensauftritt hat zudem laut 94 Prozent der Unternehmen eine hohe Bedeutung für einen nachhaltigen Kommunikationserfolg. 71 Prozent (122 Nennungen) der befragten Unternehmen geben an, eine Integrierte Kommunikation im Sinne der Definition bereits einzusetzen, wobei die Mehrheit (51 Prozent) seit mehr als zwei Jahren einen aufeinander abgestimmten Instrumenteeinsatz anstrebt. Die Notwendigkeit einer Integrierten Kommunikation als Reaktion auf die aktuellen Entwicklungen wurde bereits thematisiert. Die Probleme sich verändernder Marktund Kommunikationsbedingungen sind auch den befragten Unternehmen durchaus bewusst, und die hohe Zustimmung zu den einzelnen Beweggründen für den Einsatz einer Integrierten Kommunikation zeigt, dass die Unternehmen die aufeinander abgestimmte Kommunikationsarbeit als Chance erkennen, den gegebenen Herausforderungen zu begegnen. In Abbildung 2-1 sind auf einer vierstufigen Skala von 1 = „sehr wichtiger Grund“ bis 4 = „kein Grund“ die Beweggründe für den Einsatz einer Integrierten Kommunikation dargestellt. Während die Informationsüberlastung der Konsumenten und der steigende Werbedruck weitgehend gleichbedeutend als Beweggründe für den Einsatz einer Integrierten Kommunikation anerkannt werden, hat z.B. die wachsende Zahl der Kommunikationsinstrumente für die Gebrauchsgüterhersteller eine höhere Relevanz als für die Hersteller industrieller Güter oder die Dienstleistungsanbieter. Die Hersteller von Gebrauchsgütern und von industriellen Gütern sehen zudem in der Internationalisierung einen starken Beweggrund, sich mit einer Integrierten Kommunikation auseinander zu setzen, während dieser für die Dienstleistungsanbieter weniger relevant ist. Mit dem Einsatz einer Integrierten Kommunikation verfolgen die Unternehmen verschiedene Ziele. Hierbei können zum einen intern und extern gerichtete Ziele unterschieden werden, zum anderen lassen sie sich in ökonomische Ziele (z.B. die Kostenreduktion) und psychologische Ziele (z.B. die Wissenserweiterung über das Unternehmen und seine Leistungen) unterteilen (Bruhn 2005a, S. 101f). Wiederum auf einer vierstufigen Skala gemessen von 1 = „sehr große Bedeutung“ bis 4 = „keine Bedeutung“, lassen die Untersuchungsergebnisse erkennen, dass durch einen Einsatz Integrierter Kommunikation hauptsächlich extern gerichtete, psychologische Zielsetzungen verfolgt werden. Die Vermittlung eines einheitlichen Erscheinungsbildes (Mittel-

360

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

wert 1,2) sowie das Erzielen von Wirkungssynergien (Mittelwert 1,3) werden von den befragten Unternehmen priorisiert. Auch das Erzielen von Lerneffekten bei den Zielgruppen (Mittelwert 1,5) und die kommunikative Differenzierung gegenüber Wettbewerbern (Mittelwert 1,8) werden angestrebt. Ferner verfolgen die Unternehmen innengerichtete Zielsetzungen, wobei die Erhöhung der Motivation und Identifikation der Mitarbeitenden (Mittelwert 1,8) im Vordergrund steht. Ein einheitliches Erscheinungsbild wird durchgängig von allen Branchensektoren verfolgt. Die Reduktion der Kosten ist dagegen für die Gebrauchsgüterhersteller und öffentlichen Unternehmen ein wesentlich wichtigeres Ziel als für die Hersteller von Verbrauchsgütern und von industriellen Gütern. Ferner weist die innengerichtete Zielsetzung, die Motivation und Identifikation der Mitarbeitenden zu erhöhen, für die Verbrauchsgüterhersteller eine wesentlich geringere Relevanz auf.

Abbildung 2-1:

Beweggründe einer Integrierten Kommunikation (110 < n < 115)

Informationsüberlastung der Konsumenten

1,7

Wachsende Zahl der Kommunikationsinstrumente

1,7

Wachsende Medienvielfalt

2,0 2,1

Steigender Werbedruck Ähnlichkeit des Werbeauftritts von Unternehmen

2,1

Zwang zu Kosteneinsparungen

2,4

Internationalisierung des Unternehmens

2,5 2,7

Personelle Wechsel Wechsel der Agentur bzw. externer Berater 1,0

3,3 1,5

Sehr wichtiger Grund

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0 Kein Grund

Weiterhin wurde die Fragestellung hinsichtlich der Einsicht der Mitarbeitenden verschiedener Stufen der Unternehmenshierarchie in die Notwendigkeit einer Integrierten Kommunikation analysiert. Laut Einschätzung der Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen erkennen insbesondere die Mitarbeitenden der Kommunikationsabteilungen (98 Prozent) das Erfordernis eines einheitlichen, aufeinander abgestimm-

361

Manfred Bruhn

ten kommunikativen Unternehmensauftritts. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass diese Mitarbeitenden sowohl von den positiven Auswirkungen einer Integrierten Kommunikationsarbeit als auch von den Problemen und Defiziten eines nicht abgestimmten Kommunikationseinsatzes direkt betroffen sind. Der oberste Führungskreis ist ebenfalls von der Notwendigkeit eines aufeinander abgestimmten Kommunikationseinsatzes überzeugt (93 Prozent). Dagegen setzt sich der mittlere Führungskreis in einem geringeren Maße mit der Thematik einer Integrierten Kommunikation auseinander, was die leicht geringe Einsicht dieser Gruppe an Mitarbeitenden (84 Prozent) in die Notwendigkeit einer Integrierten Kommunikation erklärt.

2.2

Planung einer Integrierten Kommunikation

Um eine Integrierte Kommunikationsarbeit erfolgreich zu gestalten, ist sowohl die Entwicklung eines systematischen Planungsvorgehens erforderlich als auch die Festlegung der Planungsverantwortung und die entsprechende Anpassung der Organisationsstrukturen (Bruhn 2005a, S. 126). Die Untersuchungen zeigen, dass mehrere Abteilungen an der Planung der Integrierten Kommunikation beteiligt sind. Bei Etablierung eines Kommunikationsmanagers ist dieser in hohem Maße für die Planung verantwortlich (Mittelwert 1,5 bei Verwendung einer Skala von 1 = „ausschließliche Verantwortung“ bis 4 = „keine Verantwortung“). Einen Überblick über die Planungsverantwortung der einzelnen Abteilungen ist in Abbildung 2-2 dargestellt. Ähnlich sieht die Verteilung hinsichtlich der Bereitschaft der Abteilungen, im Rahmen der Planung einer Integrierten Kommunikation zusammenzuarbeiten aus (erhoben auf einer Skala von 1 = „Kooperationsbereitschaft ist stark vorhanden“ bis 4 = „gar nicht vorhanden“), deren Ergebnisse ebenfalls in Abbildung 2-2 ersichtlich sind. Die Untersuchung der organisatorischen Verankerung der Planung einer Integrierten Kommunikation zeigt, dass 40 Prozent der befragten Unternehmen diese ausschließlich im Stab verankert haben, 29 Prozent haben die Planung der Integrierten Kommunikation in der Linie und weitere 29 Prozent im Stab als auch in der Linie verankert. In Abhängigkeit der Form der organisatorischen Verankerung der Kommunikationsplanung werden die Probleme der Umsetzung einer Integrierten Kommunikation reduziert oder verstärkt. Bei einer Verankerung im Stab treten bspw. die Probleme der fehlenden Zielformulierungen (Korrelation -0,24) oder des Fehlens einer für die Integrierte Kommunikation verantwortlichen Abteilung bzw. Stelle (Korrelation -0,38) seltener auf. Ferner ist das verminderte Auftreten der Probleme einer mangelnden Qualifikation der Mitarbeitenden (Korrelation -0,32), der mangelnden Motivation der Mitarbeitenden (Korrelation -0,30) sowie deren zu geringe Anerkennung (Korrelation -0,23) auf eine Verankerung der Planung der Integrierten Kommunikation im Stab zurückzuführen. Dagegen hängt diese Form der organisatorischen Verankerung verstärkt mit dem Auftreten der Umsetzungsprobleme einer mangelnden bzw. problema-

362

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

tischen Erfolgskontrolle zusammen (Korrelation +0,35) sowie mit der Informationsüberlastung der Mitarbeitenden (Korrelation +0,23).

Abbildung 2-2:

Verantwortungszuordnung und Kooperationsbereitschaft im Rahmen der Planung einer Integrierten Kommunikation

Kommunikationsmanager (n = 74) MarketingKommunikation (n = 96)

1.5

1.2

1.7

1.3

Marketing (n = 89)

1.7

1.2

PR/Öffentlichkeitsarbeit (n = 100) Geschäfts-/Unternehmensleitung (n = 112)

1.9

1.3

1.9

1.3

Mediawerbung (n = 62)

2.2

1.5

Direct Marketing (n = 72)

2.4

1.8

Event Marketing (n = 74)

2.5

1.8

Sponsoring (n = 79)

2.6

1.7

Multimediakommunikation (n = 64)

2.6

1.7

Kundenbindungsmanagement/CRM (n = 72) Vertrieb/Außendienst (n = 89) Externe Kommunikationsagentur (n = 96)

2.8

1.9

2.8

2.1

3.0

1.8

Personal (n = 100)

3.4

2.4

Controlling (n = 86)

3.5

2.5

Recht (n = 86)

3.5

2.6 1.0

1.5

2.0

Ausschließliche Verantwortung/ Kooperationsbereitschaft stark vorhanden

2.5

3.0

3.5

4.0

Keine Verantwortung/ Kooperationsbereitschaft gar nicht vorhanden

Planungsverantwortung Kooperationsbereitschaft

Aufgrund der Beteiligung mehrerer Abteilungen an der Planung der Integrierten Kommunikation kann es in der Praxis zu Problemen kommen. So geben immerhin 39 Prozent der befragten Unternehmen an, dass eine solche dezentrale Planung negative Wirkungen nach sich zieht. Als Hauptschwierigkeiten lassen sich auf einer vierstufigen Skala von 1 = „Problem trifft sehr oft auf“ bis 4 = „nie“ vor allem Abstimmungsprobleme (Mittelwert 1,9) sowie Informationsprobleme (Mittelwert 2,0) identifizieren, während Kooperations- (Mittelwert 2,3) und Akzeptanzprobleme (Mittelwert 2,5) seltener auftreten. Als Ursachen der bestehenden Probleme stehen insbesondere das Fehlen von Abstimmungsregeln (Mittelwert 2,1, gemessen auf einer Skala

363

Manfred Bruhn

von 1 = „trifft vollständig zu“ bis 4 = „trifft nicht zu“) sowie das ausgeprägte Abteilungsdenken (Mittelwert 2,2) im Vordergrund. Gerade bei einer dezentralen Organisation der Kommunikationsarbeit ist jedoch eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit für eine erfolgreiche Umsetzung der Integrierten Kommunikation unerlässlich.

2.3

Strategisches Konzept einer Integrierten Kommunikation

Der Festlegung einer strategischen Konzeption kommt zur Sicherstellung eines konsistenten kommunikativen Auftritts eine hohe Bedeutung zu. Den Mittelpunkt des strategischen Konzeptes stellt die Bestimmung der strategischen Positionierung des Unternehmens bzw. der Marke sowie die Definition der kommunikationspolitischen Ziele und der Kommunikationszielgruppen dar (Bruhn 2005a, S. 136f). Die Notwendigkeit der Verabschiedung eines strategischen Konzeptes als wesentlicher Bestandteil des Prozesses der Integrierten Kommunikation wird von der Mehrheit der befragten Unternehmen erkannt. 62 Prozent der Unternehmen geben an, auf der Grundlage eines solchen Kommunikationskonzeptes zu arbeiten (48 Nennungen) bzw. dieses derzeit zu entwickeln (28 Nennungen). Die Hersteller industrieller Güter sowie die Verbrauchsgüterhersteller haben am häufigsten eine strategische Konzeption entwickelt. Öffentliche Unternehmen setzen dagegen eine strategische Konzeption Integrierter Kommunikation etwas seltener ein, gleichwohl diese Ausprägung der Branchenmittelwerte nicht signifikant unterschiedlich ist. Das Vorliegen eines fixierten strategischen Konzeptes korreliert signifikant mit der Einsatzdauer einer Integrierten Kommunikation (Korrelation +0,20). Die Mehrzahl der Unternehmen hat erst vor kurzem – zwischen 2000 und 2003 – ein solches strategisches Konzept entwickelt. Einige Unternehmen arbeiten jedoch schon seit Beginn der neunziger Jahre auf der Grundlage festgelegter Kommunikationsrichtlinien. Dabei erfolgt die Überarbeitung dieser Konzeptionen bei einem Großteil der Unternehmen laufend (43 Prozent) oder zumindest vierteljährlich (23 Prozent). An der Konzeption einer Integrierten Kommunikation sind mehrere Abteilungen beteiligt, die weitestgehend dieselben wie bei der Planung sind. So haben 85 Prozent der Unternehmen einen speziellen Kommunikationsmanager etabliert, der intensiv in den konzeptionellen Prozess eingebunden ist (Mittelwert 1,2 bei Verwendung einer Skala von 1 = „intensiv beteiligt“ bis 4 = „nicht beteiligt“). Zusätzlich sind die Abteilungen Marketing-Kommunikation (Mittelwert 1,3), Marketing (Mittelwert 1,4) und PR/Öffentlichkeitsarbeit (Mittelwert 1,4) stark in die Konzeption involviert, während die Rechtsabteilung (Mittelwert 3,4), das Controlling (Mittelwert 3,1) sowie das Personalwesen (Mittelwert 3,1) kaum an der Konzepterstellung beteiligt sind. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Rahmen der Konzeption einer Integrierten Kommunikation

364

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

weist starke Ähnlichkeit zur Verantwortlichkeit der Konzeption auf. Der Kommunikationsmanager sowie die Abteilungen Marketing-Kommunikation, PR/Öffentlichkeitsarbeit und Marketing zeigen eine hohe Bereitschaft, dagegen ist der Wille zur Zusammenarbeit bei den Abteilungen Recht, Controlling und Personal relativ gering. Außer der Beteiligung unternehmensinterner Abteilungen werden teilweise auch externe Berater bzw. Agenturen in den konzeptionellen Prozess eingebunden. Vor allem Werbe- (42 Prozent) und PR-Agenturen (34 Prozent) sind in die Integrierte Kommunikationsarbeit involviert, während freie Berater (3 Prozent) oder spezielle Berater für Integrierte Kommunikation (3 Prozent) kaum beteiligt werden. Zur Gewährleistung der Steuerung und Koordination der Integrierten Kommunikation ist die Ausarbeitung eines strategischen Konzeptes sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich Form und Verbindlichkeit erforderlich. Inhaltlich hat das strategische Konzept auf der Vision bzw. Philosophie des Unternehmens aufzubauen und zentrale Kommunikationsbotschaften vorzugeben, um einen widerspruchsfreien kommunikativen Unternehmensauftritt zu gewährleisten, formal ist es in den Unternehmensleitlinien zu verankern (vgl. zum strategischen Konzept der Integrierten Kommunikation Bruhn 2006a, S. 181ff). Obwohl die Mehrheit der befragten Unternehmen bereits auf Grundlage eines strategischen Konzeptes arbeitet bzw. dieses derzeit in Bearbeitung ist, besteht dahingehend inhaltliches Verbesserungspotenzial, dass erst bei 60 Prozent der Unternehmen die Kommunikationsziele nach Art, Umfang und Intensität (Mittelwert 2,3 bei einer Skala von 1 = „trifft vollständig zu“ bis 4 = „trifft nicht zu“) zumindest teilweise definiert sind. Dies stellt jedoch eine wichtige Voraussetzung für die Bestimmung konkreter Kommunikationsinstrumente und -maßnahmen sowie für die Kontrolle des Zielerreichungsgrades der Kommunikationsarbeit dar. Schwächen sind ebenfalls hinsichtlich der Festlegung der einzusetzenden Kommunikationsinstrumente (Mittelwert 2,2) und -maßnahmen (Mittelwert 2,2) erkennbar. Zudem ist der zeitliche Einsatz der Kommunikationsinstrumente nicht vorgegeben (Mittelwert 2,6). Dieser ist jedoch insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen positiver und negativer Wirkungsinterdependenzen zwischen den Kommunikationsinstrumenten zu berücksichtigen. Die Kontrolle der Kommunikationsarbeit wird zusätzlich erschwert, da nur 62 Prozent der untersuchten Unternehmen konkrete Kontrollmöglichkeiten zur Zielerreichung der Integrierten Kommunikation (Mittelwert 2,4) bestimmt haben. Auch die Verankerung der Integrierten Kommunikation in den Unternehmensleitlinien (Mittelwert 2,3) weist Mängel auf. Tabelle 2-1 zeigt die aktuellen Merkmale der strategischen Konzepte einer Integrierten Kommunikation in der Praxis. Die Ausgestaltung eines strategischen Konzeptes kann auch ungewollte Auswirkungen haben und Gefahren mit sich bringen. Beispielsweise wird die Gefahr des Auftretens negativer Synergieeffekte durch fehlerhafte Kommunikation umso höher ein geschätzt, je eher das Konzept die einzusetzenden Kommunikationsinstrumente (Korrelation +0,47) und -maßnahmen (Korrelation +0,46) festlegt und je eher zeitliche

365

Manfred Bruhn

Tabelle 2-1:

Merkmale der Konzepte Integrierter Kommunikation

Es handelt sich um ein Konzept, das bezüglich…

n

MittelTrifft Trifft wert vollständig eher zu zu (1) (2)

Trifft eher Trifft nicht zu nicht zu (3) (4)

Inhalt auf einer Unternehmensvision bzw. Philosophie aufbaut

80

1,5

61,3

33,8

3,8

1,3

die Kommunikationsziele allgemein festschreibt

80

1,6

48,8

43,8

6,3

1,3

eine strategische Positionierung für die Kommunikation festschreibt

78

1,8

46,2

35,9

14,1

3,8

mit den übrigen Instrumenten des Marketing-Mix abgestimmt ist

78

1,8

33,3

55,1

10,3

1,3

Zielgruppen der Kommunikation festlegt

79

1,8

44,3

31,6

24,1

0,0

Kommunikationsbotschaften vorgibt

78

2,0

28,2

51,3

16,7

3,8

die Kommunikationsmaßnahmen festlegt

79

2,2

26,6

35,4

32,9

5,1

die einzusetzenden Kommunikationsinstrumente festlegt

78

2,2

30,8

26,9

34,6

7,7

die Kommunikationsziele nach Art, Umfang und Intensität definiert

78

2,3

21,8

38,5

29,5

10,3

Corporate-Design-Vorschriften sowie Bilder und Symbole vorgibt

78

1,2

76,9

21,8

1,3

0,0

für alle Kommunikationsbeteiligten verbindlich ist

78

1,4

64,1

28,2

7,7

0,0

von der Führungsebene voll unterstützt wird

78

1,5

59,0

33,3

6,4

1,3

in schriftlicher Form vorliegt

78

1,5

61,5

28,2

6,4

3,8

mit den allgemeinen Unternehmenszielen abgestimmt ist

78

1,6

51,3

37,2

9,0

2,6

in den Unternehmensleitlinien verankert ist

79

2,3

21,5

34,2

32,9

11,4

Kontrollmöglichkeiten zur Zielerreichung vorgibt

76

2,4

18,4

43,4

22,4

15,8

zeitliche Vorgaben für den Einsatz der Instrumente enthält

78

2,6

11,5

34,6

39,7

14,1

Form und Verbindlichkeit

366

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

Vorgaben für den Instrumenteeinsatz (Korrelation +0,51) bestehen. Liegt das strategische Konzept in schriftlicher Form vor, wird dagegen die Gefahr des erhöhten Zeitbedarfs durch interne Abstimmungsprozesse gemindert (Korrelation -0,56). Damit die Steuerung der Integrierten Kommunikation auf Grundlage eines fixierten Konzeptes auch erfolgreich ist, sind die Mitarbeitenden über dessen Inhalte zu informieren. Die Analyse des Informationsstandes der Mitarbeitenden unterschiedlicher Hierarchieebenen über die Inhalte des strategischen Konzeptes zeigt, dass 93 Prozent der Mitarbeitenden der Kommunikationsabteilungen und 91 Prozent des obersten Führungskreises gut bis sehr gut informiert sind. Dagegen sind lediglich 83 Prozent der Mitarbeitenden des mittleren Führungskreises gut bis sehr gut informiert. Diese Gruppe ist demnach nicht ganz so stark mit den Inhalten der Konzeption vertraut.

2.4

Umsetzung einer Integrierten Kommunikation

Nach der Erarbeitung eines strategischen Konzeptes kommt deren Umsetzung im Prozess der Integrierten Kommunikation eine herausragende Bedeutung zu. Betrachtet man die interne Verantwortung für die Umsetzung der Integrierten Kommunikation, lassen sich Parallelen zu der Planung und Konzeption erkennen, da auch an der Realisation der Integrierten Kommunikation mehrere Abteilungen beteiligt sind. In erster Linie tragen der Kommunikationsmanager (Mittelwert 1,2) sowie die Abteilungen Marketing-Kommunikation (Mittelwert 1,3), PR/Öffentlichkeitsarbeit (Mittelwert 1,3) und Marketing (Mittelwert 1,4) eine hohe Umsetzungsverantwortung – wiederum gemessen auf einer vierstufigen Skala von 1 = „intensiv beteiligt“ bis 4 = „nicht beteiligt“. Es wird deutlich, dass alle Abteilungen, die einen kommunikativen Charakter aufwiesen, umfassend in den Prozess der Integrierten Kommunikation einbezogen sind. Bei der Umsetzung der Kommunikationsarbeit kommt den Abteilungen Recht (Mittelwert 3,3), Controlling (Mittelwert 3,3) und Personal (Mittelwert 2,9) nur eine geringe Verantwortung zu. Zusätzlich zu der internen Verantwortung sind auch externe Institutionen an der Umsetzung der Integrierten Kommunikation beteiligt. Die Mehrheit der befragten Unternehmen involvieren regelmäßig externe Berater bzw. Agenturen. Hierbei greifen die Unternehmen am häufigsten auf Werbeagenturen (54 Prozent) zurück, 37 Prozent der befragten Unternehmen beteiligen PR-Agenturen bei ihrer Umsetzungsarbeit. Die Analyse des Datensatzes zeigt, dass von den befragten Unternehmen die Umsetzung der Integrierten Kommunikation verstärkt in Form von abteilungsübergreifenden Teams bzw. in abteilungsübergreifender Projektarbeit erfolgt. Dies weist darauf hin, dass die untersuchten Unternehmen die Notwendigkeit einer Kooperation erkannt haben, falls verschiedene Abteilungen an der Umsetzung der Integrierten Kommunikation beteiligt sind. Die Bereitschaft der verschiedenen Abteilungen, im Rahmen

367

Manfred Bruhn

der Realisation der Integrierten Kommunikation zusammenzuarbeiten, ist generell als hoch einzustufen und gleicht jenem Muster der Kooperationsbereitschaft im Rahmen der Konzeption einer Integrierten Kommunikation. Die Untersuchungsergebnisse bestätigen die Vermutung, dass die Bereitschaft der Mitarbeitenden, im Rahmen der Umsetzung zu kooperieren durch den Grad ihrer Planungs- und Konzeptionsbeteiligung beeinflusst wird. Je intensiver die Mitarbeitenden in die konzeptionelle Kommunikationsarbeit involviert sind, desto eher sind sie auch bereit, bei der Realisation zusammenzuarbeiten und diese zu unterstützen. Eine bedeutende Aufgabe der Integrierten Kommunikation stellt die Gewährleistung des aufeinander abgestimmten Instrumenteeinsatzes dar. Bei der Untersuchung zeigt sich ein generell hoher Abstimmungsgrad. Insbesondere die PR/Öffentlichkeitsarbeit und die klassische Mediawerbung – Instrumente der marktgerichteten Massenkommunikation – werden aufeinander abgestimmt. Die Unternehmen stimmen diese Instrumente zu 96 Prozent (PR/Öffentlichkeitsarbeit) bzw. zu 87 Prozent (Mediawerbung) zumindest teilweise im Rahmen einer Integrierten Kommunikation mit den weiteren eingesetzten Kommunikationsinstrumenten ab. Auch die innengerichtete Mitarbeiterkommunikation wird von 94 Prozent der Unternehmen im Rahmen der Integrierten Kommunikation erfasst. Ebenso hat die Mehrheit der Unternehmen (80 Prozent) zumindest ansatzweise die Möglichkeiten der massengerichteten Interaktion erkannt, die sich durch den Einsatz der Multimediakommunikation104 ergeben (vgl. Möhlenbruch, Claus und Schmieder 2000). Dagegen erfolgt die Abstimmung von Instrumenten, die auf eng definierte Zielgruppen ausgerichtet sind, weniger umfassend. So integrieren lediglich 68 Prozent der Unternehmen das Sponsoring in das System der Gesamtkommunikation, 69 Prozent stimmen zumindest teilweise das Event Marketing mit den weiteren Instrumenten ab. Tabelle 2-2 gibt einen Überblick über den Grad der Einbindung der verschiedenen Kommunikationsinstrumente in die Integrierte Kommunikation. Bei der Untersuchung des Grades der Abstimmung von Kommunikationsinstrumenten lassen sich durch Einsatz eines Mittelwertvergleiches mittels T-Test signifikante Abweichungen für einzelne Instrumente zwischen unterschiedlichen Branchensektoren offen legen. Im Rahmen der Integrierten Kommunikation wird das Instrument der Mediawerbung von den Gebrauchsgüterherstellern signifikant häufiger eingesetzt als von den übrigen Sektoren. Die PR/Öffentlichkeitsarbeit wird zwar von allen Branchen relativ häufig mit den anderen Instrumenten abgestimmt, jedoch von den Verbrauchsgüterherstellern vergleichsweise selten. Auch die Kommunikationsinstrumente Messen/Ausstellungen und der Persönliche Verkauf/Vertrieb sind in dieser Branche signifikant seltener mit den anderen Instrumenten der Integrierten Kommunikation abge-

104 Unter Multimediakommunikation wird hierbei die Verwendung eines computergestützten,

interaktiven und multimodalen Kommunikationssystems (als zeitunabhängige Plattform eines zweiseitigen, von den individuellen Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen des Rezipienten gesteuerten Kommunikationsprozesses) verstanden (Bruhn 1997, S. 8).

368

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

stimmt. Dagegen greifen die Dienstleistungsanbieter sowie die Hersteller industrieller Güter im Rahmen der Integrierten Kommunikation verstärkt auf den Persönlichen Verkauf/Vertrieb zurück. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass insbesondere bei Dienstleistungen und Industriegütern die Interaktion mit dem Kunden unabdingbar ist, da dieser zum integrativen Bestandteil der Leistungserstellung wird bzw. individuelle Produktspezifikationen berücksichtigt werden.

Tabelle 2-2:

Einbeziehung von Kommunikationsinstrumenten in die Integrierte Kommunikation

Kommunikationsinstrumente

n

Mittelwert

Ja (1)

Teilweise (2) Kaum (3)

Nein (4)

PR/Öffentlichkeitsarbeit

120

1,2

85,8

10,0

4,2

0,0

Mitarbeiterkommunikation

118

1,3

74,6

19,5

5,9

0,0

Mediawerbung

117

1,5

69,2

17,9

6,8

6,0

Multimediakommunikation

105

1,8

41,9

38,1

18,1

1,9

Messen/Ausstellungen

104

1,8

49,0

26,9

18,3

5,8

Direct Marketing

104

1,8

44,2

35,6

14,4

5,8

Verkaufsförderung

93

1,9

47,3

31,2

10,8

10,8

Persönlicher Verkauf/Vertrieb

93

1,9

53,8

20,4

9,7

16,1

Event Marketing

102

2,0

37,3

31,4

28,4

2,9

Kundenbindung/CRM

92

2,0

38,0

34,8

15,2

12,0

Sponsoring

100

2,0

42,0

26,0

18,0

14,0

Verpackung

85

2,9

15,3

21,2

23,5

40,0

Aufgrund der variierenden Bedeutung der unterschiedlichen Kommunikationsinstrumente im Rahmen einer Integrierten Kommunikation wurde eine Bedeutungsanalyse getätigt. Hierzu wurden die befragten Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen gebeten, für die genannten Kommunikationsinstrumente eine Reihenfolge nach ihrer Bedeutsamkeit im Rahmen der Integrierten Kommunikation zu bilden. Diese bestätigt die divergierende Relevanz, wobei von der Mehrzahl der Unternehmen den Instrumenten PR/Öffentlichkeitsarbeit (Rang 1), Mediawerbung (Rang 2) und dem Persönlichen Verkauf/Vertrieb (Rang 3) der höchste Stellenwert zugewiesen wird. Auch die innengerichtete Mitarbeiterkommunikation (Rang 4) weist eine hohe Bedeutung für die befragten Unternehmen auf. Dagegen wird die Relevanz der Verpackung (Rang 12) als Instrument der Integrierten Kommunikation als relativ gering erachtet. Des Weiteren spielen die Instrumente, die auf eine persönliche Interaktion und die direkte Ansprache spezifischer Zielgruppen abzielen, das Sponsoring (Rang 11) und

369

Manfred Bruhn

Event Marketing (Rang 10), bisher eine untergeordnete Rolle. Hier hat von den Unternehmen zukünftig eine stärkere Einbindung mit den übrigen Instrumenten zu erfolgen, da die dialogorientierte Kommunikation insbesondere im Hinblick auf eine verstärkte Beziehungsorientierung der Unternehmen an Bedeutung gewinnt (Lischka 2000, S. 49). Da die Kommunikationsinstrumente unterschiedliche Aufgabenstellungen wahrnehmen, können sie in primär strategische und primär taktische Instrumente unterteilt werden. Die strategischen Instrumente sind auf die langfristige Steuerung des Unternehmensauftritts ausgerichtet, die taktischen vor allem zum Erzielen kurzfristiger Wirkungen. Auf die Frage „Welche Kommunikationsinstrumente haben in Ihrem Unternehmen einen eher strategischen (langfristigen) Charakter oder eher taktischen (kurzfristigen) Charakter?“ geben die befragten Unternehmen an, dass insbesondere die intern gerichtete Mitarbeiterkommunikation sowie die PR/Öffentlichkeitsarbeit als strategisches Instrument erachtet werden. Auffällig ist zudem, dass den Instrumenten der persönlichen Interaktion mit den Zielgruppen – dem Sponsoring oder dem Persönlichen Verkauf/Vertrieb – ebenfalls ein strategischer Charakter zugesprochen wird. Trotz der bisher relativ geringen Verwendung dieser Instrumente im Rahmen einer Integrierten Kommunikation deutet dies auf die Einsicht der Unternehmen in die Notwendigkeit eines interaktiven und dialogorientierten Kommunikationsauftritts hin. Abbildung 2-3 gibt die Einschätzung der Unternehmen bezüglich der Aufgabenstellung der Kommunikationsinstrumente wieder. Ist ein Kommunikationsinstrument zur Umsetzung strategischer Kommunikationsziele geeignet, so kann dies auch als Leitinstrument der Kommunikation bezeichnet werden (Bruhn 2006a, S. 111). Leitinstrumenten kommt im Rahmen der Integrierten Kommunikation eine Führungsfunktion zu, in dem sie Vorgaben für andere – eher taktisch orientierte – Instrumente geben. Von den befragten Unternehmen setzen 65 Prozent so genannte Leitinstrumente in ihrer Kommunikationsarbeit ein. Um die sinnvolle Abstimmung und Integration der Kommunikationsinstrumente zu gewährleisten, sind die interinstrumentellen Beziehungen zu berücksichtigen. Im Rahmen einer Beziehungsanalyse wurde für jedes Kommunikationsinstrument sowohl die Einflussnahme auf andere Instrumente (auf einer Skala von 1 = „sehr starke Einflussnahme“ bis 4 = „keine Einflussnahme“) als auch seine Beeinflussbarkeit durch die übrigen Instrumente (ebenfalls auf einer vierstufigen Skala von 1 = „sehr starke Beeinflussbarkeit“ bis 4 = „keine Beeinflussbarkeit“) erhoben und bewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem die PR/Öffentlichkeitsarbeit (Mittelwert 1,4) und die klassische Mediawerbung (Mittelwert 1,7) einen hohen Einfluss auf die übrigen Instrumente ausüben. Ferner wirken sich die innengerichteten Maßnahmen der Mitarbeiterkommunikation (Mittelwert 1,5) auf die restlichen Instrumente aus. Sehr geringen Einfluss auf die Gestaltung anderer Instrumente hat dagegen die Verpackung (Mittelwert 3,1) sowie der Einsatz von Messen/Ausstellungen (Mittelwert 2,6). Vor allem die PR/Öffentlichkeitsarbeit (Mittelwert 1,8) sowie die Mitarbeiterkommunikation (Mittel-

370

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

wert 1,9) üben nicht nur selbst einen hohen Einfluss auf andere Kommunikationsinstrumente aus, sondern werden von diesen ebenso in einem hohen Maße beeinflusst.

Abbildung 2-3:

Strategische und taktische Aufgaben der Kommunikationsinstrumente

Mitarbeiterkommunikation (n = 122)

96%

4%

PR/Öffentlichkeitsarbeit (n = 122)

92%

8%

Kundenbindung/CRM (n = 84)

81%

19%

Sponsoring (n = 90)

66%

34%

Persönlicher Verkauf/Vertrieb (n = 84)

43%

45%

Multimediakommunikation (n = 95)

44%

Mediawerbung (n = 114)

Event Marketing (n = 95)

32%

Messen/Ausstellungen (n = 97)

31%

57%

55% 56%

68% 69%

26%

Verkaufsförderung (n = 82)

74%

24%

Verpackung (n = 67)

76%

21%

Direct Marketing (n = 100)

0%

20%

79%

40%

60%

80%

100%

Eher strategisches Instrument Eher taktisches Instrument

Werden diese interinstrumentellen Beziehungen zueinander ins Verhältnis gesetzt, lassen sich vier unterschiedliche Typen von Kommunikationsinstrumenten unterscheiden. Als Leitinstrument lässt sich die klassische Mediawerbung charakterisieren, da sie zum einen andere Instrumente stark beeinflusst, zum anderen von diesen aber nur relativ gering beeinflusst wird. Beim Einsatz von Leitinstrumenten ist es daher besonders wichtig, die geplanten Kommunikationsmaßnahmen auf ihre Folgewirkungen bei anderen Instrumenten zu überprüfen. Die Instrumente Messen/Ausstellungen, Sponsoring, Event Marketing, Multimediakommunikation sowie Verpackung sind der Kategorie der Integrationsinstrumente zugeordnet. Diese zeichnen sich durch eine geringe Einflussnahme auf andere Instrumente aus sowie durch eine niedrige Beeinflussbarkeit durch andere Instrumente. Dementsprechend gut lassen sie sich mit anderen Kommunikationsinstrumenten kombinieren und abstimmen. Im Rahmen der Integrierten Kommunikation ist systematisch auf Verbindungslinien zwischen den Instrumenten dieser Kategorie zu den übrigen eingesetzten Instrumenten zu achten. Bei den Kristallisationsinstrumenten handelt es sich um Instrumente, die sowohl eine hohe Einflussnahme als auch eine hohe Beeinflussbarkeit gegenüber anderen Instru-

371

Manfred Bruhn

menten aufweisen. Diese Merkmale treffen auf die PR/Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, den Persönlichen Verkauf/Vertrieb, die Mitarbeiterkommunikation sowie die Kundenbindung/CRM zu. Hier sind die Folgewirkungen des Einsatzes dieser Instrumente sowie auch externe Einflussgrößen zu berücksichtigen. Das Direct Marketing wird als Folgeinstrument eingestuft und übt damit nur in geringem Maße Einfluss auf andere Instrumente aus, wird durch diese aber stark beeinflusst. Die Vorgaben anderer Instrumente sind bei der Gestaltung dieser Kategorie zu beachten. Die Einordnung der Kommunikationsinstrumente in Typologien ist in Abbildung 2-4 dargestellt.

Abbildung 2-4:

Kategorisierung von Kommunikationsinstrumenten innerhalb der Integrierten Kommunikation

Einflussnahme auf andere Instrumente Beeinflussbarkeit durch andere Instrumente

Niedrige Beeinflussbarkeit

Hohe Einflussnahme

Niedrige Einflussnahme

Leitinstrumente

Integrationsinstrumente

• Mediawerbung

Kristallisationsinstrumente Hohe Beeinflussbarkeit

• PR/Öffentlichkeitsarbeit • Verkaufsförderung • Persönlicher Verkauf/Vertrieb • Mitarbeiterkommunikation • Kundenbindung/CRM

• Messen/Ausstellungen • Sponsoring • Event Marketing • Multimediakommunikation • Verpackung Folgeinstrumente • Direct Marketing

Im Rahmen einer Integrierten Kommunikation erfolgt die Abstimmung der Kommunikationsinstrumente auf verschiedenen Ebenen. Es werden die inhaltliche, formale und zeitliche Integration unterschieden (Bruhn 2005a, S. 103ff; Esch 1998, S. 75f). Für die Integrierte Kommunikationsarbeit ist die inhaltliche Integration am bedeutendsten, die die thematische Verknüpfung der einzelnen Instrumente zum Gegenstand hat. Im Zentrum der formalen Integration steht die Abstimmung der Kommunikationsinstrumente durch die Verwendung einheitlicher Gestaltungsprinzipien, während die zeitliche Integration die Gewährleistung der Kontinuität von Unternehmensaussagen sowie die zeitliche Abstimmung des Instrumenteeinsatzes innerhalb der Planungsperioden umfasst. Die Analyse der befragten Unternehmen hinsichtlich des Einsatzes der unterschiedlichen Integrationsformen auf einer Skala von 1 = „trifft vollständig

372

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

zu“ bis 4 = „trifft nicht zu“ zeigt, dass die formale Abstimmung (Gesamtmittelwert 1,3) der Kommunikationsinstrumente bereits am weitesten fortgeschritten ist. Die inhaltliche Vernetzung (Gesamtmittelwert 1,8), die Voraussetzung zur Vermittlung einheitlicher kommunikativer Botschaften ist, und die zeitliche Abstimmung (Gesamtmittelwert 1,9) der Kommunikationsinstrumente erfolgen ebenfalls auf einem relativ hohen Niveau, beinhalten jedoch noch Verbesserungspotenziale. Tabelle 2-3 zeigt den Integrationsgrad einzelner Elemente auf unterschiedlichen Ebenen im Überblick für den Gesamtmarkt sowie für die verschiedenen Branchen.

Tabelle 2-3:

Einsatz verschiedener Integrationsformen

Abstimmungsformen

Stichprobe (n = 162)

Dienst- Hersteller Öffentliche Verbrauchs- Gebrauchsleistungs- industr. Untergütergüteranbieter Güter nehmen hersteller hersteller (n = 77) (n = 28) (n = 23) (n = 20) (n = 14)

INHALTLICHE INTEGRATION Die Verwendung einheitlicher Bildelemente wird bei verschiedenen Kommunikationsinstrumenten eingehalten

1,6

1,5

1,6

1,8

1,5

1,5

Zur Vermittlung einer inhaltlichen Botschaft werden gleiche Argumente bei verschiedenen Kommunikationsinstrumenten verwendet

1,6

1,7

1,3

1,5

1,5

1,6

Die Vermittlung von Inhalten erfolgt in einheitlichen Kommunikationsbotschaften

1,6

1,7

1,4

1,7

1,7

1,3

Die inhaltliche Abstimmung sämtlicher kommunikativer Maßnahmen erfolgt für alle relevanten Zielgruppen (z.B. Endkunden und Firmenkunden) innerhalb einer Marktstufe

1,9

1,9

1,6

1,9

1,9

1,8

Die einheitliche kommunikative Ansprache erfolgt für alle relevanten Zielgruppen (wie z.B. Absatzmittler und Endkunden) auf verschiedenen Marktstufen

2,2

2,2

2,1

2,4

2,1

2,3

373

Manfred Bruhn

Fortsetzung Tabelle 2-3:

Einsatz verschiedener Integrationsformen

Abstimmungsformen

Stichprobe (n = 162)

Dienst- Hersteller Öffentliche Verbrauchs- Gebrauchsleistungs- industr. Untergütergüteranbieter Güter nehmen hersteller hersteller (n = 77) (n = 28) (n = 23) (n = 20) (n = 14)

FORMALE INTEGRATION Die Beachtung formaler Gestaltungsrichtlinien erfolgt bei Zeichen und Logos

1,2

1,1

1,1

1,1

1,5

1,2

Die Beachtung formaler Gestaltungsrichtlinien bei Slogans ist vorhanden

1,3

1,4

1,1

1,4

1,3

1,2

Die Beachtung formaler Gestaltungsrichtlinien erfolgt bei Schrifttypen

1,4

1,5

1,2

1,3

1,7

1,3

Innerhalb eines Kommunikationsinstrumentes sind die einzelnen Kommunikationsmaßnahmen/-mittel zeitlich aufeinander abgestimmt

1,6

1,6

1,4

1,8

1,7

1,4

Der Einsatz verschiedener Kommunikationsinstrumente wird zeitlich innerhalb einer Planungsperiode aufeinander abgestimmt

1,8

1,7

1,7

1,8

1,8

1,7

Der Einsatz verschiedener Kommunikationsinstrumente wird zeitlich über mehrere Planungsperioden hinweg aufeinander abgestimmt

2,3

2,3

2,2

2,6

2,3

2,5

ZEITLICHE INTEGRATION

Zwischen der Einsatzdauer einer Integrierten Kommunikation und dem Abstimmungsgrad der Kommunikationsinstrumente bestehen signifikante Zusammenhänge. Insbesondere die Elemente der inhaltlichen Integration und Bestandteile der zeitlichen Integration werden positiv durch einen längeren Einsatz einer aufeinander abgestimmten Kommunikationsarbeit beeinflusst. Hinsichtlich der formalen Integration liegt lediglich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Einsatzdauer einer Integrierten Kommunikation und der Beachtung formaler Gestaltungsrichtlinien bei der Verwendung von Slogans vor. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass die Slogans im Rahmen einer Integrierten Kommunikation aus der strategischen Positio-

374

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

nierung und der daraus abgeleiteten Leitidee resultieren und somit einen engen Bezug zu der inhaltlichen Integration aufweisen. Das Vorliegen eines strategischen Konzeptes beeinflusst die Intensität des Einsatzes verschiedener Integrationsformen positiv. Wesentliche Elemente einer inhaltlichen Abstimmung sind signifikant häufiger von Unternehmen implementiert, deren Kommunikationsarbeit auf der Grundlage eines fixierten Konzeptes erfolgt (Gesamtmittelwert inhaltliche Integration 1,6) als von Unternehmen, deren Kommunikation kein strategisches Konzept zugrunde liegt (Gesamtmittelwert inhaltliche Integration 1,9). Ferner wird der Stand der formalen Integration durch die Entwicklung einer strategischen Konzeption begünstigt (Gesamtmittelwert formale Abstimmung 1,2 gegenüber einem Gesamtmittelwert von 1,5 bei Unternehmen ohne ein strategisches Konzept). Der Grad der zeitlichen Integration ist ebenfalls weiter fortgeschritten, falls die Kommunikationsarbeit auf einem fixierten Konzept basiert (Gesamtmittelwert zeitliche Integration 1,7 versus Gesamtmittelwert 2,0). Außer dem Vorliegen eines fixierten strategischen Konzeptes hängt auch der Informationsstand der Mitarbeitenden mit dem Abstimmungsgrad zusammen – gut informierte Mitarbeitende erweisen sich förderlich für eine Integration der Kommunikationsinstrumente. Die Realisation der Integrierten Kommunikationsarbeit ist oftmals mit Problemen verbunden, deren Ursachen insbesondere in konzeptionellen Mängeln als auch in organisatorischen Hemmnissen und mitarbeiterbedingten Widerständen zu suchen sind. Unter den vielfältigen Widerständen kristallisiert sich die mangelnde und problematische Erfolgskontrolle (Mittelwert 2,2, gemessen auf einer Skala von 1 = „trifft vollständig zu“ bis 4 = „trifft nicht zu“) als Hauptproblem der Umsetzung der Integrierten Kommunikation heraus. Weitere konzeptionelle Barrieren werden in dem Fehlen von Daten zur Beurteilung der Integrierten Kommunikation (Mittelwert 2,4) sowie in der unvollständigen Verbindung aller Kommunikationsinstrumente (Mittelwert 2,5) gesehen. Zudem bekräftigen die Untersuchungsergebnisse bereits vorliegende Vermutungen (vgl. z.B. Aebi 2004, S. 38), dass viele der auftretenden Umsetzungsprobleme auf mitarbeiterspezifischen Barrieren basieren. Diese beziehen sich vor allem auf das ausgeprägte Bereichs- und Abteilungsdenken der Mitarbeitenden (Mittelwert 2,3), die Informationsüberlastung der Mitarbeitenden (Mittelwert 2,4), die Angst der Mitarbeitenden vor verstärkter Kontrolle (Mittelwert 2,4) sowie vor Kompetenz-, Macht- und Ressourcenverlusten (Mittelwert 2,4). Auch die fehlende Einbeziehung der Mitarbeitenden in die Entscheidungen zur Integrierten Kommunikation (Mittelwert 2,5) kann zu Schwierigkeiten führen. Analysiert man den Zusammenhang zwischen der Einsatzdauer einer Integrierten Kommunikation und bestehenden Umsetzungsproblemen, so wird deutlich, dass sich verschiedene Probleme der Umsetzung einer Integrierten Kommunikation im Zeitablauf signifikant reduzieren. Es werden z.B. die Schwierigkeiten bei der Verbindung der einzelnen Kommunikationsinstrumente (Korrelation +0,38) oder das Problem eines

375

Manfred Bruhn

fehlenden strategischen Konzeptes (Korrelation +0,34) mit der Dauer einer Integrierten Kommunikation reduziert. Die Umsetzungsbeteiligung unterschiedlicher Unternehmensbereiche und -abteilungen beeinflusst die Intensität des Auftretens von Problemen der Realisation einer Integrierten Kommunikation. Beispielsweise trifft das Problem des lückenhaften Verständnisses der Integrierten Kommunikation auf Führungsebene umso seltener zu, je intensiver die Geschäfts- und Unternehmensleitung an der Umsetzung der Integrierten Kommunikation beteiligt ist (Korrelation -0,33). Eine verstärkte Verantwortung der Abteilung Marketing an der Umsetzung der Kommunikationsarbeit vermindert unter anderem das Problem, dass der Zusammenhang zwischen der Integrierten Kommunikation und der Wettbewerbsprofilierung nicht erkannt wird (Korrelation -0,45). Eine intensivere Einbindung der Abteilungen Recht, Controlling und Personal wirkt sich dagegen eher negativ aus bzw. verstärkt das Auftreten unterschiedlicher Umsetzungsprobleme. Das Auftreten von Barrieren bei der Realisation einer Integrierten Kommunikation wird zudem durch die Umsetzungsform der Kommunikationsaufgaben bestimmt. Eine prozessorientierte Zusammenarbeit scheint am sinnvollsten, da durch diese verschiedene Umsetzungsprobleme signifikant reduziert werden. Erfolgt die Integrierte Kommunikationsarbeit dagegen in Isolation der einzelnen Abteilungen, kommt es häufiger zum Eintritt bzw. zu einer Intensivierung von Umsetzungsproblemen. Um der erfolgsmindernden Wirkung der Umsetzungsprobleme und -barrieren zu begegnen, implementieren die befragten Unternehmen eine Reihe mitarbeiter-gerichteter Maßnahmen zum Abbau dieser Hemmnisse. Insbesondere die Förderung der Qualifizierung der Mitarbeitenden durch Angebote von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten (Mittelwert 1,5 bei Verwendung einer vierstufigen Skala von 1 = „großer Beitrag“ bis 4 = „kein Beitrag“) und die Durchführung von Fachseminaren und Schulungen (Mittelwert 1,7) erscheint zweckmäßig. Die Unterstützung der persönlichen Interaktion mit den Mitarbeitenden wird ebenfalls als sinnvoll angesehen, in Form von regelmäßigen Mitarbeitergesprächen (Mittelwert 1,5), konstanter Information der Mitarbeitenden (Mittelwert 1,5) und dem Aussprechen von persönlichem Lob (Mittelwert 1,7). Des Weiteren haben organisatorische Maßnahmen eine hohe Bedeutung, wie die Vergabe anspruchsvoller Aufgabenbereiche (Mittelwert 1,7) oder die Bildung abteilungsübergreifender Teams (Mittelwert 1,7).

2.5

Erfolgskontrolle einer Integrierten Kommunikation

Um einen effektiven und effizienten Prozess der Integrierten Kommunikation sicherzustellen, ist eine permanente und systematische Überprüfung und Beurteilung der

376

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

Kommunikationsmaßnahmen hinsichtlich ihres Beitrags zur Lösung der kommunikativen Aufgabenstellung notwendig. Mit Hilfe einer kontinuierlichen Analyse der kommunikationspolitischen Planung und Umsetzung sollen Entscheidungshilfen zur Optimierung der Integrierten Kommunikation abgeleitet werden (Bruhn 2006a, S. 315). Von den untersuchten Unternehmen führen bisher lediglich 44 Prozent eine Kontrolle durch, die sich speziell auf den Erfolg der Integrierten Kommunikation bezieht, während sich mit 56 Prozent die Mehrheit der befragten Unternehmen noch nicht weiter mit dieser Thematik auseinander setzt. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Vernachlässigung der Erfolgskontrolle das Resultat der Schwierigkeiten der Messung interdependenter Wirkungen eines aufeinander abgestimmten Instrumenteeinsatzes ist. Die Annahme, dass ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen der Durchführung einer speziell auf die Integrierte Kommunikation gerichteten Erfolgskontrolle und der Beurteilung der Ergebnisse der Integrierten Kommunikation besteht, wurde nicht bestätigt. Jedoch besteht ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen der Kontrolle der Integrierten Kommunikation und der Erreichung des intern gerichteten Ziels der Erhöhung der Mitarbeitermotivation und -identifikation (Korrelation +0,28). Bei der Durchführung einer Erfolgskontrolle sind verschiedene Verfahren verfügbar, die sich den Ergebnis-, Prozess- und Effizienzkontrollen zuordnen lassen. Im Rahmen der Ergebniskontrollen steht eine Bewertung der Wirksamkeit der Integrierten Kommunikation im Vordergrund. Die Überwachung der Ausführung aller Tätigkeiten im Rahmen des Planungs- und Umsetzungsprozesses wird innerhalb der Prozesskontrolle durch den Einsatz von Checklisten und Netzplänen gewährleistet. Diese Methoden zielen auf die Sicherstellung einer zielkonformen Realisation der verschiedenen notwendigen Einzelmaßnahmen ab. Mit dem Einsatz von Kosten-NutzenAnalysen und der Prozesskostenanalyse konzentriert sich die Effizienzkontrolle auf die Leistungsfähigkeit der integrierten kommunikativen Aktivitäten hinsichtlich ökonomischer Aspekte (Bruhn 2006a, S. 319ff). Die befragten Unternehmen geben an, dass sie sowohl Verfahren der Ergebnis- und Prozesskontrolle als auch der Effizienzkontrolle einsetzen. Im Rahmen der Ergebniskontrolle findet am häufigsten die Methode des Single Sourcing Anwendung. Bei diesem Verfahren erfolgt die Erfassung der Daten bereits im Handel und liefert somit eine Möglichkeit, auf empirischem Wege einer eindeutigen Zuordnung von (konativen) Konsumentenreaktionen zu speziellen Kommunikationsaktivitäten näher zu kommen. Innerhalb der Prozesskontrolle erfolgt eine Priorisierung der Netzplantechnik, während bei der Effizienzkontrolle hauptsächlich die Prozesskostenanalyse angewandt wird. Bei der Durchführung einer Erfolgskontrolle, die speziell auf die Integrierte Kommunikation ausgerichtet ist, treten bei den befragten Unternehmen oftmals Probleme auf. Insbesondere die vollständige Erfassung aller Kommunikationskontakte, die die

377

Manfred Bruhn

Wahrnehmung des Erscheinungsbildes eines Unternehmens prägen, wird von 83 Prozent der Unternehmen als Problem erkannt. Ferner wird von 83 Prozent der untersuchten Unternehmen die Zurechenbarkeit der Kommunikationswirkungen auf die einzelnen Kommunikationsinstrumente als schwierig erachtet. Darüber hinaus empfinden 82 Prozent der Unternehmen die Identifikation und Quantifikation positiver und negativer Wirkungsinterdependenzen zwischen den Kommunikationsinstrumenten und -maßnahmen sowie 80 Prozent die Beeinflussung des Kommunikationserfolges durch nicht vom Unternehmen steuer- und kontrollierbare Kontakte als schwierig.

3

Zukunftsperspektiven und Schlussfolgerungen

Da es sich bei der Planung, Konzeption und Realisation einer Integrierten Kommunikation um einen komplexen, längerfristigen Prozess handelt, ist es oftmals notwendig, einige Veränderungen innerhalb des Unternehmens durchzuführen. Hieraus stellt sich zum einen für die Praktiker die Frage, an welchen Stellen im Unternehmen eine solche Veränderung vorzunehmen ist. Zum anderen haben seitens der Wissenschaft weitere Untersuchungen und Forschungen auf diesem Themengebiet zu erfolgen, um die Unternehmen in einer erfolgreichen Umsetzung einer Integrierten Kommunikation zu unterstützen.

3.1

Stand und zukünftige Bedeutung einer Integrierten Kommunikation

Bei Betrachtung der Untersuchungsergebnisse österreichischer Unternehmen zum aktuellen Stand der Realisation einer Integrierten Kommunikation ergibt sich ein divergentes Bild. Der größte Anteil der befragten Unternehmen (39 Prozent) gibt an, dass der Stand der Umsetzung eines aufeinander abgestimmten Einsatzes der Kommunikationsinstrumente noch in den Kinderschuhen steckt, während immerhin 25 Prozent der Unternehmen die Integrierte Kommunikationsarbeit als weit fortgeschritten erachten. Die Einschätzung einer nahezu umfassenden Integration der Kommunikation wird lediglich von 3 Prozent der untersuchten Unternehmen für sich beansprucht. Trotz der variierenden Ergebnisse hinsichtlich des Standes der Integrierten Kommunikation sind die befragten Unternehmen mehrheitlich mit dem bisherigen Erfolg der

378

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

Integrierten Kommunikation zufrieden. Der Einsatz aufeinander abgestimmter Kommunikationsinstrumente und -maßnahmen wird von 90 Prozent der Unternehmen als sehr gut bzw. eher gut eingestuft. Hinsichtlich der Erreichung der mit dem Einsatz einer Integrierten Kommunikation verbundenen Zielsetzungen fallen die Einschätzungen der Unternehmen ebenfalls positiv aus. So geben 98 Prozent der untersuchten Unternehmen an, ein einheitliches Erscheinungsbild vollständig bzw. zumindest teilweise erreicht zu haben. Darüber hinaus werden von 88 Prozent der Unternehmen Wirkungssynergien erzielt, und bei 86 Prozent treten verbesserte Lerneffekte bei den Zielgruppen auf. Eine solch positive Einschätzung und Beurteilung der Integrierten Kommunikationsarbeit kann darauf zurückgeführt werden, dass die mit der Durchführung einer Integrierten Kommunikation erzielten Erfolge sowie die Zielerreichung im Verhältnis zum Grad der Umsetzung betrachtet werden. Die befragten Unternehmen erkennen mehrheitlich (96 Prozent) den hohen Stellenwert eines aufeinander abgestimmten, einheitlichen kommunikativen Unternehmensauftritts und sprechen der Integrierten Kommunikation auch für die Zukunft eine hohe Relevanz als strategischer Erfolgsfaktor zu. Lediglich fünf der untersuchten Unternehmen (4 Prozent) sehen die zukünftige Bedeutung einer Integrierten Kommunikationsarbeit als eher gering an. Obwohl die Gestaltung einer Integrierten Kommunikation von den befragten Unternehmen als Erfolgsfaktor im Wettbewerb anerkannt wird, ist die Umsetzung eines Integrierten Einsatzes der Kommunikation oftmals auch mit Gefahren verbunden. Allerdings zeigt die Analyse des Datensatzes, dass lediglich 22 Prozent der Unternehmen solche Risiken erkennen, wovon 72 Prozent insbesondere einen erhöhten Zeitbedarf durch umfangreiche interne Abstimmungsprozesse als problematisch einstufen. Insgesamt werden die erhobenen Risiken jedoch als relativ gering eingeschätzt.

3.2

Schlussfolgerungen für die Wissenschaft

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, den aktuellen Stand einer Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen aufzudecken, mit der Absicht, langfristig den Fortschritt der aufeinander abgestimmten Kommunikationsarbeit zu analysieren und die Umsetzung einer Integrierten Kommunikation durch weitere Forschungserkenntnisse konstruktiv zu beeinflussen. Bei einer kritischen Würdigung der vorgestellten empirischen Studie bleibt festzuhalten, dass es sich um eine Erweiterung einer bereits bestehenden Längsschnittanalyse von deutschen und Schweizer Unternehmen handelt. Daraus haben sich bestimmte Einschränkungen ergeben: Zum einen bleiben aus Gründen der Vergleichbarkeit länderspezifische Besonderheiten unberücksichtigt. Dennoch ist zu bedenken, dass selbst innerhalb des deutschsprachigen Raums

379

Manfred Bruhn

kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede bestehen, die sich in der Kommunikationsarbeit und den Kommunikationswirkungen widerspiegeln können. Zum anderen ist aufgrund der Analyse des Fortschritts und der Entwicklungen der Integrierten Kommunikationsarbeit ein Großteil der Fragen beizubehalten, die bereits in den Studien von 1991 und 1998 Anwendung fanden.105 Aufgrund einer verhältnismäßig geringen Fallzahl und möglicher Befragungseffekte sind die Untersuchungsergebnisse nicht frei von Verzerrungen, wodurch sich weitere Einschränkungen der Studie ergeben. Die Repräsentativität der einzelnen Auswertungen und Aussagen ist dementsprechend nicht gewährleistet. Zudem kann die Validität und Reliabilität der Daten nicht garantiert werden, da es sich bei der vorliegenden Untersuchung nicht um objektive Daten, sondern um die subjektiven Einschätzungen und Bewertungen einzelner Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen im Unternehmen handelt (Van Bruggen, Lilien und Kacker 2002, S. 469f). Dies kann zu Verzerrungen durch Fehleinschätzungen führen, die nicht aus dem Datensatz eliminiert werden können. Dennoch ist die vorliegende Studie als ein wichtiger Ansatzpunkt zu bewerten und die in dem Beitrag dargestellten Ausführungen haben zentrale Problemfelder offen gelegt, woraus sich weiterer Forschungsbedarf ableitet. Vor allem auf die Punkte der Durchführung einer Erfolgskontrolle, die sich speziell auf die Integrierte Kommunikation bezieht, sowie auf die hierfür eingesetzten Verfahren der Erfolgskontrolle ist in Zukunft verstärkt einzugehen. Hierzu sind in weiteren Untersuchungen insbesondere Aspekte der generellen Messbarkeit und der konkreten Operationalisierung von Kommunikationswirkungen zu berücksichtigen und Entscheidungshilfen bzw. neue Methoden der Erfolgsmessung zu entwickeln, um die Unternehmen in ihrer zukünftigen Kommunikationsarbeit zu unterstützen. Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Kunden wird auch in Zukunft weiter voranschreiten. Bei der zu beobachtenden Informationsüberlastung der Zielgruppen, der weiter steigenden Zahl an Kommunikationsinstrumenten und einer wachsenden Medienvielfalt ist davon auszugehen, dass das Thema einer Integrierten Kommunikation in sämtlichen Branchen auch zukünftig an Bedeutung gewinnt.

105 Zur detaillierten Betrachtung des aktuellen Fragebogens siehe Bruhn 2006b. Für die vorherige

Version des Studien-Fragebogens siehe auch Bruhn und Boenigk 1999.

380

Stand der Integrierten Kommunikation in österreichischen Unternehmen

Literaturverzeichnis

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381

Manfred Bruhn

Liebmann, H.-P., Angerer, Th. und Foscht, Th. (2002): Integrierte Kommunikation – Die Sicht österreichischer Unternehmen. In: transfer – Werbeforschung & Praxis, 47. Jg., Nr. 4, S. 6-11. Lischka, A. (2000): Dialogkommunikation im Rahmen der Integrierten Kommunikation. In: Integrierte Kommunikation in Theorie und Praxis. Betriebswirtschaftliche und kommunikationswissenschaftliche Perspektiven, M. Bruhn, S.J. Schmidt und J. Tropp (Hrsg.), S. 47-63. Wiesbaden: Gabler. Möhlenbruch, D., Claus, B. und Schmieder, U.-M. (2000): Corporate Identity, Corporate Image und Integrierte Kommunikation als Problembereiche des Marketing, Betriebswirtschaftliche Diskussionsbeiträge, Beitrag Nr. 38. Halle: Universität Halle-Wittenberg. Schweiger, G. und Schrattenecker, G. (2005): Werbung, 6. Auflage. Stuttgart: UTB. Schweiger, G., Mayerhofer, W., Koppe, P. und Gottwald, I. (1998): Der Einfluss von Schlüsselreizen wie Marke, Preis und Qualitätszeichen auf die Markenwahl bei Lebensmitteln in Österreich – eine Anwendung des Conjoint Measurements. In: Jahrbuch der Handelsforschung, V. Trommsdorff (Hrsg.), S. 101-118. Stuttgart: Kohlhammer-Verlag. Van Bruggen, G.H., Lilien, G.L. und Kacker, M. (2002): Informants in Organizational Marketing Research: Why Use Multiple Informants and How to Aggregate Responses. In: Journal of Marketing Research, 39. Jg., Nr. 4, S. 469-478.

382

Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan

Junichi Yoshida

Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan Geschickte Umsetzung der Power of Media Buying

1

Die Charakteristika des japanischen Werbemarktes.................................................. 385

2

Wer oder was ist Dentsu? .............................................................................................. 388

3

Geschichte und Wettbewerbsvorteile von Dentsu ..................................................... 389

4

Dentsu als „Kommunikationskomplex“ (Joho-Shosha)............................................ 393

5

Werbung und Markenarchitektur in Japan................................................................. 396

6

Resümee........................................................................................................................... 397

383

Junichi Yoshida

Abstract

Die Besonderheiten der Werbepraxis in Japan wurden bis heute noch nicht in der europäischen werbewissenschaftlichen Literatur behandelt. Der Beitrag versucht dem Leser die japanische Werbemarktstruktur näherzubringen und durch eine Sammlung von praxisorientierter Evidenz die Rolle führender Megaagenturen in der japanischen Werbebranche und deren geschickte Umsetzung der Power of Media Buying zu erläutern.106

106 Der Autor hat Professor Schweiger zunächst im Zuge von dessen Forschung als profunden

Japan-Experten kennen und schätzen gelernt, sodann im Zuge seiner eigenen, 1987 an der Wirtschaftsuniversität Wien abgeschlossenen Dissertation zum Thema „Produktinnovation in Japan“ (Service Fachverlag 1989) als engagierten Lehrer und Doktorvater. Dafür und für die darauf folgende freundschaftliche Verbundenheit möchte der Autor Professor Schweiger seinen tiefen Dank aussprechen.

384

Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan

1

Die Charakteristika des japanischen Werbemarktes

In der japanischen werbewissenschaftlichen Literatur werden immer wieder die Besonderheiten des japanischen Werbemarktes und der japanischen Werbeagenturen gegenüber der westlichen Welt, im Besonderen gegenüber der amerikanischen Werbepraxis, hervorgehoben und diskutiert. Die in Japan bekannten Werbetheorien werden hauptsächlich aus der angloamerikanischen Literatur übernommen und für das japanische Werbegeschäft entsprechend überarbeitet und adaptiert. Die Besonderheiten des japanischen Werbemarktes bzw. der Werbebranche werden in der Folge genau betrachtet, jedoch kann ein Fazit bereits vorweggenommen werden: Der Fokus japanischer Werbeagenturen liegt mehr auf den Medien als auf den Werbung treibenden Unternehmen (Kishiya 2005, S. 125). Diese provokante Kernaussage wird bis heute immer wieder durch die Werbepraxis in Japan bestätigt. Die Eigenheiten der japanischen Werbeagenturen basieren auf ihrer mehr als hundertjährigen historischen Entwicklung und den nicht rational erklärbaren soziokulturellen Hintergründen. Zu dieser Problematik hat das Management von Dentsu oder Hakuhodo bereits in den 50er Jahren die damals als musterhaft geltende amerikanische Werbepraxis eingehend analysiert und den Begriff des „Account Executive“ importiert, allerdings nicht im ursprünglichen Sinne. Was in der japanischen Literatur oft mit “AE-System” und in den USA als „Account Executive“, d.h. einer alles koordinierenden Schlüsselperson zur Erstellung der kreativen Werbeleistungen interpretiert wurde, wurde nicht als personenbezogene Funktion, sondern in der japanischen Werbepraxis als eine Funktion der Betriebsorgane gehandhabt. Damit sollte für die das AE-System einführenden Werbeagenturen nach innen und außen eine stärkere Klientenorientiertheit als Medienorientiertheit verdeutlicht werden (Kobayashi 2000, S. 192). Obwohl der Begriff AE (Account Executive), wie bereits erwähnt, schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt und in Japan eingeführt wurde, wurde auf dem japanischen Werbemarkt bis heute weder die Medienorientiertheit der Werbeagenturen – insbesondere die der Megaagentur Dentsu, die nach wie vor die schwer angreifbare Marktführerschaft einnimmt – allzu drastisch verändert, noch deren Brancheneigenheiten zum Vorteil der Klienten verbessert. Die japanische werbewissenschaftliche Literatur berichtet in den 1990er Jahren auch über die Entstehung von unabhängigen Media Buying Services in Großbritannien oder in anderen europäischen Ländern, wobei eine starke Senkung der Medienpreise bzw. Kommissionen verlangt wird (Kobayashi 2000, S. 181). Durch das Zitieren ausländischer Literatur üben japanische Wissenschafter indirekt Kritik an der Marktvorherrschaft der japanischen Megaagentur Dentsu hinsichtlich ihrer extrem hohen Mediaeinkäufe. Die meisten dieser werbewissenschaftlichen Autoren versuchen aufgrund aktueller Erkenntnisse der westlichen Werbetheorie und -praxis eine Verbes385

Junichi Yoshida

serung hinsichtlich der negativen Charakteristika des japanischen Werbemarktes in Richtung eines stärkeren freien Wettbewerbs (Senkung der Werbetarife, freier Marktzugang für ausländische Werbeagenturen, mehr Markttransparenz usw.) zu bewirken und eine Anpassung an den globalen Standard zu erreichen. Viele kritisieren die oligopolistische Wettbewerbsstruktur auf dem japanischen Werbemarkt. Sicherlich ist, wie in einigen japanischen werbewissenschaftlichen Publikationen bestätigt wird, der japanische Werbemarkt und die Struktur des Werbegeschäftes vom wettbewerbpolitischen Standpunkt aus betrachtet kritisch zu beurteilen. Vor allem das Wesen der Megaagenturen, wie sie Dentsu darstellt, die aufgrund politischen Geschicks eine Monopolstellung während des Zweiten Weltkrieges für sich erobern konnte und diesen Vorteil bis heute genießt, ist problematisch. Allerdings wollen wir uns von dieser, in der japanischen werbewissenschaftlichen Literatur üblichen, kritischen Betrachtungsweise, die Besonderheiten des japanischen Werbemarktes betreffend, distanzieren und mit dem Fokus auf Dentsu aus eigener Perspektive das Wesen einer Megaagentur und deren Bedeutung in der heutigen Werbewelt analysieren und diskutieren. Kobayashi (2000) unterscheidet vier Typen von Werbeagenturen: 1. Mediaagentur (im Sinne von Media-Broker), 2. klassische Werbeagentur, 3. Werbeunternehmen („Full-Service-Agentur“) und 4. „Joho Shosha“ (sinngemäß übersetzt „Kommunikationskomplex”). Er behauptet, dass in den USA oder in den europäischen Ländern die dritte Variante, nämlich Werbeunternehmen, die den Werbetreibenden ein umfassendes Leistungsangebot für ihre Marketingkommunikation anbieten, als ein Idealtypus betrachtet werden können. In Japan existiert allerdings mit den Megaagenturen Dentsu oder Hakuhodo ein vollendeter Typ von Werbeagenturen, die ins Deutsche übersetzt als „Kommunikationskomplex“ bezeichnet werden können (Kobayashi 2000, S. 217). Ihre Bedeutung am weltweiten Werbemarkt geht aus Tabelle 1-1 hervor. Diesen „Kommunikationskomplex“ bezeichnet Kobayashi auf Japanisch als Joho-Shosha. Hier erinnern wir uns an den ähnlichen japanischen Ausdruck der Sogo-Shosha (General Trading Company). Die im Deutschen als Generalhandelshäuser bezeichneten SogoShosha fungierten bis in die 1980er Jahre als Zugkraft für die Weltstrategie der japanischen Wirtschaft und stellten in der Welt einzigartige Handelsgiganten mit sehr langer Tradition dar (Schweiger 1982). In diesem Zusammenhang können wir im Zeitalter der Informations- und Kommunikationstechnologie anstatt von Sogo-Shosha eine neue Rolle und Definition für Joho-Shosha finden. Somit ist die Megaagentur Dentsu als Joho-Shosha zu verstehen, und es soll versucht werden, ihr Wesen näher zu betrachten.

386

Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan

Tabelle 1-1:

World’s Top 20 Marketing Organizations (Quelle: Advertising Age. In: Kokoku-Hakusho, Nikkei Advertising Research Institute 2005, S. 282; vereinfacht übernommen).

Ranking nach Name der Unternehmen bzw. dem BruttoGruppe Ergebnis

Hauptsitz

Gross Profit on Sales (Bruttoergebnis vom Umsatz) 2004 (in Mio. Dollar)

1

Omnicom Group

New York

9,747.2

2

WPP Group

London

9,370.1

3

Interpublic Group of Cos.

New York

6,200.6

4

Publicis Groupe

Paris

4,777.3

5

Dentsu Inc.

Tokio

2,851.0

6

Havas

Suresnes (F)

1,866.0

7

Aegis Group

London

1,373.6

8

Hakuhobo DY Holdings

Tokio

1,373.6

9

Asatsu-DK

Tokio

473.3

10

Carlson Marketing Group

Minneapolis

346.9

11

MDC Partners

Toronto/New York

316.8

12

Incepta Group

London

279.8

13

Monster Worldwide

New York

251.6

14

Digitas

Boston

251.6

15

HealthSTAR Communications

Woodbridge, N.J.

203.0

16

Alloy

New York

194.1

17

Cheil Communications

Seoul

185.9

18

Aspen Marketing Services

West Chicago, Ill.

180.0

18

G2R

Seoul

180.0

20

Tokyu Agency

Tokio

176.0

387

Junichi Yoshida

2

Wer oder was ist Dentsu?

Dentsu ist aufgrund seiner Vormachtstellung in der japanischen Werbebranche mit dem sehr negativ klingenden japanischen Begriff „Kaibutsu” (Mammut) behaftet. Japanische Werbestatistiken (Nikkei-Kokoku-Kenkyusho 2005) bestätigen dies auch in Zahlen: Der Jahresumsatz von Dentsu betrug 2004 1,911 Bio. Yen bzw. umgerechnet 13,65 Mrd. Euro (Umrechnungskurs 1:140). Die gesamten Werbeumsätze (Summe des Bruttowerbeaufwandes aller Werbetreibenden) in Japan betrugen im Jahr 2004 5,857 Bio Yen (umgerechnet 41,84 Mrd. Euro). Dies bedeutet, dass ungefähr ein Drittel der gesamten in Japan betriebenen Werbung auf das Konto des „Mammuts” Dentsu geht. Ewige Nummer zwei in der japanischen Werbebranche ist Hakuhodo. Hakuhodo hat sich aus wettwerbsstrategischen Gründen im Jahr 2003 mit zwei anderen führenden Agenturen Daiko und Yomiuri Advertising zu einer Holding-Gesellschaft zusammengeschlossen. Die dadurch entstandene Hakuhodo DY Holding wies im Jahr 2004 einen Umsatz von 1,090 Bio. Yen (7,79 Mrd. Euro) auf und lag damit nach wie vor weit hinter dem Ergebnis von Dentsu. In Summe betrugen die Umsätze von Dentsu und Hakuhodo DY im Jahre 2004 exakt 3 Bio. Yen (21,43 Mrd. Euro). Somit beherrschten Dentsu und die Hakuhodo Holding gemeinsam über 50 Prozent des japanischen Werbemarktes (siehe Tabelle 2-1).

Tabelle 2-1:

Erfolgsvergleich zwischen Dentsu und der Hakuhodo DY Holding 2004 (Quelle: Nikkei-Kokoku. Kenkyusho 2005, S .79; Originaltabelle vereinfacht übernommen) Dentsu

Umsatz

Hakuhodo DY Holding

1,910,469 Mio Yen

1,089,542 Mio Yen

317,902 Mio Yen

151,815 Mio Yen

Operating Profit (Betriebsergebnis)

57,603 Mio Yen

22,393 Mio Yen

Operating Income after Depreciation (Betriebsergebnis nach Abschreibungen)

59,265 Mio Yen

22,842 Mio Yen

153,400 Mio Yen

80,634 Mio Yen

Bruttoergebnis/Umsatz

16.6%

13.9%

Operating Margin (Betriebsergebnis/Bruttoergebnis)

18.9%

14.8%

Anteil der Personalkosten am Bruttoergebnis

48.2%

53.1%

Gross Profit on Sales (Bruttoergebnis vom Umsatz)

Personalkosten

388

Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan

Tahara Soichiro, der derzeit politisch und gesellschaftlich einflussreichste Journalist in Japan, schrieb im Jahre 1981 eine sehr gut recherchierte Dokumentation über Dentsu, die in 18 Teilen in der japanischen Wochen-Zeitschrift Shukan-Asahi erschien und 1984 zusammengefasst mit dem Titel „Dentsu” als Buch veröffentlicht wurde. Einerseits unterliegt dieses Werk zwar einer journalistisch gefärbten Berichtererstattung, bewirkte aber andererseits in der Praxis, dass das Scheinwerfer-Licht auch auf die Schattenseiten dieser Megaagentur gerichtet wurde und somit den Anspruch einer werbewissenschaftlichen Referenzquelle in Bezug auf Dentsu erlangte. Im Jahr 2002 verlegte Dentsu sein Hauptquartier von Tsukiji (zwischen der Ginza und Tokyos Grossfischmarkt) in ein großes Hochhaus nach Shiodome-Shimbashi (nicht weit entfernt von der Ginza). Somit galt „Tsukiji” nicht mehr als Synonym für Dentsu. Nicht nur aufgrund von Aussagen von Journalisten, sondern auch durch mühsame Beweisführung klärte Tahara (1984, S. 26ff) die Machtstruktur von Dentsu auf: Der entscheidende Faktor ist die „Connection”, d.h. die personellen Verflechtungen von Dentsu einerseits mit den Medien (TV- und Radiostationen, Zeitschriftenverleger und Zeitungsfirmen) und andererseits mit den großen Klienten. Dentsu ist mit einem Aktienpaket am jeweiligen Mediaunternehmen beteiligt und entsendet entsprechend dieser Kapitalbeteiligung eine oder mehrere Führungskräfte, wie etwa Vorstandsmitglieder oder Mitglieder des mittleren Managements in diese Unternehmen. In diesem Zusammenhang muss noch eines der wichtigsten Werbemedien, das Fernsehen, explizit erwähnt werden, da dieses Medium unter dem Einfluss der Beziehung zwischen Dentsu und der Firma „Video Research“ steht (Tahara 1984, S. 21f), die sich ihrerseits mit Dentsu in einer von Personal- und Kapitalabhängigkeit gekennzeichneten Beziehung befindet. „Video Research“ hat für die landesweite Messung der Einschaltquoten der Fernsehsender eine Monopolstellung inne. Da das Schicksal aller Fernsehsender von den Einschaltquoten abhängt, besitzt Dentsu indirekt eine spezielle Position gegenüber den Fernsehsendern.

3

Geschichte und Wettbewerbsvorteile von Dentsu

Der Grundstein für die heutige Machtstellung von Dentsu im japanischen Werbemarkt wurde sehr früh gelegt. Dazu drei wesentliche Meilensteine:

1901 gründete Mitsunaga Hoshiro zwei Agenturen in unterschiedlichen Sparten: die Werbeagentur Nippon-Koukoku sowie eine Nachrichtenagentur unter dem Namen Dempo-Tsushinsha. Diese beiden Agenturen wurden 1907 unter dem Namen Nippon Dempo Tsushinsha ƺ was so viel wie Nippon Telegramm Nach-

389

Junichi Yoshida

richten Agentur (Saito 1997, S. 38) bedeutet ƺ fusioniert. Der heutige Firmenname Dentsu ist eine Abkürzung des ursprünglichen Namens. Dentsu hatte eine Nachrichten- und Mediaagenturfunktion und spielte eine Doppelrolle gegenüber den Zeitungsverlegern. Einerseits lieferte Dentsu als Nachrichtenagentur Material zur Veröffentlichung (Nachrichten), woraus sich Forderungen gegenüber den Verlegern ergaben, anderseits entstanden durch die Tätigkeit als Werbeagentur Verbindlichkeiten gegenüber diesen. Im Ausgleich von Forderungen und Verbindlichkeiten gelang es Dentsu durch geschickte Kompensationsgeschäfte, sich eine sehr einflussreiche Position gegenüber den Zeitungsverlagen zu verschaffen. Schon damals zeichnete sich Dentsu also durch eine besondere Machtstellung gegenüber den Medien aus. Im Jahre 1936 wurde die Nachrichtenagentur veräußert und man konzentrierte sich nur noch auf das Werbegeschäft.

Wenn man die Geschichte von Dentsu und der gesamten japanischen Werbewirtschaf erforscht, stößt man unweigerlich auf den Namen der Werbelegende Yoshida Hideo, der in Japan als „Koukoku no Oni” („Dämon der Werbung“) gepriesen wurde. Yoshida Hideo begann 1928 als Absolvent der Tokyo-Universität bei Dentsu seine Karriere. Seine kreative Schaffenszeit, den Machtaufbau Dentsus betreffend, wurde durch zwei Epochen geprägt: Zunächst während des Zweiten Weltkrieges und dann nach dem Krieg. Dies hing im Wesentlichen von zwei Regelungen ab, die das damalige Militärregime 1944 erlassen hatte, und die einerseits eine Preisregelung der Provisionen für die Zeitungsverlage und andererseits die Wettbewerbsregelung in der Werbebranche betrafen. Yoshida gelang es, das damalige Regime, das die Absicht hatte, eine starke Kontrolle über die Medien auszuüben, wegen seiner guten politischen Beziehungen auf seine Seite zu ziehen und damit für eine zwar staatliche, jedoch für die Werbeagentur vorteilhafte Preisregelung zu sorgen. Überdies wurde das Werbeagenturwesen durch eine staatliche Regelung neu strukturiert. Der Markt wurde neu geregelt, indem das Handels- und Industrieministerium erlaubte, dass sich 186 Werbeagenturen aus ganz Japan zu zwölf Agenturen zusammenschlossen (Tahara 1984, S. 69). Bemerkenswert dabei war, dass Dentsu als einzige Agentur Japans vier Niederlassungen in Tokio, Osaka, Nagoya und Fukuoka (auf Kyushu) für sich verbuchen konnte und sich ihr Einflussbereich ab diesem Zeitpunkt auf vier von zwölf staatlich genehmigten Agenturen erstreckte (Kobayashi 1998, S. 233). Yoshida spielte hinter den Kulissen die wichtige Rolle eines Mannes im Schatten. Einigermaßen verwunderlich ist, dass von der amerikanischen Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg nicht auf diese Monopolstellung Einfluss genommen wurde, wo doch in allen anderen Wirtschaftszweigen die Kapitalkonzentration, wie etwa bei den „Zaibatsu“ (industrielle Konglomerate wie Mitsui, Mitsubishi oder Sumitomo), von den Amerikanern zwangsweise zerschlagen wurden.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde Yoshida Hideo zum Vorstandsvorsitzenden „Shachoo“ von Dentsu gewählt und sein sehr innovativer Geist und sein außergewöhnliches politisches Durchsetzungsvermögen führte Dentsu zum unantast-

390

Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan

baren Mediaimperium. Die Beteiligung an der Gründung von privaten Sendern (zuerst Radio und dann Fernsehen), war eine seiner wichtigsten Taten. Intuitiv verstand er, dass die neue Massenkommunikationstechnologie „Rundfunk“ die Zukunft der Werbemedien beherrschen würde. Sein Motto war, aktiv bei der Schaffung der privaten Rundfunksender mitzuwirken und nicht passiv auf deren Entstehung zu warten. Zu diesem Zweck schöpfte er nicht nur seine politische Macht aus, sondern nutzte auch seine betriebswirtschaftliche Macht (Tahara 1984, S. 80ff). Yoshida veranlasste eine finanzielle Beteiligung Dentsus an der Gründung privater Rundfunksender. Seine damaligen Aktivitäten trugen zur Ernennung zum Vorstandsmitglied von Dentsu bei. Wie bereits vorher erwähnt, konnte Dentsu damals bereits eine Vormachtstellung im Lager der Zeitungsverlage vorweisen. 1953 gelang es auch, als erster privater Fernsehsender eine Sonderposition unter den Rundfunkmedien einzunehmen. Ferner ist zu erwähnen, dass während dieser Zeit die Konkurrenz ihre Geschäfte noch auf die konventionellen gedruckten Medien konzentrierte. Noch relativ jung starb Yoshida 1963 im 59. Lebensjahr an Krebs. Aufgrund dieses kurzen Streifzuges durch die japanische Werbegeschichte kann man die heutige Vormachtstellung Dentsus auf dem japanischen Werbemarkt gut erklären. An dieser Stelle sei kurz auf die in der japanischen werbewissenschaftlichen Literatur oft diskutierten Besonderheiten des Werbegeschäftes in Japan eingegangen. Besonderheiten lassen sich auf folgenden drei Ebenen feststellen. Diese gelten 1. generell in der Werbebranche, 2. bei Geschäftsbeziehungen zwischen Mediaunternehmen und Werbeagenturen, 3. bei Geschäftsbeziehungen zwischen Werbetreibenden und Werbeagenturen (Kishiya 2005, S. 125ff). Ad 1: Viele Werbegeschäftsabschlüsse basieren auf mündlichen Verträgen. Das ist eine sehr erstaunliche Gewohnheit in der Werbegeschäftspraxis, die nach europäischen oder angloamerikanischen Rechtsnormen nicht verstanden werden kann. Tatsache ist, dass Geschäfte zwischen Mediaunternehmen und Werbeagenturen oder auch zwischen Werbetreibenden und Werbeagenturen aufgrund mündlicher Abmachungen abgewickelt werden. Ein Bericht des „Nikkei Advertising Research Institute“ (1996) bestätigt, dass der Anteil der schriftlichen Verträge bei den Werbeagenturen bei 40 Prozent und bei den Mediaunternehmen sogar nur bei ca. 10 Prozent liegt. Gründe oder Rechtfertigungen dafür sind mit der nicht genau definierbaren Natur der Werbeleistungserstellung zu erklären (zur Qualitätsunsicherheit Schmalen und Schachtner 2002). Einerseits bleibt die Geschäftsabwicklung durch einen mündlichen Vertrag eher intransparent, jedoch ergeben Vertrauen und Leistungsversprechen eine erhöhte Flexibilität bei der Leistungserstellung. Damit entstehen für beide Vertragspartner auch Kostenvorteile. Wenn jedoch dieses Vertrauensprinzip missbraucht wird,

391

Junichi Yoshida

kann eine solche Pauschalierung der Werbeleistungserstellung natürlich zu Nachteilen, insbesondere für den Klienten führen. Es ist bekannt, dass die Preise von Dentsu im Allgemeinen höher liegen als die Tarife der Konkurrenten, allerdings wird das wegen der ganzheitlichen Leistungserstellung durch Dentsu von den Klienten akzeptiert, wobei das Vertrauen in diese Megaagentur ein entscheidender Faktor ist. Ad 2: Die Geschäftsbeziehungen zwischen Mediaunternehmen und Werbeagenturen beinhalten zwei Besonderheiten: Einerseits das so genannte „Koza-sei“, das KontoSystem, und andererseits das Kontingente-System. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Werbeagenturen in Japan bei den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen eine Art Konto eröffnen und ein bestimmtes Depot (eine Geldsicherstellung, da vor dem Zweiten Weltkrieg viele Werbetreibende die Agenturhonorare nicht bezahlt hatten) hinterlegen müssen. Dann erst können Werbeetats gekauft werden. Falls eine Werbeagentur bei einem bestimmten Medium kein Konto hat, aber einen Werbeetat benötigt, kann der Etat von einer anderen Werbeagentur, die bei diesem Medium ein Konto besitzt, übernommen werden. Dies nennt man auf Japanisch „Mawashi“ (weiterleiten). Das Kontingent-System besagt, dass eine Werbeagentur verpflichtet ist, Werbezeiten und Werbeplätze in den Medien in sehr großer Menge im Voraus einzukaufen. Diese in Japan übliche Geschäftspraxis gilt nicht nur für die gedruckten Medien, sondern auch für den Rundfunk und das Fernsehen. Bei den Fernsehsendern ist dafür ein sehr großer Geldaufwand notwendig, so dass dafür nur Agenturen mit einer bestimmten Mindestkapitalkraft in Frage kommen. Es ist klar, dass Dentsu oder Hakuhodo mit ihrer großen Finanzkraft dieses Kontingent-System zu ihrem Vorteil ausnützen und als Großeinkäufer sehr günstige Einkaufspreise erzielen können. Auch die eingekaufte „zweite Wahl“-Ware, also weniger reichweitenstarke Werbezeiten und -plätze, bereiten diesen Megaagenturen aufgrund ihrer vielen Kunden keine Absatzschwierigkeiten. Diese kann etwa in Kombination mit der „ersten Wahl“-Ware verkauft werden, wenn beispielsweise die Werbekampagne eines großen Klienten viele unterschiedliche Werbezeiten und -plätze benötigt. Somit hat sich wegen dieses Wettbewerbsvorteils der Megaagenturen in Japan bis heute noch kein unabhängiges Unternehmen für „Media Buying“ entwickelt. Ad 3: Die Besonderheiten auf dieser Ebene sind mit der amerikanischen oder europäischen werbewissenschaftlichen Thematik des „Client Conflict“ oder „Account Conflict“ (Kobayashi 1998, S. 191) identisch. In der japanischen werbewissenschaftlichen Literatur wird angenommen, dass in Europa oder in den USA die „OneProduct-One-Agency-Regel” ƺ ein durch die japanische Literatur geprägter Begriff ƺ gültig ist. In der Regel wird eine europäische oder amerikanische Werbeagentur kein zweites Unternehmen aus der gleichen Branche (Erzeuger gleichartiger Produkte) als Klienten aufnehmen, um etwa die Geheimhaltung der Marketingstrategien von Stammkunden zu gewährleisten. Diese Regel gilt in Japan nicht. Oft betreut eine Werbeagentur, insbesondere eine Megaagentur wie Dentsu oder Hakuhodo, mehrere

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Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan

Herstellerunternehmen aus derselben Branche, wobei der Begriff Branche etwas unscharf ist. Panasonic und Toshiba sind z.B. zwar beide Elektrohersteller, doch interpretiert die Mediaagentur einen Panasonic-Kühlschrank und einen Toshiba-PC als zwei voneinander unabhängige Etats. Diese Problematik ist nicht nur aus dem Blickwinkel der Werbeagentur zu diskutieren, sondern auch aus jener des Klienten. Werbetreibende wissen sehr wohl, dass die Konkurrenten ihre Aufträge an die gleiche Agentur vergeben. Warum wird ein Werbeauftrag dann trotzdem an eine bestimmte Megaagentur vergeben? Die Antwort auf diese Frage liegt im Wesen der Joho-Shosha.

4

Dentsu als „Kommunikationskomplex“ (Joho-Shosha)

Nun wollen wir das Potenzial von Dentsu als Joho-Shosha, was, wie bereits vorher erklärt, so viel wie „Kommunikationskomplex“ bedeutet, aus der Perspektive der Werbetreibenden, also vom Klientenstandpunkt aus analysieren. Die bisherige akademische Forschung in Europa und in den USA bietet normative Modelle der Agenturauswahl an, welche auf einem informationsökonomischen Kosten-Nutzen-Kalkül aufbauen. In Japan werden derartige Modelle auf einer theoretischen Ebene von Investionsgütertransaktionen diskutiert (Kishiya 2004, S. 10). Allerdings: Gibt es in der Realität ein solches rationales Entscheidungsverhalten, welches das Unternehmen auf die Erreichung der Werbeziele bei gleichzeitiger Minimierung der finanziellen und organisatorischen Kosten ausrichtet? Das Entscheidungsverhalten eines japanischen Werbetreibenden sieht wie folgt aus: Aus der Perspektive des werbetreibenden Unternehmens ist die Auswahl des Mediums vorrangig, die der Werbeagentur zweitrangig (Kishiya 2005, S. 125). Wie bereits oben erwähnt, hat insbesondere Dentsu als Megaagentur eine starke Position im Mediaeinkauf, wodurch die Werbetreibenden indirekt gezwungen sind, mit der Wahl des Mediums gleichzeitig die entsprechende Agentur, sprich Dentsu, als „Herrscher“ über die Medien zu akzeptieren, um ihr optimales Mediaziel zu erreichen. Bei der Fernsehwerbung, die für die großen Konsumgüterhersteller am wichtigsten ist, ist nicht nur die normale Spot-Werbung, sondern auch das Sponsorship einer gesamten Sendung von Ausschlag gebender Bedeutung, wobei Dentsu wiederum meistens die beste Position bei der Agenturauswahl einnimmt. Für die fünf wichtigsten Fernsehsender in Tokio (NTV, TBS, Fuji-TV, TV-Asahi, TV-Tokyo), deren Programme über das landesweite Netzwerk in ganz Japan ausgestrahlt werden, ist die Zeit zwischen 19 Uhr und 23 Uhr „Prime Time“ oder „Golden Time“. Dentsu ist an

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dieser Sendezeit im Durchschnitt mit einem Anteil von 45 Prozent (die Zahlen stammen aus 1992/93, Sudo 1994, S. 120) beteiligt und ist damit dem zweitplatzierten Hakuhodo mit einem Anteil von ca. 13 Prozent weit überlegen. Von der These ausgehend, dass bei den meisten japanischen werbetreibenden Unternehmen die Mediaauswahl gegenüber der Agenturauswahl Vorrang hat, sind die Selbstvermehrungprozesse der Wettbewerbsvorteile von Dentsu sehr leicht erklärbar. Historisch gesehen war es das unternehmerische Ziel von Dentsu, die mächtigste Mediaagentur des Landes zu werden, um damit das Interesse der Medien zu vertreten. Dies wiederum bedeutet, dass Dentsu die ausschlaggebenden Kriterien für das Auswahlverfahren der Klienten für sich verbuchen kann, die der Werbetreibende anzunehmen gezwungen ist. Auf diese Weise wird die Spirale des Machtkonzentrationsprozesses weiter beschleunigt. Aber die Komplexität der Joho-Shosha Dentsu ist noch anders zu erklären. Eine Megaagentur beschränkt ihre Einkäufe von den verschiedenen Medien nicht nur auf die Werbezeiten und -plätze, sondern sie sichert sich auch viele Teilleistungen, die bei der Erstellung einer gesamten Werbeleistung miteinander verbunden sind, wie z.B. Werbefilmproduktion, Art Direction, Dienstleistungen der Kreationen, Eventplanung und -durchführung und dergleichen mehr. Mit einem Anteil des Gewinns am Umsatz von über 16 Prozent (siehe Tabelle 2-1) verbucht Dentsu in der Werbebranche außergewöhnlich gute Geschäftserfolge. Zum Vergleich: Die Umsatzrenditen der österreichischen Werbeagenturen im Bilanzjahr 2002/2003 bewegten sich im Bereich von 5 Prozent und 6 Prozent (Quelle: KMU Austria). Die Aussagen vertraglich untergeordneter Unternehmen bestätigen die außergewöhnlich harten Geschäftskonditionen. Allerdings wird diese kostensenkende Effizienz nicht unbedingt an die Klienten weitergegeben. Von Seiten der werbetreibenden Unternehmen wird bei Dentsu nicht unbedingt auf einen Kostenvorteil, sondern eher auf die Qualität der von Dentsu erbrachten Leistung geachtet. Der Grund dafür liegt darin, dass weit mehr als ein Drittel der Werbeumsätze Japans auf Dentsu entfallen und mehr oder weniger alle guten Dienstleistungsunternehmen der Werbebranche für Dentsu tätig sein müssen, da es wenige Ausweichmöglichkeiten auf andere Aufträge gibt. Trotz dieser widrigen Umstände bieten sie beste Qualität für ihre Klienten. Die absolute Stärke von Dentsu liegt in einer ganzheitlichen, hochqualifizierten Leistungserstellung dieses Kommunikationskomplexes. Kobayashi (1998) deutet an, dass Spitzenumsätze eine entscheidende Rolle bei der Vergabe von Werbeaufträgen spielen. Dies wird auch in einem vom Autor dieses Beitrages durchgeführten Interview bestätigt. Allerdings ist hiermit nicht gemeint, dass das Top-Management der werbetreibenden Unternehmen mit dem Top-Management von Dentsu interne Absprachen trifft. Vielmehr versteht man unter Spitzenumsätzen, dass die Abteilung „Account Executive“ ƺ auf japanisch „Eigyo“, sprich Verkaufsabteilung der Megaagentur ƺ die Top-Ebene der werbetreibenden Unternehmen direkt anspricht und weitere Werbeaufträge absichert.

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Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan

Fast alle etablierten Großunternehmen ƺ von der japanischen Gesellschaft erst dann als solche anerkannt, wenn sie in der „Tokio Aktien Börse Abteilung 1“, deren Aufnahmekriterien sehr streng sind, vertreten sind ƺ sind bereits Klienten von Dentsu. Hier geht es meist um eine Vergrößerung der bestehenden Geschäftsverbindungen. Kurz soll noch explizit auf den beträchtlichen Einfluss Dentsus auf das EventMarketing eingegangen werden. Dentsu ist zum einen bei internationalen Ereignissen wie etwa der Olympiade, der EXPO oder der Fußball-WM und zum anderen bei verschiedenen, von staatlichen oder regionalen Stellen organisierten Veranstaltungen, die meist Anlass für ein großes Entwicklungsprojekt (z.B. Errichtung von Sportanlagen, Flughäfen, Museen, Eventhallen oder die Neugestaltung ganzer Stadtviertel etc.) sind, einer der erfolgreichsten Mitveranstalter. In diesem Bereich spielt neben Dentsu auch Hakuhodo eine bedeutende Rolle. Allerdings sind die Klienten diesmal nicht die Organisationen der Privatwirtschaft, sondern die Organisationen der öffentlichen Hand oder ähnlicher Institutionen. Das Budget für solche Vorhaben ist je nach Größe des Projektes unterschiedlich, aber mit einem solchen Auftrag entsteht für die Agentur eine sehr starke „politische“ Verbindung mit der öffentlichen Hand. Diese ist wiederum mit der Privatwirtschaft verknüpft. Überdies unterstützt Dentsu die japanische „Marketing-Gesellschaft“ (Interessensvereinigung von japanischen Marketingwissenschaftern und -praktikern) kräftig und fördert damit auch indirekt die Marketing- oder Werbeforschung. Weiters publizieren Dentsu und Hakuhodo auch auf dem Gebiet der Marketingkommunikation und Konsumentenforschung. Die Dominanz der beiden Agenturen ist so groß, dass sie zum Teil sogar als Trendsetter auf den Konsumgütermärkten fungieren. So werden jedes Jahr die Vertreter von Dentsu und Hakuhodo zum jährlichen Symposium der japanischen Marketinggesellschaft, bei der sämtliche Marketing- und Werbemanager der führenden japanischen Industrien, im Grossen und Ganzen Kunden von Dentsu und Hakuhodo, vertreten sind, eingeladen, um dort ihre mitunter sehr verbindlichen Prognosen zu veröffentlichen. Die Akzeptanz von Seiten der Unternehmen für die Vorgaben der Megaagenturen lassen sich so verdeutlichen, dass die präsentierten „Trends“ (Farben, Schlagwörter usw.) dann in den jeweiligen Marketingkonzepten der Unternehmen zwar geringfügig adaptiert werden, es jedoch im Wesentlichen zu einem uniformierten Makromarketing kommt. Die Prognosen und Publikationen der beiden Agenturen haben somit eine starke Aussagekraft. Ein signifikantes Auswahlkriterium einer Werbeagentur nicht nur in Japan, sondern auf der ganzen Welt, ist auch der Erfolg der Agentur bei Werbeawards. Dentsu geht so weit, diese selbst zu inszenieren, um so ihre übermächtige Position zu demonstrieren. Diese indirekten Tätigkeiten stellen auch wesentliche Elemente der ganzheitlichen Marktmacht einer Joho-Shosha dar.

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Werbung und Markenarchitektur in Japan

Bisher wurde in diesem Beitrag nicht auf den Inhalt der japanischen Werbung eingegangen. Daher soll in diesem Punkt aus der Perspektive der Markenarchitektur kurz zu dieser Thematik Stellung genommen werden. Obwohl Japan im Westen als Land der breiten Dachmarken bekannt ist (Aaker 1996, S. 114; Kernstock et al. 2004, S. 26), konzentrierte sich die japanische Werbung traditionell auf Produkt- bzw. Submarkenwerbung zur Förderung des Massenkonsums (vgl. Kobayashi 1998, S. 44). Dies hat mit der historischen Entwicklung der japanischen Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun, bei der das Marketing der japanischen Unternehmen, vor allem der Konsumgüterhersteller nach dem Modell der amerikanischen Marktwirtschaft auf Massenproduktion und Massenkonsum ausgerichtet war. Werbebotschaften informierten in erster Linie über die Vorteile der eigenen Produkte im Vergleich zu den Konkurrenzprodukten. Es erhebt sich die Frage, warum japanische Unternehmen, vor allem Konsumgüterhersteller, in Japan praktisch keine gezielte (Dach-)Markenwerbung vornehmen. Dies kann mit folgenden Argumenten beantwortet werden. Die japanische Markenforschung stellt in der japanischen Werbepraxis eine so genannte „Gemischte Markenstrategie“ (auf Japanisch: „Doppeldecker Branding“) mit einer Zwei-EtagenStruktur der Marken fest: D.h., bei den japanischen Konsumenten hat sich beim Kauf einer Ware eine doppelte Markenwahrnehmung gebildet (Aoki et al. 2000), wie z.B. Corolla von Toyota, Walkman von Sony oder SKII von MaxFactor. Die Konsumenten orientieren ihren Qualitätsanspruch zuerst am Unternehmensnamen, d.h. sie prüfen zunächst, ob dieser Hersteller eine solide, soziale Anerkennung (Image) besitzt und damit Vertrauen erwecken kann. Grob gesagt werden im Fernsehen werbende Unternehmen von der Bevölkerung ohnehin als solide Firmen anerkannt, daher ist es für diese nicht unbedingt notwendig, direkt die Unternehmensmarke zu bewerben. Es genügt die Tatsache, dass man im Fernsehen Produktwerbung betreibt, um als etablierte Marke anerkannt zu werden. Aufgrund dieser sozio-psychologischen Struktur der japanischen Konsumenten war die japanische Werbung allgemein lange Zeit auf Produkt- bzw. Submarkenwerbung ausgerichtet. Das führte bei einigen Marken zu einer ausufernden Zahl an Produkten und Submarken, die nun, etwa bei Shiseido, im Zuge von Portfoliorestrukturierungen wieder zurückgeführt werden soll. Dieser Trend ist in den USA und in Europa bereits weit verbreitet (Schweiger und Strebinger 2006). Wenn man nun in die Zukunft schaut, erlangt das „Branding“ und die damit verbundene Imagewerbung oder PR für eine Marke in Japan immer mehr an Bedeutung. So sprechen japanische Konsumenten auf den gesättigten Konsumgütermärkten immer mehr auf „kulturellen Konsumluxus“ und damit auf exklusive Marken wie Louis Vuitton oder Hermès an. Hier ist die Marke mehr als eine Marke, 396

Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan

sie ist ein Kultsymbol. Dafür zu werben, erfordert völlig andere Werbemethoden und mittel und zwingt die japanischen Werbeagenturen zu einer Kursänderung weg von der Orientierung an Massenmedien. Die traditionellen Charakteristika der Mediaagentur gelten nicht mehr als Wettbewerbsvorteil. Bis jetzt war die kreative Arbeit der Werbeagenturen auf die Thematik „what to say“ und „how to say“ ausgerichtet. In Zukunft muss sie sich aber verstärkt auf die Thematik „why to say“ konzentrieren, um eine Markenidentität und Markenkultur zu kreieren. Vielleicht haben dadurch die bis heute im Schatten einer riesigen Mammutagentur versteckten Klein- und Mittelbetriebe im Kreativbereich neue Chancen. Auf dem japanischen Markt wurde 2005 erstmals die Luxusautomarke Lexus eingeführt. Zuvor waren jene Modelle, die in Europa und den USA unter der Marke Lexus vertrieben wurden, in Japan unter der Marke Toyota verkauft worden. Dies gilt als einmaliges Werbebeispiel dafür, dass sich ein großes Herstellerunternehmen von der Bewerbung von Produkten unter einer breiten Dachmarke zu gezielter Bewerbung einer sehr genau positionierten Marke umgestellt hat. Dass japanische Werbeagenturen bei der Gestaltung ihrer Werbekampagnen in den nächsten Jahren insbesondere die europäische Theorie der Markenwerbung in Anspruch nehmen werden, ist eine unverbindliche Prognose.

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Resümee

Am Beginn dieses Artikels wurden die Besonderheiten der Werbepraxis in Japan, die bis heute noch nicht in der europäischen werbewissenschaftlichen Literatur behandelt wurden, für den deutschsprachigen Leser erläutert. Das Phänomen Dentsu als „Kommunikationskomplex“ ist nicht nur in Japan einzigartig. Noch außergewöhnlicher ist der japanische Werbemarkt, der die Existenz einer solchen Mammutagentur ermöglicht. Die ewige Nummer zwei, Hakuhodo, scheint auf dem Werbemarkt mit Dentsu die direkte Konfrontation bzw. einen direkten Wettbewerb zu vermeiden. Diese beiden Megaagenturen teilen sich irgendwie ihre Aufträge und Geschäfte. Allerdings unterscheiden sehr große Unternehmungen, wie die Hersteller von Konsumgütern, sehr wohl je nach ihren Werbezielen zwischen Dentsu und Hakuhodo und vergeben unterschiedliche Aufträge. Dadurch entsteht für diese beiden Megaagenturen keine direkte Konkurrenzsituation. Paradoxerweise führte die historische Entwicklung Dentsus in Richtung Medienorientierung und die damit gewonnene Medienvorherrschaft zu einem Zuwachs an Klienten und deren Vertrauen. Ein großes Kontingent an verfügbarer Werbezeit und Werberaum in den wichtigsten Medien bedeutet keinen Preisvorteil für die Klienten,

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Junichi Yoshida

sondern eine Muss-Auswahl dieser Agentur. Selbstverständlich weist damit Dentsu bis heute landesweit das beste Betriebsergebnis in der Werbebranche auf (Tabelle 2-1). Die Frage, ob das Modell „Dentsu” auf den westlichen Werbemarkt übertragen werden kann, sei dem Urteil des Lesers überlassen. Dabei ist zu beachten, dass durch die modernen Kommunikationstechnologien (Internet, E-Mail, Mobiltelefon usw.) die Bedeutung der klassischen Massenmedien als Werbeträger langfristig sinken könnte. Mit dieser geänderten Situation müssen wir in Zukunft unbedingt, nach der von Dentsu erlernten „Medienvorherrschaft” und deren Erfolg, die Aufgaben und Chancen der Werbeagenturen noch einmal grundsätzlich überprüfen. In den letzten Jahren ist die Internetwerbung auf dem japanischen Werbemarkt zu einem großen Thema geworden. In Hinblick auf die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Bedeutung des „Kommunikationskomplexes“ kann bis jetzt festgestellt werden, dass Dentsu und auch Hakuhodo in diesem Bereich sehr aktiv tätig sind, man weiß aber noch nicht, wer hier das Rennen machen wird. Da für Dentsu die alte Tradition der Mediavorherrschaft in der Welt des Internets nicht gilt, kann sich die Mediaagentur hier nicht behaupten. Theoretisch kann jeder, nicht nur werbetreibende Unternehmen, sondern auch einzelne Personen in gleich großem Format Kommunikation mit der ganzen Welt betreiben. Hier gibt es keine Mediavorherrschaft im klassischen Sinn. Ob Dentsu auf einem völlig chaotischen und im Prinzip vollkommen freien Markt ein Erfolgsmodell wie das des Kommunikationskomplexes aufbauen kann, wird man sehen. Um diese Entwicklung zu beurteilen, braucht die akademische Forschung noch etwas Zeit und Material.

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Entwicklung und Situation der Werbeagenturen in Japan

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Junichi Yoshida

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Teil 5 Unternehmensmarken im Spannungsfeld zwischen Identität und Image

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Behavioral Branding Wege der Marke zu Managern und Mitarbeitern

1 Zur Relevanz der Marke: Marken als wertschöpfende Vorstellungsbilder in den Köpfen der Anspruchsgruppen ..................................................................................... 405 2

Marken – mehr als das Zeichen und schöne Werbung.............................................. 406

3

Manager und Mitarbeiter als verlorene Zielgruppe der Markenführung?............. 408

4

Ansätze eines Behavioral Branding-Programmes...................................................... 410 4.1 Was will man erreichen? ...................................................................................... 410 4.2 Wie kann man den Prozess gestalten? ............................................................... 411 4.3 Welche Maßnahmen muss man ergreifen?........................................................ 413 4.3.1 Persönliche Kommunikation als Nadelöhr ........................................... 416 4.3.2 Konkrete Kommunikationsmaßnahmen im Einzelnen ....................... 417

5

Markencommitment als zentrale Zielgröße des Behavioral Branding.................... 419 5.1 Begriffsabgrenzung und Komponenten des Commitments............................ 419 5.2 Einflussfaktoren auf das Markencommitment und Wirkung des Markencommitments: Ein Modellvorschlag ..................................................... 422 5.2.1 Einflussfaktoren des Markencommitments .......................................... 422 5.2.2 Wirkungen des Markencommitments ................................................... 425

6

Ausblick: Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen............................................. 427

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Abstract

Produkte unterscheiden sich heutzutage immer weniger durch ihre Qualität. Unternehmen müssen daher Zusatznutzen bieten, um sich vom Konkurrenzangebot zu unterscheiden. Marken werden hierbei zu zentralen immateriellen Wertschöpfern in Unternehmen. Marken entfalten ihre Wirkung jedoch nicht nur außerhalb eines Unternehmens. Auch Mitarbeiter können sich emotional an eine Marke binden. Entwickeln Mitarbeiter gegenüber ihrer Marke ein hohes affektives Commitment, führt dies dazu, dass sich die Mitarbeiter als Markenbotschafter verstehen und durch ihr Verhalten – intern und extern – die Markenwerte kommunizieren. Im Folgenden soll nun dargestellt werden, welche Hindernisse überwunden, welche Fehler vermieden und welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um das Markencommitment der Mitarbeiter zu fördern. Letztlich kann durch Aufbau und Stärkung der emotionalen Bindung an die Marke die Performance des gesamten Unternehmens verbessert werden.

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Behavioral Branding

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Zur Relevanz der Marke: Marken als wertschöpfende Vorstellungsbilder in den Köpfen der Anspruchsgruppen

Marken gelten heutzutage als zentrale immaterielle Wertschöpfer in Unternehmen – zu Recht. Künftig zählen weniger die Produkte und Dienstleistungen, sondern die Marken, unter denen diese Angebote vermarktet werden (Esch 2005). Die Überlegenheit starker gegenüber schwachen Marken spiegelt sich in einer Vielzahl ökonomischer Größen wider. Dies soll anhand einiger Fakten exemplarisch untermauert werden (Esch 2005):

Die Zahlungsbereitschaft für Herstellermarken im Vergleich zu Handelsmarken ist im Median über verschiedene Produktkategorien hinweg 40 Prozent höher (Crimmins 1992; Sattler 1998).

Bei Unternehmensmarken steigen mit verbesserter Reputation Umsätze und Aktienkurse überproportional an. Bei Verschlechterung der Reputation liegen sie hingegen signifikant unter den Werten von Unternehmen, deren Reputation im Zeitablauf unverändert geblieben ist (Gregory und Wiechmann 1997, S. 21; Kernstock et al. 2004).

Die Markenwerte starker Marken sind hoch. Der Markenwert von Coca-Cola wird mit ca. 68 Mrd. US-$ angegeben (Interbrand 2005). Der Anteil des Markenwerts am Unternehmenswert lag über alle Branchen hinweg nach Angaben von PricewaterhouseCoopers und der GfK im Jahr 1999 bei 56 Prozent und ist auf 67 Prozent im Jahr 2005 gestiegen (PwC et al. 2005). Marken sind eine zentrale Goldader für Unternehmen. Der strategisch geplante Aufbau und die Stärkung von Marken durch die Entwicklung einer klaren Markenidentität und deren Umsetzung mit einer prägnanten und für Anspruchsgruppen relevanten Markenpositionierung führt zum Aufbau klarer Markenimages und -präferenzen in den Köpfen der Anspruchsgruppen (Esch 2005). Marken werden nach neuerer Auffassung als Vorstellungsbilder in den Köpfen der Anspruchsgruppen aufgefasst, die eine Differenzierungs- und Identifikationsfunktion übernehmen und bei entsprechender Relevanz für Kunden von diesen präferiert werden (Burmann, Meffert und Koers 2005; Esch 2005). Manager weisen gerne darauf hin, dass Marken auf Herz und Hirn der Kunden zielen. Starke Marken werden somit wesentlich durch Gefühle, Emotionen, Bilder und andere nonverbale Eindrücke geprägt. Zu Marken kann man Beziehungen aufbauen wie zu Menschen (Fournier 1998). Sie spielen somit auch im sozialen Gefüge eine wichtige Rolle, weil man mit ihnen die eigene oder eine wünschenswerte Persönlichkeit zum Ausdruck bringen kann (Aaker 1997). Daher dienen sie auch zur Abgrenzung im sozialen Kontext, da

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man sich mit bestimmten Marken identifiziert. Zu starken Marken bauen Menschen Vertrauen und eine Bindung auf.

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Marken î mehr als das Zeichen und schöne Werbung

Folgt man den Diskussionen in der Managementpraxis, ist die Botschaft starker Marken dort längst angekommen. Manager betonen die Wichtigkeit der Marke. In nahezu jedem Unternehmen werden die Fahnen der Marke hochgehalten. Doch hält man sich auch an dieses Postulat? Bei intensiveren Diskussionen mit Top-Managern stellt sich schnell heraus, dass viele mit Marke primär das Zeichen und die schönen Bilder in der Kommunikation nach außen verknüpfen – mehr nicht. Entsprechend kümmern sich in großen Unternehmen Marketingabteilungen oder – bei Corporate Brands – Corporate Communication-Abteilungen um die Marke. Sie machen dies in der Regel mit eingeschränktem Spielraum, nämlich mit Konzentration auf den massenmedialen Auftritt und die PR. Andere wichtige Kundenkontaktpunkte und solche anderer Anspruchsgruppen mit der Marke kommen zu kurz: In den meisten Versicherungsunternehmen werden Vertriebsmitarbeiter nicht zu Markenbotschaftern gemacht, sie kennen häufig die Identitätsmerkmale der Marke nicht. In international tätigen Unternehmen werden die einzelnen Länderverantwortlichen oder die Verantwortlichen verschiedener Geschäftsbereiche nicht für die Marke sensibilisiert, geschweige denn zur Durchsetzung der Marke eingesetzt. Es „ist schließlich die Aufgabe der Marketingspezialisten.“ In Automobilunternehmen werden häufig Modellentscheidungen frei von der Identität der jeweiligen Marke getroffen. Hauptsache, man kann die Modelle im Markt absetzen und die Produktion und damit die Arbeitsplätze sichern. Dies mag zunächst noch bei starken Marken wie Mercedes Benz funktionieren, weil die negativen Rückwirkungen auf die Marke durch solche Maßnahmen und die damit eingeläutete Markenverwässerung erst mit einer zeitlichen Verzögerung auftreten. Bei jungen und schwachen Marken funktioniert dies jedoch nicht mehr. Jüngstes Beispiel ist Smart, der als kleiner, pfiffiger Stadtflitzer für zwei Personen in den Markt gebracht wurde. Kosten- und Produktionszwänge führten zu einer nicht markenkonformen Ausweitung der Modellreihe. Mit dem Smart ForFour verließ man den Pfad der Tugend. In der letzten Märzwoche im Jahr 2006 wurde nun die Produktion des Smart ForFour mit einem Milliardenverlust eingestellt. Umgekehrt zeigen Erfolgsbeispiele anderer Unternehmen, wie positiv sich eine konsequente Orientierung an der Marke auszahlen kann. Dafür stehen Unternehmen wie Beiersdorf, BMW, Red Bull oder Apple.

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Behavioral Branding

Manager müssen sich deshalb bei all ihren Handlungen und Entscheidungen an der Markenidentität orientieren. Die Markenidentität umfasst die essenziellen und wesensprägenden Merkmale einer Marke und dient als Vorgabe für die tägliche Arbeit (Esch 2005). Die Marke bestimmt das Handeln in Unternehmen. Zwei Fälle sind hier unterscheidbar (Esch 2005, S. 83f): Fall 1: Aaker und Joachimsthaler (2000) sehen die Rolle der Markenidentität darin, dass durch diese die Unternehmensstrategien sichtbar umgesetzt werden. Hier gilt der Grundsatz: „The Brand Strategy is the Face of the Business Strategy“. So einleuchtend dies zunächst erscheinen mag, so kritisch ist das Postulat zu hinterfragen, da dies im Extremfall bedeuten würde, dass immer dann, wenn sich die Unternehmensstrategie eines Unternehmens ändert, auch die Markenstrategie und deren Umsetzung ändern muss. Bekanntes Beispiel hierfür ist die Deutsche Bank, die innerhalb der letzten zehn Jahre insgesamt sechsmal den Slogan gewechselt hat. Eine solche Auffassung muss jedoch zwangsläufig zur Verwirrung der Anspruchsgruppen eines Unternehmens führen. Deshalb ist es zweckmäßiger, die Markenidentität als Leitplanke für die Unternehmensstrategien zu sehen, die den markenkonformen Handlungsraum abgrenzt. Dies trifft selbst auf Unternehmen zu, für welche die Marke keine zentrale, sondern lediglich eine unterstützende Rolle für den Geschäftserfolg spielt. Im B2B-Bereich und bei Industriegütern ist dies häufig der Fall. So dient die neu entwickelte Markenidentität der BASF und die daraus abgeleitete Markenpositionierung, bei der die BASF als führendes Chemieunternehmen einen Beitrag zur erfolgreichen Zukunftsgestaltung für seine Partner leisten möchte, als Leitplanke für die Unternehmensstrategien. Geschäftsbereiche, die nicht originär mit der Kompetenz Chemie (BASF: The Chemical Company) zu tun haben, firmieren deshalb nicht unter BASF. Fall 2: Hier spielt die Marke und demzufolge auch die Markenidentität eine tragende Rolle. Entsprechend müsste die Maxime hier lauten: „Brand Strategy drives Business Strategy“. Vorgaben für die Strategie werden demnach auf Basis der Markenidentität vorgenommen. Beispiel hierfür ist Beiersdorf mit Marken wie Nivea oder Tesa. Hier werden die Wachstumsstrategien klar an der Identität der Marken ausgerichtet, wie beispielsweise bei Nivea, wo man die Marke über Markendehnungen in konzentrischen Kreisen zum Ursprung der Marke kapitalisiert hat. Ein solches Vorgehen ist bei Ge- und Verbrauchsgütern sowie bei Dienstleistungsunternehmen anzustreben. Folgt man diesen Ausführungen, so wird klar, dass die Marke alle Bereiche eines Unternehmens tangiert. Entsprechend muss die Marke auch insbesondere in den Köpfen der Manager und Mitarbeiter unternehmensweit verankert sein, damit diese markenkonform denken und handeln.

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Manager und Mitarbeiter als verlorene Zielgruppe der Markenführung?

Nur wenn die Marke auch im Unternehmen gelebt wird, kann sie ihre volle Kraft entfalten. Dies ist jedoch die Ausnahme, nicht die Regel: 87 Prozent aller Mitarbeiter in Deutschland haben kein Commitment zu ihrem Unternehmen. Der daraus erwachsende Schaden wird von Gallup auf ca. 240 Mrd. Euro geschätzt (Gallup 2005). Nach Ergebnissen von Stepstone (2003) schämen sich 50 Prozent der deutschen Arbeitnehmer für ihren Arbeitgeber und geben deshalb nur sehr ungern den Namen des Unternehmens preis, für das sie arbeiten. Die Durchsetzung einer Unternehmensmarke nach außen reicht demnach bei weitem nicht aus. Man muss auch ein Brand Engagement Programm nach innen umsetzen. Gerade für Dienstleistungsunternehmen und B2B-Unternehmen ist dies eine vordringliche Aufgabe. Hier steht und fällt die Umsetzung einer Markenidentität damit, ob die Mitarbeiter mit Kundenkontakt diese auch tatsächlich leben. Die interne Markenbildung ist wichtig für das Selbstverständnis der Mitarbeiter und deren Auftritt nach außen. Dadurch werden Mitarbeiter zusätzlich motiviert, es erfolgt eine Absicherung des externen Markenversprechens, und es werden Loyalitäts- und Commitment-Verluste der Mitarbeiter aufgrund von Misstrauen, Unsicherheit sowie Orientierungslosigkeit vermieden. Zudem wird eine kooperative Weiterentwicklung der Markenstrategie möglich und die Selbstselektion von Bewerbern unterstützt (Joachimsthaler 2002, S. 29). Herb Kelleher, CEO von Southwestern Airlines, und Fred Smith, CEO von Federal Express, betonen deshalb „Our people come first, even before our customers.” (Michlitsch 2000, S. 29). Sie glauben, dass nur dann die Bedürfnisse der Kunden durch die Mitarbeiter auch wirklich markenkonform befriedigt werden können. Entsprechend ist den Mitarbeitern zu erläutern, wofür die Marke steht, was ihnen die Marke bringt und was man von ihnen erwartet. Die markenspezifischen Inhalte müssen für die jeweiligen Mitarbeiter operationalisiert und in konkrete Aktionen umgesetzt werden. Es nützt nichts, nur über Werte zu reden, man muss sie leben. Schließlich muss man den Mitarbeitern zeigen, wann sie ein vorgegebenes Ziel erreicht haben und dieses auch messen. Erst dann kann jeder einzelne Mitarbeiter einen sinnvollen Beitrag zum Erfolg der Marke beisteuern und diese auch „leben“ (de Chernatony 2001, S. 34; Tosti und Stotz 2001, S. 28). So sind Nokia-Mitarbeiter stolz auf ihr Unternehmen. Sie kennen die Identität ihrer Marke. Es wäre für sie ein Abstieg, müssten sie zu Mitbewerbern wechseln. Bei CiscoSystems wird jährlich fünf Prozent der Mitarbeiter nahegelegt, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Hierbei dienen die Leistung und die Passung der Mitarbeiter zur Markenidentität als Vorgabe. Entwickeln Mitarbeiter ein Verständnis für die Unternehmensmarke, verstehen sie sich selbst als wertvolles Mitglied zur Gestaltung 408

Behavioral Branding

des Erfolges der Unternehmensmarke, so steigt auch ihr Commitment und die Bereitschaft, sich stärker für den Erfolg der Unternehmensmarke zu engagieren (LePla und Parker 1999; Mitchell 2002). Mitarbeiter werden zu Markenbotschaftern. Studien zufolge weisen Unternehmen, die in dieser Form Mitarbeiter entwickeln, fördern und halten, bessere Ergebnisse auf als solche, die dies nicht tun: „They have higher stock price to book values ratios, market values per employee that are 41,000 $ higher, five year annual return of 27.5 percent compared to 17.3 percent, and a higher five-year survival rate of initial public offerings” (Friedman, Hatch und Walker 1998; Grant 1998, S. 12). Aus einem größeren Verständnis (intellectual buy-in) und einem höheren Commitment (emotional buy-in) resultiert ein entsprechendes markenbezogenes Denken und Handeln. Andere Studien untermauern diese Ergebnisse: Unternehmen, deren Mitarbeiter ein hohes Commitment aufweisen, verzeichnen einen signifikant höheren Umsatz und Erlös als solche, bei denen Mitarbeiter sich nur wenig dem Unternehmen verbunden fühlen (ISR 2002). Hier schlummert offensichtlich ein enormes Potenzial, das durch Behavioral Branding genutzt werden kann. Allerdings bestehen hier offensichtlich noch Defizite. Laut Towers Perrin (2003) lassen sich einige zentrale Aspekte aufführen, die dazu führen, dass Mitarbeiter eben kein Commitment zu ihrer Marke haben, sondern eher Dienst nach Vorschrift leisten. Folgende Gründe sind hierbei nach der Studie von Towers Perrin (2003), bei der insgesamt 40.000 Mitarbeiter aller Hierarchiestufen befragt wurden, zentral: 1. Mangelnde Information: 55 Prozent der Mitarbeiter sagen, dass das Top-Management keine Vision kommuniziert. 2. Mangelnde Motivation: 47 Prozent der Top-Manager sind lediglich mäßig oder nicht motiviert. 3. Mangelndes Vorleben: 55 Prozent der Mitarbeiter glauben, dass das TopManagement keine Maßnahmen und Verhaltensweisen zur Stärkung des langfristigen Unternehmenserfolges ergreift und umsetzt. Offensichtlich dringt die Markenidentität nicht zur Basis vor. Zudem leisten auch Manager einen erheblichen Beitrag dazu, dass die Marke nicht wirksam im Unternehmen gelebt wird. Aufgrund dieser Defizite werden im folgenden Kapitel Ansätze für ein Behavioral Branding-Programm skizziert.

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4

Ansätze eines Behavioral BrandingProgrammes

4.1

Was will man erreichen?

Wenn es um die Durchsetzung der Marke nach innen geht, strebt man zunächst die Implementierung folgender Größen an: 1. Es ist bei den handelnden Personen markenbezogenes Wissen aufzubauen. Dies ist die Grundlage dafür, dass Maßnahmen markenkonform durchgeführt werden. 2. Wissen alleine reicht nicht aus. Es geht auch darum, dass sich Manager und Mitarbeiter mit ihrer Marke identifizieren. Identifizieren heißt hierbei nicht, dass sie möglichst alle Eigenschaften der Marke übernehmen, sondern dass sie die charakteristischen und wesensprägenden Merkmale der Marke als gut empfinden. 3. Durch das aufgebaute Markenwissen und die Identifikation soll bei Managern und Mitarbeitern Markencommitment, also eine Bindung an die Marke aufgebaut werden. 4. Auf dieser Basis soll markenkonformes Verhalten gesteigert werden, so dass die Marke stärker und aus einem Guss nach außen transportiert werden kann. Idealerweise sollte sich dies im Markenwert der Marke als zentrale verhaltenswissenschaftliche Größe niederschlagen (Abbildung 4-1).

Abbildung 4-1:

Wertekette des Behavioral Branding

Markenbezogenes Wissen Markencommitment Identifikation mit der Marke

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Markenunterstützendes Mitarbeiterverhalten

Stärkung des des Stärkung Markenimages Markenimages

Behavioral Branding

4.2

Wie kann man den Prozess gestalten?

Bei der Durchsetzung der Marke nach innen bei Managern und Mitarbeitern handelt es sich um einen Change-Management-Prozess. Dies ist zunächst unabhängig davon, ob eine völlig neue Markenidentität entwickelt wurde – sei es durch Unternehmenszusammenschlüsse, radikale Strategiewechsel oder aus anderen Gründen – oder ob eine Markenidentität verändert bzw. weiterentwickelt wurde. Lediglich die Intensität eines solchen Prozesses kann dadurch beeinflusst werden. Ein solcher ChangeManagement-Prozess kann sich an dem SIIR-Ansatz orientieren (Abbildung 4-2; Esch et al. 2005; zum Change-Management-Prozess siehe Krüger 2002a). Danach unterscheidet man vier Phasen: 1. Sensibilisieren: In vielen Unternehmen sind sich Manager und Mitarbeiter oft nicht der Bedeutung der Marke bewusst. Deshalb muss man in einem ersten Schritt die Manager vom Wert einer Marke und dem Beitrag der Marke (ob Unternehmensmarke oder Produktmarke) zur Wertschöpfung überzeugen. 2. Involvieren: Hier geht es darum, Manager relevanter Abteilungen konkreter in die Maßnahmen zur Marke einzubeziehen. Es werden die Markenüberlegungen und die Markenidentität auf die Verantwortungsbereiche der Manager bezogen. Exemplarisch werden für diese Bereiche Nutzen aus der Markenidentität, aber auch Anforderungen an die Verantwortlichen dargelegt. Im Kern geht es darum, ein gedankliches „Warm Up“ der Manager zu bewirken. Die Erkenntnis, dass die Markenidentität auch für jeden Einzelnen von Nutzen sein kann, ist die Basis für die Entwicklung bestmöglicher Umsetzungen in der nächsten Stufe. 3. Integrieren: Gemeinsam mit den verantwortlichen Personen ist in den einzelnen Abteilungen zu prüfen, inwieweit die Markenidentität im vollen Umfange in dem jeweiligen Bereich umgesetzt werden kann oder Anpassungen erfolgen müssen. Anschließend sind durch die verantwortlichen Personen in entsprechend moderierten Projektgruppen konkrete Umsetzungsvorschläge für die Markenidentität in den betreffenden Bereichen zu entwickeln. 4. Realisieren: Last but not least, erfolgt auf Basis der Vorüberlegungen der entsprechende Umsetzungsprozess, der in einem vorab festgelegten Rahmen erfolgen sollte. Um Fortschritte bei der Umsetzung der Markenidentität zu dokumentieren, sind Zielvorgaben für Personen und umzusetzende Inhalte zu entwickeln, die kontrolliert werden sollten (Bruhn 2005).

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Abbildung 4-2:

Markenspezifischer Change-Management-Prozess mit beispielhaften unterstützenden Maßnahmen (Esch et al. 2005, S. 1004).

Involvieren

Maßnahmen

zentrale Fragestellungen

Sensibilisieren

Ist allen Verantwortlichen die Bedeutung der Marke bewusst? • Workshops • Klausurtagungen • Runde Tische • Lobbying • Führungskräftedialog •…

Integrieren

Ist den jeweiligen Bestehen konkrete UnternehmensUmsetzungsbereichen klar, welche vorschläge, die unter Relevanz die MarkenMitwirkung aller identität für ihren Mitarbeiter entwickelt Bereich hat? wurden? • Informationsrunden • Kultur- und Klimaumfragen • Workshops • Business Lunch •…

• Roadshows/Kick-OffVeranstaltungen • Feste/Ausflüge • Mitarbeiterzeitschrift • Infomessen/Präsentationen • Intranet • Führungsdialog • Pressemitteilungen •…

Realisieren

Werden die Maßnahmen auch wirkungsvoll umgesetzt? • Mitarbeitergespräche • Teamsitzungen • Foren • Nachtreffen/ kontinuierliche Workshops • Intranet • Kurzmeetings • Business-TV • schwarzes Brett • offene Türen/ Sprechstunden von Führungskräften • Hotline/Kummerkasten •…

Im Rahmen dieses Change-Managements-Prozesses ist ein besonderes Augenmerk auf Änderungswiderstände zu legen. Solche Änderungswiderstände sind zu identifizieren und zu konkretisieren, um entsprechende Maßnahmen zu deren Überwindung entwickeln zu können (Wittke-Kothe 2001, S. 33). Um Änderungswiderstände aufzulösen, müssen den relevanten Anspruchsgruppen Antworten auf folgende Fragen gegeben werden:

Warum ist die Veränderung der Markenidentität bzw. die Implementierung einer Markenidentität wichtig?

Wer ist der Initiator dieses Projektes (idealerweise der Vorstandsvorsitzende bzw. die Geschäftsführung)?

Welche Ergebnisse sollen aus der Umsetzung der Markenidentität realisiert werden?

Wie soll der Wandel vollzogen werden? Wer wird alles in den Wandel involviert und welche Unterstützung erhalten diese Personen?

Welche konkreten Maßnahmen werden von der eigenen Person erwartet?

412

Behavioral Branding

Welchen Nutzen hat man als Einzelperson von der Implementierung einer Markenidentität? Hierbei ist den relevanten Anspruchsgruppen das Gefühl zu vermitteln, dass sie umfassend informiert werden. Dazu sind konkrete Maßnahmen zu ergreifen, auf die im Folgenden Bezug genommen wird.

4.3

Welche Maßnahmen muss man ergreifen?

Analyse des markenbezogenen Wandlungsbedarfs: Zur Diagnose des markenbezogenen Wandlungsbedarfs ist das gegenwärtige Markenverständnis in den einzelnen Unternehmensbereichen zu bestimmen und mit der angestrebten Markenidentität zu vergleichen. Hierzu eignen sich insbesondere Befragungen, Workshops und Beobachtungen. Diese Analysemethoden liefern zugleich die Möglichkeit, die Wandlungsbereitschaft und den potenziellen Widerstand der Mitarbeiter gegenüber der Implementierung der Markenidentität einzuschätzen. Zur Analyse des Status quo des vorhandenen Markenverständnisses bzw. -wissens können unternehmensintern v.a. Einzelinterviews, Fokusgruppeninterviews, Laddering und skalenbasierte Befragungen eingesetzt werden. Letztere können sowohl schriftlich als auch telefonisch und hervorragend per Intranet durchgeführt werden. Alternativ kann das Markenwissen der Mitarbeiter durch ein Markenquiz auf spielerische Art und Weise bestimmt werden, während projektive Verfahren dieses indirekt erfassen. Um neben dem Markenwissen auch die Markenkonformität des Verhaltens beurteilen zu können, eignen sich neben Beobachtungen v.a. Rollenspiele. Die bei der Feststellung des markenbezogenen Wandlungsbedarfs erarbeiteten Ergebnisse liefern wertvolle Implikationen für die Gestaltung des im Folgenden skizzierten Prozessablaufs. Festlegung des Prozessablaufs und Wahl der Implementierungsstrategie: Der markenbezogene Wandlungsbedarf kann hinsichtlich der Dringlichkeit und Möglichkeit der Umsetzung der neuen Markenidentität einerseits hierarchisiert werden, was eine sequentielle oder teilweise sequentielle Implementierung der Markenidentität impliziert. Andererseits kann der Roll-Out der Marke parallel im gesamten Unternehmen erfolgen. Eine sequentielle Vorgehensweise, bei der die neue Markenidentität zunächst lediglich in einem Teilbereich implementiert wird, der sich tendenziell durch eine hohe Wandlungsbereitschaft oder -dringlichkeit auszeichnen sollte, kann als eine Art Leuchtturmprojekt fungieren und auf die anderen Unternehmensbereiche positive Ausstrahlungseffekte ausüben. Ferner können bei einer solchen Vorgehensweise Kapazitäten gebündelt werden, sowie etwaige Fehler bei der Implementierung der Markenidentität bei den nachfolgend zu wandelnden Bereichen vermieden werden. Unabhängig von den verschiedenen Vorgehensweisen ist detailliert zu erarbeiten, wie die Marke im Denken und Handeln der Mitarbeiter spezifischer Unternehmensbereiche berücksichtigt werden soll. Zur zielführenden Erarbeitung der Inhalte für die

413

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markenbezogenen Interventionsmaßnahmen sowie zur Gewährleistung der Wandlungsbereitschaft sollte eine Implementierungsstrategie mit partizipativem Charakter gewählt werden. Die gemäßigt direktive Top-down-Implementierungsstrategie (siehe hierzu Krüger 2002b, S. 78f) kommt dieser Forderung nach und erweist sich v.a. im Zusammenhang mit markenbezogenen Wandlungsprozessen als geeignet, da sie neben notwendigen direktiven Elementen auch partizipative enthält. Durch die Partizipation nachgelagerter Hierarchieebenen an der Erarbeitung von bereichsspezifischen Operationalisierungen der Markenidentität kann typischerweise a priori eine höhere Akzeptanz der Markenidentität im Denken und Handeln der Mitarbeiter der spezifischen Bereiche sichergestellt werden. Mit anderen Worten, führt eine solche Implementierungsstrategie tendenziell zu höherer Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz (Krüger 2002b, S. 78f). Die Beteiligung verschiedener Hierarchieebenen an der Willensbildung sollte sich konsequenterweise auch explizit im Aufbau der Projektorganisation widerspiegeln. Aufbau der Projektorganisation: Die Projektorganisation des markenbezogenen Wandlungsvorhabens sollte sich aus einem Lenkungsausschuss (Top Management und Programm-Manager), einer Programmleitung (evtl. Marketingleiter als Programm-Manager und Kernteam, das sich aus Bereichsleitern und Teilbereichsleitern konstituiert) sowie lokalen Projektteams (Bereichs- und Teilbereichsleiter sowie Promotoren des markenbezogenen Wandels unterer Hierarchieebenen) zusammensetzen. Die Projektorganisation sollte personell die verschiedenen Hierarchieebenen abbilden und eine Vermaschung der Ebenen und Unternehmensbereiche in den einzelnen Bausteinen der wandlungsbezogenen Sekundärorganisation gewährleisten (Brehm und Jantzen-Homp 2002, S. 212ff). Somit würde sich die Hierarchie des Unternehmens im personellen Aufbau der Projektorganisation widerspiegeln. Der Besetzung der einzelnen Bausteine der Projektorganisation muss die Erkundung des Spannungsfeldes der markenbezogenen Promotoren und Opponenten vorausgehen. Erste Hinweise auf die Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz von Schlüsselpersonen im markenbezogenen Wandlungsprozess sollten idealerweise schon im Zusammenhang mit der Analyse des Wandlungsbedarfs gewonnen worden sein. Vor der endgültigen personellen Besetzung der Projektorganisation gilt es, durch persönliche Gespräche mit den potenziellen Kandidaten sicherzustellen, dass sie zur Promotorenkategorie gehören. Mitglieder der Projektorganisation müssen sich folglich durch eine positive Einstellung sowie aktive Wandlungsbereitschaft auszeichnen (Krüger 1999, S. 873ff). Planung und Umsetzung einzelner Kommunikationsmaßnahmen: Um die Marke in Herz und Hirn der Mitarbeiter zu implementieren, sind entsprechende kommunikative Maßnahmen erforderlich. Diese reichen in der Regel jedoch kaum für eine nachhaltige Umsetzung dergestalt aus, dass die Mitarbeiter auch tatsächlich die Marke leben und sich markenkonform verhalten. Deshalb sind auch in entsprechenden Zyklen Überprüfungen und Kontrollmaßnahmen erforderlich, um zu messen, inwieweit die Markenidentität sich auch im Denken, Fühlen und Handeln der Mitarbeiter nieder-

414

Behavioral Branding

geschlagen hat. Zudem werden dadurch auch mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt, so dass entsprechend gegengesteuert werden kann. Hinsichtlich der gezielten Mitarbeiterbeeinflussung kommen unterschiedliche Möglichkeiten in Betracht: Einerseits kann das Unternehmen unmittelbar im Rahmen der internen Kommunikation auf Mitarbeiter Einfluss nehmen. Andererseits werden diese jedoch auch direkt oder indirekt durch externe Kommunikation des Unternehmens beeinflusst. Direkt, weil sie alle kommunikativen Maßnahmen des Unternehmens, wie andere Anspruchsgruppen auch, wahrnehmen können. Indirekt, weil Kunden und andere Anspruchsgruppen des Unternehmens sie konkret auf die Marke ansprechen können. Solche indirekten Effekte treten auch im Unternehmen auf, wo Mitarbeiter sich gegenseitig beeinflussen können. ThyssenKrupp nutzt als Unternehmen beispielsweise die externe Kommunikation dazu, das Commitment der Mitarbeiter zur Marke zu erhöhen, indem Kinder der Mitarbeiter in der Werbung mit Stolz darüber berichten, welche Beiträge ihre Eltern für ThyssenKrupp leisten und welcher Nutzen daraus für die Kunden resultiert. Dadurch zeigt man den Mitarbeitern, dass man ihre Arbeit wertschätzt, demonstriert nach außen, dass man kompetente Mitarbeiter hat, was dazu führen kann, dass Kunden den Mitarbeitern sagen, dass sie für gut befinden, was diese machen (Abbildung 4-3).

Abbildung 4-3:

Angenommene Wirkungen der ThyssenKrupp-Kampagne

Will man das Markencommitment der Mitarbeiter zur Unternehmensmarke erhöhen, so können dazu unterschiedliche Kanäle zum Einsatz kommen: Eine Beeinflussung kann medial oder persönlich sowie intern oder extern erfolgen. In allen Fällen können

415

Franz-Rudolf Esch, Kristina Strödter und Alexander Fischer

die Botschaften eher offizieller oder inoffizieller Natur sein. Offizieller Natur wären beispielsweise die Vermittlung der Markenwerte im Internet oder die Durchführung von Schulungs- oder Feedbackgesprächen von Vorgesetzten mit Mitarbeitern. Inoffiziell hingegen wären E-Mails zwischen Mitarbeitern oder Kantinengespräche. Analoges gilt für externe Kommunikation. Klassischerweise nutzen Unternehmen zur Vermittlung und Durchsetzung der Markenidentität primär die mediale Kommunikation. Diese ist vergleichsweise gut steuerbar, schnell umsetzbar, überall mehr oder weniger zeitgleich vermittelbar und einfach realisierbar. Zu den klassischen Maßnahmen zählen die Einrichtung einer Webpage zur Markenidentität im Intranet, die Darstellung der Markenidentität in Mitarbeiterzeitschriften, die Verteilung von Markenprospekten und Booklets, die Darstellung auf Werbeplakaten im Unternehmen, der Versand von persönlichen EMails usw. So schön diese Maßnahmen sind, deren Wirkung sollte nicht überschätzt werden. Oft wirken diese wie ein Tropfen auf den heißen Stein und erzielen somit keine nachhaltige Wirkung. Sie sind notwendig, aber nicht hinreichend für die Durchsetzung der Marke im Unternehmen. Das Interesse vieler Mitarbeiter an solchen Informationen ist durchaus begrenzt. Wichtig ist vor allem, was unmittelbar das eigene Arbeitsumfeld bzw. den eigenen Arbeitsplatz betrifft. Alle anderen Informationen sind zunächst zweitrangig. Dies gilt auch für Informationen zur Marke, weil mit Ausnahme weniger, kundennaher Abteilungen zunächst kein Zusammenhang zur eigenen Arbeit hergestellt werden kann. Somit muss man von vornherein mit Informationsverlusten aufgrund mangelnden Interesses rechnen. Weitere Wirkungsverluste ergeben sich, weil die verbleibenden Mitarbeiter, die die Markeninformationen wahrnehmen, diese nicht zwingend verstehen müssen. Selbst wenn dies der Fall wäre, heißt dies noch lange nicht, dass dadurch auch ein markenkonformer Transfer auf den eigenen Arbeits- und Verantwortungsbereich gewährleistet wäre. Last but not least, handelt es sich hier in der Regel um Einzelmaßnahmen, die sich zwar durchaus ergänzen können, durch die in der Regel jedoch keine Nachhaltigkeit sichergestellt werden kann. Unternehmen überschätzen häufig die Wirkung medialer Kommunikation zur Durchsetzung der Marke. Sie scheuen sich häufig vor Maßnahmen persönlicher Kommunikation.

4.3.1

Persönliche Kommunikation als Nadelöhr

Bei der Durchsetzung der Marke nach innen spielen die Führungskräfte eine zentrale Rolle. Entsprechend sind Führungskräfte dahingehend zu schulen, dass sie in ihrem eigenen Verantwortungsbereich als Markenbotschafter fungieren und ihre Mitarbeiter ausbilden können, um mit diesen in dem jeweiligen Bereich konkrete Maßnahmen zur Durchsetzung der Marke zu erarbeiten. Dies ist auch deshalb erforderlich, weil „one size fits all“-Maßnahmen, bei denen alle Mitarbeiter über einen Kamm geschoren werden, in der Regel nicht funktionieren. Maßnahmen sind nach Wichtigkeit der

416

Behavioral Branding

Bedeutung der jeweiligen Abteilung für die Unternehmensmarke entsprechend zu hierarchisieren und zu dosieren. Vor allem ist aber darauf zu achten, dass konkrete Umsetzungsmaßnahmen gemeinsam mit den jeweiligen Mitarbeitern der Abteilungen zu erarbeiten sind, um Betroffene zu Beteiligten zu machen. Dazu ist der Einsatz der Führungskräfte unerlässlich, weil

diese als zentrale Change Agents für die Marke agieren, das Markenversprechen gegenüber ihren Mitarbeitern nach innen kommunizieren, sich als Hüter der Marke verstehen, dabei aber eine notwendige Individualität der Mitarbeiter zulassen,

gemeinsam mit den Mitarbeitern Umsetzungskonzepte entwickeln und die Fortschritte kontrollieren müssen (Esch und Vallaster 2005). Schließlich sind Maßnahmen zu Erhöhung des Markencommitments nachhaltig durchzuführen, damit sich diese bei den Mitarbeitern auch entsprechend der Markenidentität verfestigen. Hierbei gilt es anstelle von Single-Loop-Learning-Prozessen Double-Loop-Learning-Prozesse zu initiieren. Während man beim Single-Loop-Learning lediglich im Sinne eines Trial- and Error-Prozesses markenkonformes Verhalten belohnt und nicht-markenkonformes Verhalten sanktioniert, hinterfragt man beim Double-Loop-Learning, warum es beispielsweise zu einer Anhäufung von nichtmarkenkonformem Verhalten kommt. Die Ursache kann darin liegen, dass bestimmte Inhalte der Markenidentität bei den Mitarbeitern auf mangelnde Akzeptanz stoßen und deshalb kaum durchsetzbar sind, so dass sich deshalb eine Anpassung der Markenidentität empfiehlt.

4.3.2

Konkrete Kommunikationsmaßnahmen im Einzelnen

Zur Mobilisierung der Mitarbeiter ist in einer Kick-Off-Veranstaltung ein entscheidender positiver Eindruck hinsichtlich des markenbezogenen Wandels zu erzielen (Brehm 2002, S. 281). Dieses markenbezogene Event soll den Startpunkt des markenbezogenen Wandels für alle Mitarbeiter signalisieren und grundsätzlich eine positive Einstellung gegenüber dem Wandlungsvorhaben erzeugen. Sender der Kommunikation müssen über Positions- und Expertenmacht verfügen, was typischerweise bedeutet, dass der Kommunikator Teil des Top-Managements ist, bzw. sogar die Funktion des Vorstandsvorsitzenden oder Geschäftsführers innehat (Krüger und Janz 2002, S. 141ff). Bei dieser Veranstaltung sollte die Vision, das Wandlungskonzept, die mit der neuen Markenidentität verfolgten Ziele sowie der Projektablauf einem großen Empfängerkreis emotional und überzeugend präsentiert werden (Brehm 2002, S. 281). Grundsätzlich sollte diese Veranstaltung eine positive Stimmung bei den Mitarbeitern erzeugen und emotionale sowie kognitive Unsicherheiten beseitigen. Bereichsleiter

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Franz-Rudolf Esch, Kristina Strödter und Alexander Fischer

und Teilbereichsleiter müssen, ungeachtet dessen, bereits vorab in den Prozess involviert und über die geplanten Maßnahmen informiert werden. Flankierend könnte man einen „Marken-Tag“ ins Leben rufen, bei dem sich die Mitarbeiter über die Marke allgemein und die Auswirkungen auf ihre alltägliche Arbeit informieren können. Eine solche Maßnahme wurde beispielsweise bei Hyundai durchgeführt, um die Identifikation der Mitarbeiter mit der Marke zu fördern. Zur Gewährleistung der Einbindung der Mitarbeiter sollten im Anschluss an diese Veranstaltungen Kommunikationsmaßnahmen zum Zuge kommen, die es den Mitarbeitern erlauben, ihre Meinung bezüglich der Markenidentität und des intendierten Wandlungsvorhabens in kleineren Gruppen zum Ausdruck zu bringen. In diesem Kontext erweisen sich beispielsweise „Brown Paper Sessions“ oder Workshops als hilfreich, um durch diese Formen der zweiseitigen Kommunikation ein umfassendes Feedback bezüglich des Wandlungsvorhabens von der breiten Mitarbeitermasse einzuholen (Brehm 2002, S. 279). Die Workshops bieten sich an, um bereichsspezifisch markenbezogene „Criticial Incidents“ sowie insbesondere Inhalte für markenbezogene Trainingsmaßnahmen zu generieren. Durch diese Interventionsmaßnahmen lässt sich das notwendige Markenwissen im Denken und Handeln der Mitarbeiter verankern. Um die Marke für den spezifischen Adressatenkreis aufgabenorientiert zu übersetzen und die Zustimmung zahlreicher Mitarbeiter zu den Trainingsinhalten zu sichern, sollten die Inhalte des Trainings von Mitarbeitern zahlreicher Ebenen erarbeitet werden. Ergänzend hierzu könnte eine Markenzeitschrift oder ein „Brand Book“ an die Mitarbeiter verteilt werden, die die wesentlichen Inhalte der neuen Markenidentität und des Wandlungsvorhabens skizzieren und der Bedeutung der Markenidentität für die Zukunft des Unternehmens Nachdruck verleihen. Flankierend dazu erweist sich das Intranet, als reichweitenstarkes Medium mit Interaktionsmöglichkeiten, als geeignet, um die neue Markenidentität unternehmensweit bekannt zu machen, weiterführende Informationen zu liefern und den Mitarbeitern zugleich die Möglichkeit zum Feedback zu eröffnen. Außerdem können Markenidentitätskarten, die die zentralen Werthaltungen der Marke reflektieren, an die Mitarbeiter verteilt werden. Diese Karten können in späteren Projektphasen durch weitere ergänzt werden, die beispielsweise markenkonforme Handlungsmuster plakativ für jeden spezifischen Arbeitsbereich beschreiben und die Trainingsinhalte zusammenfassend darstellen. Unternehmensweit sollten Promotoren der Marke als Markenbotschafter mit markenbezogenen Accessoires ausgestattet werden und durch Anreize dazu ermutigt werden markenbezogenes Storytelling zu betreiben, um die Diffusion der neuen Markenidentität zu beschleunigen und weitere Befürworter des Projekts zu gewinnen sowie insbesondere Opponenten zu Promotoren zu machen. Die Umgestaltung der Arbeitsumgebung im Hinblick auf die neue Markenidentität sowie die Etablierung von Markenwelten stellen drastische Schritte mit besonderer Signalwirkung dar, die aufgrund ihrer Kostspieligkeit typischerweise erst in der Verstetigung des Wandels aufgegriffen werden sollten.

418

Behavioral Branding

Grundsätzlich sollte sich das Kommunikationskonzept durch eine ausgewogene Mischung aus persönlicher und massenmedialer Kommunikation auszeichnen, um einerseits die Persuasionswirkung der persönlichen Kommunikationsmaßnahmen sowie das Feedback sicherzustellen und andererseits zugleich die Transparenz durch die Reichweite zu sichern. Opponenten gilt es mit persönlichen Kommunikationsmaßnahmen und geschickter Einbindung in Gruppen von Promotoren zu Befürwortern der Marke zu machen (vgl. Krüger 1999, S. 875ff). Um den Einsatz der Kommunikationsinstrumente zieladäquat zu gestalten, sollte eine Betroffenheitsanalyse der Zielgruppen durchgeführt werden. Je nach positivem bzw. negativem Ausmaß der Betroffenheit gilt es phasenbezogen die Botschaft im Zusammenhang mit den zu verwendenden Medien festzulegen, um die maximale Wirkung der Kommunikation auf die betroffene Zielgruppe sicherzustellen (Brehm 2002, S. 287f). Insbesondere zur Beeinflussung der Einstellungen in den kritischen Phasen der Implementierung muss dominant persönlich kommuniziert werden. Die Relevanz dieser Kommunikationsmodalität ist umso größer, je stärker das Ausmaß der negativen Betroffenheit ist. Typischerweise kommen mehrere Kommunikationsinstrumente kombiniert zum Einsatz, was die Konzeption einer auf den Wandel zeitlich abgestimmten Kommunikationsstrategie erforderlich macht (Brehm 2002, S. 288f).

5

Markencommitment als zentrale Zielgröße des Behavioral Branding

5.1

Begriffsabgrenzung und Komponenten des Commitments

Das Konstrukt des Commitments hat über lange Jahre hinweg reges Forschungsinteresse ausgelöst, das sich u.a. in einer Vielzahl unterschiedlicher Begriffsauffassungen niedergeschlagen hat. Insbesondere die Studien von Meyer und Allen (1984, 1991) haben positiv dazu beigetragen, ein einheitlicheres Begriffsverständnis herauszuarbeiten. Sie verstehen Commitment als einen psychologischen Bindungszustand zwischen Mitarbeitern und verschiedenen Objekten (Meyer und Allen 1991, 1997). Den Charakter des Konstrukts bzw. die Bindungsart beschreiben Meyer und Allen durch drei unterschiedliche Commitmentkomponenten. Hierzu zählen affektives, normatives und fortsetzungsbezogenes Commitment. Diese drei Komponenten können von einem Mitarbeiter zur gleichen Zeit erlebt werden, sie schließen sich folglich gegenseitig nicht aus (Meyer und Allen 1997, S. 13).

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Die Meyer-und-Allen-Klassifikation ist v.a. aus den traditionellen Perspektiven des Einstellungs- und Verhaltenscommitments erwachsen. Erstere indiziert u.a. den einstellungsartigen Charakter des Konstrukts, während letztere die Auswirkungen von Verhaltensweisen auf das Commitment beschreibt. Markencommitment beschreibt demnach eine langfristige, durch Einstellungen und Verhalten geprägte Bindung interner Anspruchsgruppen an das Unternehmen und die Marke (Chaudhuri und Holbrook 2002). Komponenten des Commitments: Das affektive Commitment bezieht sich auf die emotionale Bindung, die Mitarbeiter zu ihrem Unternehmen haben. Das Wissen um diese Commitmentkomponente geht v.a. auf die Arbeit von Mowday, Steers und Porter (1979) zurück. Ein Mitarbeiter mit hohem affektivem Commitment bleibt seinem Arbeitgeber treu, weil er dies gerne möchte (Meyer und Allen 1984, S. 373). Mellor et al. (2001, S. 173) beschreiben affektives Commitment als eine Parallele, die Mitarbeiter zwischen den Werten der Organisation und ihren eigenen wahrnehmen. Indem sich der Mitarbeiter markenkonform verhält, lebt er sowohl nach den Werten der Marke als auch nach seinen eigenen Wertevorstellungen (Harris 1989, S. 180). Dies führt letztlich dazu, dass Mitarbeiter insbesondere wegen der Marke im Unternehmen bleiben. Das fortsetzungsbezogene bzw. rationale Commitment geht auf Becker (1960) zurück. Es bezieht sich auf die Kosten, die mit dem Verlassen des Unternehmens verbunden sind. Basierend auf Schelling (1956) benutzt Becker (1960, S. 33; S. 35f) rationale NutzenKosten-Kalkulationen eines Mitarbeiters zur Erklärung des Commitments. Ein Mitarbeiter mit rationalem Commitment bleibt in seinem Unternehmen, weil er dies aufgrund der mit einem Wechsel verbundenen Kosten tun muss (Meyer und Allen 1991, S. 67). Zur Erklärung zieht Becker die „side bet“-Theorie107 (Schelling 1956) heran. Die Werte, für die das Unternehmen oder die Marke stehen, sind in diesem Fall für die Bindung des Mitarbeiters irrelevant. Ein Mitarbeiter richtet sich nach den allgemein anerkannten Werten, um Belohnungen zu erhalten und Bestrafungen zu vermeiden. Er verhält sich zwar gemäß der im Unternehmen prävalenten Wertevorstellungen, hat diese jedoch nicht internalisiert. Normatives Commitment beschreibt eine moralisch empfundene Verpflichtung, im Unternehmen zu bleiben (Felfe 2005, S. 172f). Der Mitarbeiter verfügt über starke internalisierte Wertevorstellung und ist nicht bereit diese aufzugeben, auch wenn seine Werte im Unternehmen nicht geteilt werden. Wiener (1982, S. 418) zufolge müssen zur Erklärung konsistenten Verhaltens moralische Wertvorstellungen, die entweder anerzogen oder durch Sozialisation im Unternehmen internalisiert wurden, in die Betrachtung miteinbezogen werden. Diese Wertvorstellungen wirken im 107 Gemäß der „side bet“-Theorie hat ein Mitarbeiter im Laufe seines Arbeitslebens gewisse

„Seitenwetten“ in Form von Pensionsansprüchen, spezifischer Weiterbildung oder den Anspruch auf besondere Zusatzleistungen aufgebaut. Ein Verlassen des Unternehmens ist durch diese Seitenwetten mit zu hohen Kosten verbunden, so dass ein Mitarbeiter in diesem Unternehmen bleibt.

420

Behavioral Branding

Gegensatz zu rationalem Commitment unabhängig von Belohnungs- und Bestrafungsmechanismen. Da insbesondere mit dem affektiven Commitment positive Denk- und Verhaltensweisen der Mitarbeiter verbunden sind, konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen v.a. auf diese Komponente. Im Zusammenhang mit dem konzeptionellen Verständnis des affektiven Commitments verliert auch das Postulat von Burmann und Zeplin (2005) an Kraft. Die Autoren nehmen an, dass das Commitment zur Unternehmensmarke und zur Organisation identisch sei. Bei Unternehmen wie Body Shop oder Harley-Davidson kann dies postuliert werden, da die Werte der Unternehmensmarke und der Organisation nahezu übereinstimmen. Diese Annahme gilt jedoch nicht für alle Unternehmen. Es bestehen immer dann Unterschiede zwischen organisationalem Commitment und Markencommitment, wenn Unternehmens- und Markenwerte mehr oder weniger stark divergieren, wie dies beispielsweise bei der Deutschen Bank der Fall ist. Hier stehen die Unternehmenswerte für Leistung, Vertrauen, Teamwork, Innovation und Kundenfokus, während Vielfalt, Partner- und Leidenschaft zu den zentralen Markenwerten zählen. Empirisch wurde es jedoch bislang versäumt, den Unterschied zwischen Commitment zu Marken und Organisationen aufzuzeigen. Es ist daher künftig für alle drei Komponenten des Commitments erforderlich, durch empirische Prüfung zu zeigen, dass das organisationale Commitment und das Markencommitment zwei voneinander getrennte Größen darstellen können. Da das Markencommitment bei Mitarbeitern bisher empirisch noch nicht untersucht wurde, muss zur Ableitung möglicher Einflussfaktoren und Wirkungen auf die Ergebnisse, die im Kontext des organisationalen Commitments gewonnen wurden, zurückgegriffen werden. Ebenso lassen sich aus theoretischer Perspektive an mehreren Punkten Analogieschlüsse zwischen Markencommitment des Kunden und Markencommitment des Mitarbeiters ziehen. Der folgende Abschnitt fasst die entsprechenden zentralen Forschungsergebnisse in einem neuen Modellvorschlag zu Einflussfaktoren und Wirkungen des Markencommitments zusammen. Dieses Modell gilt es, in zukünftigen empirischen Studien zu überprüfen sowie hinsichtlich weiterer Einflussfaktoren und Wirkungszusammenhänge zu spezifizieren.

421

Franz-Rudolf Esch, Kristina Strödter und Alexander Fischer

5.2

Einflussfaktoren auf das Markencommitment und Wirkung des Markencommitments: Ein Modellvorschlag

5.2.1

Einflussfaktoren des Markencommitments

Grundsätzlich gibt es eine Reihe von Faktoren, die das organisationale Commitment beeinflussen und ebenfalls Relevanz für das Markencommitment haben sollten. Eine Auswahl zentraler Einflussfaktoren wird nachfolgend erörtert. Persönliche Charakteristika der Mitarbeiter: Abgeleitet aus den Erkenntnissen zum organisationalen Commitment zählen u.a. Wertvorstellungen, Persönlichkeitseigenschaften und Alter (Carmeli und Gefen 2005; Mayer und Schoorman 1998) zu den persönlichen Charakteristika der Mitarbeiter, die deren Markencommitment beeinflussen. Im Zusammenhang mit dem Alter soll folgende Hypothese in Bezug auf das Markencommitment festgehalten werden. Je älter eine Person ist, desto stärker ist auch ihre Bindung an die Marke. Dies lässt sich einerseits dadurch begründen, dass die emotionale Bindung an die Marke über die Jahre gewachsen sein kann. Andererseits ist es auch möglich, dass diese Person aufgrund ihres Alters am Arbeitsmarkt nur wenige Alternativen hat oder aufgrund moralischer empfundener Verpflichtungen weiterhin für diese Marke arbeiten möchte. Das Markencommitment kann also affektiver, rationaler oder normativer Natur sein. Mit zunehmendem Alter sollte jedoch auch die Wandlungsbereitschaft zur Übernahme einer neuen Markenidentität sinken. Allerdings gilt dies auch für jede andere Maßnahme im Rahmen eines ChangeProzesses. Weitaus wichtiger für das affektive und normative Markencommitment sind hingegen die Einstellungen der Mitarbeiter gegenüber der Marke sowie der Fit zwischen dem Mitarbeiter und der Marke. Anhand von Untersuchungen zur Konsumentenloyalität zeigt Wang (2002), dass Personen, die einen hohen Fit zur Marke aufweisen, mit dieser zufriedener sind und der Marke ein größeres Vertrauen entgegenbringen. Überträgt man diese Erkenntnis auf die Beziehung zwischen Marke und Mitarbeiter, so sollte es umso leichter sein, ein hohes affektives und normatives Markencommitment aufzubauen, je höher die Übereinstimmung zwischen den Werten, Persönlichkeitseigenschaften und anderen Faktoren von Mitarbeiter und Marke ist. Organisationale Charakteristika: Zu den organisationalen Charakteristika, die eine besondere Relevanz für das Markencommitment haben, zählen u.a. der Zentralisations- bzw. Dezentralisationsgrad sowie die Markenarchitektur des Unternehmens (Bansal, Irving und Taylor 2004; Mathieu und Hamel 1989). Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Zentralisationsgrad und Markencommitment lässt sich folgende Hypothese postulieren. Je größer der Dezentralisationsgrad einer Organi-

422

Behavioral Branding

sation ist, umso schwieriger sollte grundsätzlich die Implementierung der Markenidentität sowie die Erzeugung von Markencommitment sein. In dezentralen Organisationen haben die Mitarbeiter jedoch die Möglichkeit sich stärker zu entfalten und ihre eigenen Werte in das Unternehmen miteinzubringen. Dies birgt andererseits die Gefahr, dass die Marke an die Mitarbeiter und nicht die Mitarbeiter an die Marke angepasst werden. Aufgrund der höheren Autonomie bei einer dezentralen Organisation wird ein commitmentfreundliches Klima im Unternehmen geschaffen. Da es durch die Dezentralität jedoch schwieriger ist, den Mitarbeitern konkrete Markeninhalte zu vermitteln, ist es fraglich, ob sich dieses Commitment auch wirklich auf die Marke bezieht. Bei einer zentralen Organisation ist die Implementierung markenspezifischer Denk- und Verhaltensweisen leichter zu verwirklichen, so dass sich das Commitment eher auf die Marke fokussiert. Beim Markencommitment spielt zudem die Markenarchitektur eine entscheidende Rolle. In einem Unternehmen mit einer „Branded House“-Markenarchitektur (d.h. einer Unternehmensmarkenstrategie) sollte die Durchsetzung der Markenidentität der Unternehmensmarke einfacher sein als bei einem „House of Brands“ bzw. einer komplexen Markenarchitektur (Esch 2005), wo es neben der Unternehmensmarke noch Familien- und Produktmarken gibt, für die die Mitarbeiter tätig sind. Bei Nestlé ist beispielsweise zu erwarten, dass Maggi- oder Buitoni-Mitarbeiter eine größere Bindung an diese Familienmarken aufweisen als an die Unternehmensmarke. In einem solchen Fall hat das Markencommitment mehrere Ebenen. Hier muss untersucht werden, welche Marke den primären Ankerpunkt für das Markencommitment der Mitarbeiter darstellt. Gemäß der „Nested Group“-Theorie (Lawler 1992), die sich auf die jeweilige Bindung zu ineinander verschachtelten Gruppen bezieht, könnte postuliert werden, dass sich Mitarbeiter in Unternehmen mit komplexen Markenarchitekturen intensiver an eine starke proximale Familienmarke als an die distale Unternehmensmarke binden. Darüber hinaus eignet sich das Commitment zu einem proximalen (d.h. dem Mitarbeiter nahe stehenden) Objekt besser zur Ableitung des Leistungsverhaltens als das Commitment zu distalen (d.h. fernen) Objekten (Becker et al. 1996, S. 467ff). Arbeitscharakteristika: Diese betreffen u.a. die Aufgabenvielfalt, die Aufgabenautonomie der Mitarbeiter, den Schwerpunkt der Arbeit und die Herausforderung, die man bei der Arbeit empfindet (Currivan 1999; Dunham, Grube und Castaneda 1994). Zu diesen Arbeitscharakteristika, die im Rahmen der Forschung zum organisationalen Commitment als Einflussfaktoren abgeleitet wurden, sind im Hinblick auf die Erzeugung des Markencommitments insbesondere die Markenorientierung des Arbeitsteams sowie der Markenbezug der Arbeitsaufgabe hinzuzufügen. Im Hinblick auf die Erzeugung des Markencommitments sollen in Bezug auf diese beiden Arbeitscharakteristika folgende Hypothesen festgehalten werden. Je stärker die Aufgabenorientierung an der Marke erfolgt, desto eher lässt sich die Markenidentität durchsetzen und Markencommitment aufbauen. Dieser Zusammenhang sollte v.a. bei kundennah agierenden Abteilungen nachzuweisen sein. Auch der Einfluss einer

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markenorientierten Arbeitsgruppe darf nicht unterschätzt werden. Durch Gruppendruck, der bewusst oder unbewusst ausgeübt werden kann, passen sich neue Mitarbeiter hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer Wertvorstellungen an die Gruppe an. Diesbezüglich soll folgende Hypothese postuliert werden. Je ausgeprägter die Markenorientierung des Arbeitsteams ist, desto stärker sollte sich dies auf die Erzeugung des affektiven Markencommitments auswirken. Kultur: Ein weiterer Aspekt betrifft die gelebte Markenkultur in Unternehmen. Analog zu dem Einfluss von Gruppen ist auch die Markenkultur entscheidend für das Commitment der Mitarbeiter. In der Forschung zum organisationalen Commitment wurde der Kultur bislang jedoch nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet, es erfolgte vielmehr eine Fokussierung auf Gruppen. Nichtsdestotrotz ist ein markenfreundliches Klima in einem Unternehmen ein zentraler Faktor bei der Implementierung einer Marke. Die Mitarbeiter stehen der Marke und den kommunizierten Inhalten viel offener gegenüber. Außerdem ist in markenorientierten Kulturen die Marke ein Thema, es wird über sie gesprochen. Die Mitarbeiter kommen so viel schneller und leichter in Kontakt mit der Marke. Ein weiterer Grund ist in der Sozialisation neuer Mitarbeiter zu sehen. Es lässt sich daher auch folgender Zusammenhang für Markenkultur und Markencommitment annehmen: Je stärker eine Markenkultur im Unternehmen ausgeprägt ist, umso leichter lässt sich affektives und normatives Markencommitment erzielen. Einfluss der Führungskräfte und Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern: Hier spielen u.a. der Gruppenzusammenhalt, die Art des Führungsstils sowie Aufgabeninterdependenzen eine wichtige Rolle (Currivan 1999; Wasti 2003). Gerade der Zusammenhalt hat dabei einen großen Einfluss auf das organisationale Commitment (Schmidt, Hollmann und Sodenkamp 1998; Zaccaro und Dobbins 1989). Hinsichtlich der Art des Führungsstils lässt sich konstatieren, dass zwischen transformationaler Führung und affektivem organisationalen Commitment ein positiver Zusammenhang besteht (Meyer et al. 2002). Im Hinblick auf die Erzeugung des affektiven Markencommitments ist mit einem ähnlichen Effekt zu rechnen, was zu folgender Hypothese führt. Je transformationaler die Mitarbeiter von einer markenorientierten Führungskraft geführt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich affektiv an die Marke binden. Dadurch, dass transformationale Führungskräfte auch als Vorbilder fungieren, sollten sie auch hinsichtlich des Markencommitments und markenkonformen Verhaltens eine höchst relevante Einflussgröße darstellen. Ihr gutes Vorbild ist somit zwingende Voraussetzung zur wirksamen Durchsetzung der Markenidentität und zur Erzielung des Markencommitments (Esch und Vallaster 2005). Abbildung 5-1 fasst diese aus der Theorie und den Forschungserkenntnissen zum organisationalen Commitment abgeleiteten Einflussfaktoren auf das affektive, normative und fortsetzungsbezogene Markencommitment zusammen. Eine empirische Überprüfung dieses Modellvorschlags steht bislang noch aus.

424

Behavioral Branding

Abbildung 5-1:

Einflussfaktoren auf das affektive, normative und fortsetzungsbezogene Markencommitment und dessen Wirkungen: Ein Modellvorschlag

Persönliche Charakteristika

Markencommitment

Organisationale Charakteristika

Mitarbeiterfluktuation

geringere Fehlzeiten

affektiv Arbeitscharakteristika

normativ fortsetzungsbezogen

größerer Arbeitseifer

Markenkultur

Leistungsbereitschaft

Führungskräfte

MarkenPromotor

5.2.2

Wirkungen des Markencommitments

Wie auch bei den Einflussfaktoren, werden – aufgrund der fehlenden empirischen Erkenntnisse zum Markencommitment – im Folgenden Erkenntnisse zu den Wirkungen des organisationalen Commitments dargestellt und hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf das Markencommitment beurteilt. Betrachtet man Studien über die Wirkung von organisationalem Commitment, so stimmen diese in dem Ergebnis überein, dass ein hohes Commitment Mitarbeiterfluktuation verringert (O'Reilly und Chatman 1986; Pierce und Dunham 1987). Darüber hinaus führt hohes Commitment zu weniger Fehlzeiten (Mowday, Steers und Porter 1979; Pierce und Dunham 1987), größerem Eifer (Chelte und Tausky 1986) sowie einer höheren Leistung bzw. Leistungsbereitschaft (Becker 1992; Becker et al. 1996), was letztlich die Leistung eines Unternehmens verbessert. Im Rahmen des Markencommitments ist mit ähnlichen Wirkungen zu rechnen. Markenspezifisch lässt sich für das Commitment ferner sagen, dass hohes affektives Markencommitment bei Kunden eine höhere Weiterempfehlungsbereitschaft zur Folge hat (Fullerton 2005; Wang 2002). Überträgt man diese wirkungsbezogene Erkenntnis

425

Franz-Rudolf Esch, Kristina Strödter und Alexander Fischer

aus der Konsumentenforschung auf die Forschung zum Markencommitment von Mitarbeitern, ist damit zu rechnen, dass auch Mitarbeiter mit hohem affektiven Markencommitment in ihrer Freizeit als Promotoren für die Marke agieren. Wie die Konsumentenforschung ferner gezeigt hat, wird die Wirkung positiver Informationen durch das Markencommitment erhöht, während die Wirkung negativer Informationen abgeschwächt wird (Ahluwalia, Unnava und Burnkrant 2001, S. 467f). Bezogen auf die Commitmentforschung in Unternehmen impliziert dieser Befund, dass Mitarbeiter mit hohem Markencommitment für negative Informationen über die Marke weniger empfänglich sein sollten als für positive. Bezüglich der Wirkung der verschiedenen Komponenten konnte im Rahmen der Forschung zum organisationalen Commitment wiederholt festgestellt werden, dass affektives Commitment der Mitarbeiter durchschnittlich die stärkste Wirkung hinsichtlich der beschriebenen Faktoren entwickelt. Bei normativem organisationalen Commitment konnte gleichwohl wiederholt ein positiver, aber schwächerer Einfluss als bei affektivem organisationalen Commitment nachgewiesen werden. Die Wirkung des rationalen organisationalen Commitments konnte in Studien nicht eindeutig belegt werden (Meyer, Becker und Vandenberghe 2004, S. 993). Im Hinblick auf die Forschung zu den Wirkungen des affektiven, normativen und fortsetzungsbezogenen Markencommitments sollte mit einer identischen Wirkungshierarchie hinsichtlich des Einflusses der Commitmentkomponenten auf die abhängigen Variablen gerechnet werden. Da Markencommitment ein mehrdimensionales Konstrukt ist und sich Mitarbeiter durch alle drei Komponenten in variierender Intensität charakterisieren lassen, sollten sich je nach Ausprägung bzw. Konstellation der verschiedenen Komponenten unterschiedliche Wirkungen ergeben. Um die mit den verschiedenen Komponenten des Commitments einhergehenden Wirkungen zu spezifizieren, sollten erste empirische Studien im Markenkontext derart konzipiert sein, dass eine Komponente beim Mitarbeiter besonders stark ausgeprägt ist, während die beiden anderen Komponenten schwach ausgeprägt sein sollten. Es wäre demnach beispielsweise zu vermuten, dass Mitarbeiter, deren Markencommitment dominant affektiv geprägt ist, bessere Leistungen erbringen als Mitarbeiter, die aufgrund von rationalen NutzenKosten-Überlegungen an die Marke gebunden sind. Dies sollte sowohl für stellenbezogene als auch für über die Stellenanforderung hinaus gehende Leistungsstandards gelten.

426

Behavioral Branding

6

Ausblick: Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen

Will man Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen, liegt das zentrale Ziel der Maßnahmen darin, das Commitment der Mitarbeiter zur Marke zu erhöhen und dadurch markenkonformes Verhalten zu erzielen. Dazu ist ein aufwendiger Prozess erforderlich, den viele Unternehmen wegen des großen zeitlichen und finanziellen Aufwandes scheuen. Ein zentrales Problem liegt darin, dass gerade Top-Manager den Prozess nicht hinreichend unterstützen. Ohne eine solche verbindliche Unterstützung sind jedoch interne Markenprojekte zum Scheitern verurteilt. Deshalb ist der erste und notwendige Schritt zur Durchsetzung der Marken nach innen derjenige, das TopManagement vom Nutzen einer solchen Maßnahme zu überzeugen und es als Promotor eines solchen Prozesses zu gewinnen. Die Umsetzung der Marke nach innen bedingt neben medialen Maßnahmen vor allem eine persönliche Kommunikation vom Vorgesetzten zu seinen Untergebenen. Um Nachhaltigkeit zu gewährleisten, sind dazu entsprechende Lernprozesse mit wiederholten Kontrollen, die es zu institutionalisieren gilt, erforderlich. Die Marke muss nach innen genauso systematisch überprüft werden, wie es in der Regel schon nach außen erfolgt. Eine solche Markenkontrolle nach innen muss demnach Bestandteil eines Markenkontroll-Cockpits werden. Zur Prüfung der Wirkung des Markencommitments wurde hier ein Modell vorgestellt, das es künftig theoretisch wie praktisch zu prüfen gilt. Daran arbeitet das Institut für Marken- und Kommunikationsforschung der Justus-Liebig-Universität Gießen gemeinsam mit der Universität St. Gallen und verschiedenen Unternehmen als Projektpartnern im Forschungsprojekt „Behavioral Branding“.

427

Franz-Rudolf Esch, Kristina Strödter und Alexander Fischer

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433

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken Ein deutschsprachiges Instrument

1

Einleitung ........................................................................................................................ 437

2

Theoretische und empirische Grundlagen der Unternehmenspersönlichkeit ....... 438 2.1 Theoretische Grundlagen..................................................................................... 438 2.2 Empirische Grundlagen ....................................................................................... 440 2.2.1 Ergebnisse aus der Marketingforschung ............................................... 441 2.2.2 Beiträge aus der Forschung zum Strategischen Management............ 442 2.2.3 Studien aus der Wirtschaftspsychologie................................................ 443 2.2.4 Instrumente aus der Praxis...................................................................... 445 2.2.5 Diskussion der vorhandenen Instrumente............................................ 445

3

Empirische Überprüfung der Unternehmenspersönlichkeit: Methodik................. 448 3.1 Definition des Geltungsbereiches und Erstellen der Itembasis ...................... 448 3.2 Datenerhebung: Instrument, Stichproben an Personen und Unternehmen.. 450 3.3 Potenzielle Dimensionen der Unternehmenspersönlichkeit ........................... 450 3.4 Validierung der Dimensionen ............................................................................. 451

4

Ergebnisse ....................................................................................................................... 452 4.1 Struktur der Unternehmenspersönlichkeit........................................................ 452 4.2 Globalität der Unternehmenspersönlichkeit ..................................................... 454 4.3 Testkonstruktion: Das Corporate Personality Inventory ................................. 454

5

Bedeutung für die Praxis............................................................................................... 455 5.1 Zusammenhänge mit Unternehmenszielen ...................................................... 456 5.2 Potenzial des CP-I ................................................................................................. 457

6

Ausblick auf zukünftige Forschungsfragen................................................................ 458

435

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

Abstract

Unternehmen zeigen – ähnlich wie Menschen – Verhalten. Es ist also durchaus plausibel, dass in der Wahrnehmung verschiedener Bezugsgruppen wie Kunden, Mitarbeitern oder Investoren eine von allen weitestgehend geteilte Vorstellung zur Persönlichkeit eines Unternehmens entsteht. Beinahe jeder hat eine Vorstellung davon, ob BMW innovativ, die Deutsche Bank zuverlässig ist oder bestimmte Unternehmensberatungen motiviert sind. Hier soll das Konstrukt der Unternehmenspersönlichkeit empirisch betrachtet werden. Dabei wird der gegenwärtige Stand der Forschung zusammengefasst und ein neues, deutschsprachiges Instrument vorgestellt.

436

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

1

Einleitung

Unternehmen stehen neuen herausfordernden Rahmenbedingungen gegenüber: Eine zunehmende Internationalisierung und Dynamisierung der Wirtschaft erhöht den Wettbewerbsdruck. Finanzmärkte bestimmen immer nachhaltiger die Unternehmenspolitik, und hochqualifizierte Mitarbeiter werden noch bedeutender für den Erfolg. Technische Vorteile und objektivierbare Unterschiede der Angebote schwinden, globaler Wettbewerb bestimmt die Märkte mit einer steigenden Auswahl an konkurrierenden Angeboten (vgl. Fill 2002, z.B. S. 13). Die Umwelt wird daher auch für die Kunden dynamischer und häufig intransparenter. Vor diesen Entwicklungen werden Einstellungen gegenüber den Unternehmen, die sich z.B. in Vertrauen, Sympathie oder emotionaler Bindung äußern, nicht nur bei den Kunden immer bedeutsamer. Dazu kommt, dass Unternehmen weltweit immer enger in Netzwerke aus Bezugsgruppen, wie z.B. Lieferanten, Vertriebspartnern, Kundengruppen, Wettbewerbern, Politikern, Behörden, Kapitalgebern und anderen eingebunden sind (vgl. z.B. Kotler et al. 2001, S. 119ff; Picot, Reichwald und Wigand 2003). Je nachdem, wie diese sich verhalten, wird ein Unternehmen seine Ziele erreichen und wachsen oder stagnieren und schließlich vom Markt verschwinden. Der Aufbau erfolgreicher Beziehungen zu Bezugsgruppen ist daher entscheidend für Unternehmen. Die Einstellung der Bezugsgruppen zu den Unternehmen ist dabei eine zentrale Komponente. Nicht zuletzt wegen dieser hohen und weiter steigenden Bedeutung beschäftigen sich zahlreiche angewandt forschende Wissenschaftler und Praktiker mit den Einstellungen zu Unternehmen: So etwa innerhalb der Marketingforschung (vgl. z.B. Keller 2003), den Public-Relations-Wissenschaften (vgl. z.B. Bruhn 1997; Fill 2002), den Finanzwissenschaften (z.B. Fombrun 2003) oder in der Organisationspsychologie (z.B. O’Reilly, Chatman und Caldwell 1991; v. Rosenstiel 2003). Zahlreiche weitere spezialisierte Forschungsströmungen, die sich mit Einstellungen zu Unternehmen beschäftigen, wachsen heran: z.B. Personalmarketing oder InvestorRelations. Diesen sonst sehr unterschiedlichen Perspektiven ist gemein, dass sie sich überwiegend auf nur eine Bezugsgruppe beschränken, etwa auf Mitarbeiter, Kunden oder Investoren. Dieser enge Fokus wird dabei selten erweitert. Ein integrativer Ansatz, der hilft, sich bei diesen unterschiedlichen Zielgruppen – orientiert an den Unternehmenszielen – in integrierter Weise zu positionieren, ist noch fern (vgl. Fill 2002, S. 457ff).

437

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

Eine mögliche Antwort auf diese Herausforderung bietet die ‚Persönlichkeit’ von Unternehmen. Diese könnte als zentrale und über verschiedene Bezugsgruppen generalisierbare Komponente der Einstellungen zu Unternehmen helfen, die verschiedenen Perspektiven zu integrieren. Die ‚Unternehmenspersönlichkeit’ könnte zudem ein zentraler Schlüssel zum Verständnis der Beziehungen zwischen Unternehmen und deren internen und externen Bezugsgruppen sein. Auch ein entsprechendes Imagetransferpotenzial (vgl. Schweiger 1981) auf Marken und Produkte des Unternehmens ist wahrscheinlich. Es erscheint daher lohnend, das Konstrukt ‚Unternehmenspersönlichkeit’ und dessen praktische und theoretische Bedeutung zu erschließen und einer Messung zugänglich zu machen. Werden Unternehmen tatsächlich vergleichbar mit Menschen als ‚Persönlichkeiten’ wahrgenommen? Kann ein Instrument erstellt werden, das ähnlich vielseitig wie Persönlichkeitstests bei Menschen ist?

2

Theoretische und empirische Grundlagen der Unternehmenspersönlichkeit

Der Gedanke, Unternehmen und Organisationen als handelnde Subjekte zu betrachten, die als soziale Stereotype in Form von Persönlichkeiten wahrgenommen werden, ist nicht neu (vgl. z.B. Johannsen 1971; King 1973; Markham 1972; Martineau 1958; Tom 1971). Philosophische Anknüpfungspunkte finden sich dazu insbesondere in der Theorie des Animismus von Gilmore (1919). Psychologische Grundlagen liefert vor allem die Forschung zu sozialen Stereotypen (vgl. z.B. Tajfel et al. 1971; Brown und Turner 1981; Leyens und Dardenne 1996).

2.1

Theoretische Grundlagen

Betrachtet man den Menschen als Persönlichkeit, so wird in den Persönlichkeitsmerkmalen meist etwas den betrachteten Menschen Kennzeichnendes gesehen und nur in zweiter Linie eine Wahrnehmungsstruktur des Betrachters. Bei der Unternehmenspersönlichkeit stellt sich die Frage nach einem allgemeinen theoretischen Rahmen: Gibt es tatsächlich weitestgehend homogene Einstellungen zu sozialen Aggregaten? Sind diese für die Aggregate (z.B. Unternehmen) kennzeichnend und gültig für verschiedene Gruppen von Betrachtern?

438

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

Die Forschung im Rahmen der sozialen Kognition widmet sich der Konstruktion der sozialen Umwelt in der Vorstellung von Personen (Markus und Zajonc 1985). Im Kontext der Unternehmenspersönlichkeit ist diese soziale Kognition auch deswegen besonders relevant, weil sie sich auf sozial geteilte Kognitionen bezieht (Leyens und Dardenne 1996). Dabei beinhaltet Kognition den Erwerb, die Organisation und den Gebrauch von Wissen (vgl. Stroebe, Hewstone und Stephenson 1996, S. 118). Hier ist besonders die Organisation von Wissen relevant: Gibt es eine übergeordnete Unternehmenspersönlichkeit? Dafür ist es hilfreich, sich zunächst die Bedingungen für die Bildung von sozialen Stereotypen von Aggregaten anzusehen und diese mit der Situation bei Unternehmen zu vergleichen. Vor allem drei Bedingungen scheinen für die Bildung von sozialen Stereotypen relevant zu sein (Brown und Turner 1981):

Gegenwart von zwei oder mehr sozialen Kategorien bzw. Gruppierungen; Unternehmenszugehörigkeit bietet gute Voraussetzungen für die Bildung von sozialen Kategorien. In den Bezugsgruppenbeziehungen im Kontext von Unternehmen lassen sich meist deutlich Kategorien wie etwa Kapitalgeber, Mitarbeiter, Kunden oder Vertriebspartner voneinander abgrenzen.

Uniformität von Verhalten und Einstellungen innerhalb der Gruppe; insbesondere Unternehmen bemühen sich stark um eine gewisse Vereinheitlichung von Verhalten und Einstellungen. Aber auch ohne ein aktives Bemühen kommt es auf Dauer zu einer Vereinheitlichung und Normierung: Nicht umsonst gibt es den Begriff Unternehmenskultur. Die Bedingungen für ein uniformes internes Verhalten und damit zugleich zur Bildung von sozialen Stereotypen sind also gegeben.

Uniformität des Verhaltens gegenüber Mitgliedern anderer Gruppen; je typischer eine Person für ihre Kategorie wahrgenommen wird, desto stärker ist auch ihr Einfluss auf die Einstellung anderer Personen zu dieser Kategorie (Brown 1996). Im Umgang mit anderen Gruppen sind Unternehmen oftmals bemüht eine Standardisierung zu erreichen. So achten beispielsweise besonders Dienstleistungsunternehmen sehr deutlich auf Standards im Umgang mit Kunden. Auch dies unterstützt die Bildung von sozialen Stereotypen von Unternehmen. Es kann davon ausgegangen werden, dass all dies die Wahrnehmung von Unternehmen als soziale Stereotype noch weiter fördert, indem Grenzen zwischen den Kategorien betont und innerhalb einer Kategorie verwischt werden.

439

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

Die Bedingungen für weitestgehend homogene Einstellungen innerhalb einer Gruppe zu sozialen Kategorien sind also speziell bei Unternehmen besonders ausgeprägt gegeben.108 Soziale Kategorien werden zudem mit Werten und Bewertungen wie sympathisch oder schlecht besetzt (Tajfel et al. 1971). Das weist auf die Bedeutsamkeit der sozialen Kategorien für die Bewertung durch Bezugsgruppen hin und lässt das Potenzial der Unternehmenspersönlichkeit im Zusammenhang mit Außenkriterien wie Sympathie oder Vertrauen erahnen. Diese Einstellungen zu sozialen Kategorien beeinflussen auch das Verhalten gegenüber diesen Gruppen. So führt schon die zunächst bedeutungslose Klassifikation von sozialen Aggregaten in zwei Untergruppen (Tajfel et al. 1971) dazu, dass sich das Verhalten der Personen den Mitgliedern der eigenen und der anderen Gruppe gegenüber ändert. Diese Effekte (ausschließlich aufgrund wahrgenommener, künstlich erzeugter und objektiv bedeutungsloser Gruppenunterschiede) wurden in einer Vielzahl von internationalen Studien repliziert (Brown 1996). Lässt sich die Unternehmenspersönlichkeit als soziale Kategorie empirisch finden, so ist ebenfalls von starken Zusammenhängen mit dem Verhalten von Bezugsgruppen wie Kunden oder Mitarbeitern auszugehen.

2.2

Empirische Grundlagen

Es gibt nur wenig explizite empirische Forschung zur ‚Persönlichkeit’ von Unternehmen. Angespornt durch den Bedarf an einer integrierten Unternehmenskommunikation in der Praxis scheint sich dies erst in jüngerer Zeit zu ändern. Praktiker, betriebswirtschaftlich orientierte Autoren und Wirtschaftspsychologen beginnen, sich dem Thema ‚Unternehmenspersönlichkeit’ systematisch und empirisch zu nähern (z.B. Aaker 1997; Davies et al. 2003; Slaughter et al. 2004). Interessanterweise zeigt sich dabei eine – trotz der unterschiedlichen Perspektiven – parallele Entwicklung der Forschung zur Unternehmenspersönlichkeit in verschiedenen Wissenschaften: dem Marketing, der strategischen Unternehmensführung und der Wirtschaftspsychologie. Zwischen diesen verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen herrscht dabei oft wenig Austausch. Die parallele Bewegung der Forschungsstränge unterstreicht jedoch umso deutlicher das Potenzial des Konstruktes

108

440

Das bedeutet natürlich nicht, dass alle Personen eine exakt gleiche Einstellung zu einem Unternehmen haben. Es deutet aber darauf hin, dass bestimmte Anspruchsgruppen relativ übereinstimmende Einstellungen zu Unternehmen gewinnen können. Das ist eine Voraussetzung für anspruchsgruppenspezifische Unternehmensimages.

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

‚Unternehmenspersönlichkeit’. Darüber hinaus gibt es Instrumente, die aus der Anwendung und Praxis stammen, was die dortige Nachfrage verdeutlicht.

2.2.1

Ergebnisse aus der Marketingforschung

Konsumenten versuchen, mit der Wahl von Marken ihre eigene Persönlichkeit zu unterstreichen (Belk 1988), eine ideale Persönlichkeit zu erreichen (Malhotra 1988) oder bestimmte Dimensionen ihrer Persönlichkeit hervorzuheben (Kleine, Kleine und Kernan 1993). Somit erscheint es sinnvoll, die Persönlichkeit von Marken erfassen zu können, um sie in Beziehung zur Persönlichkeit von Menschen zu setzen. Entsprechend dazu gibt eine umfangreiche Kongruenzforschung (vgl. z.B. Weis und Huber 2000).

Tabelle 2-1:

Dimensionen der BPS109

Globaldimensionen

Basisdimensionen

Sincerity (Aufrichtigkeit)

Down-to-earth (bodenständig) Honest (redlich) Wholesome (gesund) Cheerful (fröhlich)

Competence (Kompetenz)

Reliable (zuverlässig) Intelligent (intelligent) Successful (erfolgreich)

Excitement (Aufregung)

Daring (mutig) Spirited (lebhaft) Imaginative (phantasiereich) Up-to-date (aktuell)

Sophistication (Niveau) Ruggedness (Robustheit)

Upper class (elitär) Charming (gewinnend) Outdoorsy (natürlich) Tough (robust)

109 Übersetzung von den Verfassern

441

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

So betrachtet ist es sinnvoll, für den Marketingbereich eine generalisierbare bzw. globale Skala zum Erfassen der Markenpersönlichkeit zu entwickeln. Dadurch ließen sich dann zum Beispiel die oben angeführten Annahmen und ihre Abhängigkeit von bestimmten Rahmenbedingungen überprüfen. Vor diesem Hintergrund wurde die Brand Personality Scale (BPS) entwickelt (Aaker 1997). Sie ist mittlerweile ein weit verbreitetes Instrument zur Messung der Persönlichkeit von Marken. Ähnlich wie bei der Unternehmenspersönlichkeit wird das Konstrukt der Persönlichkeit vom Menschen auf andere Meinungsgegenstände übertragen. Die methodischen Herausforderungen sind daher vergleichbar. Auch dadurch, dass die meisten hier untersuchten Marken gleichzeitig Unternehmensmarken sind110 (etwa 80 Prozent), entsteht zusätzliche Nähe zur und Relevanz für die Unternehmenspersönlichkeit. Es stellt sich auch die Frage, ob eine Persönlichkeit gefunden worden wäre, wenn die Autorin nur wenige Unternehmensmarken untersucht hätte. Die Konstruktion der BPS zeigt in einer explorativen Faktorenanalyse111 fünf Globalfaktoren der Markenpersönlichkeit, die sich in 15 Facetten ausdifferenzieren (Vgl. Tabelle 2-1).

2.2.2

Beiträge aus der Forschung zum Strategischen Management

Auch im Bereich der Unternehmensführung und des strategischen Managements ist der Gedanke, Unternehmen als Personen zu betrachten, nicht neu (Markham 1972). So hat sich gezeigt, dass verschiedene Bezugsgruppen Unternehmen auf den gleichen Basisdimensionen beurteilen (Marwick und Fill 1995), dass diese Basisdimensionen oftmals dem Bereich der Persönlichkeit zuzuordnen sind und dass zudem Persönlichkeitsmerkmale einen zentralen Kern der Reputation von Unternehmen bilden (Winkleman 1999). Es fehlte jedoch ein nach aktuellen methodischen Maßstäben empirisch konstruiertes Instrument. Angeregt durch Forschung im Bereich der Corporate Reputation und durch den praktischen Bedarf im Management, entwickelten Davies et al. (2001) die Corporate Personality Scale (CPS). Naturgemäß liegt der Fokus bei der Perspektive der strategischen Unternehmensführung insbesondere auf Wettbewerbsvorteilen und Vergleichen mit der 110 Das liegt vermutlich daran, dass die bekanntesten Marken ausgewählt wurden und dies

meist Unternehmensmarken sind. 111 Es wurde eine Varimaxrotation verwendet.

442

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

Konkurrenz. Hier ist die Aufmerksamkeit weniger (wie meist im Marketing) einseitig auf den Kunden, sondern mehr auf zahlreiche Bezugsgruppen gerichtet. Daher war das Entwicklungsziel ein Instrument zum Messen der Unternehmenspersönlichkeit aus den Perspektiven zahlreicher Bezugsgruppen zu erstellen – ein Multi-Stakeholder Ansatz. Sowohl interne (Mitarbeiter im Kundenkontakt) als auch externe Zielgruppen (Kunden) wurden bei dieser Konstruktion berücksichtigt. Die CPS beinhaltet sieben Faktoren der Unternehmenspersönlichkeit (explorative Faktorenanalyse mit Varimaxrotation), die sich in 14 Basisfacetten ausdifferenzieren.

Tabelle 2-2:

Dimensionen der CPS112

Globaldimensionen

Basisdimensionen

Agreeableness (angenehmes Wesen)

Warmth (Wärme) Empathy (Empathie) Integrity (Integrität)

Enterprise (Unternehmertum)

Modernity (Modernität) Adventure (Abenteuer) Boldness (Kühnheit)

Competence (Kompetenz)

Conscientiousness (Gewissenhaftigkeit) Drive (Schwung) Technocracy (Technokratie)

Ruthlessness (Rücksichtslosigkeit) Chic (Stil)

Egotism (Selbstbezogenheit) Dominance (Dominanz) Elegance (Eleganz) Prestige (Prestige) Snobbery (Hochmut)

Informality (Ungezwungenheit)

Informality (Ungezwungenheit)

Machismo (Männlichkeit)

Machismo (Männlichkeit)

2.2.3

Studien aus der Wirtschaftspsychologie

Bereits seit längerem wurde mit Skalen aus der Persönlichkeitspsychologie bei der Beurteilung anderer Meinungsgegenstände experimentiert. Ein Beispiel ist der aus 112 Übersetzung von den Verfassern

443

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

dem verbreiteten 16 PF-R Persönlichkeitstest (Schneewind und Graf 1998) entwickelte Organisations-Persönlichkeitstest OPT (vgl. Becker 2002). Dieser stellt gegenüber der Ausgangsbasis eine stark gekürzte und an die Verwendung für die Beurteilung von Unternehmen angepasste Skala dar, die mit 60 Items 15 Dimensionen der Unternehmenspersönlichkeit erhebt. Die gelungene praktische Erprobung, deutliche Differenzierung zwischen Unternehmen und starke Zusammenhänge mit Unternehmenszielen bei Kunden und Mitarbeitern, ermutigten zu einer gezielten Entwicklung von Instrumenten speziell zur Messung der Unternehmenspersönlichkeit. Die Organizational Personality Scale (OPS) von Slaughter et al. (2004) ist ebenfalls innerhalb der Wirtschaftspsychologie entstanden. Sie ist der aktuellste Beitrag dieser Disziplin zum Bereich Unternehmenspersönlichkeit. Angeregt wurden die Autoren durch die Theorien von Gilmore (1919), Forschungsergebnisse zur Persönlichkeit von Marken (Aaker 1997) und zur Selbst(Ashforth und Mael 1989; Shamir 1991) und Fremdbeurteilung (Norman und Goldberg 1966; Watson 1989; Hogan 1991) von Personen. Organisationswissenschaftler mutmaßen schon länger, dass Organisation auch Dispositionen zu einem spezifischen Verhalten, also eine Art Persönlichkeit haben, die ihr Verhalten in gewissem Maße vorhersehbar macht (Staw 1991). Es war daher das Ziel der Autoren zu überprüfen, ob auch Unternehmen als Entität ähnlich einer Persönlichkeit wahrgenommen werden. Eine Skala zur Messung der Persönlichkeit von Organisationen, wie diese sich in der sozialen Wahrnehmung abbildet, wurde daher angestrebt. Obgleich das Ziel die Entwicklung eines diagnostischen Instrumentes zur Erhebung der Organisationspersönlichkeit war, sind in der gesamten Konstruktion nur Unternehmen der Wirtschaft und keine anderen Organisationen (Behörden oder NPOs) erfasst worden, so dass die Arbeit ohne weiteres dem Bereich Unternehmenspersönlichkeit zugeordnet werden kann.

Tabelle 2-3:

Dimensionen der OPS113

Globaldimensionen Boy Scout (Pfadfindertum) Innovativeness (Innovativität) Dominance (Dominanz) Thrift (Sparsamkeit) Style (Stil)

113 Übersetzung von den Verfassern

444

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

Die OPS erhebt die Unternehmenspersönlichkeit auf fünf Dimensionen, die ebenfalls in einer explorativen Faktorenanalyse mit Varimaxrotation entdeckt wurden. (Vgl. Tabelle 2-4)

2.2.4

Instrumente aus der Praxis

Auch in der Praxis wurden Instrumente zum Messen der Persönlichkeit von Marken bzw. Unternehmen entwickelt. Exemplarisch sollen zwei der ausgereifteren Verfahren von großen Anbietern kurz skizziert werden. So haben McKinsey und Company zusammen mit der GfK das Brand Personality Gameboard (BPG) konzipiert (Fanderl et al. 2003). Bei der Konstruktion wurden zunächst Figuren aus der griechischen Mythologie in qualitativen Studien charakterisiert. Dafür sollten sich 24 Personen mit je einer der Figuren identifizieren und sich dann in die Mythologie einlesen. Anschließend sollten sie sich so in einem Raum positionieren, bis sie davon überzeugt waren, an der richtigen Stelle zu stehen. Anhand der Interpretation der Verteilung der Personen im Raum entstand das BPG mit 13 Eigenschaftsdimensionen. Interessanterweise lassen sich diese alle der Skala von Aaker (1997) direkt zuordnen. Wissenschaftlich gesehen hat eine Konstruktion anhand der sicherlich multifaktoriell bedingten Verteilung von 24 Personen in einem Raum für sich alleine wenig Gehalt, daher wurden noch weitere Studien zur quantitativen Validierung unternommen. Insgesamt zeigt dieser Versuch renommierter Berater das Interesse und den Bedarf an Instrumenten zur globalen Messung von Marken oder Unternehmen als Persönlichkeit. Ein anderes Instrument aus der Praxis ist das IMP/SYS (Implicit Personality Mapping System) von TNS-Infratest, das bereits Anfang der 90er Jahre eingesetzt wurde und somit als einer der Vorreiter gelten kann. Dieses Instrument positioniert Unternehmen auf zwei Basisdimensionen und vier Subfacetten (Becker 2006, S. 106).

2.2.5

Diskussion der vorhandenen Instrumente

Für eine Bewertung der vorhandenen Instrumente sollten zunächst die Voraussetzungen für die Konstruktion eines validen Instrumentes zur Messung Unternehmenspersönlichkeit dargestellt werden. Da es darum geht, ein Instrument zu entwickeln, das bei verschiedensten Unternehmen und unterschiedlichsten Bezugsgruppen einsetzbar ist, kann die externe Validität als Hauptkriterium zur Beurteilung betrachtet werden (Bortz 1993, S. 8). Es

445

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

können daraus zwei Grundvoraussetzungen abgeleitet werden (siehe Becker 2006, S. 77ff): 1. Konstruktion mit einer möglichst repräsentativen Stichprobe von Unternehmen (‚environmental generalization’). Werden nur wenige Unternehmen bei der Konstruktion beurteilt, kann nicht von einer generellen Gültigkeit der ‚entdeckten’ Persönlichkeitsdimensionen ausgegangen werden. 2. Konstruktion mit einer möglichst repräsentativen Personenstichprobe (‚population generalization’). Diese Forderung betrifft insbesondere die verschiedenen Bezugsgruppen wie Kunden, Mitarbeiter oder die allgemeine Öffentlichkeit. Eine weitere Grundvoraussetzung für ein brauchbares Instrument ist die Konstruktvalidität. Es ist wichtig, dass die Unternehmenspersönlichkeit, und nur diese, möglichst vollständig erhoben wird. D.h.: 3. Der weitaus bedeutsamste Einfluss auf die Ergebnisse einer explorativen Studie geht von der für den Geltungsbereich repräsentativen Auswahl der Itembasis aus (vgl. Gorsuch 1983; Ostendorf 1990, S. 9). Dimensionen, die bereits in der Ausgangsbasis fehlen, können in der Konstruktion nicht ‚entdeckt’ werden und somit auch nicht im fertigen diagnostischen Instrument auftreten. Es ist also äußerste Sorgfalt bei der Erstellung der Itembasis notwendig.

Abbildung 2-1:

446

Grundvoraussetzungen für die Validität eines diagnostischen Instrumentes zur Messung der Unternehmenspersönlichkeit (nach Becker und v. Rosenstiel 2006)

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

Eine detaillierte Wertung der knapp skizzierten Instrumente aus der Praxis ist hier überflüssig, da diese nicht ausreichend nach wissenschaftlichen Kriterien konstruiert wurden (vgl. dazu auch Becker 2006, S. 105ff). Aber auch bei den vorliegenden wissenschaftlichen Konstruktionen zeigt sich methodisches Verbesserungspotenzial. Auf einige Punkte soll knapp eingegangen werden (für einen Überblick siehe Becker 2006, S. 107ff). Besonders deutliches Verbesserungspotenzial zeigt sich jeweils bei der Auswahl der Itembasis. Die Items wurden mehr oder weniger unsystematisch aus verschiedenen Quellen entnommen: aus vorhandenen Skalen (Aaker 1997; Davies et al. 2003; Slaughter et al. 2004), aus Persönlichkeitstests (Aaker 1997; Slaughter et al. 2004) und qualitativen Daten aus der Analyse von Internetauftritten der Unternehmen und ihrer Imagewerbung (Aaker 1997; Davies et al. 2003; Slaughter et al. 2004). Auffällig ist, dass in keiner Studie überprüft wird, ob die Items tatsächlich den beanspruchten Geltungsbereich abdecken oder ob irrelevante Items enthalten sind. Dazu kommt, dass die Autoren Unterschiedliches unter Persönlichkeit verstehen, aber jeweils von dem in den klassischen Persönlichkeitstests der differentiellen Psychologie üblichen Verständnis114 abweichen. Auch bei der Auswahl der Personenstichprobe und der Unternehmen gibt es Möglichkeiten zur Optimierung. So wurden teilweise nur Studenten einer Fachrichtung befragt (Slaughter et al. 2004), die Stakeholderperspektive nicht kontrolliert (Aaker 1997), nur Mitarbeiter im Kundenkontakt und Kunden weniger in Organisationen einbezogen (Davies et al. 2003) oder teilweise nur Daten zu drei Unternehmen erhoben (Slaughter et al. 2004). Angesichts dieser Schwächen vorhandener diagnostischer Instrumente lässt sich der praktische Bedarf an einem neuen Instrument ableiten: Es erscheint sinnvoll, mit einer entsprechend sorgfältig geplanten und umgesetzten Erhebung die Persönlichkeit von Unternehmen präziser zu erfassen. Für eine Verbesserung der Methodik sollte dabei besonderer Wert auf eine möglichst repräsentative Itemauswahl gelegt werden. Schließlich sei bedacht, dass es sich bei den bisherigen Konstruktionen um englischsprachige Instrumente handelt. Zwar gibt es erste Übersetzungen in die deutsche Sprache, jedoch sind diese nicht entsprechend validiert. Auch die interkulturelle Übertragbarkeit wurde nicht überprüft. Es herrscht also zusätzlich Bedarf an einem wissenschaftlich fundierten deutschsprachigen Instrument.

114

In der differentiellen Psychologie werden die so genannten Dispositionen (Charakter und Temperament) in den Mittelpunkt gestellt. Andere Persönlichkeitsaspekte, welche sich etwa auf äußeres Aussehen oder soziale Rollen beziehen, werden bei dieser ‚Persönlichkeit im engeren Sinne’ - wie in den modernen Persönlichkeitstests - bewusst ausgeklammert.

447

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

3

Empirische Überprüfung der Unternehmenspersönlichkeit: Methodik

Nachfolgend soll knapp das methodische Vorgehen bei der Konstruktion des neuen Instrumentes beschrieben werden. Zu den Details sei auf Becker (2006, S. 109ff) verwiesen.

3.1

Definition des Geltungsbereiches und Erstellen der Itembasis

Soll ein diagnostisches Instrument konstruiert werden, so ist es zunächst erforderlich den Geltungsbereich ‚Unternehmenspersönlichkeit’ präzise und operational zu definieren:

Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die Einstellungen der Bezugsgruppen verhaltenswirksam werden. Daher wird die Unternehmenspersönlichkeit nicht auf der Ebene der objektiven Unterschiede, sondern im Einstellungsbereich definiert. Die Persönlichkeitspsychologie zeigt sich hier gespalten (Hogan 1991): Während die einen Persönlichkeit als die internen Gegebenheiten einer Person betrachten, die es zu erschließen gilt, sehen andere Wissenschaftler in der Persönlichkeit die Einstellungen gegenüber einer Person. Die meisten modernen Persönlichkeitsforscher stehen mittlerweile einer konstruktivistischen Sichtweise der Persönlichkeit nahe (vgl. Schneewind 1996, Kapitel 2).

In Anlehnung an die differentielle Psychologie wurde inhaltlich der Bereich der Dispositionen im Sinne von Verhaltensbereitschaften gewählt (vgl. Ostendorf 1990, S. 45). Andere Persönlichkeitseigenschaften, wie äußere Charakteristika, gesellschaftliche Rollen oder Stimmungen scheinen ungeeignet zur Generalisierung über verschiedene Unternehmen und werden daher ausgeklammert. Ebenso, wie allgemeine Persönlichkeitstests aus der Vielzahl möglicher Variablen der Person die Dispositionen herausgreifen, konzentriert sich die Unternehmenspersönlichkeit auf diesen zentralen Bereich. Aus der unendlichen Wolke von möglichen Bereichen der Einstellung wird damit ein besonders viel versprechender Aspekt der generalisierbaren, stabileren und verhaltensnahen Komponenten gewählt. Die Unternehmenspersönlichkeit ist insbesondere aus drei Gründen viel versprechend: Erstens hat sie das Potenzial ein über verschiedene Bezugsgruppen und Unternehmen generalisierbares Konstrukt zu bilden. Zweitens ist von deutlichen Zusammenhängen mit dem Verhalten der Zielgruppen auszugehen. Als Drittes hat sie eine starke

448

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

Handlungsorientierung und bietet Anknüpfungspunkte für die Intervention. Dieses wird im Weiteren dargestellt. Bei dem Verhalten zugrunde liegenden Dispositionen ist tatsächlich von einer Generalisierbarkeit über verschiedene Unternehmen auszugehen. Dispositionen, wie Perfektionismus, Intelligenz oder Impulsivität treten höchstwahrscheinlich als Dimensionen global in der Einstellung zu verschiedensten Unternehmen auf. So kann sich beispielsweise Intelligenz auf vielfältige Art und Weise in sich änderndem Verhalten zeigen. Die konkrete Erscheinung des Verhaltens kann sich gegenüber verschiedenen Bezugsgruppen und bei unterschiedlichen Unternehmen ändern, die zugrunde liegende Disposition bleibt stabil. Rein äußerliche Merkmale oder bestimmte konkrete Verhaltensweisen haben dagegen weitaus weniger Potenzial als globale Einstellungsdimensionen aufzutreten. Neben der Generalisierbarkeit ist auch von einem bedeutsamen Zusammenhang mit dem Verhalten der Zielgruppen auszugehen. Einstellungen zu Dispositionen machen das Unternehmen erst berechenbar für die Stakeholder und haben damit das Potenzial, besonders einflussreich auf die Bewertung des Unternehmens durch die Stakeholder und damit auch auf deren Verhalten zu sein Da die Unternehmenspersönlichkeit sich auf Verhaltensdispositionen von Unternehmen konzentriert, ist eine Handlungsorientierung bestens gewährleistet. Konkrete Basisdimensionen wie Kompetenz, Motivation oder Innovation lassen deutliche Rückschlüsse auf potenzielle Interventionsbereiche zu. Unternehmenspersönlichkeit – wie sie hier verstanden wird – kann somit als deskriptiver, stabiler, generalisierbarer und handlungsorientierter ‚Kern’ des Unternehmensimages bezeichnet werden. Grundvoraussetzung für ein valides Testinstrument ist eine hochwertige Ausgangsbasis an Items. Zu diesem Zweck wurde eine repräsentative Liste für den Bereich der Einstellungen115 zu Verhaltensdispositionen angestrebt. Um eine möglichst repräsentative Itembasis zu erhalten, wurde in Anlehnung an die Forschung in der Persönlichkeitspsychologie der lexikalische Ansatz gewählt (Goldberg 1981). Im deutschsprachigen Raum konnte dabei auf eine extrem sorgfältig und aufwändig erstellte Taxonomie (Ostendorf 1990) zurückgegriffen werden. Bei dieser ist davon auszugehen, dass sie nahezu vollständig sämtliche Adjektive der deutschen Sprache enthält, die von über 50 Prozent der Personen den Dispositionen zugerechnet werden. Diese Liste von 430 Adjektiven wurde durch Items aus vorhandenen Instrumenten (Aaker 1997; Davies et al. 2003) um 42 Adjektive erweitert. Aufgenommen wurden dabei nur Merkmalsbezeichnungen, die nicht bereits in der Liste enthalten waren und

115

Hier wird die kognitive Komponente der Einstellungen, die Abbildung im Bewusstsein der Betroffenen, betont.

449

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

die nicht evaluativ sind.116 Diese Ausgangsbasis von 472 Adjektiven wurde in weiteren methodischen Schritten reduziert. Dabei wurden bewusst formale Kriterien angewandt, um inhaltliche Verzerrungen zu vermeiden: z.B. Umwandeln negativ formulierter Adjektive (intolerant – tolerant), Umwandeln von ‚Doppelwörtern’ (befähigt – fähig), Löschen von durch diese vorangehenden Schritte entstandenen doppelten Adjektiven, für den Normalbürger unverständlichen (introvertiert) und veralteten Adjektiven (beschlagen). Insgesamt blieb so eine Ausgangsbasis von 335 Adjektiven für die Konstruktion.

3.2

Datenerhebung: Instrument, Stichproben an Personen und Unternehmen

Diese Ausgangsbasis von 335 Items wurde insgesamt 460117 Personen zur Beurteilung eines Unternehmens auf siebenstufigen Likert-Skalen vorgelegt. Dabei wurden die Personen in öffentlichen Einrichtungen der Stadt München (Kreisverwaltungsreferaten) befragt, um eine möglichst heterogene Stichprobe zu erhalten. Erhoben wurden die Stakeholderperspektive der Personen (Kunde, Mitarbeiter, Investor, allgemeine Öffentlichkeit, Geschäftspartner oder anderes), das Alter, das Geschlecht und der Schulabschluss. Dabei zeigte sich eine sehr heterogene, doch nicht ganz für die deutsche Bevölkerung repräsentative Stichprobe. Das beurteilte Unternehmen wurde frei von den Teilnehmern bestimmt und im Fragebogen eingetragen. So konnte sichergestellt werden, dass es tatsächlich dem Beurteiler bekannt ist und auch als Unternehmen betrachtet wird. Dabei zeigte sich eine sehr breite Streuung verschiedenster Unternehmen (Branchen, Größen, Internationalität, psychologische Positionierung). Insgesamt wurden 361 verschiedene Unternehmen beurteilt. Es zeigten sich dabei keine überproportionalen Häufungen einzelner Unternehmen, die die Daten verzerren könnten.

3.3

Potenzielle Dimensionen der Unternehmenspersönlichkeit

Eine Inspektion der Itemkennwerte sprach für eine gute Eignung der Adjektive zur Beurteilung von Unternehmen und bot keine Grundlage für eine vorzeitige Selektion einzelner Begriffe. 116

Übersetzung jeweils unabhängig durch drei zweisprachig aufgewachsene Personen und Bewertung des Charakters der Adjektive jeweils unabhängig durch drei Psychologen. 117 Angabe bezieht sich auf gültige Personen, d.h. ausgefüllte und ausgewertete Fragebogen.

450

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

Ziel war es daher, mit den gewonnenen Daten zunächst potenzielle Dimensionen der Unternehmenspersönlichkeit zu finden. Dazu wurde ein Multi-Methoden-Ansatz gewählt:

Schrittweise

Extraktion von Faktoren nach dem Hauptachsenverfahren (Varimaxrotation), um Faktoraufsplittungen zu beobachten.

Clusteranalysen der Items anhand der Pearson-Korrelation. Facettenanalyse von Globalfaktoren (Hauptachsenverfahren, Varimaxrotation). Insgesamt fanden sich Anhaltspunkte für 24 potenzielle Dimensionen der Unternehmenspersönlichkeit. Davon wurden die 20 vielversprechendsten ausgewählt. Kriterien dafür waren die Stabilität der Faktoren über verschiedene Methoden und das jeweilige Volumen an Adjektiven.

3.4

Validierung der Dimensionen

Als Nächstes galt es, die potenziellen Dimensionen zu validieren. Dafür wurde die Itemzahl der potenziellen Dimensionen einander angenähert (5 bis 8 Items), um vergleichbare Chancen zur Bildung von Faktoren zu ermöglichen. Insgesamt 145 Adjektive wurden daraufhin einer Stichprobe von 251 Personen vorgelegt. Das Vorgehen entsprach dem in der vorherigen Erhebung. Auch hier wurden möglichst repräsentative Stichproben an Personen und Unternehmen angestrebt. Die Personenstichprobe kann wiederum als sehr heterogen aber nicht ganz repräsentativ aufgefasst werden. Insgesamt wurden hier 169 verschiedene Unternehmen bewertet. Kritische Verzerrungen durch überproportionale Auswahl einzelner Unternehmen traten nicht auf. Zur Auswertung wurde eine Hauptkomponentenanalyse (Varimaxrotation) mit Facettenanalyse verwendet. Damit wurde eine Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen der anderen Studien zur Unternehmenspersönlichkeit angestrebt (z.B. Aaker 1997; Davies et al. 2003; Slaughter et al. 2004). Zudem hat sich die Hauptkomponentenanalyse als ‚Standard’ in den Faktorisierungen der Persönlichkeitspsychologie etabliert (vgl. Müskens 2001, S. 74ff). Schließlich spräche eine Replikation der potenziellen Dimensionen mit einem anderen Verfahren für deren Robustheit und damit Konstruktvalidität.

451

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

4

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie weisen auf zahlreiche relevante Aspekte hin. Als erstes erscheint die Struktur der Unternehmenspersönlichkeit bedeutsam.

4.1

Struktur der Unternehmenspersönlichkeit

Die Unternehmenspersönlichkeit wird – wie Menschen auch – komplex wahrgenommen: Sie besteht aus insgesamt sieben Globalfaktoren, von denen sich fünf in weitere Facetten ausdifferenzieren. Die Facetten der jeweiligen Globalfaktoren korrelieren durchschnittlich mit 0,63 und mit anderen Faktoren und Facetten durchschnittlich mit 0,29. Fünf der Globalfaktoren können den so genannten Big-Five (McCrae und Costa 1987) der menschlichen Persönlichkeit zugeordnet werden. Alle 20 potenziellen Dimensionen der Unternehmenspersönlichkeit werden repliziert und damit validiert. ‚Scheu’ entsteht durch Ausdifferenzierung von ‚Kontaktfähigkeit’ als neue Dimension. Die zwei Globalfaktoren ohne Facetten und die Facetten der übrigen Globalfaktoren zeigen damit insgesamt 21 Basisdimensionen der Unternehmenspersönlichkeit. Bis auf die Dimension ‚Stil’ lassen sich sämtliche Global- und Basisdimensionen der Unternehmenspersönlichkeit entsprechenden Dimensionen der menschlichen Persönlichkeit, wie sie in zahlreichen internationalen Faktorisierungen gefunden wurde, zuordnen (vgl. Becker 2006, S. 183ff). Somit sind zumindest breite Überlappungen zwischen den wahrgenommenen Verhaltensdispositionen von Menschen und Unternehmen gegeben.118 Sehr grob und rudimentär wirkt dabei die OPS von Slaughter et al. (2004). Vier ihrer fünf Dimensionen spiegeln sich in jeweils einer der 21 in der Hauptuntersuchung gefundenen Dimensionen wider. Eine kann ohnehin nicht dem Bereich der Dispositionen zugeordnet werden. Als wesentlich differenzierter erweist sich die Studie von Davies et al. (2001). Vierzehn ihrer sechzehn Skalen lassen sich Dimensionen aus der hier vorgestellten Hauptuntersuchung zuordnen. Die übrigen zwei sind wiederum nicht dem Bereich der Dispositionen (also Charakter und Temperament) zuzurechnen. Das spricht für die Validität sowohl der CPS als auch der

118

452

Auch zeigt sich eine deutliche Beziehung der in der Hauptuntersuchung entdeckten Dimensionen zu jenen der vorhandenen Instrumente. Diese lässt sich zwar nicht immer sofort anhand der von den Autoren gewählten Bezeichnungen für die Dimensionen erkennen, wird aber bei einer Analyse der Items deutlich (vgl. Becker 2006, S. 186ff).

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

hier unabhängig mit großen Unterschieden der Methoden, des Itempools und der Personen durchgeführten Studie.

Tabelle 4-1:

Dimensionen der Persönlichkeit von Menschen und Unternehmen

Big-Five (Mensch)

Globaldimensionen (Unternehmen)

Basisdimensionen (Unternehmen)

Gewissenhaftigkeit

Leistungsfähigkeit

Planung Motivation Disziplin Kompetenz Intelligenz Fleiß

Verträglichkeit

Verträglichkeit

Verlässlichkeit Hochmut Gier Unterdrückung Impulsivität

Offenheit

Dynamik

Innovation Lebhaftigkeit Risikobereitschaft

Extraversion

Soziale Kompetenz

Freundlichkeit Wärme Kontaktfähigkeit

Neurotizismus (Gegenpol)

Selbstbewusstsein

Scheu Ängstlichkeit

Stil

Stil

Stabilität

Stabilität

Zusammenfassend zeigt die hier durchgeführte Untersuchung starke Gemeinsamkeiten der Unternehmenspersönlichkeit zur Persönlichkeit von Menschen. Es ergeben sich zudem Schnittmengen mit den Ergebnissen anderer Studien zur Unternehmenspersönlichkeit. Die Unternehmenspersönlichkeit wird in dieser Studie

453

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

jedoch präziser und differenzierter erfasst. Offenbar haben Menschen in der Tat deutliche und differenzierte Einstellungen zu den Verhaltensdispositionen von Unternehmen.

4.2

Globalität der Unternehmenspersönlichkeit

In der Unternehmenspersönlichkeit wird Potenzial als ein globales, bei mehreren Personen und Bezugsgruppen einsetzbares Konstrukt gesehen. Eine entscheidende Frage ist insbesondere, ob Unternehmen tatsächlich von verschiedenen Bezugsgruppen auf den gleichen Basisdimensionen gesehen werden. Zur Prüfung dieser Frage wurden getrennte explorative Faktorenanalysen über verschiedene Stakeholdergruppen berechnet. Eine ausreichende Datensubstanz war für Kunden und Mitarbeiter gegeben. Es zeigte sich eine nahezu identische Faktorenstruktur zwischen beiden Gruppen und im Vergleich mit den Gesamtdaten. Alles in allem sprechen diese Ergebnisse für eine globale Gültigkeit und damit Anwendbarkeit des Konstruktes Unternehmenspersönlichkeit – zumindest bei Kunden und Mitarbeitern. Eine Überprüfung des konstruierten Instrumentes in der Praxis wird weitere Antworten auf diese Frage geben.

4.3

Testkonstruktion: Das Corporate Personality Inventory

Aus den gewonnenen Daten zur Struktur der Unternehmenspersönlichkeit wurde ein diagnostisches Instrument konstruiert, das Corporate Personality Inventory (CP-I). Dabei galt es wissenschaftliche Genauigkeit mit praktischer Ökonomie zu verbinden. Daher wurde angestrebt, mit möglichst wenigen Items die Dimensionen der Unternehmenspersönlichkeit reliabel zu messen. Als Richtwert wurden vier Items pro Dimension angestrebt. Mitunter konnte bereits mit drei Items ein ordentliches Cronbach-D119 erreicht werden. In einem Fall waren fünf Adjektive notwendig. Durchschnittlich wird – trotz der niedrigen Itemzahl pro 119

454

Oft wird der kritische Wert für Reliabilitäten bei 0,7 gesehen (Nunnaly 1978). Jedoch ist bei Reliabilitäten jeweils der entsprechende Kontext zu berücksichtigen (vgl. z.B. Bühner 2004, Kapitel 4.5), in diesem Fall z.B. Persönlichkeitstests. Hier sind Reliabilitäten zwischen 0,6 und 0,7 keine Seltenheit und gelten als akzeptabel. Eine Reliabilität über 0,8 kann vor diesem Hintergrund durchaus als hoch eingestuft werden. Die Trennschärfen von einzelnen Items liegen alle deutlich über 0,3 (vgl. Fisseni 1997, S. 124).

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

Dimension – ein Cronbach-D von 0,81 erzielt. Sämtliche Dimensionen liegen über der kritischen Grenze von 0,6 und die meisten weit höher. Insgesamt ist die Reliabilität des Instrumentes daher als gut zu beurteilen.

Tabelle 4-2:

Eigenschaften des CP-I

Skalen, Itemzahlen und interne Konsistenz des CP-I Planung (4)

Hochmut (4)

Freundlichkeit (4)

Cronbach-Į: 0,88

Cronbach-Į: 0,85

Cronbach-Į: 0,85

Motivation (4)

Gier (4)

Wärme (4)

Cronbach-Į: 0,83

Cronbach-Į: 0,80

Cronbach-Į: 0,82

Disziplin (4)

Unterdrückung (3)

Kontaktfähigkeit (3)

Cronbach-Į: 0,81

Cronbach-Į: 0,87

Cronbach-Į: 0,72

Kompetenz (3)

Impulsivität (4)

Stil (4)

Cronbach-Į: 0,89

Cronbach-Į: 0,77

Cronbach-Į: 0,90

Intelligenz (4)

Innovation (4)

Scheu (4)

Cronbach-Į: 0,85

Cronbach-Į: 0,92

Cronbach-Į: 0,72

Fleiß (3)

Lebhaftigkeit (4)

Ängstlichkeit (4)

Cronbach-Į: 0,76

Cronbach-Į: 0,78

Cronbach-Į: 0,69

Verlässlichkeit (4)

Risikobereitschaft (3)

Stabilität (5)

Cronbach-Į: 0,87

Cronbach-Į: 0,75

Cronbach-Į: 0,65

21 Dimensionen

80 Adjektive

Ц Cronbach-Į: 0,81

Mit dem CP-I steht damit ein differenziertes und ökonomisches Instrument für die Messung der Persönlichkeit von Unternehmen zur Verfügung.

5

Bedeutung für die Praxis

Der praktische Nutzen ist der wichtigste Bewertungsmaßstab für die Ergebnisse einer angewandten Wissenschaft. Die Messung eines Konstruktes macht daher nur Sinn, wenn es entsprechend bedeutsam ist. Bestehen bedeutsame Zusammenhänge zwi-

455

Lutz von Rosenstiel und Florian Becker

schen der Unternehmenspersönlichkeit und Unternehmenszielen bzw. gibt es Berührungen zu relevanten Außenkriterien?

5.1

Zusammenhänge mit Unternehmenszielen

Praktischer Nutzen zeigt sich in erster Linie in Zusammenhängen mit Unternehmenszielen – die zuverlässige Messung der Unternehmenspersönlichkeit und eine deutliche und plausible Differenzierung zwischen Unternehmen reichen dafür alleine nicht aus. Auch hier gibt es mittlerweile Datenmaterial aus mehreren Studien. So schätzen Davies et al. (2003) anhand zahlreicher Studien und der Berücksichtigung von Mediatoreffekten der Zufriedenheit von Stakeholdern die Bedeutung der Unternehmenspersönlichkeit auf einen Anteil von ungefähr 50 Prozent der Varianz des Unternehmensumsatzes. Allerdings bleiben die Fragen nach Ursache und Wirkung hier offen. Interessant in diesem Kontext sind die Ergebnisse des neu konstruierten Instrumentes, des CP-I. Hierfür werden die Daten aus der Konstruktion des CP-I verwendet und jeweils multiple lineare Regressionen auf interessante Kriterien berechnet (vgl. Becker 2006b).120 Die Daten aus dem CP-I zeigen einen globalen Zusammenhang der Einschätzungen der einzelnen Personen zur Persönlichkeit von Unternehmen121 (über alle erhobenen Stakeholdergruppen hinweg) mit Sympathie von 76 Prozent.122 Auch die Kriterien Vertrauen, Differenzierung von Wettbewerbern und Kompetenz werden zu knapp 70 Prozent erklärt. Niedriger sind die Werte für die Identifikation mit dem Unternehmen (46 Prozent erklärte Varianz) und für die Investitionsneigung (34 Prozent erklärte Varianz). Identifikation hängt jedoch stark angestrebten eigenen Identität – der Merkmale sehr unterschiedlich sein Kriterien geringere Erklärungsgrad plausibel.

von individuellen befragten Personen können, ist der im der Identifikation

Merkmalen ab. Da diese Vergleich zu vor diesem

– etwa der individuellen den anderen Hintergrund

Auch die Neigung zu investieren hängt von vielen Variablen ab, etwa von anderen Investitionsmöglichkeiten oder der generellen Neigung zu investieren. Daher ist hier 120

Auch bei der Beurteilung einzelner Unternehmen durch viele Personen zeigen sich zudem entsprechend starke Zusammenhänge. Daher sind Störvariablen auf Seite der Unternehmen als Ursache für die Ergebnisse relativ unwahrscheinlich. Insgesamt sind die Ergebnisse damit theoriekonform. 121 Diese Einschätzungen können als unabhängig voneinander betrachtet werden. 122 Eigene Daten sind jeweils mit korrigiertem-R2 berechnet. Kriterien wurden mit Likertskalierten Items direkt erfragt.

456

Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

der erklärte Varianzanteil von 34 Prozent ebenfalls als sehr hoch einzuschätzen. Alle Zusammenhänge sind statistisch höchst signifikant. Die Bereitschaft, Kunde zu werden, lässt sich zu 43 Prozent und die Kundenbindung zu jeweils 55 Prozent aus der Unternehmenspersönlichkeit erklären. Bei der Bereitschaft, Mitarbeiter zu werden, liegt der entsprechende Wert bei 38 Prozent und bei der psychologischen Bindung von Mitarbeitern bei 56 Prozent. Plausibel ist auch, dass sich je nach Unternehmen, Stakeholdergruppe und Kriterien andere Dimensionen der Unternehmenspersönlichkeit als ‚bedeutsam’ zeigen. Das bestätigt sich bei einer nach Stakeholdergruppen, Kriterien und Unternehmen getrennten Analyse der Zusammenhänge (vgl. Becker 2006b). Insgesamt scheint die Erklärungskraft des CP-I hoch zu sein. Es kann von einem deutlichen globalen Zusammenhang der Unternehmenspersönlichkeit mit Unternehmenszielen ausgegangen werden.

5.2

Potenzial des CP-I

Besonders relevant für eine Realisierung von Zielen in der Anwendung ist das neu konstruierte Instrument ‚Corporate Personality Inventory’ (CP-I):

Der CP-I ist breit in verschiedenen Unternehmen und bei verschiedenen Stakeholdergruppen einsetzbar. Damit entfallen die Integrationsprobleme bei meist stakeholderspezifischen Instrumenten. Ähnlich wie in der Differentiellen Psychologie gibt es damit ein globales Verfahren als Ergänzung der zahlreichen spezialisierten Instrumente.

Zusammenhänge zwischen der Einstellung von Zielgruppen und Unternehmenszielen sind mit dem CP-I unkompliziert abzuleiten und darzustellen. Eine integrierte Positionierung bei zahlreichen Zielgruppen wird damit mathematisiert und planbar. Eine der Hauptbarrieren für Investitionen in das Unternehmensimage – die mangelnde Greifbarkeit der Verbindung zwischen Unternehmensimage und Unternehmenszielen – wird deutlich reduziert.

Zudem ist mit dem CP-I der direkte Vergleich mit Wettbewerbern und anderen Unternehmen möglich. Im Gegensatz zu ad hoc konstruierten Instrumenten kann auf einen wachsenden Datenpool mit verschiedensten Unternehmen aus unterschiedlichen Geschäftsfeldern zurückgegriffen werden.

Das CP-I ist schnell und unkompliziert einsetzbar. Es benötigt nicht die Vorlaufzeit von Neukonstruktionen oder aufwendigen qualitativen Erhebungen.

457

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6

Ausblick auf zukünftige Forschungsfragen

Die hier vorgelegten Ergebnisse deuten eine hohe praktische Relevanz des CP-I an. Doch bestehen noch zahlreiche offene Fragen. So kann etwa die Analyse weiterer Stakeholdergruppen und relevanter – insbesondere harter – Außenkriterien Aufschluss darüber geben, ob auch Geschäftspartner (wie Lieferanten oder das Vertriebsnetz), Kapitalgeber und Behörden Unternehmen auf den gleichen Persönlichkeitsdimensionen betrachten. Dies ist wahrscheinlich, da bei Kunden und Mitarbeitern bereits eine entsprechende Kongruenz gezeigt wurde. Nicht nur bei Unternehmen, auch in anderen Feldern sind Anwendungen denkbar. Erste Ergebnisse ermutigen zur Erprobung bei Nationen und Völkern, aber auch bei Religionen, Parteien und gemeinnützigen Organisationen. Auch hier scheinen soziale Stereotype zu bestehen, die als Persönlichkeiten mit Charaktermerkmalen zum Ausdruck kommen. Dieses weiter zu verfolgen und Potenziale für die Wirtschaft zu eröffnen (vgl. Schweiger 1990), ist eine Aufgabe zukünftiger Forschung. Aus einer interkulturellen Perspektive stellt sich die Frage nach der Struktur der Unternehmenspersönlichkeit in anderen Kulturen und der Übertragung des CP-I in andere Sprachen. Erste Ergebnisse mit einer englischsprachigen und einer schwedischen Version sprechen für eine Übertragbarkeit in andere Kulturräume.

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Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

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Persönlichkeitsansätze bei Unternehmensmarken

Teil 6 Werbe- und Markencontrolling

463

Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

Wolfgang Mayerhofer

Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

1

Einleitung und Problemstellung ................................................................................. 467

2

Anforderungen und Gliederungsgesichtspunkte ..................................................... 468 2.1 Beobachtung in der Mediaforschung ................................................................ 471 2.2 Beobachtung in der Werbewirkungsforschung ............................................... 471 2.2.1 Messung der Aktivierungsleistung ....................................................... 473 2.2.2 Blickregistrierung .................................................................................... 474 2.2.3 Verdeckte Leseverhaltensbeobachtung (Compagnon-Verfahren) ..... 475 2.2.4 Programmanalysator ............................................................................... 476 2.2.5 Tachistoskop ............................................................................................. 477 2.3 Beobachtung des Verhaltens ............................................................................... 478

3

Resümee .......................................................................................................................... 479

465

Wolfgang Mayerhofer

Abstract

Die Befragung stellt das dominante und in der Mehrzahl der Fälle auch adäquate Instrument der Informationsgewinnung dar. Trotzdem oder gerade deshalb gibt es Ziele und/oder Erhebungssituationen, in denen die Befragung überfordert und zu erwarten bzw. zu befürchten ist, dass keine validen Ergebnisse erzielt werden können. Salopp formuliert wird das immer dann der Fall sein, wenn die Befragten nicht in der Lage oder nicht gewillt sind, wahrheitsgemäß zu antworten. In diesem Fall sollte überlegt werden, ob nicht die Beobachtung (evtl. unter Zuhilfenahme apparativer Verfahren) eine wertvolle Ergänzung oder sogar Alternative darstellt. Der Beitrag greift diese Überlegung auf und zeigt anhand von empirischen Studien den Nutzen „non-verbaler“ Erhebungstechniken.

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Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

1

Einleitung und Problemstellung

Ein Blick in die deutschsprachige Marktforschungsliteratur und die MarketingResearch-Literatur des anglo-amerikanischen Sprachraums zeigt eine hohe Übereinstimmung hinsichtlich der Definition und der Zielsetzung von Marktforschung. Meist wird sie als Instrument der Informationsgewinnung und unverzichtbare Unterstützung des Managements bei unternehmensstrategischen Entscheidungen angesehen. Weitgehend einig ist man sich auch noch hinsichtlich der Anforderungen, die an dieses Instrument gestellt werden, um es von der unstrukturierten Markterkundung abzugrenzen. Als erste Gliederungsebene gilt die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärforschung, je nachdem, ob es sich um die Gewinnung neuer Informationen oder die Nutzung vorhandener Daten handelt. In den weiteren Ausführungen offenbaren sich jedoch teilweise recht kontroversielle Ansichten. Henze (1994) sowie Herrmann und Homburg (2000) unterscheiden bei der Informationsgewinnung auf Basis von Primärdaten zwischen Befragung und Beobachtung, manchmal werden als Methoden der Datengewinnung Befragung, Beobachtung und Mehrfacherhebungen (Weiss und Steinmetz 2002, S. 48) genannt. Für manche Autoren stellt das Experiment neben Befragung und Beobachtung eine dritte eigenständige Methode dar, während andere dies verneinen, sich aber intensiv mit der experimentellen Durchführung von Befragungen und insbesondere Beobachtungen beschäftigen. Der unterschiedliche Stellenwert, der Beobachtungen entgegengebracht wird, findet seine Fortsetzung auch im Ausmaß der Auseinandersetzung mit diesem Verfahren und teilweise auch im krassen Missverhältnis zwischen der eingangs betonten Bedeutung und dem Seitenumfang, der der Beobachtung im Verhältnis zur Befragung eingeräumt wird. Wiewohl die Beobachtung „als zweite bedeutende Methode der Informationsgewinnung“ (Weiss und Steinmetz 2002) anzusehen ist und „in der Primärforschung eine nicht unbedeutende Stellung hat, die sich auch in den vielfältigen praktischen Anwendungsbereichen dokumentiert“ (Meffert 1992, S. 200) meint Scheffler (2000, S. 69) unter dem Punkt Verfahren der Datenerhebung: „Im weiteren Verlauf werden die klassischen quantitativen Verfahren kurz vorgestellt. Qualitative Verfahren wie Gruppendiskussionen, Tiefeninterviews und auch in der Marktforschung eher selten eingesetzte Verfahren wie (teilnehmende) Beobachtung bleiben außen vor.“ Im Buch „Methoden der Marketing-Forschung“ von Raab, Unger und Unger (2004) sucht man den Begriff Beobachtung im Schlagwortverzeichnis vergeblich. Immerhin widmet sich Abschnitt 2.4. und auch Abschnitt 2.5. in Form der Behandlung von apparativen Verfahren als Sonderform der Beobachtung auf insgesamt knapp 20 Seiten dieser Erhebungsmethode. Anders sieht das z.B. Shao (2002, S.167), wenn er schreibt, dass „observation techniques are quite popular“ und dies mit der Gültigkeit des Sprichworts „Seeing is believing“ (auch) in der Marktforschung begründet. Stimmt also die Ansicht, wonach, „wer von Marktforschung spricht,

467

Wolfgang Mayerhofer

zweifellos Befragungen vor Augen hat und Beobachtungen eine zwar wichtige, wenn auch relativ unbekannte und hinsichtlich ihres Volumens eher bescheidene Rolle spielen“? (Berekoven, Eckert und Ellenrieder 1996, S. 146) Im Folgenden wird versucht, diese Frage durch das Aufzeigen der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Beobachtung und der Demonstration des Nutzens für Forschung und Praxis zu beantworten.

2

Anforderungen und Gliederungsgesichtspunkte

Von Beobachtung spricht man bei der Erfassung des Geschehens durch Personen oder apparative Einrichtungen. Ein Beobachtungsprozess umfasst nach Henze (1994, S. 32) die fünf Komponenten Objekt, Subjekt, Umstände, Mittel und theoretisches Wissen des Beobachters. Um den eingangs für Marktforschungsmethoden geforderten Anspruch zu wahren, werden für wissenschaftliche Beobachtungen folgende Kriterien gefordert (vgl. Henze 1994, S. 33 und Weiss und Steinmetz 2002, S. 137):

Genau umschriebener Untersuchungsbereich Planmäßiges Vorgehen Bestimmtes Erkenntnisziel/Forschungszweck (Hypothesenüberprüfung) Sinnlich wahrnehmbare Objekte bzw. Ereignisse als Gegenstand der Beobachtung Rezeptive Haltung Registrierung von aktuellem Geschehen Wiederholte Prüfung und Kontrolle hinsichtlich Validität und Reliabilität Eine in der Literatur häufig anzutreffende Unterscheidung gliedert die Beobachtung

nach dem Bewusstheitsgrad (in Anlehnung an Spiegel 1970) zwischen offen, nichtdurchschaubar, quasi-biotisch und biotisch,

nach dem Partizipationsgrad des Beobachters zwischen teilnehmend und nichtteilnehmend,

nach dem Standardisierungsgrad zwischen standardisiert und nicht-standardisiert, sowie

nach der Registrierungsform zwischen visuell und apparativ (Berekoven, Eckert und Ellenrieder 1996, S. 147f).

468

Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

Weiss und Steinmetz (2002, S. 140) hingegen unterscheiden zwischen

konventioneller (Kunden am POS), scannergestützter (GfK Behavior Scan), computergestützter (Apparative Verfahren der Werbeforschung, wie z.B. Elektrodermale Reaktion oder Blickregistrierung und der Mediaforschung z.B. mittels People Meter) und

internetbasierter (Ad-Click-Rate, Anzahl Bestellungen) Beobachtung. Während etwa Malhotra und Birks (2000, S. 207) als „major observational methods: personal observation (including mystery shopping research), electronic observation, audit, content analysis, and trace analysis” bezeichnen. Dieser zumindest im deutschsprachigen Raum etwas unüblichen Ansicht, wonach es sich bei der Inhaltsanalyse um eine Methode der Beobachtung handelt, schließen sich Aaker, Kumar und Day (2004, S. 212 „content analysis is an observation technique“) und auch Zikmund (2003) an. Als pantry audit wird die Erfassung von im Haushalt vorhandenen Produkten bezeichnet. Interviewer lassen sich ausgewählte Produkte zeigen und registrieren neben der Marke auch die Anzahl der verfügbaren Stücke, die Art der Verpackung oder die Geschmacksrichtung (Malhotra und Birks 2000, S.229). Im Rahmen einer trace analysis kann z.B. der Abnutzungsgrad von Fliesen in Museen beobachtet werden, um die Attraktivität von Ausstellungsobjekten zu messen, die Anzahl von Fingerabdrücken in Magazinen ist ein Indikator für das Leseverhalten, eingestellte Radiostationen von Autos, die zur Reparatur in Werkstätten gebracht werden, messen das Mediaverhalten, Alter und Zustand von Pkws in der Parkgarage eines Einkaufszentrums dienen dazu, den Wohlstand der Kunden zu schätzen und die an wohltätige Organisationen gespendeten Zeitschriften, um die Lieblingslektüre zu erheben (Malhotra und Birks 2000, S. 229f). Der letzte Punkt kann in Österreich auf Papiersammelbehälter übertragen werden, und sogar Abfalleimer wurden schon durchwühlt, um Aufschluss über die Essgewohnheiten von Zielgruppen und Marktsegmenten zu erhalten. Churchill und Iacobucci (2002, S. 308) beschreiben den Nutzen von zwei technischen Beobachtungshilfen im Zusammenhang mit telefonischen Befragungen. Beide dienen zur Messung der Sicherheit bei der Beantwortung von Fragen und zwar mittels Latenzzeit (Zeitspanne zwischen Ende der Frage und Beginn der Antwort) und Stimmfrequenzanalyse (voice pitch analysis). Als Vorteile der Beobachtung werden von Homburg und Krohmer (2003, S. 202) genannt:

In einigen Anwendungssituationen ist sie die einzige Möglichkeit der Datenerhebung (z.B. Blickregistrierung).

Zum Teil ist sie kostengünstiger als Alternativen (z.B. Verkehrszählung). 469

Wolfgang Mayerhofer

Kein Interviewereffekt. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber:

Beobachtungseffekt. Situation einmalig und nicht exakt wiederholbar. Mangelnde Qualität und hohe Selektivität auf Seiten des Beobachters denkbar. Hier offenbart sich eine Parallele zur Befragung, denn die methodischen Probleme betreffen (ähnlich aber u.U. sogar stärker als bei der Befragung) die Repräsentanz und den Beobachtungseinfluss bzw. den Beobachtungseffekt. Wenig aufschlussreich ist ein Blick in die Statistiken von Interessensvertretungen, da die Beobachtung nicht explizit ausgewiesen ist, sondern neben Tiefeninterviews und Gruppendiskussionen bei qualitativen Interviews in der Kategorie Sonstige versteckt ist, die aber immerhin mehr als 50 Prozent der durchgeführten Interviews ausmachen (vgl. Abbildung 2-1).

Abbildung 2-1:

470

Aufteilung der qualitativen Interviews (Quelle: ADM, 17.06.2006)

Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

In weiterer Folge wird auf die Beobachtung im Zusammenhang mit den drei zentralen Einsatzbereichen Mediaforschung, Werbewirkungsforschung und Verhaltensforschung näher eingegangen.

2.1

Beobachtung in der Mediaforschung

Im Rahmen der Mediaforschung richtet sich die Kritik an der Befragung vor allem auf folgende Punkte. Bei manchen standardisierten Frageformulierungen der Mediaanalyse ist der Erhebungszeitraum zu lange und die Befragten in der Einschätzung ihres Verhaltens überfordert oder unpräzise, wenn sie z.B. gefragt werden: „Welche der folgenden (Monats-)Zeitschriften haben sie in den vergangenen 12 Monaten gelesen oder durchgeblättert.“ Durch das zunehmende Zappingverhalten sind die bei elektronischen Medien vorgegebenen Zeitintervalle von meist 15 Minuten zu grob. Darüber hinaus ist der Erhebungsvorgang sehr mühsam und zeitaufwendig – eine Befragungsdauer von zwei Stunden ist nicht unüblich. Abhilfe schafft z.B. die teilnehmende Beobachtung des Fernsehverhaltens (Pousek 1995) oder das Protokollieren der Beachtung oder Nicht-Beachtung von Schaufenstern oder Plakaten durch geschulte Beobachter. Manchmal werden apparative Verfahren zuhilfe genommen z.B. in Form einer Videokamera zur Aufzeichnung des Leseverhaltens beim Durchblättern einer Zeitschrift oder eines Direct-Mailings. Auf diese Form der Beobachtung wird im Abschnitt Werbewirkungsmessung noch näher eingegangen. Mittels People Meter wird elektronisch registriert, wer, wann, welche Sendungen im Fernsehen auf welchem Kanal sieht. Ähnliche Hard- und Software zur Registrierung des Verhaltens im Internet ist in Entwicklung oder teilweise schon im Einsatz (Hair, Bush und Ortinau 2003, S. 296). Ersetzt werden durch diese neuen Technologien die traditionellen Methoden der Befragung oder des Führens eines Tagebuches, die auch zur Beobachtung des Kaufverhaltens (z.B. im Haushaltspanel) zunehmend durch Scannertechnologien ersetzt werden.

2.2

Beobachtung in der Werbewirkungsforschung

Unabhängig davon, wie kritisch man Werbewirkungsmodellen gegenübersteht, ist eines unbestritten: Werbung soll helfen, ein Produkt zu verkaufen. Die entscheidende Frage ist, ob sich der Verkaufserfolg tatsächlich auf die Werbung zurückführen lässt und wenn ja, zu welchem Anteil (Rosenstiel und Kirsch 1996, S. 54). Nicht zuletzt führt die mangelnde Erlöszurechenbarkeit der Ausgaben auf die Wirkung zur Messung von Nebenzielen, wie der Attraktivität eines Unternehmens für Mitarbeiter (Bukovics und Falter 2005) oder der Sympathie für ein Unternehmen (Mahnik und Mayerhofer 2006). Werbung kann nur wirken, wenn sie das Erleben und Verhalten von Menschen

471

Wolfgang Mayerhofer

beeinflusst. Erfolgsgrößen für die Werbung sind z.B., ob die Werbung wahrgenommen wird, aktiviert und positive Emotionen auslöst, durch die Verarbeitung relevanter Informationen positive Einstellungen erzeugt und im Gedächtnis behalten wird (vgl. Rosenstiel und Kirsch 1996, S. 56). Die zunehmende Reizüberflutung und Informationsüberlastung führt einerseits dazu, dass nicht-klassische Werbemaßnahmen wie Sponsoring (Hermann, Kiendl und Ringle 2005) oder Events (Zanger und Altenhuber 2001) an Bedeutung gewinnen und andererseits beim Test der (voraussichtlichen) Werbewirkung möglichst realistische Situationen geschaffen werden müssen, z.B. im Zusammenhang mit der flüchtigen Betrachtung von Werbemaßnahmen und einem generell geringen Involvement (Lachmann 2002). Die Bedeutung der Beobachtung soll anhand von vier Fragestellungen erläutert werden, die jedem Marktforscher im Rahmen seiner Laufbahn von Auftraggebern gestellt werden könnten: 1. Wie lange wird voraussichtlich unsere Anzeige, die wir auf Seite 47 des Magazins geschaltet haben, von der Zielgruppe betrachtet werden – und hätten wir vielleicht das deutlich kostengünstigere Angebot für die Schaltung auf der linken Seite doch annehmen sollen? 2. Löst die Anzeige mit dem humorvollen Motiv oder mit dem prominenten Präsenter stärkere Emotionen aus und lohnen sich die deutlich höheren Ausgaben für sein Honorar – oder sollen wir doch auf Erotik setzen, wie uns die Agentur empfohlen hat? 3. Wir möchten gerne die Kunden ausführlich über unser Produkt informieren, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass unsere Anzeige jetzt wie ein redaktioneller Artikel aussieht und wir fragen uns, ob die relevanten Informationen überhaupt noch aufgenommen und verarbeitet werden? 4. Welches von den beiden neuen Logos passt denn besser zu den von uns erzeugten Produkten? Am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung der Wirtschaftsuniversität Wien werden folgende Verfahren eingesetzt, um diese und ähnliche Fragen zu beantworten (vgl. die ausführliche Beschreibung bei Kaiser 1999):

Aktivierungsmessung Blickregistrierung Compagnon-Verfahren Programmanalysator Tachistoskop

472

Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

2.2.1

Messung der Aktivierungsleistung

Häufig wird zwischen affektiven und kognitiven psychologischen Reaktionen der Konsumenten unterschieden. Wobei die affektiven Reaktionen noch in Emotionen, spezifische Gefühle, Stimmungen und Bewertungen unterteilt werden können, die wiederum auf einem Kontinuum zwischen stark und schwach bzw. positiv und negativ positioniert sein können und insbesondere die starken affektiven Reaktionen mit körperlichen, physiologischen Reaktionen einhergehen (Peter und Olson 1996, S. 49f). Die Art und zugleich auch die Stärke der Gefühle lassen sich u.U. aber auch an beobachtbaren Merkmalen wie Gesichtsausdruck, Körperhaltung und -bewegung ablesen (vgl. Bekmeier 1994 und Trommsdorff 1993, S. 77). Ob ein Gefühl angenehm oder unangenehm ist, kann man verbal meist recht verlässlich erfassen. Gegen die sprachliche Messung von Gefühlsstärke und -qualität gibt es jedoch starke Einwände (vgl. Trommsdorff 1993, S. 75f):

Gefühle sind manchmal nur schwach ausgeprägt und wenig bewusst. Antworten spiegeln dann mehr das Denken als das Fühlen wider.

Gefühle sind starken sozialen Wertungen unterworfen. Sozial erwünschte Antworten sind dann sehr häufig.

Gefühle sind häufig komplex und setzen sich aus verschiedenen Basisemotionen zusammen (vgl. Bosch, Schiel und Winder 2006, S. 51). Befragte sind überfordert, wenn sie diese sprachlich beschreiben sollen. Die Problematik wird durch den Einsatz von Bildern in der Kommunikation verstärkt. Bilder werden gegenüber der Sprache schneller aufgenommen, verarbeitet und gespeichert. Es gelingt ihnen auch eher, die kognitive Kontrolle der Rezipienten zu unterlaufen und sie sind besser zur Vermittlung von Emotionen geeignet. Daraus resultieren andere Wirkungen und entsprechend sollten auch andere Wirkungsmessungen zum Zug kommen (Esch 2000, S. 866). Ein mittlerer Grad an Aktivierung dürfte für verschiedene den Werbeerfolg herbeiführende psychische Leistungen (z.B. Erinnerung) günstig, eine sehr geringe oder sehr hohe Aktivierung (in Form von Reaktanz oder eines Vampireffekts) ungünstig sein (Rosenstiel und Kirsch 1996, S. 140). Der Zusammenhang kann in Form einer verkehrt U-förmigen Beziehung dargestellt werden, die auch als Lamda-Hypothese bezeichnet wird (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 79). So führte eine stärkere (positive) Aktivierung in der Einkaufssituation durch eine angenehme Ladengestaltung zu einer höheren Tendenz das Geschäft wieder zu besuchen und auch weiter zu empfehlen und nicht zuletzt auch zu Mehrausgaben (Gröppel-Klein 2002). Auffallen durch Emotionen gilt auch bei DirectMails, sowohl im Print- als auch E-Mail-Bereich, als Erfolg versprechendes Rezept (Moravek 2005, S. 31). Bei der Suche nach besonders auffallenden und demnach aktivierenden Stimuli ist Vorsicht bei Angst erregender Kommunikation etwa im Social Advertising Bereich angebracht. Schockierende Werbung erregt zwar hohe

473

Wolfgang Mayerhofer

Aufmerksamkeit, die ausgelösten negativen Emotionen führen jedoch auch zu negativen Rückwirkungen auf die Marke (Gierl 2000). Aktivierungstheoretische Untersuchungen vermeiden so weit wie möglich Befragungen. Objektive Beobachtungs- und Messverfahren werden bevorzugt. Die moderne Labortechnik bietet dazu zahlreiche, auch ökonomisch einsetzbare Methoden (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 84). Die Messung der elektrodermalen Reaktion (EDR) erfolgt meist über an der Hand angebrachte Elektroden und stellt somit eine zumutbare Belastung der Probanden dar. Ein Vorteil besteht in der hohen Sensitivität des Verfahrens, wodurch auch minimale von Anzeigen, Plakaten oder Spots ausgelöste Unterschiede im Erregungsniveau aufgedeckt werden können. Positiv ist auch der Umstand zu werten, dass die EDR weitgehend der willentlichen Steuerung durch die Probanden entzogen ist und so zu validen Messergebnissen führt. Als Nachteil muss berücksichtigt werden, dass mittels EDR nur Information über die Stärke der Emotionen, nicht jedoch über die Richtung (positiv oder negativ) bzw. die Qualität der Emotion (Ärger, Freude) gewonnen werden können. Es bedarf also der Ergänzung durch die Befragung – ein Hinweis, der bei anderen Beobachtungsverfahren auch noch anzubringen sein wird.

2.2.2

Blickregistrierung

Häufig will man wissen, ob und in welcher Reihenfolge die für das Werbeziel relevanten Bestandteile des Werbemittels betrachtet werden. Zur Überprüfung derartiger Fragestellungen wurden Verfahren der Blickregistrierung entwickelt. (vgl. Rosenstiel und Ewald 1979 S. 105). Mittels NAC Eye-Mark-Recorder können Anzeigen aber auch Direct-Mailings getestet und die Frage beantwortet werden: Welche Anzeigenelemente werden wie lange und in welcher Reihenfolge betrachtet? Durch die Reihenfolge der betrachteten Elemente lassen sich Hinweise auf die Verarbeitung ableiten. Selbstverständlich kann beim Durchblättern einer Zeitschrift auch der redaktionelle Text (z.B. Glossen, Kommentare, etc.) im Mittelpunkt des Interesses stehen – so gesehen wäre auch eine Einordnung des Verfahrens in die Mediaforschung vertretbar. Empirische Studien zeigen anschaulich die Komplexität des Werbewirkungsprozesses. Die Ergebnisse bestätigen zwar einerseits die in unserem Kulturkreis gewohnte Verarbeitung von links nach rechts und von oben nach unten – es sei denn … und hier kommt die für alle Kreativen tröstliche Aussage, dass es durch geschickte Elemente der Gestaltung möglich ist, dieses gewohnte Verhalten zu durchbrechen. Solche Gestaltungselemente sind z.B. Bilder, die sich besonders zum Lenken der Aufmerksamkeit eignen, aber auch Farben oder die Schriftgröße. Anschauliche Ergebnisse zur Blickregistrierung finden sich bei Zikmund (2003, S. 262) sowie bei Schweiger und Schrattenecker (2005 S. 324f).

474

Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

Ein gravierender Nachteil des Verfahrens ist (oder eigentlich war) die aufwendige und für die Probanden nicht gerade bequeme Apparatur, die ähnlich einer Schibrille aufgesetzt werden musste und so auch das Gesichtsfeld einengte, was immer wieder Anlass zu Diskussionen über die Validität der Ergebnisse gab. Eine positive Antwort gibt Keitz-Krewel (1994 S. 55), wonach es keine Hinweise darauf gibt, „dass die NACBlickaufzeichnung die Ergebnisse verfälschen würde.“ Weiterentwicklungen der Technologie ermöglichen nunmehr eine kontaktfreie Aufzeichnung des Leseverhaltens und damit realistischere Versuchssituationen, z.B. auch das Betrachten von Internetseiten (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2005, S. 326).

2.2.3

Verdeckte Leseverhaltensbeobachtung (CompagnonVerfahren)

Während die Methode der Blickregistrierung eher den Mikroaspekt von Anzeigen und Plakaten überprüft (also die Betrachtung von einzelnen Elementen wie Headline, Bild oder Markenwahrnehmung), misst das Compagnon-Verfahren (so benannt nach einem deutschen Marktforschungsinstitut, das diese Methoden entwickelte und auch zum Patent anmeldete) die Aufmerksamkeitsleistung von Anzeigen in Printmedien und damit den Makroaspekt, d.h. das Durchsetzungsvermögen einer Anzeige im natürlichen Umfeld. Ermöglicht wird dies dadurch, dass Probanden mit dem Hinweis, dass der eigentliche Befragungsraum noch nicht frei ist, in einen Warteraum gebeten und dort eingeladen werden, eine aufliegende Zeitschrift zu lesen bzw. durchzublättern. Durch diese Wartezimmersituation besteht eine voll- oder (quasi-) biotische Situation – hier gehen die Meinungen zwischen Forscherkollegen auseinander – jedenfalls erfolgt die Aufzeichnung des Leseverhaltens für die Probanden unbemerkt. Die erhöht zwar die Validität der Daten, gleichzeitig zeigen empirische Studien aber die eingeschränkte Genauigkeit der Aussagen. Verlässliche Daten liegen für Anzeigen ab einer Größe von einer halben Seite vor. Auf Basis einer umfassenden Meta-Analyse wurden die Faktoren Rezipient, Gestaltung, Produkt, Medien, Kontaktdosis/Timing als Einflussfaktoren auf die Aufmerksamkeitsleistung von Anzeigen identifiziert (Schmid 1998). In einem Modell wurde diese zu den drei großen Dimensionen Gestaltung, Platzierung und Rezipient verdichtet. Im Rahmen eines umfangreichen Projekts in Zusammenarbeit mit dem News Verlag (damals Wirtschaftstrend-Zeitschriften Verlag) wurden mehr als 200 Leser von Wochen- und Monatsmagazinen beobachtet. Die Betrachtungsdauer von ganzseitigen Anzeigen in Wochenmagazinen beträgt im Schnitt 2 Sekunden in Monatsmagazinen 1,6 Sekunden. In beiden Magazinen bringen doppelseitige Anzeigen einen überproportionalen Wirkungszuwachs – dies deckt sich auch mit Ergebnissen anderer Studien (Köcher-Schulz 2000 bzw. Kroeber-Riel und Weinberg 2003). Eine Re-Analyse dieser Beobachtungsdaten liefert einen markenstrategisch interessanten Befund: Die

475

Wolfgang Mayerhofer

häufigere Platzierung des Markennamens führt zu einer verstärkten Beachtung und längeren Auseinandersetzung mit der Anzeige (Kronschläger und Mayerhofer 2003).

Abbildung 2-2:

Broschüre mit Ergebnissen zur Leseverhaltensbeobachtung

Es besteht kein Unterschied in der Betrachtungsdauer von links- und rechtsseitig platzierten Anzeigen. Anzeigenformat und Gestaltung einer Anzeige haben den stärksten Einfluss auf die Aufmerksamkeitsleistung und aus der Gruppe personenspezifischer Variablen ist das Produktinvolvement für die Anzeigenwirkung von Bedeutung (Mayerhofer, Hütter und Schimpl 2004).

2.2.4

Programmanalysator

Den Probanden werden entweder Druckstifte (Position positiv, neutral, negativ) oder ein Hebel (graduelle Abstufung zwischen stark negativ und stark positiv) in die Hand gegeben und so die spontane Zustimmung oder Ablehnung gegenüber bestimmten Sequenzen eines TV- oder Hörfunkspots beobachtet. Wie schon bei der Leseverhaltensbeobachtung ist es dadurch möglich, die Reaktionen nicht nachträglich mittels Befragung zu erheben, sondern zum Zeitpunkt des Auftretens - spontan und ungefiltert. Aus den so gewonnenen Zustimmungs- und Ablehnungswerten können nachträglich Sympathie-Indices berechnet werden. Die Qualität der Emotionen und die Ursachen für besonders heftige Reaktionen (etwa das Auftreten eines Präsenters,

476

Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

Beginn der Musik bzw. Kameraeinstellungen) können allerdings nur durch nachträgliche Exploration, also befragungstechnisch, erhoben werden. Eine empirische Studie zeigt deutliche Unterschiede in der Akzeptanz von 11 unterschiedlichen TVSpots und für einen Traubensaftspot signifikante zielgruppenspezifische Unterschiede. Interessant ist in diesem Fall die Beschreibung von besonders kritischen Konsumenten aber auch von Fans (Giessauer 1999).

2.2.5

Tachistoskop

Dieses apparative Verfahren ist ein Steuergerät, das es je nach Bauart ermöglicht, Dias sehr kurz zu präsentieren. Die Dauer der Präsentation kann bei Elektronentachistoskopen bis auf 1/10.000 sec. verkürzt werden. Unter idealen Wahrnehmungsbedingungen (lichtstarke Präsentation und Verdunkelung des Raumes) können Markenzeichen und Logos schon erkannt oder besser erahnt werden. Die kurze Darbietungszeit trägt der flüchtigen Betrachtung von Werbemitteln Rechnung – nur bei richtiger Dekodierung und Identifikation als interessant wird man sich mit dem (Werbe-)Objekt näher beschäftigen. Gemessen werden die beiden Kriterien Prägnanz und spontane Anmutungen bzw. Assoziationen. Durch eine prägnante Gestaltung kommt es zu einer besseren Wahrnehmung der Werbung (Rosenstiel und Kirsch 1996, S. 64) aber auch zu einer besseren Erinnerungsleistung an Werbeslogans (Mahnik und Mayerhofer 2004). Zu unterscheiden ist in diesem Zusammenhang zwischen einem prägnanten und einem gelernten Schriftzug. Der Coca-Cola Schriftzug ist zwar keineswegs als prägnant einzustufen, wie Ergebnisse zeigen, wird er aber auch bei kürzesten Präsentationszeiten richtig identifiziert. Nicht zuletzt ein Verdienst der Stilkonstanz und damit der Konstanz im Werbeauftritt. Wertvolle Hinweise liefert ein tachistoskopischer Test aber auch für die Packungsgestaltung (Schuster 1991). Verpackte Waren sind im Bereich der Fast Moving Consumer Goods (FMCG) die Regel – eine Aufforderung zum Kauf kommt nicht mehr vom Verkaufspersonal sondern muss (abgesehen von Werbemaßnahmen am POS) von der Ware – und hier von der Verpackung kommen. Auch hier gilt es wieder, einen Kompromiss zu finden zwischen Aufmerksamkeit und richtigen Produkt- und Markenassoziationen. Eine prägnante orangefarbige Verpackung fällt auf, ruft aber Erwartungsenttäuschungen bei den Konsumenten hervor, wenn man zu Hause feststellt, dass man nicht Orangensaft sondern Apfelsaft gekauft hat. Voraussetzung für die Messung von Werbewirkung ist jedoch unabhängig von den eingesetzten Methoden die operationale Definition von Werbezielen, hier sind in der Praxis insbesondere hinsichtlich der Kriterien Ausmaß, Zeitbezug und Messvorschrift noch Defizite vorhanden (Prochazka 1998).

477

Wolfgang Mayerhofer

2.3

Beobachtung des Verhaltens

In den Sozialwissenschaften ist die Verhaltensbeobachtung häufig mit der legendären Studie der „Arbeitslosen von Marienthal“ und dem dort festgestellten Zusammenhang zwischen der Geh-Geschwindigkeit und der Arbeitslosigkeit verbunden. Arbeitslose bewegen sich deutlich langsamer, womit sich generell ein Zerfall des Zeitbewusstseins manifestiert (Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel 1960). Aber auch in der Konsum(verhaltens)forschung hat die Beobachtung der Einkäufer aber auch der Verkäufer einen hohen Stellenwert. Unter Mystery-Shopping oder „Customer care Monitoring“ (Birn 2004, S. 131) versteht man die verdeckt teilnehmende Beobachtung (Scientifically Contrived Observation; vgl. Zikmund 2000, S. 225) durch den Einsatz von Testkunden zur Überprüfung der Dienstleistungsqualität eines Unternehmens. In Form des Mystery Calling (Beckmann 2003) dient es auch zur Überprüfung der Qualität von Telefonhotlines und Call-Centern – die Erweiterung auf die rasche und kompetente Beantwortung von Anfragen per E-Mail war nur eine Frage der Zeit. Mystery Shopping liefert wertvolle Hinweise für das Management zur Erhöhung der Dienstleistungsqualität. Am Beispiel einer Buchhandelskette konnte empirisch z.B. die Abhängigkeit der Freundlichkeit des Personals vom Wochentag oder die stark unterschiedliche Verfügbarkeit von Produkten und damit die Gefahr von Ausverkaufsituationen (= entgangener Gewinn) nachgewiesen werden (vgl. Zenz und Schweiger 2003).

Abbildung 2-3:

Beobachtung des Kaufverhaltens von Konsumenten

Die Beobachtung des Kaufverhaltens von Konsumenten ist grundsätzlich direkt am POS oder in Form eines Experiments durch ein nachgebautes Regal im Labor möglich.

478

Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

Ziel der Beobachtung ist z.B. der Beitrag von Prüf-, Güte- und Herkunftszeichen im Kaufentscheidungsprozess (Koppe 2003, S. 150ff) oder die Dauer des Entscheidungsprozesses bzw. die Anzahl, Art und Reihenfolge der in die Entscheidung einbezogenen Kriterien (Preis, Angaben auf dem Produkt, Beratung durch Personal und/oder z.B. beim Weinregal aufgestellte elektronische Informationsmöglichkeiten) (vgl. Auböck 2005 und Paschinger 1999). Bei allen aufgezeigten Beispielen wird die Befragung keine validen Ergebnisse liefern, da sich die Befragten über die Dauer der Entscheidungsfindung sicher keine Gedanken gemacht haben, oder aufgrund von sozialer Erwünschtheit den Beitrag des (österreichischen) Herkunftszeichens auf der Packung für ihre Kaufentscheidung überschätzen.

3

Resümee

In Österreich wird mit einem Bruttowerbeaufwand von rund 2 Mrd. Euro pro Jahr für mehr als 26.000 Marken geworben (Fessel und Leitner 2005). Es gilt Anzeigen so zu gestalten, dass sie schneller gesehen, schneller gelesen, schneller verstanden und schneller behalten werden (Meyer-Hentschel 1998). Diese Forderung kann auf Basis einer empirischen Studie auch auf die Gestaltung von Websites übertragen werden: Einfachheit, Gliederung, Prägnanz und Stimulanz sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren (Petrik 2001). Sowohl maßgeschneiderten Produkten (Dabic 2005) als auch maßgeschneiderten Werbemaßnahmen, z.B. in Form von Direct-Mailings, kommt steigende Bedeutung zu. Dem steigenden Informationsdruck, der flüchtigen Betrachtung von Werbung unter niedrigem Involvement versucht die Werbebranche durch den verstärkten Einsatz von Bildern zu begegnen. Bilder sind in der Lage Aufmerksamkeit zu wecken, Emotionen auszulösen und rasch wichtige Informationen zu vermitteln. In der Marktforschung haben Bilder, z.B. in Form der Nonverbalen Imagemessung (NVI), trotz intensiver Bemühungen und überzeugender Leistungen in der Länderimageforschung (Schweiger 1992) bei der Erhebung von Produktgruppen- und Markenimages (Mayerhofer 1995) aber auch bei Medien (Fuchs 1998) noch nicht den Stellenwert, der ihnen eigentlich zukommen sollte. Die postulierte Überlegenheit ist einer realistischeren Einschätzung gewichen. Idealerweise sollte es zu Ergänzung der verbalen Messung von Images durch nonverbale Reize wie z.B. Bilder, Musikstücke oder Düfte kommen. Als problematisch zum derzeitigen Stand der Forschung erweist sich, dass die Produktgruppe die durch ein Bild ausgelösten Assoziationen beeinflusst, aber auch innerhalb einer Produktgruppe werden die Bilder unterschiedlich erlebt. So kommt es in Abhängigkeit von der Zielgruppe zu unterschiedlichen Assoziationen (Mayerhofer 2003 S. 52). Die Befragung nimmt in der Marktforschung eine dominierende Rolle ein und wird diese auch in den nächsten Jahren behalten. Trotzdem gibt es Erhebungsziele und/oder 479

Wolfgang Mayerhofer

-situationen, in denen die Befragung überfordert ist und durch andere Methoden ersetzt oder ergänzt werden sollte. Dies ist immer dann zu überlegen, wenn damit gerechnet werden kann, dass die Befragten sich über ihre wahren Meinungen, Einstellungen oder Verhaltensweisen nicht im Klaren sind oder keine ehrlichen Antworten geben wollen. Umgekehrt konnte aber auch gezeichnet werden, dass die Beobachtung und insbesondere manche apparativen Verfahren der Werbeforschung auch nicht auf die Ergänzung durch die Befragung verzichten können. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass sich die Beobachtung sowohl im Pretest zur Diagnose als auch im Posttest zur Erfolgskontrolle (Trommsdorff 2003, S. 36) eignet. Vor der Anwendung neuer Techniken im Marketingbereich sollte erst die Validierung in der StammDisziplin erfolgt sein, um Fehlentwicklung wie die Euphorie im Zusammenhang mit der Hirnforschung oder Rückschläge durch übertriebene Erwartung (Pupillometrie; Mayerhofer 1990) zu vermeiden. Ähnliches zeichnet sich zurzeit in Form des Neuromarketings ab (Scheier und Held 2006). Eine Verbindung von Befragung und Beobachtung stellt auch der Ausdruckstest dar, bei dem der Interviewer die Auskunftsperson anhand vorgegebener Kategorien nach Mimik und Gestik einschätzen soll, wie dies im Rahmen der Allensbacher Werbeträger-Analyse (AWA) praktiziert wird (Noelle-Neumann 2000, S. 190). Bei der verdeckten Beobachtung gilt es, ethische und rechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen (Kepper 2000, S. 198), so etwa bei der Beobachtung von Fokusgruppen mittels Einwegscheiben vom Nebenraum (Hüttner 1997, S. 162). Eine der wichtigsten Aufgaben von Standesvertretungen der Markt- und Meinungsforschung ist es deshalb, für so genannte heikle Gebiete, wie dies die Beobachtung zweifellos darstellt, Richtlinien zu erlassen. Dies hat z.B. der Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute (ADM) im Jahr 1995 für die Beobachtung (http://www.admev.de/pdf/R01_D.pdf und http://www.adm-ev.de/pdf/R02_D.pdf; 17.06.2006) und die European Society for Opinion and Marketing Research (ESOMAR) für das Mystery Shopping (http://www.esomar.org/web/show/file/id=47043/filename=ps_cg_mystery shopping.pdf/page=43240) gemacht. Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass bei den oben angeführten Studien zur Leseverhaltensbeobachtung vor der Auswertung der Videobänder die Zustimmung der Probanden eingeholt (und auch gegeben) wurde. Musste vor mehr als 25 Jahren mit Professor Kroeber-Riel noch der Pionier der apparativen Werbeforschung im deutschsprachigen Raum Aufklärungsarbeit bei seinen amerikanischen Forscherkollegen leisten und „Ryan’s bad trip into Psychobiology“ durch ein gleichnamiges Arbeitspapier korrigieren (1979), so zählen insbesondere die apparativen Verfahren eye tracking monitor und galvanic skin response heute in den modernen Marketing-Research Lehrbüchern zum Standardrepertoire. So bleibt zu hoffen, dass auch die Leserinnen und Leser dieses Beitrags der Aussage von Zikmund (2003, S. 263) vollinhaltlich zustimmen: „Observation is a powerful tool for the marketing researcher.”

480

Die Beobachtung als Instrument der Werbewirkungsmessung

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486

Markenführung und Controlling

Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Markenführung und Controlling Der Markenwert in der Balanced Scorecard

1

Die derzeitigen Herausforderungen an das Management ....................................... 489

2

Die Forderung nach der strategischen Steuerung des Markenmanagements ....... 491

3

Die Balanced Scorecard als strategisches Steuerungsinstrument ........................... 493

4

Die Problematik der Wirkungsmessung von Marketingaktivitäten ....................... 495

5

Klassische Verfahren zur Messung des Markenwertes – kritische Beurteilung .... 497 5.1 Grundsätzliche Bemerkungen ............................................................................ 497 5.2 Finanzorientierte Verfahren ................................................................................ 498 5.3 Verhaltenswissenschaftliche Verfahren ............................................................. 501 5.4 Managementorientierte Verfahren ..................................................................... 504

6

Die Marken-Scorecard als Lösungsansatz .................................................................. 505 6.1 Grundsätzliche Bemerkungen ............................................................................ 505 6.2 Der Ansatz von Meffert und Koers .................................................................... 507 6.3 Der Ansatz von Bauer und Valtin ...................................................................... 510

7

Schlussbetrachtungen ................................................................................................... 511

487

Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Abstract

Die Balanced Scorecard ist heute zu einem wichtigen Steuerungsinstrument im Zuge der Strategieumsetzung geworden. So zeigte eine Studie von Töpfer et al. (2002), dass in großen deutschen Unternehmen 11 Prozent die BSC bereits umsetzen, 17 Prozent diese gerade implementieren und 28 Prozent eine Einführung planen. Ihre Wirkung basiert unter anderem darauf, strategische Wertetreiber herauszukristallisieren, sie in einem klaren Zielsystem messbar zu machen und im Sinne einer strategischen Landkarte verhaltensbeeinflussend einzusetzen. Einen dieser Wertetreiber auf der Kundenebene stellt die Marke bzw. der Markenwert dar. Es ergibt sich damit die Notwendigkeit einer umfassenden Betrachtung des Markenwertes unter den Aspekten der Rationalitätssicherung und der Verhaltenswirkung des Controllings. Die Marke repräsentiert dabei emotionale als auch rationale Merkmale des Leistungsangebotes von Unternehmen als Ausdruck ihrer tangiblen und intangiblen Fähigkeiten. Die Markenbewertung (brand value) ist im Zuge der Diskussion um die finanzielle Bewertung von intangible assets sowohl in der Wissenschaft als auch der Praxis ein hochaktuelles Thema. Im vorliegenden Beitrag werden ausgewählte Ansätze der Markenbewertung systematisiert und charakterisiert sowie bestehende Probleme der Markenbewertung aufgezeigt. Der Beitrag überprüft vor diesem Hintergrund, ob und inwieweit die vorhandenen Messkonzepte eine klare Operationalisierung im Sinne der Balanced Scorecard ermöglichen, ob sie verständlich gemacht und schließlich verhaltenswirksam eingesetzt werden können.

488

Markenführung und Controlling

1

Die derzeitigen Herausforderungen an das Management

Gesättigte Märkte, kritische und vor allem preissensible Verbraucher, immer raschere technologische Entwicklungszyklen bei gleichzeitig schneller Imitationsmöglichkeit sowie eine wachsende internationale Verflechtung und Globalisierung des Wettbewerbs haben heute nicht nur zur einer Verschärfung des Wettbewerbs geführt, sondern gleichzeitig zu veränderten Anforderungen an das Management. In diesem globalen Verdrängungswettbewerb können nur jene Unternehmen erfolgreich bestehen, die echte Wettbewerbsvorteile im Sinne einer einzigartigen und werthaltigen Marktposition schaffen können (Porter 1996). Dies ist eine schwierige Aufgabe, weil die heute immer stärkere Angleichung der technisch-objektiven Produkteigenschaften und damit die starke Substituierbarkeit der Angebote eine Profilierung über objektive Angebotskriterien allein kaum mehr möglich macht (Meffert und Burmann 2005, S. 20ff). Eine Differenzierung im Wettbewerb über die Schaffung einer wahrgenommenen positiven Kosten-Nutzen-Relation zu Gunsten des eigenen Angebotes (Matzler 2000, S. 290f) erfolgt daher mehr und mehr durch die Entwicklung starker Marken. Diese Marken repräsentieren dabei emotionale als auch rationale Merkmale des Leistungsangebotes von Unternehmen als Ausdruck ihrer tangiblen und intangiblen Fähigkeiten (Schweiger et al. 2002). Marken als Persönlichkeit schaffen eine breite Basis für die Marketingaktivitäten eines Unternehmens. Sie sind vom Unternehmen versprochene und von den Kunden wahrgenommene Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen, die eine nachhaltige Differenzierung bewirken (Burmann et al. 2005b, S. 7f), und die damit zu zentralen immateriellen Wertschöpfern in den Unternehmen werden (Esch 2005, S. 5). Die für diese Differenzierung notwendigen Markenstrategien müssen in turbulenten Zeiten nicht nur in die übergeordneten Unternehmensstrategien integriert sein, sondern sie müssen gleichzeitig möglichst rasch und effizient am Markt umgesetzt werden (Horvath 2001, S. 9ff). „The single most important skill in any business is the ability to translate strategy into action“ (Norton und Kaplan 2000, S. 15). Es reicht schon längst nicht mehr auf Veränderungen zu reagieren, wenn sich diese bereits in den operativen Ergebnissen des Erfolges bzw. der Liquidität manifestiert haben. Es geht vielmehr darum, die dem Erfolg vorgelagerten Erfolgspotenziale des Unternehmens in einer längerfristigen strategischen Perspektive aktiv zu gestalten (Kropfberger 2003, S. 311ff). Die klassischen finanziellen Messgrößen zur Überprüfung des Strategieerfolges bzw. zur Unterstützung von Managemententscheidungen greifen hierzu viel zu spät und versagen. Markenstrategien und der von ihnen erzielte ökonomische Marktwert sind damit als nachlaufende Ergebnisgrößen anhand von vorlaufenden Einflussgrößen zu beurteilen – d.h. vor allem anhand von psychischen 489

Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Wertetreibern, die die Markenstärke definieren (Burmann et al. 2005b, S. 9). Auch hier gilt: Gewinn kann man sich nicht im Nachhinein ausrechnen, Gewinn muss man von vornherein machen! Neben den Veränderungen im Wettbewerbsumfeld ist im Management selbst seit einigen Jahren ein Paradigmenwechsel zu beobachten, nämlich die Wertorientierung als zunehmend vorherrschende Denkhaltung. Es wird heute verstärkt Augenmerk auf den finanziellen Return von strategischen Initiativen gelegt (Copeland et al. 1996), d.h. es werden Unternehmensaktivitäten im Sinne des Shareholder-Value-Gedankens (Rappaport 1999) nach einem Maßstab des Unternehmenswertes bzw. der Wertsteigerung – z.B. Return on Investment (ROI), Return on Capital Employed (ROCE), Return on Assets (ROA), Cash Flow Return on Investment (CFROI), Economic Value Added123 (EVA), Shareholder Value (SHV) und Ähnlichem beurteilt. Welche Bedeutung dabei intangible Assets und Marken als Hebel zur Steigerung des Unternehmenswertes haben, zeigt Abbildung 1-1. Wie aus der Graphik ersichtlich, ist der Wert der intangiblen Assets in den letzten 50 Jahren von etwas mehr als 20 Prozent auf heute nahezu 50 Prozent gestiegen.

Abbildung 1-1:

Bedeutung von Intangible Assets in der Wirtschaftswelt von heute (Quelle: Wall Street Journal 4. April 2002, Business Week, 2. August 2004, zitiert nach Srivastava und Reibstein (2004), S. 4

123 Das Konzept des Economic Value Added ist eng mit dem ökonomischen Gewinn verwandt.

Es ist darunter ein Residualgewinn bzw. Residualeinkommen pro Periode zu verstehen, welcher aus der Differenz zwischen Gesamtkapitalrendite und Gesamtkapitalkostensatz errechnet wird (vgl. dazu ausführlich Weber 2002, S. 194f).

490

Markenführung und Controlling

2

Die Forderung nach der strategischen Steuerung des Markenmanagements

Marken sind für eine wertorientierte Unternehmensführung im scharfen Wettbewerb viel zu wertvoll, als dass man ihren Erfolg (oder Misserfolg) den Aktivitäten der Marketer bzw. sogar nur jenen der „Kreativen“ allein überlassen kann. Marken gehören im Sinne eines konsequenten Markenmanagements strategisch gesteuert. Anstelle oft stark mystizistischer Züge in der Markenführung muss das Controlling durch rationale Planung, Steuerung und Kontrolle zur „Entzauberung der magischen Markenwelt“ der Kreativen beitragen (Meffert und Koers 2005, S. 274). Auch wenn die Markenverantwortlichen der monetären Bewertung von Marken und Markenaktivitäten mit gemischten Gefühlen gegenüberstehen mögen, und auch wenn bei der Messung durchaus methodische Schwierigkeiten auftreten können, so wird die monetäre Markenbewertung doch von einer „Nice to have -“ zu einer „MussAufgabe“ (Strebinger 2005a, S. 37). Auch für das Markenmanagement gilt, was Kaplan und Norton (2001) für die Unternehmensführung postuliert haben: Wenn man die langfristige Effektivität der Strategie und die Effizienz ihrer Umsetzung steigern will, besteht zuerst einmal die Forderung „Miss die Strategie!“ (Kaplan und Norton 2001, S. 5), und zwar nicht nur auf der Ebene der finanziellen Ergebnisgrößen, sondern auch auf der Ebene der vorlaufenden Indikatoren. Durch diese Vorgehensweise bekommt man gleichzeitig die Möglichkeit einer wirksamen Strategieumsetzung und -steuerung. „Denn wer die Strategie messen will,

der muss zuerst einmal die strategischen Perspektiven klar machen, d.h. die Strategie in ihre Hauptstoßrichtungen aufsplitten und konkretisieren;

der muss als nächstes klare Messkriterien entwickeln und der muss Sollvorgaben für die Strategieergebnisse formulieren“ (Kropfberger 2003, S. 316). Dabei gilt grundsätzlich: „If you can’t measure it, you can’t manage it!“ (MüllerStewens und Lechner 2001, S. 519). Dazu kommt noch ein zusätzlicher Aspekt, der mit der Verhaltenswirkung des Controlling umschrieben werden kann. Auf Mitarbeiterebene gilt: Was gemessen wird, wird auch getan! Und auf Managementebene gilt: Was du misst, das wirst du auch bekommen (Müller-Stewens und Lechner 2001, S. 520ff). Das Instrument dafür ist die Balanced Scorecard (BSC), also jener ausgewogene Berichtsbogen, dessen Hauptziel darin liegt, die Strategie des Unternehmens konkret und messbar und damit im Sinne einer strategischen Landkarte relevant für das

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

tägliche Handeln der Führungskräfte und Mitarbeiter zu machen (Böhnisch und Krennhuber 2001, S. 129). Das gilt auch und insbesondere für Marketingaktivitäten, die neben internen Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität und Verbesserung der Kostensituation auf der unternehmensexternen Seite den zentralen Hebel für den Erfolg durch eine Verbesserung der Markt- und Ertragsstellung bilden (Malik 2004, S. 60). Welchen Widerspruch das allerdings erzeugen kann, zeigt z.B. Rese (2004), der meint, dass zwar die Messbarkeit von Marketingaktivitäten das Zukunftsproblem des Marketingmanagements schlechthin ist, dass dies aber andererseits auch ein „…Synonym für Kontrolle von etwas (ist), das man gar nicht in monetären Größen abbilden noch überprüfen kann“ (Rese 2004, S. 44). Finanzielle Messgrößen wurden und werden in diesem Sinne auch heute noch weitgehend als ungeeignet für die Wirkungsanalyse von Marketinginvestitionen betrachtet (Dekimpe und Hanssens 1995, S. 19). Auf der anderen Seite wurde allerdings bereits durch die PIMS-Studie der Zusammenhang zwischen dem relativen Kundennutzen und dem relativen Marktanteil einerseits, und dem ROI und dem Cashflow andererseits empirisch belegt (Buzzel und Gale 1987, S. 63ff). Spätere Studien bestätigten den Zusammenhang zwischen Markenstärke und Börsenwert (Aaker und Jacobson 1994; Aaker und Jacobson 2001; Barth et al. 1998; Esch 2002; Kernstock et al. 2004; Mizik und Jacobson 2004 sowie Mizik und Jacobson 2005). Damit muss gerade im Bereich des Marketings die Forderung nach der Integration qualitativer Kenngrößen in die strategischen Messmethoden erhoben werden (Clark 1999, S. 729f). Als eine zentrale Herausforderung bei der Wirkungsmessung von Marketingaktivitäten ist in diesem Sinne die Übersetzung von vorökonomischen Größen in ihre ökonomischen Erlös- und Kostenwirkungen zu sehen (Plinke 1992, S. 830). Ähnlich argumentiert auch Schweiger (1998, S. 20ff), wenn er den ökonomischen Wert einer Marke in der Möglichkeit der Erzielung einer Preisprämie für Markenprodukte sieht und die monetäre Markenbewertung als Voraussetzung für ein wertorientiertes Markenmanagement betrachtet (Schweiger und Friederes 1995). Immer weniger kann daher die Markenführung der Intuition überlassen werden, und immer stärker ist sie als Investition zu sehen, die ihre Rentabilität beweisen muss (Strebinger 2005a, S. 38).

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Markenführung und Controlling

3

Die Balanced Scorecard als strategisches Steuerungsinstrument

Ein Hauptziel der BSC liegt darin, die Strategie des Unternehmens konkret und messbar zu machen. Dabei macht sie sich einen gängigen Grundsatz des Managements zu Eigen: Bevor mit der Erarbeitung von konkreten Maßnahmen begonnen werden kann, müssen zunächst klare Ziele vorliegen (Kumpf 2001, S. 151). Daher bricht die BSC die Vision und die Kernstrategie des Unternehmens logisch, stringent abgeleitet „top-down“ in folgende vier Perspektiven herunter, die ausgewogen und aufeinander abgestimmt sein müssen (Horvath 2001, S. 21ff; Kaplan und Norton 2001, S. 26ff):

Die Finanzperspektive (Outcome) bildet die Messlatte für den Erfolg bzw. Misserfolg der Strategie des Unternehmens. Die Kernfrage lautet: „Welche Zielsetzungen leiten sich aus den finanziellen Erwartungen unserer Kapitalgeber ab, die wir bei der Umsetzung der Vision und Kernstrategie erfüllen müssen?“

Die Kundenperspektive (Output) entspricht der Erkenntnis, dass man finanzielle Erfolge nur bei einer klaren Marktselektion, verbunden mit einem entsprechenden Marktauftritt, erhalten kann. Die Kernfrage lautet: „Welche Ziele sind hinsichtlich Struktur und Anforderungen unserer Kunden zu setzen? Wie sollen wir in den Augen der Kunden erscheinen, um unsere Vision und Strategie erfolgreich umzusetzen und unsere finanziellen Ziele zu erreichen?“

Die Prozessperspektive (Transformation) will jene Kernprozesse herausstreichen, die wesentlich zur Strategieumsetzung beitragen. Die Kernfrage lautet: „Bei welchen Prozessen müssen wir Hervorragendes leisten, um die Anforderungen unserer Kunden zu erfüllen und unsere finanziellen Ziele zu erreichen und damit unsere Strategie erfolgreich umsetzen zu können?“

Bei der Potenzial-, Lern- und Entwicklungsperspektive (Input) geht es schließlich darum, die notwendigen Potenziale zu schaffen, um das bisher entwickelte Strategiepaket erfolgreich umsetzen zu können. Besonderen Stellenwert haben dabei das Wissen, die Kreativität und die Innovationskraft der Organisation und ihrer Mitarbeiter. Die Kernfrage lautet: „Welche Fähigkeiten und Potenziale müssen wir schaffen bzw. lernen, um unsere Prozesse in den Griff zu bekommen, um für unsere Kunden Werte zu schaffen und um damit unsere finanziellen Ziele zu erreichen und letztendlich unsere Strategie und Vision zu verwirklichen?“ In der BSC selbst werden grundsätzlich mehrere Managementkonzepte umgesetzt. Ausgangspunkt der BSC ist der „value-based view“ (Rappaport 1986). Nach diesem Ansatz geht es bei der Zielsetzung des Managements nicht nur darum, kurzfristig Gewinne zu erzielen, sondern den langfristigen Wert eines Unternehmens zu steigern.

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Diese Wertsteigerung wird im Wesentlichen am Unternehmenswert gemessen, der durch den kapitalisierten Barwert der zukünftigen Cashflows berechnet wird, häufig ergänzt auch durch die Rendite des eingesetzten Kapitals (ROCE) und durch die Überrendite des Unternehmens über die Kapitalkosten hinaus (EVA). So bestechend diese Kennzahlen für den Eigentümer aussehen mögen, so stellt sich doch relativ rasch heraus, dass sie in Wahrheit für die strategische Steuerung ungeeignet sind (Horvath 2001, S. 9). Sie sind nur Ergebnisgrößen (Results) vorgelagerter strategischer Aktionen (Enabler). Die finanziellen Ergebnisse lassen sich daher nur bedingt direkt beeinflussen, wesentlicher ist die Beeinflussung der dahinter liegenden Wertetreiber. Diese Wertetreiber sind sowohl die externen als auch die internen Erfolgsfaktoren des Unternehmens. Der „market-based view“ (Kotler und Bliemel 2001; Porter 1997) berücksichtigt die externen Erfolgsfaktoren des Unternehmens. Man geht dabei zuerst einmal davon aus, dass in einem existierenden Käufermarkt das Unternehmen nur dann Gewinne erzielen kann, wenn es ihm gelingt Kundenwerte und in der Folge Kundenzufriedenheit zu schaffen (Peschke 1997, S. 89ff). Das allein reicht allerdings nicht aus. Ergänzend dazu muss es dem Unternehmen gelingen, diese Wertsteigerung besser als der Wettbewerb zu schaffen und außerdem entsprechend attraktive Teilmärkte zu bearbeiten (Porter 1997). In einer derartigen Outside-In-Betrachtung entscheiden letztendlich die strategische Marktwahl im Sinne der Positionierung und die Profilierung im Wettbewerb (und zwar in den Augen der Kunden) über Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens (Abell 1980). Das scheinbare Gegenkonzept dazu stellt der auf die internen Erfolgspotenziale ausgerichtete „resource-based view“ dar, dem eine Inside-Out-Betrachtungsweise zu Grunde liegt (Hamel und Prahalad 1995). Nachhaltige Wettbewerbsvorteile können aus dieser Sicht nur dann geschaffen werden, wenn es gelingt, Ressourcen und Kernfähigkeiten zu unverwechselbaren Kernkompetenzen zu bündeln und sich damit strategische Erfolgspositionen aufzubauen (Pümpin 1986, S. 34). Besonderen Stellenwert bekommen dabei die Wissensbasis des Unternehmens und die Effizienz der eingesetzten Prozesse (Hammer und Champy 1994). „Denn wenn man verstehen will, wie sich einzigartige Ressourcen und Fähigkeiten bilden, dann kommt man nicht umhin, sich mit den Vorgängen (d.h. den Prozessen, e.A.) in Unternehmen auseinanderzusetzen“ (Müller-Stewens und Lechner 2001, S. 11).

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Markenführung und Controlling

4

Die Problematik der Wirkungsmessung von Marketingaktivitäten

Durch den Einsatz der BSC entstehen für das Controlling völlig neue Aufgaben. Das Controlling muss sich von einer finanzorientierten Ergebnisrechnung hin zu einer erfolgsorientierten Wertrechnung und einer steuerungsorientierten Wirkungsrechnung entwickeln. Das entspricht der Logik der BSC: Die Finanzebene als Ergebnisebene hängt ultimativ von den Kunden- bzw. Markterfolgen ab, und diese wiederum von den internen Prozessen und den dahinter stehenden Kompetenzen. Oder markenbezogen formuliert: Der Wert einer Marke bildet sich in einem ganzheitlichen Ansatz einerseits aus einer konsistenten, kaufrelevanten Markenidentität in den Augen der Zielgruppe im Sinne des Fremdbildes der Marke (Markenimage), und andererseits aus einer von innen heraus gelebten Markenidentität als Selbstbild der Marke im Unternehmen, das in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägt (Burmann und Meffert 2005, S. 65f). Das klingt alles sehr logisch, wenn da nicht ein großes Zurechnungs- und Messproblem bestünde:

Wie kann man qualitative Größen des Marktes in einen stringenten Zusammenhang zu den finanziellen Erfolgsgrößen bringen? Was sind also z.B. Markenidentität, Kundenloyalität und -vertrauen, Kundenzufriedenheit oder Images finanziell wert?

Wie kann man diese Größen durchaus auch in ihrer qualitativen Dimension im Sinne eines Monitoring messbar und damit auch steuerbar machen?

Wie kann man schließlich die Prozesse und die dahinter stehende Lern- und Wissensbasis in einen messbaren Bezug zum Markenerfolg bringen? Wir haben es dabei häufig mit einer doppelten Black Box zu tun. Die erste Black Box betrifft die Wirkung des Einsatzes der Marketinginstrumente auf die intangiblen Assets, also den Marktwert, die Images, die Kundenbindung oder die Kundenzufriedenheit. Die zweite Black Box betrifft den Einfluss dieser qualitativen Größen auf das Ergebnis, also auf Umsatz, Wachstum und Gewinn und damit schlussendlich auf den Shareholder Value. Solange hier keine Erhellung der Zusammenhänge möglich ist, bleibt im Controlling immer das Problem, dass zwar die Kosten der Marketingmaßnahmen exakt gemessen und daher auch gesteuert werden können, die Ergebniswirkungen dagegen unsicher und vor allem mehrdeutig sind. Oder um das Henry Ford aber auch John Wannamaker zugesprochene klassische Manager-Zitat bezüglich der Werbebudgets und ihrer Wirkung zu wiederholen: „Ich weiß zwar, dass ich die Hälfte meiner Werbeausgaben zum Fenster hinauswerfe, ich weiß allerdings nicht, welche Hälfte!“ (Meffert 1982, S. 533) Und die Wahrheit ist außerdem, dass man nicht einmal weiß, ob es die Hälfte sein wird, die wirkt, oder nicht wesentlich weniger (Meffert und Burmann 2005, S. 30ff). In diesem Sinne ist es daher eminent wichtig,

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Marketingmaßnahmen in ihrer Wirkung besser mess-, beurteil- und prognostizierbar zu machen. Der Output von Marketingaktivitäten wurde bislang oft nur ansatzweise und zumeist auf Teilbereiche fokussiert untersucht (z.B. Preiswirkungen, Werbewirkungen). Insgesamt besteht aber im Hinblick auf die Marketingproduktivität die Forderung nach einer gleichzeitigen Betrachtung von Effizienz (z.B. geringe Marketingkosten) und Effektivität (z.B. zufriedene Kunden), also nach einer „effektiven Effizienz“ im Marketing (Sheth und Sisodia 2002, S. 352). Vor dem Hintergrund der gezeigten Entwicklungen ist das Marketing in verstärktem Maße mit der Forderung einer quantitativen Wirkungsmessung konfrontiert (Blattberg und Deighton 1997, S. 32; Wayland und Cole 1994). Diese quantitative, monetäre Bewertung im Sinne des Controllings bereitet jedoch Schwierigkeiten. Sheth und Sisodia (2002, S. 349) formulieren dazu pointiert: „Marketing’s fundamental problem today is a low productivity and lack of accountability”. In einer früheren Publikation sprachen die Autoren auch von einer „Produktivitätskrise im Marketing”, nachdem die Produktions- und Managementkosten durch laufende Verbesserungen anteilsmäßig gesunken, die Marketingkosten jedoch parallel dazu gestiegen sind (Sheth und Sisodia 1995, S. 10). „Measuring marketing productivity and efficiency was believed to be difficult, if not impossible” (Sheth und Sisodia 2002, S. 350). In den letzten Jahren hat sich allerdings die Diskussion um die Aufgabenbereiche des Controllings erweitert. Zwei wesentliche Entwicklungslinien sollen für die hier vorliegende Themenstellung skizziert werden:

Zuerst einmal konzentriert sich das Controlling zunehmend auf die Bewertung und Steuerung von intangiblen Assets (Horvàth 2004; Matzler et al. 2006). Diese Erweiterung hat unmittelbar zur Folge, dass im Controlling neben dem Produkt bzw. der Leistung noch stärker der Markt, der Kunde und auch die Marke in den Vordergrund des Interesses rücken. „Die Wertorientierung, die Ende der 80er Jahre mit der Shareholder-Value-Diskussion begann und sich ausschließlich auf den Produktionsfaktor Kapital (Investment Capital) bezieht, wird zur wertorientierten Führung in Zukunft nicht mehr ausreichen” (Hahn und Hungeberg 2001, S. 1150). Es gilt also, die als intangible Assets interpretierbare „Residualgröße” zwischen dem Shareholder Value und dem Substanzwert messbar, zuordenbar und interpretierbar zu machen.

Will das Controlling über diese Entscheidungsunterstützung im Sinne der Rationalitätssicherung (Weber und Schäffer 2001) hinaus noch einen echten Beitrag zur Wertsteigerung liefern, dann muss sich das Controlling auch und insbesondere mit den Verhaltensweisen der Akteure selbst beschäftigen und sich einer verhaltensorientierten Perspektive öffnen (Weber 2005, S. 10). So sollen die Messund Steuerungsgrößen durchaus im Sinne der Balanced Scorecard inhaltlich und zeitlich präzise, vor allem aber verständlich formuliert werden und die damit gemessene Zielerreichung sich auch in entsprechenden Anreizsystemen

496

Markenführung und Controlling

niederschlagen. Ungenaue, nicht messbare, schwer nachvollziehbare Vorgaben sind für das Verhalten bedeutungslos (Kaplan und Norton 1996, S. 75ff). Diese Forderungen gelten auch für die Markenbewertung und deren Auswirkungen auf die Markenführung.

5

Klassische Verfahren zur Messung des Markenwertes – kritische Beurteilung

5.1

Grundsätzliche Bemerkungen

Die Marketingliteratur und -praxis kennt eine Vielzahl von möglichen Ansätzen und Verfahren zur Ermittlung des Markenwertes (Strebinger 2005a, S. 38). Die meisten dieser Markenbewertungsverfahren werden zum überwiegenden Teil im Bereich der bilanziellen Bewertung im Zuge von Käufern oder Verkäufen einzelner Marken oder des ganzen Unternehmens eingesetzt (Esch 2005, S. 543; Price Waterhouse Coopers und Sattler 2001; Schweiger und Friederes 1995). In der praktischen Umsetzung zeigt sich jedoch, dass die dabei zum Einsatz kommenden monetären Verfahren der Markenbewertung wesentliche Unterschiede in den Ergebnissen aufweisen. So ergeben sich Unterschiede in der Bewertung derselben Marke zwischen den verschiedenen Ansätzen von bis zu über 300 Prozent (Esch 2005, 556f; Kranz 2002 S. 449f). Daraus erklärt sich auch die nur als durchschnittlich bewertete Zufriedenheit der Unternehmen mit den vorherrschenden Bewertungsverfahren (Schimansky 2003, S. 48f). Auf der anderen Seite gewinnt für die Markenführung und das Markencontrolling die Messung des Markenwertes zunehmend an Bedeutung (Gerpott und Thomas 2004, S. 394; Hupp 2004, S. 21). Zur Strategieumsetzung und Steuerung einer Marke, muss ein aussagekräftiges Modell vor allem ein klares Bild der Markenleistung liefern (Hupp 2004, S. 21). Hierbei geht es im Kern um zwei Probleme (Strebinger 2005a, S. 38), und zwar:

um

ein Isolationsproblem der Markenwirkung gegenüber anderen Einflussfaktoren auf den Markterfolg bzw. auch gegenüber der Wirkung der anderen intangiblen Assets und

um ein Prognoseproblem bei der Beurteilung der zukünftigen Erfolgswirkungen von markenbezogenen Aktivitäten als Voraussetzung für ihre strategische Steuerung.

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Schließlich kommt im Sinne der Verhaltenswirkung noch ein Verständnis- und Identifikationsproblem der Betroffenen dazu, die die Ergebnisse der Messung akzeptieren und in weiteren Maßnahmen berücksichtigen müssen. Daher soll in einem ersten Schritt beurteilt werden, welche Verfahren sich tendenziell dazu eignen, ein Markencontrolling und eine strategische Markensteuerung über die BSC zu betreiben. Dabei zeigt sich, dass die Ansätze zur Klassifizierung von Markenbewertungsverfahren in der Literatur sehr stark divergieren, je nachdem, welchen Fokus die Klassifizierung verfolgt (vgl. dazu z.B. Frahm 2003, S. 48ff; Gerpott und Thomas 2004, S. 394f; Kranz 2002, S. 441ff; Wirtz und Roth 2004, S. 272ff). Grob lassen sich die Verfahren anhand der Outputgrößen des Verfahrens unter die Rubriken monetär und nichtmonetär einteilen (Frahm 2003, S. 49). Dabei lassen sich die monetären Verfahren in finanzorientierte sowie kombinierte, managementorientierte Verfahren unterteilen, während die nichtmonetären Verfahren meist verhaltenswissenschaftliche Verfahren darstellen (Fischer 2005, o.S.; Gerpott und Thomas 2004, S. 394f; Wirtz und Roth 2004, S. 272ff). Die Abbildung 5-1 gibt einen auszugsweisen Überblick über die bestehenden Verfahren.

5.2

Finanzorientierte Verfahren

Die finanzorientierten Verfahren sind an die bilanzielle Bewertung von tangiblen Vermögensgegenständen angelehnt, daher wird als Ergebnis ein monetärerer Wert für die Marke ausgewiesen. Diese Messkonzepte lassen sich einteilen in: 1.

kostenorientierte,

2.

ertragswertorientierte und

3.

kapitalmarktorientierte Verfahren der Markenbewertung.

Kostenorientierte Verfahren der Markenbewertung gehen von der Annnahme aus, dass die Marke den Wert der für die Marke getätigten Kosten hat, wobei diese Bewertung zu historischen Kosten oder Wiederbeschaffungskosten geschehen kann (Barwise et al. 1989, Kapferer 1992). Zentrale Vorteile dieser kostenorientierten Verfahren sind die Einfachheit der Ermittlung und die klare monetäre Größe für das Ergebnis. Kritisch anzumerken ist allerdings, dass hohe Kosten, die in den Aufbau einer Marke fließen, nicht unmittelbar einen Markenwert im Kopf der Kunden erzeugen. Auch für Marken gilt der zentrale Marketinggrundsatz, dass eine Leistung nicht das wert ist, was sie gekostet hat, sondern dass, was die Kunden bereit sind dafür zu bezahlen – und das hängt von ihren Nutzenerwartungen ab und nicht von den Unternehmenskosten. Außerdem ist der kostenorientierte Ansatz ein vergangenheitsorientiertes Messverfahren (Esch 2005, S. 559; Wirtz und Roth 2004, S. 275) und für die Beurteilung der

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Markenführung und Controlling

Zukunft ungeeignet. Daher ist von einer Anwendung dieses Ansatzes strikt abzuraten (Sattler 2005, S. 19).

Abbildung 5-1:

Verfahren der Markenbewertung im Überblick

Verfahren Ansätze der Ansätzezur zur Markenbewertung Markenbewertung

Verhaltensorientierte Verhaltensorientierte Verfahren Ansätze Ansätze

Finanzorientierte Finanzorientierte Ansätze Verfahren Ansätze

Managementorientierte Managementorientierte Kombinativ kombinativ Kombinativ verhaltensverhaltens- und und finanzorientierter finanzorientierte finanzorientierter Verfahren Ansätze Ansätze

Charakteristika

Analyse der verhaltenspsychologischen Wirkungen psychologischen der Marke Prozesse der Marke

Ermittlung einer finanziellen Größe der Markenwirkung - auf Basis von Kosten, (zukünftigen) Ertragswerten oder Kapuitalmarktgrößen Kapitalmarktgrößen - zur Ermittlung von Preisprämien - Marktwertorientierte Ansätze

Fokus auf die Steuerung vonSteuerung Marken der -Marke Scoringmodelle - Simulationsmodelle - Indikatorenmodelle - Portfoliomodelle

Vertreter z.B.

Aaker (1991) Keller (1993, 1998) Icon Markeneisberg – Andresen/Esch 2001 Brand Potential Index GfK Gfk Conversion Modell TNS (2004)

Kern (1962) Kriegbaum (2001) Simon/Sullivan (1993) Smith (1997) Herp (1992)

Interbrand (1999) Brand Finance (2000) FutureBrand (2000) GfK/PwC/Sattler nach Högl et al. (2002) Semion (1999, 2000) BBDO BEES Consulting (2001) BEES (2001) Brand Performancer AC-Nielsen (2000) Icon Brand ICON BrandNavigator Navigator nach Esch (2005)

Ertragswertorientierte Verfahren basieren auf der Überlegung, die zukünftigen markenspezifischen Markterfolge zu prognostizieren und die Einzahlungsüberschüsse auf die aktuelle Periode abzuzinsen (z.B. Kern 1962, Fischer 2005). Der Ertragswert selbst ergibt sich dabei aus der Abschätzung der Preis- und/oder der Mengenprämie der Marke. Diese Verfahren haben sich vor allem bei der monetären Einmalbewertung einer Marke (für Rechtssprechung, Unternehmensverkäufe und Bilanzierung etc.) in Wissenschaft und Praxis bewährt (Sattler 2005, S. 20). Positiv hervorzuheben ist die Zukunftsorientierung des ermittelten Markenwertes, der sich eng an der Idee des Shareholder-Value-Ansatzes orientiert. Strategien und deren Umsetzung haben hier eine Maximierung des Markenwerts zum Ziel. Analog sind aber auch die

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

ertragswertorientierten Verfahren mit den generellen Problemen der ShareholderValue-Ermittlung auf der Basis des „Discounted cashflow“ behaftet. Das betrifft vor allem die subjektive Prognose der erwarteten Zahlungsströme, die oft willkürliche Festlegung des Zeithorizonts (und damit die Beeinflussung des Barwerts der ewigen Rente als Endwert des Unternehmens) und schließlich die Fixierung des Diskontierungszinssatzes. Berechnungen anhand von realen Investitionsprojekten zeigen, dass sich allein dadurch der Shareholder-Value bei durchaus plausiblen Prognoseannahmen um bis zu 50 Prozent verändern lässt (Horvath 2001, S. 51). Dieser Manipulationseffekt tritt selbstverständlich analog bei der Markenbewertung mit dem Verfahren des Discounted Cashflow auf (Burmann et al. 2005a, S. 328ff). Dazu kommt, dass die Prognose von Zahlungsströmen für Manager, deren klassische Reportingsysteme auf Erlösen und Kosten aufbauen, extrem schwierig ist (Mussnig 2001, S. 140). Schließlich ist im gesamtunternehmensbezogenen Shareholder-Value-Konzept die Problematik der Isolierung der markenspezifischen Zahlungsströme ungelöst (Esch 2005, S. 560). „Im besten Fall verschwimmt dann die Grenze zwischen vertretbaren Annahmen und wishful thinking, im schlechtesten Fall handelt es sich um hockey stick forecasts“124 (Albach 2001, S. 656). Kapitalmarktorientierte Verfahren eignen sich auf den ersten Blick für börsennotierte Unternehmen. Dabei wird von der Idee ausgegangen, dass der Börsenwert dann den Markenwert widerspiegelt, wenn vom börsennotierten Gesamtwert des Unternehmens die materiellen und weiteren immateriellen Vermögensgegenstände abgezogen werden (Simon und Sullivan 1993, S. 29). Problematisch ist dabei aber die Abgrenzung des Markenwertes von anderen intangiblen Werten, wie z.B. dem Kundenwert, dem Wert der Innovationskraft des Unternehmens, den HumanRessourcen oder dem Wissenspotenzial. Weiters stellt die mangelnde Validität des Ansatzes ein Problem dar, genauso wie eine fehlende Zuordenbarkeit der Markenwerte bei Unternehmen, die mehrere Marken führen, oder auch das Problem von möglichen Verbundeffekten bei einer Dachmarkenstrategie. So wies Albach (2001, S. 655ff) nach, dass bei Nutzung von Economies-of-Scope-Effekten der Unternehmenswert nicht gleich der Summe der Werte der Geschäftsfelder, sondern höher ist. Der Vorteil der finanzorientierten Verfahren, die einfache Mess- und Vergleichbarkeit der Ergebnisse, da hier der Marktwert in Geldeinheiten ausgedrückt wird (Gerpott und Thomas 2004, S. 398), ist allerdings mehr als trügerisch. So hält Malik (2004) pointiert fest, dass es nicht Sinn und Zweck der Unternehmensführung – und damit auch nicht der Markenführung – ist, den Aktienkurs zu steigern, sondern dass das Unternehmen lebens-, d.h. wettbewerbsfähig ist: „Zwischen dem Wert eines Unternehmens (…) und seiner Konkurrenzfähigkeit gibt es keinen kausalen Zusammenhang. Man kann (…) nicht vom Wert der Aktie auf die Wettbewerbsfähigkeit und Leistungskraft des Unternehmens schließen, und zwar weder im positiven noch im

124 Unter „hockey stick forecasts“ werden überoptimistische Planungswerte verstanden.

500

Markenführung und Controlling

negativen Sinne. Man kann daraus nur Schlüsse auf Naivität, Gier und Angst der Anleger ziehen“ (Malik 2004, S. 66).

5.3

Verhaltenswissenschaftliche Verfahren

Die verhaltenswissenschaftlichen Verfahren beruhen auf der Überlegung, die „Stärke und Verankerung der Marke in den Köpfen der Kunden“ zu messen und in Indexzahlen auszudrücken. Damit soll es gelingen, verhaltensbezogene Einflussgrößen der Markenstärke zu erfassen, in einem Nutzwertverfahren zu bewerten und in der Folge diesen Nutzwert (Index) als Maßstab für den Markenwert heranzuziehen. Eines der bekanntesten dieser Messkonzepte ist der Markeneisberg von ICON (Andresen und Esch 2001, S. 1082ff; Musiol et al. 2004, S. 376ff). Das Verfahren basiert auf Kundenbefragungen mit Itembatterien zu den zwei zentralen Konstrukten des Markeneisberges, dem Markenbild und dem Markenguthaben. Das Markenbild orientiert sich an der direkten Wahrnehmung der Marke durch die Kunden und umfasst dabei die Dimensionen Markenbekanntheit, Markenklarheit, subjektiv empfundener Kommunikationsdruck, Einprägsamkeit der Kommunikation, Markenuniqueness und Attraktivität der Marke. Das Markenguthaben wiederum stellt die emotionale Bindung des Kunden an die Marke dar. Es wird indirekt über die Zeit durch das Markenbild aufgebaut und umfasst die Sympathie für die Marke, das Markenvertrauen sowie die Loyalität zur Marke. Diese Dimensionen werden in einer Befragung von den Kunden direkt beurteilt, woraus sich Indexwerte ergeben, die dann in Summe den nichtmonetären Markenwert darstellen. Diese Indexwerte können im Zeitverlauf oder mit Referenzwerten aus der Branche verglichen werden (Andresen und Esch 2001, S. 1082ff), wobei sich im Zeitverlauf der Aufbau des Markenguthabens zeigt. Auf dem Markeneisberg aufbauend wird im Brand Rating Verfahren von ICON ein monetärer Markenwert ermittelt (Musiol et al. 2004, S. 385ff). Dabei wird der Markeneisberg-Index (der die qualitative Markenstärke messen soll) mit einem diskontierten Preisabstand (der den quantitativen Markenbonus im Zeitablauf als ewige Rente messen soll) und einem Brand Future Score (der das qualitative Markenpotenzial in der Zukunft messen soll) multipliziert. Es gilt also: Markenwert =

Eisberg-Index * diskontierter Preisabstand * zukünftiges Potenzial der Marke

(Musiol et al. 2004, S. 385ff). Außerdem ist die Ermittlung der Scores nicht wirklich einsichtig und basiert auf subjektiven Expertenbeurteilungen. Auch dem Preisabstand liegen teilweise Expertenmeinungen zugrunde, und der Preisabstand gilt nicht gegenüber dem Durchschnittsangebot, sondern gegenüber dem billigsten Anbieter. Damit wird u.E. insgesamt eine Genauigkeit vorgespiegelt, welche die Datenbasis keinesfalls hergeben kann.

501

Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Nach einem vergleichbaren Muster ist der Brand Potential Index (BPI) der GfK aufgebaut, der die Markenstärke über zehn Dimensionen operationalisiert. Das sind die Markenloyalität, die Kaufabsicht, die Markenbekanntheit, die Mehrpreisakzeptanz, die Uniqueness, die Markensympathie, das Markenvertrauen, die wahrgenommene Qualität, die Markenidentifikation und die Bereitschaft zur Weiterempfehlung. Ausgehend von diesen zehn Dimensionen wird ein Indexwert ermittelt, der die Markenstärke darstellt. Dieser wird entweder durch Paneldaten regelmäßig für diverse Branchen oder durch direkte Befragungen der Kunden erhoben (Esch 2005, S. 547ff; Högl und Hupp 2004, S. 127ff). Dieses Verfahren wurde ebenfalls kausalanalytisch untersucht. Dabei wurde ein Zusammenhang zwischen der Markenstärke und den First-Choice-Buyern ermittelt (Grimm et al. 2000, S. 8ff). Ebenso wie der Markeneisberg bietet der BPI zwei zentrale Anknüpfungspunkte für das Controlling. Einerseits ist die Operationalisierung über mehrere Einzeldimensionen gegeben, welche auch als Steuerungsgrößen heranziehbar sind. Andererseits erfolgt die Markenbewertung „objektiv“ über die Kunden. Auch der BPI wurde in jüngerer Zeit zu einem monetären Markenbewertungsverfahren weiterentwickelt. Allerdings hat dieses Verfahren ähnliche Probleme wie das Brand Rating von ICON. Als drittes Modell soll hier das Conversion Modell von TNS vorgestellt werden (Loeper und Schotte 2004, S. 254ff). Das Conversion Modell verfolgt gegenüber den anderen verhaltenswissenschaftlichen Modellen, welche meist die Markenstärke messen, einen anderen Ansatz, der das Commitment zu einer Marke bzw. einem Unternehmen berücksichtigt. Dieses Commitment ist seit den späten 80er Jahren zu einer vieldiskutierten Größe im Marketing geworden (z.B. Hofmeyr und Rice 2002, S. 23ff; Loeper und Schotte 2004, S. 253). Commitment spiegelt den Grad der emotionalen Kundenbindung (d.h. Engagement, Verpflichtung bzw. Hingabe) eines Kunden mit einer Marke bzw. einem Unternehmen wider. Commitment erklärt dabei bis zu 80 Prozent des aktuellen und zukünftigen Kundenverhaltens und des Marktanteils (Hofmeyer und Rice, S. 125). Im Conversion Modell von TNS wird daher die Kraft einer Marke über das Commitment des Kunden gemessen, welches über die Zufriedenheit, das Involvement in die Produktkategorie, die Attraktivität von Alternativen und des Images im Kaufentscheidungsprozess operationalisiert und im Rahmen von Befragungen ermittelt wird. Als Ergebnis können bestehende Kunden in vier Kategorien unterteilt werden, die ein unterschiedliches Commitment aufweisen. Es sind dies verwurzelte, verbundene, schwankende und wechselbereite Kunden. Die Nicht-Kunden wiederum können ebenfalls nach dem Grad des Commitments in leicht erreichbare, vielleicht erreichbare, relativ unerreichbare und gänzlich unerreichbare Kunden unterteilt werden. Aus den Bewertungen der bestehenden Kunden und über die Gewichtung des Wertes eines Durchschnittskunden im Segment wird für die Kunden ein Markenbindungsindex sowie für die Nicht-Kunden ein Marktattraktivitätsindex errechnet, der dann zu einem Markenwertindex zusammengefasst wird (Sander et al. 2004, S. 285ff).

502

Markenführung und Controlling

Das Conversion Modell zur Ermittlung des Markenwertes über das Commitment scheint aus der Sicht des Controllings interessant, weil dieses Modell Komponenten des Kundenwert- und des Markenwertmanagements in sich trägt (Loeper und Schotte 2004, S. 258ff). Commitment könnte daher als eine übergreifende Messgröße für den Kundenwert in eine Markenscorecard integriert werden. Die Trennung in einen Marktattraktivitätsindex und einen Markenbindungsindex ermöglicht zudem eine getrennte Messung von Aktivitäten im Akquisitionsbereich und im Loyalitätsbereich. Schließlich ermöglicht die Trennung in Kunden und Nicht-Kunden eine Zukunftsprognose, da einerseits der eigenen Marke stark verbundene Kunden eine wesentlich höhere Kundenbindung aufweisen und andererseits den Konkurrenzmarken nicht verbundene „Nicht-Kunden“ der eigenen Marke für Akquisitionen potenziell erreichbar sind. Dagegen kann man bei den der eigenen Marke nicht verbundenen Kunden davon ausgehen, dass diese demnächst abwandern werden. Insofern lassen sich dadurch Potenziale und Gefahren aus dem Markt erkennen. Eine Erweiterung des Conversion Modells zur Messung eines monetären Markenwertes scheint ebenfalls möglich. Allerdings ist die Transformation der Indexgrößen in einen monetären Markenwert nicht unproblematisch, da hierfür Kundenprofile für die Segmente erstellt und diese in der Folge nach den zu erwartenden Cash Flows bewertet werden müssen. Dieses Vorgehen weist starke subjektive Komponenten der Bewertung bzw. Schätzung der Erfolgspotenziale auf. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die verhaltenswissenschaftlich orientierten Verfahren zur Diagnose und Steuerung der einzelnen Marken herangezogen werden können (Esch 2005, S. 540ff). Da die ermittelten Werte der jeweiligen Marke sich auf einzelne Teilbereiche herunterbrechen lassen, können auch tiefer gehende Maßnahmen gesteuert und kontrolliert werden. Ein genereller Vorteil der verhaltenswissenschaftlichen Modelle ist außerdem die bedingt gegebene Objektivität des Verfahrens, da Kunden direkt befragt werden. Dies erfüllt insofern auch die Forderung von kundenbezogenen Kennzahlen in der Kundenperspektive der BSC. Problematisch ist allerdings, dass die Verfahren meist tendenziell vergangenheitsorientiert sind, bzw. Zukunftspotenziale meist nur über Expertenmeinungen in Scoringmodellen abbilden. Dazu weisen sie – obwohl kausalanalytisch untersucht (Andresen und Esch 2001, S. 1095ff) – dennoch methodische Schwächen auf, wie etwa große Überschneidungsbereiche zwischen den einzelnen Beurteilungsgrößen (Wirtz und Roth 2004, S. 278ff). Dazu kommen noch die generelle Problematik der zum Teil subjektiven Auswahl der Indikatoren und deren Gewichtung (Burmann et al. 2005a, S. 343), wobei diese Gewichtungen das „Know-how“ des jeweiligen Beratungsunternehmens darstellen und daher oft nicht zugänglich sind. Damit bekommen diese Indexwerte oder auch darauf basierende monetäre Bewertungen sehr leicht den Charakter einer „mystischen Zahl“, womit sie für die Verhaltenssteuerung des Managements wegen mangelnder Einsichtsmöglichkeit ungeeignet sind.

503

Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

5.4

Managementorientierte Verfahren

Die managementorientierten Verfahren der Markenbewertung versuchen als hybride Verfahren sowohl verhaltenswissenschaftliche Komponenten als auch die finanzorientierte Komponenten des Markenwertes zu vereinen und dadurch einen monetären Markenwert zu berechnen. Damit tragen sie allerdings auch die wesentlichen Probleme und Fehler beider Verfahrensmodelle in sich. Ziele der hybriden Verfahren ist einerseits die Steuerung und die Entscheidungsunterstützung im Rahmen der Markenpolitik (Fischer 2005 S. 10ff), andererseits aber auch die monetäre Bewertung von Marken. Bekannte Vertreter sind dabei der Interbrand Ansatz, der Brand Performancer von AC Nielsen, der Brand Broker von Semion, das Brand Equity Evaluation System (BEES) von BBDO Consulting, der ICON Brand Navigator, oder das Brand Assessment System der GfK (Burmann et al. 2005a, S. 331ff; Esch 2005, S. 561ff). Zur Verdeutlichung der Wirkungsweise dieser Modelle soll im Folgenden beispielhaft der Interbrand Ansatz vorgestellt werden. Der Interbrand Ansatz (Stucky 2004, S. 433ff) ist ein zum Teil indikatorbasierter Ansatz, der sowohl den Stellenwert der Marke im Kundensegment als auch die Markenstärke ermittelt und diese mit den aktuellen und zukünftigen Erträgen der Marke in einen monetären Gegenwartswert der Marke überführt. Zentrale Größen sind dabei einerseits die zukünftig zu erwartenden Markenerträge (die sich aus den erwarteten immateriellen Erträgen, gewichtet mit dem Stellenwert der Marke ergeben) und das Markenrisiko als Resultat der Markenstärke (Esch 2005, S 568ff). In einem ersten Schritt werden daher die gesamten Finanzerträge aus dem immateriellen Vermögen ermittelt, indem ähnlich wie beim EVA aus den Budgets für die nächsten Jahre der Übergewinn des erwarteten EBIT über die durchschnittliche Kapitalrendite und die Unternehmenssteuern prognostiziert wird. Im zweiten Schritt wird durch Marktforschung und/oder subjektive Einschätzung der Prozentanteil der Marke an den immateriellen Erträgen ermittelt (geschätzt) und damit der eigentliche Markenertrag als Differenzwert berechnet, es entsteht ein „Übergewinn aus der Marke“ je Periode. In einem nächsten Schritt wird über ein Scoringmodell die Markenstärke im Wettbewerb ermittelt. In diese Markenstärke fließen die Größen Marktposition/Marktführerschaft, Markenstabilität, Internationalität, Trend der Marke, Marketingunterstützung und rechtlicher Schutz in die Bewertung der Marke ein (Stucky 2004, S. 43f). Der dabei ermittelte Indexwert wird über eine S-förmige Markenwertfaktor-Funktion in einen Diskontierungssatz übergeführt, der das Markenrisiko bestimmt, d.h. je schwächer die Marke ist, desto höher wird der Diskontierungssatz im Modell. Im letzten Schritt wird dann der diskontierte Übergewinn aus der Marke mit der Methode des „Discounted Cash Flow“ (DFC) ermittelt, indem die erwarteten Periodenübergewinne aus dem ersten Berechnungsschritt mit dem Diskontierungs-

504

Markenführung und Controlling

satz abgezinst werden. Damit hat die Methode mit all jenen Problemen zu tun, die mit der DCF-Methode verbunden sind (subjektive Ertragsschätzung, Problem der ewigen Rente und massiver Einfluss des Diskontierungszinssatzes auf das Ergebnis). Dazu kommen noch die Probleme der Auswahl der Nutzwertgrößen, ihrer Interdependenzen, ihrer Beurteilung und Gewichtung im Interbrand-Index, und die Kritik an der schwer nachvollziehbaren Ermittlung des Diskontierungszinssatzes über die Sförmige Marktwertfaktor-Funktion (Esch 2005, S. 564f; Kapferer 1992, S. 317). Schließlich ist der Ansatz für die Steuerung in der BSC eher ungeeignet. Erstens wird der Markenwert aus dem erwarteten Ergebnis berechnet, d.h. der Wert des Value Drivers als unabhängige Größe wird aus dem finanziellen Ergebnis als abhängige Größe ermittelt. Damit wird der Sinn der Scorecard sozusagen „pervertiert“. Zweitens ist das Modell derart hoch sophistiziert und dadurch so unübersichtlich, dass es für die Verhaltenssteuerung ungeeignet ist. Und drittens gilt auch hier die generelle Kritik Maliks am Shareholder-Value-Konzept, die darin gipfelt, „dass der Shareholder Value und seine rechnerische Ermittlung nicht für die Zwecke des Handelns für Unternehmen, also ihre Führung, entwickelt wurde, sondern für den Handel mit Unternehmen“ (Malik 2004, S. 67). Damit sind Ergebnisse der managementorientierten Markenbewertungskonzepte maximal für die Beurteilung des Markenwertes beim Unternehmens- bzw. Markenkauf und -verkauf geeignet, nicht aber für die strategische Steuerung im Markenmanagement. Dieselbe Kritik gilt auch für die anderen Konzepte, wie den Brand Equity Meter von McKinsey (Burmann et al. 2005a, S. 329), das Brand Equity Evaluation System von BBDO Consulting (Göttgens et al 2004, S. 300ff) oder den Brand Monitor als Teil des Brand Performancer System von ACNielsen (Esch 2005, S. 570ff).

6

Die Marken-Scorecard als Lösungsansatz

6.1

Grundsätzliche Bemerkungen

Die bisher beschriebenen Messprobleme des Markenwertes für die strategische Steuerung des Markenmanagements dürfen nun allerdings nicht dazu führen, dass man sich auf eine intuitive oder gar spirituelle Markenführung zurückzieht, wie das z.B. Gerken (1994) vorschlägt. Das Markenmanagement ist nach wie vor wegen seiner hohen Bedeutung für den Unternehmenswert dem Rationalitätsprinzip unternehmerischen Handelns zu unterziehen (Meffert und Koers 2005, S. 274). Nach wie vor gilt, dass man das, was man nicht messen kann, auch nicht managen kann; und damit gilt auch für die Markenführung das Prinzip: „lieber ungefähr richtig als exakt falsch!“ 505

Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Dieses Prinzip entspricht auch der BSC, wenn die Visionen und die Strategie in ihre kritischen Erfolgsfaktoren heruntergebrochen und mit Kennzahlen messbar gemacht werden. Es sind also in einer Marken-Scorecard

alle Kennzahlen in Ursachen-Wirkungs-Ketten zueinander in Beziehung zu bringen,

eine Balance zwischen Ergebnissen (Results) und Leistungstreibern (Enablern) herzustellen

und letztendlich alle Kennzahlen mit der finanziellen Perspektive zu verbinden (Horvath 2001, S. 32f). Dabei geht es nicht nur um die Messung allein, sondern vor allem auch darum, aufzuklären, wie man die angepeilten Ergebnisse erreichen kann und soll. Die BSC stellt damit auch kein deterministisch rechenbares Modell dar, da die aufgestellten Ursache-Wirkungs-Beziehungen diesen Anspruch nicht erfüllen können und eine exakte Verknüpfung mit der Finanzperspektive fehlt (Horvath und Kaufmann 1998, S. 40ff; Strack et al. 2001). Schließlich geht es im Sinne der Verhaltenssteuerung nicht darum, für die Erlangung einer (Schein-)Genauigkeit eine hohe Komplexität aufzubauen, sondern sich auf die wesentlichen strategiebezogenen Werttreiber zu konzentrieren und damit die Komplexität zu reduzieren (Horvath 1998, S. 434). Von diesem Blickwinkel aus kann man den üblichen Wertetreiberbaum der BSC für eine Marken-Scorecard wie folgt darstellen (Tabelle 6-1):

Tabelle 6-1:

Werttreiberbaum im Marketing (entwickelt in Anlehnung an Wiedmann et al. 2000, S. 62f; Burmann und Meffert 2005, S. 65ff)

Ebene

Werte/Werttreiber

Messgrößen

Finanzielle Ebene Unternehmenswert

ROI, EVA, SHV, Wachstum

Kunden- / Marketingebene

Marketing-Wertetreiber

Marktanteil, Kundenzahl, Neukundengewinnung, Share of Wallet, Wiederkauf/Cross Selling, Kundenstruktur, Commitment

Markenebene

Marken-Wertetreiber

Markenstärke, Preisprämien, Mengenprämien, Kaufentscheidungsbeschleunigung

Prozessebene

Psychografische Wertetreiber

Markenbekanntheit, Markenimage, Markenstärke bei Extension in neue Produktkategorien

Interne Lernebene

Unternehmenskulturelle Wertetreiber

Markenidentität, Markenkompetenz, Markenvision, Markenpersönlichkeit

506

Markenführung und Controlling

Entscheidend dabei ist, dass der Nutzen der Marke aus Anbietersicht klar herausgearbeitet wird, der auf folgenden Wirkungen aufbaut (Burmann et al. 2005b):

Marken erlauben eine zielgruppenspezifische Positionierung des Angebotes und führen zu einer Präferenzbildung bei den Kunden. Damit kann entweder der monopolistische Bereich in der doppelt geknickten Preis-Absatz-Funktion vergrößert werden (Meffert 1982, S. 379), oder es gelingt, die gesamte Preis-AbsatzFunktion durch Marktdifferenzierung auf ein für das Unternehmen günstigeres Niveau zu verschieben (Buzzel und Gale 1989, S. 103ff).

Durch diesen größeren preispolitischen Spielraum sind Preis- und/oder Mengenprämien erzielbar. Welchen Einfluss das in Abhängigkeit von der jeweiligen Produktkategorie hat, konnten Schweiger et al. (1995) anhand ihrer Untersuchungen zur Bedeutung der Produktherkunft aus der Sicht der Konsumenten nachweisen: So orientierten sich die Käufer vor allem bei einfacheren Produkten hauptsächlich an Marken, am Preis und am Produktionsland; bei technischen Produkten gibt es zusätzlich weitere Merkmale, die die Kaufentscheidung beeinflussen.

Marken führen in der Folge zur Möglichkeit der effizienten Erschließung von Wachstumspotenzialen und zur höheren Kundenbindung, in dem sie das Kaufrisiko reduzieren; sie erlauben eine segmentspezifisch differenzierte Marktbearbeitung und führen über diese Effekte letztendlich zu einer Wertsteigerung des Unternehmens (Burmann et al. 2005a, S. 321). Dieser Zusammenhang lässt sich zwar nicht exakt mathematisch im Endergebnis abbilden, aber er lässt die Logik einer Markenstrategie für jene, die sie umsetzen müssen, klar verständlich machen. Darüber hinaus sind die meisten dieser Größen relativ valide messbar. So konnte z.B. die Forschergruppe um Schweiger die Realitätsnähe einer methodisch verbesserten Conjoint-Analyse für die Abschätzung der Markenwahl und damit auch für den preispolitischen Spielraum klar nachweisen (Strebinger et al. 2000, S. 56ff). In weiterer Folge sollen beispielhaft zwei ausgewählte alternative Ansätze zur Umsetzung einer Marken-Scorecard vorgestellt und kritisch beleuchtet werden, um die Vorgehensweise noch einmal zu explizieren.

6.2

Der Ansatz von Meffert und Koers

Der Ansatz von Meffert und Koers zum Aufbau einer Marken-Scorecard (2005) baut auf einem identitätsorientierten Markenverständnis als Grundlage der Markenführung auf. Dieses identitätsorientierte Markenmanagement geht davon aus, dass das extern wirksame Markenimage (als Fremdbild der Marke) möglichst deckungs-

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gleich mit der unternehmensinternen Markenidentität (als Selbstbild der Marke) sein soll (Burmann und Meffert 2005, S. 66): Komponenten der externen Wirkung der Marke sind dabei die Markenbekanntheit und das Markenimage. Komponenten der Markenidentität (als Ausdruck für das interne Commitment) sind vor allem die Markenkompetenz, die Markenvision, die Markenwertebasis und die Markenpersönlichkeit. Diesen Zusammenhang zeigt die Abbildung 6-1.

Abbildung 6-1:

Zusammenhang zwischen Identität und Image der Marke (in Anlehnung an Burmann et al. 2003, S. 25)

Interne Zielgruppen

Externe Zielgruppen

Markenidentität Markenimage

Markenpersönlichkeit

Markenwerte

Positionierung der Marke

Symbolischer Nutzen der Marke

Markenvision Funktionaler Nutzen der Marke

Art der Markenleistungen (Kern-)Kompetenzen der Marke Markenherkunft

Glaubwürdigkeit der Marke

Markenmerkmale (Marken-, Käufer-, Verwendereigenschaften) Markenbekanntheit

Durch diese Kongruenz von Markenimage und Markenidentität wird der marktorientierte Blickwinkel mit dem unternehmensorientierten Kernkompetenzansatz verbunden, womit insbesondere die Glaubwürdigkeit der Markenstrategie erhöht werden kann. „Die externe Marktperspektive bildet die Markenleistung so ab, wie sie vom Nachfrager wahrgenommen wird und sich vom Wettbewerb differenziert und umfasst damit alle nachfrager- und wettbewerbsentscheidenden Größen, welche die marktseitige Akzeptanz und Wettbewerbsfähigkeit der Marke widerspiegeln. Im Rahmen der internen Perspektive geht es darum, die Kernkompetenzen einer Marke so

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Markenführung und Controlling

abzubilden, dass die vom Nachfrager gewünschten beziehungsweise vom Management intendierten Leistungen marktgerecht erfüllt werden können“ (Meffert und Koers 2005, S. 288). Damit ergibt sich folgende von Meffert und Koers vorgeschlagene Musterscorecard (Abbildung 6-2).

Abbildung 6-2:

Markenscorecard (Quelle: Meffert und Koers 2005, S. 287)

Marktperspektive

ErgebnisPerspektive

Strategische Ziele

Shareholdergerichtet • Ertrags- und Renditesteigerung

Wettbewerbsgerichtet • Differenzierung gegenüber sonstigen Portfoliomarken und Wettbewerb, Dominanz gegenüber Hauptwettbewerbern Kundengerichtet • Loyalität und Profilierung

Interne Perspektive

Handelsgerichtet • Identifikation und Profilierung

Mitarbeitergerichtet • Identifikation

Beispielhafte Erfolgsfaktoren (Leistungstreiber)

• Verwirklichung marktstrategischer Wirkungsund unternehmensgerichteter Effizienzziele der verfolgten Markenstrategie

• Klar differenzierte Markenpositionierung • Sicherung des Preisabstandes • Proaktive Begegnung von Konkurrenzaktivitäten • Sicherung von Pioniervorteilen in neuen Bedürfnisdimensionen • Fit zwischen Selbst- und Fremdbild der Marke • Wahrgenommene überlegene Markenkompetenz • Eigenständige Markenpersönlichkeiten, die Sicherheit, Vertrauen, Sympathie und ein positives Kauf- und Empfehlungsverhalten fördern • Einlösen des Markenversprechens am PoS • Markenadäquater Auftritt der Händler i.S. einer Corporate Identity • Sicherung der Markenidentifikation des Handels durch psychologische und ökonomische Anreize • Klares Markenverständnis (Markenleitbild) als Identifikations- und Motivationsbasis sowie leitbildgerechtes Verhalten auf allen Ebenen • Beeinflussbarkeit der Kernelemente der Markensubstanz (F&E und Produktion etc.) • Eigenständigkeit der personen- und sachbezogenen Markenführung • Verantwortlichkeit für die Marke

Beispielhafte Maßgrößen

• Marken- respektive Portfoliowert • Umsatz und Gewinn • Absatz- und Marktanteil

• Eroberungsraten • Erwägerraten • Markenloyalität • Distanz zwischen Marke und - Hauptwettbewerber - strategischen Wettbewerbern • Distanz zwischen Sollund Ist-Positionierung • Kundenzufriedenheit • Markensympathie • Markenvertrautheit • Markenbekanntheit • Zufriedenheit der Händler mit dem Hersteller als Indikator der Händleridentifikation

• Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Arbeitgeber als Indikator der Mitarbeiteridentifikation

So bestechend dieser Ansatz wegen seiner logischen Stringenz und Vollständigkeit auf den ersten Blick auch erscheinen mag, so kritisch ist doch anzumerken, dass er der wesentlichen Forderung der BSC nach Reduktion der Komplexität (Horvath 2001, S. 4) nicht entspricht. Dieser Ansatz von Meffert und Koers mag für Großunternehmen mit komplexer Struktur und umfangreichen Markenportfolio sowie direktem Einfluss auf das Verhalten des Handels gelten. Daher führen Meffert und Koers an, dass der vor allem für die Konzerne der Automobilindustrie entwickelte Vorschlag situativ an die

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spezifischen Besonderheiten der betrachteten Unternehmen und ihrer Marke(n) anzupassen ist (Meffert und Koers 2005, S. 286). Er muss insbesondere bei der Auswahl der Leistungstreiber sowie der Messgrößen unternehmensspezifisch vereinfacht werden. Nur durch eine konsequente Reduktion und Fokussierung der Messgrößen kann eine strategisch orientierte Verhaltenswirkung im Management erwartet werden. Als vergleichsweise ebenso komplexes Modell soll an diese Stelle auch die BrandScoreCard von Linxweiler (2001) erwähnt werden. Auch bei diesem Modell kann die Forderung nach einer wesentlichen Reduktion erhoben werden, um im Management eine verhaltenswirksame Reaktion zu erreichen.

6.3

Der Ansatz von Bauer und Valtin

Der Ansatz von Bauer und Valtin (2004, S. 170ff) für eine markenbezogene BSC fokussiert insbesondere darauf, „die Verständlichkeit und Umsetzbarkeit der Markenstrategie auf allen Unternehmensebenen zu berücksichtigen“ (Bauer und Valtin 2004, S. 171).

Abbildung 6-3:

Marken-BSC (in Anlehnung an Bauer und Valtin 2004, S. 176ff)

Das Erfolgspotenzial der Marke auf der Finanzebene, ausgedrückt durch ein nachhaltiges Wachstum des Markenwertes, hängt dabei in der Marktperspektive von der Markenstärke, in der internen Prozessperspektive von einem effizienten Marken-

510

Markenführung und Controlling

management und in der Potenzialperspektive von einer hohen Markenorientierung des Unternehmens und seiner Mitarbeiter ab. Bricht man diese Hauptzielgrößen auf ihre zentralen Einflussfaktoren herab, dann ergibt sich in Anlehnung an Bauer und Valtin (2004, S. 176ff) das in Abbildung 6-3 ersichtliche Bild der strategischen Ziele. Der Ansatz von Bauer und Valtin gibt einen sehr guten Überblick über die Hebel zur Umsetzung einer erfolgreichen Markenstrategie. Er kann damit gute Anregungen insbesondere in Hinblick auf die Verhaltensorientierung und den Fokus der Messung geben. Zu kritisieren ist allerdings, dass hier zum Teil eine Vermengung von Zielen und Maßnahmen stattfindet, und außerdem, dass klare Messkonzepte für die einzelnen Erfolgskriterien fehlen.

7

Schlussbetrachtungen

Abschließend kann festgehalten werden, dass die üblichen Markenbewertungsverfahren mehr oder weniger geeignet sind, für bilanzorientierte Bewertungen des Markenwertes herangezogen zu werden. Für die strategische Steuerung der Markenpolitik gilt allerdings, dass hier nicht unbedingt die Ermittlung eines monetären Markenwertes erforderlich ist, sondern dass durchaus ein stringent konzipiertes, nicht-monetäres Markenstrategiemodell, wie es die BSC darstellt, besser geeignet erscheint (Strebinger 2005b, S. 54). Gerade hierfür ist einerseits ein besseres Verständnis der Wirkungsweise von Markenstrategien auf die einzelnen Komponenten des Kaufverhaltens und ihr Wechselspiel notwendig. Andererseits braucht man bessere Messmethoden, um diese Komponenten messbar und damit steuerbar zu machen. Beides sind Forschungsschwerpunkte, mit denen sich die Arbeitsgruppe um Günther Schweiger seit Jahrzehnten erfolgreich beschäftigt.

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Markenführung und Controlling

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

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Markenführung und Controlling

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Markenführung und Controlling

Autorenverzeichnis

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Markenführung und Controlling

Autorenverzeichnis

Prof. Dr. Henry Bartel ist Full Professor of Management Science an der York University, Toronto. Als Träger von betriebs- und volkswirtschaftlichen Abschlüssen der University of Western Ontario, der University of Toronto sowie der Indiana University, ist er Autor zahlreicher Bücher und wissenschaftlicher Beiträge in Fachzeitschriften, u.a. zu angewandter mikro- und makroökonomischer Politik, statistischer, ökonometrischer und multivariater Modellierung, zu Marketingforschung, Stichprobentheorie und Umfragedesigns, Finanzierung und Finanzmärkten, Sozialund Pensionspolitik sowie zu Immobilienmärkten und -politik. Prof. Bartel war unter anderem Gastprofessor an der Indiana University, am Institut für Höhere Studien, Wien, sowie Römerquelle Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er ist seit 20 Jahren Mitglied des Economic Council of Canada, Berater zahlreicher kanadischer Regierungsstellen sowie von Unternehmen in Kanada und den USA. Kontakt: [email protected] Privatdozent Dr. Carsten Baumgarth lehrt und forscht an der Universität Siegen. Er hat bislang rund 80 nationale und internationale Publikationen mit dem Schwerpunkt Markenführung veröffentlicht. Unter anderem hat er das Lehrbuch Markenpolitik verfasst, welches 2004 in der zweiten Auflage im Gabler-Verlag erschienen ist. Ferner ist er Vizepräsident der Deutschen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (DWG) und Herausgeber der von der DWG herausgegebenen Ausgaben der Zeitschrift transfer – Werbeforschung & Praxis. Darüber hinaus ist er Gründer und Vorsitzender von Baumgarth & Baumgarth – Brandconsulting (www.baumgarth-brandconsulting.de), einer auf B-to-B-Marken und Marktforschung spezialisierten Unternehmensberatung. Kontakt: [email protected]

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Dr. Florian Becker promovierte nach seinem Studium der Psychologie, Betriebswirtschaftslehre, Kommunikationswissenschaften und Philosophie in der Wirtschaftspsychologie. Als Mitarbeiter am Lehrstuhl für Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) unterrichtet er Marktpsychologie in München. An der Universität der Bundeswehr Neubiberg ist er zuständig für die Lehre im Marketingbereich der Hochschule. Zudem betreut er die wirtschaftspsychologischen Praxiskooperationen der LMU mit Organisationen wie ADAC, BMW, Burda Media, Deutsche Bank, Disney, drom, Logitech, Siemens, UNICEF und Sony. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat einer Finanzgruppe und als Berater tätig. Kontakt: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Sigrid Bekmeier-Feuerhahn ist seit 2001 Universitätsprofessorin für Öffentlichkeitsarbeit an der Universität Lüneburg, Fachbereiche Kulturwissenschaften sowie Wirtschaftsund Sozialwissenschaften. Nach ihrer Promotion zum Dr. rer. pol. habilitierte sie sich an der Universität Paderborn im Fach Betriebswirtschaftslehre und lehrte unter anderem an der JohannWolfgang-Goethe Universität in Frankfurt a. M., der MartinLuther-Universität in Halle/Saale sowie der Universität in Siegen. Sie ist Mitherausgeberin der in der Gabler Edition Wissenschaft erscheinenden Schriftenreihe der Forschungsgruppe Konsum und Verhalten und Autorin zahlreicher Artikel in Fachzeitschriften (u.a. European Advances in Consumer Research, Marketing ZFP, Werbeforschung & Praxis) sowie mehrerer Bücher, darunter auch Nonverbale Kommunikation in der Fernsehwerbung (PhysicaVerlag 1989) und Marktorientierte Markenbewertung: Eine konsumenten- und unternehmensbezogene Betrachtung (GablerVerlag 1998). Kontakt: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Manfred Bruhn ist seit 1995 Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Unternehmensführung am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Universität Basel und seit 2005 Honorarprofessor an der Technischen Universität München. Nach seiner akademischen Ausbildung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster war er von 1983 bis 1995 Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Handel an der European Business School, Private Wissenschaftliche Hochschule in Oestrich-Winkel, Deutschland. Prof. Bruhn ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Schwer-

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Markenführung und Controlling

punkten Strategische Unternehmensführung, Dienstleistungsmanagement, Relationship Marketing, Kommunikationspolitik, Markenpolitik, Qualitätsmanagement und Nonprofit-Marketing, welche in angesehenen deutsch- und englischsprachigen Fachzeitschriften (u.a. Die Betriebswirtschaft, Die Unternehmung, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Marketing ZFP) erschienen sind, sowie als Autor zahlreicher Bücher bekannt, darunter etwa „Unternehmensund Marketingkommunikation. Handbuch für ein integriertes Kommunikationsmanagement“ (2005) und „Dienstleistungsmarketing. Grundlagen – Konzepte – Methoden“ (2006, gemeinsam mit Heribert Meffert). Kontakt: [email protected] Dr. Sandra Diehl ist wissenschaftliche Assistentin und Habilitandin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Marketing, Institut für Konsum- und Verhaltensforschung, Universität des Saarlandes. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes und an der Ecole Supérieure de Gestion (ESG) in Paris promovierte sie 2001 an der Universität des Saarlandes zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften. Ihre 2002 in der Gabler Edition Wissenschaft erschienene Dissertation zu erlebnisorientiertem Internetmarketing wurde mit dem Förderpreis des Instituts für empirische Wirtschaftsförderung ausgezeichnet. Weiters ist sie Autorin des Buchs „Konsumentenverhalten – angewandt“ (2003, gemeinsam mit Peter Weinberg und Ralf Terlutter) sowie mehrerer Veröffentlichungen in Fachmedien (u.a. European Advances in Consumer Research, Marketing ZFP). Sie ist Gründungsmitglied der European Academy of Advertising. Kontakt: [email protected] Dipl.-Betriebswirtin Salima S. Douven, MSc, ist externe Doktorandin am Lehrstuhl für Marketing an der Universität Siegen und begleitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin ein B-to-BMarkenprojekt bei einem deutschen Automobilzulieferer. Ihr Studium hat sie an der Universität für Wirtschaft und Politik in Hamburg sowie an der Fachhochschule in Bochum absolviert. Praktische Erfahrungen im In- und Ausland sammelte sie u.a. in der Tourismusbranche, im Einzelhandel und in der Automobilindustrie sowie im Rahmen ihrer Tätigkeit in einer Hamburger PRAgentur in der Betreuung von Kunden aus der Konsumgüterindustrie. Kontakt: [email protected]

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Univ.-Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch ist seit 1996 Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing und Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Nach seiner akademischen Ausbildung an der Universität Saarbrücken war er wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Kroeber-Riel am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung (Universität Saarbrücken). Außerdem war er Lehrbeauftragter an den Universitäten Saarbrücken, Trier sowie Innsbruck und ist seit 1992 Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen. Des Weiteren ist Prof. Esch Mitglied der von Prof. Kroeber-Riel gegründeten Forschungsgruppe Konsum und Verhalten, der Deutschen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft, der Arbeitsgruppe Markt und Konsum der Schmalenbach Gesellschaft und der Association for Consumer Research. Prof. Esch ist Vize-Präsident des Deutschen Marketing-Verbandes, Vorsitzender des Marketingbeirats der Volkswagen AG sowie Gründer und wissenschaftlicher Beirat der Unternehmensberatung ESCH. The Brand Consultants, Saarlouis. Prof. Esch ist insbesondere im Arbeitsgebiet Markenmanagement Autor zahlreicher Beiträge in Zeitschriften und Sammelbänden sowie mehrerer Bücher, darunter auch „Strategie und Technik der Markenführung“, das 2005 in der 3. Auflage erschienen ist und mit dem „Best Textbook Award“ des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. ausgezeichnet wurde. Ferner ist Prof. Esch Herausgeber der Reihe Marken- und Produktmanagement im DUV-Verlag. Prof. Esch ist nach einem Ranking der Zeitschrift absatzwirtschaft nach Prof. Meffert der zurzeit bekannteste Marketing-Forscher in Deutschland. Kontakt: [email protected] Dipl.-Kfm. Alexander Fischer ist externer Doktorand am Lehrstuhl für Marketing von Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch sowie Projektmitarbeiter am Institut für Marken- und Kommunikationsforschung an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Sein Studium absolvierte er an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Praktische Erfahrungen hat er insbesondere als freier Mitarbeiter in der Beratungsbranche gesammelt. Kontakt: [email protected]

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Markenführung und Controlling

Dr. Gereon Friederes ist geschäftsführender Gesellschafter von marketmind Markt- und Markenforschung mit Sitz in Wien. Inzwischen betreuen 25 Mitarbeiter nationale und internationale Kunden wie Allianz, Burger King, Erste Bank, Generali, Head, Hutchison, Novartis, Telekom Austria, UPC und Zeiss. Der Fokus von marketmind liegt auf der datengestützten Beratung in den Kompetenzzentren „Branding“ und „Customer Care“. Nach seinem Studienabschluss als Diplom-Wirtschaftsingenieur an der Universität Karlsruhe (TH) hat Dr. Gereon Friederes als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien gearbeitet. Er leitete dort das vom FWF geförderte internationale Forschungsprojekt „Produktherkunft und Marke als Determinanten der Kaufentscheidung“. Seine Dissertation zum Thema „Markenaufbau in Osteuropa“ wurde 1998 mit dem RudolfSallinger-Preis ausgezeichnet. Kontakt: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Andrea Gröppel-Klein ist seit 2006 Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, und Direktorin des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes. Nach ihrem Studium an der Universität Paderborn promovierte sie an dieser Universität zum Thema „Erlebnisstrategien im Einzelhandel“ (Physica-Verlag 1991) und habilitierte sich 1996 zum Thema „Wettbewerbsstrategien im Einzelhandel: Chancen und Risiken von Preisführerschaft und Differenzierung“ (erschienen im Gabler-Verlag 1998). Zwischen 1996 und 2006 war sie Inhaberin des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Marketing, Konsum- und Handelsforschung an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Ihre mehrfach mit Wissenschaftspreisen ausgezeichneten Arbeiten erschienen in deutsch- und englischsprachigen Fachmedien (Advances in Consumer Research, Brain Research Bulletin, Marketing ZFP, Werbeforschung & Praxis). Sie war Gastprofessorin an den Universitäten Stockholm, Basel, Innsbruck, Wien sowie am Collegium Polonicum in Slubice, Polen und fungierte als Herausgeberin des Buchs „Konsumentenverhaltensforschung im 21. Jahrhundert, Festschrift für Prof. Dr. Peter Weinberg zum 65. Geburtstag“ (2004). Kontakt: [email protected]

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Univ.-Prof. Dr. Dr. Arnold Hermanns ist seit 1981 Direktor des Instituts für Marketing der Universität der Bundeswehr München. Nach seinem Studium an den Universitäten Freiburg (Brsg.), Wien, Köln und Erlangen-Nürnberg promovierte er 1972 an der Universität Erlangen-Nürnberg, 1979 habilitierte er sich an der Universität Augsburg. Prof. Hermanns erhielt Rufe an die Sporthochschule Köln und die Universität Göttingen. Als Autor bzw. Herausgeber mehrerer Bücher und Verfasser zahlreicher Fachbeiträge in Zeitschriften und Sammelbänden widmet er sich insbesondere dem Online Marketing, der Marketingkommunikation und dem Sponsoring, dem Sportmarketing und dem Internationalen Marketing. Kontakt: [email protected] Dipl.-Kffr. Stephanie C. Kiendl ist seit Januar 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Marketing der Universität der Bundeswehr München. Ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre, das sie zu Auslandsaufenthalten in den USA und Mexiko führte, absolvierte sie an der European Business School (ebs), Schloß Reichartshausen, Oestrich-Winkel, mit den Schwerpunkten Marketing und Organisation & Personal. Ihre derzeitigen Forschungsschwerpunkte sind Sponsoring, Eventmarketing, integrierte Marketingkommunikation und Markenführung. Kontakt: [email protected] Univ.-Prof. em. Dr. Dr. h.c. Richard Köhler gehört seit 1979 der Universität zu Köln an. Er war Direktor des Seminars für Allgemeine BWL, Marktforschung und Marketing sowie Vorstandsmitglied des Instituts für Messewirtschaft und Distributionsforschung, von 1995 bis 1997 auch Dekan der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Ende Februar 2002 wurde er emeritiert. Nach seiner Habilitation für das Fach BWL an der Universität Mannheim war Richard Köhler 1973 bis 1979 ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftspolitik und Marketing sowie Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, 1978/79 auch Dekan der Philosophischen Fakultät. Er hatte weitere Rufe nach Bochum, Freiburg i.Br. und Innsbruck. Prof. Köhler ist Autor bzw. Herausgeber von mehr als 20 Büchern und Autor von mehr als 150 Artikeln in den angesehensten deutschsprachigen akademischen Journalen. Prof. Köhler ist Mitherausgeber der Zeitschrift 'Die Betriebswirtschaft' (DBW) und ist ehrenamtlich in zahlreichen akademischen und nicht-akademischen Verbänden tätig, beispielsweise als Vor-

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Markenführung und Controlling

standsbeirat in der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., als ordentliches Akademiemitglied der Accademia Italiana di Economia Aziendale, Bologna, und als Kuratoriumsmitglied der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens e.V. In den Jahren 1989 und 2000 war er Gastprofessor an Tokioter Universitäten, 2000 und 2004 Gastprofessor an der St. Kliment Ochridski-Universität in Sofia/Bulgarien. 2005 verlieh ihm die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Ingolstadt der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt die Ehrendoktorwürde. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Strategisches Marketing, Marketing-Controlling, Marketing-Accounting, Marketing-Organisation, Marktforschung und Markenführung. Kontakt: [email protected] o. Univ. Prof. Dr. Dietrich Kropfberger ist seit 1984 Professor für Betriebswirtschaftslehre, Schwerpunkt Controlling und Strategische Unternehmensführung und Gründungsprofessor des Studiums der Angewandten Betriebswirtschaft an der Universität Klagenfurt. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Linz war er 1971 bis 1984 als Assistent und Lehrbeauftragter am Institut für Internationales Marketing an der Universität Linz tätig. Er ist seit 1993 wissenschaftlicher Leiter des Tourismuslehrganges und des Controller-Lehrgangs der Universität Klagenfurt, 2000 bis 2002 war er darüber hinaus Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Informatik der Universität Klagenfurt. Zwischen 1991 und 2000 war Prof. Kropfberger wissenschaftlicher Koordinator und Vortragender für den Bereich Strategie und Marketing beim MBA-Programm der Donauuniversität Krems bzw. Visiting Professor. Seine Forschungsschwerpunkte, welche in zahlreichen Fachbeiträgen und Büchern dokumentiert sind, sind Strategisches Management und Strategische Wettbewerbsfaktoren, Strategieumsetzung und Controlling sowie Management in KMU. Er leistet Beratungen und Seminare auf den Gebieten Controlling und strategische Unternehmensführung. Kontakt: [email protected]

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

o. Univ. Prof. em. Dkfm. Dr. Dr. h.c. mult. Ernest Kulhavy war Gründungsprofessor, Dekan und Rektor der Johannes-KeplerUniversität Linz. Er gilt als einer der großen Pioniere des Marketings im deutschsprachigen Raum. Nach seinem Studium an der Hochschule für Welthandel, der Vorgängerin der Wirtschaftsuniversität Wien und zwei Jahren in der Praxis, promovierte er an der Hochschule für Welthandel. Im Anschluss an Auslandsaufenthalte (UNO und EFTA in Genf) und eine Professur an der TU Berlin West (1963 bis 1966) gründete Prof. Kulhavy in Linz das Institut für internationales Marketing, das erste Universitätsinstitut im deutschsprachigen Raum, das die Bezeichnung Marketing im Namen führte, später auch den Exportlehrgang. Neben Ehrendoktoraten der Universitäten Budweis, Pilsen, der Wirtschaftsuniversität Prag und der Technischen Universität Prag sowie der Ehrensenatorenwürde der Technischen Universität Budapest, würdigen zahlreiche Ehrungen sein Wirken, darunter die ViktorMataja-Medaille der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (1980), das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (1994), das Goldene Ehrenzeichen des Landes Oberösterreich (1999) und die Große Goldene Ehrennadel der Wirtschaftskammer Österreich (2006). Als Teil seines Schaffens von mehr als 200 Publikationen wurden seine Bücher „Internationales Marketing“ und „Skizzen zum Marketing“ auch in die tschechische bzw. ungarische Sprache übersetzt. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit in den Gebieten des internationalen Marketing, Handel, Tourismus, Management und Marketing von Universitäten hat er als Rektor der Universität Linz von 1989 bis 1991 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs einen wichtigen Beitrag zur Integration der Ostländer geleistet. Auf sein Wirken gehen 11 Partnerschaften mit Universitäten in den östlichen Ländern zurück. Kontakt: [email protected] Univ. Doz. Dr. Helmut Kurz ist ao. Univ. Prof. am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Nach seiner Sponsion zum Magister der Sozialund Wirtschaftswissenschaften (1976) arbeitete er als Assistent am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung. 1984 promovierte er zum Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, 1994 erfolgte seine Habilitation im Fach Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Wirtschaftsuniversität Wien. Prof. Kurz ist Autor mehrerer Artikel in Fachzeitschriften sowie Bücher, darunter „Bankenmarketing und Dissonanztheorie“

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Markenführung und Controlling

(1984), „Die Genauigkeit von Umfrageergebnissen“ (1987) und „Exportwerbung“ (1994). Aktuelle Forschungsschwerpunkte von Prof. Kurz sind Medienforschung, Werbewirkungsforschung und Methodenforschung. Kontakt: [email protected] Univ. Doz. Dr. Wolfgang Mayerhofer ist ao. Univ. Prof. am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Nach seinem Studium war er als Universitätsassistent am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung tätig, wo er 1990 promovierte. 1995 habilierte er sich an der Wirtschaftsuniversität Wien mit der mit dem „Trend-Preis“ ausgezeichneten Habilitationsschrift zur Nutzung von Erlebniswelten für die Positionierung von Ländern, Produktgruppen und Marken über Imagetransfer. Prof. Mayerhofer ist stellvertretender Schriftleiter der Zeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis“ und Autor zahlreicher Beiträge in Fachzeitschriften sowie mehrerer Bücher, darunter „Werbemitteltests“ (1990), „Imagetransfer“ (1995), „Erfolgsfaktor Region“ (1999, gemeinsam mit Günter Schweiger und Michaela Neubauer) sowie „Erfolgsfaktoren von Markenerweiterungen“ (Deutscher UniversitätsVerlag 2006, gemeinsam mit Nina Mahnik). Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen in der Werbewirkungs-, Imageund (Handels-)Marktforschung. Kontakt: [email protected] o. Univ. Prof. Dr. Josef Mazanec ist seit 1981 Vorstand des Instituts für Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien. Nach seinem Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien (damals Hochschule für Welthandel) war er als Assistent am Institut für Absatzwirtschaft (Werbewissenschaft und Marktforschung, Prof. Günter Schweiger) tätig und erhielt 1979 die venia legendi für Betriebswirtschaftslehre. Prof. Mazanec war 1992 Visiting Scholar an der Sloan School of Management, MIT, und ist Autor zahlreicher Artikel in Sammelwerken und angesehenen akademischen Fachzeitschriften (u.a. Journal of Travel Research, International Journal of Research in Marketing, Annals of Tourism Research, Journal of Retailing and Consumer Services, Marketing Letters) sowie mehrerer Bücher, etwa „Strukturmodelle des Konsumverhaltens“ (1978) oder „A Nonparametric Approach to Perceptions-Based Market Segmentation: Foundations“ (2000, gemeinsam mit Helmut Strasser). Kontakt: [email protected]

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Dr. Gernot Mödritscher ist Universitätsassistent und Habilitand an der Universität Klagenfurt, Institut für Unternehmensführung, Controlling und Strategische Unternehmensführung und Lektor in verschiedenen MBA-Programmen und Universitätslehrgängen für den Bereich Controlling und Strategische Unternehmensführung sowie Marketing Management. Weiters ist Dr. Mödritscher Projektleiter am Industriestiftungsinstitut eBusiness – business technologies (biztec) für den Bereich Customer Relationship Management. Seine Forschungsarbeiten zu den Schwerpunkten Customer Value Controlling, Customer Relationship Management, Strategisches und operatives Controlling, Beherrschung von Dynamik im Management und Wirkungsmessung von Managementaktivitäten erschienen in Fachmedien, wie dem Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen, dem International Journal of Innovation and Technology Management und Banking and Information Technology. Eine Arbeit über alternative Zutritte zur Messung der CRM Performance wurde auf der 6th Conference on Relationship Marketing and Customer Relationship Management in Atlanta 2002 mit dem „Best Paper Award“ ausgezeichnet. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Bruce I. Newman ist Professor of Marketing an der DePaul University, Chicago, Illinois. Er ist Gründer und Herausgeber des “Journal of Political Marketing” und war Gastprofessor an der University of California-Berkeley (2001-2002), der Stanford University (2002-2003) und an der University of Otago, Neuseeland (2006). Prof. Newman ist Autor zahlreicher Artikel und Bücher, darunter “The Marketing of the President“ (1994), “Handbook of Political Marketing” (1999), und “Winning Elections with Political Marketing” (2006, mit Philip Davies). Zwischen 1995 und 1996 beriet er leitende Stabsmitarbeiter von Präsident Bill Clinton im Weißen Haus, 1999 Lech Walesa in der Präsidentschaftskampagne 2000. 1993 erhielt Prof. Newman für seine Forschungsarbeiten zu politischem Marketing den Ehrenring der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft. Kontakt: [email protected]

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Markenführung und Controlling

Dr. Thomas Otter ist seit 2003 Assistant Professor of Marketing am Fisher College of Business an der Ohio State University, Columbus. Nach dem Abschluss seines Studiums der Betriebswirtschaftslehre (1995) war er Vertragsassistent am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung (Prof. Günter Schweiger) der Wirtschaftsuniversität Wien sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter des österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Projekt „Brand Equity“). 2001 promovierte er an der Wirtschaftsuniversität Wien mit der Dissertationsschrift „Conjointanalyse zur Messung und Erklärung von Markenwert“, erschienen im Facultas-Verlag 2001, zum Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. 2002 bis 2003 war er Assistant Professor an der A. Gary Anderson Graduate School of Management der University of California, Riverside. Seine Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der Conjointanalyse, Bayesianischen Anwendungen und Methoden sowie dem Country-of-Origin-Effekt und sind u.a. im Journal of Business and Economic Statistic, dem International Journal of Research in Marketing sowie in Marketing ZFP erschienen. Kontakt: [email protected] Dr. Tanja Ringle ist seit Mai 2006 im Marketing der E.ON Sales & Trading GmbH tätig. Zwischen Juni 2002 und April 2006 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Marketing der Universität der Bundeswehr München. Sie absolvierte ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg mit den Schwerpunkten Marketing, Recht der Wirtschaft, Industriebetriebslehre, Wirtschaftspädagogik und Psychologie. 2006 promovierte sie an der Universität der Bundeswehr München zum Thema „Strategische identitätsorientierte Markenführung ƺ Entstehung einer Markenidentität und identitätsorientierte Markenstrategien“. Kontakt: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Lutz von Rosenstiel ist Inhaber des Lehrstuhls für Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist Autor von über 600 Veröffentlichungen und neben der Wissenschaft auch in der Praxis in zahlreichen Unternehmen und Organisationen aktiv. Damit steht er für eine anwendungsorientierte Wissenschaft und Lehre. Als eine der prägenden Figuren der Wirtschaftspsychologie erstreckt sich sein Forschungs- und Anwendungsfeld über die Markt- und Werbepsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie. In der Lehre hat er über 150 Promotionen betreut und

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

viele tausend Studenten für die Wirtschaftspsychologie begeistert. Er wurde unter anderem mit dem Deutschen Psychologenpreis und mit dem Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Kontakt: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Henrik Sattler ist seit dem Jahr 2000 Geschäftsführender Direktor des Instituts für Handel und Marketing an der Universität Hamburg. Er promovierte und habilitierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Von 1995 bis 1999 war Prof. Sattler Inhaber des Unilever-Stiftungslehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre / Marketing und Handel an der Friedrich-Schiller-Universität, Jena. Längere Forschungsaufenthalte bzw. Gastprofessuren führten ihn 1992 an die Cornell University im Staat New York, 1993 an das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an die Australian Graduate School of Management, Sydney (1999 und 2002). Zu seinen Forschungsschwerpunkten im Bereich Brandmanagement, Preismanagement, Innovationsmanagement sowie Markt- und Konsumentenforschung hat Prof. Sattler über 100 Arbeiten veröffentlicht, darunter Beiträge in den führenden internationalen und deutschsprachigen akademischen Journalen (u.a. Journal of Marketing, Journal of Retailing, Advances in Consumer Research, Die Betriebswirtschaft, Marketing ZFP, Zeitschrift für Betriebswirtschaft) und mehrere Bücher, etwa „Marketing – Eine managementorientierte Einführung“ (2006, gemeinsam mit Franz-Rudolf Esch und Andreas Herrmann) und „Markenpolitik“ (2006, 2. Aufl. gemeinsam mit Franziska Völckner). Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem 1. Preis des Deutschen Markenverbands (1998) und dem „Best Paper Award“ der World Association of Research Professionals (2002). 2005 erhielt Prof. Sattler den „Preis für Mentorship“ der ClaussenSimon-Stiftung für seine besonders vorbildliche Doktorandenbetreuung. Prof. Sattler zählt nach dem Ranking der Zeitschrift Management International Review (2004) zu den Top 16 BWLProfessoren in Deutschland. Im Rahmen des von ihm gegründeten Wissenschaftlichen Zentrums für Markenmanagement und Marketing e.V. (ZMM) und zahlreicher Kooperationen mit Unternehmen bemüht sich Prof. Sattler intensiv um den Austausch zwischen Universität und Praxis. Kontakt: [email protected]

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Markenführung und Controlling

Dipl.-Kffr. Anja Spilski ist seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes. Nach ihrem Studienabschluss in Betriebswirtschaftslehre an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Allgemeine BWL, insbesondere Internationales Marketing, Konsum- und Handelsforschung dieser Universität. Ihre Arbeit zu bewussten und unbewussten Reaktionen auf Werbung mit Archetypen erscheint in Advances in Consumer Research (gemeinsam mit Andrea Gröppel-Klein und Benedikt Bartmann). Kontakt: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Hartwig Steffenhagen ist seit 1980 Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmenspolitik und Marketing der RWTH Aachen. Er studierte nach einer Banklehre Betriebswirtschaftslehre in München. Nach kurzer Tätigkeit in der Industrie (UnileverGruppe Hamburg) wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing der Universität Münster (Prof. Meffert) und promovierte dort 1972. Seine Habilitation erfolgte 1976 in Münster. Es folgte eine dreieinhalbjährige Tätigkeit auf dem Lehrstuhl für Marketing der Universität-GH Siegen. Im Ehrenamt war er von 1984 bis 1988 Präsident der Deutschen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (DWG) und Präsidiumsmitglied des Deutschen Kommunikationsverbandes BDW. In den Jahren 1993 bis 1997 war er Prorektor für Struktur, Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der RWTH Aachen. Zu seinen Hauptwerken zählen neben einer Vielzahl von Beiträgen in Fachzeitschriften das 2004 in der 5. Auflage erschienene Buch „Marketing – Eine Einführung“ sowie „Wirkungen der Werbung“ (2. Auflage 2000). Nebenberuflich trainiert und berät er Führungskräfte der Industrie im Inund Ausland. Er ist (Mit-)Gründer der team steffenhagen GmbH, marketing research & consulting, Aachen. Kontakt: [email protected] Privatdozent Dr. Andreas Strebinger war zwischen 2000 und 2006 Universitätsassistent am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung (Lehrstuhl Prof. Günter Schweiger) der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und ist nun Assistant Professor an der York University, Toronto. Nach seinem Studienabschluss in Betriebswirtschaftslehre (1995) war er bis 2000 Vertragsassistent am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter des Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Projekt „Brand

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Equity“). Sein 2001 in der Schriftenreihe herausragender Dissertationen der WU Wien erschienenes Buch „Der MarktführerEffekt in der Markenbewertung“ wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter im Rahmen des Wissenschaftspreises des Deutschen Markenverbandes e.V. (2002), des Stephan-Koren-Preises des Verbandes der Professorinnen und Professoren an der WU Wien (2001) und des Rudolf-Sallinger-Preises des Österreichischen Wirtschaftsbundes (2001). Seine Forschungsarbeiten zum Schwerpunkt „Strategische Markenführung“ erschienen in angesehenen akademischen Journalen (u.a. Schmalenbach Business Review, Advances in Consumer Research, Electronic Markets, Wirtschaftsinformatik, Marketing ZFP) und Monographien (u.a. „Marken-Modelle der Praxis“, Deutscher Universitätsverlag 2005, gemeinsam mit Anita Zednik). 2006 habilitierte er sich an der WU Wien zum Thema „Markenarchitektur aus konsumenten- und unternehmensorientierter Perspektive“. Kontakt: [email protected] Dipl.-Kffr. Kristina Strödter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Marketing von Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch sowie Projektmitarbeiterin am Institut für Marken- und Kommunikationsforschung an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Ihr Studium hat sie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sowie an der Justus-Liebig-Universität Gießen absolviert. Praktische Erfahrung hat sie u.a. im In- und Ausland in der Pharmaindustrie und im Bereich Finanzdienstleistungen gesammelt. Kontakt: [email protected] Anke Trommershausen, M.A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Öffentlichkeitsarbeit, Fachbereich Kulturwissenschaften der Universität Lüneburg. Nach ihrem Studienabschluss der Angewandten Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg 2002 war sie in den Bereichen P.R. und Brand Consulting tätig. 2004 bis 2006 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Öffentlichkeitsarbeit des Studiengangs Angewandte Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg. Sie arbeitet am DfG-Forschungsprojekt „Konturen aktueller Medienkommunikation“ am Institut für Journalistik in Hamburg mit. Weitere Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Public Relations (Kultur-PR), Unternehmenskommunikation, Corporate Citizenship sowie Journalismus und Neue Medien. Kontakt: [email protected]

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Markenführung und Controlling

Dr. Franziska Völckner ist seit Juni 2003 Habilitandin am Institut für Handel und Marketing an der Universität Hamburg (Lehrstuhl Prof. Sattler). Von 2000 bis 2003 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an diesem Institut. Ihre Dissertation „Empirische Analysen zum Markentransfererfolg bei kurzlebigen Konsumgütern“ (2003) wurde im Rahmen von Wissenschaftspreisen fünf Mal mit dem 1. Preis ausgezeichnet, u.a. mit dem Preis des Deutschen Markenverbandes e.V., dem Wissenschaftspreis des Deutschen Marketing-Verbandes und dem Preis im Förderpreiswettbewerb der deutschen und österreichischen Marktforschung, BVM e.V. Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen in den Bereichen Wertorientierte Markenführung, Pricing und Marktforschung. Forschungsaufenthalte führten sie in den Jahren 2002, 2004 und 2005 als Visiting Scholar an die Australian Graduate School of Management, Sydney. Sie hat zahlreiche Aufsätze in führenden internationalen und deutschsprachigen Zeitschriften publiziert (u.a. Journal of Marketing, Marketing Letters, Marketing – Journal of Research and Management, Die Betriebswirtschaft, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung). Sie ist Mitautorin der 2006 erscheinenden 2. Auflage des Buchs „Markenpolitik“ (gemeinsam mit Henrik Sattler). Kontakt: [email protected] Mag. Martin Waiguny ist seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe CRM am Industriestiftungsinstitut eBusiness – business technologies (biztec) der Alpen-AdriaUniversität Klagenfurt. Weiters ist er Universitätslektor am Institut für Unternehmensführung, Abteilung Marketing und Internationales Management dieser Universität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Customer Relationship Management und Consumer Confusion. Kontakt: [email protected] Univ.-Prof. em. Dr. Peter Weinberg leitete das Institut für Konsumund Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes in den Jahren von 1996 bis zu seiner Emeritierung am 30.09.2005. Nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens (Dipl.-Ing.) und seiner Promotion (Dr. rer. pol.) an der TU Berlin war er zwischen 1974 und 1996 Universitätsprofessor für BWL, insb. Marketing, an der Universität Paderborn. Er erhielt Rufe an die TU Berlin und die Universität Göttingen (1977, 1987 und 1991) und war Gastprofessor an der Dublin City University (1990), der San Diego State University (1991), der Technischen Universität Tallinn (1994) und

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

der Universität Stockholm (1994). 1995 erhielt Prof. Weinberg die Viktor-Mataja-Medaille der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft für seine außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen. Unter seinen zahlreichen Büchern und Beiträgen in angesehenen akademischen Zeitschriften (u.a. Marketing ZFP, European Advances in Consumer Research) gehören das nunmehr in der achten Auflage erscheinende Buch „Konsumentenverhalten“ (2003, Ko-Autor: Werner Kroeber-Riel) sowie das viel beachtete Buch „Erlebnismarketing“ (1992) zu seinen Hauptwerken. Prof. Weinberg ist Mitherausgeber der in der Gabler Edition Wissenschaft erscheinenden Schriftenreihe der Forschungsgruppe „Konsum & Verhalten“ und der Zeitschrift Marketing Zeitschrift für Forschung und Praxis . Kontakt: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Junichi Yoshida war zwischen 1995 und 2001 ordentlicher Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Konsumkulturforschung an der Graduate School of Business Administration der Universität Kobe in Kansai, Japan. Um am Wiederaufbau der durch das große Erdbeben im Jahre 1995 zerstörten Stadt Kobe aktiver mitwirken zu können, stellte er sich 2001 als unabhängiger Kandidat der Bürgermeisterwahl und musste gleichzeitig seinen Lehrstuhl zurücklegen. Seit 2004 ist er wieder wissenschaftlich als Professor und zugleich als Vize-Rektor an der Universität Otemae, ebenfalls in Kansai, tätig. Sein Forschungskonzept wurde auf der Wirtschaftuniversität Wien, die in Japan als Weltzentrum der „ganzheitlichen Handelslehre“ anerkannt ist, geprägt. Seine unter der Betreuung von Prof. Schweiger 1987 abgeschlossene Dissertation erschien in Buchform mit dem Titel „Produktinnovation in Japan: ein Weg zum ganzheitlichen Produktmarketing“ und gewann auch in Japan wissenschaftliche Preise. Von 1988 bis 1995 war er ao. Professor an der Ryutsu-Kagaku Universität in Kobe. Als Urheber des Modells der „Shohin-Bunka“ („Brand Value Identity“) sowie als Kommentator und Moderator von Wirtschaftssendungen im japanischen Fernsehen ist Prof. Yoshida nicht nur in der japanischen Geschäftswelt, sondern auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Kontakt: [email protected]

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Markenführung und Controlling

Schriftenverzeichnis Günter Schweiger

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Markenführung und Controlling

Ausgewählte wissenschaftliche Publikationen o. Univ. Prof. Dr. Günter Schweiger

1972

Mediaselektion mit Hilfe von quantitativen Verfahren. Beitrag für die Festschrift für Prof.Dr. Carl Behrens „Modernes Marketing – Moderner Handel“. Gabler Verlag, Wiesbaden 1972.

1975

Daten und Modelle der Mediaselektion. Gabler Verlag, Wiesbaden 1974. (Habilitationsschrift)

1976

Das Modell des 'Erlebten Risikos' (Perceived Risk). In: Der Markt, Nr. 60, 1976/4; S. 93-106, mit Mazanec, J. und Wiegele, O.

1979

Analysis of Advertising Inquires – A Basis of the Advertising Decision in Industrial Advertising. In: Journal of Advertising Research, mit Hruschka, H.

1980

Improved Marketing Efficiency through Multi-Product Brand Names – An Empirical Investigation of Image Transfer. In: European Research, No. 1, January 1981, mit Mazanec, J. Compatibility of Goals of Transnationals in Host Countries – Lessons for Small Countries. In: Der Markt, Nr. 74, 1980/2; S. 39-42. (Basiert auf dem Vortrag in Neu-Delhi im Februar 1980)

1981

Export Promotion for Concrete Formwork by an Austrian Producer. In: Export Marketing: Lessons from Europe. Jagdish N. Sheth and KannsMartin Schoenfeld (Hrsg.). College of Commerce and Business Administration, University of Illinois 1981.

1982

Sogo Sosha – Das Tor Japans zum Welthandel. Handelshäuser: Eine Chance für Österreichs Überseeexport? In: Der Markt, Nr. 84, 1982/4.

1983

Verwendung von gleichen Markennamen für unterschiedliche Produktgruppen (Imagetransfer). In: Planung und Analyse, 10. Jg., 6/1983.

1985

Pictorial Image Measurement – applied to Countries. In: Historical Perspectives in Consumer Research: National and International

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Perspectives. Proceedings of the Association for Consumer Research International Meeting in Singapore. July 1985. 1986

Österreichs Image im Ausland: Kapital für Österreichs Exportwirtschaft? In: Marketing 1966 bis 1986, Jubiläumsschrift zum 20-jährigen Bestehen des Instituts für Handel, Absatz und Marketing der Universität Linz, Marketing Studien (Hrsg: o. Univ. Prof. Dr. Ernest Kulhavy); Universitätsverlag Rudolf Trauner, Linz 1986. Werbung. Lehrbuch. Verlag Fischer, Stuttgart 1986, mit Schrattenecker, G.

1987

Austrian, German, and Swiss Product Quality Perceptions of Foreign Goods. In: transfer – Werbeforschung & Praxis, 2/1987, mit Crawford, J. C. und Garland, B.

1988

Österreichs Image im Ausland. Norka Verlag, Wien 1988. Die Multidimensionale Skalierung im Rahmen der Nonverbalen Imagemessung. In: transfer – Werbeforschung und Praxis 4/1988, mit Wusst, Ch.

1989

Österreichs Imagestärken im Ausland – eine Chance für die Exportwerbung österreichischer Unternehmer? Beitrag für die Festschrift anläßlich des 70. Geburtstages von o. Univ. Prof. Dr. Alois Brusatti.

1990

Das Image des Herkunftslandes als Grundlage für den Imagetransfer zwischen Landes- und Markenimage. In: transfer – Werbeforschung & Praxis 3/90. Der Einfluß von Preiswerbung auf das Image von Handelsketten. Ergebnisse einer empirischen Studie in Österreich. In: Handelsforschung 1990 – Internationalisierung im Handel, Jahrbuch der Forschungsstelle für den Handel Berlin (FfH) e.V., Sonderdruck, mit Mayerhofer, W.

1992

Österreichs Image in der Welt. Ein Vergleich mit Deutschland und der Schweiz, Service-Fachverlag, Wien 1992.

1994

Die emotionale Wirkung der Produktherkunft. In: Konsumentenforschung, Forschungsgruppe Konsum und Verhalten (Hrsg.), mit Friederes, G.

1995

Vom Markenmythos zum Markenwert. In: transfer – Werbeforschung & Praxis 1/95, S. 26-31, mit Friederes, G.

542

Markenführung und Controlling

Image und Imagetransfer. In: Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart. Consumers' evaluations of products labeled 'Made in Europe'. In: Marketing and Research Today (ESOMAR), February 1995, mit Häubl, G. und Friederes, G. Made in Austria – Kapital für österreichische Marken. Schriftenreihe des Wirtschaftsförderungsinstituts Nr. 269, Wien, mit Friederes, G., Strebinger, A., Rehrl, I. und Otter, T. Die Bedeutung der Produktherkunft aus der Sicht der Konsumenten und die Auswirkungen von Standortentscheidungen. In: Schweiger, G., Mühlbacher, H., Stürmer, G. und Wödlinger, R. (Hrsg.): Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit durch Marketing, Universitätsverlag Rudolf Trauner, Linz, mit Friederes, G., Strebinger, A. und Otter, T. Produktionsverlagerungen bei Markenartikeln aus Sicht des Konsumenten: Eine adaptive Conjointanalyse in 16 Produktkategorien. In: Baier, D. und Decker, R. (Hrsg.), Marketingprobleme: Innovative Lösungsansätze aus Forschung und Praxis, S. Roderer Verlag, Regensburg, mit Friederes, G. und Strebinger, A. 1996

Kausale Wirkungszusammenhänge zwischen Herkunftsland und Marke bei der Beurteilung eines neuen PKWs. In: Bauer, H. (Hrsg.): Nutzenorientierte Produktgestaltung in der Automobilindustrie, mit Häubl, G. Der Lebensmitteleinzelhandel als Markeninnovator bei Bioprodukten – Ergebnisse einer empirischen Studie zu Handelsmarken in Österreich. In: Trommsdorff, V. (Hrsg.), Handelsforschung 1996/97: Positionierung des Handels, Wiesbaden, Gabler Verlag, mit Koppe, P.

1997

The Influence of Country of Origin and Brand on Product Evaluation and the Implications thereof for Location Decisions. In: CEMS Business Review 2:5-26, 1997, mit Otter, T. und Strebinger, A.

1998

Der Einfluß von Schlüsselreizen wie Marke, Preis und Qualitätszeichen auf die Markenwahl bei Lebensmitteln in Österreich – eine Anwendung des Conjoint Measurements. In: Jahrbuch der Handelsforschung 1998, Trommsdorff, V. (Hrsg.), S. 101-118, mit Mayerhofer, W., Koppe, P. und Gottwald, I.

543

Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

Brand Equity and Consumer Information Processing: A Proposed Model. In: Proceedings of the 1998 Marketing Exchange Colloquium (Addendum), American Marketing Association (Hrsg.): Lou Pelton & Peter Schnedlitz 1998, mit Strebinger, A. und Otter, T. Der Wert der Marke. In: Marketing-Praxis, Jahrbuch 1998, Fachverlag Handelsblatt, Schmengler H.J. (Hrsg.), mit Friederes, G. 1999

The nonverbal image of politicians and political parties. In: Newman, B.I. et al. (Hrsg.), Handbook of Political Marketing, Sage 1999, mit Adami, M. Erfolgsfaktor Region – Die Erlebniswelten der Bundesländer als Ausgangspunkt für erfolgreiche Markenstrategien für Unternehmen. In: Schriftenreihe des Wirtschaftsförderungsinstituts, WIFI Österreich, Wien, mit Mayerhofer, W. und Neubauer, M. Markenstrukturen in den Köpfen der Konsumenten – Vom Reißbrett zur Realität. In: Zeitschrift für Automobilwirtschaft, 2, 3, mit Strebinger, A., Otter, T. und Friederes, G.

2000

Verbal versus pictorial stimuli in conjoint analysis: the moderating effect of involvement and hemisphericity. In: Gundlach, G.T. und Murphy, P.E. (Hrsg.), Enhancing Knowledge Development in Marketing, 2000 AMA Educators Proceedings, Vol. 11, S. 182-188. Chicago American Marketing Association, mit Strebinger, A., Hoffmann, S. und Otter T. Conjointanalyse und Hemisphärizität: Die Wirkung von Präsentationsformat und Involvement auf die Vorhersagevalidität der Conjointanalyse. In: Marketing ZFP, Band 22, Heft1/2000, S. 55ff, mit Strebinger, A., Hoffmann, S. und Otter, T.

2003

Nachhaltige Markenstrategien für Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. In: Handelsforschung 2003, Trommsdorff, V. (Hrsg.), Köln: Forschungsstelle für den Handel, mit Strebinger, A. Vergleichende Studie Japan – USA – Österreich über Konsumentenverhalten. In: Comparative Study of Global Marketing Systems: Analysis of Convergence and Divergence (in japanischer Sprache), Abe, S. und Murakami, T. (Hrsg.), 2003, Yuhikaku Publishing Co.,Ltd, mit Koppe, P. und Nährer, B. Mehr, weniger oder die Richtigen? Zur Eigenmarkenstrategie des Lebensmitteleinzelhandels. In: Jahrbuch Vertriebs- und Handelsmanage-

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Markenführung und Controlling

ment 2003, Olbrich, R., Ahlert, D., Schröder, H. (Hrsg.), Deutscher Fachverlag, Frankfurt a.M., mit Strebinger, A. Brand Architecture – The View of Practitioners. Paper presented at the 2004 Marketing Science Conference, Rotterdam 2004, mit Dabic, M. und Strebinger, A. Länderimagevergleich Österreich – Deutschland – Schweiz in Australien. In: transfer – Werbeforschung & Praxis, Heft 1/2004, mit Puaschunder, J. und Kirchler, E. 2005

Die Reklamemarke – Ein Werbemittel aus der Versenkung geholt. In: transfer – Werbeforschung & Praxis, Heft 1+2/2005, mit Adrian, G. Werbung, 6. Auflage, Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2005, mit Schrattenecker, G..

2006

Produkt und Markenimage. In: Enzyklopädie der Psychologie. Marktpsychologie und Wirtschaftspsychologie, Rosenstiel, L. v., Frey, D. (Hrsg.), Verlag Hogrefe, Göttingen 2006, mit Strebinger, A.

HERAUSGEBER FOLGENDER SCHRIFTENREIHEN:

1. Mitherausgeber der Absatzwirtschaftlichen Schriftenreihe, ORAC Verlag BAND 1

ÜBLElS, H. P., Das absatzpolitische Instrumentarium der multinationalen Unternehmung, Wien 1976.

BAND 2

BEDNAR, L., Entwicklung eines Lagerhaltungsmodells für Ersatzteile – dargestellt am Beispiel der Kraftfahrzeug-Ersatzteilhaltung, Wien 1978.

BAND 3

MAZANEC, J., Strukturmodelle des Konsumentenverhaltens, Wien 1978.

BAND 4

KURZ, H., Bankenmarketing und Dissonanztheorie, Wien 1984.

545

Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

2. Herausgeber der Schriftenreihe „Empirische Marketingforschung" (seit 2000 „Marketingforschung“), Service-Fachverlag an der Wirtschaftsuniversität Wien BAND 1

SCHRATTENECKER, G., Die Beurteilung von Urlaubsländern durch Reisekonsumenten, Wien 1984.

BAND 2

SCHWANZER, B., Die Bedeutung der Architektur für die Corporate Identity eines Unternehmens, Wien 1985.

BAND 3

KURZ, H., Die Genauigkeit von Umfrageergebnissen, Wien 1987.

BAND 4

PRASCHL, M., Anti-Rauchwerbung, Wien 1987.

BAND 5

YOSHIDA, J., Produktinnovation in Japan, Wien 1988.

BAND 6

KNOR, G., Werbung in Tageszeitungen und Fachzeitschriften, Wien 1988.

BAND 7

MAYERHOFER, W., Werbemitteltests, Wien 1990.

BAND 8

MARTINEK, G., Das Selbstimage der Österreicher, Wien 1990.

BAND 9

HERZIG, O. A., Markenbilder – Markenwelten: Neue Wege in der Imageforschung, Wien 1991.

BAND 10

KÖLTRINGER, R., Die Interviewer in der Markt- und Meinungsforschung, Wien 1992.

BAND 11

KURZ, H., Exportwerbung. Strategien und Test österreichtypischer Markenpositionierung, Wien 1994.

BAND 12

KOPPE, P., Handelsimage und Handelswerbung in Österreich, Wien 1993.

BAND 13

MAYERHOFER, W., Imagetransfer – Die Nutzung von Erlebniswelten für die Positionierung von Ländern, Produktgruppen und Marken, Wien 1995

BAND 14

HÄUBL, G., Standortentscheidungen und Konsumentenverhalten, Wien 1995.

BAND 15

FRIEDERES, G., Markenaufbau in Osteuropa, Wien 1997.

BAND 16

FUCHS, M., Medien als Marken. Der Einsatz des Erlebnisweltkonzepts in der qualitativen Mediaforschung, Wien 1998.

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Markenführung und Controlling

BAND 17

KAISER, C., Apparative Werbeforschung – Eine praxisbezogene Einführung, Wien 1999.

BAND 18

KOPPE, P., Handelsmarken und Markenartikel – Wahrnehmungsunterschiede aus der Sicht der Marktteilnehmer, Wien 2003.

3. Herausgeber der Schriftenreihe „Werbe- und Markenforschung“, Deutscher Universitäts-Verlag (Gabler Edition Wissenschaft) BAND 1:

ZEDNIK, A., STREBINGER, A., Marken-Modelle der Praxis, 2005.

BAND 2:

MAHNIK, N., MAYERHOFER, Markenerweiterungen, 2006.

BAND 3:

BOSCH, Ch., SCHIEL, S., WINDER, T., Emotionen im Marketing, 2006.

4.

Herausgeber der Schriftenreihe „Die Werbewissenschaftlichen Gesellschaft

W.,

Marke“

Erfolgsfaktoren

der

von

Österreichischen

BAND 1:

RÖMERQUELLE, Lehmann, W., Verlag Brandstätter, Wien 1994.

BAND 2:

PERSIL BLEIBT PERSIL, Springinsfeld, L., Verlag Ueberreuter, Wien 1996.

BAND 3:

ESKIMO, Eine Erfolgsgeschichte, Kossuth-Wolkenstein, C., Signum Verlag, Wien-Hamburg 2000.

BAND 4:

ZIPFER, Kretz, S., Service-Fachverlag an der WU-Wien, Wien 1999.

BAND 5:

ALMDUDLER – NUR EINE LIMONADE?, Maurer, M., ServiceFachverlag an der WU-Wien, Wien 2000.

BAND 6:

BÖHLER – ÖSTERREICHS EDELSTAHL-WELTMARKE, Himmelsbach, Ch., Wien 2005.

BAND 7:

PERSIL BLEIBT PERSIL, Springinsfeld, L., 2. Auflage, aktualisiert und erweitert von Siegert, E., Nothdurfter, P., Feldbrügge T., Springinsfeld L., Redline Wirtschaft, Frankfurt/Main 2005.

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Dietrich Kropfberger, Gernot Mödritscher und Martin Waiguny

HERAUSGEBER FOLGENDER ZEITSCHRIFTEN:

Schriftleiter der Zeitschrift „transfer – Werbeforschung & Praxis“ (Österreichische Ausgabe) Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Markt“ Mitherausgeber der Zeitschrift „Journal für Betriebswirtschaft“

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