Bibliothek des Eigentums Im Auftrag der Deutschen Stiftung Eigentum herausgegeben von Otto Depenheuer Band 8
Bibliothek des Eigentums Th. von Danwitz, O. Depenheuer, Ch. Engel Bd. 1, Bericht zur Lage des Eigentums 2002, XII, 319 Seiten. 978-3-540-43266-1 O. Depenheuer (Hrsg.) Bd. 2, Eigentum 2005, IX, 167 Seiten. 978-3-540-23355-8 Schwäbisch Hall-Stiftung (Hrsg.) Bd. 3, Kultur des Eigentums 2006, XV, 640 Seiten. 978-3-540-33951-9 D. Blasberg Bd. 4, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen 2008, XII, 222 Seiten. 978-3-540-77738-0 O. Depenheuer, K.-N. Peifer (Hrsg.) Bd. 5, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel? 2008, VIII, 224 Seiten. 978-3-540-77749-6 C. Roth Bd. 6, Eigentum an Körperteilen 2009, XVII, 207 Seiten. 978-3-540-88821-5 O. Depenheuer (Hrsg.) Bd. 7, Eigentumsverfassung und Finanzkrise 2009, VII, 73 Seiten. 978-3-642-00229-8 O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.) Bd. 8, Waldeigentum 2010, XXI, 411 Seiten. 978-3-642-00231-1
Otto Depenheuer • Bernhard Möhring (Hrsg.)
Waldeigentum Dimensionen und Perspektiven
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Herausgeber Professor Dr. Otto Depenheuer Universität zu Köln Rechtswissenschaftliche Fakultät Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik Albertus-Magnus-Platz 50931 Köln Deutschland
[email protected]
Professor Dr. Bernhard Möhring Universität Göttingen Institut für Forstökonomie Büsgenweg 5 37077 Göttingen Deutschland
[email protected]
ISSN 1613-8686 ISBN 978-3-642-00231-1 e-ISBN 978-3-642-00232-8 DOI 10.1007/978-3-642-00232-8 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Grußwort
Edzard Schmidt-Jortzig Mit dem Sammelwerk „Waldeigentum“ legt die Deutsche Stiftung Eigentum nun den 8. Band ihrer „Bibliothek des Eigentums“ vor. Und sie dankt für dieses eindrucksvolle Ergebnis vielmals den Autoren sowie besonders den beiden Herausgebern Depenheuer und Möhring. Ausgangspunkt für das Projekt war die Einsicht (und Überzeugung), dass das Institut ´Eigentum` für unser Zusammenleben ein kultureller, sozialer und rechtlicher Grundpfeiler ist und dieses Fundament jeweils genaue Durchdringung und Beobachtung sowie tägliche gedankliche Pflege braucht. Dabei geht es beileibe ja nicht nur um die grundsätzlichen Dimensionen und Zusammenhänge, die deutlich zu machen sind. Vielmehr bedarf das Eigentum immer auch genauer Betrachtung seiner je spezifischen Wirksamkeitsbedingungen. Sacheigentum, Ideeneigentum (geistiges Eigentum) oder Anspruchseigentum haben ebenso ihre ganz eigenen Erfordernisse wie bei ersterem etwa das immobile und das mobile Eigentum oder das unternehmerische, das aus der alten DDRVerfassung bekannte „persönliche“ und das öffentliche Eigentum. Für die mithin nötige Detailsicht bot sich sodann das Waldeigentum geradezu exemplarisch an. Bei ihm sind nicht nur die möglichen unterschiedlichen Eigentumsfacetten geballt und exeptionell vorhanden. Sondern es treten augenfällig auch die diversen Sozialfunktionen hervor, von der Rolle als wichtiger Rohstofflieferant der Wirtschaft über die Erholungsaspekte für die Menschen bis zur Wirkung als CO2-Senke. Und schließlich verkörpert das Waldeigentum mit der Langfristigkeit seiner Perspektiven noch die „Nachhaltigkeit“ von Eigentumsdispositionen in besonderer Weise. Die Vielfalt der Nutzungen und Relevanzen hat jedoch leider auch eine Vielfalt der Gefährdungstendenzen und Regulierungszugriffe zur Folge, die ihrerseits beachtet werden müssen. All diesen Aspekten will jetzt das unterbreitete Werk umfassend nachgehen. Und dafür wünscht ihm die Deutsche Stiftung Eigentum viel fachliche und politische Aufmerksamkeit. Edzard Schmidt-Jortzig Vorsitzender des Stiftungsrats der Deutschen Stiftung Eigentum
Inhaltsverzeichnis
Grußwort ...............................................................................................................V Edzard Schmidt-Jortzig Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. VII Einführung - Dimensionen des Waldeigentums ............................................... XI Otto Depenheuer
I. Kultur § 1 Der deutsche Wald ............................................................................................ 3 Albrecht Lehmann
II. Wirklichkeit § 2 Geschichte des Waldeigentums und der Forstwirtschaft ................................ 23 Uwe Eduard Schmidt § 3 Bodenreform in der DDR und Reprivatisierung ............................................ 43 Judith Froese / Ludolf Frhr. v. Oldershausen § 4 Der Wald in Zahlen ......................................................................................... 57 Andreas Bolte / Heino Polley
III. Wirtschaft § 5 Die wirtschaftliche Situation der Forstwirtschaft............................................ 73 Bernhard Möhring / Georg Leefken / Bernhard Graf v. Finckenstein § 6 Nachhaltige Waldbewirtschaftung auf ökologischen Grundlagen ................. 99 Hermann Spellmann § 7 Ökonomischer Wert und gesellschaftliche Leistungen der Wälder .............. 117 Matthias Dieter / Peter Elsasser / Carsten Thoroe
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§ 8 Rohstoffknappheit und Holzmarkt ................................................................ 139 Udo Mantau § 9 Der Wald und seine Nutzung ........................................................................ 149 Gero Becker
IV. Recht § 10 Eigentumsgarantie und Waldrecht .............................................................. 165 Ines Härtel § 11 Umwelt- und Naturschutzrecht ................................................................... 197 Stefan Wagner § 12 Betretensrecht und Verkehrssicherung ....................................................... 217 Thorsten Franz § 13 Waldeigentum und Steuern ......................................................................... 229 Gerhard Bruckmeier / Hermann Graf Nesselrode § 14 Gewässerunterhaltung und Wald in Nordostdeutschland ........................... 251 Reimar v. Alvensleben § 15 Das Jagdrecht als Bestandteil des Grundeigentums .................................... 271 Inken Lampe
V. Politik § 16 Forstpolitische Betrachtungen zum Waldeigentum .................................... 295 Norbert Weber
VI. Der Wald aus der Sicht seiner Eigentümer § 17 Privater Großwald ....................................................................................... 323 Philipp Frhr. zu Guttenberg § 18 Privater Kleinwald ...................................................................................... 335 Norbert Leben § 19 Kommunaler Körperschaftswald ................................................................ 349 Roland Burger / Jerg Hilt § 20 Staatswald ................................................................................................... 371 Carsten Wilke
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VII. Der Wald im Fokus der politischen Parteien § 21 Position der CDU/CSU-Fraktion zum Waldeigentum................................ 387 Peter Bleser § 22 SPD – Eigentumsschutz und Naturschutz nicht als Gegensätze begreifen........ 391 Petra Crone § 23 Statement zum Waldeigentum – Position der FDP...................................... 395 Christel Happach-Kasan § 24 Die Position von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN........................................ 399
Cornelia Behm § 25 LINKE Position zum Wald und Waldeigentum: Wald ist gut für alle........ 403 Kirsten Tackmann
Autorenverzeichnis ........................................................................................... 407
Einführung – Dimensionen des Waldeigentums
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I. Eigentümliches Eigentum „Wald“ Waldeigentum ist ein besonderes, ein eigentümliches Eigentum: einerseits findet die Raserei der modernen Welt im Wald, diesem „Symbol des unendlichen Raumes“1 nahezu alles, was sie selbst nicht ist. Andererseits bietet er den emotionalen Bedürfnissen der Menschen – insbesondere der Deutschen – gerade deshalb eine ideale Projektionsfläche ihrer Sehnsüchte. Beide Phänomene zusammen prägen untergründig viele politische Debatten um die rechtliche Ausgestaltung des Waldeigentums, seine ökonomischen und ökologischen Funktionen sowie seine kulturelle Bedeutung.
1. Kontrapunkt zur modernen Welt Im gegenwärtigen, immer rasenderen Zeitalter der globalisierten, individualisierten, digital vernetzten und zunehmend nur noch virtuellen Welt repräsentiert der Wald die schlechthinnige Gegenwelt. Tatsächlich bildet das Waldeigentum einen Eigentumstitel besonderer Art: ruhender Gegenpol, Kontrast wie Kontrapunkt zur internetbasierten, hochgradig fragmentierten, sich immer weiter ausdifferenzierenden und kurzatmiger agierenden Gesellschaft, für die als exemplarisches Beispiel nur das „Monster“ einer kürzlich erst aus dem Ruder gelaufenen Finanzwirtschaft genannt sei.2 Das Eigentum am Wald markiert den denkbar schärfsten Kontrast zu den neuartigen Eigentumstiteln in der Finanzwirtschaft. Während die Waldeigentümer nicht anders als in Umtriebzeiten zwischen 80 bis 250 Jahren denken können, jagen die Fondsmanager der Finanzbranche ihre immer virtuelleren und irrealeren Eigentumstitel in unfaßbaren Größenordnungen in Sekundenschnelle um die Welt auf der Suche nach noch besseren Renditen. Das Eigentum am Wald ist real, die Produkte der Finanzwirtschaft sind virtuell. Der Wald ver1 2
Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes [1923], S. 509. Zum Problem: Otto Depenheuer (Hg.), Eigentumsverfassung und Finanzkrise (= Bibliothek des Eigentums, Bd. 7), 2009, mit Beiträgen von Paul Kirchhof, Friedrich Merz, Michael Hüther, Andreas Schmitz und Klaus Schweinsberg.
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strömt zeitlose Ruhe, den Finanzmarkt beherrscht hektische Nervosität. Der Waldbewirtschaftung ist Nachhaltigkeit immanent, die Finanzwirtschaft kennzeichnet maximale Volatilität. Der Wald repräsentiert die Gebundenheit an Ort und Zeit und gibt dem Eigentümer so Orientierungs- und Handlungssicherheit zwischen Vergangenheit und Zukunft, nach der sich die Akteure der Finanzmärkte vielleicht sehnen, die sie aber nicht finden können. Zahlenbasiert und in Echtzeit über alles informiert, haben sie sich den vollkommenen Markt computergesteuert erst fingiert und sodann die Welt ebenso hektisch wie blind an den Rand des Abgrunds gesteuert. Wäre es zum Zusammenbruch der Finanzwirtschaft und mit ihr der Realwirtschaft gekommen, d.h. zum Staatsbankrott und zu einer Weltwirtschaftskrise, hätten Staat und Gesellschaft eine Bewährungsprobe zu bewältigen gehabt, deren Bestehen keineswegs als gesichert gelten darf. Aber – der Wald würde dieses Szenario in seiner „Grenzenlosigkeit und Ungemessenheit“ (Spengler) gar nicht bemerken, sondern – den nervösen Zeitläufen enthoben – einfach weiterwachsen und seinen langfristigen Lebenszyklus vollenden. Der Wald markiert den Gegenpol zum Projekt der Moderne und symbolisiert den Widerspruch der modernen Welt zwischen Verweilen und Bewegung, Kontemplation und Aktion, Genügsamkeit und maßloser Gier. Der Wald repräsentiert eine vergangene Welt, die in sich ruhte und zu der das Projekt der Moderne in denkbar schärften Gegensatz steht.3 Vielleicht aber ist die vergangene Welt des Waldes tatsächlich moderner als das Projekt seiner Überwindung. Denn der Wald ist eben Realität schlechthin: man kann ihn sehen, betreten, riechen. Die Produkte der Moderne hingegen sind kurzlebig, abstrakt und virtuell: man muß an sie glauben, damit sie halten, was sie versprechen; und sie halten nur so lange, wie man ihnen vertraut. Die Sehnsucht nach Langfristigkeit, Stabilität, Orientierung, Verantwortung und Nachhaltigkeit – bekanntlich Modeworte der gegenwärtigen politischen Debatte – finden denn auch nicht zufällig ihren Ursprung und ihr Referenzgebiet in der Waldbewirtschaftung. Die forstliche Produktion läßt keine Umbrüche und Kehrtwendungen von heute auf morgen zu, sie ist alternativlos auf Langfristigkeit programmiert. Das setzt allen Bestrebungen, den Wald zu funktionalisieren und ihn der schnellebigen Zeit kompatibel zu gestalten, gleichsam natürliche Grenzen. Alle Waldbesitzarten in Deutschland eint das gemeinsame Leitbild einer nachhaltigen und multifunktionalen Forstwirtschaft. Der Wald steht für Langfristigkeit, Verläßlichkeit, Vertrautheit, in gewisser Weise für „Heimat“ – und damit ist die emotionale Seite des Verhältnisses von Mensch und Wald angesprochen.
2. Des Deutschen Liebe zum Wald „In keinem Lande der Welt ist das Waldgefühl so lebendig geblieben wie in Deutschland. Er [sc. der Deutsche] sucht den Wald, in dem seine Vorfahren gelebt 3
Ebenso kluge wie subtile Zeitdiagnose am Beispiel der Exegese von Goethes Faust II: Michael Jäger, Gobal player Faust oder: Das Verschwinden der Gegenwart, 2010.
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haben, noch heute gern auf, fühlt sich eins mit den Bäumen“.4 Mit diesen Worten umschreibt der aufmerksam beobachtende Elias Canetti eine Besonderheit des Verhältnisses der Deutschen zum Wald: „der Deutsche sah sich gern im Wald“, den er sich in Erzählungen und Märchen immer wieder vergegenwärtigte. Tatsächlich ist den Deutschen ihr Wald lieb und – buchstäblich – teuer. Schon die Reichsmark bediente sich des Eichenbaums als Emblem. Ihre zum Nationalsymbol gewordene Nachkriegswährung – die „D-Mark“ – zierte auf jeder Münze vom Ein-Pfennig- bis zum Mark-Stück das Eichenblatt. Da wollte auch die DDR mir ihrer Mark nicht zurückstehen, und prägte ihrerseits das Eichenblatt auf ihre Münzen. Und auch die in Deutschland geprägten Cent-Münzen im Zeitalter des Euro dokumentieren die Liebe der Deutschen zu Wäldern und Eichbäumen. Hintergründig prägt dieses emotionale Verhältnis der Deutschen zum Wald als unbewußte Dimension die zahlreichen Diskussionen um die Probleme des Waldeigentums, seines rechtlichen Schutzes und seiner rechtlichen Ausgestaltung, seiner Bewirtschaftung, seiner ökologischen Bedeutung und Erholungsfunktion.
II. Waldeigentum aus wissenschaftlicher Perspektive Beide Besonderheiten des Eigentums am Wald – seine langfristige Beständigkeit wie seine emotionale Bindungskraft – schlagen durch auf seine rechtliche Ausgestaltung, auf die öffentliche Aufmerksamkeit, die er erzielt, auf seine wirtschaftliche und ökologische Bewertung. Sowohl das Affektionsinteresse am Wald als auch der Respekt vor der Bedeutung des Waldes haben denn auch Spuren hinterlassen bei der Ausprägung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs hinsichtlich des Waldes. Immerhin zählt der Wald im Bewußtsein der meisten Bürger zum Gemeineigentum, den jeder nach seiner Façon nutzen kann: zum Betreten, zum Befahren und zur Erhohlung etc. Die uralte Liebe der Deutschen zum Wald gilt vielen als ausreichender Titel für wohlmeinende Eingriffe in das Eigentum, sei es durch den reglementierenden Staat, sei es durch den Bürger in Form souveräner Selbstermächtigung. Diese eher untergründig wirkenden Implikationen des Waldeigentums muß kennen und berücksichtigen, wer sich – politisch, rechtlich oder ökonomisch – mit dem Waldeigentum befaßt. Das gilt insbesondere auch für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Waldeigentum: diese ist notwendigerweise distanzierter, objektiver und sachgerechter, versucht allen legitimen Interessen Rechnung zu tragen und diese in ein ausgewogenes, langfristiges wie nachhaltiges Verhältnis zueinander zu bringen. Das Grundproblem ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive im Prinzip zwar ein allgemeines: es geht um den Ausgleich der Interessen der Waldeigentümer auf der einen und derjenigen der Allgemeinheit auf der anderen Seite, deren Interessenwahrer der Staat ist. Aber im konkreten Fall bedarf die notwendige praktische Konkordanz der widerstreitenden
4
Elias Canetti, Masse und Macht, 1960, S. 195 f.
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Interessen sehr bereichsspezifischer Konkretisierung, die der Eigentümlichkeit des Waldeigentums in gebührender Weise Rechnung trägt. Das Eigentum am Wald ist in erster Linie Sache der Waldeigentümer. Die typologisch zu unterscheidenden vier Gruppen von Eigentümern – der private Groß- und der private Kleinwald, der Körperschafts- und der Staatswald – verfolgen durchaus unterschiedliche Ziele, ergänzen sich aber gerade dadurch wechselseitig. Jedenfalls obliegt es verfassungsrechtlich in erster Linie ihrer Kompetenz, Ziele und Mittel der Waldbewirtschaftung zu definieren. Auch und gerade in den Fragen des Umwelt- und Naturschutzes ist der Eigentümer des Waldes der sachnächste und – gerechteste Sachwalter der Gemeinwohlverpflichtung des Waldes, für den und von dem er – vergangenheitsgeprägt und zukunftsorientiert – lebt.5 Das Eigentum am Wald ist jedoch nicht ausschließlich Sache der Waldeigentümer. Das öffentliches Interesse der Bürger am Wald wird vom Staat wahrgenommen, gemeinwohlorientiert verwaltet und in Ansehung der vielfältigen Interessen ausgestaltet: als Kulturgut und Ort der Erholung für die Bürger (Ort für Spaziergänge und Naturbeobachtung), als Wirtschaftsfaktor (Holzindustrie), als ökologische Ressource und Reservat (Umweltschutz), als Lebensraum für Tiere und Pflanzen (Artenvielfalt). Die privaten Interessen der Waldeigentümer und widerstreitende öffentliche Interessen der Gesellschaft stehen derart in einem steten, immer aufs Neue auszugleichenden Spannungsfeld. Die Spannungen zwischen den widerstreitenden Polen verschärfen sich in dem Maße, wie sich die Lebenswelten des Waldes und die der Gesellschaft immer mehr voneinander entfernen. Wenn sich die Kurzfristigkeit der Politik und die Langfristigkeit des Waldes begegnen, kommt es unvermeidlich zu Wahrnehmungs- und Kommunikationsstörungen. In dem Maße, in dem die gesellschaftliche Herausforderung der je zeitgerechten Ordnung von Wald und Gesellschaft zunimmt, bedarf es daher kommunikativer Selbstvergewisserung aller beteiligten Kreise, um in diesem Spannungsfeld den tatsächlichen und rechtlichen Zustand des Waldeigentums empirisch zu erheben, Entwicklungslinien zu erkennen, Spannungs- und Problemlagen zu definieren sowie Konfliktlösungsstrategien zu entwerfen. In diesem Sinne widmet sich der Band 8 der Bibliothek des Eigentums dem Waldeigentum, um die emotionalen und ökonomischen Implikationen, die rechtlichen Antworten sowie rechtspolitische Optionen aufzuzeigen. Er greift damit ein Anliegen auf, das erstmals Erwin Nießlein vor genau 30 Jahren in verdienstvoller Weise angegangen hat.6 Weil jede Generation, was sie von den Vätern ererbt, auch selbst erwerben muß, war es nunmehr an der Zeit, diese Überlegungen fortzusetzen und zu vertiefen. 5
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Vgl. näher die Studie von Daniela Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, 2008, insbes. S. 172 ff. Erwin Nießlein, Waldeigentum und Gesellschaft. Eine Studie zur Sozialbindung des Eigentums, 1980.
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III. Perspektiven auf das Waldeigentum Der vorliegende Sammelband versucht in diesem Sinne einen Überblick über zahlreiche der relevanten Implikationen zu geben, die jede politische Debatte und rechtliche Regelung des Waldeigentums im Blick haben muß: die kulturellen Tiefenschichten des Themas „Wald“ ins Bewußtsein zu heben, sich der Geschichte und der heutigen Realität des Waldes zu vergewissern, die ökonomischen Rahmendaten und Besonderheiten der Waldbewirtschaftung aufzuzeigen, den gegenwärtigen Rechtsrahmen zu skizzieren und künftigen Regelungsbedarf aufzeigen, das Selbstverständnis und die Interessen der unterschiedlichen Gruppen von Waldeigentümern ebenso zu Wort kommen zu lassen wie die Positionen der im Bundestag vertretenen politischen Parteien zum Thema „Wald“.
1. Kultur Der Wald als Kulturmuster und Identitätssymbol, die er gerade in Deutschland und für die Deutschen bildet, ist Gegenstand des einleitenden Beitrags von ĺ Lehmann. Der kulturelle Exkurs ist mehr als nur schöngeistiges Ornament, sondern bestimmt in seinen Tiefendimensionen die politischen Debatten um den Wald. Der Mythos vom Waldsterben beispielsweise ist ohne diesen romantisch geprägten Waldmythos kaum zu erklären. Das vermeintliche Untergangsszenario erreichte offenbar verborgene Schichten des Bewusstseins. Die romantische Natursehnsucht und Naturliebe dürfte aber auch allgemein, wenn auch unbewußt Pate stehen für manche Eigentümlichkeiten der deutschen Umwelt-Politik einschließlich des missionarischen Impetus Deutschlands in Sachen internationalem Klimaschutz. Dabei weist Lehmann auf den bemerkens- und bedenkenswerten Umstand hin, daß die romantische Waldliebe offensichtlich umgekehrt proportional zur Waldnähe ihrer Protagonisten ausfällt. So war die Angst vor dem Waldsterben vor allem ein Phänomen der großen Städte, wo die Intellektuellen ihre Diskurse führen, während die „waldnah“ lebende ländliche Bevölkerung wesentlich gelassener auf die medialen Horrorszenarien reagierte. Allgemeiner und resümierend formuliert: offenbar bedarf es erst einmal der kultivierten wie kultivierenden Sicherheit der Städte, um sich das Gefühl romantischer Natursehnsucht leisten zu können. Das nimmt der Vorstellung vom Wald als einem Ort der Muße und als eines Symbols der menschlichen Harmonie nichts von seiner Berechtigung und erholungsspendenden Kraft. Aber es zeigt auch eine Abfolge zivilisatorischer Entwicklungen, die man nicht ohne Schaden umkehren kann: erst nach der zivilisatorischen Bändigung und Kultivierung der Natur kann man sich ganz und schadlos der romantischen Sehnsucht nach der unverfälschten Natur hingeben.
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2. Wirklichkeit Der Rückblick auf die Geschichte des Waldeigentums und der Forstwirtschaft in Deutschland sowie eine Bestandaufnahme seiner gegebenen Wirklichkeit ist Voraussetzung jeder Befassung mit den Fragen und Problemen des Waldes. In seinem historischen Beitrag läßt ĺ Schmidt die Entwicklung und Vielgestaltigkeit des Waldeigentums, aber auch dessen – trotz aller Brüche in Folge politischer wie naturbedingter Katastrophen – großen Traditions- und Kontinuitätslinien deutlich werden. Die beiden letzten großen politischen Umwälzungen des Waldeigentums in Deutschland – die Bodenreform in der DDR und die Reprivatisierungspolitik im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands – werden in ihren rechtlichen Grundzügen und ihrem faktischen Vollzug von ĺ Froese/Frhr. v. Oldershausen nachgezeichnet. Die gegenwärtige Flächenstruktur, Baumartenzusammensetzung und Nutzungsintensität der Wälder in Deutschland werden von ĺ Bolte/Polley in ihrer spezifischen Prägung durch die jeweilige Eigentumsart analysiert: während öffentliche Wälder in Bundes- und Landesbesitz verstärkt Aufgaben in den Bereichen Naturschutz und Erhaltung der Biodiversität wahrnehmen, dominiert in den Privatwäldern die Nutz- und Eigentumsfunktion.
3. Wirtschaft Zentrale Problemfelder der ökonomischen Dimension des Waldeigentums thematisiert das dritte Kapitel. Die allgemeine rechtspolitische Diskussion zum Thema der Wirtschaft des Waldes neigt dazu, aus lauter Liebe zum Wald und dem Ziel des Naturschutzes die elementare Erkenntnis zu vernachlässigen, daß die privaten Forstbetriebe Wirtschaftsbetriebe sind und deshalb in erster Linie einer ökonomischen Logik folgen müssen. Sie müssen wirtschaftlich erfolgreich sein, um langfristig wettbewerbsfähig bleiben zu können. Dabei unterliegen die Forstbetriebe spezifischen Rahmenbedingungen, wie sie die empirisch unterfütterte Studie von ĺ Möhring/Leefken/Graf v. Finckenstein deutlich werden läßt. Dabei ist es der Holzwirtschaft aufs Ganze gesehen gelungen, den deutlichen Rückgang der Holzpreise in den letzten 40 Jahren durch Rationalisierungsmaßnahmen und strukturelle Anpassungen weitgehend aufzufangen. Da ferner Holz ein zunehmend gefragter Rohstoff sein wird und es sich beim Wald um ein unvermehrbares, zunehmend knapper werdendes Gut handelt, dürften die Zukunftsaussichten der Holzwirtschaft günstig zu beurteilen sein. Grundsätzlich aber muß der nachhaltige erwerbswirtschaftliche Erfolg von Forstbetrieben wieder zum anerkannten Leitbild für das forstpolitische Handeln werden. Eine wirtschaftlich solide Forstwirtschaft bildet die notwendige Voraussetzung für einen effektiven Naturschutz. Von den Besonderheiten der Waldbewirtschaftung – dem Leitbild einer nachhaltigen, multifunktionalen Forstwirtschaft und der waldbaulichen Ausgangssituation in Deutschland ausgehend – skizziert ĺ Spellmann die wesentlichen Elemente eines Waldbaus auf ökologischen Grundlagen. Auf die fortschreitende Globalisie-
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rung der Märkte, den Klimawandel, auf das Ziel der Erhaltung der Biodiversität sowie auf den steigenden Rohholzbedarf wird die Forstwirtschaft unter Wahrung der Nachhaltigkeit reagieren müssen. Bisher ungenutzte Rohholzpotenziale müssen erschlossen, nicht kontinuierlich zu bedienende Überkapazitäten abgebaut sowie Klima-Anpassungsstrategien für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung entwickelt werden. Vor allem aber müssen die forstbetrieblichen Handlungsspielräume der Waldeigentümer erhalten bleiben, um auf veränderte ökologische und ökonomische Rahmenbedingungen flexibel reagieren zu können. Das Leitbild der multifunktionalen Forstwirtschaft sucht die verschiedenen Nutzungen des Holzes weniger als einander konkurrierende und verdrängende, denn als wechselseitig ergänzende Elemente einer nachhaltigen Holzerzeugung zu betrachten. Dazu aber müßten die „preislosen“ Umweltleistungen des Waldes bewertet werden, um die Notwendigkeit staatlicher Bewirtschaftungsbeschränkungen oder -maßnahmen in ihrer Geeignetheit und Erforderlichkeit sachgerecht beurteilen zu können. In einer Zeit, in der die Vermessung der Welt die Kraft des praktischen Urteils in den Hintergrund drängt, ein schwieriges Unterfangen, dem sich der Beitrag von ĺ Dieter/Elsasser/Thoroe gestellt hat. Erst die Bewertung der Kosten und Nutzen der unterschiedlichen Umweltleistungen des Waldes ermöglicht eine effiziente Nutzung der Wälder und läßt die Bedeutung klarer Eigentumsund Verfügungsrechte der Waldbesitzer erkennbar werden. So können Nutzenbewertungen dazu beitragen, die Umweltleistungen von Wäldern in Relation zueinander, zum Wert marktgängiger Güter, z.B. Rohholz, sowie zu den jeweils mit ihrer Produktion verbundenen Kosten zutreffend einzuschätzen und damit politische Konflikte um die Balance zwischen Eigentumsschutz und Sozialpflichtigkeit des Eigentums mit Argumenten zu unterfüttern. In Ansehung der grundlegenden Veränderungen des Holzmarktes zu Beginn des neuen Jahrhunderts skizziert der Beitrag von ĺ Mantau das Problem des Holzmarktes in Zeiten zunehmender Rohstoffknappheit. Holzenergie ist in vielen Ländern Europas auch heute die wichtigste Energiequelle aus erneuerbaren Quellen wie Wasser-, Wind- und Solarenergie oder Geothermie. Gleichzeitig aber wird die Holzverfügbarkeit in Europa in den nächsten 20 Jahren deutlich abnehmen, so daß die Holzmobilisierung erheblich gesteigert werden muß. Das setzt neben finanziellen Anstrengungen vor allem auch eine verstärkte politische Anerkennung der Holzproduktion als gemeinwohldienliches Ziel voraus. Die entsprechenden Perspektiven für den Wald und seine Nutzung werden im Beitrag von ĺ Becker dargestellt und näher konkretisiert.
4. Recht Die Bestandaufnahme der kulturellen, realen wie historischen und ökonomischen Vorgegebenheiten des Waldeigentums lassen die rechtlichen Fragen des Waldes erst in ihrer ganzen Tragweite erkennbar werden. Die Balance zwischen Waldei-
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gentum und Allgemeinwohlinteressen zeichnet verfassungsrechtlich der Beitrag von ĺ Härtel. Die Vielzahl staatlicher Eingriffe und gesellschaftlichen Anforderungen an das Waldeigentum, d.h. der Umfang und die Qualität der Leistungen, welche die Waldbesitzer der Gesellschaft zur Verfügung stellen, bzw. welche die Gesellschaft den Waldbesitzern abverlangt, geht über die Sozialpflichtigkeit des privaten Eigentums z.T. deutlich hinaus. Auch zeigt die rechtliche Bestandsaufnahme, daß spätestens seit der nationalen Umsetzung der FFH-Richtlinie der Europäischen Union die Nutzung von Wäldern in Deutschland vielfältigen Einflüssen der internationalen und supranationalen Ebene unterworfen ist. In exemplarischer Gestalt wird das Spannungsfeld von Eigentümerinteressen und Allgemeinwohlinteressen an den brisanten Konfliktfeldern der öffentlichen Betretungsrechte und der Verkehrssicherungspflichten des Waldeigentümers aufgearbeitet in den Beiträgen von ĺ Franz und ĺ Wagner. Problematik und Besonderheit des Waldes zeigen sich in der Realität der Besteuerung des Waldeigentums, wie der Beitrag von ĺ Bruckmeier/Graf Nesselrode zeigt. Auch hier prägt die Eigentümlichkeit des Waldeigentums die Problemlage: während das Waldeigentum langfristig angelegtes Eigentum ist, muß der Staat seine laufenden Einnahmen regelmäßig sichern und greift zu diesem Zweck in kurzen Abständen auf das Waldeigentum und auf die begründete Leistungsfähigkeit des Waldeigentümers zu. Angesichts der niedrigen Renditen im Wald und des – gerade in der Kumulation der verschiedenen Steuerarten – hohen Steuerzugriffs des Staates kommen sie dem Ergebnis, daß der Aufbau einer nur auf einen Forstbetrieb gestützten Existenz in Deutschland ohne Eigenkapital zum Scheitern verurteilt ist und allenfalls bei einer Größenordnung möglich erscheint, für die es aber faktisch keinen Markt gibt. Waldeigentümer und Eigentümer von Naturschutzflächen werden durch Umlagen an den Kosten der Gewässerunterhaltung beteiligt, obwohl sie in der Regel weder Verursacher von Versiegelungen sind noch durch Maßnahmen der Gewässerunterhaltung Vorteile erlangen. Seine an einem konkreten Beispiel empirisch belegten Untersuchungen lassen ĺ von Alvensleben zu der rechtspolitischen Forderung gelangen, daß der Gesetzgeber das Verursacherprinzip bei der Umlage der Gewässerunterhaltungskosten zwingend vorschreiben muß. Auch sollten die Wasser- und Bodenverbände entweder ganz abgeschafft oder in echte Selbstverwaltungskörperschaften umgewandelt werden. Schließlich ist die verwaltungsgerichtlich akzeptierte Gleichbehandlung von versiegelten Flächen, Agrarflächen und Wald bei der Bemessung der Abgaben mit einer am Gerechtigkeitssinn orientierten Betrachtungsweise kaum vereinbar und muß daher korrigiert werden. Das Erscheinungsbild des Waldes wird maßgeblich auch durch das Jagdrecht beeinflußt: der Wald, wie er sich heute darstellt, sähe ohne die forstwirtschaftlichen Maßnahmen und ohne die Geschichte seiner Bejagung völlig anders aus. Dieses stets spannungsgeladene Verhältnis des Wald- und des Jagdrechts als Bestandteil des Grundeigentums wird im Beitrag ĺ Lampe deutlich.
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5. Politik In seinen forstpolitischen Betrachtungen zum Waldeigentum geht ĺ Weber auf die demographischen und soziologischen Veränderungen auf Seiten der privaten Waldbesitzer ein. In den Befunden – Überalterung, neue Eigentümergruppen, Differenzierung der Eigentümerziele –, spiegeln sich gesellschaftliche Phänomene wie Pluralisierung und Individualisierung wider. Die gegenwärtige Struktur der privaten Waldbesitzer wird durch eine zunehmende Urbanisierung der Lebensstile der Waldbesitzer geprägt. Die Ausdifferenzierung der drei großen Waldeigentumsarten – Staats-, Kommunal-, und Privatwald –, die Interessenvielfalt der einzelnen Waldbesitzer sowie eine zunehmend heterogene Gesellschaft mit vielfältigen und zum Teil konträren Nutzungsinteressen prägen die ordnungspolitischen Herausforderungen der staatlichen Waldpolitik. Diese muß die unterschiedlichen Anforderungen und Interessen aufnehmen, gewichten und miteinander in Einklang bringen, wobei Weber kooperativen Instrumenten vor ordnungsrechtlichen Eingriffen den Vorzug einräumt. So besteht im ländlichen Raum konkret die Aufgabe darin, einer weiteren Abwanderung von Menschen aus dem Land entgegenzuwirken. In stadtnahen Wäldern müssen demgegenüber Konzepte gefunden werden, um den Ausgleich zwischen der Wahrung der Eigentümerinteressen gegenüber den vielfältigen Ansprüchen von Erholungssuchenden und Trägern öffentlicher und privater Bauvorhaben, die den Wald nur als Flächenreserve sehen, zu gewährleisten. Bei der Lösung der vielfältigen Problemlagen muß die Pluralität und Vielfalt der Eigentumsarten am Wald Beachtung finden. Die Diversität der Eigentümerstruktur – mit seinen verschiedenen Kategorien des öffentlichen und privaten Waldeigentums und verschiedenen Größenklassen innerhalb der Eigentumsarten – kann sich in diesem Zusammenhang als entscheidender Vorteil für die Anpassungsfähigkeit an künftige Herausforderungen erweisen.
6. Waldeigentümer und Politik Der Band schließt mit waldpolitischen Selbstzeugnissen von Repräsentanten der verschiedenen Gruppen von Waldeigentümern sowie mit den waldpolitischen Vorstellungen der im Bundestag vertretenen politischen Parteien zur Zukunft des Waldes. Die Forstbetriebe in Deutschland weisen traditionell eine große Vielfalt auf. Sie unterscheiden sich nach Eigentumsart und Betriebsgröße, nach den vorhandenen Baumarten und Vorratsausstattungen, nach Bewirtschaftungssystemen, nach örtlicher Situation und regionaler Lage sowie nach dem betrieblichen Leistungsspektrum. Hinzu kommen individuelle Werte und Normen der verschiedenen Waldeigentümer, so daß von einzelnen Forstbetrieben konkret sehr unterschiedliche Ziele verfolgt werden, wie die Beiträge von ĺ Frhr. zu Guttenberg, ĺ Leben, ĺ Burger/Hilt und ĺ Wilke deutlich erkennen lassen. Alles in allem zeigt sich darin aber auch, daß Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern über stabile waldeigentumsrechtliche Strukturen verfügt. Zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung kann das private Waldeigentum und seine gesellschaftliche Akzep-
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tanz in Deutschland als gesichert gelten. Das insgesamt waldfreundliche politische Klima wird auch in den Positionsbestimmungen der politischen Parteien erkennbar, die in den Beiträgen von ĺ Bleser, ĺ Crone, ĺ Happach-Kasan, ĺ Behm und ĺ Tackmann zu Wort kommen. Dies läßt darauf hoffen, daß die vielschichtigen Probleme des Waldeigentums, wie sie in diesem Band sichtbar geworden sind, im pragmatischen politischen Diskurs in einer Weise abgearbeitet werden können, die den Interessen aller Beteiligten auch in Zukunft in angemessener Weise Rechnung trägt und den gesellschaftlichen Frieden in Ansehung des Waldes sicherstellen kann.
IV. Zukunft des Waldeigentums Waldeigentum – das ist die Quintessenz dieses Sammelbandes – hat Vergangenheit und deshalb Zukunft. Waldeigentümer, die in Jahrzehnten, wenn nicht in Jahrhunderten denken und denken müssen, stehen gleichsam von Hause aus zwischen Vergangenheit und Zukunft, wissen aus eigener Erfahrung, was Nachhaltigkeit und Verantwortung für die Zukunft bedeutet. Aus der Distanz eines unserer rasenden Welt eher ungewohnt langen Lebenszyklus‘ kann der Wald und seine Bewirtschaftung auch Vorbild, Maßstab oder jedenfalls regulatives Prinzip für eine gute Politik sein, die immer seltener den Blick über den Vier-JahresRhythmus einer Wahlperiode hinaus wagt. Seine majestätische Objektivität und Zeitenthobenheit ließen den Wald in kulturhistorischer Perspektive zum Vorbild für die Verehrung des Göttlichen werden: in den „Wälderhaften der Dome“ und dem „Organ der abendländischen Andacht“ – der Orgel. Ihre Geschichte spiegelt nach Oswald Spengler die „Sehnsucht nach dem Walde, nach der Sprache dieses eigentlichen Tempels der abendländischen Gottesverehrung.“7 Eingedenk dessen könnte der Wald auch heute durch sein reales Dasein und seine symbolische Wirkkraft das Medium sein, das der modernen, religionsfernen und hektischen Welt als Mahnung dient, innezuhalten, zu sich selbst zurückfinden, ohne und frei von der Raserei der kurzfristigen und morgen überholten Interessen, zeitlos in sich ruhend offen zu sein für wirklich Neues und Wesentliches: „Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn.“8 Nur dann kann man im Wald das finden, was man nur findet, wenn man nichts sucht: und das kann für jeden von uns und für das Gemeinwesen insgesamt das Wichtigste sein. Um dazu einen Beitrag zu leisten, widmet die Deutsche Stiftung Eigentum diesen Achten Bandes der „Bibliothek des Eigentums“ dem Waldeigentum, seiner Bedeutung für die historische Selbstvergewisserung der Bürger, seiner wirtschaftlichen, rechtlichen und ökologischen Bedeutung im Spannungsfeld von Eigentumsrechten und Allgemeinwohlbedürfnissen. Der Wald bedarf solcher reflektierender wissen7 8
Spengler (N 1), S. 508 f. Johann Wolfgang von Goethe, „Gefunden“, in: Goethe’s Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand, Band 1 [1827], S. 26.
Dimensionen des Waldeigentums
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schaftlicher Vergewisserung in regelmäßigen Abständen. In einem naturgemäß nicht konfliktfreien Umfeld können dabei nicht stets alle Anliegen in der gebührenden Bedeutung angesprochen werden, werden manche Meinungen und Forderungen auch kontrovers aufgenommen werden. Aber gerade auch dann und dadurch kann die sachliche Debatte vertieft geführt werden, die im Interesse des Waldeigentums von jeder Generation stets neu geführt werden muß. Ein Sammelband dieses Umfangs verdankt sich nicht nur den Autoren und Herausgebern, sondern einer Vielzahl von Helfern, ohne deren Wirken im Hintergrund eine solche Aufgabe nicht bewältigt werden kann. Stellvertretend für alle sei besonderer Dank gesagt der Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Eigentum, Heidrun Gräfin von der Schulenburg, die durch unermüdlichen persönlichen Einsatz den zeitnahen Eingang der Manuskripte sichergestellt hat. Christian Olthaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik, hat die Manuskripte kompetent und zuverlässig in das Druckformat überführt; auch ihm gebührt dafür herzlicher Dank.
I. Kultur
§1
Der deutsche Wald Kulturmuster und Identitätssymbol
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I. Das „Waldvolk“ Vor fünfzig Jahren veröffentlichte Elias Canetti sein berühmtes Werk „Masse und Macht“. Darin benannte er die „Massensymbole der Nationen“ einiger europäischer Länder und Kulturen. Den Engländern z. B. schrieb er das Meer, den Schweizern die Berge, den Franzosen ihre Revolution und den Deutschen den Wald zu. In keinem modernen Land sei das Waldgefühl so prägend und lebendig geblieben wie in Deutschland. „Die Deutschen lieben ihren Wald, in dem schon ihre Vorfahren zu Hause waren. Sie besuchen ihn gern und fühlen sich dabei eins mit den Bäumen.“1 Eine Zuschreibung nationaler Symbole und Charaktereigenschaften ist stets heikel, besonders, wenn diese Gedankenbilder ahistorisch starr wahrgenommen werden. Überdies wird man die Waldverliebtheit von uns Deutschen relativieren müssen, denn in Skandinavien2, im slawischen Kulturgebiet3 und auch in Japan fällt die Waldliebe wohl kaum geringer aus als bei uns.4 Aber von unseren Nachbarn, speziell in Frankreich und auch in England werden wir recht stereotyp mit der Liebe zu unseren Wälder identifiziert.5 Gelegentlich lösen die Waldliebe der Deutschen und Wald-Vorstellungen, wie sie sich bei deutschen Kulturhistorikern des 19. und 20. Jahrhunderts artikulieren, bis heute Befremden aus. Einer von ihnen, der Kulturhistoriker und Romanautor Wilhelm Heinrich Riehl, wollte es auf den 1 2
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E. Canetti, Masse und Macht, Hamburg 1960, S. 195 f. K. Ekman, Der Wald. Eine literarische Wanderung, München 2008; J. Ahvenainen, Man and the Forest in Northern Europe from the Middle Ages to the 19th Century, in: Vierteljahresheft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 83(1996), S. 1-24. W. Lettenbauer, Der Baumkultur der Slawen, Neuwied 1981. J. Diamond, Kollaps. Warum Gesellschaften überleben und untergehen, Frankfurt/M. 2006, S. 366-382. M. Tournier, Der Baum und der Wald, in: Akademie der Künste (Hg.), Waldungen. Die Deutschen und ihr Wald, Berlin 1987, S. 26 f.
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Punkt bringen: Der Gedanke, „jeden Flecken Erde von Menschenhänden umgewühlt zu sehen, hat für die Phantasie jedes natürlichen Menschen etwas grauenhaft Unheimliches; ganz besonders ist er aber dem deutschen Geiste zuwider.“6 - Als die Apokalyptik des Waldsterbens in den 1980er Jahren die Massenmedien und große Teile der Bevölkerung in Deutschland durcheinander brachte, staunten unsere französischen und englischen Nachbarn über diesen neuerlichen Ausbruch deutschen Wald-Geistes. Dass ein großes Industrievolk seit dem 19. Jahrhundert seine Vitalität aus seinen Wäldern beziehen soll, wurde mit Erstaunen und Heiterkeit registriert. Unsentimental beschreibt der französische Historiker Fernand Braudel das andersartige Verhältnis seiner Landsleute zu ihren Wäldern: „Der Wald wirft nur dann Gewinn ab, wenn er durch vielfältige Nutzung ins Wirtschaftsleben einbezogen ist.“ Jede Gelegenheit, ihm Ackerboden abzugewinnen, werde in Frankreich seit dem Altertum genutzt.7 Einem Wirbelsturm, der im Jahr 1519 in einem Bezirk über 50.000 Bäume entwurzelte, wird mit einem Gottesdienst gedankt. Hatte der Himmel den Bauern doch die Mühsal des Rodens abgenommen. Einige unserer Nachbarn hatten ihre Wälder bereits sehr früh gerodet: Italien seit der Antike, Frankreich seit dem Mittelalter; ebenso England, wo die Wälder über Jahrhunderte hin für den Schiffbau genutzt wurden. Die Bodenstatistik zeigt, in Deutschland bestehen knapp 30 % der Fläche aus unterschiedlichen Formen von Wald. Wir finden Fichtenwälder im Harz, Kiefernwälder in Brandenburg und in den Hochlagen des Schwarzwaldes wächst ein Mischwald aus Tannen und Buchen. Dieser Flächenanteil des Waldes an den Landschaften in Deutschland hat sich seit ca. 600 Jahren nahezu konstant erhalten.8 Allein dieser Anteil der Wälder an der Gesamtfläche diverser Landschaftsformen bringt mit sich, dass die Bevölkerung Wald als naturgegeben wahrnimmt und als Teil der „Heimat“ privilegiert. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass unsere Nachbarn die historisch gewachsenen Landschaftsformen ihrer eigenen Lebenswelt ebenso bevorzugen und preisen, wie es die Deutschen bei ihren Wäldern praktizieren. So favorisieren bildende Kunst und populäre Landschaftsästhetik in England eine offene parkartige Landschaft, die den Blick auf Wiesen, Felder, Wege und kleine Baumgruppen freigibt.9 Ob wir es gern hören mögen oder nicht: Der Wald ist für die deutsche „Seele“ ein wichtiges Symbol für Natur- und Lebensgefühl. Hier setzt die Frage einer Kulturwissenschaft an. Sie geht von der Gegenwart aus und fragt nach der historischen Entstehung und der aktuellen Wirkung von Tradi6 7
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W-H. Riehl, Land und Leute, 9. Aufl., Stuttgart 1894, S. 50. F. Braudel, Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts. Der Alltag, München 1985, S. 390-396. K. Mantel, Wald und Forst in der Geschichte, Alfeld 1990, S. 58-91. Vgl. C. Painter, At Home with Constable’s Cornfield, London 1996; A. Lehmann, Bilder als Vorbild. Zur Ikonologie des „landschaftlichen Auges“, in: H. Gerndt/M. Haibl (Hg.), Der Bilderalltag, Münster u. a. 2005, S. 157-168.
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tionsmustern und lebenspraktischen Kenntnissen im Bewusstsein der Zeitgenossen. Es steht also nicht der Wald, seine Tiere und Pflanzen im Mittelpunkt des Interesses, nicht die Frage, wie der „deutsche Wald“ wirklich aussieht und wächst, ob er gesund ist oder krank. Stattdessen geht es um die Menschen mit ihren unterschiedlichen Natur- und Waldvorstellungen, ihren Erfahrungen, Wünschen, Kenntnisse, Abneigungen und Vorlieben.10
II. Mythen und ihre Wirkung Wer wissen will, wie der Wald zum Mythos der Deutschen und zu ihrem Identitätssymbol wurde, muss weit in die Geschichte zurück gehen. Denn am Anfang der Mythengeschichte steht der altrömische Historiker und Ethnograph Tacitus; vor allem aber dessen Interpretation durch die Mythenforschung des 19. Jahrhunderts. Die „Germania“ hatte er um das Jahr 100 u. Z. verfasst. Das Werk war im 15. Jahrhundert wieder aufgefunden worden. Als der Gründungsvater der Germanistik, Jacob Grimm, und andere romantische Geister aus tradierten Mythen und Volkssagen eine verborgene Geschichte der Deutschen rekonstruieren wollten, erhoben sie die Germania zum ältesten deutschen Geschichtsbuch. Wie bei ethnographischen Berichten bis heute üblich, lag auch für Tacitus der Reiz nicht vornehmlich in der Beschreibung und Analyse fremdartiger Wirtschafts- und Siedlungsformen, sondern in den Erzählungen über die darin lebenden merkwürdigen Leute mit ihren exotischen Gebräuchen. Tacitus hatte seinen römischen Lesern von den riesigen Urwäldern im germanischen Norden erzählt und vor allem von der Furcht der Einwohner „Germaniens“ vor dem Betreten bestimmter Waldbezirke. Vom Standpunkt der Mythenkunde des 19. Jahrhunderts war der Hinweis des Ethnographen auf den Glauben der Germanen an den Ursprung ihrer Stämme besonders wichtig. Denn diese leiteten ihre geheimnisvolle Herkunft aus undurchdringlichen dunklen Wäldern ab. Die Erzählung war von Tacitus und vielleicht sogar von seinen germanischen Informanten als ein Ursprungsmythos gedacht, als Mythos eines wilden unzivilisierten Volkes. Sein Buch war für eine zivilisierte stadtrömische Leserschaft bestimmt; für Menschen, die nie einen dichten Wald gesehen oder gar betreten hatten. Von den Romantikern um Jacob Grimm wurde die Germania als seriöse historische Quelle missverstanden. Bis in unsere Tage gehört sie zu den Standardtexten des Lateinunterrichts und noch in der erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Werk von Germanisten, Volkskundlern und Lehrern aller Schularten als historische Tatsache vermittelt. Damit war sie zum Ursprungsmythos für die Deutschen geworden. Dass solch eine ideologisch überladene Geschichte ausgezeichnet ins völkisch-politische Konzept der Nationalsozialisten passte, liegt auf der Hand. Die von den Waldideologen des 19. Jahrhunderts verkündete Kraft und Ursprünglichkeit des deutschen Waldvolks ließ 10
Vgl. A. Lehmann, Von Menschen und Bäumen. Die Deutschen und ihr Wald, Reinbek 1999.
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sich als ihre rassisch bedingte Überlegenheit innerhalb der europäischen Völker interpretieren.11 Gelegentlich gingen sozialdarwinistisch motivierte „wissenschaftliche“ Publizisten so weit, eine kulturelle Parallele zwischen dem deutschen Volk und seinen Wäldern zu kreieren, der Bevölkerung den Wald als soziales Vorbild anzubieten. 1934 erschien von einem Autor namens Franz von Mammen ein programmatisches Buch mit dem unsäglichen Titel „Der Wald als Erzieher. Eine volkswirtschaftlich-ethische Parallele zwischen Baum und Mensch und zwischen Wald und Volk“.12 – Kaum zu glauben: Das Werk war ernst gemeint. Ursprungsmythen gehören zu den Grundlagen nationaler Identität. Durch sie wirken Geschichtswünsche und Geschichtsvorstellungen in eine Gesellschaft hinein. Durch Massenmedien, Politiker, religiöser Organisationen und Erziehungsinstitutionen vermittelt fungieren sie als Bilder, in denen Völker ihre Vergangenheit deuten und gegenwärtig halten.13 Ursprungsmythen – häufig aus Kriegsergebnissen hergeleitet – sagen viel über den mentalen Zustand einer Gesellschaft oder Nation aus. Die fatale Voraussetzung bei der Verwendung des deutschen Waldmythos im 19. und 20. Jahrhundert lag in einer Kontinuitätsvorstellung. Über alle historischen Entwicklungen – Kriege, soziale Veränderungen und technische Revolutionen hinweg – wurde eine Identität der Deutschen des Jahres 1900 oder 1920 mit den alten Germanen unterstellt: „Wir erfahren von Tacitus, mit welch heiliger Scheu die Germanen ihre Wälder betraten. Noch heute wirkt die Stille oder das Rauschen der Bäume tief auf das Gefühl des Volkes ein“, hatte ein bekannter Germanist verkündet.14 Im 19. Jahrhundert war dieser als unkorrigierbare Tatsache genommene Ursprungsmythos sehr materialreich durch Forschungen „bewiesen“ worden, etwa von dem zu Recht berühmten Germanisten und Mythologen Wilhelm Mannhardt – einem Anhänger von Jacob Grimm – in seinen „Wald- und Feldkulten“ der Germanen und der slawischen Völker. In den aus alten Volkserzählungen rekonstruierten Glaubensvorstellungen der Germanen und ihrer Nachbarstämme suchte und fand dieser hochgelehrte Mann in Wald und Feld eine mythische Welt voller Dämonen vor. Diese Geistwesen beseelten Steine, hielten sich in Bäumen und Flüssen auf. Besonders heimisch sollen sich die Geister in den deutschen Wäldern gefühlt haben: „Noch heute guckt fast aus jeder Ecke und aus jedem Baumstumpf
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Vgl. A. Helbok, Grundlagen der Volksgeschichte Deutschlands und Frankreichs, 2 Bde., Berlin/Leipzig 1937, S. 680-691. F. v. Mammen, Der Wald als Erzieher. Eine volkswirtschaftlich-ethische Parallele zwischen Baum und Mensch und zwischen Wald und Volk, Dresden/Leipzig 1934; Allgemein: H. Rubner, Deutsche Forstgeschichte 1933-1945, St. Katharinen 1985. D. Langewiesche, 1948 – ein Epochenjahr in der deutschen Geschichte?, in: Geschichte und Gesellschaft 25 (1999), S. 613-625, 614. E. Mogk, Germanische Religionsgeschichte und Mythologie, 2. Aufl., Berlin/Leipzig 1921.
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ein Spukgesicht heraus und erschreckt die armen Leute, die dort Leseholz suchen.“15 Wer heute über Vorstellungen heidnisch-germanischer Kulturüberlieferung lächelt, sollte an das gegenwärtig reichhaltige Esoterikangebot denken, etwa an die Neuen Heiden. Die Wirklichkeitsbilder der Mythologen des 19. Jahrhunderts haben in diesen Milieus offenbar bleibend Konjunktur.16 Das dort verbreitete Wissen über magisch-mythische Waldvorstellungen wird typischerweise aus abgelegter kulturwissenschaftlicher Literatur entnommen und für den gegenwärtigen Esoterikmarkt in modifizierter Form aktualisiert.17 Gelegentlich handelt es sich bei den esoterischen Praktiken aber durchaus um kreative Neuschöpfungen, z. B. bei Ritualen, denen die Würde „alter“ Traditionen zugeschrieben wird. Da ist etwa als Therapieangebot das „Baum-Umarmen“ populär. Man umarmt solch ein kräftiges, bewundernswertes Lebewesen, am besten eine alte Eiche, und will sich daraus Stärke und Widerstandskraft für sein eigenes Leben holen. Mächtige Bäume werden ja überall in der Welt wegen ihres Alters beneidet und wegen ihrer Standhaftigkeit bewundert und verehrt. Allerdings ist über dieses spezielle Ritual des Umarmens nichts aus der kulturgeschichtlichen Literatur bekannt. Das „BaumUmarmen“ ist keineswegs „alt“, sondern neuartig. Es werden darin nicht allein aktuelle „Beziehungstypen des Freundes oder Trösters deutlich“, sondern zudem die modernen Vorstellungen der Kraftübertragung und des Energieflusses wirksam.18 Der jeweilige „Zeitgeist“ organisiert sich sein kulturelles Wissen, vor allem auch seine Naturvorstellungen mit den dazu gehörenden Wünschen und Ängsten immer aufs Neue in sehr anschaulicher Weise.
III. Mentalitätsgeschichte und Forstgeschichte An dieser Stelle ist für die Vergangenheit der Hinweis geboten, dass bis heute aus historischen Quellen nicht bekannt ist, wer bis ins 18. Jahrhundert an magische Naturvorstellungen wirklich geglaubt hat. Die Sammler der Märchen und Sagen folgen selbst einem romantischen Konzept, zu dem es gehörte, eine gerade verschwindende kulturelle Wirklichkeit in einem „zweiten Leben“ für die Nachwelt zu erhalten und überdies die vergangene Welt der Germanen, die „in heiliger Scheu ihre Wälder“ betreten hatten, für eine damals aktuelle Geistesgeschichte zu 15
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W. Mannhardt, Wald- und Feldkulte. 1. Teil: Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme. Mythologische Untersuchungen, Berlin 1875, S. 43. Lehmann (wie Anm. 10), S. 181 ff. Vgl. etwa: H. Bächthold-Stäubli/E. Hoffmann-Krayer (Hg.), Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 10 Bde., Berlin 1927-1942. Dazu H. Stachow, Botanik, Ökologie und Esoterik. Zu drei Erfahrungsformen von Wald, in: A. Lehmann/K. Schriewer (Hg.), Der Wald – ein deutscher Mythos? Berlin/Hamburg 2000, S. 215-232, 229.
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rekonstruieren. Dabei sind die tradierten Volkserzählungen, insbesondere die Märchen an allem mehr interessiert als an einer Realität der Landschaft und ihrer Nutzung. Das Märchen lebt in einer Welt ohne Zeitgefühl und Geographie. Die Forstgeschichte kann deshalb nicht viel damit anfangen, eher schon die Mentalitätsgeschichte.19 Jedenfalls war der Wald vor der Zeit der Romantik, also bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, keineswegs eine Landschaft, in der sich einfache Leute freiwillig gern aufhielten, etwa weil ihnen die Gegend „schön“ vorkam. Näher als die Märchen liegen stets die Sagen an der Realität der Bevölkerung. Beispielsweise zählten die Förster – bereits in den Waldsagen des 19. Jahrhunderts am grünen Rock erkennbar – zum unangenehmen Personal des Waldes. Sie lauerten ja nicht nur in den alten Geschichten, sondern auch in den real gegebenen Wäldern den Holzdieben auf. Aber in den Volkssagen, die in den Familien ausgetauscht wurden, hatten sie wenigstens zur Freude der Leute mit dem Schicksal des „wilden Jägers“ zu rechnen, der mit seiner Horde – der „wilden Jagd“ – ziel- und endlos durch die Luft fahren musste. Die ersehnte ewige Ruhe blieb dem dämonischen Unhold versagt. Ein diensteifriger Forstbeamter konnte im Kontext einer derartigen Erzählkultur wohl kaum auf Verständnis hoffen, wenn er unerlaubten Holzeinschlag bestrafte. In dieser Zeit war der Wald allerdings nicht nur im Volksglauben eine Landschaft, die man im eigenen Interesse besser sich selbst überließ. Auch die damals noch jungen „exakten“ Naturwissenschaften vermittelten eine „waldkritische“ Szenerie. Im Kontext einer Miasma-Theorie hatten sich Ängste vor der Natur seit der Antike bis weit ins 18. Jahrhundert erhalten. Gesunde Luft sollte es dieser Theorie zufolge vornehmlich in freien ländlichen Gebieten geben, selten in großen Städten und schon gar nicht in „dicken“, unzugänglichen Wäldern. „Die Waldluft ist allgemein bekannt als eine ungesunde Luft. Alle Länder, die große Wälder haben, oder daran grenzen, haben ungesunde Luft: und je mehr die Wälder ausgehauen und das Land kultiviert wird, um desto gesunder wird das Klima desselben. Dieß ist unwiderlegliche Erfahrung, und hieraus folgere ich, daß die dicken Wälder von der Regel, gesunde Luft zu geben, abweichen.“ Exakt – naturwissenschaftlich-selbstbewusst – verkündete das 1794 der Physiker G. A. Kohlreif.20 Dabei entwickelte sich damals neben dieser an überlieferte Vorstellungen gebundenen Naturwissenschaft bereits in Deutschland eine moderne Forstwissenschaft, die nicht nur damit begann, den Besitzern wirtschaftliche Prinzipien der Waldnutzung zu empfehlen, Ordnung in der Welt der Bäume zu stiften und abgezirkelte – 19
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Dazu A. Lehmann, Wald. Die Volksliteratur und deren Weiterwirken im heutigen Bewusstsein, in: U. Jung-Kaiser (Hg.), Der Wald als romantischer Topos, Bern u. a. 2008, S. 37-52. Vgl. G. A. Kohlreif, Waldluft – Stadtluft (1794), in: G. Bayrl/U. Troitzsch (Hg), Quellentexte zur Geschichte der Umwelt von der Antike bis heute, Göttingen/Zürich 1998, S. 182-184. Vgl. dort: Hinweis auf die Phlogistontheorie von G. E. Stahl (1660-1734), vor der Entdeckung des Sauerstoffs aufgestellt.
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bis heute genutzte Waldwege – für den Holztransport einzurichten. In dieser Zeit wurde in der deutschen Forstwissenschaft die bis heute weltweit in der Ökonomie, Ökologie und Politik gepriesene Vorstellung und auch bereits der dazu gehörende Begriff „Nachhaltigkeit“ geprägt. Hannß Carl von Carlowitz und andere Forstleute hatten erkannt, dass in Wäldern, die erfolgreich wirtschaftlich genutzt werden sollen, prinzipiell genauso viele Bäume nachgepflanzt werden sollten, wie man zuvor gerodet hatte.21 Diese forstwissenschaftliche Empfehlung für eine nachhaltige Pflege des Waldes mag sich von heute aus als eine ökonomisch motivierte „Waldwende“ der Aufklärungszeit darstellen.22 Tatsächlich werden die Wälder Mitteleuropas aber schon seit über eintausend Jahren wirtschaftlich genutzt. Alles, was wir hierzulande an Wald vorfinden und gern als „Natur“ preisen, ist von Menschen gestaltete Landschaft, d. h. Teil unserer Kultur. Der Wald wurde gepflegt und erhalten, um ihn wirtschaftlich zu nutzen. Vor allem in den letzten einhundert Jahrhundert wurde der Wald – gerade der Fichtenwald – im Muster der Heideggerschen „Stangengärtnerei“ aus wirtschaftlichen Gründen in Reih und Glied gepflanzt.23 Canetti sprach in diesem Zusammenhang vom „militärischen“ Wald.24 Auch wirkte das Jagdrecht auf das Erscheinungsbild des Waldes ein. Es zählte trotz aller Jagdkonflikte zwischen Herrschaft und bäuerlicher Bevölkerung bis zur „bürgerlichen Revolution“ von 1848 zu den Privilegien des Adels. Stets bestimmte der Grundherr, ob Vieh – Rinder, Pferde, Schweine – von den Bauern in die Forstgebiete zur Weide getrieben werden durften.25 Denn zur jagdlichen Nutzung war eine Waldpflege nötig, die einen reichen Wildbestand förderte. Die Eicheln, Nahrung der wilden Eber, sollten nicht von den „Hausschweinen“ der Bauern gefressen werden. Der Wald, den wir heute durchwandern, sähe ohne die forstwirtschaftlichen Maßnahmen und ohne die Geschichte seiner Bejagung völlig anders aus. Betrachtet man den Wald in seiner Schönheit und „Natürlichkeit“ aus der Perspektive der Menschen, die ihn seit 200 Jahren lieben und durchwandern, zeigt sich die Ursache dieser „Waldwende“ im Zeitalter der Romantik.26
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H. Küster, Geschichte des Waldes, München 1998, S. 185; R. Beck, Ebersberg oder das Ende der Wildnis. Eine Landschaftsgeschichte, München 2003, S. 111 ff. W. Bode/M. von Hohnhorst, Waldwende. Vom Försterwald zum Naturwald, München 1998. M. Heidegger, Holzwege, Frankfurt/M. 1980. Vgl. Canetti (wie Anm. 1). J. Radkau, Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt, München 2000. Vgl. A. Lehmann, Waldbewußtsein, in: Forstwissenschaftliches Centralblatt 120 (2001), S. 38-49.
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IV. Romantik als bürgerliches Kulturmuster Nicht nur die politische Waldmythologie, nicht nur der Mythos vom deutschen Wald, war ein Kind der Romantik. Auch die kulturellen Muster des bis heute wirkenden Waldbewusstseins, die uns Medien und pädagogische Instanzen vermitteln, entstammen dieser Epoche. Die kulturellen Bilder von der Natur waren in ihrem Ursprung wie die ganze Romantik ein Ergebnis der städtischen Intellektuellenkultur. Zur Lebensweise der Intellektuellen des frühen 19. Jahrhunderts gehörte die räumliche und geistige Distanzierung von den Unbilden der Natur.27 Es bedurfte erst der Sicherheit der Städte, um das Gefühl romantischer Natursehnsucht zu empfinden. Dazu gehörte von Anfang an als romantisches Lebensgefühl die Erfahrung des Verlustes: Des persönlichen lebensgeschichtlichen Verlustes eines Erfahrungsraumes, aber auch des kollektiven Verlustes eines Teils der natürlichen Umwelt. Die Wälder der romantischen Dichter und Maler waren Seelenlandschaften, Erinnerungswälder, die diesen städtischen Intellektuellen bereits als Wohnort und Erfahrungsraum verloren gegangen waren. Als der Maler und Schriftsteller Adalbert Stifter seine berühmte Erzählung „Hochwald“ (1842) schrieb, lebte er in Wien. Jahrelang blieb er den böhmischen Wäldern seiner Erzählungen fern. Seine meisterhaften Naturbeschreibungen schildern eine geträumte Landschaft der Kindheit. Sein Biograph Wolfgang Matz sieht im “Hochwald” „die Naturphantasmagorie eines Städters“.28 Denn in Mitteleuropa gab es ja damals längst keine unberührten Naturlandschaften, keine „Primärwälder“ mehr, sondern überall wirtschaftlich höchst intensiv genutzte Flächen. Die Wälder waren infolge wirtschaftlicher Übernutzung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in einer erbärmlichen ökologischen Situation. Die heutigen Waldzustände, auch die Waldzustände in den zur erweiterten Gegenwart gehörenden Zeiten des „Waldsterbens“ nehmen sich im Vergleich dazu idyllisch aus. Die waldnah lebende „einfache“ Bevölkerung auf den Dörfern konnte mit den waldästhetischen Vorstellungen der in den Städten lebenden Künstler und Schriftsteller zunächst nicht viel anfangen. „Natur als Landschaft ist Frucht und Erzeugnis des theoretischen Geistes.“29 Der Wald war für die bäuerliche Wirtschaft primär ein Nutzungsraum für Brenn- und Bauholz. Hinzu kamen diverse bäuerliche „Nebennutzungen“. Sie reichten von der Imkerei und der Weide bis zum Beerenpflücken und Harzzapfen. Die „Waldeinsamkeit“, die Ludwig Tieck zum „Schlagwort“ der Romantik gemacht hatte, wurde, wie bereits gesagt, zunächst in den unteren Schichten keineswegs als heimelig empfunden.30 Darauf weisen auch viele 27 28
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N. Elias, Über die Natur, in: Merkur 40 (1986), S. 469-481. W. Matz, Adalbert Stifter oder: Diese fürchterliche Wendung der Dinge, München/Wien 1995, S. 152. J. Ritter, Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft, in: ders.: Subjektivität. Frankfurt/M., S. 141-163, 146. L. Tieck, Der blonde Eckbert, in: ders., Erzählungen und Märchen, Zürich 1983 (zuerst 1796).
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der regionalen Sagen hin, die z. B. von der Angst der Waldarbeiter in den stillen Mittagsstunden und vor allem in den Abendstunden erzählen. Selbst wenn vielleicht nur wenige Bauern und Landarbeiter solche Geschichten wortwörtlich ernst nahmen, unheimlich wirkten sie doch. Im Erzgebirge trieb ein Wald- und Mordgeist sein Unwesen. Nachts, wenn die Männer alkoholisiert nach einem Gasthausbesuch nach Hause ins Nachbardorf strebten, hetzte er sie aufeinander. Das führte regelmäßig zur Schlägerei, zu Verletzten und „Halbtoten“.31 Für die Schönheit eines Waldes oder eines Flusses hatte vielleicht der Pfarrer, aber nicht die Bewohner der Dörfer, die solche Geschichten erzählten, einen Sinn. Ob es Nachwirkungen solcher alter Sagen sind oder eine allgemeine Angst vor Dunkelheit und Stille, bleibt offen. Jedenfalls ist bis heute jeder dunkle Wald weithin in Deutschland eine menschenfreie Zone. Wenn es dämmert, wollen die Leute draußen sein. Selbst junge Jäger, die wir befragten, gaben zu, sich nachts – ganz allein – höchst ungern im Wald aufzuhalten.
V. Romantische Vorstellungen breiten sich aus Die ästhetisch romantischen Waldbilder waren Teil der bürgerlichen Kultur. Die Schönheitsvorstellungen der malenden, schreibenden und komponierenden Romantiker breiteten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts freilich rasch über das gebildete Bürgertum hinaus in der Bevölkerung aus. Zunächst erreichten sie das Forstwesen. Dafür ist die wissenschaftliche Forstästhetik, die „Waldschönheitslehre“, ein Beispiel. Die Exponenten dieser angewandten Kulturwissenschaft wollten die Landschaftsvorstellungen der romantischen Dichter und Maler in die Realität des forstlichen Waldbaus übertragen. Wie auf den Ölgemälden, sollten Steine, Bäche, stattliche Bäume zum „Schmuck der Waldungen“ werden. Heinrich von Salisch, privater Waldbesitzer in Schlesien und einer der Begründer der Forstästhetik, sah den Naturgenuss als gleichwertig neben dem Kunstgenuss an. Der Besuch eines Waldes sollte für die hart arbeitende Bevölkerung im Industrialisierungsprozess zum Äquivalent eines Museumsbesuchs werden. Wer die Schönheit der Kunst aus Geld- oder Zeitmangel nicht im Museum finden kann, sollte sie beim Waldspaziergang vor der Haustür genießen. Von Salisch entwickelte am Beispiel des Waldes eine „Farbenlehre der Landschaft“ mit feinen Abstufungen der Laub- und Grüntöne, des Wassers, Laubes und Mooses. Auch der Geruch und die Stimmen des Waldes – Windgeräusche und Vogelgesang – gehörten zu dieser Natur-Ästhetik.32 Solch romantisches Bild bestimmt bis heute das Waldverständnis der Bevölkerung. Über alle sozialen Konflikte und Klassengegensätze der Industrialisierungsepoche hinaus breitete es sich im 19. Jahrhundert aus. Bereits vor dem 1. Welt31 32
Vgl. A. Meiche, Sagenbuch des Königreichs Sachsen, Leipzig 1903, S. 109 f. H. v. Salisch, Forstästhetik, 2. Aufl., Berlin 1902, S. 39, 51, 116 f.
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krieg hatte die Vorstellung vom Wald als Ort der Muße und als Symbol der menschlichen Harmonie mit der Natur durch Schule und Journalismus – nicht zuletzt auch durch die Institutionen der Arbeiterbildung – die Schicht der Industriearbeiter erreicht. Adolf Levenstein, ein Psychologe, veröffentlichte nach Jahren der Forschung 1912 sein Buch „Die Arbeiterfrage“. Dieses frühe Werk einer empirischen Sozialforschung ging auf eine Fragebogen-Erhebung unter 8.000 Arbeitern zurück. „Was denken Sie, wenn sie auf dem Waldboden liegen, ringsum tiefe Einsamkeit?“, wollte er wissen. Die schriftlichen Antworten lassen erkennen, dass der Wald in der Bevölkerung bereits zum Gesamtsymbol für Natur geworden war. Ein Berliner Textilarbeiter versuchte, seine Gefühle im Stil romantischer Dichtung auszudrücken: „Ja. Ich liege im Moos und blicke empor zum reinen Firmament, nichts regt sich, nichts stört mich, ein unendlich wohliges Gefühl durchzieht die Brust, ich fühle es, wie ich langsam wieder Mensch werde, wie ich zur Natur zurückkehre, wie ich wieder eins werde mit dem großen, unendlichen All.“33 Diese Schilderung eines subjektiven Gefühls ist inzwischen einhundert Jahre alt. Unter der Leitung des Autors dieses Artikels fanden am Volkskunde-Institut der Universität Hamburg in einem DFG-Projekt Untersuchungen zum „Waldbewusstsein“ in Deutschland statt.34 Sie lassen keinen Zweifel: Bis in die Sprachmuster hinein artikuliert sich das heutige Waldbewusstsein im Stil dieser romantischen Vorgaben. Was hier Klischee ist oder aus eigenen Erlebnissen resultierendes Gefühl, ist eine rein akademische Frage, denn kulturelle Vorgaben wirken stets in unsere Wahrnehmungen und ästhetischen Vorlieben hinein. Zieht man allerdings die politischen und sozialen Entwicklungen in Deutschland in den vergangenen einhundert Jahren in Betracht, ist diese Kontinuität eines Natur- und Waldbewusstseins ein bemerkenswerter Tatbestand. Die Frage nach den mentalen und auch nach den politischen Funktionen dieser und anderer romantischer Bewusstseinsmuster in der deutschen Gegenwart bleibt auch im Kontext europäischer und „globaler“ Entwicklungen aktuell.
VI. Politische Folgen der Romantik Zum Naturbewusstsein der deutschen Arbeiter des beginnenden 20. Jahrhunderts zählte über diese ästhetische Dimension hinaus bereits eine moralische Überzeugung. Levenstein fand im Waldgefühl seiner Arbeiter, dass sie dem Zusammenwirken der unterschiedlichen Lebensformen in der Natur vielfach eine höhere Moral zusprachen als den Verhältnissen in der menschlichen Gesellschaft, den Sozialbeziehungen des Arbeitsplatzes und der Politik. Natur als Wunschtraum und 33 34
A. Levenstein, Die Arbeiterfrage, München 1912, S. 370. Vgl. Lehmann (wie Anm. 10); K. Schriewer, Die Gesichter des Waldes. Zur volkskundlichen Erforschung der Kultur von Waldnutzern, in: Zeitschrift für Volkskunde 94 (1998), S. 71-90; Stachow (wie Anm. 18).
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Modell für eine glücklichere Zukunft. Auch dieser Gegensatz Natur-KulturGesellschaft wirkt bis heute. Die harmonische, wie von Künstlerhand geordnete Natur des Waldes, seine Einsamkeit und Stille fungieren noch immer als Gegenentwurf zur unübersichtlichen Großstadt und zur Welt der Technik. Es besteht kein Zweifel: Ohne die romantische Natursehnsucht und Naturliebe hätte die deutsche Umwelt-Politik ihre bis heute in Deutschland und längst darüber hinaus wirkende innerstaatliche Dynamik und ihren international motivierten missionarischen Impetus wohl kaum erreichen können. Auch die wechselnden Ängste vor Umwelt- und Naturkatastrophen und ihre gelegentlich hysterischen Dimensionen gehören dazu. Die Karriere des Themas „Waldsterben“, die kollektive Erregung in den Massenmedien und durchaus auch im Bewusstsein der Bevölkerung während der 1980er Jahren sind nur ein treffendes Beispiel. Der Mythos vom Waldsterben ist nicht ohne den romantischen Waldmythos zu erklären. Das Untergangsszenario erreichte offenbar verborgene Schichten des Bewusstseins. Nicht anders als die romantische Bewegung und ihre Waldsehnsucht, war auch die Angst vor dem Waldsterben zunächst ein Phänomen der großen Städte, wo die Schreibtische der Journalisten stehen, Pressekonferenzen und Symposien stattfinden.35 Die Wahrnehmungen der „waldnahe“ lebenden ländlichen Bevölkerung führte zu wesentlich gelasseneren Reaktionen auf die mediale Erregung. Ein Bauer eignet sich vielleicht als romantische Figur, aber er selbst ist gewiss kein Romantiker.36 Bis hinein in unser Zeitalter der Globalisierung bestehen Unterschiede des Naturbewusstseins zwischen Großstädtern und der Landbevölkerung. Angereiste Kulturjournalisten reagierten zu Zeiten des Waldsterbens häufig verständnislos auf die „Ignoranz“ einer „rückständigen“ Landbevölkerung. Wer sich die Mühe macht, die Aussagen von Presse- und Fernsehjournalisten unter einem Stadt-Land-Aspekt zu sortieren, kann feststellen, dass das Dorf und ebenso die Kleinstadt von großstädtischen Schreibtischen und Kamerateams aus betrachtet immer noch als eine fremde, barbarische Welt wahrgenommen werden.37
VII. Vorbilder – Vermittlung von Kultur Wenn es um das Naturbewusstsein geht, stellt sich die Frage nach der Aneignung und Vermittlung der Wissensbestände und Emotionen eines kulturellen Musters. Die Frage der Vermittlung von Kultur zählt generell zu den zentralen Problemen der Kulturwissenschaft. Im Falle des Naturbewusstseins wird man zunächst auf die Bedeutung von Vorbildern stoßen. Besonders auf Eltern, Großeltern und Leh-
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R. Holzberger, Das sogenannte Waldsterben, Bergatreute 1995, S. 139. Vgl. C. Schmitt, Politische Romantik, 5. Aufl., Berlin 1991, S. 141. Lehmann (wie Anm. 10), S. 285 f.
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rer.38 Bei der vorbildhaften Wirkung von Lehrern auf das Naturgefühl und Naturbewusstsein ist zu berücksichtigen, dass ein auf Anschauung ausgerichteter „Naturkunde“-Unterricht im Freien nur noch selten praktiziert wird. Mikrobiologische Vorgänge haben heute im Lehrplan den Vorrang. Aber gelegentlich wirken doch Naturbeobachtungen ins Lebenskonzept hinein, etwa wenn der Biologieunterricht oder freiwilliges Engagement in der Familie ein Ziel in der Erhaltung, Wiederherstellung und Musealisierung von Natur findet, etwa in der Wiedererrichtung von Feuchtbiotopen und den Initiativen für „natürliche“ Wälder, in der Umleitung von Straßen um Baumgruppen herum und in der Wiederauswilderung regional „ausgestorbener“ Tierarten. Zudem erfreuen sich Waldkindergärten gerade am Rand der Städte großer Beliebtheit. Jedenfalls können Leidenschaft und Engagement von Umweltpädagogen eine vorbildhafte Wirkung auf Jugendliche kaum verfehlen. Hans Robert Jauß hat im Kontext seiner Kultur-Theorie des Ästhetischen eine Typologie der Identifikationsmuster entwickelt. Für das Naturbewusstsein scheint mir sein Typ der „admirativen Identifikation“ erklärungskräftig.39 Viele der Befragten unserer Hamburger Untersuchung erinnerten sich der Waldbesuche der Kindheit und der vorbildhaften Wirkung der Eltern und der Großeltern und gelegentlich der Lehrer, die ihnen die Natur des Waldes, Bäume, Tiere gezeigt hatten. Ihr subjektives Waldbewusstsein sei ohne die Wirkung dieser Leitfiguren nicht denkbar. Die lebensgeschichtlichen Bindungen, die über Bewunderung, Nachahmung und Identifikation entstehen, überdauern, wie Jauß betont, regelhaft den „Verlust der Neuigkeit“ der Erlebnisse und Informationen. Gewiss, im Leben bleiben nicht alle Vorbilder als Individuen in Erinnerung, doch die Tatsache, dass zur gelebten „Normalbiographie“ bestimmte Schlüsselpersonen gehören, gehört zum Common Sense, gerade wenn es um das eigene Naturgefühl geht. Über emotionale Bindungen an einzelne Personen vermitteln sich auf diesem Wege viele unserer ästhetischen Maßstäbe, außerdem ein mehr oder weniger zuverlässiges Tatsachenwissen über biologische Zusammenhänge. Vor einer Überverallgemeinerung der Bedeutung von Vorbildern ist allerdings genauso zu warnen wie vor der Suche nach einer eindeutig positiven Wirkung vorbildlicher Figuren in der Biographie. Bekanntlich können Einzelne, wie bei allen Erziehungsprozessen, durch ihr gut gemeintes Beispiel gelegentlich das Gegenteil von dem bewirken, was sie erreichen wollten.
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A. Lehmann, Vorbilder als Kulturthema. Zur lebensgeschichtlichen und kulturellen Bedeutung von Nachahmung, in: Zeitschrift für Volkskunde 105 (2009), S. 169-183. H. R. Jauß, Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik, 4. Aufl., Frankfurt/M. 1984, S. 252-268. Jauß unterscheidet zwischen assoziativen, admirativen, sympathetischen, kathartischen und ironischen Modifikationen der Identifikation.
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VIII. Waldgeschichte und Familiengeschichte Waldbewusstsein als Teil der eigenen Lebensgeschichte und des persönlichen Geschichtsbewusstseins ist von tatsächlichen Erfahrungen abhängig. Der Großstädter, der nur drei- oder viermal im Jahr sein Auto am Waldrand abstellt, hat ein anderes Verständnis für die Formen und Entwicklungen des Waldes als ein Waldarbeiter, Förster oder Waldbesitzer. Hier ist auf eine mentalitätsgeschichtliche Dimension von privatem Waldbesitz in Familien hinzuweisen. In den meisten Eigentümerfamilien gehört ihr Waldstück bereits seit Generationen zum Erbe. Die Geschichte des eigenen Waldes wird dadurch zu einem Teil der eigenen Familiengeschichte. Die Erwachsenen, die dazugehören, wissen z. B. sehr genau, in welchem Ausmaß und in welchem Jahr der Sturm zum vorerst letzten Mal den Wald niedergerissen hat. Neben diesem ereignisbezogenen Aspekt auf die Geschichte tradieren die Waldeigentümer die familiären Folgen wirtschaftlicher Entwicklungen. Sie rechnen Waldgeschichte in den kurzen Epochen von Preisen und Lohnkosten und kennen aus eigener Erfahrung die Geschichte der internationalen Konjunkturen des Holzmarktes. Über diese Ereignisgeschichte und die kurz- und mittelfristigen Zeitphasen und -sequenzen hinaus vermittelt ein Wald seinen Besitzern – allein durch das Alter und die Wachstumsperioden der Bäume – die in Jahrhunderten und Generationen rechnende historische Orientierung einer longue durée.40 Alte Geschichte ragt in die eigene Gegenwart hinein. Das Geschichtsbild und das kulturelle Gedächtnis auch der Besitzer eines bescheidenen Stückes Bauernwald können gelegentlich auf einer Linie mit den Traditionsvorstellungen des europäischen Adels liegen. Dessen Geschichtsbewusstsein orientiert sich traditionell an der Familiengeschichte und ihrer Verbindung zum Grundbesitz, an Veränderungen der Bauwerke und der Waldgebiete. Der Vorfahr, der vor 250 Jahren Eichen gepflanzt hat, lebt in diesen Erzählungen aus der Familientradition zumindest so lange weiter, bis die wertvollen Bäume der Axt zum Opfer gefallen sind. Ein Eichenwäldchen kann einen Haushalt wirtschaftlich sanieren. Wird es zu Geld gemacht, preist die Familie ihren weitsichtigen Vorfahren. In einer Gesellschaft, wo nur noch wenige eine Vorstellung vom Leben ihres eigenen Urgroßvaters haben, ist das bereits etwas Ungewöhnliches. Auch in einem anderen Aspekt können eigene frühe Naturerfahrungen lebensgeschichtlich bedeutsam werden. Frühe Naturerfahrungen prägen nicht allein die Formen des Naturerlebnisses, sondern im Zusammenhang von eigener Lebenserfahrung und Zukunftserwartung41 noch weitere Dimensionen der Lebensgeschichte, bis hin zum Siedeln und zur Familienplanung. Selbst Bereiche des politischen Bewusstseins können davon beeinflusst werden. Etwa ein Fünftel der Aktivisten 40
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A. Braudel, Geschichte und Sozialwissenschaften – Die „longue durée, in: H.-U. Wehler (Hg.), Geschichte und Soziologie, Köln 1972. R. Koselleck, Vergangene Zukunft – Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt/M. 1979, S. 349 ff.
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der Umweltschutzbewegung42 führten einer empirischen Untersuchung zufolge ihr politisches Engagement ausdrücklich auf die Tatsache zurück, in einem Dorf aufgewachsen zu sein und deshalb die Natur schon früh im Leben „unmittelbar erfahren“ und in ihren Entwicklungen „beobachtet“ zu haben. Sie hatten das Leben in einer gesunden Natur als Kind, etwa auf einem Bauernhof, genossen und sich später aus Zeitungen, Fernsehen und Sachbüchern über die Probleme des Umweltschutzes informiert. Dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den eigenen Naturerfahrungen in der Kindheit und ihrem späteren Engagement für Ökologiefragen bestand, war für die meisten der befragten Umweltaktivisten selbstevident. Nur eine Minderheit von ihnen führte ihr Engagement ausschließlich auf Anstöße aus zweiter Hand zurück, also auf politische oder ökologische Literatur, auf Verbandsaktivitäten oder die Rezeption von Massenmedien. Dabei hatten bestimmte Ereignisse oder Kampagnen eine lebensgeschichtliche Wende bewirkt, etwa das Schlagwort „Waldsterben“, das katastrophale Ereignis von Tschernobyl oder eine andere ökologische Katastrophe. Die lebensgeschichtlichen Erzählungen klangen gelegentlich wie die Geschichte einer religiösen Bekehrung. Sie hatten vor den „Erkenntnissen“ über das Waldsterben – vor ihrer Konversion – unbedarft und unbeschwert in den Tag hinein gelebt. Aus den zuverlässigen Informationen über erschreckende Tatsachen hatten sie, im Gegensatz zu anderen, ihre Konsequenz gezogen und schließlich begonnen, ein verantwortungsbewusstes Leben zu führen.
IX. Pauschales Wissen über Pflanzen und Tiere Diese Reaktionen der Bevölkerung zeigen es: Die Naturkenntnisse werden nur bei einer Minderheit der Bevölkerung durch eigene Erfahrungen und Beobachtungen erworben. Das Naturbewusstsein wird typischerweise aus der bildenden Kunst, durch Fotos, Zeitungen, Sachbücher, Unterrichtsfilme und natürlich durch Fernsehsendungen vermittelt. Es ist ein Naturbewusstsein aus zweiter Hand. Wer sich an einem beliebigen Wochentag und selbst am Wochenende tiefer als 500 Meter in einen Wald abseits der großen Städte hineinbegibt, erlebt es regelmäßig, dort ungestört allein wandern zu können. Die Waldeinsamkeit, von der die romantischen Dichter schwärmten, lässt sich immer noch genießen. Und der Wald wird weiterhin wegen seiner Schönheit geliebt und besungen. Tatsächlich wissen nur wenige etwas Genaues über die Lebensverhältnisse in den Wäldern.43 Sieht man von „Waldprofis“, also von Forstleuten, Biologielehrern usw., ab, finden sich die meisten Kenner des Waldes unter Pilzsammlern, Fotografen, Vogelkundlern. Unsere Hamburger Untersuchungen zeigen es: Außerhalb der 42
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Vgl. G. Christmann, Wege in Ökologiegruppen, in: BIOS, Heft 2/15 (1992), S. 189212. H. Steinlin, Wald und Mensch heute, in: Bundesanstalt für Arbeitsschutz (Hg.), Humanisierung des Arbeitslebens in der Forstwirtschaft, Dortmund 1985.
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Gruppen dieser Hobby-Waldkenner kann nur eine Minderheit mehr als drei oder vier Baumarten bestimmen. Für viele ist jeder Nadelbaum eine „Tanne“, die Fichte, die über Weihnachten im Wohnzimmer steht, sowieso. Dass Bäume überhaupt unter die Pflanzen fallen, ist der verbreiteten Alltagsbotanik selten bekannt.44 Als Pflanze gilt hier zunächst etwas Krautiges, d.h. Gewächse, die kein Holz bilden. Auf der Basis dieses populären Klassifikationsmusters setzt sich die Waldflora aus Bäumen, Pflanzen, Pilzen und Moosen zusammen. Jeder weiß natürlich, dass es essbare und giftige Pilze gibt. Und den Fliegenpilz kennt auch jeder – aus den Illustrationen des Kinderbuchs. Aufgrund dieser frühen literarischen Erfahrung ist der Fliegenpilz zu einem anschaulichen Symbol des „deutschen Waldes“ geworden. Zu den Favoriten unter den Waldpilzen zählt neben Steinpilz und Marone der Pfifferling. Alle drei Pilze des Wochenmarktes. Moose schmücken in großer Artenvielfalt die Ränder der Waldwege. Wer die Schönheit eines Waldes beschreibt, mag kaum auf die Schilderung ihrer leuchtenden Farben verzichten und auch nicht auf die Atmosphäre, die sie im Sonnenschein verbreiten. Vor allem interessiert beim als eine einzige Art wahrgenommenen Moos, seine Funktion als Kissen. Fast jedem, der davon erzählt, fällt unverzüglich das Wort „Moospolster“ ein. Ähnlich pauschal ist das Tierwissen. In deutschen Wäldern leben etwa 80 Vogelarten. Davon „singen“ fünfzig bis sechzig. Das ist das Kollektiv der „Singvögel“. Irgendwie ist bekannt, dass es davon verschiedene Arten geben soll. Einen einzelnen dieser Singvögel zu bestimmen, fällt bereits unter das Spezialistenwissen der Ornithologen. Doch jeder liebt die fleißigen Sänger. Ihre Stimmen gehören unverzichtbar zum Naturgenuss. Das war zur Zeit des romantisch schwärmenden Tiervaters Alfred Brehm nicht anders: „Die Singvögel sind es, die der Waldesdichtung das rechte Wort leihen und zum Wort den rechten Klang zu finden wissen; ihnen zumeist dankt der Wald die Liebe, mit der wir an ihm hängen.“45 Wenn die Singvögel im Winter fast völlig verstummen, steigert das die melancholisch-depressive Stimmung, die ohnehin zum Besuch eines wolkenverhangenen Winterwaldes gehört. Die Waldvögel gelten im populären Waldbewusstsein vielfach in ihrer Gesamtheit als gefährdete, vom Aussterben bedrohte Lebewesen. Nicht nur die Vögel, sondern auch die attraktiven Säugetierarten gelten in diesem Waldverständnis als gefährdet. Man muss die seltenen Tiere von Staats wegen schützen. Andernfalls sterben sie in bestimmten Regionen aus und müssen danach, wie es bei Luchs und Auerhahn inzwischen praktiziert worden ist, wieder mühevoll angesiedelt werden. Solch eine Auffassung lässt sich nicht nur aus dem Konsum der Massenmedien, sondern auch aus den in der Bevölkerung üblichen Gewohnheiten des Waldbesuches ableiten, z. B. aus der Wahl der Tageszeit beim 44 45
Dazu Stachow (wie Anm. 18), S. 218 ff. A. Brehm, Die Singvögel des deutschen Waldes, Frankfurt/M. 1947, S. 3.
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Spaziergang. Bei einem Waldbesuch am Nachmittag lassen sich keine attraktiven Tiere sehen, keine Wildschweine, Hirsche, Dachse. Das führt dann zu der Überzeugung, diese Lebewesen seien nicht mehr zwischen den Tannen und Buchen vorhanden. Dabei liegt die Ursache des „Fehlens“ dieser Waldtiere in der unterschiedlichen Tageseinteilung bei Wildtieren und Menschen: Frühmorgens oder in der Dämmerung, wenn Hirsche und Dachse unterwegs sind, ist der menschliche „Normalnutzer“ des Waldes zu Hause. Solche pauschalen Vorstellungen ergeben sich wiederum aus der Tatsache, dass das heutige Waldbewusstsein weitgehend nicht auf alltäglicher Naturerfahrung beruht, sondern auf selektiv wahrgenommenen Informationen aus den Massenmedien. Beim Naturverständnis fallen die Unterschiede zwischen den heute zusammenlebenden Generationen ins Auge. Die Nachkriegsjahre des 2. Weltkriegs waren Zeiten der Not oder doch wenigstens der kollektiven materiellen Einschränkung. Wer diese Jahre noch bewusst erlebt hat, die Zeit des Pilze- und Bucheckernsammelns (für die Speiseölgewinnung), die Zeit der schulischen Wandertage in die Wälder und der Geländespiele, der sieht den Wald anders als die späteren Generationen. Denn dieses Waldbewusstsein beruht auf eigener Erfahrung. Es unterscheidet sich in seiner Anschaulichkeit vom Waldbewusstsein aus zweiter Hand, welches heute das Thema bei den „jungen Leuten“ bestimmt. Auf der Grundlage interessengeleiteter Tätigkeiten in der Familie und unter Freunden haben sich in der „älteren Generation“ also wesentlich intimere Kenntnisse über die Zusammenhänge der Natur entwickelt. Das Beispiel zeigt, wie die große Geschichte der Wirtschaft und der Politik ins Naturbewusstsein hineinwirkt.
X. Fazit Neben dem Hochgebirge und dem Meer hat der Wald in Deutschland seine Bedeutung als Gesamtsymbol für Natur behalten. Die Schönheit des Waldes, seine Harmonie und Stille erfüllen und begeistern uns seit der Romantik. Wie tief die Waldsymbolik im Bewusstsein noch am Beginn des 21. Jahrhunderts sitzt, beweist eine aktuelle Entwicklung der Sepulchralkultur. In den Ruhewäldern wird der Wald zum Ort der Toten und der Lebenden. Die Idee der Baumbestattung, in der Schweiz geboren, verbreitet sich zunehmend über das weitere Mitteleuropa.46
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N. Fischer, Friedwald – Über eine neue Form der Bestattungskultur, in: Ohlsdorf – Zeitschrift für Trauerkultur 84 (2004); C. Dörfler, Ruhewälder. Rituale und persönliche Motive im aktuellen Kontext von Baumbestattungen, M. A. Hamburg 2009. Man wird dem Phänomen der aktuellen Baumbestattungen nicht gerecht, falls man es allein unter dem Aspekt romantischer Natur- und Waldsehnsucht wahrnimmt. Wirtschaftliche Aspekte (Preis der Grabstelle, Pflegekosten), familiäre Mobilität und Entwicklungen im Kontext von Säkularisierungsprozessen sind ebenso wichtig.
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Elias Canetti wusste es: Man möge die Wirkung dieser Waldromantik auf die Deutschen nicht unterschätzen. In hundert Liedern und Gedichten hätten wir alle sie kennen gelernt. Und der Wald, der darin besungen wurde, hieß oft „deutsch“.47 Zwar diente unser Lieblingsbaum des freien Feldes und der Wälder, die Stieleiche (Quercus robur), auch anderen Ländern als nationales Kennzeichen. Während der Französischen Revolution galt sie dort als Freiheitssymbol und dieser „König der Bäume“ und Wälder ist wegen seiner Kraft, Ausdauer und Unzerstörbarkeit (Baumaterial für Häuser und Schiffe) als „English Oak“ auch dort das Nationalsymbol.48 Die deutsche Eiche hat als nationales Symbol trotz aller bei uns verbreiteten Symbolängstlichkeit doch etwas von ihrer identifikatorischen Kraft behalten. Die Entwicklung begann im Kaiserreich und setzte sich über die Zeit des Nationalsozialismus bis hinein in unsere Gegenwart fort. Als die Deutschen ihr neues Nationalsymbol, die D-Mark bekamen, zierte das Eichenblatt jede Münze vom Ein-Pfennig- bis zum Mark-Stück. Und auch die DDR-Mark trug das Eichblatt auf ihren Leichtmetall-Münzen. Selbst bei den deutschen Versionen der Euro-Münzen setzt sich diese deutsche Vorliebe zu Wäldern und Eichbäumen fort. Angesichts des Mangels an nationalen Symbolen ist das eine bemerkenswerte Tatsache, denn traditionelle nationale Symbole wie der deutsche Wald oder die deutsche Eiche sind wegen des Missbrauchs, der im vergangenen Jahrhundert mit unseren Nationalsymbolen getrieben wurde, verdächtig geworden. Die allgemeine soziale, wirtschaftliche und kulturelle Orientierung an Europa und den USA lässt ohnehin nationale Symbole zunehmend fragwürdig werden. Wer heute von nationalkulturellen Symbolen spricht, sollte also grundsätzlich die Internationalisierung unserer Gesellschaft und ihrer politischen Symbolik ins Zentrum rücken. Etwas zugespitzt formuliert: Das Symbol „deutscher Wald“ hat bis heute seine ästhetische Bedeutung behalten, aber seine politische Bedeutung weithin eingebüßt.49 Vielleicht kommt noch etwas anderes hinzu. Eine liberale Gesellschaft mag sich nur ungern mit einem Naturausschnitt identifizieren, in dem – wie bei 50 % der hiesigen Wälder – Monokulturen von Fichten, gelegentlich immer noch militärisch formiert, das Bild bestimmen. Sie identifiziert sich stattdessen lieber mit anderen Individuen. Der von der Sozialwissenschaft analysierte Prozess der Individualisierung als Strukturmerkmal unserer Gesellschaft geht offenbar mit einer Abwertung des Symbols „Wald“ und einer Aufwertung der Bäume als Einzelwesen einher. Ein Individuum findet sich lieber in anderen Individuen wieder als in der Masse. Deshalb zieht es, vielleicht unter dem Einfluss englischer und französischer Vorbilder, den lichten Park einem dunklen Wald vor. Diese Symbolverschiebung – weg vom Massensymbol Wald zu den Baum-Individuen hin – kennzeichnet so betrachtet eine allgemeine Entwicklung unserer Gesellschaft. 47 48
49
Canetti (wie Anm. 1). K. Thomas, Man and the Natural World. Changing Attitudes in England 1500-1800, London 1983, S. 220. Vgl. A. Lehmann, Der deutsche Wald, in: E. François/H. Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte Bd. III, München 2001, S. 187-200.
II. Wirklichkeit
§2
Geschichte des Waldeigentums und der Forstwirtschaft
Uwe Eduard Schmidt Die Verfügung über den Wald hinsichtlich seiner Fläche und seiner Nutzung bildet einen wichtigen Bereich der forstgeschichtlichen Grundlagenforschung. Entstehung und historische Entwicklung von Waldeigentum stellen in diesem Zusammenhang eine wesentliche Basis zur wissenschaftlichen Erforschung der kulturhistorischen Bedeutung der Wälder dar. Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigen sich forsthistorische Standardwerke intensiv mit der deutschen Waldeigentumsgeschichte.1 In der Zeit des Nationalsozialismus werden Herkunft und geschichtliche Entwicklung des deutschen Waldeigentums auf verschiedene Weise thematisiert. Im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie wird die althergebrachte Verbundenheit des Deutschen mit dem deutschen Wald in vielfältigen Facetten beleuchtet und herausgehoben. Seit Mitte der 1930er Jahre fokussieren forsthistorische Publikationen zunehmend die auf germanischem Recht basierenden frühen Rechtsinstitute und Waldeigentumsformen.2 Nach dem zweiten Weltkrieg widmet sich der Forstwissenschaftler und erste Lehrstuhlinhaber für Forstgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität, Richard Berthold Hilf, in der Allgemeinen Forstzeitschrift dem provokanten Thema „Das Waldeigentum als geschichtliches Problem“.3 Seit den 1970er Jahren setzte sich der Forsthistoriker Karl Hasel zum Ziel die deutsche Waldeigentumsgeschichte grundlegend und wertfrei darzustellen4 und fasst schließlich seine Forschungsergebnisse in einem ausführlichen Kapitel seines im Jahr 1983 erschienenen forstgeschichtlichen Lehrbuches zusammen.5 Die im Jahr 2002 überarbeitete zweite Auflage von Ekkehard Schwartz belegt, dass die deutsche Waldeigentumsgeschichte stets fortzu1 2
3 4 5
Z. B. Bernhardt 1872, 1874, 1875; Schwappach 1883, 1886, 1888; Hausrath 1898. Z. B. Wiessner 1935; Mantel 1937; Wellmer 1938. Die nationalsozialistische Filmpropaganda greift im Medium der nationalsozialistischen Kulturgemeinde (NSKGKulturfilm) „Ewiger Wald“ in mehreren Sequenzen die Blut- und Boden- Ideologie in Bezug auf den deutschen Wald auf. Der Film bekommt einen deutlich anti-katholischen Einschlag, wenn die Bauernkriege als Aufstand deutscher Allmendebauern gegen den machtbesessenen Klerus kolportiert werden (vgl. Zechner, 2006, S. 112). Vgl. Hilf, R. B. 1953, S. 101-107. Vgl. Hasel 1971, S. 139-145. Vgl. Hasel 1985, S. 59-103.
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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schreiben ist.6 In der 1998 erschienenen Publikation „Wald – von der Gottesgabe zum Privateigentum“ gehen Stefan von Below und Stefan Breit umfassend auf die sozialkritische Dimension der Geschichte der Waldeigentumsentwicklung ein und untersuchen konfliktreiche historische Waldeigentumsfragen anhand wissenschaftlicher Fallstudien für Bayern und die Schweiz.7
I. Erste Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Waldeigentums In der fränkischen Zeit bildeten sich nach Abschluss der Völkerwanderung im Zuge der Sesshaftwerdung germanischer Stämme dauerhafte Beziehungen zwischen Mensch und Wald. Mit zunehmender Siedlungsdichte wurden der freien Waldnutzung Schranken gesetzt. Der freie Wald wandelte sich zum gemeinen Wald, d. h. jeder konnte den von der Siedlung beanspruchten Wald nur noch im Rahmen der von der Gemeinschaft vorgegebenen Ordnung nutzen.8 Erste Einblicke in frühe Formen des Waldeigentums gewähren die zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert in lateinischer Sprache abgefassten ripuarischen Volksrechte. Neben Königswald (silva regis) und Privatwald (alodis) werden gemeine Wälder (silva communis) genannt, die der freien und gemeinschaftlichen Nutzung vorbehalten waren; ein Edikt Chlotars II. nennt 614 erstmals kirchliches Waldeigentum.9 Die gemeinen Wälder standen der Bevölkerung als potenzieller Siedlungsraum zur Rodung und freien Nutzung zur Verfügung. Die Allmende, d. h. das gemeine Land, umfasste Weide, Ödland (Heide), vereinzelt Rebland und Wald in seinen verschiedenen Übergangsformen zu den halboffenen und offenen Naturweiden und diente einer Siedlungsgemeinschaft als Nutzungsreserve.10 Die Bildung einer starken Zentralgewalt und die damit verbundene Entwicklung des Lehnswesens und der Grundherrschaft führten im fränkischen Reich zu entscheidenden Veränderungen in der Forstverfassung und somit in der Verfügungsgewalt über größere Waldgebiete.11
II. Königs- und Reichswald Die kaiserlich römischen Wald- und Weidedomänen (saltus) wurden durch die merowingischen Forste (forestis) ersetzt. Es handelte sich um abgegrenzte Jagdreviere, die zum ersten Mal in Austrasien 648 und in Neustrien 657/661 bezeugt 6 7 8 9 10 11
Vgl. Hasel/Schwartz 2002. Vgl. Below/Breit 1998. Vgl. Mantel 1990, S. 151. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 110, 111; Auge 2004, Sp. 180. Vgl. Carlen 1999, Sp. 439. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 70.
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wurden.12 Die durch Einforstungen zu königlichem Reichsgut erklärten Wälder unterstanden der Kontrolle des Königs, d. h. Jagd, Fischfang, Nutzungen von Waldprodukten und Rodungen wurden i. d. R. durch Königshöfe ausgeübt, denen der Forst angegliedert war.13 Die rechtliche Grundlage der Einforstungen bildete das königliche Verfügungsrecht über nicht besiedeltes herrenloses Land (ius eremi).14 Insbesondere politische Erfolge Karls des Großen sicherten und vermehrten das Reichsgut, das die Macht der Karolinger festigte. Größere Reichsforsten waren die Hardtwaldungen zwischen Murg und Neckar, der Nürnberger Reichswald, der Dreieicher Wildbann (Frankfurt), die Vogesen, der Pfälzer Wald, der Reichswald Kaiserslautern, der Hagenauer Forst, der Bienwald bei Speyer, der Hunsrück, der Soonwald, der Kondelwald (Mosel), der Bopparder Königswald, der Landsberger Forst bei Köln, der Aachener Bannforst, der Harz, der Reinhardtswald, der Bramwald, der Kaufunger Wald, der Büdinger Wald, der Spessart und der südliche Teil des Odenwaldes. Seit Anfang des 11. Jahrhunderts wurde die Bezeichnung Wildbann (bannum bestiarum) gebräuchlich.15 Darunter verstand man das vom König vergebene oder abgeleitete Hoheitsrecht (Forsthoheit), einzelne Wälder gegen unberechtigtes Roden und gegen andere Waldnutzungen zu bannen bzw. zu schützen. Relikte der alten königlichen Banngewalt finden sich in späteren Rechtsbüchern wie z. B. dem Schwabenspiegel, der gebannte Wälder unter Androhung von Leibesstrafen besonders schützte.16 Erst mit Beginn der Neuzeit wurde der Rechtsbegriff‚ Wildbann’ ausschließlich auf das individuelle Jagdrecht des Nutznießers bezogen. Die mittelalterlichen Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation konnten ihre Macht auf Dauer nicht halten. Lehnsvergaben und Schenkungen von Reichsgut und Königswald waren geeignete Mittel weltliche und geistliche Herren in königliche Treuepflicht zu nehmen. Entsprechend nahm der Wald im Besitz bzw. Eigentum der weltlichen und geistlichen Herren (landesherrlicher Wald) während des Mittelalters zu. Forsthistoriker betonen die Bedeutung der mittelalterlichen Preisgabe des Reichsgutes für die Territorienbildung.17
III. Landesherrlicher Wald Kaiser Friedrich II. übertrug im Jahr 1232 die wichtigsten kaiserlichen Hoheitsrechte (Regalien) an die Landesherren, ein Verwaltungsakt, der die Entstehung und Macht der Landesherrlichkeit maßgeblich besiegelte. Auf dieses kaiserliche 12 13 14 15 16 17
Vgl. Rubner/Gadow 2007, Sp. 1631. Vgl. Rubner 2007, Sp. 1292-1293. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 71. Vgl. Schwenk 1999, Sp. 113-114. Vgl. Nehlsen-von Stryk 1999, Sp. 1603-1605. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 76.
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Statut (statutum in fovorem principum) basierte in der Folgezeit das landesherrliche Aneignungsrecht auf herrenloses Land.18 Die Landesherrschaft (fiscus) trat bei fehlenden Leibeserben die gesetzliche Erbfolge an, eine Rechtsgrundlage, die vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg in größerem Umfang griff. Zudem erhielten die Landesherrschaften nach der Reformation in den protestantischen Ländern einen beträchtlichen Grundeigentumszuwachs durch Säkularisation klerikaler Liegenschaften. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts ist ein weiterer bedeutender landesherrlicher Eigentumszugewinn den Folgen der politischen Umbrüche geschuldet. Die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich durch den Frieden von Lunéville (1801) und die seitens des Reiches eingegangene Verpflichtung, betroffene Landesherrschaften „aus der Mitte des Reiches“ zu entschädigen, führte zu einer im Reichsdeputationshauptschluss (1803) beschlossenen Säkularisierung des geistlichen Grundeigentums. Im Jahr 1806 sagten sich schließlich 12 Fürsten von Kaiser und Reich los, gründeten unter napoleonischem Protektorat den Rheinbund und wurden mit entsprechenden Gebietserweiterungen auf Kosten zahlreicher kleiner Landesherren bedacht (Mediatisierung). Neben diesen zu landesherrlichen Eigentum umgewandelten Ländereien und Wäldern setzte sich der gesamte landesherrliche Wald am Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aus dem althergebrachten Allodialgut (Privateigentum),19 dem Amtsund Reichslehen und aus nicht eingelösten Reichspfandschaften zusammen.20 Neben jagdlichen Interessen dienten landesherrliche Wälder der Bau- und Nutzholzversorgung eigener und fremder Großgewerbebetriebe. Flößereieinrichtungen sicherten den lukrativen Roh- und Brennholzverkauf auf in- und ausländischen Märkten. Vor der Nutzung fossiler Brennstoffe waren Holz und Holzkohle die Hauptenergieträger sämtlicher landesherrlicher Großgewerbe wie Salinen, Fayencen, Kalkbrennereien, Ziegeleien, Eisen- und Glashütten.21 Zudem lieferten Holzinhaltsstoffe wie Harz, Gerbstoffe und Pottasche (Kaliumkarbonat) vermarktbare Stoffe für Handwerk und frühe chemische Produktherstellung. Die Einkünfte aus landesherrlichem Waldeigentum bildeten einen bedeutenden Teil des Kammergutes und dienten der Finanzierung des fürstlichen Staates.22
IV. Fideikommisswald Beim Fideikommiss handelte es sich um ein zu einer rechtlichen Einheit verbundenem Sondervermögen, „das aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durch eine private Willenserklärung eines Stifters für unveräußerlich erklärt wurde, um in 18 19 20 21 22
Vgl. Koch 1999, Sp. 75-76. Vgl. Burmeister 1999, Sp. 440-441. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 79 ff. Vgl. Schmidt 2002, S. 4. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 81 ff.
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einer Familie zur Erhaltung ihres Namens und Ansehens dauernd erhalten und in einer von vornherein bestimmten Folgeordnung vererbt zu werden“.23 Einzelne Partikularrechte konnten einschränkende Regelungen enthalten.24 Nach der Rezeption des römischen Rechts sollten Fideikommisse die Aufsplitterung des Familienvermögens durch römisch-rechtliche Erbteilung vermeiden.25 Der jeweilige Nachfolger in das Familienfideikommiss war lediglich Nutzer, das Grundvermögen konnte von ihm weder veräußert noch belastet werden.26 Zusätzliche Vertragsklauseln konnten die Versorgung bestimmter Familienteile und sonstiger Verwandter aus dem Grundstücksvermögen ausschließen. Gemeinrechtlich konnte das Fideikommiss nur durch Widerruf des Stifters, Untergang des Objekts oder Wegfall des Subjekts, d.h. durch das Aussterben der Familie, erlöschen.27 Die Einrichtung eines Fideikommisses zwang der nutzungsberechtigten Familie eine starke Disziplin auf,28 durch die die Interessen des einzelnen dem Wohl der Gesamtfamilie untergeordnet wurden.29 Seit dem 30jährigen Krieg erlangten deutschrechtliche Fideikommisse für den an bestimmte Familien gebundenen Waldbesitz größere Bedeutung.30 Nach der Französischen Revolution wurden im Jahr 1792 Familienfideikommisse als Vorrechte des Adels in Frankreich und im besetzten linksrheinischen Raum aufgehoben und im Jahr 1804 durch den Code civil (Art. 896) abgeschafft, zwei Jahre später durch Napoleon aber wieder eingeführt.31 In den anderen deutschen Territorien blieben sie weiterhin bestehen, gerieten aber im Vorfeld der Revolution von 1848 unter so heftige Kritik, dass einige deutsche Länder gesetzliche Bestimmungen zur Reformierung oder Auflösung des Fideikommisses erließen.32 Im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 blieben die landesrechtlichen Bestimmungen in Kraft.33 In dieser Zeit machte der Fideikommisswald ein Zehntel der Waldfläche des Deutschen Reiches aus.34 Da mit den demokratischen „Grundsätzen von Freiheit und insbesondere von Gleichheit“35 nicht vereinbar, wurde das Fideikommiss, das der Festigung der Adels- und Patrizierfamilien
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Eckert 1992, S. 23. Vgl. Eckert 1992, S. 95, Gierke 1900, S. 885. Das „fidei commissum“ wurzelt als familienrechtliches Institut im deutschen Recht, hat aber seinen Ursprung im römisch-rechtlichen Bereich (vgl. Bar/Striewe 1981, S. 184). Vgl. Ebert 2007, Sp. 1504; Theilemann 2004, S. 270 ff. Vgl. Eckert 1992, S. 107. Vgl. Gadow 2002, S. 61 f.; Reif 1991, S. 30 f. Vgl. Bar/Striewe 1981, S. 184. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S: 104 f. Nach Dekret vom 30. März 1806 wurde Art. 896 dahingehend erweitert, dass Stiftungen durch den Kaiser zugunsten eines Familienoberhauptes erlaubt wurden (vgl. Bar/Striewe 1981, S. 184). Vgl. Eckert 1992, S. 498-505. Art 59 EGBGB: Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über Familienkommisse und Lehen… sowie Stammgüter. Vgl. Ebert 2007, Sp. 1504. Vgl. Eckert 1992, S. 111. Vgl. Eckert 1992, S. 697.
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und damit des Ständestaates diente,36 in Art. 155 Abs. 2 Satz 2 der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 aufgelöst. Die Durchführung blieb den einzelnen Ländern überlassen,37 die bis in die 1930er Jahre entsprechende Verordnungen erließen.38 Eine formelle und materielle Vereinheitlichung der Fideikommissauflösung wurde durch die Reichsgesetzgebung angestrebt.39 Für Eckert ist es entscheidend, dass die Auflösung der Familienfideikommisse nicht allein eine Folge der Gesetzgebung war, sondern von den Mitgliedern der Familien selbst intendiert wurde, die ihr Interesse an dieser Rechtsinstitution verloren hatten.40 Bezüglich der Sicherung der Waldflächen stellte sich der Staat schützend vor die alten Vermögensverbände41, indem die Errichtung von „Schutzforsten“, „Waldgütern“ oder „Waldstiftungen“ ermöglicht wurde.42 Es entstand eine „rechtliche Gemengelage“,43 da das Fideikommiss in den deutschen Ländern sehr unterschiedlich ausgelegt wurde. Die nationalsozialistische Diktatur schloss den Großgrundbesitz von der Erbhofgesetzgebung ausdrücklich aus.44 Die Ausführung des Reichsgesetzes zur Auflösung der Fideikommisse (1935, 1938) wurde kriegsbedingt verhindert. Waldforste von mehr als 100 ha Fläche wurden als „Schutzforste“ von einer Zersplitterung ausgenommen.45 Nach dem Zweiten Weltkrieg ermächtigte das „Bundesgesetz zur Änderung von Vorschriften des Fideikommißund Stiftungsrechts“ vom 28. Dezember 1950 die Landesgesetzgeber, von den bisher geltenden Vorschriften abweichendes Landesrecht zu erlassen, wovon im Bereich des Waldschutzes unterschiedlicher Gebrauch gemacht wurde.46
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41 42
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Vgl. Bar/Striewe 1981, S. 186. Vgl. Eckert 1992, S. 697. Z.B. in Preußen die Zwangsauflösungs-Verordnung vom 19. November 1920 (vgl. Modersohn 1921). Auch in Bayern, Baden und Thüringen war die Auflösung schon vor 1933 vollzogen (vgl. Bar/Striewe 1981, S. 191). Vgl. Bar/Striewe 1981, S. 186. Die Versorgung der nachfolgenden Agnaten konnte vom Erstgeborenen, der das Gut erhielt, nicht mehr gewährleistet werden, da den Nachgeborenen die Anrechte auf entsprechende Beamten- und Offiziersstellen nach 1918 nicht mehr zustanden (vgl. Eckert 1992, S. 697). Vgl. Modersohn 1921, S. 51f.; vgl. Klässel/Koehler 1932. Vgl. Bar/Striewe 1981, S. 189. Während der „Schutzforst“ als ein Zwangsrecht und damit nicht als wirtschaftliche Gilde angesehen wurde, verstand man unter einem „Waldgut“ einen leistungsfähigen wirtschaftlichen Betrieb, der mit dem Anerbenrecht versehen war. Vgl. Eckert 1992, S. 793. Vgl. Bar/Striewe 1981, S. 191. Vgl. Schutzforstverordnung vom 21. Dezember 1939 (Vgl. Bar/Striewe 1981, S. 193). Hessen erlaubte die Bildung neuer Schutzforsten, während Baden-Württemberg und Bayern sie ausgeschlossen haben (vgl. Bar/Striewe 1981, S. 197 f.).
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V. Kirchenwald Kirchengut (Grundeigentum) und Kirchenlehen (nutzbares Hoheitsrecht) sind erstmals zu Beginn des 7. Jahrhunderts nachweisbar.47 Zunehmende Klostergründungen führten seit dem 8. Jahrhundert zu einem Anstieg kirchlichen Grund- und Waldeigentums (Schenkungen und Ankäufe). Während des Mittelalters wurden Bischöfe und Äbte selbst Lehnsherren, deren Machteinfluss sich von dem weltlicher Territorialherren nicht unterschied. Bereits karolingische Hausmeier hatten durch Vergabe kirchlicher Lehen, die im Eigentum der Kirche blieben, Vasallen an sich binden wollen.48 Eine tiefgreifende Säkularisierung (Verweltlichung) des Kirchengutes war mit Ausgang des Investiturstreites (1056-1125)49 zwar vorläufig gebannt, aber die jetzt vollendete Feudalisierung der Kirche rief die Kritik der Reformer hervor. Die stets gegebene Begehrlichkeit nach Kirchengut brach letztendlich in der Reformation des 16. Jahrhunderts vehement durch.50 In den protestantisch gewordenen deutschen Landesteilen wurde Kirchengut entschädigungslos eingezogen bzw. unter weltliche Verwaltung gestellt. Die letzte große Enteignungswelle des vornehmlich römisch-katholischen Kirchengutes wurde in Deutschland durch den Frieden von Lunéville (1801) und den Reichsdeputationshauptschluss (1803) besiegelt bzw. durchgeführt.51 Zwei geistliche Kurfürstentümer, 19 Reichsbistümer, 44 Reichsabteien und 41 Reichsstädte wurden enteignet, d. h. Untertanen und Ländereien wurden denjenigen Landesherren zugeteilt, die ihre linksrheinischen Besitztümer durch die französische Besetzung verloren hatten. Lediglich das Vermögen der Pfarreien und der darin enthaltene Pfarr- und Kaplaneiwald wurde im Allgemeinen erhalten und besteht zum Teil bis in die heutige Zeit. Der in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone im Jahr 1945 vorhandene Kirchenwald fiel nicht unter die Bodenreform, sondern blieb mit eigener Forstverwaltung in der DDR erhalten.52
VI. Markgenossenschaftlicher Wald Eine der ältesten Waldeigentumsarten im deutschsprachigen Raum ist der im Recht der ripuarischen Franken (7. Jahrhundert) genannte gemeinschaftlich zu nutzende Wald (silva communis). Zur Entstehung des Gemeineigentums wurden verschiedene Theorien von Wirtschafts-, Siedlungs- und Rechtshistorikern aufgestellt.53 Urkundlich belegt ist das Vorhandensein von Markgenossenschaften im 47 48 49 50 51 52 53
Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 70: Edikt Chlotars II. (614). Vgl. Roberg 1999, Sp. 1177. Vgl. Schneidmüller 1999, Sp. 479. Vgl. Schwaiger 1999, Sp. 1277-1279. Vgl. Landesherrlicher Wald, S. 3-5. Vgl. Brandenburgisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 1998. Vgl. Schwartz 1991, S. 235 ff.
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späten Mittelalter. Wissenschaftlich unumstritten ist, dass aus anfänglich frei verfügbarem Wald durch Gebietsabgrenzungen (Mark) und Nutzungsberechtigten (Markgenossen) markgenossenschaftliches Waldeigentum entstand. Ging die Markfläche über das Gebiet eines Dorfes hinaus, hatten sich die an der Nutzung beteiligten Nachbardörfer miteinander zu verständigen. Hieraus bildeten sich die jüngeren Markgenossenschaften, in denen die Nutzungsrechte nach Dorfgemeinden bestimmt und verteilt waren54 (z. B. Vierdörferwald bei Emmendingen55). Unter Allmende wird dagegen das dingliche Substrat der Nutzungsrechte, d. h. die Liegenschaft, verstanden.56 Entsprechend der Besiedlungsstruktur waren Markgenossenschaften vorwiegend im westlichen, südlichen und mittleren deutschsprachigen Raum vertreten.57 Erste markgenossenschaftliche Waldordnungen bzw. Weistümer sind aus dem 12. Jahrhundert erhalten und regelten ausschließlich die Nutzungen der Berechtigten (Markgenossen). Die freie Markgenossenschaft war hierarchisch gegliedert. Die durch die Markgenossen gebildete Märkerversammlung entschied über die Nutzung des Markwaldes, sprach Recht und schlichtete Streitigkeiten. Der von der Märkerversammlung gewählte Obermärker erhielt für seine Aufsichtspflicht über Flur- und Feldschützen Sondernutzungsrechte an Holz und Weide. Grundherrliche Markgenossenschaften waren entweder auf grundherrlichem Boden errichtet worden oder wurden von einem grundherrlichen Obermärker geleitet. In grundherrlichen Markgenossenschaften kam es dann zu Streitigkeiten, wenn der Grundherr seine Bedürfnisse auf Kosten anderer Markgenossen auszuweiten versuchte. Seit dem 14. Jahrhundert gelang es vielen Landesherren die Obermärkerschaft in den Markgenossenschaften ihres Territoriums zu erlangen. Nutzungskonflikte zwischen Landesherrschaft und Markgenossen sowie forsthoheitliche Einschränkung althergebrachter markgenossenschaftlicher Nutzungsrechte führten immer wieder zu gerichtlichen und letztendlich zu regionalen kriegerischen Auseinandersetzungen.58 Der unter landesherrlicher Aufsicht stehende Markwald lief Gefahr aufgrund fehlender Eigentums- und Rechtsnachweise der bäuerlichen Markgenossen völlig oder in Teilen in landesherrliches Eigentum überzugehen. Entsprechend haben sich Markgenossenschaften mit Waldeigentum im Laufe der Geschichte unterschiedlich entwickelt. Während einige ihren Eigentumsanspruch wahren konnten, behielten andere lediglich Waldnutzungsrechte 54
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Der Begriff der „jüngeren“ Markgenossenschaften bezieht sich auf das neuere Verständnis der Entstehung von Markgenossenschaften. Die „älteren“ Ansichten folgten der Markgenossenschaftstheorie, wie sie von Maurer, Gierke und Thudicum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vertreten wurde und in die forstgeschichtliche Literatur von Hardt und Schwappach einging. Sie besagt, dass sich die Dorfgenossenschaften später aus den bestehenden Markgenossenschaften entwickelt hätten. Diese Ansicht gilt in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung als überwunden. Vgl. Lehnen 1998, S. 37. Vgl. Wellmer 1938. Vgl. Cordes 1999, Sp. 298. Vgl. Buntzel 2008. Vgl. Below/Breit 1998.
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oder gingen gänzlich oder teilweise in anderen Eigentumsformen auf. Missstände und Missbräuche in den Markgenossenschaften führten insbesondere seit dem 17. Jahrhundert zu Teilungen (Rezesse) des markgenossenschaftlichen Waldeigentums (Privatwald, landesherrlicher Wald) oder zu Übergängen des gesamten Markwaldes an die Korporation der bisher Berechtigten (Realgemeinschaftswald, Gemeinschaftswald) oder an die politische Gemeinde (Gemeinde- und Stadtwald).59 Aufklärung und Rationalismus unterstützen in ihrer ideologischen Ausrichtung die Auflösung gemeinschaftlichen Eigentums. Der zu Ende des 18. Jahrhunderts aufkommende Liberalismus förderte ebenfalls diese Entwicklung, da man gemeinschaftlichem Eigentum kritisch gegenüberstand und den größten ökonomischen Nutzen in der freien Entfaltung des Individuums sah.60 Neben der Brenn-, Bau- und Nutzversorgung diente der von der bäuerlichen Bevölkerung genutzte Wald dem Getreide- und Hackfrüchteanbau in Form der Waldfeldbewirtschaftung. Die Waldbodenflora stellte ein wichtiges zusätzliches Futterangebot für Pferde, Rinder und Schafe dar. Die Schweinemast nutzte sowohl die Früchte von Eichen, Buchen und Kastanien als auch die Waldbodenfauna. Von bestimmten Baumarten abgeschnittenes Blattgrün wurde im Stall verfüttert; abgefallene Nadeln und Blätter dienten als Strohersatz zur Einstreu in Stallungen. Für die Bienenweide waren blühende Bäume, Honigtau der Blattläuse sowie blühende Waldbodenflora von großer Bedeutung. Nieder- und Mittelwaldbewirtschaftung befriedigten die bäuerlichen Ansprüche an den Wald.61
VII. Gemeinde- und Stadtwald Im 18. und 19. Jahrhundert führten Markwaldrezesse insbesondere im süd- und westdeutschen Raum zur Bildung von Gemeinde- bzw. Stadtwald. Die Entstehung von kommunalem Waldeigentum wurde in der Zeit des aufgeklärten Absolutismus und insbesondere während des Liberalismus insofern gefördert, da den politischen Gemeinden zunehmend öffentlich-rechtliche Aufgaben zugewiesen wurden. Die Idee der kommunalen Selbstverwaltung auf dem Gebiet des Polizei-, Armen-, Schul- und Verkehrswesens bedurfte einer entsprechenden Finanzierung, welche zu einem Teil durch Einkünfte kommunaler Forsten bestritten werden konnte.62 Den größten Gemeindewaldanteil findet man heute in Gebieten der Bundesländer, in denen sich frühe markgenossenschaftliche Wälder nachweisen lassen wie in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg, in Hessen, im Saarland, in Unterfranken und in den linksrheinischen Gebieten Nordrhein-Westfalens.63 59 60 61 62 63
Z. B. Lehnen 1998. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 111, 118-119. Vgl. Schmidt 2002a, S. 4. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 121, 153. Vgl. Volz 2001, S. 54.
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Die Städte im deutschsprachigen Raum haben aufgrund des hohen Brenn-, Bauund Nutzholzbedarfs, aber auch wegen der landwirtschaftlichen Waldnutzung und des potenziellen Siedlungsraums stets großen Wert auf städtisches Waldeigentum gelegt. Neben der landwirtschaftlichen Bedeutung des Stadtwaldes dienten Brenn-, Bau- und Nutzholzeinschlag der rein privaten und städtischen Holzversorgung sowie den seit dem Mittelalter aufblühenden Handwerkszünften als Rohstoff- und Energielieferant. Extrahierte Gerbstoffe aus Eichenrinde sowie aus Holzasche gewonnenes Kaliumkarbonat wurde hauptsächlich in städtischen Gerbereien und in der Tuchveredelung benötigt.64 Stadtwald ist auf sehr unterschiedliche Weise entstanden. Bei Stadtgründungen konnten Wälder aus Königsgut oder herrschaftlichem Besitz verliehen oder übertragen werden wie z. B. in Kaiserslautern65, in Villingen66 oder in Eberswalde.67 Die den Städten seitens des Gründers zugebilligten Waldnutzungsrechte führten in manchen Fällen zur Geltendmachung von städtischem Waldeigentum wie z. B. in Freiburg.68 Wohlhabende Städte kauften vom Kaiser, Landesherren, Klöstern oder dem ortsansässigen Adel Wälder auf oder überführten den in Pfandschaft genommenen Wald ihrer Schuldner in städtisches Eigentum, wenn das Pfand nicht ausgelöst wurde. Gegen Ende des Mittelalters übertrug der Kaiser in größerem Umfang Forstnutzungsrechte oder Waldeigentum an Städte, um diese machtpolitisch an sich zu binden. War eine Stadt vor der Stadtrechtsverleihung gleichberechtigtes Mitglied einer Markgenossenschaft, so entstand durch deren Auflösung ebenfalls städtisches Waldeigentum. In Markgenossenschaften, in denen die Stadt eine Führungsrolle unter den Markgenossen einnahm, konnte der gesamte Markwald als städtisches Eigentum einverleibt werden, während den restlichen Markgenossen lediglich Waldnutzungsrechte eingeräumt wurden, die später durch Flächenabtretungen purifiziert (abgelöst) werden konnten. Ein Großteil des heutigen städtischen Waldeigentums resultiert aus ehemaligem Gemeindewald, der entweder bei einer Erhebung einer Stadt zur Gemeinde, durch gezielte städtische Ankäufe benachbarter Gemeindewälder oder durch Eingemeindungen umliegender Gemeinden in städtisches Eigentum überging wie z. B. in Karlsruhe.69
VIII. Realgemeindewald und Gemeinschaftswald Markgenossenschaften konnten sich auch ohne Teilung ihres Waldbestandes dergestalt auflösen, dass gemeinschaftliches Waldeigentum geschlossen in die Verfü64 65 66 67 68 69
Vgl. Schmidt 2002a, S. 4. Vgl. Bauer/Christmann 1977. Vgl. Rodenwaldt 1962. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 123. Vgl. Brandl 1970. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 123.
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gungsgewalt der bisher berechtigten Markgenossen überging. Die Nutzung der auf diese Weise entstandenen Realgemeindewälder und Gemeinschaftswälder blieb allen Neusiedlern vorenthalten und beschränkte sich lediglich auf die Markgenossen und deren Erben. Nutzungsrechte waren nicht flächenbezogen, sondern bestanden in ideellen Anteilen an der Gesamtnutzung, welche in Realerbteilungsgebieten entsprechend der Nachkommenschaft wiederum anteilsmäßig aufgeteilt wurden. Heute noch bestehende Realgemeinde- und Gemeinschaftswälder finden sich z. B. in Nordrhein-Westfalen in den Hauberggenossenschaften des Siegerlandes70, in Rheinland-Pfalz in den Heckengesellschaften des Hunsrücks71 und in den Gehöferschaften im Raum Trier-Saarburg72 sowie in Wadrill im Nordsaarland73. Sie werden vornehmlich als Niederwald bewirtschaftet und zum Teil in Hochwald überführt. Sofern eine einheitliche und nachhaltige Bewirtschaftung dieser Realgemeinde- und Gemeinschaftswälder sichergestellt ist, ist diese Waldeigentumsform forstpolitisch positiver zu bewerten als eine Aufteilung des gemeinschaftlichen Eigentums in kleinste Privatwaldparzellen, deren waldbauliche Behandlung äußerst erschwert sein kann.74
IX. Mittelgroßer und großer Privatwald Privateigentum an Wald (alodis) wird erstmals in Volksrechten der fränkischen Zeit genannt.75 Mit der Ausbildung der Grundherrlichkeit und des Lehnswesens wird der Privatwald des hohen und niederen Adels gefestigt und ausgebaut. Großer und mittelgroßer Privatwald östlich der Saale und Elbe entstand im Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus, der seinen Höhepunkt im 12. bis 14. Jahrhundert hatte. Deutsche und slawische Kolonialherren siedelten zum Schutz des eroberten Landes Dienstmannen an, die mit land- und forstwirtschaftlichen Ländereien ausgestattet wurden.76 Diese Landgüter hatten in Mitteldeutschland bis 1945 Bestand. Mittelgroßer und großer Privatwald in Süd- und Westdeutschland lassen sich i. d. R. auf das Waldeigentum adliger Geschlechter zurückverfolgen, welche seit dem Mittelalter in den Rang von Landesherren aufgestiegen waren. Der landesherrliche Wald gehörte rechtlich gesehen zum Kammergut. Um der oft gegebenen Einflussnahme der Landstände (Adel, Geistlichkeit, Städte) auf Steuererhebungen und Waldnutzung zu entgehen, wurden Teile des Kammerguts von den Landesherren 70 71 72 73 74 75 76
Vgl. Lorsbach 1956. Vgl. Wörlen 1981; Achenbach 1963. Vgl. Herrmann 1989, vgl. Köppe 1978. Vgl. Zschocke 1969. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 120; Schurr 2007. Vgl. Auge 2004, Sp. 180. Vgl. Irgang 1999, Sp. 1545-1546.
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als Schatullgut deklariert. Das Schatullgut diente ausschließlich den persönlichen Interessen der Landesherren und war der Kontrolle der Landstände entzogen. Während das Schatullgut als landesherrliches Privateigentum angesehen wurde, war die eigentumsrechtliche Natur des Kammergutes insbesondere im beginnenden 19. Jahrhundert umstritten, als sich der Wandel vom landesherrlichen Wald zum Staatswald vollzog.77 Die mediatisierten weltlichen Herrschaften konnten dagegen ihr Grund- und Waldeigentum im heutigen Westdeutschland fast völlig bewahren.78 Mittelgroßer und großer Privatwald sind darüber hinaus aufgrund reiner Waldflächenankäufe entstanden. Das Waldeigentum des Fürstlichen Hauses Thurn und Taxis ist z. B. im Wesentlichen auf Flächenankäufe bis zum Jahre 1867 zurückzuführen, die mit Hilfe von Entschädigungssummen für die Aufgabe des Postmonopols finanziert wurden.79 Desgleichen haben finanzkräftige Unternehmen und Privatpersonen insbesondere seit Beginn der deutschen Industrialisierung in großem Umfang Wälder aufgekauft. Eine Gefährdung des mittelgroßen und großen Privatwaldes ergab sich in Deutschland unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges, als Sozialisierungsbestrebungen eine Verstaatlichung dieses Waldeigentums forderten. Die deutsche Reichsverfassung von 1919 garantierte schließlich den Fortbestand des Großgrundbesitzes, in dem sie eine Enteignung nur gegen gleichwertige Entschädigung zuließ.80
X. Bauernwald, Klein- und Kleinstprivatwald Bauernwald entstand vornehmlich durch in Eigentum überführtes bäuerliches Erblehen ehemals weltlicher und geistlicher Lehnsherren. Im südwestdeutschen Raum vollzog sich die Bildung bäuerlichen Waldeigentums insbesondere nach 1848 im Zuge der Hofeigentumsüberschreibung gegen Zahlung festgeschriebener Ablösesummen. Dies gilt z. B. für das geschlossene Hofgutgebiet des badischen Schwarzwaldes. In Einzelfällen entstand bäuerliches Waldeigentum mit der Ablösung von Forstnutzungsrechten in Fläche. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr das bäuerliche Waldeigentum in deutschen Mittelgebirgslagen einen starken Flächenzugewinn durch Aufforstungen aufgelassener landwirtschaftlicher Produktionsflächen.81 Insbesondere während des 19. Jahrhunderts war das bäuerliche Waldeigentum durch gezielte Landanwerbungspolitik staatlicher und privater Forstverwaltungen in seinem Bestand gefährdet.82 Die zum Teil eigentumsspezifische Bewirtschaftungsweise des Bauernwaldes hat Karl Abetz (1955) für Baden umfassend dargelegt. Neben Niederwald- und Mittelwaldbewirtschaftung wurde 77 78 79 80 81 82
Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 81 ff. Vgl. Volz 2001, S. 52. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 103-104. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 105. Vgl. Schmidt 1989. Vgl. Schmidt 1994.
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und wird der Bauernwald insbesondere in höheren Lagen einzelstammweise genutzt (Plenterwald). Diese naturgemäße Waldbewirtschaftungsform diente insbesondere den bäuerlichen Bau- und Finanzierungsinteressen. 83 Der parzellierte Klein- und Kleinstprivatwald ist maßgeblich im Ausgang des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch Teilung von Gemeindewald (Rezesse) und durch Ablösung von bäuerlichen und bürgerlichen Forstberechtigungen (Purifikation) entstanden.84 Heute stellen die ca. 1,2 Mio. Eigentümer kleiner Waldflächen eine sehr heterogene Gruppe dar. In einer sozialempirischen Analyse haben Volz und Bieling (1998) sehr unterschiedliche Eigentümertypen identifiziert, die eine entsprechend differenzierte Politik für den Kleinprivatwald verlangen.85 Die aktuelle forstpolitische Forschung hat umfangreiche wissenschaftliche Studien zur Beratung und Betreuung des nichtbäuerlichen Kleinprivatwald angelegt und publiziert.86
XI. Staatswald Gemäß Bundeswaldgesetz ist Staatswald „Wald, der im Alleineigentum des Bundes oder eines Landes steht, sowie Wald im Miteigentum eines Landes, soweit er nach landesrechtlichen Vorschriften als Staatswald angesehen wird“.87 Die historischen Wurzeln des deutschen Staatswaldes gehen in erster Linie auf landesherrliche Kammergüter zurück, die seit dem 18. Jahrhundert auch als Domänen bezeichnet wurden. Im Zeitalter des Absolutismus standen eigentumsrechtliche Überlegungen, ob der landesherrliche Wald deutscher Territorialstaaten Privatoder Staatswald sei, außer Frage. Aufgrund der fehlenden Gewaltenteilung waren sämtliche staatlichen Funktionen in der Person des Landesherren nach dem Grundsatz „l`état c`est moi“ vereint. Die Aufklärung führte zunächst in Preußen insofern zu einem neuen Staatsdenken, als sich Friedrich der Große als „ersten Diener des Staates“ bezeichnete. Die in der Folgezeit in anderen deutschen Territorialstaaten ebenfalls vollzogene Trennung von Regent und Staat warf zwangsläufig die Frage nach dem rechtlichen Charakter der landesherrlichen Kammergüter auf. Im Jahr 1713 wurden in Preußen die Erträge aller Domänen erstmals dem Staatshaushalt übertragen, während sich der König ein festes Budget zur Finanzierung des Hofstaates vorbehielt. Das Allgemeine Landrecht (1794) erklärte schließlich sämtliche preußischen Domänen zu unveräußerlichem Staatsgut. Damit war der Grundstein des deutschen Staatswaldes gelegt. In Bayern vollzog sich der Übergang vom Kammergut zum Staatsgut in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun83 84 85 86 87
Vgl. Abetz 1955. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 110, 127-128; vgl. Schurr 2007. Vgl. Volz/Bieling 1998, S. 67-71. Vgl. Schraml 2003; Härdter 2004. Vgl. Bundeswaldgesetz 1975, § 3 Waldeigentumsarten.
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derts. Die bayerische Verfassung (1818) wies schließlich alle Domänen als Staatsgut aus und schrieb das königliche Privatvermögen fest. Nach dem Sturz der bayerischen Monarchie wurde nach zähen Verhandlungen 1922 dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds 7.730 ha Staatswald in Ober- und Niederbayern zugewiesen. Im Königreich Württemberg erklärte die Verfassung des Jahres 1819 das Kammergut zum Staatsvermögen, mit der Auflage die königliche Familie staatlich zu finanzieren. Die badische Verfassung (1818) wies alle Domänen und den darin enthaltenen Staatswald dem Patrimonialgut des Regenten und seiner Familie zu. Die Erträge der badischen Domänen flossen ausschließlich der Staatskasse zu, die neben allgemeinen Staatslasten eine gesetzlich vereinbarte „Zivilliste“ des badischen Hofstaates zu finanzieren hatte. Als der badische Großherzog nach dem Ersten Weltkrieg abdanken musste, wurde im Jahr 1919 das staatliche Waldeigentum in Baden unter klar definierten Zugeständnissen an das kinderlose Großherzogpaar gesetzlich festgeschrieben. Die hessische Verfassung deklarierte im Jahr 1820 sämtliche Domänen als Grundeigentum der regierenden Familie; die erwirtschafteten Erträge waren der Staatskasse zuzuführen. Diese Regelung war bis zum Jahr 1919 rechtskräftig, dann wurden alle großherzoglichen Eigentumsrechte an hessischen Domänen vertraglich in Geld abgefunden.88 Die Existenz des deutschen Staatswaldes wurde bereits während seiner Entstehungsphase durch liberales Gedankengut in Frage gestellt. Verfechter des Liberalismus propagierten die freie Entfaltung des Einzelnen und forderten den Staat auf im Interesse des Gemeinwohls wirtschaftliche Betätigungen einzuschränken bzw. zu unterlassen. In diesem Sinne wurde eine Privatisierung des Staatswaldes gefordert. Darüber hinaus sollten Staatswaldflächen in solche landwirtschaftliche Bodennutzungsformen umgewandelt werden, die dem damaligen Verständnis nach als dem Allgemeinwohl dienlicher angesehen wurden.89 Diese Gedanken wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu realisieren versucht, da die Ertragslage vieler Staatswälder wegen vorheriger landesherrlicher Übernutzungen sehr gering war und eine ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung in vielen Fällen wegen bestehender bäuerlicher und bürgerlicher Forstnutzungsrechte belastet und eingeschränkt wurde. Die Umwandlung von Forstberechtigungen in privates Waldeigentum führte insbesondere in Preußen zu hohen Staatswaldverlusten und letztendlich zu Mehreinschlägen oder zu bodenschädlichen Waldumwandlungen.90 In Preußen wurde die Staatswaldfläche von 1857 bis 1871 durch Forstrechtsablösungsverträge um etwa 62.000 ha verringert. Geldzahlungen für abgefundene Forstnutzungsbe88 89
90
Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 81-84. „Auf dem Landtage zu Carlsruhe 1819 behauptete die 2te Kammer der Landstände: dass die Hälfte des Landes mit Wald bedeckt sei, wovon 200000 Morgen auszuroden und in Feld zu verwandeln, welche 6 Millionen Fl. jährlich mehr eintragen würden, wenn nur der Morgen Fruchtfeld zu 30 Fl. jährlichen Ertrag gerechnet würde. Man würde den Morgen zu 200 Fl. verkaufen, also 40 Mill. daraus lösen.“; in: Bülow 1834, S. 43. Vgl. Pfeil 1834.
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rechtigte im preußischen Staatswald beliefen sich im Zeitraum von 1857 bis 1892 auf rund 72 Mio. Goldmark.91 Mit dem Inkrafttreten von Staatswaldverordnungen hatte sich während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in deutschen Ländern eine mächtige Forstpolizei etablieren können, die insbesondere in Preußen und Bayern ihrer Aufsichtspflicht mit besonderer Härte nachkam.92 Mit dem Staatswaldverkauf und der damit verbundenen Liquidierung der strengen staatlichen Forstaufsicht erhofften sich insbesondere sozial schwache Bevölkerungsschichten eine Verbesserung ihrer Holzversorgungsbedingungen.93 Seit Ende der Französischen Revolution ging Frankreich als Beispiel für Staatswaldverkäufe voran.94 In deutschen Ländern griffen insbesondere Stein und Hardenberg (Preußen) sowie Hazzi und Monteglas (Bayern) den Gedanken des Staatswaldverkaufs auf. In Bayern wurden in den Jahren 1802 und 1803 insgesamt 4.320 ha zersplitterter Staatswaldeigentum versteigert. Die große Finanznot des bayerischen Staates führte zwischen 1805 und 1818 zu weiteren beträchtlichen Waldverkäufen. Die bayerische Verfassung von 1818 legte eine grundsätzliche Unveräußerlichkeit des Finanzvermögens und damit des Staatswaldes fest, doch mit Rücksicht auf die Schuldentilgung wurden von 1819 bis 1831 etwa 17.000 ha Waldflächen veräußert. In Preußen wurde der Staatswaldverkauf durch eine gesetzliche Verfügung des Jahres 1808 ermöglicht und durch weitere Edikte (1811 und 1813) bekräftigt. Georg Ludwig Hartig, der 1811 Leiter der preußischen Forstverwaltung geworden war, sprach sich deutlich gegen den Staatswaldverkauf aus. Im Jahr 1820 wurden die preußischen Staatswälder zur Tilgung und Verzinsung von 180 Mio. Talern Staatschulden den Gläubigern verpfändet; Verkaufserlöse wurden an die Staatsschuldenverwaltung abgeführt.95 Bernhardt beziffert den Anteil der zwischen 1808 und 1872 veräußerten preußischen Staatswälder mit etwa 260.000 ha auf 13%.96 Die Finanzlage des Staates Baden war zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgrund Kriegslasten, Pensionszahlungen, Verwaltungsausgaben und erhöhtem Militäretat derart angespannt, dass land- und forstwirtschaftliche Domänengrundstücke zum Teil unter Umgehung des badischen Landtags verkauft und Mehrhiebe in Domänenwaldungen durchgeführt wurden.97 Seit Mitte des 19. Jahrhunderts folgte die Staatswaldbewirtschaftung im Zuge der Industriellen Revolution in erster Linie marktwirtschaftlichen Interessen. Neue Absatzmärkte für Eisenbahnschwellen, Gruben- und Bauholz, aber auch für Holz91 92 93 94 95 96 97
Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 128. Vgl. Schmidt 1998a.; Schmidt 1998b., Schmidt 1998c. Vgl. Schmidt 2002b. Vgl. Endres 1922. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 83. Vgl. Bernhardt 1872. Vgl. Hasel/Schwartz 2002, S. 92.
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schliff (Papierherstellung) und Zelluloseproduktion führten in vielen privaten und staatlichen Forstverwaltungen zu einer rein ökonomischen Ausrichtung der Waldbewirtschaftung, welche gleichaltrige Nadelholzreinbestände (Altersklassenwald) nach dem Normalwaldmodell (normal verteilte Altersklassen im schlagweisen Hochwald) propagierte.98 Während des 19. Jahrhunderts wurde in vielen deutschen Staatsforstverwaltungen die Holzbevorratung durch vermehrten Anbau ertragsreicher Baumarten, durch bestandesgerechtere waldbauliche Behandlung und letztendlich wegen einer vorsichtigen Veranschlagung von Holzvorrat, Zuwachs und Hiebssatz wesentlich verbessert und erhöht. Im Jahr 1907 wurde diese forstwirtschaftliche Situation erstmals von Max Endres in seiner Münchener Rektorratsrede öffentlich vorgetragen. Graf zu Törring-Jechtenbach stellte daraufhin im Jahr 1908 einen Antrag an den Bayerischen Landtag, die Nutzungen in den bayerischen Staatswaldungen zu erhöhen. Obwohl der „Antrag Törring“ in Bayern zunächst geringe Wirkung zeigte und in Baden zu heftigen Auseinandersetzungen im Landtag führte, erhöhten viele deutsche Landesforstverwaltungen in der Folgezeit ihre Hiebssätze. In Deutschland sind heute 34 % der 10,7 Mio. ha umfassenden Gesamtwaldfläche in staatlichem Eigentum.99 Seit den 1980er Jahren hat die zunehmend ökologische Wahrnehmung die Waldbewirtschaftung in vielen Bundesländern tiefgreifend beeinflusst. Die gesellschaftlichen Forderungen nach nachhaltigem, auf ökologischer Grundlage bewirtschaftetem ungleichaltrigem Mischwald haben der naturgemäßen Waldbewirtschaftung nicht nur im Staatswald, sondern auch bei anderen Waldeigentümern einen festen Platz in der gegenwärtigen und zukünftigen waldbaulichen Diskussion und Praxis in Deutschland verschafft.100
XII. Zusammenfassung In der fränkischen Zeit lassen sich erste Waldeigentumsformen im deutschsprachigen Raum nachweisen. Im Laufe der weiteren Geschichte sind Königs- und Reichswald, Allodialgut und gemeiner Wald aufgrund politischer, ökonomischer und sozialer Rahmenbedingungen in vielfältiger Weise in ihren Eigentumsstrukturen verändert worden und bildeten seit dem Mittelalter die Grundlage des Kirchenwaldes, des markgenossenschaftlichen Waldes, des landesherrlichen Waldes, des Stadtwaldes, des Fideikommisswaldes sowie des übrigen Privatwaldes. Insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert entwickelten sich aus diesen Eigentumsformen Kommunalwald, Realgemeinde- und Gemeinschaftswald, unterschiedlich großer Privatwald und Staatswald. Die gesellschaftlichen Nutzungsansprüche an den Wald haben sich nicht nur auf die historischen Bewirtschaftungsweisen der Wäl98 99 100
Vgl. Schmidt 2003. Vgl. Volz 2001, S. 51. Vgl. Schmidt 2009, S. 144-151.
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der und die Waldeigentumsentwicklung ausgewirkt, sondern werden auch künftig Waldbewirtschaftung und Waldbesitzstrukturen maßgeblich prägen und beeinflussen.
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§3
Bodenreform in der DDR und Reprivatisierung
Judith Froese / Ludolf Freiherr v. Oldershausen
I. „Demokratische Bodenreform“ in der Sowjetischen Besatzungszone Die Sowjetunion nutzte bereits unmittelbar nach Kriegsende die im „Potsdamer Abkommen“1 beschlossenen Grundsätze, um die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) durch die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln im Sinne der marxistisch-leninistischen Ideologie umzugestalten und hierdurch den Bevölkerungskreisen, die als Klassenfeinde betrachtet wurden, die Existenzgrundlage zu entziehen.2 Um diese Ziele zu verwirklichen, bediente sich die Sowjetunion insbesondere der sogenannten „Demokratischen Bodenreform“ sowie entschädigungsloser Enteignungen in der Wirtschaft3. Die „Demokratische Bodenreform“ in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) erfolgte durch eine „Verordnung über die Bodenreform“, die am 3. September 1945 von der Landesverwaltung der Provinz Sachsen erlassen wurde.4 Diese wurde in den nachfolgenden Tagen von den übrigen Landesverwaltungen der SBZ fast wortgleich übernommen und verkündet.5 Ziel der Bodenreform war „die Liquidierung des feudal-junkerlichen Großgrundbesitzes (…) und der Herrschaft der Junker und Großgrundbesitzer im Dorfe ein Ende zu bereiten“. Hierdurch sollte „der jahrhundertealte Traum der landlosen und landarmen Bauern und Landarbei-
1 2 3 4
5
Protokoll über die Dreimächtekonferenz von Berlin vom 2. August 1945. Ossenbühl, Eigentumsfragen, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 1994, § 212, Rdnr. 20. Auf der Grundlage von Befehlen der Sowjetischen Militäradministration (SMAD). Abgedruckt in: Gesamtdeutsches Institut – Bundesanstalt für Gesamtdeutsche Aufgaben (Hrsg.), Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, Anlage 48 (S. 101 ff.). Von Kruse (Hrsg.), Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“ in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands: Dokumente und Berichte, erw. Neuauflage, München/Stamsried 1988, S. 16.
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ter von der Übergabe des Großgrundbesitzes in ihre Hände erfüllt werden“.6 Die Bodenreform beinhaltet Bestimmungen zur entschädigungslosen Enteignung des Grundbesitzes der Kriegsverbrecher und führender und aktiver Nationalsozialisten sowie des gesamten privaten Großgrundbesitzes von mehr als 100 ha Größe nebst allem darauf befindlichen landwirtschaftlichen Vermögen. Die Enteignung umfasste neben dem gesamten Grund und Boden auch das gesamte landwirtschaftliche Inventar, die Gebäude, Vorräte und landwirtschaftlichen Nebenbetriebe.7 Zu diesem Grundbesitz gehören gemäß Art. 3 Nr. 2 der Verordnung der Provinz Sachsen auch Wälder. Auch Gegenstände, die dem persönlichen Gebrauch dienen, wurden den Betroffenen häufig abgenommen. Die enteigneten Grundbesitzer wurden in der Regel aus den Kreisen, in denen sie ihren Grundbesitz hatten, gewiesen.8 Die Enteignungen in allen Ländern der SBZ erfolgten in den Monaten September und Oktober 1945, die durch die Kreis- und Gemeindeverwaltungen durch die Bildung der Bodenkommissionen in ihren Bezirken vorbereitet wurden. Diese Bodenkommissionen enteigneten innerhalb weniger Monate bereits 10 715 Besitzungen und teilten diese zu einem großen Anteil auch auf. Insgesamt wurden 13699 Privatbetriebe mit einer Fläche von 3,2 Mio. ha entschädigungslos enteignet.9 Die enteigneten Flächen wurden in die Fonds der Bodenreform (Bodenfonds) überführt und anschließend an landlose Bauern verteilt.10 Die Empfänger des Bodens hatten hierfür eine Summe, die einer Jahresrente entspricht, zu zahlen.11 Für Waldboden war der Preis durch die Kreiskommission zur Durchführung der Bodenreform entsprechend den örtlichen Nutzungsbedingungen festzusetzen, wobei der Preis je Hektar nicht weniger als die Hälfte des Preises für den übrigen zugeteilten Boden betragen sollte.12 Hierzu erließen die Landesverwaltungen entsprechende Instruktionen.13
6
7 8
9 10
11 12 13
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über die landwirtschaftliche Bodenreform vom 10.09.1945 in Sachsen, zitiert nach Gesamtdeutsches Institut – Bundesanstalt für Gesamtdeutsche Aufgaben (Hrsg.), Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, Anlage 48 (S. 101 ff.). Vgl. Art. 2 der Verordnung der Provinz Sachsen. Gesamtdeutsches Institut – Bundesanstalt für Gesamtdeutsche Aufgaben (Hrsg.), Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, S. 8. Ossenbühl, Eigentumsfragen, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 1994, § 212, Rdnr. 21. Dölling, Wende der deutschen Agrarpolitik: Ein Beitrag zum Strukturwandel der Landwirtschaft von der Markgenossenschaft bis zur Bodenreform, 1. Aufl. 1950, Berlin, S. 102 ff. Art. 5 Nr. 1 der Verordnung der Provinz Sachsen. Ebda. Dölling, Wende der deutschen Agrarpolitik: Ein Beitrag zum Strukturwandel der Landwirtschaft von der Markgenossenschaft bis zur Bodenreform, 1. Aufl. 1950, Berlin, S. 108.
Bodenreform in der DDR und Reprivatisierung
45
Diese durch die Bodenreform begründeten Eigentumsverhältnisse blieben auch im Rahmen der Kollektivierung14, die ab 1952 flächendeckend durchgeführt wurde, formal bestehen. Es wurden jedoch Verfügungsbeschränkungen angeordnet und die Flächen wurden einem umfassenden Nutzungsrecht der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG)15 unterworfen. 1989 wurden rund 87 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche von LPG und 7,5 % dieser Fläche von volkseigenen Gütern bewirtschaftet.16 Tabelle 1: Übersicht über die in Bodenfonds überführten Flächen (Stand: 1 Januar 1949).17 Zahl der Objekte
Fläche in ha
v.H.
Privatbesitz unter 100 ha
4.278
123.868
3,8
Privatbesitz über 100 ha (Junker und sonstige Großgrundbesitzer)
7.112
2.504.732
77,7
Staatsbesitz
1.203
329.123
10,2
Siedlungsgesellschaften und Institute
129
18.321
0,6
Staatswälder und Forste
373
161.269
5,0
Sonstiger Grundbesitz
604
88.051
2,7
Insgesamt
13.699
3.225.364
100,0
Die Gesamtzahl der enteigneten land- und forstwirtschaftlichen Fläche (rund 3,22 Mio. ha), die in den Bodenfonds überführt wurde, unterteilte sich folgendermaßen:18
14
15
16 17
18
Zur Kollektivierung: v. Kruse (Hrsg.), Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“ in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands: Dokumente und Berichte, erw. Neuaufl. 1988, S. 135 ff.; im Bezug auf die Land- und Forstwirtschaft: S. 142 ff. Zu unterscheiden sind drei Formen der LPG: Bei Typ I wird lediglich das Ackerland gemeinsam bewirtschaftet, bei Typ II werden daneben auch Zugkräfte, Maschinen und Geräte in die Genossenschaft eingebracht und in Typ III erfolgt die gesamte Feld- und Viehwirtschaft gemeinsam (v. Kruse (Hrsg.), Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“ in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands: Dokumente und Berichte, erw. Neuaufl. 1988, S. 140). BVerfGE 84, 90 (98 f.). Nach: Dölling, Wende der deutschen Agrarpolitik: Ein Beitrag zum Strukturwandel der Landwirtschaft von der Markgenossenschaft bis zur Bodenreform, 1. Aufl. 1950, Berlin, S. 105. Nach: Dölling, Wende der deutschen Agrarpolitik: Ein Beitrag zum Strukturwandel der Landwirtschaft von der Markgenossenschaft bis zur Bodenreform, 1. Aufl. 1950, Berlin, S. 106.
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Judith Froese / Ludolf Freiherr v. Oldershausen
Kulturart
Mill. ha
v.H.
Acker
1,62
50,3
0,03
0,9
Wald
1,00
31,1
Grünland
0,34
10,6
Ödland und Wege
0,12
3,7
Hofräume und Gebäudeflächen 0,03
0,9
Gewässer
0,08
2,5
Insgesamt
3,22
100,0
Aus dem Bodenfonds wurden rund 1,1 Mio. ha in Volkseigentum überführt; die übrigen Flächen wurden verteilt. Ein Teil des aufgeteilten Landes fiel in der Folgezeit an den Bodenfonds zurück.19 Durch die Bodenreformverordnungen wurden in den einzelnen Ländern je nach verfügbarer Waldfläche Größenanteile für die Aufteilung an Bauern und Gemeinden festgelegt. Diejenigen Waldflächen, die ungeteilt an das jeweilige Land (d.h. in Volkseigentum) übergingen, wurden dabei ausgesondert.20 Von der Gesamtfläche i.H.v. 967.007 ha (30 % des Bodenfonds), die an die Körperschaften verteilt wurde, beträgt der Waldanteil 554.047 ha.21 70 % der Waldflächen in der ehemaligen DDR gehörten zum sog. Volkswald, 29 % zum (kleinen) Privatwald und 1 % zum Kirchenwald.22 Im Rahmen der Kollektivierung der gesamten DDR-Landwirtschaft wurden am 01. Januar 1952 die Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebe (StFB) gegründet, die als Rechtsnachfolger der Kreisforstämter fungierten.23 Mit deren Gründung wurde der Beginn der „sozialistischen Forstwirtschaft“ eingeleitet. Ehemalige Privatforsten, die im Zuge der Bodenreform enteignet worden waren, wurden als Volks- und Betreuungswald durch die StFB bewirtschaftet und verwaltet. 19 20
21
22
23
BVerfGE 84, 90, 98. Dölling, Wende der deutschen Agrarpolitik: Ein Beitrag zum Strukturwandel der Landwirtschaft von der Markgenossenschaft bis zur Bodenreform, 1. Aufl. 1950, Berlin, S. 106. Dölling, Wende der deutschen Agrarpolitik: Ein Beitrag zum Strukturwandel der Landwirtschaft von der Markgenossenschaft bis zur Bodenreform, 1. Aufl. 1950, Berlin, S. 110. Volz, Wem gehört eigentlich der Wald? Waldeigentum im Spannungsfeld von privatem und allgemeinem Interesse, in: Der Deutsche Wald, 2001, S. 51, 53. Jahn, 300 Jahre Forstverwaltung in Mecklenburg-Vorpommern (Teil V): Der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb (StFB) Torgelow – seine Gründung, Entwicklung und Aufgaben, in: Amt Löcknitz-Penkun (Hrsg.), Amtsblatt Löcknitz-Penkun, Nr. 10/2006, S. 9.
Bodenreform in der DDR und Reprivatisierung
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II. Wiedervereinigung und Reprivatisierung In der Zeit zwischen Herbstrevolution (1989) und Beitritt der DDR zur BRD am 3. Oktober 1990 war man bestrebt, die Konsequenzen aus dem Systembankrott der DDR abzumildern und einen Neubeginn durch den Übergang zur marktwirtschaftlichen Grundordnung der Bundesrepublik zu erleichtern.24 Art. 12 der DDRVerfassung, der das Volkseigentum regelt und Privateigentum an den dort bestimmten Gütern verbot, wurde dahingehend geändert, dass Abweichungen vom Grundsatz des Volkseigentums an Produktionsmitteln zugelassen wurden (Art. 12 Abs. 1 S. 2). Ferner wurden in Art. 14 a Unternehmensgründungen mit ausländischer Beteiligung auf gesetzlicher Grundlage zugelassen.25 Das sozialistische Eigentum blieb jedoch vorrangig gemäß Art. 9 DDR-Verfassung und die Unterordnung des persönlichen Eigentums unter die Interessen der Gesellschaft (§ 22 Abs. 3 S. 3 ZGB)26 blieb zunächst bestehen. Ziel des ersten Staatsvertrags über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion27, der am 1. Juli 1990 in Kraft trat, war die Schaffung eines sicheren Fundaments für die soziale Marktwirtschaft in der DDR. Hierzu war es erforderlich, dass die DDR ihr Recht entsprechend den Grundsätzen einer freiheitlichen, demokratischen, föderativen, rechtsstaatlichen und sozialen Ordnung gestaltete. Dazu gehörte auch das Erfordernis der Nichtanwendbarkeit solcher Rechtsvorschriften, die insbesondere die sozialistische Gesetzlichkeit, die sozialistische Staats– und Gesellschaftsordnung und die sozialistische Planwirtschaft betreffen.28 So verpflichtete Art. 2 Abs. 2 des Staatsvertrages die DDR dazu, entgegenstehende Vorschriften ihrer Verfassung nicht mehr anzuwenden. Das Gesetz der DDR vom 6. März 1990 über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform29 hob alle Verfügungsbeschränkungen für Bodenreformeigentümer, die aus den Bodenreformverordnungen stammten, auf. Das Bodenreformeigentum wurde dem persönlichen Eigentum des Zivilgesetzbuchs der DDR gleichgestellt. 24 25 26
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28
29
Ossenbühl, Eigentumsfragen, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 1994, § 212, Rdnr. 35. Gesetz vom 12.1.1990, GBl. DDR I S. 15. Zivilgesetzbuch vom 19. Juni 1975 geändert durch Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (GBl. I S. 332), Anl. III, Abschn. II, Ziffer 8; Gesetz vom 28. Juni 1990 (GBl. I S. 524); Gesetz vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 903); faktisch aufgehoben durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II. S. 889) mit Wirkung vom 2. Oktober 1990. Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 18. Mai 1990, BGBl. 1990 II, S. 537. Hannemann/Bergmann, Zur Gesetzgebung in der DDR nach dem 18.3.1990, in: DtZ 1990, S. 183. GBl. I S. 134.
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Judith Froese / Ludolf Freiherr v. Oldershausen
Durch das Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LAnpG) vom 29. Juni 199030 wurde die Umwandlung von kooperativen Einrichtungen, die Umwandlung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in eingetragene Genossenschaften, die Auflösung einer LPG sowie die Schaffung bäuerlicher und gärtnerischer Einzelbetriebe ermöglicht. Das LAnpG sieht hierzu in seinem § 43 ein Kündigungsrecht der Mitglieder von LPG vor und bestimmt in seinem § 45, dass das aus der LPG scheidende Mitglied grundsätzlich das volle Verfügungsrecht sowie den unmittelbaren Besitz an seinen eingebrachten Flächen und seiner Hofstelle zurück erhält. Das Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 199031, das nach Maßgabe von Art. 25 Einigungsvertrag32 fort gilt, ersetzte die unzureichenden Vorschriften über die Privatisierung des volkseigenen Vermögens aus der Zeit der Regierung Modrow. Es schreibt vor, dass das volkseigene Vermögen grundsätzlich zu privatisieren ist, soweit es nicht in den durch Gesetz bestimmten Fällen der öffentlichen Hand zu übertragen ist (§ 1 Abs. 1). Für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft ist die Privatisierung und Reorganisation des Vermögens so zu gestalten, dass den Besonderheiten dieses Bereichs Rechnung getragen wird. Die Aufgabe der Privatisierung wurde der Treuhandanstalt übertragen.33 In der Gemeinsamen Erklärung von DDR- und BRD-Regierung vom 15. Juni 199034 bekennen sich beide zu dem Ziel, einen sozialverträglichen Ausgleich unterschiedlicher Interessen bei der Lösung offener Vermögensfragen zu finden. Man verständigte sich auf die folgenden Grundsätze:35 30
31 32
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34
35
Gesetz über die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik, GBl. I S. 642. Dieses Gesetz ist nach Maßgabe von Art. 9 Abs. 2 EV i.V.m. Anlageteil Kapitel VI Sachgebiet A Abschnitt II des Einigungsvertrages (BGBl. 1990 II S. 1204) in Kraft geblieben. GBl. I S. 300. Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. 1990 II S. 889), zuletzt angepasst durch Art. 12 G v. 30.10.2008 I 2130 iVm Art. 6 Nr. 5 G v. 21.12.2008 I 2940; Auszug abgedruckt in: Gesamtdeutsches Institut – Bundesanstalt für Gesamtdeutsche Aufgaben (Hrsg.), Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, Anlage 1 (S. 37 ff.). Zum Auftrag der Treuhandanstalt nach dem Einigungsvertrag: Peter J. Tettinger, Öffentliche und private Wirtschaft in den neuen Bundesländern, in: Stern (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung: die Rechtseinheit/Arbeitskreis Staats- und Verfassungsrecht, Bd. II, Zur Wiederherstellung der inneren Einheit Teil 2, S. 149, 154 ff. Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990, Anlage III zum Einigungsvertrag. Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (Hrsg.), Offene Vermögensfragen: Versuch einer Bilanz, Broschüre, 2001, S. 34, abrufbar unter: http:// www.badv.bund.de.
Bodenreform in der DDR und Reprivatisierung
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x Aufhebung der staatlichen Verwaltung und dadurch Wiederherstellung der Verfügungsbefugnis auf Antrag; x Sozialverträglicher Interessenausgleich, soweit auf beiden Seiten Personen betroffen sind. Dabei sind redlich erworbene Eigentums-, Nutzungs- und Mietrechte von DDR-Bürgern gebührend zu wahren und zu schützen; x Rückübertragung von in Volkseigentum übergegangenen Vermögenswerten, soweit das möglich ist; anderenfalls Entschädigungsleistung; x Ausschluss der Rückübertragung bei wesentlicher Veränderung von Nutzungsart bzw. Zweckbestimmung. Hinsichtlich der Vermögensverluste zwischen 1945 und 1949 enthält die Gemeinsame Erklärung in Nr. 1 folgende Bestimmung: „Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der DDR sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, dass einem künftigen Gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muss“. Diese zunächst als politische Absichtserklärung konzipierte Erklärung wurde später insgesamt normativer Bestandteil des Einigungsvertrages (Art. 41 Abs. 1 Einigungsvertrag).36 Kernbestandteile dieser Erklärung sind die Bestandsgarantie für die zwischen 1945 und 1949 erfolgten Eigentumsentziehungen37 sowie die grundsätzliche Entscheidung zugunsten einer Revision von spezifischem Teilungsunrecht. Neben den umfangreichen Restitutionsmöglichkeiten enthält die Gemeinsame Erklärung auch Ausschlusstatbestände (insbesondere: Wahlrecht des Altberechtigten zwischen Rückgabe und Entschädigungszahlung, redlicher Erwerb von Eigentums- oder dinglichen Nutzungsrechten, Unmöglichkeit der Rückgabe). Die Gemeinsame Erklärung enthält jedoch trotz ihrer Qualifizierung als Rechtsnorm lediglich den politischen Handlungsrahmen und ist von ihrer Bedeutung her einem Gesetzgebungsauftrag an den Bundesgesetzgeber gleichzustellen.38 Diesen „Gesetzgebungsauftrag“ hat der Bundesgesetzgeber durch den Erlass zahlreicher Gesetze erfüllt: Auf Verfassungsebene wurden die Art. 135 a Abs. 2 sowie Art. 143 in das Grundgesetz eingefügt. Art. 143 Abs. 3 GG bestimmt, dass Art. 41 Einigungsvertrag sowie die zu seiner Durchführung getroffenen Regelungen auch insoweit Bestand haben, als sie vorsehen, dass Eingriffe in das Eigentum auf dem Territorium der früheren DDR nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zu diesen Regelungen gehören das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermö36 37 38
Ossenbühl, Eigentumsfragen, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 1994, § 212, Rdnr. 44. Hierzu: BVerfGE 84, 90 ff. (Bodenreform I). Ossenbühl, Eigentumsfragen, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 1994, § 212, Rdnr. 48.
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gensgesetz)39 und das Gesetz über besondere Investitionen in der Deutschen Demokratischen Republik (Investitionsgesetz)40. Das Vermögensgesetz regelt insbesondere Ansprüche der betroffenen Alteigentümer auf Rückübertragung (Restitution) ihres Eigentums (§ 3 Abs. 1 VermG) sowie im Falle der Stellung des Eigentums unter staatliche Verwaltung auf Aufhebung dieser (§§ 1 Abs. 4, 11 Abs. 1 VermG). Das Vermögensgesetz gilt jedoch insbesondere nicht für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher sowie besatzungshoheitlicher Grundlage, § 1 Abs. 8 lit. a VermG.41 §§ 4, 5 VermG enthalten Ausschlusstatbestände vornehmlich bei Unmöglichkeit der Rückübertragung (§ 4 Abs. 1 VermG) und bei redlichem Erwerb durch Dritte (§ 4 Abs. 2 S. 1 VermG). Statt der Rückübertragung kann der Restitutionsberechtigte wahlweise auch eine Entschädigung verlangen, § 8 VermG. Die Entschädigungshöhe ist durch das Entschädigungsgesetz festgelegt. Das Gesetz über die Übertragung volkseigener Güter, staatlicher Forstwirtschaftsbetriebe und anderer volkseigener Betriebe der Land- und Forstwirtschaft in das Eigentum der Länder und Kommunen vom 22. Juli 199042 regelt, dass solche Güter und Betriebe grundsätzlich in das Eigentum der Länder oder Kommunen übertragen werden, § 1 Abs. 1, § 4. Durch das Gesetz über die Übertragung des Eigentums und die Verpachtung volkseigener landwirtschaftlich genutzter Grundstücke an Genossenschaften, Genossenschaftsmitglieder und andere Bürger vom 22. Juli 199043, wurden Verkauf, Verpachtung sowie anderweitige Verwertung von volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, die sich im Besitz von Genossenschaften oder Einzelpersonen befinden, geregelt.
39
40
41
42 43
Vermögensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 2005 (BGBl. I S. 205), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 3. Juli 2009 (BGBl. I S. 1688) geändert worden ist. DDR-Investitionsgesetz vom 26. Juni 1990 (BGBl. I S. 1143), das durch Anlage I Kap I der Verordnung B II Nummer 22 EinigVtr vom 31. August 1990 geändert worden ist. Am 22. März 1991 wurde das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen (BGBl. I S. 766) erlassen, um den Anwendungsbereich des Investitionsgesetzes zu erweitern und zu vereinfachen. An die Stelle dieses sog. Hemmnisbeseitigungsgesetzes trat mit dem 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 das Investitionsvorranggesetz (BGBl. I S. 1257). Diesen Restitutionsausschluss hat das BVerfG in E 84, 90, 127 f. als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft, allerdings müssen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG finanzielle Ausgleichsregelungen auch für diese Enteignungen bestehen. GBl. I S. 897. GBl. I S. 899. Dieses Gesetz bleibt nach Maßgabe von Art. 9 Abs. 2 Einigungsvertag in Verbindung mit Anlage II Kapitel-VI Sachgebiet B Abschnitt II des Vertrages (BGBl. 1990 II S. 1204) in Kraft.
Bodenreform in der DDR und Reprivatisierung
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Das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichleistungsgesetz – EALG) vom 27. September 199444 besteht aus mehreren Gesetzen sowie einer Vielzahl von Änderungsgesetzen und regelt Höhe von Entschädigungen, Ausgleichsleistungen für Enteignungen sowie den Umfang der Entschädigungen für NSVerfolgte, die Vermögenseinbußen zur Zeit des NS-Regimes erlitten haben. Es enthält die grundlegenden finanziellen Wiedergutmachungsregelungen für Vermögensverluste auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zwischen 1933 und 1990. Die Regelungen unterteilen sich in das Entschädigungsgesetz, das Ausgleichsleistungsgesetz und das NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz. Das Entschädigungsgesetz regelt Art und Höhe der schon im Vermögensgesetz enthaltenen Entschädigungsansprüche. Eine Entschädigung wird hiernach gewährt, wenn ein vermögensrechtlicher Anspruch nach Maßgabe des Vermögensgesetzes dem Grunde nach besteht. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 EntschG grundsätzlich nach der Bemessungsgrundlage. Diese ist abhängig von der Art des zu entschädigenden Vermögenswertes. Im Hinblick auf Grundvermögen sowie land- und forstwirtschaftliches Vermögen gilt § 3 EntschG: Die Bemessungsgrundlage hierfür richtet sich nach dem vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswert, der mit einem von der Art des Vermögenswertes abhängigen Faktor multipliziert und dadurch an den „pauschalisierten Verkehrswert“ von 1990 herangeführt wird. Für land- und forstwirtschaftliche Flächen beträgt dieser Faktor 3. Von diesem Wert werden ggfs. Abzüge (§ 2 Abs. 1 EntschG) sowie Kürzungen (§ 7 EntschG) vorgenommen. Die so berechneten Leistungen werden aus einem vom Bundeshaushalt getrennten, zentralen Entschädigungsfonds erbracht (§§ 9 ff. EntschG). Anspruchsberechtigt nach dem Ausgleichsleistungsgesetz sind gemäß dessen § 1 Abs. 1 Personen, die Vermögenswerte i.S.d. § 2 Abs. 2 VermG (bebaute und unbebaute Grundstücke, Forderungen, Beteiligungen an Unternehmen etc.) durch eine entschädigungslose Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Beitrittsgebiet verloren haben. Grundsätzlich sieht § 3 VermG eine Rückübertragung an den vorherigen Eigentümer vor. Die Regelungen des Ausgleichsgesetzes greifen erst dann ein, wenn eine Rückübertragung nach dem VermG, insbes. §§ 4 f. VermG, ausgeschlossen ist. Gemäß § 8 VermG steht dem Berechtigten ein Wahlrecht zwischen Rückübertragung des Eigentums und finanzieller Entschädigung zu. Die Höhe der Ausgleichsleistungen für den Verlust des Eigentums entspricht grundsätzlich der Höhe der Entschädigung nach dem EntschG, § 2 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG. Für Wiedereinrichter, Neueinrichter und frühere Eigentümer ohne Rückgabeanspruch gilt gemäß § 3 AusglLeistG ein ein44
Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2624; 1995 I S. 110), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 38 des Gesetzes vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2809) geändert worden ist.
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heitliches Flächenerwerbsprogramm. Berechtigte nach § 3 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AusglLeistG können gemäß § 3 Abs. 4 AusglLeistG zusätzlich zur landwirtschaftlichen Fläche von der Treuhandanstalt zu privatisierende Waldflächen bis zu 100 ha erwerben (sog. Bauernwald). Voraussetzung hierfür ist, dass dieser Erwerb unter Berücksichtigung des vorgelegten Betriebskonzepts eine sinnvolle Ergänzung des landwirtschaftlichen Betriebsteils darstellt und nachgewiesen wird, dass der landwirtschaftliche Betrieb im Wesentlichen auf eigenen oder für mindestens 12 Jahre gepachteten Flächen wirtschaftet. Für Alteigentümer forstwirtschaftlicher Flächen regeln §§ 3 Abs. 5 S. 2 AusglLeistG, 3 S. 2 FlErwV, dass der Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ausgeschlossen ist. Alteigentümer landwirtschaftlicher Flächen können hingegen forstwirtschaftliche Flächen erwerben, § 3 Abs. 8 AusglLeistG.45 Hierdurch wurde eine Trennung der ursprünglich historisch gewachsenen zusammen gehörenden Eigentumsart Land- und Forstwirtschaft bewirkt. Der vom Erwerber zu entrichtende Waldpreis richtet sich nach § 3 Abs. 7 AusglLeistG sowie § 6 Flächenerwerbsverordnung: Diese Regelungen legen einen Festpreis für berechtigte Bewerber fest, der ca. ein Drittel des Verkehrswertes beträgt.46
III. Stand der Reprivatisierung der Waldflächen in der BRD 1. Treuhandwald Der Anteil am Treuhandwald, d.h. der Wald, der im Zuge der Bodenreform in der DDR enteignet, in Volkseigentum überführt worden war und privatisiert werden sollte, belief sich ursprünglich auf 1,4 Mio. ha. Hiervon wurden bisher ca. 0,8 Mio. ha nach dem Vermögensgesetz restituiert. 0,5 Mio. ha wurden verkauft. Es existierten aktuell noch ca. 85.000 ha, bei denen die Privatisierung noch durchzuführen ist.47
45
46
47
In dieser unterschiedlichen Behandlung sieht das BVerfG keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, BVerfGE 102, 254, 333 f. Nach Angaben der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung soll die Differenzierung darauf beruhen, dass landwirtschaftliche Flächen nicht zum Ausgleich des Verlusts weniger wertvoller forstwirtschaftlicher Flächen genutzt werden sollen. Wötzel, Wald als Vermögensobjekt und Kapitalanlage: Waldverkäufe im Zuge der Privatisierung in den neuen Bundesländern, Vortrag anlässlich des 27. Freiburger Winterkolloquiums Forst und Holz am 25. Januar 2007, S. 21 (abrufbar unter: http:// www.winterkolloquium.uni-freiburg.de/WK-Vortraege/2007/Woetzel). Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.), Waldbericht der Bundesregierung 2009, S. 37.
Bodenreform in der DDR und Reprivatisierung
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2. Bodenverwertungs- und –verwaltungs-GmbH (BVVG) Die Treuhandwälder werden von der 1992 gegründeten Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH (BVVG) betreut, die den gesetzlichen Auftrag hat, in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen ehemals volkseigene land- und forstwirtschaftliche Flächen zu privatisieren. Die Tätigkeit der BVVG basiert auf dem Treuhandgesetz vom 17. Juni 199048. Die BVVG wirkt seit 1996 als Privatisierungsstelle des Bundes: Sie nimmt den Flächenverkauf nach dem modifizierten Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) und der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) und dem mit Bund und Ländern abgestimmten Privatisierungskonzept durch. Zu den Aufgaben der BVVG gehören insbesondere Verkauf und Verpachtung von Acker- und Grünland sowie der Verkauf von Wald. Bis zur Privatisierung werden die Waldflächen durch die LAFOS Dienstleistungs-GmbH, eine Tochtergesellschaft der BVVG, die seit dem 01. Januar 2009 die Kompetenzen der fünf regionalen LAFOS Land und Forst Service GmbH und der TGG Treuhand- und Geschäftsbesorgungsgesellschaft bündelt, bewirtschaftet.49 Bei der Privatisierung der Waldflächen ist gem. § 1 Abs. 6 Treuhandgesetz den ökonomischen, ökologischen, strukturellen und eigentumsrechtlichen Besonderheiten dieses Bereichs Rechnung zu tragen. In Verbindung mit Bundes- und Länderwaldgesetzen sieht das Treuhandgesetz ferner vor, dass der Wald im Zuge der Privatisierung nicht zum Spekulationsobjekt verkommen dürfe und eine ordnungsgemäße, nachhaltige Bewirtschaftung auf lange Sicht gesichert werde. Ziel ist es, ca. 50 % der Waldflächen in den neuen Bundesländern zu privatisieren. Hierbei soll eine Teilwiedergutmachung von Enteignungen während der Bodenreform erreicht werden. Ferner soll die Struktur im Kleinprivatwald verbessert werden und wirtschaftlich stabile (wo möglich auch größere Privatforstbetriebe) geschaffen werden. Daneben ist eine breite Eigentumsstreuung avisiert. Die Privatisierung der Waldflächen soll schnell von statten gehen, sodass keine Zwischenverpachtung erfolgt. Durch ein Weiterveräußerungsverbot wird der Erwerber
48
49
Treuhandgesetz vom 17. Juni 1990 (GBl. DDR 1990 I S. 300), das zuletzt durch Artikel 19 Absatz 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) geändert worden ist. http://www.bvvg.de.
54
Judith Froese / Ludolf Freiherr v. Oldershausen
langfristig an das Eigentum gebunden.50 Bis Ende 2006 hat die BVVG folgende Waldflächen nach dem EALG privatisiert:51 Verträge (Anzahl und Fläche in ha Anteil v.H.)
Fläche (Anteil v.H.)
452 5,4 %
25.569
6,1
Ortsansässige Wiederei- 1.033 nrichter 10,3 %
18.154
4,3
Ortsansässige Neueinrichter
7.843 77,0
215.357 Pro Vertrag: 27 ha
51,6
Frühere Eigentümer
730 7,3
158.563 Pro Vertrag: 217 ha
38,0
Bauernwald
Die folgenden Waldflächen, die Naturschutzflächen darstellen, wurden bis Ende 2006 durch die BVVG übertragen:52 Waldfläche unentgeltlich in ha
Waldfläche entgeltlich in ha
Waldfläche für Naturschutz insgesamt in ha
MecklenburgVorpommern
7.790,3
2.220,1
10.010,4
Brandenburg
10.058,0
786,2
10.844,2
Sachsen-Anhalt
8.890,4
199,5
9.089,9
Sachsen
2.640,2
1.924,7
4.564,9
Thüringen
445,9
129,0
574,9
BVVG insgesamt:
29.824
5.259,5
35.084,3
Bundesland
50
51
52
Wötzel, Wald als Vermögensobjekt und Kapitalanlage: Waldverkäufe im Zuge der Privatisierung in den neuen Bundesländern, Vortrag anlässlich des 27. Freiburger Winterkolloquiums Forst und Holz am 25. Januar 2007, S. 9 (abrufbar unter: http://www.winterkolloquium.uni-freiburg.de/WK-Vortraege/2007/Woetzel). Wötzel, Wald als Vermögensobjekt und Kapitalanlage: Waldverkäufe im Zuge der Privatisierung in den neuen Bundesländern, Vortrag anlässlich des 27. Freiburger Winterkolloquiums Forst und Holz am 25. Januar 2007, S. 30 (abrufbar unter: http://www.winterkolloquium.uni-freiburg.de/WK-Vortraege/2007/Woetzel). Wötzel, Wald als Vermögensobjekt und Kapitalanlage: Waldverkäufe im Zuge der Privatisierung in den neuen Bundesländern, Vortrag anlässlich des 27. Freiburger Winterkolloquiums Forst und Holz am 25. Januar 2007, S. 31 (abrufbar unter: http://www.winterkolloquium.uni-freiburg.de/WK-Vortraege/2007/Woetzel).
Bodenreform in der DDR und Reprivatisierung
55
Zwischen 1996 und 2006 hat die BVVG insgesamt 210.726 ha reprivatisiert, davon 38.129 ha Waldflächen. Innerhalb dieses Zeitraums wurden insgesamt 1.262.597 ha auf Dritte zugeordnet, davon 726.917 ha Waldflächen.53
3. Motive der Erwerber von Waldflächen Hauptmotive für den Erwerb von Waldflächen sind insbesondere der Rückerwerb von enteignetem Familienbesitz durch Alteigentümer bzw. der Wiederaufbau eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, wenn die ehemaligen Flächen nicht mehr zur Verfügung stehen. Hierbei stehen wirtschaftliche Erwägungen nicht immer im Vordergrund. Eine Motivation sowohl für Alteigentümer als auch für Neueinrichter ist das Bestreben, einen wirtschaftlich stabilen Forstbetrieb, möglichst deutlich über 1.000 ha aufzubauen. Aber auch wirtschaftliche Aspekte wie z.B. die Eigenjagd, die Arrondierung oder Ergänzung bestehender Forstbetriebe, die Nutzung von Forstflächen als Geldanlage, die Eigenversorgung mit Holzerzeugnissen stellen Motive der Erwerber dar. Daneben gibt es auch Erwerber, die überwiegend aus Affektionsinteresse, insbesondere Besitzerstolz, handeln. Günstiger Kaufpreis und großes Angebot an Waldflächen dürften jedoch in vielen Fällen ausschlaggebende Motive gewesen sein.54 Bewerben sich mehrere Berechtigte um dieselbe Waldfläche, bestimmt § 4 Abs. 5 FlErwV, dass derjenige vorrangig berücksichtigt wird, der das bessere Betriebskonzept vorlegt bzw. die Privatisierungsstelle im Falle gleichwertiger Betriebskonzepte nach billigem Ermessen entscheidet.
4. Ergebnis Von der Gesamtwaldfläche der Bundesrepublik Deutschland, die sich auf 11,1 Mio. ha beläuft und somit 31 % der Landesfläche darstellt,55 bestehen neben den 85.000 ha Treuhandwald 4,8 Mio. ha (44%) Privatwald, 2,2 Mio. ha (20 %) Körperschaftswald und 3,7 Mio. ha Staatswald (davon 3,3 Mio. ha/30 % Landeswald und 0,4 Mio. ha/4 % Bundeswald). Der Treuhandwald stellt mit 0,8 % der Ge53
54
55
Wötzel, Wald als Vermögensobjekt und Kapitalanlage: Waldverkäufe im Zuge der Privatisierung in den neuen Bundesländern, Vortrag anlässlich des 27. Freiburger Winterkolloquiums Forst und Holz am 25. Januar 2007, S. 32 (abrufbar unter: http://www.winterkolloquium.uni-freiburg.de/WK-Vortraege/2007/Woetzel). Wötzel, Wald als Vermögensobjekt und Kapitalanlage: Waldverkäufe im Zuge der Privatisierung in den neuen Bundesländern, Vortrag anlässlich des 27. Freiburger Winterkolloquiums Forst und Holz am 25. Januar 2007, S. 34 ff. (abrufbar unter: http://www.winterkolloquium.uni-freiburg.de/WK-Vortraege/2007/Woetzel). Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.), Waldbericht der Bundesregierung 2009, S. 8.
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samtwaldfläche demnach heute nur einen kleinen Teil dar. Von der ursprünglich durch die BVVG zu privatisierenden Waldfläche i.H.v. 1,4 Mio. ha sind bereits 94 % auf Private übertragen worden. Die Privatisierung der verbliebenen 6 % Treuhandwald steht noch aus.
§4
Der Wald in Zahlen
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I. Einleitung Wälder bedecken in Deutschland mit 11,1 Millionen Hektar Fläche etwa 31 % der Landoberfläche1. Damit sind Wälder nach den landwirtschaftlich genutzten Flächen mit rund 17 Millionen Hektar Fläche und mehr als 50 % Flächenanteil bundesweit die zweitgrößte Landbedeckungsklasse2. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit seiner Waldfläche unter Ausschluss Russlands an fünfter Stelle nach Schweden, Finnland, Spanien und Frankreich und trägt etwa 5 % zur europäischen Waldfläche von 206 Millionen Hektar bei3. An der globalen Waldfläche von ca. 4 Mill. Hektar4 haben die deutschen Wälder unter 0,3 % Anteil. Mit seinem Waldanteil liegt Deutschland nahezu im Durchschnitt des Waldanteils weltweit mit 31 %5. Periodisch durchgeführte bundesweite Waldinventuren liefern Grundlagendaten zur Verteilung, zum Aufbau und zur Nutzungsmöglichkeit von Wäldern im nationalen Maßstab. Diese beinhalten auch umfassende Informationen zum Waldeigentum. In Deutschland verschaffte die zweite Bundeswaldinventur (2002) einen umfassenden Überblick6. Aktuellere aber weniger detaillierte Informationen erbrachte die im Jahr 2008 auf einer Unterstichprobe durchgeführte Inventurstudie7. Die Ergebnisse beider Inventuren dienen als Grundlage für die folgende Darstellung der Waldverhältnisse in Deutschland mit dem Fokus auf dem Waldeigentum.
1
Schmitz, F. et al. 2004: Die zweite Bundeswaldinventur – BWI2, S. 20.
2
BMELV 2010: Die deutsche Landwirtschaft, S. 3. MCPFE 2007: State of Europe’s Forests 2007, S. 5. FAO 2010: Global Forest Assessment 2010: Key findings, S. 3. Ebd. Schmitz, F. et al. 2004: Die zweite Bundeswaldinventur – BWI2: Das Wichtigste in Kürze, S. 11. Schwitzgebel, F.et al. 2009: AFZ-DerWald 64(20), S. 1070, 1071.
3 4 5 6
7
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Andreas Bolte / Heino Polley
II. Bundeswaldinventur und Inventurstudie 2008 – ein methodischer Überblick Die Bundeswaldinventur ist eine Stichprobeninventur, deren Probepunkte systematisch über ganz Deutschland verteilt sind (Abb. 1). Für jeden Probepunkt wurde neben vielfältigen Messungen im Gelände auch die Eigentumsart und die Eigentumsgrößenklasse ermittelt8. Angaben zum Eigentümer selbst sind jedoch nicht Bestandteil der Daten. Die erste Bundeswaldinventur (1987) hat noch vor der deutschen Wiedervereinigung stattgefunden und beschränkt sich somit auf die alten Bundesländer. Mit der zweiten Bundeswaldinventur (2002) konnten dann die aktuellen Waldverhältnisse im gesamten heutigen Deutschland analysiert werden9. Die Inventurstudie 2008 hat aus dem Vergleich zur zweiten Bundeswaldinventur erstmals auch bundesweite Aussagen zur Entwicklung der Wälder10 sowie zum Holzzuwachs und Holzeinschlag11 geliefert. Allerdings wurde die Zuordnung der Eigentumsarten für die Inventurstudie 2008 nicht neu überprüft. Deshalb beziehen sich die Angaben zu den aktuellen Waldverhältnissen aus der Inventurstudie 2008 auf den Eigentumsstand des Jahres 2002. Nach einer eigenen, unveröffentlichten Analyse der Eigentumsveränderungen zwischen der ersten und der zweiten Bundeswaldinventur ist jedoch davon auszugehen, dass die Eigentumsart auf 99 % der Fläche unverändert ist. Eine Ausnahme davon ist der Treuhandwald, der zum größten Teil privatisiert wurde. Deshalb sind bei der Inventurstudie 2008 Privat- und Treuhandwald zusammen ausgewertet worden. Da die zweite Bundeswaldinventur zudem einen achtfach höheren Stichprobenumfang als die Inventurstudie 2008 hat, beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen wo immer möglich auf die etwas älteren aber zuverlässigeren Daten der zweiten Bundeswaldinventur. Umfangreiche weitere Informationen sind im Internet12 und im Inventurbericht13 zu finden.
8 9 10 11 12 13
Schmitz, F. et al. 2004: Die zweite Bundeswaldinventur – BWI2, S. 10 ff. Ebd., S. 11. Polley, H. et al. 2009: AFZ-DerWald 64(20), S. 1074. Polley, H. et al. 2009: AFZ-DerWald 64(20), S. 1076. Online unter: http://www.bundeswaldinventur.de. Schmitz, F. et al. 2005: Die zweite Bundeswaldinventur – BWI2: Der Inventurbericht.
Der Wald in Zahlen
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Abb. 1: Rasternetz der Bundeswaldinventur (4 km x 4 km – Grundnetz, graue Flächen im Hintergrund: Waldflächen).
III. Waldeigentum in Deutschland – Ergebnisse 1. Waldfläche14 Von den rund 11,1 Millionen Hektar Waldfläche in Deutschland sind 47 % Privatund Treuhandwald, 33 % Körperschaftswald und 20 % Staatswald (Abb. 2). Dabei bestehen erhebliche regionale Unterschiede (Abb. 3). Der Anteil des Privatwaldes reicht von 24 % in Hessen bis 67 % in Nordrhein-Westfalen. Der Staatswaldanteil liegt zwischen 18 % in Nordrhein-Westfalen und 51 % in Mecklenburg-Vorpommern und der Körperschaftswald hat in Rheinland-Pfalz mit 47 % fast den 14
Grundlagendaten unter http://www.bundeswaldinventur.de bzw. Schmitz, F. et al. 2005: Die zweite Bundeswaldinventur – BWI2: Der Inventurbericht.
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siebenfachen Anteil gegenüber Niedersachsen, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg (7 %). Diese Eigentumsstrukturen haben sich historisch entwickelt und es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Einwohnerdichte und dem Anteil des Privat- bzw. Körperschaftswaldes (Abb. 5). In dicht besiedelten Großstadtregionen ist der Anteil des Körperschaftswaldes besonders hoch und in den dünner besiedelten ländlichen Regionen ist der Wald überwiegend in Privatbesitz. Der Staatswald wiederum hat einen deutlich zunehmenden Anteil bei Höhenlagen ab 800 m über NN (Abb. 4), die meist weiter von den Siedlungsgebieten entfernt sind.
Abb. 2: Waldfläche nach Eigentumsarten (Datengrundlage: BWI2, Stand: 2002).
Abb. 3: Flächenanteil der Eigentumsarten nach Bundesländern (Datengrundlage: BWI2, Stand: 2002); Die Daten für Brandenburg (BB) schließen auch die von Berlin ein, Die Daten von Niedersachsen (NI) enthalten auch jene von Hamburg.
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Abb. 4: Flächenanteil der Eigentumsarten nach Meereshöhe (Datengrundlage: BWI2, Stand: 2002).
Abb. 5: Zusammenhang zwischen Einwohnerdichte und Eigentumsart (Aggregationsebene Bundesländer, Anteil der Eigentumsarten nach BWI2, Einwohnerdichte nach Angaben der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder (Stand: 31.12.200815).
15
Online unter: http://www.statistik-portal.de/statistik-portal/de_jb01_jahrtab1.asp.
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Flächenmäßig dominiert in Deutschland der Kleinprivatwaldbesitz (Abb. 6). Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände e. V. (AGDW)16 gibt es in Deutschland zwei Millionen körperschaftliche und private Waldeigentümer mit durchschnittlich nur 2,4 Hektar Waldfläche. Das bedeutet, dass 99 % des privaten Waldeigentums in die Größenklasse „bis 20 ha“ einzuordnen ist. Diese Klasse macht 57 % des Privatwaldes und 24 % der gesamten Waldfläche aus. Zwischen 1987 und 2002 ist die Eigentumsart in den alten Bundesländern auf 98 % der Waldfläche unverändert geblieben. Geringe Flächenverschiebungen hat es vom Privat- zum Körperschaftswald gegeben, bei relativer Betrachtung auch vom Bundeswald zu anderen Eigentumsarten. Im Privatwald sind 5 % in eine größere und 3 % in eine kleinere Eigentumsgrößenklasse gewechselt.
Abb. 6: Waldfläche nach Eigentumsgrößenklassen für Privat- und Körperschaftswald (Datengrundlage: BWI2, Stand: 2002).
2. Holzvorrat Im Privat- und Treuhandwald ist der Holzvorrat an nutzbarem Derbholz (Durchmesser über 7 cm) besonders hoch (Abb. 7), weil in der Vergangenheit weniger Holz genutzt wurde. Den höchsten Holzvorrat pro Hektar weist mit 354 m³ ha-1 der Kleinprivatwald bis 20 Hektar Eigentumsgröße auf. Der Gesamtvorrat dieser Eigentumskategorie in Deutschland beläuft sich auf 945 Millionen m³ und ist fast so hoch wie der Gesamtvorrat im Landeswald mit 958 Millionen m³. Daher spielen die zwei Millionen Kleinprivatwaldbesitzer eine bedeutende Rolle bei der Versorgung von Handel, Industrie und Bevölkerung mit Holz als Rohstoff und Energieträger. 16
Online unter: http://www.waldbesitzerverbaende.de/ (Stand 07.04.2010).
Der Wald in Zahlen
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Abb. 7: Holzvorrat je Hektar (± Standardfehler) nach Eigentumsarten (Datengrundlage: BWI2 und Inventurstudie 2008).
Der Anteil des Kleinprivatwaldes ist in den Regionen sehr unterschiedlich verteilt. Die Spanne reicht von 7 % im hessischen Regierungsbezirk Gießen bis 56 % im bayerischen Mittelfranken (Abb. 8).
Abb. 8: Anteil des Kleinprivatwaldes bis 20 Hektar am Holzvorrat in den Regionen (Datengrundlage: BWI², Stand: 200217).
17
Vgl. Polley, H. u. Kroiher, F.: Holz-Zentralblatt 34: S. 980.
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3. Baumarten Die Baumartenzusammensetzung der Eigentumsarten unterscheidet sich; dies fällt besonders beim Anteil von Buche und Kiefer auf. Im Körperschaftswald wachsen im Vergleich zu den anderen Eigentumsarten besonders viele Buchen und wenige Kiefern (Abb. 9). Der Flächenanteil der Laubbäume im Körperschaftswald ist mit 55 % wesentlich höher als im Privat- und Treuhandwald (37 %) oder im Staatswald (40 %).
Abb. 9: Flächenanteil der Baumartengruppen nach Eigentumsarten (Datengrundlage: Inventurstudie 2008).
4. Altersstruktur Die Alterstruktur der Wälder ist in Deutschland durch die Zerstörung vieler Wälder im Zweiten Weltkrieg und die nachfolgenden Reparationshiebe und Wiederaufforstungen gekennzeichnet. Deshalb sind gegenwärtig besonders viele Wälder etwa 50 Jahre alt18. Diese Besonderheit der Altersstruktur ist im Körperschaftswald weniger ausgeprägt als bei den anderen Eigentumsarten (Abb. 10). Auch hat der Körperschaftswald relativ viele ältere Wälder und mit 77 Jahren das höchste Durchschnittsalter. Am jüngsten sind die Wälder im Eigentum des Bundes und die (ehemaligen) Treuhandwälder (64 bzw. 65 Jahre).
18
BMELV 2009: Waldbericht der Bundesregierung, S. 9.
Der Wald in Zahlen
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Abb. 10: Alterstruktur nach Eigentumsarten (Datengrundlage: Inventurstudie 2008).
5. Zuwachs und Holzeinschlag Trotz einer erheblichen Zunahme des Holzeinschlages in den letzten Jahren wächst in Deutschland weiterhin mehr Holz zu, als durch Holzeinschlag oder natürliche Vorgänge aus den Wäldern ausscheidet. Dieser Zuwachsüberschuss lag im Zeitraum von 2002 bis 2008 bei jährlich 7,7 Millionen m³ (Abb. 11). Die Situation ist in den Eigentumsarten jedoch sehr unterschiedlich. Der Zuwachs wurde im Landeswald vollständig, im Privat- und Treuhandwald zu 92 % und im Körperschaftswald zu 88 % abgeschöpft. Der größte Zuwachsüberschuss ist im Kleinprivatwald entstanden. Dabei hat die Nutzungsintensität von 2002 bis 2008 im Vergleich zur Periode 1987 bis 2002 im Kleinprivatwald deutlich zugenommen, so dass die Unterschiede zwischen den Eigentumsarten kleiner geworden sind. Die Nutzungsintensität im Kleinprivatwald ist regional jedoch sehr unterschiedlich (Abb. 12). Das ist angesichts der sehr unterschiedlichen Holzvorräte auch nachvollziehbar und angemessen. Am wenigsten Rohholz wurde im Kleinprivatwald mit durchschnittlich 3,3 Erntefestmetern19 ha-1 a-1 in den ostdeutschen Bundesländern, Niedersachsen sowie Rheinlands-Pfalz und Saarland genutzt. Damit wurde der Zuwachs nur zu 64 % abgeschöpft und der Holzvorrat konnte von seinem vergleichsweise niedrigen Niveau aus (254 m³ ha-1) weiter ansteigen. Ganz anders 19
Die Einheit Erntefestmeter bezieht sich auf das nutzbare Derbholzvolumen (Holzvolumen mit einem Durchmesser > 7cm) abzüglich der Ernteverluste wie z. B. Stockholz und Rinde.
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ist die Situation in den süddeutschen Ländern mit einem doppelt so hohen Holzvorrat von 449 m³ ha-1 im Kleinprivatwald. Mit durchschnittlich 9,3 Erntefestmetern ha-1 a-1 wurde fast dreimal so viel genutzt, wie in der Ländergruppe mit der geringsten Nutzungsintensität. Das ist etwa dieselbe Nutzungsintensität, wie im Landeswald und 22 % mehr als zugewachsen ist. Damit hat sich der Holzvorrat etwas verringert. Trotzdem bleiben Bayern und Baden-Württemberg die Länder mit dem höchsten Holzvorrat im Kleinprivatwald.
Abb. 11: Zuwachsüberschuss nach Eigentumsarten (Datengrundlage: Inventurstudie 2008).
Abb. 12: Nutzungsintensität im Kleinprivatwald (Datengrundlage: Inventurstudie 2008).
Der Wald in Zahlen
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6. Totholz Weil in Deutschland die meisten Wälder bewirtschaftet werden, fehlen die im Urwald auftretenden Zerfallsphasen20 weitgehend. Deshalb ist es eine Herausforderung für die Waldbesitzer, Totholz auch im Wirtschaftswald zuzulassen und so den Wald als Lebensraum aufzuwerten und die Artenvielfalt zu verbessern. Die höchste Menge an Totholz tritt mit 31,7 m³ ha-1 im Landeswald und die geringste Menge mit 18,2 m³ ha-1 im Privat- und Treuhandwald auf (Abb. 13). Diese Angaben aus der Inventurstudie 2008 beinhalten Totholz ab 10 cm Durchmesser. Da im Jahre 2002 nur das Totholz ab 20 cm Durchmesser erfasst wurde, kann die Entwicklung des Totholzvorkommens nur für das dickere Totholz dargestellt werden. Dabei zeigt sich, dass die Totholzmenge trotz Zunahme des Holzeinschlages und verstärkter Brennholznutzung in allen Eigentumsarten gleichermaßen angestiegen ist.
Abb. 13: Totholzvorrat nach Eigentumsarten (Datengrundlage: Inventurstudie 2008).
7. Naturschutz Als weit verbreitete und vergleichsweise naturnahe Landbedeckung spielen die Wälder eine wichtige Rolle im Natur- und Landschaftsschutz. Das gibt den Waldbesitzern eine besondere Verantwortung für das Gemeinwohl und gewisse Ein20
Vgl. Walter, H. und Breckle, S.-W.: Ökologie der Erde, Bd.1, S. 135.
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schränkungen bei der Waldbewirtschaftung. Ein Viertel der Wälder in Deutschland liegt in Natura2000-Gebieten, Naturschutzgebieten, Biosphärenreservaten oder Nationalparks und unterliegt somit einem intensiven Schutz (Abb. 14). Weitere 42 % sind in Landschaftsschutzgebieten und Naturparks extensiv geschützt. Am meisten betroffen von Schutzgebieten ist der Landeswald. Der Körperschaftswald hat zwar denselben Gesamtanteil an Schutzgebieten, jedoch ist dort der intensive Schutz wesentlich geringer vertreten. Mit Abstand den größten Anteil intensiver Schutzgebietsgruppen gibt es im Bundeswald, der jedoch nur 3,7 % der Waldfläche ausmacht. Der Privatwald hat zwar auch einen großen Anteil extensiver Schutzgebietsgruppen, jedoch mit 15 % nur sehr wenig Gebiete mit intensivem Schutz.
Abb. 14: Anteil der Schutzkategorien nach Eigentumsarten (Datengrundlage: BWI², Stand: 2002).
IV. Fazit Die Flächenstruktur, Baumartenzusammensetzung und Nutzungsintensität der Wälder in Deutschland wird stark von der Eigentumsart beeinflusst. Öffentliche Wälder in Bundes- und Landesbesitz nehmen verstärkt Aufgaben in den Bereichen Naturschutz und Erhaltung der Biodiversität wahr, wohingegen insbesondere in Privatwäldern die Nutz- und Eigentumsfunktion sehr wichtig ist. Gleichwohl werden viele Kleinprivatwälder unter 20 Hektar Größe in Nord- und Ostdeutschland nicht oder sehr wenig genutzt. Die etwa zwei Millionen Kleinprivatwaldbesitzer in Deutschland mit geringem Waldbesitz sind in der Summe ein wichtiger Faktor für die Landnutzung, die lokale Ökonomie, Landeskultur und den Naturschutz im ländlichen Raum.
Der Wald in Zahlen
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V. Literatur Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) 2009. Waldbericht der Bundesregierung 2009. BMELV, Berlin: 117 S. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) 2010. Die deutsche Landwirtschaft -Leistungen in Daten und Fakten. BMELV, Berlin: 40 S. Food and Agriculture Organisation (FAO) 2010. Global Forest Assessment 2010: Key findings. FAO, Rom, 11 S. Online unter: http://foris.fao.org/static/data/fra2010/KeyFindings-en.pdf. Ministerial Conference on the Protection of Forest in Europe (MCPFE) 2007: State of Europe’s Forests 2007: The MCPFE report on sustainable forest management in Europe. MCPFE Liaison Unit Warsaw, UNECE und FAO, Warschau: 247 S. Polley, H. 2009. Wald in Schutzgebieten – Ein Überblick. In: Waldstrategie 2020 - Tagungsband zum Symposium des BMELV, 10.-11. Dez. 2008, Berlin. Landbauforschung vTI Agriculture and Forestry Research, Sonderheft 327: S. 75-82. Polley, H..; Hennig, P.; Kroiher, F. 2009. Eine Kohlenstoffinventur auf BundeswaldinventurBasis: Baumarten, Altersstruktur und Totholz in Deutschland. AFZ-DerWald 64, 20: 10741075. Polley, H..; Hennig, P.; Schmitz, F. 2009. Eine Kohlenstoffinventur auf BundeswaldinventurBasis: Holzvorrat, Holzzuwachs, Holznutzung in Deutschland. AFZ-DerWald 64, 20: 10761078. Polley, H.; Kroiher, F. 2006. Entwicklung des potenziellen Rohholzaufkommens – Teil 1. HolzZentralblatt 34: 979-980. Schmitz, F.; Polley, H.; Hennig, P.; Schwitzgebel, F.; Kriebitzsch, W.-U. 2004. Die zweite Bundeswaldinventur – BWI2: Das Wichtigste in Kürze. Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL, Hrsg.), Bonn, 87 S. Schmitz, F.; Polley, H.; Hennig, P.; Schwitzgebel, F. 2005. Die zweite Bundeswaldinventur – BWI2: Der Inventurbericht. Bundesministerium für, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV, Hrsg.), Bonn, 231 S. Schwitzgebel, F.; Dunger, K.; Polley, H. 2009. Eine Kohlenstoffinventur auf Bundeswaldinventur-Basis: Hintergrund, Methodik und Durchführung der Studie. AFZ-DerWald 64, 20: 10701071. Walter H.; Breckle, S.-W. 1991. Ökologie der Erde Bd. 1, 2. Aufl. G. Fischer, Stuttgart: 238 S.
III. Wirtschaft
§5
Die wirtschaftliche Situation der Forstwirtschaft
Bernhard Möhring / Georg Leefken / Bernhard Graf v. Finckenstein
I. Einleitung Nach allgemeiner Definition ist ein Betrieb eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in der Sachgüter und Dienstleistungen produziert und auf Märkten abgesetzt werden. Damit unterscheidet sich der Betrieb vom Haushalt. In letzterem werden hauptsächlich Sachgüter und Dienstleistungen konsumiert. Betriebe sind komplexe ökonomische Systeme, die wiederum selber Teil des übergeordneten Systems der Gesamtwirtschaft sind. Es ist Aufgabe des betrieblichen Managements, die vielfältigen güterwirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Prozesse so zu gestalten, dass die betrieblichen Ziele insgesamt optimal erreicht werden. Forstbetriebe sind nun dadurch charakterisiert, dass sie über Waldflächen als „Produktionsstätten“ verfügen und dass ihre Produkte unter Ausnutzung von Naturkräften hervorgebracht werden. Die Abbildung 1 soll sowohl die Verknüpfung des Forstbetriebs mit seiner wirtschaftlichen Umwelt als auch die wichtigsten betrieblichen Funktionen schematisch vereinfachend darstellen. x Zu Beginn sind Personal, Investitionsgüter und Verbrauchsgüter zu beschaffen. x In einem komplexen biologisch-technischen Kombinationsprozess werden Güter und Dienstleistungen produziert. Hier hat es sich bewährt, die Bereiche der biologischen und technischen Produktion zu unterscheiden. Bei der „biologischen Produktion“ steht die Steuerung der Naturkräfte im Vordergrund, es geht um waldbauliche Fragen wie die Baumartenwahl, die Bestandsbehandlung, die Waldverjüngung etc.; bei der „technischen Produktion“ stehen hingegen arbeitswirtschaftliche, verfahrenstechnische und organisatorische Fragen wie Holzernte, Transport, Logistik etc. im Vordergrund. Beide Bereiche sind jedoch eng aufeinander abzustimmen. x Die erstellten Güter (z.B. Stamm- und Industrieholz, Wildfleisch, Weihnachtsbäume etc.) und Dienstleistungen (z.B. Waldführungen, Betreuungsdienstleistungen etc.) sind anschließend an andere Betriebe bzw. Haushalte zu vermarkten. O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Bernhard Möhring / Georg Leefken / Bernhard Graf v. Finckenstein
x Dieser güterwirtschaftliche Ablauf gelingt nur, wenn er im Gegenstrom auch finanziert werden kann, denn Personal, Investitions- und Verbrauchsgüter wollen bezahlt werden, der Staat erhebt Abgaben und Steuern und Kapitalgeber und Eigentümer erwarten Kapitalerträge, Tilgungen und ggf. Entnahmen. Die dafür notwendigen finanziellen Mittel stammen entweder aus den Umsatzerlösen oder müssen vom Eigentümer als Einlagen oder vom Kapitalmarkt als Kredite zur Verfügung gestellt werden. x Es ist die Aufgabe des betrieblichen Rechnungswesens, laufend die Güter- und Finanzbewegungen aufzuzeichnen, Kapital und Vermögen nachzuweisen, die Wirtschaftlichkeit und Zahlungsfähigkeit zu kontrollieren und den Erfolg der Geschäftstätigkeit zu ermitteln.
Abb. 1: Vereinfachte schematische Darstellung der wichtigsten betrieblichen Funktionen eines Forstbetriebs und seiner Verknüpfung mit der wirtschaftlichen Umwelt1.
Forstbetriebe weisen insofern viele Parallelen mit Betrieben anderer Branchen auf. Sie müssen langfristig erfolgreich sein, also Gewinne erwirtschaften. Nur so können sie sich weiterentwickeln und in Innovationen investieren, Verbindlichkeiten tilgen und/oder dem Eigentümer als Einkommensquelle dienen. Auch müssen sie sich stets im finanziellen Gleichgewicht befinden, d.h. sie müssen sämtliche Zahlungsverpflichtungen erfüllen können. Darüber hinaus müssen sie hinreichend 1
Im Anhalt an SELCHERT 1997, S. 33.
Die wirtschaftliche Situation der Forstwirtschaft
75
stabil aber auch flexibel sein, was eine „gesunde Kapitalstruktur“ und geringe Fixkostenbelastung erfordert, um auf Schadensereignisse, Marktschwankungen etc. angemessen reagieren zu können. Forstbetriebe sind jedoch auch durch eine Anzahl von Eigenarten gekennzeichnet, die sich im sonstigen Wirtschaftsleben so nicht wiederfinden2: x Extrem lange Produktionsdauer: Die Umtriebszeiten in Mitteleuropa liegen in einem Rahmen zwischen 60 und 250 Jahren. Dies erschwert die Anpassungsfähigkeit an neue Entwicklungen. Aus den langen Produktionszeiten ergeben sich auch unmittelbar Probleme bei der Verzinsung des einzusetzenden Kapitals. x Abhängigkeit von natürlichen Bedingungen: Die Handlungsmöglichkeiten von Forstbetrieben werden durch natürliche Faktoren stark eingegrenzt. Die standörtlichen Bedingungen sind vorgegeben, Forstwirtschaft kommt meist ohne Bodenbearbeitung, Düngung, Entwässerung etc. aus. Auch muss die Bewirtschaftung an den jeweils vorhandenen Beständen anknüpfen, ein kurzfristiger Wechsel der „Fruchtfolge“ mit deutlichen Leistungssteigerungen, genetischen Veränderungen etc. scheidet regelmäßig aus. x Ertragsbestimmung und Nachhaltigkeit: Durch die Holzernte wird der stehende, produzierende Baum zum absatzfähigen Produkt „Rohholz“. Es ist Kernaufgabe der „Forsteinrichtung“, die Nachhaltigkeit zu sichern, denn auf Dauer kann nur das geerntet werden, was zuvor gewachsen ist. Es ist jedoch eine große Stärke des Forstbetriebs, dass er über ein großes „produzierendes Lager“ verfügt, das auch in Jahren ungünstiger Marktbedingungen ohne Zutun des Menschen weiter wächst und auf das bei Bedarf flexibel zurückgegriffen werden kann. x Gemeinwohlleistungen: Neben der Produktion von marktfähigen Leistungen wie Rohholz, Schmuckgrün, Wildfleisch etc. (Nutzfunktion) erbringt die Forstwirtschaft, als naturverträglichste Landnutzungsform vielfältige Leistungen für die Gesellschaft (Schutz- und Erholungsfunktion). Diese gesellschaftlichen Leistungen führen bei den Forstbetrieben jedoch meist nicht zu Einnahmen, sonder belasten diese in sehr unterschiedlicher Weise. x Bewertungsprobleme: Nicht zuletzt aufgrund der langen Produktionsdauer ergeben sich erhebliche Bewertungsprobleme. Die Herstellkosten des Rohholzes lassen sich praktisch nicht herleiten, denn zwischen Bestandesbegündung und Ernte verstreicht ein extrem langer Zeitraum, so dass Wirtschaftlichkeitsurteile jeweils nur kurze Abschnitte des gesamten Produktionsprozesses betrachten können. x Geringe Produktivität und Kapitalrentabilität: Unter mitteleuropäischen Verhältnissen weisen Waldbestände eine vergleichsweise geringe naturale Produktivität auf. Es muss relativ viel Holzvorrat und damit Kapital im Forstbetrieb vorhanden sein, um erfolgreich Forstwirtschaft betrieben zu können. Nach
2
Siehe SPEIDEL 1984, S. 26ff.
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Ergebnissen der Inventurstudie3 waren 2008 in Deutschland im Mittel 330 Vfm/ha Holzvorrat vorhanden, der laufende Zuwachs lag bei 11,1 Vfm/ha. Dies entspricht einer naturalen Produktivität von 3%. Daraus resultiert auch die geringe Kapitalverzinsung, die vielfach unter 1,5% liegt, was zwangsläufig zu Problemen bei der Fremdfinanzierung der Forstwirtschaft führt. x Flächenausdehnung: Forstbetriebe erfordern eine nennenswerte Flächenausstattung, wenn sie die Fixkosten einer eigenen Organisation tragen sollen. Die Flächenausdehnung und die Tatsache, dass jährlich nur etwa 10-20 % der Fläche aktiv bewirtschaftet wird, erfordert die Lösung von komplexen Organisationsvorgängen nach dem „Baustellenprinzip“. Die extensive, nur periodisch alle 5 bis 10 Jahre eingreifende Bewirtschaftung mag auch ein Grund dafür sein, dass viele Bürger im Wald nur einen Naturraum sehen und die „wirtschaftende Hand“ des Waldeigentümers, anders als in der Landwirtschaft, nicht erkennen. Für die Forstwirtschaft in Deutschland ist es typisch, dass es, anders als bei der „Schwester“ Landwirtschaft, einen hohen Anteil öffentlichen Waldbesitzes gibt. Das Bundeswaldgesetz unterscheidet die Eigentumsarten Staatswald (vorrangig Wald der Bundesländer), Körperschaftswald (Wald der Gemeinden sowie sonstiger Körperschaften) und Privatwald, wobei der Privatwald mit 4,66 Mio ha (44 % Flächenanteil) gegenüber dem Körperschaftswald mit 2,07 Mio ha (20% Flächenanteil) und dem Staatswald (incl. Treuhandwald) mit 3,86 Mio ha (36% Flächenanteil) flächenmäßig die bedeutendste Eigentumsart ist 4. Allerdings existieren dort die vergleichsweise geringsten Betriebsgrößen, was die Bewirtschaftung des Privatwaldes im Grundsatz erschwert. Die Betriebsstruktur des Privatwaldes zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Beständigkeit aus. Meist befinden sich die Waldflächen im Sinne gelebter Nachhaltigkeit über die Generationen hinweg im Eigentum einer Familie und auch die heutigen Eigentümer wollen sich meist nicht von ihrem Waldeigentum trennen. Die jährlichen Waldverkäufe5 in Deutschland bewegen sich nur im Bereich von gut 1 Promille des vorhandenen Bestandes. Insgesamt ist festzustellen, dass Forstbetriebe in Deutschland extrem vielfältig sind. Sie unterscheiden sich neben der Eigentumsart und Betriebsgröße durch die jeweils vorhandenen Baumarten, Vorratsausstattungen, Bewirtschaftungssysteme, standörtliche Situation, regionale Lage und durch das betriebliche Leistungsspektrum. Die jeweiligen individuellen Werte und Normen der verschiedenen Waldeigentümer und die vielfältigen Strukturmerkmale führen dazu, dass von Forstbetrieben sehr unterschiedliche Ziele verfolgt werden. So kann bspw. ein Kommunalwaldbetrieb in einem Verdichtungsraum das prioritäre Ziel auf die 3 4 5
Siehe POLLEY et al. 2009, S. 1076ff. Siehe BMELV 2009. Siehe LÖFFLER 2005, S. 1f.
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Erhaltung von Erholungswald legen, eine öffentliche Forstverwaltung eines Flächenlandes kann auf Multifunktionalität und damit die gleichrangige Erfüllung der Nutz-, Schutz- und Erholungsleistungen abzielen und ein Privatwald kann vorrangig der Eigenversorgung mit Brennholz, der Traditionsfortführung oder der Erzielung von Arbeitseinkommen dienen. Dabei sichert die große Vielfalt der Eigentümer und der betrieblichen Rahmenbedingungen insgesamt auch eine sehr große strukturelle Vielfalt im deutschen Wald.
II. Der Wald als Eigentum Die Bestimmung der Ziele des Waldeigentümers, also die Beantwortung der Frage, wie das Eigentum genutzt werden soll und welche Früchte daraus zu ziehen sind, ist Aufgabe des jeweiligen Eigentümers. Die Befugnis, angemessenen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Eigentum zu ziehen, gilt als wesentlicher Bestandteil des von der Verfassung gewährleisteten Privateigentums6. Privateigentum ist gem. Art. 14 Abs. 2 GG jedoch auch sozial gebunden, Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich (aber eben auch nicht vorrangig) dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Die rechtlichen Normen der Waldgesetze, Naturschutzgesetze etc. konkretisieren die Sozialpflichtigkeit des Waldeigentums und schränken insofern dessen Gebrauch und damit auch die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Waldeigentums (z.B. durch Pflicht zur Wiederaufforstung, Umwandlungsverbot etc.) im Sinne des Gemeinwohls ein. Das Privateigentum darf jedoch nicht zugunsten der Allgemeinheit derart ausgehöhlt werden, dass eine Privatnützlichkeit nicht mehr gegeben ist. Vielmehr ist der Gesetzgeber verpflichtet, eine Balance zwischen Privatnützlichkeit und Sozialpflichtigkeit herzustellen7. Privatnützlichkeit und Sozialpflichtigkeit befinden sich im Wald stets in einem „natürlichen“ ökonomischen Spannungsverhältnis.
1. Die wirtschaftliche Realität in den Forstbetrieben Die in der Überschrift gestellte Frage soll hier beispielhaft durch den Blick auf Ergebnisse des Privatwald-Betriebsvergleichs Westfalen-Lippe beantwortet werden. Dieser Betriebsvergleich gilt bundesweit als die älteste Erhebung dieser Art. Seit 1969 werden Betriebsdaten von freiwillig teilnehmenden, mittleren und größeren, i.d.R. familiär geführten privaten Forstbetrieben aus Nordrhein-Westfalen und angrenzenden Bereichen Hessens und Niedersachsens erhoben. Durch ihre Größe (Ø in den letzten Jahren ca. 1.700 ha Holzbodenfläche) verfügen diese Betriebe über eine eigene Betriebsorganisation und haben zumeist eine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung für die Eigentümerhaushalte. Auch wenn diese 6 7
Siehe NGUYEN 1999, S. 91. Siehe BREUER 1996, S. 545.
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Daten keinen Anspruch auf Repräsentativität beanspruchen, so eignen sie sich doch besonders gut, um wichtige Entwicklungen der wirtschaftlichen Lage von Privatforstbetrieben zu beschreiben8. Durchschnittlich nahmen in den vergangenen Jahren rund 40 Privatwaldbetriebe am Betriebsvergleich Westfalen-Lippe teil. Bedingt durch die unterschiedliche Struktur der Teilnehmerbetriebe wird überwiegend das Landwirtschaftsjahr als Berichtsjahr verwendet, z.T. auch das Kalenderjahr, nur in wenigen Fällen das klassische Forstwirtschaftsjahr. Bei der Analyse der Kennzahlen ist zu berücksichtigen, dass die Stürme „Kyrill“ und „Emma“ der Jahre 2007 und 2008 die Erhebungen in dieser Zeit stark geprägt haben. Die teilnehmenden Betriebe werden anhand der Hauptwirtschaftsbaumarten in drei Gruppen (Beratungsringe (BR)) unterteilt. Es werden kieferndominierte Betriebe von Fichten- und Laubholzbetrieben unterschieden. Dadurch ergibt sich nicht nur eine baumartenbezogene Differenzierung, sondern auch eine regionale Aufteilung. Die Fichtenbetriebe haben ihren Schwerpunkt im Sauerland, die Laubbaumbetriebe finden sich überwiegend im Weserbergland und die Kiefernbetriebe liegen mehrheitlich im Münsterland. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist jedoch zu bedenken, dass in jedem Beratungsring jeweils auch die anderen Baumarten, wenn auch mit geringerem Anteil, vertreten sind, denn Betriebe, die nur mit einer Baumart wirtschaften, gibt es in der Realität nicht.
2. Nutzungssatz und Einschlag Der Nutzungssatz als objektive nachhaltige Nutzungsmöglichkeit schöpft erfahrungsgemäß die tatsächlichen betrieblichen Möglichkeiten nicht voll aus. Dennoch kann man an dieser Größe erkennen, wie sich die drei Beratungsringe in ihren naturalen Produktionsmöglichkeiten unterscheiden. So wurden in den vergangenen 40 Jahren bei den teilnehmenden Kiefernbetrieben durchschnittlich 3 Efm/ha/Jahr9 – bei einer sehr schwachen Anhebung in den letzten zehn Jahren – zur Nutzung vorgesehen, die Laubholzbetriebe hatten einen Nutzungssatz von rd. 4,5 Efm/ha/Jahr und die die Fichtenbetriebe planten in den Jahrzehnten von 1969 – 2000 eine Nutzung von rd. 5 Efm/ha/Jahr, wobei diese Planungsgröße seitdem deutlich auf zuletzt 7 Efm/ha/Jahr gesteigert wurde. Die Ursachen für die Steigerung der Hiebssätze im letzten Jahrzehnt dürften zu einem Teil in der Aufdeckung 8
9
Diese Daten sind aus wissenschaftlicher Sicht äußerst wertvoll. Deshalb sei an dieser Stelle den jährlich teilnehmenden Forstbetrieben, dem Waldbauernverband NRW und auch dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW, der den Betriebsvergleich als Nachfolger der Landesforstverwaltung NRW seit nunmehr 4 Jahrzehnten personell und finanziell unterstützt, ganz herzlich gedankt. Das Kürzel „Efm“ steht für Erntefestmeter und kennzeichnet das verkaufsfähige Holzvolumen, nach Abzug der Ernteverluste und ohne Rinde.
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vorhandener Zuwachs- und Nutzungsreserven (z.B. durch die Bundeswaldinventuren) und zum anderen auch in der Tatsache liegen, dass die Bestände aus der Wiederaufbauphase nach den 2. Weltkrieg nunmehr verstärkt genutzt werden können. Der tatsächliche Einschlag (siehe Abbildung 2) weicht naturgemäß von der langfristigen Nutzungsplanung ab. Es ist allerdings (auch) hier zu erkennen, dass der Einschlag seit dem Jahr 2000 in allen Beratungsringen im Mittel deutlich angestiegen ist. Die vielfach politisch geforderte Rohholzmobilisierung ist zumindest in den hier vertretenen größeren Forstbetrieben, z.T. auch kalamitätsbedingt verstärkt, längst Realität. Die Holzeinschläge aus dem Jahr 2009 weisen nach dem Maximum des Sturmjahres 2007 wieder einen deutlichen Rückgang auf, ein deutlicher Einbruch unter das Niveau des Jahres vor dieser Kalamität wie nach den Orkanen Vivian und Wiebke im Jahr 1990 ist jedoch nicht erfolgt.
Abb. 2: Im Zeitraum von 1969 – 2009 geerntetes Holzvolumen in Erntefestmeter (Efm) je Hektar.
3. Bruttoholzerlöse und Betriebsertrag Die Entwicklung der Bruttoholzerlöse (Umsätze aus Holzverkauf) in EUR/ha zeigt in Abbildung 3 einerseits, dass man sich nach den orkangeprägten Jahren 2007 und 2008 wieder dem Niveau der 1990er Jahre angenähert hat. Dabei ist allerdings zu beachten, dass diese Ergebnisse auf weiterhin relativ hohen Holznutzungen basieren. Es lässt sich dadurch leicht erkennen, wie wichtig letztlich die naturale Produktivität der Hauptbaumarten für die Forstbetriebe ist: Wer viel Holz einschlagen kann, ist einfach besser dran. Dabei ergibt sich eine klare und beständige Rangfolge von den Fichtenbetrieben über die Laubholzbetriebe bis hinunter zu den Kiefernbetrieben.
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Abb. 3: Im Zeitraum von 1969 – 2009 erzielte Bruttoholzerlöse in EUR/ha.
Der Nettoholzerlös je Volumeneinheit eingeschlagenen Holzes ist für die Forstbetriebe eine elementar wichtige Kennziffer, denn sie gibt den Deckungsbeitrag an, der dem Forstbetrieb aus der Holzernte nach Abzug der variablen Einschlags- und Rückekosten zufließt und der zur Abdeckung der sonstigen betrieblichen Kosten und als Einkommen des Eigentümers verwendet werden kann. Die Abbildung 4 stellt in diesem Sinne den erntekostenfreien Holzerlös in EUR/Efm dar. Es wird erkennbar, dass diese Größe im Laufe der letzten 40 Jahre nach einem Anstieg auf ein Niveau von ca. 35 EUR/Efm zu Anfang der 1980er Jahre und einer Konstanz bis Ende der 1990er Jahre zum Anfang des neuen Jahrtausends wieder auf das ursprüngliche Niveau von rund 25 EUR/Efm gefallen war, mit nun wieder steigender Tendenz in den letzten Jahren. Aus diesem insgesamt sehr unbefriedigenden Verlauf des Nettoholzerlöses je Efm wird die Notwendigkeit zur laufenden Kostenrationalisierung und zur Suche nach zusätzlichen Ertragsquellen besonders deutlich.
Abb. 4: Im Zeitraum von 1969 – 2009 erzielte Nettoholzerlöse je Volumeneinheit des eingeschlagenen Holzes (EUR/Efm).
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81
Es ist bemerkenswert, wie sich die sonstigen Erträge in diesem Betriebsvergleich entwickelt haben (siehe Abbildung 5). Mittlerweile betragen die sonstigen Erträge durchschnittlich 116 Euro je Hektar. Dabei sind klassischerweise insbesondere die Bereiche Jagd, Immobilien (Mieten, Pachten) und Nebennutzungen (Weihnachtsbäume, Schnittgrün) von Bedeutung. In den letzten Jahren werden aber auch zunehmend Erlöse aus der Leistungserbringung für Dritte (u.a. Beratung) erzielt. Dies gilt vor allem für die „Buchenbetriebe“ die mit zuletzt 155 €/ha die höchsten Einnahmen außerhalb der Holzernte realisieren konnten. Erlöse aus den anderen Produktbereichen (u.a. Schutz und Sanierung, Erholung und Umweltbildung) sind hinsichtlich ihrer „Ertragskraft“ dagegen bisher nur unbedeutend (siehe Tabelle 1).
Abb. 5: Im Zeitraum von 1969 – 2009 erzielte „Sonstige Erträge“ in EUR/ha.
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Tabelle 1: Aufteilung der “sonstigen Erträge” in den einzelnen Beratungsringen im Wirtschaftsjahr 2009.
Wirtschaftsjahr2009(€/ha) Nebenerzeugnisse/Ͳnutzungen Liegenschaften,Mietenu.Pachten Jagd,Fischerei sonstigeErträge,Nebenbetriebe Entschädigungen PB2Schutz PB3Erholungu.Umweltbild. PB4Leistungenf.Dritte PB5Hoheit
Fichte 4,46 25,47 20,27 6,25 3,41 1,88 2,68 11,44 1,36
Buche 22,52 45,38 27,34 4,5 8,21 0,57 0,02 46,78 0
Kiefer 35,03 18,52 37,05 5,64 4,33 3,42 0,41 4,31 0
gesamt 25,43 27,83 30,92 5,42 5,3 2,28 0,73 18,28 0,26
4. Aufwand: Ein Blick auf die Arbeitskosten Den Erträgen stehen in der Regel entsprechende betriebliche Aufwendungen gegenüber. Im Mittel wurden in 2009 324 €/ha von den teilnehmenden Forstbetrieben aufgewendet (siehe Abbildung 6), 416 €/ha im BR Fichte, 362 €/ha im BR Laubholz und 266 €/ha im BR Kiefer. Ein Blick auf den Verlauf der Aufwendungen während der letzten vier Jahrzehnte lässt hier deutlich geringere Schwankungen als bei den Erträgen erkennen. Offensichtlich enthält der Aufwand nennenswerte Fixkosten.
Abb. 6: Im Zeitraum von 1969 – 2009 geleisteter Aufwand je Hektar.
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Hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten des Aufwandes soll hier beispielhaft der Lohnaufwand näher betrachtet werden: Seit Beginn des Betriebsvergleichs haben die Forstbetriebe den Umfang der Waldarbeit mit eigenem Personal stark gesenkt. So wurde die Anzahl der Regiearbeitsstunden von durchschnittlich 14 auf nunmehr 2 je Hektar reduziert. Die Lohnkosten für die produktive Arbeitsstunde sind gegenläufig kontinuierlich gestiegen. Lagen 1969 die Kosten der produktiven Arbeitsstunde noch bei 3,60 Euro, fielen in 2009 hierfür im Mittel aller Betriebe rd. 22,70 Euro je Stunde an. Eine unmittelbare Einschätzung der durch die Holzproduktion erzielten betrieblichen Kaufkraft ergibt sich aus der Betrachtung des Verhältnisses zwischen dem durchschnittlichen Erlös eines Festmeters Rohholz und der Anzahl der daraus finanzierbaren produktiven Arbeitsstunden. Hier muss man feststellen, dass in den Jahren nach der Jahrtausendwende nur noch rd. 2 Arbeitsstunden aus dem Erlös eines Festmeters bezahlt werden konnten, Anfang der 1970er Jahre gelang dies noch für 8 Arbeitsstunden (siehe Abbildung 7). Der leichte Anstieg der hier betrachteten Kennzahl in der jüngsten Vergangenheit ist neben der Steigerung der Holzerlöse auch durch die Tatsache beeinflusst, dass wegen des hohen Anteils der Selbstwerbung meist nur noch das höherwertige Holz zum Brutto-Erlös frei Waldstraße verkauft wird, so dass diese Entwicklung nicht überzubewerten ist.
Abb. 7: Aus dem Holzerlös eines Festmeters Rohholz finanzierbare produktive Arbeitsstunden im Zeitraum von 1969 bis 2009.
Hinter all diesen Kennziffern verbirgt sich auch ein starker Wandel in der Betriebsorganisation. In allen Beratungsringen ist ein deutlicher Trend zum Verkauf des Holzes auf dem Stock und zur Auslagerung der Arbeiten auf Unternehmer zu erkennen. Am deutlichsten ist die Abkehr von der Regiearbeit in der Holzernte bei den Kiefernbetrieben. Hier werden mittlerweile ¾ des gesamten Einschlags auf dem Stock verkauft (siehe Abbildung 8). Deshalb kann man dieses Verfahren für diese Betriebsgruppe mittlerweile als das Regelverfahren bezeichnen.
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Abb. 8: Anteil der Einsatzarten in der Holzernte für die Betriebe des Beratungsringes Kiefer im Zeitraum von 1985 - 2009.
5. Reinertrag Abschließend erfolgt ein Blick auf die betrieblichen Ergebnisse. Der Reinertrag je Hektar ist 2009 in den einzelnen Beratungsringen wieder auf Werte wie vor dem Sturm Kyrill zurückgefallen. Es wurden im Durchschnitt aller Betriebe 53 Euro je Hektar erzielt, dabei schlossen die Fichten- und Buchenbetriebe das Jahr 2009 mit Ergebnissen von rund 170 bzw. 111 Euro je Hektar ab. Die Kiefernbetriebe bleiben dagegen mit einem Defizit von -26 Euro je Hektar auch im zweiten Jahr nach Kyrill im negativen Bereich. Betrachtet man die langfristige Entwicklung der Reinerträge, so zeigt sich, dass trotz aller Schwankungen durch Kalamitäten und Konjunkturen diese Größe über den gesamten Zeitraum von 40 Jahren nominal annähernd konstant geblieben ist (s. Abbildung 9). Berücksichtigt man allerdings, dass während dieses Zeitraumes die Kaufkraft des Geldes auf weniger als ein Drittel des Ausgangswertes gesunken ist, so wird deutlich, dass alle Bemühungen zur Ertragssteigerung und Rationalisierung nicht ausgereicht haben, um diese Realwertverluste auszugleichen. Bemerkenswert konstant ist auch die Reihung der Reinerträge der drei Beratungsringe. Fast über den gesamten Zeitraum lagen die Fichtenbetriebe trotz ihrer besonderen Betroffenheit durch Kalamitäten vorn. Dies ist insofern bemerkenswert, weil die in der Regel standörtlich günstiger ausgestatteten Laubholzbetriebe, die in tieferen, weniger exponierten Lagen und auf wüchsigeren Standorten wirtschaften, langfristig geringere Reinerträge als die Fichtenbetriebe ausweisen. Betrachtet man abschließend die Entwicklung der Reinerträge des letzten Jahrzehnts, so wird nach der extrem ungünstigen Situation um die Jahrtausendwende zumindest ein kurzfristiger positiver Trend erkennbar, der mit der gestiegenen
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Bedeutung des Rohholzes für die stoffliche und energetische Nutzung aber auch der vermehrten Einschlagstätigkeit zu tun hat.
Abb. 9: Im Zeitraum von 1969 – 2009 erzielte Reinerträge in EUR/ha.
III. Möglichkeiten optimaler Betriebsgestaltung Nach der Darstellung der betriebswirtschaftlichen Grundlagen und der beispielhaften Beschreibung von wirtschaftlichen Ergebnissen einer größeren Gruppe privater Forstbetriebe soll nun der Frage nachgegangen werden, welches die wichtigsten Handlungsparameter für eine nachhaltig erfolgreiche Forstwirtschaft sind. Dazu werden zuerst die innerbetrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten beschreiben, im Nachgang dazu wird auch kurz auf die notwendigen politischen Rahmenbedingungen eingegangen.
1. Betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten Primär sind die Forstbetriebe selbst gefordert, über Anpassungen der betrieblichen Strategien, Prozesse und Strukturen nachzudenken, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Wie das Beispiel des Betriebsvergleiches aus Westfalen-Lippe zeigt, sind hier die Gestaltungsmöglichkeiten sehr vielfältig und jeweils auch von den betrieblichen Ausgangssituationen abhängig. Hier können und sollen deshalb nur einige Möglichkeiten erwähnt werden.
2. Produktive Baumarten verwenden Ein wichtiger betrieblicher Gestaltungsparameter, der langfristig über den wirtschaftlichen Erfolg und die Leistungen der Forstbetriebe entscheidet, ist die Baumartenwahl. Wegen der hohen Umtriebszeiten und der Dominanz von
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Naturverjüngungen ist eine aktive Entscheidung über die Baumart allerdings meist auf jährlich deutlich weniger als 1% der Betriebsfläche beschränkt. Die Frage der optimalen Baumartenwahl bewegt sich vorrangig im Spannungsverhältnis zwischen Produktivität, Naturnähe und Stabilität. Die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge sollen hier kurz am Baumartenvergleich Buche versus Fichte erläutert werden, wobei sie analog auch für andere Baumarten gelten. Will man die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit von Baumarten vergleichen, so reicht es nicht, auf reale Betriebsergebnisse zurückzugreifen, die jeweils durch die realen Standorte, Baumartenanteile und Altersklassenausstattungen beeinflusst werden. Vielmehr verwendet man dazu meist kalkulatorisch hergeleitete WaldReinerträge, denn das zugrunde gelegte Normalwaldmodell verkörpert idealisiert einen nachhaltigen Forstbetrieb10. Darin sind für eine Baumart alle Altersstufen, von der Bestandesbegründung bis hin zum hiebsreifen Endbestand mit dem gleichen Flächenanteil vertreten und im Sinne der Nachhaltigkeit halten sich Zuwachs und Nutzung die Waage. Naturale Risiken allerdings, die einen vorzeitigen Verlust von Beständen und mithin eine Verschiebung der Altersklassenflächen in Richtung der jüngeren Bestände bewirken, werden dabei meist nicht angemessen berücksichtigt. Die Abbildung 10 zeigt anhand einer größeren Zahl von in der Literatur veröffentlichten Reinertragskalkulationen11 die Waldreinerträge in EUR/ha für mittlere Verhältnisse von Buche und Fichte im Paarvergleich für den Zeitraum von 1925 bis 2007, wobei die historischen Werte einheitlich in EuroBeträge umgerechnet wurden. Fichte (€) 1942
500
400 1925
300
200
1987
1975
1985
1997 1979
100
1966
1980
2004
1990
2007
0 -200
-150
-100 1989
-50
0
50
100
150
200
250
300
-100 Buche (€)
Abb. 10: Gegenüberstellung ausgewählter Ergebnisse von Reinertragskalkulationen normaler Buchen- und Fichtenbetriebsklassen für den Zeitraum von 1925 – 2007 .
10 11
Siehe MÖHRING 1994. Aus: MÖHRING, LEEFKEN u. GUTSCHE 2008.
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Insgesamt lässt sich für den über 80-jährigen Zeitraum feststellen, dass zu allen Bewertungszeitpunkten die nachhaltigen Reinerträge der Buche unter denen der Fichte liegen. Die mittlere Reinertragsdifferenz liegt bei gut 100 €/ha/Jahr. Ein Grund hierfür ist unter anderem die auf gleichen Standorten deutlich geringere naturale Produktivität der Buche gegenüber der Fichte. Untersuchungen im Solling12 ergaben im Paarvergleich auf gleichem Standort für die Buche eine um vier Vorratsfestmeter je Hektar (Vfm/ha) 13 geringere jährliche Massenproduktion als bei der Fichte, was sich unmittelbar in nachhaltig geringeren Erträgen niederschlägt. Neben der reinen Massenleistung spielen auch die Holzerlöse bzw. Deckungsbeiträge je Erntefestmeter (Efm) eine zentrale Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg der Baumarten. Auch hier ist das Nadelholz mit seinem geraden Wuchs und der einfacheren technologischen Bearbeitbarkeit im Vorteil. Darüber hinaus wird die Buchenwirtschaft gegenüber der Fichte durch deutlich höhere Kulturkosten belastet. Die Pflanzung einer Fichten-Kultur kann beispielsweise mit 2000 €/ha, die der Buche mit gut 5000 €/ha kalkuliert werden. Zumindest im Fall eines Waldumbaus in Richtung Buche sind die Kulturkosten auch nicht zu vermeiden. Auch heute noch ist in Deutschland die viel gescholtene Fichte der „Brotbaum der Forstwirtschaft“. Forstbetriebe, die nachhaltig erfolgreich Forstwirtschaft betreiben wollen, werden je nach Standort auch in Zukunft i.d.R. nicht auf Fichte, Douglasie, Lärche, Küstentanne, Kiefer etc. verzichten können. Die Produktivität des Nadelholzes ist meist höher, es ist technologisch leichter handhabbar und es trifft auf aufnahmebereitere Märkte als das auf den jeweiligen Standorten heimische Laubholz. Dass die Risikoanfälligkeit des Nadelholzes intensiverer Bestandesbehandlung bedarf und dass sich durch Baumartenmischung Risiken mindern lassen, ist Teil der waldbaulichen Kunst, die auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht vernachlässig werden darf.
3. Waldbestände effizient behandeln Es ist die Aufgabe der waldbaulichen und waldwachstumskundlichen Forschung, die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Bestandesbehandlung und ihren Folgen zu identifizieren und zu quantifizieren. Es ist aber ein betriebswirtschaftliches Planungsproblem, dieses Wissen in rationale betriebliche Entscheidungen umzusetzen. Dies soll hier kurz anhand von Ergebnissen eines Betriebssimulationsmodells, das Nachhaltigkeit explizit berücksichtigt14 erläutert werden. Es nutzt 12 13
14
Siehe MÖHRING 2004. Das Kürzel “Vfm” steht für “Vorratsfestmester“, es kennzeichnet den im Wald gemessenen Holzvorrat mit Rinde; die Umrechnung von Vorratsfestmeter in Erntefestmeter erfolgt üblicherweise mit dem Faktor 0,8. Siehe MÖHRING 2010.
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einfache, für Fichte in Norddeutschland parametrisierte nichtlineare Wachstumsund Wertfunktionen und optimiert gleichzeitig die Vornutzungsintensität und Endnutzungszeitpunkte unter Erhaltung des Wertes des betrieblichen Holzvorrates. Die Modellrechnungen führen unter Aufrechterhaltung der Wertnachhaltigkeit zu ökonomisch optimierten, d.h. deutlich erhöhten Durchforstungsintensitäten und bonitätsabhängig differenzierten Endnutzungszeitpunkten, was den nachhaltigen Reinertrag ohne zusätzlichen Kapitaleinsatz steigerte. Die unter ökonomischer Zielsetzung modellhaft hergeleiteten Ergebnisse korrespondieren offensichtlich recht gut mit den Bestandesbehandlungskonzepten der forstlichen Praxis. Es werden Bestände auf produktiveren Standorten vergleichsweise früher geerntet als auf weniger wüchsigen, was ökonomisch das Konzept der „Zielstärkennutzung“15 stützt. Auch zeigen starke Jungdurchforstungen gegenüber einer Vollbestockung gemäß Ertragstafel positive betriebswirtschaftliche Effekte. Unter ökonomischen Gesichtspunkten sind auch die verbreitet vorzufindenden stärkeren Eingriffe in Altbestände, die zu Bestockungsgraden unter 1,0 führen, kein „betriebswirtschaftlicher Unfall“, obwohl die meisten Baumarten im Alter ihre Fähigkeit verlieren, auf Bestockungsgradabsenkungen mit beschleunigtem Wachstum zu reagieren16. Vielmehr erweisen sie sich als effiziente Maßnahmen bei Mittelknappheit und nachhaltiger Substanzerhaltung. Bei der Bewertung der Modellergebnisse ist wichtig, dass der zusätzliche ökonomische Erfolg nicht durch zusätzlichen Input (Einschlagsverzicht, Erhöhung des Wertes des Holzvorrates etc.) erkauft wird. Vielmehr zeigen sie, dass sich ohne zusätzlichen Ressourceneinsatz auf Dauer bessere Ergebnisse erzielen lassen, wenn sich die Bestandesbehandlung an Kriterien der Effizienz orientiert.
4. Risiken identifizieren und mindern Jede unternehmerische Tätigkeit, auch die Waldwirtschaft, zielt darauf ab, Chancen wahrzunehmen. Das gelingt allerdings nicht, ohne dass gleichzeitig auch Risiken in Kauf genommen werden. Ein zu ängstlicher Blick auf Risiken kann allerdings auch das Erkennen und Ausnutzen wirtschaftlicher Chancen vereiteln. Notwendig ist eine systematische, rationale Auseinandersetzung mit den unternehmerischen Risiken. Dies ist die Aufgabe des betrieblichen Risikomanagements. Beim Umgang mit Risiken unterscheidet man allgemein fünf verschiedene Strategien der „Risikohandhabung“:
15
Siehe RÖHRIG et al 2006, S. 300ff.
16
Vgl. RÖHRIG et al. 2006, S. 217ff.
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Risikomeidung: Sie käme in den vielen Fällen einer Betriebsaufgabe gleich. Ein Forstbetrieb kann aber bspw. die Marktrisiken der Weihnachtsbaumproduktion vermeiden, indem er ganz auf diese Produktion verzichtet. Risikominderung: Es gibt vielfältige Möglichkeiten, Risiken im Forstbetrieb zu mindern. In der biologischen Produktion lassen sich Schneebruch- und Windwurfrisiken durch geeignete Maßnahmen der Bestandesbehandlung (i.d.R. frühe Stammzahlreduktionen zur Stärkung der Einzelbaumstabilität) reduzieren, das Auftreten biotischer Schaderreger z.B. kann durch saubere Wirtschaft und präventiven Forstschutz vermindert werden. Risikobegrenzung: Risiken lassen sich z.B. auch durch „Diversifikation“ begrenzen. In der Fortwirtschaft können Baumartenmischungen aber auch die Erschließung von Ertragsquellen außerhalb der klassischen Rohholzproduktion (Jagd und Tourismus, Dienstleitung, Vertragswaldbewirtschaftung, Friedwald etc.) einen solchen positiven Diversifikationseffekt bewirken. Risikoübertragung: Hier wird das Risiko nicht beseitigt, es wechselt vielmehr den Träger. So können die negativen betrieblichen Folgen ganz oder ggf. nur teilweise auf die „breiten Schultern“ von Dritten wie Versicherungen (z.B. Waldbrandversicherung) oder den Staat (z.B. über steuerliche Begünstigung von Kalamitätsnutzungen oder auch die Förderung der Wiederaufforstung nach Kalamitäten) verlagert werden. Risikoübernahme: Die erwähnten Maßnahmen können Risiken nicht vollständig ausschließen. Die verbleibenden Restrisiken muss der Forstbetrieb tragen. Dazu bedarf es eines angemessenen „Risikodeckungspotentials“. Dies kann im Forstbetrieb bspw. durch die Bildung von Rücklagen (z.B. steuerfreie Rücklage gem. ForstSchAusglG17 ) und durch die Bildung von Liquiditätsreserven in Form von erntereifen Waldbeständen unterstützt werden. Über allen Maßnahmen zur Risikosteuerung schwebt allerdings das Postulat ökonomischer Rationalität, d.h. die Kosten der Risikohandhabung sollten regelmäßig nicht höher sein als jene, die bei Eintritt des Schadensfalles zu erwarten sind. Hier sind also Risiko-Nutzen-Analysen sinnvoll. Unter Anwendung solcher Überlegungen kamen bspw. BRÄUNIG u. DIETER18 bei Auswertung der Sturmrisiken für einen konkreten Betrieb zu dem Ergebnis, dass die Risiken der Fichte einen Waldumbau in Richtung Buche nicht rechtfertigten. Um hier in Zukunft bessere Entscheidungsgrundlagen für Risikoabschätzungen zu schaffen, sollten zur Quan17
18
Gesetz zum Ausgleich von Auswirkungen besonderer Schadensereignisse in der Forstwirtschaft (Forstschäden-Ausgleichsgesetz) in der Fassung vom 26. August 1985 (BGBl. I S. 1756), zuletzt geändert durch Artikel 18 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794). Siehe BRÄUNIG u. DIETER 1999, S. 119f.
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tifizierung und Bewertung von forstl. Produktionsrisiken vermehrt baumarten- und standortspezifische Überlebensfunktionen19 entwickelt und eingesetzt werden.
5. Rationelle Technologien einsetzen Die Forstwirtschaft in Mitteleuropa hat in den letzten 20 Jahren durch Einführung der Harvester- und Forwardertechnik einen technologischen Sprung gemacht, der nur vergleichbar mit der Einführung der Motorsäge nach dem 2. Weltkrieg ist. Neben der Kosteneffizienz hat diese Technologie mittlerweile eine Schlagkraft erreicht, die kurzfristig die Bereitstellung erheblicher Einschlagsmengen ermöglicht und damit auch marktangepasste Einschlagsstrategien unterstützt. Die hochmechanisierten Ernteverfahren sind auf vielen Standorten (ohne Nass- und Steillagen) und praktisch bei allen Baumarten (mit Ausnahme des Starkholzes) mittlerweile das Regelverfahren. Nicht zuletzt wegen der Vorteile im Bereich der Ergonomie und Arbeitssicherheit gibt es zur Nutzung dieser modernen Technologien praktisch keine Alternative. Neben der Rationalisierung der technischen Produktionsprozesse gilt es auch die biologische Produktion zu rationalisieren. Hier stehen insbesondere effiziente Verfahren der Naturverjüngung im Zentrum der Überlegung, denn durch geschickten situationsangepassten Waldbau lassen sich vielfach Verjüngungs- und Pflegekosten einsparen. Die Produktionsziele dürfen dabei allerdings nicht aus den Augen verloren werden. Wenn es um den Einsatz effizienter waldbaulicher Verfahren geht, so sollte auch der Bereich der Jagd nicht ausgeklammert werden. Es ist verbreitete Realität, dass das natürliche Verjüngungspotential durch Wildverbiss vollkommen abgeschöpft wird, so dass Naturverjüngungen nicht zum Erfolg führen. Die Lösung des Wild-Wald-Konflikts20 hat insofern auch eine immanent wichtige betriebswirtschaftliche Dimension.
6. Sonstige Ertragsquellen erschließen Es gibt eine Vielzahl von Initiativen, durch „innovative Waldprodukte“21 die forstliche „Produktlücke“ zu schließen und die Vermarktung der Umwelt- und Erholungsleistungen des Waldes zu einem erfolgreichen forstbetrieblichen Geschäftsfeld zu entwickeln. Als Beispiele für die erfolgreiche Entwicklung von Märkten für RES-Produkte22 sollen hier genannt werden: x Durchführung von Ausgleichs- u. Ersatzmaßnahmen 19 20 21 22
Siehe MÖHRING, STAUPENDAHL u. LEEFKEN 2010. Siehe AMMER, C.; VOR, T.; KNOKE, T.. u. S. WAGNER 2010. Siehe AID 2006. Markets for Recreational and Environmental Services, siehe MANTAU 2001.
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x Durchführung von wasserschutzorientierten Waldbaumaßnahmen in Kooperation mit Wassernutzern, x Professionelle Jagdvermarktung x Survivaltraining und Naturführungen x Waldbestattungen im Sinne von „Friedwäldern“ und „Ruheforsten“ etc., x Naturschutzsponsoring Auch wenn der Betriebsvergleich Westfalen-Lippe im Bereich der „sonstigen Erträge“ vergleichsweise positive Entwicklungen aufzeigte, was auch als Beleg für die wirtschaftliche Kreativität der Betriebe anzusehen ist und nur zur Nachahmung empfohlen werden sollte, so ist doch darauf hinzuweisen, dass im Privatwald in Deutschland23 84% des Ertrages aus Holzertrag stammt und dass eine breite Etablierung von Geschäftsfeldern in den Produktbereichen „Schutz und Sanierung“ und „Erholung und Umweltbildung“ noch nicht geglückt ist. Die Betriebsergebnisse weisen hier nur marginale Beträge aus. Dieser Hinweis soll den Blick auf die Problematik lenken, dass die Forstbetreibe in den Bereichen, die die öffentliche Wahrnehmung des Waldes bestimmen, bisher praktisch keine Erfolgsbeiträge realisieren. Ein wichtiger Grund dafür ist sicher in den in weiten Teilen gesetzlich fixierten Gemeinwohlverpflichtungen des Waldeigentums (z.B. Wiederaufforstungspflicht, freies Betretungsrecht) zu finden.
7. Organisation rationell gestalten Die Zeitreihen aus Betriebsvergleichen zeigen, dass man bei den Forstbetrieben nicht von einer „nachhaltigen Organisation“ im Sinne konstanter Zustände sprechen kann. Vielmehr unterlag die Forstorganisation in allen Eigentumsarten in den letzten Jahrzehnten einem permanenten Wandel, gekennzeichnet vom Personalabbau, der Auslagerung von Arbeiten auf Dritte und der Spezialisierung. Dies diente nicht zuletzt dem Ziel, Fixkosten zu senken und Marktanpassungsfähigkeit zu stärken. Die Zahlen aus dem Betriebsvergleich Westfalen-Lippe zeigen, dass es im Privatwald den „klassischen Regiebetrieb“ nicht mehr gibt. „Die Tage des klassischen Forstbetriebes, der mit großer Fertigungstiefe quasi autark mit angestelltem Personal auf eigener Fläche wirtschaftet, sind gezählt“ erklärte DUFFNER schon 2003. Der nun schon drei Jahrzehnte anhaltende Umsatzschwund der Forstwirtschaft war ein maßgeblicher Motor der organisatorischen Anpassungsprozesse. Vorreiter für den organisatorischen Wandel waren meist Betriebe in besonders schwieriger wirtschaftlicher Situation. Die Not macht offensichtlich erfinderisch. Er wird erwartet, dass auch in Zukunft die Organisationsentwicklung der Forstbetriebe weiter voranschreiten wird und zunehmend zu einer Trennung/Spezialisierung 23
Siehe Testbetriebsnetz Forst des BMELV, BMELV 2010b, S. 8.
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zwischen forstlicher Flächenverwaltung (Steuerung der biologischen Produktion und Wahrnehmung der Eigentümerinteressen) und Durchführung der operativen forstlichen Maßnahmen (marktgerechte, z.T. eigentumsübergreifende Steuerung der technischen Produktionsprozesse nach industriellen Prinzipien) führen wird. Die zielgerichtete Reduktion von Personalkosten im Verwaltungsbereich etwa durch technische Rationalisierung, Outsourcing von Verwaltungsleistungen oder durch überbetriebliche Kooperation verspricht auch für die Zukunft noch weitere Rationalisierungsmöglichkeiten.
IV. Rahmenbedingungen für eine nachhaltig erfolgreiche Waldwirtschaft Neben den Betrieben ist auch die Politik aufgefordert, sie hat die Rahmenbedingungen für eine nachhaltig erfolgreiche Waldwirtschaft zu sichern.
1. Eigentümerautonomie erhalten In den letzten Jahrzehnten war die Forst- und Naturschutzpolitik geprägt von einer zunehmend stärker werdenden Reglementierung der Waldbewirtschaftung. Die „ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft“ galt im Naturschutzrecht über viele Jahre als unbedenklich, wohingegen bspw. das aktuelle Bundesnaturschutzgesetz24 einschränkend fordert, bei der forstlichen Nutzung des Waldes das Ziel zu verfolgen, naturnahe Wälder aufzubauen und diese ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften und einen hinreichenden Anteil standortheimischer Forstpflanzen einzuhalten. Für Wälder in FFH-Schutzgebieten werden die aktuell in den Bundesländern anlaufenden Managementplanungen zu weitergehenden Bewirtschaftungsauflagen und Einschränkungen in der Waldbewirtschaftung führen. Nun ist es nicht ganz einfach, die aus diesen Einschränkungen resultierenden betriebswirtschaftlichen Nachteile zu bewerten. Neben den aus Bewirtschaftungseinschränkungen resultierenden Mindererträgen und Mehraufwendungen25 werden durch die öffentlichen Planungsprozesse auch die Bürokratiekosten steigen; nach einer Erhebung von SCHEEDER26 waren schon bisher rund 1/3 der Verwaltungskosten der privaten Forstbetriebe „Bürokratiekosten“, wobei kleinere Forstbetriebe deutlich stärker belastet werden als größere Betriebe. Darüber hinaus stellt auch die Einschränkung der betrieblichen Flexibilität und damit der Eigentümerautonomie einen wichtigen betriebswirtschaftlichen Nachteil dar. Hier kann in Zukunft 24
25 26
Siehe § 5 Abs. 3 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542). Siehe MÖHRING u. RÜPING 2006. Siehe SCHEEDER 1999, S. 93.
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ggf. mit Hilfe des Ansatzes der „Realoptionstheorie“27 der wirtschaftliche Nachteil verminderter betrieblicher Flexibilität besser bewertet werden, als die mit Hilfe der traditionellen Ertragswertverfahren möglich ist.
2. Anreize für Schutz- und Erholungsleistungen im Wald schaffen Trotz der hohen Ansprüche der Gesellschaft an die Schutz- und Erholungsleistungen der Wälder werden private Forstbetriebe bislang kaum öffentlich gefördert. Ein Vergleich mit der Situation in der Landwirtschaft erlaubt aufschlussreiche Einsichten. Addiert man für die Forstbetriebe des Testbetriebsnetzes des BMELV die Förderungen für die Produktbereiche Produktion von Holz und anderen Erzeugnissen, Schutz und Sanierung und Erholung und Umweltbildung auf, so ergibt sich für 2008 für den Privatwald ein Betrag in Höhe von ca. 13 EUR/ha Holzbodenfläche28. Die Statistiken des Testbetriebsnetzes für landwirtschaftliche Haupterwerbsbetriebe weisen hingegen für das Wirtschaftsjahr 2008/09 entkoppelte Betriebsprämien, produktbezogene Zahlungen, Zins- und Investitionszuschüsse, Agrardieselvergütung, Zahlungen aus Agrarumweltmaßnahmen etc. von insges. 426 EUR/ha landwirtschaftlicher Nutzfläche aus29. Es bestehen also erstaunliche Unterschiede zwischen der Förderung der Forstwirtschaft und jener der Landwirtschaft, die zumindest durch die gesellschaftlichen Leistungen beider Landnutzungsformen nicht erklärt werden können. In diesem Kontext ist auch auf die Untersuchung von GÜTHLER30 et al. zum Einsatz des Vertragsnaturschutzes in der Land- und Forstwirtschaft interessant. Zum Zeitpunkt der Untersuchung betrug die Gesamtförderung im Rahmen von Agrarumweltprogrammen in Deutschland ca. 720 Mio €, für Vertragsnaturschutz im Wald wurden nur ca. 4 Mio € aufgewendet (~ 0,5%). Die politische Herausforderung liegt nun darin, diesen Zustand zu ändern, denn fehlende Ertragsperspektiven aus den gesellschaftlichen Leistungen führen zu Zielkonflikten zwischen Forstbetrieben und der Allgemeinheit und in der Folge zu einer suboptimalen Leistungserstellung in diesem Bereich. Es gilt die Instrumente des Vertragsnaturschutzes im Wald durch Vorrang für Vertragsnaturschutz, Standardisierung der Maßnahmen und Entwicklung praktikabler vertraglicher Regelungen systematisch auszubauen.
27 28
29 30
Siehe MUSSHOFF u. JERCHEL 2010. Siehe BMELV 2010b; bei den Fördermitteln handelt es sich vorwiegend um maßnahmenbezogene Erstattungen von betrieblichen Aufwendungen für Waldumbau, Wegebau etc. und nicht um Leistungsentgelte im engeren Sinne. Siehe BMELV 2010a. Siehe GÜTHLER et al. 2005.
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3. Der nachhaltigen Waldwirtschaft entsprechendes Steuerund Abgabensystem schaffen Es gibt diverse Gestaltungsmöglichkeiten der Politik im Bereich der waldrelevanten Steuern und Abgaben, wobei zu bedenken ist, dass die personenbezogenen Belastungen der Waldeigentümer in den Buchführungsergebnissen regelmäßig nicht aufgezeichnet werden. Mehrbelastungen der privaten Forstwirtschaft haben sich in der jüngeren Vergangenheit insbesondere durch folgende Regelungen ergeben: x Ungünstigere Gestaltung der Regelungen für außerordentliche und kalamitätsbedingte Einkünfte aus Forstwirtschaft (§ 34/34bEStG) durch das „Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002“, was trotz der Absenkung des Steuertarifes auf eine Mehrbelastung der Einkünfte aus Forstwirtschaft hinauslief31. x Streichung der „pauschalen Waldwertminderung“ von 3% gemäß EStR im Jahr 1999. x umsatzsteuerliche Behandlung der Jagdpachteinnahmen. Dass es auch im Bereich der öffentlichen Abgaben, z.B. für Wasser- und Bodenverbände, Berufsgenossenschaften etc. Herausforderungen gibt, der nachhaltigen Waldwirtschaft angemessenere Lösungen zu finden, soll hier nur erwähnt werden. Hier ist die Politik unmittelbar gefordert.
4. Gesellschaftliche Eingriffe im Wald ausgleichen Ein wichtiges Problemfeld liegt in den durch die menschliche Wirtschaftstätigkeit verursachten immissionsbedingten Waldschäden, Klimaveränderungen etc. Auch hier stehen die Forstbetriebe vielfach noch allein „im sauren Regen“ oder „im veränderten Klima“. Auch hier müssen noch geeignete Maßnahmen und finanzielle Wege gefunden werden, wie die wirtschaftlichen Nachteile dieser gesellschaftlichen Einflüsse auf den Wald ausgeglichen und die Betriebe in die Lage versetzt werden können, sich den veränderten Risiken anzupassen.
V. Perspektiven für eine nachhaltige, wirtschaftliche erfolgreiche Forstwirtschaft Anhand der Ergebnisse des Betriebsvergleiches Westfalen-Lippe konnte gezeigt werden, dass Forstbetriebe in den letzten 40 Jahren eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit an die schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen unter Beweis gestellt haben. Dem realen Verfall der Holzerlöse wurde durch entsprechen31
Siehe MÖHRING u. KRÜCKE 2001.
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de Rationalisierungsmaßnahmen und strukturelle Anpassungen auf der Aufwandund Ertragsseite entgegengewirkt. Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Forstbetriebe sind durch die derzeitige globale Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auf die Bau- und Möbelindustrie ohne Frage immer noch belastet, dennoch ist die mittelfristige Perspektive durchaus hoffnungsvoll. Rohholz ist ein zunehmend gesuchter Rohstoff, sowohl für die stoffliche als auch energetische Verwertung. Mittlerweile wird industriell verwertbares Rohholz, namentlich Nadelholz, in Deutschland knapp. In der politischen Diskussion spielt dabei auch die in den meisten Teilen der Welt fehlende Nachhaltigkeit der Waldnutzung eine wichtige Rolle. Waldflächen nehmen weltweit ab. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass im Kontext der globalen Finanzkrise das Thema „internationales Waldinvestment“ zunehmend auf Interesse auch außerhalb der eigentlichen Forstbranche stößt. Das verlockende am Waldinvestment ist sein Substanzwert, die fehlende Korrelation mit anderen Anlageklassen und das Wissen, dass es sich beim Wald um ein unvermehrbares, zunehmend knapper werdendes Gut handelt. Die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Forstwirtschaft in Mitteleuropa erscheinen jedoch insgesamt sehr begrenzt. Das liegt zum einen an den Naturfaktoren, die nur bescheidene nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten zulassen, zum anderen an dem Grundproblem der Urproduktion in einem Industrieland. Hier herrscht ein hohes Lohnniveau, zudem ist die Forstwirtschaft starken gesellschaftlichen Einschränkungen unterlegen. Die bspw. im Süden der USA, Südamerika und sonstigen Teilen der Welt verbreiteten hochproduktiven Nadelholzplantagen im kurzem Umtrieb sind hier weder zulässig, noch entsprechen sie dem hiesigen Leitbild einer multifunktionalen Forstwirtschaft. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass Holzpreise Weltmarktpreise sind, die in den letzten 40 Jahren real gefallen sind, also die Inflation nicht ausgleichen konnten und schon gar keine realen Steigerungen gezeigt haben. Auch wird die Forstwirtschaft, anders als die Landwirtschaft nur in verschwindend geringem Umfang gefördert, obwohl die gesellschaftlichen Leistungen der Wälder als höher einzuschätzen sind als jene der Landwirtschaft. Im Rahmen der allgemeinen Walddiskussion wird vielfach verdrängt, dass es Forstbetriebe sind, die in Deutschland den Wald bewirtschaften, die einer ökonomischen Logik folgen müssen und die gefordert sind, erfolgreich zu sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Aus dem Gesagten sind folgende, sehr plakative Schlussfolgerungen zu ziehen: x Der nachhaltige erwerbswirtschaftliche Erfolg von Forstbetrieben muss wieder Teil des Leitbildes für das forstpolitische Handeln werden. Dies erfordert auch eine neue, positive Sicht auf das Privateigentum am Wald; Pivatnützlichkeit und Privatautonomie sollten auch im Wald als Ausdruck elementarer Freiheitsrechte angesehen werden.
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Bernhard Möhring / Georg Leefken / Bernhard Graf v. Finckenstein
x Marktkonforme politische Instrumente (wie Vertragsnaturschutz, Förderung, steuerl. Anreize etc.) sollten in der Forstwirtschaft dort vermehrt eingesetzt werden, wo öffentliche Leistungen (wie Naturschutz, Wasserspende, CO2Bindung, Erholungsnutzen) erbracht werden sollen. x Pauschale Nutzungseinschränkungen im Wald ohne Ausgleich sind ökonomisch nicht tragbar. Insgesamt sollte die nachhaltige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Forstbetriebe verstärkt in den politischen Fokus gerückt werden, um hier ein Gegengewicht zu anderen Politikfeldern (Naturschutz) zu bilden. Aus wirtschaftlicher Perspektive muss es, wie es THOROE u.a. 32 ausdrückten, primär darum gehen, den ökonomischen Pfeiler der Waldbewirtschaftung wieder tragfähig zu machen.
VI. Literatur: AID 2006: aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. (Hrsg.): Leitfaden innovative Waldprodukte - Neue Einkommensquellen zur Vermarktung der Schutz- u. Erholungsleistungen von Wäldern. AMMER, C.; VOR, T.; KNOKE, T.. u. S. WAGNER 2010: Der Wild-Wald-Konflikt; Analyse und Lösungsansätze vor dem Hintergrund rechtlicher, ökologischer und ökonomischer Zusammenhänge; http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/images/themen/landwirtschaft/Schalenwild%20Endberich t%2021_04_2010.pdf BMELV 2010a: Die wirtschaftliche Lage der landwirtschaftlichen Betriebe. Buchführungsergebnisse der Testbetriebe 2008/2009. 16 Seiten. Downloadunter:-http://www.bmelv-statistik. de/de/testbetriebsnetz/buchfueh-rungs-ergebnisse-landwirtschaft/ BMELV 2010b: Buchführungsergebnisse Forstwirtschaft - Die wirtschaftliche Lage der forstwirtschaftl. Betriebe 200 - Forstbetriebe ab 200 ha Waldfläche. Download unter http://www.bmelv statistik.de/de/testbetriebsnetz/buchfuehrungsergebnisse-forstwirtschaft/ BMELV 2009: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Bundesrepublik Deutschland 2009. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.), Wirtschaftsverlag NW GmbH, Bremerhaven. BREUER, R. 1996: Naturschutz, Eigentum und Entschädigung; Natur und Recht, Heft 11/12, S. 537-547 BRÄUNIG, R. u. M. DIETER 1999: Waldumbau, Kalamitätsrisiken und finanzielle Erfolgskennzahlen; Schriften zur Forstökonomie, Band 18; Sauerländer’s Verlag Frankfurt a. M. DUFFNER, W. 2003: Forstbetriebe der Zukunft; Forst und Holz, S. 347-351 GÜTHLER, W.; MARKERT, R..; HÄUSLER, A. u. M. DOLEK 2005: Vertragsnaturschutz im Wald. Bundesweite Bestandsaufnahme und Auswertung. BfN-Skripten 146. LÖFFLER, H. 2005: Der Markt für größere Waldgrundstücke. Eine empirische Studie für Deutschland und Österreich. Dissertation. Technische Universität München. Fakultät Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt. 298 S. MANTAU, U. 2001: Von der Waldfunktionenlehre zur Waldproduktlehre. In: Mantau, U. (Hrsg.) 2001: Beiträge zur Vermarktung der Umwelt- und Erholungsleistungen des Waldes. Sonderveröffentlichung AFZ-Der Wald: S. 10-14
32
Siehe THOROE et al. 2003, S. 56.
Die wirtschaftliche Situation der Forstwirtschaft
97
MUSSHOFF, O. u. K. JERCHEL 2010: Die Umstellung landwirtschaftlich genutzter Flächen auf Kurzumtriebsplantagen – Eine Anwendung des Realoptionsansatzes; eingereicht AFJZ. MÖHRING, B. 1994: Über ökonomische Kalküle für forstliche Nutzungsentscheidungen; Schriften zur Forstökonomie, Band 7; Sauerländer’s Verlag, Frankfurt a.M. MÖHRING, B, 2004: Betriebswirtschaftliche Analyse des Waldumbaus; Forst und Holz, S. 523530 MÖHRING, B. 2010: Optimierung der forstlichen Produktion unter Beachtung von finanziellen Restriktionen; Schweiz. Zeitschrift für Forstwesen, im Druck MÖHRING, B. u. B. KRÜCKE 2001: Auswirkungen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 auf die Besteuerung forstlicher Einkommen; Forst und Holz, S. 762-767 MÖHRING, B., LEEFKEN G. und C. GUTSCHE 2008: Betriebswirtschaftliche Bewertung von Buchenwäldern. In: Ergebnisse angewandter Forschung zur Buche. Beiträge aus der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt, Band 3, Hrsg.: Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt, Universitätsverlag Göttingen, S. 327-343. MÖHRING, B. u. U. RÜPING 2006: Bewertungskonzept für forstliche Nutzungsbeschränkungen; Schriften zur Forstökonomie, Band 32, Sauerländer’s Verlag Frankfurt a.M. MÖHRING, B. STAUPENDAHL, K. u. G. LEEFKEN 2010: Modellierung und Bewertung naturaler forstlicher Risiken mit Hilfe von Überlebensfunktionen. Forst und Holz 4, S. 26 – 30. NGUYEN, T. K. T. 1999: Kriterien für eine entschädigungspflichtige Inhaltsbestimmung; Studien zur Rechtswissenschaft, Band 55, Verlag Dr. Kovac, Hamburg POLLEY, H., HENNING, P. u. F. SCHWITZGEBEL 2009: Holzvorrat, Holzzuwachs, Holznutzung in Deutschland; AFZ-Der Wald, S. 1076- 1078. RÖHRIG, E., BARTSCH, N. u. B. v. LÜPKE, 2006. Waldbau auf ökologischer Grundlage. 7. Aufl., UTB/Ulmer, Stuttgart. SCHEEDER, T. 1999: Bürokratiekosten in privaten Forstbetrieben, Schriften zur Forstökonomie, Band 20, Sauerländer’s Verlag, Frankfurt a.M. SELCHERT, F.W. 1997: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Übersichtsdarstellungen, 6. Aufl., Oldenbourg Verlag, München u. Wien SPEIDEL, G. 1984: Forstliche Betriebswirtschaftslehre, Verlag Paul Parey, Hamburg u. Berlin THOROE, C., DIETER, M., ELSASSER, P., ENGLERT, H., KÜPPERS, J.G. u. H.-W. ROENIG 2003: Untersuchungen zu den ökonomischen Implikationen einer Präzisierung der Vorschriften zur nachhaltigen, ordnungsgemäßen Forstwirtschaft bzw. von Vorschlägen zur Konkretisierung der Guten fachlichen Praxis in der Forstwirtschaft, Arbeitsbericht Institut für Ökonomie, BFH Hamburg
§6
Nachhaltige Waldbewirtschaftung auf ökologischen Grundlagen
Hermann Spellmann Ausgehend von den Besonderheiten der Waldbewirtschaftung, dem Leitbild einer nachhaltigen, multifunktionalen Forstwirtschaft und der waldbaulichen Ausgangssituation in Deutschland werden die wesentlichen Elemente eines Waldbaus auf ökolgischen Grundlagen skizziert. Dazu werden verschieden Aspekte der Walderneuerung, der Waldpflege und der Waldnutzung allgemein und baumartenspezifisch beleuchtet und einige praktische Empfehlungen gegeben. Am Ende wird eine Positionierung gegenüber den großen Herausforderungen Sicherung der Rohholzversorgung, Anpassung an den Klimawandel und Erhaltung der Biodiversität vorgenommen.
I. Tradition und Innovation Die Geschichte des Waldbaus verzeichnet zahlreiche Strömungen und Wellen. Sie spiegeln sich vielfach deutlicher in den öffentlichen Diskussionen, Fachbeiträgen und Tagungsberichten der Vergangenheit wider, als im Walde selbst. Dies hängt mit der Langfristigkeit der forstlichen Produktion zusammen, die keine Umbrüche und Kehrtwendungen von heute auf morgen zulässt. Hingegen ist ein schrittweiser Wandel möglich und notwendig. Er stellt eine Anpassung an Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen, der gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald, der Umweltbedingungen, der technischen Möglichkeiten und neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse dar, ohne dass vorhandene Strukturen missachtet werden und mit gesicherten Erfahrungen der Praxis gebrochen wird. In der heutigen, schnelllebigen Zeit erscheint ein solches Fortschrittsdenken konservativ. Es trägt aber den Besonderheiten der Waldbewirtschaftung Rechnung, zu denen neben ihrer langfristigen Ausrichtung auch die weitreichende Bindung an die Standortsverhältnisse, die Einheit von Produktionsmittel und Produkt in Form der Waldbäume, die große Flächenbedeutung sowie die oft nicht substituierbaren Wirkungen und Leistungen des Waldes bzw. der Forstwirtschaft zählen. Das heute immer häufiger zu beobachtende grundsätzliche Infragestellen des Herkömmlichen, das begierige Aufgreifen neuer Ideen, ohne sie zu hinterfragen und das VerO. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Hermann Spellmann
allgemeinern von Ausnahmen löst keine Probleme und führt nicht weiter. Gutes bewahren und für Neuerungen offen sein, ist der richtige Weg. Die notwendige Orientierung gibt das Prinzip der Nachhaltigkeit, das vor mehr als 250 Jahren von deutschen Forstleuten entwickelt und erst in jüngerer Vergangenheit vom Umweltschutz „neu“ entdeckt wurde. Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro wurde die Forderung nach weltweiter Einführung einer nachhaltigen, umwelt- und sozialgerechten Bewirtschaftung der Wälder in den Mittelpunkt der internationalen Politik zum Schutz und zur langfristigen Erhaltung der Wälder gerückt. Im sog. UNCED-Nachfolgeprozess wurden nach der Helsinki-Konferenz von 1993 europäische Initiativen zum Schutz der Wälder in Europa ergriffen. Parallel dazu wurden international und national Zertifizierungssysteme eingeführt.
II. Das Prinzip der Nachhaltigkeit Das Prinzip der Nachhaltigkeit wurde aus der Holznot geboren und sollte anfangs die Holzversorgung sicherstellen. Es breitete sich in der forstlichen Praxis schnell aus und wurde zum Grundgesetz einer geordneten Forstwirtschaft in Mitteleuropa. Gleichzeitig beflügelte es die Entwicklung der Forstwissenschaften, denn man benötigte umfangreiches Wissen, um die Waldnutzung nachhaltsgerecht räumlich und zeitlich zu regeln. Entsprechend den sich ändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen erfuhr der Nachhaltigkeitsbegriff im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts einen starken Bedeutungswandel. Der Nachhaltigkeit der Holzerträge (nach Hartig 1804) folgte die Nachhaltigkeit der Holzerzeugung (nach Heyer 1841), danach die Nachhaltigkeit der Gelderträge (nach Ostwald 1931). Im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg vollzog sich in Deutschland der Übergang von einer Versorgungsforstwirtschaft zu einer multifunktionalen Forstwirtschaft, die eine Nachhaltigkeit der Vielfachnutzungen (nach Speidel 1972) anstrebt. Dieser Form der Nachhaltigkeit liegt die Erkenntnis zugrunde, dass zu einer modernen Forstwirtschaft die drei sich gegenseitig bedingenden Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales gehören. Der Wald ist eine unverzichtbare Lebensgrundlage für die Gesellschaft. Zu deren Sicherung bedarf es wirtschaftlich gesunder Forstbetriebe, deren ökonomische Basis die Holzproduktion ist. Die ökologischen und sozialen Leistungen der Forstbetriebe entspringen ihrer Gemeinwohlverpflichtung und rechtfertigen eine öffentliche ökonomische Unterstützung der Forstwirtschaft (Höltermann u. Oesten 2001). Die forstliche Bewirtschaftung dient der zielgerechten Steuerung von Waldentwicklungen, die handelnden Akteure sind die Waldbesitzer bzw. die Forstbetriebe. Alle Waldbesitzarten in Deutschland eint bisher das gemeinsame Leitbild einer nachhaltigen, multifunktionalen Forstwirtschaft. Es wird versucht, auf dem Wege
Nachhaltige Waldbewirtschaftung auf ökologischen Grundlagen
101
des Kompromisses die vielfältigen Ansprüche an den Wald in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft angemessen zu berücksichtigen. Dazu werden i. d. R. auf der gleichen Fläche Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen gleichzeitig verfolgt, die Eigentümerinteressen beachtet, die waldbaulichen Ziele und Methoden mit den ökologischen Erfordernissen und den ökonomischen Möglichkeiten in Übereinstimmung gebracht und es wird angestrebt, den nachfolgenden Generationen wenigstens ebensoviel Nutzen aus dem Wald zu sichern, wie er der derzeitigen Generation zur Verfügung steht. Von Seiten des Naturschutzes wird dieses Leitbild immer stärker angezweifelt und zunehmend eine Trennung der Waldfunktionen gefordert. So werden verschiedenartige Positionen wie radikale Extensivierung, Prozessschutz, Großschutzgebiete ohne Nutzung, strenge Auflagen für die Bewirtschaftung und starke Einschränkungen der Nutzungen in die forstpolitische Debatte gebracht, die an der Identität der Forstwirtschaft und der Existenz der Forstbetriebe rütteln.
III. Kriterien und Indikatoren einer nachhaltigen Forstwirtschaft Das Prinzip der Nachhaltigkeit lässt sich erst dann umsetzen, wenn angegeben wird, für welche Zustände, Wirkungen und Leistungen des Waldes bzw. der Forstwirtschaft Kontinuität bzw. Verbesserung gefordert werden. Einen wesentlichen Anhalt für diese Konkretisierung bietet der Katalog der gesamteuropäischen Kriterien und Indikatoren einer nachhaltigen, multifunktionalen Forstwirtschaft, der 2003 in Wien auf der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa verabschiedet wurde (MCPFE 2003). Der Katalog unterscheidet zwischen 6 Kriterien, die die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit strukturieren, und 36 quantitativen Indikatoren, mit denen sich Zustände beschreiben und Veränderungen aufzeigen lassen (s. Tab. 1). Die quantitativen Indikatoren repräsentieren die Vielfalt der Sachziele einer multifunktionalen Forstwirtschaft, die zueinander komplementär, indifferent, konkurrierend oder konträr sein können. Sie lassen sich inhaltlich ordnen, zu einem Zielsystem strukturieren und über die Gewichtung der Zielelemente können die verschiedenen Prioritäten der Waldeigentümer bzw. regionale Besonderheiten berücksichtigt werden. Zur Erreichung der gesetzten Ziele und zur Sicherung des zukünftigen Erfolges der Forstbetriebe bauen die Strategien der Forstwirtschaft im Wesentlichen auf den Elementen Waldbau auf ökologischen Grundlagen, Integration statt Segregation der Waldfunktionen, Risikobegrenzung und Risikoverteilung sowie Produktivitätssteigerung und Rationalisierung auf.
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Hermann Spellmann
Tabelle 1 : Gesamteuropäische Kriterien und Indikatoren einer nachhaltigen Forstwirtschaft (MCPFE 2003). Kriterium I
Kriterium II
Kriterium III
Kriterium IV
Kriterium V
FORSTLICHE RESSOURCEN
GESUNDHEIT UND VITALITÄT
PRODUKTIONSFUNKTION
BIOLOGISCHE DIVERSITÄT
SCHUTZFUNKTIONEN
Waldfläche nach Waldgesellschaften
Deposition aus der Luft
Baumartenzusammensetzung
(Boden, Wasser)
Holzvorrat
chem. Bodenzustand
Alters- bzw. Durchmesserstruktur
Nadel-/Blattverluste
Kohlenstoffvorrat
Waldschäden (abiotisch, biotisch; Bewirtschaftung)
Zuwachs und Nutzung Rundholz (Wert und Menge)
Nichtholzprodukte (Wert und Menge)
vermarktungsfähige Dienstleistungen Fläche mit FE-Planung
Anteile versch. Verjüngungstypen
Schutzwälder Schutzwälder (Klima, Lärm, Immissionen, Sicht)
Kriterium VI SOZIOÖKONOMISCHE FUNKTIONEN Eigentümerstruktur Anteil am BruttoInlandsprodukt
Naturnähe der Wälder
Reinertrag der Forstbetriebe
Anbaufläche fremdl. Baumarten
Investitionen in die Forstwirtschaft
Totholz
Beschäftigte in der Forstwirtschaft
(Vorrat stehend / liegend)
Genressourcen
Arbeitsunfälle im Wald
Landschafts-diversität
Holzverbrauch pro Kopf
Anzahl gefährdeter Waldarten
Holzhandel (Import / Export)
Vorrangflächen Naturschutz
Energiegewinnung aus Holz Recyclingrate für Papierprodukte Erholungswald Kultur- und Naturdenkmale
IV. Waldbauliche Ausgangssituation Deutschland weist eine Waldfläche von ca. 11,1 Mio. ha mit einer reichen Standortspalette auf, deren Unterschiede durch Einträge aus der Luft immer mehr nivelliert und deren waldbauliche Gestaltungsspielräume durch den projektierten Klimawandel zunehmend eingeengt werden. Es handelt sich ganz überwiegend um ein natürliches Laubwaldgebiet mit führender Buche. Waldaufbau und Altersstruktur spiegeln die Waldgeschichte wider. Es überwiegen Bestände des schlagweisen Hochwaldes, die nach den Ergebnissen der zweiten Bundeswaldinventur 2002 und der Inventurstudie 2008 zunehmend ungleichaltrig, zwei- bzw. mehrschichtig und gemischt sind. Die Nadelbaumarten haben noch einen Flächenanteil von 57 %, die Laubbaumarten mittlerweile von 43 %. Eine artenreiche Naturverjüngung ohne Zaun wird auf weiten Flächen durch zu hohe Wildbestände verhindert. Der Gesundheitszustand der Bäume hat sich nach den Ergebnissen der Waldzustandserhebungen in den letzten zwanzig Jahren aufgrund abnehmender Einträge aus der Luft und umfangreicher Kompensationskalkungen gebessert. Sowohl im öffentlichen Wald als auch im meist klein strukturierten Privatwald überwiegen aufgrund der Reparationshiebe und mehrerer Großkalamitäten die Bestände der II. und III. Altersklasse. Mit einem Holzvorrat von rund 3,4 Mrd. m³
Nachhaltige Waldbewirtschaftung auf ökologischen Grundlagen
103
und einem Holzeinschlag in Höhe von ca. 70 Mio. m³ rangiert die deutsche Forstwirtschaft im europäischen Vergleich auf den ersten Plätzen. Während die energetische Nutzung überwiegend auf der Verwertung von Laubholz beruht, wird der wirtschaftliche Erfolg der Forstbetriebe und der holzbe- und -verarbeitenden Industrie vor allem vom Nadelholz getragen. Im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2008 betrug der Nadelholzanteil am Gesamteinschlag in Deutschland 78 %, von denen ca. 60 % auf die Fichte entfielen (BMELV 2009). Die Nadelschnittholzproduktion stieg im selben Zeitraum von 15,8 Mio. m³ auf 22,0 Mio. m³, während die Laubschnittholzproduktion bei ca. 1,1 Mio. m³ stagnierte. Die im Wesentlichen auf Nadel-Industrieholz beruhende Holzwerkstoffproduktion stieg von 8,8 Mio. m³ im Jahre 2002 auf 10,2 Mio. m³ im Jahre 2008. In der Zellstoffindustrie erhöhte sich der Nadelholzverbrauch von 2,9 auf 5,4 Mio. m³, während sich der Laubholzverbrauch von 1,1 auf 0,9 Mio. m³ verringerte (BMELV 2009). Infolge steigender Nachfrage und zunehmender Konkurrenz zwischen stofflicher und energetischer Holznutzung zeichnen sich mittlerweile Engpässe in der Rohholzversorgung insbesondere beim Nadelholz ab. Die gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald haben sich in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich geändert und dem Naturschutz einen neuen Stellenwert eingeräumt. Bezogen auf die Gesamtwaldfläche unterliegen 26 % der Wälder einer strengen Schutzgebietskategorie (NATURA 2000, Naturschutzgebiet, Biosphärenreservat, Nationalpark), 41 % einer moderaten (Landschaftsschutzgebiet, Naturpark) (Polley 2009). Mehr ein neues Phänomen ist der von Institutionen und Verbänden des Naturschutzes geforderte Schutz ökologischer Prozesse, der bei einer strengen Befolgung zu einem Verzicht auf Nutzung und zu einem Verlust der Gestaltungsmöglichkeiten im Walde führt. Nach der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung sollen 5 % der Waldfläche aus der Nutzung genommen werden.
V. Waldbau auf ökologischen Grundlagen Aus der Situationsbeschreibung und den sich abzeichnenden Trends ergeben sich vielfältige Herausforderungen für die Forstwirtschaft. In der biologischen Produktion müssen die Forstbetriebe ihr waldbauliches Handeln anpassen und dabei sowohl die Dynamik der Standorte, die ökologischen Ansprüchen der Baumarten als auch die Wechselbeziehungen zwischen den Gliedern der Waldlebensgemeinschaften beachten und aufeinander abstimmen. Die wesentlichsten Elemente eines solchen, von Dengler (1930) begründeten Waldbaus auf ökologischen Grundlagen sind die standortsgemäße Baumartenwahl, die Beachtung der Verjüngungsökologie und des Wachstumsganges der Baumarten, die Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit, Schattenerträgnis und Selbstdifferenzierung, die Vermeidung von biotischen und abiotischen Risiken, die Vermeidung negativer Wechselwirkungen zu benachbarten Systemen (Energie- und Stoffhaushalt) sowie die Auswirkungen auf die Zusammensetzung von Landschaften (vgl. Tab. 2).
Buche
Winterfrostgefährdung
Spätfrosttgefährdung
Bestand Besatnd mäßige Selbstdifferenzie- starke Selbstdifferenzierung lang anhaltendes Höhenwachstum rel. geringe Disposition
rung in der Jugend
früh kulminierendes
Wachstum Disposition ggü.
Selbstdiffe-
renzierung
periodische Samenproduktion, keine Besied-
periodische Samenpro-
Vermehrung duktion, keine Besiedlung von Freiflächen
kungen)
lung von Freiflächen
(Ausnahme Pilzerkran-
kungen Eichenmehltau
Eichenfraßgesellschaften, ggü. biotischen Schäden
Eichenkomplexerkran-
Gefährdung
Schattenintensität als
Schattenintensität als
verhältnisse
in der Jugend, große
geringe Schattenerträgnis große Schattenerträgnis
Herzwurzler
schen Extremen, Spät- u. merdürre, kaum Frostge- klimatischen Extremen,
Sommerwärme, geringe
Pfahlwurzler
überschuss empfindlich ggü. klimati- empfindlich ggü. Som-
Freiflächen
breitung, Besiedlung von
mit effektiver Windver-
häufige Samenproduktion
biotischen Schäden
on ggü. abiotischen u.
relativ geringe Dispositi-
wachstum
lang anhaltendes Höhen-
rung
starke Selbstdifferenzie-
tenintensität als Bestand
der Jugend, mittl. Schat-
mittl. Schattenerträgnis in
Tiefenerschließung
fäh d Herzwurzler mit guter
Spät- u. Winterforstge-
klimatischen Extremen,
serüberschuss unempflindlich ggü.
empfindlich ggü. Was-
breite Nährstoffamplitude
Douglasie
duktion, begrenzte Besiedlung von Freiflächen
mit effektiver Windverbreitung
häufige Samenproduktion periodische Samenpro-
rung rung Kulmination des Höhenfrüh kulminierendes zuwachses im Alter 15Wachstum 25 hohe Disposition ggü. hohes biotisches Risiko biotischen u. abiotischen durch Pilze und Insekten Schäden
keine Frostgefährdung fährdung Flachwurzler auf physioanpassungsfähig in der logisch flachgründigen Durchwurzelung St d t geringe Schattenerträgnis mittl. Schattenerträgnis in in der Jugend, geringe der Jugend, mittl. SchatSchattenintensität als tenintensität als Bestand Bestand geringe Selbstdifferenzie- geringe Selbstdifferenzie-
Wasserüberschuss unempfindlich ggü.
Wassermangel bzw.
Wasserüberschuss benötigt Mindestmaß an
sermangel
sermangel bzw. Wasser-
empfindlich ggü. Was-
empfindlich ggü. Was-
Wassermangel bzw.
ansprüche unempfindlich ggü.
geringe Nährstoff-
Kiefer
unempflindlich ggü.
in der Jugend, mittl.
Wachstum
Fichte
breite Nährstoffamplitude breite Nährstoffamplitude breite Nährstoffamplitude
Eiche
Strahlungs-
wurzelung
Durch-
extreme
Witterungs-
halt
Wasserhaus-
haushalt
Eigenschaften Nährstoff-
Ökologische
104 Hermann Spellmann
Tabelle 2 : Ökologische Ansprüche und Eigenschaften wichtiger Baumarten.
Meist bieten sich in der Praxis mehrere gut begründbare Möglichkeiten an, um die jeweiligen waldbaulichen Ziele zu erreichen. Diese sollten sich aber nicht nur auf
Nachhaltige Waldbewirtschaftung auf ökologischen Grundlagen
105
die Verbesserung der Ertragsaussichten und die Senkung der Risiken beziehen, sondern auch der Gemeinwohlverpflichtung des Waldeigentums Rechnung tragen und die Umwelt schützen sowie die Vielfalt der Standorte, Arten und Lebensgemeinschaften erhalten.
1. Walderneuerung Bodenschutzmaßnahmen sichern die Produktionsgrundlagen der Forstwirtschaft. Zum Erhalt bzw. zur Wiederherstellung der Standortsvielfalt muss einerseits auf Düngungen und Entwässerungen zur Leistungssteigerung verzichtet werden, andererseits sind teure Bodenschutzkalkungen und ggf. die Zufuhr weiterer Nährelemente zur Abpufferung der sauren Einträge, zur Verbesserung der Basensättigung, zum Ausgleich von Nährstoffungleichgewichten und zur Fixierung von Schwermetallen notwendig. Bodenbearbeitungen dürfen grundsätzlich nur noch streifenbzw. plätzeweise erfolgen, um das Bodengefüge zu erhalten und das Humuskapital zu schonen. Gleiches gilt für Erstaufforstungsflächen, auf denen die Nitratausträge mit der Intensität der Bodenbearbeitung deutlich zunehmen. Bodenschäden durch Befahren müssen schließlich durch ein festes Erschließungsnetz in den Beständen vermieden werden. Die Baumartenwahl ist die wichtigste langfristige Entscheidung im Forstbetrieb. Mit ihr werden für die Dauer des Produktionszeitraumes Aufwand und Ertrag, die Lieferung von Infrastrukturleistungen, die Gestaltung des Landschaftsbildes und die Übernahme bestimmter Produktionsrisiken festgelegt (Speidel 1972). Gerade unter dem Gesichtspunkt der Risikobegrenzung hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Baumarten standortsgemäß sein müssen. Folgt man der Definition von v. Lüpke (1995), dann ist eine Baumart „… standortsgemäß, wenn ihre Bedürfnisse an Strahlung, Wärme, Wasser und Nährstoffen durch Boden und Klima des Anbauortes gut erfüllt sind. Dies äußert sich in Gesundheit, Vitalität und gutem Wachstum“. Abgesehen von Zwangsstandorten und den sich durch den Klimawandel abzeichnenden Grenzstandorten gibt es i. d. R. nicht nur eine richtige Lösung, sondern gleich mehrere Anbaualternativen. Diese schließen auch die wenigen anbauwürdigen, ökologisch zuträglichen fremdländischen Baumarten ein (Otto 1993, Spellmann 1994). Sie ermöglichen eine weitere Auswahl nach den Kriterien Holzproduktion, Infrastrukturleistungen, Risikoverteilung, Naturnähe und monetäre Ergebnisse. Den Ausschlag müssen die Eigentümerinteressen geben. Bei der Umsetzung waldbaulicher Zielvorstellungen ist ein gehöriges Maß an Flexibilität gefragt, um im Sinne einer biologischen Rationalisierung Geschenke der Natur zu nutzen. So macht es keinen Sinn, in eine vollflächige BuchenNaturverjüngung noch krampfhaft Mischbaumarten einzubringen, die ständig gegen die Buche verteidigt werden müssen oder es kann richtig sein, auf einem Traubeneichen-Standort eine teilflächig angekommene Fichten-Kiefern-Eichen-
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Hermann Spellmann
Mischverjüngung mit Buchen und Eichen anzureichern, anstatt sie vollflächig in Traubeneiche-Buche umzuwandeln. Wie weit die Akzeptanz von Abänderungen der Zielvorstellungen gehen kann, hängt letztlich von deren Flächenumfang und den damit verbundenen Risiken ab. Hohe Artendiversität bedeutet oft höhere Stabilität, fast immer aber höhere Elastizität zum Ausgleich von Störungen (Otto 1994). Mischbestände sind dementsprechend gegenüber biotischen und abiotischen Störungen weniger anfällig als Reinbestände. In Deutschland ist die Buche die wichtigste Mischbaumart. Die von allen Waldbesitzarten angestrebte Mischwaldvermehrung wird somit nicht nur zu mehr Stabilität, sondern auch vielerorts zu mehr Naturnähe führen. Mit der Buche, aber auch sonst, gibt es fast keine spannungsfreien Mischungen. Daher sind bei der Begründung von Mischbeständen die Standortsansprüche und Wachstumsrhythmen der Baumarten streng zu beachten, um den Erfolg der Mischungen zu sichern, den Pflegeaufwand zu begrenzen und natürliche Abläufe nutzen zu können. Wichtige Entscheidungshilfen bieten die standortsabhängige Leistungsfähigkeit der Baumarten, die Kulminationszeitpunkte ihrer Zuwachsgrößen, ihre Schattenerträgnis, die Fähigkeit ihrer Kronen, auf Freiräume zu reagieren bzw. seitlichen Druck zu ertragen, und ihr Standraumbedarf zum Erreichen bestimmter Zieldurchmesser. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist es meist empfehlenswert, die Baumarten in gleichaltrigen Mischungen gruppen- bis horstweise oder kleinflächig zu mischen. Die betriebswirtschaftliche Bedeutung unterschiedlicher Mischungsanteile darf dabei nicht unterschätzt werden. Sie wirken sich erheblich auf die Begründungskosten, die Pflegeintensität und die Werterträge aus (Spellmann 1995, 2005). Unverzichtbare Voraussetzung für die Entwicklung von Mischbeständen sind angepasste Wilddichten. Bei Voranbauten sollte die schattentolerante Buche bevorzugt auf den noch überschirmten Teilflächen eingebracht werden. Dies verschafft ihr in FichtenReinbeständen Konkurrenzvorteile gegenüber ankommender Naturverjüngung, während in Kiefern- oder Lärchen-Beständen so die lichteren Bestandesteile für die natürliche Verjüngung dieser bzw. anderer Baumarten verbleiben. Die Walderneuerung sollte in Zukunft nach Möglichkeit kahlschlagfrei erfolgen. Für die Bevorzugung natürlicher Waldverjüngungen sprechen das höhere Anpassungspotenzial, die Vermeidung von Nährstoffverlusten, die Minderung der Spätfrost- und Mäusegefahr, die meist bessere Jungbestandsqualität, die Konkurrenzsteuerung mit Hilfe des Schirmes, der Lichtungszuwachs der Altbäume und die Möglichkeit der einzelstammweisen Nutzung nach Zielstärke. Darüber hinaus kosten Naturverjüngungen wesentlich weniger als Pflanzungen oder Saaten. Bezüglich des Verjüngungsverfahrens wird heute vielfach die Plenterung als erstrebenswert angesehen. Plenterwälder haben den Vorteil, dass sie sich ständig
Nachhaltige Waldbewirtschaftung auf ökologischen Grundlagen
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und spontan ohne markante Kronenunterbrechungen erneuern und durch ihre günstige Produktionsökonomie überzeugen (vgl. Schütz 1994). Diese Waldaufbauform ist aber an bestimmte Standorte und schattentolerante, zur Differenzierung neigende Mischungen gebunden, wie z. B. die Tannen-Buchen-FichtenPlenterwälder in Süddeutschland. Die oft zitierten strukturreichen BuchenPlenterwälder in Thüringen stellen hingegen mit ihren Edellaubbaumbeimischungen eher Übergänge zum Femelwald dar. Der dieser Hiebsform zugrunde liegende Femelschlagbetrieb bietet mit seinen verschiedenen Varianten die besten ökologischen Bedingungen für die vielerorts angestrebten Mischverjüngungen. Es gibt aber nicht nur den einen richtigen Weg bei der Walderneuerung, sondern derer viele. Die Wahl des Verjüngungsverfahrens hängt letztendlich von den jeweiligen Standortsfaktoren und der Struktur, Reife, Vitalität und Lagerung der Altbestände ab. Auch kleinflächige Kahlschläge haben heute noch ihre Daseinsberechtigung, ob in aussetzenden Betrieben, wenn innerbetriebliche Erfordernisse dies verlangen, oder in Nachhaltsbetrieben, wenn es z. B. gilt, Lichtbaumarten wie die Eiche zu verjüngen, starkholzreiche Fichtenbestände zu überführen, Fehlbestockungen umzuwandeln oder die natürliche Verjüngung ungeeigneter Herkünfte zu verhindern. Bei der künstlichen Bestandesbegründung wurden in den letzten 30 Jahren die Pflanzenzahlen stark gesenkt. Während dies bei den Nadelbaumarten zur Erhöhung der Stabilität und zu echten Rationalisierungserfolgen geführt hat, entpuppen sich mittlerweile viele Einsparungen bei den Laubbaumarten als Scheinrationalisierungen zulasten der Qualität der Bestände. Auch die Rationalisierungsversuche mit teilflächigen Pflanzungen, wie sie von Szymanski (1986) in Form der Nesterpflanzung bzw. von Gockel (1994) in Form der Trupppflanzung für Eiche empfohlen wurden, oder durch die Verwendung von Lohden und Heistern oder die Ausnutzung von Füll- und Treibhölzern haben sich vielfach nicht bewährt. Alle drei Alternativen sind an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Teilflächige Anbauten stehen vor dem Problem, dass gute Bäume nicht gleichmäßig verteilt sind und in der Jungbestandsphase die Gefahr besteht, nicht genügend Z-Baum-Anwärter zur Verfügung zu haben. Darüber hinaus setzen zumindest die Nesterpflanzungen Füll- und Treibhölzer in milder Konkurrenz voraus, da die Eichen ohne diese Umfütterung qualitativ nicht befriedigen bzw. bei starker Konkurrenz der Nebenbaumarten auf besseren Standorten untergehen. Der Erfolg von Lohden- und Heisterpflanzungen ist ebenfalls an das Vorhandensein von Füll- und Treibhölzern gebunden. Außerdem sind sie erst bei Pflanzenzahlen unter 1000 Stck/ha und Eigenanzucht wirtschaftlicher als Normalkulturen und sie setzen eine einwandfreie Logistik voraus. Die Möglichkeiten Füll- und Treibhölzer zur Senkung der Pflanzenzahlen zu nutzen, hängen stark von den Standortsverhältnissen ab. Auf den mäßig nährstoffver-
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sorgten Standorten ohne Wasserüberschuss sind moderate Absenkungen der Pflanzenzahlen möglich, da hier die Konkurrenz der Weichlaubhölzer meist milde ist. Auf den besser versorgten und grundwasserbeeinflussten Standorten müssen die Bestände hingegen stammzahlreicher begründet werden, um das Ankommen und die Entwicklung der dort zur Verdämmung neigenden Weichlaubhölzer zu begrenzen und um Jungwuchspflegekosten zu vermeiden.
2. Waldpflege Die Jungwuchspflege wurde lange Zeit zu intensiv durchgeführt. Heute sollte nur noch dann eingegriffen werden, wenn dies aus Stabilitäts- oder Qualitätsgründen, zur Mischungsregulierung oder zur Beseitigung von Hiebsschäden unbedingt notwendig ist. Eine besondere Herausforderung stellen flächige, stammzahlreiche, wenig differenzierte Fichten-Naturverjüngungen unter lichtem Schirm oder auf Freiflächen dar. Bei ihnen sollte eine frühzeitige Stammzahlreduktion mit dem Freischneidegerät bei Oberhöhen von 1 bis 2 m das Regelverfahren sein, um die Einzelbaumstabilität zu erhöhen, eine günstigere Durchmesserentwicklung und damit verbunden später eine bessere Sortimentsstruktur zu erreichen, die Übersichtlichkeit in den Beständen zum Zeitpunkt der Erstdurchforstung (Harvestereinsatz, Erntekosten) zu verbessern und durch längere grüne Kronen der Schälgefährdung entgegenzuwirken. Bei der Regulierung konkurrierender Bodenvegetation sollte grundsätzlich nicht mehr mit Herbiziden, sondern mit mechanischen bzw. biologischen Verfahren gearbeitet werden. Ausnahmen können sich bei einer schwerwiegenden Gefährdung der Verjüngung durch z. B. Waldreitgras, Adlerfarn oder Spätblühende Traubenkirsche ergeben. In der Läuterungsphase wird heute in Abhängigkeit von der Baumart und der jeweiligen waldbaulichen Ausgangssituation wesentlich differenzierter vorgegangen als früher. An die Stelle des reinen Protzenaushiebes ist vermehrt eine Kombination aus Protzenaushieb und Förderung einer begrenzten Zahl gut veranlagter Bäume getreten, aufgrund weiterer Ausgangsverbände haben sich starke Stammzahlreduktionen zur Erhöhung der Stabilität weitgehend erübrigt, zur Senkung der Kosten konzentrieren sich die Eingriffe auf die herrschende Schicht und die Erhaltung bzw. Förderung von Mischbaumarten hat eine große Bedeutung erlangt. Für die Hauptbaumarten heißt dies: In gepflanzten Fichten-Jungbeständen sind Regulierungseingriffe i. d. R. nicht erforderlich, während in stammzahlreichen, wenig differenzierten Fichtendickungen aus Naturverjüngung bei Oberhöhen von 5 bis 6 m 200 bis 300 gut veranlagte Vorwüchse in einem Radius von ca. 2,0 m von ihren Konkurrenten im Herrschenden freigestellt werden sollten (Ausleseläuterung). In Douglasien-Jungbeständen ist im Prinzip ähnlich zu verfahren, wobei die Eingriffsstärke entscheidend von der Selbstdifferenzierung der Bestände ab-
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hängt. Buchen-Reinbestände sollte man bis zum Ende der Stangenholzphase sich selbst ausdifferenzieren lassen und lediglich von Protzen befreien. In BuchenMischbeständen kommt die Mischwuchsregulierung hinzu, die dann aber bereits auf die Pflege der besten Bäume ausgerichtet sein sollte. Dies gilt besonders für Mischungen mit den früh im Zuwachs kulminierenden Edellaubbaumarten. In ausreichend differenzierten, qualitativ guten Kiefern-Stangenhölzern sollte auf eine Läuterung verzichtet werden. In qualitativ schlechten Beständen müssen hingegen die wenigen guten geradschaftigen Bäume der herrschenden Schicht unabhängig von ihrer Verteilung durch die gezielte Entnahme von 1 bis 3 Bedrängern im Herrschenden erhalten werden (positive Auslese). Darüber hinaus empfiehlt es sich oft, missformige Vorwüchse zusätzlich zu entnehmen und Mischbaumarten angemessen zu sichern. Bei der Eiche ist in vielen Fällen auch eine Kombination von Ausleseläuterung und Protzenaushieb ratsam, die ebenfalls bei Oberhöhen von 8 bis 10 m durchgeführt werden sollte. Die Ziele der Durchforstung haben sich in den letzten Jahrzehnten mehrfach geändert. Heute werden vorrangig die Zielelemente Wertleistung, Stabilität, Kostensenkung und Struktur verfolgt. Sie lassen sich am besten mit der Durchforstungsart starke Hochdurchforstung aufeinander abstimmen, die zwei- oder mehrschichtige Bestände anstrebt. Bei ihr konzentriert sich die Pflege auf die Förderung der Zukunftsbäume durch Entnahme weniger guter Bäume im Herrschenden. Unter- und Zwischenstand werden zur Bodendeckung und Schaftpflege bewusst geschont. Dies ist nicht nur für die Pflege-, sondern auch für die Verjüngungsphase wichtig, denn mit einem ausreichenden Unter- und Zwischenstand lässt sich das Ankommen bzw. Ausbleiben der Naturverjüngung gut steuern. Da sich die gewünschten Vertikalstrukturen nur bei Schatten ertragenden Baumarten und in Mischungen aus Schatt- und Lichtbaumarten langfristig erhalten lassen, müssen in Beständen aus Lichtbaumarten dienende Baumarten eingebracht werden. Für die Hochdurchforstung kommt auch ein wirtschaftliches Argument zum Tragen, nämlich dass die Dimensionen der nur im Herrschenden entnommenen Bäume im Durchschnitt stärker sind als bei Niederdurchforstungen, wodurch die Werbungskosten gesenkt und die Erlöse angehoben werden. Die starke Hochdurchforstung sieht definitionsgemäß eine feste Bezeichnung der Z-Bäume vor. Die positive Auslese und gezielte Förderung der besten Bäume im Herrschenden hat sich vielfach in Rein- und Mischbeständen bewährt. Sie ist als eine der wichtigsten Rationalisierungsmaßnahmen in der biologischen Produktion anzusehen und trägt wesentlich dazu bei, die Fällungs- und Rückeschäden zu senken. In langfristig überschirmten, stark differenzierten Jungbeständen zeichnen sich häufig die Z-Bäume so deutlich ab, dass auf eine Markierung verzichtet werden kann. Da es nicht nur das soziale, sondern auch das qualitative Umsetzen gibt und die Risiken durch den Klimawandel allgemein zunehmen, sollte bei frühzeitiger Auswahl der Z-Bäume ihre Anzahl etwa 1,5 bis 2 mal so groß sein wie die erwartete
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Endbaumzahl (vgl. Schober 1988). Bei jeder folgenden Durchforstung ist die Eignung der Z-Bäume für eine weitere bevorzugte Pflege kritisch zu überprüfen. Im Laufe der Pflegephase entwickelt sich das Z-Baum-Kollektiv auseinander und reduziert sich von allein, die Durchmesserspreitung nimmt zu und die besten Zuwachsträger sind nicht gleichmäßig verteilt. Hieraus ergeben sich unterschiedliche Nutzungszeitpunkte und Strukturen für die Erziehung ungleichaltriger Rein- bzw. Mischbestände. Bei der Auswahl der Z-Bäume haben die Kriterien Vitalität und Qualität Vorrang vor dem Abstand. Dies führt zu ungleichmäßigen Verteilungen der Z-Bäume, wie sie auch von der Natur vorgegeben werden. Es müssen aber dennoch bestimmte Mindestabstände eingehalten werden, die den Z-Bäumen bzw. den als Einheiten zu behandelnden Z-Baum-Gruppen die notwendigen Standräume zur Erreichung der Zielstärken sichern. Auf die in der langen Pflegephase ebenfalls wichtigen Aspekte Pflegeintensität, Erhaltung seltener Arten und von Habitatbäumen, Ausnutzung von Störungslöchern für die Einbringung von Mischbaumarten, Erhaltung und Pflege von Sonderbiotopen, Waldrandgestaltung, Totholzerhaltung, Erschließung zur Vermeidung von Rücke- und Fällungsschäden sowie Möglichkeiten und Grenzen der Harvestertechnologie kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden.
3. Waldnutzung Viele Forstbetriebe in Deutschland sind Aufbaubetriebe. Der Grundsatz der Nachhaltigkeit gebietet es, vorsichtig mit den Altholzvorräten umzugehen und das Ertragsvermögen der Bestände optimal auszunutzen. In die gleiche Richtung weist das waldbauliche Ziel, die Wälder auf dem Wege der Naturverjüngung in strukturreiche, ungleichaltrige Mischwälder zu überführen bzw. als solche zu erhalten. Dies ist i. d. R. nur mit langen Nutzungs- und Verjüngungszeiträumen möglich. Dem steht gegenüber, dass heute viele Waldbesitzer mit großen Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben, die am schnellsten durch den Verkauf von stärkerem Holz zu verringern sind. Einen Lösungsansatz für diesen Konflikt zwischen naturalen und ökonomischen Zwängen bietet das Konzept der Zielstärkennutzung. Die Zielstärkennutzung ist die Nutzungsform im Plenterwald. Sie lässt sich auch auf andere Waldaufbauformen und Verjüngungsverfahren übertragen, wenn man den Wald soweit wie möglich einzelstamm- oder gruppenweise nach Hiebsreife nutzt. Mit dieser einzelbaumorientierten Strategie lassen sich Kahlflächen weitgehend vermeiden, Waldstrukturen verbessern, Naturverjüngungsmöglichkeiten ausnutzen, gleichmäßige Energie- und Stoffumsätze sichern und die Wertleistung oftmals erhöhen. Der Vergleich langfristig beobachteter Versuchsflächen mit Zielstärkennutzungs-Simulationen zeigt, dass in gleichaltrigen Beständen die Zielstärkennutzung zu einer größeren Zahl hiebsreifer Bäume führt, als sie sich bei
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einer durchschnittlichen Hiebsreife ganzer Bestände ergibt. Die Gesamtmasse hiebsreifen Holzes steigt aber nur bei Buche und Douglasie, während sie bei Fichte, Kiefer und Eiche sinkt. Bei allen Baumarten nimmt die durchschnittliche Stück-Masse der hiebsreifen Bäume ab. Die Unterschiede in der Gesamtmasse lassen sich durch die unterschiedlichen Wachstumsgänge der Baumarten erklären. Während bei Buche und Douglasie die Kulmination des laufenden Zuwachses relativ zeitnah mit dem Erreichen der Zielstärke zusammenfällt, ist dies bei Fichte, Kiefer und Eiche nicht der Fall (Spellmann 1999). Die verschiedenen betriebswirtschaftlichen Verfahren zur Bestimmung der Zielstärke arbeiten mit bzw. ohne Zinserwartung. Sie liefern wichtige Entscheidungshilfen, indem sie Handlungsrahmen abstecken und Zusammenhänge aufzeigen. So liegen die Zielstärken umso höher, je geringer der unterstellte Zinssatz, je höher der Zuwachs und je besser die Qualität ist. Bei einem multifunktionalen Bewirtschaftungsansatz spielen aber für die konkrete Entscheidung im Wald, ob und welche Bäume geerntet werden sollen, weitere Gesichtspunkte eine wichtige Rolle. Die Nutzung ist auch im Zusammenhang zu sehen mit der Vitalitäts- und Qualitätsentwicklung der Bäume, den Absatzmöglichkeiten, der Bedeutung der Bäume für Stabilität, Struktur und Verjüngung der Bestände sowie für die Stoffkreisläufe, den Naturschutz und das Landschaftsbild. Hier ähneln die einzelbaumbezogenen Abwägungen den früheren Überlegungen zur Einteilung der Endnutzungsbestände in hiebsnotwendige, hiebsreife und hiebsmögliche Bestände. Die Umsetzung des Zielstärkenkonzeptes ist umso leichter, je strukturreicher die Bestände sind. Vertikalstruktur, Durchmesserdifferenzierung, Baumverteilung, Dichteunterschiede, Vielfalt und Durchmischung sind hierfür die Weiser. Von den Baumarten lassen sich aus unterschiedlichen Gründen Kiefer, Douglasie und Buche relativ unproblematisch nach Zielstärke nutzen und langfristig verjüngen. Die heute vielerorts nach mehreren trockenen Sommern und häufigem Fruktifizieren zu beobachtenden schlechten Kronenzustände in Buchen-Verjüngungsbeständen stimmen allerdings nachdenklich. Bei Bergahorn, Esche und Lärche bestehen in der Verjüngungsphase Entwertungsprobleme, weil diese Baumarten zur Wasserreiserbildung neigen. Die Zielstärkekandidaten müssen daher langfristig durch intensive Kronenpflege auf den freieren Stand vorbereitet und durch einen dienenden Unter- und Zwischenstand umfüttert werden. Für die Verjüngung von Eichenbeständen sind Zielstärkennutzungen i. d. R. nicht zielführend. Auch hier besteht die Entwertungsgefahr. Außerdem sind Stiel- und Traubeneiche Lichtbaumarten mit geringer Überschirmungstoleranz. Spätestens ab der fünften Vegetationsperiode bedeutet jede Einschränkung der Strahlungszufuhr bei gleichzeitiger Anwesenheit konkurrenzstarker schattentoleranter Baumarten (Buche, Hainbuche, Winterlinde, Bergahorn) in der Verjüngungsschicht einen Konkurrenznachteil für die Eiche. Ein langsamer Hiebsfortschritt (Gruppenschirm- und Lochhieb) begünstigt die schattentoleranten Baumarten, während die Verjüngung im Großschirmschlag oder im Femelschlag mit sehr rascher Nachlich-
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tung die Eiche begünstigt. Die geringsten forstbetrieblichen Risiken birgt die Endnutzung über Kleinkahlschläge (0,5 - max. 1,0 ha), bei denen aus naturschutzfachlicher Sicht Gruppen lebensfähiger Überhälter als Habitatbäume belassen werden sollten. Um Hiebsopfer zu vermeiden, müssen die Bestände allerdings bereits überwiegend hiebsreif sein. Am schwierigsten sind die Verhältnisse bei unserer wichtigsten Wirtschaftsbaumart, der Fichte. Sie stockt großflächig in gleichaltrigen Reinbeständen, von denen viele in stabilere Mischbestände überführt werden sollen. Von dieser Baumart wissen wir, dass das Windwurf- und Waldschadensrisiko mit der Höhe und dem Alter steigt, dass geschlossene Bestände mit relativ glattem Kronendach und intaktem Stützgefüge weniger gefährdet sind, dass großkronige Bäume dem Sturm eine größere Angriffsfläche bieten und dass in der Vergangenheit bei Missachtung dieser Zusammenhänge und zu starken Eingriffen schon viel Lehrgeld gezahlt wurde. Zielstärkennutzungen sind daher gründlich vorzubereiten und das Vorgehen muss an die örtlichen Verhältnisse (Bestandesstabilität, Verjüngungsziel etc.) angepasst werden. Mit dem Beginn der Zielstärkennutzung wird i. d. R. die Verjüngungs- und Umbauphase eingeleitet. Zielsortiment ist im Allgemeinen Stammholz der Stärkeklasse 3a/3b. In Abhängigkeit vom Wertzuwachs des Einzelbaumes (Standort, Herkunft, Qualität, Schäden) oder aus waldbaulichen Gründen (Windwurfrisiko, Steuerung der Verjüngung) können jedoch Zielsortiment und durchmesser im Einzelfall von dieser Vorgabe abweichen. Sobald mehr als etwa 20 Fichten je ha ihre Zielstärke erreicht haben (differenziert nach Wuchskraft und Qualität), soll mit der Zielstärkennutzung begonnen werden. Dies kann in sehr wüchsigen Beständen bereits ab dem Alter 60 der Fall sein. Bei der Nutzung hiebsreifen Holzes ist ein besonderes Augenmerk auf die Festlegung der räumlichen Ordnung mit Bringungslinien, Voranbau- und Fällungszonen und die Begrenzung der Entnahmemassen auf 60-70 fm/ha je Eingriff zu legen. Bei der Zielstärkennutzung der Fichte sind die Risiken und betrieblichen Konsequenzen schwer einschätzbar. Es empfiehlt sich daher ein vorsichtiges, differenziertes Vorgehen in Abhängigkeit von den betrieblichen Verhältnissen, von Alter, Höhe, Struktur, Vitalität und Größe der Bestände sowie von den Standortsfaktoren Exposition und Gründigkeit. Anknüpfend an die Ausführungen zur Hochdurchforstung sollte man zunächst die vorhandenen Durchmesserdifferenzierungen in mittelalten Beständen (Alter 60 bis 80) dazu nutzen, hiebsreife Bäume zu ernten. Da diese Bäume nicht gleichmäßig verteilt sind, ergeben sich bereits Möglichkeiten für Voranbauten, die ggf. durch begrenzte niederdurchforstungsartige Eingriffe verbessert werden können. Die verbleibenden Fichten sind zu diesem Zeitpunkt weniger gefährdet als in höheren Altern und sie reagieren noch besser auf Freistellung. In dieser Phase, wie auch später, bestehen auf Osthängen und tiefgründigen Standorten größere Handlungsspielräume hinsichtlich Eingriffsstärke und flächiger Ausdehnung der Zielstärkennutzungen als auf flachgründigen Standorten und in exponierten Lagen.
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Die über 80-jährigen Fichtenbestände sind meist unterbestockt. In diesen Beständen sollte man zunächst Störungslöcher für die Einbringung von Mischbaumarten nutzen und deren Entwicklung durch die Steuerung des Seitenlichtes fördern, bevor man neue Verjüngungsflächen durch Zielstärkennutzungen schafft. Darüber hinaus empfiehlt sich ein vorsichtiges Vorgehen, obwohl dadurch bei dem begrenzten Verjüngungszeitraum der Verjüngungsfortschritt gebremst wird. Dies heißt konkret, Bevorzugung strukturreicherer Bestandesteile, Erhaltung eines Stützkorsetts aus einer ausreichenden Anzahl stabiler, zielstarker Bäume, Eingriffsstärken unter 60 Efm/ha und Nutzungsintervalle von ca. 5 Jahren. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass möglichst lange geordnet verjüngt und der Nachwuchs im Halbschatten erzogen werden kann, bevor die Bestockungsgrade soweit abgesenkt sind (B° 0,6), dass der Sturm das Handeln bestimmt. Bei femelartigen Verjüngungen müssen dabei auch zwangsläufig unter- und zwischenständige Bäume genutzt werden. Eine Alternative stellen die räumlich strenger geordneten zonenweisen Zielstärkennutzungen gegen die Hauptwindrichtung in einer Tiefe von 2 Baumlängen dar, die eine saumfemelartige Verjüngung erlauben (Richter 1995). In labilen Fichtenaltbeständen oder bei großflächigen Fichtenaltholzkomplexen wird es sich schließlich nicht vermeiden lassen, die Vorräte schneller im Zuge von Schirmschlägen, Saumschlägen und begrenzten Kahlschlägen zu nutzen und zu verjüngen. Auch innerbetriebliche Gründe können dies erforderlich machen.
VI. Ausblick Die fortschreitende Globalisierung der Märkte, der Klimawandel und die Erhaltung der Biodiversität stellen die Waldbesitzer auf absehbare Zeit vor große Herausforderungen. Auf den steigenden Rohholzbedarf kann die Forstwirtschaft nur unter Wahrung der Nachhaltigkeit reagieren. Zur Vermeidung der sich bereits abzeichnenden Versorgungsengpässe muss es sowohl darum gehen, bisher ungenutzte Rohholzpotenziale zu erschließen, als auch nicht kontinuierlich zu bedienende Überkapazitäten abzubauen. Die Inventurstudie 2008 hat gezeigt, dass erhöhte Nachfrage und gestiegene Preise mittlerweile eine verstärkte Rohholzmobilisierung im Kleinprivatwald bewirkt haben. Die Mehrnutzungen konzentrierten sich allerdings auf das Nadelholz, so dass bei einer besseren Ausnutzung der Laubholzpotenziale insgesamt noch Steigerungen möglich sind. Dies betrifft neben dem Buchenholzaufkommen auch die Nutzung der bestehenden Weichlaubholzpotenziale. Des Weiteren sollten im Hochwald die bisher auf Schwachholzvermeidung ausgerichteten Waldbaustrategien überdacht werden. Der Blick sollte wieder stärker vom Einzelbaum auf den Bestand gerichtet, Weitverbände mit ihren negativen Auswirkungen auf die Massenleistung und Qualitätsentwicklung vermieden und die Bestandespflege am Wachstumsgang der Baumarten orientiert werden. Durch Vollbaumnutzungen ließe sich darüber hinaus die Rohholzbereitstellung gegenüber einer reinen Derbholznutzung kurzfristig um ca. 20 % erhöhen. Dies kann aber in Abhängigkeit von den Standorten, den Bau-
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marten und dem Alter der Bestände mit zum Teil erheblichen Nährstoffentzügen verbunden sein, weshalb eine Vollbaumnutzung nur bei strenger Beachtung der standörtlichen Restriktionen ökologisch wie ökonomisch vertretbar ist. Die hochgesteckten Erwartungen an eine Ausweitung von Kurzumtriebsplantagen scheitern vielerorts an der Verfügbarkeit bisher landwirtschaftlich genutzter Flächen mit ausreichender Wasser- und Nährstoffversorgung. Grundsätzlich hat derzeit die Nahrungsmittelproduktion auf Ackerflächen und der Naturschutz auf Grünland Vorrang. Ausmaß, Geschwindigkeit sowie räumliche und zeitliche Verteilung der erwarteten Klimaänderungen haben gravierende Auswirkungen auf die Stabilität, Produktivität und Diversität der Wälder und die Rentabilität der Forstwirtschaft. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Forstwirtschaft risikoreicher wird. Abgesicherte Klima-Anpassungsstrategien für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung sind derzeit noch nicht verfügbar. Die angewandte forstliche Forschung hat sich aber intensiv des Themas angenommen und ist auf einem guten Weg. Angesichts der Langfristigkeit der forstlichen Produktion verbietet sich jegliche Form von Aktionismus. Vorläufige Entscheidungshilfen können dazu beitragen, grobe Fehler zu verhindern. Vor diesem Hintergrund ist der Stabilisierung der vorhandenen Wälder durch Pflegemaßnahmen zur Erhöhung der Einzelbaumvitalität und zum Erhalt bzw. zur Förderung von Mischbaumarten Vorrang einzuräumen. Zweite Priorität haben Maßnahmen zur Senkung und Verteilung der Risiken durch Steuerung der Vorräte, konsequenten Waldschutz und Etablierung von Nachwuchs. An dritter Stelle steht der standortsgemäße Waldumbau zur Begründung von Mischbeständen mit Bevorzugung natürlicher Verjüngungen. Dabei sind Pionierbaumarten einzubeziehen und anbauwürdige, nicht standortsheimische Baumarten unter Beachtung von naturschutzfachlichen Aspekten zu integrieren. Derartige Waldumbaumaßnahmen zur Risikominimierung bzw. -streuung sollten durch bundes- und landesweite Förderprogramme unterstützt werden. Hierzu sollte ein Wald-Klima-Fonds eingerichtet werden, der u. a. aus Mitteln des Emissionszertifikatehandels finanziert werden könnte. Die „Buchenwaldinitiative“ des Bundesamtes für Naturschutz und die Forderungen der Nationalen Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung nach umfangreichen Flächenstilllegungen haben in den letzten Jahren zu einer erneuten intensiven Debatte um den Schutz und die Nutzung von Wäldern geführt. Es bedarf dringend einer Versachlichung der Diskussion über Nutzungsverzichte und Vorrangflächen für den Naturschutz. Diese sollte auf einer objektiven Bestandsaufnahme der bisherigen Leistungen und Defizite beruhen und zu operationaler Zielen führen, die sich nicht an willkürlichen Prozentsätzen, sondern an der Wirksamkeit naturschutzfachlicher Maßnahmen orientieren. Unbestritten zählen die Wälder in Deutschland zu den naturnächsten terrestrischen Lebensräumen und es sind bei uns Waldarten weit weniger bedroht als Offenlandarten. Ebenso unbestritten ist aber auch die Verkürzung des vollständigen Lebenszyklus von Wäldern im Wirtschaftswald, wodurch die Alterungs- und Zerfallsphase gar nicht vorhanden oder
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deutlich unterrepräsentiert sind. Damit fehlen Lebensräume für zahlreiche seltene Arten, die an Alt- und Totholzstrukturen gebundenen sind. Zur Verbesserung dieser Situation sollten sich Stilllegungsmaßnahmen auf die vorhandenen, noch mehr oder weniger intakten Biodiversitätszentren (Hotspots) konzentrieren und die bereits in vielen Forstbetrieben eingeführten Totholz- und Habitatbaumkonzepte müssen konsequent umgesetzt werden. Eine Ausweisung solcher naturschutzfachlicher Schwerpunktflächen bzw. Lebensräume widerspricht nicht dem multifunktionalen Ansatz der Forstwirtschaft, sondern ist Ausdruck einer kompromissorientierten Abwägung unterschiedlicher Waldfunktionen. Für notwendige Maßnahmen, die über das Maß der Sozialpflichtigkeit des Waldeigentums hinausgehen, müssen die Waldbesitzer eine öffentliche finanzielle Unterstützung erhalten. Wandel im Waldbau hat es gestern gegeben und wird es auch morgen geben. Der eingangs genannte Leitgedanke „Gutes bewahren und für Neuerungen offen sein“ sollte auch in Zukunft gelten und helfen, die forstbetrieblichen Handlungsspielräume zu erhalten, um auf veränderte ökologische und ökonomische Rahmenbedingungen flexibel reagieren zu können.
VII. Literatur BMELV (2009) Holzmarktbericht 2008. http://www.bmelv.de Dengler A (1930) Waldbau auf ökolgischen Grundlagen. Verlag Julius Springer, Berlin, 560 Gockel HA (1994) Soziale und qualitative Entwicklungen sowie Z-Baumhäufigkeiten in Eichenjungbeständen - Die Entwicklung eines neuen Pflanzschemas „ Die Trupppflanzung“. Diss Forstl Fak Univ Göttingen, 126 S Hartig GL (1804) Anweisung zur Taxation und Beschreibung der Forste. Gießen und Darmstadt, bey Georg Friedrich Heyer, 208 S Heyer C (1841) Die Waldertrags-Regelung. Verlag BC Ferber, Gießen Höltermann A, Oesten G (2001) Forstliche Nachhaltigkeit – Ein forstliches Konzept als Vorbild für die Strategie der nachhaltigen Entwicklung? Der Bürger im Staat 51:39-45 Lüpke B v (1995) Waldbau unter ökonomischen Zwängen? Vortrag anlässlich des Forstökonomischen Kolloquiums „Forstwirtschaft im Umbruch“ am 12.5.1995 in Göttingen MCPFE (2003) http://www.mcpfe.org Ostwald R (1931) Grundlagen einer Waldrententheorie, d. h. einer im Anhalt an das relative Waldrenten-Maximum entwickelten forstlichen Reinertragstheorie. Verlag W. F. Häcker, Riga Otto HJ (1993) Fremdländische Baumarten in der Waldbauplanung. Forst u. Holz 48:454-456 Otto HJ (1994) Waldökologie, Ulmer Verlag, Stuttgart, 391 S Polley H (2009): Wald in Schutzgebieten. vTI Sonderheft 327:75-82 Richter J (1995) Der Übergang zur Zielstärkennutzung in gleichaltrigen Fichtenbeständen. Forst u. Holz 50:414-415 Schober R (1988) Von Zukunfts- und Elitebäumen. Allg Forst- Jagdztg 159:239-248 Schütz JP (1994) Geschichtlicher Hergang und aktuelle Bedeutung der Plenterung in Europa. Allg Forst- Jagdztg 165:106-114 Speidel G (1972) Planung im Forstbetrieb. Hamburg u Berlin, 267 S Spellmann H. (1994) Ertragskundliche Aspekte des Fremdländeranbaus. Allg Forst- Jagdztg 165:27-34
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Ökonomischer Wert und gesellschaftliche Leistungen der Wälder
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I. Einleitung Die Ansprüche, die die Gesellschaft an den Wald stellt, sind vielfältig. Dabei haben sich im Zeitablauf auch deutliche Akzentverschiebungen in der Gewichtung der einzelnen Ansprüche ergeben. Diese kann man grob nach den Funktionen untergliedern, die der Wald im Interesse der Allgemeinheit erfüllen kann. In der Forstwirtschaft ist traditionell die Einteilung in Nutz-, Regulations(Schutz-) und Lebensraumfunktionen üblich. Unter der Nutzfunktion fasst man vor allem die Rohholzproduktion, die sogenannten forstlichen Nebennutzungen (Schmuckreisig, Tannenbäume, Waldfrüchte etc.) sowie die jagdliche Nutzung zusammen. Bei der Regulationsfunktion geht es um die Schutzwirkungen des Waldes im abiotischen Bereich (Erosions-, Lawinen-, Trinkwasser-, Hochwasser-, Lärm und Klimaschutz) und im biotischen Bereich (Biologische Vielfalt einschließlich der Erhaltung des Genpools). Zu den Lebensraumfunktionen zählt man vor allem die Erholungsfunktion des Waldes. Eine ähnliche Einteilung nimmt auch das Millennium Ecosystem Assessment vor, welches Leistungen von Ökosystemen in Grundleistungen, Produktionsleistungen, Regulierungsleistungen und kulturelle Leistungen unterteilt (MEA 2005). Aus ökonomischer Sicht ist eine Einteilung in private und öffentliche Güter sinnvoll. Danach lassen sich die unter dem Rubrum „Nutzfunktion“ bereitgestellten Güter, die überwiegend auf Märkten gehandelt werden können, als private Güter klassifizieren, während es sich bei den Regulations- und Lebensraumfunktionen oft um Leistungen handelt, für die keine Märkte existieren und die daher den öffentlichen Gütern zuzuordnen sind. Diese Leistungen werden hier zusammenfassend als Umweltleistungen bezeichnet. Umweltleistungen fallen zum Teil als Kuppelprodukte bei der Produktion privater Güter, insbesondere der Rohholzproduktion an. So dienen beispielsweise Waldwege, welche zum Zweck der Holzabfuhr angelegt und unterhalten werden, auch den Erholungsmöglichkeiten im Wald. Zum Teil stehen die Umweltleistungen aber auch in Konkurrenz zur Produktion privater Güter. Ein Beispiel hierfür wäre der Verzicht auf die Nutzung von Altholz O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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in der Absicht, Totholz als Lebensraum für holzzersetzende Lebewesen zu schaffen. Nutzungskonkurrenzen zwischen den verschiedenen Gruppen, die Ansprüche an den Wald stellen, wurden lange Zeit weitgehend ausgeblendet. Statt Konkurrenz hat man Harmonie in den Vordergrund gerückt, wie es beispielsweise in der (forstlichen) Kielwasserhypothese zum Ausdruck kommt (GLÜCK & PLESCHBERGER 1982). Nach dieser Hypothese werden bei einer nachhaltigen Holzerzeugung die Umweltleistungen ohne weiteres Handeln (im Kielwasser) automatisch miterfüllt. Als die Forstwirtschaft sich gezwungen sah, sich mit konkurrierenden Nutzungsansprüchen intensiver auseinanderzusetzen, wurde die multifunktionale Forstwirtschaft zur herrschenden Doktrin. Diese strebt auf der ganzen Waldfläche einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Nutzungsansprüchen an. Der Dienst für die Allgemeinheit oder die Erfüllung zumeist nur wenig präzise gefasster gesellschaftlicher Ziele wurden als Argumente für Bewirtschaftungsbeschränkungen oder -maßnahmen herangezogen, die einer rein erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Waldbewirtschaftung entgegenstehen. Die multifunktionale Waldbewirtschaftung diente lange Zeit auch als Rechtfertigung für eine vielfach defizitäre Waldbewirtschaftung im Staats- und Kommunalwald. Bemühungen, den Wert von Umweltleistungen des Waldes monetär zu beziffern, reichen in Deutschland bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Die Zielsetzung und auch die Vorgehensweise (einschließlich der theoretischen Fundierung) solcher Bewertungen waren dabei nicht immer ganz klar (SCHAEFER 1989), und sie haben sich im Laufe der Zeit auch gewandelt. Neben dem Versuch, Defizite der öffentlichen Forstwirtschaft zu rechtfertigen, ging es auch darum, politische Rahmensetzungen zu legitimieren und zu beeinflussen (dies gilt heute zunehmend auch für internationale Verhandlungen und Vereinbarungen, in denen die Notwendigkeit der Bewertung von Umweltleistungen betont wird, wie z.B. die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen). Teilweise wurden solche Bewertungen auch durchgeführt, um Möglichkeiten für eine Vermarktung von Umweltleistungen auszuloten.
II. „Gesellschaftliche Leistungen“ als öffentliche Güter Eine Vermarktung von Umweltleistungen stößt zumeist auf enge Grenzen, weil die meisten dieser Leistungen ausgeprägte Eigenschaften öffentlicher Güter aufweisen: Es fehlt ihnen sowohl am Rivalitäts- als auch am Ausschlussprinzip. Nichtrivalität bedeutet, dass diese Leistungen in weiten Bereichen von vielen Nutzern gleichzeitig in Anspruch genommen werden können, ohne dass diese Nutzer sich gegenseitig beeinträchtigen (z.B. Waldbesuche; Rivalität tritt erst bei „Überfüllung“ des Waldes auf). Mangelnde Ausschließbarkeit bedeutet, dass Nichtzahlungswillige nicht oder nur aufwändig von der Nutzung der entsprechenden Umweltleistung ausgeschlossen werden können. Beides verhindert, dass die
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Anbieter solcher Leistungen angemessene Preise durchsetzen können. Damit entfallen letztendlich die Produktionsanreize. Häufig wird gefordert, dass der Staat solche öffentlichen Güter bereitstellen solle. Allerdings können auch private Zusammenschlüsse von Nutzungsinteressierten eine Bereitstellung von Gütern mit einem hohen Öffentlichkeitsgrad organisieren, wenn sie mit privaten Anbietern solcher Leistungen verhandeln und entsprechende Leistungsverträge abschließen. Allerdings kommt es u.a. darauf an, wem die entsprechenden Verfügungsrechte zustehen und inwieweit sie überhaupt spezifiziert sind. So haben Erholungssuchende in Deutschland und vielen Ländern Westeuropas aufgrund gesetzlicher Regelungen ein Recht auf Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung. Damit haben sie das Recht auf Aneignung der Erholungsleistung. Sie haben aber kein Recht, diese Leistung zu veräußern oder zu gestalten. Das Recht auf Gestaltung des Waldes und damit auch der Gestaltung der Umweltleistung liegt grundsätzlich beim Waldeigentümer. Eigentum an öffentlichen Gütern des Waldes ist also nicht identisch mit dem Grundeigentum an Wald; die Verfügungsrechte über Umweltleistungen liegen zu einem erheblichen Teil nicht beim Grundeigentümer. Das Recht auf Aneignung dieser Leistungen liegt vielfach bei den Nutzern. Zum Teil sind die Verfügungsrechte über Umweltleistungen aber gar nicht oder nicht hinreichend spezifiziert. Die Auseinandersetzung über die Verfügungsrechte bei Umweltleistungen des Waldes ist denn auch immer wieder Gegenstand forstpolitischer Debatten.
III. Ökonomische Bewertung von Umweltleistungen der Wälder 1. Hintergrund Für Güter mit hohem Öffentlichkeitsgrad gibt es keine (funktionstüchtigen) Märkte. Folglich fehlt es auch an aussagefähigen Marktpreisen für diese Güter. Die ökonomische Umweltbewertung bezweckt in erster Linie, die Informationsgrundlage über den Wert solcher Güter im Rahmen politischer Entscheidungsprozesse zu verbessern: Defizite der Marktsteuerung aufgrund verzerrter Preissignale sollen also durch eine möglichst gut informierte Politiksteuerung korrigiert werden. Obwohl die hierzu geeignete Bewertungsmethodik in Mitteleuropa – im Vergleich zum angloamerikanischen und skandinavischen Raum – eher zögerlich aufgegriffen wurde (vgl. MEYERHOFF & DEHNHARDT 2009), sind seit etwa zwanzig Jahren auch in Deutschland vermehrt entsprechende empirische Studien entstanden, unter denen Untersuchungen zum monetären Wert von Umweltleistungen der Wälder einen breiten Raum einnehmen. Zum Verständnis der Ergebnisse solcher Bewertungsstudien ist es nützlich, sich kurz deren theoretischen Hintergrund in Erinnerung zu rufen. Die ökonomische Umweltbewertung fußt auf Konzepten der Wohlfahrtsökonomie bzw. Allokations-
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theorie (vgl. SOHMEN 1992). Danach ist zur Beurteilung der gesellschaftlichen Wohlfahrt der Nutzen der einzelnen Menschen ausschlaggebend (Prinzip des Individualismus), welcher letztlich auch nur von ihnen selbst beurteilt werden kann (Prinzip der Selbstbestimmung bzw. der Konsumentensouveränität). Beide genannten Prinzipien wenden sich gegen eine Bevormundung durch „Experten“ oder die Bürokratie. Dies ist kongruent zum Demokratieverständnis einer sozialen Marktwirtschaft und gesellschaftlich – zumindest weitgehend – akzeptiert. Folgt man der Wohlfahrtsökonomie, so schlägt sich der individuelle Nutzen eines (Umwelt-) Gutes in den Preisen nieder, die ein Mensch für dieses Gut zu zahlen bereit wäre. Ist seine maximale Zahlungsbereitschaft höher als der Marktpreis für das in Frage stehende Gut, so bezieht er mit dem Erwerb des Gutes zusätzlich eine Rente („Konsumentenrente“). Ein rational handelnder Konsument dehnt seinen Güterkonsum so lange aus, bis der Nutzen der letzten noch konsumierten Einheit dem Marktpreis entspricht. Geht man davon aus, dass der zusätzliche Nutzen einer konsumierten Einheit mit der bereits konsumierten Gütermenge abnimmt, so wird auch die Zahlungsbereitschaft mit zunehmender Konsumenge geringer werden. Stellt man unterschiedlichen Gütermengen die jeweils entsprechenden Zahlungsbereitschaften gegenüber, so ergibt sich die individuelle Nachfragekurve nach einem Gut (Abbildung 1). Die Fläche unter dieser Nachfragekurve ist das gesuchte Bewertungsmaß für den Nutzen. Bei Marktpreisen von Null (wie im Fall öffentlicher Güter) ist diese Fläche identisch mit der Konsumentenrente (bei positiven Preisen würde sich die Konsumentenrente um diejenigen Ausgaben reduzieren, die vom Konsumenten an den Anbieter gezahlt werden). Es ist demnach ohne Weiteres einsichtig, dass Konsumentenrenten bzw. maximale Zahlungsbereitschaften als Wohlfahrtsmaß nicht unmittelbar mit Marktpreisen verglichen werden können.
Zahlungsbereitschaft
Na
KR
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f ra
ge
ku
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e
M a r k tp re is
A u sg a b e n M en g e e in e s G u te s
Abb. 1: Marktpreis, Nachfragekurve, Konsumentenrente (KR), Ausgaben (schematisch).
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2. Bewertungsmethoden Nachfragekurven können mit unterschiedlichen Methoden ermittelt werden. Für vermarktete (private) Güter lassen sie sich aus den Preis-Mengen-Relationen schätzen, welche sich bei unterschiedlichen Güterpreisen ergeben. Die Bewertung greift hier also darauf zurück, dass Menschen durch ihr beobachtbares Verhalten ihre Präferenzen offenbaren. Aber auch im Fall preisloser öffentlicher Güter lassen sich unter Umständen Präferenzoffenbarungen beobachten, dann nämlich, wenn der Wert öffentlicher Güter die Preise anderer (privater) Güter beeinflusst. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Waldgebiet zu höheren Preisen für nahegelegene Immobilien führt. Bei hinreichender Datenlage kann man solche Preisbestimmungsgründe mit ökonometrischen Verfahren (Regressionsrechnung) isolieren und zur Rekonstruktion von Nachfragekurven nutzen („Hedonic Price Method“, HPM). Auf beobachtbares Verhalten greift auch eine weitere Bewertungsmethode zurück, die „Travel Cost Method“ (TCM). Hier werden die Nachfragekurven geschätzt, indem unterschiedlich hohe Reisekosten zu einem (Wald-) Gebiet in Beziehung zu der jeweiligen Nachfragemenge nach Besuchen in diesem Gebiet gesetzt werden. Auch weitere Beobachtungen können zur Bewertung von Umweltgütern genutzt werden. So können beispielsweise die Kosten von Umweltschäden selbst (Schadenskosten) ermittelt werden oder die zur Vermeidung der Schäden in Kauf genommenen Kosten (Schadensvermeidungskosten). Einen weiteren Ansatz für die Bewertung bieten Preise und Gebühren, die aufgrund staatlicher Intervention für bestimmte Umweltnutzungen zu zahlen sind. Die letztgenannten Ansätze spiegeln allerdings nicht die individuelle Nachfrage nach Umweltgütern wider; sie drücken die Präferenzen der beteiligten politischen Instanzen aus. Über die beschriebenen Bewertungsmethoden der individuellen Präferenzoffenbarung hinaus stehen Methoden zur Verfügung, die anstelle offenbarter Präferenzen an geäußerten Präferenzen ansetzen, Nachfragekurven also aus (repräsentativen) Befragungen ermitteln. Im Wesentlichen gibt es zwei verschiedene methodische Ansätze. Bei der „Contingent Valuation Method“ (CVM) wird den Befragten ein hypothetischer Markt beschrieben: Für das zu bewertende Gut müsste bezahlt werden; daraufhin wird die maximale Zahlungsbereitschaft unter den geschilderten Umständen ermittelt. Während mit der CVM normalerweise einzelne Güter oder Umweltveränderungen einer bestimmten Qualität bewertet werden, sind „Choice Experiments“ (CE) auch in der Lage, multidimensionale Umweltveränderungen synchron zu bewerten: Hier werden den Befragten alternative Beschreibungen eines zu bewertenden Güterbündels zur Wahl vorgelegt, welche sich in der Ausprägung mehrerer Eigenschaften dieses Güterbündels sowie den dafür zu tragenden Kosten unterscheiden. Aus der Verteilung der entsprechenden Wahlen wird, wiederum mit Hilfe ökonometrischer Verfahren (i.d.R. multiple Logit- bzw. Probit-Analysen), auf die marginalen Zahlungsbereitschaften für die einzelnen Eigenschaften bzw. Bestandteile des Güterbündels geschlossen.
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Idealiter beruhen Bewertungen von Umweltleistungen des Waldes auf mehreren methodischen Ansätzen, zwecks wechselseitiger Absicherung. Generell sind jedoch die befragungsbasierten Methoden besser als die beobachtungsbasierten in der Lage, auch nutzungsunabhängige Wertkomponenten zu erfassen (z.B. Zahlungsbereitschaften für das Wissen um das Überleben von Großsäugern im Wald, selbst wenn die Befragten nicht damit rechnen, solche Großsäuger je zu Gesicht zu bekommen).
3. Bewertungsergebnisse Empirische Bewertungsergebnisse über Umweltleistungen von Wäldern sind derzeit noch lückenhaft: Sie liegen nicht für alle Umweltleistungen und überwiegend auch nur lokal oder regional vor. Eine neuere Bibliographie (ELSASSER & MEYERHOFF 2007) weist für den deutschsprachigen Raum knapp 50 Originalstudien aus, in denen zur Bewertung überwiegend auf Befragungen zurückgegriffen wurde. Die meisten dieser Studien hatten die Bewertung von Erholungsleistungen der Wälder zum Thema, gefolgt von Natur- und Landschaftsschutzleistungen. Tabelle 1 zeigt die derzeit für Deutschland verfügbaren Quellen.1 Tabelle 1: Bewertungsstudien zu Umweltleistungen des Waldes (innerhalb Deutschlands).
Erholung Südharz (BERGEN & LÖWENSTEIN 1992; LÖWENSTEIN 1994) Lüneburger Heide (LUTTMANN & SCHRÖDER 1995) Hamburg (ELSASSER 1996) Pfälzerwald (ELSASSER 1996; GUTOW 2000) Thüringen (BEST et al. 1996) Deutschland (ELSASSER 2001)
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern (ELSASSER et al. 2010) weitere lokale Fallstudien (KLEIN 1994; SCHWATLO 1994; SCHÜSSELE 1995; UFLACKER 1995) Natur- und Landschaftsschutz Deutschland; Schleswig-Holstein (Maßnahmenbündel zum Waldnaturschutz; KÜPKER et al. 2005) Lüneburger Heide, Solling (Naturschutzwirkungen eines Waldumbauprogramms; MEYERHOFF et al. 2006) Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern (Veränderung des Landschaftsbildes durch Waldumbau; ELSASSER et al. 2010) weitere lokale Fallstudien (PFISTER 1991; HAMPICKE & SCHÄFER 1997; 1
Quelle: ELSASSER & MEYERHOFF 2007. Es lediglich die jeweils ausführlichste Literaturquelle wiedergegeben; Studien aus Österreich und der Schweiz sind hier nicht mit aufgeführt. Neuere, bei ELSASSER & MEYERHOFF 2007 noch nicht aufgeführte Studien wurden ergänzt.
Ökonomischer Wert und gesellschaftliche Leistungen der Wälder
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ROMMEL 1998; HANUSCH et al. 2000) Weitere Leistungen Trinkwasserschutz (lokale Fallstudien: OLSCHEWSKI 1997; GUTOW & SCHRÖDER 2000) Hochwasserschutz (lokale Fallstudie: GROTTKER 1999) Lawinenschutz (lokale Fallstudie: LÖWENSTEIN 1995) kleinklimatische Waldwirkungen (lokale Fallstudie: LÖWENSTEIN 2000) Kohlenstoffbindung (deutschlandweit: DIETER & ELSASSER 2002; ELSASSER 2008; Mecklenburg-Vorpommern (Kohlenstoffbindung durch Moorschutzprogramm): SCHÄFER 2009)
Im Folgenden werden einige dieser Ergebnisse näher vorgestellt, sofern sie für Deutschland insgesamt vorliegen oder zumindest für größere Gebiete verallgemeinerbar sind.
4. Erholungsleistung des Waldes Die Erholungsleistung des Waldes für Anwohner (hier definiert als Wert des Rechtes, den bestehenden Wald zur Erholung zu betreten), wurde in einer MetaAnalyse sämtlicher dazu verfügbarer Bewertungsstudien für Deutschland insgesamt auf etwa 2,55 Milliarden € geschätzt (ELSASSER 2001). Dem liegt eine durchschnittliche Zahlungsbereitschaft der Waldbesucher von knapp 60 € pro Jahr und Person zugrunde – ein Wert, der sich in vergleichbarer Höhe in allen oben genannten regionalen Untersuchungen der 1990er Jahre zum Wert der Walderholung für Anwohner gezeigt hatte. Lediglich in der jüngsten der zitierten Studien haben sich tendenziell höhere Werte ergeben: In einer Untersuchungsregion in Teilen Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns wurde das AnwohnerBetretensrecht je nach Wohnlage zwischen etwa 50 und 90 € pro Jahr und Haushalt bewertet (ELSASSER et al. 2010; diese Abweichung dürfte weniger auf die zwischenzeitliche Geldentwertung oder auf regionale Differenzen zurückzuführen sein als vielmehr auf Unterschiede der jeweiligen Bewertungsmethoden).2 Die regionale Verteilung der Zahlungsbereitschaften weist mit Kreisdurchschnitten zwischen etwa 25 und über 35.000 € pro Jahr und Hektar Waldfläche eine sehr große Spannbreite auf (ELSASSER 2001); würde man die Betrachtung nicht auf Kreisdurchschnitte, sondern auf Einzelwälder ausdehnen, so wäre zwangsläufig mit noch wesentlich größeren Unterschieden zu rechnen. So dürften einzelne siedlungsferne Wälder in manchen dicht bewaldeten Kreisen Erholungsleistungen nahe Null aufweisen, weil hier eine geringe Nachfrage nach Walderholung auf ein 2
Die letztgenannte Studie basiert auf CE, alle anderen hier genannten auf CVM. Zudem ist hier – wie auch bei den anderen in diesem Kapitel zitierten Studien – zu berücksichtigen, dass die Bewertungsergebnisse in einigen Fällen auf den Haushalt, in anderen Fällen aber auf die Einzelperson bezogen sind.
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großes Angebot trifft; umgekehrt können stark frequentierte Wälder in der Nähe von großen Städten durchaus Erholungsleistungen von mehreren 100.000 € pro Jahr und Hektar erbringen. Leider geht aus keiner der vorliegenden Studien hervor, wie der Erholungswert von Wäldern durch unterschiedliche Angebotsqualitäten beeinflusst wird (etwa durch Unterschiede im Aufbau, in der Baumartenzusammensetzung oder der Naturnähe von Wäldern, oder auch durch ihre Ausstattung mit Erholungeinrichtungen). Es scheint aber plausibel, dass die Erreichbarkeit von Wäldern ihren Erholungswert stärker prägt als Unterschiede in ihrem jeweiligen Aufbau.
5. Natur- und Landschaftsschutz Deutschlandweit wurde die Zahlungsbereitschaft für ein Programm zum Schutz der Biodiversität im Wald ermittelt (KÜPKER et al. 2005). Dieses Programm umfasste fünf Einzelmaßnahmen (Waldumbau von Nadel- zu Laub- und Mischwäldern, Totholzanreicherung, Reduktion der Wilddichte, die Einrichtung zusätzlicher Schutzgebiete und die Vernetzung fragmentierter Waldbestände). Bemerkenswert ist, dass zwar eine Mehrheit der Befragten das Schutzprogramm befürwortete; andererseits gab es aber auch etliche Programmgegner (welche bereit waren, nicht für die Durchführung des Programms, sondern für seine Verhinderung zu zahlen). Per Saldo der Befürworter und der Programmgegner zeigte sich eine durchschnittliche Zahlungsbereitschaft von gut 48 € pro Haushalt und Jahr; hochgerechnet auf die Bundesrepublik sind dies 0,96 Milliarden € pro Jahr. Dieser Wert ist geringer als der obige Wert der Erholungsleistung. Zu bedenken bleibt aber, dass hier nicht der gesamte Wert der Biodiversitätsschutzleistung des Waldes zur Debatte stand, sondern nur der einer spezifischen Veränderung dieser Leistung. Unter den vorstehend bewerteten Maßnahmen wird insbesondere der Waldumbau staatlich gefördert. In zwei Regionen Niedersachsens, im Solling und in der Lüneburger Heide, ist Biodiversitätsverbesserungen durch einen Waldumbau nach Maßgabe des niedersächsischen LÖWE-Programms näher nachgegangen worden (MEYERHOFF et al. 2006). Übereinstimmend zeigte sich in beiden Regionen eine Zahlungsbereitschaft für diese Biodiversitätsverbesserungen in Höhe von rund 6,50 € pro Person und Jahr.3 Gleichzeitig erwies sich auch, dass der so ermittelte Nutzen dieses Waldumbaus für den Biodiversitätsschutz die entsprechenden Kosten nur unter sehr restriktiven Annahmen aufwog. Ebenfalls im Rahmen eines Waldumbauprogramms, hier in Teilen Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns, wurden die damit verbundenen Veränderungen des Landschaftsbildes aus Sicht der Wohnbevölkerung bewertet (ELSASSER et al. 3
Lediglich für die Lüneburger Heide ergab eine der verwendeten alternativen Bewertungsmethoden einen doppelt so hohen Wert.
Ökonomischer Wert und gesellschaftliche Leistungen der Wälder
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2010). Hier zeigte sich, dass Laub- und Mischwälder im Sommerzustand reinen Nadelwäldern deutlich vorgezogen wurden; der Unterschied in der Zahlungsbereitschaft betrug hier je nach Wohnlage und Waldbild 45-87 € pro Haushalt und Jahr. Im Winterzustand waren derartige Präferenzen jedoch nicht gegeben. Zusätzliche Strukturdiversität der Wälder wurde mit durchschnittlich 65 € pro Haushalt und Jahr bewertet, wobei hier die Werte im Winterzustand deutlich höher waren als im Sommerzustand. Auch in dieser Studie zeigte sich jedoch, dass der Nutzen aus Verbesserungen des Landschaftsbildes sowie auch weiteren Umweltleistungen die langfristigen Kosten durch Verluste an Holzproduktion nicht aufwiegen konnte.
6. Kohlenstoffbindung Klimaänderungen durch zunehmende Treibhausgasemissionen aus Industrie, Verkehr und Landnutzungswandel werden als weltweite Bedrohung erkannt. Entgegenwirken können dem unter anderem der Erhalt von Wäldern sowie eine zusätzliche Kohlenstoffbindung produktiver Wälder. Der gesellschaftliche Nutzen der Kohlenstoffbindung von Wäldern kann daher daran bemessen werden, inwieweit sie Emissionen kompensieren und dadurch bedingte Schäden vermeiden. Anhand der jährlichen Kohlenstofffestlegung in ober- und unterirdischer Baum-Biomasse in Deutschland sowie von modellbasierten Schätzungen weltweiter Schadensgrenzkosten aus der Literatur haben DIETER & ELSASSER 2002 den Nutzen der Kohlenstoffbindung der deutschen Wälder auf zwischen 76 und 292 Millionen US$ pro Jahr eingegrenzt; dem lagen Schadenskostenschätzungen zwischen 1,4 und 5,4 US$/t CO2 zugrunde. Solchen Schadenskostenschätzungen liegen naturgemäß eine Fülle von Annahmen über die zukünftige Klimaentwicklung, deren physische Auswirkungen sowie über die dadurch induzierten Schäden und deren weltweite Verteilung zugrunde. Dies macht eine Bewertung anhand von Schadenskosten sehr unsicher.4 In einer neueren Studie wurde der wirtschaftliche Wert der Senkenleistung der Wälder in Deutschland unter dem Kyoto-Protokoll auf derzeit etwa zwischen 90 und 120 Millionen € pro Jahr beziffert, je nach Annahme über die anrechnungsfähige Menge (ELSASSER 2008). Zur Vermeidung von Missverständnissen muss auf mehrere wesentliche Unterschiede zu den oben zitierten Zahlen hingewiesen werden: Zum einen zielt diese Studie nicht auf eine Nutzenbewertung ab, sondern 4
In alternativen Modellen (zusammengestellt bei DIETER & ELSASSER 2002, Tab.21) betrugen marginale Schadenskosten bis hin zu etwa 40 US$/tCO2; unter dieser Annahme hätte sich für die deutschen Wälder ein Wert der Kohlenstoffbindung von 2,2 Milliarden US$ pro Jahr ergeben. Andererseits ist auch argumentierbar, dass eine begrenzte Erderwärmung in bestimmten Regionen per Saldo keine Schäden, sondern Nutzen aufwirft. Unter solchen Umständen wäre die Kohlenstoffbindung wertlos bzw. hätte sogar einen negativen Nutzen.
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Matthias Dieter / Peter Elsasser / Carsten Thoroe
vielmehr auf potentielle Umsätze, welche in einem zwischenstaatlichen Handel nach den Regeln des Kyoto-Protokolls voraussichtlich erzielbar wären. Mengen wie auch Preise auf diesem Markt sind maßgeblich von den (politisch veränderlichen) Anerkennungsregeln geprägt, die im Rahmen des Kyoto-Protokolls für Wald-Senkenleistungen vereinbart worden sind; unter Anderem ist in diesem Rahmen nur ein Bruchteil der tatsächlichen Kohlenstoffspeicherung der Wälder anrechenbar. Zum anderen geht der Wert der Senkenleistung des Waldes in Deutschland über die Zeit zurück, sofern Emissionsrechte nicht zusätzlich verknappt werden – aufgrund der Altersstruktur der Wälder und geänderten Nutzungsverhaltens wird der bisherige Vorratsaufbau in naher Zukunft zu einem vorläufigen Abschluss kommen; zudem verringert sich auch der relative Wert der Wald-Senkenleistung im Zeitablauf, weil technische Innovationen in vielen Bereichen der Wirtschaft zukünftige Emissionseinsparungen sukzessive verbilligen. Gleichwohl zeigen die hier referierten Ergebnisse, dass sowohl der Nutzen der Schadensvermeidung durch Kohlenstoffspeicherung als auch deren Wert im zwischenstaatlichen Handel deutlich unter dem monetären Nutzen der Erholungs- und der Naturschutzleistungen der deutschen Wälder liegen.
IV. Kosten der Umweltleistungen für die Forstbetriebe Die Erstellung gesellschaftlicher Leistungen der Wälder wirft Kosten auf. Diese Kosten bestehen zum einen aus den Mindererträgen und Mehraufwendungen, die von den Waldeigentümern zu tragen sind, soweit sie nicht von der öffentlichen Hand abgegolten werden. Ihnen ist das vorliegende Teilkapitel gewidmet. Zum anderen können darüber hinaus auch gesamtwirtschaftliche Kosten entstehen, z. B. wenn mit einer bestimmten Umweltleistung eine Beschränkung der Holznutzung verbunden ist. Gesamtwirtschaftliche Kosten liegen hier im Entgang von Wertschöpfung im Holzgewerbe oder in der Notwendigkeit, anstelle von fester Biomasse auf teurere Klimaschutzmaßnahmen zurückgreifen zu müssen. Auf diese gesamtwirtschaftlichen Kosten sei nur hingewiesen; sie sind nicht direkt Thema des vorliegenden Bandes.
1. Rückblick auf bisherige Belastungen Das am 8.5.1975 in Kraft getretene Bundeswaldgesetz verpflichtet nach § 14 Abs. 3 die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag über Lage und Entwicklung der Forstwirtschaft zu berichten. Diese Berichtspflicht beinhaltet auch die Belastungen der Forstbetriebe aus der Schutz- und Erholungsfunktion. Entsprechend dieser gesetzlichen Verpflichtung haben Untersuchungen zu diesem Thema eine längere Tradition in Deutschland. Im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums wurden mehrere Studien über die ökonomischen Belastungen aus der Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes durchgeführt (KROTH et al. 1984; BARTELHEIMER & BAIER 1991; DAHM et al. 1999). Als Belastungen wurden in diesen Studien
Ökonomischer Wert und gesellschaftliche Leistungen der Wälder
127
Mehraufwendungen und Mindererträge definiert, die "zusätzlich zu den Kosten entstehen, die zur sachgemäßen Waldbewirtschaftung im Interesse einer nachhaltigen Holzerzeugung unter mitteleuropäischen Verhältnissen erforderlich sind" (KROTH et al. 1984) bzw. "zusätzlich zu den Kosten einer ordnungsgemäßen und nachhaltigen Forstwirtschaft anfallen" (BARTELHEIMER & BAIER 1991) und die ausschließlich durch das Ziel motiviert sind, "der Erholung und Freizeitbetätigung der Menschen sowie dem Umweltschutz und der Landeskultur" zu dienen. Die Daten zu den Belastungen wurden jeweils mittels Befragungen in groß angelegten Stichproben erhoben (740 Betriebe in den alten und 260 Betriebe in den neuen Bundesländern aller Eigentumsarten). Trotz dieses großen Befragungsaufwandes erwiesen sich die Ergebnisse aber als nur bedingt zufriedenstellend. In erster Linie fiel auf, dass kaum Buchführungsdaten zur Verfügung standen. Im Staatswald kamen nur 30 % der Daten aus der Buchführung, im Körperschaftswald 23 % und im Privatwald sogar nur 5 %. Entsprechend hoch waren die Anteile von Berechnungen (30 % bis 39 %) und gutachterlichen Schätzungen (35 % bis 56 %). Mit der Neukonzeption des Testbetriebsnetzes Forstwirtschaft des Bundeslandwirtschaftsministeriums ab dem Jahr 2003 steht ein Informationssystem zur Verfügung, bei dem dieser Mangel, zumindest formal, behoben wurde. Aufwand und Ertrag der teilnehmenden Forstbetriebe (2008 waren es 368) werden seitdem getrennt für die folgenden fünf Produktbereiche erhoben: x x x x x
Produktion von Holz und anderen Erzeugnissen Schutz und Sanierung Erholung und Umweltbildung Leistungen für Dritte Hoheitliche und sonstige Aufgaben
Auch die von den Forstbetrieben erhaltenen Fördermittel werden diesen Produktbereichen zugeordnet. Der Nettoaufwand für Schutz und Sanierung sowie Erholung und Umweltbildung lässt sich damit direkt aus den Testbetriebsnetzdaten ableiten. Er berechnet sich aus den Aufwendungen abzüglich der Erträge und Fördermittel. Damit unterscheidet sich der Nettoaufwand auf Grundlage des Testbetriebsnetzes konzeptionell von den als Belastungen bezeichneten Kosten der vorangegangenen Untersuchungen. Bei der Bestimmung der Belastungen wurde eine nachhaltige Forstwirtschaft als Referenz gewählt und nur Kosten berücksichtigt, die darüber hinaus für Schutz- und Erholungsleistungen entstanden. Mit der Neukonzeption der Untersuchung auf Grundlage der Testbetriebsnetzdaten entfällt die schwierige Bestimmung einer expliziten Referenz. Aufwand, Ertrag und Förderung werden jeweils bestimmten Produktbereichen entsprechend den Ausführungsanweisungen zugeordnet. Der Nettoaufwand umfasst alle Aufwendungen, unabhängig davon, ob sie zur Erreichung der Betriebsziele (z. B. zertifiziertes Holz auf den Markt zu bringen) und damit freiwillig anfallen, oder ob sie aufgrund von Gesetzen und Vorschriften entstehen.
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Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der Jahre 2003 bis 2008 vorgestellt. Sie werden dafür von der Betriebsebene auf Deutschland hochgerechnet. Das Testbetriebsnetz umfasst nur Forstbetriebe mit mindestens 200 ha Waldfläche. Eine Hochrechnung auf "Betriebe" unterhalb dieser Erfassungsgrenze von 200 ha erfolgt mit einem Intensitätsfaktor, der aus den unterschiedlichen Einschlagsniveaus abgeleitet ist (siehe KÜPPERS & DIETER 2008, S. 10 f.) Der ungleichmäßigen Verteilung der Testbetriebe über die Eigentumsarten und Größenklassen größer als 200 ha Waldfläche hinweg wird durch Hochrechnung für die einzelnen Straten begegnet. Tabelle 2: Durchschnittlicher Nettoaufwand der Forstbetriebe in den Produktionsbereichen ‚Schutz und Sanierung’ sowie ‚Erholung und Umweltbildung’ im Zeitablauf [€/ha HB].5 Jahr
Schutz und Sanierung
Staatswald Erholung und Umweltbildung
gesamt
Körperschaftswald Schutz und Erholung und Sanierung Umweltbildung
gesamt
Schutz und Sanierung
Privatwald Erholung und Umweltbildung
gesamt
2003
31,27
28,83
60,10
2,57
9,84
12,40
0,37
0,46
0,83
2004
29,64
28,25
57,88
1,30
10,86
12,16
1,08
0,94
2,02
2005
28,46
31,04
59,50
1,75
11,22
12,97
0,87
0,64
1,50
2006
22,94
19,13
42,07
3,67
10,93
14,60
-0,56
0,45
-0,11
2007
21,75
18,68
40,43
4,56
8,63
13,19
-1,01
0,68
-0,34
2008
7,26
9,08
16,34
-3,00
9,75
6,75
-2,04
0,84
-1,20
Es fällt auf, dass der Staatswald mit Abstand den höchsten Nettoaufwand zu tragen hat, sowohl im Bereich Schutz und Sanierung als auch bei Erholung und Umweltbildung. Allerdings ist der Nettoaufwand in den letzten Jahren deutlich rückläufig; dies gilt ebenfalls für beide Produktbereiche. Insgesamt nahmen sie von 2003 bis 2008 von 60 auf 16 €/ha Holzbodenfläche (HB) ab. Der Nettoaufwand des Körperschaftswaldes liegt niedriger und weist keinen erkennbaren Trend auf. Sein Höchstwert im betrachteten Zeitraum lag bei knapp 15 €/ha HB. Der durchschnittliche Nettoaufwand des Privatwaldes ist nur gering. Er reicht von 2 €/ha HB in den vergleichbaren negativen Bereich (-2 €/ha HB). Ein „negativer Nettoaufwand“ darf allerdings nicht ohne Weiteres als Überkompensation interpretiert werden, wie nachfolgend beim Thema „Mindererträge“ noch ausgeführt wird.
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Quelle: Testbetriebsnetz Forstwirtschaft des BMELV, eigene Berechnungen.
Ökonomischer Wert und gesellschaftliche Leistungen der Wälder
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Laubholzanteil >=50 % Fichtenholzanteil >= 50 % Kiefernholzanteil >= 50 % Mischbetriebe
EUR/ha Holzbodenfläche
20 15 10 5 0 -5
KW = Körperschaftswald PW = Privatwald SW = Staatswald
-10 -15 KW
PW
Schutz und Sanierung
SW
KW
PW
SW
Erholung und Umweltbildung
Abb. 2: Durchschnittlicher Nettoaufwand der Forstbetriebe in den Produktionsbereichen, Schutz und Sanierung’ sowie ‚Erholung und Umweltbildung’ nach Hauptbaumarten im Jahr 2008.6
Anders als in der Untergliederung nach Eigentumsarten lassen sich bei der Untergliederung nach Hauptbaumarten keine Anzeichen für eine Gesetzmäßigkeit finden. Die Verteilung des Nettoaufwandes nach den Hauptbaumarten unterscheidet sich sowohl zwischen den Eigentumsarten als auch zwischen den beiden Produktbereichen. Lediglich beim Staatswald weisen jeweils die Mischbetriebe deutlich den höchsten Nettoaufwand auf. Aus diesem Ergebnis kann gefolgert werden, dass die Bestimmungsgründe für die Höhe des Nettoaufwandes sehr differenziert und nicht auf eine Hauptbaumart beschränkt sind. Auch wenn die Ergebnisse die Entwicklung des Nettoaufwandes der deutschen Forstwirtschaft durch Umweltleistungen relativ gut widerspiegeln, haften ihnen doch einige Probleme an, die bei der Interpretation im Auge zu behalten sind. Größenklassen: Aufgrund des Fehlens systematischer Informationen über "Forstbetriebe" mit weniger als 200 ha Waldfläche können auf diese "Betriebe" nur die Daten der Großbetriebe übertragen werden. Dies geschieht zwar mit Hilfe begründeter Intensitätsfaktoren, gleichwohl fehlen empirische Daten, die die damit zusammenhängenden Annahmen überprüfen lassen. Aufwandszuordnung: Die Ausführungsanweisung zum Erhebungsbogen für Forstbetriebe enthält jeweils einige Beispiele für Maßnahmen, deren Aufwand den
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Quelle: Testbetriebsnetz Forstwirtschaft des BMELV, eigene Berechnungen.
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Matthias Dieter / Peter Elsasser / Carsten Thoroe
Bereichen Schutz und Sanierung bzw. Erholung und Umweltbildung zuzuordnen ist. Diese Aufzählungen sind jedoch nur sehr grob. Dies hat zur Folge, dass die Betriebe Interpretationsspielraum für die Zuordnung der konkreten Maßnahmen haben und diesen Interpretationsspielraum auch im Eigeninteresse nutzen könnten. So könnte die Pflanzung seltener einheimischer Baumarten sowohl als Walderneuerung im Produktbereich ‚Holz und andere Erzeugnisse’ als auch als Naturschutzmaßnahme im Produktbereich ‚Schutz und Sanierung’ verbucht werden. Die Entscheidung für eine der beiden Möglichkeiten kann von dem gewünschten Betriebsergebnis für die beiden Produktbereiche abhängen, sie kann aber auch ein Hinweis auf das für den Betrieb geltende Zielsystem sein. Ein besonderes Problem ergibt sich auch daraus, dass im Privatwald die Zuordnung des Verwaltungsverfahrens auf die verschiedenen Produktbereiche zum Teil unterbleiben, obwohl dies vorgesehen ist. Mindererträge: Ein nennenswerter Bestandteil des Nettoaufwandes aus der Schutz und Erholungsfunktion sind Mindererträge durch Nutzungseinschränkungen. Nach der Untersuchung von DAHM et al. 1999 (S. 19) betrugen sie 13 % der Gesamtbelastungen. Mindererträge werden aber durch das Testbetriebsnetz nicht abgebildet. Wie oben dargestellt, kann dies sogar zur Folge haben, dass Mindererträge als Überkompensationen erscheinen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Nutzungseinschränkungen kaum laufenden Aufwand verursachen und gleichzeitig über eine Förderung ausgeglichen werden (z. B. Natura 2000-Zahlungen als Flächenpauschale im Rahmen von ELER). Die Förderung kann dann den Aufwand übersteigen, und ohne die Berücksichtigung der Minderträge erscheint die Maßnahme überkompensiert. Der Erfassung der Mindererträge kommt daher eine große Bedeutung zu. Als Ergänzung zum Mehraufwand nach Testbetriebsnetz wurde bisher eine relativ pauschale Abschätzung der Mindererträge vorgenommen (siehe KÜPPERS & DIETER 2008, S. 14 f.). Hier besteht Verbesserungspotential, das sich voraussichtlich aus derzeit laufenden und geplanten Untersuchungen (s. u.) decken lässt. Die Höhe der Mindererträge ist allerdings vom jeweiligen Zielsystem der Betriebe abhängig, was die Bestimmung einer expliziten Referenz erforderlich macht. Eignung von Durchschnittswerten: Der vorgestellte Nettoaufwand stellt Durchschnittswerte einer Vielzahl von Betrieben in den jeweiligen Klassen dar. Abbildung 2 zeigt den Nettoaufwand der einzelnen Betriebe im Jahr 2008 in einem Box-Whisker-Plot. Danach streut der Nettoaufwand der einzelnen Betriebe sehr stark, v. a. beim Körperschaftswald. Dort reicht er bis 250 €/ha HB im Bereich Schutz und Sanierung und 75 €/ha HB im Bereich Erholung und Umweltbildung. Beim Privatwald streut er v. a. im Bereich Schutz und Sanierung, mit Höchstwerten bei ca. 100 €/ha HB. Der Nettoaufwand ist damit z. T. erheblich. In der Summe liegen die Maxima im Körperschaftswald deutlich über den durchschnittlichen Reinerträgen 2 im Produktbereich 1 (Holz und andere Erzeugnisse) mit 79 €/ha HB im Jahr 2008.
Ökonomischer Wert und gesellschaftliche Leistungen der Wälder
EUR/ha Holzbodenfläche
300
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Maximalwert oberes Quartil Median unteres Quartil Minimalwert
200 100 0 -100 -200
KW = Körperschaftswald PW = Privatwald SW = Staatswald
-300 KW
PW
Schutz und Sanierung
SW
KW
PW
SW
Erholung und Umweltbildung
Abb. 3: Nettoaufwand der einzelnen Betriebe des Testbetriebsnetzes Forstwirtschaft in den Produktionsbereichen ‚Schutz und Sanierung’ sowie ‚Erholung und Umweltbildung’ im Jahr 2008.7
Eine Diskussion über die Kosten der Forstbetriebe durch Umweltleistungen kann daher nicht nur auf Durchschnittsebene geführt werden. Auch wenn im Durchschnitt der Nettoaufwand niedrig ist, kann er für einzelne Betriebskollektive erheblich sein. Die Einschätzung darüber, ob bestimmte forstpolitische Maßnahmen wirtschaftliche Auswirkungen besitzen und wie deren verfügungsrechtliche Einordnung (z. B. Ausgleichspflichtigkeit oder gar Enteignungsgleichheit) gesehen werden muss, kann daher nicht aus betrieblichen Durchschnittswerten abgeleitet werden. Hierauf wird im Folgenden noch kurz eingegangen.
2. Ausblick auf zukünftige Belastungen Die Daten des Testbetriebsnetzes Forstwirtschaft zum Nettoaufwand der Forstbetriebe durch Umweltleistungen zeigen zweierlei: Zum einen sind die Durchschnittswerte der vergangenen Jahre nicht alarmierend. Vor allem der Privatwald ist durchschnittlich nur mit geringen Beträgen betroffen. Bei den beiden anderen Eigentumsarten Körperschafts- und Staatswald liegen die Nettoaufwendungen zwar höher, bei ihnen können diese aber durchaus mit betrieblichen Zielen begründet sein. Zum anderen existieren aber einzelne Betriebe, die besonders hohen Nettoaufwand verbuchen und damit besonders stark von Belastungen betroffen sein können. Der Blick nach vorne lässt zukünftig eine noch deutlichere Streuung in der Betroffenheit erwarten. Auch wenn die meisten Betriebe in Zukunft kaum höhere Belastungen zu tragen haben werden, werden mehr Betriebe als heute deutlich stärker betroffen sein. Dies ist insbesondere aus zwei Vorhaben im Be7
Quelle: Testbetriebsnetz Forstwirtschaft des BMELV, eigene Berechnungen.
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Matthias Dieter / Peter Elsasser / Carsten Thoroe
reich des Naturschutzes zu erwarten, der Umsetzung der FFH-Richtlinie und der Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie. Die FFH-Flächen im Wald belaufen sich auf 1,9 Mio. ha, das sind 17 % der Waldfläche in Deutschland. Allerdings sind die Managementpläne, aus denen die zukünftigen Belastungen in Form von Mehraufwendungen und Mindererträgen abgeleitet werden können, erst in der Entstehung bzw. Umsetzung. Für einzelne Fallbeispiele werden derzeit die zu erwartenden Auswirkungen der FFH-Richtlinie auf die Waldbewirtschaftung und die wirtschaftliche Situation der betroffenen Forstbetriebe in einem Forschungsprojekt untersucht, das von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) im Auftrag des BMELV finanziert wird. Allein die Beschränkungen bei der Baumartenwahl, insbesondere das Zurückdrängen von Neophyten, führt langfristig zu erheblichen Ertragseinbußen. Diese lassen sich bereits aus einem Vergleich der Annuitäten der betroffenen Baumarten (nach MÖHRING & RÜPING 2006) grob abschätzen. Douglasien beispielsweise weisen gegenüber Buchen ca. 100 bis 200 €/ha höhere Annuitäten auf. Werden Risikokosten als Folge des Klimawandels mit berücksichtigt – die heute natürliche Vegetation muss nicht die best angepasste Vegetation für die Zukunft sein – können die Ertragseinbußen noch höher ausfallen. Eine mindestens genauso hohe Belastung wie aus der Umsetzung der FFHRichtlinie kann den betroffenen Betrieben aus einer unabgestimmten Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt erwachsen. Dort ist u.a. geplant, 5 % der Waldfläche einer natürlichen Entwicklung zu überlassen. Wird dieser Flächenanteil überwiegend aus alten Buchenbeständen rekrutiert (wie u.A. aus Standpunkten des Bundesamts für Naturschutz geschlossen werden kann; vgl. BFN 2008), resultieren Mindererträge in den betroffenen Beständen von knapp 500 €/ha/a (DIETER 2009, S. 43 f.). Je nach Altersklassenausstattung der Betriebe können sich daraus Mindererträge pro Betrieb ergeben, die die jährlichen Reinerträge weit übersteigen. Dieses Beispiel zeigt deutlich die Notwendigkeit einer alle Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigenden Umsetzung solcher Naturschutzvorhaben.
V. Chancen für die Grundeigentümer durch Umweltleistungen Auch wenn viele Umweltleistungen des Waldes Charakterzüge öffentlicher Güter tragen, bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass sich mit solchen Gütern keine Einkünfte erzielen ließen. Zudem ist auch die Grenze zwischen privaten und öffentlichen Gütern oft fließend. Sowohl private Grundeigentümer als auch die Gesetzgebung haben Möglichkeiten, beide Probleme zu beeinflussen und nutzen diese.
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MANTAU hat in etlichen Veröffentlichungen darauf hingewiesen, wie private Grundeigentümer durch innovative Marktgestaltung Nischenmärkte für Umweltleistungen entwickeln und sich dadurch entsprechende Einkommensquellen erschließen können (MANTAU 1993, 1994; MANTAU et al. 2001). Dies beruht regelmäßig darauf, die öffentlichen Umweltleistungen so mit privaten Gütern zu Angebotspaketen zu bündeln, dass den Abnehmern dieser Pakete exklusive Nutzungsrechte zukommen (dass also diese Pakete nicht nur attraktiv für Konsumenten sind, sondern auch durch die Verbindung mit privaten Gütern dem Rivalitätswie dem Ausschlussprinzip Geltung verschafft wird). In einer umfassenden Studie wurden 98 solcher Vermarktungsinitiativen aus Deutschland, Italien, Österreich und den Niederlanden zusammengetragen und analysiert (MANTAU et al. 2001). Eine wesentliche Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit solcher Initiativen ist jedoch, die mit ihnen notwendig verbundene Geltung des Ausschlussprinzips aufrechterhalten zu können. Werden innovative waldpädagogische Angebote, Sportveranstaltungen im Wald oder naturbasierte Werbemöglichkeiten dagegen kurz nach ihrer Einführung von benachbarten öffentlichen Forstbetrieben kostenlos angeboten, die diese Angebote aus öffentlichen Mitteln finanzieren, so können Preisforderungen privater Anbieter für solche Leistungen nicht aufrechterhalten werden. Auch die Gesetzgebung nimmt immer wieder Einfluss auf den Rahmen, innerhalb dessen sich Verfügungsrechte über die Umweltleistungen des Waldes ausprägen. Bisweilen sind diese Veränderungen mit Chancen für das Grundeigentum verbunden, wie einige aktuelle Beispiele im Bereich der Naturschutz-, der Gewässer- und der Klimapolitik zeigen: x Nach dem deutschen Naturschutzrecht müssen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, die durch Maßnahmen auf Grundlage einer Bauleitplanung erfolgen (also beispielsweise die Umwandlung von Frei- in Siedlungsflächen) durch anderweitige Natur- und Landespflegeleistungen kompensiert werden. Solche Kompensationen müssen weder räumlich noch zeitlich unmittelbar an den jeweiligen Eingriff gekoppelt sein und auch nicht zwingend durch den Verursacher selbst durchgeführt werden. Forstbetrieben bietet sich daher gerade aufgrund der zunehmenden Verknappung anderweitiger geeigneter Flächen die Chance, ihre Waldflächen naturschutzfachlich aufzuwerten, die entsprechenden Naturschutzleistungen auf „Ökokonten“ anrechnen zu lassen und bei Bedarf gegen Entgelt an Verursacher von Eingriffen – dies sind i.d.R. Gemeinden als Träger der Bauleitplanung – abzutreten. (Für nähere Darstellungen s. LEEFKEN 2003, 2006; ROTERING-VOUNG & REDMANN 2009). x Ähnliche Chancen könnte auch die europäische Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 bieten, die mit der 7. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz in nationales Recht überführt wurde. Die Wasserrahmenrichtlinie zielt auf eine verbesserte Qualität von Oberflächen- und Küstengewässern sowie des Grundwassers, auf den Schutz vor Überschwemmungen und Dürren sowie auf eine Förderung des Gewässerlebens ab und sieht unter Anderem vor, dass die EUMitgliedstaaten bis 2010 die Voraussetzungen für eine angemessene Honori-
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erung von Wasserdienstleistungen schaffen. Waldbesitzern, die solche Wasserdienstleistungen anbieten, könnten somit zumindest diejenigen Kosten für Wirtschaftsmaßnahmen im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie entgolten werden, welche über die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Forstwirtschaft hinausgehen. (Zu weiteren Details s. MERKER 2003; SCHÜLER 2005; RÜPING 2009). x Im Bereich der Klimapolitik sind im Gefolge der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen Treibhausgas-Emissionsrechte für Industriestaaten begrenzt und einer Zertifizierungspflicht unterworfen worden. Solche Emissionsrechte können grundsätzlich durch Waldwirtschaft erweitert werden, nämlich aufgrund der Senkenleistung produktiver Wälder, die dadurch einen wirtschaftlichen Wert bekäme. Allerdings kann die Forstwirtschaft hiervon nach den bisherigen Regelungen nur indirekt profitieren. Nach dem KyotoProtokoll sind derzeit zwar Aufforstungen wie auch Vorratsanreicherungen im bestehenden Wald anerkennungsfähig; das Kyoto-Protokoll betrifft aber die einzelbetriebliche Ebene nicht direkt, weil es nur Rechtsverhältnisse zwischen Staaten regelt. Inwieweit ein Nutzen durch forstliche Senkenleistungen vom Staat an die Einzelbetriebe weitergegeben werden wird, ist noch in der Diskussion. Die Europäische Emissionshandelsrichtlinie dagegen ist zwar auf Einzelbetriebsebene verbindlich, schließt aber derzeit den Landnutzungsbereich aus. Gleichwohl profitiert die Forstwirtschaft bereits jetzt indirekt durch die veränderten Preisrelationen zwischen Holz und konkurrierenden, emissionsintensiveren Materialien und Energieträgern von den jeweiligen Regelungen. Zudem wurde die Emissionshandelsrichtlinie dahingehend erweitert, dass die Mitgliedstaaten mindestens die Hälfte der durch Versteigerung von Emissionszertifikaten erzielten Erlöse für eine oder mehrere von insgesamt neun emissionswirksamen Maßnahmen verwenden sollen, unter denen auch forstliche Senken in der Gemeinschaft genannt sind (EU 2009, Artikel 10 Abs.3d). Auch abseits formal institutionalisierter Anerkennungsregeln für forstliche Senkenleistungen bieten sich Innovationspotentiale im Bereich der globalen Märkte für freiwillige Emissionsreduktionen (HAMILTON et al. 2010). Auch in Deutschland bestehen mehrere entsprechende Initiativen, um forstliche Senkenprojekte für den freiwilligen Markt zu entwickeln. (Für weitere Ausführungen vgl. HAMILTON et al. 2010; CICCARESE et al. 2011).
VI. Bewertung von Umweltleistungen: Effizienz und Eigentumsschutz Das bisher vorliegende Wissen über den Wert von Umweltleistungen der Wälder ist erwartungsgemäß lückenhafter als die verfügbaren Erkenntnisse über die Naturalausstattung der Wälder oder über die wirtschaftliche Situation der Forstbetriebe, welche auf regelmäßigen Erhebungen basieren. Gleichwohl ist dieses Wissen zur Ergänzung und Einordnung solcher Erhebungen unverzichtbar – und zwar
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sowohl für eine effiziente Nutzung der Wälder als auch für den Schutz der damit verbundenen Eigentums- und Verfügungsrechte.8 Informationen über die Kosten und Nutzen der unterschiedlichen Umweltleistungen des Waldes helfen grundsätzlich, Güter (öffentliche wie private) effizienter zu nutzen. Dies gilt nicht nur für die Vermarktung von Umweltleistungen, sondern grundsätzlich unabhängig davon, wem die Verfügungsrechte an diesen Ressourcen zustehen. Gerade dort, wo der Staat Verfügungsrechte über öffentliche Güter beansprucht und Defiziten der Marktsteuerung politisch gegensteuert, kann die Berücksichtigung preisloser Umweltleistungen des Waldes dazu beitragen, dass öffentliche Mittel und Naturressourcen effizienter und sparsamer verwendet werden, dass also mögliche Umweltbeeinträchtigungen umfassender in die Abwägung eingehen und Ressourcen dahin gelenkt werden, wo sie unter Berücksichtigung sämtlicher betroffener Leistungen den höchsten Nettonutzen erbringen – nicht nur bei der Planung einzelner umweltrelevanter Projekte, sondern auch etwa bei der Gestaltung und Evaluation staatlicher Regulierungen und Förderprogramme. Dies dient nicht zuletzt dem Schutz des Privat- wie auch des Gemeineigentums. Nutzenbewertungen von Umweltleistungen des Waldes können, beispielsweise bei der Kontrolle der wirtschaftlichen Entwicklung im Rahmen der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen, zu einer verbesserten Einschätzung der Wertnachhaltigkeit natürlicher Ressourcen beitragen (vgl. O'CONNOR & SCHOER 2010) und so einem schleichenden Substanzverlust durch Erosion des Naturkapitals der Wälder (wie auch ineffizienten Nutzungsbeschränkungen dieses Kapitals) vorbeugen. Gleichzeitig erlauben solche Nutzenbewertungen, die Umweltleistungen von Wäldern in Relation zueinander, zum Wert marktgängiger Güter (v.a. Rohholz) sowie zu den jeweils mit ihrer Produktion verbundenen Kosten einzuschätzen: Politische Konflikte über die Balance zwischen Eigentumsschutz und Sozialpflichtigkeit des Eigentums können damit nicht gelöst, wohl aber mit Argumenten unterfüttert werden.
VII. Literatur Bartelheimer, P.; Baier, M. (1991): Belastungen der Forstbetriebe aus der Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes. Münster-Hiltrup: Landwirtschaftsverlag. 399, 149 S.
8
Dies gilt unter der Voraussetzung einer adäquaten Interpretation der entsprechenden Zahlen. Es wurde beispielsweise bereits darauf hingewiesen, dass Marktpreise (etwa für Rohholz) nur mittelbar mit Zahlungsbereitschaften (für Umweltleistungen) verglichen werden können; auch bei der Interpretation der dargestellten Kosten durch Umweltleistungen ist zu beachten, dass viele der zugrundeliegenden Maßnahmen nicht verpflichtend sind, und auch nicht sämtliche mit Umweltleistungen des Waldes begründeten Kosten zwangsläufig den Nutzen dieser Leistungen erhöhen.
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§8
Rohstoffknappheit und Holzmarkt
Udo Mantau
I. Wandel des Holzmarktes durch neue politische Rahmenbedingungen Im traditionellen Verständnis bestehen Forst- und Holzwirtschaft aus den Bereichen der forstlichen Produktion und der Verarbeitung des Holzes in der Sägeindustrie, in der Zellstoff- und Papierindustrie sowie in der Plattenindustrie und einigen anderen kleineren Sektoren. Damit lassen sich die Entwicklungen des Holzmarktes heute kaum noch erfassen. Der Holzmarkt ist zu Beginn des 21ten Jahrhunderts in seinen Strukturen grundlegend verändert. Ausgangspunkt der Veränderungen sind vor allem politische Strömungen, die in Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen münden und auf der Verwendungsseite mit der Nachfrage nach Energieholz neue Industrien schafft. Den gesetzlichen Bestimmungen folgen mit den Ölpreiserhöhungen im vergangenen Jahrzehnt auch marktbedingte Knappheiten, die zu einer verstärkten Nachfrage nach Energieholz führen. Gleichzeitig führen diese gesetzlichen Rahmenbedingungen zu ganz neuen Märkten, wie z.B. dem Altholzmarkt, die fortan Teil des Holzmarktes sind. Die energetische Verwendung von Holz ist nicht mehr nur auf den heimischen Kamin beschränkt, sondern entwickelt sich zu einem neuen Industriezweig. Holz wird zudem als Ausgangsrohstoff für chemische Rohstoffe neu entdeckt. Auf der Aufkommensseite führt die Knappheit zu einer Differenzierung des Rohstoffangebotes, indem Recyclingstoffe (z.B. Altholz/Gebrauchtholz) an Bedeutung gewinnen und nach neuen Rohstoffquellen (z.B. Landschaftspflegematerial) gesucht wird. Dies macht die Bewertung wirtschaftlicher und forstpolitischer Entscheidungen schwieriger, da der Holzmarkt sehr viel komplexer geworden ist und in der traditionellen Statistik die Verwendung und das Aufkommen von Rohstoffen nur noch teilweise abgedeckt wird. Es fehlt ein Rahmen, der die Gesamtheit der Sektoren und ihre Interaktionen abbildet. Im Zuge zahlreicher Untersuchungen des Verfassers wurde mit der Holzrohstoffbilanz ein Instrument entwickelt, mit dem der O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Udo Mantau
Holzmarkt wieder ganzheitlich erfasst werden kann. Somit soll zunächst anhand der Holzrohstoffbilanz ein Bild der Struktur des aktuellen Holzmarktes gezeichnet werden. Die traditionelle holzverarbeitende Industrie verbrauchte im Jahr 2010 mit 60 Mio. m³ gerade noch 53% des inländischen Holzaufkommens. Es ist absehbar, dass die energetische Nutzung bald einen größeren Verbrauchsanteil an Holz hat als die stoffliche Nutzung. Der Verbrauch bezieht sich aber schon lange nicht mehr nur auf Holz aus der Forstwirtschaft. Sie liefert im Jahr 2010 voraussichtlich noch 63% der Biomasse aus Holz, während bereits 37% aus anderen Rohstoffen gedeckt werden. Auch hier verlagern sich die Gewichte in Richtung der anderen Biomassen, wenngleich die Veränderungen nicht so groß sind wie auf der Verwendungsseite. Insgesamt zeigt die Tabelle 1, dass der Holzmarkt 2010 ein ganz anderer ist als der des Jahres 1990. Er ist deutlich umfassender und komplexer. Das traditionelle Geflecht aus Forst- und Holzwirtschaft ist längst aufgebrochen. Neue Akteure und neue Rohstoffe prägen das Bild erheblich mit. Es ist nicht selten, dass bei Veranstaltungen zum Thema Holz, die Vertreter aus Forst- und Holzwirtschaft in der Minderheit sind, bzw. das Thema Holz als Rohstoff in einem Umfeld auf der Agenda steht, wo es noch vor zehn Jahren gar nicht bekannt war. Tabelle 1: Holzrohstoffbilanz Deutschland; Quelle: MANTAU, U. (2008): Szenarien 20082012.
Aufkommen Stammholz sonstiges Derbholz Waldrestholz Rinde Sägenebenprodukte Sonst. Ind.-Restholz Schwarzlauge Altholz Landschaftspflegemat. Holzenergieprodukte Bilanzausgleich Insgesamt
1990 24.3 13.4 1.5 1.7 8.9 3.2 2.2 3.3 1.2 0.2 2.4 62.2
Holzrohstoffbilanz in Mio. Fm 2000 2010 *) 1990 2000 2010 in Mio. m³ in Mio. m³ 29.6 16.5 3.2 2.0 11.1 4.5 2.0 6.0 1.9 0.4 0.0 77.1
35.9 27.6 6.6 2.5 13.9 7.2 3.2 10.1 5.1 3.2 0.0 115.2
23.4 10.2 8.0 2.6 0.0 0.2 5.1 2.4 10.3 0.0 0.0 62.2
29.1 14.0 7.2 2.2 0.0 0.4 8.6 4.3 11.3 0.0 0.0 77.1
Verwendung
35.6 Sägeindustrie 13.5 Holzwerkstoffe 9.4 Holzschliff und Zellstoff 2.2 sonstige Holzindustrie 0.0 sonstige Industrie 3.2 Energieprodukthersteller 20.2 Energetisch > 1 MW 5.1 Energetisch < 1 MW 25.6 Hausbrand 0.1 sonst. energet. Verw. 0.2 Bilanzausgleich 115.2 Insgesamt
*) 2010 Prognose
Neben der Forstwirtschaft als Rohstofflieferant haben in den letzten Jahren alle Formen der „Industrieresthölzer” an Bedeutung gewonnen. Hierzu gehören die Sägenebenprodukte, denn je nach Holzart und Technologie werden aus einem
Rohstoffknappheit und Holzmarkt
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Kubikmeter Stammholz nur 60% bis 67% Schnittholz gewonnen. Ein gutes Drittel des Stammes fließt als Rohstoff wieder in die Bilanz ein. Sonstige Resthölzer fallen bei verschiedensten Verarbeitungsprozessen von Holz an. Dies können die Hobelspäne sein, der Verschnitt in Möbelindustrie und Bauwirtschaft und vieles andere mehr. Teilweise wird dieses Material nach der Entsorgungswirtschaft angedient. In dem Fall fällt es unter das „Altholz“. Weil dieses jedoch im Zeichen der Rohstoffverknappung an Wert gewonnen hat, wird es zum größten Anteil in den Betrieben selbst entweder stofflich oder energetisch verwendet oder direkt an Abnehmer verkauft. Schwarzlauge ist ein Kuppelprodukt der Zellstoffproduktion und wird meist in den Heizkraftwerken der Zellstoffindustrie energetisch verwendet. Auch das Holz, das nicht im Wald steht, ist heute im Fokus des Interesses. Zum Landschaftspflegematerial zählen alle holzhaltigen Reststoffe aus der Landschaftspflege, auch das Gartenholz. Letzteres ist ein gutes Beispiel für die starke Vernetzung des Holzmarktes. So kann man aus der obigen Tabelle ablesen, dass in Haushalten im Jahr 2010 voraussichtlich ca. 25 Mio. Fm Holz energetisch genutzt werden. Würde man das Volumen in voller Höhe der Nutzung des Waldholzes zurechnen, wäre die jährliche nutzbare Holzmenge sehr schnell verbraucht. Somit ist es wichtig zu wissen, dass ein Drittel des Brennmaterials nicht aus dem Wald kommt. Neun Prozent sind Gartenholz. Auch das Scheitholz aus dem Wald kann man nicht in voller Höhe auf die jährlich nutzbare Holzmenge anrechnen, weil nur 80% so genanntes Derbholz ist, das über sieben Zentimeter Durchmesser liegt. Das übrige Scheitholz besteht aus Ast- und Knüppelholz, das nicht in den Berechnungen der jährlich nachwachsenden Holzmengen enthalten ist. Warum sind solche „Details“ wichtig? Anstatt den Verbrauch an Holzenergie in privaten Haushalten in Höhe von 25 Mio. m³ der Waldholznutzung zuzurechnen, bleiben nach Berücksichtigung der oben erwähnten Details noch 13,5 Mio. m³ übrig, die tatsächlich der nachhaltigen Holzverfügbarkeit gegenübergestellt werden. Bedenkt man zudem, dass die jährlich nachwachsende Holzmenge etwa bei 100 Mio. m³ liegt, so lohnt es sich genau zu rechnen bzw. der Blick auf Forst- und Holzwirtschaft allein reicht schon lange nicht mehr aus, um sich über die Rohstoffsituation ein Bild machen zu können. Neben den Haushalten wachsen mit den Biomasseheizkraftwerken weitere Nachfrager auf dem Holzmarkt heran, die schon bald die zweitgrößte Verbrauchsgruppe stellen werden. Was hat das aber mit der holzverarbeitenden Industrie zu tun, an die sich dieser Beitrag doch vorrangig widmen soll? Die Entwicklungen haben die holzverarbeitenden Industrien in den letzten Jahren ganz unterschiedlich getroffen. Die Sägeindustrie hat davon sehr stark profitiert. Zum einen konnte sie für ihre Sägenebenprodukte attraktive Preise erzielen. Mit der Pelletindustrie wuchs ihr zum anderen ein neuer Nachfrager heran, der sich vor allem für die zuvor eher wertlosen Sortimente, wie das Sägemehl, interessierte. Zudem erkannten einige Betriebe sehr schnell, dass sie selbst Biomassekraftwerke profitabel betreiben könnten und in
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Udo Mantau
den letzten Jahren wurden Sägewerke zunehmend auch zu Pelletproduzenten. Somit wandelten sich einige holzverarbeitende Betriebe zunehmend auch zu Energieproduzenten. Anders erging es der Plattenindustrie. Da die Spanplatte vor allem die eher minderwertigen Sägenebenprodukte verarbeitet, musste sie plötzlich mit erheblichen Preissteigerungen bei der Rohstoffbeschaffung fertig werden. Der verbandspolitische Widerstand gegenüber der Förderung der energetischen Nutzung war gut nachvollziehbar. Inzwischen ist aus der Fachpresse zu entnehmen, dass die Branche zunehmend auch ein energiewirtschaftliches Standbein aufbaut. Dieses war in der Zellstoffindustrie schon immer gegeben, da sie die anfallende Schwarzlauge energetisch nutzte. Das größte deutsche Biomassekraftwerk wird von einem Zellstoffhersteller in Stendal betrieben. Dennoch führten die steigenden Rohstoffkosten auch hier zu erheblich höheren Aufwendungen. Da die Zellstoffindustrie aber eher die hochwertigen Hackschnitzel aus der Sägeindustrie verwendet, wurde sie nicht so stark von der Entwicklung getroffen wie die Plattenindustrie. Langfristig denkt die Branche aber verstärkt über die weitere Veredlung des Rohstoffes Holz nach. In der Zellstoff- und Papierindustrie werden künftig Bioraffinerieanlagen entstehen, die chemische Grundstoffe produzieren und mit dem hohen Veredlungsgrad von den Rohstoffkosten unabhängiger werden. Noch dominiert die Produktion der holzverarbeitenden Industrie den Rohstoffverbrauch und sie wird auch weiterhin eine bedeutende Rolle innehaben, aber sie hat zahlungskräftige Mitbewerber um den Rohstoff Holz bekommen und gleichzeitig auch ihren eigenen Charakter sehr verändert.
in Mio. m³ 50
Sägeindustrie Holzwerkstoffindustrie Holz- u.Zellstoffindustrie Sonstige stoffliche Verwendung
45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1988
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
Abb. 1: Entwicklung der holzverarbeitenden Industrie in Deutschland. Quelle: MANTAU, U. (208): Szenarien 2008-2012.
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Nicht zuletzt ist der Holzmarkt in den letzten Jahren im Guten wie im Schlechten ein Teil der Globalisierung geworden, wie die Entwicklung der Sägeindustrie besonders deutlich macht. Sie hat nach erfolgreicher Integration in den internationalen Handel auch vom Immobilienboom in den USA und in Europa, z.B. Spanien, profitiert und ebenso stark ist sie vom Platzen der Blase mitgerissen worden. Das Jahr 2010 zeigt in allen Branchen deutliche Belebungstendenzen. Die Zeiten des idyllischen deutschen Holzmarktes mögen in einigen Traditionen noch gepflegt werden, im Holzmarktgeschäft sind sie Vergangenheit. Die Darstellungen machen deutlich, dass die Rahmenbedingungen des Holzmarktes bereits durch andere Politikfelder sehr viel stärker bestimmt werden als durch die Forstpolitik oder die Holzwirtschaftspolitik.
II. Einfluss der Rahmenbedingungen auf den Holzmarkt Die ersten äußerlich spürbaren Einwirkungen auf den Holzmarkt gingen vom Abfallgesetz aus, das mit seiner Vorrangigkeit der stofflichen Verwertung den Holzverpackungen einen Einbruch bescherte. Dem AbfG folgte 1994 das „Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen“ oder kurz „Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz“ (KrW-/AbfG). Darin wird (§ 3, I KrWG) der Abfallbegriff aus dem EG-Recht übernommen, der sich von dem des Abfallgesetzes (AbfG) grundsätzlich unterscheidet. Das EG-Recht geht von einem "wertunabhängigen“ Abfallbegriff aus und kann deshalb ausdrücklich auch Stoffe als "Abfall zur Verwertung" mit einbeziehen. Zeitweilig herrschte die Befürchtung, dass Sägenebenprodukte damit unter das Abfallregime fallen könnten. Zwar ist der Zweck des Einschneidens offensichtlich nicht auf die Produktion von Sägespänen gerichtet, wohl aber ist es ein verkäufliches Produkt. Noch eindeutiger ist im Falle von Hackschnitzeln auf die Produkteigenschaft zu plädieren, da Hacker und Sortierprozesse direkt auf einen Hauptzweck (TMP-Hackschnitzel-Produktion) gerichtet sein können. Bei Sägenebenprodukten würde man folgende Grundlage der Beurteilung heranziehen: x x x x x
positiver oder negativer Marktpreis, Nachfrage, Erfüllung von Produktionsnormen, Qualitätskontrolle und Zeitraum bis zum Weitergebrauch.
Die Kriterien des Marktpreises und der Nachfrage sind eindeutig gegeben. Auch ist i.d.R. kein langer Zeitraum bis zum Weitergebrauch zu vermuten. Bei Hackschnitzel wiederum wurde durch die Verbände der Papierindustrie (VDP) und der Sägeindustrie (VDS) eine Qualitätsrichtlinie für Hackschnitzel entwickelt. Dies zeigt sehr deutlich, dass die Abfall- oder Produkteigenschaft eines Gutes auch durch aktives Handeln der Betroffenen beeinflusst werden kann.
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Nachdem geklärt war, dass der Zugang zu den wichtigsten Reststoffen auch weiterhin auf dem Holzmarkt geregelt wird, machte sich die weitaus größere Auswirkung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes bemerkbar. Es wurde mit gewaltigen Altholzmengen gerechnet, für die auch die Verbrennungskapazität geschaffen werden musste. Im folgenden Abschnitt wird eine kurze Darstellung der wichtigsten für den Bereich der Verwertung von Rest– und Gebrauchtholz relevanten Gesetze und Verordnungen gegeben. Der Altholzmarkt ist in theoretischer Betrachtung ein ideales Studienobjekt dafür, wie Gesetze Märkte machen, wobei dazu ein ganzes Gesetzesbündel gehört1: x x x x x x x x x x
KrW-/AbfG Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (7.10.1996 / 25.8.1998) EAKV Verordnung zur Einführung des europ. Abfallkatalogs (7.10.1996 / -) Bundes-Immissionsschutzgesetze (1997-99) Verordnung über Kleinfeuerungsanlagen (1. BImSchV) Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnlich brennbare Stoffe (17. BImSchV) Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft, 27.02.1986) Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) (2003/09/12) BiomasseV – Biomasseverordnung zum EEG (11.05.2001) AltholzV – Altholzverordnung (2003/06)
Das am 25.02.2000 durch den deutschen Bundestag verabschiedete ErneuerbareEnergien-Gesetz EEG regelt im Kern die Abnahme und die Vergütung von Strom aus regenerativen Energiequellen, unter anderem auch aus Biomasse im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Es bildet somit das gesetzliche Fundament, das die Wirtschaftlichkeit der energetischen Verwertung von Altholz als anerkannter Bioenergieträger ermöglicht. Das EEG leitet sich aus dem seit 1991 gültigen Stromeinspeisegesetz ab. Gegenüber diesem trägt es aber mit deutlich höheren Vergütungssätzen die nach wie vor hohen Investitionskosten und teilweise auch Brennstoffkosten von Bioenergieträgern Rechnung. In Abhängigkeit von der jeweiligen Anlagengröße ergeben sich gestaffelte, zusätzliche Vergütungssätze, die um 8-12 Cent/kWel über den regulären Einspeisetarifen liegen.2 Hinzu kommt noch eine Reihe von Sondervergütungen, z.B. für innovative Anlagen und/oder Kraft-Wärme-Kopplung.
1
2
Nach LANG, A. (2004): Charakterisierung des Altholzaufkommens in Deutschland. Rechtliche Rahmenbedingungen – Mengenpotenziale – Materialkennwerte. Mitteilungen der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft Nr. 215, Hamburg: Wiedebusch, 223 S. BMU, KI III 1 (Bundestagsbeschluss zum EEG vom 06.06.2008).
Rohstoffknappheit und Holzmarkt
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Das Gesetz führt zu einer Reihe von Verteilungswirkungen. So erhalten die Produzenten von Strom aus Biomasse einen höheren Preis als es marktüblich wäre. Außerdem werden die Rohstoffströme tendenziell von der stofflichen Verwendung zur energetischen Verwendung umgeleitet, weil Energieproduzenten Preise zahlen können, die sie ohne Förderung nicht zahlen könnten. Zugleich führt das EEG zu einer allgemeinen Preisanhebung von Holzsortimenten, die bisher geringe Preise erzielten (Rinde, Sägespäne, Altholz). Dies begünstigt die Anbieter (Forstwirtschaft und Sägeindustrie) und belastet die Verwender (Plattenproduzenten). Mit dem EEG begann der Verteilungskampf um den Rohstoff Holz verstärkt einzusetzen. Hinzu kam, dass die anfallenden Altholzmengen teilweise doppelt so hoch angenommen wurden als die später verfügbaren ca. 6 Mio. Tonnen3. Da die errichteten Biomasseheizkraftwerke Rohstoff benötigten, wichen sie verstärkt auf Waldholz aus und da dies nicht immer ihren Preisvorstellungen entsprach, entwickelten sich neue Märkte, wie der Markt für Landschaftspflegematerial. Die im März 2001 im Bundeskabinett verabschiedete Biomasseverordnung (BiomasseV) regelt für den Anwendungsbereich des Erneuerbare-EnergienGesetzes, welche Stoffe als Biomasse gelten, welche technischen Verfahren zur Stromerzeugung aus Biomasse in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen und welche Umweltanforderungen bei der Erzeugung von Strom aus Biomasse einzuhalten sind (§ 1 BiomasseV). Mit dem Entwurf der AltholzV vom 23. 2. 2001 verfolgt die Bundesregierung das Ziel, nähere Anforderungen an die stoffliche und energetische Verwertung sowie an die Beseitigung von Altholz zu bestimmen, um national umweltverträgliche Entsorgungsstandards für Altholz festzulegen. Die AltholzV ist insofern als Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben des KrW-/AbfG4 für den Bereich der Altholzentsorgung zu sehen und ist der Entwicklung in den meisten europäischen Ländern weit voraus. Sie hat auch dazu beigetragen diesen Markt zu entwickeln, denn in Ländern, in denen entsprechende Reglungen fehlen, ist Gebrauchtholz immer noch ein Abfallprodukt für die Deponie.
III. Künftige Entwicklung des Holzmarktes Holzenergie ist in vielen Ländern Europas die wichtigste einzelne Energiequelle aus erneuerbaren Quellen wie Wasser-, Wind- und Solarenergie oder Geothermie. 3 4
WEIMAR, H.; MANTAU, U. (2008): Standorte der Holzwirtschaft – Altholz im Entsorgungsmarkt. Hier sind insbesondere die Verordnungsermächtigungen § 6 Abs. 1 Satz 4 (Umweltverträglichere Verwertungsart), des § 7 (Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft) und § 12 Abs. 1 (Anforderungen an die Abfallbeseitigung) KrW-/AbfG zu nennen.
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Der Anteil erneuerbarer Energie ist in letzten Jahren gestiegen und soll nach den Zielen der EU im Jahr 2020 20% erreichen („20 by 2020“). Eine Anzahl von verschiedenen Politikmaßnahmen sind auf die Energiesicherheit und effizientere Verwendung ausgerichtet. Mit der wachsenden Bedeutung der CO2-Speicherung, aber auch regionalpolitischen Entwicklungszielen wird die Holznachfrage weiter steigen. Eine aktuelle Studie der EU-Kommission zur Holzverfügbarkeit in Europa5 zwischen 2010 und 2030 zeigt deutlich, dass sich die Verknappung fortsetzen wird. Gegenwärtig verschafft die Finanzkrise dem Rohstoffmarkt eine gewisse Entspannung, die sich aber schon bald wieder in eine starke Verknappung umschlagen wird. Zwischen 2015 und 2020 wird die potentielle Holznachfrage das potentielle Holzangebot übersteigen. Nur wenn man bereit ist, die Holzmobilisierung erheblich zu steigern, können die Versorgungsziele annähernd erreicht werden. Das aber setzt finanzielle Anstrengungen ebenso voraus wie die Anerkennung der Holzproduktion als wichtiges Ziel. Die Holzwirtschaft wird sich weiter mit dem Energiemarkt vernetzten und selbst zum Energieanbieter werden. Dabei hilft ihr ihre traditionelle Kompetenz im Bereich der Rohholzbeschaffung. Die Holzwirtschaft wird ferner verstärkt auf die Veredelung ihrer Produkte setzen, um über höhere Margen die steigenden Rohstoffpreise bedienen zu können. Für die Sägeindustrie bedeutet das entweder eine fortschreitende Automatisierung oder Integration in die Weiterverarbeitung. Die Holzwerkstoffindustrie wird verstärkt rohstoffschonende Platten und ganz neue Werkstoffe (z.B. WPC) entwickeln. Die Papierindustrie wird ihre Kompetenz in holzchemischen Prozessen weiter entwickeln und ihre Angebotspalette an hochwertigen Rohstoffen ausweiten. Die romantische Sägemühle im Schwarzwaldtal bleibt – wenn alles gut geht - dem Wanderer als touristische Attraktion erhalten.
IV. Literatur BMU (2002): AVV – Abfallverzeichnis-Verordnung (Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis), Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 01.01.2002 EEG: Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG). Vom 29.03.2000, zuletzt geändert am 22.12.2003. LANG, A. (2004): Charakterisierung des Altholzaufkommens in Deutschland. Rechtliche Rahmenbedingungen – Mengenpotenziale – Materialkennwerte. Mitteilungen der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft Nr. 215, Hamburg: Wiedebusch, 223 S. MANTAU, U.(2004): Holzrohstoffbilanz für Deutschland – Holzrohstoffaufkommen und dessen Verwendung im Jahr 2002, in Holz-Zentralblatt, Nr. 76, S. 1026-1028
5
MANTAU et al. (2010): Euwood – wood demand and availability in Europe (EU27) 2010-2030. Final report presented by EU-Commission (DG ENER) in October 2010.
Rohstoffknappheit und Holzmarkt
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MANTAU, U., BILITEWSKI, B. (2005): Stoffstrom-Modell-Holz, Bestimmung des Aufkommens, der Verwendung und des Verbleibs von Holzprodukten, Forschungsbericht für den Verband Deutscher Papierfabriken e.V. (VDP), Celle 2005, 65 S. MANTAU, U. (2008): Holzrohstoffbilanz Deutschland, Szenarien des Holzaufkommens und der Holzverwendung bis 2012, Hamburg, 2008, 79 p. SÖRGEL, C.; WEIMAR, H.; MANTAU, U.(2007): Ökologische Potenziale durch Holznutzung gezielt fördern (ÖkoPot); Modul 1, Marktanalyse 2004, unveröffentlichter Zwischenbericht, Hamburg 2007, 127 S. WEIMAR, H.; MANTAU, U.: Standorte der Holzwirtschaft – Altholz im Entsorgungsmarkt – Aufkommens- und Vermarktungsstruktur. Abschlussbericht. Universität Hamburg, Zentrum Holzwirtschaft, Arbeitsbereich Ökonomie der Holz- und Forstwirtschaft. Hamburg, 2008, 22 S. WEIMAR, H.: Empirische Erhebungen im Holzrohstoffmarkt am Beispiel der neuen Sektoren Altholz und Großfeuerungsanlagen. Sozialwissenschaftliche Schriften zur Forst- und Holzwirtschaft. Hrsg. Udo Mantau. Bd. 9. Peter Lang 2009.
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Der Wald und seine Nutzung
Gero Becker
I. Der Wald als Rohstoffquelle Wie die vorhergehenden Kapitel dieses Buches aufzeigen, haben die Menschen im Laufe ihrer Geschichte Wälder auf ganz unterschiedliche Art und Weise und mit unterschiedlicher Intensität genutzt und dabei eine ganze Reihe von Gütern und Dienstleistungen (Ecosystem Services) bezogen. Der Holznutzung kam dabei und kommt bis heute eine dominierende Rolle zu. Aus praktisch unerschöpflich verfügbaren natürlichen Ressourcen (CO2, Wasser, Sonnenenergie) und unter vergleichsweise geringer Inanspruchnahme von mineralischen Nährstoffen und Spurenelementen aus dem Boden synthetisieren Bäume im Rahmen komplexer biochemischer Prozesse ein hochfestes und dabei leichtes und dauerhaftes Biomaterial, welches mechanisch relativ leicht zu bearbeiten ist, aber auch chemisch aufgeschlossen oder durch Verbrennung direkt energetisch verwendet werden kann. Wenn auch dörfliche Gemeinschaften schon früh die Grenzen der Leistungsfähigkeit von Wald-Öko-Systemen erkannten und in ihren Nutzungsgepflogenheiten mit berücksichtigten, so war doch die Waldnutzung bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein durch ein am aktuellen Bedarf orientiertes, im Zweifel exzessives Nutzungsverhalten geprägt (Exploitation). In manchen Regionen der Erde sind Formen der exploitativen Waldnutzung auch heute noch anzutreffen. Zunehmende Nachfrage nach Holz zur energetischen (Brennholz) und stofflichen (Nutzholz) Verwendung führte im frühindustriellen Mitteleuropa zur akuten Waldzerstörung und Holzverknappung. Als Konsequenz wurden von der sich herausbildenden Forstwissenschaft Konzepte und Instrumente einer planvollen, nachhaltigen Waldbewirtschaftung und Holznutzung entwickelt, die sich an der Tragfähigkeit der natürlichen Ökosysteme orientierten. Wichtige Voraussetzungen zu ihrer Umsetzung waren einerseits klare rechtliche Zuständigkeiten, insbesondere gesicherte Eigentumsrechte und andererseits hinreichende naturwissenschaftlich-ökologische Grundkenntnisse. Die Konzepte zur planvollen und nachhaltigen Nutzung der Wälder wurden seither den ökologischen Gegebenheiten, aber auch den Nutzungsanforderungen insbesondere der Waldeigentümer und der Holzwirtschaft, aber auch der Gesellschaft fortlaufend angepasst. Das Konzept der nachhaltigen O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen findet heute weit über den Wald- und Forstbereich hinaus generelle gesellschaftliche Akzeptanz. Im Spannungsfeld zwischen eigentümerspezifischen Zielsetzungen und gesellschaftlichen Ansprüchen werden dabei die Nutzungsanforderungen an den Wald unter den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im politischen Prozess ausgehandelt, wobei heute neben Eigentümern und Staat weitere gesellschaftlich relevante Akteure (z.B. aus dem Naturschutz) zunehmend Einfluss nehmen. Trotz allem genießt die nachhaltige Erzeugung und Bereitstellung des Rohstoffes Holz sowohl aus einzelwirtschaftlicher wie auch aus gesamtwirtschaftlich-gesellschaftlicher Sicht für die allermeisten Wälder in Mitteleuropa und Deutschland nach wie vor eine hohe Priorität. Während weltweit noch heute knapp über 50% des vom Menschen genutzten Holzes für energetische Zwecke eingesetzt, d.h. verbrannt wird, hat in Deutschland der Anteil des Brennholzes seit Mitte des 20. Jahrhunderts von 0,11m³ pro Kopf (1950) auf 0,04m³ pro Kopf (1970) zunächst stark abgenommen. Gemäß dem Grundsatz „Holz ist zu schade zum Verbrennen“ lag und liegt das Primat ganz eindeutig bei der stofflichen Verwertung, die einen größeren Nutzwert und damit eine höhere Wertschöpfung sowohl für die Forstbetriebe als Holzerzeuger wie auch für die be- und verarbeitende Holzindustrie ermöglicht. Erst in jüngster Vergangenheit gewinnt, ausgelöst durch die Energiekrise und auch aus klimapolitischen Gründen, zusätzlich zur stofflichen Verwertung die Rolle von (nachhaltig erzeugtem) Holz als quasi - CO2-neutralem Energieträger wieder stark an Bedeutung, wenn auch bis heute eine wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit zu fossilen Energieträgern in vielen Anwendungsbereichen nur durch energiepolitische staatliche Eingriffe dargestellt werden kann. Bevor in weiteren Abschnitten auf die vielfältigen Möglichkeiten, Holz einerseits stofflich und andererseits energetisch zu verwerten eingegangen wird, sollen im Folgenden die technischen Prozesse der Nutzung und Bereitstellung von Rohholz (Holzernte und Holzlogistik) dargestellt werden.
II. Effiziente Holzernte: Der Schlüssel zur nachhaltigen und wirtschaftlich erfolgreichen Waldnutzung Im Nachhaltsforstbetrieb (im Gegensatz zur Exploitationsnutzung, s.o.) geschieht die Holzernte, d.h. das Fällen, Aufarbeiten und Bereitstellen der Bäume bzw. der daraus hergestellten Vorprodukte (Rohholz) in der Regel auf der Grundlage sorgfältig geplanter Prozesse. Ausgehend von den Zielsetzungen der jeweiligen Eigentümer und dem die Rohholznachfrage bestimmenden Marktumfeld trifft der Waldbewirtschafter zu Beginn einer Planungsperiode (in der Regel jährlich) die Entscheidung, wo welche Bäume genutzt werden sollen. Er berücksichtigt dabei sowohl waldbauliche Zielsetzungen, die das Wachstum und die zukünftige Entwicklung der genutzten Waldbestände betreffen, als auch Gesichtspunkte der Nachhaltigkeit, die auf eine in Menge und Wert möglichst gleichmäßige Bereit-
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stellung von Holz über mehrere Jahre hinweg hinauslaufen. Dieser Regelfall einer planmäßigen Nutzung wird allerdings mitunter (und als Folge des Klimawandels möglicherweise in Zukunft immer öfter) von natürlichen Ereignissen bisweilen katastrophalen Ausmaßes konterkariert, indem Stürme, Schnee, Dürreperioden oder auch biotische Schäden (z.B. großflächige Borkenkäferkalamitäten) ungeplante und zwangsweise Nutzungen erzwingen und damit die ursprünglichen Planungen obsolet werden lassen. Damit stellen sich zugleich für die Organisation des Holzeinschlags und die Vermarktung des Rohholzes deutlich erhöhte Anforderungen. Geplante und unplanmäßige Nutzungen werden in technischer Hinsicht in vergleichbarer Form durchgeführt: Am Beginn stehen Überlegungen zur räumlichen Erschließung der Hiebsfläche, sei es durch befestigte Waldwege (Waldstraßen), sei es durch einfache Erdwege oder in ebenem Gelände durch befahrbare Streifen (Rückegassen). Ein hinreichend dichtes Netz an solchen Erschließungswegen ist nicht nur aus Gründen der Holznutzung, einschließlich der Holzlagerung und der Holzabfuhr, sondern auch für die Durchführung aller übrigen Arbeiten der Waldpflege und des Waldschutzes – und nicht zuletzt auch für die Nutzung des Waldes zu Zwecken der Freizeit und Erholung durch die Bevölkerung – eine entscheidende Voraussetzung. Technische Ausgestaltung, Qualität und „Maschenweite“ (Wegedichte) dieser Erschließungsnetze hängen von der Intensität der Waldbewirtschaftung, vor allem aber auch von den geländemäßigen Gegebenheiten ab: Je steiler und unwegsamer das Gelände ist, desto notwendiger ist für eine pflegliche und rationelle Holznutzung ein hinreichend dichtes Erschließungsnetz, desto aufwendiger ist aber auch sein Bau und seine Unterhaltung. Unter extremen Geländeverhältnissen in Mittel- und Hochgebirgslagen muss deshalb aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen mitunter auf Wege verzichtet und auf den Transport des Holzes mit Seilsystemen (Seilkräne) ausgewichen werden. Ist eine hinreichende Erschließung gegeben bzw. durch ergänzende Maßnahmen vorab hergestellt worden, können die einzelnen Prozessschritte einer Holzerntemaßnahme durchgeführt werden: Fällen, Aufarbeiten (Entasten, Querschneiden des Stammes in Rundholzsortimente, Vermessen), Rücken (Vortransport des Rundholzes durch den Waldbestand an den Weg) und Zwischenlagerung der verschiedenen Holzsortimente am Wegrand. Für jeden dieser einzelnen Prozessschritte haben sich unterschiedliche technische Verfahren herausgebildet. Das Fällen und Aufarbeiten kann in Handarbeit mit der Axt oder mit der Motorsäge, aber auch mit komplexen multifunktionalen Holzerntemaschinen (Harvester) erfolgen. Der Prozess des Rückens kann von Hand (leichte Holzstücke, schwieriges Gelände) aber auch unter Einsatz von Pferden, von Schleppern mit Seilwinde oder von Tragschleppern (Forwardern) durchgeführt werden. Der Grad der jeweiligen Mechanisierung bestimmt den Produktivitätsfortschritt, und damit auch die Kosten der Holzbereitstellung, und bestimmt im übrigen auch das Ausmaß der körperlichen Belastung der im Wald arbeitenden Menschen. Gleich welche Technik eingesetzt wird, gilt generell, dass eine Einheit (Kubikmeter, Festmeter) Rundholz
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umso langwieriger und damit teurer aufzuarbeiten ist, je geringer das Volumen (Länge, Durchmesser) je Stück, die sog. „Stückmasse“ ist. Diese Kostenprogression mit abnehmender Stückmasse steht, wie noch zu zeigen sein wird, meist im umgekehrten Verhältnis zum Wert des Holzes, erzielen doch großvolumige Stammteile, d.h. Rundholz mit großen Durchmessern und Längen bei vergleichbarer Qualität i. d. R. weitaus bessere Preise je Einheit als dünnes Holz. Die eingesetzte Holzerntetechnik ist auch abhängig von den aufzuarbeitenden Baumarten und –dimensionen, sowie von den Geländegegebenheiten: Nadelbäume schwacher und mittlerer Dimension in befahrbaren Lagen (bis ca. 30% Hangneigung) werden tendenziell eher mit hochmechanisierten Systemen (Harvester-, Forwardersystem) aufgearbeitet, während starkes Holz, insbesondere Laubholz und Bestände in steileren Lagen „motormanuell“, d.h. mit Motorsäge und Seilwindenschlepper aufgearbeitet und bereitgestellt werden. Der gewählte Grad der Mechanisierung hängt aber nicht nur von technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ab, sondern ist auch durch die individuellen Zielsetzungen und finanziellen Möglichkeiten des Waldeigentümers und insbesondere die Größe seines Waldbesitzes bestimmt: Während „kleine“ Waldbesitzer (oft mit bäuerlichem Hintergrund) häufig Wert darauf legen, ihre eigene Arbeitsleistung bei der Holzernte miteinzubringen – was zur Anwendung handarbeitsintensiver, niedrig mechanisierter Verfahren führt – herrscht im größeren Waldbesitz die Tendenz zur höheren Mechanisierung der Holzerntearbeiten vor, die eher selten durch eigene Maschinen, häufiger aber durch unabhängige Forstunternehmer (Lohnunternehmer) durchgeführt werden. Schließlich beauftragen vor allem in der Situation von Rohstoffknappheit bzw. Versorgungsengpässen oft die Holzkäufer, d.h. die industriellen Be- und Weiterverarbeiter von Holz, nach Vertragsabschluss mit dem Waldeigentümer ihrerseits Lohnunternehmer, die auf Rechnung der Holzindustrie den Holzeinschlag durchführen (sog. Selbstwerber). Für den einzelnen Forstbetrieb machen die Kosten für die Ernte und Bereitstellung des Holzes zwischen 50% und 70% der Gesamtkosten aus, während andererseits auch die Erlöse der Forstbetriebe in der Regel zu über 80%, oft auch nahezu ausschließlich aus dem Holzverkauf stammen. Holzernte und Bereitstellung und Holzverkauf sind also das „Kerngeschäft“ der meisten Forstbetriebe. Im Zuge der verstärkten Nutzung von Energieholz nicht nur in Öfen und Kaminen als traditionelles Brennholz (Scheitholz), sondern auch in modernen Heizanlagen als sog. Holzhackschnitzel gewinnen neue Formen der Aufbereitung und Bereitstellung von Rohholz an Bedeutung: Mit speziellen adaptierten Erntemaschinen sollen auch schwierig und zeitaufwendig zu manipulierende Baumteile (Äste, Baumkronen, dünnes Material) rationell geerntet und bereitgestellt werden. Danach kommen zunehmend mobile Hacksysteme zum Einsatz, die das sperrige, im Bestand anfallende Material bereits an der Waldstraße zu Holzhackschnitzeln verarbeiten, womit sich die weiteren logistischen Prozesse (Auf- und Abladen,
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Zwischenlagern, Transport) rationeller durchführen lassen. Dennoch ist die Aufarbeitung und Bereitstellung von Energieholz bis heute tendenziell kostenintensiver als die Ernte traditioneller Stammholzsortimente.
III. Holztransport und Holzlogisitk – Eine ökonomische und ökologische Herausforderung Der Transport von Rohholz aus dem Wald heraus zu den holzindustriellen Abnehmern der ersten Verarbeitungsstufe ist eine technische und logistische Herausforderung, die sich sowohl auf die Kostenstrukturen, wie auch auf das Ökoprofil von Holzprodukten maßgeblich auswirkt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rohstoffen und Energieträgern (Steine, Kohle, Öl, …) fällt Holz dezentral und auf großen Flächen verteilt, d. h. räumlich wenig konzentriert an. Dies gilt in Deutschland und Mitteleuropa umso mehr, als hier konzentrierte, flächenmäßig ausgedehnte Kahlschlagsnutzungen eher die Ausnahme sind; allenfalls bei zwangsweisen Kalamitätsnutzungen ergibt sich ein (ungeplanter) an einem Ort konzentrierter Holzanfall. Ansonsten führen die vorherrschenden Nutzungsmuster zu eher kleinen Holzmengen, die bei selektiven Nutzungseingriffen (Durchforstungen) oder bei der Waldpflege anfallen. Auch kleinteilige Waldbesitzstrukturen haben eher geringe Holzmengen je Nutzung zum Ergebnis, so dass Holzlager (Polter) am Weg von wenigen m3 keineswegs die Ausnahme sind, und nur selten deutlich mehr als 100 m3 Rundholz an einem Ort lagern und abgefahren werden können. Im Gegensatz zu Transportvorgängen in anderen gewerblichen Bereichen sind bei der Rundholzabfuhr Einweg-Verkehre die Regel, da Rückfrachten in den Wald hinein nur selten darstellbar sind. Hinzu kommt, dass die spezielle Form des Rohholzes (lange Stämme bzw. unregelmäßig geformte Stammteile mit unterschiedlichen Durchmessern) zum Rohholztransport Spezialfahrzeuge notwendig machen, die u.a. einen eigenen Kran zur Selbstbeladung im Wald aufweisen müssen, was sich weiter kostensteigernd auswirkt. Erhebliche Anteile der Transportwege verlaufen auf nicht öffentlichen Straßen (Waldwegen) und in schwierigem Gelände. Zunehmende Konzentration der Abnehmerseite auf wenige, jedoch große Verarbeitungswerke mit entsprechend großen Einzugsradien für ihren Rohholzbezug lassen zusammen mit erhöhten spezifischen Kosten im Transportbereich (Treibstoffpreise, Autobahnmaut) den Rohholztransport zu einem erheblichen und immer bedeutenderen Kostenfaktor werden; In vielen Fällen betragen die Transportkosten Wald-Werk bereits über ein Viertel bis zur Hälfte des Rohholzwertes frei Werk. Nicht zuletzt wirken sich steigende Transportentfernungen und ungünstige organisatorische Transportbedingungen auch auf die Ökobilanz des in diesem Punkt ansonsten vorbildlichen Rohstoffes Holz aus, werden doch gerade beim LKW-Transport über längere Strecken hinweg nicht unerhebliche CO2-Mengen freigesetzt. Verbesserte Walderschließung, Einführung moderner logistischer Systeme (GPS, digitale Waldwegekarten – Holztransportrouting), aber auch Initiativen zum multimodalen Verkehr (Kombination von LKW mit Bahn oder Schiff beim Ferntransport) sind in der jüngeren Vergangenheit verfolgte Konzepte zur
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Begrenzung der ökonomisch und ökologisch negativen Auswirkungen des Rohholztransports auf der Straße. Wegen der spezifischen kleinteiligen Struktur der Holzbranche, aber auch wegen der erforderlichen guten Ortskenntnis ist das Holztransportgewerbe bis heute durchweg klein- bis mittelständisch strukturiert, so dass fehlende Innovations- und Finanzkraft für die notwendigen Investitionen in logistische Systeme in vielen Fällen ein begrenzender Faktor ist.
IV. Vom Baum zum Brett – Prozesse und Produkte moderner Holzverwendung 1. Waldbau und Holzqualität – der „Wunschbaum“ Moderne waldbauliche Konzepte erlauben nicht nur die Optimierung der quantitativen Holzproduktion unter Beachtung des Bestandesrisikos, sondern bieten auch Möglichkeiten zur Steuerung der Dimension und der Qualität des erzeugten Rohholzes. Im Zieldreieck zwischen den Eckpunkten Volumenproduktion, Stabilität und Holzqualität sind in den meisten Fällen unterschiedliche Behandlungsoptionen möglich, mit denen auf die Holzqualität eingewirkt werden kann. Dies geschieht in erster Linie durch Steuerung des Wachstums der Bäume und damit der inter- und intraspezifischen Konkurrenz durch gezielte Nutzungseingriffe (selektive Durchforstung) insbesondere während ihrer jugendlichen und mittelalten Phase (bei Nadelholz etwa zwischen 20 und 60, bei Laubholz zwischen 30 und 80 Jahren). Grundsätzlich problematisch sind dabei allerdings die sich im Zeitablauf von Jahrzehnten wandelnden Zielvorstellungen über erstrebenswerte Holzqualitätsmerkmale. Heutzutage gilt als Zielsortiment ein möglichst gerader, ast- und fehlerfreier Stamm, aus dem Sägeholz (Balken, Bretter) oder Furnier hergestellt werden kann. Sollen dabei ausgesprochen starke und im unteren Bereich astfreie Stämme erzeugt werden, sind bereits Jahrzehnte zuvor andere Durchforstungsstrategien anzuwenden, als wenn die Erzeugung mittelstarken Holzes in Massenqualität in begrenzten Zeiträumen Produktionsziel sein soll. Heute gilt eine frühzeitige Astreinigung des unteren Stammabschnitts (bis ca. 8-10 m Höhe) die je nach Baumart natürlich durch Konkurrenz im relativen Dichtstand oder auch künstlich durch Wertastung, im jüngeren Bestandesalter herbeigeführt wird, und danach die Ausschöpfung des maximalen Zuwachses durch Zurückdrängung von Konkurrenten in der mittleren und älteren Phase des Bestandeslebens als gängiges Bestandesbehandlungskonzept, mit dem aktuelle und zukünftige Qualitätsanforderungen wohl am besten entsprochen werden kann, ohne zu große Risiken bei der Bestandesstabilität einzugehen. In dem Maße, in dem Holz zukünftig möglicherweise vermehrt nach sehr weitgehender mechanischer (Zerkleinerung, Zerhacken, Zerspanen, Zerfasern) oder gar nach chemischem Aufschluss in seine molekularen Bestandteile (Zellulose, Lignin) verwendet werden wird, werden dimensions- und qualitätsbezogene Baummerkmale weniger wertbestimmend sein, wohingegen die
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Optimierung der möglichst raschen Produktion einer großen (Trocken-)Masse je Flächeneinheit (t/ha) nicht zuletzt auch für chemische und energetische Verwertungszweige als Zielparameter an Bedeutung gewinnen könnte.
2. Bretter, Balken und Furniere: Forstprodukte mit hoher Wertschöpfung und bester Ökobilanz Über die Hälfte des von der deutschen Forstwirtschaft erzeugten Rohholzes geht als „sägefähiges Stammholz“ zur weiteren Verarbeitung an die heimische Sägeindustrie (54%). Damit unterscheidet sich Deutschland deutlich von anderen wichtigen Forstregionen wie Skandinavien, Kanada oder Brasilien, wo die Hersteller von Zellstoff und Papier die mengenmäßig bedeutendsten Abnehmer für Rohholz sind. Die deutsche Sägeindustrie hat in den letzten Jahrzehnten einen deutlichen Strukturwandel durchgemacht. Die meisten Werke sind heute entweder auf den Einschnitt von Nadelholz oder von Laubholz spezialisiert. Lediglich 85 große Sägewerke (>50.000m³) nehmen dabei knapp 74% des durch die Forstwirtschaft bereitgestellten Nadelstammholzes auf, die restlichen 26% des im Inland erzeugten Stammholzes teilen sich rund 1.800 mittelere und kleine, eher regional operierende Werke auf. Als Bearbeitungstechnik in den großen Nadelholz-Sägewerken dominiert heute die sog. Profilspanertechnik, bei der aus dem runden Stamm die vom Markt nachgefragten Schnittholzsortimente (Bretter, Balken) in hoher Geschwindigkeit herausgefräst werden. Wichtigstes Ziel ist dabei neben dem hohen Durchsatz eine möglichst weitgehende Rundholzausbeute, die als Verhältnis von erzeugtem Schnittholzvolumen zu eingesetztem Rundholzvolumen definiert ist. Um dies zu erreichen, werden moderne laseroptik-gestützte Vermessungsverfahren und zukünftig ergänzend auch Röntgentechnologie eingesetzt, um die äußeren und inneren Strukturmerkmale (z.B. Jahrringbau, Äste, Faulstellen) eines jeden Stammes möglichst genau zu erfassen und die Auftrennung in Schnittholz beim Sägeprozess (das Schnittbild) volumen- und qualitätsmäßig zu optimieren. Dabei gilt generell, dass Stämme mit größeren Durchmessern (über 50 cm) (Starkholz) höhere Ausbeuten (über 60% Schnittholz) ermöglichen, während bei dünnerem Holz (Schwachholz) (ca. 25 cm Durchmesser) lediglich Schnittholzausbeuten von 45-48% möglich sind. Damit sind die Volumenanteile des nicht als Schnittholz verwertbaren Materials (sog. Nebenprodukte oder Sägerestholz) erheblich und ihre möglichst wertschöpfende Verwertung ist mitentscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg der Sägeindustrie. Rinde (ca. 7%) kann energetisch verwertet werden oder geht in den Garten- und Landschaftsbau (Rindenmulch). Kapp- und Restholzstücke (ca. 2%) werden zumeist energetisch verwertet, Hackschnitzel (ca. 20%) gehen je nach Qualität in die Papier- oder Zellstoffherstellung bzw. in die Spanplattenfabrikation, Sägespäne (ca. 12%) gehen traditionell ebenfalls in die Spanplattenproduktion, werden zunehmend aber auch zu modernen Holzbrennstoffen (Pellets) weiterverarbeitet.
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Für große und am Markt erfolgreiche Sägewerke ist heute die technische (künstliche) Trocknung eine Selbstverständlichkeit, da am Markt nur hinreichend getrocknetes Schnittholz absetzbar ist. Damit gewinnen integrierte Energiekonzepte auch in der Sägeindustrie an Bedeutung: Die im eigenen Betrieb anfallenden Reststoffe werden immer häufiger energetisch verwertet, um in Blockheizkraftwerken (Bio-BHKW) mit dem erzeugten Dampf Schnittholz zu trocknen und zusätzlich noch (Öko)-Strom mit erhöhter Einspeisungsvergütung für das öffentliche Netz oder für den eigenen Bedarf zu erzeugen (Kraft–Wärme-Kopplung (KWK)). Während die mittelständischen Sägewerke nach wie vor einen erheblichen Teil ihres Schnittholzes für den individuellen Wohnhausbau insbesondere im Dachstuhlbereich liefern, oder als Hobelware (Latten, Nut- und Federbretter) veredeln, aber auch zu Packmitteln (Paletten, Kisten) weiterverarbeiten, haben die großen Sägewerke für ihre Produkte zunehmend auch Absatzmärkte außerhalb Deutschlands in Europa und Übersee (USA, Japan, China) erschlossen. Dabei kommen neben Balken und Brettern aus „gewachsenem“ Holz zunehmend MassivholzIngenieurprodukte zum Einsatz, wie z.B. aus Brettern verklebte Leimholzträger, großformatige, mehrschichtige Leimholzplatten oder durch Keilzinkverleimung in der Länge standardisierte und querschnittverleimte Kanthölzer (Konstruktionsvollholz). Mit diesen Produkten ist nicht nur eine im Vergleich zum Massivholz höhere Wertschöpfung möglich, sondern sie eröffnen auch neue architektonische Einsatzmöglichkeiten. Ihr aus statischer Sicht günstiges Verhältnis zwischen Eigengewicht und Festigkeit, die praktisch unbegrenzte Variabilität, die guten Isoliereigenschaften und nicht zuletzt die im Vergleich zu anderen Konstruktionsmaterialien (Glas, Stahl, Aluminium, Beton) exzellente Energieeffizienz und Ökobilanz bei der Herstellung und Bearbeitung eröffnen dem Schnittholz auch zukünftig hervorragende Marktchancen. Besonders starke und wertvolle (d.h. in ihrem strukturellen Aufbau gleichmäßige, astfreie) Stammstücke vor allem der Laubbaumarten (Eiche, Esche, Ahorn, Buche, Birke usw.) zunehmend aber auch von bestimmten Nadelhölzern (Lärche, Douglasie) werden zur Herstellung von Furnieren eingesetzt. In der Regel werden dabei die Stämme vor der Furnierherstellung mit heißem Wasser oder Dampf erhitzt, so dass der nachfolgende Vorgang des „Messerns“, bei dem das Holz mit scharfen Klingen zu sehr dünnen Furnieren (1-5 mm) (ohne Schnittverlust wie beim Sägen) aufgeschnitten wird, leichter vonstatten geht. Die Furniere werden danach getrocknet und glatt gepresst („gebügelt“). Hochwertige Furniere werden zur Veredelung von Möbel – oder Paneeloberflächen im Innenbereich eingesetzt, Furniere in Standardqualität können auch zu mehrschichtigen Holzwerkstoffplatten (Sperrholz) verleimt werden und werden je nach Verleimungsqualität und Oberflächenbehandlung im Innenbereich, aber auch im Außenbereich (Holzbau, Fassaden) konstruktiv verwendet.
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Die hohe (auch finanzielle) Ausbeute und Wertschöpfung bei der Furnierherstellung erlaubt es der Furnierindustrie, für geeignetes, qualitativ gutes und ausreichend stark dimensioniertes Rundholz z.T. sehr hohe Preise anzulegen. Allerdings spielt das für Furnierzwecke geeignete Rundholz mengenmäßig eine untergeordnete Rolle, nur ca. 2-5% des jährlichen Rundholzaufkommens sind von der Dimension und Qualität her überhaupt zur Furnierherstellung geeignet. Diese begehrten Stämme bzw. Stammabschnitte werden in der Regel auf überregionalen Versteigerungen (Submissionen) nach Höchstpreisgebot an eine internationale Kundschaft verkauft, und erzielen Preise zwischen 250 und über 1.000 Euro je m³.
3. Holzwerkstoffe: Vom „Ersatz“- zum Spezialprodukt Ein mit ca. 13% nicht unerheblicher Teil des in der deutschen Forstwirtschaft erzeugten Rundholzes (meist schwächere bzw. qualitativ weniger hochwertige Stämme bzw. Stammteile) gehen in Deutschland an die Holzwerkstoffe herstellende Industrie. Unter dem Begriff Holzwerkstoffe versteht man Produkte, die nach der mechanischen Zerkleinerung von Holz zu Spänen oder auch Fasern durch Zusatz von Leim und unter Druck und Hitze zu meist plattenförmigen Werkstoffen mit unterschiedlicher Dicke (10 mm bis über 60 mm) verpresst werden. Spanplatten wurden in Deutschland entwickelt, ihre Herstellung in größerem Stil erfolgte ab ca. 1946 (erstes Werk). Mit diesem preisgünstig und vielseitig einsetzbaren Holzwerkstoff sollte Massivholz (Bretter) überall dort eingespart werden, wo es nicht auf eine hohe Biegefestigkeit ankommt, also vor allem im Innenausbau und im Möbelbau (Türen, Schränke, Tischplatten, Paneele …). Da das Holz vor dem Ausformen zu Platten im Produktionsprozess ohnehin zerkleinert wird, ist die Dimension und Form des Ausgangsmaterials ohne große Bedeutung, es lassen sich also auch geringwertige Rundhölzer einsetzen. Durch ein dem jeweiligen Plattentyp entsprechendes Zerkleinern des Holzes und durch die Auswahl entsprechender Leimtypen (innenraumgeeignet oder feuchtigkeitsbeständig) sowie durch die gezielte Anwendung von Druck und Hitze beim Herstellungs- und Pressvorgang können Platten mit definierten Qualitätseigenschaften hergestellt werden. Neben den gegenüber dem „natürlichen“, aus dem Stamm gesägten Brett möglichen, deutlich größeren Dimensionen (Plattenbreite bis zu 3 m, Plattenlängen theoretisch unbegrenzt) sind bei Holzwerkstoffen vor allem die Quell- und Schwindeigenschaften in der Längs- und Querrichtung günstiger, d.h. Spanplatten „arbeiten“ im Gegensatz zu Massivholz weniger. (Dies gilt allerdings nicht für die sog. Dickenquellung unter Feuchteeinfluss, in der die Spanplatte dem Massivholz unterlegen ist). Rohspanplatten werden heute mit geschliffener Oberfläche im Trockenbau eingesetzt, so z.B. als Trennwände oder Unterböden. Mit künstlichen (Melaminharz) oder echten Furnieren beschichtet, lassen sich alle erwünschten Oberflächeneigenschaften und optischen Effekte erzielten.
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In Mittel- und Westeuropa hat der Spanplattenmarkt eine gewisse Sättigung erreicht, während in Ost- bzw. Südosteuropa und international bei Spanplatten noch deutliche Wachstumsmöglichkeiten gesehen werden, entsprechend findet derzeit ein Strukturwandel und eine Verlagerung von Industriestandorten für die Plattenfertigung in Richtung Ost- und Südosteuropa statt. Dies liegt auch an der Verfügbarkeit preislich günstiger Rohstoffe, wobei die Plattenindustrie heute zu ca. 77% Sägerestholz (s.o.) oder Recyclingholz einsetzt und nur noch zu ca. 23% direkt auf Waldholz zurückgreift. Ein Schritt weiter in der Zerlegung des Holzgefüges geht man bei der Herstellung von Faserplatten, die, wie es der Name aussagt, aus Holzfasern, den kleinsten strukturellen Einheiten im (mikroskopischen) Holzaufbau, gefertigt werden. Bei der Herstellungstechnik werden zunächst Hackschnitzel erzeugt, die dann durch Heißdampf „geschmeidig“ gemacht werden, bevor sie mit speziellen Mahlscheiben (Refinern) zerfasert werden. Die getrockneten Fasern werden auf Fertigungsstraßen unter Zusatz von Leim (ca. 6-9 Gewichtsprozent) unter Druck und Hitze verpresst zu Platten mit unterschiedlicher Stärke und Dichte. In ihrem inneren strukturellen Aufbau sind Faserplatten noch homogener als Spanplatten und weisen deshalb insbesondere günstigere Werte in der Dickenquellung auf. Wegen des feinstrukturellen und vollkommen homogenen inneren Aufbaus lassen sie sich in allen drei Dimensionen fräsend verarbeiten und haben eine sehr glatte Oberfläche, so dass sie auch ohne Beschichtung mit Furnieren lackiert werden können. „Weiche“ Faserplatten (Dämmplatten) kommen zu Isolierzwecken z.B. im ökologischen Hausbau zum Einsatz. Mitteldichte und hochdichte Faserplatten werden im hochwertigen Möbelbau und im Ladenbau sowie im Fahrzeugbau eingesetzt. Der entwicklungsgeschichtlich älteste Holzwerkstoff ist das sog. Sperrholz, welches aus einer Anzahl von Furnierblättern (3-15) verklebt wird. Dabei werden die Furniere in ihrer Faserrichtung wechselseitig gelegt, wodurch die Neigung des natürlich gewachsenen Holzes zum Quellen und Schwinden besonders in radialer und tangentialer Richtung durch das jeweils benachbarte, in anderer Faserrichtung gelegte Furnierblatt begrenzt (abgesperrt) wird. Da die qualitativ hochwertigen und stark dimensionierten Stämme für die Sperrholzherstellung selten und teuer geworden sind, hat sich als Ersatzprodukt vor allem im Baubereich in den letzten Jahren zunehmend die OSB-Platte (Oriented Strand Board) etabliert. Bei der Herstellung von OSB-Platten werden Nadel- aber auch (leichte) Laubhölzer mit speziellen schneidenden Schälwerkzeugen maschinell zu Furnierstreifen (Strands) verarbeitet. Dabei können auch dünnere und unregelmäßig geformte Rundholzstücke eingesetzt werden. Die Strands werden so dann beleimt und (ggf. nach Ausrichtung) zu einem Plattenwerkstoff verpresst, dessen technische Eigenschaften den (hohen) Festigkeitswerten der Sperrholzplatten sehr nahe kommen. Allerdings sind bei der Optik und je nach eingesetztem Leimtyp bei der Feuchtebeständigkeit im Vergleich zum Sperrholz Abstriche zu machen.
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4. Recycling und Energieeffizienz: Merkmale der deutschen Zellstoff- und Papierherstellung Für die Herstellung von Zellstoff und Papier werden in Deutschland lediglich knapp 8% des von der heimischen Forstwirtschaft erzeugten Rohholzes eingesetzt. Damit ist die Bedeutung der Zellstoff- und Papierindustrie als Kunde der Forstwirtschaft im Vergleich zu anderen Forstregionen (Kanada, Skandinavien, Brasilien) deutlich geringer. Allerdings bezieht die hiesige Zellstoff- und Papierindustrie nur ca. 20% ihres Holzbedarfs direkt aus dem Wald, während 80% als Sägerestholz über die Sägeindustrie bezogen werden. Papier wird grundsätzlich aus Holzfasern hergestellt. Als sog. Frischfasern werden diese nach mechanischem Aufschluss von Holz (Holzschliff) oder chemischem Aufschluss von Holz (Cellulose) hergestellt. Neben diesen Frischfasern haben Sekundärfaserstoffe (Altpapier, Recycling-Papier) als Rohstoff in der deutschen Papierindustrie heute eine große Bedeutung: 60% des eingesetzten Faserstoffes wird im Wege des Recyclings aus Papier (bzw. Pappe) wiedergewonnen. Daneben spielen die sog. Füllstoffe eine zunehmende Rolle, die bereits heute zu (gewichtsbezogen) ca. 20-30% bei der Papierherstellung eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um zumeist mineralische Stoffe (z.B. Kaolin) deren Zusatz dem Papier ein höheres Blattgewicht, eine glatte Oberfläche und damit eine bessere Bedruckbarkeit gibt. Bei der Herstellung von Holzschliff als Ausgangsmaterial für „holzhaltiges Papier“ wird entweder Nadelrundholz (zumeist Fichte) nach der Entrindung in großindustriellen Anlagen durch längsaxial angedrückte große Mahlsteine unter Zugabe von heißem Wasser oder Heißdampf (zu Steinschliff) zerfasert. Im Gegensatz dazu werden beim sog. Refiner-Schliff Hackschnitzel von der Sägeindustrie bezogen und nach Vorbehandlung mit Heißdampf und ggf. Natronlauge mit Mahlscheiben (Refinern) zu TMP-Schliff (Thermo Mechanical Pulp) zerfasert. Die so entstandene Holzfasersuspension (2-5% Fasern, 95-98% Wasser) wird sodann gebleicht, ggf. mit Füllstoffen vermischt und auf großen Papiermaschinen solange entwässert und getrocknet, bis eine durch elektro-chemische Faser-zu-Faserbindungen hinreichend reißfeste Papierbahn entsteht. Bei der Herstellung von sog. holzfreiem Papier werden Zellstofffasern eingesetzt, die zuvor im chemischen Aufschluss aus Rohholz gewonnen wurden. Dazu werden Holzhackschnitzel aus Waldholz von der Forstwirtschaft oder als Sägerestholz von der Sägeindustrie bezogen, mit Heißdampf behandelt und sodann in einer Kochflüssigkeit unter Anwesenheit von Schwefelverbindungen je nach Prozesstyp im basischen (Sulfatverfahren) oder sauren Milieu (Sulfitverfahren) mehrere Stunden lang unter Druck und Hitze aufgeschlossen („gekocht“). Dabei wird das in der Holzfaser zu etwa 25-30% Anteil vorhandene Lignin chemisch gelöst (sog. Schwarzlauge), während die Roh-Zellulosefasern als Suspension aus den Kochern ausgeschleust wird. Die Fasern werden sodann von Ligninresten gereinigt (gewa-
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schen) und gebleicht und anschließend, wie zuvor für den Holzstoff beschrieben, auf einer Papiermaschine zu Papier verarbeitet. Das in der Schwarzlauge gelöste Lignin wird energetisch verwertet, (verbrannt) und es wird im gekoppelten Prozess Elektrizität und Prozessdampf hergestellt. Zellstoffwerke sind damit nicht nur energetisch autark, sondern liefern u.U. erhebliche Mengen an (CO2 neutral erzeugtem) Strom an das öffentliche Elektrizitätsnetz. Nach dem eigentlichen Herstellungsprozess wird das Rohpapier je nach Verwendungszweck ggf. weiter veredelt, wobei insbesondere die Oberflächeneigenschaften verbessert und dem jeweiligen Verwendungszweck optimal angepasst werden. Frischfasern, gleich ob diese holzhaltig oder holzfrei sind, werden bei den meisten Papiersorten mit unterschiedlich hohen Altpapieranteilen kombiniert eingesetzt. Je besser die Qualität des Altpapiers ist, desto geringer kann der Frischfaseranteil sein. Eine vollkommen auf Altpapier basierende Papierherstellung ist jedoch nicht nachhaltig möglich, da das Altpapier mit jeder Wiederverwendung verschleißt, d.h. es verschlechtert sich in seinen Fasereigenschaften. Je schlechter (kurzfaseriger) das aus dem Altpapier wieder gewonnene (recycelte) Fasermaterial ist, desto höhere Anteile an Frischfaser (Holzfaser oder Zellstoff) müssen eingesetzt werden, um die notwendigen Papiereigenschaften, vor allem die Reißfestigkeit, zu garantieren.
V. Holz ein erneuerbarer CO2-neutraler Rohstoff und Energieträger In der jüngsten Vergangenheit gewinnt die Energieerzeugung als traditionellste aller Holznutzungen, auch in Deutschland wieder rasant an Bedeutung, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sind die absehbare Knappheit fossiler Energieträger, aber auch die mit ihrer Förderung und Entsorgung verbundenen Risiken der Anlass für die Suche nach langfristig verfügbaren und kostengünstigen Alternativen. Zum anderen mündet auch der Wunsch nach einer klimaneutralen Rohstoffund Energieversorgung in einen vermehrten Einsatz von Holz: Sofern dieses aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt – und das ist in Deutschland und Mitteleuropa durchweg der Fall – ist das Verbrennen von Holz quasi CO2 neutral. Die mit dieser Begründung entstandene politische und finanzielle Förderung des energetischen Einsatzes von Holz verfehlt ihre Wirkung nicht. Brennholz in stückiger Form (Scheitholz) erlebt eine Renaissance, zusätzlich weiten moderne Holzbrennstoffe wie Holzhackschnitzel oder Holzpellets die Palette der Einsatzmöglichkeiten von Holz als wartungsarmer und differenziert regelbarer Ökobrennstoff aus. Die nachhaltig verfügbaren forstlichen Ressourcen werden durch diesen zusätzlichen energetischen Einsatz insgesamt stärker als bisher in Anspruch genommen, zugleich entsteht für die Forstbetriebe ein neues Marktsegment im Bereich der Energiewirtschaft, das zu bedienen freilich für die Branche technisches und ökonomisches Neuland bedeutet.
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Besonders aus Sicht der das Holz stofflich verwertenden traditionellen Holzindustrie ist diese neue, zusätzliche Konkurrenz um den Rohstoff Holz aus der Energiewirtschaft nicht unproblematisch. Deshalb ist es Ziel der Branche, bisher nicht oder schlecht verwertbare Sortimente (dünnes Holz, Äste, Reisig) sowie holziges Material aus der Landschaftspflege und dem Gartenbau und auch Pappelund Weidenholz aus sog. Kurzumtriebsplantagen (KVP) bevorzugt energetisch zu verwenden. Schließlich werden Konzepte der „Kaskaden-Nutzung“ entwickelt, nach denen Holz zunächst stofflich zu möglichst langlebigen Produkten verarbeitet, und diese erst nach ihrer Nutzung durch Verbrennung energetisch genutzt werden. Die mit einer weitgehenden Nutzung ganzer Bäume einschließlich der Kronen und des Reisigs verbundene verstärkte Nährstoffentzug wird vor allem auf armen Standorten derzeit seitens der Forstwirtschaft kritisch diskutiert; die Rückführung von Holzasche – ggf. gemischt mit Düngergaben – und damit die Schließung der Stoffkreisläufe zurück in den Wald erscheint als ökologisch und ökonomisch vertretbarer Ausweg. Die Endlichkeit von Öl und Gas wird aber nicht nur im Rahmen der Energiewirtschaft, sondern auch bei der Herstellung von chemischen Produkten und Treibstoffen als langfristig kritische Abhängigkeit wahrgenommen. Deshalb zielen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen darauf ab, die den Holzaufbau konstituierenden Makromoleküle (Zellulose, Zucker, Lignin, aber auch Extrakt- und Inhaltsstoffe – Harze, Terpene, Gerbstoffe –) durch geeignete chemische Prozesse (z.B. Pyrolyse, enzymatischen Aufschluss, Hydrolyse) aus Holz und Holzresten zu isolieren und als stoffliche Ausgangsbasis für eine moderne, holzbasierte Chemie zu nutzen. Unter dem Schlagwort „Bio-Refinery“ werden komplexe hochtechnische Anlagen diskutiert, in denen nicht nur Cellulose als traditionelles Produkt, sondern auch eine ganze Reihe weiterer chemischer Grund- und Spezialsubstanzen sowie Energie bereitgestellt werden können. Die Erzeugung synthetischer Treibstoffe (Biomass-to-Liquid - BtL) ist bereits im Erprobungsstadium. Die neuen holzbasierten Konversionstechniken haben gemeinsam, dass sie die Bereitstellung großer Holzmengen konzentriert an einer Produktionsstätte und kontinuierlich über das Jahr hinweg erfordern. Damit gewinnen holzlogistische Fragen eine neue Dimension, und es besteht zusätzlicher Nachfragedruck insbesondere im Einzugsbereich dieser projektierten Werke. Insgesamt zeigt sich auch zu Beginn des 21sten Jahrhunderts, dass Holz als natürliches, CO2 neutrales und nachhaltig erzeugtes Bio-Material eine ganze Reihe von positiven chemischen, physikalischen und technologischen Eigenschaften aufweist und auf vielfache Weise genutzt und eingesetzt werden kann. Der traditionellste Rohstoff der Menschheit ist damit zugleich einer der modernsten und eröffnet nicht nur für die be- und verarbeitende Holzindustrie, sondern auch für die Waldbesitzer zukünftig – ebenso wie in der Vergangenheit – vielfältige und tendenziell wachsende Möglichkeiten für Absatz und Wertschöpfung. Im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen an den Wald als Lieferant von Umweltgütern (Wasser, Luftreinhaltung, Biodiversität, Wildnis, Erholung) aber auch von
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nachhaltig erzeugten vielfältig einsetzbaren heimischen Rohstoffen ist es wichtig zu einer Balance zu kommen, die eine nachhaltige und umweltverträgliche Holznutzung nicht ausschließt, sondern ganz im Gegenteil für die Zukunft sicherstellt und fördert.
IV. Recht
§ 10 Eigentumsgarantie und Waldrecht
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I. Die Bedeutung des Eigentums zwischen Freiheit und Interessen 1. Einführende Bemerkungen zum Eigentum in einer freiheitlich-bürgerlichen Gesellschaft Die Bundesrepublik Deutschland ist ein parlamentarisch-demokratischer Rechtsstaat1 auf der Grundlage einer bürgerlichen Gesellschaft. Stimmbürger und Besitzbürger bilden dabei keinen Gegensatz (mehr).2 Das gilt erst recht in den letzten Jahrzehnten, in der sich die Weiterentwicklung zur „Bürgergesellschaft“3 mit der 1
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Rechtsstaat ist insbesondere zu verstehen als Ordnungsrahmen menschlichen Handelns einschließlich der ordnenden Kraft des Rechts die zur Rechtssicherheit (nicht zuletzt im Eigentumsrecht) führt, siehe dazu Schmidt-Aßmann, der Rechtsstaat, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung, 1987, S. 998 ff. Zum Bürgertum siehe Utz Haltern, Bürgerliche Gesellschaft. Sozialtheoretishe und sozialhistorische Aspekte, 1985; Panzer, Bürgerlichkeit. Fehldeutungen des Bürgerbegriffs in der politischen Moderne, 1989; Hennis, Das Modell des Bürgers, in: Gesellschaft-Staat-Erziehung, 7/1957, S. 330 ff. Zur Veränderung des wirtschaftlichen Besitzindividualismus und des politischen Bürgertums, siehe Hettling, Bürgertum, in: Martin und Sylvia Greiffenhagen (Hrsg.), Handwörterbuch zur Politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 2002, S. 63 ff; Zur Entwicklung von bürgerschaftlicher Demokratie, Recht und politischer Kultur, Schuppert, Politische Kultur, 2008. Vgl. Kocka, Das Bürgertum als Träger von Zivilgesellschaft – Traditionslinien, Entwicklungen, Perspektiven, in: Enquetekommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ Deutscher Bundestag (Hrsg.), Bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft, 2002. Siehe auch die Beiträge in: Bode/Evers/Klein (Hrsg.), Bürgergesellschaft als Projekt. Eine Bestandsaufnahme zu Entwicklung und Förderung zivilgesellschaftlicher Potentiale in Deutschland, 2009; ebenso die Beiträge in: Olk/ Klein/Hartnuß (Hrsg.), Engagementpolitik. Die Entwicklung der Zivilgesellschaft als politische Aufgabe, 2010; Embacher/Lang, Bürgergesellschaft, 2008; Meyer/ Weil (Hrsg.) Die Bürgergesellschaft, 2002; Dettling (Hrsg.), Die Zukunft der Bürgergesellschaft, 2008.
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Forderung nach mehr Freiräumen für bürgergesellschaftliche Initiative, Selbstorganisation, Eigenverantwortung, Teilhabe und freiwilliges Engagement unter einer sich verändernden Konstellation von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat4 verbindet. Die bürgerliche Gesellschaft beruht auf dem grundgesetzlichen Schutz des Eigentums.5 Das gilt in toto auch für das Waldeigentum. Die Waldfläche Deutschlands beträgt mit 1,1 Millionen Hektar rund 31% der Landfläche (bei regional schwankenden Bewaldungsanteilen). Nach der Landwirtschaft ist die Wald- und Forstwirtschaft die flächenmäßig bedeutendste Landnutzungsform. Noch vor den skandinavischen Ländern ist Deutschland mit 3,4 Milliarden Kubikmeter stehender Holzvorräte das Holzland Nummer Eins in Europa. Das weist auf die große ökonomische, ökologische und soziale Bedeutung des – staatlichen und privaten – Waldeigentums und der Waldnutzung hin. Eigentum gründet auf Recht, ist institutionell verfasst und geschützt und begründet seinerseits Rechte. Privates Eigentum ermöglicht die materielle Sicherung der privaten Sphäre. Es stärkt die individuelle wie soziale Sicherheit des Eigentümers, erhöht die Leistungsbereitschaft, ermöglicht Unabhängigkeit in der Lebensführung und persönliche Selbstverwirklichung, führt zu größerer Identifikation mit der Werteordnung und territorial zu mehr Verbundenheit mit der Region und dem Staat. Eigentum gehört gesellschaftlich gesehen zu den Grundlagen sozialer Stabilität und sozialen Friedens. Das gilt jedenfalls dann, wenn die bestehende Eigentums- wie auch die Vermögensverteilung keine großen Ungerechtigkeiten aufweisen.6 Auf diese Weise stärkt privates Eigentum die freiheitlich-bürgerliche 4
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Zur Diskussion siehe Ellwein/Hesse, Der überforderte Staat, 1994; Willke, Ironie des Staates, 1996; Wolfgang Fach, Die Regierung der Freiheit, 2003; Behrens, Der aktivierende Staat. Von der Allzuständigkeit zur Selbstregierung, in: von Alemann/ Heinze/Wehrhöfer (Hrsg.), Bürgergesellschaft und Gemeinwohl, 1999, S. 47 ff; Vogel, Die Staatsbedürftigkeit der Gesellschaft, 2007; Crouch, Postdemokratie, 2008. Badura, Eigentum, Hb VerfR, 1994, § 10; Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, 2004; Hösch, Eigentum und Freiheit, 2000; Isensee, Die Ambivalenz des Eigentumsgrundrechts, in: Ossenbühl (Hrsg.), Eigentumsgarantie und Umweltschutz, 1990, S. 3 ff.; siehe ferner Klüber, Eigentumstheorie und Eigentumspolitik, 1963; Brocker, Arbeit und Eigentum. Der Paradigmenwechsel in der neuzeitlichen Eigentumstheorie, 1992; Dichmann/Fels (Hrsg.), Gesellschaftliche und ökonomische Funktion des Privateigentums, 1993; Lau, Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, 1997. Dabei sind natürlich die einzelnen Eigentumsformen unterschiedlich zu sehen. Die konkrete Eigentums- und auch Vermögensverteilung hängt von vielerlei Gründen und Einflüssen ab. Dass sich beispielsweise in Deutschland ein im Vergleich zu anderen Staaten geringerer Anteil von Grundeigentum in Privathand befindet (ersichtlich z.B. beim Wohneigentum), ist den spezifischen historischen Umständen geschuldet. In Westdeutschland wurde faktisch erst nach 1949 Privateigentum den Arbeiter- und kleinbürgerlichen Schichten in breiterem Maß zugänglich gemacht. Im anderen Teil
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Gesellschaft: Eigentum schafft Bürgertum – und umgekehrt. Die bürgerliche Gesellschaft verbindet (zumindest idealtypisch) Besitz und Bildung, Eigeninteresse und Gemeinwohl, Nützlichkeit und Kreativität in einer eigenständigen Balance. Das macht ihre Attraktivität auch in unserer Gegenwart aus, setzt allerdings alle Beteiligten auch besonderen Einstellungs- und Verhaltens-) Anforderungen und rechtlichen Regelungen aus. Die bürgerliche Gesellschaft ist gerade in Bezug auf die Eigentumsordnung untrennbar mit dem Rechtsstaat und der Demokratie verbunden.7 Die Verfügung über das Eigentum ist Ausdruck von Freiheit. In dieser Perspektive gehören Freiheit und Eigentum zusammen. Einerseits geht es um die gegenüber dem Staat8, gesellschaftlichen Majoritäten9 oder kollektivistischen Systemen10 gesicherte individuell-private Verfügungs- und Gestaltungsmacht. Diese ist aber auch in der privaten Verfügung stets an Verantwortung gegenüber anderen respektive der Gesellschaft gebunden.11 Individueller und gesellschaftlicher Wert priva-
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Deutschlands war die Eigentumsbildung durch das System des “real existierenden Sozialismus“ ideologisch wie praktisch kaum möglich. Zu den allgemein sich bildenden soziokulturellen und ökonomischen Gräben in der bundesdeutschen Gesellschaft siehe Lessenich/Nullmeier, Deutschland. Eine gespaltene Gesellschaft, 2006; Bude, Die Ausgeschlossenen. Das Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft, 2008; Matzig (Hrsg.), Der große Graben. Das Ende der Konsensgesellschaft, 2005; Der dritte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2008. Siehe dazu Papier, Der Stand des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, sowie: Kirchhof, Eigentum als Ordnungsidee – Wert und Preis des Eigentums, beide in: Depenheuer (Hrsg.), Eigentum. Ordnungsidee, Zustand, Entwicklungen 2005, S. 93 ff und 19 ff. Nach Kirchhof kommt „bei dem rechtlichen Schutz des Eigentums […] dem Gesetzgeber drei Kernaufgaben zu: Er hat zunächst das Schutzgut Eigentum und die sich aus der Eigentümerfreiheit ergebenden Rechtsfolgen zu regeln, sodann den Rahmen für die Vermehrung und Verteilung der stets knappen Eigentumsgüter zu schaffen, schließlich auch Maßstäbe für die Zuteilung von Eigentum und Eigentümermacht an Staat und Bürger zu entwickeln“.; a.a.O. S. 20. Auch bei grundgesetzlich gerechtfertigten Eingriffen in das private Eigentum ist gerade in der Form des paternalistischen Staates, aber auch in der des überbordenden Steuerstaates die Gefahr eines Übermaßes an staatlichen Eigentumseingriffen und -beschneidungen gegeben. Auch eine demokratische Mehrheit darf nicht das grundrechtlich geschützte Eigentumsrecht abschaffen. Gerade kollektive Systeme wie z.B. die kommunistischen Staaten sind massiv gegen private Eigentumsrechte vorgegangen und haben mit der Abschaffung auch die darauf basierende Freiheit beseitigt. Diese Einsicht findet sich bereits bei John Locke, der die Grenze des naturrechtlich begründeten privaten Eigentums dort sieht, `wo genug und ebenso Gutes den anderen gemeinsam verbleibt´. Bei Locke findet sich vor dem Hintergrund der neuzeitlichen Hervorhebung des Subjekts die (vernunft-)rechtliche Begründung des privaten Eigentums (anders als bei Hobbes) bereits vorkontraktualistisch im Naturzustand. Dabei wird der Besitz von Leben, Freiheit und Eigentum und damit das private Recht auf Eigentum
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ten Eigentums sind deshalb in eine aufeinander bezogene Ordnung zu bringen. In der Werteordnung korreliert die „Freiheit von“ (negative Freiheit als Schutz vor willkürlichen Eingriffen) stets mit der „Freiheit zu“(positive Freiheit als Wahrnehmung von Verantwortung und Gestaltung). Das Recht auf privates Eigentum und seine Verfügung darüber ist und bleibt ein wichtiges, unhintergehbares Ordnungsprinzip einer freiheitlichen Gesellschafts- und Staatsordnung.12 Andererseits muss Freiheit erstens mit der Freiheit aller und zweitens mit der Gerechtigkeit in Einklang gebracht werden. Eigentum unterliegt daher einer grundsätzlichen sozialen Bindung. Das gilt erst recht, wenn Eigentum auch – wie gerade beim Waldeigentum – Züge von kollektiven (meritorischen) Gütern13 trägt und der Gebrauch des Eigentums in den Bereich der Gemeinwohlorientierung hineinragt. So ist die ebenfalls grundgesetzlich verankerte Sozialpflichtigkeit des (Boden-)Eigentums14 gerade bei Eingriffen aufgrund von Verkehrs-, Flächennutzungs- und Raumordnungsplänen sichtbar und ebenso auch in den spezifischen gesetzlichen Gemeinwohl-Bestimmungen wie gerade im Waldgesetz (siehe IV.3). Für die demokratische Rechtsordnung der Bundesrepublik ist deshalb die stetige Suche nach einer Balance zwischen dem Schutz privater Eigentumsverfügung und gemeinwohlorientierten staatlichen Eingriffen charakteristisch. Abwehrrechte und Anspruchsrechte bedürfen einer Austarierung, die nicht auf Kosten des jeweils anderen Parts gehen darf. Das gilt auch im Bereich des Waldeigentums.
2. Waldeigentum und Waldnutzung im historischen Spannungsfeld ökonomisch-politischer Interessen Waldeigentum und dessen Nutzung standen seit jeher im Spannungsfeld von individuellen, ökonomischen und öffentlich-politischen Interessen wie Machtim-
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an Leib und Person durch die Arbeit und das Eigentumsrecht auf deren Ergebnisse weitergeführt; siehe John Locke, Über die Regierungen (The Second Treatise of Government 1689/90), (ed.) Verlag Peter Cornelius, Mayer-Tasch, S. 26 ff (§25-§51, insbes. §27 ff); dazu W. Euchner, Naturrecht und Politik bei John Locke, 1979, S. 80 ff u. 192 ff; Rainer Specht, John Locke, 1989, S. 174 ff; siehe auch Kersting, Eigentumsfreiheit und soziale Gerechtigkeit – Versuch einer philosophischen Deutung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes „Eigentum verpflichtet“, in: Otto Depenheuer (Hrsg.), Eigentum. Ordnungsidee, Zustand, Entwicklungen 2005, S. 43 ff – zu Locke S. 51 ff. Kirchhof unterscheidet bei der Ordnungsfunktion des Eigentums folgende acht Punkte: Antriebsfunktion, Erhaltungsfunktion, Friedensfunktion, Verteilungsfunktion, Sozialfunktion, Ausschlussfunktion, Vorsorgefunktion und die Verstetigung wirtschaftlicher Organismen, Kirchhof, 2005, a.a.O. S. 22 ff. Siehe dazu Weise, Meritorik zwischen Markt, Norm und Moral, in: Jahrbuch Ökonomie und Gesellschaft Nr. 18, 2002, S. 73 ff; Zimmermann/Henke, Finanzwirtschaft, 2001. Es gibt gerade in der Moderne sehr unterschiedliche Eigentumsarten. Kirchhof unterscheidet z.B. zwischen Grund und Boden einerseits, dem fungiblen Eigentum (Geldeigentum, Lohn- und Rentenansprüche, Aktiendividende, Patente etc.) andererseits, siehe Kirchhof, a.a.O., S.19 ff.
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perativen. In früheren Jahrhunderten hatten besonders Waldeigentum und Wald(holz)nutzung eine heute kaum mehr bewusste herausragende, größtenteils existentielle Bedeutung für die Bevölkerung wie für die politisch Mächtigen. Das Interessenfeld reichte von kurzfristigem Gelderwerb über die Energiegewinnung bis hin zum Bau von Handels-Seeschiffen und militärischen Flotten. Eine vornehmlich ökologische Betrachtungsweise war eher fremd. Dabei ging es damals nicht nur um den wirtschaftlichen Nutzen der bäuerlichen Bevölkerung, die den Wald auch zum Überleben brauchte, oder um die ausgeprägten Geldinteressen der pekuniär stets klammen Feudalschichten, sondern es ging vor allem auch – im jeweiligen historischen Kontext – direkt um ökonomische wie politischmilitärische Machtentfaltung und Vormachtstellung im europäischen Konzert kleinerer und größerer Staaten und Bündnisse. Waldeigentum und die Verfügung über Holz als „materia prima“ – erster und wichtigster Rohstoff – war Grundlage für das Überleben wie für das Machtstreben gleichermaßen. Das zog entsprechende gesetzliche Regelungen und Verordnungen nach sich, mit denen Waldeigentum und Waldholznutzung zum Ressourcenschutz15 belegt wurden. Einige ausgewählte Hinweise sollen dies verdeutlichen:16 x Im 15. Jahrhundert benötigte Venedig – damals auf der Höhe territorialer Machtentfaltung – Holz für die Militär- und Handelsschiffe, als Pfahluntergrund für die Häuser, als Wellenbrecher, für die Energiegewinnung zum Pechsieden und für die Öfen der Glasmanufakturen, dann natürlich auch zum Heizen der Wohnungen und zum Kochen. Zeitgleich stand Venedig in verlustreichen Kriegen gegen Genua und Habsburg und musste sich auf einen Seekrieg gegen die expansiven Türken vorbereiten. Waldeigentum und Holz waren äußerst knapp, der Bedarf stieg stark an, die Angst vor drohendem Holzmangel wurde zum Dauerthema in der Politik Venedigs. Diese Ressourcenkrise führte zum Erwerb wie zur Beschlagnahme von Waldeigentum und zu einer Vielfalt von Verboten, Regelungen und Vorschriften für die bisherigen Waldholznutzer
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In der Weiterentwicklung des Ressourcenschutz-Gedankens stehen sich in der Gegenwart anthropozentrische und nichtanthropozentrische Positionen gegenüber, siehe dazu Heidrich, Rechtsphilosophische Grundlagen des Ressourcenschutzes, 2004, insbesondere S. 33 ff. Siehe zu den Beispielen (einschließlich weiterer Nachweise) insbesondere Grober, Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs, 2010; Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 2008, darin besonders: Klippel/Otto, Nachhaltigkeit und Begriffsgeschichte S. 40 ff; Trepl, Geschichte der Ökologie. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 1987; E. Johann, Zur Geschichte der Nachhaltigkeit: besondere Probleme in Europa und den Tropen, 1993; Radkau, Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt, 2000; Rogall, Bausteine einer zukunftsfähigen Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Eine praxisorientierte Einführung in die neue Umweltökonomie und Ökologische Ökonomie, 2000; ders., Akteure der nachhaltigen Entwicklung, 2003; Collingwood, Die Idee der Natur, 2005.
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(Köhler, Viehzüchter, Handwerker, die Bevölkerung).17 Die Waldbäume wurden kartiert und Verfahren zur Rotation des Waldeinschlags entwickelt.18 x Auch im England des 17. Jahrhunderts war Waldeigentum und Holznutzung eine Frage grundlegender ökonomischer und militärischer Machtdarstellung. Gerade für das Militär war der drohende Mangel an Holz eine Frage von „Sein oder Nichtsein“. Denn die Vergrößerung der englischen Seemachtsflotte verschlang Unsummen an Bäumen – für eine mittelgroße Fregatte (Schiffs-rumpf, Aufbauten, Masten, Ruder) wurden circa 3000 ausgewachsene Bäume veranschlagt – sowie entwaldete und devastierte weite Landstriche. Zudem befand sich England in einem zeitlich ausgestreckten und enorm verlustreichen Kampf mit den Niederlanden um die See-Vorherrschaft. Zu dieser militärisch induzierten Ressourcenkrise kam der steigende Bedarf der Be-völkerung an Energie (und damit einhergehender Umwandlung von Wäldern in Weideland), aber auch der Bedarf an Manufakturen im Bereich Glas, Eisenschmiede, Schießpulver und anderer neuer Techniken in der englischen Frühindustrialisierung. Aufgrund dessen prognostizierten die damaligen Experten eine akute militärische, ökonomische und soziale Krise. So wurde eine Kommission unter Leitung des Waldwissenschaftlers John Evelyn eingerichtet, einem der ersten Analytiker des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsdenkens. Dieser empfahl gemäß dem Grundsatz, die Ressource Wald auf Dauer intensiv zu nutzen und gleichzeitig in der Substanz zu bewahren, permanente Nachbeflanzung von Bäumen19 und ein behutsames, vorsorgendes Holzmanagement, um so die notwendige quantitative Versorgung unter Bewahrung der Wertschöpfung zu sichern. In England wurden darauf hin überall entsprechende Baumpflanzungen vorgenommen. Allerdings wurde das Baummanagementkonzept nicht konsequent durchgesetzt. x Auch im Frankreich des absolutistischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. war Holz ein knappes Gut. Die vom damaligen Staatsrat und Finanzintendanten Colbert voran getriebene Modernisierung des Landes, die Merkantilisierung der Wirtschaft und des Außenhandels auf der Basis einer Handelsmarine, der Aufbau einer (bis dahin nicht existenten) schlagkräftigen französischen Seeflotte zur Machtgleichstellung mit anderen europäischen Mächten, und nicht zuletzt die Bezahlung der königlichen Prachtbauten und –anlagen erzwang eine andere 17
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1476 wurde die erste Forstgesetzgebung Venedigs verabschiedet, die in der Folge ausgeweitet wurde. Langfristig konnte aber trotz erster Erfolge und auch späterer Holzimporte (z.B. aus Ungarn) die deutlich gewordenen Grenzen des Wachstums und militärischer Macht nicht überwunden und so der Abstieg Venedigs nicht dauerhaft abgewendet werden. Entgegen der heutigen Interpretation des Nachhaltigkeitsgrundsatzes aus vornehmlich ökologischer Sicht hat sich über die Zeit hinweg Nachhaltigkeit zuallererst aus ökonomischen und militärisch-machtpolitischen Gründen heraus entwickelt. Das gilt auch für Deutschland und den Schöpfer des Nachhaltigkeitsbegriffs, Carlowitz, der das existentielle Problem des Holzmangels für den prosperierenden Bergbau lösen sollte. Evelyn befürwortete Anlagen mit schnell wachsenden (speedy-growing) Baumarten und kann so bereits als Vorläufer heutiger Schnellwuchsplantagen gesehen werden.
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Form des Umgangs mit Waldeigentum und Waldholznutzung. Colberts WarnAppell, Frankreich werde an Holzmangel zugrunde gehen, mündete in seine drei Reformziele: Wiederherstellung der Einkünfte der Staatskasse aus den riesigen königlichen Forsten durch Wiederherstellung der Eigentumsrechte (und damit Kampf gegen deren Nutzung durch Landadel, Bauern, Viehzüchter, Spekulanten, Holzhändler, Arme und Vagabunden), ausreichende Bereitstellung von Holz für den Schiffsbau, Beseitigung der Angst vor Holzmangel durch ein neues Management der Wälder. Im Zuge der „Grande Réformation“ der französischen Wälder im 17. Jahrhundert wurden nicht nur Zugänge zu königlichen Wäldern gesperrt, Gräben trennten den staatlichen und den privaten Forst voneinander, fremde Holzverkäufe wurden eingestellt, Gewohnheitsrechte außer Kraft gesetzt, Aufenthaltsbeschränkungen und ein rigides strafbewehrtes Waldrecht beschlossen. Es wurde auch ein auf den Ideen von Haushaltung, Ressourcenschonung und erhaltender Nutzung beruhendes Waldnutzungsreglement durchgesetzt. Trotzdem blieben die Widerstände gegen die Waldeigentums- und Holznutzungsregelungen gerade in den Provinzen beträchtlich. x Nach Überwindung der Folgen des Dreißigjährigen Krieges erholte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bzw. der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der erzgebirgische Silber-, Kupfer-, Kobalt- und Zinnbergbau und gehörte bald zu den führenden Montanrevieren Europas20. Mit der jährlichen Ausbeute von über fünf Tonnen Feinsilber finanzierte vor allem August der Starke seine sächsische Machtentfaltung, die Annahme der polnischen Königswürde, den Nordischen Krieg und seine Prachtbauten. Allerdings wurde auch hier Waldeigentum und Waldnutzung zum vorrangigen Problem – die permanente Versorgung mit Holz war die Schlüsselfrage für die Existenz des Bergbaus. Grubenausbau wie Schmelzhütten und Hammerwerke brauchten immer mehr Holzkohle, und so stiegen die Holzpreise stetig an. Holz wurde knapper denn je. Die Region um Freiberg war bereits entwaldet, die Erschließung entfernt gelegener Wälder schaffte nur eine kurzfristige Lösung. Der Berghauptmann Carl von Carlowitz, zur Lösung des existentiellen Versorgungsengpasses berufen, schlug in seiner „Sylvicultura oeconomica“ neben Energieeinsparungen und Energiesubstitutionen vor allem einen pfleglichen, haushälterischen Waldbau und damit einen nachhaltigen Umgang mit Waldeigentum und Waldnutzung vor. Danach sollte der Mangel an Holz – so wichtig wie das tägliche Brot – mittel- und langfristig durch beständige Wiederaufforstung und Einschlag nur gemäß dem Nachwuchs bewältigt werden.21 Dieser Grundgedanke, mit dem „die Erneuerung der Ressource zur Voraussetzung ihrer Nutzung erklärt 20
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Die Arbeit der rund 10 000 Bergknappen führte aufgrund der unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu häufigen Krankheiten und kürzerer Lebensdauer. Kinderarbeit war „normal“. Bei Carlowitz, der in der Tradition des deutschen Kameralismus steht, finden sich bereits Hinweise zum dreidimensionalen Nachhaltigkeitsverständnis einschließlich der Gedanken zur ökonomischen Nutzung Respektierung der Natur, der Ressourcenschonung und der Vorsorge für die künftigen Generationen.
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wird“,22 fasste nicht nur in Sachsen Fuß, sondern weit darüber hinaus: in den deutschen Klein- und Großstaaten ebenso wie im weiteren Europa – von Finnland bis zur Schweiz. So setzte beispielsweise durch häufige Kriege, Verschwendungssucht des herrschenden Feudaladels und dem hohen HolzkohlenEnergiebedarf von Glas- und anderen -manufakturen gekennzeichneten Herzogtum Sachsen-Weimar die Regentin Anna-Amalia einen entsprechenden Erlass in Kraft, mit dem die Wiedereinrichtung der devastierten thüringischen Wälder auf der Basis des nachhaltigen Nutzungskonzeptes möglich wurde. Im Laufe der Zeit folgten weitere Fürstentümer. Im Zuge der „industriellen Revolution“ veränderten sich aber die bisherigen waldeigentumsbezogenen (macht-)politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Interessenlagen und darauf gründenden gesetzlichen Regelungen in grundlegender Weise. Auch wenn es in der Romantik zu einer „innerlichen“ Aufwertung des Waldes kam23 – die Bedeutung von Waldeigentum und Waldholznutzung und darauf bezogener Rechtsetzung nahm im Verlauf des 19. Jahrhunderts rapide ab. Die Industrialisierung beruhte nun zunehmend auf der Nutzung der fossilen Energieträger Braun- und Steinkohle, dann Erdöl und Erdgas, später kam Atomstrom hinzu. Auch militärisch kamen mit Flugzeug, Panzer, U-Boot und Raketen andere dann vorherrschende militärische Fortbewegungsmittel und Waffengattungen auf, die die früher herausragende Bedeutung der traditionellen Holzflotten obsolet machte. Wirtschaftliche, militärische und politische Macht beruhte nun nicht mehr wie früher vorrangig auf Waldeigentum und Holz, sondern auf neuen Energie- und Rohstoffressourcen, neuen Technologien und veränderten weltpolitischen Konstellationen. Waldeigentum wurde eine Eigentumsform unter mehreren, Holz eine Ressource unter vielen. In der Gegenwart dient das Waldeigentum – auf der Grundlage der obigen Feststellungen – und auch das Holz mit Blick auf die private Eigentumsverwertung vorrangig der ökonomischen Nutzung. Darin liegen – sowohl in der stofflichen Weiterverarbeitung wie energetischen Umwandlung – erhebliche Wertschöpfungspotentiale. Dabei steht aber auch heute Waldeigentum und Waldnutzung weiterhin im – allerdings veränderten – Spannungsfeld ökonomischer, ökologischer und politischer Interessen, insbesondere auch Gemeinwohlbelangen.24 Der Strukturwandel des Staates führte vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der modernen Wissenschaften und der veränderten gesellschaftlichen Bedürfnisse zu einem Paradigmenwechsel in der Begründung von Eigentumsein22
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Grober, Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs, 2010, S. 123. Ein schönes Beispiel bieten die Gedichtszeilen von Joseph von Eichendorff: „Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben? Wohl den Meister will ich loben, so lang noch meine Stimm‘ erschallt“. Siehe in dem Zusammenhang u.a. Henning, Paradigmenwechsel im Umgang mit dem Wald, Archiv für Forstwesen und Landschaftsökologie 42 (2008), S. 1-8.
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griffen: Heute stehen vor allem Gemeinwohlbelange im ökologischen und sozialen Bereich im Vordergrund der Begründung. In den letzten 25 Jahren hat sich eine Reihe neuer Dynamiken im Waldeigentum und in der Waldbewirtschaftung ergeben – zum Beispiel durch die rechtliche Verankerung von Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen sowie sozial verändertes Freizeitverhalten der Waldbesucher.25 Hinzu kommen verschiedene neuartige Problemfelder. Dazu gehören vorrangig der Klimawandel und die Notwendigkeit von Klimawandelanpassungsmaßnahmen. Dabei wird der Wald als Kohlenstoffsenke im nationalen Treibhausgasinventar angesehen.26 Aus dem Klimaschutz und den von der Bundesregierung eingegangenen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll, der deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel und der europäischen integrierten Energieund Klimapolitik können sich Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums ergeben. Daraus resultieren beispielsweise entsprechende Diskussionen hinsichtlich der Verteilung der Erlöse aus dem Treibhausgaszertifikatehandel. Ebenso haben sich in der Bewirtschaftung, Nutzung und Entwicklung von Wäldern und waldreichen Landschaften neue Wertschöpfungspotentiale entlang der Forst-HolzKette gebildet, die bei Gewinnorientierung und ökologischer Verträglichkeit unter der Zielsetzung innovativer Formen der Energiesicherung in der Bundesrepublik Deutschland stehen. Hinzu kommen die neuen Ansprüche an das private Waldeigentum und dessen Nutzung durch gemeinwohlbezogene Anforderungen – so nach der Nachhaltigkeits-Strategie der Bundesregierung und von Naturschutz, Biodiversität/Agrobiodiversität sowie sozialen und raumordnungsbezogenen Kriterien, die die privatrechtliche Wald- und Holznutzung neu einfassen.27 Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Erörterung zur Rolle des privaten (Wald-) Eigentums sowie ausgewählter historischer Konstellationen dazu werden
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Ein anderes Problemfeld ist beispielsweise der Konflikt zwischen Jägern, Forstwirtschaft und Naturschutz wegen Waldschäden durch Wildverbiss, siehe dazu u.a. Ammer/Vor/Knoke/Wagner, Der Wald-Wild-Konflikt. Analyse und Lösungsansätze vor dem Hintergrund rechtlicher, ökologischer und ökonomischer Zusammenhänge, Gutachten am 5. Mai 2010 veröffentlicht vom Deutschen Forstwirtschaftsrat, Bundesamt für Naturschutz und von der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft. So kompensiert der deutsche Wald die jährlichen Kohlendioxid-Emissionen des gesamten heimischen PKW-Bestandes. Desweiteren gibt es Auseinandersetzungen um moderne, innovative Holznutzungsformen zwischen den Kriterien von Effizienz, zeitlicher Nachhaltigkeit und Ökologie. Dazu gehört der Umgang mit Dendromasse in seiner stofflichen und energetischen Verwendung, mit Schnellwuchsplantagen (Turbobäume, Kurzumtriebsplantagen), mit anzupassenden Agroforstsystemen, weiterer Nutzung in der Wertschöpfungskette Wald-Holz (z.B. energetisch in Form der Holzpellets oder mit modifiziertem Holz in neuartigen Holzmöbeln oder Holzhäusern). Zu Bausteinen für die Zukunftsdebatte der Waldnutzung, die im Rahmen des Forschungsvorhabens „Waldzukünfte 2100“ entstanden sind, siehe Zukünfte und Visionen Wald 2100 (Hrsg.), Waldzukünfte: Herausforderungen für eine zukunftsfähige Waldpolitik in Deutschland, 2009.
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im Folgenden die spezifischen eigentumsrechtlichen Bestimmungen zum Waldeigentum dargelegt und erörtert.
II. Rechtsgrundlagen zum Wald Zum Wald existiert eine Reihe von Rechtsakten auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene mit unterschiedlichen Regelungsinhalten. Entsprechend seiner ökologischen Funktionen bestehen dabei auch Bezüge zu Boden, Wasserhaushalt, Tier- und Pflanzenwelt sowie zu Luft- und Klimaverhältnissen. Die verschiedenen waldrelevanten Rechtsquellen machen dabei deutlich, dass es sich insgesamt bei dem Waldrecht bzw. Forstrecht um ein Querschnittsgebiet handelt. Auf globaler Ebene gibt es beispielsweise das Internationale Tropenholzübereinkommen (International Tropical Timber Aggreement - ITTA), das 1983 abgeschlossen und das durch Nachfolgeabkommen von 1994 und von 2006 novelliert wurde.28 Besondere Bedeutung für den Waldschutz erlangt auch das Übereinkommen über die biologische Vielfalt aus dem Jahre 1992, in dessen Rahmen 2002 ein Arbeitsprogramm zur biologischen Vielfalt der Wälder aufgestellt und das 2008 auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz in Bonn überarbeitet wurde.29 Auch das internationale Klimaschutzrecht30 bezieht ausdrücklich die Wälder als Kohlendioxid-Senken mit ein – so die Klimarahmenkonvention von 1992 und das dazu ergangene Kyoto-Protokoll von 1997.31 Zu nennen ist ferner die Waldübereinkunft der Vereinten Nationen aus dem Jahre 2007, die kein rechtlich bindendes, sondern politisches Instrument für alle Arten von Wäldern darstellt; es handelt sich hier also um soft law. Immerhin haben sich die Mitgliedstaaten darin u. a. „in Anerkennung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Wälder und die nachhaltige Waldbewirtschaftung sowie des Beitrages, den die Wälder bei Maßnahmen gegen den Klimawandel leisten“, dazu verpflichtet32, bis 2015 den weltweiten Waldverlust durch nachhaltige Waldbewirtschaftung einschließlich Schutz, Wie-
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Zu möglichen Konflikten mit dem WTO-Recht siehe Härtel, Globalisierung des Rechts als Chance? Zum Spannungsverhältnis von Umweltvölkerrecht und Welthandelsrecht, in: Hendler u.a. (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2008, S. 185 ff., 199. Die Revision bezieht sich auf den Waldschutz, illegalen Holzeinschlag, die Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens zur biologischen Vielfalt (CBD) und der Klimarahmenkonvention (REDD) und den Spezialbereich gentechnisch veränderter Bäume. Dazu siehe Härtel, Einführung in das Klimaschutzrecht, i.B. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. d) Kyoto-Protokoll werden alle Vertragsparteien die nachhaltige Bewirtschaftung fördern sowie die Erhaltung und gegebenenfalls Verbesserung von Senken und Speichern aller nicht durch das Montrealer Protokoll geregelten Treibhausgase, darunter Biomasse, Wälder und Meere sowie andere Ökosysteme auf dem Land, an der Küste und im Meer, fördern und dabei zusammenarbeiten. Präambel der Waldübereinkunft.
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derherstellung und (Wieder-) Aufforstung zu verhindern.33 Das Abkommen zielt dabei insbesondere auch auf die Entwicklungsländer und Länder mit im Übergang befindlichen Wirtschaftssystemen ab. Diese sollen durch neue, zusätzliche Finanzmittel, den Zugang zu Technologien und dem Know-how sowie andere positive Anreize zur Reduzierung des Waldrückgangs und zur Förderung der (Wieder)Aufforstung und Sanierung zur Umsetzung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung und zur Vergrößerung geschützter Waldflächen unterstützt werden. Das Recht der Europäischen Union erfasst den Schutz des Waldes zum einen im Primärrecht über die Umweltpolitik (Art. 191 ff. AEUV) und die Querschnittsklausel (Art. 11 AEUV) und zum anderen im Sekundärrecht über die die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie34, die Vogelschutz-Richtlinie und die Wasserrahmenrichtlinie.35 Desweiteren erfasst das EU-Förderungsrecht auch den Schutz des Waldes – so z.B. die Verordnung über die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER)36. In Vorbereitung ist indes eine EU-Verordnung zum Holzhandel im Anschluss an den von der EU-Kommission im Jahre 2003 vorgelegten Aktionsplan „Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor“ (Forest Law Enforcement, Governance and Trade – FLEGT). In der Bundesrepublik Deutschland bilden an erster Stelle das Bundeswaldgesetz37 und die Waldgesetze der Länder die maßgeblichen Rechtsgrundlagen.38 Desweite-
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IV Nr. 5 Globales Ziel Nr. 1. Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl.(EWG) Nr. L 206 vom 22.7.1992, S. 7–50. Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. (EG) Nr. L 327 vom 22.12.2000, S. 1–73. Art. 36 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), ABl. (EG) Nr. L 277 vom 21.10.2005, S. 1-40. Zur näheren Einordnung der ELER-Verordnung siehe Härtel, Europäisches Agrarverwaltungsrecht, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, i.E. Bundeswaldgesetz vom 2. Mai 1975 (BGBl. I S. 1037), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) geändert worden ist. Das Bundeswaldgesetz stützt sich auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG (die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung). Landesforstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz - LFoG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. April 1980 (GV. NW. S. 546), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV. NRW. S. 185); Hessisches Forstgesetz, in der Fassung vom 10. September 2002 (GVBl. I S. 582), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. September 2007 (GVBl. I S. 567); Waldgesetz für den Freistaat Sachsen (SächsWaldG) vom 10. April 1992 (SächsGVBl. S. 137), zuletzt geändert
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ren ergeben sich die waldrelevanten Rahmenbedingungen aus dem Wasser-39, Bodenschutz- oder Naturschutzrecht, Baurecht, Planungsrecht, Raumordnungsrecht, Jagdrecht sowie dem Förderungsrecht (Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz). Besondere Bezüge zum Wald weist das Naturschutzrecht auf. So schreibt das Bundesnaturschutzgesetz40 in seinen Grundsätzen in § 1 explizit vor, dass Freiräume im besiedelten und siedlungsnahen Bereich einschließlich ihrer Bestandteile, wie Parkanlagen, […], Wälder und Waldränder, Bäume und Gehölzstrukturen, […], zu erhalten sind und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, neu zu schaffen sind. § 5 Abs. 3 BNatSchG enthält zudem die Vorgabe, dass bei der forstlichen Nutzung des Waldes das Ziel zu verfolgen ist, naturnahe Wälder aufzubauen und diese ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften. Ein hinreichender Anteil standortheimischer Forstpflanzen ist zudem einzuhalten. Darüber hinaus enthält das Raumordnungsgesetz41 Schutzbestimmungen für den Wald. In § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG heißt es: „Die weitere Zerschneidung der freien Landschaft und von Waldflächen ist dabei (bei der Raumplanung)42 so weit wie möglich zu vermeiden; […]“. Zudem sieht § 2 Abs. 2 Nr. 5 ROG vor, die räumlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Land- und Forstwirtschaft ihren Beitrag dazu leisten kann, die natürlichen Lebensgrundlagen in ländlichen Räumen zu schützen sowie Natur und Landschaft zu pflegen und zu gestalten. Auch das Baugesetzbuch43 regelt in § 1a, Abs. 2, Satz 2, dass als Wald genutzte Flächen nur im notwendigen Umfang umgenutzt werden sollen. Zudem lautet ein Grundsatz der Bauleitplanung, eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung zu gewährleisten. Eine menschenwürdige Umwelt soll gesichert und die natürlichen Lebensgrundlagen geschützt und entwickelt werden, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz, (§ 1 Abs. 5 BauGB).
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durch Artikel 14 des Gesetzes vom 13. August 2009 (SächsGVBl. S. 438); vgl. die Aufstellung unter http://www.wald-prinz.de/landeswaldgesetz-forstgesetz/180. Zum Verhältnis von Wasserrecht und Forstrecht siehe etwa Cosack, Zeitschrift für Wasserrecht (ZfW) 2008, S. 61-84. Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542). Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) geändert worden ist. Anm. der Verfasserin. Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) geändert worden ist.
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Der Überblick über das geltende Recht wird angesichts der Fülle von Regelungen für den Waldbesitzer und auch für die mit dem Wald befassten Behörden immer schwieriger. Zugleich geht mit dieser Entwicklung ein Verlust an Rechtssicherheit einher, zumal gerade beim privaten Waldeigentum der damit eigentlich verbundene Freiheitsraum des Eigentümers erheblich eingeschränkt wird.44 Verfassungsrechtlich geschützt ist die Eigentumsgarantie gegenüber deutschen Hoheitsakten durch Art. 14 GG, gegenüber Maßnahmen der Organe der Europäischen Union durch die Eigentumsgarantie des Art. 17 der Grundrechte-Charta.45 Zugleich garantiert Art. 345 AEUV (früher Art. 295 EGV) die Unberührtheit der mitgliedstaatlichen Eigentumsordnungen.46 Darüber hinaus legt das 1. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einen verbindlichen Rahmen für den Eigentumsschutz in Unterzeichnerstaaten fest.47
III. Der Begriff Wald und die Arten des Eigentums am Wald Für die eigentumsrechtliche Zuordnung und die verfassungsrechtliche Analyse von waldrelevanten Rechtsakten ist die vom Bundeswaldgesetz getroffene Unterscheidung der Eigentumsformen am Wald grundlegend. Diese verschiedenen Eigentumsarten setzen allerdings voraus, dass es sich um Wald im Sinne des Waldgesetzes handelt.
1. Der Begriff Wald Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 BWaldG ist Wald jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche. Als Wald gelten zudem kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege, Waldeinteilungs- und Sicherungsstreifen, Waldblößen und Lichtungen, Waldwiesen, Wildäsungsplätze, Holzlagerplätze sowie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flächen.48 Ausnahmen hiervon sieht 44
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Kramer/Schurr (Hrsg.), Internationales Waldrecht und nachhaltige Waldnutzung, 2004, Vorwort, S. IX (XII). Vgl. dazu Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG, Rn. 109; ders., in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europäische Grundrechte-Charta, 2006, Art. 17. Zur problematischen Einordnung dieser Vorschrift siehe u.a. Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2008, Art. 295; Calliess, Eigentumsgrundrecht, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 16.4 Rn. 4 f. Dazu siehe König, Der Schutz des Eigentums im europäischen Recht, in: Depenheuer (Hrsg.), Eigentum. Ordnungsidee, Zustand, Entwicklungen, 2005, S. 113 ff. Zum Begriff des Waldes vgl. VGH Mannheim, NuR 1983, 278; BVwerG, NVwZ 1986, 206; Bayerisches Oberstes Landesgericht, NuR 1985, 289, 292.
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§ 2 Abs. 2 BWaldG vor. Danach gehören nicht zum Wald im Sinne des Bundeswaldgesetzes in der Flur oder im bebauten Gebiet gelegene kleinere Flächen, die mit einzelnen Baumgruppe, Baumreihen oder mit Hecken bestockt sind oder als Baumschulen verwendet werden. Zudem können die Länder nach § 2 Abs. 3 BWaldG andere Grundflächen dem Wald zurechnen und Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen sowie zum Wohnbereich gehörende Parkanlagen vom Waldbegriff ausnehmen.49 Der Waldbegriff ist dabei nicht auf den Begriff des Ökosystems Wald bezogen, sondern auf die Grundfläche als Objekt des Grundeigentums und der Planung, Bewirtschaftung, Nutzung und Erfassung.50 Hiernach werden somit auch Waldwege, kahlgeschlagene Flächen oder Holzlagerplätze erfasst. Auch die Waldgesetze der Länder übernehmen dabei im Wesentlichen die Begriffsbestimmung des Bundeswaldgesetzes. Jedoch werden hierbei zum Teil in einigen Ländern darüber hinausgehende Erfordernisse festgelegt, die sich etwa auf einen ökologischen Waldbegriff beziehen (so etwa § 1 des Bayrischen Waldgesetzes). Verantwortung für den Wald tragen die Waldbesitzer, die legaldefiniert sind als Waldeigentümer und Nutzungsberechtigte, sofern diese unmittelbare Besitzer des Waldes sind (vgl. § 4 BWaldG).
2. Die Arten des Eigentums am Wald Das Bundeswaldgesetz differenziert in § 3 zwischen drei Waldeigentumsarten: dem Staatswald, dem Körperschaftswald und dem Privatwald. Staatswald ist gemäß § 3 Abs. 1 BWaldG Wald, der im Alleineigentum des Bundes oder eines Landes steht, sowie Wald im Miteigentum eines Landes, soweit er nach landesrechtlichen Vorschriften als Staatswald angesehen wird. Körperschaftswald nach § 3 Abs. 2 BWaldG hingegen ist Wald, der im Alleineigentum der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der Zweckverbände sowie sonstiger Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts steht; ausgenommen ist der Wald von Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen, sowie von Realverbänden, Hauberggenossenschaften, Markgenossenschaften, Gehöferschaften und ähnlichen Gemeinschaften (Gemeinschaftsforsten), soweit er nicht nach landesrechtlichen Vorschriften als Körperschaftswald angesehen wird. Privatwald letztlich ist gemäß § 3 Abs. 3 BWaldG Wald, der weder Staatswald noch Körperschaftswald ist. Die Zuordnung von Kirchenwald können die Länder regeln.51
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So etwa im Sächsischen Waldgesetz (§ 2 Abs. 3). Oehler, Grundzüge des Waldrechts im internationalen Vergleich, in: Kramer/Schurr (Hrsg.), Internationales Waldrecht und nachhaltige Waldnutzung, 2004, S. 19, 24. Oehler, Grundzüge des Waldrechts im internationalen Vergleich, in: Kramer/Schurr (Hrsg.), Internationales Waldrecht und nachhaltige Waldnutzung, 2004, S. 19, 25.
Eigentumsgarantie und Waldrecht
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In der Bundesrepublik Deutschland ist der Waldbesitz breit gestreut. Von den drei Eigentumsarten ist Privatwald mit ca. 44 % der Waldfläche (ca. 4,4 Mio. ha) die vorherrschende Form, wobei die Schwerpunkte des Privatwaldes in Bayern sowie in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein liegen.52 Da das private Waldeigentum gekennzeichnet ist durch klein strukturierte und zersplitterte Flächen, sind die forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse nach § 15 BWaldG von großer Bedeutung sowohl für die betroffenen Eigentümer als auch für die Forstpolitik. Knapp 20 % des Waldes gehören zum Körperschaftswald (ca. 2,2 Mio. ha), welcher besonderes Gewicht in Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg sowie im Saarland hat. Die Länder besitzen rund 30 % der Waldfläche (ca. 3,3 Mio. ha). Dabei differiert der Staatswaldanteil teilweise erheblich: so liegt er in NordrheinWestfalen bei gerade 14%, hingegen im Saarland bei 48 %. Der Bund besitzt knapp 4 % der Waldfläche. Darunter fallen in der Regel militärisch genutzte Flächen sowie Flächen entlang von Bundeswasserstraßen und Autobahnen.
IV. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Im Hinblick auf das Eigentum am Wald spielt das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG eine besondere Rolle. Auf der anderen Seite steht die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG, die den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen anordnet. Dazu zählt ohne Weiteres auch der nationale Wald. Insofern muss ein Ausgleich zwischen den verschiedenen grundgesetzlich geschützten Positionen gefunden werden. Dabei ist zu bemerken, dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und die damit verbundenen Probleme im Spannungsverhältnis mit Art. 20a GG ausschließlich für den Privatwald gelten.
1. Schutzbereich der Eigentumsgarantie Art 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet das Eigentum und das Erbrecht. Dabei weist die Eigentumsgarantie zwei Aspekte auf. Einerseits wird das Eigentum als Rechtsstellung des einzelnen Eigentümers gewährleistet. Unter bestimmten Voraussetzungen kann jedoch der Staat eine Enteignung durchführen. In diesem Fall verwandelt sich aber die Rechtsstellungsgarantie des Eigentümers in eine Wertgarantie, d.h. die Enteignung ist nur gegen eine angemessene Entschädigung zulässig. Andererseits enthält die Eigentumsgarantie eine Institutsgarantie des Eigentums. Dadurch soll das Privateigentum als grundlegendes Institut der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung erhalten bleiben und geschützt werden. 52
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Waldbericht 2009, S. 21.
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Der Eigentumsgarantie kommt im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Grundrechtsträger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm die eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen.53 a) Persönlicher Schutzbereich Auf Art. 14 GG können sich inländische und ausländische natürliche Personen sowie nach Art. 19 Abs. 3 GG inländische juristische Personen des Privatrechts berufen. Der Begriff juristische Person ist dabei nicht in einem technischen, sondern in weitem Sinne zu verstehen, so dass auch nichtrechtsfähige Vereinigungen Grundrechtsschutz genießen; ausgeschlossen sind nur unstrukturierte, nicht ein Mindestmaß an Verfasstheit aufweisende Personengruppen. Demnach können auch die Forstbetriebsgemeinschaften im Sinne des § 16 BWaldG Träger des Eigentumsgrundrechts sein. Diese sind privatrechtliche Zusammenschlüsse von Grundbesitzern, die den Zweck verfolgen, die Bewirtschaftung der angeschlossenen Waldflächen und der zur Aufforstung bestimmten Grundstücke zu verbessern, insbesondere die Nachteile geringer Flächengröße, ungünstiger Flächengestalt, der Besitzzersplitterung, der Gemengelage, des unzureichenden Waldaufschlusses oder anderer Strukturmängel zu überwinden. Die Rechtsform der Forstbetriebsgemeinschaften ist in § 18 Abs. 1 Nr. 1 BWaldG zwingend vorgeschrieben: sie müssen juristische Personen des Privatrechts sein. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht auf Art 14 GG berufen.54 Der Ausschluss der Grundrechtsberechtigung gilt nicht nur bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, sondern auch bei der Wahrnehmung nicht-hoheitlicher Aufgaben. Auch insoweit fehlt es an einer grundrechtstypischen Gefährdungslage. Eine Berufung auf die Eigentumsgarantie ist auch für Zusammenschlüsse grundrechtsunfähiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts ausgeschlossen, selbst wenn diese privatrechtlich organisiert sind.55 Dies hat zur Folge, dass die beiden Waldeigentumsarten Staatswald und Körperschaftswald nicht von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG erfasst werden. Ebenso keine Grundrechtsträger sind daher die Forstbetriebsverbände, das heißt 53
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BVerfGE 115, 97, (110) = NJW 2006, 1191, (1192); BVerfG NJW 2009, 1259. 54 BVerfGE 61, 82, 105 ff = NJW 1982, 2173, 2174 f). Art 14 GG schütze nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater (BVerfGE 61, 82, 108 f = NJW 1982, 2173, 2175. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 14 GG Rn. 189 ff.; kritisch zur Rechtsprechung etwa Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art 14 Rn 70; allgemein zur Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts Schnapp, in: Merten/Papier (Hrsg.), HGR II, 2006, § 52 Rn. 6 ff. BVerfGE 68, 193, 211 f = NJW 1985, 1385 ff.
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die Zusammenschlüsse von Grundstückseigentümern in der Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 21 BWaldG).56 Dabei ist klarstellend festzuhalten, dass Staatswald und Körperschaftswald zivilrechtliches Eigentum bilden – nur eben in öffentlicher Hand; sie sind nicht „öffentliches Eigentum“ im Sinne der von Otto Mayer bezeichneten Konstruktion in Anlehnung des französischen Instituts des domaine public57, das dem Privatrechtsverkehr entzogen wäre. Demzufolge könnten Staatswald und Körperschaftswald an Privatpersonen veräußert werden, was zum Teil in der aktuellen Diskussion verlangt wird. b) Sachlicher Schutzbereich Die Eigentumsgarantie schützt als Eigentum die rechtliche Zuordnung eines vermögenswerten Gutes zu einem Rechtsträger. Welche vermögenswerten Rechtsgüter als Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne geschützt werden, ergibt sich aus einem Vergleich mit dem Leitbild des verfassungsrechtlichen Eigentums, dem Sacheigentum nach bürgerlichem Recht, und dem Zweck sowie der Funktion der Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung. Dem Einzelnen soll die Eigentumsgarantie für den privaten Bereich einen gesicherten Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und ihm damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Lebensgestaltung ermöglichen.58 Dabei geht der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff über den des bürgerlichen Rechts hinaus, indem er alle vermögenswerten Rechtspositionen erfasst, die dem Einzelnen vergleichbar dem Sacheigentum des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Leitbild und Kern des verfassungsrechtlichen Eigentums zugeordnet sind, so dass etwa auch Forderungen oder öffentlich-rechtliche Positionen Eigentum i.S.v. Art 14 GG sein können.59 So fällt auch der Schutz des Betriebes unter die Eigentumsgarantie.60 Das ist insbesondere für den Pächter von Bedeutung, ebenso für Leistungsansprüche aus der Sozialversicherung, die durch Beiträge der Versicherten erworben worden sind, so beispielsweise die Altersrente, Leistungen aus der forstwirtschaftlichen Krankenversicherung, Unfallversicherung usw. Ferner gehört der Schutz des geistigen Eigentums dazu, so Patentrechte und Sortenschutzrechte. 56
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Ein Forstbetriebsverband kann im Gegensatz zu einer Forstbetriebsgemeinschaft nur für forstwirtschaftlich besonders ungünstig strukturierte Gebiete gebildet werden (vgl. § 22 BWaldG). Otto Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl. 1924, S. 39 ff.; dazu siehe vor allem Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14 GG Rn. 19 ff. BVerfGE 97, 350, 370 f = NJW 1998, 1934, 1936. Axer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar GG, Art. 14 vor Rn. 1. Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff siehe jüngst Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, 2. Aufl. 2010, S. 43 ff. BGHZ 87, 321, 336; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14 GG Rn. 134 f.
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Art. 14 GG schützt das Eigentum an Grundstücken, das sog. Grundeigentum, worunter z.B. auch das Jagdrecht61 und das selbständige Fischereirecht62 fallen. Das Jagdrecht und Fischereirecht sind Bestandteil des Eigentums am Grund und Boden und stehen daher dem Grundeigentümer zu.63 Vom Jagdrecht zu unterscheiden ist das Jagdausübungsrecht, das dem Grundeigentümer nur zusteht, wenn sein Grundstück nach der Größe einen eigenen Jagdbezirk bildet.64 Ist das nicht der Fall, steht das Jagdausübungsrecht der Jagdgenossenschaft als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu.65 Auch das Jagdausübungsrecht in der Hand der Jagdgenossenschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als „Eigentum“ im Sinne des Art. 14 GG anzusehen.66 Die Jagdgenossenschaft ist danach insoweit Trägerin des Grundrechts des Art. 14 GG.67 Geschützt ist durch Art. 14 GG zum einen der Bestand des Eigentums in der Hand des Eigentümers (das Haben), zum anderen die Nutzung der Position (der Gebrauch) einschließlich der Veräußerung und der Verfügung.68 Der Eigentümer hat von Verfassungs wegen nicht nur die Freiheit, sein Eigentum zu behalten, sondern es auch zu verwenden, zu verbrauchen und zu veräußern. Die Nutzung soll es dem Eigentümer ermöglichen, sein Leben im vermögensrechtlichen Bereich nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.69 Bezogen auf den Waldeigentümer ergibt sich ferner folgendes: Der Eigentümer des Waldes hat das grundsätzliche Recht, seinen Wald entsprechend seiner Vorstellungen zu nutzen. Dabei ermöglicht der Wald vielfältige Nutzungsweisen. Er kann erwerbswirtschaftlich in tradierter Weise zum Verkauf von Holz oder in neuen Formen (wie z.B. als Friedwald) genutzt werden. Aus dem eigenen Wald wird ein unmittelbarer Beitrag zum Familieneinkommen erzielt. In der Regel betreibt der Eigentümer keine stetige Nutzung, sondern er betrachtet seinen Wald als „Sparkasse“, aus der erst bei zwingendem Bedarf Holz verkauft wird, sei es
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BVerfGE 70, 1919, 199; BVerfGE 98, 17, 35 = NJW 1998, 3033, 3034; Dietlein, JuS 1996, 593 ff. BGH, DVBl. 1982, 1090, 1091; BVerwG, DVBl. 1983, 898 f. Siehe auch Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14 GG Rn. 130. Vgl. u.a. § 3 Abs. 1 S. 1, 2 BJG. § 7 BJG. §§ 8,9 BJG. BGH, DVBl. 1982, S. 1091; Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, Loseblatt, Stand: 56. EL 2009, Art. 14 Rn. 204. Hier ist die Rechtsprechung des BGH nicht in Gänze kompatibel mit der Rechtsprechung des BVerfG mit Blick auf die grundsätzlich fehlende Grundrechtsträgerschaft von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Vgl. BVerfGE 115, 97, (111) = NJW 2006, 1191, (1192). BVerfGE 98, 17, 35 = NJW 1998, 3033, (3034).
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um einen Hausbau oder einen neuen Traktor zu finanzieren.70 Andere Eigentümer sehen in ihrem Wald „Kapitalvermögen“ oder noch häufiger, und wohl auch passender, ein „Liebhabereivermögen“, das zur Selbstversorgung insbesondere durch das Heizen mit Holz dient. Die Selbstversorgung scheint vor allem bei Waldbesitzern mit weniger als 2 ha Fläche von großer Bedeutung zu sein. Es gibt zudem Eigentümer, die sich vor allem auf den Vermögenserhalt, also auf einen bewahrenden Umgang mit dem eigenen Wald konzentrieren, um für sich selbst oder seine Nachkommen im Bedarfsfall auf den Waldbesitz zurückgreifen zu können. Der Wald ist hier ein Wert an sich, in dem sich Besitzerstolz und Besitztraditionen widerspiegeln.71 Letztlich kommt auch die reine Freizeitnutzung bei den Waldeigentümern häufig vor. Alle diese Nutzungsarten sind verfassungsrechtlich grundsätzlich durch Art.14 GG geschützt. Nicht verfassungsrechtlich geschützt sind dagegen bloße Chancen, Erwartungen, Hoffnungen, Aussichten oder Verdienstmöglichkeiten. Ebenso nicht geschützt sind zum Beispiel Beihilfenansprüche im Rahmen der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (ELER-Verordnung, Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz), da diese Rechte vom Staat zugewiesen worden und nicht durch eigene Leistungen des Forstwirts erworben sind. Nicht zum Privateigentum gehören ferner das Grundwasser und bergbaufreie Bodenschätze, die als öffentliches Eigentum festgelegt wurden.72
2. Eigentumseingriffe durch die öffentliche Gewalt Es bestehen erhebliche Bindungen des Waldeigentums aufgrund des Forstrechts (Waldgesetze), des Jagdrechts, des Wasser- und Bodenschutzrechts und auch aufgrund des Naturschutzrechts. So gibt es in Deutschland insgesamt 4622 FFH(Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) und 736 Vogelschutzgebiete (Natura 2000). Der Wald gehört bei etwa zwei Dritteln der deutschen FFH-Gebiete zur Gebietsausstattung. Allein etwa 1,9 Mio. ha Wald liegen in FFH- bzw. Vogelschutzgebieten (ca. 17 Prozent der Gesamtwaldfläche)73 und sind besonderen Geboten hinsichtlich der Erhaltung von Alt- und Totholz unterworfen.
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Volz, Wem gehört eigentlich der Wald, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Der Bürger im Staat, Heft 51, Der Deutsche Wald, 2001, S. 51 (56). Volz, Wem gehört eigentlich der Wald, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Der Bürger im Staat, Heft 51, Der Deutsche Wald, 2001, S. 51 (57). Dazu kritisch Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14 GG, Rn. 21. Waldbericht der Bundesregierung 2009, S. 20.
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Die Zulässigkeit der Eigentumsbindung muss sich an der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG messen lassen. Mittlerweile kennt das Verfassungsrecht drei verschiedene Typen von Eigentumseingriffen durch den Staat, und zwar erstens die Inhalts- und Schrankenbestimmung, zweitens die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung und drittens die Enteignung. Enteignung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit seinem so genannten Nassauskiesungsbeschluss von 1981 nur dann vor, wenn das Eigentum entzogen wird.74 Die Zulässigkeit der Enteignung hängt nach Art. 14 Abs. 3 GG von folgenden Voraussetzungen ab: (a) Sie ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig; (b) sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen; (c) das Gesetz muss zugleich Art und Ausmaß der Entschädigung regeln (sog. Junktimklausel); (d) die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der betroffenen Eigentümer zu bestimmen. Eigentumsbeschränkungen aufgrund forst- und umweltrechtlicher Vorschriften stellen in der Regel eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Waldeigentums dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist danach zu unterscheiden, ob ein Eigentümer dies ohne einen finanziellen Ausgleich dulden muss oder aber einen finanziellen Ausgleich beanspruchen kann. Von der Enteignung unterscheidet sich die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung dadurch, dass die Schranken für den Staat niedriger sind und dass auch der finanzielle Ausgleich geringer ausfallen kann als die Enteignungsentschädigung. Der besagte Nassauskiesungsbeschluss des BVerfG von 1981 hat die Eigentumsdogmatik erheblich verändert. Seitdem ist strikt zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) einerseits und Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) andererseits zu trennen.75 Eine verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung „schlägt“ nie in eine Enteignung „um“. Außerdem gilt seitdem der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes: Der Bürger kann sich nicht auf den Standpunkt des „dulde und liquidiere“ stellen. Ist der Eigentumseingriff verfassungswidrig, muss er bei den Verwaltungsgerichten um Rechtsschutz ersuchen. Ist der Betroffene bei einer Enteignung lediglich mit der Höhe der Entschädigung nicht einverstanden, so muss er vor den ordentlichen Gerichten klagen (Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG). Unter Inhalts- und Schrankenbestimmungen versteht das BVerfG die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hin-
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BVerfGE 58, 300 ff.; zur Entwicklung des „klassischen“ Enteignungsbegriffs siehe Papier, Der Stand des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, in: Depenheuer (Hrsg.), Eigentum. Ordnungsidee, Zustand, Entwicklungen, 2005, S. 93, 94 ff. BVerfGE 58, 300 ff.
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sichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum geschützt werden.76 Die Zuordnung einer Regelung zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen ist unabhängig von der Intensität der den Eigentümer treffenden Belastung. Dies gilt selbst dann, wenn der Eingriff in seinen Auswirkungen einer Enteignung nahe- oder gleichkommt.77 Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Inhaltsbestimmung ist die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sein sollen; sie ist zukunftsgerichtet.78 Demgegenüber setzen Schrankennormen die Eigentumsposition voraus und beschränken sie durch Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten, um sie mit konfligierenden Rechtspositionen und Interessen auszugleichen.79 Als äußerste Schranke einer Inhalts- und Schrankenbestimmung ist der Kernbereich der Eigentumsgarantie zu wahren. Daraus ergeben sich strukturelle Mindestanforderungen: sowohl die Privatnützigkeit als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand müssen zwingend erhalten werden.80 Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums bedürfen einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Insbesondere dürfen diese ausschließlich durch Gesetz, das heißt durch Rechtsnorm (auch Rechtsverordnungen oder Satzungen) erfolgen.81 Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen muss der Gesetzgeber den Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie beachten. Aus diesem Grund genießt er keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit.82 Er hat dabei die Bestandsgarantie aus Art 14 Abs. 1 S 1 GG zu beachten. Darüber hinaus gilt jedoch auch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art 14 Abs. 2 GG.83 Der Gesetzgeber hat das in Art 14 GG angelegte Spannungsverhältnis problem- und situationsbezogen zu einem interessengerechten Ausgleich zu bringen.84 Darüber hinaus müssen Inhalts- und Schrankenbestimmungen aber auch immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, das heißt es ist neben der im in Art. 14 Abs. 2 GG niedergelegten Sozialpflichtigkeit auch ein Ausgleich der weiteren betroffenen Grundrechte und Staatszielbestimmungen – vor allem auch die 76
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BVerfGE 110, 1,(24 f.) = NJW 2004, 2073, (2077). Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung siehe auch Hendler, in: FS Maurer, 2001, S. 127 ff. BVerfGE 100, 226, 240 = NJW 1999, 2877 f. BVerfGE 72, 66, (76). Wendt, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 14 Rn. 55. BVerfGE 100, 226, (241). Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 10. Aufl. 2009, Art. 14, Rn. 37. BVerfGE 112, 93, (109) = NJW 2005, 879, (880). Axer, in: Beck’scher Online-Kommentar, GG, Stand: 01.02.2010, Art. 14, Rn. 84. BVerfGE 115, 97, (114) = NJW 2006, 1191, (1194).
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nach Art. 20a GG zum Umweltschutz - zu finden. Demnach sind Beschränkungen nur zulässig, wenn sie geeignet und erforderlich85 sind, den angestrebten Zweck zu verwirklichen. Außerdem müssen sie verhältnismäßig im engeren Sinn sein, d.h. es muss eine angemessene Relation zwischen der Schwere des Eingriffs und dem verfolgten Zweck bestehen. Insbesondere dürfen die Einschränkungen des Eigentums gemessen am sozialen Bezug und an der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Blick auf den Regelungszweck nicht zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer unzumutbar treffen.86 Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung ist grundsätzlich ohne Entschädigung hinzunehmen.87 Es kann aber ausnahmsweise aus Verhältnismäßigkeitsgründen geboten sein, die aufgrund einer Inhalts- und Schrankenbestimmung erlittenen Nachteile finanziell auszugleichen.88 Dies ist der Fall, sofern eine an sich verhältnismäßige Regelung in atypischen Fällen zu besonderen Belastungen führt. Eine solche ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung liegt etwa dann vor, wenn in eine Eigentumsposition besonders intensiv eingegriffen wird, wobei zur Bestimmung der übermäßigen Belastung letztlich im Ergebnis wiederum auf die materiellen Theorien zur früheren Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmung einerseits und Enteignung andererseits (Schweretheorie, Sonderopfertheorie) zurückgegriffen wird.89 Entscheidend für das Erfordernis einer Ausgleichspflicht ist, ob die Inhalts- und Schrankenbestimmung im Hinblick auf Schwere, Intensität und Dauer für den Eigentümer unzumutbar ist und ihm ein Sonderopfer auferlegt. Somit ist entscheidend, welche privatnützigen Verwendungsarten dem Eigentümer unter Berücksichtigung der Lage und Ortsgebundenheit des Grundstücks verbleiben und ob die (nach wie vor) möglichen Verwendungen noch als sinnvoller, ökonomisch vertretbarer privatnütziger Eigentumsgebrauch verstanden werden können.90 Nach der Rechtsprechung kommt es auf das Kriterium der „Situationsgebundenheit“ an.91 Sofern keine privatnützige Ver85
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Die Bestimmung muss geeignet sein, das betreffende Ziel zu erreichen. Sie ist erforderlich, wenn hierfür kein milderes – aber gleichermaßen geeignetes – Mittel in Betracht kommt. BVerfGE 110, 1, (28) = NJW 2004, 2073, (2078). BVerfGE 100, 226, (241) = NJW 1999, 2877, (2878). BVerfGE 58, 137 ff = NJW 1982, 633 ff; BVerfGE 100, 226 ff = NJW 1999, 2877 ff; Kischel, Wann ist eine Inhaltsbestimmung ausgleichspflichtig?, JZ 2003, S. 604 ff.; siehe auch Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, 2. Aufl. 2010, S. 112 ff. Dazu siehe Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14 GG Rn. 256-272. Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, Stand: 56. Ergänzungslieferung 2009, Art. 14, Rn. 424. Vgl. BGH LM Art. 14 GG Nr. 60 und 70; Art. 14 (Cb) Nr. 5; BGHZ 23, S. 30 (33); 57, S. 178 (180 f.); BGH, WM 1977, S. 945; vgl. auch BGHZ 60, S. 126 (131); 72, S. 211 (216); 77, S. 351 (354); 80, S. 111 (115 f.); 87, S. 66 (71 f.); 90, S. 4 (14 f.); 90, S. 17 (24); 99, S. 24 (31); 105, S. 15 (18); BGH, DVBl. 1993, S. 430; BVerwGE 3, S. 335; 4, S. 57 (60); 49, S. 365; 67, S. 93 (95); BVerwG, NuR 1987, S. 364; NuR 1993, S. 487.
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wendung mehr möglich ist, ist die Grenze einer zulässigen, kompensationsfreier Sozialbindung überschritten.92 Die Sozialpflichtigkeit des forstwirtschaftlichen Eigentums ist infolge des Wandels der gesellschaftlichen Anforderungen in den letzten Jahrzehnten fortwährend gestiegen. Das bedeutet, dass die Waldbesitzer immer mehr Beschränkungen erdulden müssen, ohne hierfür eine finanzielle Entschädigung erhalten zu können. Vorrangig vor einer finanziellen Entschädigung ist jedoch zu prüfen, ob nicht die Belastung auf eine andere Weise abgefedert werden kann. In Betracht kommen etwa Übergangsvorschriften oder Härtefallklauseln. Aufgrund der in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG niedergelegten Bestandsgarantie folgt nämlich, dass primär Vorkehrungen zu treffen sind, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten.93 Eine solche Entschädigung könnte dann etwa durch einen finanziellen Ausgleich oder einen Anspruch auf Übernahme durch die öffentliche Hand zum Verkehrswert möglich sein.94 Dabei hat sich die Höhe des Ausgleichs an der Höhe der Belastung zu orientieren, um diese auf ein zumutbares Maß abzumildern. Der Ausgleich muss gesetzlich geregelt sein. Über Klagen wegen ausgleichspflichtiger Inhalts- und Schrankenbestimmungen entscheiden nach § 40 Abs. 2 S 1 Hs 2 VwGO die Verwaltungsgerichte.95
3. Besondere Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Bundeswaldgesetzes sowie der Waldgesetze der Länder Grundlegender Ausgangspunkt für die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Waldeigentums ist der mehrschichtige Zweck des Bundeswaldgesetzes (§ 1), der auf den Grundsatz der Nachhaltigkeit in seiner dreidimensionalen Ausprägung beruht. Danach ist „Zweck dieses Gesetzes insbesondere, 1. den Wald wegen seines wirtschaftlichen Nutzens (Nutzfunktion) und wegen seiner Bedeutung für die Umwelt, insbesondere für die dauernde Leistungsfähigkeit, den Naturhaushalt, das Klima, den Wasserhaushalt, die Reinhaltung der Luft, die Bodenfruchtbarkeit, das Landschaftsbild, die Agrar- und Infrastruktur und die Erholung der Bevölkerung (Schutz- und Erholungsfunktion)
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Kritisch zum Topos der „Situationsgebundenheit“ vor allem Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14 GG Rn. 285 f.; Leisner, Situationsgebundenheit des Eigentums – eine überholte Rechtssituation?, 1990. Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: 56. Ergänzungslieferung 2009, Art. 14, Rn. 424. BVerfGE 100, 226, (245) = NJW 1999, 2877, (2879); Axer, in: Beck’scher OnlineKommentar, GG, Stand: 01.02.2010, Art. 14, Rn. 105 BVerfGE 100, 226, (246 f.) = NJW 1999, 2877, (2879). Axer, in: Beck’scher Online-Kommentar, GG, Stand: 01.02.2010, Art. 14, Rn. 106.
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zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern, 2. die Forstwirtschaft zu fördern, 3. einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Belangen der Waldbesitzer herbeizuführen.“ Die ökonomische Nutzfunktion des Waldes und die Förderung der Forstwirtschaft betreffen die Belange der Waldbesitzer (und Waldarbeiter). Die Schutzfunktion betrifft vor allem die ökologischen Belange. Die Erholungsfunktion liegt im sozialen Interesse, insbesondere im Stadt-Land-Ausgleich. Vor allem die Schutz- und Erholungsfunktion berühren direkt das Gemeinwohl. Den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich zwischen den Eigentümerinteressen und dem Gemeinwohl spricht der Gesetzgeber sogar explizit an. Das Bundeswaldgesetz und die Landeswaldgesetze96 sehen verschiedene Inhaltsund Schrankenbestimmungen des Eigentums am Wald vor. Dazu gehört der Genehmigungsvorbehalt für die Waldrodung oder die Umwandlung des Waldes in eine andere Nutzungsart (§ 9 BWaldG).97 Ferner besteht die Pflicht des Waldeigentümers zur ordnungsgemäßen und nachhaltigen Forstwirtschaft (vgl. § 11 BWaldG). Durch Landesgesetz ist mindestens die Verpflichtung für alle Waldbesitzer zu regeln, kahlgeschlagene Waldflächen in einer angemessenen Zeit98 wieder aufzuforsten oder zu ergänzen, soweit die natürliche Wiederbestockung unvollständig bleibt, sofern nicht die Umwandlung in eine andere Nutzungsart genehmigt wurde oder sonst zulässig ist. Die Landesgesetze konkretisieren die nachhaltige und ordnungsgemäße Forstwirtschaft. So gehört zur ordnungsgemäßen Forstwirtschaft u.a. der weitgehende Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, die Anwendung von bodenschonenden Techniken oder der ausreichende Umfang von Alt- und Totholzanteilen zur Sicherung der Lebensräume wildlebender Tiere und Pflanzen.99 Weitere Vorgaben im Hinblick auf das Eigentum ergeben sich bei einer Erklärung eines Waldes zu „Schutzwald“ (§ 12 BWaldG) oder zum „Erholungswald“ (§ 13 BWaldG). Wald kann zu Schutzwald erklärt werden, wenn es zur Abwehr oder 96
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Landesforstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz - LFoG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. April 1980 (GV. NW. S. 546), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV. NRW. S. 185). Bei dieser Entscheidung über einen Umwandlungsantrag sind die Rechte, Pflichten und wirtschaftlichen Interessen des Waldbesitzers sowie die Belange der Allgemeinheit gegeneinander und untereinander abzuwägen. Nach § 2 Landesforstgesetz NRW hat die Aufforstung innerhalb von zwei Jahren zu erfolgen. Dabei umfasst die Pflicht zur Wiederaufforstung oder Ergänzung auch die Verpflichtung, die Kulturen und Verjüngungen zu pflegen und zu schützen (§ 44 Abs. 2 LFoG NRW). Siehe z.B. § 1b Landesforstgesetz NRW.
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Verhütung von Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit notwendig ist, bestimmte forstliche Maßnahmen durchzuführen oder zu unterlassen. Die Erklärung zu Schutzwald kommt insbesondere in Betracht zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Erosion durch Wasser und Wind, Austrocknung, schädliches Abfließen von Niederschlagswasser und Lawinen. Ein Kahlhieb oder eine diesem in ihrer Wirkung gleichkommenden Lichthauung bedarf im Schutzwald der Genehmigung (§ 12 Abs. 3 BWaldG). Den Ländern können durch weitergehende Vorschriften den Waldbesitzer verpflichten, bestimmte Maßnahmen im Bereich des Schutzwaldes zu unterlassen oder durchzuführen (§ 12 Abs. 4 S. 2 BWaldG). Ein Wald kann zudem zum Erholungswald erklärt werden, wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, Waldflächen für Zwecke der Erholung zu schützen, zu pflegen oder zu gestalten (§ 13 Abs. 1 BWaldG). Die Länder können insbesondere Vorschriften erlassen über 1. die Bewirtschaftung des Waldes nach Art und Umfang; 2. die Beschränkung der Jagdausübung zum Schutz der Waldbesucher; 3. die Verpflichtung der Waldbesitzer, den Bau, die Errichtung und die Unterhaltung von Wegen, Bänken, Schutzhütten und [….] zu dulden; 4. das Verhalten der Waldbesucher. Außerdem besteht ein Betretungsrecht für die Erholungssuchenden im Wald (§ 14 BWaldG).100 Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde sind allerdings nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht zudem auf eigene Gefahr. Die Länder regeln die Einzelheiten. So hat beispielsweise das Landesforstgesetz NRW geregelt, dass das Betreten des Waldes insbesondere im Hinblick auf natur- und waldtypische Gefahren auf eigene Gefahr geschieht (§ 2). Zu den natur- und waldtypischen Gefahren zählen vornehmlich solche, die von lebenden und toten Bäumen, sonstigem Aufwuchs oder natürlichem Bodenzustand ausgehen oder aus der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes entstehen. Organisierte Veranstaltungen im Wald sind der Forstbehörde vor Beginn der Maßnahme rechtzeitig anzuzeigen, sofern sie nicht mit geringer Teilnehmerzahl zum Zwecke der Umweltbildung durchgeführt werden (§ 2 Abs. 4 LFoG NRW). Nach dem Waldgesetz für Baden-Württemberg hat der Waldbesitzer ferner die Kennzeichnung von Waldwegen zur Ausübung des Betretens zu dulden.101 Mit dem Betretungsrecht der Erholungssuchenden sind zugleich für den Waldbesitzer Verkehrssicherungspflichten verbunden, bei deren Verletzung der Waldbesitzer gegenüber dem Besucher nach dem Recht der unerlaubten Handlung (§§ 823 ff. BGB) haften muss.
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Dazu siehe Burgi, Erholung in freier Natur. Erholungsuchende als Adressaten staatlichen Umweltschutzes vor dem Hintergrund von Gemeingebrauch, Betretungsrecht und Grundrecht, 1993; ferner Orf, Waldrecht im Spannungsfeld zwischen Eigentümerbefugnissen und Duldungspflichten, AUR 2007, S. 262-267. § 37 Abs. 5 LWaldG BW.
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Im Landesrecht sind darüber hinaus weitere Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Waldeigentums zu finden. So kann etwa nach Waldgesetz für BadenWürttemberg102 die Forstbehörde zur Erschließung eines Waldgebietes einen Grundstückseigentümer verpflichten, die Anlage eines Weges auf seinem Grundstück gegen angemessene Entschädigung in Geld zu dulden. Waldbesitzer und Dritte, die durch den Weg Vorteile haben, können in angemessenem Umfang zu den Kosten für den Bau und die Unterhaltung herangezogen werden. Zudem kann der Waldbesitzer zur Durchführung forstbetrieblicher Maßnahmen103 verpflichtet werden, die Mitbenutzung eines Waldweges gegen angemessene Entschädigung in Geld zu dulden.
4. „Entschädigungsregelungen“ nach den Landeswaldgesetzen Die vielfältigen Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten des Waldbesitzers beschränken die Nutzung seines Waldeigentums, wodurch er zum Teil erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet. Während eine Reihe der Inhalts- und Schrankenbestimmungen aufgrund der hohen Sozialpflichtigkeit des Waldeigentums auch ohne Ausgleichszahlungen verfassungsmäßig ist, gibt es aber auch ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die nur gegen Ausgleich bzw. Entschädigung des Eigentümers verhältnismäßig sind. Dieser verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik haben die Landesgesetzgeber im Forstrecht weitestgehend Rechnung dadurch getragen, dass sie zum Teil detaillierte Vorgaben getroffen haben, in welchen Fällen der Eigentümer einen Anspruch auf Entschädigungen besitzt. Die Entschädigungsregelungen betreffen insbesondere den Ausgleich der Nachteile eines Waldbesitzers, die dieser dadurch erleidet, dass sein Waldeigentum etwa zum Schutzwald oder Erholungswald erklärt wurde104; denn 102
103 104
§ 28 Abs. 3 LWaldG BW - Waldgesetz für Baden-Württemberg, (Landeswaldgesetz LWaldG), in der Fassung vom 31. August 1995 (GBl. S. 685), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 10. November 2009 (GBl. S. 645). § 28 Abs. 2 LWaldG BW. Baden-Württemberg: § 35 Landeswaldgesetz – LWaldG in der Fassung vom 31. August 1995; Bayern: § 24 Waldgesetz für Bayern (BayWaldG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 2005; Berlin: § 20 Gesetz zur Erhaltung und Pflege des Waldes (Landeswaldgesetz – LWaldG) vom 16. September 2004; Brandenburg: § 13 Waldgesetz des Landes Brandenburg (LWaldG) vom 20. April 2004 (GVBl. I S. 137), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (GVBl. I S. 367); Bremen: § 10 Waldgesetz für das Land Bremen (Bremisches Waldgesetz, BremWaldG) vom 31.05.2005 (Brem.GBl. S. 207); Hamburg: § 12 Landeswaldgesetz Hamburg vom 13. März 1978 (HmbGVBl. S. 74); Hessen: § 26 Hessisches Forstgesetz vom 10. November 1954 GVBl. S. 211 in der Fassung vom 10. September 2002 GVBl. I S. 582; Mecklenburg-Vorpommern: § 47 Waldgesetz für das Land MecklenburgVorpommern (Landeswaldgesetz – LWaldG) vom 8. Februar 1993; Niedersachsen: § 40 Niedersächsisches Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung (NWaldLG)
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hierin liegt ein erheblicher und besonders schwerer Eingriff in das Eigentum, der ohne Entschädigung in der Regel unzumutbar wäre. Exemplarisch soll hier auf die Entschädigungsregelung des nordrhein-westfälischen Landesforstgesetzes in § 51 Bezug genommen: „(1) Kommt die durch die Versagung der Umwandlungsgenehmigung bedingte Fortführung der forstlichen Nutzung einer Enteignung gleich, so ist die Fläche auf Verlangen des Waldbesitzers vom Land zum Verkehrswert zu übernehmen. (2) Kommt die Versagung der Genehmigung zur Erstaufforstung einer Enteignung gleich, so ist vom Land eine angemessene Entschädigung zu leisten. (3) Im Falle der Erklärung zu Schutz- oder Erholungswald oder zur Naturwaldzelle sind die Waldbesitzer und sonstigen Nutzungsberechtigten für Nachteile, die ihnen durch die Anordnung oder Untersagung bestimmter Maßnahmen gegenüber der uneingeschränkten forstlichen Bewirtschaftung ihrer Grundstücke entstehen, vom Land zu entschädigen. (4) Entschädigungen nach den Absätzen 2 und 3 sind in Geld zu leisten. [….].“
V. Novellierung des Bundeswaldgesetzes Mit Blick auf die entstandenen Herausforderungen an die Eigentümer in der Landund Forstwirtschaft ist der Gesetzgeber aufgefordert, Inhalt und Schranken des Eigentums daran anzupassen, um so die nötige verfassungsrechtliche Balance zwischen den Eigentümerinteressen und dem Allgemeinwohl wahren zu können. Demgemäß hat der Bundesrat am 12. Februar 2010 einen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswaldgesetzes beschlossen.105 Die anstehende Novellierung betrifft vor allem drei wichtige Gegenstände: a) die Herausnahme von Kurzumtriebsplantagen und Agroforstflächen aus dem Waldbegriff (§ 2 Abs. 2 BWaldG), b) den Ausschluss der Haftung des Waldbesitzers für waldtypische
105
vom 21. März 2002 (Nds. GVBl. S. 112), geändert durch Artikel 16 des Gesetzes vom 12. Dezember 2003, geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 16.12.2004 (Nds. GVBl. S. 616; NRW: § 51 Landesforstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz – LFoG)Bekanntmachung der Neurfassung vom 24. April 1980; Reinland-Pfalz: Keine Norm zur Entschädigung im Waldgesetz; Saarland: § 23 Gesetz Nr. 1069 Waldgesetz für das Saarland (Landeswaldgesetz – LWaldG) vom 26. Oktober 1977 zuletzt geändert durch das Gesetz vom 3. Februar 1999 (Amtsbl. S. 838); Sachsen: § 33 Waldgesetz für den Freistaat Sachsen vom 10. April 1992; Sachsen-Anhalt: § 21 Landeswaldgesetz vom 13.04.1994 (GVBl. LSA Nr. 17/1994 S. 520); SchleswigHolstein: §§ 28 – 31 Waldgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landeswaldgesetz – LWaldG) vom 5. Dezember 2004 (GVOBl. 2004, S. 461); Thüringen: § 30 Thüringer Waldgesetzes vom 18. September 2008. BR Drs. 51/10 sowie BT Drs. 16/12810 vom 29.4.2009. Zur Novellierung des Bundeswaldgesetzes siehe auch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz BT Drs. 16/12198 vom 6.3.2009; den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT Drs. 17/1586 vom 5.5.2010.
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Gefahren (§ 14 Abs. 1 BWaldG) und c) die Möglichkeit der Holzvermarktung für forstwirtschaftliche Vereinigungen (§ 37 Abs. 2 BWaldG). Diese Änderungen sind wie folgt zu begründen: Im Rahmen der integrierten Klima- und Energiepolitik, die unter anderem auch auf den Ersatz fossiler Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe abzielt, haben Kurzumtriebsplantagen (Anbau von schnellwachsenden Baumarten mit Umtriebszeiten von bis zu 20 Jahren auf landwirtschaftlichen Flächen) eine zunehmende Bedeutung erlangt. Diese Kulturform wird eher als landwirtschaftliche Bodennutzung angesehen. Die Grundsätze einer modernen, multifunktionalen, nachhaltigen Waldbewirtschaftung lassen sich auf solchen Flächen nicht verwirklichen. Deshalb sollen nun Kurzumtriebsplantagen aus dem Waldbegriff ausgenommen werden. Eine weitere neue Entwicklung betrifft die sog. Agrarforstsysteme, d.h. Flächen mit Baumbestand, die gleichzeitig dem Anbau landwirtschaftlicher Produkte dienen. Solche Systeme, die ökologische wie ökonomische Vorteile mit sich bringen können, sollen auf bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen geschaffen werden. Da das Bundeswaldgesetz bisher allein auf das äußere Erscheinungsbild abstellt, würden solche Agrarforstsysteme dem strengen Regime des Forstrechts unterfallen. Aufgrund der agrarisch dominierten Bewirtschaftung solcher Flächen ergäben sich dann Konflikte insbesondere mit der nachhaltigen Bewirtschaftung im Sinne des Waldgesetzes. Es wird daher als fachlich sinnvoll angesehen, die agrarforstwirtschaftlichen Flächen wie die Kurzumtriebsplantagen vom Waldbegriff auszuklammern.106 Das Bundeswaldgesetz gestattet jedermann, den Wald auch außerhalb der Wege zu betreten (§ 14). Mit dem Betretungsrecht des Erholungssuchenden sind im Gegenzug für den Waldbesitzer Verkehrssicherungspflichten verbunden, bei deren Verletzung er haften muss. Aufgrund des gesellschaftlichen und rechtlichen Wandels hat sich das Haftungsrisiko des Waldbesitzers erhöht. So ist zum einen der Waldbesitzer aufgrund des Natur- und Artenschutzrechts der Europäischen Union verpflichtet, zum Schutz der Biodiversität Alt- und Totholz zu erhalten, vermehrt abgestorbene Bäume im Bestand zu belassen. Durch fallende Äste und Bäume entsteht eine zunehmende gefährliche Situation für Waldbesucher. Gleichzeitig sind die Zahlen der Erholungssuchenden im Wald gestiegen und neue Erholungsformen wie z.B. Mountain Biking mit veränderten Gefährdungssituationen entstanden. Das daraus resultierende erhöhte Haftungsrisiko der Waldbesitzer bedarf einer neuen Bewertung durch den Gesetzgeber, der zur Wahrung der Eigentumsgarantie auf eine Balance zwischen Individual- und Allgemeinwohlinteresse zu achten hat – hier konkret auf einen angemessen Interessenausgleich zwischen den berechtigten Interessen des Waldbesitzers und den potentiellen Geschädigten. In dem Zusammenhang könnte es sich anbieten, den Verschuldensmaßstab des Waldbesitzers auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zu beschränken, was in der 106
Zur Begründung siehe u.a. BT Drs. 16/12810.
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rechtspolitischen Diskussion zur Novellierung des Bundeswaldgesetzes angedacht wurde. Der letzte Gesetzentwurf sieht hingegen von dieser Lösung ab und schließt die Haftung des Waldbesitzers für waldtypische Gefahren aus, so wie es bereits z.B. im nordrhein-westfälischen Landesforstgesetz vorgesehen ist. Hiermit würde die aktuelle Rechtsprechung zu diesem Problemfeld gesetzlich verankert.107 Die Formulierung der Haftungsbegrenzung war zwischen den einzelnen involvierten Ministerien umstritten. Während das BMJ das Wort „waldtypisch“ durch das Wort „naturtypisch“ ersetzen wollte, plädierten das BMU und das BMELV entsprechend dem Bundesratsvorschlag für „waldtypisch“.108 Als naturtypisch sind Totäste und absterbende Bäume anzusehen, nicht jedoch Fahrspuren, Stubben oder Schlagabraum im Bestand; letztere sind waldtypisch. Der Begriff „waldtypisch“ ist dabei der umfassendere Begriff und schließt damit auch die genannten naturtypischen Gefahren ein. Mit der Änderung des Bundeswaldgesetzes in Bezug auf Möglichkeit der Holzvermarktung für forstwirtschaftliche Vereinigungen erfolgt eine Anpassung rechtlicher Vorgaben an die heutigen Anforderungen an die Forstwirtschaft. So ist der Nichtstaatswald zur Überwindung struktureller Nachteile in rund 1700 Forstbetriebsgemeinschaften organisiert. Dabei können sich bestehende Forstbetriebsgemeinschaften nur als forstwirtschaftliche Vereinigung zusammenschließen. Diese dürfen jedoch bislang kein Holz vermarkten, was nicht den heutigen Erfordernissen entspricht, um als Dienstleister im Sinne einer integrierten Entwicklung des ländlichen Raumes tätig werden zu können.109 Nur durch komplizierte Rechtskonstruktionen konnten die Vereinigungen Holz vermarkten. Um hier Abhilfe zu schaffen und den Holzverkauf, der eine wesentliche Einkommensquelle für die Waldbesitzer ist, zu ermöglichen, bedarf es der Gesetzesänderung.
VI. Der Wald im Kontext der Bewältigung des Klimawandels Der Wald nimmt bei der Bewältigung des Klimawandels eine besondere Rolle ein. Auf der einen Seite ist der Wald selbst von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen und bedarf daher des Schutzes durch entsprechende Anpassungsmaßnahmen (Adaption). Auf der anderen Seite leistet der Wald wichtige Beiträge zum integrierten Klimaschutz (Mitigation). Seine Bedeutung für das Klima wird nunmehr auch im Gesetzeszweck in § 1 Nr. 1 BWaldG hervorgehoben.
107 108
109
BT Drs. 16/12810, S. 7. In Abweichung dazu verlangte das BMU folgenden Text: „Es besteht insbesondere keine Haftung für waldtypische Gefahren, einschließlich der sich aus der Natur ergebenden Gefahren im Sinne des § 60 Satz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes.“ BT Drs. 16/12810, S. 1, 7.
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Die Wälder wirken zum einen positiv auf den Wasserkreislauf, die Strahlungsund Stabilitätsverhältnisse und den Kohlendioxidhaushalt der Atmosphäre. Gleichermaßen hängen diese positiven Effekte von den Klimabedingungen und damit auch vom Klimawandel ab. Einen wichtigen Beitrag in diesem Zusammenhang leisten die Wälder als Kohlendioxid-Senke. So speichern die deutschen Wälder in der ober- und unterirdischen Biomasse ca. 1,3 Mrd. Tonnen Kohlenstoff und binden jährlich weitere Tonnen.110 Darüber hinaus kann Holz als teilweiser Ersatz für die endlichen fossilen und mineralischen Rohstoffe und Energieträger dienen und damit zur Ressourcenschonung und zur Sicherstellung der Energieversorgung beitragen. Diese hohen Potentiale des Waldes wurden erkannt und durch Politik wie Recht aufgegriffen. So hat die Bundesregierung von der in Artikel 3 Absatz 4 des Kyoto-Protokolls enthaltenen Option Gebrauch gemacht, Veränderungen in der Kohlenstoffbilanz der Wälder in Deutschland durch Forstbewirtschaftung auf die deutschen Treibhausgase anrechnen zu lassen. Dies führt voraussichtlich in der Periode 2008-2012 dazu, dass Erhöhungen des Kohlenstoffvorrats im deutschen Wald bis zu einer Obergrenze von 4,55 Mio. t CO2/Jahr als Kohlenstoffsenke im nationalen Treibhausgasinventar angerechnet werden können.111 Während in anderen Erdteilen der einzelne Eigentümer sogar handelbare Zertifikate für Kohlendioxid-Senken erhält, hat die EU-Kommission eine solche Regelung für den EU-Treibhausgasemissionshandel bislang abgelehnt. Immerhin hat die deutsche Bundesregierung angekündigt, dass sie die möglichen Erlöse aus der Anrechnung der Kohlenstoffsenken zu einem erheblichen Anteil für die Förderung des Waldes verwenden will.112 Darüber hinaus ist der Wald in Programmen als wichtiger Bestandteil der zukünftigen Klimapolitik aufgeführt, wie z.B. im Integrierten Energie- und Klimaprogramm der Bundesregierung, das einen deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien vorsieht. In diesem Kontext steht auch der Aktionsplan „Energie für morgen – Chancen für ländliche Räume“, wobei Holz als einer der wichtigsten Energieträger bei den nachwachsenden Rohstoffen gesehen wird.113 Die dafür zum Teil neuen erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen muss der Gesetzgeber schaf110
111 112 113
Deutscher Forstwirtschaftsrat, Positionspapier zur Verwendung von Einnahmen aus dem Emissionshandel für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen der Forstwirtschaft, Oktober 2009, S. 2. Vgl. BMELV, Waldbericht der Bundesregierung, 2009, S. 41. Vgl. BMELV, Waldbericht der Bundesregierung, 2009, S. 41. Integriertes Energie- und Klimaprogramm, Dezember 2007, abrufbar unter: http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/hintergrund_meseberg.pdf; Energie für morgen – Chancen für ländliche Räume, abrufbar unter: http://www.bmelv.de/cln_182/sid_5794038F4CB29D453889341154ABDAC4/cae/serv let/contentblob/810450/publicationFile/46256/AktionsprogrammEnergie.pdf;jsessionid =5794038F4CB29D453889341154ABDAC4.
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fen. Eine richtige Reaktion ist beispielsweise die geplante Novellierung des Bundeswaldgesetzes, mit der Kurzumtriebsplantagen aus dem Waldbegriff ausgenommen werden. Eine andere Herausforderung stellt etwa die Nutzung von bewaldeten Flächen zur Installation von Windenergieanlagen dar. Hier entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Klimaschutz und dem Schutz der Waldökosysteme.114 Die zum Schutz von Wald und Forstwirtschaft vor dem Klimawandel erforderlichen Maßnahmen werden von Politik und Recht gesehen. Die deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel vom 17.12.2008 hat einen Anstoß für einen mittelfristigen Prozess gegeben, in dem gemeinsam mit den Bundesländern und anderen gesellschaftlichen Gruppen schrittweise die Risiken des Klimawandels bewertet werden. Sie beschreibt auch mögliche Handlungsoptionen für die Forstwirtschaft, zu denen insbesondere der Erhalt und die Schaffung von Artenvielfalt und genetischer Vielfalt gehören.115 Desweiteren unerlässlich sind künftig neben europaweiten Forst- und Bodenüberwachungsprogrammen ebenso Vorsorgemaßnahmen gegen Waldbrände und Schaderreger sowie die Entwicklung und Implementierung von Wasserbewirtschaftungskonzepten. Die Bewältigung des Klimawandels kann für Waldeigentümer neue Wege zur Erschließung von Einkommensquellen ebenen, aber auch wiederum zu höheren Restriktionen der Eigentumsnutzung führen. Der Gesetzgeber muss daher auch in Zukunft auf die richtige Balance zwischen dem Allgemeinwohl und den Eigentümerinteressen achten. Eine rechtliche Möglichkeit, die Forstwirtschaft im Rahmen der Bewältigung des Klimawandels zu unterstützen, könnte darin bestehen, einen Wald-Klima-Fonds116 einzurichten. Dieser könnte aus Erlösen des Emissionszertifikatehandels gespeist werden.
VII. Resümee In der Bundesrepublik Deutschland als rechtsstaatliche Demokratie ist das Eigentum als Ausdruck von Freiheit und damit auch das Waldeigentum besonders durch das Grundgesetz geschützt, zugleich aber auch sozial eingehegt durch die Inhalts114 115
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Hierzu Lietz, Windenergieanlagen im Wald, UPR 2010, S. 54 – 60. Zum BMBF-Verbundprojekt „Nachhaltige Waldwirtschaft“ und die daraus bisher gewonnenen Erkenntnisse siehe z.B. Werntze, Klimawandel und nachhaltige Waldwirtschaft, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, UFZ-Spezial Dezember 2009, Kapitel 2. Dazu siehe Deutscher Forstwirtschaftsrat, Positionspapier zur Verwendung von Einnahmen aus dem Emissionshandel für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen der Forstwirtschaft, Oktober 2009, S. 3. Zur Ausgestaltung und Rechtsnatur des ersten Fonds im deutschen Umweltrecht (Klärschlamm-Entschädigungsfonds) siehe Härtel, Düngung im Agrar- und Umweltrecht, 2001, Bd. 117, S. 145 ff.
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und Schrankenbestimmungen (Art. 14 Abs.1 S. 2 GG), die Staatszielbestimmung zum Umweltschutz (Art.20a GG) sowie durch die Sozialpflichtigkeit (Art.14 Abs. 2 GG). Dies ist auch Kennzeichen des Paradigmenwechsels bei der Begründung der Eingriffe in die Eigentumsgarantie. Dabei nimmt das private Waldeigentum im Vergleich zu anderen Eigentumsbereichen in der freiheitlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung eine erhebliche Sonderstellung bei der Eingriffstiefe ein. Dies liegt an der starken Gemeinwohlbindung des Waldeigentums, die in den letzten Jahrzehnten aufgrund des Wandels gesellschaftlicher Bedürfnisse und ökologischer Erkenntnisse nochmals gesteigert wurden. Vielfältige Umweltschutzbestimmungen und das Haftungsrisiko im Zusammenhang mit dem Betretungsrecht der Waldbesucher belasten die Waldeigentümer in zunehmendem Maße. Auch die weitere Rechtsentwicklung infolge der Bewältigung künftiger Problemlagen wie beispielsweise des Klimawandels werden vermutlich weitere staatliche Eingriffe nach sich ziehen. Ein besonderes Problem besteht darin, dass die verschiedenen gesetzlichen Eigentumseinschränkungen jeweils für sich betrachtet werden und der jeweilige Einzeleingriff in der Regel als verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung, die keine Ausgleichspflicht auslöst, bewertet wird. Eine Summation der vielen Einzeleingriffe könnte unter Umständen zu einem anderen Ergebnis führen. Eine solche Gesamtbetrachtung stößt allerdings auf verfassungsdogmatische Herausforderungen. Selbst wenn im Laufe der verfassungsrechtlichen Entwicklung immer mehr Rechtspositionen als Eigentum im Sinne der Verfassung anerkannt werden, ergibt sich daraus im Ergebnis nicht zwangsläufig ein größerer Schutz für das Waldeigentum insgesamt. Die Relativierung des Schutzes für die Nutzung des Waldeigentums im Laufe der Jahre bleibt nach wie vor ein Problem. Eine freiheitliche, rechtsstaatliche Demokratie hat über die Regelung der Tagesgeschäfte hinaus auch die Aufgabe, die Geltungskraft ihrer Grundlagen zu stärken. Dazu gehört auch das Eigentum. Staat und Waldbesitzern ist es gemeinsam aufgegeben, für die richtige Balance von privatem Nutzen und Gemeinwohl zu sorgen. Die Verantwortung hierfür ist eine beständige Aufgabe.
§ 11 Umwelt- und Naturschutzrecht
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I. Einleitung Das Waldeigentum ist seit jeher einer Vielzahl umweltrechtlicher Beschränkungen ausgesetzt. Hierbei spielt das Naturschutzrecht traditionell eine hervorgehobene Rolle, da die damit verbundenen Regelungen typischerweise im Bereich land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen ansetzen. Dabei tritt das Naturschutzrecht häufig in eine Konfliktstellung zu den Vorgaben des Waldrechts, das als Spezialmaterie grundsätzlich abschließende Regelungen zur Art und Weise der Waldbewirtschaftung wie auch zu den Modalitäten der Begründung und der Beseitigung von Wald enthält. Da die Waldgesetze naturschutzrechtliche Aspekte aber verstärkt betonen, dabei sogar häufig ausdrücklich auf die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege hinweisen, ohne hierfür eigenständige Regelungen oder gar Konfliktlösungen bereitzustellen, hat auch das Waldeigentum vermehrt mit den Restriktionen des Naturschutzrechts zu kämpfen. Demgegenüber ist das Bodenschutz- und Wasserrecht bislang noch von geringerer Praxisbedeutung. Allerdings geht hier die Tendenz erkennbar in eine andere Richtung. Das Bodenschutzrecht versucht, eine Abschirmung der forstlichen und zahlreicher weiterer Nutzungen dadurch zu erreichen, dass es diese Nutzungen aus dem Anwendungsbereich des Bodenschutzrechts ausklammert, soweit diese in spezialgesetzlichen Vorschriften abschließend geregelt werden. Für das Waldeigentum entspringen aus diesen zunächst eindeutigen Regelungen aber Nachteile in zweierlei Hinsicht: Zum einen enthält die Waldgesetzgebung selbst keine über die Formulierung von Zielvorgaben hinausgehenden Bezüge zum Bodenschutz, sodass die Gefahr besteht, dass konkrete bodenschutzrechtliche Maßnahmen im Wald doch wieder über das Bodenschutzrecht selbst geregelt werden. Dort greift dann aber keine Schutzklausel zugunsten der Forstwirtschaft ein, die diese Art der Bewirtschaftung gegenüber zu weit reichenden Regelungen des Bodenschutzrechts abschirmen würde. Zum anderen dient das noch relativ junge Umweltschadensrecht auch dem Schutz des Bodens und der Bodenfunktionen, sodass auch von dieser Seite aus bodenschutzrechtliche Anforderungen an das Waldeigentum herangetragen werden, gegenüber denen das Interesse an einer hiervon unbeeinflussten Waldbewirtschaftung im Einzelfall zurücktreten muss. O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Im Bereich des Wasserrechts ergeben sich Berührungspunkte traditionell in erster Linie aus der Ausweisung von Wasserschutzgebieten, in denen es zu Einschränkungen der Waldbewirtschaftung kommen kann. In der Vergangenheit beschränkten sich derartige Regelungen im Wesentlichen darauf, die Begründung oder großflächige Beseitigung von Wald zu reglementieren, weniger aber darauf, auf die Art der Bewirtschaftung Einfluss zu nehmen. Dieser vom Ansatz her zurückhaltende Umgang mit der Forstwirtschaft wird momentan zunehmend durch eine offensivere Herangehensweise verdrängt, die darauf zurückzuführen ist, dass die wasserwirtschaftlichen Leistungen der Forstwirtschaft durchaus zur Verbesserung der Gewässerqualität und Gewässerstruktur sowie zur Erhöhung der Wassermenge beitragen können, wenn sie – z.B. durch konkrete Auflagen zur Baumartenwahl oder zur räumlichen Strukturierung – zielgerichtet im Sinne des Wasserschutzes beeinflusst werden. Diese Tendenz wird insbesondere durch die in der EUWasserrechtsrahmenrichtlinie gesetzten Fristen zur Erreichung eines guten Gewässerzustandes in allen Gewässern der Gemeinschaft bis zum Jahr 2015 befördert. Aufgrund der Richtlinie befinden sich die Mitgliedsstaaten in einer strikten Umsetzungspflicht. Wenn es um umwelt- und naturschutzrechtliche Implikationen geht, dürfen aber auch die nutzungsbezogenen Regelungen des Wald- und des Jagdrechts nicht außer Acht gelassen werden, da diese vielfach dazu dienen, öffentlichen Umweltschutzinteressen zur Umsetzung zu verhelfen. Als Stichwort sei hier der Schutz und die Erhöhung von Biodiversität erwähnt, die in beiden Rechtsbereichen, sodann in der Zusammenschau mit der Naturschutzgesetzgebung, ihren Bezugspunkt finden.
II. Naturschutz und Landschaftspflege 1. Rechtsgrundlagen Das Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege wird vorrangig, nach derzeitigem Rechtsstand sogar beinahe vollständig, durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2542) geprägt. Das BNatSchG wurde ursprünglich als Rahmengesetz auf der Grundlage des damaligen Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 des Grundgesetzes (GG) erlassen und enthielt als solches im Wesentlichen Rahmenvorschriften für die landesrechtliche Naturschutzgesetzgebung. In Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen durfte das Bundesrecht zwar nur in Ausnahmefällen treffen (siehe damaliger Art. 75 Abs. 2 GG), jedoch waren wegen § 11 BNatSchG a.F. zahlreiche Materien von der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes ausgenommen und stattdessen mit unmittelbarer Wirkung auch für die Länder ausgestattet worden. Hierzu zählten u.a. die auch forstlich bedeutsamen Vorschriften des Artenschutzrechts.
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Aufgrund Art. 1 des Änderungsgesetzes zum GG vom 28.8.2006 (BGBl. I S. 2034) wurden die Rechtsbereiche des Naturschutzes und der Landschaftspflege anlässlich der Föderalismusreform in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes überführt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG). Anders als bei der früheren Rahmengesetzgebungskompetenz haben die Länder bei der konkurrierenden Gesetzgebung nur dann noch ein eigenes Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit der Bund von seiner eigenen Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Für das Naturschutzrecht ergibt sich allerdings dadurch eine Sondersituation, dass die Länder selbst dann, wenn der Bund ein eigenes Bundesgesetz im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz erlassen hat, hiervon durch Landesgesetz abweichen können (Art. 72 Abs. 3 GG, mit Ausnahme der allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, des Artenschutzes und des Meeresnaturschutzes, siehe Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GG). Dass dies in substanziellem Ausmaß geschehen wird, ist allerdings nicht zu erwarten, da der Handlungsspielraum der Länder insbesondere aufgrund der für die Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten auf allen Ebenen verbindlichen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben begrenzt ist. Für die Gegenwart gilt jedenfalls, dass der Bund mit dem aktuellen BNatSchG vom 29.7.2009 erstmals eine Vollregelung auf der Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz getroffen hat, mit der die derzeit bestehenden Landesnaturschutzgesetze zum 1.3.2010 weitgehend obsolet geworden sind. Die Landesgesetze sind zwar mit dem Inkrafttreten des neuen BNatSchG nicht automatisch außer Kraft getreten, jedoch besteht nach Art. 31 GG ein Vorrang des Bundesrechts gegenüber dem Landesrecht. Die derzeit noch geltenden Landesnaturschutzgesetze sind daher mit Ausnahme von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften bzw. soweit das BNatSchG Fortgeltungs- oder Unberührtheitsklauseln enthält, nicht mehr anzuwenden.
2. Schutz des Netzwerks „Natura 2000“ Im Bereich des Naturschutzrechts finden sich für das Waldeigentum relevante Vorschriften vor allem in den europarechtlichen Vorgaben zum Aufbau und Schutz des Netzwerkes Natura 2000. Hier ist in erster Linie die Flora-FaunaHabitat[FFH]-Richtlinie der EU zu nennen. Sie zielt darauf ab, gemeinsam mit der EU-Vogelschutz-Richtlinie ein Netzwerk von Schutzgebieten einschließlich ihrer Verbindungselemente unter dem Oberbegriff „Natura 2000“ zu installieren. Darüber hinaus etablieren beide Richtlinien als Vorgabe für die Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten einen strengen Artenschutz für diverse Pflanzen- und Tierarten, der auch für die forstliche Bewirtschaftung von hoher Bedeutung sein kann. a) Gebietsschutz Das rechtliche Instrumentarium des Natura 2000-Gebietsschutzes findet seine Umsetzung in den entsprechenden Vorschriften des Bundesrechts (§§ 31 ff. BNatSchG). Es knüpft dort an ein in langer Zeit gewachsenes System unterschied-
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licher Schutzgebietstypen (Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Nationalparke, etc.) an, das seine Rechtsgrundlage in den §§ 22 ff. BNatSchG hat. Allen Schutzgebietstypen ist gemein, dass sie im Verordnungsweg (oder vergleichbar, in Nordrhein-Westfalen z.B. über den Erlass von Landschaftsplänen) unter Schutz gestellt werden, und dass in diesem Rahmen die zur Erreichung des Schutzzwecks als erforderlich angesehenen Ge- und Verbote erlassen werden können. Hierbei sind Regelungen zur Waldbewirtschaftung möglich und in der Praxis auch durchaus üblich, mit denen die Waldbewirtschaftung in einer den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege entsprechenden Weise gesteuert werden kann. Für die Schutzgebiete des europäischen Netzwerks „Natura 2000“ sind zudem regelhaft Bewirtschaftungspläne zu erarbeiten, für die sich im deutschen Rechtsraum der Begriff „Managementpläne“ eingebürgert hat und in denen die maßgeblichen Schutz- und Erhaltungsziele sowie die zu deren Erreichung erforderlichen Maßnahmen dargelegt werden. Auch in diesem Rahmen kann die Waldbewirtschaftung habitat- oder artenschutzbezogen beeinflusst und gesteuert werden. Daneben gilt in den FFH- und Vogelschutzgebieten ein unmittelbares Verschlechterungsverbot, mit dem sichergestellt werden soll, dass die im Zeitpunkt der Inschutznahme vorgefundene Naturausstattung nicht im negativen Sinne verändert wird. Demgegenüber ist mit dem Verschlechterungsverbot kein Veränderungsverbot verbunden, was für die Bewirtschaftung von Wäldern nicht näher erläutert werden muss, da hier Entwicklungsprozesse über längere Zeiträume ablaufen, die sowohl mit Verschiebungen in der Artenzusammensetzung als auch vor allem mit optischen Änderungen einhergehen. Allerdings berechtigen die in zeitlicher Hinsicht ablaufenden natürlichen Entwicklungen nicht dazu, durch Bewirtschaftungseingriffe z.B. die für den Erhalt des Gebiets maßgebliche Baumartenzusammensetzung zu verändern. Daher ist es untersagt, einen als Lebensraum nach der FFHRichtlinie geschützten Waldbestand in eine Waldformation zu überführen, die diesem Lebensraumtyp nicht mehr entspricht. Die Frage, ob aus dem Verschlechterungsverbot ein aktives Gebot zur Aufrechterhaltung eines Waldlebensraums oder gar zu dessen Entwicklung abgeleitet werden kann, dürfte dagegen zu verneinen sein. Vielmehr ist es hier Aufgabe der o.g. Managementplanung, geeignete fachliche Ziele zu formulieren und die zu ihrer Zielerreichung erforderlichen Mittel bereitzustellen, um eine zielgerechte Entwicklung der Waldbestände zu ermöglichen. Das naturschutzrechtliche Instrumentarium der Sicherung und Ausweisung von Schutzgebieten mit Bewirtschaftungsregelungen ist vor allem deshalb von hervorgehobener Bedeutung für das Waldeigentum, weil diese Gebiete eine insgesamt große Fläche (im Durchschnitt ca. 15 % der Landesfläche) mit zudem überdurchschnittlich hohem Waldanteil einnehmen. Die Schutzgebiete sollen überdies als Bestandteile eines übergreifenden Biotopverbundes (siehe §§ 20, 21 BNatSchG) dienen, sodass hiermit ein in der Fläche wirksames Rechtsregime begründet worden ist, das zudem in der Zukunft sogar noch ausgedehnt werden dürfte, da die
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Mitgliedsstaaten gehalten sind, die Schutzgebiete durch geeignete Kohärenzmaßnahmen effizient miteinander zu verknüpfen. b) Artenschutz Das rechtliche Instrumentarium zur Umsetzung der artenschutzrechtlichen Regelungen der Natura 2000-Richtlinien findet sich auf nationaler Ebene in den §§ 44 ff. BNatSchG. Auch wenn das Artenschutzrecht vom Grundansatz her dem Schutz aller wild lebenden Tier- und Pflanzenarten dient, so entfaltet es seine hauptsächliche Bedeutung für das Waldeigentum doch vor allem im Bereich des restriktiven rechtlichen Schutzes für die besonders geschützten Arten, zu denen insbesondere die in den o.g. europäischen Naturschutzrichtlinien aufgeführten Tier- und Pflanzenarten gehören. Dies sind einmal die in Anhang IV der FFH-Richtlinie gelisteten Arten (z.B. diverse Fledermausarten, Wildkatze, Luchs, aber auch waldbewohnende Insekten wie der Eremit oder der Hirschkäfer), zum anderen aber auch die dem Regelungsregime der Vogelschutz-Richtlinie unterstellten sog. europäischen Vogelarten. Da zu letzteren viele waldbewohnende Vogelarten gehören (z.B. Spechte, Greifvögel), hat sich der Schutz dieser Arten zu einem ernstzunehmenden Faktor der Waldbewirtschaftung entwickelt. Das Artenschutzrecht für besonders geschützte Arten differenziert zwischen Zugriffs- und Vermarktungsverboten, wobei sich hier die Betrachtung für die Forstwirtschaft auf die Zugriffsverbote konzentrieren kann. Der eher missverständliche Oberbegriff der „Zugriffsverbote“ umfasst die Verbote der direkten Tötung, der erheblichen Störung, der Beschädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie der Entnahme von Exemplaren der besonders geschützten Arten (siehe § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BNatSchG). Da das Gesetz von „zugreifen“ spricht, würde es nahe liegen, hiervon nur bewusst und zielgerichtet ausgeführte Handlungen erfasst zu sehen, allerdings ist dies tatsächlich nicht der Fall. Vielmehr genügt jede auch unbewusste Handlung für einen Verstoß gegen das Artenschutzrecht aus, wenn damit einer der gesetzlich genannten Verbotstatbestände erfüllt wird. Für die Forstwirtschaft können somit alle der genannten Verbote zu einem praktischen Problem werden, namentlich die Verbote der erheblichen Störung besonders geschützter Arten (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) sowie der Beschädigung ihrer Fortpflanzungs- oder Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG), da dies insbesondere im Zusammenhang mit Hiebsmaßnahmen regelmäßig der Fall sein wird. Allerdings hat der Gesetzgeber die Situation für die Rechtsanwender entschärft, indem er für die Beurteilung der Frage, ob eine erhebliche Störung einer Art vorliegt, auf die Auswirkungen der Maßnahme auf den Erhaltungszustand der lokalen Art abstellt (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG), und indem er eine den Anforderungen des § 5 Abs. 3 BNatSchG und des Fachrechts (hier insbesondere des Waldrechts) entsprechende forstliche Nutzung von den Verboten des Artenschutzrechts ausnimmt. Letzteres dürfte aber gerade für den Fall der tendenziell großflächigen und in der Regel stark technisierten Holzerntemaßnahmen keine wirkliche Freistellung zur Folge haben, da derartige Maßnahmen aufgrund der waldgesetzlichen Zielvorga-
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ben selbst nur dann den Stand der guten fachlichen Praxis widerspiegeln, wenn sie artenschutzrechtliche Störungen oder Beschädigungen i.S.d. § 44 BNatSchG vermeiden. So stellt sich für den Waldbesitzer an dieser Stelle ähnlich wie bei der Wahrnehmung seiner Verkehrssicherungspflichten stets die Frage, welcher Untersuchungsaufwand im Vorfeld einer Maßnahme betrieben werden muss, um die Beschädigung aktuell besetzter Höhlen- und Nistbäume oder die Störung von Arten mit gegebenenfalls nachhaltig negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der lokalen (d.h., gegebenenfalls im konkreten Waldbestand vorkommenden) Population einer Art zu verhindern. c) Schutz von Biotopverbünden Der Schutz der Natura 2000-Richtlinien erstreckt sich aber nicht nur auf die Erhaltung von Schutzgebieten und die Bewahrung besonders geschützter Arten vor direkten Zugriffen und Beschädigungen ihrer Lebensstätten, er reicht hierüber noch hinaus, indem er eine umfassende Verknüpfung der Schutzgebiete verfolgt und auf diese Weise insgesamt zu einer Stärkung der Kohärenz des Netzwerks führen soll. Das Bundesrecht hat diese gemeinschaftsrechtliche Vorgabe in § 21 BNatSchG aufgegriffen und den Aufbau eines Biotopverbundes u.a. zur Verbesserung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“, aber auch allgemein zur Verbesserung der Vernetzung von Lebensstätten und Biotopen jeglicher Art zu einem wichtigen Ziel des Naturschutzes und der Landschaftspflege erhoben. Da sich der Biotopverbund aus Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselementen zusammensetzt und damit weit über den klassischen verordnungsrechtlichen Schutz von Einzelflächen oder -bestandteilen hinausreicht, ergibt sich auch aus diesem ambitionierten Ansatz des Naturschutzrechts eine hohe Flächenrelevanz, da der Biotopverbund sich absehbar in großem Umfang auch auf bestehende Waldgebiete stützen wird. Für das Waldeigentum besteht hier unter Umständen die Möglichkeit, Vereinbarungen mit dem Naturschutz auszuhandeln, die eine auch wirtschaftlich attraktive Option bilden könnten. Andererseits können und werden Probleme immer dort auftreten, wo sich voneinander abweichende betriebswirtschaftliche und naturschutzfachliche Zielsetzungen auf derselben Fläche treffen. Für das Waldeigentum wird es wichtig sein, hier die Deutungshoheit zu behalten, um eine sukzessive Aufweichung forstwirtschaftlicher Ziele gegenüber dem Interesse des Naturschutzes an einem optimierten Biotopverbundsystem zulasten der dort bestehenden betriebswirtschaftlichen Erfordernisse zu verhindern. Die rechtliche Ausgangssituation hierfür ist günstig, da die als Verbindungsflächen oder -elemente ins Auge zu fassenden Areale in der Regel über einen Bestand forstlicher Bewirtschaftungsziele und -methoden verfügen, sodass hiervon nur mit Zustimmung des Waldeigentümers und nur gegen finanzielle Kompensation abgewichen werden darf.
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d) Schutz vor Schäden von Lebensräumen und Arten In eine ähnliche Richtung wie der Schutz von Biotopverbünden geht schließlich auch der neue § 19 BNatSchG, nach dem Schäden an bestimmten Arten und natürlichen Lebensräumen möglichst vermieden, ersatzweise repariert werden sollen. Bei diesen Arten und Lebensräumen handelt es sich um solche, die in den Anhängen der Natura 2000-Richtlinien genannt werden, ohne dass es hier allerdings darauf ankommt, ob sie innerhalb oder außerhalb eines verbindlich festgesetzten FFH- oder Vogelschutzgebiets verortet sind. Die Bedeutung des § 19 BNatSchG, welcher der Umsetzung der Vorgaben des ebenfalls europarechtlich vorgezeichneten Umweltschadensgesetzes dient, kann für das Waldeigentum gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, da die Vorschrift wie das Artenschutzrecht mangels verordnungsrechtlichen Bezugs tief in die Fläche hineinwirkt und sich zudem – je nach Ablauf dynamischer Entwicklungsprozesse – zu jeder Zeit und an beinahe jeder halbwegs naturnah bewirtschafteten Waldfläche entfalten kann. Hier wird es häufig des geschulten Blicks von Experten bedürfen, um überhaupt feststellen zu können, ob eine dem Anwendungsbereich der Natura 2000-Richtlinien unterfallende Art oder ein Lebensraum vorhanden ist. Damit wird das Fehlerrisiko der Waldbewirtschaftung weiter erhöht; auch hier wird sich über kurz oder lang die Frage nach dem vorab zu betreibenden Aufwand für Sachverhaltserforschung und -bewertung und dessen Angemessenheit stellen. Letzteres wird vor allem dann seine wichtige praktische Bedeutung entfalten, wenn bestimmte Maßnahmen der forstlichen Bewirtschaftung einer wald- oder fachgesetzlichen Genehmigungspflicht unterliegen, wie es z.B. regelhaft für Erstaufforstungen, großflächige Hiebsmaßnahmen oder den Waldwegebau der Fall ist. In diesen Zusammenhängen entbindet der Erhalt der Genehmigung den Bewirtschafter davon, sich für den im weiteren Vollzug unvermeidlicherweise entstehenden Schaden an Arten und Lebensräumen rechtfertigen zu müssen. Diese Regelung ist sinnvoll, weil sie dem Vorsorgegebot Rechnung trägt. Sie hat jedoch für den Waldeigentümer zur Folge, dass er sich im Vorfeld der Genehmigungserteilung einem gegenüber der früheren Rechtssituation deutlich erhöhten Ermittlungsund Bewertungsaufwand gegenübersieht, sodass die Erlangung einer Genehmigung durchaus zu einem für ihn finanziell möglicherweise sogar unverhältnismäßigen Kraftakt werden kann. Allerdings sieht das Gesetz eine einschränkende Auslegung des Schadensbegriffs vor. Ähnlich wie im Bereich des Artenschutzrechts wird der Blick vom einzelnen Individuum gelöst, außerdem werden Saldierungen zugelassen. So liegt eine erhebliche Schädigung im Regelfall dann nicht vor, wenn die durch den Eingriff herbeigeführten nachteiligen Auswirkungen geringer sind als die natürlichen Fluktuationen, wenn die Schäden auf Maßnahmen zurückzuführen sind, die den betrieblichen Zielsetzungen bzw. der früheren Bewirtschaftungsweise des Flächeneigentümers entsprechen, oder wenn die betroffenen Arten und Lebensräume über eine hohe Dynamik und Regenerationsfähigkeit verfügen (siehe zu den Ausnah-
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men § 21 Abs. 5 BNatSchG). Insbesondere durch die beiden letztgenannten Bezüge ist sichergestellt, dass die Waldbewirtschaftung nur in seltenen Fällen zu einem erheblichen Umweltschaden in diesem Sinne führen wird, da die Bewirtschaftung hier traditionell einer mittel- und langfristig ausgerichteten Betriebsplanung folgt und Waldökosysteme regelmäßig einer starken Dynamik unterliegen. Dieser Umstand darf aber natürlich nicht dazu führen, dass die gesetzlichen Vorgaben des § 21 BNatSchG auf die leichte Schulter genommen werden, denn sie sind verbindlich, und entsprechend der allgemeinen Regel-Ausnahme-Systematik trägt der Bewirtschafter im Fall eines Umweltschadens die Beweislast dafür, dass der eingetretene Schaden aus den in § 21 Abs. 5 BNatSchG aufgeführten Gründen ausnahmsweise nicht erheblich ist.
3. Waldbewirtschaftung außerhalb des Netzwerks „Natura 2000“ Naturschutzrechtliche Anforderungen an das Waldeigentum können aber auch außerhalb des Netzwerks „Natura 2000“ auftreten, wenngleich häufig in deutlich schwächerer Form und mit erheblich geringerer Flächenausdehnung. Dieser Befund wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die §§ 22 ff. BNatSchG die verordnungsrechtliche Sicherung von Schutzgebieten nicht auf den räumlichen Umgriff der europäischen Schutzgebiete beschränken. Jedoch hat die Sicherstellungspraxis der zurückliegenden Jahre gezeigt, dass viele der in der Vergangenheit bereits als Nationalparke, Naturschutz- und auch Landschaftsschutzgebiete ausgewiesenen Flächen zusätzlich der Gebietskulisse des Natura 2000-Netzwerks zugeschlagen worden sind. Dies hat nicht nur zu der von den Eigentümern häufig beklagten rechtlichen Doppelsicherung ihrer Flächen, sondern vor allem auch zu einem insgesamt in qualitativer Hinsicht strengeren Schutzregime auf identischer Fläche geführt. Bei der vorliegenden Betrachtung können Nationalparke und Naturschutzgebiete, die nur einen geringen Anteil an der Gesamtfläche unseres Staates haben, zwar außer Betracht bleiben. Denn dass hier ein absoluter Vorrang der Naturschutzziele besteht, ist unstreitig und aufgrund der Situationsgebundenheit des Grundeigentums vom Waldeigentümer im Rahmen der ihn treffenden Sozialpflichtigkeit generell hinzunehmen – unabhängig von der hier dann auftretenden Frage eines angemessenen finanziellen Ausgleichs für Bewirtschaftungsnachteile. Anders ist die Situation jedoch in Landschaftsschutzgebieten, die zwischenzeitlich ca. 25 % der bundesdeutschen Landesfläche einnehmen. In Landschaftsschutzgebieten gilt nach § 26 BNatSchG ein relatives Veränderungsverbot, durch das nur solche Handlungen untersagt werden, die den Charakter des Gebietes verändern oder besonderen Schutzzwecken zuwiderlaufen. Dies ist bei der Waldbewirtschaftung regelmäßig nicht der Fall, da zumeist die bestehende Art der Nutzung zur Ausgestaltung des besonderen Gebietscharakters gerade beigetragen hat. Sie kann daher auch nicht reglementiert werden. Anders sieht es hingegen bzgl. solcher forstlicher
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Maßnahmen aus, die auf eine räumliche Erweiterung oder eine qualitative Änderung der bisherigen Nutzung ausgerichtet sind. Räumliche Erweiterungen des Waldes in Gestalt von Erstaufforstungen sind in Landschaftsschutzgebieten daher nur möglich, wenn sie die bisherige Nutzung aufgreifen oder sachgerecht fortsetzen. Dies ist in aller Regel dann der Fall, wenn naturnahe Wälder mit standortheimischen Baumarten (nicht notwendig aber Laubbaumarten) begründet werden. Qualitative Änderungen der bestehenden Waldbewirtschaftung sind dagegen nur dann möglich, wenn sie den Anforderungen des § 5 Abs. 3 BNatSchG gerecht werden, also dem Aufbau naturnaher Wälder mit hinreichender Beteiligung standortheimischer Baumarten dienen. Die Überführung von Laubholzwäldern in Nadelholzwälder oder die Entmischung vorhandener Laub-/Nadelholzbestände sind demgegenüber in Landschaftsschutzgebieten regelmäßig nicht zulässig. Anders sieht die Rechtslage dagegen in Wäldern aus, die keinem der in § 22 BNatSchG aufgeführten Schutzgebiete oder Schutzobjekte angehören, und die auch nicht Bestandteil des in § 21 BNatSchG genannten Biotopverbundes sind. In diesen Bereichen sind naturschutzrechtlich begründete Einschränkungen der Waldbewirtschaftung grundsätzlich nicht zulässig, vielmehr wird die Waldbewirtschaftung hier maßgeblich durch die Vorgaben der Waldgesetzgebung gesteuert. Dies beinhaltet in jedem Fall die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Waldbewirtschaftung, nur in Ausnahmekonstellationen verlangen die Waldgesetze (BWaldG, Landeswaldgesetze) weiterreichende konkrete Maßnahmen. Häufig haben die dort genannten Präzisierungen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft deklaratorischen oder den Charakter von Ziel- und Grundsatzbestimmungen, d.h., sie sind für den Staats- und gegebenenfalls Körperschaftswald bindend, nicht aber (oder nur im konkreten Einzelfall gegen finanzielle Kompensation) für den privaten Waldbesitz. Um die notwendige naturschutzrechtliche Abschirmung der Forstwirtschaft auf Flächen, die keinem besonderen Schutzstatus unterliegen, zu erreichen, hält das BNatSchG zudem eine allgemeine Forstwirtschaftsklausel bereit. Nach § 5 Abs. 1 BNatSchG ist bei allen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege die besondere Bedeutung einer naturnahen Forstwirtschaft für die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft zu berücksichtigen. Hierbei ist die Ausrichtung der forstlichen Privilegierung auf die Kultur- und Erholungslandschaft zu beachten, die somit in natürlichen oder naturnahen Waldbeständen mit hochrangigem Schutzstatus (insbesondere im Bereich von Nationalparken und Naturschutzgebieten, sowie, vorbehaltlich entsprechender Erhaltungszielvorgaben, in FFH- und Vogelschutzgebieten) nicht gilt und folglich keine echte Entlastung der Forstwirtschaft darstellt. § 5 Abs. 3 BNatSchG macht zudem deutlich, dass die forstliche Nutzung allgemein und somit auf ganzer Fläche dem Ziel dienen soll, naturnahe Wälder unter Verwendung eines hinreichenden Anteils standortheimischer Baumarten aufzubauen und diese nachhaltig ohne Kahlschläge zu bewirtschaften. Eine Steuerung der Bewirtschaftung durch das Naturschutzrecht, das entsprechende Zielvorgaben des Waldrechts aufgreift, ist damit flächendeckend gewährleistet.
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III. Bodenschutzrecht 1. Rechtsgrundlagen Die rechtliche Beurteilung von Bodenschäden richtet sich im Wesentlichen nach den Vorgaben der Bodenschutzgesetzgebung, hier insbesondere des BundesBodenschutzgesetzes (BBodSchG) vom 17.3.1998 (BGBl. I S. 502) mit Bodenschutzverordnung (BBodSchV) vom 12.7.1999 (BGBl. I S. 1554) sowie den dazu ergangenen Ausführungsgesetzen der Länder. Dennoch ist die praktische Bedeutung für die Forstwirtschaft bisher gering geblieben, da das Bodenschutzrecht hinter der Waldgesetzgebung als speziellerem Rechtsgebiet grundsätzlich zurücktritt. Im Jahr 2007 kam mit dem bereits oben im Kontext des § 21 BNatSchG erwähnten Umweltschadensgesetz (USchadG) vom 10.3.2007 (BGBl. I S. 666) ein weiteres europarechtlich initiiertes Gesetz hinzu, mit dem u.a. Schädigungen des Bodens möglichst verhindert, jedenfalls aber sanktioniert werden sollen.
2. Sonderregelungen für Land- und Forstwirtschaft Der Bodenschutzgesetzgebung und den auf den Schutz des Bodens abzielenden Passagen des Umweltschadensrechts liegt der gemeinsame Gedanke zugrunde, eine Schädigung des Bodens durch vorausschauendes Handeln möglichst zu vermeiden. Nur wenn dennoch derartige Schäden eingetreten sind, tritt nachrangig die Pflicht zur Schadensreparatur ein. Das Bodenschutzrecht setzt dabei schon frühzeitig an, indem es den Eigentümer und/oder Nutzungsberechtigten von Grundstücken dazu verpflichtet, bereits dann tätig zu werden, wenn z.B. aufgrund erhöhter Schadstoffgehalte die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen besteht (siehe § 7 BBodSchG i.V.m. § 9 BBodSchV). Für die Land- und Forstwirtschaft gelten allerdings Sonderregelungen: So genügen Landwirte ihren Vorsorgeverpflichtungen, wenn sie entsprechend den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis wirtschaften, die in § 17 Abs. 2 BBodSchG näher dargelegt sind. Bei der Waldbewirtschaftung müssen die Anforderungen insbesondere des Waldrechts beachtet werden, wie sie im Bundes- und in den Landeswaldgesetzen niedergelegt sind. Daher dürfen Wälder generell nur bedarfsgerecht und naturschonend erschlossen werden, und der Waldboden ist bei der Waldbewirtschaftung pfleglich zu behandeln. Darüber hinausreichende Vorsorgepflichten aus dem Bodenschutzrecht erwachsen der Forstwirtschaft aber grundsätzlich nicht. Sofern die unmittelbare Gefahr einer Bodenschädigung besteht, trifft den Grundstückseigentümer und/oder Nutzungsberechtigten die Verpflichtung, unverzüglich geeignete Maßnahmen der Gefahrenabwehr bzw. Schadensvermeidung zu treffen. An dieser Stelle setzt neben dem Bodenschutzrecht auch das Umweltschadensrecht ein, das zur Vorsorge selbst (wie oben beschrieben) noch keine Regelungen enthält. Während das Bodenschutzrecht aber auch hier auf die Vorschriften der Waldgesetzgebung abstellt, kennt das Umweltschadensrecht eine derartige Unter-
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ordnung unter fachgesetzliche Spezialregelungen nicht. Vielmehr verpflichtet es den Verantwortlichen für drohende Bodenschäden unmittelbar und ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Erwägungen dazu, die zuständigen Behörden unverzüglich zu informieren und die erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung des sich abzeichnenden Schadens zu ergreifen (siehe §§ 4, 5 USchadG). Allerdings bleibt das Umweltschadensrecht dabei auf halbem Wege stehen, da es die Haftung für Bodenschäden – anders als im Hinblick auf die oben für das Naturschutzrecht beschriebenen Schäden an Arten und Lebensräumen nach den europäischen Naturschutzrichtlinien (FFH-Richtlinie, Vogelschutzrichtlinie) – auf die in der Anlage 1 des Gesetzes genannten Tätigkeiten beschränkt. Hierunter fallen forstliche Bewirtschaftungsmaßnahmen regelmäßig nicht, allenfalls könnte der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Biozid-Produkten eine gewisse Bedeutung entfalten, die für die Forstwirtschaft aber eher gering bleiben dürfte. Ist ein Bodenschaden einmal eingetreten, können den Grundstückseigentümer und/oder Nutzungsberechtigten im Sinne des Bodenschutzrechts bzw. den Verantwortlichen im Sinne des Umweltschadensrechts Sanierungspflichten treffen. Auch hier bleibt die praktische Bedeutung beider Rechtsgebiete für die Forstwirtschaft aber aus den o.g. Gründen begrenzt. Für das Bodenschutzrecht ist einschränkend allerdings festzustellen, dass das dort in § 3 Abs. 1 Nr. 6 BBodSchG geregelte Vorrang-/Nachrangverhältnis des Bodenschutzrechts gegenüber dem Waldrecht nur soweit reicht, wie die Waldgesetze überhaupt Regelungen bodenschutzrechtlicher Art enthalten. Da dies zur Sanierung beschädigter Böden nicht unbedingt der Fall ist, öffnet sich gerade hier eine Lücke zugunsten des Bodenschutzrechts gegenüber dem sonst geltenden Vorrang des Waldrechts.
3. Bedeutung des Waldrechts für den Bodenschutz Insgesamt ist somit festzustellen, dass die Bedeutung des Bodenschutz- und der auf den Schutz des Bodens abstellende Teil des Umweltschadensrechts für die Forstwirtschaft derzeit eher gering ist und dies absehbar auch bleiben wird. Hinsichtlich des Bodenschutzrechts hat sich über die letzten Jahre außerdem gezeigt, dass sein Instrumentarium schwerpunktmäßig zur Überwachung von Bodenschäden, dem Aufbau von Bodeninformationssystemen und der Sanierung von Altlasten eingesetzt wird. Demgegenüber tritt der Vorsorge- und Gefahrenabwehraspekt in den Hintergrund, vor allem gegenüber der Land- und Forstwirtschaft, die über die o.g. spezifischen Vorschriften des Bodenschutzrechts (Grundsätze der guten fachlichen Praxis gemäß § 17 Abs. 2 BBodSchG) bzw. des Waldrechts hinaus von weiterreichenden Anforderungen grundsätzlich freigestellt ist. Die in der Forstwissenschaft entwickelten und in der praktischen Umsetzung erprobten Lösungsansätze zur Vermeidung von Bodenschäden (z.B. bodenschonende Holzerntetechniken) müssen ihren rechtlichen Ansatzpunkt daher in den Waldgesetzen, weniger in den Vorschriften des spezifischen Bodenschutzrechts, finden. In der Praxis kommt dabei insbesondere dem im Landeswaldrecht häufig enthaltenen Passus,
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nach dem der Waldboden bei der Waldbewirtschaftung pfleglich zu behandeln ist, eine auch flächenmäßig hervorgehobene Bedeutung zu. Denn während die Befahrung von dauerhaft angelegten Forstwegen nicht den Waldboden betrifft, ist dies bei Maßnahmen der Feinerschließung durch Rückegassen und erst recht des Befahrens der Waldbestände außerhalb der dafür vorgesehenen Rückelinien sicherlich der Fall. Auch Rückewege sind rechtlich dem Waldboden zuzurechnen, da sie unbefestigt bleiben und ihre Anlage angesichts flexibler Bewirtschaftungskonzepte nicht als dauerhaft zu gelten haben. Die in § 2 Abs. 2 BBodSchG genannten Funktionen des Bodens sind deshalb hier wie in den Waldbeständen insgesamt nachhaltig zu sichern.
4. Bedeutung des naturschutzbezogenen Teils des USchadG für den Bodenschutz Das Umweltschadensrecht wäre aufgrund seines eindeutig auf die Vermeidung und Reparatur des konkreten Einzelfallschadens gerichteten Konzepts sowie wegen der Einbeziehung von Betroffenen und Umweltverbänden in den Informations- und Entscheidungsprozess grundsätzlich besser als das Bodenschutzrecht dazu geeignet, den Schutz des Bodens auch flächendeckend zu gewährleisten. Für die Forstwirtschaft stellt sich diese Frage unter dem Aspekt des Bodenschutzes aktuell aber nicht, weil sie, wie dargelegt, außerhalb der in der Anlage 1 des Umweltschadensgesetzes genannten beruflichen Tätigkeiten steht. Auch umfasst das Umweltschadensrecht mechanische Einwirkungen auf den Boden von vornherein nicht, vielmehr geht es hier nur um die direkte oder indirekte Einbringung von Stoffen in den Boden. Allerdings müssen Waldbesitzer und die von ihnen beauftragten Forstunternehmer stets im Blick behalten, dass das Umweltschadensrecht sämtliche Tätigkeiten und damit auch Maßnahmen der Waldbewirtschaftung einschließlich Walderschließung und Holzernte immer dann erfasst, wenn eine Schädigung von Arten und Lebensräumen droht, die dem Schutzbereich der europäischen Natura 2000Richtlinien unterliegen, wie oben schon dargelegt worden ist. Der Schutz der Arten und Lebensräume ist dabei nicht auf die ausgewiesenen FFH- und Vogelschutzgebiete beschränkt, vielmehr bezieht er auch die außerhalb von Schutzgebieten vorkommenden Arten und Lebensräume mit ein. Sobald es daher bei der Waldbewirtschaftung zu negativen Rückkopplungen zwischen Bodenbeeinträchtigungen und dem Erhaltungszustand der im Wald vorkommenden europäisch bedeutsamen Arten und Lebensräume kommt, sind die Vorschriften des Umweltschadensrechts auch für die Forstwirtschaft bedeutsam und von den Waldbesitzern sowie den von ihnen beauftragten Forstunternehmern strikt zu beachten.
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IV. Gewässerschutzrecht 1. Rechtsgrundlagen Vergleichbar den vorgenannten umweltrechtlichen Regelungsbereichen wird auch das Wasserrecht seit einigen Jahren stark europarechtlich dominiert. Der europäische Richtliniengeber hat mit dem Erlass der Wasserrechtsrahmenrichtlinie (WRRL) im Jahr 2000 (Richtlinie 2000/60 /EG vom 23.12.2000, ABl. EG vom 22.12.2000 Nr. L 327/1) den Rahmen für die künftige Wasserpolitik der Gemeinschaft gesetzt. Hiermit wurde ein strukturiertes Konzept für die europäische Wasserwirtschaft durch Ablösung einer Vielzahl bis dahin geltender sektoraler Richtlinien sowie die Bündelung des wasserwirtschaftlichen Handelns in Maßnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplänen geschaffen (siehe Art. 1 S. 1, Art. 3 Abs. 4, Art. 11, Art. 13 WRRL). Ferner wurden Ziele zur Erhaltung bzw. Erreichung eines guten Gewässerzustandes in allen Gewässern der Gemeinschaft bis Ende 2015 aufgestellt (siehe insbesondere Art. 4 WRRL). Die Wasserrechtsrahmenrichtlinie fordert eine nachhaltige Entwicklung der Wasserpolitik in Europa und stellt hierfür allgemeine Grundsätze und Handlungsvorgaben auf. Alle Gewässer sollen durch ein koordiniertes Vorgehen innerhalb von Flussgebietseinheiten, d.h. an der naturräumlichen Gliederung der Flusseinzugsgebiete orientiert und über die Grenzen der Mitgliedsstaaten und deren Regionen hinausreichend, bewirtschaftet werden (siehe Art. 3 WRRL). In Deutschland sind 10 naturräumliche Flussgebietseinheiten abgegrenzt worden, zu denen u.a. der Rhein, die Donau und die Elbe gehören (siehe § 7 WHG). Das deutsche Wasserrecht wird traditionell durch das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und die Landeswassergesetze abgebildet. Die kompetenzrechtliche Situation entsprach und entspricht im Wesentlichen der Situation im Bereich der Naturschutzgesetzgebung. Das WHG war bis zur Föderalismusreform des Grundgesetzes ein Rahmengesetz, das durch landesrechtliche Regelungen ausgefüllt und konkretisiert werden musste. Allerdings enthielt das WHG schon immer eine Vielzahl unmittelbar geltender Regelungen, sodass den Ländern nur ein geringer eigener Umsetzungsspielraum verblieb, der sich vor allem auf verfahrensbezogene Fragen beschränkte. Im Zuge der Änderung der Kompetenzregelungen des Grundgesetzes im Jahr 2006 wurde der Wasserhaushalt wie der Naturschutz in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes überführt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG), allerdings auch insoweit mit der Möglichkeit der Länder, nach Erlass eines neuen Bundesgesetzes ihrerseits hiervon abweichende Regelungen zu treffen (siehe Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG, mit der Ausnahme stoff- oder anlagenbezogener Regelungen). Der Bund hat zwischenzeitlich sein neugefasstes WHG vom 31.7.2009 (BGBl. I S. 2585) vorgelegt, das seit dem 1.3.2010 in Kraft ist. Die Landeswassergesetze sind daher derzeit mit wenigen Ausnahmen (z.B. Bayern, siehe BayWG vom 25.2.2010, GVBl. S. 66, berichtigt S. 130) nicht mehr bzw. nur noch im Hinblick auf die dort enthaltenen Verfahrens- und Zuständigkeitsvor-
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schriften sowie gegebenenfalls einschlägige Übergangsvorschriften anzuwenden. Dieser Zustand stellt aber nur eine Momentaufnahme dar, da davon auszugehen ist, dass weitere Bundesländer mit eigenen Landeswassergesetzen ausfüllend oder in Teilen abweichend nachziehen werden. Das Recht des Wasserhaushalts wird durch Nebengesetze und -verordnungen mit wasserrechtlichem Bezug flankiert, zu denen bundesrechtlich das Abwasserabgabengesetz (AbwAG) i.d.F. vom 18.1.2005 (BGBl. I S. 114), die Abwasserverordnung (AbwV) i.d.F. vom 17.4.2004 (BGBl. I S. 1108, berichtigt S. 2625) sowie die Grundwasser-Verordnung (GwV) vom 18.3.1997 (BGBl. I S. 542), die wiederum der Umsetzung einer auf den Schutz des Grundwassers abzielenden EURichtlinie dient, zählen. Viele Bundesländer haben zudem eine Wasserentnahmeabgabe landesrechtlich eingeführt, die zu den nicht-steuerlichen Abgaben zählt. Die Terminologie ist uneinheitlich (Wasserpfennig, Wassercent, Wasserzins, etc.), gemeint ist aber stets dasselbe. Die Abgabe wird auf die Entnahme von Grundwasser oder aber kombiniert auf die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser erhoben. Da das Bundesrecht keine Regelung zur Erhebung von Wasserentnahmeentgelten enthält, waren und sind die Länder frei darin, eine solche Abgabe gesetzlich zu regeln. Ihre Rechtmäßigkeit wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 7.11.1995 (BVerfGE 93, 219) bestätigt. Danach ist die Erhebung dieser Abgabe sachlich legitimiert, weil hiermit ein Sondervorteil des Nutzers abgeschöpft wird, den dieser damit erzielt, dass er die knappe und als Allgemeingut zu klassifizierende natürliche Ressource Wasser nutzen darf.
2. Forstlich relevantes Instrumentarium a) Festsetzung von Wasserschutzgebieten Das klassische Instrument zur wasserrechtlichen Beeinflussung der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung liegt in der verordnungsrechtlichen Sicherung von Wasserschutzgebieten. Diese sind nach § 51 WHG (vormals § 19 Abs. 1 WHG a.F.) festzusetzen, wenn es das Allgemeinwohl z.B. zum Schutz von Gewässern vor nachteiligen Einwirkungen erfordert. Soweit es um die Sicherung von Trinkwasserschutzgebieten geht, soll das Gebiet in Zonen mit unterschiedlich weitreichenden Schutzbestimmungen unterteilt werden; in der Praxis sind dies regelmäßig die Kernzone im direkten Brunnenbereich sowie die engere und weitere Schutzzone. In Wasserschutzgebieten gelten besondere Anforderungen an die Bodennutzung, soweit diese zur Schutzzweckerfüllung geboten sind. Dies ist in der Praxis regelmäßig der Fall, insbesondere in den Kern- und engeren Schutzzonen der Gebiete, aber auch außerhalb, wenn die dortigen Nutzungen in die Schutzgebiete hineinstrahlen (siehe § 52 Abs. 1 und 3 WHG). Bei unzumutbaren Beschränkungen des Eigentums besteht eine Entschädigungspflicht, die für die Land- und Forstwirtschaft bereits unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle einsetzt, nämlich immer dann, wenn Nutzungsbeschränkungen erhöhte Anforderungen im Vergleich zu einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung darstellen und dadurch
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wirtschaftliche Nachteile entstehen (siehe § 52 Abs. 5 WHG, vormals § 19 Abs. 4 WHG a.F.). Dieser Härteausgleich wird häufig aus den oben angesprochenen Wasserentnahmeabgaben finanziert. Hiermit sollen die vermögensrechtlichen Belastungen der Land- und Forstwirtschaft in Wasserschutzgebieten ausgeglichen werden, die auf Beschränkungen der Bewirtschaftung der dortigen Flächen basieren, ohne dass nach den üblichen Prüfungskriterien bereits eine Überdehnung der Sozialbindung des Grundeigentums eingetreten und damit der Anwendungsbereich der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung eröffnet wäre. Das insbesondere im Vollzug des Naturschutzrechts bestehende Konfliktfeld zwischen ökologisch gebotenen Nutzungsregelungen einerseits und den häufig abweichenden Zielvorstellungen der Waldeigentümer andererseits wird damit im Bereich des Gewässerschutzrechts, jedenfalls in Wasserschutzgebieten, entschärft, weil eine Rechtsgrundlage zur Abgeltung der wirtschaftlichen Nachteile vorhanden ist, die sich dem üblichen Streit über das Vorliegen einer Entschädigungslage entzieht. Diese für die Land- und Forstwirtschaft günstige Situation hat dennoch in der Vergangenheit noch nicht dazu geführt, dass in Wasserschutzgebieten weitreichende Eingriffe in die Bewirtschaftungsfreiheit der Eigentümer zu beobachten waren. Vielmehr beschränkten sich nutzungsbeschränkende Regelungen der Forstwirtschaft im Wesentlichen darauf, Erstaufforstungen und großflächige Holzentnahmen sowie die Überführung von Wald in andere Nutzungsarten zu unterbinden, während die Landwirtschaft vor allem mit Beschränkungen des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenbehandlungsmitteln zurecht kommen musste. Der Härtefallausgleich nach § 52 Abs. 5 WHG (bzw. vormals § 19 Abs. 4 WGH a.F.) hat sich auf diese Weise oftmals als eine verdeckte Subvention der Land- und Forstwirtschaft erwiesen, ohne dass hiermit tatsächlich erhöhte Anforderungen an die ordnungsgemäße Bewirtschaftung verbunden waren, die nicht auch schon aus den Vorgaben des Waldrechts hätten abgeleitet werden können. Dieser komfortable Zustand könnte allerdings in der Zukunft bald beendet werden, da die Wasserbehörden aufgrund der oben skizzierten Anforderungen der EU-Wasserrechtsrahmenrichtlinie unter verstärktem Handlungsdruck stehen. Auf dem Weg zur Erreichung eines guten Zustandes der Oberflächengewässer und des Grundwassers bis spätestens 2015 stellt die Nachfrage nach forstlichen Wasserschutzleistungen auch oder gerade in Wasserschutzgebieten ein rechtlich durchsetzbares und überdies fachlich adäquates Mittel dar. Zu den auf diese Weise zu ermöglichenden Wasserschutzleistungen der Forstbetriebe könnten z.B. konkrete Maßnahmen zur Erhöhung der Grundwasserspende oder zur Verbesserung der Gewässerqualität sowie zur Verbesserung der Gewässerbegleitstruktur gehören. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang an Vorgaben zur Baumartenwahl, zu verkürzten Umtriebszeiten, zur Steuerung von Durchforstungsintervallen und Durchforstungsmaßnahmen, zum Verbot von Kahlhieben und generell großflächigen Holzentnahmen bzw. Verjüngungsformen, zur räumlichen Strukturierung von Waldbeständen, zur Art und Weise der Begründung von Waldbeständen, zum Einsatz von Boden- und Pflanzenbehandlungsmitteln (hier insbesondere in Gestalt
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von Kompensationskalkungen), zum Waldwegebau, zu den Holzerntetechniken und zur Anordnung und Ausgestaltung von Holzlagerplätzen (siehe dazu ausführlich Rüping, Wasserschutz im Wald, Frankfurt 2009, 83 ff.). Die hiermit verbundenen Maßnahmen werden im Regelfall weit über die Anforderungen der Waldgesetze an eine ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung hinausreichen, weshalb sie, sofern erforderlich, allenfalls in Wasserschutzgebieten durchgesetzt werden können. Ob und in welchem Umfang dies tatsächlich der Fall sein kann, kommt auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an, eine Härtefallentschädigung nach § 52 Abs. 5 WHG müsste für solche beschränkenden Maßnahmen aber in jedem Fall geleistet werden. b) Umsetzung von Maßnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplänen Aufgrund der ambitionierten Zielvorgaben der EU-Wasserrechtsrahmenrichtlinie, die im Regelfall bis zum Jahr 2015 umzusetzen sind, wird es künftig aber nicht bei Beschränkungen der Forstwirtschaft nur in Wasserschutzgebieten bleiben können. Nach den §§ 27, 29 WHG sind Bewirtschaftungsziele für oberirdische Gewässer zu formulieren, die geeignet sind, bis zum Jahr 2015 einen guten ökologischen und chemischen Zustand der Gewässer bzw. ein gutes ökologisches Potenzial der künstlichen und erheblich veränderten Gewässer zu erreichen. Entsprechendes gilt für das Grundwasser. Hier sind gemäß § 47 WHG Bewirtschaftungsziele aufzustellen, durch die bis 2015 eines Verschlechterung des Zustandes des Grundwassers vermieden wird, ansteigende Schadstoffkonzentrationen aufgrund menschlicher Einwirkungen umgekehrt werden sowie ein Gleichgewicht zwischen Grundwasserentnahme und Grundwasserneubildung erreicht wird. Zur Erreichung der genannten Ziele sind für jede Flussgebietseinheit Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne aufzustellen, die ihrerseits durch detailliertere Programme und Bewirtschaftungspläne für kleinere räumliche Einheiten sowie für bestimmte Sektoren und Aspekte der Gewässerbewirtschaftung aufgeschlüsselt werden können. Aufgrund dieses umfassenden räumlichen und fachlichen Ansatzes der EUWasserrechtsrahmenrichtlinie und der dazu ergangenen nationalen Umsetzungsvorschriften liegt es auf der Hand, dass es künftig zu einer deutlich verstärkten Nachfrage nach forstlichen Wasserschutzleistungen kommen wird, mit denen – wie oben dargelegt – Erhöhungen der Grundwasserspende sowie Verbesserungen der Gewässerqualität und der Gewässerbegleitstruktur erreicht werden können. Für das Waldeigentum wird es in diesem Kontext darum gehen, deutlich zu machen, dass die genannten Leistungen nicht Ausfluss einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft sind, sondern eigenständige Dienstleistungen darstellen, die nur freiwillig und dann nur gegen adäquate Honorierung erbracht werden können. Als Instrument bietet sich insoweit der Abschluss vertraglicher Vereinbarungen an, die gegebenenfalls durch forstliche Fördergelder ergänzend unterfüttert werden können.
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3. Haftung für Gewässeränderungen Vergleichbar der Rechtslage im Natur- und Bodenschutzrecht bezieht das Umweltschadensrecht auch den Gewässerschutz mit in seinen Geltungsbereich ein. Damit wird die schon im alten Wasserrecht enthaltene Haftung für Änderungen der Wasserbeschaffenheit durch die aktive Einwirkung auf Gewässer (z.B. durch Einleitung von Stoffen in das Grundwasser), die vormals in § 22 WHG a.F. geregelt war und ihren Platz nunmehr in § 89 WHG gefunden hat, durch die Haftungsund Sanierungsregelungen des Umweltschadensrechts ergänzt. Der neue § 90 WHG definiert als Schädigungen eines Gewässers u.a. jeden Schaden mit erheblichen Auswirkungen auf den ökologischen oder chemischen Zustand eines oberirdischen Gewässers sowie auf den chemischen oder mengenmäßigen Zustand des Grundwassers. Da das Umweltschadensrecht den Kreis der Verantwortlichen wie bei den Bodenschäden auf die in Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 USchadG aufgeführten beruflichen Tätigkeiten eingrenzt, ist die forstliche Relevanz dieser Vorschrift zwar deutlich eingeschränkt. Auch hier ist allerdings zu beachten, dass Schäden an Arten und Lebensräumen nach Maßgabe des § 19 BNatSchG nicht an den Tätigkeitskatalog der Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 USchadG gebunden ist, sondern vielmehr alle beruflichen Tätigkeiten umfasst, die in vorsätzlicher oder fahrlässiger Ausführung zu Umweltschäden führen können. Dies hat zur Folge, dass forstliche Nutzungsmaßnahmen mit negativen Auswirkungen auf den Grundwasserhaushalt verbunden sein können (z.B. durch großflächige Hiebe, bodenbelastende Holzerntetechniken, unsachgemäße Verwendung von Maschinenölen oder Einbringung von Pflanzenbehandlungsmitteln bei Kalamitäten), die ihrerseits zu Beeinträchtigungen und erheblichen Schädigungen der dort lebenden Arten und natürlichen Lebensräume führen. In dieser Konstellation droht dem Waldbesitzer oder dem von ihm beauftragten Forstunternehmer ein Haftungsfall nach § 90 WHG, der umfassende Sanierungspflichten mit sich bringen kann.
V. Wald- und Jagdrecht Einleitend wurde bereits darauf hingewiesen, dass die nutzungsbezogenen Regelungen des Waldrechts und der Jagdgesetzgebung in den Kreis der öffentlichrechtlichen Umweltschutzregelungen einbezogen werden müssen, da sie ebenfalls umweltschutzbezogene Anforderungen an die Waldbewirtschaftung festlegen, die über die vorgenannten spezialgesetzlichen Regelungen zum Teil hinausreichen, diese aber jedenfalls ergänzen. Schon ein Blick in die Waldgesetze des Bundes und der Länder zeigt, dass diese nicht nur Bewirtschaftungsvorgaben aufstellen, die auf die Erfüllung des klassischen forstlichen Funktionengleichklangs von Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes ausgerichtet sind, sondern dass die umweltschutzbezogenen Funktionen des Waldes eine zunehmend wichtige Rolle einnehmen. Zwar ist das Bundeswaldgesetz (BWaldG) in der derzeit noch
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geltenden Fassung vom 2.5.1975 (BGBl. I S. 1037) aufgrund seines Alters und seiner Entstehungsgeschichte als Rahmengesetz noch sehr zurückhaltend formuliert, jedoch finden sich selbst hier schon deutliche Bezüge zu den Umweltschutzleistungen und -funktionen von Wäldern. Ein Beispiel hierfür ist § 12 BWaldG, der die Erklärung von Schutzwald zum Schutz gegen Immissionen oder das schädliche Abfließen von Niederschlagswasser regelt und in diesem Kontext eine Genehmigungspflicht für Kahlhiebe und Lichthauungen normiert, oder auch § 11 BWaldG, der die Waldbesitzer dazu verpflichtet, den Wald jederzeit ordnungsgemäß und nachhaltig zu bewirtschaften. Viel weitergehender und detaillierter äußern sich dagegen die neueren Landeswaldgesetze, wie z.B. das Bayerische Waldgesetz (BayWaldG) vom 22.7.2005 (GVBl. S. 313). Danach gehört es zu den gesetzlichen Zielen, die biologische Vielfalt des Waldes zu erhalten und erforderlichenfalls zu erhöhen (siehe Art. 1 Abs. 2 Nr. 6 BayWaldG). Um dies zu erreichen, haben die Waldbesitzer einen umfangreichen Pflichtenkatalog zu beachten, der den unbestimmten Rechtsbegriff der ordnungs- bzw. sachgemäßen Waldbewirtschaftung präzise ausgestaltet. In diesem Rahmen sind u.a. bei der Waldverjüngung standortgemäße Baumarten auszuwählen und standortheimische Baumarten angemessen zu beteiligen sowie die Möglichkeiten der Naturverjüngung zu nutzen (Art. 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BayWaldG). Waldboden und Waldbestände sind bei der Waldbewirtschaftung pfleglich zu behandeln (Art. 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3), auf die Anwendung von Düngemitteln zur Ertragssteigerung ist zu verzichten und der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln ist möglichst zu vermeiden (Art. 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BayWaldG). Außerdem ist die biologische Vielfalt zu erhalten (Art. 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 BayWaldG). In der Zusammenschau mit den weiteren stets auch auf die Umwelt- und Naturschutzleistungen des Waldes abstellenden Regelungen etwa zur Bewirtschaftung von Schutzwäldern (Art. 12 BayWaldG), zur Erhaltung von Bannwäldern (Art. 11, 9 BayWaldG) und zur Erstaufforstung, die nur im Einklang mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege erfolgen darf (Art. 16 Abs. 2 BayWaldG), ergibt sich daraus schon waldgesetzlich eine deutlich umweltschutzbezogen ausgerichtete Zielausrichtung der Waldbewirtschaftung aller Eigentumskategorien, die sich an den fachgesetzlichen Regelungen des Naturschutz-, Bodenschutz- und Wasserrechts orientiert und deren Vorgaben damit in den Geltungsbereich des Waldrechts integriert. Die in den Fachgesetzen, z.B. in § 5 Abs. 1 BNatSchG, enthaltenen Abschirmungsklauseln zugunsten der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft entfalten damit in der Rechtspraxis häufig nur eine geringe Wirkung, da sie durch die ambitionierten ökologisch ausgerichteten Vorgaben des Waldrechts überlagert werden. Für das Waldeigentum ist diese „ins ökologische Grüne“ verlaufende Entwicklung oftmals nicht hilfreich, da das waldgesetzlich geprägte Verständnis von ordnungsgemäßer Forstwirtschaft nicht nur den Handlungsspielraum zur Durchsetzung von Naturund Umweltschutzregelungen in der Behördenpraxis erhöht, sondern im gleichen Maße auch die Möglichkeiten der Eigentümer, eine Honorierung freiwilliger Leis-
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tungen im Rahmen von vertraglichen Vereinbarungen zu erzielen, einschränkt. Denn für etwas, was gesetzlich vorgegeben und daher bindend ist, kann keine finanzielle Abgeltung für „zusätzliche“ Leistungen erfolgen. Noch weitgehend unbeachtet bei der Betrachtung des möglichen Spannungsfeldes zwischen der Forstwirtschaft und dem Umwelt- und Naturschutz bleibt bislang die Jagdnutzung in den Wäldern. Für das Waldeigentum ergibt sich in diesem Kontext oftmals eine unbefriedigende Spagatstellung, da das Jagdrecht als Bestandteil des Eigentumsrechts zwar einerseits grundgesetzlichem Schutz unterliegt, andererseits aber oftmals aufgrund der in den Jagdgesetzen verankerten Mindestgrößen von Jagdbezirken von der Verfügungsfreiheit des Grundeigentümers ausgenommen ist. In den Jagdgenossenschaften der Gemeinschaftsjagdbezirke wird das Eigentumsrecht des Einzelnen zur relativen Größe, da es mit den Interessen der weiteren Eigentümer abgestimmt werden muss und deshalb häufig zurücktritt. Die Auswirkungen überhöhter Wildbestände auf die Bewirtschaftungsfähigkeit des Waldes sind allgemein bekannt, sie stehen oftmals im deutlichen Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben sowohl der Jagd- als auch der weiteren dem Schutz von Umwelt, Natur und Biodiversität dienenden Gesetze, und häufig genug auch zu den Interessen des Waldeigentums an einer vom Wildverbiss möglichst unbeeinflussten Waldverjüngung. Aus rechtlicher Sicht ist zu beachten, dass die Jagdgesetze für das Konfliktfeld von Waldbewirtschaftung, Biodiversität und jagdlicher Nutzung zwar von einem grundsätzlichen Interessengleichgewicht ausgehen (siehe insbesondere § 21 BJagdG: „Der Abschuss des Wildes ist so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussplanung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Arten in angemessener Zahl erhalten bleibt.“). Dieses vom Gesetz vorgesehene theoretische Gleichgewicht wird aber von den auf die Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Vielfalt und Biodiversität ausgerichteten Regelungen der Waldund Naturschutzgesetze praktisch überlagert, womit der Interessenkonflikt zugunsten des öffentlichen Interesses an einer naturnah ausgerichteten Waldbewirtschaftung und dem Erhalt der Biodiversität aufgelöst wird. Vor diesem Hintergrund ist die jagdliche Nutzung als Nebennutzung gegenüber der Waldbewirtschaftung von Waldflächen anzusehen, die hinter den Eigentümerinteressen sowie den situativ einschlägigen öffentlich-rechtlichen Anforderungen an die ordnungsgemäße Forstwirtschaft zurücktreten muss. Es kann dem Waldbesitzer jedenfalls nicht zugemutet werden, aufgrund naturschutz- und waldgesetzlicher Vorgaben eine naturnah ausgerichtete ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung gewährleisten zu müssen, die dann aber durch abweichende jagdliche Interessen Dritter in wirtschaftlich relevanter Weise gefährdet wird.
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VI. Fazit Wie gezeigt wurde, sieht sich das Waldeigentum einer Vielzahl umwelt- und naturschutzrechtlicher Anforderungen gegenüber, die ihren qualitativen und großen Flächenbezug insbesondere in den zum Schutz und zur Weiterentwicklung des Netzwerks „Natura 2000“ enthaltenen Regelungen, aber auch im Artenschutzrecht, im Bodenschutz- und Wasserrecht sowie in den darauf bezogenen Vorgaben des Umweltschadensrechts finden. Die Regelungstendenz ist steigend, zumal sich auch die Waldgesetzgebung schrittweise von dem früher vorherrschenden Ansatz einer nutzerorientierten Sichtweise zugunsten eines ökologisch ausgerichteten Zielkonzepts gelöst hat. Waren die Waldgesetze früher dafür gemacht, die Forstwirtschaft vor weitreichenden Anforderungen des Natur- und Umweltschutzes abzuschirmen, kommt ihnen diese Funktion heute nur noch sehr eingeschränkt zu. Das private Waldeigentum kann diese auf zwei Ebenen zu beobachtende Entwicklung bestenfalls mit gemischten Gefühlen, eher aber wohl kritisch begleiten. Eine forcierte Umweltgesetzgebung trägt die Gefahr beständig steigender Anforderungen an die Forstwirtschaft in sich. Der im Grunde attraktive Versuch, diese Anforderungen über Vertragsnaturschutz und andere freiwillige Vereinbarungen in einer wirtschaftlich vorteilhaften Weise umzusetzen, scheitert für die betroffenen Waldeigentümer aber häufig an dem durch die Waldgesetze vorgegebenen hohen ökologischen Anforderungsniveau, sodass der ordnungsgemäß wirtschaftende Waldeigentümer oftmals in die Rolle eines Subventionsempfängers für eine gesetzlich angeordnete Leistung, nicht selten sogar in die Rolle des Bittstellers gedrängt wird. Dies aber kann gesellschaftlich nicht gewünscht sein, vielmehr sollten Gesetzgeber und vollziehende Behörden hier zurückhaltender operieren, um Spielraum für die Vermarktung freiwilliger Leistungen durch die Forstbetriebe zu ermöglichen. Dies würde unserem auf den grundrechtlichen Schutz des Eigentums ausgerichteten Gesellschaftssystem besser zu Gesicht stehen.
§ 12 Betretensrecht und Verkehrssicherung
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I. Betretensrecht Der Staat verlangt vom Waldeigentümer, das Betreten des Waldes durch Erholungssuchende zu dulden und verpflichtet ihn zugleich zur Verkehrssicherung. Vernachlässigt der Waldeigentümer diese Pflicht schuldhaft und erleiden Waldbesucher in der Folge Schäden, drohen Schadensersatzforderungen. Diese für den Waldeigentümer unangenehme Situation führt zur Frage nach Inhalt und Reichweite von Betretensrecht und Verkehrssicherungspflicht im Wald. Im Forst- und Naturschutzrecht des Bundes und der Länder finden sich Vorschriften zur Zulässigkeit des Betretens der offenen Landschaft und des Waldes zum Zweck der Erholung.1 Zentrale Regelung ist im Hinblick auf das Waldbetretensrecht § 14 I BWaldG, wonach das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung gestattet ist (Satz 1) und das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde zumindest auf Straßen und Wegen erlaubt ist (Satz 2). Die Regelung der Einzelheiten des Betretensrechts obliegt den Ländern. Diese haben von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Regelungen zu schaffen, auf deren Grundlage das Betreten des Waldes aus wichtigem Grund eingeschränkt werden kann. An das Betretensrecht knüpft eine Regelung des neuen BNatSchG an, wonach jeder wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen darf.2 So strömen sie also in den Wald: Spaziergänger, Wanderer, Nordic Walker, Pilzsucher, Beerenpflücker und 1
2
Vgl. etwa § 37 Landeswaldgesetz BW; Art. 13 Waldgesetz für Bayern, § 15 LWaldG Bbg, Art. 13 BremWaldG. § 39 III 1 BNatSchG. Derartige sog. Handstraußregelungen gibt es auch im Landeswald- bzw. Landesnaturschutzrecht. Es gewährt das Recht (nicht geschützte) Blumen, Beeren und Pilzen in geringen Mengen nicht gewerblich zu sammeln. Diese Regelungen mögen andere historische Wurzeln als die Betretensbefugnis haben (Walderholung ist eine relativ junge Vorstellung), sie sind aber heute im Zusammenhang mit der Betretungsbefugnis zu sehen.
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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viele andere Gruppen. Trotz seiner rechtstatsächlichen Bedeutung und einiger sich stellender Auslegungsfragen war das Betretensrecht nur selten Gegenstand gerichtlicher Entscheidung. Dies dürfte indes nicht an der fehlenden Konfliktträchtigkeit der Materie liegen. Bereits die Frage, was eigentlich unter Betreten zu verstehen ist, kann Anlass zu unterschiedlichen Sichtweisen bieten. Betreten bedeutet dem Wortsinn nach nur das Begehen, d.h. die Fortbewegung zu Fuß (als Fußgänger). Klärungsbedürftig ist, ob andere Verhaltensweisen unter den Begriff des Betretens zu subsumieren sind. Das Verweilen ist etwa im Begriff des Betretens enthalten. Die Dauer des erlaubten Verweilens ist nicht beschränkt, sofern es sich nicht um einen dauerhaften Aufenthalt handelt. Daher ist auch der Aufenthalt zur Rast oder für einen Schlaf im Wald vom Betretensrecht gedeckt. Problematisch ist indes die Bewertung des Übernachtens im Freien. Eindeutig nicht vom Betretensrecht gedeckt ist etwa der Waldaufenthalt eines Nichtsesshaften, der lediglich einen Schlafplatz sucht. Dies hat entsprechend für die Einrichtung eines Lagers bzw. das Aufstellen von Zelten zu gelten. Allenfalls, wenn ein Naturfreund eine Sommernacht ohne Zelt in der freien Natur erleben möchte, kann das Übernachten noch als Betreten gewertet werden – sofern es im Übrigen gemeinwohlverträglich ist. Das Baden in natürlichen oder künstlichen Waldgewässern ist nicht von der Betretungsbefugnis gedeckt. Seine Zulässigkeit richtet sich u.a. nach den Gemeingebrauchsregeln des Wasserrechts. Dies gilt für das Bootfahren auf Waldgewässern entsprechend. Kein Betreten ist das Befahren mit Fahrzeugen wie Fahrrädern oder Motorrädern. Das Fahrradfahren im Wald nach Maßgabe des Forstrechts sowie nach Maßgabe des Forst- und Straßenrechts der Länder ist nur auf den öffentlichen Straßen und Wegen gestattet. Dies sind nur diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Die meisten Straßen in Wald und Flur – die meist dem land- bzw. forstwirtschaftlichen Verkehr gewidmet sind – können als zugleich dem Fahrradverkehr gewidmet gelten. Für die Mehrzahl der Wege in Wald und Flur gilt dies nicht. Nicht dem öffentlichen Fahrradverkehr gewidmet sind i.d.R. Ernte- und Holzabfuhrwege, Trampelpfade und sonstige Fußwege. Wanderwege sind (soweit Fußweg) überwiegend keine öffentlichen Wege i.S.d. Straßenrechts. Die immer häufiger anzutreffenden Fahrräder mit Hilfsmotor werden von den Regelungen übrigens nicht erfasst. Erst recht unzulässig ist das Fahren mit Fahrrädern (Mountain-Bikes etc.) abseits der Wege. Das Feueranzünden und Grillen ist kein Betreten und damit nicht von der Betretungsbefugnis gedeckt. Auch das Fliegen mit Fluggeräten bzw. Fliegenlassen von Fluggeräten ist kein Betreten i.S.d. Gesetzes. Hingegen ist das Mitführen von Gegenständen grundsätzlich vom Betretensrecht gedeckt (Kinderwagen, Schieben eines Fahrrades etc.). Das Betreten im Rahmen des (m.E.) sittenwidrigen Kampfspiels Gotcha (Paintball) mit Farbmarkierungswaffen ist als Betreten zum Zwecke der Erholung anzusehen, wenn das Ausleben eines Spieltriebes und nicht eine paramilitärische Übung im Vordergrund steht. Das Mitführen von Hunden ist von
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der Betretungsbefugnis nicht eindeutig erfasst. Es ist lediglich allgemein anerkannt, dass Hunde auf Straßen und Wegen auf der Grundlage des Gemeingebrauchs mitgeführt werden dürfen. Da der Hund keine Sache, sondern ein Lebewesen ist, kann er weder als mitgeführter Gegenstand noch selbst als „Jeder“ im Sinne der Betretungsrechts angesehen werden. Ob Hunde im Wald abseits der Wege geführt werden dürfen, wird hoffentlich einmal Gegenstand obergerichtlicher Klärung sein, zumal kein allgemeiner Leinenzwang beim Führen von Hunden in der freien Natur besteht.3 Das Reiten und Kutschfahren ist nach näherer Maßgabe des Forst- und Wegerechts auf Straßen und Wegen in Wald und Flur gestattet bzw. dem Betreten gleichgestellt. Das “Querfeldein-Reiten” ist hingegen ein rechtswidriger, abwehrfähiger Eingriff in das Eigentum. Ein mutmaßliches Einverständnis des Eigentümers kann nicht bereits aus der Duldung häufiger Rechtsbrüche abgeleitet werden. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann Wege für das Reiten sperren und besondere Reitwege ausweisen bzw. eine Reitwegebenutzungspflicht verfügen. Ob man im Wald Ski und Schlitten fahren darf, ist meist nicht ausdrücklich geregelt. Das Fahren ist jedenfalls kein Betreten im engen Wortsinne. Während das schneeschuhartige Gehen mit Skiern noch als Betreten bezeichnet werden könnte, gilt dies nicht mehr für das Gleiten. Es ist etwa dem Radfahren näher als dem bloßen Begehen einer Fläche und daher nicht mehr vom Wortlaut gedeckt. Gewerbliche und politische Veranstaltungen im Wald dienen nicht primär der Erholung, sondern der Gewinnerzielung bzw. der politischen Willensbildung (z.B. organisierte Ausritte eines Reiterhofs, Waldfest einer Partei). Auch unabhängig vom Veranstaltungscharakter ist das Betreten aus gewerblichen oder politischen Motiven nicht vom Betretensrecht gedeckt (z.B. Prostitution). Das Betretensrecht deckt nur ein Betreten, das überwiegend (im Sinne eines Hauptmotivs) dazu dient, sich körperlich, seelisch und geistig zu regenerieren. Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung der Zulässigkeit von nicht-gewerblichen Sportveranstaltungen im Wald. So ist etwa der Erholungszweck eines privaten Lauftreffs in der Regel zu bejahen, so dass hier von der kollektiven Ausübung des Betretensrechts gesprochen werden kann. Veranstaltungen können sich jedoch nach Art und Umfang weit vom gesetzgeberischen Leitbild des Erholung suchenden Waldwanderers bzw. -spaziergängers entfernen. Hier müssen die Gesamtumstände gewürdigt werden (Zahl der Teilnehmer, Zuschauer, Maß der Bodenbeanspruchung, Abfälle etc.). Nicht von der Betretungsbefugnis gedeckt ist das Zelten im Wald. Insoweit gelten nach Landesrecht besondere Verbots- bzw. Genehmigungstatbestände. Zum Schutz berechtigter Eigentümerinteressen können Waldflächen gesperrt werden.4 Die Landeswaldgesetze enthalten entsprechende Rechtsgrundlagen, die 3
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Jedoch gelten nach Landesforst-, Landesjagd- und Schutzverordnungsrecht unterschiedlich ausgestaltete Pflichten zum Anleinen zu bestimmten Zeiten bzw. an bestimmten Orten im Wald. Vgl. etwa § 13 SächsWaldG (rahmenrechtliche Grundlage ist § 14 II 2 BWaldG.
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zum Sperren von Waldflächen aus wichtigem Grund berechtigen. Der Schutz der Waldbesucher vor Waldgefahren ist insoweit ein möglicher Grund. Es muss sich indes um untypische besondere Gefahrenlagen handeln. Die allgemeine typische Waldgefahr berechtigt keinesfalls zum Sperren von Waldflächen. Sieht man vom genehmigungsfreien Sperren von Waldflächen im Rahmen ordnungsgemäßer Forstwirtschaft ab (Einzäunung von Kulturen, Wegesperrung bei Fällarbeiten etc.) darf der Waldeigentümer seinen Wald regelmäßig nur mit Genehmigung der zuständigen Forstbehörde dauerhaft sperren. Die entsprechenden Vorschriften verleihen dem die Sperrung beantragenden Waldeigentümer nach der Schutznormtheorie einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Sperren.5
II. Verkehrssicherungspflicht Die Verkehrssicherungspflicht ist die Pflicht, Orte, die der Allgemeinheit oder einem bestimmten Personenkreis zugänglich sind, zum Schutz dieser Personen zu sichern. Sie gilt als ungeschriebenes "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 I BGB. Wird sie verletzt, kommt ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß dieser Vorschrift in Betracht.6
1. Allgemeine Verantwortlichkeit für Gefahrenquellen im Wald Obwohl das Bundeswaldgesetz eigentlich bestimmt, dass das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung „auf eigene Gefahr“ geschieht (§ 14 I 2 BWaldG), geht die Rechtsprechung davon aus, dass die allgemeine Verkehrssicherungspflicht für Wald gilt und der Waldeigentümer die Waldbesucher vor Gefahren schützen muss. Da Waldgrundstücke gemäß Straßenrecht auf den öffentlichen Straßen und Wegen und nach Forstrecht auch außerhalb von Straßen und Wegen betreten werden dürfen, ist der Wald ein allgemein zugänglicher Ort und den Waldeigentümer trifft mithin eine Verkehrssicherungspflicht. Als Verkehrssicherungspflichtiger muss er die Sicherungsmaßnahmen treffen, die der jeweilige Verkehr erwarten kann. Im Hinblick auf die Sicherheit im Wald bestehen naturgemäß grundlegend andere Verkehrserwartungen als für den besiedelten Bereich. Zu treffen sind stets nur Vorkehrungen entsprechend den berechtigten Sicherheitserwartungen der Verkehrsteilnehmer.7 Von Untersuchungen der Verkehrserwartungen durch Gerichte ist leider nichts bekannt. Daher ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen,
5 6 7
bzw. beim Fehlen von Ermessen auf die Sperrung. Vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 45 ff., 190. BGH, NJW 1985, 1076.
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dass Richter ihre persönlichen Sicherheitserwartungen verallgemeinern.8 Dies kann insbesondere zu einer Divergenz mit den Verkehrserwartungen der örtlichen Bevölkerung in ländlichen Gegenden führen, wo das Wissen um Waldgefahren weit ausgeprägter und die Nähe zur Forstwirtschaft größer ist als in städtisch geprägter Gegend. Es überrascht daher nicht, wenn die Rechtsprechung nicht konsistent ist. Nur nahe liegende Gefährdungen und nicht jede theoretisch mögliche Gefährdung hat der Waldeigentümer abzuwehren. Vom Pflichtigen kann verlangt werden, dass er ihm erkennbares Gefährdungspotenzial beachtet. Je höher das Gefahrenpotenzial ist, desto strengere Anforderungen sind an die Sicherungsmaßnahmen zu stellen. Besonders strenge Anforderungen gelten, wenn der Waldbesitzer selbst und unmittelbar eine besondere Gefahrenquelle schafft. Gräbt er etwa eine tiefe, ungesicherte Grube am Waldwegesrand, errichtet er eine Forstschranke in einer unübersichtlichen Kurve oder lässt er einen Baum als sog. Hänger bzw. Auflieger nach dem gescheiterten Fällversuch am Wegesrand hängen, muss er für hieraus resultierende Schäden Dritter grundsätzlich einstehen. Geht von der Gefahrenquelle eine besondere Gefahr für spielende Kinder aus, hat der Waldbesitzer auch die kindliche Neugier und ihre geringe Fähigkeit, Gefahren einzuschätzen, zu berücksichtigen. Sofern der Waldeigentümer nicht durch sein eigenes Handeln unmittelbar die Gefahrenquelle geschaffen hat, knüpft die Verkehrssicherungspflicht allein an sein Eigentum an. Der Waldeigentümer kann seine Verkehrssicherungspflicht vertraglich auf einen Pächter übertragen. Dieser Waldbesitzer ist dann selbst verkehrssicherungspflichtig, während sich die Verkehrssicherungspflicht des Waldeigentümers auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht reduziert.9 Hat der Waldeigentümer die Verkehrssicherungspflicht auf einen Mitarbeiter seines Forstbetriebes übertragen und führt dieser die erforderliche Baumkontrolle nicht ordnungsgemäß aus, kann der Eigentümer sich nur gemäß § 831 I 2 BGB entlasten, wenn er nachweist, dass er den Angestellten sorgfältig ausgewählt, angeleitet und überwacht hat. Eine Überwachung durch die Vorlage von Berichten und die Einrichtung eines geeigneten Wiedervorlagesystems kann gelegentliche tatsächliche Kontrollen nicht ersetzen.10
2. Abgestufter Sorgfaltsmaßstab Das Maß der geschuldeten Sorgfalt hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab. Der Verkehr erwartet etwa wesentlich intensivere Sicherungsmaßnahmen bei 8
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Dies umso mehr als die typische Richterpersönlichkeit der Sicherheit in ihrem Leben einen hohen Stellenwert einräumen dürfte. Vgl. Sprau, in: Palandt, § 823 Rn. 50. LG Arnsberg, Urt. v. 7.04.2006 – 2 O 233/04 – Juris.
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Waldgrundstücken, die an öffentliche Straßen und Wege angrenzen. Entsprechend weit reichende Sorgfaltsanforderungen gelten nach der Rechtsprechung im Hinblick auf Waldbäume am Rand eines Parkplatzes, einer Freizeitanlage (TrimmDich-Pfad, Naturlehrpfad etc.), eines bewohnten Nachbargrundstücks oder einer Bahnanlage.11 Insoweit bestehen relativ hohe (berechtigte) Sicherheitserwartungen nach Art und Umfang des Verkehrs.12 Einfache Waldwege sind meist nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet, sondern werden meist nur für Forstbetriebe unterhalten. Beim Betreten von Waldwegen muss der Benutzer mit gewissen waldtypischen Gefahren wie Astbrüchen stets rechnen. Der Waldbesitzer hat daher nur die (erkennbaren) Gefahren zu beseitigen, die über das übliche und erwartete Maß hinausgehen.13 Handelt es sich um einen Wanderweg, so wachsen die Sorgfaltsanforderungen mit dem Maß seiner Frequentierung. Dabei kommt es entscheidend auf die tatsächliche, erkennbare Nutzung und nicht darauf an, ob es sich um einen ausgewiesenen Wanderweg handelt. Bestehen Anzeichen für die zeitnahe Verwirklichung massiver Gefahren, etwa weil ein durch Sturmeinwirkung entwurzelter, erkennbar umsturzgefährdeter Baum auf einen Weg zu stürzen droht, dann entsteht eine Gefahrenabwehrpflicht des Verkehrssicherungspflichtigen.14 Hingegen erscheint es als überzogen, wenn eine Handlungspflicht allein daraus abgeleitet würde, dass ein Baum eine Zwieselbildung und damit eine erhöhte Windbruchwahrscheinlichkeit aufweist. Zur Begründung einer Haftung bedarf es zusätzlicher besonderer Umstände, aus denen sich eine Fällpflicht für Zwieselbäume ergeben könnte.15 Gegenüber der Haftung für das Schaffen besonderer Gefahrenquellen und der Sicherung der Wegränder sind die Pflichten des Waldbesitzers für sonstige Gefahren nach der Verkehrserwartung regelmäßig weit schwächer ausgeprägt – mögen einzelne Geschädigte dies auch mitunter anders sehen. Das Maß der im Wald gebotenen Verkehrssicherung ist in keiner Weise mit dem Maß der im Siedlungsbereich gebotenen Verkehrssicherung zu vergleichen, wo etwa das Kehren und Beräumen von Gehwegen am Grundstücksrand erwartet werden. Besonders niedrige Sicherheitserwartungen hat der Verkehr im Hinblick auf die Abwehr von Waldgefahren innerhalb des Bestandes. Vor allem muss es hier bei der gesetzgeberischen Wertung bleiben, dass das Betreten des Waldes „auf eigene Gefahr“ geschieht (§ 14 I 2 BWaldG). Im Bestand ist überall mit dem Umstürzen 11
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Vgl. Kunz, Zur Verkehrssicherungspflicht für Bäume an Bahnstrecken VersR 1982, 1032. Vgl. hierzu näher: Orf, Aus der Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers NZV 1997, 201; Tschersich, Der Waldbaum auf der Straße – amthaftungs- rechtliche Problematik, VersR 2003, 172. Vgl. Breloer, Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen aus rechtlicher und fachlicher Sicht, 2003, S. 77. LG Saarbrücken, Urt. v. 3.3.2010 – 12 O 271/06 – Juris. Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.5.2008 – I-15 U 124/05 – Juris, hier: Bombensplitterschäden und Pilzbefall.
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von Bäumen, Astbruch, Bodenlöchern sowie weiteren Waldgefahren zu rechnen. Daher haftet der Waldeigentümer grundsätzlich auch nicht für Schäden von Waldbesuchern im Innern des Bestandes und ist auch nicht verpflichtet, die Bäume regelmäßig auf Gefahren zu untersuchen.16 Wer den Wald außerhalb der Wege im Bestand betritt, muss mit all jenen Gefahren wie z.B. damit rechnen, dass gerade in einem nach guter fachlicher Praxis bewirtschafteten Wald durchaus Totholz und die von ihm ausgehenden typischen Gefahren vorkommen. Das forstwirtschaftliche Leitbild des „sauberen Waldes“ gehört der Vergangenheit an. Aufgrund dieser stark abgesenkten Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht abseits der Wege ist etwa der Waldeigentümer auch nicht verpflichtet, einen erkennbar abseits von Wanderwegen gelegenen Holzsteg über eine Bachlauf in einen verkehrssicheren Zustand zu halten.17 In Schutzgebieten, in denen ein absolutes Veränderungsverbot bzw. Prozessschutz gilt, können Verkehrssicherungsmaßnahmen sogar dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Hier muss davon ausgegangen werden, dass die Sicherheitserwartungen des Verkehrs nochmals niedriger sind als im Hinblick auf Forstwirtschaftsflächen. So kann etwa der Einsatz von Streusalz in einem Naturschutzgebiet nicht verlangt werden, weil die davon für die Umwelt ausgehenden Gefahren mit dem Bestreben nach möglichst weitgehendem Naturschutz i.d.R. nicht in Einklang zu bringen sind.18
3. Keine Haftung für „waldtypische Gefahren“ Die zu erwartende Änderung des § 14 BWaldG im Rahmen der anstehenden kleinen Novelle des BWaldG wird die Verkehrssicherungspflichtigen explizit von der Haftung für waldtypische Gefahren freistellen. Waldtypische Gefahren werden bereits jetzt in den Waldgesetzen verschiedener Länder, etwa Brandenburgs, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins, von der Verantwortlichkeit des Verkehrssicherungspflichtigen ausgenommen. Die Verkehrssicherungspflicht des Waldeigentümers beschränkt sich indes ohnehin nach inmitten gefestigter Rechtsprechung auf die Abwehr sog. walduntypischer bzw. atypischer Gefahren. Was als waldtypische Gefahr angesehen werden kann, ist Gegenstand einer keineswegs konsistenten Kasuistik. Wenn etwa das OLG Köln eine „bei Dunkelheit vor dem Hintergrund sich nicht deutlich abhebende Forstschranke“ als für den Wald atypische Gefahr ansieht, kann dies nicht mehr als lebensnahes Verständnis von waldtypischen Gefahren in einem durch die Forstwirtschaft geprägten Wald angesehen werden.19 Zu den waldtypischen Gefahren zählen etwa der Astbruch (aufgrund 16 17
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LG Tübingen, Urt. v. 3.2.2006 NUR 2007, 780. OLG Bamberg, Urt. v. 17.3.2008 – 4 U 179/07 – Juris, hier: Durchbrechen aufgrund Fettleibigkeit. OLG München, Urt. v. 7.12.1989 – 1 U 3500/89 – Juris. OLG Köln, Urt. v. 11.5.1987 – 7 U 308/86 – Juris.
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von Fäulnis oder Naturgewalt), das Ausrutschen auf rutschigem Untergrund oder das Stolpern über Hindernisse bzw. Bodenunebenheiten ebenso wie seltenere Gefahren wie der Kreuzotterbiss, der Fuchsbandwurm oder das Verrutschen von gelagerten Stämmen bzw. Holzpoltern. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht kommt im Bereich des Waldes nur dann in Betracht, wenn der Waldbesitzer besondere Gefahren schafft oder duldet, die ein Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich nicht einzurichten vermag, weil er mit ihnen nicht rechnen muss.20 Für die Beurteilung, ob eine waldtypische Gefahr vorliegt, spielt der Zeithorizont des wahrscheinlichen Schadenseintritts eine erhebliche Rolle. Geht es um eine Waldgefahr, die sich in den nächsten 5, 10 oder erst 20 Jahren realisieren dürfte, kann nicht von einem Ausnahmefall gesprochen werden, der eine besondere sofortige Handlungspflicht des Verkehrssicherungspflichtigen auslöst.21
4. Pflicht zur Ermittlung von Gefährdungen Der Waldeigentümer muss nach der Rechtsprechung auch ohne konkreten Anlass das Gefährdungspotenzial seines Waldes ermitteln und bewerten. Sie verlangt eine Sichtkontrolle der Bäume am Rande von Straßen und der von Waldbesuchern genutzten Wege. Nach einer Ansicht sollen sogar nicht unmittelbar an der Straße stehende Bäume zu kontrollieren sein, wenn sie im Falle des Umkippens den Straßenverkehr gefährden können.22 Die Sichtkontrolle soll in angemessenen Abständen erfolgen.23 Die Rechtsprechung sieht es als angemessen an, wenn Bäume zweimal jährlich, kontrolliert werden. Laubbäume sollen einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand dieser Routinekontrolle, d. h. einer äußeren Zustands-, Gesundheits- und Standfestigkeitsprüfung vom Fuß bis zum Astwerk der Krone unterzogen werden.24 Eine mindestens halbjährliche Kontrolle ist grundsätzlich als völlig ausreichend zu bewerten. Überobligatorische Kontrollmaßnahmen führen nicht zu einem höheren Maßstab der Verkehrssicherungspflicht.25 Weiß der Verkehrssicherungspflichtige, dass ein Baum am Straßenrand vorgeschädigt ist oder dass Schäden zu erwarten sind und besteht noch kein konkreter 20
OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.1.2008 – I-19 U 28/07, 19 U 28/07 – Juris. LG Saarbrücken, Urt.v.3.3.2010 a.a.O. 22 LG Koblenz, Urt. v. 23.5.2008 – 5 O 347/07 – Juris – abzl. 23 BGH, Urt. v. 30. 10. 1973 VersR 1974, 88; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.5.2008 – I-15 U 124/05 – Juris. 24 Vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 15. 3. 1990 VersR 1992, 467; OLG Brandenburg, Urt. v. 7. 3. 2000 VersR 2001, 998 ; Urt. v. 12. 2. 2002 MDR 2002, 1067; OLG Hamm, Urt. v. 10. 10. 1997 VersR 1998, 188 ; Urt. v. 5. 11. 2002 NZV 2003, 284; Urt. v. 24. 9. 2004 NZV 2005, 371; Urt. v. 30. 3. 2007 - 13 U 62/06 – Juris; LG Kaiserslautern Urt. v. 26. 9. 2005 - 3 O 1030/04 – Juris. 25 LG Saarbrücken, Urt. v. 3.3.2010 – 12 O 271/06 – Juris. 21
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Handlungsbedarf, wird von ihm erwartet, den Baum notfalls häufiger als zweimal im Jahr zu kontrollieren. Für ausreichend, aber auch erforderlich hält der BGH insoweit eine sorgfältige äußere Sichtkontrolle. Erst, wenn verdächtige Umstände festgestellt werden, bedarf es einer eingehenden fachmännischen Untersuchung. So müssen etwa konkrete Defektsymptome vom Pflichtigen im Rahmen der ihm zumutbaren Sorgfalt erkannt werden.26 Demgemäß genügt zunächst eine rein visuelle Kontrolle der Bäume und zwar eine einigermaßen sorgfältige äußere Gesundheits- und Zustandskontrolle vom Boden aus.27 Sorgfaltsmaßstab und Erkennbarkeit von Krankheiten bzw. Schäden bestimmen sich nach einem besonnenen, auf dem Gebiet der Forstwirtschaft fachlich beratenen und gewissenhaften Menschen.28 Die Grundsätze guter fachlicher Praxis der Forstwirtschaft sind bei der Bestimmung der im Einzelfall gebotenen Sorgfalt zu beachten. Besteht ein Gefahrenverdacht, kann es sich etwa aufdrängen am Stammfuß Moos, abgestorbene Rinde und Gras zu entfernen, um die (zweifelhafte) Standsicherheit eines Baums beurteilen zu können.29 Aus Beweisgründen ist dem Waldeigentümer zu empfehlen die Gefahrenbereiche aufzulisten und zumindest grob Gefährdung, Gefährdungsgrad und Nutzerfrequenz zu bewerten. Vor allem aber sollten die Maßnahmen aus Anlass der Verkehrssicherungspflicht aus Beweisgründen kurz dokumentiert werden (z.B. Aktenvermerk über Waldbegehung mit einem Angehörigen).
5. Maßnahmen der Gefahrenabwehr Neben die Pflicht zur Kontrolle und Gefahrerforschung tritt die Pflicht zur Abwehr erkannter atypischer Waldgefahren. Stellt der Waldbesitzer akute, mehr als unerhebliche atypische Waldgefahren fest, liegt es auf der Hand, dass er im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren die Gefahr sofort beseitigen sollte. So ist der umsturzgefährdete Polter zu sichern, der akut umsturzgefährdete Straßenbaum zu fällen, ein Erdfall am Weg zu verfüllen etc. Ist die völlige Beseitigung der Gefahr nicht möglich oder untunlich, kommt ein Sperren von Wegen bzw. Flächen in Betracht. Daneben können sich aus der Verkehrssicherungspflicht vor allem Warnpflichten ergeben. Eine allgemeine Warnpflicht gegenüber Waldbesuchern besteht indes nicht. Waldbesitzer sollten auf ihre Verkehrssicherungspflicht auch nicht mit einer übertriebenen Beschilderung reagieren. Die Entwicklung einer solchen Praxis könnte letztlich neue Verkehrserwartungen entstehen lassen und mithin die Sicherungsstandards unnötig erhöhen. Man sollte daher nicht überall dort, wo Holz aufgeschichtet wird, einmal eine Kreuzotter gesichtet wurde oder eine Herkulesstaude wächst, ein Warnschild aufstellen, sondern das Aufstellen von Warnschildern auf besondere atypische Gefährdungssituationen beschränken. 26 27 28 29
LG Arnsberg, Urt. v. 25.10.2007 – 2 O 293/06 – Juris. BGH VersR 1965, 475 ; VersR 2004, 877. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.5.2008 – I-15 U 124/05 – Juris (im Ergebnis abzl.) LG Koblenz, Urt. v. 23.5.2008 – 5 O 347/07 – Juris.
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6. Mitverschulden/Kenntnis Wenn Waldbesucher ihre Fahrzeuge verbotswidrig im Wald während Baumfällarbeiten parken,30 Mountainbiker kopflos der Forstschranke entgegenrasen31 oder Wanderer unter Totholz oder auf Holzpoltern rasten, wird deutlich, dass im Einzelfall die Verletzung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten so groß sein kann, dass die Waldbesucher alleine für ihre im Wald erlittenen Schäden verantwortlich sind. Die Kenntnis oder das Wissenmüssen der Waldbesucher der besonderen Waldgefahren schränkt die Haftung die Verkehrssicherungspflichtigen ein. Die Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmer steht bei einem Sturz auf einem unbefestigten Wirtschaftsweg im Vordergrund.32 Fährt etwa ein Radfahrer auf einem Wanderweg mit hoher Geschwindigkeit, sieht aufgrund einer Wegkrümmung die dort befindliche Treppe nicht und kommt durch sie zu Fall, bedeutet das Fehlen eines Warnschildes keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Von einem sorgfältigen Radfahrer darf nämlich erwartet werden, dass er auf einem Wanderweg mit Hindernissen aller Art, wie z.B. Wasserrinnen, Baumstämmen, Wurzeln und Treppen rechnet.33 Ihm kann vorgehalten werden, dass es bei Wanderschrittgeschwindigkeit nicht zu dem Unfall gekommen wäre. Wer einen umgestürzten Baum, der eine gefahrlose Weiterbenutzung eines Wanderweges verhindert, abseits des Weges bei Schnee auf einem Trampelpfad um die Baumkrone herum zu umgehen versucht und dabei stürzt, handelt auf eigene Gefahr und hat sich die Folgen des Sturzes selbst zuzuschreiben.34 Versucht eine stark übergewichtige Person abseits der Wanderwege auf einem morschen Holzsteg einen Bach zu überqueren und kommt dabei zu Schaden, liegt die Verantwortlichkeit für den Unfall bei dieser Person.35 Grundsätzlich ist die Haftung auch dann ausgeschlossen, wenn sich Nutzer unbefugt in einen Gefahrenbereich begeben. Gerade dann, wenn sich Waldbesucher über Verbote hinwegsetzen, den Bestand trotz Wegegeboten betreten bzw. befahren, darf den Waldeigentümer im Grundsatz keine Haftung treffen.
III. Fazit Das Jedermannrecht, Wald zum Zwecke der Erholung zu betreten, ist ein in Deutschland allgemein anerkanntes Recht. Der Staat eröffnet mit dem Betretensrecht Waldbesuchern den Zugang zu den für einen Wald typischen zahl30
31 32 33 34 35
Vgl. AG Hoyerswerda, Urt. v. 5.12.2006 – 1 C 372/06 – Juris zur Abwägung der Verursachungsbeiträge in einem solchen Fall. Verfehlt insoweit OLG Köln, Urt. v. 11.5.1987 – 7 U 308/86 – Juris. OLG Naumburg, Urt. v. 14.07.2006 – 10 U 24/06 – Juris (Radfahrer). LG Wuppertal,. Urt. v. 9.9.2008 – 16 0 7/07 – Juris. OLG Celle, Urt. v. 20.12.2005 VersR 2006, 1423. OLG Bamberg, Urt. v. 17.3.2008 MDR 2008, 1272.
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reichen Gefahrenquellen und zwingt die Waldeigentümer, das Betreten zu dulden und die Besucher vor atypischen Gefahren zu schützen. Dies darf indes zu keiner im Ergebnis unzumutbaren Belastung der Waldeigentümer mit Verkehrssicherungspflichten und Haftungsrisiken führen. Die Sozialbindung des Eigentums rechtfertigt es lediglich, den Waldeigentümern das Dulden des Betretens aufzuerlegen, würde es jedoch nicht rechtfertigen, ihnen eine Garantie des gefahrlosen Betretens aufzubürden. Wald ist vor allem freie Natur sowie meist Forstwirtschaftsfläche, jedoch keine öffentliche Parkanlage. Vom Waldbesucher ist daher zu erwarten, dass er Wald nicht mit einer blauäugigen Vollkaskomentalität betritt, sondern um die Waldgefahren weiß und sich nach Möglichkeit in eigener Verantwortung vor ihnen schützt. Besonders niedrige Anforderungen an die Verkehrssicherung gelten im Hinblick auf Gefahren innerhalb der Bestände. Aber auch dann, wenn sich typische Waldgefahren an den Bestandesrändern wie an Wegen realisieren, ist den Waldeigentümern kein Vorwurf zu machen. Lediglich atypische Gefährdungslagen, die der Waldeigentümer vorwerfbar geschaffen oder nicht beseitigt hat, können eine Haftung begründen. Die Rechtslage ist hinsichtlich der Reichweite der Verkehrssicherungspflicht des Waldeigentümers zwar nicht in jeder Hinsicht eindeutig, jedoch richterrechtlich im Wesentlichen geklärt. Auch nach der Novellierung des BWaldG wird die Beurteilung der konkreten Reichweite der Verkehrssicherungspflicht eine richterliche Einzelfallentscheidung bleiben. Es ist zu hoffen, dass der künftige ausdrückliche gesetzliche Haftungsausschluss im Falle der bloßen Realisierung waldtypischer Gefahren deutlicher als bisher unangemessenen Sicherheitserwartungen einzelner Waldbesucher (bzw. Gerichte) entgegenwirkt.
§ 13 Waldeigentum und Steuern
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I. Steuerbelastung des Waldeigentums Waldeigentum ist langfristig angelegtes Eigentum. Steuern sichern die laufenden Einnahmen des Staatshaushalts und greifen deshalb in kurzen Abständen auf das Waldeigentum und auf die darin begründete Leistungsfähigkeit des Waldeigentümers zu. Der Steuerzugriff reicht von der monatlich auf die Leistungen des Forstbetriebs erhobenen Umsatzsteuer über die jährlich entstehende Grundsteuer, Jagdsteuer, die jährlich entstehenden Ertragsteuern bis hin zu der im Generationenturnus anfallenden Erbschaft- oder Schenkungsteuer. Angesichts der niedrigen Renditen im Wald und des – gerade in der Kumulation der verschiedenen Steuerarten – hohen Steuerzugriffs des Staates bedarf der Forstwirt eines langen Atems. Veranschaulichen soll dies das – fiktive – Beispiel eines Forstbetriebs: Herr Müller hat in 2008 einen Forstbetrieb mit einer Größe von 500 Hektar erworben. Der Betrieb besteht zur Hälfte aus Fichten in der II., V., und VIII. Altersklasse, zur Hälfte aus Buchenmischwald. Der Kaufpreis betrug EUR 5 Mio. (1 EUR/qm); dies entspricht dem aktuellen Verkehrswert. Davon entfallen – da weitere Wirtschaftsgüter nicht übernommen wurden – EUR 3 Mio. (60%) auf das stehende Holz, EUR 2 Mio. (40%) auf den Grund und Boden. Zu aktivieren sind auch die Grunderwerbsteuer, Grundbuchkosten sowie weitere Anschaffungsnebenkosten in Höhe von insgesamt EUR 250.000 (5% des Kaufpreises). Erfahrungsgemäß bewegt sich die Eigenkapitalrendite eines Forstbetriebs im Bereich von 1-2 %. Vor diesem Hintergrund hat Herr Müller den Erwerb ausschließlich mit Eigenkapital finanziert. Bei einer angenommenen Rendite von 1,5 % erwirtschaftet der Forstbetrieb also einen jährlichen Gewinn von EUR 75.000,00.
Forstbetrieb (500 ha) Kaufpreis/Verkehrswert
5.000.000 EUR
Laufende jährliche Rendite (1,5 %)
75.000 EUR
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Neben den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft erzielt Herr Müller noch weitere Einkünfte. Vereinfachend unterstellen wir daher einen durchschnittlichen Einkommensteuersatz (und Grenzsteuersatz) einschließlich Solidaritätszuschlag von 45 %.1 Parallel zu den folgenden Ausführungen begleiten wir den Forstbetrieb Müller durch seine wirtschaftliche und steuerliche Existenz, angefangen beim Erwerb in 2008 bis hin zur vorweggenommenen Erbfolge in 2010.
II. Steuern im laufenden Forstbetrieb 1. Formale Anforderungen an den Forstbetrieb Die Steuergesetze stellen zunächst einige formale Anforderungen an den Forstbetrieb: So kann der (reine) Forstbetrieb als Wirtschaftsjahr entweder den Zeitraum vom 01.10. bis zum 30.09. des Folgejahres, oder aber das Kalenderjahr wählen.2 Anders als bei Gewerbebetrieben ist für die steuerliche Gewinnermittlung von Forstbetrieben mit abweichendem Wirtschaftsjahr der in einem Wirtschaftsjahr erzielte laufende Gewinn nicht dem Veranlagungszeitraum zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr endet, sondern zeitanteilig auf die beiden berührten Veranlagungszeiträume aufzuteilen. Dadurch wird eine Nivellierung schwankender Ergebnisse erreicht.3 Sodann verpflichtet die Abgabenordnung auch Forstbetriebe, ein Anbauverzeichnis zu führen.4 Darin ist die Fläche des Forstbetriebs nach Holzboden-, Nichtholzboden- und sonstigen Flächen aufzugliedern. Das Anbauverzeichnis wird in der Praxis regelmäßig durch ein amtlich anerkanntes Betriebsgutachten oder durch ein Betriebswerk (Forsteinrichtungswerk) ersetzt. Aus dem Holzeinschlagsbuch5 er1
2
3
4 5
Der Spitzensteuersatz von 42 % bei der Einkommensteuer beginnt bei einem zu versteuernden Einkommen von EUR 52.882 (vgl. § 32a EStG). Ab einem zu versteuernden Einkommen von EUR 250.731 springt der Spitzensteuersatz auf 45 % (sog. Reichensteuer). Der Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5% der festzusetzenden Einkommensteuer erhöht als sog. Zuschlagsteuer die Ertragsteuerbelastung. Nicht berücksichtigt ist die Kirchensteuer, die als Zuschlagsteuer die Steuerbelastung erhöht, allerdings gleichzeitig als Sonderausgabe bei der Einkommensteuerbemessungsgrundlage abzugsfähig ist. Vgl. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG i.V.m. §§ 8b, 8c Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 2000. § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG. Veräußerungsgewinne sind allerdings dem Gewinn des Kalenderjahres hinzuzurechnen, in dem sie entstanden sind. Vgl. § 142 AO. Dieses wird auch als Holzeingangsbuch, Holzeinnahmebuch oder Fällungsnachweis bezeichnet. Grundlage für das Holzeinschlagsbuch sind die Holzaufnahmelisten oder ggf. Nummernbücher, deren Schlussnachweisung jeweils in das Holzeinschlagsbuch zu übertragen ist. Vgl. auch BMF v. 12.10.1981, IV B 4 – S 2163 – 63/81, IV A 7 – S
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geben sich Holzart, Holzsorte und Menge des im Wirtschaftsjahr eingeschlagenen Derbholzes. Im Holzausgangsbuch sind sämtliche entgeltlichen und unentgeltlichen Holzlieferungen nach Erwerber, Holzart, Holzsorte, Menge und Preis aufzuzeichnen. Nachdem Herr Müller einen Gewinn von mehr als EUR 50.000 im Wirtschaftsjahr erwartet, muss er für seinen Forstbetrieb eine Bilanz erstellen lassen. Das Betriebswerk hat er vom Vorbesitzer übernommen. Den dafür aufgewendeten anteiligen Kaufpreis in Höhe von EUR 6.000 aktiviert Herr Müller in seiner Eröffnungsbilanz und schreibt ihn über die Restlaufzeit bis zum Jahr 2015 ab. Erstellt Herr Müller in 2015 ein neues Betriebswerk, so kann er den entstehenden Aufwand sofort abziehen.6
2. Besteuerung der Umsätze im Forstbetrieb Auch das Umsatzsteuerrecht betrachtet den Forstwirt als Unternehmer. Der Umsatzsteuerpflicht unterliegen dabei nicht nur die im Forstbetrieb getätigten Umsätze, sondern die gesamte unternehmerische Tätigkeiten des Steuerpflichtigen.7 Die im Forstbetrieb getätigten Umsätze unterliegen grundsätzlich einer Besteuerung nach Durchschnittssätzen: Auf die Lieferung forstwirtschaftlicher Erzeugnisse wird ein Steuersatz von 5,5 % angewendet. Gleichzeitig werden die Vorsteuerbeträge, die diesen Umsätzen zuzurechnen sind, pauschal mit 5,5 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Diese Besteuerung nach Durchschnittssätzen hat einen organisatorischen Vorteil, weil sie eine genaue Aufzeichnung der Betriebsausgaben mit Belegführung entbehrlich macht.8 Da sich Umsatzsteuer und pauschale Vorsteuer ausgleichen, entsteht weder eine Zahllast noch ein Erstattungsanspruch. Allerdings kann die Durchschnittssatzbesteuerung dann von Nachteil sein, wenn mit einem Vorsteuerüberhang zu rechnen ist. Der Forstwirt hat daher die Möglichkeit, zur Regelbesteuerung zu optieren.9 Herr Müller hat eine Vergleichsrechnung angestellt, ob sich für Ihn die Option zur Regelbesteuerung lohnt. Da er seinen Betrieb im Wesentlichen über Dienstleister (Holzeinschlagsunternehmer, Rückeunternehmer) bewirtschaftet, außerdem ohnehin buchführungspflichtig ist, entscheidet er sich für die Regelbesteuerung und stellt beim Finanzamt einen entsprechenden – auf fünf Jahre bindenden – Antrag.
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8 9
0312 – 6/81, Buchführung in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, BStBl I 1981, 878 (sog. Buchführungserlass). Verbot der Aktivierung selbst geschaffener, immaterieller Wirtschaftsgüter, vgl. § 5 Abs. 2 EStG. Besonderheiten gelten für Kleinunternehmer, vgl. § 19 UStG. Kleinunternehmer können jedoch zur Regelbesteuerung optieren. Näher Altehoefer u.a., Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rn. 1481 ff. § 24 Abs. 4 UStG.
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Infolgedessen stellt Herr Müller seinen Holzkäufern die Holzlieferungen mit 19 % Umsatzsteuer in Rechnung; gleichzeitig macht er die Vorsteuer aus den ihm gestellten Eingangsrechnungen geltend.
3. Steuerliche Gewinnermittlung im Forstbetrieb Die steuerliche Gewinnermittlung folgt grundsätzlich den allgemeinen Regelungen zum Betriebsvermögensvergleich, die auch für einen bilanzierungspflichtigen Gewerbebetrieb gelten. Indes gilt es einige Besonderheiten zu beachten, die teils auf den tatsächlichen Besonderheiten der Forstwirtschaft als einer langfristig angelegten Urproduktion gründen, teils auf steuerlichen Fördertatbeständen zugunsten der Forstwirtschaft beruhen. a) Bilanzierung des stehenden Holzes und Wiederaufforstungskosten Die bilanzielle Behandlung des stehenden Holzes hat nach langer Diskussion in Wissenschaft und Praxis ein (vorläufiges) Ende gefunden.10 In zwei Grundsatzentscheidungen aus dem Jahr 2008 hat der BFH entschieden, dass Wirtschaftsgut weder der einzelne Baum noch der Wald insgesamt sei, sondern vielmehr der nach den jeweiligen Gegebenheiten des Forstbetriebs abgrenzbare Bestand.11 Dieser müsse allerdings regelmäßig eine Mindestgröße von einem Hektar aufweisen. Eine Buchwertminderung sei nur bei einem „wesentlichen Eingriff“ in Wert und Substanz des Bestands denkbar. Die Finanzverwaltung hat am 02.03.2010 mit einem Anwendungsschreiben12 reagiert, das einerseits die Buchwertminderung außerhalb von Kahlschlags- oder Kalamitätsfällen faktisch ausschließt, andererseits bei Wiederaufforstungskosten ermöglicht, die bisherige Praxis des sofortigen Abzugs als Betriebsausgabe beizubehalten. Laut Finanzverwaltung ist danach die anteilige Verrechnung von Anschaffungskosten für das stehende Holz zunächst dann zulässig, wenn der Forstwirt einen Kahlschlag vornimmt. Ein Kahlschlag in diesem steuerlichen Sinne liegt vor, wenn ein ganzer Bestand, mindestens aber die Fläche von einem Hektar in der Weise eingeschlagen wird, dass keine gesicherte Kultur mehr bestehen bleibt. Ein solcher „steuerlicher Kahlschlag“ könne sich auch über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren erstrecken. Der dem kahlgeschlagenen Bestand zuzuordnende Buchwert wird zunächst auf das eingeschlagene Holz übertragen und mindert dann bei Veräußerung des Holzes den erzielten Gewinn. Keine Rolle spielt es, 10
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Vgl. statt vieler Bruckmeier, AUR 2010, 173; Kleeberg, FR 1998, 189; ders. in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 13 Rn. B 194 ff. BFH vom 05.06.2008, IV R 67/05, BStBl II 2008, 960 und IV R 50/07, BStBl II 2008, 968. BStBl I 2010, 224.
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ob der steuerliche Kahlschlag bewusst durchgeführt wurde oder Folge einer Kalamität ist. Im Gegensatz dazu ist im Rahmen der laufenden Holznutzung eine Verrechnung anteiliger Anschaffungskosten auf das stehende Holz grundsätzlich nicht zulässig. Lediglich dann, wenn der Teilwert des nach dem Holzeinschlag verbliebenen Bestands dessen Buchwert unterschreitet, kann auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden. Allerdings bedingt eine Teilwertabschreibung, dass der Forstwirt in den Folgejahren jeweils die Voraussetzungen für eine Wertaufholung zu prüfen hat.13 Dies führt im Ergebnis zu einer Aktivierung des laufenden Holzzuwachses in den auf die Teilwertabschreibung folgenden Jahren, bis der ursprüngliche Buchwert erreicht ist. Vor dem Hintergrund der aufwändigen Bewertungsfragen dürfte die Berücksichtigung des laufenden Holzeinschlags in der forstlichen Rechnungslegung praktisch ausfallen. Soweit der Forstwirt – sei es im Rahmen eines steuerlichen Kahlschlags, sei es (ausnahmsweise) im Rahmen der laufenden Holznutzung – die Verrechnung anteiliger Anschaffungskosten geltend macht, hat er korrespondierend die Wiederaufforstungskosten als Anschaffungs- und Herstellungskosten zu aktivieren. Dagegen gestattet die Finanzverwaltung den Abzug der Wiederaufforstungskosten als Betriebsausgaben, solange keine Verrechnung anteiliger Anschaffungskosten geltend gemacht wird. Im Wirtschaftsjahr 2009/2010 wirkt sich dies im Forstbetrieb von Herrn Müller folgendermaßen aus: Aufgrund eines schweren Sturms in der Sylvesternacht werden 5 ha Fichtenbestand umgeworfen. Dem Bestand ist ein Buchwert von EUR 30.000 zuzuordnen (flächenanteilige Verteilung der Anschaffungskosten auf das stehende Holz gemäß BMF-Schreiben14). Beim Verkauf des Kalamitätsholzes verrechnet Herr Müller – neben den sonstigen Herstellungskosten (insbesondere Einschlags- und Rückekosten) – diesen Buchwert mit dem Erlös aus dem Holzverkauf und mindert insoweit seinen steuerpflichtigen Gewinn. Gleichzeitig muss Herr Müller allerdings die im darauf folgenden Wirtschaftsjahr entstandenen Kosten für die Wiederaufforstung der Windwurfflächen aktivieren. Die übrigen, aus dem regulären Holzeinschlag stammenden Holzvorräte werden dagegen "brutto" versteuert. Lediglich die aktivierungspflichtigen Herstellungskosten (insbesondere Einschlags- und Rückekosten) werden im Zuge des Holzverkaufs zum Abzug gebracht.
13 14
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i.V.m. Nr. 1 S. 4 EStG. BMF v. 02.03.2010, BStBl I 2010, 224.
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b) Forstschäden-Ausgleichsrücklage Im Forstschäden-Ausgleichsgesetz wird bilanzierenden Forstwirten die Möglichkeit eröffnet, in bestimmten Grenzen eine gewinnmindernde Rücklage zu bilden.15 Als eine Art "Selbstversicherung" ermöglicht die Forstschäden-Ausgleichsrücklage dem Forstwirt, für bestimmte nicht oder nur schwer versicherbare Risiken selbst eine Vorsorge zu treffen. Dafür muss der Forstwirt in gleicher Höhe einen sog. betrieblichen Ausgleichsfonds dotieren. Dieser Fonds dient der Schadensvorbeugung und Schadensbewältigung und darf daher nur für die gesetzlich festgelegten Forstschutz- oder Ausgleichsmaßnahmen verwendet werden. Bei Inanspruchnahme des Fonds wird die Rücklage in entsprechender Höhe gewinnerhöhend aufgelöst. Werden Fondsmittel zweckwidrig verwendet, so wird insoweit ein Strafzuschlag in Höhe von 10% des aufzulösenden Rücklagenanteils auf die Einkommensteuer erhoben.16 Um zukünftig für Schadensereignisse besser gerüstet zu sein, beschließt Herr Müller, eine Forstschäden-Ausgleichsrücklage zu bilden. Die Zuführung beträgt höchstens 25% der durchschnittlichen nutzungssatzmäßigen Einnahmen der letzten drei Jahre, bei Herrn Müller also höchstens EUR 68.750 (25% von EUR 275.000). Da Herr Müller die Liquidität in diesem Umfang aber derzeit nicht entbehren kann, bildet er eine Rücklage nur in Höhe von EUR 20.000 und legt denselben Betrag „mündelsicher“ auf einem bei seiner Hausbank für diese Zwecke neu eröffneten Depot an. Dabei ist ihm bewusst, dass er bei zweckwidriger, nicht der Vorbeugung vor oder der Bewältigung von Kalamitäten dienender Verwendung der angelegten Gelder einen Strafzuschlag bezahlen muss. c) Liebhaberei Immer wieder taucht der Begriff der „Liebhaberei“ im Zusammenhang mit Forstbetrieben auf. Oftmals verbergen sich dahinter erbitterte Fehden zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen. Kernpunkt ist die Frage, ob getätigte Aufwendungen dem Bereich der Einkunftserzielung zugeordnet und damit steuerlich abgesetzt werden können, oder ob diese Aufwendungen dem Bereich der privaten Einkommensverwendung zuzuordnen und damit steuerlich neutral sind. Steuerlich ist das entscheidende Abgrenzungskriterium die sog. „Gewinnerzielungsabsicht“ des Steuerpflichtigen.17 Diese lässt sich jedoch als sog. inneres Tatbestandsmerkmal im Rahmen der einkommensteuerlichen Belastung der Leistungsfähigkeit nur anhand äußerer Umstände feststellen. Die Finanzverwaltung greift daher von vornherein nur diejenigen Fälle auf, in denen über längere Zeit oder in größerem Umfang Verluste angefallen sind. Kritische Beispiele aus der 15
16 17
§ 3 FSchAusglG. Dazu Bruckmeier in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34b Rn. C 24 ff. § 3 Abs. 4 S. 2 FSchAusglG. Vgl. § 15 Abs. 2 S. 1 EStG.
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Praxis sind die vercharterte Segelyacht, die vermietete Ferienwohnung, das Rennpferd, ein Gestüt, oder ein Weinberg, also regelmäßig Gegenstände, die zwar (auch) genutzt werden können, um damit Einkünfte zu erzielen, die aber regelmäßig (vorrangig) dem Hobby- oder Freizeitbereich des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind.18 Fallen im Forstbetrieb dauerhaft Verluste an, so ist zunächst eine sog. Totalgewinnprognose anzustellen. Es ist zu fragen, ob nach Ablauf des Prognosezeitraums – der sich bei einem typischerweise als Generationenbetrieb geführten Forstbetrieb an der Umtriebszeit des vorhandenen Nutzholzes orientiert19 – insgesamt ein Totalgewinn verbleibt. Dabei sind auch die dann vorhandenen stillen Reserven, also ein hypothetischer Veräußerungsgewinn, mit in die Prognose einzubeziehen. Es liegt auf der Hand, dass die Totalgewinnprognose bei Forstbetrieben aufgrund der langen Umtriebszeiten und der Ungewissheit über die zukünftige Entwicklung von Holzpreisen, von nachgefragten Holzsortimenten und von Bodenpreisen mit großen Unsicherheiten belastet ist. Vor diesem Hintergrund wird man zugunsten des Steuerpflichtigen von einem Liebhabereibetrieb nur dann ausgehen können, wenn die Verluste eine erhebliche Größenordnung erreichen.20 Weitere Voraussetzung für die Annahme von Liebhaberei ist, dass der Forstwirt die Verluste aus persönlichen Motiven hinnimmt. In der Praxis ist es kaum möglich, die – unterstellten – Motive der Jagdleidenschaft, des gehobenen Wohnens auf dem Lande oder der Fortführung einer Familientradition zu entkräften. Vor diesem Hintergrund gilt es, von vornherein bei der Totalgewinnprognose anzusetzen und einer dauerhaften Verlustsituation mit geeigneten Umstrukturierungsmaßnahmen zu begegnen. Hätte zum Beispiel Herr Müller den Kaufpreis von 5.000.000 Euro für den Forstbetrieb insgesamt fremdfinanziert, ohne die Darlehen kurzfristig ablösen zu können, so läge von vornherein ein Fall der Liebhaberei vor. Angesichts der Renditeerwartungen des Forstbetriebs, die für den laufenden Zinsdienst nicht ausreichen, bedeutet die Fremdfinanzierung einen gravierenden Strukturmangel.21
18 19
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Vgl. Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. B 322 f. BFH v. 24.08.2000, IV R 46/99, BStBl II 2000, 674, 675; BFH v. 26.06.1985, IV R 149/83, BStBl II 1985,549, 550. Vgl. Kleeberg in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 13 Rn. B 135 und B 148 f. Vgl. Kleeberg in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 13 Rn. B 144.
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4. Tarifermäßigungen nach § 34b EStG a) Außerordentliche Holznutzung Mit den Tarifermäßigungen des § 34b EStG trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass es in der Forstwirtschaft bei Kalamitäten oder bei Übernutzungen aus anderen Gründen zu einer geballten Realisierung der im Wald gewachsenen stillen Reserven kommt. Vergleichbar einer Teilbetriebsveräußerung wird daher der außerordentliche Gewinn aus den Holznutzungen, die den Nutzungssatz22 übersteigen, begünstigt besteuert. Dabei sind zwei Spielarten außerordentlicher Gewinne zu unterscheiden: Sog. außerordentliche Holznutzungen23 beruhen auf besonderen wirtschaftlichen Gründen, sei es ein äußerer Zwang, der die Holznutzung veranlasst (z.B. die drohende Enteignung wegen eines Straßenbaus), sei es ein besonderer Liquiditätsbedarf für betriebliche oder private Investitionen des Forstwirts. Sog. Kalamitätsnutzungen24 beruhen dagegen auf höherer Gewalt, wie z.B. ein Windwurf. In den erstgenannten Fällen außerordentlicher Holznutzungen aus wirtschaftlichen Gründen greift die sog. Fünftelregelung.25 Diese glättet den Tarif, indem sie die außerordentlichen Einkünfte mit dem Steuersatz besteuert, der sich ergeben würde, wenn in dem betreffenden Veranlagungszeitraum nur ein Fünftel dieser Einkünfte erzielt worden wäre. Da Herr Müller sich auch bei normaler Holznutzung im Rahmen des Nutzungssatzes bereits in der obersten Progressionsstufe bewegt, würde sich die Fünftelregelung für die außerordentlichen Holznutzungen aus wirtschaftlichen Gründen bei ihm faktisch nicht auswirken. b) Kalamitätsnutzungen Demgegenüber werden die Kalamitätsnutzungen, soweit sie den Nutzungssatz übersteigen, mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz besteuert. Übersteigen die Kalamitätsnutzungen den doppelten Nutzungssatz, reduziert sich der darauf anzuwendende Steuersatz auf ein Viertel des Durchschnittssteuersatzes.26 Aufgrund des mit der Kalamität angefallenen Holzes erzielt der Forstbetrieb Müller im Wirtschaftsjahr 2009/2010 einen Gewinn von EUR 123.000. Davon ist ein Anteil von EUR 75.000 den Holznutzungen innerhalb des Nutzungssatzes zuzu22
23 24 25 26
Der Nutzungssatz gibt die Holzmenge wider, die bei nachhaltiger Nutzung jährlich eingeschlagen werden kann, die also durch den Holzzuwachs kompensiert wird. Der Nutzungssatz wird für jeden Betrieb seitens der Finanzverwaltung für 10 Jahre festgesetzt. Näher Bruckmeier in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34b Rn. E 2 ff. § 34b Abs. 1 Nr. 1 EStG. § 34b Abs. 1 Nr. 2 EStG. § 34b Abs. 3 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG. § 34b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 EStG.
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ordnen, während ein Anteil von EUR 48.000 auf die Kalamitätsnutzungen außerhalb des Nutzungssatzes entfällt. Den letztgenannten Betrag von EUR 48.000 muss Herr Müller daher im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung nur mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz, hier also mit 22,5% versteuern.27 Diese Steuererleichterung schafft einen Ausgleich dafür, dass Herr Müller in den folgenden Jahren auf einen Teil seiner Einnahmen verzichten muss, da diese durch die Kalamität „ungewollt“ vorgezogen wurden. Gleichzeitig werden damit die Finanzierung der Wiederaufforstung und anderer Maßnahmen zur Schadensbeseitigung (z.B. Wegebau) erleichtert. c) Steuersystematische Einordnung der Tarifermächtigung Betrachtet man die Tarifregelungen des § 34b EStG unter steuersystematischen Aspekten, so ist zu differenzieren.28 Mit der Tarifermäßigung für Kalamitätsnutzungen nimmt der Gesetzgeber die tatsächlichen Besonderheiten der Forstwirtschaft auf und bildet diese realitätsgerecht im Steuersystem ab. Eine überproportionale Besteuerung aufgrund der geballten Realisierung stiller Reserven wird – pauschalierend – ausgeglichen. Dieselbe Einschätzung gilt u.E. auch für die außerordentlichen Holznutzungen, jedenfalls soweit diese auf äußerem Zwang beruhen. Entstehen außerordentliche Gewinne, ohne dass der Forstwirt dies beeinflussen kann, so erscheint es aufgrund der langfristigen Produktionszeiträume, die dem Forstwirt kaum Raum bei der Gestaltung seines Angebots lassen, geboten, dies durch eine Tarifermäßigung zu kompensieren. Dabei ist freilich festzustellen, dass die hier einschlägige sog. Fünftelregelung nur bei Kleinstbetrieben (unter der Voraussetzung, dass auch keine anderen Einkünfte erzielt werden) ihre Wirkung entfaltet. Ab einem zu versteuernden Einkommen von rund 53.000 EUR läuft sie dagegen ins Leere, sodass sie insoweit eine gleichheitskonforme Besteuerung verfehlt. Soweit die außerordentlichen Holznutzungen einen besonderen Liquiditätsbedarf des Forstwirts decken sollen, insoweit also auf dessen bewusster Entscheidung beruhen, ist die Begünstigung dieser Einkünfte u.E. letztlich als Investitionsförderung zu verstehen. Eine solche erscheint vor dem Hintergrund, dass Fremdfinanzierungen für den Forstbetrieb stets besonders risikobehaftet sind und somit der Wald selbst eine Art „Sparkassenfunktion“ übernimmt, durchaus zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass die Fünftel-Regelung ohnehin nur bei Kleinstbetrieben überhaupt eine Wirkung entfaltet (s.o).
27 28
Siehe oben Ziff. 1 bei Fn. 1. Zur Beurteilung unter dem Aspekt des Beihilfeverbots in Art. 107 AEUV (ex-Art. 87 EGV) vgl. Graf Nesselrode, LuF in Europa, S. 207 und 212.
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d) Flat Tax Abschließend sei angemerkt, dass sämtliche Tarifregelungen zum Ausgleich von Progressionsnachteilen dann obsolet würden, wenn die Einkünfte mit einer "FlatTax" belegt würden,29 wie dies seit 2009 bereits bei den Einkünften aus Kapitalvermögen der Fall ist.30
5. Substanzsteuern im Forstbetrieb a) Grundsteuer Der Forstbetrieb ist mit Grundsteuer und – je nach Bundesland – mit Jagdsteuer belastet. Die Grundsteuer knüpft – unabhängig vom tatsächlichen Ertrag – an den für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft festgesetzten Einheitswert an.31 Sie ist eine sog. Sollertragsteuer.32 Die wirtschaftliche Einheit „Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“ umfasst den Wirtschaftsteil – beim Forstbetrieb also die Waldflächen einschließlich Blößen und Nichtholzbodenfläche33 – sowie den Wohnteil34. Aus dem für den Betrieb festgesetzten Einheitswert wird ein Steuermessbetrag abgeleitet, der als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer fungiert. Der Einheitswert basiert auf den Wertverhältnissen von 1964, da seitdem – entsprechend der Situation bei privaten Immobilien – keine Hauptfeststellung mehr stattgefunden hat.35 In den neuen Bundesländern werden anstelle der Einheitswerte sog. Ersatzwirtschaftswerte festgesetzt, die ebenfalls auf den Wertverhältnissen von 1964 basieren, sich jedoch im Gegensatz zu den Einheitswerten nicht nach den Eigentums-, sondern nach den Nutzungsverhältnissen bemessen. Den Gemeinden steht jeweils ein Hebesatzrecht für die Grundsteuer zu. Über die Grundsteuer tragen die Forstbetriebe also zur Finanzierung der Kommunalhaushalte bei.36 29
30 31 32 33
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35
36
Vgl. z.B. den von Paul Kirchhof als Einkommensteuergesetzbuch vorgelegten Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Sog. Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte, § 32d EStG. § 2 Nr. 1 GrStG i.V.m. §§ 19, 33, 48a, 51a BewG. Zur grundsätzlichen Kritik an der Grundsteuer vgl. Tipke, StRO II, S. 953 ff. Die forstwirtschaftliche Nutzung wird in einem pauschalen Ertragswertverfahren bewertet, §§ 53 ff. BewG. Die Wohnung für Betriebsinhaber, Familienangehörige und ggf. Altenteiler wird in einem pauschalen Ertragswertverfahren mit einem Abschlag von 15% bewertet, §§ 47, 78 ff. BewG. Die Forderung des § 21 BewG, wonach die Einheitswerte alle sechs Jahre allgemein festzustellen sind, wurde seit 1964 nicht mehr erfüllt. Die pauschale Erhöhung der Einheitswerte um das 1,4fache zum 01.01.1974 änderte nichts daran, dass die Einheitswerte die tatsächlichen Wertverhältnisse nicht mehr wiedergeben. Zur Kritik vgl. statt vieler Schwarting, Kommunale Steuern, Rn. 158 ff. Vgl. Art. 106 Abs. 6 GG. Dabei trägt die Grundsteuer A (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) bundesweit mit einem Anteil von weniger als 5% (2007: 355,8 Mio.
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b) Jagdsteuer Die Jagdsteuer besteuert als „Luxussteuer“ die Möglichkeit der Jagdausübung als Aufwand.37 Dass die Jagd notwendiger Bestandteil der Forstwirtschaft ist, der Jagdrechtsinhaber im Rahmen der Abschussplanung zur Jagdausübung gesetzlich verpflichtet ist, wird von der Jagdsteuer – anders als bei der Einkommensteuer38 – negiert. In einer Entscheidung vom 15.02.2008 hat das OVG Lüneburg39 entschieden, dass eine kommunale Gebietskörperschaft mit ihrem Forstbetrieb im Einzelfall dann nicht der Jagdsteuer unterliege, wenn sie einen Jagdbezirk allein deshalb nicht verpachte, weil durch den eigenen Jagdbetrieb ein besserer Schutz des Waldes vor Verbissschäden erzielt werde. Da jedoch die Kommunen bei der Waldbewirtschaftung gesetzlichen Verpflichtungen unterlägen, sei dieser Gedanke nicht auf den Privatwald übertragbar. Nachdem die Rechtsprechung alle Klagen seitens privater Forstbetriebe abgewiesen hat,40 scheint sich die Praxis – wenn auch nicht überall41 – mit der Jagdsteuer abgefunden zu haben. Dies ändert freilich nichts an der systematischen Fragwürdigkeit der Jagdsteuer.42 c) Wirkung der Substanzsteuern Grundsteuer und Jagdsteuer greifen als Substanzsteuern unabhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Ergebnis auf das Vermögen des Land- und Forstwirts zu. Der Fiskus unterstellt, dass der Forstbetrieb die zur Begleichung der Steuern erforderliche Liquidität hat oder erwirtschaftet. Allerdings mindern Grund- und Jagdsteuer jeweils als Betriebsausgabe den Gewinn des Forstbetriebs. Herr Müller entscheidet sich gegen eine Verpachtung der Jagd, da er Einfluss auf die Abschussplanung nehmen möchte. Die jährliche Jagdsteuer in Höhe von 1.125 Euro (2,25 EUR/ha)43 finanziert er aus den laufenden Einnahmen des Betriebs. Gleiches gilt für die jährliche Grundsteuer in Höhe von 2.880 Euro (5,76
37
38 39 40 41
42 43
Euro) nur geringfügig zum Gesamtaufkommen der Grundsteuer (2007: 10.807,1 Mio. Euro) bei. Vgl. auch Schwarting, Kommunale Steuern, Rn. 143 ff. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 48 f. Aufwandsteuern fallen gemäß Art. 105 Abs. 2a GG in die Kompetenz der Länder. Vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 3 EStG. NdsVBl 2008, 210. Vgl. BVerfG v. 10.08.1989, 2 BvR 1532/88, BStBl II 1989, 867. In NRW wird die Jagdsteuer, die den Kommunen zuletzt ein jährliches Aufkommen von 8,3 Mio. Euro brachte, bis 2013 stufenweise abgeschafft (Gesetz zur Abschaffung der Jagdsteuer vom 30.06.2009, GVBl NW v. 17.07. 2009, S. 394). Keine Jagdsteuer wird z.B. in Bayern und Thüringen erhoben. Bundesweit wurden 2002 rund 24,6 Mio. Euro Jagdsteuer bezahlt. Vgl. Tipke, StRO II, S. 1113 ff. Bemessungsgrundlage sind 75% der gegendüblichen Jagdpacht von 20 EUR/ha, also 15 Euro/ha. Der Steuersatz der hebeberechtigten Gemeinde beträgt 15%.
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EUR/ha).44 Die bezahlte Steuer ist gleichzeitig als Betriebsausgabe abzugsfähig, mindert also seinen steuerlichen Gewinn. Im Ergebnis wird Herr Müller damit in Höhe seines Grenzsteuersatzes (hier: 45%) wieder von der Grund- und Jagdsteuer entlastet, trägt diese also nur noch zu 55% (d.h. bei der Jagdsteuer 619 Euro (1,24 EUR/ha) und bei der Grundsteuer 1.584 Euro (3,17 EUR/ha)).45
6. Vergleich zu Forstbetrieben der öffentlichen Hand und Forstbetrieben gemeinnütziger Einrichtungen Während der Forstbetrieb in der Hand des privaten Unternehmers regulär der Besteuerung unterliegt, gewährt das Gesetz Forstbetrieben, die von der öffentlichen Hand oder von gemeinnützigen Körperschaften betrieben werden, wesentliche Erleichterungen. So sind diese Betriebe von der Körperschaftsteuer (Ertragsteuern) gänzlich freigestellt.46 Da die Forstbetriebe der öffentlichen Hand ebenso wie die Forstbetriebe gemeinnütziger Einrichtungen auf dem Holzmarkt mit privaten Forstbetrieben konkurrieren, führt die Steuerbefreiung zu einer Verzerrung des Wettbewerbs. Diese ist nicht mit der Überlegung zu rechtfertigen, dass die Forstwirtschaft letztlich als eine besondere Art der Vermögensverwaltung anzusehen sei. Auch Forstbetriebe sind wirtschaftende Unternehmen, die sich in einem Wettbewerbsverhältnis befinden, dessen Kräfte angesichts eines globalen Marktes für den Rohstoff Holz, der Internationalisierung des Holzhandels und der starken Unternehmen in der Holzverarbeitung eher zunehmen. Eine Differenzierung zwischen privaten Forstbetrieben auf der einen Seite, Forstbetrieben der öffentlichen Hand oder gemeinnütziger Einrichtungen auf der anderen Seite erscheint u.E. nicht gerechtfertigt.47
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45
46 47
Der – nach Erfahrungswerten geschätzte – Einheitswert für den Forstbetrieb Müller beträgt 150.000 Euro (dies entspricht 3% des Verkehrswerts), der Steuermessbetrag davon 6/1000, also 900 Euro. Der von der Gemeinde festgesetzt Hebesatz für die Grundsteuer A wird mit 320% angenommen. Würde Herr Müller allerdings insgesamt ein negatives zu versteuerndes Einkommen erzielen, so wirkten sich die Substanzsteuern in voller Höhe belastend aus. Die entstehenden Verlustvorträge können erst später oder möglicherweise gar nicht wieder ausgeglichen werden. Mit Beschluss vom 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608, hat der Große Senat entschieden, dass Verlustvorträge nicht (mehr) vererblich sind. § 4 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG und § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 3 KStG. Kritisch unter europarechtlichen Aspekten Graf Nesselrode, LuF in Europa, S. 135 und 141.
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III. Übertragung des Forstbetriebs (vorweggenommene Erbfolge und Erbfall) Wird der Forstbetrieb verkauft, so entsteht ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn. Alle stillen Reserven werden aufgedeckt. Demgegenüber bleibt die unentgeltliche Übertragung des Forstbetriebs im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ertragsteuerlich neutral. Gleiches gilt für den Erbfall. Zu beachten sind dabei allerdings einige Besonderheiten.48 So darf der Betriebsübergeber insbesondere keine wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten. Zudem sind die erbschaftund schenkungsteuerlichen Folgen der Übertragung zu berücksichtigen.
1. Bewertung des forstwirtschaftlichen Betriebs a) Ansatz des Fortführungswerts Der erste Schritt zur Ermittlung der Erbschaftsteuer ist, den Forstbetrieb zu bewerten. Die Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe hat der Gesetzgeber im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2009 grundlegend neu gestaltet. Im Zentrum steht nunmehr – entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts49 – die Ermittlung des gemeinen Werts. Der gemeine Wert versteht sich grundsätzlich als Verkaufswert.50 Dementsprechend sind Gewerbebetriebe vorrangig mit ihrem Börsenkurs oder anhand eines Kaufpreises zu bewerten, der innerhalb des letzten Jahres vor dem Stichtag unter fremden Dritten erzielt wurde, im übrigen nach einem anerkannten Verfahren zur Unternehmensbewertung.51 Abweichend davon ist der gemeine Wert des Forstbetriebs als Fortführungswert ausgestaltet, vorausgesetzt, der Betrieb wird auch tatsächlich für mindestens weitere 15 Jahre nach der Übertragung fortgeführt.52 Der Fortführungswert ist ein Ertragswert, der – je nach Lage, Größe, Arrondierung und anderen Merkmalen des Forstbetriebs – deutlich unter dessen Substanzwert53 liegen kann. Dieser Wertansatz erscheint vor dem Hintergrund der besonderen Situation der Land- und Forstwirtschaft gerechtfertigt:
48 49 50 51
52 53
Vgl. Altehoefer u.a., Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rn. 832 ff. m.w.N. BVerfG v. 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1. § 9 Abs. 2 BewG. § 11 Abs. 2 i.V.m. § 109 BewG. Als Mindestwert gilt stets der Substanzwert, § 11 Abs. 2 S. 3 BewG. §§ 162 Abs. 1 S. 1, 2 BewG. Der Substanzwert ist die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen Aktiva abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Passiva, vgl. § 11 Abs. 2 S.3 BewG. Der Substanzwert stellt bei der Bewertung gewerblicher Unternehmen für Zwecke der Erbschaftsteuer den Mindestwert dar.
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x Insbesondere Forstbetriebe sind auf eine langfristige, generationenübergreifende Bewirtschaftung hin angelegt: Erst die nächste oder übernächste Generation erntet die von der gegenwärtigen Generation gepflanzten und gepflegten Bäume. Der Fortführungsgedanke gewinnt daher besondere Bedeutung. x Die Eigenkapitalrendite in der Land- und Forstwirtschaft bleibt deutlich hinter den im gewerblichen Bereich angestrebten und erzielten Renditen zurück. Die Möglichkeiten der Fremdfinanzierung sind infolgedessen stark eingeschränkt. Der Ansatz des Liquidationswerts könnte den Nachfolger ggf. zur (teilweisen) Veräußerung von Betriebsvermögen zwingen, um die Erbschaftsteuer zu bezahlen. Einem vollständigen Abtrieb des stehenden Holzes zu diesem Zweck stünden aber bereits die Bestimmungen der Waldgesetze zu Kahlschlägen entgegen. x Ein funktionierender Markt für land- und forstwirtschaftliche Betriebe existiert nicht. Lebensfähige Betriebe stehen kaum zum Verkauf. Im Einzelfall erzielte Kaufpreise spiegeln oftmals nicht den „tatsächlichen“ Ertragswert der Flächen – den sog. innerlandwirtschaftlichen Wert – wider, sondern gehen weit darüber hinaus. Solche überhöhten Preise liegen in anderweitigen, persönlichen Interessen des Käufers (z.B. Jagd) begründet. Es fehlt also der Konnex zwischen Substanzwert und Rendite, der für den Ansatz des Ertragswerts als des gemeinen Werts bei gewerblichen Unternehmen wesentlich ist. Diesen Umständen trägt der Ansatz des Fortführungswerts Rechnung.54 Um den Fortführungswert konkret zu ermitteln, sind Regelertragswert und Mindest(ertrags)wert einander gegenüber zu stellen.55 Der Regelertragswert beruht auf dem kapitalisierten, typisierten Reinertrag des Forstbetriebs je Hektar. Demgegenüber wird der Mindestwert aus den kapitalisierten, in Deutschland durchschnittlich für Wald erzielten Pachtpreisen abgeleitet. Der Kapitalisierungszinssatz beträgt jeweils 5,5%.56 Der höhere der beiden Werte ist als gemeiner Wert (Fortführungswert) der Besteuerung zugrunde zu legen. Die Datengrundlage für den Regelertragswert und den Mindestwert basiert jeweils auf den Auswertungen des Testbetriebsnetzes des Bundeslandwirtschaftsministeriums, die in einer Anlage zum Bewertungsgesetz festgeschrieben sind. b) Nachträglicher Ansatz des Liquidationswerts Der Ansatz des Fortführungswerts steht für die Dauer von 15 Jahren unter dem Vorbehalt der Nachbewertung. Der Gedanke der Betriebsfortführung, der den Ansatz des Ertragswerts rechtfertigt, geht ins Leere, wenn der Nachfolger den Betrieb verkauft oder aufgibt. In diesem Fall ist – rückwirkend auf den Stichtag 54
55 56
Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/7918 v. 28.01.2008, S. 40, wo zusätzlich auf die dem übergeordneten Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Betriebe der Landund Forstwirtschaft dienenden, erbrechtlichen Sondervorschriften verwiesen wird (dazu auch unten Fn. 76). Vgl. weiter Depenheuer, Kurzgutachten v. 17.09.2007. §§ 165, 163, 164 BewG. §§ 163 Abs. 11, 164 Abs. 3, 5 BewG. Der Kapitalisierungsfaktor beträgt jeweils 18,6.
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der Besteuerung – statt des Fortführungswerts der Liquidationswert anzusetzen.57 Für den Grund und Boden ist dies der jeweilige Bodenrichtwert, abzüglich eines pauschalen Abzugs von 10% für die Liquidationskosten. Der Liquidationswert der übrigen Wirtschaftsgüter – insbesondere also des stehenden Holzes, der Wirtschaftsgebäude und der zugehörigen immateriellen Wirtschaftsgüter (z.B. Jagdrecht) – entspricht ihrem jeweiligen gemeinen Wert, wiederum abzüglich eines pauschalen Abschlags von 10% für die Liquidationskosten. Der nachträgliche Ansatz des Liquidationswerts erscheint dann unbillig, wenn die Veräußerung des Betriebs oder wesentlicher Teile auf Umstrukturierungsmaßnahmen des Nachfolgers beruht, z.B., weil der Betrieb an anderer Stelle vergrößert fortgeführt werden kann. Diese Problematik hat der Gesetzgeber zumindest gesehen.58 Allerdings lässt das Bewertungsgesetz eine steuerunschädliche Veräußerung des Betriebs nur dann zu, wenn der Veräußerungserlös binnen sechs Monaten vollständig in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb reinvestiert wird. Werden wesentliche Wirtschaftsgüter des Betriebs innerhalb der fünfzehnjährigen Nachbewertungsfrist verkauft oder entnommen, so muss der Erlös binnen sechs Monaten „ausschließlich im betrieblichen Interesse“ verwendet werden.59 Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass für land- und forstwirtschaftliche Betriebe kaum ein Markt existiert, ist die sechsmonatige Reinvestitionsfrist u.E. zu kurz bemessen. Zudem engt die Beschränkung der Reinvestition auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe oder auf den betreffenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Nachfolgers stark ein. Eine Ausdehnung auch auf gewerbliche Betriebe erscheint u.E. sinnvoll.
2. Verschonungsregelungen Das Erbschaftsteuergesetz kennt ein sog. „begünstigtes Vermögen“. Der Wert des begünstigten Vermögens bleibt zu 85 % steuerfrei, wenn der Nachfolger bestimmte Auflagen einhält, die ihm das Gesetz auferlegt (sog. Regelverschonung).60 Die Steuerfreiheit erhöht sich sogar auf 100 % des begünstigten Vermögens, wenn der Nachfolger unwiderruflich dazu optiert61 und die weitergehenden Auflagen einhält (sog. Optionsverschonung). 57 58 59 60
61
§ 166 BewG. § 162 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 S. 2 BewG. Vgl. § 162 Abs. 4 BewG. Zusätzlich wird Kleinbetrieben für die bei der Regelverschonung zu versteuernden 15 % des Werts ein sog. Abzugsbetrag von höchstens EUR 150.000 gewährt, der sich jedoch mit steigendem Wert des begünstigten Vermögens verringert und ab einem Wert des begünstigten Vermögens von insgesamt EUR 3 Mio. ganz entfällt; vgl. § 13a Abs. 2 ErbStG. Werden mehrere wirtschaftliche Einheiten gleichzeitig übertragen, so will die Finanzverwaltung nur eine einheitliche Ausübung des Wahlrechts zur Optionsverschonung
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a) Begünstigtes Vermögen und Verwaltungsvermögen Der inländische62 Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens gehört – ebenso wie inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils, oder wie Anteile an einer Kapitalgesellschaft63 – zum begünstigten Vermögen im Sinne des Erbschaftsteuerrechts. Nicht begünstigt sind also der Wohnteil, etwaige Betriebswohnungen sowie Stückländereien64, und zwar ungeachtet dessen, dass diese Wirtschaftsgüter zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören. Voraussetzung für die Begünstigung des Wirtschaftsteils nach der Regelverschonung ist, dass das land- und forstwirtschaftliche Vermögen zu nicht mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht.65 Bei Inanspruchnahme der Optionsverschonung verringert sich diese Verwaltungsvermögensgrenze auf 10 %. Von vornherein nicht zum Verwaltungsvermögen gehören diejenigen Wirtschaftsgüter, die zwar ertragsteuerlich land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen sind, bewertungsrechtlich aber ausdrücklich vom land- und forstwirtschaftlichen Vermögen ausgenommen sind.66 Dies sind u.a. Wertpapiere (z.B. der ForstschädenAusgleichsfonds, s.o. 2.3.2) oder Beteiligungen. Weiter nimmt der Gesetzgeber Flächen, die zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung verpachtet sind, vom Verwaltungsvermögen aus.67 Nicht eindeutig dagegen ergibt sich aus dem Gesetz, ob auch der Wohnteil und die Betriebswohnungen vom Verwaltungsvermögen ausgenommen sind. U.E. erschiene es jedoch widersprüchlich, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehörenden Wohnteile und Betriebswohnungen einerseits vom begünstigten Vermögen auszuschließen, andererseits aber dieselben Wirtschaftsgüter dem Verwaltungsvermögen zuzurechnen, mit der Folge, dass dadurch die Verschonung des begünstigten Wirtschaftsteils gefährdet wird. Über-
62
63
64
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66 67
gelten lassen. Dies lässt sich jedoch u.E. weder dem Wortlaut noch Sinn und Zweck des Gesetzes entnehmen. Die Begünstigung erfasst auch entsprechendes Vermögen innerhalb der EU-/EWRStaaten; vgl. § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Bei Kapitalgesellschaften ist allerdings Voraussetzung, dass der Erblasser oder Schenker zu mindestens 25 % am Nennkapital beteiligt war, vgl. § 13b Abs. Nr. 3 ErbStG. Im Gegensatz dazu kommt es bei der mitunternehmerischen Beteiligung an einer Personengesellschaft nicht auf die Beteiligungsquote an. Stückländereien definiert nunmehr § 160 Abs. 7 BewG als einzelne land- und forstwirtschaftliche Flächen, die am Bewertungsstichtag für mindestens 15 Jahren einem anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind. Laut § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG gehören zum Verwaltungsvermögen u.a. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von höchstens 25 %, Wertpapiere und vergleichbare Forderungen, Kunstgegenstände. § 158 Abs. 4 BewG. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 lit. e) ErbStG. Die Vorschrift differenziert nicht danach, ob es sich bei den verpachteten Flächen um sog. Stückländereien (s.o. Fn. 60) handelt oder nicht.
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dies spricht gegen die Zuordnung von Wohnteil und Betriebswohnungen zum Verwaltungsvermögen, dass als Vergleichsmaßstab für die Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote lediglich der Wert des Wirtschaftsteils (und nicht der Wert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens) heranzuziehen ist.68 b) Behaltensfrist Für den Erwerber eines Forstbetriebs ist insbesondere die fünfjährige Behaltensfrist von Bedeutung, die sich bei Inanspruchnahme der Optionsverschonung auf sieben Jahre erhöht.69 Veräußert der Betriebsnachfolger innerhalb der Behaltensfrist den Betrieb oder wesentliche Teile desselben, so vermindert sich die gewährte Verschonung im Verhältnis der noch nicht abgelaufenen zur gesamten Behaltensfrist. Gleiches gilt bei einer Aufgabe des Betriebs, bei der Entnahme wesentlicher Wirtschaftsgüter oder in dem Fall, dass Flächen, bei denen in absehbarer Zeit eine anderweitige Nutzung im Raum steht, nicht mehr selbst bewirtschaftet werden. Parallel zum Nachbewertungsvorbehalt (s.o. 3.1.2) ist aber auch bei der Behaltensfrist die Möglichkeit vorgesehen, den Veräußerungserlös innerhalb einer – knapp bemessenen – Frist von sechs Monaten wiederum in „entsprechendes Vermögen“ zu reinvestieren und dadurch einer Nachversteuerung zu entgehen.70 c) Lohnsummenregelung Die zweite wesentliche Auflage betrifft die Lohnsumme des Betriebs: Die volle Gewährung der Verschonung ist daran geknüpft, dass die kumulierte Lohnsumme nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme71 nicht unterschreitet.72 Bei der Optionsverschonung darf die Lohnsumme nach einer Frist von sieben Jahren 700 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten. Indes findet die Lohnsummenregelung nur Anwendung, wenn der Betrieb mehr als 20 Mitarbeiter hat und dürfte damit für Forstbetriebe regelmäßig keine Rolle spielen.73
3. Erbschaft- und Schenkungsteuer Im Juli 2010 setzt Herr Müller seinen lang vorbereiteten Plan in die Tat um, seinem Sohn den Forstbetrieb in vorweggenommener Erbfolge zu übertragen. Nach 68 69 70 71
72 73
§ 13b Abs. 2 S. 5 ErbStG. § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 2 ErbStG. Vgl. § 13a Abs. 5 S. 2, 3 ErbStG. Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Wirtschaftsjahre vor dem Übertragungsstichtag, vgl. § 13a Abs. 1 S. 3 ErbStG. § 13a Abs. 1 S. 2, 5, Abs. 4, 8 ErbStG. § 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG.
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Baumartenzusammensetzung, Altersklassen und Ertragsklassen errechnet sich für den Forstbetrieb ein gemeiner Wert (Mindestwert als Fortführungswert) von rund 770.000 EUR (entspricht ca. 0,15 EUR/qm). Vor dem Hintergrund, dass der Betrieb keine Arbeitnehmer beschäftigt und zum anderen als Familienbetrieb auch noch für die nächste Generation erhalten werden soll, entschließt sich Herr Müller jun., die Vollverschonung in Anspruch zu nehmen. Verwaltungsvermögen ist nicht vorhanden. Aus der Übertragung fällt damit zunächst keine Erbschaftsteuer an. Die latente Erbschaftsteuerbelastung für den Fall eines Verstoßes gegen die Wohlverhaltensregeln beläuft sich – nach Berücksichtigung des persönlichen Freibetrags für Kinder in Höhe von 400.000 Euro74 – im ersten Jahr nach der Schenkung auf 779.000 Euro.75 Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Verstoß zwei Sanktionen gleichzeitig auslöst: Zum einen entfällt die Verschonung im ersten Jahr in voller Höhe, zum anderen ist aufgrund des Nachbewertungsvorbehalts nachträglich der Liquidationswert anzusetzen, hier also der Verkehrswert von 5.000.000 Euro abzüglich eines pauschalen Abschlags von 10 %. In den folgenden Jahren würde sich der Wegfall der Verschonung jeweils um ein Siebtel verringern. Obwohl der Nachbewertungsvorbehalt während einer Frist von 15 Jahren anzuwenden ist, hat Herr Müller jun. nach Ablauf von sieben Jahren seine wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit in vollem Umfang wieder gewonnen: Dann ist die Verschonung zu 100 % „verdient“, sodass sich eine nachträgliche Bewertung mit dem Liquidationswert nicht mehr auf die Besteuerung auswirken kann. Anders wäre dies nur bei der Regelverschonung: Hier wirkt sich die erhöhte Bewertung auch nach Ablauf der Behaltensfrist noch auf die zu versteuernden 15 % des begünstigten Vermögens aus.
IV. Zusammenfassung und Vergleichsszenario 1. Zusammenfassung Betrachtet man den Forstbetrieb Müller aus steuerlicher Perspektive, so stellt sich die laufende Besteuerung – vereinfacht – folgendermaßen dar: Kaufpreis/Verkehrswert Forstbetrieb (500 ha)
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75
5.000.000 EUR
§ 16 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG. Der Freibetrag kann alle zehn Jahre einmal in Anspruch genommen werden. Der Steuersatz beläuft sich in der Steuerklasse I bei einem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs zwischen 600.000 und 6.000.000 Euro (hier: 4.100.000 Euro) auf 19 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG).
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Laufende jährliche Rendite nach Grund- und Jagdsteuer (1,5 %)
75.000 EUR
Jährliche Steuerbelastung mit Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag – ohne Kirchensteuer – (42 %)
33.750 EUR
Verbleiben zur freien Verfügung
41.250 EUR
247
Der zur freien Verfügung verbleibende Betrag beläuft sich auf 41.250 Euro. Bezogen auf den eingesetzten Kaufpreis von 5.000.000 Euro (ohne Anschaffungsnebenkosten) entspricht dies einer Rendite nach Steuern von 0,825 %. Dabei sind noch keine größeren betrieblichen Investitionen, z.B. in Gebäude oder Maschinen, berücksichtigt. Im Zusammenhang mit der vorweggenommenen Erbfolge entstehen (mögliche) zusätzliche Belastungen: x Müsste Herr Müller jun. aus dem verbleibenden jährlichen Gewinn an seinen Vater eine Versorgungsrente leisten, wäre es ihm faktisch kaum noch möglich, gleichzeitig seinen eigenen Lebensunterhalt aus dem Forstbetrieb zu bestreiten. Herr Müller sen. darf also zur Finanzierung seiner Rente nicht auf den Forstbetrieb angewiesen sein. x Über Herrn Müller jun. schwebt eine latente Erbschaftsteuerlast in Höhe von 779.000 Euro (entspricht etwa dem 18,9fachen des jährlich zur freien Verfügung stehenden Betrags), die sich aufgrund der Optionsverschonung in den folgenden sieben Jahren jeweils um ein Siebtel abbaut. x Parallel zur Übertragung des Forstbetriebs möchte Herr Müller seinem zweiten Sohn einen Ausgleich zukommen lassen. Eine Abfindung zum Verkehrswert ist aus den Erträgen des Forstbetriebs nicht zu leisten. Auch ein angenommener Pflichtteil von 1/8 neben Ehefrau und erstem Sohn beliefe sich noch auf 625.000 Euro.76 Eine Teilung des Forstbetriebs erscheint demgegenüber neben praktischen Fragen insbesondere vor dem Hintergrund der aufgezeigten Rendite wirtschaftlich unvernünftig.
76
Ggf. würde bei der Berechnung des Pflichtteils – ebenso wie im Rahmen einer Erbauseinandersetzung – das erbrechtliche Ertragswertprivileg zu Gunsten der Fortführung eines Landguts eingreifen, vgl. §§ 2049, 2312 BGB. Unter den Begriff des „Landguts“ fällt dabei auch ein Forstbetrieb.
248
Gerhard Bruckmeier / Hermann Graf Nesselrode
2. Vergleichsszenario:77 Hätte Herr Müller statt in Waldflächen den Betrag von 5.000.000 Euro in Kapitalanlagen mit einer angenommenen jährlichen Rendite von durchschnittlich 4 % angelegt, ergäbe sich folgendes steuerliche Alternativ-Szenario:
Anschaffungskosten/Verkehrswert Kapitalanlagen
5.000.000 EUR
Laufende jährliche Rendite (4 %)
200.000 EUR
Jährliche Steuerbelastung mit Abgeltungsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag – ohne Kirchensteuer – (26,375 %) Verbleiben zur freien Verfügung
52.750 EUR
147.250 EUR
x Der zur freien Verfügung verbleibende Betrag beliefe sich auf 147.250 Euro. Bezogen auf den eingesetzten Kaufpreis von 5.000.000 Euro (ohne Anschaffungsnebenkosten) entspricht dies einer Rendite nach Steuern von 2,945 %. Der Ertrag entspräche also in etwa dem 3,6fachen dessen, was Herr Müller mit dem Forstbetrieb erwirtschaften kann. x Im Zusammenhang mit einer Schenkung des Kapitalvermögens im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge entstünden (mögliche) zusätzliche Belastungen: x Auch bei Zahlung einer Versorgungsrente aus dem verbleibenden jährlichen Gewinn an seinen Vater könnte Herr Müller jun. auch selbst noch über einen wesentlichen Betrag selbst verfügen. x Herr Müller jun. müsste Schenkungsteuer in Höhe von 874.000 Euro bezahlen.78 Dies entspricht etwa dem 5,9fachen des jährlich zur freien Verfügung stehenden Betrags. Die Verschonungsregelungen greifen nicht ein; demnach sind auch keine Wohlverhaltenspflichten zu beachten. x Eine Teilung des Kapitalvermögens unter den beiden Söhnen wäre unproblematisch möglich. Dadurch würde sich die Erbschaftsteuer verringern, da beide Söhne jeweils den Freibetrag von 400.000 Euro in Abzug bringen können.
77
78
Der Vergleich bezieht sich rein auf die Rendite und deren Besteuerung. Erwägungen zur Wertentwicklung und zur Risikostruktur der jeweiligen Investition bleiben außen vor. Wert des steuerpflichtigen Erwerbs nach Abzug des persönlichen Freibetrags von 400.000 Euro (§ 16 ErbStG): 4.600.000 Euro. Steuersatz: 19 % (§ 19 ErbStG).
Waldeigentum und Steuern
249
3. Fazit Der Steuergesetzgeber trägt den Besonderheiten des Waldeigentums u.a. Rechnung, indem er Sonderregelungen für Kalamitäten geschaffen hat und – unter Auflagen – bei einer unentgeltlichen Übertragung des Forstbetriebs den Ansatz des Fortführungswerts sowie eine Verschonung vorsieht. Unabhängig davon bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass der Aufbau einer nur auf einen Forstbetrieb gestützten Existenz in Deutschland a) ohne Eigenkapital zum Scheitern verurteilt ist und b) nur bei einer Größenordnung möglich erscheint, für die es faktisch keinen Markt gibt. Entsprechendes gilt auch für die – vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise derzeit stark nachgefragten – „Waldinvestments“: Zwar mögen Grund und Boden und – bei nachhaltiger Bewirtschaftung sowie ungeachtet möglicher Kalamitäten – auch das aufstehende Holz zumindest in ihrem Bestand „sicher“ sein. Da aber Fondsstrukturen stets zusätzlichen Aufwand mit sich bringen, lässt sich – jedenfalls in Deutschland – eine nachhaltige Rendite von 1,5 % vor Steuern allenfalls dann erzielen, wenn der Fonds a) Flächen in erheblichem Umfang b) mit Eigenmitteln erwerben kann und c) sowohl beim Aufbau der Fondsstruktur als auch in der laufenden Bewirtschaftung der Fondsflächen einen hohen Grad an Professionalität erreicht.
V. Literatur Altehoefer, Klaus/Bauer, Karl-Heinz/Eisele, Dirk/Fichtelmann, Helmar/Walter, Helmut, Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 6. Aufl. 2009
Bruckmeier, Gerhard, Das Wirtschaftsgut Wald, AUR 2010, 173 Depenheuer, Otto, Ist ein ertragswertorientiertes Bewertungsverfahren anhand von Reinerträgen für land- und forstwirtschaftliches Vermögen mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts – 1 BvL 10/02 v. 07.11.2006 – vereinbar? – Kurzgutachten im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbände e.V., der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände e.V. und des Deutschen Bauernverbandes Kirchhof, Paul, Einkommensteuergesetzbuch, Ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 2003 Kirchhof, Paul/Söhn, Hartmut/Mellinghoff, Rudolf (Hrsg.), EStG, Kommentar, Loseblattsammlung Kleeberg, Rudolf, Der Bilanzposten „stehendes Holz“ in der Forstwirtschaft bei fehlendem Bestandsvergleich, FR 1998, 189 Graf Nesselrode, Hermann, Ertragsbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft in Europa, 2009 Schwarting, Gunnar, Kommunale Steuern, 2. Aufl. 2007 Tipke, Klaus, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. 2003 Tipke, Klaus/Lang, Joachim, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010
§ 14 Gewässerunterhaltung und Wald in Nordostdeutschland – Analyse der Rechtsentwicklung aus hydrologischer und ökonomischer Sicht –
Reimar v. Alvensleben
I. Das Problem Das derzeitige System der Gewässerunterhaltung ist insbesondere in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und z.T. auch in Mecklenburg-Vorpommern heftig umstritten1. Das System verursache schwere ökonomische und ökologische Schäden. Die Finanzierung und die Refinanzierung der Gewässerunterhaltung über einen undifferenzierten Flächenmaßstab seien zudem ungerecht, da sie nicht am Vorteilsbzw. Verursacherprinzip orientiert ist. Der Wald und die Naturschutzflächen seien in der Regel weder Verursacher der Kosten der Gewässerunterhaltung, noch hätten sie durch die Maßnahmen Vorteile. Im Gegenteil: Häufig würden sie durch die Entwässerung sogar geschädigt. Durch die Anwendung des Flächenmaßstabes bei der Umlage der Gewässerunterhaltungskosten werde die Entwässerung versiegelter Flächen aus den ohnehin geringen Erträgen des Waldes quersubventioniert. Die Kosten der Gewässerunterhaltungsverbände seien außerdem überhöht und die Verwaltungskosten der Gemeinden beim Gebühreneinzug seien zumeist höher als die einzuziehenden Gebühren. Es bestünden erhebliche Einsparpotentiale. Die Grundeigentümer bzw. Flächennutzer hätten kein Mitspracherecht in den Gewässerunterhaltungsverbänden, obwohl sie die Hauptlast der Finanzierung zu tragen haben. Die Wasser- und Bodenverbände hätten sich von den früher in Preußen und in anderen Bundesländern bewährten Selbstverwaltungskörperschaften zu semistaatlichen Institutionen entwickelt, die keiner wirksamen Kontrolle mehr unterliegen, Eigenziele verfolgen und weitgehend losgelöst von den Interessen derjenigen operieren, die sie finanzieren. Es bestehe eine große Rechtsunsicherheit: Allein in Brandenburg waren mehrere tausend Gerichtsverfahren gegen die Belastung des Waldes mit Gewässerunterhaltungskosten anhängig. Hierbei kam es 1
Vgl. v. Alvensleben, Reimar (2004): Warum die Waldbauern in Brandenburg protestieren. Agra-Europe 37/4 (5 S.).
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
252
Reimar v. Alvensleben
zu Wechselwirkungen zwischen Politik und Justiz: Die Justiz verwies auf die Politik, die Politik auf die Justiz. Politikwissenschaftler bezeichnen einen solchen Zustand als System kollektiver Verantwortungslosigkeit. Sowohl umweltökonomische2 als auch institutionenökonomische3 Analysen weisen auf einen erheblichen Reformbedarf hin. Auch eine rechtswissenschaftliche Dissertation4 kommt zu dem Ergebnis, dass „das herkömmliche Gewässerunterhaltungsrecht insgesamt auf seine umweltschutzgerechte, differenzierte und damit gleichheitsrelevante Bemessung hin überprüfungsbedürftig“ sei. Der folgende Beitrag untersucht aus hydrologischer und ökonomischer Sicht, wie es zu diesen Fehlentwicklungen gekommen ist.
II. Gewässerunterhaltung: ein Optimierungsproblem Man denke sich eine Insel, die vollkommen mit Wald bewachsen ist. Dieser Wald besteht in den tiefer gelegenen feuchten Gebieten aus Erlenbrüchen, auf den angrenzenden, höher gelegenen trockeneren Standorten aus Laub- und Nadelholz. Die Baumartenzusammensetzung im natürlichen Ökosystem Wald passt sich an die jeweiligen Feuchtigkeitsverhältnisse an. Darum benötigt der Wald grundsätzlich keine Gewässerregulierung5. Die Notwendigkeit einer Gewässerregulierung entstand erst, als man begann, Teile der Erlenbrüche trocken zu legen, in Wiesen umzuwandeln und landwirtschaftlich zu nutzen. Die Anlage der Gräben und deren Unterhaltung gehören zu den Aufgaben des landwirtschaftlichen Betriebes, wie das Pflegen, Düngen und Mähen der Wiese. Die Bestimmung der Intensität dieser Maßnahmen ist ein betriebswirtschaftliches Optimierungsproblem: Der Bauer hat zu entscheiden, wie 2
3
4
5
v. Alvensleben, Reimar (2000): Gewässerunterhaltung in Brandenburg aus umweltökonomischer Sicht. 5. Naturschutztag: Wasser in der Landschaft und Jubiläumsfeier zum 10jährigem Bestehen des NABU Brandenburg am 1.4.2000 in Potsdam, veröffentlicht in: NABU Brandenburg (Hrsg.): Wasser in der Landschaft. Jubiläumsband zum 5. Naturschutzband des NABU Brandenburg. Potsdam, S. 19-28. Monsees, Jan (2006): Governancestrukturen für Gewässerunterhaltung – eine vergleichende Institutionenanalyse der deutschen Wasser- und Bodenverbände und ihre Alternativen. Dissertation TU Berlin – veröffentlicht bei Nomos Verlagsgesellschaft, BadenBaden 2008. Simons v. Bockum gen. Dolffs, Modest (2006): Die Gewässerunterhaltung durch Wasserverbände und die Kostentragung durch deren Mitglieder – exemplarisch dargestellt anhand der Rechtslage in Brandenburg. Dissertation Universität Kiel. 2008. Vgl. Bork, Hans-Rudolf (2001): Der Landschaftswasserhaushalt Mitteleuropas – Historische Entwicklung und Zukunftsperspektiven. Landesumweltamt (Hrsg.): Ökologietage III – Landschaftswasserhaushalt in Brandenburg – Tagungsbericht November 2000. Studien und Tagungsberichte, Band 28.
Gewässerunterhaltung und Wald in Nordostdeutschland
253
groß die Gräben ausgelegt und wie häufig sie geräumt werden, wie viel gedüngt und wie häufig gemäht wird und welche Technologien dabei eingesetzt werden. Hierbei sind alle Maßnahmen aufeinander abzustimmen, um ein optimales Verhältnis von Kosten und Nutzen zu erzielen, d.h. die Festlegung der Intensität der Gewässerunterhaltung ist Teil eines betriebswirtschaftlichen Optimierungsproblems, das nicht losgelöst von den übrigen betrieblichen Maßnahmen entschieden werden kann. Dabei wird die erforderliche Intensität der Gewässerunterhaltung umso größer, je mehr Wälder in landwirtschaftliche Flächen (und Verkehrs- und Siedlungsflächen) umgewandelt werden. Je geringer der Waldanteil auf der Insel ist, desto geringer sind die Verdunstung und die abflussdämpfende Wirkung der Waldvegetation, desto größer sind die abzuführenden Wassermengen und damit die Kosten der Gewässerunterhaltung. Wie alle landwirtschaftlichen Tätigkeiten unterliegen die Entscheidungen über die Intensität der Gewässerunterhaltung einem Witterungsrisiko. Wiesen können x nach Starkregenereignissen vernässen, insbesondere wenn die Gewässer zu wenig unterhalten werden, oder x in Trockenperioden vertrocknen, insbesondere wenn als Folge zu intensiver Unterhaltung zuviel Wasser abgeführt wurde. Vor Entscheidungen über die Gewässerunterhaltung sind also stets auch KostenRisiko-Abwägungen erforderlich. Das Problem ist allerdings noch komplexer: Die Entwässerung der Wiesen führt zu einem beschleunigten und verstärkten Wasserabfluss und damit zu einer Absenkung der Grundwasserstände, nicht nur im Bereich der neu angelegten Wiesen, sondern auch in den umliegenden Wäldern. Dies führt dort zu Zuwachsverlusten und längerfristig zu einer Anpassung des Baumartenspektrums zu weniger ertragreichen Baumarten mit geringeren Feuchtigkeitsansprüchen. Bei der Bestimmung der optimalen Intensität der Gewässerunterhaltung müssen also auch die Rückwirkungen auf die umliegenden Waldflächen berücksichtigt werden. Das Problem hat außerdem noch eine zeitliche Dimension: Durch die Umwandlung der Erlenbrüche sind Niedermoorwiesen entstanden, deren Moorkörper bei einer Entwässerung mineralisiert wird und schrumpft. Die Schrumpfungsrate kann auf etwa einen Zentimeter pro Jahr geschätzt werden. Das heißt: Niedermoorwiesen, die vor hundert Jahren trockengelegt wurden, liegen heute um einen Meter tiefer als früher. Entsprechend mussten die Entwässerungsgräben vertieft werden,
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Reimar v. Alvensleben
was zu einem ständig steigenden Grundwasserentzug im umliegenden Wald führte6.
III. Derzeitige wasserrechtliche Regelungen: Überblick Wie werden die o.g. Probleme auf der rechtlichen Ebene behandelt? Die Unterhaltung eines oberirdischen Gewässers umfasst nach § 39 Wasserhaushaltsgesetz (WHG vom 31.7.2009) seine Pflege und Entwicklung als öffentlich-rechtliche Verpflichtung (Unterhaltungslast). Damit wird sie nicht mehr vorrangig als eine betriebswirtschaftliche Aufgabe verstanden – im Gegensatz zu anderen betrieblichen Funktionen in der Landwirtschaft, wie Entwässerung durch Dränagen, Bewässerung durch Beregnung, Pflügen, Säen, Pflegen und Ernten, über deren Gestaltung der Landwirt in eigener Verantwortung im Rahmen bestehender Gesetze selbst entscheiden kann. Die Begründung liegt darin, dass die Gewässerregulierung häufig nicht nur einen einzelnen Landwirt betrifft, sondern auch andere Landnutzer und den Naturhaushalt, deren Belange zu berücksichtigen sind. Als Träger der Unterhaltungslast sieht das Bundesgesetz (§ 40 WHG vom 31.7.2009) grundsätzlich den Eigentümer des Gewässers vor. Die Gewässerunterhaltung kann aber nach landesrechtlichen Vorschriften Aufgabe von Gebietskörperschaften, Wasser- und Bodenverbänden, gemeindlichen Zweckverbänden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechtes sein. Von dieser Ermächtigung haben die Bundesländer bei den Gewässern 2. und 3. Ordnung (soweit vorhanden) in sehr unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht. In den süddeutschen Ländern einschließlich Sachsen, Thüringen, Hessen und großen Teilen NordrheinWestfalens ist die Gewässerunterhaltung in der Regel Aufgabe der Gebietskörperschaften (Gemeinden, Kreisen und anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften). Dagegen obliegt sie in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in der Regel den Unterhaltungsverbänden. Diese sind Selbstverwaltungskörperschaften, deren Arbeitsweise im Gesetz über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz des Bundes vom 12.2.1991 – WVG) bzw. in den verschiedenen Landesgesetzen geregelt ist. Mitglieder der Wasser- und Bodenverbände sind entweder die betroffenen Grundeigentümer (dingliche Mitglieder) oder Körperschaften öffentlichen Rechts (z.B. Gemeinden). Auch hier bestehen in den Ländern unterschiedliche Regelungen. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen gibt es sowohl Verbände mit Gemeindemitgliedschaft (vor allem in Südniedersachsen) als auch Verbände mit direkter 6
Nach einer Schätzung der „Projektgruppe Landschaftswasserhaushalt“ (2003) gingen durch die Feuchtgebietsmelioration 83 % der funktionstüchtigen Auen und Moore in Brandenburg verloren. Allein in den letzten 30 Jahren der DDR entstand ein Totalverlust an Moorfläche von schätzungsweise 55.000 ha.
Gewässerunterhaltung und Wald in Nordostdeutschland
255
Mitgliedschaft der Grundeigentümer. Letztere unterhalten vor allem die Gewässer 3. Ordnung (Niedersachsen) bzw. Gewässer mit untergeordneter wasserwirtschaftlicher Bedeutung (Schleswig-Holstein). Das sind in erster Linie Meliorationsgräben, die vornehmlich der Verbesserung landwirtschaftlicher Flächen dienen (siehe Kasten: Was sind Meliorationsgräben?). Dagegen sind in den neuen Bundesländern Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern durch landesrechtliche Sondergesetze nur noch Verbände mit reiner oder überwiegender Gemeindemitgliedschaft geschaffen worden. Zugleich ist dort die Kategorie der Gewässer 3. Ordnung entfallen. Die Kosten der Gewässerunterhaltung sollen grundsätzlich von den Grundeigentümern getragen werden, die von der Unterhaltung Vorteile haben oder die Unterhaltung erschweren. Allerdings sieht § 40 WHG vor, dass auch sonstige Eigentümer im Einzugsgebiet an den Kosten beteiligt werden können. Von dieser Ausnahmeregelung haben die Länder Niedersachsen (allerdings nur für die Gewässer 2. Ordnung), Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg Gebrauch gemacht. Hiervon ist insbesondere der Wald in Sachsen-Anhalt und Brandenburg betroffen.
IV. Exkurs: Was sind „Meliorationsgräben“? Unter Melioration versteht man „Technische Maßnahmen zur Werterhöhung des Bodens bzw. zur Ertragsverbesserung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen“ (Der Brockhaus. 2. neu bearbeitete Auflage. Mannheim, Leipzig 1995, S. 460). Ein Teilbereich der Melioration ist die Hydromelioration, d.h. die Verbesserung der Bodennutzung durch Be- und Entwässerung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Hierzu dienen einerseits unterirdisch verlegte Dränagen, andererseits offene Gräben, die so genannten Meliorationsgräben. Letztere werden im Brandenburger Gewässererlass (Runderlass III Nr. 9/1997 des Ministeriums des Innern in Brandenburg – III/2-70-01) definiert als „künstlich geschaffenes Gewässerbett, das der Verbesserung der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung durch Be- oder Entwässerung dient“. Hydromelioration dient fast ausschließlich der landwirtschaftlichen Bodennutzung. Sie spielt in der Forstwirtschaft (zumindest unter nordostdeutschen Bedingungen) keine Rolle, da sich die Baumartenzusammensetzung an die natürlichen hydrologischen Verhältnisse anpassen kann (z.B. Erlen auf den Feuchtstandorten, Kiefern auf den Trockenstandorten), wobei die Erträge in der Regel um so höher sind, je mehr Feuchtigkeit zur Verfügung steht. In einzelnen Bundesländern (z.B. Sachsen-Anhalt) ist die Hydromelioration im Wald wegen der negativen ökologischen Folgen untersagt. Für die Unterhaltung der Dränagen hat der Bodennutzer selbst zu sorgen, während die Unterhaltung der (offenen) Meliorationsgräben in Brandenburg, Sachsen-
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Reimar v. Alvensleben
Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern als Gewässer 2. Ordnung den Gewässerunterhaltungsverbänden übertragen wurde. Hierbei ergibt sich jedoch eine Grauzone, weil die Unterhaltung von Gräben, die nur ein Grundstück entwässern, nicht den Unterhaltungsverbänden obliegt. Meliorationsgräben sind in Niedersachsen weitgehend identisch mit den Gewässern dritter Ordnung. Sie machen dort 82 % der zu unterhaltenden Gewässerstrecke aus, während auf die Gewässer zweiter Ordnung 18 % entfallen. Ähnliche Verhältnisse dürften in Brandenburg vorliegen, wenn es die Unterscheidung zwischen Gewässern zweiter und dritter Ordnung noch gäbe. Wichtig ist dabei der Sachverhalt, dass die heutigen Gewässer zweiter Ordnung in Brandenburg ganz überwiegend Meliorationsgräben sind, die ausschließlich oder vorrangig der Verbesserung der landwirtschaftlichen Bodennutzung dienen. Ihre Länge wird auf 80 % der Fließgewässerstrecke geschätzt (Projektgruppe Landschaftswasserhaushalt, 2003). Die Unterhaltung der Meliorationsgräben ist wie die Unterhaltung der Dränagen eindeutig gruppennützig, d. h. ihr Nutzen ist einzelnen oder mehreren landwirtschaftlichen Betrieben zuzuordnen, nicht jedoch dem Wald, der durch die Entwässerung benachbarter landwirtschaftlicher Flächen eher Nachteile als Vorteile hat und deshalb auch nicht zur Finanzierung der Unterhaltung von Meliorationsgräben herangezogen werden sollte.
V. Zwischenergebnis: Auswirkungen auf den Wald Die oben skizzierten wasserrechtlichen Regelungen haben – insbesondere in Brandenburg und Sachsen-Anhalt – folgende Auswirkungen auf den Wald: 1. Der Grundeigentümer hat keinen Einfluss mehr auf die Intensität der Gewässerunterhaltung und deren Kosten. Die Entscheidungen sind in die Verbandsgremien verlagert, deren Mitglieder in der Regel keine Informationen über die betriebswirtschaftliche Situation des Bauern haben. Sachgerechte KostenNutzen (Risiko)-Abwägungen sind somit nicht mehr möglich, was tendenziell zu einer Erhöhung der Gewässerunterhaltungskosten führt, die erheblich sein kann.7 2. Die so überhöhten Gewässerunterhaltungskosten werden nach dem Flächenmaßstab auf die Gesamtfläche umgelegt – also auch auf den Wald, der im o.g. Fall nicht nur keinen Vorteil hat, sondern durch den Grundwasserentzug sogar geschädigt wird. Hierfür gibt es vor allem folgende juristische Begründungen:
7
Siehe genauere Begründung für diese Feststellung bei v. Alvensleben, Reimar (2000), a.a.O.
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o Das dem Wald entzogene Grundwasser sei eine Emission, das die Gewässerunterhaltung erschwere. o Es sei als ein Vorteil anzusehen, dass der Verband die eigentlich dem Grundeigentümer obliegende Unterhaltungslast übernimmt. Um diese, dem normalen Rechtsempfinden nicht mehr erschließbare Argumentation verstehen und einordnen zu können, muss man die diesbezügliche Rechtsentwicklung nachzeichnen.
VI. Entwicklung des Umlagerechts Das alte preußische Recht8 sah als Voraussetzung für eine Zwangsmitgliedschaft in einer Wassergenossenschaft u.a. vor, dass den Beteiligten mittelbare oder unmittelbare Vorteile in Aussicht gestellt werden, d.h. Reinvorteile, bei denen der Vorteil größer ist, als die zu erwartenden Genossenschaftslasten. Ein solcher Vorteil konnte auch in der Befreiung von der seitherigen Verpflichtung zur Unterhaltung eines Wasserlaufes liegen9. Wer keinen Vorteil hat, konnte Beitragsfreiheit verlangen. Wer einen dauernden Nachteil hatte, konnte aus der Genossenschaft ausscheiden. Mit dem Wasserhaushaltsgesetz von 1957 wurde die Unterhaltungspflicht ausgedehnt. Sie „obliegt – soweit sie nicht Aufgabe von Gebietskörperschaften, von Wasser- und Bodenverbänden oder gemeindlichen Zweckverbänden ist, den Eigentümern der Gewässer, den Anliegern und denjenigen Eigentümern von Grundstücken und Anlagen, die aus der Unterhaltung Vorteile haben oder die Unterhaltung erschweren. Die Länder können bestimmen, dass die Unterhaltung auch anderen Eigentümern von Grundstücken im Einzugsgebiet obliegt...“ (§ 29 WHG von 1957, Satz 1 und 2, übernommen in § 40 WHG vom 31.7.2009). Unterhaltspflichtig sind also auch die Erschwerer, sowie bei entsprechender landesgesetzlicher Regelung zusätzlich andere Eigentümer im Einzugsgebiet. Mit dieser Ausweitung sollte – laut Kommentar Czychowski10 – mindestens die Unterhaltung größerer Gewässer auf breitere Schultern gelegt werden. In Niedersachsen hat man auf der Grundlage der Ermächtigung in § 29, Satz 2 WHG von 1957 den reinen Flächenmaßstab eingeführt – allerdings nur für Gewässer 2. Ordnung, die 18 % der Gewässer 2. und 3. Ordnung ausmachten. Für die Gewässer 3. Ordnung (82 %), also für die so genannten Meliorationsgräben, gilt weiter das Vorteilsprinzip. Die Waldbesitzer, die durch eine solche Regelung benachteiligt wurden, erhielten einen Ausgleich aus Landesmitteln.
8 9 10
Bitter (1928): Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung, 3. Aufl. II, S. 1038. OVG in ZfA, 7, 227 (zitiert bei Bitter, s.o.). Kommentar von Manfred Czychowski zum WHG (7. Aufl. 1998), Anm. 2, S. 1039.
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Reimar v. Alvensleben
Der Fall, dass Grundeigentümer durch die Gewässerunterhaltung einen dauernden Nachteil haben, wurde im neuen WHG offenbar gar nicht mehr geregelt. Möglicherweise war er – im Gegensatz zum alten Preußen – im Gebiet der damaligen Bundesrepublik wegen der höheren Niederschläge nicht mehr relevant. Das Bundesverwaltungsgericht begründete in einem Grundsatzurteil vom 23.5.1973 (BVerwG IV C 21.70) die Rechtmäßigkeit des reinen Flächenmaßstabes in Niedersachsen damit „dass die zu unterhaltenden Gewässer auf allen Flächen eines Einzugsgebietes gleichmäßig fallendes Niederschlagswasser abzuführen haben, jedes Grundstück also schon aufgrund seiner Lage im Niederschlagsgebiet Zubringer von Wasser zu der zu unterhaltenden Gewässerstrecke ist und dadurch die Gewässerunterhaltung erschwert“ und verwies dabei auf die damaligen Kommentare zum WHG. Es möge zwar zutreffen, dass “die Art und der Kulturzustand der in einem Niederschlagsgebiet gelegenen Grundstücke nicht ohne Einfluss darauf sind, welche Wassermengen sie den zu unterhaltenden Gewässern zuführen. Es liegt andererseits auf der Hand, dass der Umfang des Wasserabflusses vornehmlich bestimmt wird durch die auf ein Grundstück niedergehende Niederschlagsmenge, die ihrerseits wiederum in unmittelbarer Beziehung zur Grundstücksfläche steht und gerade darum sowohl in § 29 Abs.1 Satz 2 WHG als auch in § 83 Abs.2 NWG zur Anknüpfung der Unterhaltungslast an die Lage eines Grundstückes im Einzugs- bzw. Niederschlagsgebiet eines Gewässers geführt hat.” Jede Fläche im Niederschlagsgebiet sei demnach Erschwerer der Gewässerunterhaltung – also auch der Wald. Es sei deshalb folgerichtig, dass der Gesetzgeber den grundsätzlich vorgesehenen Vorteilsmaßstab zugunsten des Flächenmaßstabs zurückgedrängt habe. Es „ließe sich auch ein dem Beitrag korrespondierender Vorteil darin sehen, dass der Verband die an sich ihm obliegende Unterhaltungslast übernimmt“. Mit dieser Interpretation wird der Verband zu einer „Lastengemeinschaft“ ... „zur gemeinsamen Erfüllung einer Unterhaltungspflicht“. „Eine solche Verbandslast bedarf ... zu ihrer Rechtfertigung nicht des Nachweises eines äquivalenten Vorteils; sie ist vielmehr – wie im Verbandsrecht allgemein11 – die selbstverständliche Folge einer gesetzlich angeordneten Pflichtmitgliedschaft der davon betroffenen Grundeigentümer in einem öffentlich-rechtlichen Unterhaltungsverband“.
11
Dass das Gericht hier auf das allgemeine Verbandsrecht und nicht auf das spezielle Wasserverbandsrecht zurückgreift, dürfte sich dadurch erklären, dass die Gültigkeit des Gesetzes über die Wasser- und Bodenverbände (GWBV) von 1937 und der darauf aufbauenden Wasserverbandsverordnung (WWVO) nach dem Kriege und auch noch 1973 sehr umstritten war. Erst 1991 wurde das derzeitige Wasserverbandsgesetz (WVG) beschlossen. (siehe hierzu Monsees, 2008, a.a.O., S.45 ff. und die dort zitierte Literatur).
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Allerdings gilt dies nicht unbegrenzt: Die Gesetz- bzw. Satzungsgeber „können eine weitgehende Gestaltungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen. Ihr Spielraum endet erst dort, wo die gleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte wegen deren Unterschiede nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitssinn orientierten Betrachtungweise vereinbar ist...“. Zum Beispiel wäre – so das Gericht - auch der Einheitswert ein zulässiger Umlagemaßstab. Nach der Wiedervereinigung haben auch Sachsen-Anhalt und Brandenburg den reinen Flächenmaßstab eingeführt. Zugleich haben diese Länder seinen Anwendungsbereich – infolge des Wegfalls der Gewässer 3. Ordnung – auf die Unterhaltung der Meliorationsgräben ausgeweitet. In Mecklenburg-Vorpommern sieht das Gesetz dagegen das Vorteilsprinzip vor12. Von der starken Ausweitung des Anwendungsbereiches des Flächenmaßstabes wurde insbesondere der Wald betroffen, der jetzt auch noch die Unterhaltung der Meliorationsgräben, die vor allem landwirtschaftlichen Zwecken dienen, mitfinanzieren muss. Die in Niedersachsen ursprünglich gewährte Kompensation der Waldbesitzer durch Landeszuschüsse13 wurde in diesen Ländern dagegen nicht eingeführt. Bei der Übertragung der in Niedersachsen für die Gewässer 2. Ordnung entwickelten Rechtsnormen auf Brandenburg und Sachsen-Anhalt und bei ihrer Ausweitung auf die Meliorationsgräben (Gewässer 3. Ordnung) unterblieb die Prüfung, ob die o.g. sachliche Begründung für die Zurückdrängung des Vorteilsprinzips zugunsten des Flächenmaßstabes unter den hydrologischen Bedingungen beider Länder auf deren Gebiet und die Gewässer 3. Ordnung übertragbar ist. In dem ersten obergerichtlichen Urteil zu dieser Frage (OVG Magdeburg vom 6.12.2001 - 1L310/01) wird zwar anerkannt, „dass die Beitragshöhe bei der Anwendung des Maßstabes noch eine Verknüpfung zum Maß des Vorteils“ aufweisen sollte. Allerdings müsse der gewährte Vorteil kein materieller Vorteil sein, der sich positiv auf den Gebrauchswert eines Grundstückes auswirkt. „Vielmehr kann der Erhebungsanlass zulässigerweise auch in einer bloßen gesetzlichen Vermutung des Vorteils bestehen“. Hiermit ist die o.g. Annahme gemeint, dass jedes Grundstück in einem Niederschlagsgebiet Erschwerer der Gewässerunterhaltung sei. Das Gericht hat dabei nicht untersucht, ob diese gesetzliche Vermutung zutrifft, und wie die rechtliche Beurteilung ausfallen würde, wenn diese gesetzliche Vermutung falsch ist. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 4.6.2002 (BVerwG 9 B 15.02) anerkannt, „dass für die Inanspruchnahme eines Grundeigentümers ein sachgerechter Grund vorliegen muss und die Umlegung ihrerseits nicht sachunangemessen sein und nicht zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung 12
13
Dennoch sehen die Satzungen einiger Verbände den reinen Flächenmaßstab vor, der in diesen Fällen – gestützt auf die bisherige Rechtsprechung - als eine der Ausgestaltungsmöglichkeiten des Vorteilsprinzips angesehen wird. Diese Zuschüsse wurden inzwischen wieder abgebaut.
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führen darf“. Ob diese Voraussetzung im o.g. Fall vorliege, sei eine tatsächliche und keine grundsätzliche Frage, die eine Zulässigkeit der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht begründen könne. Also auch das BVerwG hatte sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob die Annahme, der Wald sei Erschwerer der Gewässerunterhaltung, auf die hydrologischen Verhältnisse in Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie auf die so genannten Meliorationsgräben in diesen Ländern übertragbar ist. Die erste Entscheidung in dieser Sachfrage in Brandenburg (Urteil des VG Potsdam vom 28.1.2004 – 8 K 2375/02) folgte im Ergebnis der aufgezeigten Entwicklung der Rechtsprechung. Allerdings gab es in der Begründung neue Entwicklungen: Die ursprüngliche hydrologische Begründung für die rechtliche Zulässigkeit des Flächenmaßstabes, wonach jedes Grundstück im Einzugsgebiet Erschwerer der Gewässerunterhaltung sei, wurde fast völlig zurückgedrängt. Dementsprechend wurde eine Überprüfung, ob die hydrologischen Voraussetzungen für die Anwendung des reinen Flächenmaßstabes in Brandenburg vorliegen, als rechtlich irrelevant abgelehnt – ebenso die Prüfung, ob ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG vorliegt. Während in allen vorherigen Urteilsbegründungen die Grenzen der Anwendbarkeit des reinen Flächenmaßstabes deutlich benannt wurden, gilt der Flächenmaßstab im Potsdamer Urteil ohne „Wenn und Aber“. Er bedürfe als reine Verbandslast keiner weiteren Rechtfertigung. Dieses Urteil wurde zwar durch das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 22.11.2006 aufgehoben, jedoch nur aufgrund formeller Fehler bei der Umlageerhebung. Ein weiteres Urteil des BVerwG vom 11.7.2007 (9 C 1.07 – 10 C 11.05 – OVG 1 L 314/04) über einen Fall in Sachsen-Anhalt folgte im wesentlichen den Begründungen im Urteil des OVG Magdeburg vom 6.12.2001, dem Beschluss des BVerwG vom 4.6.2002 und damit weiterhin dem Leiturteil des BVerwG vom 23.5.1973. Auf diese Urteile berief sich wiederum ein Beschluss des OVG BerlinBrandenburg vom 12.2.2010 (OVG 9 N 123.08 - 9 K 1936/01 Potsdam). Keines dieser Gerichte hat dabei ernsthaft und überzeugend die Frage geprüft, ob die im BVerwG-Urteil von 1973 gegebene hydrologische Begründung für die Zulässigkeit des reinen Flächenmaßstabes bei der Umlage der Gewässerunterhaltungskosten für die Gewässer 2. Ordnung in Niedersachsen auch im Falle der Meliorationsgräben, den früheren Gewässern 3. Ordnung in den nordostdeutschen Trockengebieten trägt.
VII. Zur hydrologischen Begründung des Flächenmaßstabes bei der Umlage der Gewässerunterhaltungskosten Die Annahme des BVerwG, „dass der Umfang des Wasserabflusses vornehmlich bestimmt wird durch die auf ein Grundstück niedergehende Niederschlagsmenge”
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ist unpräzise und bezogen auf die niederschlagsarmen Gebiete der östlichen Bundesländer sogar falsch. Der Umfang des Wasserabflusses eines Einzugsgebietes ist im langfristigen Durchschnitt die Differenz zwischen Niederschlag und Verdunstung14. Im langjährigen Mittel betragen die Niederschläge im Gebiet der alten Bundesländer 837 mm/Jahr und die Verdunstung 519 mm/Jahr. Der rechnerische Abfluss liegt demnach bei 318 mm/Jahr15. In Brandenburg beträgt im langjährigen Mittel der durchschnittliche (um den Faktor 1,1 korrigierte) Niederschlag 617 mm/Jahr, die Verdunstung 486 mm/Jahr und der rechnerische Abfluss 131 mm/Jahr. Für Sachsen-Anhalt errechnet sich ein Wasserabfluss von 121 mm/Jahr, für Mecklenburg-Vorpommern von 174 mm/Jahr16. Die Höhe der Verdunstung wird vornehmlich von der Art der Landnutzung bestimmt. Wald weist infolge der ganzjährigen Bodenbedeckung, der höheren Interzeptionsverdunstung und der tieferen Durchwurzelung im Vergleich zur landwirtschaftlichen Nutzung eine sehr viel höhere Verdunstung auf, so dass der Wasserabfluss erheblich niedriger ist. Nach Lysimeter-Untersuchungen der Ökologischen Station Britz verdunsten in Kiefernwäldern rund 98 % und in Buchenwäldern rund 81 % des Freilandniederschlages17. In den niederschlagsarmen Gebieten Nordostdeutschlands sind aufgrund der Wasserarmut Kiefernwälder vorherrschend (z.B. in Brandenburg 80 %). Dagegen ist die Verdunstung auf versiegelten Flächen nahe Null, sodass der Niederschlag fast vollständig abfließt. Bei landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen die Verdunstung und der Abfluss dazwischen. Fazit: Anders als in der bisher vorherrschenden Rechtsprechung angenommen, wird der Umfang des Wasserabflusses in diesen Gebieten nicht vornehmlich durch die Niederschlagsmenge, sondern vornehmlich durch die jeweilige Verdunstung von den betroffenen Grundstücken bestimmt. Weiterhin ist davon auszugehen, dass ein möglicherweise noch vorhandener rechnerischer Wasserabfluss im Wald nur zu einem Teil in die Gewässer 2. Ordnung gelangt. Der andere Teil versickert in die unteren Grundwasserstockwerke und wird dort zum Teil als Trink- und Brauchwasser gewonnen. Demzufolge wird die 14
15 16
17
Vgl. Lecher, K.: Klima, Wasserhaushalt, Gewässer. In: Taschenbuch der Wasserwirtschaft, herausgegeben von H. Bretschneider, K. Lecher, M. Schmidt, 7. Auflage, Hamburg, Berlin 1993, S. 109. Lecher, a.a.O., S. 112. Dannowski, R., Quast, J., Balla, H., Fritsche, S.: Eintragspfad Grundwasser im Lockergesteinbereich. In: W. Werner, H.P. Wodsack: Stickstoff- und Phosphateintrag in die Fließgewässer Deutschlands unter besonderer Berücksichtigung des Eintragsgeschehens im Lockergesteinsbereich der ehemaligen DDR. Dachverband Agrarforschung, Schriftenreihe agrarspectrum, Band 22, 1994, S. 20. Landesforstverwaltung Brandenburg (2001): Waldfunktionenkartierung, Wald in Wasserschutzgebieten, S.20.
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Gewässerunterhaltung durch den Wald in der Regel nicht erschwert. Im Gegenteil: Aufgrund der wasserspeichernden Funktion des Waldes (Zwischenspeicher) wird die Gewässerunterhaltung tendenziell erleichtert, da die Abflussganglinien gedämpft und die Gräben weniger groß ausgelegt werden müssen. Schließlich ist es befremdlich, dass der durch die Entwässerung der Agrar-, Siedlungs- und Verkehrsflächen verursachte Entzug von Grundwasser aus dem umliegenden Wald als eine Emission angesehen wird, die andere Grundstücke beeinträchtigt. Diese Auffassung mag in einigen regenreichen Gebieten Westdeutschlands - zumindest auf den ersten Blick - zutreffend sein, in den Trockengebieten Nordostdeutschlands stellt sich die Situation grundsätzlich anders da: Wasser ist dort der begrenzende Faktor für das Wachstum der Bäume. Der Wald wird durch die Grundwasserabsenkung in der Regel geschädigt. Hierfür gibt es viele Belege: x So schrieb Schlottmann18 in einem Artikel über das Rhinluch bereits im Jahr 1900: „Der schnell fließende Rhinkanal entstand, der Grundwasserstand wurde dadurch erniedrigt, mehr als in dem sandigen Boden wünschenswert ist. Während der Rhinkanal im Frühjahr zur Zeit des hohen Wasserstandes seine Aufgabe, das Gebiet zu entwässern, erfüllt, entzieht er dem Lande in der Sommerzeit, wenn die Pflanzenwelt im Sandboden ohnehin reichlicher Feuchtigkeit bedarf, noch unnütz Wasser.“ (– Im Gegensatz zu heute hatte man damals noch so viel Gerechtigkeitsempfinden, die in dieser Weise geschädigten Sandbauern und Waldbesitzer nicht noch zu den Kosten der Entwässerung zu veranlagen). x Mauersberger19 schätzte in einer Fallstudie die Ertragsminderung im Wald als Folge der Entwässerung auf der Ebene der Oberförstereien auf bis zu 30,DM/ha/Jahr. x Riek20 hat auf der Grundlage von Daten der Versuchsflächen des Spandauer Forst den Einfluss von Grundwasserabsenkungen auf den Grundflächenzuwachs bei Kiefern modelliert: Bei Grundwasserabsenkungen von 120 cm sinkt der Zuwachs bis zu 13 %, bei schlechteren Standortbedingungen fallen die Zuwachsverluste deutlich höher aus.
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Schlottmann, K. (1900): Das Rhinluch. In: Die Provinz Brandenburg in Wort und Bild, herausgegeben von dem Pestalozzi-Verein der Provinz Brandenburg. Berlin 1900. Reprint 2000, S. 212. Mauersberger, R.(2000): Bemerkungen zum Gebietswasserhaushalt und zur Gewässerunterhaltung unter Forstflächen. Tagung der Stiftung August Bier für Ökologie und Medizin und dem Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) e.V. „Fragen der Gewässerunterhaltung – Effekte, Konflikte, Handlungsmöglichkeiten“ am 17.11.2000 in Beeskow. Riek, Winfried. (2001): Auswirkungen von Grundwasserabsenkungen auf das Zuwachsverhalten der Kiefern. „Beiträge für Forstwirtschaft und Landschaftsökologie“ 35 (4), S. 204-207.
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x Auch die Agrar- und Umweltministerkonferenz (AMK/UMK)21 stellt am 13.6.2001 in einem Dokument fest: „Der beschleunigte Oberflächenabfluss und die Absenkung der Grundwasserstände durch Entwässerungsmaßnahmen haben zu einer Reihe von Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes geführt... u.a. zu Folgeschäden bei angrenzenden Wäldern“. Aus der bisher vorherrschenden juristischen Sicht ist der in dieser Weise geschädigte Wald dagegen ein Schädiger oder Erschwerer, der zu den Kosten der Gewässerhaltung herangezogen werden kann.
VIII. Zur Definition eines Vorteils Die Ergebnisse der hydrologischen Analyse haben Auswirkungen auf die juristischen Definitionen des Vorteilsbegriffs in der bisher vorherrschenden Rechtsprechung: Was ein Vorteil ist, kann weder der Gesetzgeber willkürlich beschließen, noch ein Gericht willkürlich befinden, sondern man muss sich bei wirtschaftenden Betrieben an objektivierbaren betrieblichen Erfolgsmaßstäben orientieren. Im alten preußischen Recht wurde deshalb auf den Rein-Vorteil abgehoben, d.h. auf den Vorteil, der nach Abzug der Lasten übrig blieb. Im Kommentar von Czychowski werden als Vorteile „Gewinne, Verhütung von Verlusten, Einsparung von Aufwendungen“, also quantifizierbare betriebswirtschaftliche Kennzahlen genannt. Von dem juristischen Konstrukt „fiktiver“ Vorteile, die in Wirklichkeit Nachteile sind, kann ein wirtschaftendes Unternehmen nicht existieren. Dies impliziert weiterhin: Vorteil ist nicht gleich Vorteil. Vorteile können unterschiedlich hoch sein. Sie können einen Cent oder 1000 € je Hektar betragen. Eine Gleichbehandlung dieser Unterschiede wäre ebenfalls nicht sachgerecht. Die Umsetzung des Vorteilsprinzips muss auch den unterschiedlichen Größenordnungen der Vorteile Rechnung tragen. Während das alte preußische Recht nur die Befreiung eines Grundeigentümers von der seitherigen Unterhaltungspflicht als einen Vorteil ansah, wird im neuen Recht auch die Übernahme einer erst neu geschaffenen Unterhaltungspflicht durch den Unterhaltungsverband als Vorteil für den Grundeigentümer angesehen. Der feine, aber wichtige Unterschied zwischen dem alten und neuen Recht ist, dass nach dem alten Recht nur solche Grundeigentümer Mitglied der Wassergenossenschaft sein mussten, die tatsächlich einen Vorteil von der Unterhaltung hatten bzw. diese 21
Agrar- und Umweltministerkonferenz - AMK/UMK – (13.6.2001): Bericht der Arbeitsgruppe AMK/UMK zum Thema „Umweltrelevante Veränderungen in der Landwirtschaft“ (Stand 8.12.2000), S. 9.
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erschwerten. Nach dem neuen Recht können aber auch „andere Grundeigentümer“ (solche, die nicht unter § 29 WHG von 1957, Satz 1 fallen, d.h. Grundeigentümer, die von der Unterhaltung keine Vorteile haben und sie auch nicht erschweren) zur Unterhaltung herangezogen werden. Der Landesgesetzgeber kann also zunächst die Ausweitung der Unterhaltungspflicht auf solche „andere Grundstückseigentümer“ beschließen und sodann erklären, es sei für die so belasteten Grundeigentümer ein Vorteil, wenn ihnen die neu auferlegte Unterhaltungspflicht von den Wasser- und Bodenverbänden wieder abgenommen werde. Dass man den Nachteil auf diese Weise in einen Vorteil umdefiniert, dürfte den Betroffenen nur schwer vermittelbar sein. Weiterhin kann die Übernahme der Unterhaltungspflicht durch den Gewässerunterhaltungsverband in den Fällen nicht als Vorteil angesehen werden, in denen sich der Unterhaltungsaufwand für den betroffenen Grundeigentümer dadurch erhöht. Dies dürfte insbesondere bei der Unterhaltung landwirtschaftlicher Meliorationsgräben weitgehend der Fall sein. So ließen sich in den großen Agrarbetrieben der nordostdeutschen neuen Bundesländer die Unterhaltungskosten der Meliorationsgräben erheblich senken, wenn sie – wie in Niedersachsen und SchleswigHolstein - deren Unterhaltung wieder selbst durchführen bzw. organisieren und besser mit den übrigen betrieblichen Entscheidungen abstimmen könnten und die Kosten verursachergerecht verteilen würden. Die Übertragung der Unterhaltung der Meliorationsgräben auf die Unterhaltungsverbände führt in Kombination mit einer Pflicht zur nicht verursachergerechten Umlage der Kosten zu Fehlsteuerungen in der Gewässerunterhaltung, die für die meisten Grundeigentümer nicht von Vorteil sind22.
IX. Wirklichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab? Aus administrativen Gründen ist es nicht möglich, das Vorteilsprinzip für jeden einzelnen Flächennutzer, d.h. einen so genannten Wirklichkeitsmaßstab, anzuwenden. Der Aufwand für die Ermittlung des jeweiligen Vorteils wäre in der Regel zu hoch. Man muss sich dann auf die Verwendung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes beschränken, wobei man die Landnutzer bzw. Vorteilsnehmer zu Gruppen mit ähnlichen Vorteilen zusammenfassen kann. Die Waldbesitzer wären eine solche Gruppe. Eine generelle Freistellung des Waldes von den Kosten der Gewässerunterhaltung in den nordostdeutschen Trockengebieten entspräche zwar nicht einem Wirklichkeitsmaßstab, jedoch einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der der tatsächlichen Verteilung der Vorteile bzw. Erschwernisse der Gewässerunter22
Siehe hierzu v. Alvensleben, Reimar (2002): Gewässerunterhaltung in den nordostdeutschen Bundesländern. Umweltökonomische und rechtliche Betrachtung. Vortrag auf der Mitgliederversammlung des Waldbesitzerverbandes Mecklenburg-Vorpommern am 20.4.2002 in Sparow, veröffentlicht in AFZ – Der Wald 12/2002, S. 638-642.
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haltung sehr viel näher käme als die Anwendung des undifferenzierten Flächenmaßstabes. Folgerichtig hat der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen bei der Novellierung des Landeswassergesetzes von 1995 festgelegt, dass bei der Beitragsbemessung insbesondere bei Waldgrundstücken die maßgeblichen Unterschiede des Wasserabflusses berücksichtigt werden sollen. In der Begründung der Gesetzesvorlage heißt es: Die bisherige Regelung „führt zu Beiträgen, die als ungerecht empfunden werden. Dies trifft beispielsweise auf wasserwirtschaftlich bedeutsame Waldgrundstücke zu, die in der gleichen Größenordnung veranlagt werden, wie die übrigen Flächen, obwohl Wälder vor allem durch Versickerung und Verdunstung einen dämpfenden Einfluss auf den Wasserabfluss haben und deshalb auch geringere Kosten bei der Gewässerunterhaltung verursachen.”23 Diese Feststellung trifft auf die nordostdeutschen Trockengebiete in einem noch viel stärkeren Maße zu als auf das regenreiche Nordrhein-Westfalen. Schließlich sind bei der Finanzierung der Gewässerunterhaltung noch allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen, die im Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 GG normiert sind, zu beachten. Danach darf Gleiches nicht ungleich und Ungleiches nicht gleich behandelt werden, solange nicht ein rechtfertigender Sachgesichtspunkt vorliegt. Die Frage ist, ob die gleiche Veranlagung von landwirtschaftlichen Flächen, versiegelten Flächen sowie Wald- und Naturschutzflächen unter nordostdeutschen Bedingungen den Tatbestand erfüllt, dass Ungleiches gleich behandelt wird und damit gegen Artikel 3 GG verstößt. Solche rechtfertigenden Sachgesichtspunkte können vorliegen, wenn (1) die Unterschiede der Vorteile/Erschwernisse zwischen den Vorteilsnehmern/Erschwerern gering sind (2) der Verwaltungsaufwand zur Erfassung der Vorteils-/Erschwernisunterschiede groß ist und (3) die zu tragende Kostenlast gering ist. Keiner dieser Punkte trifft auf die Verhältnisse in den nordostdeutschen Trockengebieten zu: Zu 1: Wie bereits ausführlich dargelegt, sind die Nutznießer der Entwässerung und Verursacher der Entwässerungskosten die landwirtschaftlichen und versiegelten Flächen, nicht der Wald. Zu 2: Eine Differenzierung der Beiträge nach Wald und anderen Flächen bereitet keine besonderen Verwaltungsprobleme. Sie ist in anderen Bundesländern eine schon immer bzw. lange geübte Praxis, die erst kürzlich wieder obergerichtlich
23
Landtag Nordrhein-Westfalen, 11. Wahlperiode: Drucksache 11/8440, S. 233.
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bestätigt wurde24. Auch andere Steuern und Abgaben werden differenziert erhoben, z.B. die Grundsteuern, die Beiträge zur Berufsgenossenschaft und die Landwirtschaftskammerbeiträge. Dennoch behauptet das OVG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 10.2.2010, eine Differenzierung der Beiträge (nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab) sei „aber nur mit ganz erheblichen Aufwand zu verwirklichen“. Auch das BVerwG argumentiert in seiner Entscheidung vom 11.7.2007 ähnlich: „Dem Flächenmaßstab wohnt dagegen der erhebungstechnische Vorteil inne, dass sich die Höhe der im Einzelfall geschuldeten Abgabe von den Gemeinden ohne nennenswerten Aufwand ermitteln lässt“. Beide Gerichte übersehen, x
x
dass die Umlage der Gewässerunterhaltungskosten nach dem undifferenzierten Flächenmaßstab auf die Grundeigentümer ein besonders verwaltungskostenintensives Verfahren ist25. So dürften die Verwaltungskosten in Brandenburg bei mehr als 80 Prozent der Gebührenbescheide höher sein als die Umlage selbst. Dies wird jedoch dadurch kaschiert, dass diese Verwaltungskosten ebenfalls nach dem Flächenmaßstab auf die Grundeigentümer umgelegt werden, wodurch der Wald mit weiteren völlig sachfremden Kosten belastet wird. Außerdem wird übersehen, dass es durchaus Umlageverfahren gibt, die nicht nur verursachernäher und damit gerechter sind, sondern zugleich auch geringere Verwaltungskosten verursachen26. Solche Verfahren haben aber die Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt und Brandenburg entweder nicht vorgesehen oder sie werden von den Gemeinden nicht angewendet – woraus deutlich wird, dass es vor allem sachfremde verteilungspolitische Gründe27 und nicht die Verwaltungskosten („erhebungstechnische Vorteile“) sind, die den Gesetzgeber und die Gemeinden veranlassen, den reinen Flächenmaßstab anzuwenden.
Zu 3: Weiterhin kann man nicht von einer Geringfügigkeit der Kostenlast sprechen. Bezogen auf eine Kleinfläche Wald erscheinen Verbandsbeiträge von 5-10 €/ha zwar gering, bezogen auf die Ertragsfähigkeit dieser Flächen sind sie jedoch erheblich. In vielen Forstbetrieben sind die Kosten der Gewässerunterhaltung höher als die erzielbaren Erträge, in anderen Betrieben wird die bereits negative 24 25
26
27
Urteil des OVG Münster vom 24.11.2009, 9 A 1769/08 (NuR 2010, 204-205). „Dieses Verfahren ist wegen der Kleinteiligkeit der Umlagebeiträge je Grundstückseigentümer enorm aufwändig und unverhältnismäßig“ (Abschlussbericht Brandenburgisches Wassergesetz. Gutachten zur Umsetzung 6A des Sonderausschusses Normen und Standards und zum Refinanzierungsverfahren der Gewässerunterhaltungskosten. Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz. 31. 8.2007, S. 41). Vgl. Abschlussbericht Brandenburgisches Wassergesetz, a.a.O., S. 41 f. und Anlage 1; Monsees, a.a.O., S.334; Waldbesitzerverband Brandenburg e.V.: Stellungnahme zum Entwurf in Drucksache 4/5032 – Gesetz zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften – Anhörung am 24.10.2007. Stereotyp: „Wenn der Wald entlastet wird, dann müssen ja andere mehr bezahlen“.
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Ertragssituation weiter verschlechtert. Laut Agrarbericht der Bundesregierung lagen die durchschnittlichen Reinerträge im Privatwald ab 200 ha Waldfläche mit der Hauptbaumart Kiefer im Durchschnitt der Jahre 1995-2008 bei minus neun €/ha/Jahr28. Die in den Trockengebieten Nordostdeutschlands vorherrschenden Kiefernwälder haben die schlechteste Ertragslage der Forstwirtschaft in Deutschland. Fazit: Die oben genannten Bedingungen für die Zulässigkeit des undifferenzierten Flächenmaßstabs bei der Umlage der Gewässerunterhaltungskosten sind in den nordostdeutschen Bundesländern nicht erfüllt. Somit dürfte ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 GG vorliegen. Allerdings gibt es bisher kein Gericht, das diese Frage für die nordostdeutschen Verhältnisse ernsthaft geprüft hat. Weiterhin dürfte die Belastung des Waldes mit den Gewässerunterhaltungskosten vor allem in den Kiefernwäldern gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen, da sie die Betroffenen übermäßig belastet. Die Abgabe führt im Zusammenwirken mit anderen Steuern, Abgaben und Belastungen zu nachhaltigen Verlusten in den Kiefernforstbetrieben und greift damit die Substanz des Vermögens an29. Dies ist mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes nicht vereinbar. Durch die Anwendung des undifferenzierten Flächenmaßstabes bei der Umlage der Gewässerunterhaltungskosten kommt es zwischen den verschiedenen Gruppen der Landnutzer zu Quersubventionierungen. Dabbert und Winter haben in einer Fallstudie berechnet, dass die jährlichen Entwässerungskosten in den Niederungsgebieten des Havellandes etwa 179-214 DM/ha für die Vorteilsflächen betragen30. 28
29
30
Es handelt sich um Reinerträge ohne Fördermittel für waldbauliche Maßnahmen. Diese belaufen sich in Brandenburg im mehrjährigen Trend auf etwa 7,5 Mio €. Dies sind bezogen auf eine Fläche des Privat- und Körperschaftswaldes von 509 000 ha – durchschnittlich 15 €/ha/Jahr. Die Reinertragsberechnung unterstellt einen schulden- und pachtfreien Betrieb, d.h. sie berücksichtigt keine Fremdkapitalzinsen, auch keine kalkulatorischen Kosten des eingesetzten Eigenkapitals. Aus den Reinerträgen ist das gesamte eingesetzte Kapital zu finanzieren. Betriebe, deren Reinerträge - nach Abzug der Fördermittel für waldbauliche Maßnahmen – negativ sind, haben nicht nur keine Kapitalverzinsung, sondern bewirtschaften den Wald aus der Substanz des Vermögens bzw. kompensieren die Verluste im Wald durch andere Einkommensarten. Wald in Brandenburg wird in der Regel im Nebenerwerb bewirtschaftet. In Brandenburg ist die Kiefer mit einem Anteil von etwa 80 % an der Waldfläche die mit Abstand wichtigste Baumart, sodass die o.g. Ergebnisse für den Durchschnitt der Forstbetriebe in Brandenburg zu verallgemeinern sind. In kleineren Forstbetrieben dürfte die Ertragslage tendenziell noch schlechter einzuschätzen sein. Siehe hierzu: Waldbesitzerverband Brandenburg e.V. (2001): Alternativer Waldschadensbericht für Brandenburg. Eberswalde, 24 S. Dabbert, S., Winter, T. (2000): Ökonomische Auswirkungen der Gewässerunterhaltung auf die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe. Tagung der Stiftung August Bier für
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Da für diese Flächen aber nur 11-14 DM/ha/Jahr Beiträge für die Gewässerunterhaltung entrichtet werden, müssen diese Kosten im wesentlichen von der Landwirtschaft in den Höhengebieten und dem Wald getragen werden, der durch den Wasserentzug obendrein noch geschädigt wird, geschweige denn Vorteile von den Entwässerungsmaßnahmen hat. Schlimmer noch: Auch die Entwässerung der versiegelten Flächen wird in der Regel von der Landwirtschaft und dem Wald quersubventioniert, da keine verursachergerechte Gebührendifferenzierung stattfindet. In der politischen Diskussion wird dieser aus Anwendung des Flächenmaßstabes resultierende Missstand verschiedentlich mit dem Solidarprinzip begründet. Dieses Prinzip beinhaltet bekanntlich die Stützung der Schwachen durch die Starken und wird u.a. in der Krankenversicherung und bei der Besteuerung von Einkommen angewendet. Tatsächlich führt aber die Anwendung des Flächenmaßstabes dazu, dass die ertragsschwachen Waldflächen die sehr viel ertragsstärkeren Agrarund Siedlungsflächen unterstützen. Damit wird das Solidarprinzip auf den Kopf gestellt. Dass Politiker es gelegentlich nicht so genau nehmen und mit eingängigen Schlagworten arbeiten, um ihre Ziele durchzusetzen, ist vielleicht noch verständlich. Wenn aber ein oberstes Gericht (BVerwG im Urteil vom 11.7.2007) das Solidarprinzip bemüht, um den Flächenmaßstab zu rechtfertigen, dann ist das eine schwer verständliche Gedankenlosigkeit und wirft ein Schlaglicht auf das Problemverständnis der Richter31. Dass aus den ohnehin sehr geringen Erträgen des Waldes die Unterhaltung der landwirtschaftlichen Meliorationsgräben und die Entwässerung versiegelter Flächen mitfinanziert werden soll, lässt sich als Solidarbeitrag nun wirklich nicht begründen.
X. Schlussfolgerungen Aus der vorangegangenen Analyse ergeben sich folgende Schlussfolgerungen: x
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Die Gesetzgeber sollten die Anwendung des Verursacherprinzipes bei der Umlage der Gewässerunterhaltungskosten zwingend vorschreiben und die Wasser- und Bodenverbände in den nordostdeutschen Bundesländern entweder ganz abschaffen (wie de facto in Sachsen und Thüringen) oder wieder in Ökologie und Medizin und dem Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) e.V. „Fragen der Gewässerunterhaltung – Effekte, Konflikte, Handlungsmöglichkeiten“ am 17.11.2000 in Beeskow. Andere Gerichte (OVG Magdeburg im Urteil vom 6.12.2001, VG Potsdam im Urteil vom 28.1.2004, OVG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 22.11.2006) sprechen sogar von einer „Privilegierung“ der Waldbesitzer, wenn die Gewässerunterhaltungskosten nach dem Vorteilsprinzip umgelegt würden. Vgl. hierzu: v. Alvensleben, Reimar (2002): Der Wald im Paragrafendschungel. AfZ-DerWald 6/2002, S.303.
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echte Selbstverwaltungskörperschaften nach dem Wasserverbandsgesetz von 1991 (WVG) umwandeln, in denen die betroffenen Grundeigentümer bzw. Kommunen Mitglieder mit Stimmrecht entsprechend ihrem Finanzierungsanteil sind. Die Gerichte sollten überprüfen, ob die Grundsätze des Leiturteils des Bundesverwaltungsgerichts von 1973, die sich nur auf die Gewässer 2. Ordnung in Niedersachsen bezogen, auch auf die früheren Gewässer 3. Ordnung (= Landwirtschaftliche Meliorationsgräben) in den nordostdeutschen Trockengebieten übertragbar sind, insbesondere, ob die Gleichbehandlung völlig ungleicher Sachverhalte (Gleichbehandlung von versiegelten Flächen, Agrarflächen und Wald) noch mit einer am Gerechtigkeitssinn orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist.
XI. Literatur Abschlussbericht Brandenburgisches Wassergesetz (2007). Gutachten zur Umsetzung 6A des Sonderausschusses Normen und Standards und zum Refinanzierungsverfahren der Gewässerunterhaltungskosten. Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz. 31. 8.2007, S. 41. Agrar- und Umweltministerkonferenz - AMK/UMK – (13.6.2001): Bericht der Arbeitsgruppe AMK/UMK zum Thema „Umweltrelevante Veränderungen in der Landwirtschaft“ (Stand 8.12.2000), S. 9. v. Alvensleben, Reimar (2000): Gewässerunterhaltung in Brandenburg aus umweltökonomischer Sicht. 5. Naturschutztag: Wasser in der Landschaft und Jubiläumsfeier zum 10jährigem Bestehen des NABU Brandenburg am 1.4.2000 in Potsdam, veröffentlicht in: NABU Brandenburg (Hrsg.): Wasser in der Landschaft. Jubiläumsband zum 5. Naturschutzband des NABU Brandenburg. Potsdam, S. 19-28. v. Alvensleben, Reimar (2002): Der Wald im Paragrafendschungel. AfZ-DerWald 6/2002, S.303. v. Alvensleben, Reimar (2002): Gewässerunterhaltung in den nordostdeutschen Bundesländern. Umweltökonomische und rechtliche Betrachtung. Vortrag auf der Mitgliederversammlung des Waldbesitzerverbandes Mecklenburg-Vorpommern am 20.4.2002 in Sparow, veröffentlicht in AFZ – Der Wald 12/2002, S. 638-642. v. Alvensleben, Reimar (2004): Warum die Waldbauern in Brandenburg protestieren. AgraEurope 37/4 (5 S.). Bitter (1928): Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung, 3. Aufl. II, S. 1038. Bork, Hans-Rudolf (2001): Der Landschaftswasserhaushalt Mitteleuropas – Historische Entwicklung und Zukunftsperspektiven. Landesumweltamt (Hrsg.): Ökologietage III – Landschaftswasserhaushalt in Brandenburg – Tagungsbericht November 2000. Studien und Tagungsberichte, Band 28. Czychowski, Manfred (1998): Kommentar zum WHG (7. Aufl.), Anm. 2, S. 1039. Dabbert, S., Winter, T. (2000): Ökonomische Auswirkungen der Gewässerunterhaltung auf die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe. Tagung der Stiftung August Bier für Ökologie und Medizin und dem Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) e.V. „Fragen der Gewässerunterhaltung – Effekte, Konflikte, Handlungsmöglichkeiten“ am 17.11.2000 in Beeskow. Dannowski, R., Quast, J., Balla, H., Fritsche, S. (1994): Eintragspfad Grundwasser im Lockergesteinbereich. In: W. Werner, H.P. Wodsack: Stickstoff- und Phosphateintrag in die Fließgewässer Deutschlands unter besonderer Berücksichtigung des Eintragsgeschehens im Lockergesteinsbereich der ehemaligen DDR. Dachverband Agrarforschung, Schriftenreihe agrarspectrum, Band 22, S. 20.
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Landesforstverwaltung Brandenburg (2001): Waldfunktionenkartierung, Wald in Wasserschutzgebieten, S.20. Lecher, K. (1993): Klima, Wasserhaushalt, Gewässer. In: Taschenbuch der Wasserwirtschaft, herausgegeben von H. Bretschneider, K. Lecher, M. Schmidt, 7. Auflage, Hamburg, Berlin, S. 109. Mauersberger, R.(2000): Bemerkungen zum Gebietswasserhaushalt und zur Gewässerunterhaltung unter Forstflächen. Tagung der Stiftung August Bier für Ökologie und Medizin und dem Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) e.V. „Fragen der Gewässerunterhaltung – Effekte, Konflikte, Handlungsmöglichkeiten“ am 17.11.2000 in Beeskow. Monsees, Jan (2006): Governancestrukturen für Gewässerunterhaltung – eine vergleichende Institutionenanalyse der deutschen Wasser- und Bodenverbände und ihre Alternativen. Dissertation TU Berlin – veröffentlicht bei Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2008. Projektgruppe Landschaftswasserhaushalt im Auftrag des Ministers für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung: Landschaftswasserhaushalt in Brandenburg. Kurzfassung zum Sachstandsbericht mit Konzeption für eine langfristige Strategie zur Bewirtschaftung der knappen Wasserressourcen im Land Brandenburg zum Vorteil der Landnutzer und der Landschaft, Juni 2003. Riek, Winfried. (2001): Auswirkungen von Grundwasserabsenkungen auf das Zuwachsverhalten der Kiefern. „Beiträge für Forstwirtschaft und Landschaftsökologie“ 35 (4), S. 204-207. Schlottmann, K. (1900): Das Rhinluch. In: Die Provinz Brandenburg in Wort und Bild, herausgegeben von dem Pestalozzi-Verein der Provinz Brandenburg. Berlin. Reprint 2000, S. 212. Simons v. Bockum gen. Dolffs, Modest (2006): Die Gewässerunterhaltung durch Wasserverbände und die Kostentragung durch deren Mitglieder – exemplarisch dargestellt anhand der Rechtslage in Brandenburg. Dissertation Universität Kiel – veröffentlicht bei Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2008. Waldbesitzerverband Brandenburg e.V. (2001): Alternativer Waldschadensbericht für Brandenburg. Eberswalde, 24 S. Waldbesitzerverband Brandenburg e.V. (2007): Stellungnahme zum Entwurf in Drucksache 4/5032 – Gesetz zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften – Anhörung am 24.10.2007.
§ 15 Das Jagdrecht als Bestandteil des Grundeigentums
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I. Einleitung Die Jagd stellt in Deutschland ein Kulturgut mit langer Tradition und hohem Wert dar. Sie ist ein Nutzungsrecht der Grundbesitzer im ländlichen Raum und untrennbarer Bestandteil der Land- und Forstwirtschaft. Auch wenn die jagdpolitische Diskussion häufig aus dem Blickwinkel der Jagdausübungspraxis, also der Jäger, geführt wird, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Fragen des Jagdrechts überwiegend Eigentumsfragen sind. Das Bundesjagdgesetz bestimmt in § 3 Absatz 1: „Das Jagdrecht steht dem Eigentümer an seinem Grund und Boden zu.“ Selbst vielen Grundeigentümern, vor allem, wenn sie Inhaber kleiner Flächen sind, ist dies oftmals nicht bekannt. Doch nicht zuletzt wegen der immer stärker zunehmenden Ansprüche an das Eigentum durch öffentlich-rechtliche Vorschriften, ist das Bewusstsein der Grundeigentümer über ihre Rechte und Pflichten als Jagdrechtsinhaber wichtig. Im Spannungsfeld Grundeigentum, Land- und Forstwirtschaft und Jagd stellen sich viele interessante Fragen, denen in diesem Beitrag nachgegangen werden soll. Zunächst wird der historische Hintergrund für die Entwicklung unseres heutigen Jagdrechtssystems aufgezeigt. Sodann werden Inhalt und Grenzen des Jagdrechtes der Grundeigentümer näher erläutert und vom Jagdausübungsrecht der Jäger abgegrenzt. Anhand der Themen „Wildschadensregelung“ und „Jagdwertminderung infolge von Durchschneidungsschäden“ werden exemplarisch potentielle Einschränkungen des Jagdrechts aufgezeigt. Gerade die Thematik Wildschäden im Wald ist ein in der Wissenschaft umstrittenes Feld, z.B. im Hinblick auf die Einstufung von Hauptbaumarten. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Verfahren der Abschussplanung eingegangen, um die damit verbundenen Rechte und Pflichten der Waldeigentümer zu erläutern. Eine sehr praktische Problematik stellt sich unter dem Stichwort „Wald – Feld – Grenze“. Vielfach wird zurzeit gerade seitens des Staates als Grundeigentümer versucht, Reviere, die Wald- und Feldanteile beinhalten, zu trennen, um die Waldreviere teurer verpachten zu können. Dies wirkt sich häufig negativ auf die angrenzenden Feldreviere aus, da diese ohne Waldstücke einem höheren Schadensdruck unterliegen und weniger attraktive Pachtpreise erzielen. O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Ein weiterer Schwerpunkt liegt schließlich auf der Darstellung der Pflichtmitgliedschaft in den Jagdgenossenschaften und ihre Rechtfertigung vor dem Hintergrund des Eigentumsrechtes. Diese Thematik hat aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EuGMR) vom 10.07.2007 gegen Luxemburg neue Brisanz erhalten. Mittlerweile ist auch ein Beschwerdeverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem EuGMR anhängig, in dem ein Jagdgenosse aus Rheinland-Pfalz unter Berufung auf Verletzung seines Eigentumsrechtes die Entlassung aus der Jagdgenossenschaft begehrt.
II. Historische Entwicklung des Jagdrechtssystems In Deutschland ist das Jagdrecht kein selbständiges, sondern ein untrennbar mit dem Grund und Boden verbundenes Recht. Das bedeutet, grundsätzlich steht nur dem Grundstückseigentümer das Jagdrecht auf seinen Flächen zu. Eine Übertragung oder ein Verzicht auf das Jagdrecht ist nicht möglich. Diese Bindung an das Grundeigentum ist ein wesentlicher Grundpfeiler des Jagdrechtsystems in Deutschland und erklärt sich vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung. In der Frühzeit war die Jagd Allgemeingut. Jeder durfte überall die Jagd ausüben, vor allem um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern. Im Mittelalter, als sich kompliziertere Herrschaftsverhältnisse entwickelten, wurde die Jagd zum Vorrecht der Landesherren. Dieses auch „Jagdregal“ genannte Privileg erlaubte es nur noch den Landesherren, die Jagd auszuüben, egal ob auf eigenem oder auf fremdem Grund und Boden. Eine Pflicht zum Schadensersatz gegenüber den anderen Grundeigentümern, etwa für Flur- und Ernteschäden, war nicht vorgesehen. Aus dieser Zeit rühren auch die Begriffe Hoch- und Niederwild. Die „Hohe Jagd“ (auf das Hochwild) war nur dem Adel vorbehalten, während das Niederwild auch durch die „niederen Stände“ bejagt werden durfte1. Mit der bürgerlichen Revolution 1848 wurden die Vorrechte des Adels aufgehoben und die Rechte des Grundeigentümers gestärkt. Der Grundstein für die Untrennbarkeit des Jagdrechtes vom Grundeigentum war gelegt2. Die Konstruktion der „freien Jagd“ für jedermann aus der Frühzeit ließ sich aber nicht wieder herstellen, da die Bevölkerung stark angewachsen war und eine Überjagung bestimmter Wildarten sowie die Gefährdung land- und forstwirtschaftlicher Flächen durch Wildschäden drohten. Als nach kürzester Zeit der Wildbestand deutlich dezimiert worden war, gewann der Gedanke des Schutzes des jagdbaren Wildes an stärkerer Bedeutung. Um Fehlentwicklungen Einhalt zu gebieten und verantwortliches Verhalten gegenüber dem Gemeinwohl festschreiben zu können, koppelte man das Jagdrecht 1850 weiterhin an das Eigentum und trennte es aber gleichzeitig vom Recht, die Jagd auszuüben. Dadurch war nach kurzer Zeit der durch die Revolu1 2
Schuck, Bundesjagdgesetz, Einl. Rn. 6. Mitschke/Schäfer, Bundesjagdgesetz Einl. Rn. 2.
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tion geschaffene Zustand, dass jeder Eigentümer nach Belieben auf seinem Grund jagen durfte, aus Gründen des Tier- und Artenschutzes, sowie der Vermeidung von Wildschäden wieder aufgehoben. Schon hier zeigen sich Ausprägungen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, auf die an späterer Stelle zurückzukommen sein wird. In der Folgezeit wurden die heute prägenden Bestandteile des Jagdrechts wie das Reviersystem, die Pflichtmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften, die Jagdund Schonzeiten, der Wildschadensersatz und die Hegepflicht weiter entwickelt. Das heute geltende Jagdrecht ist in Deutschland seit 1953 im Bundesjagdgesetz geregelt. Seitdem hat es einige Novellen gegeben, vor allem um Änderungen im Waffenrecht, Tierschutzrecht und Naturschutzrecht zu berücksichtigen. Im Großen und Ganzen ist das Bundesjagdgesetz in seinen Grundpfeilern jedoch unverändert. In der DDR wurde 1953 das Jagdrecht vom Grundeigentum getrennt und in ein Volksjagdrecht überführt. Der Großgrundbesitz wurde zerschlagen, d.h. landwirtschaftliche Betriebe mit über 100 Hektar Nutzfläche wurden entschädigungslos enteignet. Die Festlegung von Mindestgrößen von Jagd- und Wildbewirtschaftungsgebieten wurde ebenfalls praktisch aufgehoben. Bis weit in das dritte Quartal 1946 erfolgte im sowjetischen Besatzungsgebiet keine organisierte Jagd mehr3. Es kam zu hohen Wildschäden durch eine Verdreifachung des Schwarzwildvorkommens4. Daher erfolgte ab September/Oktober 1946 die Ausübung der Jagd durch Jagdkommandos bzw. Jagdgesellschaften. 1962 erfolgten die Neuordnung des Jagdwesens und die Übertragung der Jagdbewirtschaftungsbezirke an die staatlichen Forstwirtschaftsbetriebe. Die Mitglieder der Jagdgesellschaften hatten Beiträge zu entrichten. Diese waren jedoch gering, da das Wild grundsätzlich abzuliefern war.5. Seit der Deutschen Wiedervereinigung gilt das Bundesjagdgesetz im gesamten Bereich der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Fall der Mauer galten Übergangsregelungen, in der Folge wurden in den fünf neuen Ländern Landesjagdgesetze und weitere jagdrechtliche Vorschriften auf Grund-lage des Bundesjagdgesetzes erlassen. Ursprünglich hatte der Bund im Jagdrecht die Rahmenkompetenz. Mit der Föderalismusreform 2006 wurde die konkurrierende Gesetzgebung eingeführt. Allerdings gesteht das Grundgesetz den Ländern in Artikel 72 Abs. 3 Abweichungsrechte zu. So können sie von den bundesrechtlichen Vorschriften abweichen und eigene Regelungen im jeweiligen Landesgesetz festschreiben. Ausgenommen davon sind die Regelungen über den Jagdschein, weil für die Ausbildung der Jäger nach Auffassung des Verfassungsgebers bundesweit die gleichen Anforderungen gelten sollen. Nachdem es nach der Föderalismusreform zunächst Diskussionen um eine 3 4
5
Wolsfeld/Schröder, Jagdrecht für das Land Nordrhein-Westfalen, S. 10. Klemm, M., Schwarzwild und Schwarzwildschäden in Deutschland 1946, Nachrichtenblatt Pflanzenschutzdienst, S.74-77. http://www.jagd-online.de/jagdpraxis/geschichte/ (Stand 1. Juli 2010).
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eventuelle Novellierung des Bundesjagdgesetzes gegeben hatte, sind diese Überlegungen zurzeit nach einer Absage des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Jahr 2008 nicht mehr aktuell. Es wird sich zeigen, inwieweit die Bundesländer von ihrer neu gewonnen Kompetenz Gebrauch machen und abweichende Regelungen erlassen. Erste Vorstöße dazu gibt es z.B. in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und dem Saarland. Es sind jedoch bislang keine Bestrebungen erkennbar, von dem Grundsatz der Bindung des Jagdrechts an Grund und Boden abzurücken.
III. Trennung Jagdrecht und Jagdausübungsrecht Aufgrund der Trennung des Jagdrechts vom Jagdausübungsrecht schließt heute in Deutschland, anders als in anderen Ländern, der Besitz von Grund und Boden nicht automatisch das Recht ein, auch das dort lebende Wild zu jagen. Nach der Konzeption des Bundesjagdgesetzes darf dies nur in Jagdbezirken/Revieren geschehen (§ 3 Abs. 3 BJagdG)6. Das Jagdausübungsrecht besteht also nur in einem Jagdbezirk mit bestimmter Mindestgröße – dem Revier. Hintergrund des Reviersystems ist die Überlegung, dass Grundstücke aus wildbiologischer Sicht nicht isoliert betrachtet werden können, sondern in einer Wechselbeziehung stehen. Denn wildlebende Tiere orientieren sich nicht an Grundstücksgrenzen. Entsprechend den Vorgaben des Bundesjagdgesetzes ist zu unterscheiden zwischen Eigenjagdbezirken und gemeinschaftlichen Jagdbezirken (Jagdgenossenschaften). Eigenjagdbezirke entstehen ab einer Mindestgröße von in der Regel 75 ha land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbarer Fläche, wenn diese im Eigentum ein und derselben Person steht und arrondiert ist. Der Eigentümer kann die Jagd selbst ausüben oder aber an Dritte verpachten. Eigentümer von weniger großen Flächen sind innerhalb einer jeden Gemarkung oder Gemeindegrenze zu gemeinschaftlichen Jagdbezirken in Form von Jagdgenossenschaften zusammengeschlossen. Die so entstandene Grundeigentümergemeinschaft nutzt ihr Jagdrecht im gemeinschaftlichen Jagdbezirk in der Regel durch Verpachtung an einen oder mehrere Jäger. Das Reviersystem bewirkt, dass praktisch die gesamte Fläche der Bundesrepublik in einzelne Jagdbezirke eingeteilt ist. Über das Reviersystem schafft das Jagdrecht eine persönliche Verantwortung der Grundeigentümer. Diese beinhaltet etwa die Entscheidung für die Art der Bewirtschaftung des Reviers, bei einer Verpachtung die Auswahl des Pächters und die Beteiligung an der Erstellung des Abschussplanes. Dazu kommt, dass das Gesetz die Jagdrechtsinhaber (wie natürlich auch die Jäger) verpflichtet, das Wild in ihren Revieren nachhaltig zu bewirtschaften (Hegepflicht7) und die Reviere für bestimmte Mindestzeiten zu verpachten, um eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten. Die Grundeigentümer 6 7
Mitzschke/ Schäfer, Bundesjagdgesetz, § 3 Rn. 11. Vgl. Begründung zu § 1 RegEnt. BJagdG BT Drs. 7/4285, S. 12.
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haben auch ein Eigeninteresse daran, dass die Jagd auf ihren Flächen nachhaltig ausgeübt wird und werden, soweit sie das Revier nicht selbst bejagen, entsprechend nur an Jäger verpachten, die verantwortungsvoll mit den Flächen des Reviers und der dort lebenden Flora und Fauna umgehen. Denn ein ausgewogener Wildbestand bestimmt auch den finanziellen Wert des Reviers und entscheidet mit über eine gute Verpachtbarkeit. Außerdem hat der Eigentümer ein Interesse daran, dass das Wild auf seinen Flächen so gehegt – das beinhaltet auch bejagt – wird, dass es keine übermäßig großen Wildschäden verursacht, da von Gesetzes wegen der Eigentümer, bzw. die Eigentümergemeinschaft in der Jagdgenossenschaft den Schaden für entstandene Wildschäden des bewirtschaftenden Landwirts tragen muss (s.u.). Bei dem in vielen anderen Staaten (z.B. den USA) herrschenden so genannten „Lizenzsystem“ fehlt eine solche Bindung des Jagdrechts an das Eigentum. Durch den Kauf einer meist einmaligen Lizenz erhält der Jäger das Recht, auf bestimmten Flächen jagen zu dürfen. Nachteilig ist daran, dass eine dauerhafte Verantwortlichkeit, sich um Revier und Wild zu kümmern, so nicht entstehen kann. Andererseits ermöglicht das Lizenzsystem mehr Personen den Zugang zur Jagd. In den Jagdbezirken darf nur der Jagdausübungsberechtigte (im Folgenden Jäger genannt) die Jagd ausüben, also Wild jagen und sich aneignen. Der Jäger ist entweder der Pächter eines Jagdreviers, der Jagderlaubnisscheininhaber oder der Eigenjagdbesitzer, der sein Revier selbst bejagt. Vor allem in Revieren, die in Eigenbewirtschaftung geführt sind, werden auch Jäger angestellt. Der Jäger muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, insbesondere muss er einen Jagdschein besitzen. Die im Jagdgesetz verankerte „Waidgerechtigkeit“ verlangt zudem von jedem Jäger, sich bei der Ausübung der Jagd an die allgemeinen Gesetze und den Natur- und Tierschutz zu halten, insbesondere auf bestimmte als grausam eingestufte Jagdmethoden zu verzichten8. Mit dieser Regelung, die Rechte und Pflichten auf Seiten der Grundeigentümer und der Jäger normiert, setzte der Gesetzgeber schon früh einer willkürlichen und unkontrollierten Bejagung von Wildtieren Grenzen und schuf gleichzeitig die Grundlage für eine nachhaltige Ausübung der Jagd. Das eigentums- und reviergebundene Jagdrecht in Deutschland ist damit ein sich selbst tragendes System. Es beruht auf eigenverantwortlichem Handeln aller Beteiligten und verbindet in sinnvoller Weise das Recht zum Nutzen mit der Pflicht zum Schützen.
8
BayVGH 12.5.1971, IV Nr. 63.
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IV. Abschussplanung Das Instrument der Abschussplanung ist im Wesentlichen dazu angedacht, die Wildbestände so zu regulieren, dass Schäden für die Land- und Forstwirtschaft möglichst vermieden werden. Bereits in einem Urteil des OVG Rheinland-Pfalz9 aus dem Jahr 1982 wurde entschieden, dass die berechtigten Ansprüche der Landund Forstwirtschaft Vorrang gegenüber dem Gebot einer angemessenen Wildhege haben. Für die Abschussplanung in Revieren mit Waldanteil werden in allen Bundesländern so genannte Vegetationsgutachten als ein Maßstab herangezogen10. Grundsätzlich beginnt das Verfahren damit, dass der Revierinhaber für sein Revier einen Vorschlag zur Abschusshöhe abgibt. Ob dieser von der Jagdbehörde bestätigt oder auf anderer Höhe festgesetzt wird, hängt im Wesentlichen davon ab, ob der Vorschlag bei gemeinschaftlichen Revieren im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder bei verpachteten Eigenjagdrevieren mit dem Eigenjagdbesitzer aufgestellt wurde. Wenn ein Einvernehmen nicht zu erzielen ist, wird der Abschussplan von der Behörde festgesetzt. Diese Regelung stärkt die Position der Grundeigentümer bei der Abschussplanung und es ist jedem Eigentümer zu raten, sich rechtzeitig mit dem Revierpächter in Verbindung zu setzen, um gemeinsam einen Abschussplan zu entwickeln, der die Belange der Grundeigentümer ausreichend berücksichtigt. Die Stärkung der Rechtsposition der betroffenen Grundeigentümer bei der Abschussplanung ist durch die Rechtsprechung bereits mit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt worden, die einem einzelnen Jagdgenossen ein eigenes Klagerecht gegen einen Abschussplan bestätigt hat.11 Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest, dass auf Grundlage der herrschenden Schutznormtheorie solche Vorschriften Drittschutz vermitteln, die auch der Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Dritten dienen. Eine solche drittschützende Norm ist § 21 Absatz 1 BJagdG, wonach in gemeinschaftlichen Jagdbezirken der Abschussplan vom Ausübungsberechtigten im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand, dem Vertretungsorgan der Jagdgenossenschaft, aufzustellen ist. § 21 Absatz 1 BJagdG dient nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern auch den Individualinteressen der Kläger (in diesem Fall Waldeigentümer), denn die Norm spricht von berechtigten Ansprüchen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden. Das Bundesverwaltungsgericht folgt hier der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs12, der ebenfalls geurteilt hat, dass die ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung Vorrang vor einer zahlenmäßigen Hege, der den Waldaufbau schädigenden Wildarten hat. Auch die Rechte derjenigen Grundeigentümer, die nicht direkt als Jagdvorstand in die Verhandlung 9 10 11 12
OVG Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1 U 1133/77 (sog. Arenberg-Urteil). Wildschäden am Wald, 7. Auflage AID 2002. BVerwG, 30.3.1995 Az. 3 C 8.94. BGH in NJW 1984, 2216, 2217.
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des Abschussplanes eingebunden sind, werden durch die Rechtsprechung betont. So hat das niedersächsische OVG13 in einem Urteil festgestellt, dass in der fehlerhaften Festsetzung von Abschussplänen die Verletzung einer dem Grundeigentümer gegenüber bestehenden Amtspflicht zum Schutze des Waldes vor Wildschäden und damit ein enteignungsgleicher Eingriff seitens der Behörde liegen kann. Gegenüber einem Forsteigentümer, der gesteigerte Wildschäden durch einen überhöhten Wildbestand geltend macht, hat die Jagdbehörde mithin besondere Sorgfalts- und Schutzpflichten. Erhebliche Wildschäden, die nach der von der Jagdbehörde zugrunde gelegten Wildbestandsdichte eigentlich nicht zu erwarten wären, sind dabei hinreichender Anlass für weitergehende - von den Angaben der Revierinhaber - unabhängige Ermittlungen der Jagdbehörde. Wenn also ein Abschussplan gegen die berechtigten Interessen der Waldbesitzer von der Behörde festgesetzt wurde, gibt es hiergegen Rechtschutzmöglichkeiten.
V. Wildschadensersatzregelung 1. Verpflichtung zum Wildschadensersatz aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums Nach der Trennung des Jagdrechtes vom Jagdausübungsrecht stellte sich die Frage, wie die Verantwortlichkeiten für entstehende Wildschäden verteilt werden sollten. Der Gesetzgeber entschied sich dazu, die Haftung für Schäden im gemeinschaftlichen Revier der Jagdgenossenschaft bzw. in einem Eigenjagdbezirk dem Eigentümer oder Nutznießer zu übertragen. Diese Haftungsverteilung erklärt sich damit, dass der Inhaber des Jagdrechtes nach Auffassung des Gesetzgebers auch zum Tragen der damit verbundenen Nachteile herangezogen werden soll. Nach herrschender Meinung handelt es sich bei der Wildschadenshaftung um einen Ausgleichsanspruch, der dem Aufopferungsgedanken entspricht. Eine von wildlebenden Tieren ausgehende Beeinträchtigung im Sinne einer Schädigung ist im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums in gewissem Umfang hinzunehmen14. Durch Wildbestandsregulierung, technische Abwehrmaßnahmen und Verbesserung des Äsungsangebotes kann die Wildschadensgefahr zwar eingedämmt und vermindert, jedoch nicht völlig beseitigt werden. Wildschäden werden sich nie ganz vermeiden lassen, solange es Wild in der heimischen Natur gibt. Die Ersatzpflicht für Wildschäden soll einen angemessenen Ausgleich dafür darstellen, dass der Geschädigte einen artenreichen, gesunden Wildbestand hinnehmen muss, also mit Ausnahme der Abwehrrechte aus § 26 BJagdG keine Möglichkeit hat, Maßnahmen gegen schadenverursachendes Wild zu treffen, insbesondere in dessen Bestand einzugreifen.
13 14
OVG Lüneburg, 6.2.1992 Az 3L117/89. Schuck, Bundesjagdgesetz § 29 Rn. 5.
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2. Grundsatz Vermeidung vor Regulierung Das Bundesjagdgesetz bestimmt in §§ 29-32 als primäres Ziel der Hege möglichst die Vermeidung von Wildschäden. Auch die Abschussplanung ist darauf abzustimmen, denn die Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft gehen denen des Wildes und der Jagd vor. Weiterhin gilt der Grundsatz, dass Wildschadensverhütung dem Ersatz vorgeht. Deswegen dürfen Jäger, aber auch Grundeigentümer und Landwirte selbst Wild von ihren Grundstücken abhalten oder verscheuchen. Dabei darf der Jäger allerdings das Grundstück nicht beschädigen und Eigentümer oder Landwirte dürfen das Wild nicht gefährden oder verletzen. In Ausnahmefällen kann die untere Jagdbehörde unabhängig von Schonzeiten anordnen, dass der Jäger den Wildbestand zu verringern hat (§ 27 BJagdG), wenn dies mit Rücksicht auf das allgemeine Wohl, insbesondere auf die Interessen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft erforderlich ist. So hat das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen mit Erlass vom 4. November 2008 angeordnet, dass bestimmte Maßnahmen ergriffen werden mussten zur präventiven Vermeidung der Ausbreitung des Schweinepesterregers, der in den Wildschweinebeständen virulent vorhanden ist. Darin hat es ausdrücklich auf die Möglichkeit der unteren Jagdbehörden hingewiesen, die Verringerung des Wildbestandes anzuordnen.
3. Definition des ersatzpflichtigen Schadens Nach §§ 29 und 31 BJagdG ist ersatzpflichtiger Wildschaden der Schaden, der durch bestimmte Tiere an einem Grundstück und seinen Bestandteilen einschließlich der getrennten, aber noch nicht eingeernteten Erzeugnisse angerichtet wird. Ersatzfähig sind also Schäden an der Grundstückssubstanz (Erdoberfläche), am Bewuchs (Bäume, Sträucher, Gräser) und an den Früchten (z.B. Getreide, Kartoffeln, Mais). Ersatzfähig sind außerdem Schäden an Kulturzäunen und sonstigen Schutzvorrichtungen, wenn diese fester Bestandteil des Grundstücks sind. Keine Wildschäden stellen dagegen Schäden an Kartoffelmieten, Silagehaufen, Haustieren, landwirtschaftlichen Maschinen, Elektrozäunen oder Abdeckfolien durch Wild dar. Schäden an Sonderkulturen, wie Weinbergen, Obstgärten, Baumschulen, Alleen und Freilandpflanzungen von Garten- und hochwertigen Handelsgewächsen werden nur ersetzt, wenn intakte Schutzvorrichtungen angebracht sind, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens hätten ausreichen müssen. Zum Teil wird von Waldeigentümern Kritik daran geübt, dass die finanziellen Aufwendungen für präventive Wildschadensverhütungsmaßnahmen, z.B. durch den Bau von wilddichten Zäunen oder Erlöseinbußen durch Beschränkungen der waldbaulichen Möglichkeiten, z.B. unterlassene Naturverjüngung oder höhere Kosten durch Verjüngungen mit erhöhter Pflanzenzahl, nicht mit unter die Definition des „Wildschadens“ gem. § 29 BJagdG gefasst werden. Hierfür bestehen aus
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betriebswirtschaftlicher Perspektive zwar gute Gründe, da diese Kosten in Waldgebieten mit hohen Schalenwilddichten nicht zu unterschätzen sind. Nach allgemeinen juristischen Grundsätzen umfasst ein Schaden jedoch nur die Verschlechterung eines Rechtsgutes, welche direkt durch das schädigende Ereignis verursacht wurde. Eine Ausweitung auf Positionen, die bereits im Vorfeld des schädigenden Ereignisses verursacht wurden, würde diesen Grundsatz durchbrechen. Außerdem muss aus Sicht der Grundeigentümer ernsthaft hinterfragt werden, ob eine Ausweitung der Schadensersatzpflicht wirklich eine Verbesserung ihrer Rechtsposition darstellen würde. Denn nach den oben dargestellten Grundsätzen trifft diese Pflicht primär die Grundeigentümer selbst, soweit der Schaden nicht vertraglich auf die Jäger übertragen wurde. Diese Übertragungsmöglichkeit im Jagdpachtvertrag besteht jedoch hinsichtlich der Kosten für Wildschadensverhütungsmaßnahmen bereits unter der geltenden Rechtslage. So hat das LG Rottweil mit Urteil vom 28.10.2009 die Zulässigkeit einer Klausel bekräftigt, wonach der Verpächter befugt ist, in Absprache mit dem Pächter die forstfachlich erforderlichen Wildschadensverhütungsmaßnahmen auf Kosten des Pächters vorzunehmen. Es ist also den Waldbesitzern in schadensgeneigten Regionen anzuraten, entsprechende Klauseln im Jagdpachtvertrag aufzunehmen. Unabhängig davon stellt sich durchaus die Frage vor dem Hintergrund der immer weiter zunehmenden Anforderungen an die Leistungen des Waldes, gerade im Hinblick auf den Schutz der Biodiversität und die Senkenleistung als positiven Beitrag zur Klimaentwicklung, wie solche zusätzlichen, von der Gesellschaft geforderten Aufwendungen, finanziert werden können. Wenn auch aus Kapazitätsgründen nicht an dieser Stelle, so muss jedoch grundsätzlich überlegt werden, wieweit die Sozialpflichtigkeit des Waldeigentums in dieser Richtung ausgedehnt werden darf. Ersatzpflichtige Schäden verursachen nur die sog. „Schadwildarten“. Das sind Schalenwild, also Damwild, Rotwild, Sikawild, Rehwild, Muffelwild, Gamswild, Schwarzwild und Kaninchen und Fasanen. Schäden, die durch alle anderen Wildarten entstanden sind, wie z.B. durch Gänse, Wildtauben, Möwen oder Füchse sind nicht zu ersetzen. Während in Feldrevieren in erster Linie die Sorge vor Wildschäden durch Schwarzwild eine Rolle spielt, ist in den Waldrevieren das Thema Rehwildschäden dominierend.
4. Ersatzberechtigter und –verpflichteter Ersatzberechtigt ist der Bewirtschafter des beschädigten Grundstücks, dies kann der Eigentümer selbst oder ein Grundstückspächter sein. Ersatzverpflichtet ist gem. § 29 BJagdG in gemeinschaftlichen Jagdbezirken die Jagdgenossenschaft, in Eigenjagdbezirken der Eigenjagdbesitzer. Im letzteren Fall sind folgende Haftungsfälle zu unterscheiden:
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x Übt der Eigentümer oder Nutznießer des Eigenjagdbezirks sein Jagdrecht selbst aus und nutzt er auch seine Flächen land- oder forstwirtschaftlich, so lösen auftretende Wildschäden keine Ersatzansprüche aus, weil das Recht zur Jagdausübung und die Pflicht zum Wildschadensersatz in einer Person zusammenfallen. x Das Gleiche gilt, wenn der Eigentümer oder Nutznießer des Eigenjagdbezirks das Jagdausübungsrecht und das Land an dieselbe Person verpachtet. x Übt der Eigentümer oder Nutznießer des Eigenjagdbezirks sein Jagdrecht selbst aus, verpachtet aber das Land, haftet er dem Pächter der land- oder forstwirtschaftlich genutzten Fläche des Eigenjagdbezirks für Wildschäden nur, wenn er sie verschuldet hat. Eine Gefährdungshaftung gegenüber dem Landpächter besteht nur, wenn diese im Pachtvertrag übernommen worden ist. x Bleibt der Eigentümer oder Nutznießer des Eigenjagdbezirks landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Nutzer und verpachtet er das Jagdausübungsrecht, so haftet der Jagdpächter ihm gegenüber ebenfalls nur insoweit er den Schaden verschuldet hat. Selbstverständlich können Verpächter und Pächter des Reviers im Rahmen des Pachtvertrages von den gesetzlichen Regelungen abweichen. In den meisten Fällen wird dem Jäger im Pachtvertrag die Ersatzpflicht übertragen, denn dieser hat in erster Linie Einfluss auf den Wildbestand und damit auf das Wildschadensrisiko. Bei Übertragung des gesetzlichen Haftungsrisikos auf den Jäger muss die Jagdgenossenschaft den Wildschaden nur ersetzen, wenn der Geschädigte vom Jagdpächter keinen finanziellen Ausgleich erhalten kann (z.B. wegen Insolvenz). Diese Ausfallhaftung der Jagdgenossenschaft ist vergleichbar einer Bürgschaft. Der zu leistende Ersatz eines einzelnen Jagdgenossen richtet sich nach seinen Anteilen bejagbarer Fläche am gesamten Jagdbezirk. Entsprechend dem bereits geschilderten Beispiel einer Kostenübernahme für Wildschadensverhütungsmaßnahmen kann in dem Vertrag auch vereinbart werden, dass der Pächter über den gesetzlichen Umfang hinaus Schäden durch Nichtschadwildarten, wie z.B. durch Tauben an Futtererbsen übernimmt. Auch die Übernahme des Schadensersatzes an Sonderkulturen (§ 32 Abs. 2 BJagdG), wie z.B. Gemüse- und Obstgärten, Weinberge und Baumschulen kann vereinbart werden. Die gesetzliche Ersatzpflicht ist unabhängig vom Verschulden des Verpflichteten. Es gilt jedoch der allgemeine zivilrechtliche Grundsatz, dass den Geschädigten eine Schadensminderungspflicht trifft, d.h. er muss dazu beitragen, den Schaden möglichst gering zu halten. Tut er dies nicht, führt dies zur Minderung oder sogar zum Ausschluss seines Anspruchs. Insbesondere darf er Abwehrmaßnahmen (wie Wildzäune, Elektrozäune, Scheuchen, Wildäcker, Vergrämungsmaßnahmen o.ä.) des Jägers nicht unbrauchbar machen. Wenn ein Schaden durch Wiederanbau ausgeglichen oder gemindert werden kann, ist der Geschädigte hierzu verpflichtet. Dabei werden der Aufwand für die Saatgutbeschaffung und die Neubestellung sowie der evtl. Minderertrag abgezogen. Diese Verpflichtung gilt auch für Schä-
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den an Forstkulturen, die durch Neupflanzungen der beschädigten Pflanzen verringert werden könnten15.
5. Wildschäden an Haupt- und Nebenbaumarten Wildschaden an Forstkulturen kann vom Wild auf verschiedenste Weise verursacht werden - meist durch Verbiss, Schälen, Schlagen und Verfegen. Uneingeschränkt ersatzfähig sind Schäden an den sogenannten Hauptholzarten. Damit wird die dominierende Baumart in der Oberschicht der verschiedenen Waldgesellschaften oder Waldbestände bezeichnet. Es ist also quasi die in einem Bestand am häufigsten vorhandene Baumart. Schäden an den übrigen Baumarten (sog. Nebenbaumarten) sind nur ersatzfähig, wenn entsprechende Schutzvorrichtungen geschaffen wurden, § 32 BJagdG. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber auf die Gefährdung der Holzart in dem betreffenden Jagdbezirk abstellt. Von den Forstpflanzen werden diejenigen am häufigsten verbissen oder verfegt, die am seltensten vorkommen. Wenn diese nicht speziell geschützt werden, will der Gesetzgeber dem Ersatzpflichtigen das hohe Schadensrisiko nicht aufbürden. Umgekehrt sind diejenigen am wenigsten gefährdet – und damit ersatzfähig, die am häufigsten vorkommen. Es gibt jedoch keine verbindliche Definition der Hauptbaumarten. Die Feststellung, welche dies im jeweiligen Revier sind, muss im Einzelfall erfolgen, bzw. kann im Pachtvertrag festgeschrieben werden16. Entscheidend für die Frage, ob eine Hauptbaumart vorliegt, ist nicht der Zeitpunkt des Schadenseintritts, sondern vielmehr der Forstbestand, wie er sich im Jahre des Abschlusses des Pachtvertrages darstellte. Durch einen nach Abschluss des Pachtvertrags vorgenommenen Umbau des Waldes, z.B. von Nadel- in Mischwald, ändert sich an der ursprünglichen Einordnung der Haupt- und Nebenbaumarten nichts. Einige Landesjagdgesetze enthalten spezielle Regelungen für den Fall, dass neben Hauptholzarten zunehmend auch weitere Arten im Revier gepflanzt werden. So bestimmt das Landesjagdgesetz Rheinland-Pfalz (in der im Mai 2010 noch geltenden Fassung), dass wenn neben den Hauptholzarten des Jagdbezirks zur Anlage von Mischkulturen z.B. Buche, Eiche, Ahorn oder Esche mit einem Anteil von mindestens 20 % eingebracht werden, im Pachtvertrag Vereinbarungen über die Abgeltung des Wildschadens oder die Beteiligung der Jagdpächter an der Errichtung von üblichen Schutzeinrichtungen zu treffen sind. Kommt eine Einigung nicht zustande, so ist der Wildschaden an diesen Kulturen sowohl bei den Haupt- als auch bei den Nebenholzarten zu ersetzen. Durch diese Regelung wird der Jagdpächter verpflichtet, auch bei Fehlen von Schutzvorrichtungen Wildschaden auch an Mischkulturen zu ersetzen, wenn die Ersatzpflicht im Jagdpachtvertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde.
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Schuck, Bundesjagdgesetz, § 29 Rn. 43 ff. Asche/Conrad Der Jagdpachtvertrag: Was kommt da auf mich zu?, S. 87 ff.
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6. Bewertung von Waldwildschäden Wildschadensfälle sollten möglichst auf gütlichem Wege geregelt werden. Dieses Ziel lässt sich umso leichter erreichen, je besser die Parteien über die Möglichkeit der Ermittlung von Wildschäden und deren Bewertung informiert sind. In der Forstwirtschaft ist die Regulierung von Wildschäden besonders kompliziert, da die Erfassung und Bewertung für den Laien nur schwer verständlich sind. Aufgrund des hohen Zeitaufwandes können die Kosten für die Ermittlung des Schadens im Einzelfall sogar höher sein als die Schäden selbst. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Bewertung von Waldwildschäden sich auf die Prognose der Wirkung auf die Pflanze stützen muss. Während bei Wildschäden auf landwirtschaftlichen Grundstücken das schädigende Ereignis und die Auswirkung des Schadens unmittelbar zusammenfallen oder zumindest der Schaden innerhalb des gleichen Jahres, spätestens zum Erntezeitpunkt erfassbar ist, können Wildschäden an der forstwirtschaftlichen Nutzung nur in den Fällen, in denen die geschädigte Forstpflanze vernichtet wurde oder ihr Ausfall in Kürze bevorsteht, unmittelbar festgestellt werden. Ansonsten tritt die finanzielle Auswirkung des schädigenden Ereignisses meist erst Jahre bis Jahrzehnte später ein. Zur Herleitung eines Schadens, der erst in einiger Zukunft zur Auswirkung kommt, aber im Zeitpunkt der Schädigung zu ersetzen ist, dienen in den bisher gängigen Verfahren Bestandswerttabellen, die auf Ertragstafeln aufbauen. Problematisch ist, dass Schäden nur an Zielen festgemacht werden können. In vielen Fällen, vor allem im Privatwald sind diese Ziele häufig nicht definiert. Sie können auch durch Naturereignisse wie Sturmschäden, unerreichbar werden. Auch können die Holzpreise in 50, 80 oder 100 Jahren nur geschätzt werden. Die Fehlermöglichkeiten sind zahlreich, schon weil ungewiss ist, nach welchem Holz zukünftig besondere Nachfrage besteht. Jede Schätzung über einen derart langen Zeitraum ist mehr oder weniger spekulativ. Auch ist nicht vorhersehbar, ob die in der Planung vorgesehenen Umtriebszeiten eingehalten werden. Vor dem Hintergrund einer Zunahme des naturnahen Waldbaus werden die Umtriebszeiten länger werden. Abgesehen davon, dass dadurch das Ziel verändert wird, werden die Prognosen noch unsicherer. Weitere Unsicherheiten bestehen vor dem Hintergrund einer möglichen vorzeitigen Rodung für Straßenoder Siedlungsbau, einer Vernichtung oder Schädigung durch Brand, Sturm, Schnee oder Eisbruch, eines Waldsterbens oder eines Nutzungsverbots aus Naturschutzgründen. Umgekehrt werden auch potentiell eintretende schadenserhöhende Umstände ausgeklammert, wie eine Verschlechterung der Durchmesserstruktur des verbleibenden Bestandes, zusätzliche Pflegemaßnahmen, Folgeschäden wie Windwurf oder Schneebruch sowie Insektenbefall. Grundsätzlich ist zu empfehlen, in den Jagdpachtbedingungen die Anwendung eines bestimmten Verfahrens festzulegen. Es gibt verschiedene Verfahren zur Ermittlung von Waldwildschäden, jedoch kein verbindliches oder allgemein anerkanntes. In der Praxis werden zur Ermittlung der durch Verbiss entstandenen Schäden das Verbissbewertungsverfahren von Kroth, Bartelheimer, Sinners, die Studie von Prof. Dr. Martin Moog „Vertragliche Regelungen zur Vermeidung und
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zum Ersatz von Wildschäden im Wald“17 und das „Rosenheimer Modell“18 am häufigsten genutzt. Letzteres geht auf eine Abstimmung des Bayerischen Bauernverbandes und der Bayerischen Oberen Jagdbehörde zurück. In den Jagdpachtverträgen des Gebiets sind bestimmte Schadenssummen für jede Baumart, gestaffelt nach Alter festgelegt. Das Verfahren hat den Vorteil, dass es in der Regel keiner Einschaltung eines Sachverständigen bedarf, weil die Schadenshöhe vom Geschädigten und Ersatzpflichtigen gemeinsam über die Zählung der geschädigten Pflanzen oder Bäume und den im Vertrag festgeschriebenen Kostensätzen ermittelt wird. Schließlich sind auch die Richtlinien für die Ermittlung und Prüfung des Verkehrswerts von Waldflächen und für Nebenentschädigungen (Waldwertermittlungsrichtlinien 2000) zu berücksichtigen19, sofern ihre Anwendung angeordnet wird. Auf die Einzelheiten der Wildschadensschätzungsverfahren und der Wertermittlung kann hier jedoch nicht weiter eingegangen werden. Für die Ermittlung des ersatzpflichtigen Schadens kommt es ebenso wie bei Feldfrüchten auch auf den Erntezeitpunkt an, selbst wenn dieser bei Forstpflanzen noch in weiter Zukunft liegen kann. Der BGH hat in seinem Urteil vom 14.03.199620 jedoch festgestellt, dass daraus nicht gefolgt werden kann, der entschädigungsfähige Nachteil lasse sich erst im Zeitpunkt der Ernte bei Gehölzschäden, also vielfach erst nach Jahrzehnten mit einer die Zubilligung einer Entschädigung rechtfertigenden Gewissheit ermitteln. Eine solche Betrachtungsweise würde der Bedeutung der Eigentumsgarantie nicht gerecht.
VI. Wald-Wild-Thematik Zunehmend werden in Fachkreisen hitzige Diskussionen zu der Ausrichtung von Wildbeständen im Wald geführt. An dieser Stelle soll jedoch bewusst nicht das Schlagwort „Wald-Wild-Konflikt“ aufgegriffen werden. Konflikte lassen sich meist auf ein Defizit in der Abstimmung und der Zusammenarbeit der beteiligten Gruppen zurückführen21 und die Erfahrung zeigt auch hier, dass die meisten Probleme dort bestehen, wo es zwischen den einzelnen Akteuren „menschelt“. So wie es regional teils zu hohe Wildschweinbestände gibt, müssen auch die Rehwildbestände in einigen Regionen Deutschlands deutlich zurückgefahren werden. Die Erhaltung und der Aufbau stabiler und gesunder Mischwälder ist jedoch eine 17
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Dr. Martin Moog, Bewertung von Wildschäden im Wald, Modelle - Methoden – Bewertung, Neumann-Neudamm, 2008. Leonhardt/Bauer/Schätzler, Wild- und Jagdschadensersatz, 30/2.2.1. In der Fassung vom 12. Juli 2000, BAnz Nr. 168a vom 6. September 2000. BGH in NJW/RR 1996, 792. Vgl. auch Prof. Dr. Müller in Deutscher Waldbesitzer, 3/10, S. 8 ff.
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wichtige Aufgabe der Umweltvorsorge. Sie kann nur gelöst werden, wenn der Ausgleich zwischen Wald und Wild gelingt. Darüber besteht unter allen Beteiligten Einigkeit. Die Frage ist nur, wie dies am besten zu erreichen ist und ob man sich bemüht, gemeinsam Ziele festzulegen und sachlich an deren Umsetzung zu arbeiten oder den „Wald-Wild-Konflikt“ vorwiegend medienwirksam und emotional diskutiert. Nach Auffassung der in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer organisierten Grundeigentümer ist der erste Weg der erfolgversprechendere. Orientierung ist die Verpflichtung aus § 1 BJagdG, wonach ein an die landeskulturellen Verhältnisse angepasster artenreicher und gesunder Wildbestand sicherzustellen ist. Dabei müssen die Bedürfnisse von Land- und Forstwirtschaft berücksichtigt und Schäden möglichst vermieden werden. Wie jedoch diese Begriffe im Einzelfall vor Ort umgesetzt und mit Leben gefüllt werden, kann nicht allgemeinverbindlich festgeschrieben werden. Deswegen entscheiden die Jagdrechtsinhaber in enger Absprache mit Jägern, wie der Abschuss und die Hege gestaltet werden müssen, um das Ziel eines ausgewogenen Wildbestandes und damit der Vermeidung von Wildschäden im jeweiligen Revier zu erreichen. Das sachgerechte Gremium, in dem dann die verschiedenen Interessen der Reviere und weiterer Gruppen, wie des Naturschutzes in einem Landkreis in Einklang gebracht werden, ist der Jagdbeirat. Eine aktive Mitarbeit in diesem Kreis ist den Grundeigentümern sehr anzuraten. Die Jagdbeiräte sind beratende Organe und werden bei den Jagdbehörden nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften tätig. Sie sind nach unterschiedlichen Interessengruppen zusammengesetzt und dienen somit auch dem Ausgleich der Interessensgegensätze zwischen Jagd und Hege einerseits sowie der Landeskultur und der Landschaftspflege andererseits22. Die Grundeigentümer als Inhaber des Jagdrechts trifft eine maßgebliche Verantwortung bei der Festlegung von Zielen zum Waldbau und der Abstimmung der Wildbestände in den Revieren. Das Bundesjagdgesetz gibt ihnen über verschiedene Instrumente Möglichkeiten an die Hand, ihre Rechte selbstbestimmt wahrzunehmen. So können etwa durch die Entscheidung für die Eigenbewirtschaftung des Reviers oder für einen verantwortungsvollen, sich kümmernden Pächter wichtige Weichen gestellt werden. Auch können in den Jagdpachtverträgen entsprechende Regelungen (Anreizsysteme zur Verminderung von Wildschäden im Wald, regelmäßige Revierbegehungen etc.) vereinbart werden. Schließlich ist muss an dieser Stelle auch der Bogen zu dem weiter unten (s. Kapitel 8) angesprochenen Thema „Wald-Feld-Grenze“ geschlagen werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Grundeigentümern, Förstern, Landwirten und Jägern im Revier sowie revierübergreifend ist unerlässlich, um die Herausforderungen an eine verantwortungsvolle, nachhaltige Wald- und Wildbewirtschaftung zu bewältigen.
22
Mitschke/Schäfer Bundesjagdgesetz 4. Auflage Rand-Nr. 27 zu § 37.
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VII. Jagdwertminderung aufgrund von Durchschneidungsschäden 1. Voraussetzungen für Entschädigungsansprüche Durch den Neubau öffentlicher Verkehrswege und die Ausweisung neuer Baugebiete werden häufig Jagdgebiete durchschnitten. Neben dem Verlust der Flächen für die Grundeigentümer gehen damit auch negative Folgen für die Qualität des Jagdreviers einher, woraus den Inhabern des Jagdrechtes gegebenenfalls Entschädigungsansprüche erwachsen. Der Entschädigungsanspruch wegen Jagdwertminderung soll vor allem Verschlechterungen der Revierstruktur, im Wildvorkommen, in den Bejagungsmöglichkeiten und infolge von Störungen durch den Erholungsverkehr kompensieren. Die Wertminderung von Jagdbezirken ist quantitativ schwer zu erfassen. Daher gibt es zu dieser Materie mehrere höchstrichterliche Entscheidungen und verschiedene Berechnungsmethoden.
2. Ansprüche von Jagdgenossenschaft und Eigenjagdbesitzer Grundsätzlich ist danach zu differenzieren, ob für das Bauvorhaben in Anspruch genommene Grundstücke Teil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirkes oder eines Eigenjagdbezirks sind. Wenn eine Genossenschaftsjagd im Wert gemindert wird, können die Jagdgenossen selbst keine direkte Entschädigung verlangen, denn sie sind zwar wirtschaftlich betroffen, verfügen aber nicht über das Recht der Jagdausübung; dies liegt bei der Jagdgenossenschaft als eigenständiger Rechtspersönlichkeit. Der BGH hat einer Jagdgenossenschaft mit Urteil vom 14.06.1982 erstmals eine Entschädigung zuerkannt und dies in ständiger Rechtsprechung bestätigt23. Der Jagdpächter kann keine Entschädigung für die Jagdwertminderung verlangen. Ob er gegenüber dem Verpächter eine Herabsetzung der Pacht erwirken kann, hängt von der Ausgestaltung des Pachtvertrages ab. Die Enteignung von Flächen, die zu einem Eigenjagdbezirk gehören, kann dazu führen, dass die Eigenschaft als Eigenjagdbezirk verloren geht. Dies ist eine konkrete subjektive Rechtsposition, die den Schutz von Art.14 Grundgesetz genießt und daher entschädigungspflichtig ist. Auch wenn die Eigenjagd durch den Flächenverlust nicht ihre Eigenschaft als solche verliert, kann dies dennoch eine Beeinträchtigung des Jagdausübungsrechts nach sich ziehen und somit den Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung begründen. Bei der Festlegung der Höhe der Minderung des Jagdwertes ist zu berücksichtigen, dass die Minderung nur insoweit gewährt werden kann, wie die Beeinträchtigung darauf zurückzuführen ist, dass die Verkehrstrasse auf den Grundstücken der 23
z.B. BGH 20.01.2000, in NJW 2000, 1720, 1721.
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Betroffenen verläuft. Die Entschädigung wird nicht zugestanden, soweit die Beeinträchtigung auch dann eingetreten wäre, wenn die Trasse an der Grenze des Reviers verlaufen wäre (sog. Parallelverschiebungstheorie). Bei der Ermittlung der Entschädigung für eine Jagdwertminderung muss ferner beachtet werden, dass Überschneidungen mit anderen Entschädigungspositionen vermieden werden. Wenn ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb betroffen ist, wird für diesen möglicherweise, wenn der Sachverhalt dies erfordert, ein Arrondierungsschaden ermittelt. Wenn dort bereits eine Wertminderung des Eigenjagdbezirks berücksichtigt ist, kann dafür nicht noch einmal eine gesonderte Ermittlung und Geltendmachung erfordern. Revierverbesserungen z.B. durch ausgleichende Ersatzmaßnahmen, Wildbrücken und Durchlässe sind den baubedingten Nachteilen gegenüber zu stellen und ggf. gegen zu rechnen. Dabei ist allerdings eine kritische Würdigung geboten, ob sich bestimmte Maßnahmen tatsächlich positiv für das Wild und die Jagdausübung darstellen. Die Entschädigung ist ab dem Zeitpunkt der Rechtsbeeinträchtigung (sogenannter Eingriffszeitpunkt). Eingriffszeitpunkt für Jagdwertminderungen durch Verkehrswegebau ist üblicherweise der Beginn der Bauarbeiten. Ab behördlicher Festsetzung der Entschädigung besteht auch eine Verzinsungspflicht.
3. Methoden zur Berechnung der Jagdwertminderung24 Zur Einschätzung der Jagdwertminderung gibt es verschiedene Methoden, die alle zunächst auf die Minderung des jährlichen objektivierten Pachtwertes abstellen. Die jährliche Pachtwertminderung des Jagdbezirks wird sodann kapitalisiert. Bezüglich des Verlaufs und der Dauer des Schadens gibt es teils unterschiedliche Annahmen. Das marktorientierte Pachtpreisdifferenzverfahren schätzt die entschädigungsrelevante Minderung des jährlichen Pachtwerts eines Reviers durch einen Eingriff aus Marktdaten ein. Danach wird von dem objektivierten jährlichen Pachtwert vor dem Eingriff, der objektivierte jährliche Pachtwert nach dem Eingriff abgezogen und von dieser ermittelten Pachtwertminderung noch die entsprechend ermittelte objektivierte jährliche Pachtwertminderung bei einem Trassenverlauf an der Grenzen abgezogen. Die verbleibende Minderung ist zu kapitalisieren, in der Regel mit dem Faktor 25. Hinzu kommt ggf. noch eine Entschädigung für Jagdeinrichtungen. Für diese Methode benötigt man jedoch vergleichbare verpachtete Reviere vor und nach dem Eingriff. Die notwendigen Daten sind aus dem Geschehen am Pachtmarkt bestenfalls nur dann gewinnbar, wenn die Auswirkungen des Eingriffs sehr drastisch sind. Beim Schadzonenverfahren wird das Revier vor dem Eingriff in Revierteile unterschiedlicher Wertigkeit eingeteilt. Für diese Revierteile werden durch Orientie24
Köhne, Die Entschädigung für die Wertminderung von Jagdbezirken infolge öffentlicher Maßnahmen, GuG 2007, S. 86 ff.
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rung am regionalen Pachtmarkt jährliche Pachtwerte je Hektar angesetzt. Dann werden die Auswirkungen eines Trassenbaus auf die verschiedenen Revierteile bemessen. Die nicht betroffenen Revierteile bleiben bei der Wertminderungsberechnung außen vor. Die Wertminderung je Hektar, multipliziert mit der jeweiligen Größe der Revierteile, führt zu der gesamten jährlichen Wertminderung, ebenfalls kapitalisiert mit 25 und unter Berücksichtigung weiterer entschädigungspflichtiger Positionen. Das Verfahren bietet sich vor allem bei großen und heterogenen Jagdbezirken an. Es gibt noch weitere Verfahren, auf die hier jedoch aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden kann. Wird durch den Betrieb eines neuen Verkehrsweges das Jagdausübungsrecht dauerhaft beeinträchtigt, ist von einem Ewigkeitsschaden auszugehen. Dies ist nur dort nicht der Fall, wo die Beeinträchtigungen mit zunehmender Dauer der Einbindung in die Landschaft geringer werden, der Jagdbetrieb entsprechend umgestellt werden kann und ein Gewöhnungseffekt eintritt. In diesen Fällen ist von einer Dauer der Beeinträchtigung von 2-3 Pachtperioden somit, unter Berücksichtigung von Hoch- und Niederwildrevieren, von 18 – 36 Jahren auszugehen. Die Entschädigung wird beim Ewigkeitsschaden als Vorwert einer jährlich unendlichen Rente mit dem Kapitalisierungsfaktor 25 ermittelt. Im Falle abnehmender Beeinträchtigung ist von einer linear sinkenden Rente auszugehen. Eine Kürzung des Kapitalisierungsfaktors wegen zeitlicher Verkürzung des Schadenszeitraums aufgrund unterbliebener Pachtzinsminderung des Jagdpächters (sog. Fühlbarkeitsrechtsprechung des BGH) ist abzulehnen, weil es sich bei dem Verzicht auf Pachtzinsminderung um freiwillige Drittleistungen des Jagdpächters handelt, die den Entschädigungsverpflichteten nicht entlasten soll.
VIII. Wald – Feld – Grenze Die Attraktivität eines Reviers bemisst sich an vielen verschiedenen Faktoren, der Wildbestand ist dabei ein maßgeblicher Aspekt. Aber auch die Lage, die Bewirtschaftung und die Aufteilung der zum Jagdrevier gehörenden Flächen sind für die Pachtpreiszahlung entscheidend. Besonders beliebt sind Reviere, die sowohl Feld-, wie auch Waldflächen und günstigstenfalls noch ein Gewässer umfassen. Diese Reviere bieten Lebensraum für verschiedene Wildarten und der Schadensdruck, der von Rehwild stärker im Wald (Stichwort Schäl- und Fegeschäden) und von Schwarzwild durch Fraß- und Wühlschäden stärker im Feld und auf Grünland ausgeht, verteilt sich besser. Doch gerade die Verbindung von Wald- und Ackerflächen zu einem Revier ist in einigen Bundesländern zunehmend in Gefahr. Der Grund liegt darin, dass die Landesverwaltungen aus Kostengründen bestrebt sind, ihre eigenen Reviere zu möglichst hohen Pachtpreisen auf den Markt zu bringen. Dabei versprechen sie sich eine höhere Attraktivität, wenn sie die Waldflächen, also ihre Staatsforsten, gesondert zur Verpachtung anbieten. Denn gerade in Regionen, in denen die Schwarzwildbestände in den letzten Jahren zugenommen haben, sind auch die Schäden auf Acker- und Grünlandflächen durch Schwarzwild
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angestiegen. Im Wald hingegen ist Schwarzwild gern gesehen, da es hier nur Einstand sucht und keine Schäden anrichtet. In den Feldrevieren dagegen steigert das Rehwild den Jagdwert, welches wiederum im Wald zu Schaden geht. Dazu kommt, dass in vielen Naturschutzgebieten die Jagd immer stärker eingeschränkt wird, so dass sich hier Einstandsgebiete finden und die Problematik noch verschärft wird. Um eine gesonderte Verpachtung der Staatsforsten erreichen zu können, werden gerade in Süddeutschland, aber auch in anderen Bundesländern vermehrt sogenannte Angliederungsverträge aufgekündigt. Diese Verträge wurden auf Grundlage von § 5 Abs. 1 BJagdG geschlossen. Danach können Jagdbezirke durch Abtrennung, Angliederung oder Austausch von Grundflächen abgerundet werden, wenn dies aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist. Eine Abrundung von Jagdbezirken erfolgt dadurch, dass eine Grundfläche die keinem Jagdbezirk gehört oder von einem anderen Jagdbezirk abgetrennt wird, einem Jagdbezirk angegliedert wird oder dass ein Teil eines Jagdbezirks abgetrennt wird oder dass Grundflächen von aneinandergrenzenden Jagdbezirken ausgetauscht werden, so dass bei jedem der beteiligten Jagdbezirke zugleich eine Abtrennung und eine Angliederung erfolgt. Zulässig ist eine Abrundung nur, wenn sie aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist. Dabei ist unter Jagdpflege die Hege im engeren Sinn und unter Jagdausübung die Technik der Bejagung zu verstehen. Es reicht also nicht aus, wenn eine Abrundung nur aus jagdpraktischen oder finanziellen Gründen wünschenswert wäre, vielmehr muss der Zustand ohne Abrundung den Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung tatsächlich widersprechen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung hieran stellt, sind streng. Der Grund dafür, dass Abrundungen nur unter engen Voraussetzungen zulässig sind, liegt darin, dass es sich grundsätzlich um Dauerlösungen handeln soll und die Abänderung der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Grenzen der Jagdbezirke eine Ausnahme bilden soll, die nur gerechtfertigt ist, wenn gewichtige Gründe sie notwendig erfordern. Abrundungen sind danach nicht zulässig, wenn sie lediglich zweckmäßig sind. Auch physikalische oder ökonomische Erwägungen z.B. eine günstigere Verpachtbarkeit eines durch Angliederung erweiterten Jagdbezirkes müssen außer Betracht bleiben. Die Aufkündigung von Angliederungsverträgen ist also nicht nur rechtlich kritisch, sondern auch aus praktischen Gründen problematisch. Die Wald-FeldGrenze ist der optimale Standort für Ansitze. Wild kann beim Ein- und Auswechseln von an der Grenze aufgestellten Jagdeinrichtungen gut angesprochen werden. Wenn jedoch auch die Reviergrenzen genau an diesen Punkten verlaufen, wird die Bejagung an diesen strategisch günstigen Orten schwieriger und es stellen sich Fragen hinsichtlich der Nachsuche von angeschossenem Wild. Diese Problematik der Wald- Feld- Grenze sollte im Interesse eines funktionierenden Gesamtsystems in Absprache und im Einvernehmen mit allen Beteiligten gelöst werden. Den Staat trifft hier eine Verantwortung, nicht nur kurzfristig auf die Erhöhung der zu erzielenden Pachtpreise zu achten, sondern die wildbiologischen Zusammenhänge, den
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natürlichen Wechsel des Wildes zwischen Ackerflächen und Wald zu beachten und sich in die Solidargemeinschaft aller Eigentümer (ob öffentlich oder privat) einzugliedern.
IX. Zwangsmitgliedschaft An der zwangsweisen Mitgliedschaft der Grundeigentümer in den Jagdgenossenschaften wird zum Teil von jagdkritischen Gruppen Kritik geäußert. Begründet wird diese vor allem damit, dass Jagdgegner das Töten von Tieren auf ihren Flächen dulden müssten und dies gegen ihre Gewissensfreiheit verstieße. Anfang 2007 hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss auf eine Verfassungsbeschwerde hin festgestellt, dass durch die Zwangsmitgliedschaft nach deutschem Modell keine Grundrechte verletzt würden. Insbesondere ein Verstoß gegen Artikel 14 GG sei nicht gegeben, weil ein sachgerechter Ausgleich zwischen den Nutzungsinteressen des Grundeigentümers und den berechtigten Interessen der Allgemeinheit im Sinne des Artikel 14 Abs. 2 GG besteht25. Die Jagdbezirksregelungen sind Inhaltsbestimmung des Eigentums. Sie müssen deshalb sachgerechten Erwägungen entspringen. Der Grund für die gesetzliche Mitgliedschaft ist in erster Linie das staatlich legitime Interesse an einem verantwortlichen und nachhaltigen Wildmanagement. Wild orientiert sich nicht an willkürlich gesetzten Grenzen einer Eigentumsfläche. Daher ist eine flächenübergreifende Ordnung des Jagdwesens notwendig, die einer artgerechten Lebensweise, der Verhinderung von Raubbau an Wildbeständen, der Umwelt sowie dem Schutz von land- und forstwirtschaftlichen Kulturen Rechnung trägt. Die kontrollierte Jagdausübung, die Vermeidung der Überbejagung, aber auch die Verhinderung von übermäßigen Wildschäden, sind zulässiger Inhalt der Jagdausübungsberechtigung. Der Schutz vor Seuchen, die Verhinderung von Krankheit oder Leiden der Tiere liegen im überwiegenden öffentlichen Interesse, ebenso die Verhinderung von Wildschäden durch Bestandsregulierung. Die Kontrolle einer großen Zahl von zum Teil nur aus Kleinparzellen bestehender Jagdgebiete wäre fast unmöglich. Auch die Förderung der Artenvielfalt ist auf zu kleinem Raum nicht sachgerecht. Um diese Ziele zu erreichen, ist die Jagdgenossenschaft ein Jahrzehnte lang bewährtes Modell einer weitgehend autonomen Selbstverwaltung der Flächeneigentümer in Solidargemeinschaft. Entscheidungen fallen dort nach demokratischen Grundsätzen und unterliegen der staatlichen Aufsicht durch die unteren Jagdbehörden. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem Urteil vom 10.07.2008 auf die Beschwerde einer Jagdgegnerin aus Luxemburg entschie25
Munte, Die Pflicht des Grundeigentümers zur Duldung der Jagd auf seinem Grundstück, S. 115 ff.
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den, dass die Zwangseinbringung und die damit verbundene jagdliche Zwangsnutzung eines Grundstücks in eine Luxemburger Jagdgenossenschaft das Eigentumsrecht sowie den Grundsatz der (negativen) Vereinigungsfreiheit verletzt. Durch diese Entscheidung werden Fragen insbesondere auch zur Bindewirkung und Übertragbarkeit im Verhältnis zum deutschen Jagdgenossenschaftsmodell aufgeworfen. Mit Blick auf das Eigentumsrecht hat der EGMR sinngemäß festgestellt, dass das Luxemburger Jagdgesetz zwar das legitime Ziel der geordneten Bejagung und vernünftigen Wildbestandsbewirtschaftung verfolge und dass die Vertragsstaaten insoweit einen großen Ermessenspielraum haben, wie sie dieses Ziel umsetzen wollen. Unverhältnismäßig sei das Luxemburger Modell der Zwangseinbringung jedoch aus dem Grunde, da hiermit zugleich eine der ethischen Grundeinstellung der Beschwerdeführerin widersprechende Zwangsverpachtung bzw. Zwangsbejagung verbunden sei. Auch wenn das Genossenschaftsmodell nach dem Bundesjagdgesetz Parallelen zum Luxemburger Modell aufweist, unterscheiden sich die beiden Systeme gerade in diesem Punkt deutlich. Die Bejagungspflicht ergibt sich in Deutschland aus dem gesetzlichen Hegeauftrag. Weder Jagdgenossenschaft noch Eigenjagdbesitzer können nach Gutdünken darüber entscheiden, ob auf ihrer Fläche die Jagd ruht. Die Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft entscheidet daher bei uns auch nicht über Bejagung oder Nichtbejagung. Dies ist vielmehr eine Frage des sog. Ruhens der Jagd oder ob es sich um eine befriedete Fläche handelt. Ob auf einer Fläche die Jagd ruht, wird nach dem deutschen Modell genossenschaftsextern im Verwaltungsverfahren beurteilt. Das Ruhen der Jagd gem. § 6 BJagdG ist nur für absolute Ausnahmefälle vorgesehen, z.B. wenn die Wildbestände aufgrund äußerer Einflüsse, wie Naturkatastrophen beträchtlich gefährdet sind und eine Erholungsphase benötigen. Auch die Befriedung von Grundstücken unterliegt strengen Voraussetzungen und obliegt nicht der Entscheidung der Grundeigentümer, sondern der Behörde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte weiterhin in der Zwangsmitgliedschaft in luxemburgischen Jagdgenossenschaften einen Verstoß gegen die negative Vereinigungsfreiheit gesehen. Nach der Menschenrechtskonvention darf niemand gegen seinen Willen in Vereinigungen gezwungen werden, mit Ausnahme von staatlich institutionalisierten Vereinigungen. Auch hier zeigt sich ein nicht unwesentlicher Unterschied im Vergleich der Jagdgenossenschaftsmodelle in Deutschland und in Luxemburg. Die deutsche Jagdgenossenschaft ist durch Gesetz ausdrücklich als Körperschaft des öffentlichen Rechtes bestimmt worden. Sie unterliegt der staatlichen Rechtsaufsicht und genießt insbesondere Privilegien verwaltungstechnischer wie normativer Art. So kann die deutsche Jagdgenossenschaft z.B. Umlagebescheide erlassen und eine Satzung aufstellen und ändern. Es handelt sich um eine staatlich institutionalisierte Vereinigung. Deshalb kann die Mitgliedschaft in einer deutschen Jagdgenossenschaft auch nicht gegen die in der Menschenrechtskonvention geschützte Vereinigungsfreiheit verstoßen.
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Augenscheinlich zu kurz gekommen ist in der Entscheidung des EuGMR gegen Luxemburg eine Abwägung mit den Rechtsgütern der übrigen Jagdgenossen, die im Falle eines Ausscheidens Einzelner erheblichen Schaden erleiden können, etwa wenn die Jagd nicht mehr zu verpachten ist, Schalenwildbestände nicht mehr reguliert werden können und der Wildschadensersatz auf der Strecke bleibt. Denn aus wildbiologischen Gründen können von kleinen Flächen in einem Revier, die bei der Bejagung außen vor bleiben müssen, weil etwa der Eigentümer eine Einbeziehung in die Jagdgenossenschaft ablehnt, weit reichende negative Konsequenzen ausgehen. Das Wild zieht sich hierher zurück, findet Einstand und kann von dieser „sicheren Bastion“ aus auf die Nachbarflächen ausströmen und dort Fraß- und Schälschäden anrichten. Diese Schäden stünden oftmals außer Verhältnis zu dem anteiligen Jagdzins, den der sich verweigernder Eigentümer erhalten würde. Vor allem für diese Problematik, dass sich ein einzelner Grundeigentümer aus der Solidargemeinschaft entzieht und damit die übrigen mit einer deutlich stärkeren Schädigung ihres Eigentums konfrontiert wären, müsste im Fall der Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft in deutschen Jagdgenossenschaften eine Lösung gefunden werden.
X. Literatur Dr. Florian Asche/Peter Conrad, Der Jagdpachtvertrag: Was kommt da auf mich zu? NWMVerlag 1. Auflage 2009. Berechnungsgrundlagen: Klassifikation und Bewertung von Schwarzwildschäden am Grünland, Verband der Landwirtschaftskammern, Ausgabe 2010, ISBN: 978-3-9805659-9-8. Berechnungsgrundlagen: Schäden an landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen und Grundstücken, Verband der Landwirtschaftskammern Ausgabe 2006, ISBN: 3-980565-9-8X. Klemm, M., Schwarzwild und Schwarzwildschäden in Deutschland 1946, Nachrichtenblatt Pflanzenschutzdienst, Berlin, 2. Jg. Manfred Köhne, Die Entschädigung für die Wertminderung von Jagdbezirken infolge öffentlicher Maßnahmen, Zeitschrift GuG-Grundstücksmarkt und Grundstückswert 2007. Dr. Paul Leonhardt/Dr. Josef Bauer/Heinrich Schätzler, Wild- und Jagdschadensersatz, CarlLink-Fachschriftensammlung, 2005. Gustav Mitschke/Dr. Karl Schäfer, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, Verlag Paul Parey, 4. Auflage 1981. Prof. Dr. Michael Müller in Deutscher Waldbesitzer, 3/10, S. 8 ff. Benjamin Munte, Die Pflicht des Grundeigentümers zur Duldung der Jagdausübung auf seinem Grundstück, Verlag Dr. Kovac 2008. Marcus Schuck, Kommentar Bundesjagdgesetz, Verlag Franz Vahlen München, 1. Auflage 2010. Schätzungsrichtlinien 2008, beziehbar beim Bayerischen Bauernverband, Fax 089/55873-507 bzw. E-Mail
[email protected]. Dr. Volker Wolfram, Wildschäden im Feld bewerten, Pirsch Sonderdruck 13-16/2006 Jürgen Wolsfeld, Dietrich Schröder, Jagdrecht für das Land Nordrhein-Westfalen, GRIN – Verlag für akademische Texte, 2008. Wildschäden am Wald, AID-Heft 7. Auflage 2002.
V. Politik
§ 16 Forstpolitische Betrachtungen zum Waldeigentum
„Im Waldbild der Bevölkerung gibt es keine Waldbesitzer. Der Wald ist einfach da, es stellt sich nicht die Frage, wem er gehört“ (Suda 2003: 880). Norbert Weber Auch wenn sie in der Wahrnehmung der meisten Bürger nicht existieren, tragen mindestens 1,5 Millionen Waldbesitzer bzw. –eigentümer die Verantwortung für die Bewirtschaftung des Waldes in Deutschland.1 Sie verteilen sich auf die Eigentumsarten Privatwald, Kommunalwald, Staatswald und Bundeswald, deren strukturelle Merkmale sich deutlich unterscheiden. Die Ziele, die mit dem Waldbesitz verfolgt werden, können auch innerhalb dieser Kategorien sehr vielgestaltig sein.2 Die vorliegende Abhandlung befasst sich im ersten Abschnitt mit der Einbettung der Forstpolitik und der Waldeigentumspolitik in Mehrebenensystemen, den gesetzlichen Grundlagen und den verwendeten Begriffen rund um das Waldeigentum. In Abschnitt II werden Besonderheiten der Waldeigentumsstruktur aufgezeigt, großflächige Eigentumsübergänge skizziert und die daraus resultierenden Waldbesitzertypen beschrieben. Abschnitt III ist dem privaten Waldeigentum gewidmet und greift die Aspekte Sozialbindung und Belastungsgrenzen heraus, während im Abschnitt IV das Spannungsfeld zwischen Gemeinwohl und Privatisierung als spezifische Fragestellung des öffentlichen Waldes thematisiert wird. Schließlich werden in Abschnitt V zukünftige Herausforderungen beschrieben und Optionen für deren Lösung aufgezeigt.
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2
Ungeachtet des klar definierten rechtlichen Unterschieds zwischen Waldeigentümer und –besitzer (volle bzw. eingeschränkte Verfügungsgewalt) werden diese Begriffe in der Alltagssprache, aber auch der Fachliteratur zumeist synonym verwendet. Auf die Besonderheiten des Kirchenwaldes, der in den meisten Landeswaldgesetzen dem Privatwald zugerechnet wird, kann hier nicht näher eingegangen werden. Nähere Informationen zu dieser Eigentumskategorie finden sich u.a. bei Bihl und Spinner (2010).
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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I. Institutionelle Rahmenbedingungen der Waldeigentumspolitik 1. Forstpolitik und Waldeigentumspolitik in Mehrebenensystemen Während die Forstpolitik3 früher von einem engen Kreis von Akteuren bestimmt wurde, herrschen heute pluralistische Verhältnisse vor, bei der vielfältige Wechselwirkungen zwischen mehreren Politiksektoren, Akteursgruppen und Ebenen der Politik bestehen. Auf die Bewirtschaftung des Waldes nehmen verschiedene Politiksektoren Einfluss. Entscheidungen über die Zukunft des Waldes und die Handlungsmöglichkeiten von Waldbesitzern werden nicht nur im Rahmen der Wald bezogenen Politik im engeren Sinne, der sogenannten nominalen Forstpolitik, sondern auch von der sog. funktionalen Forstpolitik getroffen (Zimmermann 1992). Zu letzterer zählen vor allem Vorgaben der Naturschutzpolitik, Umweltpolitik, Landwirtschaftspolitik und Raumordnungspolitik. Aber auch Wasserpolitik und Bodenschutzpolitik entwickeln zunehmend Initiativen mit forstlicher Relevanz. Auf übergeordneter Ebene spielen Föderalismuspolitik, Gesellschaftspolitik und Strukturpolitik (als Teil der Wirtschaftspolitik), eine wichtige Rolle. Mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik verbunden ist die Eigentumspolitik, die sich im weiteren Sinne mit der Ausgestaltung der Eigentumsrechte befasst. Im engeren Sinne sind damit alle Maßnahmen angesprochen, die auf die Änderung bestehender Eigentumsrechte gerichtet sind, wie z.B. eine Bodenreform (Brockhaus Enzyklopädie 1996). Die spezifische Waldeigentumspolitik ist ein „sensibles gesellschaftspolitisches Feld“, da es nicht nur um die optimale Nutzung und Allokation einer Ressource geht. Vielmehr sind auch Fragen der Vermögensverteilung und der Distribution von Gütern und Leistungen des Waldes zu beachten. Weiterhin sind Aspekte wie Stellung und Partizipation von Menschen in der Gesellschaft, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung von Belang. Schließlich spielen grundsätzliche Fragen der Regelung von Koordinationsprozessen von Menschen eine Rolle, die über den Staat oder im Wege der Selbstverantwortung erfolgen kann (Schurr 2006: 6). In den 1990er Jahren ist deutlich geworden, dass neben den klassischen forstlichen Akteuren eine Reihe von „neuen Akteuren“ (vgl. Weber 2004) erweiterte und möglichst institutionalisierte Mitspracherechte am Wald für sich in Anspruch 3
Wenngleich es unterschiedliche Konnotationen der Begriffe „Wald“ und „Forst“ gibt, wird im allgemeinen Sprachgebrauch heute zunehmend von Waldpolitik gesprochen, wenn es um die praktische Aufgabe geht, während sich die Forstpolitik mit der wissenschaftlichen Analyse waldpolitischer Phänomene befasst. In dieser Abhandlung wird daher dem Begriff Forstpolitik der Vorzug gegeben.
Forstpolitische Betrachtungen zum Waldeigentum
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nehmen. Nimmt man die Beratungen zum Nationalen Waldprogramm Deutschland als Anhaltspunkt, so sind etwa 10 Akteursgruppen mit ca. 80 Einzelorganisationen in der Forstpolitik Deutschlands aktiv (Memmler und Schraml 2008). Besonderer Druck auf den Waldbesitz erfolgt sowohl von Seiten des amtlichen Naturschutzes als auch von den Umwelt- und Naturschutzverbänden (vgl. auch die Ausführungen im Abschnitt III). Generell würden sich Naturschutzakteure gerne an der Erarbeitung forstlicher Entwicklungspläne beteiligen. „Der Naturschutz“ fordert, Mindeststandards einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft unzweifelhaft zu beschreiben und empfiehlt eine Honorierung für Zusatzleistungen des Waldbesitzes über Vertragsnaturschutz, Ökopunkte oder über den Markt in Verbindung mit einer Zertifizierung. Die Vorstellungen des Naturschutzes machen die Waldbewirtschaftung teurer, schwieriger und fachlich anspruchsvoller. Letztlich haben sie auch eine erweiterte Kontrolle des Handelns der Waldbesitzer zur Folge, die auf Basis naturschutzfachlicher Bewertungsmaßstäbe erfolgt (Volz 2003). Allerdings ist die Interessenvertretung der Waldbesitzer im Lauf der Zeit effektiver geworden und tritt den Forderungen selbstbewusster entgegen. Ein entscheidender Fortschritt in der argumentativen Auseinandersetzung mit den Naturschutzakteuren ist den Waldbesitzern mit der Entwicklung des Konzepts der „Familienforstwirtschaft“ gelungen. Im Sinne einer intergenerationalen Bewahrung des Eigentums findet dieses Konzept Anschluss an die moderne Nachhaltigkeit und stellt insbesondere deren soziale Komponente heraus. Mit der Familienforstwirtschaft steht auch ein Sympathieträger zur Verfügung, der den positiv besetzten Bildern des Naturschutzes (Orchideen, Buntspecht, Eule, Wolf, Pandabär, etc.) entgegengesetzt werden kann. Spätestens seit der nationalen Umsetzung der FFH-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft ist zudem deutlich geworden, dass die Nutzung von Wäldern in Deutschland einer Vielfalt von Einflüssen der internationalen und supranationalen Ebene unterworfen ist. Dabei wurden die Karten neu gemischt und die Einflussmöglichkeiten der nicht-forstlichen Akteure haben sich zum Teil verbessert. So konnten die Umweltverbände direkte Einflusskanäle zur Generaldirektion Umwelt im Sinne eines „Bypasses“ nutzen, um ihre Ziele durchzusetzen (Weber und Christophersen 2002). Zudem erfolgte die Meldung sogenannter „Schattenlisten“ mit umfangreichen Gebietsvorschlägen in einigen Bundesländern ohne die Anhörung der Waldbesitzer, was von dieser Gruppe als schwerer Verstoß gegen den § 19 b des seinerseits geltenden Bundesnaturschutzgesetzes angesehen wurde.4 Zu den internationalen waldrelevanten Vorgaben gehören neben der Walderklärung von Rio und den vier globalen Zielen für Wälder5 weitere multinationale Umweltabkommen wie die Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD) und die Klimarahmenkonvention (FCCC). Auf europäischer Ebene sind neben dem Schutzge4
5
Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) vom Juli 1998. Forest Principles von 1992 und Waldübereinkunft der Vereinten Nationen (“Non legally binding Instrument on all Types of Forests”) von 2007.
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bietsnetz NATURA 20006 zumindest in bestimmten Gebieten weitergehende Einflüsse aus der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu erwarten. Über die möglichen Auswirkungen der gegenwärtig diskutierten europäischen Bodenschutzrichtlinie7 und der Wald-Richtlinie8 lässt sich derzeit nur spekulieren.
2. Gesetzliche Zielvorgaben und der Wunsch nach Deregulierung In den Waldgesetzen Deutschlands auf Bundes- und Länderebene sind Zielvorgaben enthalten, die für alle Waldeigentumsarten Gültigkeit haben. Paragraph 1 des Bundeswaldgesetzes legt fest, dass der Wald gleichzeitig Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen erbringen soll. In den weiteren Abschnitten werden die Pflichten der Waldeigentümer präzisiert. Jeder Waldeigentümer in Deutschland muss sich beim Umgang mit seinem Waldeigentum an bestimmte Grundregeln oder Grundpflichten halten; diese Regeln werden als „ordnungsgemäße Forstwirtschaft“ bezeichnet. Die starke Rücksichtnahme auf Belange der Erholung, des Naturschutzes, des Wasser- und Bodenschutzes stellt im weltweiten Vergleich keine Selbstverständlichkeit dar, während diese sogenannte „Sozialbindung“ des Waldeigentums in Deutschland eine lange Tradition hat. Der in § 1 Ziff. 3 des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) vorgesehene Ausgleich zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Belangen der Waldbesitzer ist eine der zentralen Aufgaben der Waldpolitik. Auf legislativem Wege muss ein Ausgleich zwischen dem Verbotsrecht des Eigentümers, Übergriffe Dritter auf sein verfügbares Eigentum abzuwehren (Art. 14 Abs. 1 GG), und der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 GG) gefunden werden. Freiheit der Eigentümer und der Nicht-Eigentümer stehen sich hier gegenüber. In den Waldgesetzen der Länder werden nur wenige Bestimmungen explizit aufgeführt. Hierzu zählen Genehmigungsvorbehalte für Kahlhiebe oberhalb bestimmter Flächengrößen und für den Einschlag hiebsunreifer Bestände; eine Duldungspflicht beim gemeinschaftlichen Wegebau; die Rücksichtnahme gegenüber benachbarten Waldgrundstücken beim 6 7
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Siehe Wagner und Jönsson (2001) zu den Auswirkungen für Waldbesitzer. Hier ist grundsätzlich nach der Zuständigkeit der Europäischen Union für eine Bodenschutzgesetzgebung zu fragen, da die EU nach dem Subsidiaritätsprinzip ausdrücklich darauf beschränkt ist, nur Fragen von europäischer Bedeutung zu regeln. Der Boden ist aber immobil und damit kein grenzüberschreitender Zusammenhang, der einer EUGesetzgebung zugänglich wäre. (http://www.dstgb.de/homepage/artikel/schwerpunkte/ europa/ aktuell/ eu_bodenschutzrichtlinie_umweltministerrat_bleibt_skeptisch/ index. html v. 01.06.2010). Ausgehend von dem “Green paper on forest protection and information in the EU: Preparing forests for climate change” vom 1.3.2010, COM(2010)66 final wird diese Option derzeit geprüft. (http://www.euractiv.com/en/sustainability/forest-green- papernews-299524.
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Holzeinschlag an einer Grenze, aber auch das jedermann zu gewährende Betretungsrecht. Allen anderen gesetzlichen Bestimmungen zur ordnungsgemäßen Forstwirtschaft kommt lediglich empfehlender bzw. programmatischer Charakter zu (Volz 2001: 57). Angesichts der hohen Regelungsdichte in forstlichen Fragen wird immer wieder der Wunsch nach Deregulierung laut. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine Reduzierung aller Rechtsvorschriften, die die Verfügungsrechte der Waldeigentümer einschränken. Als Argumente werden dabei sowohl ordnungspolitische Erwägungen als auch die schwierige Ertragslage der Forstbetriebe ins Feld geführt. Die in Frage gestellten Rechtsvorschriften entstammen nicht nur den Forstgesetzen, sondern sind auch im Naturschutz-, Bodenschutz- und Wasserrecht zu finden. Im weiteren Sinne spielen auch Sozialgesetzgebung, Tarifrecht, Steuerrecht, Baurecht oder allgemeines Haushaltsrecht eine Rolle. Grenzen der Deregulierung sind dort vorgegeben, wo bei Aufhebung von Vorschriften Rechtsunsicherheit und Rechtsungleichheit eintreten würde (Hofmann 2000: 182). Besonders weitgehende Forderungen nach Deregulierung forstrechtlicher Bestimmungen wurden von Helmstädter et al. (1993) als auch dem Wissenschaftlichen Beirat des Landwirtschaftsministeriums (WB-L 1994) geäußert. Während ersterer empfahl, die Bewirtschaftungsvorschriften der Waldgesetze auf ein allgemeines Verbot des „Raubbaus“ am Wald zu beschränken, schlug der Wissenschaftliche Beirat vor, die ordnungsrechtlichen Verpflichtungen der Waldbesitzer auf ein „generelles Wiederbewaldungsgebot“ zu begrenzen. Alle diese Vorstöße fanden aber keine breite Akzeptanz bei den politischen Entscheidungsträgern.
3. Instrumentenmix für das Waldeigentum Gesetze stellen verbindliche Mindestnormen dar, in denen gesellschaftliche Anforderungen an die Waldwirtschaft festgelegt werden; sie können aber auch eine Voraussetzung für die finanzielle Unterstützung der Waldbesitzer schaffen. Gesetze können und sollen aber wegen der vielfältigen Ausgangsbedingungen und in Hinblick auf den administrativen Aufwand den Umgang mit dem Wald nicht in jedem Detail regeln. Aus der Sicht der privaten und körperschaftlichen Waldbesitzer liegt die Präferenz bei finanziellen und informationellen Instrumenten. Zur erstgenannten Kategorie gehören vor allem die Förderprogramme für konkrete Maßnahmen wie Waldumbau, Wegebau, forstliche Zusammenschlüsse, Naturschutzmaßnahmen im Wald und ähnliches. Auch die indirekte Förderung in Form von technischer Hilfe spielt zuweilen eine wichtige Rolle. Fallstudien zur Privatwaldforschung haben deutlich gemacht, dass eine staatliche Einflussnahme auf die Privatwaldbewirtschaftung nicht generell abgelehnt wird. Sie findet aber nur dann Akzeptanz, wenn sie im grundsätzlichen Einverständnis mit den jeweiligen Eigentümern erfolgt. Die Auseinandersetzung über die grundsätzliche Eignung unterschiedlicher Politikinstrumente zur Durchsetzung gesellschaftlicher (Naturschutz-) Ziele im Wald hat nämlich gezeigt, dass ordnungsrechtliche Maßnahmen in vielen
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Fällen alternativen Instrumenten unterlegen sind. Verschärfte Bewirtschaftungsvorschriften können im Einzelfall gravierende wirtschaftliche Folgen für die Forstbetriebe mit sich bringen und bis hin zu einer faktischen Enteignung führen. Da die Betroffenheit je nach standörtlicher, bestandestypischer und betriebsindividueller Ausgangssituation höchst unterschiedlich sein kann, ist eine Abwägung von Zielkonflikten nicht generell, sondern am konkreten Objekt, sinnvoll (Thoroe et al. 2003). Informationelle Instrumente in Form von Beratung, Aus- und Weiterbildung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die mittlerweile zahlreichen und regelmäßig aktualisierten Erhebungen und Untersuchungen zum Waldzustand und zur Entwicklung der Holzressourcen kommen allen Waldbesitzern zugute.
4. Begriffe rund um Waldeigentum und –eigentümer Schraml (2001: 726 ff.) hat auf die problematische Verwendung von Begriffen im Zusammenhang mit dem Eigentum an Wald hingewiesen: „Begriffe bestimmen den Fachdiskurs über das Waldeigentum. Sie beeinflussen vor allem die Definition von Problemen.“9 Begriffliche Unschärfen sind bereits bei der Definition des Waldeigentums in den meisten Waldgesetzen auszumachen, in denen beim Privatwald lediglich konstatiert wird, dass er weder dem Staatswald noch dem Körperschaftswald zuzurechnen ist. Eine Ausnahme bildet das Waldgesetz von Thüringen, wo der Privatwald nicht nur an erster Stelle der Eigentumsarten aufgeführt wird, sondern eine positive und um Differenzierung bemühte Definition Verwendung findet. Hiernach zählen zum Privatwald insbesondere Waldungen, die im Eigentum von Privatpersonen und Personengemeinschaften stehen, sowie mehrere Formen von gemeinschaftlichem Eigentum wie Laubgenossenschaften, Gerechtigkeitswaldungen, Interessentenwaldungen und Altwaldgenossenschaften.10 Auffällig ist die „Tradition des Verneinens“ bei der Begriffsverwendung rund um das Waldeigentum. In der DDR war der Ausdruck des „Nichtvolkswaldes“ üblich. Als aktuelles Beispiel für die dualistische Betrachtung Staat und Nicht-Staat kann z.B. die aktuelle Satzung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände angeführt werden. In § 2 „Zweck des Vereins“ wird wie folgt formuliert: „Die Arbeitsgemeinschaft ist ein Berufsverband der nichtstaatlichen Forstwirtschaft. Ihr Zweck ist es, die Forstwirtschaft des Nichtstaatswaldes in ihrer Leistungsfähigkeit zu fördern und zu heben und sie zu vertreten.(…).“ Bemerkenswert ist auch, dass die Bayerische Staatsforstverwaltung das Aktenzeichen „NW“ (nichtstaatlicher Wald) für alle Vorgänge verwendete, die den Privat- und Körperschaftswald betreffen. Besonders beim Kleinprivatwald wird bei Definitionen oft das Fehlen 9
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Grundmann (2010: 9) spricht im Zusammenhang mit der Biodiversitätspolitik und vor allem im Teilbereich Wildnis sogar von einem „Sprach- und Definitionschaos“. Diese Genossenschaften beruhen auf altrechtlichen Grundlagen und wurden bei Einführung des BGB 1900 in die neue Rechtsordnung aufgenommen. Der Begriff Laubgenossenschaft geht auf das Wort „erlauben“ zurück.
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bestimmter Eigenschaften herausgestellt. Dies trifft z.B. für die „nichtbäuerlichen Waldbesitzer/Nichtlandwirte“, oder auch die „Ausmärker“ oder „nonresident forest owners“ zu.11 Für „unternehmensfreiem Waldbesitz“ oder „nonindustrial private forest owners“ ist das Fehlen bestimmter ökonomischer Merkmale ausschlaggebend. Obwohl der Begriff „Nichtstaatswald“ die Möglichkeit einer gemeinsamen Identifikation ermöglicht, ist dessen Verwendung kritisch zu sehen, da er die Existenz einer homogenen Gruppe unterstellt, für die einheitliche Konzepte entwickelt werden können (Schraml 2001; Volz 2001). Die Begriffsverwendung wirkt sich auf den politischen Diskurs aus: „Etablierte Waldbesitzerkategorien sind wesentliche Ansatzpunkte von politischen Programmen. Letztlich bestimmen sie … sogar darüber, ob Waldbesitzer zahlenmäßig erfasst und damit wahrgenommen werden, oder ob man sie systematisch aus der öffentlichen Aufmerksamkeit entlässt“ (Schraml 2001: 729). Eine Sonderstellung kommt dem Begriff „Bürgerwald“ zu, der von einer Allianz aus Gegnern der Forstreform in Bayern geprägt wurde.12 Mit der Verwendung dieser Bezeichnung wollte man auf die Gefahr hinweisen, dass im bayerischen Staatswald nach der Überführung in eine andere Rechtsform und ggf. Privatisierung den Schutz- und Erholungsfunktionen nicht mehr genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird.13 Bei der neueren Auseinandersetzung um die Staatswaldverkäufe in Nordrhein-Westfalen hat der Begriff eine völlig neue Interpretation erfahren. Vor dem Hintergrund der geplanten, umfangreicheren Staatswaldverkäufe an private Investoren wurde das Konzept des Bürgerwaldes vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) als Gegenentwurf zum „Spekulantenwald“ eingebracht.14
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Typisch für die erste Gruppe ist, dass diese Waldbesitzer nicht mehr über das erforderliche forstliche Fachwissen und eine zweckmäßige maschinelle Ausstattung verfügen und oft keine Zeit mehr haben, anfallende Waldarbeiten selbst zu erledigen. Für letztere Personengruppe ist eine mehr oder weniger große Entfernung zwischen Wohnort und Waldort charakteristisch. Dabei kann es zu Fehlinterpretationen kommen, wenn sich die Zuständigkeiten für den Waldbesitzer durch Gebietsreformen verändern, die Entfernung des Wohnorts zum Wald aber gleich bleibt. Es stellt sich auch die Frage, ob die Beratungsorganisation auf die Lage des Waldes oder den Wohnort der Waldbesitzer ausgerichtet werden sollte (Schraml 2001). „Da die Wälder des Landes Bayern nicht Eigentum eines anonymen Staates sind, sondern der Allgemeinheit gehören, sollen sie künftig nicht mehr als ,,Staatswald“ sondern als ,,Bürgerwald“ bezeichnet werden“ (Resolution „Vom Staatsforst zum Bürgerwald“ v. 17.03.2000). Vgl. Bürgerwaldbericht 2008 des Wald Bündnis Bayern. http://www.bundnaturschutz.de/uploads/media/Buergerwaldbericht_2008.pdf v. 31.05.2010. Der Vorschlag lautet, 80% des Staatswaldes im Streubesitz an Bürger zu verkaufen und 20% in eine Walderbe-Stiftung des Naturschutzes zu übertragen. Für die „BürgerAktionäre“ sollte eine Mindestverzinsung von 2,5% garantiert werden. Die Geschicke dieser Wälder würden dann nicht mehr über die Landesforstverwaltung, sondern durch
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II. Waldeigentumsverteilung, -übergänge und -eigentümertypen 1. Waldeigentumsverteilung und Besitzstrukturen Die Verteilung der Waldeigentumsarten in Europa geht auf die jüngere Agrar- und Wirtschaftsgeschichte zurück. In Deutschland stellen die heutigen Verteilungsmuster ein Ergebnis der Auseinandersetzungen um die Zentralressource Wald (vgl. Volz 1995) im 18. und 19. Jahrhundert dar. Die Anteile von Privatwald, Körperschaftswald und Staatswald haben sich seither kaum verändert (Giesen 1992). In den letzten Jahrzehnten sind allerdings innerhalb der Waldeigentumsart „Privatwald“ vielfältige und häufig negative Veränderungen eingetreten, die mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft in Verbindung stehen. Während Kleinprivatwaldbetriebe nach dem zweiten Weltkrieg meist eine wirtschaftliche Einheit von Land- und Forstwirtschaft bildeten, setzte später eine Entkoppelung der landund forstwirtschaftlichen Betriebsteile und ein Konzentrationsprozess auf größere landwirtschaftliche Betriebseinheiten ein (Volz 2000). Erheblich zugenommen hat der in offiziellen Statistiken nicht erfasste Waldbesitz von weniger als einem Hektar, der mit keinem landwirtschaftlichen Betrieb verbunden ist. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Kategorie des Kleinprivatwaldes fast 10% der gesamten Waldfläche ausmacht (Hofmann et al. 2000: 92 f.). Eigentumsfragmentierung kann sich in verschiedener Form manifestieren. Neben der räumlichen Zersplitterung zählt auch die Aufspaltung des Eigentumsrechtebündels auf verschiedene Inhaber hierzu. Schließlich geht es um Fälle, wo eine Zuordnung nicht aufgeteilten kleineren Eigentums an Gemeinschaften mit sehr vielen Mitgliedern anzutreffen ist (Schurr 2006: 70). Kleinstflächige Fragmentierung (Kleinparzellierung),15 aber auch die weitgehende Aufspaltung der Eigentumsrechte in Teilrechte können zur Ausprägung von sog. Anticommons führen. Dieser Zustand hat eine Unternutzung von Ressourcen zur Folge, ist aber weniger problematisch zu sehen als eine zugangsoffene Allmende (Schurr 2006: 79). Erwähnenswert ist, dass das Fragmentierungsproblem vor Ort schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannt war, sich aber erst nach der Landwirtschaftszählung von 1971 in seinem vollen Ausmaß überblicken ließ.16
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den Vorstand einer Bürgerwald-AG bestimmt. Vgl. hierzu die NABU-Hintergrundinformation „Das NRW-Bürgerwald-Konzept“. Dieterich (1971), zitiert in Schurr (2006), sprach in diesem Zusammenhang von „Zwergwaldbesitz“. Damals wurden die in die Erhebung einbezogenen Waldeigentümer erstmals befragt, ob ihre Waldfläche in räumlich voneinander getrennt liegende Teilstücke aufgeteilt ist (Hegar 1985). – Für weitergehende Ausführungen zu eigentumssoziologischen Phänomenen wie Eigentumsentzug, Eigentumsverdünnung und Aufspaltung von Eigentum sei auf Burghardt (1980) und Engel (2002) verwiesen.
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Angesichts einer wachsenden Anzahl nicht bewirtschafteter Flächen des Kleinund Kleinstprivatwaldes prägte Volz (2001) den Begriff der „forstwirtschaftlichen Sozialbrache.“ Ausgangspunkt für dieses Phänomen ist die anhaltend große Zahl aufgegebener landwirtschaftlicher Betriebe. Während die landwirtschaftliche Fläche dabei verpachtet und bisweilen verkauft wird, verbleiben die Waldflächen zumeist bei den ehemaligen Besitzern. Oft kommt es dabei zu einer gedanklichen, fachlichen und räumlichen Entfernung vom Eigentum, die einen „Primitivwaldbau“ auf den betroffenen Flächen zur Folge haben kann. Wenn sich der Entfremdungsprozess weiterentwickelt, verliert das Vermögensobjekt Wald durch unterlassene Pflegeeingriffe seinen Wert und kann nur noch zu einem geringen Preis verkauft werden. Ungeachtet dessen nutzt eine zunehmende Zahl von Waldbesitzern diese Wälder für ihre Freizeitbeschäftigung und bewirtschaftet sie nach Zielen, die mit klassischen forstlichen Bewirtschaftungsformen nicht mehr viel gemein haben (Volz 2001: 53).
2. Großflächige Eigentumsübergänge Die Waldeigentumsverteilung in Deutschland ist traditionell sehr stabil. Hierfür scheinen nicht nur die geringen finanziellen Erträge aus kleinen Waldparzellen verantwortlich zu sein, sondern auch eine hohe Affinität zum vorhandenen und oft über Generationen vererbten Grundbesitz, obwohl dieser oft keinen nennenswerten Beitrag zum Einkommen leistet und auch als Vermögenswert nur als marginal einzustufen ist.17 Dennoch gab es in den letzten Jahrzehnten immer wieder Situationen, bei denen Waldflächen in mehr oder weniger großem Umfang nicht nur innerhalb einer Waldeigentumskategorie, sondern zwischen Eigentümertypen wechselten. Hierzu gehören die Restitution von Wald an frühere Eigentümer und der „säkulare Verkaufsvorgang“ des ehemaligen Volkswaldes in den neuen Bundesländern. Ziel dieser gesteuerten Eigentumsübergänge war eine Wiederherstellung eines breit gestreuten Waldeigentums in den ungefähren Proportionen von 1945 (43% Staatswald, 8% Körperschaftswald; 49% Privatwald)18 (Volz 2000: 53f.). Weitere Eigentumsübergänge liegen in Form von regulären Verkäufen von Bundes- und Landeswald und gelegentlichen Waldankäufen durch den Staat vor. a) Restitution von Waldeigentum an Alteigentümer in Ostdeutschland Personen, die nach 1949 oder vor 1945 zwangsenteignet worden sind, waren als sog. Restitutionseigentümer berechtigt für die Reprivatisierung von ehemals volkseigenen Grundstücken, die sich früher in ihrem Besitz befanden. Demgegen17
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Der Einblick in den Markt für Waldgrundstücke wird allerdings erschwert, da bei entsprechenden Vorgängen oft nicht zwischen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken unterschieden wird (Löffler 2002: 244). In der ehemaligen DDR gehörten 70% der Waldflächen zum sogenannten Volkswald, 29% zum kleinen Privatwald und 1% zum Kirchenwald.
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über hatten die sog. Alteigentümer, d.h. Grundeigentümer, die zwischen 1945 und 1949 enteignet wurden, als Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 keinen Anspruch auf Rückgabe ihres Eigentums durchsetzen können.19 Von dieser Entscheidung waren mindestens 15.000 Familien betroffen, denen etwa 4 Millionen land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen gehörten (An. 1992). Diesem Personenkreis blieb nur die Möglichkeit zum verbilligten Erwerb im Rahmen der Privatisierung ehemaligen Volkswaldes. b) (Re)-Privatisierung ehemaligen Volkswaldes über die Treuhand Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) erhielt den Auftrag, einen beachtlichen Teil des ehemaligen Volkswaldes (etwa 770.000 Hektar) an neue, private Eigentümer zu verkaufen. Dieser Prozess ist weitgehend abgeschlossen. Der dadurch entstandene Privatwald bewegt sich überwiegend in der Größenklasse des mittleren Privatwaldes. Der Erwerb erfolgte überwiegend zu vergünstigten Preisen nach Maßgabe des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG). Berechtigt dazu waren ortsansässige Wieder- und Neueinrichter land- bzw. forstwirtschaftlicher Betriebe; Waldbesitzer, die am 3. Oktober 1990 ortsansässig waren sowie Alteigentümer und deren Erben, wenn sie einen Forstbetrieb einrichten wollten. c) Übertragungen im Rahmen des Nationalen Naturerbes Im Rahmen des Vermögensrechtsergänzungsgesetzes (VermRErgG) wurden umfangreichere BVVG-Flächen als „Nationales Naturerbe“ kostenfrei an die Bundesländer oder von diesen benannte Naturschutzstiftungen und –verbände übertragen. Ursache hierfür sind eigentumsrechtliche Umbrüche bei Schutzgebietsflächen auf noch oder nicht mehr militärisch genutzten Flächen und Bergbaufolgelandschaften. Die erste Tranche umfasste 50.000 Hektar Schutzgebiete, die vorrangig in Wäldern lagen (Beyer 2003). Im Jahr 2005 wurden der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) weitere 46.000 Hektar an Grundstücken, die auf 33 Liegenschaften in den neuen Bundesländern verteilt waren, übergeben.20 Damit entwickelte sich die DBU zum größten Privatwaldbesitzer Deutschlands, da diese Flächen zu 75% mit Wald bestockt sind.21 Die Zielsetzung für Waldgebiete im Rahmen des Nationalen Naturerbes besteht insbesondere darin, naturnahe Laubmischwälder als neue „Wildnisgebiete“ ihrer natürlichen, ungestörten Entwicklung zu überlassen. 19
20
21
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 39/2000 v. 28.03.2000. Im Einigungsvertrag zwischen den beiden deutschen Staaten war seinerzeit festgelegt worden, dass der ehemals in Ostdeutschland existierende Privatwald größer als 100 Hektar nicht an die früheren Eigentümer zurückgegeben wird. Ausgleichsleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juli 2004 (BGBl. I S. 1665), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. Juli 2009 (BGBl. I S. 1688) geändert worden ist. proWald 3/2010, S. 38.
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Insbesondere aus ressourcenökonomischer Sicht ist dieses Vorhaben nicht unumstritten.22 d) Verkauf von Staatswald an private Eigentümer Ausgelöst durch die angespannte Haushaltslage der Bundesländer, aber auch aus ordnungspolitischen Überlegungen (vgl. Abschnitt III), ist die Privatisierung von Staatswald ein Dauerthema der deutschen Forstpolitik.23 In jüngster Zeit haben die Staatswaldverkäufe in Nordrhein-Westfalen Aufsehen erregt. Dort wurden 2009 etwa 2.600 Hektar Staatswald inklusive eines größeren Anteils an Schutzgebieten in der Eifel an einen Großinvestor verkauft. Privatisierungen standen auch in anderen Bundesländern auf der politischen Agenda (z.B. Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Niedersachsen). Auf besonders große Kritik war das im Jahr 2006 lancierte „Interessenbekundungsverfahren“ zum Einholen von Angeboten für den Verkauf der gesamten Staatswaldflächen in Schleswig-Holstein gestoßen. Mit dem Verkauf des ca. 50.000 Hektar großen Besitzes wollte die Landesregierung 500 Millionen Euro erlösen, zehn Millionen jährliche Zuschüsse sparen und 270 „Staatsdiener“ abgeben. Gegen dieses Vorhaben, das auch aus ökonomischer Sicht umstritten war,24 formierte sich ein breit aufgestelltes „Bündnis Wald", in dem 30 Organisationen vertreten waren. Das Spektrum reichte von den großen Umweltverbänden WWF, BUND und NABU über Forstleute und Jäger, Pfadfinder und Reiter, Wanderer und Gewerkschafter, Eulen- und Fledermausschützer bis hin zur Faunistisch-Ökologischen Arbeitsgemeinschaft und einzelnen Unternehmen.25 Aktionsbündnisse gegen Privatisierung haben sich vor dem Hintergrund der Forstreformen der letzten Jahre auch in anderen Bundesländern (Bayern, Brandenburg, Hessen etc.) zusammengefunden. e) Waldankäufe durch den Staat Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sind zum Teil umfangreiche Waldankäufe durch staatliche Forstverwaltungen nachweisbar. Allein in BadenWürttemberg wurde zwischen 1953 und 1987 eine Waldfläche von über 21.000 ha zu einem Preis von 284 Millionen DM angekauft. Waldverkäufe im gleichen Zeit22
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Die Umsetzung der Forderung nach 2% zusätzlichen Wildnisgebieten in Deutschland würde bei segregativer Sichtweise bedeuten, weitere 222.000 Hektar Waldflächen vollständig aus der Nutzung zu nehmen, davon 2/3 mehr als 100 jährige Buchenwälder (Grundmann 2010). Entsprechende Initiativen lassen sich bereits auf das 19. Jahrhundert zurückführen (vgl. die nachdrückliche Propagierung von Staatswaldverkäufen in Bayern durch Hazzi und Preußen) und haben im 20. Jahrhundert einen weiteren Aufschwung erfahren. U.a. wegen der Streulage der Waldflächen und der Verpflichtung des potenziellen Käufers, das vorhandene Personal komplett zu übernehmen. http://www.stern.de/wirtschaft/news/unternehmen/privatisierung-auf-dem-holzweg571144.html.
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raum umfassten lediglich 9.700 ha. Damit ist eine Substanzvermehrung des Staatsvermögens verbunden; die aufgekauften Flächen stehen einer wirtschaftlichen Nutzung durch private Forstbetriebe zur Erzielung privater Einkommen nicht mehr zur Verfügung. Damit verringert sich auch der Umfang der Grundstücke, die über den freien Markt zugänglich sind. Besonderes Konfliktpotenzial entsteht, wenn der Staat seine Waldankäufe über ein Vorkaufsrecht und nicht über den freihändigen Grunderwerb sichert. Allerdings gibt es eine Reihe von forstbetrieblich-ökonomischen, landeskulturell-raumordnerischen und normativen Begründungen, die Waldankaufsmaßnahmen rechtfertigen können (vgl. Volz 1990). Heute wird dieses Instrument nur noch in Ausnahmefällen genutzt.
3. Neue Waldbesitzertypen Die im vorangegangenen Abschnitt dargelegten Eigentumsübergänge, aber auch langfristige gesellschaftliche Veränderungsprozesse, haben zur Ausprägung neuer Waldbesitzertypen geführt. So sind im Wege der Restitution und Privatisierung in den neuen Bundesländern zwei unterschiedliche Waldbesitzertypen entstanden. Der Restitutions-Waldbesitzer hat seinen Besitz ausschließlich durch administratives Vorgehen wiedererlangt. Diese Gruppe war, zumindest zum Zeitpunkt umfangreicherer Erhebungen Mitte der 1990er Jahre, durch geringe Fachkenntnisse, mangelndes Interesse an der Waldbewirtschaftung und z.T. große Entfernungen zum Wald gekennzeichnet. Typische Merkmale waren auch eine meist negative Einstellung zum Wald und eine fehlende Einkommenserwartung an den Besitz. Der zweite Typ, der BVVG-Erwerber, geht auf die Reprivatisierung von ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen durch die Bodenverwertungs- und –verwaltungs GmbH (BVVG) im Auftrag des Bundes zurück.26 Bei diesen Flächen war eine enorme Nachfrage mit bis zu 30 Angeboten je Ausschreibung zu beobachten. Die durchschnittliche Flächengröße der veräußerten Betriebe betrug etwa 70 Hektar. Bei einer Befragung27 wurde deutlich, dass sich die BVVG-Walderwerber durch eine hohe Bereitschaft zur Initiative auszeichnen. Als Kaufmotiv stand der ideelle Wert an erster Stelle, gefolgt von der Umsetzung persönlicher Naturschutzziele im eigenen Wald.28 Hinsichtlich der Zielsetzungen für die Waldbewirtschaftung zeigte sich ein breites Spektrum, wobei sich eine deutliche Abgrenzung zwischen „Holzvermarktern“ und „Eigenversorgern“ ziehen ließ (Spinner 2002).
26
27 28
Rechtliche Basis bildete das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz v. 1.12. 1994 mit der dazugehörigen Flächenerwerbsverordnung vom 30.12.1995. Vollerhebung von 3.250 BVVG-Walderwerbern. Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass der Naturschutzbegriff von Waldbesitzern generell sehr weit gefasst wird; er schließt auch landschaftspflegerische, forstsanitäre, äsungsverbessernde Maßnahmen und „Aufräumarbeiten“ ein (Spinner 1992: 206).
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Auch Umweltverbände und -organisationen haben in den letzten Jahren umfangreichen Waldbesitz erlangt. Bei diesen Waldbesitzern stehen naturschutzfachliche Ziele, wie die exemplarische Umsetzung der jeweiligen Waldnutzungskonzepte, in Konkurrenz zur Erzielung eines finanziellen Ertrages, der zumindest Kostendeckung gewährleistet (Volz 2003a). Allein für die Unterhaltung entsprechender Flächen wurde 2003 ein Betrag von ca. 30 Euro je ha für Grundsteuer, Unfallversicherung, Boden- und Wasserverband und Waldbrandversicherung angesetzt (Beyer 2003).29 In der forstwissenschaftlichen Forschung, aber auch in der Beratung erfährt der Typus des urbanen Waldbesitzers seit einigen Jahren große Aufmerksamkeit. Dabei wurde z. B. ersichtlich, dass es immer größere Teile des Kleinprivatwaldes gibt, an die von ihren Eigentümern keine Einkommenserwartungen gestellt werden. Im Gegensatz zum klassischen Bauernwald dienen diese Wälder der Selbstverwirklichung, der Freizeitgestaltung und dem Ausgleich von beruflichen Belastungen; teilweise kommen ihnen sogar „spirituelle Funktionen“ zu (Volz und Bieling 1998). „Urbane“ Waldbesitzer unterscheiden sich von den traditionellen Waldbesitzern in einem oder mehreren der folgenden Eigenschaften: Materielle Waldnutzung und Einstellung zum Waldbesitz; fachliches Wissen und Fertigkeiten; Organisationsgrad; Lebensstil; Aufenthalt im Waldbesitz; Erreichbarkeit und Vernetzung (Krause 2010). Innerhalb dieses Typs gibt es jedoch eine große Vielfalt von unterschiedlichen Ausprägungen, so dass die Zuordnung besser auf einen Kontinuum von „ländlich“ bis „urban“ erfolgt. Urbane Waldbesitzer können somit eine Nahtstelle zwischen Forstwirtschaft und Gesellschaft bilden. Sie vereinen klassische Eigentümerpositionen und typisch städtische Überzeugungen und fördern daher die Kommunikation zwischen beiden „Sphären“ (Schraml und Härdter 2002; Härdter 2003). Mit den spezifischen Wahrnehmungen und Präferenzen von Waldbesitzerinnen setzt sich die Wissenschaft erst seit relativ kurzer Zeit in stärkerem Maße auseinander.30 In Deutschland wurde eine erstmalige quantitative Erhebung im Rahmen einer Untersuchung über Privatwaldbesitzer in Nordrhein-Westfalen durchgeführt und jüngst mit einer qualitativen Komponente ergänzt.31 Es zeichnet sich ab, dass Waldbesitzerinnen mit herkömmlichen forstlichen Förder- und Schulungs29
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Es ist zu vermuten, dass der Hinweis auf die zunehmenden Belastungen des Waldeigentums, auf die z.B. der NABU jüngst hingewiesen hat, auf diesen Erfahrungen beruhen (vgl. NABU Strategie Wald 2020, S. 16 f.). In der Europäischen Union liegt der Anteil von Waldbesitzerinnen etwa zwischen 20 und 40%. Im Gegensatz zu männlichen Waldbesitzern erscheint die Altersspreizung bei Waldbesitzerinnen in der EU insgesamt ausgeglichener. Mit einem Anteil von 20-30% Waldbesitzerinnen unter 30 Jahren ist die Altersstruktur auch deutlich jünger als diejenige der männlichen Waldbesitzer. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage nach der Rolle von Frauen beim Zustandekommen von Nutzungsentscheidungen im Kleinprivatwald.
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programmen nur unzureichend angesprochen werden. Zielgruppenarbeit für Waldbesitzerinnen wird derzeit vor allem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Rheinland-Pfalz angeboten (vgl. Krause et al. 2007; Schlecht und Westermayer 2010).
III. Privates Waldeigentum: Sozialbindung und Belastungsgrenzen Die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben zunehmende und sich ständig verändernde Ansprüche an den Wald zur Folge. Heute sind die unterschiedlichen Ansprüche an den Wald größer als die Summe seiner möglichen Leistungen. Je nach Interessenlage wird ein Mehr an Holz, Naturschutz, Substitution von fossilen Kohlenwasserstoffen, Kohlenstoffsenken, sauberem Wasser, Freizeitmöglichkeiten, Bodenschutz oder Ästhetik gefordert (Wendisch 2008). Damit wird es für Waldbesitzer aller Eigentumskategorien immer schwieriger, den vielfältigen gesellschaftlichen Ansprüchen nachzukommen. Der Naturschutz macht einen immer größer werdenden Bedarf an Fläche geltend, während Holzindustrie, Brennholzkunden und Biomassekraftwerke zunehmend schärfer um den Rohstoff Holz konkurrieren (vgl. Harnisch 2009). Am Beispiel der Erholungsnutzung werden die daraus resultierenden Belastungen des Waldeigentümers besonders deutlich. Zum einen nimmt die Zahl der Waldbesuche für Erholungszwecke ständig zu. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung besuchen den Wald mindestens einmal pro Jahr; viele Menschen suchen ihn auch regelmäßig auf. Der monetäre Wert der Erholungsnutzung des Waldes liegt bei etwas über 50 Euro pro Besucher und Jahr, was hochgerechnet auf alle Waldbesucher in der Bevölkerung etwa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für die wohnortnahe Walderholung bedeutet. Hinzu kommt ein Wert von etwa 0,5 Milliarden Euro für die Ferienerholung in den Waldgebieten Deutschlands (BT-Drs. 16/13350, S. 29). Zum anderen kommen ständig neue Nutzungsformen wie Geocaching, Befahrung mit Quads, Offroad-Segways etc. hinzu. Hieraus ergeben sich Spannungen zwischen dem Eigentumsrecht, dem Betretungsrecht, aber auch verkehrssicherungsrechtliche Probleme.32 Zumindest der letztgenannte Punkt soll durch eine entsprechende Änderung bei der anstehenden Novellierung des Bundeswaldgesetzes entschärft werden.33 Generell besteht weitgehende Einigkeit zwischen Waldbesit32
33
Bereits in den 1970er Jahren war man sich dieser Problematik bewusst. „Waldbesitz und Forstwirtschaft fordern daher, dass die Öffnung des Waldes und seiner teilweisen Widmung für Zwecke der Allgemeinheit eine entsprechende Gegenleistung der öffentlichen Hand gegenübergestellt wird.“ Diese müsse auch den Ersatz des Schadens, des zusätzlichen Aufwands und die Wirtschaftsbeschränkungen umfassen (Mantel 1973: 44). Vgl. BT-Drucksache 17/1220 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Waldgesetzes.
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zern und Vertretern des Naturschutzes, dass das Betretensrecht dann eingeschränkt werden sollte, wenn Schäden an Wald und Natur zu befürchten sind, und die Waldbesitzer von der Verkehrssicherungspflicht entlastet werden müssen (Lohner 2005: 269). Eine weitere Freizeitnutzung, die in bestimmten Fällen zu erheblichen Nachteilen für den nicht primär jagdlich interessierten Waldeigentümer führen kann, stellt die Jagd dar. Jüngste Untersuchungen haben gezeigt, dass die tatsächlichen ökonomischen Konsequenzen von Verbissschäden für die Waldbesitzer bei konventionellen Schadensbewertungen nur deshalb nicht evident werden, weil sie die Nachteile einer Entmischung der Waldbestände durch Ausfall verbissempfindlicher Mischbaumarten außer Acht lassen (vgl. Ammer et al. 2010). Auch von Seiten des Naturschutzes nehmen die Anforderungen an den Waldbesitz beständig zu. In den 1990er Jahren wurden sowohl von Seiten des amtlichen als auch des Verbandsnaturschutzes eine Reihe von sehr weitgehenden Forderungen mit forstlichem Bezug erhoben. Beispielhaft für den amtlichen Naturschutz sind die Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege der Länderarbeitsgemeinschaft für Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung, die in einem Positionspapier vom 6.12.1991 unter der Überschrift „Lübecker Grundsätze“ festgehalten wurden.34 Heute werden vor allem Forderungen laut hinsichtlich Flächenstilllegung (Prozessschutzgebiete), Schutz von Buchenwaldgebieten, Baumartenwahl, Naturschutzeinschränkungen in Natura 2000-Gebieten, Zertifizierung. Zudem wird für die Aufnahme der Guten fachlichen Praxis (GfP) in das Bundeswaldgesetz plädiert.35 Mit der gesetzlichen Festschreibung einer GfP wird eine Zuteilung von Verfügungsrechten vorgenommen und eine naturschutzfachliche Mindestanforderungsschwelle an die Forstwirtschaft festgeschrieben. Dabei kann die Konkretisierung als einfache deklaratorische Präzisierung, als gesetzliche Zielformulierung oder auch über Ge- und Verbote erfolgen (Winkel et al. 2005: 102 ff.). Besonders die dritte Variante ist mit den größten Einschränkungen für den Waldbesitz verbunden. Jüngstes Beispiel ist die Forderung des Naturschutzes nach Wildnisgebieten im Rahmen der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt.36 Es ist fraglich, ob diese Flächen allein vom Staatswald in ausreichendem 34
35
36
Darin enthalten war die Forderung, 5 bis 10% der Waldfläche aus Naturschutzgründen vollständig aus der Nutzung zu nehmen und im Wald weitere Vorrangflächen für den Naturschutz in einer Größenordnung von 10% einzurichten. Mit der guten fachlichen Praxis ist eine Bewirtschaftungsweise gemeint, die in der Regel nicht den Zielen und Grundsätzen [des Naturschutzes und der Landespflege] widerspricht (von Petz 2003). In einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 03.02.2010 zur „Wildnis in Europa“ und der begleitenden „Nachricht von Prag“ wurde die Botschaft erkennbar, dass weitere kulturlandschaftlich genutzte Flächen aus der Bewirtschaftung entlassen werden und sich in Wildnisgebiete verwandeln sollen. Ein hierfür in Deutschland angeführtes Argument verweist auf die Notwendigkeit dieser Gebiete, da man sonst in der
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Umfang bereitgestellt werden könnten. Vermutlich werden auch hier private Eigentümer einzubeziehen sein, was natürlich die Frage nach der Kompensierung der entgangenen Erträge nach sich zieht.37 Der Druck auf die Waldbesitzer erfolgt nicht nur von Seiten des amtlichen Naturschutzes, sondern auch von Seiten der Umwelt- und Naturschutzverbände, die in den letzten Jahren verschiedene Waldnutzungskonzepte38 vorgelegt haben (vgl. die entsprechenden Publikationen von Greenpeace, BUND, NABU und anderen aus den 1990er Jahren39 oder die NABU-Waldstrategie 2020 aus dem Jahr 2010). Diese Verbände sind auch Urheber von Schriften, in denen - z. T. von den jeweiligen Verbänden wahrgenommene und als solche definierte - forstwirtschaftliche Missstände aufgezeigt und alle Waldbesitzer diskreditiert werden, die sich nicht an die von den Verbänden selbst vorgegebenen Standards halten (vgl. die Greenpeace-Liste zur Vermeidung forstwirtschaftlicher Exzesse von 1994 oder das im Jahr 2009 veröffentlichte Schwarzbuch Wald des BUND).
IV. Öffentlicher Wald: Gemeinwohl-Primat vs. Privatisierungs-Bestrebungen 1. Der öffentliche Wald und das Gemeinwohl Die Begriffe „öffentlich“ und „privat“ werden in verschiedenen Kontexten (wie Gütertheorie, Rechtspersönlichkeiten oder Soziologie) unterschiedlich interpretiert (Schurr 2007: 39). Aus der ordnungspolitischen Perspektive entstammt die Auffassung, dass öffentliches Eigentum nur dann statuiert werden kann, wenn Gemeinwohlbelange vordringlich sind. Die Etikettierung des Staatswaldes und des Körperschaftswaldes als „öffentlich“ missachte somit die verfassungsmäßige Wertordnung. Streng genommen dürfe es öffentlichen Besitz nur insoweit geben, als er zur Produktion öffentlicher Güter notwendig sei (Giesen 1992: 30). Die
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internationalen Diskussion über die Bewahrung von Urwäldern in anderen Erdteilen keine Glaubwürdigkeit beanspruchen könne (vgl. Jacob 2010). Unabhängig davon gibt es aus Sicht der Erholungsforschung Anzeichen dafür, dass ein Wald, der Zeichen einer Bewirtschaftung aufweist, den Menschen stärker positiv beeinflussen kann als ein Wald, den ein hoher Totholzanteil kennzeichnet. Dieser stärker positive Einfluss bezieht sich auf ‚Ruhe’, ‚gute Laune’ und das ‚Sinken von Deprimiertheit’. Der Erholungseffekt im gepflegten Wald dürfte somit zumindest für den Großteil der Besucher größer sein als im „verwilderten“ Wald (Martens und Bauer 2010: 8). Ausführlich hierzu Volz (1997). Hervorzuheben sind hier insbesondere Greenpeace, 1994: Naturnahe Waldnutzung, Wildnis statt Monotonie. Greenpeace zum Thema, Stand 5/1994; Bund, 1995: Wald für die Zukunft, Positionen 30. Bonn. Dezember 1995; Naturschutzbund Deutschland (NABU), 1996: Lebendiger Wald. Eine Aktion des NABU.
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besonderen gesetzlichen Anforderungen an den Staatswald seien „nicht Grund, sondern – rechtlich nicht überzeugende – nachgeschobene (…) Rechtfertigung für die zuvor vorhandene rechtswidrige Forstorganisation (Giesen 1994). Unabhängig von diesen Überlegungen hat der Staatswald in der Bundesrepublik Deutschland während der letzten beiden Jahrhunderte mehrfach das Spektrum seiner Aufgaben gewechselt.40 Heute ist etwa ein Drittel der Waldfläche Deutschlands dieser Waldeigentumskategorie zuzurechnen. Während der Staatswaldanteil in Mittel- und Nordeuropa mit im Durchschnitt 18% wesentlich niedriger als in Deutschland ist, gibt es im Osten Europas Länder, in denen der Staat das Eigentum an einem Großteil der Wälder oder an fast der gesamten Waldfläche beansprucht (Polen, Ukraine). Klose und Orf weisen in ihrem Kommentar zum Bundeswaldgesetz darauf hin, daß die Differenzierung zwischen öffentlichem und privatem Wald Folgen hat „insofern, als dem ‚öffentlichen Wald‘ […] besondere Aufgaben im Hinblick auf die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes zugewiesen werden, sowie für Art und Umfang der staatlichen Forstaufsicht und die Förderung durch die öffentliche Hand.“41 Die Frage, ob der Wald öffentliches oder privates Eigentum sei, spiele bei der sozialen Bindung eine große Rolle.42 Dementsprechend ist im Bundeswaldgesetz und fast allen Landeswaldgesetzen für den öffentlichen Wald eine höhere Gemeinwohlbindung als bei anderen Eigentumsarten festgeschrieben, wobei die Schwerpunkte und besonderen Anliegen etwas differieren.43 Für den Staatswald stellt sie nach Ansicht von Volz (1995 und 2000) sogar die entscheidende Legitimation dar, da ansonsten eine Überführung in privatwirtschaftliche Strukturen angemessener wäre. Empirisch lässt sich die unterschiedliche Inanspruchnahme des öffentlichen und des privaten Waldes am Beispiel der Naturschutzrestriktionen nachweisen. Bereits heute stehen 25% der Waldflächen von allen Eigentumsarten unter einem intensiven Schutz; hinzu kommen weitere 42% mit einem extensiven Schutzanspruch. Ein deutlicher Unterschied wird erkennbar, wenn man den Privatwald mit den übrigen Waldbesitzkategorien vergleicht. Während im Privatwald insgesamt der geringste absolute Anteil zu verzeichnen ist (mit 15% intensivem und 45% extensivem Schutz), liegt der Wert im Staatswald, Bundeswald und Körperschaftswald deutlich höher (Polley 2008). Hierin kommt die forstpolitische Zielsetzung zum 40 41 42
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Zur Entstehung des Staatswaldes vgl. Endres 1922: 410ff. Klose und Orf 1998: 119. „Die Bindung des öffentlichen Waldbesitzes an das Gemeinwohl rechtfertigt, von ihm die Beachtung der Bewirtschaftungsgrundsätze in höherem Maße zu fordern […] als vom Privatwaldbesitz, der - im Rahmen seiner Sozialpflichtigkeit - auch berechtigten privatwirtschaftlich orientierten Interessen nachgehen muß. Diese decken sich häufig mit den öffentlichen Interessen, können aber auch im Widerspruch zu ihnen stehen“ (Klose und Orf 1998: 463; vgl. auch Hofmann et al. 2000: 8). Klose und Orf 1998, S. 515.
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Ausdruck, den Staatswald in stärkerem Umfang naturschutzrechtlichen Beschränkungen zu unterwerfen. Allerdings zeigt die Belastung von insgesamt 60% der Privatwaldflächen auch, wie weitgehend naturschutzfachliche und –rechtliche Aspekte bereits heute in die Bewirtschaftung des privaten Waldbesitzes integriert werden müssen.
2. Privatisierung des Staatswaldes? Die Auseinandersetzung über Privatisierung staatlicher Einrichtungen in Deutschland wird stark von den Entwicklungen in Nachbarländern Deutschlands, den Globalisierungstendenzen und dem weit verbreiteten liberalistischen Paradigma geprägt. Das Spektrum der Argumente der Befürworter von Privatisierungen des Staatswaldes umfasst ökonomische, ordnungspolitische und rechtliche Argumente. Die ökonomische Argumentationsschiene wird in folgendem Zitat zum Ausdruck gebracht: "Die grundlegende Schwachstelle des Staatseigentums besteht in der Diskrepanz zwischen Entscheidungskompetenz und Verantwortung, die durchgängig für alle Entscheidungsträger sowohl auf zentraler als auch auf betrieblicher Ebene charakteristisch ist. Dadurch entsteht kein Eigentümerbewusstsein und damit auch kein Interesse am effizienten und rentablen Gütereinsatz. Die Privatisierung bildet daher den Schlüssel zur Korrektur der Anreiz- und Kontrolldefizite“ (Leipold 1992: 54 in: Borchers 1996: 102).44 Auch die Forstverwaltungen müssen sich der damit einhergehenden Aufgabenüberprüfung stellen und Möglichkeiten zur Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation suchen. In mehreren internen und externen Organisationsgutachten über die Zukunft staatlicher Forstverwaltungen wurden bereits verschiedene Optionen aufgezeigt. Hierbei hat sich erwiesen, dass Privatisierungen in verschiedenen Varianten theoretisch möglich sind. In den letzten Jahren wurden einige Landesforstbetriebe auf dem Kontinuum zwischen „100% Staat“ und „100% privat“ neu angeordnet, indem durch Änderung der Rechtsform in Richtung Landesbetrieb oder Anstalt öffentlichen Rechts eine mehr oder weniger starke Orientierung an privatwirtschaftlichen Strukturen erfolgte. Auch eine vollständige (materielle) Privatisierung wurde in einzelnen Bundesländern immer wieder in Erwägung gezogen. Wie die jüngsten Diskussionen über den Verkauf größerer Staatswaldflächen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein (vgl. Abschnitt II) gezeigt haben, stoßen derartige Vorhaben auf erhebliche Bedenken bei der Bevölkerung, Berufsverbänden sowie Umwelt- und Naturschutzorganisationen.45 44
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Wie die Diskussion um die Privatisierung von Staatswald-Flächen in NordrheinWestfalen zeigt, bedienen sich sogar einzelne Naturschutzvertreter dieser Argumentationskette. In einer bundesweiten Befragung vor einigen Jahren gaben fast 2/3 der Befragten (nämlich 61%) an, dass sie eine Privatisierung des Staatswaldes für ‚eher schlecht‘ oder
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Im Lauf der letzten Jahrzehnte haben sich die Interessen zwischen Staatswald, Kommunalwald und Privatwald, aber auch innerhalb der einzelnen Kategorien und – beim Staatswald auch zwischen den einzelnen Bundesländern – auseinander entwickelt. Der Staatswald hat dabei seine zentrale Rolle als „Sprachrohr“ für alle Waldbesitzarten weitgehend eingebüßt (vgl. Weber 2004). Insbesondere die Eigentümer größerer Privatwaldflächen, aber auch Wald besitzende Gemeinden streben vermehrt nach Unabhängigkeit von staatlicher Einflussnahme. Während sich der Privatwald vom „goldenen Zügel“ befreien möchte, ist bei manchen Gemeinden und Städten der Wunsch anzutreffen, sich von der in manchen Ländern gesetzlich vorgeschriebenen Kommunalwald-Beförsterung zu lösen46. Somit besteht die Notwendigkeit differenzierter forstpolitischer Ansätze für die einzelnen Waldeigentumsarten, aber auch für deren jeweilige Untergruppen.
V. Zukünftige Herausforderungen Im Vergleich zu vielen anderen Ländern verfügt Deutschland über stabile waldeigentumsrechtliche Strukturen, die eine Voraussetzung für eine effektive quantitative Walderhaltung darstellen. Zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung konnte auch in Ostdeutschland die politische Zielsetzung weitgehend umgesetzt werden, dem privaten Waldeigentum wieder breiten Raum einzuräumen und gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern.47 Neben diesem großflächigen Eigentumsübergang durch Privatisierung von ehemals volkseigenem Wald gibt es eine Reihe weiterer Veränderungen im Marktgeschehen, die zumindest teilweise Bewegung in den Waldgrundstücksmarkt gebracht haben (vgl. Löffler 2002: 244). Hierzu gehören die umfangreichen Verkäufe der Bundesfinanzverwaltung an Naturschutzorganisationen, aber auch vereinzelte Staatswaldverkäufe, die sich nicht mehr auf Splitterflächen beschränken. Der andauernde Strukturwandel in der Landwirtschaft, der zu einer weiteren Verringerung des Bauernwaldes führen wird, sowie zunehmende Naturschutzrestriktionen für die Waldbewirtschaftung, lassen den Schluss zu, dass es zukünftig ein größeres Angebot von Waldflächen auf dem Markt geben könnte. Allerdings wird sich die Intransparenz des Waldgrundstücksmarktes so lange als hinderlich erweisen, als keine innovativen Kommunikationsformen (z.B. Waldeigentumsbörsen), Verfügungsrechte (z.B. Waldpacht) und Kooperationsformen
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‚sehr schlecht‘ halten. Auch wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass die Entscheidung der Bürger anders ausfallen könnte, wenn der Verzicht auf Privatisierung Einschränkungen in anderen Bereichen zur Folge hätte, so lässt sich zumindest festhalten, dass es keine breite Mehrheit für Privatisierungen des Staatswaldes in der Bevölkerung gibt. Diese Entwicklung wurde z.B. in Bayern durch eine deutliche Anhebung der Gebühren für die staatliche Beförsterung des Kommunalwaldes forciert. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass viele Waldbesitzer noch starke Vorbehalte gegen den Beitritt zu forstlichen Zusammenschlüssen haben, da diese gedanklich mit der früheren Zwangskollektivierung in Verbindung gebracht werden.
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(z.B. Umweltgenossenschaften zur Vermarktung von Umweltdienstleistungen) zum Einsatz kommen. Unabhängig davon sind Tendenzen der Aufspaltung des Handlungs- und Verfügungsrechtebündels an Waldeigentum48 sowie ein Trend zur Erprobung neuer Rechtsformen für staatliches und körperschaftliches Waldeigentum zu beobachten. Schon seit langem wirkt eine Vielzahl von Belastungen und gesellschaftlichen Anforderungen auf das Waldeigentum ein. Beim Ersten Deutschen Waldgipfel in Bad Honnef 2001 wurde konstatiert, dass der Umfang und die Qualität der Leistungen, welche die Waldbesitzer der Gesellschaft zur Verfügung stellen bzw. welche die Gesellschaft den Waldbesitzern abverlangt, schon heute erheblich über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinausgehen und nicht mehr ohne Honorierung abgedeckt werden können.49 Ähnliche Feststellungen wurden auch im Rahmen des Nationalen Waldprogramms getroffen.50 Da die Nachfrage nach Rohstoffen, Energie, Erholung, biologischer Vielfalt und Wildnis weiter wächst, werden die Belastungen weiter an Bedeutung gewinnen. Jüngstes Beispiel zusätzlich zu erwartender Einschränkungen durch den Naturschutz sind die im Rahmen der Einrichtung von FFH-Gebieten in Sachsen diskutierten sog. Grundschutzpflichten, die auch für private Waldeigentümer Gültigkeit erlangen sollen und im Rahmen der Gebietsbetreuung durch ehrenamtliche Naturschutzhelfer überwacht werden sollen.51 Darüber hinaus wird das Schadensrisiko für Waldbestände durch klimatische Veränderungen mit der Folge von Orkanen und anderen Wetterextremen zunehmen. Die Anpassung von Wäldern auf einen zu erwartenden Klimawandel stellt eine große Herausforderung für den Waldbesitz dar. Der derzeit in Diskussion stehende Waldklimafonds aus Mitteln aus dem EU-Emissionszertifikatehandel 48
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Vgl. die Waldgemeinschaft Wehr und Öflingen in Baden-Württemberg, bei der die Mitglieder das Eigentum an ihren Waldparzellen behalten, während die Bewirtschaftung und die Haftung an die Waldgemeinschaft übertragen wird. (www.waldbesitzerin wehr.de). Als Beispiel aus dem Ausland können die im amerikanischen Rechtssystem verbreiteten „conservation easements“ angeführt werden, bei der ein Dritter (Staat oder Naturschutzverbände) nur die Entwicklungs- oder Baurechte an einem Grundstück erwerben und diese gezielt nicht ausüben (Schurr 2006: 59). Nr. III.5 und Nr. 13 des „Gesellschaftlichen Vertrages“ für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung und Holznutzung in Deutschland, unterzeichnet von den beteiligten Gruppen, Branchen und Institutionen, 24. Oktober 2001. Vgl. hierzu auch 1980: 157. Vgl. Liste der Handlungsempfehlungen des Nationalen Waldprogramms Deutschland, 2. Phase. Entsprechende Modelle werden derzeit in Sachsen erprobt. Durch die Grundschutzverordnungen würden Managementpläne auch für private Waldbesitzer Verbindlichkeit erlangen, während die Gebietsbetreuung durch ehrenamtliche Naturschutzkräfte im Auftrag der unteren Naturschutzbehörden dazu dienen soll, „erhebliche Beeinträchtigungen“ in den FFH-Gebieten zu vermeiden. Faktisch wäre damit eine permanente Überwachung der Grundbesitzer verbunden.
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könnte Waldbesitzer bei der Finanzierung der Waldumbaumaßnahmen unterstützen, aber auch für spezifische Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Forschung und Entwicklung eingesetzt werden. Die demografischen und soziologischen Veränderungen auf Seiten der privaten Waldbesitzer (Überalterung, neue Eigentümergruppen, Differenzierung der Eigentümerziele) widerspiegeln gesellschaftliche Phänomene wie Pluralisierung und Individualisierung und werden sich weiterhin verstärken. Schon heute ist die Privatwaldbesitzstruktur nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU durch eine zunehmende Urbanisierung der Lebensstile der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer geprägt. Typisch ist auch die Fragmentierung der Privatwaldbesitzstruktur unter steigender Anzahl der Kleinprivatwaldbesitzeranteile sowie ein Wandel in der Altersstruktur der Besitzerinnen und Besitzer (Hirsch et al. 2009). Im ländlichen Raum besteht eine große Aufgabe darin, die Rolle der Forstwirtschaft neu zu definieren und die Möglichkeiten auszuloten, wie waldgebundene Landnutzungen einer weiteren Abwanderung von Menschen entgegenwirken können. In stadtnahen Wäldern müssen tragfähige Konzepte für die Wahrung der Eigentümerinteressen gegenüber vielfältigen Ansprüchen von Erholungssuchenden und Trägern öffentlicher und privater Bauvorhaben gefunden werden, die in diesen Wäldern lediglich eine Flächenreserve sehen. Angesichts der aufgezeigten gesellschaftlichen Veränderungen und der zu erwartenden Herausforderungen erscheint die Vielfalt der unterschiedlichen Vorstellungen und Waldbehandlungskonzepte bei privaten Waldbesitzern in einem neuen Licht. Das Phänomen der Kleinstwaldflächen, eines der meist erörterten Probleme der Nachkriegszeit, wird von den Betroffenen selbst oft nicht als Problem wahrgenommen (vgl. Schurr 2006). Ein zunehmendes Desinteresse der Besitzer kleinerer Waldflächen an deren Bewirtschaftung, aber auch eine Präferenzverschiebung in Richtung Erholung oder Naturschutz muss lediglich aus ressourcenökonomischer Sicht als problematisch eingestuft werden. In diesem Zusammenhang kommt der Pluralität und Vielfalt der Eigentumsarten eine wichtige Rolle zu. Diversität stellt in mehrfacher Hinsicht eine der Grundvoraussetzungen für die Anpassungsfähigkeit an zukünftige Herausforderungen dar. Gerade die Strukturdiversität des Waldeigentums mit verschiedenen Kategorien öffentlichen und privaten Waldeigentums und verschiedenen Größenklassen innerhalb der Eigentumsarten kann sich in Zukunft einmal als entscheidender Vorteil erweisen.52 Während das Verhalten privater Waldbesitzer nur in begrenztem Maße und oft nur unter Einsatz erheblicher Finanzmittel beeinflusst werden kann, bildet der Staatswald, der immerhin ein Drittel der gesamten Waldfläche einnimmt, eine „Stellschraube“ für die Politik. Diese sollte jedoch nur eingesetzt werden, um auf größere und nicht vorhersehbare Krisensituationen reagieren zu können. Wenn diese Schraube nach
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Vgl. hierzu die Argumentation von Köpf (2000).
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jeder Legislaturperiode in die gegensätzliche Richtung gedreht wird, verliert sie ihre Funktion. In der forstpolitikwissenschaftlichen Forschung und Lehre wird Fragen des Waldeigentums zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt. Privatwaldforscher haben in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Waldbesitzer-Typologien erstellt (vgl. die Übersichten in Schraml und Volz 2003; Mutz 2007; Schaffner 2008). Die Ansätze werden dabei immer differenzierter. Dies zeigt sich an den Weiterentwicklungen von rein dichotomischen (z.B. Inmärker und Ausmärker) zu graduellen Typologien (z.B. Kontinuum zwischen urbaner und traditioneller Prägung). Die Differenzierung führte auch zur Erforschung der individuellen Motivationslagen von Waldbesitzern mithilfe qualitativer Methodik (u.a. Krause 2010) und zur Untersuchung spezifischer Interessen und Beratungswünsche weiblicher Waldbesitzer. Von Ausnahmen abgesehen53, herrscht jedoch ein Defizit an forstwissenschaftlichen Untersuchungen zur Eigentumskategorie Staatswald und vor allem zu den umfangreichen Organisations- und Rechtsformänderungen der letzten Jahre. Insgesamt zeichnet sich ab, dass das Konzept der multifunktionalen Forstwirtschaft vor der größten Herausforderung seit seiner Entwicklung steht.54 Einer starken Ausdifferenzierung der spezifischen Ansprüche der drei großen Waldeigentumsarten Staats-, Kommunal-, und Privatwald und einer atomistischen Interessenvielfalt der einzelnen Waldbesitzer steht eine zunehmend inhomogene Gesellschaft mit vielfältigen und zum Teil konträren Nutzungsinteressen gegenüber. Dennoch stellt das Konzept der Segregation unter mitteleuropäischen Verhältnissen keine realistische Alternative dar.55 Vielmehr bleibt es die originäre Aufgabe der Waldpolitik, die unterschiedlichen Anforderungen wahrzunehmen, zu gewichten56 und miteinander in Einklang zu bringen. Dabei sollte, wo immer möglich, kooperativen Instrumenten der Vorrang vor ordnungsrechtlichen Eingriffen eingeräumt werden.
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53
54 55
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Vgl. die von Krott initiierten Forschungen im Rahmen des Europaforums Forstverwaltung sowie die Monographien von Meskauskas (2004) und Fischbach-Einhoff (2005). Zu möglichen Szenarien vgl. Zukünfte und Visionen Wald (2010). Das Segregationsprinzip läuft auf eine Aufteilung der Waldflächen in die beiden Kategorien „Intensivnutzung“ und „Schutz/Wildnis“ hinaus. Vgl. hierzu u.a. Köchli (2006).
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VI. Der Wald aus der Sicht seiner Eigentümer
§ 17 Privater Großwald – Tradition und Fortschritt im Waldbesitz –
Philipp Freiherr zu Guttenberg
I. Begriff und Bedeutung des privaten Großwaldes Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Anteil der Privatwaldbesitzer in Deutschland nicht sonderlich hoch. Die wechselvolle Geschichte des Landes führte zu der heutigen Situation eines relativ gleichmäßig verteilten Waldbesitzes zwischen Staat, Kommunen und privaten Eigentümern. Private Waldbesitzer nehmen dabei mit nicht einmal der Hälfte der Fläche (44%) noch den größten Anteil am Wald ein. Die Auswirkungen der gesellschaftlichen und politischen Prozesse des 19ten und 20ten Jahrhunderts spiegeln sich in der Verteilung des Waldes zwischen Groß- und Kleinprivatwald wieder. Eine klare Grenzziehung zwischen kleinerem, mittlerem und größerem Privatwald ist schwer ausführbar. Eine Abgrenzung der unterschiedlichen Eigentümergruppen ist prinzipiell nach Flächengröße, wirtschaftlichen Faktoren, persönlicher Zielsetzung oder Umgang mit dem Wald möglich. Alle Varianten können jedoch durch die Vielfalt an Waldbesitzern und den regionalen Besonderheiten der Waldbewirtschaftung nur eine grobe Einordnung mit fließenden Übergängen bieten. In Deutschland gibt es zwei Millionen private Eigentümer. Die Abgrenzung zu statistischen Zwecken kann nach der Größe der Waldfläche vorgenommen werden. So unterteilt beispielsweise die Bundeswaldinventur die private Waldfläche in sieben Eigentümerklassen streng nach der Flächengröße, ohne diese dabei jedoch näher zu bezeichnen. Während Angaben in der Literatur für den Kleinprivatwald zwischen unter 100 und 200 Hektar zu finden sind, sind Abgrenzungen zum Großprivatwald nicht typisch. Im Allgemeinen wird aber ab einer Größe von mehr als 1000 Hektar Wald von Großprivatwald gesprochen. Die Wälder der größten privaten Waldbesitzer in Deutschland umfassen in etwa an die 15.000 bis 20.000 Hektar. Nach den Daten der Bundeswaldinventur lässt sich die Verteilung von größerem und kleinerem Waldbesitz gut ablesen. Mit einer durchschnittlichen Waldfläche von 2,4 Hektar pro Waldbesitzer, wird der Großteil der Waldfläche durch kleinere O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Waldbesitzer in Deutschland bewirtschaftet. Dennoch gibt es auch einen beachtlichen Anteil an größeren Forstbetrieben mit einer Fläche von über 1000 Hektar. Mit einer Gesamtfläche von 575.000 Hektar bewirtschaften diese einen Anteil von 12 Prozent der Privatwaldfläche in Deutschland. Damit ist der Großprivatwald über 1000 Hektar nach der Klasse der Eigentümer unter 20 Hektar, die zweitgrößte Eigentümerklasse. Für den größeren Waldbesitz kann aus den Daten des Statistischen Bundesamtes die Anzahl der Forstbetriebe über 1000 Hektar mit einer Anzahl von 200 angenommen werden. Bedingt durch historische Unterschiede ist der Anteil des Großprivatwaldes gegenüber dem Kleinprivatwald regional sehr unterschiedlich. Einen über dem bundesweiten Durchschnitt liegenden Anteil des Großprivatwaldes an der Privatwaldfläche weisen die Bundesländer Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen auf. Vergleichweise geringe Anteile finden sich in Bundesländern Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Niedersachsen. Die Auswertung der Ergebnisse der Bundeswaldinventur in den einzelnen Eigentümerklassen lässt erkennen, dass mit einem Anstieg des Waldbesitzes der durchschnittliche Vorrat an Holz pro Hektar Holzbodenfläche abnimmt. Liegt er bei den unter 50 Hektar noch über 350 Festmeter, sind es im Bereich des Großprivatwaldes dagegen nur 310 Festmeter. Mit den Ergebnissen der Inventurstudie 2008, die für den Privatwald eine weitere Zunahme des Vorrates berechnet hat, ist davon auszugehen, dass diese Schere zwischen Klein- und Großprivatwald noch weiter auseinandergegangen ist. Dabei ist weniger zu vermuten, dass sich die Vorräte im Großprivatwald gesenkt haben, sondern vielmehr ist von einem weiteren Anstieg im Kleinprivatwald auszugehen. Die Erklärung dieses Unterschieds ist ein Merkmal der unterschiedlichen Wirtschaftsweisen. Während im Kleinprivatwald viele Waldbesitzer ihre Wälder unregelmäßig und oftmals auch nur für den Eigenbedarf nutzen, orientiert sich die nachhaltige Bewirtschaftung im Großprivatwald am Zuwachs.
II. Die Notwendigkeit des Wirtschaftens im Privatwald Die wirtschaftlichen wie persönlichen Zielsetzungen der Waldbesitzer sind so vielfältig wie sie selbst. Jeder Waldbesitzer hat dabei seine ganz eigenen Vorstellungen wie er, innerhalb des vom Gesetzgeber und nach den allgemein gültigen ethischen Vorstellungen mit seinem Wald umgeht. Mit steigender Waldbesitzgröße nehmen jedoch ebenso die wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Verantwortungen des Waldbesitzes zu. Insbesondere im Großprivatwald besteht eine Notwendigkeit, laufende Erträge zu generieren, um sowohl die Fixkosten der professionellen Verwaltungen als auch oft den Erhalt des historischen Erbes zu sichern. Betrachtet man zunächst die allgemeine wirtschaftliche Situation der Forstbetriebe, so hat sich diese in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert. Klam-
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mert man die außergewöhnlichen Ergebnisse des Jahres 2007 aus, so erhöhte sich der Reinertrag der Forstbetriebe nach den Statistiken des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in den Jahren zwischen 2004 und 2008 pro Hektar um rund 100 Euro pro Hektar seit 2004.
Art der Kennzahl Einschlag Betriebsertrag Betriebsaufwand Verkaufserlös Holz Reinertrag I (ohne Förderung) Reinertrag II (mit Förderung)
Privatwald 2005 2006 2007 7,1 8,1 12 304 370 586 240 248 316 44,9 49,8 58,1
Einheit m³ / ha € / ha € / ha €/m³
2004 7 277 234 43,5
€ / ha
31
49
110
257
131
€ / ha
46
65
124
270
144
2008 7,1 428 285 62,3
Das Jahr 2007 mit seinen wirtschaftlichen Kennzahlen muss insofern gesondert betrachtet werden, da der durch den Orkan Kyrill bedingte hohe Einschlag die Reinerträge ebenfalls außergewöhnlich hoch ausfallen ließ. Mit 37 Millionen Festmetern Sturmholz fiel innerhalb eines Tages bereits über die Hälfte des Holzeinschlags 2007 in Deutschland an. Trotz des üblichen Preisverfalls von Holz erzielten die Forstbetriebe auf den Festmeter gerechnet immer noch höhere Erträge als in den Jahren zuvor. An dieser Stelle muss jedoch ebenfalls bedacht werden, dass durch die Auswirkungen des Sturmes einerseits hohe Folgekosten für die Neubegründung der zerstörten Flächen anfallen und andererseits stark betroffene Forstbetriebe in den Folgejahren ihren Einschlag zu Gunsten der Nachhaltigkeit stark drosseln müssen. Große Forstbetriebe sind auf regelmäßige Einkünfte aus dem Holzverkauf angewiesen, um die Aufwendungen zum Unterhalt des Eigentums und des Forstbetriebes zu decken. Neben den allgemeinen Fixkosten und den Reinvestitionen in den Waldbau, umfassen diese Kosten auch die Ausgaben für das meist professionelle Berufspersonal und andere, forstferne Erfordernisse des Betriebes, wie z. B. den Erhalt denkmalgeschützter Gebäude. Die Finanzierung der Forstbetriebe kann dabei nur durch das Kerngeschäft Holzverkauf gesichert werden, das in der Regel ca. 90% der Einnahmen ausmacht. Finanzielle Erlöse aus Nebennutzungen und anderen potentiellen Einnahmequellen wie Vertragsnaturschutz, Tourismus oder Jagd können die Aufwendungen nicht ausreichend decken. Durch die konstanten Lieferungen ist der Großprivatwald auch ein verlässlicher und geschätzter Partner der Holzindustrie. Die kontinuierliche Bewirtschaftung und Pflege, die sich vielfach in der Holzqualität wiederfindet, die Holzmenge,
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ebenso wie die Liefersicherheit mit abgestimmten Sortimentsprofilen, bedingen in vielen Fällen auch eine besondere Stellung unter den Marktpartnern. Die flächengebundenen Kosten sind jährlich durch die Forstbetriebe aufzubringen. Diese setzen sich u.a. aus verschiedenen Kostenstellen wie Steuern und Abgaben, Versicherungen, Abschreibungen und Dienstleistungen zusammen. Die Größenordnung dieser Kosten ist regional und von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich, kann aber auf 10 bis 50 Euro pro Hektar geschätzt werden. Bei Betriebsgrößen von über 1000 Hektar ist dies ein beträchtlicher jährlicher Kostenfaktor, der zusammen mit den anfallenden Personalkosten durch regelmäßigen Holzverkauf gedeckt werden muss. Wird insbesondere der kleine und mittlere Privatwald durch staatliche Förster oder durch Forstbetriebsgemeinschaften bei der Bewirtschaftung unterstützt, organisieren große Forstbetriebe diese größtenteils selbst. Dafür stellen diese eigenes Fachpersonal ein. Hieraus ergibt sich auch die spezielle soziale Verantwortung des Eigentums, analog zu mittelständischen Betrieben in anderen Branchen. Besonders im ländlichen Raum ist die Bereitstellung und Sicherung von Arbeitsplätzen von besonderer Bedeutung. Dabei gilt es nicht nur die Arbeitsstellen im Forstbetrieb zu beachten. Vielmehr stellt die Bewirtschaftung der Wälder per se mit der Bereitstellung des Rohstoffes Holz die Voraussetzung für den Erhalt der wichtigen Arbeitsplätze in den oft strukturarmen Räumen dar. Neben dem klassischen holzverarbeitenden Gewerbe, wie der Säge-, Papier-, Platten- oder Pelletindustrie, sind hier auch die unzähligen kleinen Betriebe zu nennen, die mit dem Rohstoff Holz ihren Lebensunterhalt verdienen. Dies führt vom Transportgewerbe zu den Tischlern, Schreinern, Kunsthandwerkern und vielen mehr. Die nachhaltige Bewirtschaftung unserer Wälder ist der Schlüssel für den Erhalt des ländlichen Raumes mit all seiner Bedeutung für unsere Gesellschaft.
III. Erhalt des kulturellen und ökologischen Erbes – Nachhaltigkeit und Freiheit der Bewirtschaftung Der Erhalt des kulturellen Erbes unserer Wälder als vielfacher Identitätsstifter und die mit vielen Betrieben verbundenen bedeutenden historischen Bauwerke gründen sich im weiteren Sinn auf die Nachhaltigkeit: Möchte man näher auf den Begriff und die Auswirkungen der Nachhaltigkeit eingehen, so muss man zuerst die Ursachen dieser doch einzigartigen Handlungsmaxime betrachten: Aus dem Eigentum erwachsen Verantwortung, Eigenverantwortlichkeit und Freiheit als höchstes Gut, die wiederum Voraussetzung für die individuelle Entfaltung für jeden Einzelnen von uns ist. Eigentum bedingt daneben auch nachhaltiges Handeln, da ohne den Erhalt der Substanz auf Dauer das Eigentum geschmälert und nicht gesichert werden kann.
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Große Forstbetriebe sind in besonderer Weise auf die Nachhaltigkeit angewiesen, da sie alle drei Säulen - Ökonomie, Ökologie und Soziales - gleichermaßen bedienen müssen, um das Eigentum zu erhalten. Groß zu klein unterscheidet sich hierbei in wirtschaftlichen wie sozialen Aspekten durch die unmittelbare Auswirkung. Kommen bei den meisten Kleinwaldbesitzern die Erträge aus der Forstwirtschaft unmittelbar und in erster Linie der Familie zugute, so geht der soziale unmittelbare Wirkungskreis bei den größeren Forstbetrieben je nach Ausstattung weit über die Familie hinaus. Großprivatwaldbesitz ist meist mit einer Vielzahl an kulturellen Gütern verbunden, deren Erhalt nicht nur im privaten Interesse des Waldbesitzers steht, sondern auch von gesellschaftlicher und historischer Bedeutung ist. Neben den oft historischen Wohnsitzen der Eigentümer, umfassen diese Kulturgüter auch öffentliche Einrichtungen in den angrenzenden Ortschaften sowie in den Wäldern selbst. Die notwendige Finanzierung des Unterhalts erschließt sich erst aus den Gewinnen, die durch die Forstwirtschaft erbracht werden. Ebenso können aus diesen Gewinnen auch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege finanziert werden. Die Tradition des generationsübergreifenden Familienbesitzes im Großprivatwald schuf in diesen Wäldern auch zahlreiche zu erhaltende Elemente mit einem hohen Naturschutz- und Landschaftswert. Mit den Mitteln u. a. aus der Forstwirtschaft war es den Besitzern möglich, besondere Naturschönheiten zu schützen und zu pflegen und beispielsweise Alleen, Waldränder oder Parks anzulegen. Neben dem eigenen Interesse am Erhalt der traditionellen und wertvollen Elemente verpflichten die generationenübergreifenden Wertvorstellungen auch zukünftig, diese Kulturgüter zu pflegen und zu schützen. Der letzte und entscheidende Punkt für die Notwendigkeit einer nachhaltigen Bewirtschaftung ist vor allem der Haupterwerb und die Lebensgrundlage der Besitzer. Sind für viele kleinere Waldbesitzer ihre Wälder meist nur ein Nebenerwerb und dienen oftmals als Rücklage in wirtschaftlich angespannten Zeiten, werden sie mit zunehmender Besitzgröße Lebensgrundlage für deren Eigentümer. Sowie einerseits das Eigentum die Grundlage zur Freiheit im wirtschaftlichen Handeln bedeutet, so erwächst aus selbigem auch die Verantwortung. Letzteres, insbesondere im Bezug zum Generationenvertrag, ist wohl der Antrieb, weshalb Eigentümer auch in der heutigen Zeit ihre Wälder erhalten wollen. Das Verständnis, die übertragenen Vermögensbestandteile als Verwalter für die nächsten Generationen, also nachhaltig, zu bewirtschaften, fußt unter anderem in der überlieferten und oftmals noch gelebten Rechtsform des Familienfideikommisses. Ein Familienfideikommiss ist ein durch privates Rechtsgeschäft gebundenes Sondervermögen, das grundsätzlich unveräußerlich und unbelastbar ist, von bestimmten Familienmitgliedern nacheinander in einer von vornherein festgelegten Folgeordnung genutzt wird und dazu bestimmt ist, die wirtschaftliche Kraft einer Familie und dessen Vermögen dauernd zu erhalten. Die Fideikommisse verdanken
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ihre Entstehung dem Wunsch der grundbesitzenden Familien, ihren Besitzstand geschlossen zu erhalten. Historische Bauwerke mit den dazugehörigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben waren oft in den Familienfideikommissen gebunden. Sie diente auch dazu, schlechter gestellte Nachkommen finanziell aus dem Familienvermögen zu versorgen, ohne dieses zu gefährden. Im 19. Jahrhundert gerieten die Familienfideikommisse in die Kritik, weil sie durch das sie betreffende Verfügungsverbot nicht am Güteraustausch teilhaben konnten und damit das Wachstum des Sozialproduktes bremsten. Da sie auch einem Belastungsverbot unterlagen, konnten sie ebenfalls nicht als Realkreditsicherheiten eingesetzt werden. Ferner wurden die Familienfideikommisse als Sonderrecht des Adels kritisiert. 1938 wurden die bis heute geltenden Bereinigungsvorschriften und das Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse erlassen. Die Relevanz des Gedanken, Grundvermögen dauerhaft für die Familie zu erhalten, findet sich im ökonomischen wie gesellschaftlichen Zusammenhang sowohl in bäuerlichen Betrieben, als auch im Großprivatwald. Gerade im Zuge der heutigen Globalisierung ist die Erkenntnis, land- und forstwirtschaftliches Grundvermögen durch Erbteilung in seiner wirtschaftlichen Gesamtheit nicht zu gefährden, ausgeprägter denn je. Vor allem in den alten Bundesländern werden sich die im europäischen Vergleich kleinen Betriebseinheiten in der Zukunft nur schwerlich behaupten können. Ein bedeutender Teil der Subventionen aus den nationalen und europäischen Fördermitteln gehen bereits jetzt in den künstlichen Erhalt der kleinen und wirtschaftlich schwachen Strukturen. Sowohl im engeren Sinne der nachhaltigen Forstwirtschaft, als auch im historisch und wirtschaftlich begründeten Verständnis der „Verwalterrolle“ für kommende Generationen, ist in der Forstwirtschaft die für manche Wirtschaftszweige geltende Maxime der Gewinnmaximierung einer Generation abzulehnen. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit – die ökologischen Produktionsgrundlagen, die ökonomische Umsicht, erstere nicht zu gefährden, und die vielschichtigen sozialen Zusammenhänge sind in der Urproduktion einzigartig. Der Wald dient nicht zur Maximierung persönlicher oder einseitiger Interessen: weder für den Eigentümer, noch für die Öffentlichkeit. Waldbesitzer sind und waren sich ihrer Verantwortung im Umgang mit ihrem Eigentum, dem Wald, stets bewusst. Diesem Bewusstsein in Verbindung mit der Freiheit der Bewirtschaftung, die auf dem Vertrauen von Staat und Gesellschaft in die Waldbesitzer fußt, war es auch ohne weitreichende staatliche Auflagen möglich, stabile und nachhaltige Wälder zu schaffen. Ein Beweis dieser Erfolgsgeschichte wird darin ersichtlich, dass bereits heute 68% der deutschen Wälder einem Schutzstatus unterworfen sind. Dieser Status wurde dabei aber nicht vergeben, weil man etwa mit der traditionellen Bewirtschaftungsweise nicht einverstanden war, oder weil man dort Gefahr in Verzug für den Wald vermutet. Nein, vielmehr weil durch den Eigentümer Schutzgüter erhalten wurden oder man die Ergebnisse der nachhaltigen Bewirtschaftung als schützenswert empfindet. Allerdings stößt die Tatsache, dass der
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Lohn für diese Leistungen in Form von Eigentumsbeschränkungen und Vermögensminderung überbracht wird, auf großes Unverständnis. Freiheit in der Bewirtschaftung bedeutet für den Waldbesitzer und insbesondere für Großprivatwaldbesitzer nicht eben nur das bedingungslose Bewirtschaften der Forstflächen, sondern eine gelebte, generationenübergreifende, nachhaltige Forstwirtschaft, die aus den Erlösen der Bewirtschaftung heraus auch ökologische und kulturelle Werte schafft. Entsprechende Möglichkeiten sind dabei im Großprivatwald sicherlich einfacher zu realisieren als im Kleinprivatwald. Die Eigentümer weitreichender Waldflächen haben in der Vergangenheit und werden auch zukünftig auf freiwilliger Basis wertvolle Trittsteinbiotope in ihren Wäldern anbieten und besonders schützenswerte Biotope durch geeignete Maßnahmen gezielt fördern. Weitere Einschränkungen oder zweifelhafte „Belohnungen“ durch die Unterschutzstellung privater Vermögensbestandteile wirken sich kontraproduktiv auf die Motivation der bewirtschaftenden Personen, wie auch auf die Zielsetzung der Maßnahmen aus. Auflagen in der Bewirtschaftung, die über das gesetzliche Maß im öffentlichen Interesse stehen, müssen auch von der Öffentlichkeit finanziell getragen werden. Die unbedingte Einbindung der Grundeigentümer und eine langfristige budgetäre Vorsorge, die den Anforderungen in der Forstwirtschaft, der Gesellschaft und dem Eigentümer gerecht werden, ist Grundvoraussetzung für die Akzeptanz von weitergehenden Vereinbarungen oder ordnungsrechtlichen Einschränkungen. Der Tatbestand der Enteignung kann als Summeneffekt auch durch die Vielzahl an sich nicht entschädigungspflichtiger Eigentumseinschränkungen erfüllt werden.
IV. Risikostreuung durch ausgedehnte Flächen Die Bewirtschaftung von Wäldern ist mit zahlreichen wirtschaftlichen Risiken verbunden. Die langen Produktionszyklen (Umtriebszeiten) erhöhen die Gefahr, dass die Bestände von einer der zahlreichen natürlichen, wie auch durch gesellschaftliche Prozesse und Ereignisse gestört und in ihrem finanziellen und ökologischen Wert gemindert werden können. Selbst Baumarten wie Fichte, Douglasie und Kiefer, die eine, aus forstlicher Sicht gesehen, relativ kurze Umtriebszeit besitzen, benötigen mindestens 70 - 80 Jahre, bis sie geerntet werden können. Langsam wachsende Baumarten wie Buche und Eiche benötigen dabei für den gleichen Prozess bereits über 180 und bis zu 250 Jahre. Der Vollständigkeit halber muss natürlich auch erwähnt werden, dass im Laufe der Zeit nicht jeder aufwachsende Baum seine vollständige Umtriebszeit erreicht, sondern bereits früher geerntet wird. Bei diesen frühzeitigen Ernten von Bäumen eines Bestandes aus Pflegeund Schutzgründen können die aus dem Verkauf des Holzes gewonnenen Erlöse jedoch maximal die entstehenden Erntekosten decken, ohne dass dabei Rücklagen für eine ganzheitliche Bewirtschaftung der Wälder gebildet werden können. Der Faktor Zeit, wie auch die geltenden Zinsparadigmen, nehmen damit in der Forstwirtschaft eine besondere Bedeutung ein. Es ist den Waldbesitzern schier unmög-
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lich, im Rahmen der Bewirtschaftung eines Bestandes durch waldbauliche Maßnahmen allen potentiellen Risiken zu begegnen. Gleichwohl trägt der Waldbesitzer aber auch eine besondere Verantwortung, die sich erst aus dem Faktor Zeit erschließt. Die Entscheidungen der Bewirtschaftung, die ein Waldbesitzer bei der Pflanzung und Pflege der Bestände trifft, sind Grundlage für die Einkommen und den Erhalt des Eigentums der kommenden Generationen. Insbesondere im Großprivatwald ist diese finanzielle Verantwortung gegenüber den eigenen Nachkommen besonders hoch. Ausgedehnte Flächen bieten gegenüber kleineren Besitzungen auch die Möglichkeit, Risiken breiter zu streuen und zumindest die Wirtschaftlichkeit des Betriebes sicherzustellen. Die Bedeutung der Risikostreuung durch einen ausgedehnten Flächenbesitz lässt sich aktuell sehr gut an der zentralen Herausforderung der Zukunft, dem Klimawandel, verdeutlichen. Die Studien und Prognosen der Wissenschaft sind sich nahezu einig, dass uns in den kommenden Jahrzehnten tiefgreifende Veränderungen des Klimas bevorstehen werden. Die Vielzahl an Variablen in den Klimamodellen und die Abhängigkeit des Wandels von zukünftigen Entwicklungen lassen jedoch aussagekräftige Prognosen kaum zu. Als allgemeine Tendenzen sind eine Zunahme der Jahresmitteltemperatur, trockenere Sommer und eine Zunahme der Wetterextreme zu erwarten. Die Waldbesitzer bringt diese Situation in ein Dilemma. Einerseits werden sich die standörtlichen Bedingungen für unsere Wälder aller Voraussicht nach ändern, anderseits sind verlässliche Voraussagen für diese Änderungen nicht möglich. Dabei sind gerade Kenntnisse über die jährlichen grundlegenden klimatischen Bedingungen bei der Baumartenwahl von entscheidender Bedeutung. Bei der jährlichen Jahresmitteltemperatur und den zu erwartenden trockeneren Sommern können bereits minimale Verschiebungen die Entscheidung, mit welcher Baumart ein Bestand zu begründen ist, wesentlich beeinflussen. Eine unglückliche Entscheidung kann für die übernächste Generation durch den frühzeitigen Ausfall des gesamten oder zumindest eines Teiles des Bestandes schwerwiegende wirtschaftliche, ökologische sowie – sollte es sich um flächendeckende Strategien der Baumartenwahl handeln – gesamtgesellschaftliche Folgen haben. Der Forstwirtschaft bieten sich zur Risikominimierung grundsätzlich zwei Optionen an. Dies ist zum einem der laufende Umbau der Wälder zu stabilen, klimaplastischen Mischwäldern oder die Umsetzung vielfältigster Waldbaukonzepte auf der Fläche. Für den Kleinprivatbesitzer ist insbesondere der zweite Ansatz schwierig umzusetzen, da aufgrund der Größe seiner Waldfläche ihm nur wenige Optionen und Varianten effektiv zur Verfügung stehen. Die Variabilität durch die verschiedenen Eigentümerentscheidungen auf der Fläche, tragen jedoch ganz entscheidend zur Stabilität und Vielfalt der Wälder Deutschlands bei. Die ausgedehnten und teilweise auch getrennt liegenden Waldflächen größerer Waldbesitzer ermöglichen eine breitere betriebswirtschaftliche Streuung des Risikos durch eine breitgefächerte Umsetzung verschiedener waldbaulicher Konzepte und Baumartenzusammensetzungen. Der finanzielle Einbruch auf einer Fläche durch den Ausfall einer Baumart oder eines Bestandes kann mit der verbleibenden
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Fläche kompensiert werden. Im Kleinprivatwald ist das oft mit der Gefahr des wirtschaftlichen Zusammenbruchs oder Aussetzung des Forstbetriebes verbunden.
V. Lokale Kompetenzzentren im ländlichen Raum und Verantwortung unter Nachbarn Im ländlichen Raum nimmt der Großprivatwald mancherorts eine Vorbildfunktion ein und bündelt die Kompetenzen im Bereich Forstwirtschaft. Er bildet oft mit den staatlichen Betrieben eine zentrale Anlaufstation für Beratungssuchende und Interessierte. Für eine erfolgreiche Bewirtschaftung sind neben Engagement und Wissen der Waldbesitzer auch qualifiziertes Forstpersonal im Großprivatwald notwendig, um alle Aufgaben und Leistungen des Waldes sicherzustellen. Neben Waldarbeitern verfügen diese Betriebe meist auch über einen Betriebsleiter. Aber auch mehrere Revierleiter, Holzverkäufer und Forstmaschinenführer können zur personellen Ausstattung größer Forstbetriebe gehören. Die Ansprüche der Waldbesitzer an ihr Berufspersonal finden sich zudem in den Lehrplänen der Ausbildungsstätten wieder und garantieren hiermit die vorbildliche forstliche Ausbildung in Deutschland.
VI. Steuerliche Besonderheiten Wie jeder andere wirtschaftende Betrieb unterliegen auch Forstbetriebe zahlreichen steuerlichen Regelungen. Eine besondere Situation im Forstbetrieb stellt jedoch die Besteuerung im Erbschaftsfall dar. Aufgrund der natürlich bedingten langen Produktionszyklen im Wald liegen zwischen der Begründung von Beständen und Ernte dieser mehrere Generationsfolgen. Dies bedeutet, dass während der Produktionszeit eines Baumes, dieser und damit auch das „arbeitende Kapital“ mehrmals vererbt wird und je nach Lage der Gesetze ebenso oft erbschaftsteuerpflichtig ist. Für Forstbetriebe kann dies bei ungünstiger Gesetzeslage eine Gefährdung des Eigentums als Ganzes bedeuten oder sie zu einer Verkleinerung der Betriebsgröße zwingen, um der Tilgung der Steuerlast nachkommen zu können. Die Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die ökologischen, sozialen und kulturellen Leistungen der Forstbetriebe und Wälder wären beachtlich. Auch die für Forstbetriebe in der Regel unproblematischen Behaltefristen können sich schwerwiegend auswirken, wenn durch externe wirtschaftliche Schwierigkeiten, sei es durch Kalamitäten oder fallende Holzpreise, Lohnkürzungen oder Stellenstreichungen unumgänglich werden. Die dann resultierenden rückgängig greifenden Erbschaftsteuerzahlungen würden die finanzielle Schieflage des Forstbetriebes nur noch weiter verschärfen. Obwohl man mit der aktuellen Rechtslage (1.1.2009) eine für diese Betriebsart noch erträgliche Lösung fand und die Sonderstellung der Land- und Forstwirtschaft berücksichtigt wurde, muss man die Sinnhaftigkeit einer Erbschafts- und
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Schenkungssteuer auch gerade in Zusammenhang mit unserem westlichen Wertesystem in Frage stellen: Neben den wirtschaftlichen Auswirkungen, die insbesondere in der Forstwirtschaft mit ihren besonderen Bedingungen und weitreichenden gesellschaftlichen Funktionen eine Sonderstellung einnehmen, ist der folgende gesellschaftspolitische Aspekt zu beachten: dem Prinzip der Nachhaltigkeit ist der Generationenvertrag inhärent. Die Motivation, nicht gewinnmaximierend, sondern im Hinblick auf die nächste Generation – optimierend zu wirtschaften, resultiert wohl zumeist aus dem Bedürfnis, für das Wohlergehen der nächsten Generation zu sorgen, also auch aus einer natürlichen Familienplanung heraus. Aus den Erfahrungen der Geschichte, wie auch den Erkenntnissen der Psychologie, spielt das Wohl der Gesellschaft oder etwa das des Staates für das Individuum eher eine untergeordnete Rolle. Der großangelegte Versuch der „Sozialisierung“ des menschlichen Handelns im Sozialismus und Kommunismus ist nachweisbar gescheitert. Die Familie als tragende Säule unserer Gesellschaft und als Motivation zukunftsgerichteter Entwicklung bildet auch für den Staat und die Gesamtgesellschaft die Basis. Wenn nun der Staat durch die Erb- oder Schenkungssteuer bereits versteuertes Vermögen bei der Übertragung an die folgende Generation fiskal erneut belastet und schmälert, könnte dann nicht in selbiger Generation ein hedonistisches Gedankengut erwachsen, das sich letztlich auch gegen den Generationenvertrag und gegen die Familie per se richtet?
VII. Jagd Die Jagd spielt im Großprivatwald seit jeher eine bedeutende Rolle. Es sei an dieser Stelle aber nur auf die Entwicklungen seit 1953 in den alten, sowie seit der Eingliederung der neuen Bundesländer auf das Bundesjagdgesetz verwiesen. Grundsätzlich ist festzustellen: In Deutschland ist das Jagdrecht kein selbständiges, sondern ein untrennbar mit dem Grund und Boden verbundenes Recht. Es stellt ein eigentumsgleiches Recht der Waldbesitzer dar, das nach Artikel 14 GG dem Schutz des Grundgesetzes unterliegt. Die Jagd in den Revieren der Großwaldbesitzer ist im Gegensatz zu Waldflächen, die keine Eigenjagdgrößen erreichen, mit geringem Konfliktpotential behaftet. Die Jagd ist grundsätzlich von den individuellen betrieblichen Zielen der Eigentümer geprägt und somit fällt ihr, als Bestandteil des Eigentums, eine dienende Rolle zu. Unabhängig von bestehenden Definitionen von „Wildschaden“ ergibt sich in Eigenjagdrevieren aus dem Wildeinfluss auf die Vegetation eine Definition von Schaden erst in Abhängigkeit von den Zielvorstellungen des Eigentümers. Es besteht daher eher ein Zielkonflikt: Soll er eine intensive Bejagung durchführen mit dem Ziel, eine Waldverjüngung, insbesondere auch kleinräumige Verjüngungen und das Einbringen von Mischbaumarten ohne Zaunschutz zu ermöglichen? Oder sind ihm hohe Wildbestände, die eine leichtere Bejagung und einen Selektionsabschuss (und den Verkauf von Abschüssen) ermöglichen, wichtiger - unter Inkaufnahme von höheren Verjüngungskosten und Einschränkungen der waldbau-
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lichen Möglichkeiten? Dieser Zielkonflikt und Begrenzung des Wildeinflusses bestimmt auch letztlich die Art und Intensität der Bejagung. Größere, zusammenhängende Waldflächen haben zweifelsohne einen höheren Jagdwert - monetär, wie ideell - da die Umsetzung der Ziele im Gegenzug zu parzellierten Besitzen und den Interessen verschiedener Eigentümer besser umgesetzt werden können. Trotz des vergleichsweise großen Freiraumes, den das Bundesjagdgesetz bei der Jagdausübung im Großprivatwald dem Eigentümer einräumt, werden der Jagd neben den landesgesetzlichen Bestimmungen externe Vorgaben gestellt: Die nachhaltige Bewirtschaftung unserer Wälder benötigt zur Erfüllung der vielen Waldfunktionen und der übergeordneten gesellschaftlichen Ziele angepasste Wildstände. Die Anforderungen an unseren Wald im Hinblick auf die veränderten Umweltbedingungen und insbesondere auf den Klimawandel ergeben die Notwendigkeit, eine flächendeckende Verjüngung standortgerechter Baumarten zu gewährleisten. Vor allem darf der Aufbau nichtheimischer, schnellwachsender klimaplastischer Bestände nicht gefährdet werden. Die Einbringung nichtheimischer Baumarten zeichnet sich in der Regel durch überhöhte Verbissprozente aus. Neben den Erfordernissen im Zusammenhang mit dem Klimawandel müssen der steigende Bedarf am Rohstoff Holz und die negativen Auswirkungen von großflächigen „Verjüngungslücken“ auf die volkswirtschaftlichen Belange Beachtung finden. 66% unserer Wälder haben sich den freiwilligen Zertifizierungssystemen angeschlossen und sind damit in besonderer Weise der Nachhaltigkeit verpflichtet. So wird beispielsweise im Kriterienkatalog von PEFC Deutschland aufgeführt: „Angepasste Wildbestände sind Grundvoraussetzung für naturnahe Waldbewirtschaftung im Interesse der biologischen Vielfalt. Im Rahmen seiner Möglichkeiten wirkt der einzelne Waldbesitzer auf angepasste Wildbestände hin. Wildbestände gelten dann als angepasst, wenn die Verjüngung der Hauptbaumarten ohne Schutzmaßnahmen möglich ist und erhebliche, frische Schälschäden an den Hauptbaumarten nicht großflächig auftreten.“ Seit Beginn der PEFCZertifizierung in Deutschland rangieren Verstöße gegen die Forderung nach angepassten Wildbeständen auf Platz 1 der regelmäßig aktualisierten Statistik. Weiter sind die Interessen der Eigentümer der angrenzenden Reviere im Besonderen zu berücksichtigen und die Bejagung, d.h. Abschussfestlegung, Reviereinrichtungen wie Äsungsflächen, etc. eng, im Sinne einer umfassenden Verantwortung, abzustimmen.
VIII. Zusammenfassung und Ausblick Das kommende Jahrzehnt wird von großen Anforderungen an unseren Wald geprägt sein und unsere Bewirtschaftung maßgeblich beeinflussen. Auch wird sich
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der Konflikt zwischen einer Intensivierung der Holznutzung und steigenden Schutzansprüchen zuspitzen. Der Wald und seine Eigentümer in Deutschland werden zwar vielen Anforderungen entsprechen können mit dem Willen, den Wald in seiner Multifunktionalität zu erhalten. Die zwingende Grundvoraussetzung für den wichtigen Beitrag der Waldeigentümer zu den großen Herausforderungen der Zukunft wird jedoch die Balance der Säulen der Nachhaltigkeit sein. Weitere wirtschaftliche Einschränkungen über den bestehenden gesetzlichen Rahmen hinaus sind weder nachhaltig noch zielführend. Gleichzeitig ist von Konzepten abzusehen, die mit einer Intensivierung der Nutzung unsere Böden als Produktionsgrundlage oder die mit der nachhaltigen Forstwirtschaft erhaltenen Biodiversität gefährden. Die Motivation der Eigentümer zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Forstwirtschaft kann nur mit dem Erhalt des Eigentums, der Eigenverantwortlichkeit und der Freiheit gewährleistet werden.
§ 18 Privater Kleinwald
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I. Nutzungsrechte im und am Wald Mit der Besiedlung durch den Menschen begann sogleich die Nutzung des Waldes in Deutschland. Die germanischen Stämme nahmen die Wälder nach und nach in Besitz und in Kultur. Die Siedlungsverbände, aus denen Dorfgemeinschaften hervorgegangen sind, nannten gemeinsamen Besitz ihr Eigen, „wo jeder sein Vieh hintreiben kann und auch anderweitig nutzungsberechtigt ist“. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich auch bei den germanischen Volksstämmen eine gewisse Hierarchie herausgebildet. Sowohl bei den Franken wie auch bei den Sachsen beruhte die Gesellschaftsordnung auf einer Adelsherrschaft. Nachdem im 15. Jahrhundert das römische Recht zur allgemeinen Rechtsprechung wurde, gelang es dem Adel bzw. dem Landesherrn die Oberhoheit über die Markenwälder zu erlangen. Es wurden sogenannte Forstordnungen verabschiedet, um die missbräuchliche Nutzung im Wald in geordnete Bahnen zu leiten. Der Landbevölkerung mussten nun jedoch von der Obrigkeit Nutzungsrechte an und in diesen Wäldern zugestanden werden. So durfte die Landbevölkerung ihr Vieh im Walde weiden und die Schweine mästen lassen. Der Plaggenhieb, Torfstich und die Brennholzwerbung sowie das Sammeln von Wildfrüchten und Beeren waren im Rahmen von klaren Vorgaben möglich. Benötigtes Bauholz, wenn z.B. die Hofgebäude einem Feuer zum Opfer gefallen waren, durfte nur nach Anweisung durch den Holzgräfen bzw. den Forstbediensteten, die das Holz zur Kennzeichnung mit dem Waldhammer an Stamm und Stubben kennzeichneten, eingeschlagen werden, wobei fruchttragende Bäume auf keinen Fall genutzt werden durften. Die Bäume mussten dann vom Bauern selbst geschlagen werden. Dies geschah möglichst bei abnehmenden Mond von November bis Februar. Man glaubte, dass das Holz dann besser austrocknete. In einer Holzordnung von 1665 heißt es: „Wenn einem Bauern Holz zum Hauen angewiesen wird, so soll er für jede Eiche mindestens sechs Heister aus dem dörflichen Heisterkamp pflanzen. Kann er es nicht, hat er ¼ Taler für jeden nicht gepflanzten Heister in eine Kasse für Forstverbesserungen (ein halber Tagelohn) beim Amt zu zahlen“. Zu den Bauernhöfen gehörten oftmals kleine Holzungen und natürlich die Hofeichen bzw. –buchen. Diese gehörten in den meisten Fällen zwar dem Grundherrn, durften aber nur vom Hofbesitzer genutzt O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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werden. Sehr selten gab es zu dieser Zeit schon freie Bauernwälder; sie waren meistens eine Schenkung des Landesfürsten infolge besonderer Verdienste. Vorhandene Gutsforsten waren ebenfalls mit den Nutzungsrechten benachbarter Bauern bzw. Dörfer belastet, genossen jedoch den Status eines Privatwaldes. Da die Steuern und Abgaben sich ständig erhöhten, die Erträge aus der Bewirtschaftung des Hofes mit damaligen Mitteln und Kenntnissen kaum zur Selbstversorgung ausreichten, griffen die Bauern zur Selbsthilfe und „besorgten“ sich Holz aus den landesherrschaftlichen Wäldern, um es zu verkaufen und damit die Steuern und Abgaben bezahlen zu können. Die geringe Anzahl an Forstbediensteten und deren schwache Mobilität waren kein Hindernis und der Wert des Holzes lag teilweise über dem der Strafe. Hier nun traten im 19. Jahrhundert eine Anzahl von gesetzlichen Regelungen ein, die bewirkten, dass die Höfe der Bauern deren freies Eigentum wurden. So u.a. in Niedersachsen die Gemeinheitsteilungsordnung von 1802, die Ablösungsordnung von 1833, und das Gesetz zur Aufhebung von Weiderechten von 1856. In den jeweiligen Rezessen wurde schriftlich festgelegt, dass alle Belastungen in Geldzahlung abgelöst werden, das gemeinschaftliche Eigentum wird geteilt und die Flurstücke werden weitgehend zusammengelegt (die sog. Verkopplung). Mit der Zahlung der Ablösesumme wurden sie nun Eigentümer ihrer Höfe. Das Anerbenrecht und damit die Geschlossenheit der Höfe bleibt bestehen, fast alle Bauern tragen sich in die „Höferolle“ ein. Diese Höfeordnung besagt, dass jeweils der älteste männliche Erbe den Hof ungeteilt erhalten soll.
II. Der eigene Wald: Erwerb – Besitz – Verpflichtung Für die Ablösung der Weiderechte erhielten die Bauern von den Grundherren z.T. erhebliche Waldflächen, die jeweils zum Dorf hin lagen. Damit künftig kein Vieh bzw. Fuhrwerke mehr in den herrschaftlichen Wald kommen konnten, wurde ein in den Ausmaßen genau festgelegter Trapezgraben um den königlichen Wald herum ausgehoben, wobei der Bodenaushub zur königlichen Seite geworfen werden musste. Dieser sog. “Königsgraben“ ist noch heute als Grenzgraben um die jeweiligen Staatsforstwälder vorhanden und erkennbar. Aus einigen Planrezessunterlagen geht hervor, dass den berechtigten Bauern der jeweiligen Ortschaft eine Waldfläche vom grundherrschaftlichen Besitz zwecks „gemeinschaftlicher Bewirtschaftung“ übereignet werden sollte. Diese Waldfläche bekam die Bezeichnung „Interessentenforst“ (die heutigen Realverbandsforsten). Jeder Anteiler verfügte hierbei nur über einen zwar vererbbaren, aber nur ideellen Anteil und nicht über einen realen. Gewinn und Verlust mussten anteilig getragen werden. Die Ablösung der Hand- und Spanndienste bzw. anderer Lasten erfolgte oftmals aus dem Erlös des Holzeinschlages in diesen Waldflächen, so dass es teilweise zu starken Verlichtungen kam.
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In der Zeit von 1870 bis 1910 sanken die Preise für Wolle und Fleisch der Heidschnucken und des Getreides infolge von billigen Importmöglichkeiten unter die Selbstkostengrenze. Die Bauern investierten ihre vorhandenen finanziellen Mittel in die Modernisierung ihrer Höfe; für die Aufforstung der verlichteten Wälder bzw. der Heideflächen blieb meistens kein Geld übrig. Bemerkenswert ist schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Aussage des kursächsischen Oberberghauptmanns H.C.v.Carlowitz, der die Bedeutung der Holzlieferung des Waldes kannte, dass nur soviel Holz genutzt werden darf, wie nachwächst (Nachhaltigkeitsprinzip). Die jetzt nicht mehr bewirtschafteten Heideflächen samten sich zuerst mit leichtsamigen Gehölzen wie Birke, Aspe, Weide und wenn in der Nähe vorhanden, mit Kiefern und Fichten sowie Lärchen an. Da es sich hierbei um eine sporadische Ansamung handelte, waren die Bestände weitläufig, astig und kurzschäftig. Da der Bauer jetzt Eigentümer auf eigener Scholle war, wuchs das Interesse an der Bewirtschaftung seiner Hofstelle. Lehre, Forschung und Unterrichtung – auch im Schulwesen – setzten sich mehr und mehr auf dem Lande durch. So hatte sich bereits im Jahre 1830 der Land- und Forstwirtschaftliche Provinzialverein für das Fürstentum Lüneburg in Uelzen gegründet. Er verschenkte ab dem Jahre 1849 bis 1874 rd. 30.000 Kilogramm Kiefernsamen. Hiermit konnten ca. 2.500 ha aufgeforstet werden. Es war das Verdienst des Landschaftsrates und Präsidenten des Provinzialvereins für das Fürstentum Lüneburg, Berthold Graf von Bernstorff, dass im Jahre 1899 die bäuerliche Selbstverwaltungsorganisation Landwirtschaftskammer in der Provinz Hannover gegründet wurde. Erster Leiter der Forstabteilung der Landwirtschaftskammer wurde der Provinzialforstmeister Georg Quaet-Faslem. Da der Rohstoff Holz nach wie vor sehr nachgefragt war, die teilweise verlichteten Wälder nur geringe Mengen zu liefern imstande waren, entwickelte sich der Ackerbauer mehr und mehr zum Waldbauer. Die Liebe des deutschen Menschen zum Wald, wie sie sich in den Märchen, den Gedichten und Novellen, in der Malerei bis hin zur Wandervogelbewegung u.a. niederschlug, kam nun voll zur Geltung. Die freien Heide- und Ödlandflächen wurden nach und nach aufgeforstet; in erster Linie mit den frost- und sonnenharten Nadelhölzern wie Kiefern, Fichten und Lärchen. Eine beliebte Saatmischung war hierbei 70% Kiefer, 20% Fichte und 10% Lärche. Mit dem von Ochsen bzw. Pferden gezogenen Schwingpflügen wurden Furchen gezogen und das Saatgut mit Hilfe einer schmalen Weinflasche ausgesät. Auf die besseren Böden brachte man Eichen und Buchen als Heisterpflanzung bzw. auch als Saat. Auf den Landwirtschaftsschulen („Ackerbauschulen/Winterschulen“) wurde bereits Waldbau gelehrt und die neu eingerichteten Dienststellen beim Provinzialforstverein bzw. der Landwirtschaftskammer erteilten Rat und Hilfe. War der Bauer seit 1848 endlich frei geworden und verfügte über freies Eigentum, wollte er sich nicht schon wieder dadurch abhängig machen, dass er zwecks Aufforstung zur Verfügung gestellte Geldmittel von ande-
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rer Stelle in Anspruch nahm. Diese Fördermittel waren teilweise an eine Eintragung in das Grundbuch gebunden und das wollte man auf keinen Fall. Bei den heutigen waldbaulichen Fördermitteln handelt es sich dagegen um Mittel seitens EU, Bund und Land, die aufgrund eines klar definierten Gesetzes zur Auszahlung gelangen und über keinerlei eigentumseinschränkende Auflagen verfügen.
III. Wem gehört der Wald? Von den rund 11 Millionen Hektar Wald in Deutschland befinden sich 7 Millionen Hektar in privater und körperschaftlicher Hand. Diesen Wald bewirtschaften 2 Millionen Eigentümer nach den für sie selbstverständlichen Grundsätzen nachhaltiger Forstwirtschaft. Über 450.000 Eigentümer kleinerer Waldflächen haben sich in Forstbetriebsgemeinschaften und sonstigen Zusammenschlüssen organisiert, um die Bewirtschaftung möglichst sinnvoll und ökonomisch zu gestalten. Diese zukunftsfähig zu halten ist den Waldbesitzern ein ganz wesentliches Anliegen. Wald und damit Waldeigentum stehen aufgrund der vielfältligen Leistungen und Wirkungen, die vom Wald und seiner Bewirtschaftung ausgehen, seit jeher im Zentrum von gesellschaftspolitischen Diskussionen. Viele der Waldleistungen werden von der Bevölkerung wie selbstverständlich als öffentliches Gut wahrgenommen und kostenlos in Anspruch genommen. Auf die Frage „Wem gehört der Wald?“ in einer 6. Klasse war die mehrheitliche Antwort: “Dem Förster.“ Sind die Waldflächen auch meist klein, so hat es doch zur Folge, dass das Selbstverständnis, Eigentümer von Wald, mit der entsprechenden Verantwortung für Generationen zu sein, vorhanden ist. Es bedeutet auch, dass sich vier Millionen Deutsche in der einen oder anderen Weise mit der Nutzung der Ressource Holz, mit der Pflege des Waldes und anderen Themen, die das Eigentum an Wald zur Folge hat zumindest gelegentlich (aussetzende Betriebe) befassen. Durch die breite Eigentumsstreuung erliegen Millionen Deutsche nicht dem Irrbild des Schlachthausparadoxons (Kaminfeuer und Holzmöbel „Ja“ – Baum ab „Nein danke“), welches durch selbsternannte „Waldschützer“ in die Köpfe vieler, von der Nutzung der natürlichen Ressourcen entfremdeter, Mitbürger getragen wurde. Wird das kleine Stück Wald, welches sich vielleicht seit Generationen in Familieneigentum befindet, unter Umständen auch „nur“ zur Brennholzversorgung des eigenen Haushalts genutzt, so erfüllt es doch immerhin den Zweck eines direkten Bezugs zur nachhaltigen Nutzung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Besser als im Wald kann man Nachhaltigkeit kaum lernen und verstehen. Die meisten Waldbesitzer haben ihren Wald geerbt und möchten ihn an ihre Kinder und Enkel weitervererben. Der Wald ist stolzer Familienbesitz, in der der Generationenvertrag groß geschrieben wird. Bäume wachsen langsam und die Bäume, die wir heute pflanzen, werden unsere Enkel und Urenkel erst ernten können. Deshalb ist das Prinzip der Nachhaltigkeit, das erstmals 1713 in der Forstwirtschaft beschrieben wurde, so wichtig. Dieser Nachhaltigkeit haben sich die
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privaten Waldbesitzer in weit höherem Maße verschrieben, als ihnen allgemein zugedacht wird. Wenn wir von Kleinprivatwald sprechen, dann handelt es sich um Waldflächen zwischen 10 – 100 Hektar. Der mittlere Privatwald verfügt über Waldflächen in der Größe von 100 – 500 Hektar. Betrachten wir einmal die Mitglieder einer Forstbetriebsgemeinschaft im nordöstlichen Niedersachsen, so zeigt sich, dass die Hauptwaldfläche im Bereich der aktiven Landwirte zu finden ist, die den Wald im Rahmen der Hofübernahme ererbt haben und meist in einer Größenordnung von 5 bis 20 ha liegt, darüber hinaus haben wir dann aber durchaus auch Besitzgrößen von bis zu 100 ha. Durch gute bis sehr gute Einkünfte während der Zeit des sog. „Wirtschaftswunders“ in der BRD, war es vielen am Wald und der Natur interessierten Städtern möglich geworden, sich kleinere Waldflächen anzukaufen. Im Bereich der Forstbetriebsgemeinschaft Forstverband Jesteburg, südlich der Metropole Hamburg gelegen, machen diese Waldbesitzer über 50% der Mitglieder aus, verfügen jedoch nur über ca. 12% der Gesamtwaldfläche. Dieses spiegelt die Situation vielerorts in Deutschland wider. Erstaunlich ist hierbei das teilweise enorme Interesse dieser Kleinstwaldbesitzer an ihrem Wald, eine überproportionale Inanspruchnahme des betreuenden Forstpersonals ist zu verzeichnen. Die Vielfalt der Strukturen und die breite Streuung des Eigentums fördern somit die Vielschichtigkeit und dynamische Entwicklung. Aufgefächerte Eigentums- und Forstbetriebsstrukturen auf dem Lande werden durch die dort lebenden Menschen bestimmt. So wird aus sich heraus schon in hohem Maße die Einhaltung gesetzlicher Normen, eine Biotopvernetzung und Gesellschaftsvorsorge betrieben. Vorhandene große Heidehöfe und adelige Güter verfügten über einen Waldbesitz, der vielfach im Bereich bis zu 500 ha und mehr liegt. Desgleichen haben hier und dort Personen größere bis große Waldflächen erworben, da sie über entsprechende Finanzmittel verfügten und eine sichere Anlage in Form von Immobilien haben wollten; doch auch jagdliche Aspekte spielten hierbei eine mehr oder weniger wichtige Rolle. Aber auch Kommunen und Städte – z.B. die alte Salzstadt Lüneburg – sind im Besitz von nicht unerheblichen Waldflächen, die entweder durch eigenes Forstpersonal bewirtschaftet werden bzw. sie haben sich einer forstwirtschaftlichen Betreuungsorganisation angeschlossen. Mit Aufhebung des Jagdregals im Jahre 1848 und Bindung des Jagdrechts an Grund und Boden, konnte der Bauer die Jagd auf seinem Besitz ausüben, sofern er den jetzt erlassenen waidgerechten und demokratischen gesetzlichen Bestimmungen nachkam. Wollte er nicht selbst jagen, so konnte er das Jagdausübungsrecht an Dritte verpachten, eine zum Teil heute nicht zu unterschätzende Einnahmequelle für den Hof. Die Entschädigung von entstandenen Wildschäden in der Feldflur ist ziemlich klar geregelt, wobei die Regulierung der Wildschäden im Wald noch einer eindeutigen Klärung bedarf. Es dürfte unbestritten sein, dass eine falsch
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verstandene Hege zu überhöhten Schalenwildbeständen führt und die jahrzehntelange Arbeit des Waldbauern im und am Walde zunichte machen kann. Ein hoher Jagdpachtzins ist zwar willkommen- doch nicht um jeden Preis. Wild und Wald sind eine Einheit, doch auch hier setzt die Verpflichtung des Eigentums dem jeweiligen Waldbesitzer Grenzen. Drängen überhöhte Wildbestände auf die Felder oder den Waldflächen des bzw. der Nachbarn und verursachen Schaden , so sind Konflikte vorprogrammiert. Ähnliches ist aus dem Bereich der Fischerei zu berichten, wenn der Hof über größere Wasserflächen verfügt und diese selbst bewirtschaftet bzw. verpachtet hat.
IV. Waldbesitz eine sichere Geldanlage Der Wald ist ein multifunktionales Ganzes. Zu Konflikten kommt es, weil die vielfältigen Funktionen zu unterschiedlichen sozialen Erwartungen führen. Viele wollen mitreden, noch besser mitgestalten, aber keiner übernimmt das wirtschaftliche Risiko des Waldbesitzers. Der Wald ist aber seit alters her ein Ort wirtschaftlicher Vorgänge und Maßnahmen. Waldwirtschaft ist ein wirtschaftliches Unternehmen und fest eingebettet in markt- und volkswirtschaftliche Regeln. Im Wald wird nicht nur der nachwachsende und unweltfreundliche Rohstoff Holz erzeugt, sondern er erbringt auch die sog. infrastrukturellen Leistungen zum Nutzen für die Allgemeinheit, allgemein als Schutz- und Erholungsfunktion bezeichnet. Diese quasi besonderen Leistungen werden leider nicht vergütet. So muss der Wald sich durch Holzerlöse tragen. Ein Unterfangen was zunehmend schwerer wird, weil die Abgaben und Lasten stetig steigen Wald gilt heute mehr denn je als eine langfristige und sichere, wenn auch nicht gut verzinsliche Geldanlage. War man vor 10 bis 20 Jahren im kleinen Privatwald gerne mal wegen der Unwirtschaftlichkeit geneigt, seinen Wald zu verkaufen, – nach dem Motto: Ich verkaufe meinen Wald – spazieren gehen kann ich auch so darin – hat sich dieses heute deutlich ins Gegenteil verkehrt. Waldkäufe, kleinerer wie größerer Flächen, sind heute an der Tagesordnung.
V. Sozialpflichtigkeit des Eigentums Das führt dazu, dass die Öffentlichkeit ihre besonderen Ansprüche an den Wald und damit an den Waldbesitzer stellt. Art. 14 Abs. 1 u 2 GG besagt, dass das Eigentum gewährleistet wird. Im gleichen Atemzug ist der Eigentümer dann aber auch verpflichtet, seinen Wald zum Wohle der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Diese „Sozialbindung“ muss man getrennt von der entschädigungspflichtigen Enteignung betrachten. Die Wald- und Naturschutzgesetzgebung haben eine Abgrenzung im allgemeinen nicht vorgenommen. Die Multifunktionalität des Waldes hat zu Folge, dass die Allgemeinheit, die Gesellschaft, wie selbstverständ-
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lich Ansprüche an den Wald stellt. Eigentum und seine letztendlich Allgemeinwohl steigernde Verwendung bedarf auch Freiräume für den Eigentümer und dessen eigenverantwortlichen Umgang mit seinem Hab und Gut. Eigentum ist in unserer Gesellschaftsform mit zentralen Werten untrennbar verwoben. Eigentum bedeutet Eigenverantwortung, ermöglicht individuelle Selbstbestimmung, schafft Freiheit, die gleichzeitig Selbstverpflichtung generiert. Denn Eigentum will erhalten, bewahrt und gepflegt werden. Dies muss mit Chancen, insbesondere Erwerbschancen und Nutzen verbunden sein, denn nur dann kann sich Eigenverantwortung, Selbstverpflichtung und Selbstbestimmung entfalten. Ein menschliches Zusammenleben in einer hochindustrialisierten Gesellschaft, dazu in einem dichtbesiedelten Land, ist ohne Beschränkungen des Eigentums kaum denkbar, leider mit den oft nachteiligen wirtschaftlichen Erfahrungen seiner Besitzer. Der Waldbauer als Besitzer von kleinen bzw. mittleren Privatwaldflächen muss zur Kenntnis nehmen, dass er ein Teil unseres Sozialgefüges ist und er wohl oder übel zu gestatten hat, dass die Öffentlichkeit im Rahmen der Sozialbindung und der jeweiligen Gesetzgebung wie selbstverständlich Anteil an den Sozialwirkungen seines Waldes nimmt. Dies beweist er bereits dadurch, dass er seinen Wald öffentlich zugänglich macht. Des weiteren nimmt er nicht unerhebliche Kosten und Mühen auf sich, um z.B. die Waldflächen, auf denen noch der Pionierwald nach Heide oder Ödland stockt – was eine Pioniertat ersten Ranges unserer Vorfahren war! – jetzt in ökologisch stabile, artenreiche und ökonomisch wertvollere, standortangepasste Mischwälder umzubauen.
VI. Forstliche Betreuung War ihm die jährliche Entnahme von Bodenproben auf seinen Ackerflächen eine Selbstverständlichkeit, so ließ er sich von den betreuenden Forstleuten überzeugen, dass eine Standortkartierung im Walde mit der dazugehörigen Forsteinrichtung zum Handwerkzeug des Waldbauern gehört. Hierbei erhielt er finanzielle und personelle Hilfe durch Bund und Land, so dass die finanzielle Belastung im Rahmen blieb. Je dünner die Personaldecke auf den Höfen wurde, je mehr die Spezialisierung voranschritt, desto klarer zeichnete sich ab, dass der Waldeigentümer aktives Mitglied in einer forstlichen Betreuungsorganisation wie Forstverband, Forstbetriebsgemeinschaft bzw. Forstwirtschaftlicher Vereinigung werden musste. Was und wie in seinem Wald an Maßnahmen zu erfolgen hat, entscheidet letztendlich der Waldeigentümer. Er hat jedoch die Möglichkeit, sich forstlicher Fachberatung und Betreuung zu bedienen. Ähnlich wie im landwirtschaftlichen Bereich, wo er schon seit langer Zeit seine Produkte über die RaiffeisenGenossenschaften u.ä. verkauft, findet dies jetzt auch im forstwirtschaftlichen Bereich statt. Bei der Antragstellung zwecks Förderung forstwirtschaftlicher Maßnahmen durch EU, Bund und Land ist die Inanspruchnahme professioneller forstlicher Hilfe – Bezirksförster – Fachberater – Forstamtsleiter – gar nicht mehr
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wegzudenken. Forstwirtschaftlicher Wegebau, ohne den der Absatz von Holzprodukten künftig kaum noch möglich sein wird, wird fast nur noch durch Spezialfirmen ausgeführt. All diesem zeigt sich der heutige Waldeigentümer aufgeschlossen und innovativ gegenüber, er erkennt deutlich den Mehrwert für seinen Betrieb, die entsprechende Vernetzung bringt ihm entsprechende Vorteile.
VII. Waldbau der Zukunft Die Anlage von stufig aufgebauten Waldaußen- und innenrändern aus standörtlich vorkommenden Sträuchern und Bäumen ist ihm dabei ein großes Anliegen. Waldästhetik ist für den Privatwaldbesitzer kein Fremdwort, sondern wird praktiziert und umgesetzt. Das Belassen von stehendem und liegendem Totholz im Walde ist für ihn – oft aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit – kein Fremdwort, kennt auch er den hohen ökologischen Wert dieser Maßnahme. Mit der heute so stark propagierten Verkehrssicherungspflicht muss er sich auseinandersetzen, findet aber zunehmend, im Zusammenwirken mit den Kommunen, den richtigen Weg. Vom Altersklassenwald und der damit verbundenen Bodenreinertragslehre eines Herrn Pressler hat er sich abgewandt. Wurde früher der Rohstoff Holz in allen möglichen Dimensionen – vom Erbsbusch über Besenreisig bis hin zum starken Bauholz – auf dem Hof gebraucht, so wurde schon vor diesem Hintergrund ein artenreicher und vielschichtiger Wald von ihm angestrebt. Trotz der errungenen Freiheit über sein Waldeigentum, war er nicht vor Rückschlägen und Katastrophen gefeit: Kriege und Revolutionen verheerten seinen Wald, den Siegern musste das beste Holz als Reparation übergeben werden, Brennholz für die frierende Bevölkerung in den Städten galt es bereit zu stellen, Waldbrände, Käfer- und Pilzschäden sowie Überschwemmungen und Sturmkatastrophen machten die Arbeit von Jahrzehnten in kürzester Zeit zunichte. Im Bewusstsein seiner Verantwortung für kommende Generationen nahm der Waldbauer die Herausforderung an, beseitigte die Schäden und baute einen neuen Wald nach den neuesten Kenntnissen von Wissenschaft und Lehre sowie Erfahrung auf. Es ist aber auch – neben der Verantwortung nachkommenden Generationen gegenüber – die Liebe zum Wald, gepaart mit Freude und der Genugtuung neuen Wald heranwachsen zu sehen, der Antrieb für sein Handeln.
VIII. Pflichten und Rechte des Waldeigentümers Wald zu besitzen ist etwas besonders Schönes. Allerdings hat diese Medaille zwei Seiten. Sehen wir es von der finanziellen, kommt man schnell ins Wanken. Sehen wir es von der kulturellen Seite, haben wir viele gute Argumente bei den Waldbesitzern. Diese können einen Kultur- und Erlebnisraum einzigartigen Ausmaßes ihr eigen nennen.
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Noch einmal zur finanziellen Seite: Die Holzpreise schwanken in Abhängigkeit von der Marktlage. Die Forstbetriebe konkurrieren heute auf dem Weltmarkt. Die Forst- und Holzwirtschaft ist wie jede Branche auch konjunkturabhängig und damit anfällig gegenüber Einflüssen von außen. Waldbesitzer können es sich nicht erlauben, auf Dauer Geld in ihrem Wald liegen zu lassen. Zur kulturellen Seite: Im Ergebnis ist es leider oftmals so, dass die Begehrlichkeit von EU, Bund und Land, der Öffentlichkeit, der selbsternannten Naturschützer oder NGO-Gruppen wertvolle Waldflächen mit einem entschädigungslosen Schutzstatus – FFH-Gebiete – Natura 2000 – überziehen und damit erheblich in die Betriebsabläufe eingreifen. Die Folge sind oft nicht unerhebliche wirtschaftliche Einbußen. Die Holzwirtschaft als ein wichtiger Zweig der Volkswirtschaft ist auf den Rohstoff Holz angewiesen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Bereitstellung von Wirtschaftsgütern für die Weiterverarbeitung, sondern auch hinsichtlich der Aufrechterhaltung der in der Holzwirtschaft vorhandenen Arbeitsplätze, immerhin ca. 1,2 Mio in Deutschland. Für den Privatwaldbesitzer steht die Bedeutung als Wirtschaftsbetrieb und damit auch als Grundlage wirtschaftlicher Existenz und Generationenfolge im Vordergrund. Für Städte und Gemeinden und sonstigen körperschaftliche Waldeigentümer können neben der ertragswirtschaftlichen Bedeutung ihres Waldes auch verschiedene andere Interessen von Belang sein.
IX. Eigentümerverpflichtung des Waldbesitzers Hatte der Bauer in den vergangenen Jahrhunderten es widerspruchslos hinnehmen müssen, dass seine bestellten bzw. noch nicht abgeernteten Felder vom jagenden Adel bis hin zu den Amtmännern und Drosten beschädigt oder gar gänzlich verwüstet wurden, so verlangte er nach der Bauernbefreiung hierfür Schadensersatz. Als abgabepflichtiger Untertan war er zum Jagddienst verpflichtet, oftmals auf eigenem Grund und Boden. So heißt es in einer Anweisung, dass die königlichen Untertanen im Amte Gottorf zur Leistung der Jagddienste, Lieferung des Jägers Hafer und Heuführung, wie von alters her geschehen, anzuhalten sind und bringen müssen. Heute sehen die Forderungen an die Waldbesitzer anders aus. Man macht sich ordnungsrechtlich daran einzugrenzen und einzuschränken. In der Konsequenz kostet beides, damals wie heute, den Eigentümer Geld. Wir alle nutzen die Natur, direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst. Aufgrund des Nachhaltigkeitsprinzips in der Forstwirtschaft aber immer verantwortungsvoll. Naturschutz oder andere Auflagen und Ansprüche können und dürfen nicht zwangsläufig, wie manche Zeitgenossen gerne behaupten, Verzicht auf jegliche Nutzung bedeuten. Naturschutz ist durchaus vereinbar mit einer vernünftigen Nutzung natürlicher Ressourcen. Es ist auch zu hinterfragen und u.U. eine grundsätzliche Fehleinschätzung, evtl. sogar ein Irrglaube vom „natürlichen ökologi-
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schen Gleichgewicht“ oder vom „Gleichgewicht in der Natur“ zu sprechen. Ökosysteme bleiben, wie alle offenen kybernetischen Systeme nie dauerhaft im Gleichgewicht, die Bandbreite geht von kaum merklichen Veränderungen bis hin zu dem Zusammenbruch eines Ökosystems auf Grund von Katastrophen oder anderer Umwelteinflüsse. Dies gilt besonders für unsere industrialisierte und hochtechnische Zeit, mit der Folge sich auch ständig ändernden klimatischen Bedingungen und Schadstoffeinträgen gegenüber zu sehen. Ob der Naturschutz hier das richtige Ökosystemmanagement in unserer überwiegenden Kulturlandschaft hat, bleibt noch einmal abzuwarten. Für besondere Lebensformen, Landschaften und zu schützende Arten eine Nische offenzuhalten sollte unser Tun und Handeln bestimmen. Es gibt die Unterschutzstellung in Form von Nationalparks, Natur- und Landschutzgebieten, Naturdenkmälern u.v.a.m. bis hin zu den gesetzlich geschützten Biotopen gem. § 30 BNatSchG. Diese Biotope sind auf Weisung des Bundesgesetzgebers von den jeweiligen Unteren Naturschutzbehörden erfasst und kartiert worden. Eine Beschilderung dieser Flächen, die vielfältig im Bereich des Waldes liegen oder ein Teil desselben sind, gibt es wahrnehmbar nicht. Solche Bereiche sind nur über Weiser- bzw. Zeigerpflanzen zu erkennen, besitzen aber dennoch den Rechtsstatus eines Naturschutzgebietes. Will nun der Waldeigentümer eine im Wald liegende binsen- oder segensreiche Nasswiese trockenlegen und in eine Wildwiese oder gar Wildacker umwandeln, so bekommt er dafür keine naturschutzrechtliche Befreiung und macht sich strafbar, wenn er es trotzdem macht. Es ist also eine freie Verfügung des Eigentümers mit entsprechenden Gestaltungsspielräumen für seine Flächen nicht mehr vorhanden. Leider ist in diesem Zusammenhang landläufige Meinung, besonders von vielen Naturliebhabern, dass der Eigentümer auf Bewirtschaftung verzichten muss, darüber hinaus etwaige Einnahmeausfälle von ihm zu tragen sind. Etwaige Entschädigungen müssten nicht gezahlt werden; denn „ Eigentum verpflichtet“! Wasser ist Lebenselixier Nummer Eins, ohne Wasser kein Leben! Eine seiner wichtigen Funktionen des Waldes ist seine Fähigkeit Wasser zu speichern und Grundwasser neu zu bilden. Es steht außer Frage, dass denjenigen das benötigte frische und gesunde Grundwasser in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt wird, die es benötigen und nicht darüber verfügen. Dieses rechtfertigt dann aber auch, dass wasserfördernde bzw. wasserspendende Maßnahmen von der Allgemeinheit getragen werden. Über Wasserdienstleistung muss in diesem Zusammenhang vollkommen neu nachgedacht werden. Es kann nicht sein, dass Wasserversorgungsunternehmen – kommunal wie privat – mit einer hohen Umsatzrendite arbeiten können und der Wald und seine Eigentümer als eigentlich Betroffene hier aussen vor bleiben.
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X. Heutige und künftige Bedeutung des (Klein)Privatwaldes Das Cluster Forst und Holz hat in Deutschland einen Jahresumsatz von 181 Milliarden. Damit ist der Holz-Sektor eine wesentliche Wirtschaftsgröße. Die Holzaufkommensprognose zeigt uns, dass die Holzvorräte je nach Bewirtschaftungsszenario von heute 280 m³/ha bis zum Jahre 2036 auf ca 350 m³/ha steigen, bzw. auch auf 200 m³ fallen können. Die Nutzungsmassen – oft auch die Reserven – liegen zumeist/häufig im Privatwald, wo erhebliche Anstrengungen unternommen werden müssen, um sie zu mobilisieren. Besitzsplitterung und Kleinflächigkeit als Bewirtschaftungshemmnisse müssen überwunden werden. Die Strukturnachteile können auf absehbare Zeit nur mit einer angemessenen Förderung ausgeglichen werden. Festzuhalten bleibt, der Privatwald spielt, auch wegen seiner Flächengewichtung und der naturalen Ausstattung, eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass erkennbar knapper werdende Ressourcen – deutlich weniger Nadelholzanteile – durch Lieferungen aus dem Privatwald zumindest abgefedert werden können.
1. Holzmobilisierung Waldbauliches Ziel der Privatwaldbesitzer ist die forstwirtschaftliche Bewirtschaftung zum Zwecke der Holzproduktion. Darüber hinaus dient der Wald im besonderen Masse der Sicherung und Erweiterung der Schutz- und Erholungsfunktion. Die Investitionsförderung der EU und des Bundes haben dazu geführt, dass in den neuen Bundesländern große Verarbeitungskapazitäten der Holz- und Papierindustrie aufgebaut worden sind. So ist der Bedarf an Rohholzmengen seitens der holzverarbeitenden Industrie eindeutig belegt. Die Bedienung dieses Bedarfs wird ganz wesentlich auch aus dem Privatwald erfolgen müssen, da hier wesentliche Reserven stehen. Weiterhin ist es von unschätzbarem volkswirtschaftlichen Nutzen, wenn die Wertschöpfung in der ohnehin schwachen ländlichen Region bleibt. Holz der kurzen Wege ist angezeigt. Wir brauchen starke, funktionierende Zusammenschlüsse, um den modernen Anforderungen des Marktes und den Bedürfnissen der Waldbesitzer genügen zu können. Die derzeitigen, aber vor allem die geplanten finanziellen Rahmenbedingungen erlauben eine solche Umsetzung leider nicht. Somit hat Förderung aus der GAK existenzielle Bedeutung für die Zukunft unserer Zusammenschlüsse und ist darüber hinaus für die Aufrechterhaltung der Waldfunktionen im Privatwald unerlässlich. Nur so kann den Waldgesetzen Rechnung getragen werden, wenn es heißt: Der Wald ist wegen seiner Bedeutung für die Umwelt, das Klima, den Wasserhaushalt, die Reinhaltung der Luft und die Erholung der Bevölkerung zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern.
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2. Die Rolle des Privatwaldes bei der Energieversorgung Der Privatwald sieht eine zunehmende Bedeutung des Energieträgers Holz. Kleinfeuerungsanlagen, Blockheizkraftwerke für Hackschnitzel und Pelletsproduktion spielen eine zunehmend wichtigere Rolle. Mengen aus diesem Bereich werden bei starker Nachfrage an Holz zunehmend eine Konkurrenz für Sortimente der Holzwerkstoffindustrie. Es bleibt abzuwarten, ob dann die Aussage stofflicher vor energetischer Verwertung noch Bestand haben wird. Die nötigen Strukturen sind überall dort vorhanden, wo funktionierende Forstliche Zusammenschlüsse oder private Unternehmen sich auf dieses Sortiment eingestellt haben. Es ist also keine Frage des Wie`s, sondern eher eine Frage des gesetzlichen Rahmens, des Preises und der damit einhergehenden vertraglichen Gestaltung. Die regionale Energieversorgung bietet sich vielerorts geradezu an und wartet nur auf ihre Umsetzung.
XI. Fazit Der private Waldbesitzer ist sich seiner hohen Verantwortung im Rahmen des Generationenvertrages und der Sozialbindung seines Eigentums bewusst und stellt die Multifunktionalität seines Waldes der Allgemeinheit zur Verfügung. Wälder sind Arbeitsplatz für qualifizierte Menschen und sichern das Einkommen der Waldbesitzer. Gerade im Privatwald prägt der Waldbesitz mit seiner Waldarbeit ganz wesentlich die ländliche Region und ist ein großes Stück Zukunftssicherung für nachfolgende Generationen. Holz als Produkt muss geschätzt werden. Die Ziele der Charta für Holz müssen umgesetzt werden. Als Betriebsleiter eines vielseitigen Wirtschaftsunternehmens ist es für den Waldbesitzer nicht unlauter, wirtschaftlichen Gewinn aus dieser Tätigkeit ziehen zu wollen. Wir müssen den wirtschaftlichen Erfolg für Waldeigentümer und Forstbetriebe in ihrer Struktur und Organisation sichern. Politik und Gesellschaft müssen im Cluster Forst und Holz eine Schlüsselbranche erkennen. Die Abgeltung der infrastrukturellen Leistungen des privaten Waldes muss per vertraglicher Vereinbarung vereinbart werden. Der Vertragsnaturschutz muss stärker in den Vordergrund gerückt werden. Privatwaldbesitzer erheben die Forderung einer garantierten liberalen Rechtsund Eigentumsordnung, die Eigentums- und die zugehörigen Verfügungsrechte langfristig sichert. So kann Individual- und Gemeinwohl unter Zugrundelegung der bewährten rechtsstaatlichen Prinzipien und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zusammengeführt werden. Mittel aus dem Emissionshandel müssen auch in Wald und Waldbewirtschaftung investiert werden. Insbesondere sollte ein Risikofonds den Bestand bei Katastrophen absichern. Die nach Maßgabe sachlicher Erfordernisse, insbesondere zur Verwirklichung der in der forstlichen Rahmenplanung enthaltenen Zielsetzungen, sowie nach Maßga-
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be zur Verfügung stehender Haushaltsmittel haben die Behörden auf den Abschluss von Vereinbarungen mit den Waldeigentümern hinzuwirken, nach denen bestimmte, im einzelnen festzulegende Verbesserungen der Schutz- und Erholungswirkungen des Waldes vom Grundeigentümer in die Wege geleitet werden, wofür ein angemessenes Nutzungsentgelt zu entrichten ist. Enteignende Maßnahmen dürfen dabei nicht in Betracht kommen, auch wenn der Versuch des Abschlusses derartiger Vereinbarungen erfolglos war. Die Politik sollte den Einsatz ihrer Mittel mit dem Ziel verfolgen, alle Ansprüche an den Wald flächenwirksam und zeitstabil auszugleichen (Integration), darüber hinaus sollte sie sich ausdrücklich zu einer nachhaltigen, multifunktionalen Waldbewirtschaftung bekennen: „Schütze den Wald, er ist des Wohlstands sichere Quelle/ Schnell verheert ihn die Axt, langsam nur wächst er heran./ All unser Tun und Lassen, die Enkel werden es einst richten./ Schaffen wir zur Zeit, dass sie uns rühmen dereinst.”
XII. Literatur Pfeil, W., Ablösung der Wald-Servituten, 1844 Stölb, Wilh., Waldästhetik, 2005 Salisch, von H., Forstästhetik, 1911 Meyer, Ulr., Von der Lüneburger Heide zum Lüneburger Wald, 2010 Nießlein, Erw., Waldeigentum und Gesellschaft, 1980 Jessen, H., Jagdgeschichte Schleswig-Holsteins, 1958 Mantel, K., Wald und Forst in der Geschichte, 1990 Leibundgut, H., Waldbau im Privatwald,1989 Gamradt, U., Die Abgeltung der infrastrukturellen Leistungen des Privatwaldes, unveröffentlicht, 2001 Gamradt, U.,Vortrag anlässlich der Jubiläumsveranstaltung zum 50jährigen Bestehen der Forstbetriebsgemeinschaft „ Forstverband Jesteburg“, 2003.
§ 19 Kommunaler Körperschaftswald – Bürgerwald und Wirtschaftsbetrieb –
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I. Begriffe und Zahlen 31 % des deutschen Staatsgebietes sind bewaldet. Der Wald spielt wohl auch deshalb im Bewusstsein der Deutschen eine besondere Rolle. Ein kontinuierliches, schicht- und generationenübergreifendes romantisches Waldbewusstsein von der Romantik bis ins 21. Jahrhundert unterstellt Albrecht Lehmann den Deutschen1. Der Wald ist Mythos und Sehnsuchtslandschaft. Er steht gleichsam als Synonym für die Natur. Der Trend zur Bestattung in Friedwäldern könnte ein Indiz sein, dass die These von der Sehnsuchtslandschaft stimmt. Besonders deutlich wird diese Sehnsucht in den siedlungsnahen Wäldern der Städte und Gemeinden. Sie sind die Naherholungsgebiete, in denen Geschäftsleute in der Mittagspause mal kurz „abschalten“ können, in denen Eltern ihre Kindern in ein Stück vermeintlich unberührte Natur führen und in denen Rentner auf ebenen Wegen ihre täglichen Runden drehen können. Aber die häufig hohe Bedeutung der Erholungsfunktion ist nicht die einzige Besonderheit des Kommunalwaldes. Eigene Rechtsvorschriften, eigene historische Ursprünge und eigene Aufgaben machen den Kommunalwald zu einer besonderen Waldbesitzart – zwischen Privat- und Staatswald und gleichzeitig zu etwas ganz Eigenem. Wenn ein Bürgermeister einen Spaziergang durch „seinen“ Wald macht, dann ist das zunächst einmal eine seltene Ausnahme. Viele Bürgermeister sind zwar quasi von Amts wegen Waldbesitzer. Allerdings haben sich die kommunalen Verwaltungschefs um viele Themen zu kümmern. Da bleibt für den Wald oft nur wenig Zeit übrig. Das ist in Buchen im fränkischen Odenwald nicht anders. Der Odenwald ist eines der kleineren Mittelgebirge Deutschlands. Hier im Dreiländereck von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen im baden-württembergischen NeckarOdenwald-Kreis liegt die Stadt Buchen, auf deren forstliche Situation in diesem Beitrag stellvertretend für den kommunalen Waldbesitz Bezug genommen wird.
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LEHMANN (2001): 4 ff.
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Die Stadt Buchen ist der von Tradition und Geschichte geprägte Mittelpunkt einer Landschaft zwischen Neckar, Main und Tauber, die ihren Beinamen „Madonnenländchen“ den vielen Bildstöcken, Mariensäulen und kleinen Kapellen verdankt. Das in seinem Stadtkern mittelalterlich anmutende Fachwerkstädtchen ist trotz seiner 1.200 Jahre eine junge Stadt. Die Statistik belegt: Der Bevölkerungsanteil junger Familien ist überdurchschnittlich hoch. Insgesamt leben heute rund 18.400 Einwohner in den 14 Stadtteilen, die Hälfte davon in der Kernstadt. Mit einer Gesamtgemarkung von rund 139 km² gehört die Stadt zu den größten Flächengemeinden im Land Baden-Württemberg. Buchen erfüllt als Mittelzentrum zentralörtliche Funktionen der Verwaltung, Dienstleistung (Krankenhaus, Amtsgericht, untere Sonderbehörden etc.) und Einkaufsversorgung für ein regionales Umland, in dem rund 75.000 Menschen wohnen. Allein etwa 5.000 Schüler besuchen die 16 Buchener Schulen. Die überwiegend mittelständisch geprägte Wirtschaft – der Müslimacher „Seitenbacher“ dürfte das überregional bekannteste Unternehmen sein – bietet circa 6.400 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze an. Fast schon nebenbei ist Buchen einer der 10 größten kommunalen Waldbesitzer Baden-Württembergs. 3.288 Hektar nennt die Gemeinde insgesamt ihr Eigen. Rund 6.000 Hektar, das sind 43,1 % der Buchener Gemarkungsfläche, sind bewaldet. Wie die Stadt Buchen, so besitzen fast alle der etwa 1.100 Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg mehr oder weniger große Waldflächen. Mit insgesamt 541.000 Hektar ist der Körperschaftswald2 daher nicht nur die bedeutendste Waldbesitzart im Land. Baden-Württemberg besitzt auch die größte kommunale Waldfläche in Deutschland, gefolgt von Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen. Der kommunale Waldbesitz ist in Deutschland sehr ungleichmäßig verteilt. Während in Sachsen-Anhalt nur 6,7 % der Waldfläche den Kommunen gehört, sind es in Rheinland-Pfalz 46,7 %. Im Vergleich zu anderen Ländern Europas besitzen die Kommunen in Deutschland aber insgesamt relativ viel Wald. Immerhin ein Anteil von 20 % der deutschen Wälder ist Körperschaftswald. In Europa liegt der durchschnittliche Körperschaftswaldanteil bei 11 %, Spitzenreiter ist die Schweiz mit 63 %, während es in Großbritannien und Schweden überhaupt keinen Kommunalwald gibt.
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Laut Bundeswaldgesetz ist Körperschaftswald „Wald, der im Alleineigentum der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der Zweckverbände sowie sonstiger Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts steht“ [Bundeswaldgesetz § 3, Abs. 2]. Die Länder haben Möglichkeit, auch den Wald von Religionsgemeinschaften sowie von Realgenossenschaften und ähnlichen Gemeinschaften (Gemeinschaftsforsten) als Körperschaftswald zu definieren. Baden-Württemberg hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Kommunalwald ist somit ein Teil des Körperschaftswaldes. Da den Kommunen aber der weit überwiegende Teil des Körperschaftswaldes gehört, werden die beiden Begriffe in der Praxis häufig synonym verwendet.
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Als Kommunalwald wird in Deutschland gemeinhin das Waldeigentum der Städte und Gemeinden bezeichnet. Gemeindeverbände (kommunale Gebiets- und Bundkörperschaften), wie z. B. die Landkreise, die rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden, die bayrischen Bezirke oder die Landschaftsverbände in NordrheinWestfalen und kommunale Zweckverbände werden zwar ebenfalls den Kommunen zugerechnet, da diese in der Regel jedoch über keinen Wald verfügen, bleiben sie in der nachfolgenden Darstellung unberücksichtigt. Da das deutsche Kommunalrecht zudem länderspezifisch differenziert zu betrachten ist, wird hier ausschließlich auf die Rechtslage in Baden-Württemberg eingegangen.
II. Die Markgenossenschaft als Wurzel des Kommunalwaldes Die unterschiedlichen Verteilungen der Waldbesitzarten sind historischen Ursprungs. Auch die Geschichte der Stadt Buchen ist, wie bei vielen anderen Städten, eng mit dem Wald verknüpft. Schon der amtliche Name der Stadt gibt Auskunft darüber, dass die Stadt waldreich ist. Die natürlich dominierende Baumart Buche gab der Stadt ihren Namen. Eine grüne Buche geziert vom Mainzer Rad macht das Wappen der Stadt heraldisch zu einem sprechenden. Während die grüne Buche für den Ortsnamen steht, erinnert der Schild mit dem sogenannten Mainzer Rad an die rund 500-jährige Zugehörigkeit zum Kurfürstentum Mainz. Die dichten Wälder und der karge Boden waren verantwortlich dafür, dass der Odenwald im Gegensatz zu dem südöstlich angrenzenden Gebiet, dem fruchtbaren Bauland, erst spät besiedelt wurde. Erste Vorstöße unternahmen hier die Römer mit der Errichtung des Neckar-Odenwald Limes um 100 n. Chr. Dieser wurde später auf die Linie des Obergermanisch-Rätischen Limes um circa 30 Kilometer weiter nach Osten vorgeschoben. Bei der endgültigen Besiedelung der Odenwaldregion um Buchen spielt das 700 n. Chr. gegründete Kloster Amorbach eine zentrale Rolle. Die damals als Rodungsinseln im dichten Wald entstandenen Dörfer können noch heute, im Luftbild deutlich erkennbar, klar dieser Entstehung zugeordnet werden. Die großen zusammenhängenden Waldflächen des Odenwalds prägen heute wie damals das typische Landschaftsbild. Der Wald war jedoch nicht nur Siedlungshindernis bei der Landnahme, sondern auch Quelle für Holz, dem wichtigsten Bau- und Brennstoff. Er war Weidefläche, als Bienenweide bedeutend für die Erzeugung von Honig als „Süßstoff“ und vieles mehr. Während hierfür um die Dörfer herum anfangs ausreichende Waldflächen zur Verfügung standen, entstand mit zunehmender Besiedlung und steigender Bevölkerung der Bedarf nach einer klareren Regelung der Nutzungsrechte. Dies war Anlass zur Gründung von Markgenossenschaften, die als wesentlicher Ur-
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sprung des heutigen Kommunalwaldes gelten.3 In ihr schlossen sich die Bauern und andere Einwohner eines oder mehrerer Dörfer zusammen, um einerseits die Nutzungsrechte innerhalb der Markgenossen zu regeln und andererseits die Rechte gegenüber Dritten zu vertreten. Wann genau die ersten Markgenossenschaften gegründet wurden, ist unklar. Hinweisen zufolge stammt z.B. der Vierdörferwald bei Emmendingen als markgenossenschaftlicher Waldbesitz aus der Zeit der ersten Jahrtausendwende nach Christus. Besonders weit verbreitet waren die Markgenossenschaften im westlichen und südlichen Deutschland, wo auch heute noch der Anteil des Kommunalwaldes hoch ist. Die Entwicklung von markgenossenschaftlichem Wald hin zu selbstverwaltetem kommunalem Waldbesitz verlief jedoch weder geradlinig noch einheitlich. Mit dem Erstarken der Landesherren ab dem 14. Jahrhundert nahm auch deren Einfluss auf die Markgenossenschaften zu. Häufig übernahmen sie die Obermärkerschaft, also den Vorsitz der Märkerversammlung. Teilweise wurden die Waldflächen der Mark sukzessive in die Landeswaldflächen integriert. Diese Entwicklung wurde durch Missstände in den genossenschaftlichen Wäldern im 17. und 18. Jahrhundert noch begünstigt. In dieser Zeit des Merkantilismus nahm der Holzhunger der wachsenden großgewerblichen Wirtschaft enorm zu. Im sogenannten „hölzernen Zeitalter“ war Holz dabei der wichtigste Rohstoff, Energieträger und Werkstoff.4 Während die Holznutzung praktisch in allen Besitzarten gesteigert wurde, war es in den Markgenossenschaften besonders schwer, Nutzungsbeschränkungen durchzusetzen. Der Forstfrevel in den Markwaldungen uferte aus, wurde aber nur selten bestraft. Auch traten immer häufiger Streitigkeiten über den Kreis der Berechtigten auf, so dass letztendlich eine Neuregelung der Besitzverhältnisse und das Ende der Markgenossenschaften unumgänglich wurde.5 Bei der Auflösung der Markgenossenschaften, die ab dem 13. Jahrhundert, in großem Umfang aber vor allem im 18. bis ins 19. Jahrhundert stattfand, kamen im Wesentlichen drei Modelle zum Tragen: Die Aufteilung des Genossenschaftswaldes unter den Markgenossen (Privatwald), die Überführung des Waldeigentums an die Gemeinschaft der Markgenossen als Realgemeinde (Gemeinschaftswald) oder die Übernahme des Waldes in das Eigentum der politischen Gemeinde (Gemeindewald). Die letzte Lösung wurde besonders häufig im Süden und Westen Deutschlands gewählt, da hier die politischen Gemeinden schon recht früh eine zentrale Bedeutung, auch als staatliches Organ eingenommen hatten, die unter anderem auf die Einflüsse französischer Gesetzgebung zurückzuführen ist.6 In vielen Fällen wurden den ehemaligen Markgenossen weiterhin gewisse Nutzungsrechte, vor allem an Brennholz eingeräumt. Diese Rechte haben sich teilwei3 4 5 6
Hasel (1985): 89 ff. MANTEL (1990): 214. HASEL (1985): 94. MANTEL (1990): 96 f.
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se als sogenanntes Gemeindegliedervermögen bis in die heutige Zeit erhalten. Auch in Buchen gibt es heute noch 28 „Nutzbürger“, die jeweils ein jährliches Recht auf 2 Ster Brennholz haben. Auch in den ehemals eigenständigen Stadtteilen gibt es noch Bürger mit eingetragenen Waldnutzungsrechten. Insgesamt kosten diese wirtschaftlich ehemals sehr bedeutsamen Nutzungsrechte die Stadt noch jedes Jahr 18.000 €. Durch das Gesetz über das Gemeindegliedervermögen aus dem Jahr 1966 wurde allerdings festgelegt, dass dieses Recht nicht mehr weitergegeben oder vererbt werden darf und somit nach und nach durch Ausscheiden der noch im Bürgernutzen befindlichen Generation ausläuft.7 Einen teilweise abweichenden historischen Hintergrund haben die Wälder im Eigentum der Städte, insbesondere wenn diese auf ein Jahrhunderte altes Stadtrecht, teilweise sogar als freie Reichsstadt zurückblicken. Diese Städte brauchten große Mengen an Bauholz und Rohstoff für das örtliche Gewerbe oder Brennholz. Ein großer Waldbesitz war daher für die Städte äußerst wichtig. Dieser ging teilweise auf den alten Waldbesitz der Kommune vor Erhebung zur Stadt zurück. Außerdem waren auch Städte an Markgenossenschaften beteiligt und kamen durch deren Aufteilung oder durch Übernahme der Vorherrschaft in einer Markgenossenschaft in den Besitz der Wälder. Andere Ursprünge der Stadtwälder sind Schenkungen aus herrschaftlichem Besitz, Kauf oder die Eingliederung waldbesitzender Gemeinden.
III. Zwischen Selbstverwaltung und staatlicher Aufsicht Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetz lautet: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung.“ Die grundgesetzlich gesicherte kommunale Selbstverwaltung ist einer der wichtigsten Grundsätze der Kommunalpolitik. Generell ist dieser Grundsatz auch für den kommunalen Waldbesitz anzuwenden. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass gerade die „kommunale Forstwirtschaft einen auch heute noch durch Gesetze und Subventionen stark regulierten Wirtschaftsbereich“8 darstellt. Die Städte und Gemeinden sind also keineswegs völlig frei in der Behandlung ihrer Wälder. Neben den forstlichen und naturschutzrechtlichen Vorgaben gelten hier auch die allgemeinen kommunalrechtlichen Vorschriften in Bezug auf wirtschaftliches Handeln.
7 8
FAISS et al. (2002): 383 f. RUPPERT (2006): 145.
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1. Kommunal- und Wirtschaftsrecht Das Kommunalrecht ist eine umfangreiche Rechtsmaterie, für deren Ausgestaltung grundsätzlich die Länder zuständig sind.9 Wesentliches Element sind die Gemeindeordnungen der Länder. Sie regeln von der Haushaltswirtschaft über die Aufgaben und Zusammensetzung der Gemeindeorgane (Gemeinderat und Bürgermeister) bis hin zur Stellung der Bürger alle wesentlichen Belange der Kommunen. Grundsätzlich entscheidendes Gremium, auch für die Belange des Waldbesitzes der Kommune, ist demnach der Gemeinderat. Hier werden sowohl die jährlichen Wirtschaftsergebnisse und Planungen des Forstbetriebs als auch die 10jährige Forsteinrichtung vorgestellt und beschlossen. Allerdings kommt dem Bürgermeister ebenfalls eine zentrale Stellung als Gemeindeorgan zu, da dieser die Beschlüsse des Gemeinderats sowohl vorbereitet als auch umsetzt. Relevant ist außerdem die Tatsache, dass Städte und Gemeinden der staatlichen Kommunalaufsicht unterliegen.10 Zuständig hierfür sind in der Regel die Landratsämter, bei kreisfreien Städten und den kreisangehörigen Großen Kreisstädten in Baden-Württemberg die Regierungspräsidien. Im Bereich der Selbstverwaltungsaufgaben der Kommunen prüft die zuständige Behörde die Gesetzmäßigkeit des kommunalen Handelns. Dies betrifft unter anderem kommunale Haushaltspläne, aber auch Satzungen und sonstige Beschlüsse. Da die Kommune in der Regel frei entscheiden kann, ob sie Waldflächen besitzt oder nicht, zählt auch die Bewirtschaftung des Kommunalwaldes zu den Selbstverwaltungsaufgaben. Daher besteht für die Kommunalaufsichtsbehörden keine Möglichkeit, den Städten und Gemeinden bei forstlichen Zweckmäßigkeitsentscheidungen Weisungen zu erteilen. Genehmigungsvorbehalte können nur insoweit gelten, als sie gesetzlich festgelegt sind und dies nur unter dem Gesichtspunkt der Überwachung der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Kommune11. § 91 (3) der badenwürttembergischen Gemeindeordnung (GemO) bestimmt bzgl. der Verwaltung des Gemeindevermögens zudem, dass besondere Rechtsvorschriften für die Bewirtschaftung des Gemeindewalds unberührt bleiben. Das für alle Waldbesitzer geltende allgemeine Forstrecht und das speziell auf den Körperschaftswald begrenzte Forstrecht haben folglich Vorrang vor den Regeln der Gemeindeordnung. Gleichwohl ist eine Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde erforderlich, falls die Kommune eine Waldfläche verkaufen will, die größer als 1 Hektar ist. Nach § 121 GemO darf ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss erst vollzogen werden, wenn die Rechtsaufsichtsbehörde die Gesetzmäßigkeit genehmigt hat. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Veräußerung mit einer geordneten Wirtschaftsführung vereinbar ist, d. h. das Vermögen nicht konsumtiv für die Bestreitung laufender Ausgaben eingesetzt werden soll. Wenn die Kommune die Aufga9 10 11
RUPPERT (2006): 59 ff. WAIBEL (2007): 226 ff. FAISS et al. (2002): 372.
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be jedoch übernimmt, unterliegt sie bezüglich der Frage, wie sie die Bewirtschaftung betreibt, dennoch relativ engen gesetzlichen Vorgaben (siehe Kapitel 2.2). Der kommunale Forstbetrieb unterliegt damit über die Rechtsaufsicht hinaus der Forstaufsicht von Seiten der unteren Forstbehörden. Relevanz für die kommunalen Forstbetriebe haben auch die Vorschriften des kommunalen Haushaltsrechts. Die derzeit in Baden-Württemberg anlaufende Umstellung der kommunalen Haushaltssysteme auf die doppische Buchführung ist für die kommunalen Forstbetriebe eine besondere Herausforderung. Nach dem Haushaltsrecht ist das Waldvermögen nämlich zur Erstellung der Eröffnungsbilanzen zu bewerten. Auch die Darstellung des wirtschaftlichen Ergebnisses des Forstbetriebs und das Controlling richten sich nach diesen Vorschriften. Hier wurden im Bundesgebiet aufgrund der Länderhoheit sehr unterschiedliche Lösungen festgelegt. Ob durch die Einführung der doppelten Buchführung grundsätzlich eine Optimierung der Betriebssteuerung der kommunalen Forstbetriebe erreicht werden wird, ist umstritten. Bei einer Veranstaltung der Forstkammer BadenWürttemberg im Jahr 2009 wurde zu diesem Thema davor gewarnt, aus den in der Regel sehr vereinfacht hergeleiteten Waldwerten Steuerungsgrößen wie z.B. kalkulatorische Zinssätze abzuleiten.12 Entscheidend ist darüber hinaus, wie detailliert der Produktplan ausgestaltet und umgesetzt wird. Bei entsprechender Detailschärfe besteht durchaus die Möglichkeit, die Sphäre des forstlichen Wirtschaftsbetriebes (Holzproduktion) und die Sozialfunktionen (Erholungseinrichtungen etc.) getrennt zu bewerten und entsprechend zu steuern. Die Trennung der unterschiedlichen Produkte und Betriebsteile des kommunalen Forstbetriebes ist dem Grunde nach auch eine Voraussetzung für die korrekte Beurteilung der kommunalen Aktivitäten vor dem Hintergrund der rechtlichen Beschränkungen kommunaler Wirtschaftstätigkeit. Gemäß Artikel 28 Abs. 2 GG ist die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen auf das jeweilige Gemeindegebiet begrenzt. 13 Durch Kooperationen mehrerer Kommunen kann das Tätigkeitsgebiet jedoch ausgedehnt werden. Nach Artikel 12 Absatz 1 GG ist die wirtschaftliche Tätigkeit außerdem nur insoweit zugelassen, wie sie das Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht unverhältnismäßig einschränkt. Zentrale Voraussetzungen für die Zulässigkeit kommunaler wirtschaftlicher Betätigung sind das Vorliegen eines öffentlichen Zwecks (Daseinsvorsorge) und die ausreichende Leistungsfähigkeit des kommunalen Unternehmens. Deutlich restriktiver wird in den vergangenen Jahren das Subsidiaritätsprinzip gehandhabt. Nach einer Kommunalrechtsnovelle der §§ 102 ff. der GemO darf sich eine Kommune nur insoweit wirtschaftlich 12
13
Hier kommt ein grundsätzliches Problem forstlicher Steuerung zum Vorschein, das allerdings nicht nur die kommunalen Waldbesitzer betrifft: aufgrund der Schwierigkeiten einer regelmäßigen, möglichst jährlichen Waldwertermittlung fällt die Vermögenswertveränderung als Steuerungsindikator im Grunde aus. Die Steuerungsmaßnahmen beziehen sich in der Regel schwerpunktmäßig auf das Kassenergebnis. RUPPERT (2006): 60 ff.
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betätigen, als der Unternehmenszweck nicht durch private Unternehmen ebenso gut wirtschaftlich erfüllt werden kann. Diese Vorgabe schränkt die Handlungsfreiheit der Gemeinden stark ein, da dadurch außer den tradierten (Stadtwerke, Sparkassen) eigentlich nur wirtschaftlich „uninteressante“ Handlungsfelder für die wirtschaftliche Betätigung übrigbleiben. Während forstbetriebliche Zweckverbände zwischen Kommunen demnach möglich sind und verschiedentlich praktiziert werden, ist die Betätigung einer Kommune als forstlicher Dienstleister, insbesondere für Waldbesitzer außerhalb des Gemeindegebiets nicht zulässig. Allerdings definiert die GemO den Begriff „wirtschaftliche Betätigung“ nicht, so dass diese Rechtsfrage vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung und der jeweils gültigen gesetzlichen Regelungen durchaus auch auslegungsfähig ist. So ordnen verschiedene Kommentatoren14 den Wald nicht dem Bereich der wirtschaftlichen Betätigung i. S. d. GemO zu, da es sich hier um reine Vermögensverwaltung handele. Auf Basis dieser Begründung konnte die Stadt Buchen zusammen mit privaten Partnern unbeanstandet die Forstliche Vereinigung Odenwald Bauland in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft gründen. Dieses Unternehmen ist als forstlicher Dienstleister gegenüber allen interessierten Kunden wirtschaftlich voll handlungsfähig. Weitere Einschränkungen der wirtschaftlichen Freiheiten erfahren die kommunalen Forstbetriebe durch die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 97 – 101) bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge und das deutsche Vergaberecht. Im forstbetrieblichen Bereich ist vor allem die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) relevant, die beispielsweise bei der Vergabe von Aufträgen an forstliche Lohnunternehmer zu berücksichtigen ist. Hier ist bei einem Auftragsvolumen von über 2.500 € eine beschränkte und ab 25.000 € eine öffentliche Ausschreibung vorgeschrieben. Der Verwaltungsaufwand ist dadurch für kommunale Forstbetriebe deutlich höher als für einen vergleichbaren privaten Betrieb. Bei der Behandlung der eigenen Forstbediensteten ist außerdem das Tarifrecht, in diesem Fall der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zu berücksichtigen.
2. Forstrecht Insbesondere die Landeswaldgesetze in Deutschland enthalten verschiedene Vorschriften für die Waldbesitzer. Hinzu kommen diverse Durchführungsverordnungen. Dabei sind die Vorgaben für den öffentlichen Wald, also kommunalen und staatlichen Waldbesitz, deutlich umfangreicher und detaillierter als diejenigen, die den Privatwald betreffen. Dies wird damit begründet, dass der Kommunalwald „nicht nur als Forstbetrieb, sondern auch als öffentliche Einrichtung anzusehen“15 14
15
KÖLZ/ADE (2007): D1d BW, Erl. Nr. 2 u SEEGER/ADE (2007): B 2 BW, Erl. Nrn. 1 und 4 zu § 102 sowie Erl. Nr. 5 zu § 91. DIPPER (2010): Kommentar vor § 46, S. 1.
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sei, der daher „seit dem Beginn der Forstgesetzgebung dem Allgemeinwohl in besonderer Weise verpflichtet“16 sei. Alle Waldgesetze enthalten gewisse Grundpflichten für die Waldbesitzer. Darüber hinaus werden die Aufgaben des Kommunalwaldes in den Bundesländern sehr unterschiedlich definiert. Sehr ausführliche Aufgabenbeschreibungen enthalten beispielsweise die Landeswaldgesetze von Baden-Württemberg und Bayern. Das baden-württembergische Gesetz (LWaldG BW) betont die Allgemeinwohlverpflichtung des Kommunalwaldes, schreibt eine den standörtlichen Möglichkeiten entsprechende, nachhaltig höchstmögliche Lieferung wertvollen Holzes sowie die gleichzeitige Erfüllung und nachhaltige Sicherung der dem Wald obliegenden Schutz- und Erholungsfunktionen vor.17 Darüber hinaus sollen aber auch die Bedürfnisse und Zielsetzungen der Körperschaften berücksichtigt werden.18 Wie auch in den meisten anderen Bundesländern ist der kommunale dem staatlichen Waldbesitz in seinen Aufgaben weitgehend gleichgestellt. Im Gegensatz dazu kennt das hessische Landeswaldgesetz gar keine zusätzlichen Aufgaben für die kommunalen Waldbesitzer. In Rheinland-Pfalz hingegen stellt das LWaldG die Bedeutung des Waldes für die Kommune und die Selbstverwaltung in den Vordergrund.19 Am intensivsten beschäftigen sich die Landeswaldgesetze jedoch mit der Organisation der Verwaltung und Bewirtschaftung des kommunalen Waldvermögens. Hierbei gelten unterschiedliche Vorgaben für die Betriebsleitung und die Betriebsausführung. Beispielhaft sind in Tabelle 1 bis 3 die diesbezüglichen Anforderungen in den Bundesländern Baden-Württemberg (BW), Bayern (BY), Hessen (HS), Nordrhein-Westfalen (NW) und Rheinland-Pfalz (RP) dargestellt. Auch wenn sich in diesem Bereich deutlich Unterschiede zwischen den Ländern zeigen, fällt doch auf, dass gerade in den kommunalwaldreichen Regionen die Selbstverwaltung der Kommunen im Forstbereich deutlich relativiert wird. Es erscheint ungewöhnlich, dass für einen kommunalen Aufgabenbereich der de jure zu den Selbstverwaltungsaufgaben gehört, sich der Staat derart deutliche Eingriffsrechte vorbehält. In der Kommentierung zum LWaldG BW wird davon ausgegangen, 16 17 18 19
DIPPER (2010): Kommentar vor § 46, S. 1. LWaldG BW § 45 Abs. 1. LWaldG BW § 46. LWaldG Rheinland-Pfalz § 26: „(1) In der Gesamtheit seiner Wirkungen ist der Körperschaftswald dem Gemeinwohl verpflichtet. (2) Der Gemeindewald hat den Interessen der Gemeinde und der örtlichen Bevölkerung zu dienen. Er soll als wertvoller Bestandteil des Gemeindevermögens erhalten werden. Im übrigen Körperschaftswald ist der Zweckbestimmung des Körperschaftsvermögens Rechnung zu tragen. (3) Im Körperschaftswald bestimmen die Waldbesitzenden die Ziele und die Bewirtschaftungsintensität im Rahmen der Gesetze selbst. Dabei ist ein bestmögliches Verhältnis von Aufwand und Ertrag anzustreben; insbesondere sollen strukturelle Nachteile durch Zusammenschlüsse ausgeglichen werden.“.
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dass die Selbstverwaltungsgarantie durch die Vorschriften des Gesetzes nicht angetastet wird.20 Die organisatorischen Bestimmungen hätten sich seit langem bewährt und dienten dem Ziel „einer rationellen und an den Bedürfnissen der Allgemeinheit dienenden Bewirtschaftung des gesamten öffentlichen Waldes“21. Das Recht der Körperschaft, über die in ihrem Wald zu treffenden Maßnahmen selbst zu entscheiden, bleibt laut Gesetz unberührt.22 Andererseits ist belegt, dass die Tendenz der Einflussnahme der forstlichen Hoheitsträger auf die Gemeindewälder insbesondere im Süden Deutschlands eine lange Tradition hat. Bereits im 19. Jahrhundert forderte Georg Ludwig HARTIG, einer der führenden Vertreter der forstlichen Wissenschaft seiner Zeit und zeitweise Angehöriger der württembergischen Forstverwaltung, eine stärkere staatliche Reglementierung des Kommunalwaldes.23 HARTIG beklagte wie viele seiner Standesgenossen den schlechten Zustand der Gemeindewälder und forderte eine strenge forstliche Aufsicht über die Kommunen. Den Kommunen wurde grundsätzlich die Fähigkeit abgesprochen, ihre Wälder gemeinwohlorientiert und nachhaltig zu bewirtschaften. Diese Äußerungen werden aber auch als Ausdruck eines Berufsstandes gewertet, der in Zeiten hoher Staatsverschuldung um seine Zukunftsaussichten fürchten musste. Vor diesem Hintergrund blieb die Bewirtschaftung der kommunalen Wälder vom allgemeinen Trend zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung ausgenommen. Begünstigt hat diese Entwicklung die in der Nachkriegszeit sinkende wirtschaftliche Bedeutung des kommunalen Waldvermögens für die Kommunen, die sich zunehmend durch Steuereinnahmen finanzieren konnten. Somit haben die Städte und Gemeinden ihrerseits, zusätzlich zu den staatlichen Eingriffen, Entscheidungskompetenzen in diesem vermeintlich unbedeutenden Vermögensbereich abgegeben. Die Folgen dieser Entwicklung zeigen sich heute auch in der aktuellen Debatte um die Rechtfertigung kommunalen Waldbesitzes (siehe Kapitel 4). Tabelle 1: Gesetzliche Vorgaben der Länder zur Betriebsleitung der kommunalen Forstbetriebe (UFB = Untere Forstbehörde; FBL = Forstbetriebsleitung; VZS = Vollzeitstelle).
Betriebsleitung Land BW
20 21 22 23
Forsttechnische Betriebsleitung (ohne Holzverkauf) wird primär von der UFB ausgeübt. Kommune kann FBL selbst ausüben, wenn körperschaftliches Forstamt errichtet wird. Betriebsleitung ist entgeltfrei.
DIPPER (2010): Kommentar vor § 46, S. 1. DIPPER (2010): Kommentar vor § 46, S. 2. LWaldG BW § 47 Abs. 1. Ruppert (2006): 50 ff.
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BY
Forsttechnische Betriebsleitung kann vertraglich an UFB übertragen werden. Alternativen: Beförsterung mit eigenem Personal oder Dienstleister. Besonderheit: Flächenvorgabe (max. 10.000ha / 80.000Fm pro VZS). Entgelt für UFB: 2,80 €/ha (kein Entgelt < 5h und ab 50% Schutzwald)
HS
Betriebsleitung obliegt dem Landesbetrieb Hessen-Forst. Gemeindeforstbetriebe können auf Antrag aus staatlicher Betreuung ausscheiden. Betriebsleitung ist entgeltfrei
NRW
Vertragsabschluss mit Forstbehörde möglich. Entgelt: ca. 5 – 8 €/ha
RP
Betriebsleitung wird vom Forstamt ausgeführt. Betriebsleitung ist entgeltfrei.
Tabelle 2: Gesetzliche Vorgaben der Länder zur Betriebsausführung in den kommunalen Forstbetrieben (UFB = Untere Forstbehörde; BA = Betriebsausführung; VZS = Vollzeitstelle).
Betriebsausführung (Revierdienst) Land BW
Betriebsausführung muss in Forstrevieren organisiert sein. Übernahme der BA durch die UFB nur gemeinsam mit Betriebsleitung. Entgelt: 6,45 €/Fm (für max. 8Fm) Hiebssatz
BY
Revierdienst nur in Verbindung mit Betriebsleitung an UFB übertragbar. Alternativen: Beförsterung mit eigenem Personal oder Dienstleister. Besonderheit: Flächenvorgabe (max. 2.000ha / 16.000Fm pro VZS) Entgelt für UFB: 3,90 €/ha od. 3,90 €/Fm (inkl. FBL)
HS
Revierdienst obliegt dem Landesbetrieb Hessen-Forst. Gemeindeforstbetriebe können auf Antrag aus staatlicher Betreuung ausscheiden.
NW
Vertrag mit Forstbehörde möglich. Entgelt individuell nach Leistungsumfang.
RP
Wenn Kommune mehr als 50% der Waldflächen eines Revieres besitzt, kann sie entscheiden, ob Revierdienst in Eigenregie gemacht wird. Entgelt: 70% der Personalkosten
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Tabelle 3: Gesetzliche Vorgaben der Länder zur Sachkundeanforderung an die Bediensteten im Kommunalwald (mD = mittlerer Dienst; FWM = Forstwirtschaftsmeister).
Sachkundeanforderung Land BW
Betriebsleitung: wie Beamte des höheren Dienst. Revierdienst: wie Beamte des gehobenen Dienst
BY
forstfachliche qualifizierte Personen. Betriebsleitung: i.d.R. höherer oder gehobener Dienst Revierdienst: i.d.R. gehobener Dienst oder Forsttechniker
HS
forstliche Fachkräfte mit der im Staatsdienst vorgeschriebenen Ausbildung
NW
Betriebsleitung und Revierdienst: Befähigung zum gehobenen oder höheren Dienst
RP
Betriebsleitung: Befähigung zum höheren Dienst. Revierdienst: Befähigung zum gehobenen Dienst (in Ausnahmen: mD oder FWM)
Ein weiterer in den Waldgesetzen vorgeschriebener Aspekt ist die planmäßige Bewirtschaftung des Kommunalwalds. Das baden-württembergische Landeswaldgesetz schreibt in § 20 (1) vor, dass der Körperschaftswald nach periodischen und jährlichen Betriebsplänen zu bewirtschaften ist. Derselbe Paragraph beinhaltet auch die Rechtsgrundlage für das zuständige Ministerium, private Waldbesitzer ab einer bestimmten Größe ebenfalls zur Aufstellung von Betriebsplänen zu verpflichten. Hiervon hat die Behörde keinen Gebrauch gemacht. Auch die Haftung für Unfälle im Wald und die daraus resultierende Verkehrssicherungspflicht der Waldbesitzer ist ein für die Kommunen besonders wichtiges forstrechtliches Thema. Die Regelungen hierzu unterscheiden zwar nicht zwischen den Waldbesitzarten, dennoch ist gerade für den Kommunalwald dieses Thema besonders bedeutend, da hier viele Erholungseinrichtungen (Bänke, Spiel- und Grillplätze, Lehrpfade etc.) vorhanden sind. Außerdem findet in den siedlungsnahen Wäldern der Städte und Gemeinden die Walderholung mit hoher Frequentierung statt. Der gemeinsame Forstausschuss „Deutscher Kommunalwald“ des Deutschen Städte- und Gemeindebundes hat vor diesem Hintergrund bereits im Jahr 2008 Verbesserungen bei den Haftungsregelungen im Bundeswaldgesetz gefordert.
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3. Naturschutzrecht Naturschutzrechtliche Vorgaben differenzieren häufig nicht grundsätzlich zwischen den verschiedenen Waldbesitzarten. In der öffentlichen Diskussion im Hinblick auf die Umsetzungsinstrumente sind aber durchaus Unterschiede zu erkennen. So wird in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung von 2007 gefordert, 10 % der „Waldflächen in öffentlicher Hand“ der natürlichen Entwicklung zu überlassen.24 Da Staat und Kommunen eine erhöhte Gemeinwohlverpflichtung zugesprochen wird, wird hier eine besonders hohe Leistungsbereitschaft für derartige gemeinwohlorientierte Güter erwartet. Ein weiteres Beispiel hierfür ist die überproportionale Belastung der kommunalen Waldflächen mit Schutzgebieten unterschiedlicher Kategorien. In BadenWürttemberg befinden sich 46 % der Wälder in FFH-Gebieten und 43 % der Wälder in Vogelschutzgebieten in kommunalem Eigentum. Hinter diesen Entwicklungen steht häufig auch die Annahme, dass beispielsweise Naturschutzmaßnahmen auf kommunalen und staatlichen Flächen einfacher, sprich kostengünstiger umgesetzt werden können und eine Schutzgebietsausweisung leichter gegenüber dem kommunalen Eigentümer durchgesetzt werden kann als im privaten Bereich. Diese Haltung verkennt aber, dass auch im öffentlichen Waldbesitz Nutzungsreduzierungen zu Mindereinnahmen führen, die durch Minderausgaben, beispielsweise im sozialen Bereich, ausgeglichen werden müssen. Hinzu kommt, dass die Kommune im Sinne der Daseinsvorsorge in erster Linie dem „örtlichen Gemeinwohl“ verpflichtet ist, also die Versorgung der Bürger vor Ort mit entsprechenden Leistungen im Blick haben muss. 25 Diese Verpflichtung wird nun, was seitens der Kommunen in dieser Weiterung nicht akzeptiert werden kann, auf gesamtgesellschaftliche oder globale Ziele wie dem Erhalt der Biodiversität oder den Klimaschutz ausgedehnt, ohne aber einen finanziellen Ausgleich für diese Leistungen zu erbringen. Bei der „Umweltzulage Wald“, mit der in Baden-Württemberg Mehrausgaben und Mindereinnahmen durch NATURA 2000 kompensiert werden sollen, sind kommunale Waldbesitzer als Zuwendungsempfänger ausgeschlossen. Da die Kommunen, anders als Länder und Bund nicht die gesetzgeberische Kompetenz besitzen, um die Kosten für gesamtgesellschaftliche Leistungen anderweitig zu refinanzieren (Stichwort Ökosteuer) stellen die tendenziell steigenden Bewirtschaftungshemmnisse und oben genannten Auflagen die Städte und Gemeinden gerade in haushalterisch schwierigen Zeiten vor zunehmende Probleme.
IV. Aufgaben: Erholungsfunktion hat (oft) Vorrang Ein gut ausgebautes Waldwegenetz erschließt den Buchener Stadtwald auch für Erholungszwecke. Beschilderte Rad- und Wanderwege prägen das touristische 24 25
BMU (2007): 45. RUPPERT (2006): 170 f.
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Profil der Stadt, in der jährlich über 110.000 Übernachtungen registriert werden. Damit kommt der Erholung hier wie in vielen anderen Kommunen auch eine wichtige Bedeutung zu. Nutzfunktionen, Schutzfunktionen und Erholungsfunktionen sind die drei klassischen Kategorien der Waldaufgaben. In Deutschland erfüllt der überwiegende Großteil der Wälder alle drei Funktionen im Sinne einer multifunktionalen Forstwirtschaft. Allerdings schwankt das „Gewichtsverhältnis“ dieser Aufgabenbereiche in Abhängigkeit von der Zielsetzung des Waldeigentümers, der örtlichen Lage und der waldbaulichen Zusammensetzung des Waldes. Auch die zeitliche Dimension hat Einfluss auf die Waldfunktionen: Wälder haben heute andere Aufgaben als sie es in der Vergangenheit hatten. Auch die kommunalen Wälder waren über weite Strecken reine Nutzwälder. Dabei stand das Holz als Brenn-, Bau- und Werkstoff nicht immer im Vordergrund. Auch Gerbrinde, Harz, Streunutzung, Eicheln zur Schweinemast und Weidefläche für das Vieh waren wichtige Waldfunktionen. Gerade für größere Kommunen, insbesondere die freien Reichsstädte war Wald ein wichtiger strategischer Vermögensbestandteil. Die Verfügungsgewalt über Wald als universeller Rohstofflieferant machte die Städte attraktiv für die Ansiedlung von Großgewerben im 19. Jahrhundert.26 Wald war schon immer auch Standortsfaktor. Und der Verkauf des Holzes war für die waldreichen Städte und Gemeinden ein wesentlicher Einkommensfaktor. Dieser letzte Aspekt der Einkommensfunktion hat sich in den meisten Fällen im Lauf des vergangenen Jahrhunderts drastisch verändert. Eine aktuelle Umfrage bei den waldbesitzenden Kommunen in Baden-Württemberg hat ergeben, dass beim Großteil der Kommunen der Anteil des Waldhaushalts am Verwaltungshaushalt bei unter 5 % liegt.27 Der Anteil steigt mit der Größe der kommunalen Forstbetriebe. Bei Kommunen unter 500 Hektar Waldbesitz macht der Wald hingegen weniger als 2 % des Verwaltungshaushalts aus. Folgerichtig ist die Bedeutung der Einkommensfunktion des Waldes für die Kommunen heute eher untergeordnet. Bereits bei einer anderen Befragung von Bürgermeistern Wald besitzender Kommunen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im Jahr 1991 nannten diese den Beitrag zum Gemeindehaushalt nur noch teilweise als Aufgabe des kommunalen Waldbesitzes.28 Nach Einschätzung der Bürgermeister hatte diese Funktion in den letzten Jahren abgenommen. Im Gegenzug hat die Bedeutung der Schutz- und Erholungsfunktion für die kommunalen Waldbesitzer zugenommen. Über 90 % der 1991 befragten Bürgermeister nannten die Erholung für die Bürger der Gemeinde, den Beitrag zu einem vielgestaltigen Landschaftsbild und den Schutz von Boden, Luft und Wasser als wichtige Leistungen ihrer Wälder. Insbesondere die Schutzfunktion hatte in ihrer Bedeutung für die Bürgermeister zugenommen. In der Umfrage aus dem Jahr 26 27 28
HASEL (1985): 95 ff. RUPP (2008): 73 f. Lückge (1991): 75 f.
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2008 gab es keine Kommune mehr, die die Schutz- und Erholungsfunktionen als unwichtig bezeichnet hätte. Dabei steigt die Bedeutung der Walderholung mit der Größe der Forstbetriebe. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass sich hier ein genereller Wertewandel in der Bevölkerung widerspiegelt. Der Anteil der Bevölkerung, die ihr Einkommen aus dem Sektor der Urproduktion bezieht, ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken und betrug im Jahr 2008 nur noch 2,2 % der Erwerbstätigen in Deutschland.29 Die Nutzung der Natur für den Einzelnen geht, zumindest in der subjektiven Wahrnehmung, zurück. Gleichzeitig steigt die Rolle der Natur als Schauplatz der Freizeitgestaltung. Es ist auffällig, dass ein Großteil der sogenannten Trendsportarten (Mountainbiking, Nordic Walking, Geocaching) besonders häufig im Wald stattfindet. Auch die mediale Wahrnehmung einer bedrohten Umwelt lässt die Schutzfunktion in den Vordergrund treten. Die Tatsache der Veränderbarkeit der Bedeutung von Waldfunktionen im Laufe der Zeit sollte aber auch heutzutage nicht außer Acht gelassen werden. Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, dass der Stellenwert der Waldnutzung zukünftig eher wieder steigen könnte. So hat die Brennholznutzung mit der Verteuerung der fossilen Energieträger bereits wieder deutlich zugenommen, nicht nur bei der ländlichen Bevölkerung, sondern auch in den Städten. Verschiedene Kommunen haben aufgrund der hohen Nachfrage den Brennholzverkauf mittlerweile auf die eigenen Bürger eingeschränkt. Die naturale Versorgungsfunktion des Waldes hat in diesem Bereich wieder einen hohen Stellenwert. Allgemein wird die Holznachfrage in den kommenden Jahren steigen. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO schätzt, dass allein der Holzbedarf Chinas bis zum Jahr 2050 um mehr als 50 Prozent steigen wird. Die globale Nachfrage nach Rundholz verdoppelt sich bis 2030 auf rund 800 Millionen Kubikmeter, erwartet das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI).30 Hinzu kommt die zuletzt durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise verschärfte Lage der kommunalen Haushalte. Unter Beachtung einer Optimierung strategischer Zukunftschancen wird sich, aufgrund der langfristig zu erwartenden Entwicklung, die Bedeutung und wirtschaftliche Bewertung der kommunalen Forstbetriebe wieder verändern. In Buchen hat der Bereich Forstwirtschaft im Haushaltsjahr 2008 mit einem Überschuss von 363.000 € einen beachtlichen Beitrag zur Haushaltsfinanzierung geleistet. Bemisst man den Betrag am Haushaltsvolumen von rund 44,5 Millionen im Kernhaushalt, mag der Betrag auf den ersten Blick klein erscheinen. Vergleicht man die Summe jedoch mit der Gewerbesteuer, die im Gegensatz zu den Waldeinnahmen in den Finanzausgleich einzubeziehen ist, entspricht dieser Betrag 29 30
http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftssektor; 08.06.2010. Focus Money vom 10.03.2008.
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einem Gewerbesteueraufkommen von etwa 1,8 Millionen €. Angesichts der Auswirkungen der Finanzkrise ist festzuhalten, dass ohne den im Haushaltsjahr 2010 eingeplanten Deckungsbeitrag von 200.000 € aus dem Forstbereich ein Haushaltsausgleich für die Stadt Buchen nicht möglich gewesen wäre.
V. Privatisierung, Bürgerwald oder …? Die finanzkrisenbedingten Haushaltsprobleme bestimmen derzeit zumeist die kommunalpolitischen Debatten in den Städten und Gemeinden. Dabei wird neben einer Erhöhung der Einnahmen (Forderung nach höheren Verbundsteueranteilen, Erhöhung der Realsteuern) und der Senkung von Ausgaben (u. a. die Aufgabe von freiwilligen Aufgaben, d. h. Schließung von sozialen und kulturellen Einrichtungen) auch die Zukunft der kommunalen Forstbetriebe diskutiert. Wie oben dargestellt, trägt der Wald heute oft nur einen geringen Teil zur Finanzierung der Kommunalhaushalte bei (siehe Kapitel 4). Bei einer rein betriebswirtschaftlichen Bewertung könnten deshalb auch die kommunalen Forstbetriebe unter einen verstärkten wirtschaftlichen Druck geraten. Die Forstverantwortlichen haben sich bereits in der Vergangenheit verschiedentlich darum bemüht, einerseits die finanziellen Betriebsergebnisse der Forstbetriebe selbst zu verbessern und andererseits die nichtmonetären Leistungen der Forstbetriebe vor dem kommunalen Eigentümer zu verdeutlichen und durch eine Abgrenzung zwischen Wirtschaftsbetrieb und Daseinsvorsorge deutlich zu machen. Nicht in allen Fällen ist dies gelungen. Nachdem der Forst über viele Jahrzehnte oft keine große Rolle in der kommunalpolitischen Diskussion gespielt, eine eher untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung hatte und auch die Beförsterung zumeist per Dienstleistungsvertrag an die staatliche Forstverwaltung abgegeben wurde, fehlen heute häufig das Interesse und/oder auch die Kenntnisse, um die Ergebnisse des eigenen Forstbetriebs wirklich beurteilen zu können. De facto haben viele kommunal Verantwortliche wesentliche Eigentümerentscheidungen an die staatliche Betriebsleitung abgetreten. Eine eigene Verwaltung findet deshalb vielfach nur noch pro forma auf dem Papier statt. Vor diesem Hintergrund geraten nun auch die Kommunen selbst in eine Situation, in der sie die Notwendigkeit ihres Waldeigentums und ihres Handels in diesem Bereich rechtfertigen müssen. Am 17.05.2010 hat der Naturschutzbund Nordrhein Westfalen (NABU NRW) eine Diskussion über die Zukunft des öffentlichen Waldes angestoßen. In dem von ihm in Auftrag gegebenen „Bürgerwald-Konzept“ propagiert der ehemalige Leiter der Obersten Naturschutz- und Forstbehörde des Saarlandes, Wilhelm BODE, die
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vollständige Privatisierung des nordrhein-westfälischen Staatswaldes. 31 Notwendig wird dies nach BODE aufgrund des fortgesetzten finanziellen Defizits des Staatsforstbetriebes (Einheitsforstverwaltung) und der nach Ansicht des Verfassers unzureichenden waldbaulichen und naturschutzfachlichen Leistung der staatlichen Forstverwaltung. Anlass für das Gutachten war der dortige Verkauf von 2.600 Hektar Wald an einen privaten Investor. Als Lösung schlägt das sehr detaillierte Modell einerseits die Einrichtung einer Bürgerwald-AG als neuen Eigentümer der produktiven Staatswaldflächen (90.000 Hektar) und eine Naturerbestiftung als neue Eigentümerin der naturschutzfachlich wertvollen Waldflächen (25.000 Hektar + Offenland) vor. Die Naturerbestiftung, die insbesondere von Naturschutzverbänden dominiert werden soll, erhielte in diesem Gedankenkonstrukt eine Sperrminorität in der Bürgerwald-AG, um eine Änderung deren Unternehmenszwecks (Dauerwaldbewirtschaftung) und der vorgegebenen forstfachlichen Rahmenbedingungen verhindern zu können. Durch den Börsengang soll das Land eine Entschuldung in Höhe von 1,1 Mrd. € erfahren.32 Obwohl sich das Konzept primär auf den Staatswald konzentriert, geraten in dessen Sog auch die kommunalen Waldbesitzer in den Fokus. Auch hier macht nach Aussage des Gutachtens die anhaltende finanzielle Schieflage eine Debatte über den Verkauf von Waldflächen erforderlich. BODE warnt davor, dass die kommunalen Aufsichtsbehörden Gemeinden in finanzieller Notlage zur Liquidierung ihrer Vermögenswerte drängen könnten und dies wohl auch im Hinblick auf den Waldbesitz bereits getan haben. Derartige Entwicklungen sind in BadenWürttemberg ebenfalls bereits bekannt geworden. Nach Meinung des Gutachters ist die Privatisierung von kommunalem Waldeigentum dann sinnvoll, wenn damit die dauerhafte Entschuldung der Kommunen erreicht werden kann, ein defizitärer Forstbetrieb abgeschafft werden kann und die kommunalen Interessen im Wald, vor allem die Schutz- und Erholungsfunktionen auch zukünftig sicher gestellt werden können. Bei einer Veräußerung von Kommunalwald an die skizzierte Bürgerwald-AG sieht BODE diese Voraussetzung als erfüllt an. Es habe bislang lediglich an schlüssigen Konzepten zur Erreichung der genannten Bedingungen gefehlt. Tatsächlich haben die Kommunen noch vor Kurzem den Verkauf von
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Kurzfassung - Das NRW-Bürgerwaldkonzept, Gutachten von Wilhelm Bode im Auftrag des NABU Landesverbandes NRW, http://nrw.nabu.de/imperia/md/content/ nrw/stellungnahmen/kurzversion_nrw-buergerwaldkonzept.pdf, 24.05.2010. Durch den Börsengang der Bürgerwald-AG werden laut dem Konzept 1,1 Mrd. € Einnahmen für das Land (abzüglich der Gründungskosten) und die Finanzierung des Grundkapitals der Stiftung ermöglicht. Die Bewirtschaftung der produktiven Staatswaldflächen im Dauermischwaldbetrieb soll hingegen sowohl die laufenden Kosten (inkl. Personalkosten für 460 vom Land übernommene Mitarbeiter) decken als auch die dauerhafte Rendite zu Gunsten der Anteilsbürger in Höhe des unteren Drittels marktüblicher Zinsen bei 90%-iger Gewinnausschüttung gewährleisten. Aufgaben der Forstaufsicht u. ä. verbleiben beim Land.
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Waldflächen mehrheitlich abgelehnt.33 Die Notwendigkeit einer derartigen Debatte ist vor dem Hintergrund der anhaltenden Finanzkrise der Kommunen aber nicht von der Hand zu weisen, wie auch ein Finanzierungsvorschlag des Finanzbeigeordneten der Stadt Leonberg zur Sanierung des städtischen Haushalts der Stadt Leonberg belegt34. Die Idee der Privatisierung von öffentlichem Vermögen oder Betrieben ist ein bekanntes Verfahren, nicht erst seit den entsprechenden Entwicklungen bei Post und Telekom. Sehr gut verdeutlicht wird der Ansatz in einem Zitat von Professor Lothar Gall: „Mit einem Wort: Statt sich weiterhin im Lichte sozialer Wohltaten zu sonnen, die er nicht selbst erwirtschaftet, sollte sich der Staat darauf konzentrieren, den Freiraum der Wirtschaft zu erweitern und die Mittel für die in der Tat dringlichen sozialen Aufgaben durch Sparsamkeit und entschlossene Prioritätensetzung im eigenen Bereich zu erwirtschaften. Das ein langer und mühevoller Weg, aber zugleich wohl der einzige Erfolg versprechende“.35 Die Forderung nach einer radikalen Reduzierung der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung hat sich in der öffentlichen Diskussion nach der Banken- und Finanzkrise jedoch nachvollziehbar überlebt. Schließlich war es letztlich der Staat, der das Versagen des Marktes ausgleichen musste und das Wirtschaftssystem stabilisiert hat. Dass eine Bürger-AG die Waldbewirtschaftung besser ausüben kann als der nordrheinwestfälische Staat und viele Kommunen, davon ist zumindest der ehemalige staatliche Forstbedienstete BODE offensichtlich überzeugt. Allerdings wecken derartige Einschätzungen auch Erinnerungen an die Äußerungen HARTIGS anfangs des 19. Jahrhunderts, der den Kommunen ebenfalls die Fähigkeit zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung absprach.36 Folgende Überlegung von Ernst Ulrich von Weizsäcker gilt es ebenso zu bedenken: „In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat ein beinahe besinnungsloser Siegeszug der neoliberalen Ökonomie stattgefunden. Der Staat wurde delegitimiert, und mit ihm die Demokratie. Im Gegenzug entstand das Bild eines Werte schaffenden – die Menschen aus dem Elend und der Versklavung durch die staatliche Bürokratie – befreienden Marktes. Die weltweit in zahllosen Varianten stattfindende Privatisierung ist ein wichtiger Teil dieses Trends… Privatisierungen gelingen nur, wenn der Staat stark ist und klare Vorgaben festlegen kann. Der schwa33
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Laut RUPP (2008, S. 100 f.) können sich nur 0,8 der befragten Kommunen den Verkauf von Waldflächen vorstellen. Über 30 % stehen hingegen der Vergrößerung ihrer Forstbetriebe durch Zukauf aufgeschlossen gegenüber. „Es gibt einen Markt für den Stadtwald“, Interview von Michael Schmidt mit Finanzbürgermeister Ulrich Vonderheid, Stuttgarter Zeitung/Leonberger Kreiszeitung in der Ausgabe vom 6.6.2010. In „results deutsche Bank – Nummer 3/2005“, S. 3; zitiert aus: KGSt (2010): Gutachten Kommunale Organisationspolitik, Teil 1 Entwicklungslinien, Konzepte, Erscheinungsformen; KGSt-Gutachten Nr. 1/2010, Köln. Vgl. Kapitel 3.
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che Staat privatisiert aus Not, aus finanzieller Verzweiflung oder auf äußerem Druck… Oft bleibt kaum die Kraft, die neuen Eigentümer zur Einhaltung von Regeln zu zwingen.“37 Insbesondere der letzte Teil der Äußerung ist relevant. Auch eine Kommune, die zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung Waldeigentum verkauft, handelt aus finanzieller Not. Es ist zu bezweifeln, dass es in dieser Situation gelingen kann, dem neuen Eigentümer die dauerhafte Berücksichtigung der kommunalen Belange in seinem Wald abzuverlangen. Dabei ist unerheblich, ob der Wald an einen privaten Investor oder eine Bürgerwald-AG veräußert wird. In der dargestellten Konstruktion gewährleistet zwar eine Sperrminorität, dass das Bewirtschaftungskonzept des Waldkäufers unverändert bleibt. Was passiert aber, wenn sich die Ansprüche der Kommune an den Wald ändern?38 Wenn eine Kommune ihren Wald verkauft, gibt sie damit unweigerlich den Einfluss auf die Aufgaben dieses Waldes auf. Es soll an dieser Stelle nicht der Eindruck vermittelt werden, dass Waldverkauf direkt zu Raubbau und Aufgabe aller Gemeinwohlleistungen führt. Dafür sind die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland allen Unkenrufen und Forderungen nach strengeren Bewirtschaftungsvorschriften zum Trotz bei weitem – ungeachtet der Waldbesitzart – umfangreich genug. Allerdings kann nur der Eigentümer die Entscheidungshoheit über die „Gewichtsverteilung“ zwischen den Waldfunktionen in seinem Wald ausüben. Im Hinblick auf das vom NABU NRW präsentierte Konzept stellt sich aus kommunaler Sicht die Frage, ob eine Bürgerwald-AG nicht ein Konzept vorgaukelt, das wir längst schon haben. Der kommunale Wald ist ein Wald in Bürgerhand. Soll der Bürger etwa kaufen, was ihm längst gehört? Zielt die Privatisierung nicht eher auf die ebenfalls im Gutachten erwähnten institutionellen Anleger mit Renditeerwartungen ab, die mit den im Gutachten genannten 4 % deutlich über den Sätzen liegen, die durchschnittlich durch eine gemeinwohlverträgliche Bewirtschaftungspraxis als erzielbar erachtet werden? Die kommunale Selbstverwaltung garantiert durch die von der Bevölkerung gewählten Mandatsträger, dass mit dem kommunalen Waldbesitz im Interesse der Bürger umgegangen wird. Dem gegenüber fehlen sowohl der Bürgerwald-AG als auch einer Naturerbestiftung jegliche demokratische Legitimität. Eine pauschal gültige Entscheidung über diese kommunalpolitisch sensiblen Fragen ist ausgeschlossen. Letztlich müssen die waldbesitzenden Städte und Gemeinden ihre eigene Entscheidung über den Stellenwert und die Zukunft des Kommunalwaldes treffen, möglichst unter aktiver Beteiligung der Bürger. Hierbei muss auch definiert werden, welche Leistungen in der Zukunft vom kommunalen Vermögen Wald erwartet werden. Das Ergebnis einer derartigen Debatte mag im Einzelfall zur einer Veräußerungsentscheidung von Teilen des oder auch des ge37
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Frankfurter Rundschau vom 02.11.2005; zitiert aus: KGSt (2010): Gutachten Kommunale Organisationspolitik, Teil 1 Entwicklungslinien, Konzepte, Erscheinungsformen; KGSt-Gutachten Nr. 1/2010, Köln. Vgl. Kapitel 4.
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samten Waldes einer Stadt oder Gemeinde führen. Aber die langfristigen Chancen, die im Erhalt des Waldvermögens für die Zukunft der Kommunen liegen und die emotionale Bindung der Bürger an den kommunalen Wald, den große Teile der Bevölkerung zu Recht als „ihr“ Eigentum ansehen, werden wohl dazu führen, die Prognose wagen die Autoren dieses Beitrags, dass sich die Bevölkerung gegen einen Verkauf „ihres“ Eigentums wehren wird. Insbesondere darf jedwede Eigentümerentscheidung nicht von der Landespolitik vorgegeben bzw. gelenkt werden. Im Falle einer generellen haushaltsbedingten Verkaufsentscheidung eines Bundeslandes wäre zu befürchten, dass die Vorgabe, solches nunmehr als veräußerbar anzusehendes Waldvermögen zu verkaufen, auch auf die Kommunen übertragen wird, z. B. um diverse Förderungs- bzw. Haushaltsgenehmigungskriterien zu erfüllen. Um die Zukunftsfähigkeit des Kommunalwaldes zu sichern, ist es dringend notwendig, die kommunalen Forstbetriebe von überzogenen und kommunal nicht zu finanzierenden gesamtgesellschaftlichen Leistungsvorgaben zu befreien oder diese besonderen Anforderungen, z. B. im Rahmen von geregelten Vertragsnaturschutzverfahren klar zu benennen und durch eine gesamtgesellschaftliche Finanzierung auszugleichen. Die ehemals rein staatliche Forstverwaltung in BadenWürttemberg hat sich zur Senkung ihrer eigenen Verwaltungskosten mit ihren direkt erbrachten forstlichen Dienstleistungen bereits aus der Fläche zurückgezogen. Die Eingliederung der unteren Forstbehörden in die Landratsämter der waldbesitzlosen Kreise, die damit verbundene Kommunalisierung der Revierleitungen und auch die damit einhergehende Vergrößerung der Forstreviere belegen dies. Betriebsleitungen mit forstwirtschaftlicher Verantwortung auf der Fläche wurden durch eine eher systematisch veranlasste als sinnvolle Entscheidung in die große, überwiegend hoheitlich arbeitende Verwaltungsbehörde Landratsamt integriert. Zudem steht vor dem Hintergrund der Einsparvorgaben für die Länderhaushalte und EU-rechtliche Vorgaben zu befürchten, dass die zum Teilausgleich der besonderen Gemeinwohlorientierung gewährte institutionelle Förderung des Kommunalwaldes (kostenfreie Betriebsleitung, nicht kostendeckende Beförsterungsverträge) sukzessive zurückgefahren und abgeschafft wird. Vor dem Hintergrund dieser bereits eingetretenen Veränderungen bzw. latent zu befürchtenden Entwicklungen, ist es zur Verbesserung der Handlungsrahmens der Städte und Gemeinden dringend erforderlich, dass der Gesetzgeber den Kommunen mehr Entscheidungsfreiheit und Verantwortung für ihre Wälder zurückgibt. Die eigene Verwaltung des forstlichen Kommunalvermögens darf nicht administrativ unwirtschaftlich gehalten oder durch formale Vorschriften (z.B. das Verbot der Beförsterung durch nichtstaatliche Dienstleister oder überzogene Qualifikationsvorgaben für die Betriebsleitung) erschwert werden. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, werden die kommunalen Entscheidungsträger sich auch selbst wieder trauen, mehr direkte Verantwortung für ihren Wald zu übernehmen. Die Einräumung dieser Freiheiten dürfte im Hinblick auf eine wirtschaftliche, nachhaltige und gemeinwohlorientierte Waldbewirtschaftung, die seit jeher we-
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sentliche Ziele der Kommunalwaldbewirtschaftung waren, deutlich erfolgversprechender sein, als jegliche Bevormundung und staatliche Aufsicht.
VI. Literatur BMU (2007): Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt. Vom Bundeskabinett am 7. November 2007 beschlossen. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Berlin. Dipper, H. et al. (2010): Waldgesetz für Baden-Württemberg mit den wichtigsten Nebenvorschriften. Kommentar. 13. Lieferung. Stuttgart. Verlag W. Kohlhammer Faiss et al. 2002: Kommunales Wirtschaftsrecht in Baden-Württemberg. 7. Auflage, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart u.a. Hasel, K. (1985): Forstgeschichte : ein Grundriß für Studium und Praxis. Hamburg, Berlin: Verlag Paul Parey Kölz, H. und Ade, K. (2007): Kommentar zu Unternehmen und Beteiligungen der Kommunen in Baden-Württemberg. In: Praxis der Kommunalverwaltung. Kommentarsammlung Stuttgart. Verlag W. Kohlhammer. Lehmann, A. (2001): Mythos deutscher Wald, In: Landeszentrale für politische Bildung BadenWürttemberg (Hrsg.): Der deutsche Wald, 51. Jahrgang Heft 1 (2001) Der Bürger im Staat, S. 4-9 Lückge, F.-J. (1991): Gemeinden als Waldeigentümer. Forstpolitische Analyse der Gemeindewaldwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Mantel, K. (1990): Wald und Forst in der Geschichte: ein Lehr- und Handbuch; Alfeld, Hannover: Verlag M. & H. Schaper Rupp, F. (2008): Organisatorische Optionen für die künftige Bewirtschaftung des Kommunalwaldes. Diplomarbeit an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg. Unveröffentlicht. Ruppert, C. (2006): Der kommunale Forstbetrieb im Spannungsfeld von Gemeinwohlorientierung und Erwerbswirtschaft. Schriften aus dem Institut für Forstökonomie der Universität Freiburg. Freiburg Seeger, R. und Ade, K. (2007): Kommentar zur Gemeindeordnung Baden-Württemberg. In: Praxis der Kommunalverwaltung. Kommentarsammlung. Stuttgart. Verlag W. Kohlhammer. Waibel, G. (2007): Gemeindeverfassungsrecht Baden-Württemberg. Reihe Recht und Verwaltung. 5. Ausgabe. Stuttgart. Verlag W. Kohlhammer.
§ 20 Staatswald – Dem Gemeinwohl in besonderem Maße verpflichtet –
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I. Einleitung Das Bundeswaldgesetz definiert den Staatswald als Wald, dessen Alleineigentümer die deutschen Bundesländer oder die Bundesrepublik Deutschland als große staatliche Gebietskörperschaften sind. Das Waldeigentum der Stadtstaaten zählt nach dieser Definition zum Staatswald, nicht zum Kommunal- bzw. Körperschaftswald. Die Flächenbundesländer besitzen in der Summe ca. 32 % der Waldfläche Deutschlands. Die Bundesrepublik Deutschland selber ca. 3 %. Über großes Waldeigentum verfügen der Freistaat Bayern (720.000 ha), die Bundesrepublik Deutschland (360.000 ha), die Länder Niedersachsen (340.000 ha), Hessen (342.000 ha), Brandenburg (270.000 ha) und Baden-Württemberg (330.000 ha). Mittlere Flächengrößen sind in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen. Berlin ist Eigentümer von 34.000 ha Wald, z. T. in dem Hoheitsgebiet Brandenburgs. Die Waldflächen der Hansestädte Hamburgs und Bremens sind gering, bzw. sehr gering. Während das Waldeigentum der Bundesrepublik Deutschland zum Großteil Flächen umfasst, die militärischer Nutzung unterliegen oder unterlagen und auch diesen Ursprung haben, sind die Staatswälder der Länder aus dem Übergang der Staatsformentwicklung zu den modernen Verfassungs- und Rechtsstaaten Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden. Die Entwicklung der letzten Jahre hat zur Gründung von Anstalten, bzw. Körperschaften des öffentlichen Rechts (Bayern, Niedersachsen, MecklenburgVorpommern, Schleswig-Holstein) geführt. Im Falle Mecklenburg-Vorpommerns wurde dieser AöR auch die Eigentumsrechte übertragen, anders als in den anderen Fällen, in denen die Länder Eigentümer der Flächen blieben, und den AöR die betriebliche Bewirtschaftung übertragen wurde. Der Fall MecklenburgO. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_20, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Vorpommern wirft die interessante und noch unbeantwortete Frage nach der Staatswalddefinition auf. In der Legislaturperiode 2005 bis 2009 wurden erhebliche Grundflächen der Bundesrepublik Deutschland als Nationales Naturerbe an andere Eigentümer (Länder, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Stiftungen der Naturschutzverbände) unentgeltlich übertragen. Die DBU ist dadurch Eigentümerin von 46.000 ha Wald geworden. Eigentum, somit auch Waldeigentum, ist in Art. 14 GG verankert. Ausfluss dieser Kategorisierung ist, dass Waldeigentumsfragen dem Privat- und Zivilrecht zugeordnet werden. Für Staatswald, Körperschafts- und Privatwald gilt gleichermaßen, dass die Nutzung des oder die Verfügung über das Wald dem Eigentümer dient. Gleichermaßen gilt aber für alle Waldeigentumsarten die Sozialbindung des Art. 14 GG. Als Gebietskörperschaft Eigentümer zu sein, ist nicht auf Wald allein beschränkt. Die Bundesländer sind Eigentümer anderer Grundflächen (bspw. landwirtschaftliche Flächen, Weinberge, Wasserflächen, Straßen und sonstige Verkehrsflächen) von Gebäuden, von Kunstgegenständen, Bibliotheken, aber auch von Beteiligungen an Wirtschaft- oder Kapitalgesellschaften.
II. Der Staatswald aus der Sicht seiner Eigentümer In den Wald- und Forstgesetzen der Länder finden sich weitgehend identische Regelungen zur im Staatswald verfolgten Zielsetzung. Die Staatswälder sollen „dem Gemeinwohl in besonderem Maße dienen“ (z.B. Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Baden Württemberg), und sind „daher vorbildlich zu bewirtschaften“ (Bayern). Die Regelungen erstrecken sich nicht auf den Staatswald im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. x Baden-Württemberg: Waldgesetz für Baden-Württemberg (Landeswaldgesetz – LwaldG) § 45 Zielsetzung im Staatswald (1) Der Staatswald soll dem Allgemeinwohl in besonderem Maße dienen. Ziel der Bewirtschaftung des Staatswaldes ist, die den standörtlichen Möglichkeiten entsprechende, nachhaltig höchstmögliche Lieferung wertvollen Holzes zu erbringen bei gleichzeitiger Erfüllung und nachhaltiger Sicherung der dem Wald obliegenden Schutz- und Erholungsfunktionen. (3) Forstliche Aufgaben, die wegen ihrer ungewöhnlich langen Zeitdauer oder aus anderen Gründen die Leistungsfähigkeit der anderen Waldbesitzarten übersteigen, sind im Staatswald durchzuführen.
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x Rheinland-Pfalz: Landeswaldgesetz (LWaldG) vom 30. November 2000 § 25 Staatswald (1) Der Staatswald soll dem Gemeinwohl in besonderem Maße dienen. (2) Die Ziele und Verfahren der naturnahen Waldbewirtschaftung einschließlich einer in dieser Hinsicht vorbildlichen Wildbewirtschaftung sind zu verwirklichen. Vorrangig im Staatswald sind Flächen für Biotopschutzwald und Naturwaldreservate auszuweisen. x Thüringen: Gesetz zur Erhaltung, zum Schutz und zur Bewirtschaftung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Thüringer Waldgesetz - ThürWaldG -) § 31 Bewirtschaftung des Staatswaldes (1) Der Staatswald dient dem Allgemeinwohl in besonderem Maße. In ihm sind die Grundsätze ordnungsgemäßer Forstwirtschaft (§ 19) und deren Rahmenbedingungen vorbildlich zu erfüllen und die Funktionen des Waldes nach § 2 sowie die Funktionen geschützter Waldgebiete nach § 9 bestmöglich zur Wirkung zu bringen. Die forstfiskalischen Waldflächen werden durch die staatlichen Forstämter bewirtschaftet. (3) Forstliche Aufgaben, welche die Leistungsfähigkeit anderer Waldbesitzer übersteigen, insbesondere solche von langer Zeitdauer, sind im Staatswald durchzuführen. x Nordrhein-Westfalen: Landesforstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz –LFoG) § 31 Bewirtschaftungsgrundsätze für den Staatswald (2) Die mit der Bewirtschaftung des Staatswaldes betrauten Stellen haben die Wohlfahrtswirkungen des Waldes zu sichern und in besonderem Maße die Erholung der Bevölkerung zu ermöglichen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben kann in besonderen Fällen von den Grundsätzen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 abgewichen werden. x Bayern: Waldgesetz für Bayern (BayWaldG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 2005 Art. 18 Staatswald (1) Der Staatswald dient dem allgemeinen Wohl in besonderem Maß und ist daher vorbildlich zu bewirtschaften. Er ist zudem auf Dauer in alleiniger öffentlich rechtlicher Verantwortung zu bewirtschaften. Die mit der Bewirtschaftung und Verwaltung betrauten Stellen haben insbesondere standortgemäße, naturnahe,
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gesunde, leistungsfähige und stabile Wälder zu erhalten oder zu schaffen. Hierzu soll die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten durch eine auf einen artenreichen und gesunden Wildbestand ausgerichtete Bejagung im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglicht werden. Die mit der Bewirtschaftung und Verwaltung betrauten Stellen haben ferner 1. die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes und seine biologische Vielfalt zu sichern und zu verbessern, bei allen Maßnahmen die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die Belange der Wasserwirtschaft zu berücksichtigen, 2. die Holzerzeugung möglichst zu steigern, die hierzu erforderlichen Holzvorräte zu halten, die Walderzeugnisse nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu verwerten, 3. den Wald vor Schäden zu bewahren, 4. besondere Gemeinwohlleistungen zu erbringen und 5. besondere Belange der Jagd, wie die Reduktion von Schwarzwild und die Bestandssicherung ganzjährig geschonter Wildarten, zu berücksichtigen. x Hessen: Hessisches Forstgesetz HForstG 2007 § 27 Bewirtschaftung Der Staatswald dient im besonderen Maße dem Gemeinwohl. Er ist nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen durch den Landesbetrieb Hessen-Forst zu bewirtschaften. Das besondere Gemeinwohl ist der zentrale Begriff, der letztlich die Besonderheiten des Waldes im Eigentum der Länder bedeutet und sie von den anderen Waldbesitzarten unterscheidet. In den Bundesländern werden diese abstrakten Zielformulierungen in der Regel durch Vorschriften der Ministerien für den nachgeordneten Betrieb konkretisiert.
III. Was ist Gemeinwohl ? Das Wörterbuch für Sozialpolitik formuliert 1999 wie folgt: „Gemeinwohl bezeichnet einen normativen Orientierungspunkt sozialen und politischen Handelns. Gemeinwohlorientierung ist eine vorpolitische, aber unverzichtbare Grundlage für staatliches Handeln, insofern der Staat diese nicht selber hervorbringen, sondern nur günstige Randbedingungen zu ihrer Entfaltung schaffen kann.“ Das Wissenschaftliche Zentrum für Sozialforschung Berlin untersuchte im Jahr 2002 durch 20 Autoren den Begriff des „Gemeinwohl“ und fragte danach, was „moderne, plurale, tendenziell fragmentierte Gesellschaften zusammenhält“.
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Eine gemeinsame Definition des Gemeinwohls fanden die Autoren allerdings nicht, denn ein Ergebnis ist, dass die Unbestimmtheit des Begriffs wesentliches Kriterium des „Gemeinwohls“ ist: Gemeinwohl muss aushandelbar sein und bleiben. Gemeinwohlbelange können identifiziert und gewichtet werden. Voraussetzung dafür sind geeignete Verfahren und dafür gerüstete Institutionen in einem Prozess des Ausgleichs, der Stabilität voraussetzt. Hier ist ein kurzer Vergleich zu der Eigentumsform „Gemeinschaftswald“ interessant. Gemeinschaftswälder zählen heute zu der Kategorie des Privatwaldes. Historischer Hintergrund dieser Form des Waldeigentums waren die gemeinsamen Nutzungsrechte von Genossen der Dorfgemeinschaften an der Allmende nach älterem deutschen Recht. Der heute auf die Abgeordneten der Landesparlamente übergeleitete Gedanke, das allgemeine Wohl zu artikulieren, ist hier in sehr „ursprünglicher“ Form des anteiligen, ideellen Eigentums aller Dorfangehöriger widergespiegelt.
IV. Gemeinwohlleistungen der staatlichen Forstbetriebe Die Gemeinwohlverpflichtung von Forstbetrieben verlangt die gleichgewichtige Berücksichtigung aller Funktionen des Waldes im Zielsystem des Eigentümers. Gemeinwohlleistungen bewirken, dass Mehraufwendungen oder Mindererträge gegenüber einer erwerbswirtschaftlichen, d.h. gewinnmaximierenden Bewirtschaftung, entstehen. Da für Gemeinwohlleistungen keine Vermarktungsmöglichkeiten bestehen, ist deren finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand gerechtfertigt. Als Gemeinwohlleistungen der Forstwirtschaft werden im Allgemeinen verstanden: x die Schutzwirkungen und hier insbesondere im öffentlichen Bewusstsein Naturschutz, Wasserschutz, Klima- und Bodenschutz, x Erholungswirkungen und -leistungen der Forstbetriebe, x die Produktion des Rohstoffs Holz, auch wenn hier die Grenzen zur Erwerbswirtschaft fließend sind, gemeint ist die Rohstoffversorgung der Bevölkerung und der heimischen Industrie und x die sozialen Leistungen, insbesondere die Arbeitsplatzfunktion und der Bildungsauftrag
V. Wer definiert die gemeinwohlorientierten Ziele im Staatswald? Wie bereits beschrieben, können Gemeinwohlbelange lediglich identifiziert und gewichtet werden und zwar in einem dazu geeigneten Verfahren und von dafür gerüsteten Institutionen. Im Staatswald sind dies letztlich die Landtage, die im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben über die Zielgewichtungen und damit
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über die Bedeutung der Gemeinwohlbelange befinden. Dazu bieten sich der Haushalt und die Gesetzgebungskompetenz für den Staatswald an. Einige Bundesländer haben in Ergänzung Beratungs- oder Aufsichtsgremien für ihre Staatsforstbetriebe etabliert. So unterstützt auf der Ebene des Gesamtstaatsforstbetriebs in Hessen seit der Bildung des Landesbetriebs Hessen-Forst im Jahr 2001 die Landesbetriebskommission den Landesbetrieb als Beratungsorgan, um eine auch für den Geschäftsbereich „Staatswaldbewirtschaftung“ ausgewogene Zielsetzung zu bewirken. So achten in der zweimal jährlich tagenden Landesbetriebskommission neben den Landtagsfraktionen und Vertretern der Landesregierung auch Vertreter der Personalrats, des Umweltschutzes, der Wirtschaft, der Kommunen und des Kleinprivatwaldes über die gesetzes- und richtlinienkonforme Staatswaldbewirtschaftung.
VI. Die gemeinwohlorientierten Ziele des Hessischen Staatswaldes Die Zielsetzung für den Hessischen Staatswald sind im § 27 des HForstG und der Satzung des Landesbetriebs Hessen-Forst festgeschrieben: „Der Staatswald dient im besonderen Maße dem Gemeinwohl. Er ist nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen durch den Landesbetrieb Hessen-Forst zu bewirtschaften.“ Die Satzung des Landesbetriebs Hessen-Forst greift die gesetzliche Regelung wie folgt auf. Die Präambel lautet: „Der Landesbetrieb Hessen-Forst hat den Staatswald unter erwerbswirtschaftlicher und gemeinwohlverpflichteter Zielsetzung nachhaltig zu bewirtschaften. ….. Er schützt und entwickelt damit den Wald in Hessen als Lebensgrundlage für Generationen.“ § 2: Der Landesbetrieb hat insbesondere folgende Aufgaben: 1. Bewirtschaftung des Staatswaldes und der sonstigen staatlichen Waldflächen des Landes nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unter Wahrung der besonderen Gemeinwohlverpflichtung,… 6. Untersuchungen und Beratungen zu waldökologischen, waldwachstums- und stand-ortkundlichen Sachgebieten, zur Erhaltung forstlicher Genressourcen, zum Waldschutz und der forstlichen Umweltkontrolle sowie der Erstellung forstfachlicher Gutachten, 7. fachliche Aus-, Fort- und Weiterbildung, Waldpädagogik, Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung sowie Tätigkeiten, die den Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes dienen, Konkretisiert werden die Aufgaben und Ziele durch die Richtlinie für die Bewirtschaftung des Staatswaldes (RiBeS 2002), einem verbindlichen Erlass, der die
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Unterschrift des zuständigen Ministers trägt. Dort sind folgende Ziele festgeschrieben, die dem Gemeinwohl in besonderem Maße dienen. 1. Schutzfunktionen haben im Konfliktfall Vorrang vor anderen Zielen. 2. Erholungs- und kulturelle Wirkungen sind insbesondere im Ballungsraum verpflichtend zu erhalten oder zu verbessern. 3. Es ist höchstmöglich nach Masse und Wert Holz zu produzieren. 4. Besonders im ländlichen Raum sind die Arbeitsplätze und humane Arbeitsbedingungen in der Forstwirtschaft von Bedeutung. Personalrelevante Entscheidungen sind sozialverträglich umzusetzen.
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Abb. 1: Die Übersicht verdeutlicht die Zielhierarchie für den Hessischen Staatswald.
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VII. Das Gemeinwohl in der Praxis Konflikte zwischen verschiedenen Zielen treten auf, wenn rechtliche Vorgaben den Vorrang eines Zieles begründen oder wenn bestimmte Funktionen von wirtschaftsbestimmender Intensität eine Abwägung zwischen verschiedenen Zielen erfordern. Im Konfliktfall haben die Schutzziele wegen ihrer weitreichenden Bedeutung für die Erhaltung des Ökosystems Wald Vorrang. Dabei soll das übergeordnete Haupt- oder Teilziel in der Regel nicht absoluten Vorrang haben, sondern ein angemessen höheres Gewicht. Das jeweils nachgeordnete Haupt- oder Teilziel ist deshalb nicht zu vernachlässigen oder aufzugeben, sondern nur in der Art und in dem Maße zu verfolgen, wie es die ihm vorrangigen Teilziele nicht beeinträchtigt. Die herausgehobene Bedeutung der RiBeS liegt darin, die Zielgewichtungen der fünf Hauptziele für jedes staatswaldbewirtschaftende Forstamt im Rahmen der Forsteinrichtung in einem nachvollziehbaren Verfahren im Gegenstromprinzip zwischen Waldeigentümer Land Hessen und dem bewirtschaftenden Dienstleister Landesbetrieb Hessen-Forst festzulegen. Bei widersprüchlichen Zielsetzungen können Nutzwertanalysen als Instrument zur Entscheidungsfindung dienen. Somit folgt der hessische Ansatz der von WEBER 2006 eingeführten Klassifizierung zur Auflösung der Gegensätze Erwerbswirtschaft und Gemeinwohl und im Konfliktfall Erwerbswirtschaft nach Gemeinwohl. Dies ist keine akademische Übung, wie wenige Beispiele aus dem hessischen Staatswald verdeutlichen. x Liegen in einem NATURA 2000-Gebiet Staatswald und Privatwald und sind ertragsmindernde Maßnahmen oder Nutzungsverzichte erforderlich, um den günstigen Erhaltungszustand des Gebietes zu bewahren, finden diese in Hessen eindeutig im Staatswald statt. x Bei Kalamitäten wie z.B. Sturmwürfen ist es akzeptierte Praxis bei der Holzvermarktung, den vom staatlichen Forstbetrieb betreuten Waldbesitzern bevorzugt den werterhaltenden zeitnahen Absatz zu ermöglichen. x Die Betriebsbereitschaft ist höher als im Privatwald. Personalabbau hat sozialverträglich zu erfolgen. Weitere Beispiele für das besondere Gemeinwohl sind: x 44% des Staatswaldes sind NATURA 2000-Gebiet, das entspricht 60% der gesamten Waldfläche in der NATURA 2000-Kulisse im Land Hessen. x Es besteht ein Waldnationalpark im fast alleinigen Eigentum des Landes. x Naturschutzgebiete und Naturwaldreservate werden bevorzugt oder ausschließlich im Staatswald ausgewiesen. x Drei staatliche Wildparke werden vom Land unterhalten. x Es wird Waldpädagogik mit einem Aufwand von jährlich 5 Mio. € alimentiert.
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x Die angewandte Forschung und Innovation des forstlichen Versuchswesens wird ermöglicht, es steht mit seinen Ergebnissen und Erkenntnissen allen Waldeigentümern zur Verfügung und kommt ihnen zugute. x Die Aus-, Forst und Weiterbildung des Forstpersonals wird gewährleistet, z.B. Forstwirte, forsttechnischer Betrieb (Dipl. Forstwirt FH, Bachelor of Science), forsttechnische Leitung (Dipl. Forstwirt, Master of Science).
VIII. Gewinne aus der Staatswaldbewirtschaftung – ein Widerspruch zum Gemeinwohl? Es stellt sich die Frage, ob auch das 5. Hauptziel der RiBeS, der „Nutzen für den Waldeigentümer“ als Gemeinwohlziel zu sehen ist. Bei dem aus dem Hessischen Forstgesetz ableitbaren Ziel, das Waldvermögen in seinem Bestand durch zusätzliche Flächen und vorratsreiche Wälder zu erhalten und zu mehren, ist dies sicher zu bestätigen. Da die Gemeinwohlleistungen zu einem großen Teil flächengebunden sind, kann nur ein Forstbetrieb, der in seiner Größe beständig ist, diese Leistungen gleich bleibend erfüllen. Doch was ist mit dem jährlichen finanziellen Ergebnis, das in der RiBeSZielsetzung als Teilziel ebenfalls hohe Bedeutung hat? Es wird dazu die Auffassung vertreten, dass solange ein öffentlicher Forstbetrieb sich zu 100 % im Eigentum der öffentlichen Hand befindet, auch ein Überschuss oder Gewinn dieses Betriebs als gemeinwohlorientiert anzusehen ist, natürlich nur, wenn die Nachhaltigkeit eingehalten wurde. Denn es fließt dieser Überschuss letztlich wieder der Gesellschaft zu, sei es durch sinkende Kreditaufnahme des Landes, durch Investitionen in Bildung oder Infrastruktur oder eben als Quersubvention in die Finanzierung der Gemeinwohlleistungen des Staatsforstbetriebs. Dennoch liegt es nahe, dass unter den oben beschriebenen Maßgaben Gewinne im Staatswald nicht exorbitant sind. In Hessen betragen alleine die Nutzungsverzichte aus Naturschutzgründen oder Selbstbindungen (Naturwaldreservate) jährlich € 7,4 Mio., was ca. 7 % der Gesamtertrags entspricht. Doch haben fast alle großen deutschen staatlichen Forstbetriebe durch Aufwandsreduktion und Einnahmesteigerung in den letzten drei Jahren den „Turn-around“ geschafft und dank der schwarzen Null oder noch besserer Ergebnisse erfolgreich auf die Anpassungs- und Veränderungsnotwendigkeiten reagiert (s. Abb. 2). Die Umsätze, die bei den Bewirtschaftungen der Staatswälder der Bundesländer gemacht werden, erreichen allerdings Werte, die ca. 1 % des Volumens der Landeshaushalte ausmachen.
Staatswald
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Reinerträge im Staatswald1) 100,0
ab 200 ha Waldfläche
6,0
50,0
1,0
€/ ha HB
0,0 -50,0
-4,0
-100,0
-9,0
-150,0
-14,0
-200,0
-19,0
Reinertrag I EUR/HB
Einschlag m³/ha HB -24,0
-250,0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 1) Bis 1996 "früheres Bundesgebiet", ab 1997 "D t hl d
Forstwirtschaftsjahr
Abb. 2: Quelle: BMELV-Ergebnisse Testbetriebsnetz-Forst
Flankiert wurde dies durch eine Änderung in der vergleichenden Darstellung der finanziellen Ergebnisse der Waldbesitzarten. Unter Federführung des Deutschen Forstwirtschaftsrats wurde 1998 der Produktplan Forst gebildet, nicht zuletzt um den bis dato oftmals defizitären staatlichen Forstbetrieben eine kostenrechnerische Möglichkeit zu geben, Maßnahmen für die gemeinwohlorientierten Erholungsund Schutzwirkungen getrennt auszuweisen und somit das erwerbswirtschaftliche Ergebnis besser mit anderen Waldbesitzarten vergleichen zu können. Diese Vergleichbarkeit kann auch mit Blick auf das Verhalten anderer Forstbetriebe bei der betrieblichen Risikovorsorge und Rücklagenbildung abgelesen werden. Grundflächen und Waldboden und die auf ihm stockenden Waldbestände, genauer gesagt die Summe aller Bäume sind das Produktionskapital der Forstbetriebe, die nachhaltige Nutzung von Bäumen ist aber auch das marktgängige Produkt der Forstbetriebe mit dem i. d. R. > 90 % der Einnahmen erzielt werden. Die Urproduktion ist nicht gefeit vor Naturereignissen, wie 3 große Windwurfereignisse der letzten 20 Jahre (sowie einige kleinere) zeigen. 1990 (Orkane Vivien und Wiebke), 1999 (Orkan Lothar), 2007 (Orkan Kyrill) haben in erheblichem Umfang in das Produktionskapital der Forstbetriebe eingegriffen und mehr als die planmäßig und nachhaltig nutzbaren Holzmengen produziert. Zur Wiederherstellung des Produktionskapitals (Pflanzung neuer Bäume) und zur Überbrückung der zunächst eingeschränkten nachhaltigen Nutzung müssen Forstbetriebe Rücklagen bilden können, ansonsten würden sie ihr Kapital verzehren. Diese betriebswirtschaftliche Überlegung ist für den Staatswald in Hessen gesetzlich geregelt. Die sog. Waldrücklage (§ 28 Abs. 2 und 3) ist Ausdruck dieser
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Maßgabe, in V. m. mit § 27 wird deutlich, dass die Erhaltung des Staatswaldvermögens nach Fläche und Wert auch ein Gemeinwohlaspekt ist.
IX. Herausforderungen Die Herausforderungen der Zukunft für die deutschen Staatsforstbetriebe zeichnen sich bereits ab: Steigende Energiepreise mit Auswirkungen auf die Nachfrage von wenigen Jahren noch unverkäuflicher Sortimente und die weltweite Konkurrenz um die Ressource Holz zeigen die zunehmende Bedeutung, Rohholz zu produzieren und einer stofflichen oder thermischen Verwendung zuzuführen. Dagegen stehen Forderungen mit der Zielsetzung, auf den Einschlag von Holz auf Teilbereichen aus Gründen des Arten-, Biotop- oder Prozessschutzes zu verzichten. Es steht gegenwärtig zu befürchten, dass der einmalige mitteleuropäische Ansatz integrativer Fortwirtschaft gerade in den Staatswäldern aufgeweicht und dem weltweit dominierenden und intellektuell leichter zu fassenden Segretationsmodell mit einerseits ertragsorientierten Wäldern und Wildnisgebieten andererseits, geopfert wird. Unter dem Eindruck einer dramatischen Lage der öffentlichen Finanzen wird auch immer die Diskussion um den Verkauf von Staatswald an Private belebt, ganz aktuell wird von einem Naturschutzverband in Nordrhein-Westfalen die Überführung des Staatswaldeigentums in eine Aktiengesellschaft propagiert. In Deutschland werden in der veröffentlichten Meinung solche Versuche negativ bewertet. Frühere Versuche, z. B. in Schleswig-Holstein zu privatisieren oder der Verkauf eines Revieres in Nordrhein-Westfalenm, erzeugten heftige Reaktionen in der Öffentlichkeit. Auch die öffentliche Diskussion bei der Gründung der AöR in Bayern mit einem Bürgerbegehren ist dafür Beispiel. Letzteres ist insoweit bemerkenswert, als das Eigentum beim Freistaat Bayern verbleibt und zeigt, wie sehr die Öffentlichkeit den Staatswald weniger als Einnahmequelle des Staates, denn als Rückzugsrefugium für Erholung und vermeintlich ungestörte Natur wahrnehmen möchte. Im konkreten Fall ist im Gesetz deutlich zu erkennen, dass die Vorbildlichkeit der Staatswaldbewirtschaftung konkret wie in keinem anderen Landesgesetz fixiert wurde.
X. Fazit Staatswald als Waldeigentumsform wird seine Berechtigung behalten, wenn keine Verluste oder geringe Gewinne geschrieben werden, die staatliche Organisation als Partner subsidiär und nicht als Gegner konträr vom kommunalen und privaten Waldbesitz wahrgenommen wird, bei der Etablierung neuer Geschäftsfelder (Windkraft, Waldevents) sensibel mit den Belangen anderer Gebietskörperschaften umgegangen, und die gemeinwohlorientierten „Produkte“ im Betrieb nicht nur
Staatswald
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als Einnahmequelle gesehen, sowie diese in der Öffentlichkeit positiv akzentuiert werden. Schließlich ist aus Sicht des Eigentümers immer wieder feststellbar, dass der Besitz und die Verfügungsgewalt über nennenswerte Anteile der jeweiligen Landesterritorien (z. B. in Hessen 17 % der gesamten Landesoberfläche) in einem so dicht besiedelten Raum wie in Deutschland, enorme Möglichkeiten zur Verwirklichung von raumwirksamen landespolitischen Zielen erlaubt. Der Wert über Flächen an sich verfügen zu können, ist unschätzbar groß.
VII. Der Wald im Fokus der politischen Parteien
§ 21 Position der CDU/CSU-Fraktion zum Waldeigentum
Peter Bleser Deutschland ist eines der waldreichsten Länder in Europa. Rund 11,1 Mio. Hektar, ein Drittel der Gesamtfläche unseres Landes, sind mit Wald bedeckt. Durch die intensiven Bemühungen der Waldeigentümer sind nach den großen Waldverwüstungen voriger Jahrhunderte und den Kahlschlägen infolge der beiden Weltkriege wieder ertragreiche und ökologisch wertvolle Wälder aufgebaut worden. Private Personen, Körperschaften (vor allem Kommunen) und der Staat (vor allem die Bundesländer) teilen sich den Waldbesitz. Vorherrschende Eigentumsform ist dabei der Privatwald mit ca. 44 % der Waldfläche (etwa 4,8 Millionen Hektar). Für die CDU/CSU-Fraktion steht – unabhängig von der Eigentümersituation – im Vordergrund, dass staatliche Auflagen oder Bestimmungen nicht in die persönlichen Besitzrechte eingreifen dürfen. Die CDU/CSU-Fraktion sieht daher die Notwendigkeit, die Folgen von Bewirtschaftungsauflagen und Naturschutzforderungen für die betroffenen Wirtschaft umfassend zu analysieren. Wir sind grundsätzlich der Auffassungen, dass Bewirtschaftungsauflagen, die über die Anforderungen der guten fachlichen Praxis hinausgehen, ausgeglichen werden sollten. Für die CDU/CSU-Fraktion ist das Grundrecht, Eigentum zu bilden und zu vererben, seit je her ein elementarer Bestandteil unserer freiheitlichen Gesellschaft. Die neue Regelung des Erbschaftssteuerrechts war einerseits die notwendige Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, andererseits das Ergebnis eines Kompromisses mit dem Koalitionspartner SPD. Wir wollen deshalb den erzielten Kompromiss, insbesondere mit Blick auf seine familiengerechte Ausgestaltung und im Lichte der Wirtschafts- und Finanzkrise überprüfen. Viele der über 1,5 Millionen Waldeigentümer in Deutschland haben einen kleinen und zersplitterten Waldbesitz, der nur schwer zu bewirtschaften ist. Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse als Selbsthilfeeinrichtungen können die wirtschaftliche Situation dieser Betriebe verbessern. Die Strukturentwicklung der Holzindustrie hin zu größeren Einheiten zwingt die Forstbetriebsgemeinschaften, sich diesen Tendenzen entsprechend zu entwickeln. Der Zusammenschluss bestehender Forstbetriebsgemeinschaften kann derzeit nur als forstwirtschaftliche Vereinigung erfolgen. Die nach bisherigem Recht vorhandene Beschränkung der Aufgaben der O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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forstwirtschaftlichen Vereinigungen entspricht aber nicht mehr den heutigen Erfordernissen. Daher wird die CDU/CSU-Fraktion im Rahmen der laufenden Beratungen des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) forstwirtschaftlichen Vereinigungen hinsichtlich des möglichen Aufgabenspektrums den Forstbetriebsgemeinschaften angleichen. Klimawandel heißt für große Teile des deutschen Waldes: wärmer, trockener und stürmischer. Das beeinflusst den langen Lebenszyklus der Bäume und kann sich negativ auf ihre Stabilität, ihre Vitalität und Wuchsdynamik auswirken. Die CDU tritt dafür ein, Maßnahmen zur Anpassung des Waldes an den Klimawandel und Maßnahmen zur Verstärkung der positiven Klimawirkungen des Waldes und von Holz zu fördern. Dazu werden wir vor allem: x den Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Wald-Ökosysteme weiter erforschen und Anpassungsstrategien entwickeln, x die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder und den Aufbau stabiler Laub- und Mischwälder weiter unterstützen, x durch intelligente Holznutzung im stofflichen wie energetischen Bereich (z. B. Kaskadennutzung) die CO2 -Speicherung der Wälder nutzen und somit den Klimaschutzbeitrag der Forst- und Holzwirtschaft optimieren. Die vielfältigen Anforderungen an den Wald (Wirtschaft, Klimaschutz, Erholungsraum) führen aber manchmal auch zur Notwendigkeit, juristische Sachverhalte den neuen Bedingungen anzupassen. Dazu gehört beispielsweise die Anpassung der Verkehrssicherungspflicht für Waldbesitzer. Nach § 14 BWaldG ist es jedem gestattet, den Wald auch außerhalb der Wege zu betreten. Daneben haben sich seit dem Inkrafttreten des BWaldG im Jahr 1975 viele Rahmenbedingungen verändert. Insbesondere sind hier Vorgaben des Europäischen Natur- und Artenschutzrechtes zu nennen, die dem Waldbesitzer unter anderem vorgeben, zum Schutz und zur Erhaltung der Biodiversität vermehrt abgestorbene Bäume im Bestand zu belassen. Gleichzeitig nehmen aber die Aktivitäten von Erholungssuchenden im Wald immer stärker zu, zum Beispiel durch Mountain Biking. Dies hat in den vergangenen Jahren zu einer veränderten Gefährdungssituation geführt, der die CDU/CSUFraktion nun mit der Entlastung der Waldbesitzer von der Verkehrssicherungspflicht Rechnung tragen will. Waldbesitzer dürfen nicht durch waldtypische Gefahren in ein Haftungsrisiko hineingeraten. Denn im Gegensatz zu jedem anderen Grundeigentümer ist es den Waldbesitzern verwehrt, seinen Verkehrssicherungspflichten nachzukommen, in dem er zum Beispiel Besuchern den Zutritt zu seinen Flächen verwehrt. Aufgrund der zunehmenden Knappheit und Verteuerung fossiler Rohstoffe, die oft auch aus krisengefährdeten Regionen der Erde stammen, sowie der Bemühungen zum Schutz des Klimas nimmt die Bedeutung des Anbaus nachwachsender Rohstoffe stetig zu. Die Waldnutzung in Deutschland leistet einen wichtigen Beitrag
Position der CDU/CSU-Fraktion zum Waldeigentum
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zur Zukunftssicherung unseres Landes. Holz ist ein wertvoller einheimischer Energieträger, der angesichts deutlich steigender Energiepreise eine ungeahnte Renaissance erfährt. Zur Erzeugung nachwachsender Rohstoffe gehört auch der Anbau schnellwachsender Baumarten mit Umtriebszeiten von bis zu 20 Jahren auf landwirtschaftlichen Flächen (Kurzumtriebsplantagen). Die Bewirtschaftungsform der Agroforstsysteme wird in den nächsten Jahren eine zunehmende Bedeutung erfahren. Wenn man die Einordnung allein auf das äußere Erscheinungsbild abstellen würde, müsste eine solche Fläche dem Geltungsbereich des BWaldG zugeordnet werden. Diese Kulturform gleicht jedoch eher einer landwirtschaftlichen Bodennutzung. Deshalb werden wir bei der anstehenden Überarbeitung des BWaldG bislang nicht forstlich bestockte agroforstwirtschaftlich genutzte Flächen wie bei den Kurzumtriebsplantagen aus dem Waldbegriff des BWaldG ausnehmen. Aufgabe des Waldbaus ist es, den Wald so zu gestalten, dass seine vielfältigen Leistungen dem Menschen auf nachhaltige Weise, d.h. dauerhaft, nutzbar bleiben. Die Vielzahl der vom jeweiligen Standort abhängigen forstlichen Betriebsziele führt auch zu einer Vielfalt von waldbaulichen Verfahren und Waldbildern in Deutschland. Dies hat auch der Waldbericht 2009 erneut deutlich gemacht. Daher kann es nach Überzeugung der CDU/CSU-Fraktion im Waldbau auch keine schematischen Verfahrensregeln geben, die überall und in jeder Region gelten. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, die Grundsätze der guten fachlichen Praxis dort zu belassen, wo sie am besten aufgehoben sind: In den Landeswaldgesetzen! Wir sehen uns dabei in einer Linie mit dem Bundesrat, der in einer Entschließung zur Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung BWaldG am 12. Februar 2010 betont hat, dass sich die Regelungen des § 11 BWaldG bewährt haben und er keine Notwendigkeit zur Erweiterung der Vorgaben des Bundes sieht. Mit dem Bundeswaldgesetz wurde 1975 ein wegweisender Rahmen für die deutsche Forstwirtschaft geschaffen. Dieser wird aber durch die Landeswaldgesetze unter Berücksichtigung der regional typischen Forst- und Waldbesitzstruktur ausgefüllt. Die multifunktionale Forstwirtschaft ist grundsätzlich weiterhin Richtschnur der Forstpolitik der CDU/CSU-Fraktion, wobei wir förderpolitischen Instrumenten klar den Vorzug vor ordnungsrechten Regelungen einräumen. Für die Wälder im privaten Eigentum wollen wir den Vertragsnaturschutz weiterentwickeln und intensivieren.
§ 22 SPD – Eigentumsschutz und Naturschutz nicht als Gegensätze begreifen
Petra Crone In der Bundesrepublik nehmen alle Wälder zusammengenommen rund ein Drittel der Fläche ein. Sie gestalten das landschaftliche Bild und gelten als Inbegriff von Natur. Nirgendwo sonst lassen sich über 4000 Pflanzenarten und rund 7000 Tierarten beobachten. Sie produzieren Sauerstoff – pro Baum und Tag Lebensgrundlage für 60 Menschen – dienen als Staubfilter, schützen Klima und Boden. Ausreichende Trinkwasservorräte gäbe es in vielen Gegenden ohne die Wälder nicht. Unser Wald verdient daher unsere besondere Aufmerksamkeit. Unterschiedliche Ansprüche erfüllt der Wald auch im Bereich von Freizeit und Erholung. Der Anblick der Natur macht Freude, hellt die Stimmung auf und trägt entscheidend zur Erholung der Menschen im oft hektischen und technisierten Alltag bei. Die kulturelle Rolle desWaldes ist seit über 200 Jahren von der Romantik geprägt – als eine typisch deutsche Kulisse. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts und als Reaktion auf die damals herrschende Nutzholznot werden Waldflächen planmäßig erschlossen. Die Erzeugnisse und die Leistungen des Waldes sind offenkundig von hohen immateriellem und materiellem Wert. Daraus resultiert die Verantwortung jedes Einzelnen, und auch jeder juristischen Person des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, diese wichtigen Lebensgrundlagen zu schützen. Für diese Feststellung genügt ein Blick ins Grundgesetz oder schlicht die Einsicht in die Notwendigkeit. Oder um es mit Goethes Worten zu sagen: In der belebten Natur geschieht nichts, was nicht in Verbindung mit dem Ganzen steht. In Deutschland bewirtschaften rund zwei Millionen private und kommunale Besitzer circa sieben Millionen Hektar Wald; davon verfügt jeder private Waldbesitzer im Schnitt über 2,4 Hektar. Damit zukünftig auch die Kleinwaldbesitzer zu fairen Bedingungen ihr Holz nutzen und auf den Markt bringen können, erweitert der Deutsche Bundestag in der anstehenden Novelle des Bundeswaldgesetzes den Aufgabenkatalog der forstwirtschaftlichen Vereinigungen. Der Besitz von Wald ist eine Annehmlichkeit, die wirklich jedem gegönnt sei. Das Privateigentum an Waldflächen ist mit Rechten, aber auch mit gesellschaftlichen Pflichten verbunden. Die SPD-Bundestagsfraktion bekennt sich zu den Eigentümerinteressen an einer forstwirtschaftlichen Nutzung des Waldes.
O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_22, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Die aktuellen Herausforderungen an die Nutzung der Waldflächen sind durch die Anpassung an den Klimawandel, den Erhalt der Biodiversität und durch den Beitrag zur Energieversorgung hoch. In Zeiten, in denen die Gesellschaft mehr Anforderungen an die Wälder stellt, sind wir verstärkt dazu verpflichtet, diese zu schützen. Zu diesem Zweck ist die Integration eines Mindestmaßes an Naturschutz auf der gesamten deutschen Waldfläche erforderlich. Zumal es unseren Wäldern, wie der Waldbericht der Bundesregierung 2009 zeigt, per Saldo immer noch schlecht geht. Die Gesamtheit der Luftverunreinigungen und der Klimawandel setzen ihnen zu. So ist auch jeder Verbraucher gefordert, Produkte aus Holz – allen voran Papier – bewusst und ressourcensparend zu konsumieren. Das Verhältnis zwischen den Belangen des Naturschutzes und dem Eigentum an Grund und Boden sorgt für eine rege gesellschaftliche Diskussion, die vor allem durch die waldbezogenen Forderungen der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt einen neuen Drall erhalten hat. Artikel 14 GG besagt, dass das Eigentum verpflichtet. Derselbe Artikel legt fest, dass das Eigentum garantiert ist. Inhalt und Schranken bestimmt der Gesetzgeber, wobei sich die gesellschaftlichen Auffassungen innerhalb bestimmter Grenzen wandeln können.1 Artikel 20a GG weist dem Staat die Aufgabe zu, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Beide Verfassungsrechtsgüter – Eigentum und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen – unterliegen keiner Rangfolge; Grundrecht und Staatszielbestimmung sind gleichrangige Verfassungsnormtypen.2 Wie viele Einschränkungen muss also ein Waldeigentümer durch eine Umwelt- bzw. Naturschutzgesetzgebung hinnehmen? Für die SPD-Bundestagsfraktion ergibt sich aus dem Eigeninteresse des Waldbesitzers und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums die Forderung nach Verankerung der guten fachlichen Praxis im Bundeswaldgesetz. Diese stellt die naturschutzfachliche Mindestanforderung an die Nutzung der gesamten Waldfläche dar. Ressourcenschonende und nachhaltige Bewirtschaftung liegen schließlich klar auch im ureigenen, ja gar existenziellen Interesse der Waldbesitzer. Das landwirtschaftliche Eigentum unterliegt bereits heute Beschränkungen durch die Regeln der guten fachlichen Praxis im Bundesnaturschutzgesetz. Durch Nutzung des Waldes setzen wir das natürliche System einem Stress aus, der letzen Endes nicht zu vermeiden, aber wohl zu optimieren, zu minimieren ist. Hier weist uns die gute fachliche Praxis den Weg. Davon profitieren werden am Ende alle: Waldeigentümer, Erholungssuchende sowie der Natur- und Klimaschutz. Mit der Natur zu arbeiten, ist allemal sinnvoller und ökonomischer als gegen sie zu arbeiten. Wenn wir die gute fachliche Praxis im Gesetz verankern, binden wir alle Forstbetriebe an ein Mindestniveau des Naturschutzes, schaffen wettbewerbsrechtlich einen einheitlichen Rahmen – und einen Mehrwert fürs Eigentum. 1
2
Lampe, Inken: Eigentum und Umweltrecht: Was muss die Landwirtschaft hinnehmen? erschienen in Deutsche Bauern Korrespondenz: DBK. 2007, 7, S. 14-15. Blasberg, Daniela: Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Das Verhältnis von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG zu Art. 20a GG. Springer, Berlin, 2008.
SPD – Eigentumsschutz und Naturschutz nicht als Gegensätze begreifen
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Inwieweit und unter welcher Ausgestaltung die Honorierung von Natur- und Klimaschutzleistungen erfolgen kann, bleibt eine spannende Diskussion, die unter den gegenwärtigen Haushaltszwängen nicht fader wird. Ganz im Gegenteil. Die zentrale Frage: Ist die Gesellschaft bereit, Umweltanforderungen an die Waldbewirtschaftung zu entlohnen? Für die SPD-Bundestagsfraktion kann ich dies bejahen. Wenn ein Mindestmaß an Naturschutz auf der gesamten Fläche garantiert ist, dann werden Leistungen, die der Waldeigentümer zukünftig im Interesse der Gesellschaft erbringt, zu kompensieren sein. Die Erkenntnis, dass Klimawandel, Landnutzung und biologische Vielfalt unentrinnbar verbunden sind, nimmt glücklicherweise zu. Deshalb ist die Zielmarke von fünf Prozent Wald mit eigener Entwicklung auch für den Klimaschutz so immens wichtig. Wir erhalten durch die Vorgänge in Naturwäldern die Antworten auf die Frage: Was macht die Natur selbst im Hinblick auf den Klimawandel? Wir sind aufgefordert und verpflichtet, dem Ökosystem die Zeit für die dynamischen Anpassungsprozesse ohne menschlichen Einfluss zu geben. Daraus folgt, dass der Nutzungsverzicht nicht vorläufig, sondern dauerhaft, verbindlich und rechtssicher angelegt sein muss. Auch der Privatwald wird bei der Umsetzung des 5-ProzentZiels seinen Beitrag leisten müssen. Wenn private Waldbesitzer Flächen aus der Nutzung nehmen, dann kann dies nicht zum Nulltarif geschehen. Um zu einer optimalen Bereitstellung von Ökosystemgütern und –dienstleistungen auf der gesamten Landschaftsebene zu kommen, sollten Einnahmen aus dem CO2Emissionshandel für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen der Forstwirtschaft Verwendung finden. Vorstellbar ist auch, dass Privatwaldbesitzer biologisch wertvolle Waldflächen gegen Waldbereiche aus dem Eigentum der öffentlichen Hand tauschen, wie es bereits heute bei der Ausweitung von Nationalparken geschieht. Eine kürzlich veröffentlichte Studie kommt zum Ergebnis, dass viele private Waldbesitzer die Thematik Klimawandel noch mit einigen Fragezeichen versehen. Mehr als die Hälfte sieht Beratungsbedarf zum Thema forstwirtschaftliche Anpassungsstrategien und Klimaschutz. Damit die Wertschätzung für den Wald mit all seinen Funktionen auch in der Zukunft gesichert ist, müssen wir mehr aufklären, beraten und Öffentlichkeitsarbeit leisten. Daher bedarf es mehr denn je an qualifiziertem Personal im Wald, das den gestiegenen Ansprüchen durch seine forstliche Ausbildung Rechnung trägt und somit die privaten Waldbesitzer in ihrer Handlungsbereitschaft hinsichtlich ihres Beitrags zum Klima- und Naturschutz unterstützt - als ökologisches und zukunftsweisendes Investment.
§ 23 Statement zum Waldeigentum – Position der FDP
Christel Happach-Kasan Deutschland ist ein Waldland. Die emotionale Zuwendung der Menschen zum Wald ist groß. In den Märchen ist der Wald Zufluchtsort, zum Beispiel für Hänsel und Gretel, ist der Wald Heimat, ein Ort, der Hilfe bietet. „O Täler weit, o Höhen, o schöner grüner Wald“ lauten die Eingangszeilen des wohl bekanntesten deutschen Waldgedichts von Joseph von Eichendorff. „Gegrüßt sei Du, viellieber Wald“ schreibt Friedrich Schlegel in seinem Gedicht „Im Spessart“. Der Wald in der Romantik ist Ort von Freiheit und Kraft. Im 20. Jahrhundert hat diese spezifische Zuwendung zum Wald eine zeitgemäße Fortsetzung gefunden: In keinem anderen europäischen Land wurden die von Schadstoffeinträgen aus der Luft verursachten Waldschäden so intensiv diskutiert wie bei uns. Der Begriff „Waldsterben“ wurde teilweise in andere Sprachen übernommen – „le waldsterben“ –, wobei ein leicht spöttischer Unterton mitklang. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass Bestrebungen, Staatswald flächenhaft zu verkaufen, von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen mit großem Misstrauen betrachtet wird. Der Wald wird vielfach noch heute als Allmende, also als Gemeindewald für alle, betrachtet. Der Verkauf von Staatswald erzeugt ein Empfinden des Verlustes, auch wenn für die Bürgerinnen und Bürger damit zumeist real keinerlei Änderung verbunden ist. Der Waldbesitz in Deutschland ist geschichtlich bedingt sehr breit gestreut. Privatwald, Staatswald, Wald im Eigentum der Länder und zu einem geringen Teil des Bundes sowie Körperschaftswald, Wald im Eigentum kommunaler Körperschaften, umfassen ein knappes Drittel der Fläche der Bundesrepublik Deutschland. Der Privatwald ist mit ca. 44 % der Waldfläche (ca. 4,8 Mio. ha) nach den Erhebungen der Bundeswaldinventur die vorherrschende Eigentumsform. Insgesamt etwa 1,9 Mio. Privatwaldeigentümer besitzen überwiegend klein strukturierte und zersplitterte Wälder. Über die Hälfte der Waldbesitzer (ca. 57 %) bewirtschaften Flächen, die kleiner sind als 20 ha. Dies sind oftmals Landwirte oder auf Grund des fortgesetzten Strukturwandels in der Landwirtschaft Erbengemeinschaften mit nur noch geringen Beziehungen zur Landwirtschaft. Während für Landwirte auch eine kleine Waldfläche eine zusätzliche Einkommensquelle bedeuten kann, bieten die geringen Einkommensmöglichkeiten für Erbengemeinschaften oftmals keinen Anreiz, sich näher mit diesem Erbe zu beschäftigen. Die O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_23, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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in Teilen der Gesellschaft verbreitete Vorstellung, dass Grundbesitz gleichbedeutend ist mit überbordendem Reichtum ist falsch. Die Länder besitzen rund 30 % der Waldfläche (ca. 3,3 Mio. ha), wobei der Staatswaldanteil von Land zu Land sehr unterschiedlich ist. Knapp 20 % des Waldes ist Körperschaftswald (ca. 2,2 Mio. ha). Der Bund besitzt knapp 4 % der Waldfläche (ca. 0,4 Mio. ha). Dies sind überwiegend militärisch genutzte Flächen sowie Flächen entlang von Bundeswasserstraßen und Autobahnen. Für alle Waldbesitzer gilt das Bundeswaldgesetz, bzw. es gelten die Landeswaldgesetze der jeweiligen Bundesländer. Im frühen Mittelalter gab es die Rechtsform der Allmende: zur Gemeinde gehörige Flächen, die von allen Gemeindemitgliedern genutzt wurden z. B. Heiden zur Plaggengewinnung für Einstreu und Düngung, Hutewälder für die Tiermast, Wälder und Hochmoore für die Gewinnung von Brennmaterial. Im 15. und 16. Jahrhundert nahmen weltliche Herrscher teilweise diese Flächen in ihren Besitz. Der Verlust der Allmenden führte zur Verarmung von Kleinbauern, war eine der Ursachen der Bauernkriege. Im 18. Jahrhundert wurden mit der Verkoppelung die verbliebenen Allmenden weitgehend unter den Gemeindemitgliedern aufgeteilt. Regional unterschiedlich blieben Allmenden als Gemeindewald oder Stadtparke erhalten. Mit der Verkoppelung wurde somit die breite Streuung von Grundeigentum eingeleitet. Das Wachstum der Bevölkerung erforderte eine Intensivierung der Landwirtschaft, die nur durch eine spezialisierte Nutzung der Flächen zu erreichen war. In Schleswig-Holstein waren beispielsweise Anfang des 18. Jahrhunderts nur auf 4,4% der Landesfläche Wälder erhalten geblieben. Die weitere Entwaldung wurde durch die Verkoppelung aufgehalten. Unser Grundgesetz gewährleistet in Artikel 14 als eines der neunzehn Grundrechte das Recht auf Eigentum und das Erbrecht. Es folgt damit der Tradition der Weimarer Reichsverfassung. Grundrechte dürfen in ihrem Wesensgehalt nicht angetastet werden. Damit ist das Eigentumsrecht für unser Land konstitutiv. Artikel 14 bestimmt im zweiten Absatz: das Grundrecht auf Eigentum „soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Die Verfassungswirklichkeit in Deutschland lässt erkennen, dass in der Gesellschaft zunehmend unterschieden wird zwischen Eigentümern von Grundflächen wie Acker oder Wald und Eigentümern beispielsweise von Gebäudebeständen. Während bei Grundeigentümern die Sozialpflichtigkeit des Eigentums eingefordert wird, ist dies bei Eigentümern von Gebäudebeständen zumeist nicht der Fall. Wir Liberalen sehen es als unsere politische Aufgabe an, darauf zu achten, dass das Grundrecht auf Eigentum nicht durch die allgemeine Gesetzgebung ausgehöhlt wird. Für Liberale ist der Schutz der Eigentumsrechte eine Grundsatzfrage. Nutzungseinschränkungen oder der Verzicht auf Nutzung von Wäldern, wie er zum Beispiel seinen Ausdruck findet in der Erhöhung von Totholzanteilen im Wald, müssen entschädigt werden. Der Naturschutz ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Grundeigentümer dürfen nicht in stärkerem Maß dadurch belastet werden als andere. Bei der Privatisierung von Waldflächen in den neuen Bundesländern ist allerdings auch zu beobachten, dass nicht alle neuen Waldbesitzer die Gemeinnützigkeit des Eigentums wie auch die
Statement zum Waldeigentum – Position der FDP
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Verpflichtung zu nachhaltiger Bewirtschaftung beachten. Dadurch gerät teilweise das Recht auf Eigentum auch an Grundflächen in Misskredit. Das Bundeswaldgesetz gewährleistet das freie Betretensrecht des Waldes für jedermann. Für Ackerflächen gibt es keine entsprechende Regelung. Alle Waldeigentümer, auch die Privatwaldbesitzer sehen dies als legitime Form der Gemeinnützigkeit des Eigentums an und bekennen sich dazu. Waldbesitzer haben die Pflicht der Verkehrssicherung entlang von Straßen und Wegen im Wald. Die jetzige Novellierung des Bundeswaldgesetzes hat eindeutiger als zuvor geregelt, dass alle Waldbesitzer die waldtypischen Gefahren beachten und ihnen in eigener Verantwortung begegnen müssen und der Waldbesitzer von der Haftung für solche Schadensfälle freigestellt wird. Allerdings können Bestimmungen im Bundeswaldgesetz die Haftungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht aufheben. Mit der Novelle des Bundeswaldgesetzes hat die christlich-liberale Koalition historische Verbesserungen für den deutschen Wald auf den Weg gebracht. Das ist weder Rot-Grün noch Schwarz-Rot in der Vergangenheit gelungen. Die nachhaltige Forstwirtschaft wurde vor mehr als 300 Jahren in Deutschland entwickelt. Ziel war es, sicherzustellen, dass für den Bergbau in den Mittelgebirgen ausreichend Stammholz zur Sicherung der Stollen, zur Verwendung im Wasserbau zur Verfügung stand. Es durfte pro Jahr nicht mehr Holz eingeschlagen werden, als nachgewachsen war. Aus dieser forstwirtschaftlichen Praxis entwickelte sich der Begriff der „Nachhaltigkeit“. Er hat nach wie vor Gültigkeit. Die letzte Bundeswaldinventur hat gezeigt, dass die Waldbesitzer insgesamt ihre Wälder sehr verantwortlich bewirtschaften. Die Biodiversität im Wald ist höher als auf anderen Flächen, der Artenverlust geringer. In einer Liste des Bundesamtes für Naturschutz werden in den Gefährdungskategorien 0 - 2 der Roten Liste 48 von 1215 Waldpflanzen gezählt (4 %) gegenüber 438 von 3001 (15 %) bei allen Gefäßpflanzen. Entgegen der landläufigen Annahme hat der Waldanteil in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen. Zudem wachsen Holzvorräte im Wald, diese Vorräte sind im europäischen Vergleich in Deutschland am höchsten. Die Bundeswaldinventur hat auch gezeigt, dass der Waldumbau hin zu stabilen Laubmischwäldern voranschreitet. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Fichte nach wie vor eine wichtige Baumart ist, deren Nutzung unverzichtbar ist. Über sieben Millionen Hektar Waldflächen, annähernd 70% sind nach den Kriterien PEFC und FSC zertifiziert. Die beiden Zertifizierungssysteme sind gleichwertig, PEFC berücksichtigt besser die Belange kleiner Waldbesitzer. Dies zeigt die Bereitschaft der Waldbesitzer, mit ihrem Eigentum verantwortlich umzugehen und höhere Naturschutzstandards umzusetzen, als gesetzlich von ihnen gefordert wird. Auch gibt es bereits spezifische Regelungen in den Ländern. Deshalb kann der Gesetzgeber auf die Festschreibung der guten fachlichen Praxis im Bundeswaldgesetz verzichten, eine Gängelung der Waldbesitzer vermeiden. Die in Deutschland praktizierte multifunktionale Nutzung unserer Wälder setzt auf gegenseitiges Vertrauen all derer, die den Wald nutzen. Es ist ein Erfolgsmodell, an dem Waldbesitzer, Forst- und Landwirte, Naturschützer, Waldbesucher ihren
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Anteil haben. Das in unseren Wäldern erzeugte Holz ist der wichtigste nachwachsende Rohstoff, den wir haben. In einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Wirtschaft und modernen Gesellschaft hat er eine besondere Bedeutung.
§ 24 Die Position von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Cornelia Behm Nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit bedecken Wälder etwa ein Drittel der Landfläche. Als Ökosysteme sind sie von immenser Bedeutung sowohl für das Klima und die biologische Vielfalt als auch für die Wertschöpfung insbesondere von ländlichen Regionen sind. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen erreichen, dass die Wälder überall dort, wo sie bewirtschaftet werden, weitestgehend naturnah bewirtschaftet werden. Wälder sollen nicht nur den aktuellen Interessen der in der Gegenwart lebenden Menschen dienen. Vielmehr sollen sie den Erhalt sämtlicher Pflanzen-, Tier- und Pilz-Arten dauerhaft sicherstellen, die in diesen Ökosystemen leben. Derzeit müssen wir konstatieren, dass viele Wälder nicht so naturnah bewirtschaftet werden, wie es aus ökologischer Sicht notwendig wäre. 65 Prozent der deutschen Wälder wurden in der Bundeswaldinventur II in den Jahren 2001/02 als nicht naturnah klassifiziert. Da der Totholzanteil mit derzeit 15 Kubikmeter pro Hektar deutlich niedriger ist, als er aus naturschutzfachlicher Sicht sein sollte (30 bis 60 Kubikmeter pro Hektar), sind viele Arten, die an die Alters- und Absterbephase von Waldbäumen gebunden sind, nach wie vor gefährdet, denn ihnen fehlt der Lebensraum. Das liegt daran, dass in bewirtschafteten Wäldern traditionell sämtliche hiebsreifen Bäume eingeschlagen werden und sie dadurch regelmäßig eine Verarmung an Alters- und Absterbephasen von Waldbäumen aufweisen. Obwohl man gemeinhin davon ausgeht, dass Bewirtschaftungsvielfalt auch biologische Vielfalt schafft, kann demnach keine Rede davon sein, dass die so genannte ordnungsgemäße Forstwirtschaft, in Deutschland automatisch und von sich aus sämtliche Naturschutzziele im Wald erreichen würde. An diesem Beispiel wird politischer bzw. gesetzgeberischer Handlungsbedarf deutlich. Wir Bündnisgrünen wollen und können infolge unseres Wählerauftrags dies nicht ignorieren. So suchen wir die Frage zu beantworten, mit welchen Maßnahmen wir es erreichen können, dass flächendeckend naturnaher Waldbau betrieben wird und in Abhängigkeit von den natürlichen Voraussetzungen in den Regionen Wertschöpfung durch Forstwirtschaft möglich und biologische Vielfalt im Wald erhalten bleiben. Unstrittig ist – und das nicht erst seit der globalen Finanzkrise –, dass die überschuldeten öffentlichen Haushalte nicht in der Lage sind, sämtliche Umwelt- und O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_24, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Naturschutzleistungen, die die Gesellschaft vom Waldbesitzer erwartet, flächendeckend als Vertragsnaturschutz, als Waldumweltmaßnahme oder mit anderen Fördermaßnahmen zu finanzieren. Illusionen sind da fehl am Platze. Demgegenüber ist das privatwirtschaftliche Instrument der Zertifizierung ökologischer Standards durchaus geeignet, den naturnahen Waldbau voranzubringen und im Idealfall flächendeckend zu gewährleisten. Aber immer noch gibt es massive Vorbehalte und Widerstände dagegen, die Ziele einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung durch Zertifizierung der Forstwirtschaft und der Holzkette zu erreichen. Das zeigt sich nicht nur darin, dass nach wie vor nur etwa zwei Drittel der deutschen Wälder zertifiziert sind. Es zeigt sich auch am massiven Widerstand, der gegen die Einführung eines Importverbotes für illegal geschlagenes Holz besteht. Denn dieses würde dazu führen, dass wenigstens die Legalität des Holzes in der ganzen Holzkette nachzuweisen wäre. Faktisch würde das zu einem Durchbruch für die bereits etablierten Nachhaltigkeits-Zertifizierungssysteme führen. Aber genau der scheint nicht gewollt. Vor diesem Hintergrund sprechen wir Bündnisgrüne uns dafür aus, ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung in das Bundeswaldgesetz einzuführen, um arten- und strukturreiche, naturnahe und gesunde Wälder zu schaffen, die biologische Vielfalt der Waldökosysteme zu erhalten und die Wälder vor Übernutzung zu schützen. Unsere Vorstellungen haben wir in Bundestagsanträgen mehrmals detailliert dargelegt. Dabei ist uns selbstverständlich bewusst, dass diese ökologischen Mindeststandards einen Eingriff in das Privateigentum darstellen. Ein solcher Eingriff in das Privateigentum ist vom Grundgesetz her jedoch nicht verboten, sondern grundsätzlich möglich („Eigentum verpflichtet“). Mehrere Landeswaldgesetze enthalten bereits solche Mindeststandards, ohne dass das wirksam angefochten worden wäre. Allerdings muss allen Beteiligten klar sein, dass solche Eingriffe in das Privateigentum keine beliebige Eingriffstiefe haben dürfen, sondern den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen müssen. So wird der Staat beispielsweise keine entschädigungslosen Flächenstilllegungen per Ordnungsrecht durchsetzen können. Vielmehr wird die öffentliche Hand Entschädigungen leisten oder Eigentum erwerben müssen, wenn er um die Umsetzung des in der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung genannten Zieles geht, fünf Prozent der Wälder in Deutschland (insg. also ca. 550.000 Hektar) aus der Nutzung zu nehmen. Wenn man für den Naturschutz im Privatwald etwas erreichen will, dann wird man vor diesem Hintergrund sehr genau austarieren müssen, welche Ziele per gesetzlichem Standard (vorzugsweise diejenigen, die nicht oder nur begrenzt mit betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden sind), und welche nur durch eine zusätzliche Förderung erreicht werden können. Letzteres gilt z.B. für höhere Totholzvorräte. Dabei wäre es aber falsch anzunehmen, jeder gesetzliche Mindest-
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standard würde automatisch betriebswirtschaftliche Nachteile bringen. Denn naturnaher Waldbau kann betriebswirtschaftlich gesehen durchaus konkurrenzfähig sein. Letztlich zeigt die aktuelle Debatte, dass jede staatliche Vorgabe an die Waldbewirtschaftung eine mit Konflikten verbundene Gratwanderung ist. Dies gilt insbesondere für Unterschutzstellungen. Ständig besteht dabei die Gefahr, dass sie weder den Waldbesitzer noch den Naturschützer richtig zufrieden stellen. Insofern stellt sich die Frage, ob Privat- und Staatswald nicht unterschiedliche Aufgaben zugemessen werden sollten. Nüchtern betrachtet trägt es sicherlich zur Konfliktlösung bei, wenn sich Naturschutzflächen, welche Nutzungsbeschränkungen unterworfen sind, im Eigentum des Staates befinden. Eine Waldprivatisierung sollte sich hier selbstredend verbieten. Im Gegenteil sollte der Staat sich verstärkt darum bemühen, Naturschutzwälder zu erwerben, zumindest dort, wo es Konflikte gibt. Dies dürfte jedenfalls aus Sicht der öffentlichen Haushalte die bessere Lösung sein, als fortdauernd Prämien oder Entschädigungen für Naturschutzwälder zu zahlen. Aber auch dort, wo es sich nicht um Naturschutzflächen handelt, sollte der Staat seine Wälder aus umweltpolitischer Sicht besser nicht verkaufen. Denn er wirtschaftet tatsächlich deutlich naturnäher als der Privatwald. Das haben die Daten aus der die Bundeswaldagentur II erbracht: Im Staatswald wurden über 10 Prozent mehr naturnahe und sehr naturnahe Wälder ermittelt als im Privatwald. Wohl wissend, dass es auch private Waldbesitzer gibt, die in beispielhafter Weise ihre Wälder nachhaltig bewirtschaften, stehen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Privatisierung von Wäldern grundsätzlich kritisch gegenüber. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, dass wir es im Einzelfall für sinnvoll erachten, dass Staatswald arrondiert wird und in diesem Zusammenhang verstreute Waldflächen veräußert werden. Das darf jedoch keine Einbahnstraße sein.
§ 25 LINKE Position zum Wald und Waldeigentum: Wald ist gut für alle
Kirsten Tackmann Man kann die Bundesrepublik zumindest für mitteleuropäische Verhältnisse als waldreich bezeichnen. Über ein Drittel der Landesfläche ist mit Bäumen bestockt. Die Nutzungsformen sind sehr unterschiedlich und reichen von uralten streng geschützten Buchenwäldern, über zunehmend stabile Mischwälder bis zu den Brotbaumbeständen des Südens (Fichte) oder des Nordostens (Kiefer). Genauso vielfältig wie die Bewirtschaftung dieser Flächen zeigt sich auch die Verteilung des Waldeigentums. Neben unterschiedlich großen Waldflächen in öffentlichem Besitz (Bund, Land, Kommunen) gibt es in Deutschland auch zwei Millionen private Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer (44% der bundesweiten Waldfläche). Dabei stehen flächenstarken zusammenhängenden Privat-Forsten mit über 1.000 Hektar den so genannten Kleinprivatwaldbesitzerinnen und -besitzern gegenüber. Für die Fraktion DIE LINKE im Bundestag ist diese strukturelle Vielfalt erhaltenswert. Alle diese Wälder und Forsten, sowie deren Eigentümerinnen und Eigentümer haben eines gemeinsam: Sie müssen neben der reinen Erzeugung von Waldprodukten auch den Artikel 14 Grundgesetz erfüllen: Eigentum verpflichtet und soll zum Gemeinwohl verwendet werden. Das heißt, dass neben der Erzeugung von Waldprodukten die Waldfunktionen gesichert werden müssen, denn sie stehen im öffentlichen Interesse: sauberes Wasser, gesundes Klima, mehr Biodiversität und – gerade in der Nähe von Städten – den schönsten Erholungspark ohne Eintrittsgeld. Das freie Betretungsrecht des Waldes – verankert im Bundeswaldgesetz – ist für DIE LINKE nicht verhandelbar, völlig unabhängig von der Eigentumsform. Das schließt ein, dass sich die Besucherinnen und Besucher so verhalten, dass sie zum Wohle des Waldes und seiner Bewohnerinnen und Bewohner beitragen. Die vielfältigen gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald werden seit der Verabschiedung der Biodiversitätsstrategie der vorletzten Bundesregierung vor einigen Jahren zunehmend debattiert. Das erfordert von Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern Leistungen, über deren finanziellen Ausgleich ggf. diskutiert werden muss. Besonders die Verkehrssicherungspflicht und Naturschutzanforderungen können hierbei das forstliche Betriebsergebnis belasten. Während durch die Novellierung des Bundeswaldgesetzes im Sommer 2010 vermutlich Klarheit bei den Regelungen zur Verkehrssicherungspflicht geschaffen wird, insbesondere im ZusammenO. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8_25, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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hang mit den höheren Risiken durch naturnahe Bewirtschaftung der Wälder (z.B. hoher Totholzanteil), bleibt die Frage nach naturschutzfachlichen Anforderungen an die Waldbewirtschaftung (ordnungsgemäße Forstwirtschaft) weiter offen. DIE LINKE sieht – im Sinne eines modernen und zukunftsfähigen Naturschutzes – eine Kombination aus Segregation und Integration von Naturschutz in der Forstwirtschaft als sinnvoll an. Das bedeutet: Um vor allem dem weiter voranschreitenden Artenschwund entgegen zu wirken, brauchen wir sowohl konkrete, zielorientierte Naturschutzvorgaben auf großer Fläche – die ihrerseits ein forstliches Wirtschaften nicht verhindern dürfen – als auch Naturwaldflächen, auf denen natürliche Entwicklungsprozesse möglich sind (Prozessschutz). Diese sind nicht nur aus evolutionärer und damit naturschutzfachlicher Sicht bedeutsam, sondern bieten zukünftigen Forstwirtinnen und Forstwirten einen unschätzbaren Genpool (genetische Vielfalt), um den Herausforderungen der Zukunft (z.B. Klimawandel, neue Schädlinge, etc.) entgegen treten zu können. Des Weiteren sind solche Flächen wissenschaftlich sehr interessant. Gerade im nahezu urwaldfreien Mitteleuropa existieren kaum noch Flächen ohne Bewirtschaftung, so dass wir nur wenig über ihre Entwicklung und Potenziale wissen. Solche Flächen sollten nicht nur auf die mittlerweile dreizehn Nationalparks oder den Wald in öffentlichem Eigentum beschränkt bleiben. Auch die Naturentwicklungszonen der Biosphärenreservate sind dafür zu klein. Für DIE LINKE muss der segregative Naturschutz-Ansatz ebenfalls auf vielen kleineren Flächen – auch und gerade im wirtschaftlich bisher stark genutzten Forst – umgesetzt werden. Dabei sind integrative Maßnahmen sinnvoll zu kombinieren – beispielsweise das Ausweisen von Biotopbäumen oder der Verzicht auf bestimmte Chemikalien zur Schädlingsbekämpfung. Aus diesen Vorgaben ergeben sich in der Regel Opportunitätskosten für den Forstbetrieb bzw. den Waldbesitzer oder die Waldbesitzerin. Des Weiteren wird oftmals die Befürchtung geäußert, mit einer Flächenstilllegung ginge eine Zunahme des Schädlingsdrucks einher (Beispiel Bayrischer Wald). Einige Studien legen jedoch im Gegensatz dazu den Schluss nahe, dass Flächen ohne Nutzung die Gefahr von Schädlingen durch die gleichzeitige Erhöhung von Nützlingen reduzieren. Aufgrund der Komplexität des Systems scheint es auf diese Frage keine ganz einfache Antwort zu geben. Nichtsdestotrotz stellt sich auch für DIE LINKE. im Bundestag die Frage, ob das z.B. in der Biodiversitätsstrategie beschriebene Nutzungsverzichtsziel (fünf Prozent der Gesamtfläche) gänzlich ohne einen entsprechenden Ausgleich von den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern abverlangt werden kann, selbst bei Anerkennung der Gemeinwohlpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 GG). Dies trifft vor allem auf die bereits skizzierten integrativen Naturschutzmaßnahmen im Wald zu. Hierbei sollten entsprechende Mindestanforderungen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft im Bundeswaldgesetz festgeschrieben werden, damit diese gesellschaftlichen Leistungen zum Wohl der Wälder auch in Zukunft weiter von allen erbracht werden. Gerade weil der Nutzungsdruck auf die Forstwirtschaft zunimmt.
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Die Nachfrage nach Holz zur energetischen und stofflichen Verwertung steigt auf Grund der sinkenden Verfügbarkeit fossiler Energieträger und den auch von der LINKEn gewünschten beschleunigten Umstieg auf Erneuerbare Energien. Ohne entsprechende klar formulierte Mindestanforderungen im Bundeswaldgesetz könnte daher die nachhaltige Nutzung der Wälder und Forsten zunehmend in ein nicht lösbares Spannungsfeld geraten. Die segregativen Ziele – in der Biodiversitätsstrategie wird beispielsweise von fünf Prozent Waldfläche ohne Nutzung gesprochen – sollten nach Ansicht der LINKEn in allen Wäldern und in allen Waldeigentumsarten verwirklicht werden. Dafür wird zuerst die längst überfällige Analyse des Umfangs der Flächen, die bereits jetzt gewollt oder ungewollt diese Vorgaben erfüllen, benötigt. Außerdem muss betont werden, dass das 5%-Ziel nicht wissenschaftlich fundiert entstanden ist, sondern einen politischen Kompromiss darstellt. Für DIE LINKE ist daher vor allem die angestrebte Wirkung und nicht so sehr die Prozentzahl von Bedeutung. Wir wollen, dass sich die oben beschriebenen natürlichen Prozesse entwickeln können. Für die Waldeigentumsarten in öffentlicher Hand (Bundes-, Landes- und Kommunalwald) kann eine Vorbildfunktion gegenüber den privaten Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern erwartet werden. Letztere sollten in einem angemessenen Maße für die durch den Nutzungsverzicht erbrachte gesellschaftliche Leistung entschädigt werden, wobei es aber nicht um den 100%igen Ausgleich der Opportunitätskosten gehen kann. Alle zur Verfügung gestellten Flächen sind zu erfassen, langfristig zu sichern (z.B. über lange Pachtverträge oder Kauf) und von einer zentralen Stelle zu verwalten (z.B. eine Abteilung „Naturwald“ in der Bundesforstverwaltung). Zur Mobilisierung und zukunftsfähigen Bewirtschaftung des Kleinprivatwaldes ist DIE LINKE für eine Unterstützung der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse der Kleinprivatwaldbesitzerinnen und Kleinprivatwaldbesitzer. Dies steht nicht im Widerspruch zum oben beschriebenen Naturschutzziel, solange eine nachhaltige Bewirtschaftung und ökologisch sinnvolle Vermarktung gesichert ist. Konzeptionell sind natürlich auch diese Flächen in die Ziele der Biodiversitätsstrategie einzubeziehen. Für DIE LINKE ist Forstwirtschaft auch in Zukunft von großer Bedeutung. Gerade in den ländlichen Regionen sichert sie in Zusammenhang mit der nachgelagerten Holzwirtschaft viele Arbeitsplätze. Forstwirtinnen und Forstwirte pflegen seit Jahren in enger Zusammenarbeit mit Naturschutz, Umweltschutz, Tourismus und (Kommunal-) Politik eine der wichtigsten einheimischen Naturressourcen. Ihr Erhalt und ihre Mehrung sind Ziel der LINKEN. Damit wir auch in Zukunft im Wald spazieren, mit Holz heizen, Eremiten bewundern, Wildschwein essen und Dächer bauen können. Denn Wald ist gut. Für alle.
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Alvensleben, Reimar v., Prof. Dr., bis 2003 Inhaber des Lehrstuhls für Agrarmarketing an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Christian-AlbrechtsUniversität Kiel. 1986 – 2001 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeslandwirtschaftsminister. Bis 2008 stellvertretender Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Brandenburg. Becker, Gero, Prof. Dr. Dr. h.c., seit 1995 Leiter des Instituts für Forstbenutzung und Forstliche Arbeitswissenschaft der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Forschung, Lehre und wissenschaftlicher Beratung mit der nachhaltigen Nutzung von Wäldern und der Bereitstellung und Verarbeitung von Waldprodukten, vornehmlich von Holz. Behm, Cornelia, MdB, Diplom-Agraringenieurin. 1972-1990 Landwirtschaftlichtechnische Assistentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Pflanzenschutzforschung Kleinmachnow und im Bezirkshygieneinstitut Potsdam. Von 1991-1996 TÜV Berlin-Brandenburg (Bereich Umwelttoxikologie), 1997-2002 Brandenburger Umweltministerium. Seit 2002 Sprecherin für Ländliche Entwicklung und für Waldpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bleser, Peter, MdB, seit 1996 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Raiffeisen Warenzentrale Rhein-Main e. G., Köln. Seit 1990 Mitglied des Bundestages. Seit 2005 Vorsitzender der Arbeitsgruppe Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bolte, Andreas, Prof. Dr., 2002 Juniorprofessor für Waldökologie am Institut für Waldbau der Universität Göttingen. 2006 Leiter des Instituts für Waldökologie und Waldinventuren des heutigen Johann Heinrich v. Thünen-Instituts (vTI). Seit 2006 außerplanmäßiger Professor für Waldökologie an der Universität Göttingen. Bruckmeier, Gerhard, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in München. Seit 1981 Tätigkeit in der Kanzlei von Dr. Rudolf Kleeberg. Als Geschäftsführer der Dr. Kleeberg & Partner GmbH, München, betreut er vorrangig Mandanten aus der Land- und Forstwirtschaft sowie große Vermögen in Fragen der Steuerplanung und der unternehmerischen Konzeption. Burger, Roland, Bürgermeister, 1988 Pressesprecher der Stadt Rastatt, 1990 Bürgermeister der Stadt Osterburken, 2005 Bürgermeister der Stadt Buchen. Präsident O. Depenheuer, B. Möhring (Hrsg.), Waldeigentum, DOI 10.1007/978-3-642-00232-8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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der Forstkammer und Vorsitzender des Gemeinsamen Forstausschusses von Städtetag und Gemeindetag Baden-Württemberg. 1. Vizepräsident der Deutschen Waldbesitzerverbände (AGDW), stellv. Vorsitzender des Gemeinsamen Forstausschusses der Kommunalen Spitzenverbände. Crone, Petra, MdB., 1994 Mitglied im Rat (1999-2007 als Vorsitzende der SPDFraktion) der Stadt Kierspe. 2. stv. Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Märkischer Kreis, Mitglied im Landesparteirat Düsseldorf und im Bundesparteirat Berlin. 2009 MdB und Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Wald- und Forstpolitik. Mitglied im Landesparteirat der SPD. Depenheuer, Otto, Dr. jur., Professor. Seit 1999 Lehrstuhl für Allgemeine Staatslehre, Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie sowie Direktor des Seminars für Staatsphilosophie und Rechtspolitik der Universität zu Köln. Vorsitzender des wiss. Beirats der Deutschen Stiftung Eigentum. Dieter, Matthias, Prof. Dr., seit 1999 bei Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft, nunmehr von-Thünen-Institut (vTI), in Hamburg. Seit 2008 Leiter des Instituts für Ökonomie der Forst- und Holzwirtschaft am von-Thünen-Institut. Lehrauftrag an der Universität Göttingen. Elsasser, Peter, Dr., seit 1990 am Institut für Ökonomie der damaligen Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (nunmehr von-Thünen-Institut) in Hamburg. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Umwelt- und Ressourcenökonomie sowie Klimapolitik und Landnutzung. 1995 Promotion mit einer Arbeit über die Bewertung von Schutz- und Erholungsleistungen des Waldes. Finckenstein, Bernhard Graf v., Dr., 1991 bis 1994 Assistent am Institut für Forstökonomie der Universität Göttingen. 1996 Forstamtsleiter in der Landesforstverwaltung von Mecklenburg-Vorpommern. Seit 1998 Lehrauftrag für forstliches Rechnungswesen und Betriebsanalyse an der Universität Göttingen. Leiter des Forstamts Billenhagen in Mecklenburg-Vorpommern. Privater Waldbesitzer. Franz, Thorsten, Privatdozent Dr. iur. habil., Hochschullehrer für Öffentliches Recht. Vertretung einer Professur für Europarecht an der Hochschule Harz im Halberstädter Fachbereich Verwaltungswissenschaften. Dort und an der Universität Halle (Saale) lehrt er rechts- und verwaltungswissenschaftliche Fächer. Froese, Judith, Diplom-Juristin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik der Universität zu Köln (Prof. Dr. Depenheuer). Guttenberg, Philipp Freiherr zu, Leiter eines eigenen Forstbetriebs mit Waldflächen in Österreich, sowie in Oberfranken und Hessen. Seit 2010 Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände. Mitglied im Vorstand des
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Bayerischen Waldbesitzerverbandes. Seit 2007 Vizepräsident des Europäischen Waldbesitzerverbandes (CEPF). Härtel, Ines, Prof. Dr., Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Verwaltungs-, Europa-, Agrar- und Umweltrecht an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Stiftung Eigentum; Herausgeberin der Schriftenreihe zum Umwelt-, Agrar- und Klimaschutzrecht. Happach-Kasan, Christel, Dr., MdB. 1980 Promotion (Dr. rer. nat.). 1992 MdL Schleswig-Holstein, 2002 MdB. Vorsitzende der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz der FDP-Bundestagsfraktion und Sprecherin für Ernährung und Landwirtschaft. Landesvorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Schleswig-Holstein, Vorsitzende des Förderkreises Kulturdenkmal Stecknitzfahrt e.V. und Vorsitzende des Umweltausschusses des SchleswigHolsteinischen Heimatbunds. Hilt, Jerg, Forstassessor, 2004-2006 Referendariat für den höheren Forstdienst in der Landesforstverwaltung Thüringen. Persönlicher Referent des Landesforstchefs im Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt. 2007 Geschäftsführer der Forstkammer Baden-Württemberg. Lampe, Inken, 2006 Rechtsanwältin beim Deutschen Bauernverband, zuständig für Umwelt-, Wettbewerbs-, Saatgut- und Biopatentrecht. Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer. Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Agrarrecht Leben, Norbert, betreibt einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in der Lüneburger Heide. Präsident des Waldbesitzerverbandes Niedersachsen e.V., Vizepräsident der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Waldbesitzerverbände und des Deutschen Forstwirtschaftsrates. Leefken, Georg, Dr., 1993 bis 1998 Forsteinrichter am Niedersächsischen Forstplanungsamt in Wolfenbüttel, anschließend „Grüner Assistent“ an der heutigen Abteilung für Forstökonomie und Forsteinrichtung der Universität Göttingen. 2006 Promotion Dr. forest. promoviert. Langjährige Betreuung des forstlichen Betriebsvergleich in Westfalen-Lippe. Lehmann, Albrecht, Prof. (em.) Dr., Institut für Volkskunde/Kulturanthropologie der Universität Hamburg. Veröffentlichungen (u.a.): Von Menschen und Bäumen. Die Deutschen und ihr Wald“ (1999) Reden über Erfahrung. Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens (2007). Mantau, Udo, 1991 Professor für Ökonomie der Holz- und Forstwirtschaft Universität Hamburg. 1983-1990 Leiter der Marktforschungsabteilung der Heinze
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GmbH, einem Marketingserviceanbieter im Baubereich, Tochter der Bertelsmann AG. Möhring, Bernhard, Prof. Dr., seit 1997 Lehrstuhl für Forstliche Betriebswirtschaftslehre an der Universität Göttingen, nach Studium, Referendarzeit, Promotion und Habilitation Forstamtsleiter im Solling, Vorsitzender des Ausschusses für Betriebswirtschaft des DFWR . Nesselrode, Hermann Graf, Dr., Rechtsanwalt und Steuerberater in München. Promotion zum Thema „Ertragsbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft in Europa“ am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München. Prokurist bei der Dr. Kleeberg & Partner GmbH, München. Oldershausen, Ludolf Freiherr v., Diplom Forstwirt und Eigentümer eines Landund Forstwirtschaftlichen Betriebes in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Als Geschäftsführer der Oldershausen HOFOS GmbH (forstliches Dienstleistungsunternehmen) betreut er große und kleine Forstbetriebe in Deutschland und Österreich. Freiherr v. Oldershausen ist Vorstandsmitglied im Waldbesitzerverband Sachsen-Anhalt und Vorstandsmitglied der AFA-Ost. Polley, Heino, Dr., 1983 Institut für Forstwissenschaften Eberswalde. 1989 Promotion über die Mechanisierung der Durchforstung. Seit 1992 Bundesinventurleiter im heutigen Johann Heinrich v. Thünen-Institut (vTI), Koordinator der wissenschaftlichen Arbeiten zur Bundeswaldinventur. Schmidt, Uwe Eduard, Prof., 1998 Habilitation an der Ludwig-MaximilianUniversität in München („Das Problem der Ressourcenknappheit, dargestellt am Beispiel der Holznot in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert“). 2005 Lehrstuhl für Wald- und Forstgeschichte im Institut für Forst- und Umweltpolitik an der Forst- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i. Br. Schmidt-Jortzig, Edzard , Dr. iur., Professor. 1982-2007 Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 1994-2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. 1996-1998 Bundesminister der Justiz. Of Counsel in der Anwaltskanzlei Schmidt-Jortzig/Petersen/Penzlin. 2002 Vorsitzender des Stiftungsrates der Deutschen Stiftung Eigentum; seit 2008 Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. Spellmann, Hermann, Prof. Dr., 1984 Promotion („Zustandserfassung in Kiefernbeständen mit Hilfe des Luftbildes“). Wiss. Mitarbeiter am Institut für Forsteinrichtung und Ertragskunde der Georg-August-Universität Göttingen und an der Niedersächsischen Forstlichen Versuchsanstalt. 2006 Leiter der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und der Abteilung Waldwachstum. Honorarpro-
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fessor der Universität Göttingen für die Fächer Waldbau, Waldinventur und Waldwachstum. Tackmann, Kirsten, Dr., MdB, Tierärztin. Seit 2005 MdB. Agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Mitglied im Ausschuss für „Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz“ und stellvertretend im Petitionsausschuss tätig. Thoroe, Carsten, 1974 Promotion. Nach Stationen in Wiesbaden (Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung), Kiel (Institut für Weltwirtschaft) und Göttingen (Professur für Volkswirtschaftslehre und Agrarpolitik) 1987 Leitung des neu geschaffenen Instituts für Ökonomie an der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (BFH, Hamburg). 2008 Gründungspräsident des von-Thünen-Institutes (vTI) für Ländliche Räume, Wald und Fischerei (Braunschweig). Wagner, Stefan, Dr., Dipl.-Forstwirt und Rechtsanwalt. 1998 Sozius der Anwaltskanzlei Riethmüller & Dr. Wagner. 1999 der Thurn-und-Taxis-Preis für Forstwissenschaften. 2002 Lehrbeauftragter für „European Environmental Law“ am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München. 2009 nichtberufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Weber, Norbert, Prof. Dr. rer. silv. Seit 2005 Inhaber der Professur für Forstpolitik und Forstliche Ressourcenökonomie der Technischen Universität Dresden. Seine Forschungsinteressen liegen v.a. im Bereich der Forst- und Umweltpolitik in Mehrebenen-Systemen und Netzwerken, informationellen Instrumenten der Forstpolitik sowie der Diversifizierung von Waldlandschaften und deren gesellschaftlicher Bewertung. Wilke, Carsten, Ministerialdirigent, Seit 1986 Hessische Landesforstverwaltung. 2002 Leiter der Abteilung Forsten und Naturschutz im Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Vorstandsvorsitzender der „Stiftung Natura 2000“ des Landes Hessen, Mitglied des Stiftungsvorstands der Stiftung Hessischer Naturschutz, Vorstandsmitglied des Kompetenzzentrums HessenRohstoffe Witzenhausen (HeRo) e.V. Seit 2009 Präsident des Deutschen Forstvereins.