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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Fantasy Spezial
Zauberträume 5
'Zauberträume' ist eine kost...
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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Fantasy Spezial
Zauberträume 5
'Zauberträume' ist eine kostenlose Fantasy Anthologie von www.WARP-online.de, dem Fantastik Magazin. Alle Rechte der Geschichten und Bilder verbleiben bei den jeweiligen Autoren und Künstlern.
Zauberträume 5 Copyright 2003 WARP-online Herausgeber: www.WARP-online.de Satz und Layout: Bernd Timm Alle Texte und Bilder sind bereits jeweils einzeln bei www.WARP-online.de erschienen und zur Veröffentlichung durch WARP-online freigegeben. Die Magazin-Reihe ist eine Sammlung von Beiträgen, die zusätzlichen Kreis interessierter Leser anspricht und die Namen der Autoren und Künstler bekannter macht. Weder das Fehlen noch das Vorhandensein von Warenzeichenkennzeichnungen berührt die Rechtslage eingetragener Warenzeichnungen.
1000 Seiten Fantastik www.WARP-online.de bringt das ganze Spektrum der Fantastik: Bilder, Geschichten, Artikel, Projekte, Reportagen, Interviews, Wissenschaft, Comic, Kostüme, SF-Kabarett, Lyrik, Film-& TV-Projekte, Modelle und mehr!
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Inhalt Cover von Sylvia Polster Die Nacht des Jägers
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von Ewald Rahn In der Welt des Gothic ist Freiheit nur ein Traum und Hoffnung nichts als eine Lüge. Hier folgt man den Weg des Banditen Estwick, der sich nur durch Überlebenswillen und Stärke bisher am Leben gehalten hat ohne Ziel und ohne Plan.
Wenn Shara träumt
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von Andrea Tillmanns Unser Innerstes hat mehr mit der Welt zu tun, als Du denkst. Wetten?
Tiefer Flug und klirrendes Glas
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von Kassaia Es geschah Seltsames in dem Dorf, und des Rätsels Lösung war verborgen. Bis zu dem Tage, an dem wir der Sache auf den Grund gingen...
The uprising - Jagt nach dem Drachenstein
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von Sven Guzy Die Heldengruppe um Sabu versucht in ein Fort des Schwarzen Dieners einzudringen, um ein legendäres Artefakt zu stehlen. Da dieses Fort aber von vielen schwarzen Rittern bewacht wird, entschließt sie sich, einen riskanten Plan durchzuführen...
KLARISS Breitenschild - SCHAM
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von Andreas Fischer Die Leiden und das Geheimnis einer jungen Paladinnovizin. Ist sie Mörderin oder Opfer?
Die achte Welt
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von Thomas Kohlschmidt Wird er sich diese Nacht selbst töten? Begegnung mit einer Erscheinung...
Die Geburt eines Drachen
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von Anthalerero Die wahre Schönheit des Seins liegt oft im Verborgenen. Drei unterschiedliche Freunde erfahren dies auf beeindruckende Weise als sie, verirrt in einem riesigen unterirdischen Labyrinth, mit einem Mythos konfrontiert werden...
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Die Nacht des Jägers von Ewald Rahn
In der Welt des Gothic ist Freiheit nur ein Traum und Hoffnung nichts als eine Lüge. Hier folgt man den Weg des Banditen Estwick, der sich nur durch Überlebenswillen und Stärke bisher am Leben gehalten hat ohne Ziel und ohne Plan.
Die Nacht war bereits angebrochen. Die letzten Strahlen der Sonne hatten sich verflüchtig und es würde noch eine Zeit lang dauern bis man sie wieder zu Gesicht bekäme. Sterne blitzten am Firmament, ein Anblick der wohl jeden sentimentalen Dichter zu Tränen gerührt hätte, wäre da nicht eine Kuppel gewesen die noch immer mit grollenden Lichtblitzen ihre verhasste Existenz bekannt gab und ihn daran erinnerte, wo er sich befand. Diese Erinnerung reichte allein schon aus um Tränen zu Eis zu gefrieren. Aber lassen wir die Sterne und den Mond in Ruhe, die sich nur den Gesetzen der Götter beugen. Der Blick schweift weiter. Man kann jetzt das Alte Lager in seiner ganzen Pracht überblicken. Nun ja, wenn man eine ehrliche Beschreibung suchte, war `Pracht` wohl ein falscher Ausdruck. Das Lager war tatsächlich, wie der Name schon sagte, wirklich alt. Die Wälle, die es umgaben, bestanden überwiegend aus Holz, wobei einige Stellen bereits im Begriff waren zu verrotten. Herum eine Grube, die wohl mal als einen Art Burggraben gedient hatte, doch jetzt ausgedörrt und zu nicht mehr zu gebrauchen dalag. Das Einzige, was sich noch in einem guten Zustand befand, war das Haupttor. Mächtig und imposant ragte es in die Höhe, eines der Dinge, was Neuankömmlinge immer wieder beeindruckte und die Gardisten, die davor hin und her stolzierten. Dahinter befand sich noch eine Wachstube, die noch Platz für Nötige Verstärkung bot. Weniger erwähnenswert: das hintere Hauptohr. Eine Ansammlung von einigen notdürftig zusammengenagelten Bretter mochte einen möglichen Angreifer höchstens für Minuten, wenn nicht gar Sekunden, aufhalten. Außerdem war die Bewachung - so konnte man mit Fug und Recht behaupten - äußerst schlecht. Es ist ein Rätsel, warum man die Sicherheitsvorkehrungen dort immer noch nicht verschärft hatte, trotz der vielen Einbrüche in das Lager, die dort verübt wurden. Man könnte sich streiten, ob es Nostalgie oder der Trägheit der Gardisten zu zuschreiben ist. Die Bewohner, selbst überwiegend Budler, Männer, die vom Leben alles andere als gut behandelt wurden. Es gab zwei Arten von ihnen: die Schwachen, die dazu verdammt waren bis ans Ende ihrer Tage in den Minen zu schuften und die Starken, die entweder schnell starben, weil sie den Mund zu voll nahmen oder sich Gomez anschlossen, weil sie zu intelligent waren, um den Mund zu öffnen (vielleicht auch zu dumm). Die meisten ihrer Behausungen waren schlicht ebenfalls aus Holz und meistens notdürftig ausgerüstet mit Bett und vielleicht sogar einem Tisch oder gar einer Truhe. Allerdings empfahlen sich Truhen in der Kolonie nicht als Aufbewahrungsort, da sie eine Art magische Anziehungskraft auf Diebe zu haben schienen, der sie sich kaum wiedersetzen konnten (was sie eh nie sehr oft taten). Die größten Nachteile, was die Hütten betraf, waren allerdings der Mangeln an Türen (unterstrich das Diebesproblem) und vor allem die Temperatur. Wenn der Tag begann richtig heiß zu werden, begann sich eine Dunstglocke zu entwickeln, die nicht annähernd so groß war, wie die Barriere, aber reichte um das Lager zu umschließen und die dem Geruch einer Müllkippe in nichts nachstand. Nun, man könnte nun mehr auf gewisse Gerüche und das Schloss eingehen, mit seinen meterhohen Mauern und dem Loch an der Rückwand (ebenfalls eines dieser Sicherheitslecks, die nie gestopft wurden). Aber weder das eine, noch das andere ist wichtig für diese 4
Geschichte. Überlassen wir die Erzbarone sich mit ihren kleinen Intrigen und Gomez, der sich mit einer neu eingetroffenen Sklavin beschäftigt, sich selbst und schwenken den Blick vom Haupttor aus nach links. Eine Brücke ist erkennbar darunter ein recht starker Strom, der fast durch die gesamte Kolonie fließt. Darüber hinweg kann man ein Waldstück erkennen. Wälder sind keine Seltenheit an diesem Ort, und auf normale Menschen (die nicht gerade durch eine magische Wand gestoßen wurden und sich mit den Gedanken anfreunden mussten sich für den Rest ihres Lebens von Halsabschneidern, Mördern und anderem Gesocks umgeben zu sein ohne Hoffnung auf Flucht) hätte sie wahrscheinlich eine Wirkung die sie mit einem ´Idyllisch´ beschreiben würden. Das wäre, bevor sie sich mit den exotischen Tierarten konfrontiert sehen würden, die man nicht gerade mit solchen Worten beschreiben konnte. Nur die erfahrendsten Jäger trauten sich tiefer in den Wald als 10 Schritte. Einige schafften es sogar, Wälder zu durchqueren auch wenn sie auf der anderen Seiten mit einigen schwereren Stech- und Bisswunden fertig werden mussten. Die Wälder waren, so konnte es ausgedrückt werden, einer der wohl gefährlichsten Orte überhaupt. Doch sie waren vergleichsweise harmlos, wenn man sie mit Wäldern in der Nacht verglich. Die Nacht war die Zeit der weitaus animalischeren Jäger. Jeder, der noch einigermaßen bei Verstand war, mied sie um jeden Preis. Man konnte die Bedrohung regelecht spüren, die von ihnen ausging und manchmal (wenn man narrhaft genug war, um nahe heranzugehen) konnte man Augen im Mond spiegeln sehen, die einen erwartungsvoll musterten. Augen verschiedener Größen. Spätesten von diesem Zeitpunkt an wusste jeder: Nur Lebensmüde und komplette Vollidioten würden sich nachts in einen solchen Wald hineinwagen. Estwick stolperte. Es war nicht das erste Mal in dieser Nacht, aber diesmal gab es ein besonderes Detail. Er stürzte ins Nichts. Zumindest reichten die Zeit aus sich zu überschlagen und hart genug mit den Rücken auf den Boden zu prallen, dass es ihm die Luft aus den Lungen trieb. Für einen Augenblick blieb er benommen liegen. Sterne tanzten vor seinem Gesicht, die bestimmt nicht zu jenen im Himmel gehörten. Er versuchte Atem zu schöpfen oder zumindest einen klaren Gedanken zu fassen. Langsam, sehr langsam, begann er die Augen wieder zu öffnen. Das erste, was er sah, war der Vorsprung von dem er gestürzt war und an ein Baum, der gefährlich nahe an dessen Rand trohnte. Er machte, wenn man durch Estwicks Augen sah, den Eindruck von einem dieser Mistkerle, die es liebten anderen Leuten ein Bein zu stellen und dann mit einem bösen Grinsen auf ihr Resultat hinabzustarren. Na ja, in diesem Fall bestand das Bein aus einer harten und recht dicken Wurzel die wenige Zentimeter aus dem Boden lugte und, dass der Baum wirklich böse Absichten hatte ist anzuzweifeln (obwohl manchmal Gerüchte über magische Bäume kursierten, die Menschen verschlangen oder sämtliche Knochen im Leib des Unglücklichen brachen, der es wagte, sich an sie zu lehnen um zu rasten. Allerdings hatten betreffende Personen, die dies behaupteten, meistens schon einige Flaschen Reisschnaps intus, was ihre Auskunft deutlich in Frage stellte). Diese Art von Beschreibung war Estwick allerdings fremd. Seine einzige Reaktion war leise das Wort ´Baum` zu knurren. Wie so oft flammte in seinem Inneren die Liste auf, wo alle Personen und Dinge eingetragen waren die das Pech hatten nahe genug an ihn ranzukommen um seinen Zorn zu erwecken. Er setzte einen neuen Eintrag am unteren Rand der Liste betreffend des gerade erwähnten Wortes. Drei andere Worte (bzw. Namen) hatten sogar die Ehre sich in den ersten drei Plätzen wiederzufinden. Die ersten beiden (wenn würde es wundern?) waren Namen, die sich laut darum zankten an der ersten Stelle zu stehen. Als Notlösung hatte Estwick sie fürs Erste nebeneinandergestellt. Diese Gestalten waren nicht 5
annähernd darauf gefasst, welches Schicksal ihnen drohte wenn er hier herauskam. Sie saßen wie viele andere Abends an einem Lagerfeuer, lachten, unterhielten sich und vor allem tranken. Dieser Gedanke alleine reichte aus, um Estwick neue Kraft zu verleihen. Seine Hände öffneten und schlossen sich bei den Gedanken an ihrer Kehlen. Noch langsamer als er die Augen geöffnet hatte begann er aufzustehen. Die Landung war eigentlich recht weich gewesen, wenn man von dem Stein absah den sein linkes Schulterblatt als Landeplatz auserkoren hatte. Hätte er etwas in der Dunkelheit erkennen können, so wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass der Stein spitz gewesen war und in der Lage, einige seiner wichtigeren Organe zu durchstoßen. Zum Glück bestand sein Schutz außer Fellen und Leder auch noch aus einer recht große Platte an der Rückseite, die zwar beim Bergsteigen äußerst hinderlich war, ihn aber vor so unangenehmen Dingen wie Dolche und Bolzen aus dem Hinterhalt beschützte. Diese Platte war es, die ihm hier und schon bei vielen anderen Gelegenheiten das Leben gerettet hatte. Jedoch, so sah man, zollte der Gerettete alles andere als Respekt. Man begnügte sich damit einfach neues Fell über sie zu ziehen, wenn das andere bereits zerkratzt und zerstochen war. Dem zu Folge befand sie sich in einem erdenklich schlechten Zustand, doch bis jetzt hatte sie immer gehalten. Endlich gelang er auf die Füße, allerdings nur, um fast wieder zu stürzen. Es wäre nicht wahr wenn man sagen würde, er hätte Schmerzen gehabt, viel mehr hatte sich eine Gewisse Taubheit eingestellt, die nur träge gewillt war von ihm zu weichen. Er überlegte kurz, entschied dann doch, dass es sich nicht lohnte es auf die Liste zu setzen. Schließlich war er wieder in der Lage den Kopf zu bewegen. Wenn sein Blick ihn nicht täuschte, so befand er sich in einer schmalen Schlucht, die recht gerade verlief. Sie war nicht hoch. Ein kleiner Sprung hätte gereicht, um eine der Kanten zu erreichen, und wenn die lose Erde nicht nachgab konnte man sich leicht hochziehen. Leider war es auch möglich, schnell herunterzukommen, und das stellte für Estwick ein ziemlich großes Problem dar, wenn er etwas intensiver nachdachte (was er so gut wie nie tat. Allerdings wurde sein Intellekt von den meisten so unterschätzt wie ein einzelner Goblin. Aber es stellte sich bald heraus, dass dieser kleine Wicht doch nicht so alleine war, wie es schien und dann hatte man ein wirklich ernstes Problem. Vielleicht wäre sein Gehirn tatsächlich zu großen Taten fähig gewesen, wenn man die nötige Übung hinein investiert hätte. Es ist halt nicht gerade eine geistige Herausforderung, Leuten mit möglichst großen Gegenständen den Schädel einzuschlagen. Wahrscheinlich war es einfach das Prinzip, das traurigerweise von jedem verlangte, sich einer Kategorie zu zuordnen und es kein Zurück mehr gab. Doch es interessierte weder Estwick noch irgend jemand anderen, und das war gut so). Ein plötzliches Knurren ertönte, das so laut war, dass man es anscheinend durch den ganzen Wald hören konnte. Plötzlich erinnerte sich Estwick wieder an Kandidat Nummer Drei in seiner Liste, entweder durch das Geräusch oder durch ihn selbst, als er wenige Sekunden später über ihm aus dem Geäst brach. Man konnte nur die Konturen sehen. Sie wirkten wie eine groteske Mischung aus einem Pferd und einem zu groß geratenen Hund. Auf der Stirn waren die Umrisse eines Horns zu erkennen. Einige kleine Äste und mitgenommene Büsche waren noch zu erkennen, doch die restlichen Merkmale wurden von der Dunkelheit verborgen. Es war keine gute Situation. Ein unbewaffneter Kampf wäre wie eine stille Kapitulation gewesen. Er hatte natürlich versucht zu kämpfen. Mit dem Resultat, dass seine Axt irgendwo zerbrochen dalag, er schon aus einigen kleineren Wunden blutete und das Vieh anscheinend nicht einmal einen Kratzer abbekommen hatte. Jedenfalls gab es keine Verletzungen Preis, als es begann, wild brüllend auf ihn zu zustürmen. Estwick fluchte und drehte sich um, der Fluchtgedanken erreichte seine Beine schneller als sein Hirn. Wenn er sich nicht vollkommen irrte, würde er, wenn er 6
weiterhin das Tempo halten konnte, entkommen. Das Ende wäre entweder die Mine oder das Alte Lager. Es war ihm gleich. Er erreichte endlich das Ende des Waldes. Von weitem konnte er einige Lichter erblicken. Die Türme des alten Lagers strahlten bei Nacht noch mehr Ablehnung aus, als bei Tage doch das war ihm zur Zeit herzlichst egal. Sein Plan, einfach durch das Haupttor zu sprinten und den Gardisten sein Problem Zu überlassen, egal welche Probleme sich dadurch ergaben, wurde jäh unterbrochen als er sah, wie der Mond hinter ihm einen großen Schatten warf, der im Begriff war sich auf seinen zu stürzen. Instinktiv ließ er sich im Lauf zu Seite rollen. Ein Kunststück, das ihm zumindest ansatzweise gelang. Die Klauen seines Verfolger gruben lediglich in Erde, ein Umstand, der selbst ihn zu überraschen schien, denn für einen kurzen Moment stockte er. Allerdings nur einen Moment. Dann fuhr es herum und erblickte Estwick, der anscheinend irgend etwas in seinem Beutel suchte, der an seiner Seite hing (im Gegensatz zu ihm konnte er hervorragend im Dunkeln sehen). Wieder sprang er mit einem gewaltigen Satz auf ihn zu, und dieses mal wich Estwick nicht aus. Ein harter Aufprall von Fleisch auf Fleisch folgte, der die Kontrahenten zu Boden riss. Das Wesen klappte das Maul auf, in dem sich wohl einige große und vor allem scharfe Zähne befinden mussten. Man konnte es nicht erkennen. Estwick hob entschlossen den Arm, packte das Biest beim Unterkiefer und stemmte es hoch. Entsetzt musste es bemerken, dass sich in dem Arm des Mannes mehr, und vor allem besser ausgebildete, Muskeln befanden, als in seinem Kiefer. Langsam klappte das Maul wieder zu. Ein leises Knacken war zu vernehmen. Während dieser unangenehm anzusehenden Szene kramte Estwick mit dem anderen Arm weiter im Beutel. Schließlich fand er, was er suchte. Trotz der Stürze, Attacken und anderen diversen Geschehnissen war sie nicht zerbrochen. Sie schnitt ihm sogar fröhlich in den Finger, als er sie berührte. Er gab ein leises Grummeln von sich, soweit sein Atem dies noch zu ließ, und holte sein Rasiermesser hervor. Er hatte den Kopf der Monstrosität soweit gehoben, dass die normalerweise heimtückischen Augen jetzt in Panik verfallen den blassen Mond anstarten. Die Beine zuckten, als es auf die Idee kam einfach zurückzuspringen, doch dann war es auch schon zu spät. Mit kühler Entschlossenheit holte er so weit es ging aus und versetzte der Kehle einen Streich. Es versuchte zu brüllen, doch nur einem gequältes Röcheln verließ den Hals. Es wandte sich von ihm ab. Mit einer gewissen Zufriedenheit beobachtete Estwick die letzten Atemzüge, als es noch vergeblich versuchte in den Wald zu flüchten, jedoch schnell zusammenbrach. Nach einigen Sekunden war es vorbei. Der Sieger erhob sich langsam, und als er zu seinem bezwungenen Feind ging, dachte er zu sich, dass Flucht wirklich nie sein Ding gewesen war. Nach wenigen Minuten hatte er das Horn von dem Besitzer entfernt, der sich nicht sonderlich beschwerte. Ein Wort wurde von der Liste gestrichen, und das stimmte Estwick wieder in eine etwas heitere Stimmung, doch es gab in dieser Nacht noch viel zu tun. Er wandte sich dem Wald zu, den er vorher so fluchtartig verlassen hatte. Es war noch ein langer Weg zurück zum neuen Lager. Das Horn war zu groß um verstaut zu werden, also diente es ihm fürs erste als improvisierte Keule, die er wahrscheinlich bald gegen bares Erz eintauschen würde. Als er durch den Wald schritt bemerkte er gar nicht erst wie ruhig es geworden war. Selbst Wölfe bekam er in dieser Nacht nicht mehr zu Gesicht. Aber seine Gedanken waren weit fort: bei einem ganz speziellen Lagerfeuer...
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Wenn Shara träumt von Andrea Tillmanns
Unser Innerstes hat mehr mit der Welt zu tun, als Du denkst. Wetten?
Shara träumte einen Traum... ...und wurde von einem gräßlichen Metallungeheuer mit ungeheurer Wucht in die Luft geschleudert und spürte im Flug die gebrochenen Knochen, bevor sie mit einem Schrei erwachte. Es ging ein Tag, und Shara setzte ihren Weg durch die dunklen Wälder von Amelor fort, sicheren Schrittes, fast übervorsichtig, wie sie es gelernt hatte. Am Abend wickelte sie sich fest in ihren bequemen Wollumhang, trat die letzten Funken des Feuers aus und legte sich zur Ruhe. Und sie träumte einen Traum... ...und fand kaum Zeit, sich in der seltsam fremden Kälte umzusehen, die merkwürdigen Steinbauten zu bestaunen, ehe sie einen Knall hörte, dann einen weiteren und noch im Erwachen spürte, wie etwas in ihrem Körper zerriß, und sie tastete verwundert über ihre Brust, wo eben noch etwas Schreckliches den Ausgang aus ihrem Körper zu suchen schien. Ein Tag verging, an dem sie die Wälder verließ und die Nebelfelder von Celefat erreichte, und Shara durchquerte sie bis zur Hälfte, bevor die Dunkelheit sie schlagartig umfing und sie sich nur mühsam durch ein hohes, dorniges Gebüsch den Weg zu einer kleinen, geschützten Stelle bahnen konnte, wo sie sicher niemand im Schlaf aufspüren würde. Und Shara träumte... ...und sah fassungslos in die unbegreifliche Tiefe, bevor sie den Schlag in ihrem Rücken kaum spürte und minutenlang immer schneller fiel und die Erde immer näher kam, ehe sie schließlich schweißgebadet und mit wild klopfendem Herzen aufwachte und sich erstaunt fragte, warum der Traum ihr die gnädige Ohnmacht vor dem Aufprall verwehrt hatte. Der dritte Tag ging vorüber, und Shara erreichte das Ende des Nebels und betrat das Ödland von Garminis und begann zu begreifen, daß es wohl der Zauberer Maglith sein mußte, der ihr in jeder Nacht aufs Neue den Tod brachte. Und sie versuchte, den tödlichen Schlaf nicht zu schlafen, und hatte kaum diesen Gedanken zu Ende gedacht, als sie schon den Kampf verlor. Und sie träumte einen Traum... ...und zog ihr Schwert in einer einzigen flüssigen Bewegung und spaltete ihrem vor Entsetzen starren Gegenüber mit einem Schlag den Schädel und fand noch kurz Zeit, die seltsamen Steingebäude um sie herum zu betrachten, bevor das Messer des zweiten Mannes sich von hinten durch ihre Kehle bohrte, und bereits beim Hochschrecken von ihrem harten Lager spürte sie die Angst vor der nächsten Nacht. Es ging der vierte Tag, und sie erreichte das dunkle Moor von Lur'Api, und noch immer fand sie kein Zeichen der Festung des Zauberers Maglith, dem sie für den Mord an ihrem Bruder Blutrache geschworen hatte, und stärker als zuvor fühlte sie die von Tag zu Tag wachsende Müdigkeit und ihre immer größer werdende Angst vor der Nacht, aber diesmal auch eine prickelnde Spannung bei dem Gedanken, vielleicht doch zumindest im Traum siegen zu können. Und so träumte Shara wieder... ...und griff nach ihrem Schwert und fand es nicht und sah sich verwundert mit dünnem Stoff bekleidet und bemerkte erst im letzten Moment den auf sie zustürzenden Stier und konnte dem Horn nicht mehr ausweichen, das sich in ihren Leib bohrte und sie gegen eine Holzwand warf und sich wieder näherte, bevor der Schmerz sie überwältigte und sie keuchend erwachte und sich über das Schwert an ihrem Waffengurt fast wunderte. Der fünfte Tag verging, und Shara gelangte in die Wüste von Katharal, und sie suchte 8
verzweifelt eine Oase und fand keine, und während die sengende Sonne ihre nackten Arme und das ungeschützte Gesicht zu verbrennen schien und der letzte Tropfen Wasser ihre ausgetrocknete Zunge nur kurz benetzte, phantasierte sie von ihrem bevorstehendem Kampf mit dem Zauberer Maglith und sah sich auf unendlich viele Arten verlieren und sterben und wäre fast umgekehrt, hätte sie die Kraft zu einer Entscheidung gehabt. Und sie schaffte es in der plötzlich einfallenden Dunkelheit gerade noch, den ausgelaugten Körper mit ihrem Umhang gegen die beißende Kälte der Nacht zu schützen, bevor sie in tiefen Schlaf fiel. Und sie träumte einen Traum... ...und hätte sich auch mit ihrem Schwert nicht gegen die kleine Spinne wehren können, deren Gift so langsam wirkte, daß Shara endlich genügend Zeit fand, ihren Körper zu betrachten, und so beim Hinübergleiten in die Wirklichkeit eher das Entsetzen über den unbekannten Körper als über ihren erneuten Tod verspürte. Es ging der sechste Tag, und sie erreichte am Ende ihrer Kraft gerade noch den Rand der Wüste und schleppte sich weiter durch das trügerische Grün der riesigen, fleischfressenden Pflanzen von Mundigad bis zu einer Quelle, die ihren Durst stillte und das Feuer löschte, das ihren ganzen Körper gefangen zu halten schien. Und sie vergaß ihre Angst vor den Träumen, während sie Pläne schmiedete, dem geträumten Tod zu entkommen, und versuchte abends, kurz vor dem endgültigen Hinübergleiten in den unausweichlichen Schlaf, mit aller Macht an eine starke Frau zu denken, deren Körper Sharas Selbst zum Überleben verhelfen konnte. Und wieder träumte Shara... ...und konnte sich noch einen Moment lang auf dem wilden Pferd halten, bevor es sie in den Staub schleuderte und die Vorderläufe auf ihren Kopf herabzufallen schienen und sie noch im Erwachen ihren Angstschrei hörte. Und der siebte Tag ging vorüber, und sie überlebte die tückischen Sümpfe von Peyliwir und starb als Barmädchen an den Schlägen einer Horde Betrunkener. Der achte Tag verging, und Shara durchquerte die Berge von Damilos und wurde als Botschafterin irgendeines Landes von der Hand eines Attentäters getötet. Es ging der neunte Tag, und sie bezwang die reißenden Flüsse von Hrollah und fiel als Soldatin im Trommelfeuer eines unnützen Krieges. Der zehnte Tag ging vorüber, und Shara ging durch Sonne und wurde als Leibwächterin von einer Autobombe zerrissen. Und es verging der elfte Tag, und Shara ging durch Regen und starb als Mörderin an dem lautlosen Gift, das in der engen Zelle durch jede Pore ihres Körpers zu dringen schien. Am zwölften Tag gab sie auf. Und nachts träumte Shara... ...und sie war Sarah. Und sie war blind und unbewaffnet. Und Sarah überlebte. Und sie legte sich auf einem harten Bett in einer ärmlichen Kammer zur Ruhe und schlief ein. Und Sarah träumte... ...und ging unbeirrt geradewegs auf die unsichtbare Festung des Zauberers Maglith zu und stellte sich ihm zum Kampf und sah noch sein höhnisches Lachen, bevor ihr Traumschwert seinen Kopf vom Körper trennte, und war einen Moment lang beide Frauen, ehe sie wieder nur noch Shara war, in der Festung des toten Zauberers, im unsichtbaren Land, umgeben von den dunklen Wäldern von Amelor, den Nebelfeldern von Celefat, dem Ödland von Garminis, dem Moor von Lur'Api, der Wüste von Katharal, den fleischfressenden Pflanzen von Mundigad, den Sümpfen von Peyliwir, den Bergen von Damilos, den Flüssen von Hrollah, von Sonne und Regen, und nicht weit von ihres Vaters Haus, zu dem sie nun die sicheren, aber nicht mehr übervorsichtigen Schritte lenkte.
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Tiefer Flug und klirrendes Glas von Kassaia
Es geschah Seltsames in dem Dorf, und des Rätsels Lösung war verborgen. Bis zu dem Tage, an dem wir der Sache auf den Grund gingen...
"... so konnte ich mich mit letzter Kraft befreien." Sri Lanka stößt den Atem, den sie angehalten hat, mit einem Laut des Erstaunens aus: "Oh!! Da hast du aber wirklich sehr viel Glück und noch mehr Geschick gehabt. So aus der Sache herausgekommen zu sein. Ich weiß nicht, ob ich das gekonnt hätte?" "Aber, aber" erwidert ihr dickbäuchiges, älteres Gegenüber. "Wer es aus Batam bis nach Mayatun geschafft hat, muss so manches er- und überlebt haben." John MacDowny prostet ihr zu und nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem Methorn. "Und deinen Morgenstern dort kann man wohl kaum als Zahnstocher bezeichnen. Ich wette, damit hast du schon so manchen Banditen und sicherlich auch den einen oder anderen Schwarzalben dorthin geschickt, wo sie hingehören!" "Nun ja," entkommt es ihr kleinlaut, "aber immer nur um mich oder andere zu schützen! Was kann ich dafür, wenn sie mich angreifen? So wie dieser Kerl damals mit seinem Anderthalbhänder. - Obwohl, da habe ich `Schützmich´ eigentlich gar nicht gebraucht." "Anderthalbhänder? Das hört sich interessant an. Los, nimm noch einen kräftigen Schluck und erzähl mal!" John prostet ihr nochmals zu und setzt sich dann auffordernd hin. Jetzt war die Reihe wohl an ihr, und wenn sie schon eine Geschichte zum Besten geben musste, dann die mit dem Schwarzalben - MacDowny hasste Schwarzalben. Sie rückt sich zurecht und schüttelt leicht die Weinnebel aus ihrem Kopf. Dieser Wein hat es wirklich in sich, doch nach wenigen Sätzen hat sie die Erzähllust gepackt. "Es ist schon ein paar Jahre her. Ich war damals gerade erst von meinem damaligen Mentor zurückgekehrt, dort traf ich übrigens auch auf Brizzel, und hatte mir gerade mein schönes Fass erworben. Nun ja, in Corinnes gab es so manches Neue für mich, doch lange konnte ich mich nicht dort aufhalten. Ich sollte in ein kleines Obstdorf - wie hieß das nur? - reisen, um etwas zu finden. Der Weg dort hin war schon nicht leicht und fast wäre ich bei meiner Totengöttin gelandet, wäre Hepp Nepp nicht aufgetaucht. Ich war damals halt noch sehr unerfahren. Als ich dann endlich in dieser Obstschnapsbrennergemeinschaft ankam, war es schon sehr eigenartig. Milch gab es dort nicht und Obstler auch nicht. Zumindest nicht morgens. Jede Nacht geronn die Milch, wurde der Wein zu Essig und irgendein Kind wurde krank. Auch die Tiere waren völlig unruhig. Morgens schon nassgeschwitzt. Tagsüber war alles relativ normal. Nur nachts schien hier etwas eigenartiges vorzugehen. So beschloss ich, gleich am ersten Morgen einen gründlichen Rundgang zu machen. Dabei sah ich mir auch eines der Kinder an, die krank waren. Die Berufsehre, du verstehst? Doch ich konnte nicht das Geringste erkennen. Am Abend vorher jedoch waren mir schon zwei eigenartige Gestalten aufgefallen. Ein sehr blasser, großer Mann, der sehr unhöflich war. Und eine hässliche Frau. Ich hatte versucht, den Mann zu verfolgen, doch er war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Genauso plötzlich war die Frau aufgetaucht. Ich weiß nicht mehr wieso, doch diese beiden Gestalten gefielen mir nicht. Wie recht ich damit hatte, erfuhr ich erst viel später und mit ziemlicher Deutlichkeit. An dem besagten Morgen, sprach ich mit einigen Dorfbewohnern, die mir zögerlich von dem Erwähnten berichteten. Sie waren nicht sehr gesprächig. Doch der alte Mann am Ende des Dorfes war da anders. Wahrscheinlich war er froh, endlich jemanden zu haben, der sich mit ihm unterhielt. Er erzählte mir von dem Berg im Norden. Gar schauerliche Dinge sollten dort früher geschehen sein. Und angeblich wäre nie jemand zurückgekehrt, der dort für Ordnung sorgen wollte. Wie du dir sicher vorstellen kannst, war meine Neugier jetzt vollends geweckt. 10
Ich versicherte dem Alten, dass ich diesen Berg, den er mir vorsichtshalber gezeigt hatte damit ich nicht aus Versehen dorthin ginge, meiden würde wie die Pest und schlenderte in die entgegengesetzte Richtung davon. Doch da es dort vor Obstbäumen nur so wimmelte, gelangte ich recht schnell und ungesehen zu jenem Ort. Unterwegs traf ich noch auf Lix, ein kleiner Fee, der mir später noch sehr hilfreich sein sollte. Es war ein beschwerlicher Aufstieg durch Bäume und Sträucher, doch ich wollte unbedingt wissen, was es dort oben gab. Insgeheim malte ich mir alte Ruinen aus, die vor Abenteuer und Schätzen nur so überquollen. Doch stell dir meine Enttäuschung vor, als ich dort auf der kleinen Lichtung nur einen alten Brunnen vor fand. Sollte das etwa alles sein? Ich wollte es nicht glauben. Also setzte ich Brizzel in den Eimer und senkte ihn ab. Und siehe da, direkt oberhalb des Wassers gab es einen Eingang in der Wand, mit einem kleinen Tritt davor. Endlich konnte es losgehen. Brizzel blieb gleich unten und so kletterte ich mit `Schlangenfresser´ auf der Schulter an dem Seil herunter. Lix weigerte sich standhaft - Feen und ihre Tunnelangst! Die Öffnung führte in eine Wendeltreppe, und die war wirklich etwas Besonderes! Wir müssen stundenlang auf und ab gewandert sein, bis ich bemerkte, dass wir uns gar nicht so weit vom Eingang entfernt hatten. Jemand hatte die Treppe mit einer Illusion versehen, so dass man zu gehen glaubte, obwohl man die ganze Zeit auf der Stelle trat. Doch nach dem ich es einmal durchschaut hatte, war der Zauber gebrochen. Und meine Neugier wieder gestiegen. Was mit Magie geschützt war, musste große Schätze verbergen! Doch jetzt kletterten wir erst einmal wieder hinaus. Drachen, auch kleine, können sehr unerfreulich sein, wenn sie Hunger bekommen. Oben wartete Lix auf uns. Wir berichteten, was wir erlebt hatten und wollten uns gerade auf den Rückweg machen, als ich etwas Blinkendes am gegenüberliegenden Waldrand in einem Busch entdeckte. Und dann war er auch schon da! Groß, breit mit ärgerlichem Gesichtsausdruck, als wären wir unbefugt in sein Heim eingedrungen. Dieser blasse, unhöfliche Kerl aus der Schenke im Dorf. Seinen Anderthalbhänder locker in der Rechten schwingend kam er auf uns zu. Lix flüchtete sofort in Richtung Bäume, um sich zu verstecken - er war voller Angst! Es dauerte einen Lidschlag bis ich begriff, was Hepp Nepp am Vorabend damit gemeint hatte, als er sagte, dass mit Schwarzalben nicht gut Kirschen essen sei. Was tun? Ich nahm all meinen Mut zusammen und versuchte ihm seine Kraft zu rauben und tatsächlich, ich fühlte, dass es geklappt hatte. Doch leider traf die gewünschte Reaktion nicht ein. Statt verwirrt stehen zu bleiben, stockte dieser nur eine Sekunde, nahm das Schwert in beide Hände und rannte - jetzt sichtlich wütend - auf mich zu. Ich hatte mein `Pulver´ wohl falsch eingesetzt! Also nichts wie die Beine in die Hand und Schlangenfresser in eine Tasche und weg von hier. Ich rannte so schnell mich meine Füße nur trugen, ein paar mal wäre ich fast gestolpert, doch konnte ich mich immer gerade noch rechtzeitig wieder fangen. Unterdessen versuchte Brizzel mit seinem heißem Atem unseren Verfolger etwas anzusengen, doch leider ohne sichtlichen Erfolg. Auch Lix aus seinem Versteck heraus - ließ sich nicht lumpen, handelte es sich doch um seinen erklärten Erzfeind. Er war wirklich mutig, wenn man bedenkt wie viel Angst Feen von Geburt an vor diesen Geschöpfen der Nacht haben. Doch das Glück war mir holt. Dieser breite Kerl passte nicht so gut durch die Büsche und fiel einmal auf seine hässliche Nase. Das gab mir den Vorsprung den ich brauchte, um mich auf einen Baum in Sicherheit und aus seiner Sicht zu bringen. Lix und Brizzel schafften es kurz darauf auch. Zwar wanderte der Unhold noch einige Zeit suchend in der Gegend umher und einmal kam er mir auch bedenklich nahe, doch er konnte mich nicht entdecken. Es war dann schon später Abend als wir zu viert endlich die Scheune hinter der Schenke erreichten. Wir berieten uns noch lang, was wir jetzt unternehmen sollten, während Brizzel für uns Wache hielt. Schließlich einigten wir uns darauf, unsere Zelte hier abzubrechen und ein Lager auf der anderen Seite des Berges aufzuschlagen. Noch in der selben Nacht machten wir uns auf den Weg. Irgendwie schaffte ich es am folgenden Tag Lix davon zu überzeugen, dass er mit uns in den Brunnen absteigen musste. Wir verbrachten einige Zeit auf dieser 11
Treppe, fanden vielerlei Hinweise auf Fallen an den Wänden, die von vorherigen `Besuchern´ stammen mussten. Schließlich kamen wir an eine Tür, durch deren Schlüsselloch ich die hässlich Frau Gedanken versunken und murmelnd sehen konnte. Dort standen auch viele Steinstatuen herum, die mir sehr kunstvoll, ja sogar lebensecht vorkamen. Was sollten wir jetzt tun? Dort war ganz eindeutig eine sehr begabte Magierin am Werke und versperrte mir den Weg zu meinem Auftrag. Diese schien dort mit irgendeinem Zauber zu kämpfen. Doch ohne sichtlichen Erfolg. Nach jeder Konzentrationsphase folgte eine Ruhepause, in der sie in ihrer Tasche kramte. Ich hatte sie längere Zeit beobachtet, bevor ich beschloss, genau so eine Pause zu nutzen und einfach den Raum zu stürmen und mich auf sie zu stürzen. Echte Magier reagieren sehr empfindlich, wenn sie von einem Morgenstern getroffen werden. Gedacht, getan. Ich informierte meine Mitstreiter über meinen Plan und schon stießen wir die Tür auf. Ich weiß nicht, ob es Glück war oder einfach nur unser Anblick, der ihren Zauber in der Luft vergehen lies. Doch ich glaube, es war letzteres! Wild schreiend sprangen wir in den Raum. Mein Mungo Schlangenfresser, Fee Lix, Kobalddrache Brizzel und eine kleine Frau mit Kutte und wild schwingendem Morgenstern. Schnell hatte ich sie zu Boden gerungen und konnte sie nach kurzem Gerangel bewusstlos schlagen. Das war erst einmal geschafft! Doch was nun? Sie würde nicht ewig ohnmächtig bleiben. Auf eine kleine Unterhaltung würde sie sich danach sicher nicht einlassen. Also musste sie gefesselt werden. Ihre Hände auf den Rücken und mit den Füßen verbunden. So konnte sie nicht mehr aufstehen und auch nicht mehr mit ihren Händen zaubern. Aber sie konnte ja noch reden. Also einen Knebel in den Mund. Doch gab es da nicht noch eine Art? Die beherrschte sie sicherlich auch - also zu guter Letzt noch einen Sack über den Kopf, damit sie nichts sehen konnte. So verschnürt konnte ich mir in aller Ruhe ihre Sachen ansehen, um herauszufinden, was bzw. wer sie eigentlich war. Leider hatte ich dann doch nicht die Ruhe, um ihre Schriften genau zu studieren, zumindest wusste ich nun schon, dass es sich bei ihr um eine sehr finstere Magierin handelte. Daher hatte ich auch kein schlechtes Gewissen, als wir beschlossen, für heute diesen eigenartigen Raum zu verlassen. Wenn wir nicht wieder kamen, so doch sicher jemand anderes. Oben angekommen, musste ich wieder an das plötzliche Auftauchen des Schwarzalben denken. Wie ich erfahren hatte, verschwand er immer um die selbe Zeit aus dem Wirtshaus. Wie konnte er da so schnell auf dem Berg ankommen sein? Ich selbst hatte erheblich länger gebraucht. Unterdessen lag mir Lix die ganze Zeit mit seiner Angst vor diesem Kerl im Nacken. Er musste jetzt bald auftauchen und Lix wollte ihm nicht noch einmal begegnen. Feen können in solchen Dingen ziemlich hartnäckig sein. Etwas hatte in jenem Busch geblinkt bevor er aufgetaucht war, also wanderte ich dorthin. Und tatsächlich, dieser Hundesohn hatte geschummelt! Unter diesem mittlerweile angewelkten Busch lugte ein Stück Kuhfell heraus. Er hatte die Mächte und das Fell benutzt, um hierher zu kommen, statt wie ehrliche Leute zu Fuß zu gehen. Noch ganz erstaunt darüber, dass ein offensichtlicher Krieger so etwas zustande brachte, keimte in mir eine heimtückische Idee. Flugs schickte ich Brizzel und Lix mit dem Fell auf den höchsten Baum des Waldrandes und ließ es dort von ihnen befestigen, bevor wir uns auf die Lauer legten. Wir warteten schon eine geraume Zeit und ich hatte schon Angst, dieser Schurke würde ausnahmsweise zu Fuß kommen, als sich jemand auf dem Kuhfell materialisierte. Wir vernahmen noch das Wort `Abwärts´ bevor genau das mit ihm geschah. Gemeiner Weise hatte ich das Fell verkehrt herum anbinden lassen. 20 Meter! Viel war von ihm nicht mehr übrig. Ich glaube, er war schon fast unten, bevor er überhaupt merkte, dass etwas nicht stimmen konnte. Von diesem Moment an, war Lix wesentlich fröhlicher. In unserem neuen Lager angekommen, konnte ich nach einem Kanten Brot und einem Stück Käse in aller Ruhe die Schriften der unsäglichen Zauberin lesen. Es war eine Art Tagebuch. Daher nur so viel: Beide, der Schwarzalb und die Magierin hatten sich den dunklen Mächten 12
verschrieben. Die Frau sogar so sehr, dass sie für die unnatürlichen Vorgänge in dem angrenzenden Dorf durch ihre bloße Anwesenheit verantwortlich war. Am nächsten Morgen stiegen wir ausgeruht und frisch gestärkt den Berg wieder herauf. Da wir jetzt das Losungswort kannten, benutzten wir das Kuhfell, um in den Brunnenraum zu gelangen. Dort wartete immer noch gefesselt, die Magierin auf uns. So wie ich sie verpackt hatte, hatte ich keine Angst vor ihr. Doch wie hatte ich mich geirrt! Kaum hatten wir den Raum betreten, als sie sich auch schon rührte. Ich zückte reflexartig meinen Morgenstern und schritt auf sie zu. Da fühlte ich auch schon ein eigenartiges Kribbeln auf der Haut. In meinem Kopf rasten die Gedanken. Sie hatte es geschafft und mich verzaubert. Keine Ahnung wie sie das gemacht hatte, doch sie hatte es. Ich spürte, dass schnelles Handeln angeraten war. Ich wollte sie erneut bewusstlos schlagen. Doch meine Arme wurden langsam starr und durchscheinend. Konnte ich sie so noch treffen, blitzartig stellte ich mich breitbeinig über sie. So musste es gehen, den Arm einfach gerade fallen lassen. Das konnte doch eigentlich nicht daneben gehen - und wenn doch? Meine rechte Schulter begann zu knirschen und ich ließ einfach `Schützmich´ seine Arbeit tun. Es gab ein sehr unschönes Geräusch. Soviel bekam ich noch mit, dann konnte ich mich nicht mehr rühren. Ich wäre wohl als weitere Statue in diesem Raum geblieben, hätte Lix nicht geistesgegenwärtig seine wirkliche Stärke bewiesen. Auf Anhieb hatte er es geschafft, den Zauber der nun nicht mehr sehr lebendigen Magierin zu brechen. Das war das erste bösartige Blut, das `Schützmich´ zu schmecken bekam - und er hat seinen Appetit daran bisher noch nicht verloren."
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The uprising - Jagt nach dem Drachenstein von Sven Guzy
Die Heldengruppe um Sabu versucht in ein Fort des Schwarzen Dieners einzudringen, um ein legendäres Artefakt zu stehlen. Da dieses Fort aber von vielen schwarzen Rittern bewacht wird, entschließt sie sich, einen riskanten Plan durchzuführen...
Gasundrall Jeshuk ging mit langsamem Schritt den schneebedeckten Weg hinauf zum Lager der schwarzen Ritter. Es war tiefste Nacht. Der Mond hatte sich hinter einigen Wolken versteckt, so dass lediglich der Schein der beiden Fackeln, die auf jeweils einem der zwei Wachtürme vor ihm brannten, ein schwaches, flackerndes Licht spendeten. In seiner Hand spielte der Paladin mit der Trillerpfeife herum, die Sabu ihm gegeben hatte. Jetzt würde es gleich soweit sein, dachte er sich. Er zählte seine Schritte. Nur noch etwa hundertfünfzig Meter trennten ihn von dem hölzernen Tor, hinter dem sich seine Feinde befanden. Die Idee, das Lager auf diese Weise zu stürmen, war nicht seine gewesen. Trotzdem hatte er seine Zustimmung dazu gegeben. Er hatte die ruhmreiche Aufgabe übernommen, auf der nördlichen Seite des Lagers für Aufregung zu sorgen und die Wachen abzulenken. Der Rest der Gruppe, Sabu, Gix, Chiwat, Talat und Titlo würden dann hoffentlich unbemerkt von Süden irgendwie die Umzäunung überwinden, unbemerkt in das Lager eindringen und nach diesem ominösen Drachenstein suchen. Welche Bedeutung der Drachenstein eigentlich hatte, wusste Gasundrall nicht. Er hatte zwar die ganze Zeit den Erklärungen Sabus gelauscht, doch hatte er nicht verstanden, was an dem Stein so interessant war. Mit der Hilfe dieses Artefaktes konnte man ein Dimensionstor öffnen, hatte man ihm gesagt. Doch der Paladin hatte nur mit einem Schulterzucken abgewunken und geantwortet, dass er sich für derlei magischen Unfug nicht interessieren würde. Das, was ihn aber dann doch interessierte, war die Tatsache, dass man dem Bösen dieser Welt schaden würde, wenn man ihm diesen Schatz entwendete. Deswegen hatte er auch ohne zu murren eingewillt, den anderen zu helfen und sich sogar für den risikoreichsten Part bei dieser Aktion gemeldet. Tief in seinem Herzen glaubte Gasundrall auch, dass er der einzige war, der diese Aufgabe souverän durchführen konnte. Wie er genau die Wachen ablenken würde, wusste der Paladin im Moment noch nicht. Das war auch nicht entscheidend. Er musste den anderen nur genügend Zeit verschaffen, damit sie sich lange genug im Lager umsehen konnten, bis sie den Stein gefunden hatten. Das einzige, das mit ihnen abgesprochen war, war der Pfiff, den er geben musste, um den anderen zu signalisieren, dass er mit seinem Ablenkungsmanöver beginnen würde. Gasundrall blieb stehen und schaute auf die beiden Wachtürme. Er überprüfte nochmals den Sitz seines Schwerts an der Seite und klopfte zuversichtlich auf seinen Schild. Er grinste. Auch wenn Fürst Vertago oder der Schwarze Diener persönlich in diesem Lager diese Nacht verbrachten, so wollte er sich ganz auf die Macht seiner Gottheit verlassen und hoffen, dass sie ihn unbeschadet dieses Abenteuer überleben lassen würde. Er genoss noch ein letztes Mal die Stille um sich herum und atmete tief ein. Jetzt kam es darauf an. Er führte die silberne Pfeife an die Lippen und blies. Ein schriller Ton hallte im ganzen Tal wider. Das war der Startschuss! Nun gab es kein Zurück mehr! Entschlossen stapfte Gasundrall weiter durch den Schnee, winkte mit seiner rechten Hand und schrie einfach: "He! Ihr alle! Kommt heraus, ihr Feiglinge!" Kenton Brunck und Laaron Tark hatten in dieser Nacht die zweite Nachtschicht auf dem rechten Turm des befestigten Lagers in den Blauen Bergen. Sie waren froh, nicht wie ihre Kameraden an der Front gegen die Zwerge kämpfen zu müssen und dafür ausgesucht worden zu sein, hier in der Garnison ihren Dienst zu verrichten. Auch wenn sie vierzehn Stunden 14
täglich auf einem Turm in einer verlassenen Gegend Wache halten mussten und sich dabei zu Tode langweilten, war ihnen diese Aufgabe lieber, als mit gesammelten Tapferkeitsorden im Kampf zu fallen. Doch auch wenn sie sich über ihr Schicksal freuten, so fragten sie sich nach dem Sinn, so viele Ritter hier in den Bergen zu stationieren. Welcher Feind sollte hier auftauchen? Die Kämpfe waren weiter im Norden und der Standort des Lagers war alles andere als strategisch von Vorteil. Warum der Schwarze Diener angeordnet hatte, ausgerechnet hier in einer Talsenke die Warlockschule und den schwarzen Turm des Westens zu errichten, konnte sich weder Kenton noch Laaron erklären, zumal nur einige Meter von hier entfernt geeignetere Standorte für ein Lager gewesen wären. Doch über solche Dinge redete man hier nicht. Niemand würde es wagen, öffentlich die Entscheidungen des Schwarzen Dieners zu kritisieren. So nahm man es einfach hin, hier zu stehen und auf seine Schlafpause zu warten. So standen Kenton und Laaron auch in dieser Nacht einfach nur auf ihrem Posten herum, ohne eigentlich ihren Pflichten nachzukommen und die Gegend im Auge zu behalten. Sie spielten Karten und sorgten sich um nichts. Immerhin war das hier bereits ihr 46. Diensttag in Folge ohne dass sich etwas groß verändert hatte. Sie wären wohl auch niemals auf den Ritter draußen im Schnee aufmerksam geworden, wenn er sich nicht gerade mit einer Trillerpfeife bemerkbar gemacht hätte. Erstaunt schreckten die beiden Wächter auf und legten das Kartenspiel zur Seite. Sie schauten fragend einander an. "Hat man gesagt, der Versorgungskarren würde dieses Mal in der Nacht kommen?", fragte Laaron verwundert. Noch bevor Kenton eine Antwort geben konnte, hörten sie das Gebrüll eines Menschen aus der Dunkelheit: "He! Ihr alle! Kommt heraus, ihr Feiglinge!" Kenton schaute blinzelnd nach unten und sah, wie sich ein Ritter mit Kettenhemd langsam durch den Schnee zum Tor kämpfte. Ungläubig starrte der Wachsoldat auf den Wappenrock des unbekannten Neuankömmlings und erkannte das Zeichen von Minas Tirith. "Wer seid Ihr?", fragte Kenton. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: "Ich bin der Anführer dieser mächtigen Armee." Kenton und Laaron schauten einander verwundert an. Wovon redete dieser Kerl eigentlich? "Welche Armee?", fragte Kenton weiter. Der Ritter aus Minas Tirith zeigte hinter sich und antwortete: "Diese unsichtbare Armee hinter mir." Die Wachen brachen in schallendes Gelächter aus. Laaron zuckte schließlich die Schulter und sagte zu Kenton: "Wahrscheinlich ist das der Vorbote der erwarteten Kundschafter, die Meldung über die Zwergenaktivitäten im Westen machen sollen. Der ist wohl auch mit den Nerven runter..." "So früh sind die schon zurück?", meinte Kenton verwundert und beugte sich zu den beiden Wachen am Tor, um ihnen zu signalisieren, die Flügel zu öffnen. Zu dem Ritter draußen rief er: "Kommt herein, Ihr werdet bereits erwartet." Gasundrall Jeshuk hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Warum öffneten sie die Tore? Was sollte das heißen, er wurde erwartet? Was war das wieder für ein Hokuspokus? Verunsichert blieb er stehen und schaute, ob nicht einer der Wachen einen Bogen oder eine Armbrust spannte. Doch soweit er erkennen konnte, blieb alles friedlich. Gasundrall schluckte. Nur die Ruhe, sprach er leise zu sich. Dann suchte er sich die passenden Worte für seine nächste Antwort zusammen. Chiwat hatte nicht wie vereinbart beim Pfiff den Pfeil abgeschossen. Er wartete geduldig und ignorierte erst einmal Sabu, der ihn flüsternd bat, endlich den Bogen zu spannen. Chiwat war von Anfang an gegen die irrsinnige Idee gewesen, in das Lager nach dem Hau-Ruck-Prinzip 15
einzudringen. Doch er hatte seine Gedanken mal wieder nicht ausgesprochen. Ihm war es ja auch nicht gestattet, zu urteilen. Immerhin verdankte er schon zweimal sein Leben der Gruppe, so dass er für sie dieses eine hier einsetzen würde - auch wenn er insgeheim das Gefühl hatte, dass der Plan schief laufen würde. Er war vor allem wegen Sabu in dieses scheinbar aussichtslose Gefecht gezogen, um ihm damit für sein Vertrauen zu danken, das er ihm entgegenbrachte. Sabu gab dem Echsenmann einen Schubs und sagte: "Jetzt ist es aber allerhöchste Zeit." Chiwat nickte nur und spannte widerwillig den Bogen mit dem schwarz markierten Pfeil. Er hatte eigentlich gehofft, das Geschoss sinnvoller einzusetzen, als es einfach in ein unsicheres Ziel zu bringen, in der Hoffnung, dass es für Ablenkung sorgen könnte, denn es war ein besonderer Pfeil, dessen Feder Chiwat in der rechten Hand hielt. Er war wohl präpariert und verursachte bei seinem Aufschlag eine kleine Explosion. Man versprach sich davon, dass so ein Feuer ausbrach, so dass noch mehr Wachen mit anderen Dingen beschäftigt sein würden, wenn Sabu, Chiwat, Titlo, Talat und Gix ihre Aktion begannen. Mit einem Zischen flog der Pfeil von der Sehne und beschrieb einen hohen Bogen bis er dann krachend im Lager einschlug. Der Schwarze Diener war auch zu dieser Stunde noch wach und starrte regungslos durch sein Rundumfenster im schwarzen Turm, den man in dem Warlocklager aufgebaut hatte. Auch in diesem Moment der Stille ließ der misstrauische Zauberkundige seinen Blick über die nächtliche Szenerie des Lagers schweifen, um stets als erster das zu sehen, was sonst niemand erwartete. Dem Bericht von Fürst Vertago, der mitten im Raum stand und ein paar Schriftrollen vorlas, hörte die rechte Hand von Saurons Erben schon eine ganze Weile nicht mehr zu. Was kümmerten ihn auch die Rapports und täglichen Probleme der Mara-Thok? Er war ja schließlich der Lenker der großen Pläne. Für den Kleinkram fühlte er sich nicht verantwortlich. Dafür gab es andere Leute. So ließ er einfach den Führer der Mara-Thok reden und beobachtete weiter das Treiben der Soldaten. Plötzlich weiteten sich seine rotleuchtenden Augen, als er gerade durch die Schlitze seiner goldenen Maske registrierte, wie das Doppelportal des Lagereingangs geöffnet wurde. Soweit er vom Brigadekommandanten informiert war, war für die nächsten zwei Tage kein Besuch angekündigt worden. Er überlegte kurz und hörte hinter sich immer noch die monotone Stimme des Fürsten, der wohl von alldem hier nichts mitbekommen hatte. Vertago wollte just in diesem Moment zu den Details der zukünftigen Reiserouten der Mara-Thok-Gruppen zu sprechen kommen, als der Schwarze Diener mit einer Handbewegung den Fürsten zum Schweigen brachte. Dann drehte der Zauberkundige sich langsam um, damit Vertago ihm direkt in seine funkelnden Augen sehen konnte. Mit einer tiefen und strengen Stimme sprach der Mann mit der goldenen Maske: "Ich wünsche, dass Ihr das Problem am Tor sofort bereinigt." Vertago schaute den Schwarzen Diener verständnislos an und fragte unsicher: "Herr, was für ein Problem meint Ihr?" Der Fürst bekam als Antwort nur ein eiskaltes Schweigen. Vertago blinzelte verwirrt, wusste jedoch, dass es nicht klug war, einfach einen Wunsch des Schwarzen Dieners dadurch zu verzögern, indem man weitere Fragen stellte. Deswegen nickte er nur und sagte knapp: "Seht es schon als erledigt an." Damit nahm er seinen Umhang und stieg die Leiter nach unten, um persönlich auszukundschaften, was sich mitten in der Nacht am Eingang des Lagers abspielte. Der Schwarze Diener schaute ihm nach und ging dann wieder ans Fenster. Gasundrall verschränkte selbstsicher die Arme, als ihm draußen vor dem Tor ein Leutnant der schwarzen Ritter klirrend entgegenkam. Dieser lachte hysterisch und wirbelte dazu in seiner
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rechten Hand seine verzierte Streitaxt. So wie es aussah, hätte dieser Kerl wohl kein Problem damit, den Paladin anzugreifen und ihm den Schädel zu spalten. Seit man das Tor vor ihm geöffnet hatte, war Gasundrall keinen Schritt weitergegangen. Stattdessen hatte er weiter den Turmwachen Verwünschungen entgegengeworfen und mit dem Eingreifen seiner unsichtbaren Armee gedroht. Spätestens da hatten die Turmwachen endlich gemerkt, dass der Ritter vor dem Tor doch nicht zu den schwarzen Truppen gehörte, sondern eher ein unerwünschter Störenfried. Doch Kenton hatte zur Vorsicht geraten und seine Mannen, die am Eingang Wache hielten, angewiesen, das Lager nicht zu verlassen. Was auch immer dieser Kerl dort vorhatte, er wollte nicht von ihm in eine Falle gelockt werden. So hatten ihn die Soldaten aus sicherer Entfernung erst einmal nur verhöhnt, ohne das schützende Fort verlassen zu haben, bis dann schließlich der wachhabende Offizier, Leutnant Farax, aufgetaucht war. Dieser hatte nur verächtlich geschnaubt und geschrieen, dass er es nicht zulassen wollte, dass ein Verrückter während der Zeit seiner Wache das halbe Lager auf den Arm nahm. Deswegen war er kurzerhand nach draußen gegangen, um zu zeigen, wer der Herr im Hause war. Kenton freute sich und schaute voller Spannung auf die beiden Krieger, die sich wohl jeden Augenblick duellieren würden. Nur noch wenige Meter, dann würde sich Farax in eine Angriffsposition gebracht haben. Doch eine jähe Explosion lenkte die Schaulustigen am Tor plötzlich ab. Laaron schrie überrascht auf, als er sah, dass plötzlich eine kleine Stichflamme auf dem Dach der Pferdeställe aufleuchtete. Er rief: "Feuer!" Gasundrall grinste nur und schenkte dem ebenfalls überraschten Leutnant, der vor Schreck stehen geblieben war, ein gewinnendes Lächeln und rief mit lauter Stimme: "Ihr seid alle schwach. Wir werden Euch vernichten. Ich brauche nur so zu machen", er hob seinen Zeigefinger in die Luft, "und mein Heer wird sichtbar und Euch überrennen." Leutnant Farax warf dem Paladin vernichtende Blicke zu und deutete mit seiner Axt auf ihn: "Ha! Ihr seid ein Betrüger! Ich werde Euch in Stücke reißen." "Ich könnte es sogar gegen mehrere von Euch gleichzeitig aufnehmen.", spottete Gasundrall, was Farax nur noch weiter in Rage brachte. Noch bevor dieser sich eine Antwort ausdenken konnte, erschütterte bereits eine weitere Explosion die nächtliche Stille. Ein fluchender Fürst Vertago lief rasch an den beiden Kriegern der Flammenden Wut vorbei, die den Eingang zum Turm bewachten. Er schien völlig außer sich zu sein. Naggart Kohrn und Ors Bron, die beiden Krieger schauten ihrem wütenden Befehlshaber stumm nach und wechselten einen flüchtigen Blick. Doch die Geschehnisse im Lager ließ die beiden kalt. Sie hatten hart dafür gearbeitet und gekämpft, um zu den Mara-Thok zu kommen und bei ihrem Training vor allem gelernt, sich nicht von unwesentlichen Dingen ablenken zu lassen. Auch als nur einige Meter neben ihnen nach einer Explosion Teile eines Holzdaches durch die Luft flogen und sich ein Feuer langsam auszubreiten drohte, blieben die beiden steif stehen, ohne auch nur daran zu denken, ihren Posten zu verlassen. Sie hatten die Order hier stehen zu bleiben und zu wachen, also blieben sie auch hier. Naggart nahm gerade noch wahr, wie ein Garnisonssoldat, eilig mit einem Eimer zum Brunnen lief, als ihn auch schon ein unerwarteter Schlag in der Seite traf. Er wirbelte herum und schaute in die zwei gelben Augen eines Echsenmenschen. Seine geschulten Reaktionen ließen ihn auch jetzt nicht im Stich und er zog sein Schwert, kassierte trotzdem noch einen nächsten Hieb mit dem Silberschwert seines Widersachers. Aus seinen Augenwinkeln sah er noch einen Kobold mit einem glühenden Zauberstab und einen Hobbit, der gerade damit beschäftigt war, seine Schleuder zu laden. Er blickte kurz über seine Schulter zu Ors. Dieser hatte es mit zwei Gegnern gleichzeitig im Nahkampf zu tun bekommen: Ein Mensch und ein Zwerg schlugen auf den Krieger ein, der versuchte, sich mit Händen und Füßen zu wehren. Naggart wurde von Ärger und Wut gepackt und hackte mit einem Kampfschrei auf den 17
Echsenmenschen ein, der sich jedoch im letzten Moment ducken konnte. Er hörte gerade noch den Schluss einer gemurmelten magischen Formel, als sich auch schon ein Flammenstrahl neben ihn in die Außenwand des Turms bohrte. Der Krieger erschrak heftig und realisierte, dass sie ohne die Hilfe weiterer Soldaten den Kampf unmöglich gewinnen konnten. Während ihm das noch durch den Kopf schoss, hörte er einen Aufschrei hinter sich. Ein rascher Blick nach hinten informierte ihn über den Stand der Dinge: Der Zwerg hatte sein Schlachtbeil unglücklich geschwungen und dabei seinen Kameraden verletzt. Naggart fühlte sich auf einmal wieder mächtig, so dass Hoffnung in ihm aufkeimte, dass er und Ors das Problem doch alleine beseitigen könnten. Plötzlich ein Blitz. Er verfehlte Naggart nur knapp. Er schaute verwirrt auf den Hobbit, der seine Schleuder auf den Boden fallen gelassen hatte und dafür jetzt eine Metallstange in der Hand hielt. Die Jungs arbeiten mit allen Tricks, fuhr es Naggart durch den Kopf und parierte eine weitere Attacke des Echsenmanns. Doch auch sein folgender Schlag streifte lediglich die Lederrüstung seines Gegners. Plötzlich hörte er hinter sich ein dumpfes Scheppern: Ors war nach einem vernichtenden Schlag des Zwergs zu Boden gegangen und rührte sich nicht mehr. Naggart spürte, wie sich sein Magen verkrampfte, als er sich gegen die Mauer lehnte und noch zwei Gegner mehr empfing. Er wirbelte verbissen sein Schwert, doch spürte er, wie er von allen Seiten Hiebe einsteckte, ohne einen austeilen zu können. Er schmeckte bereits den Geschmack von Blut im Mund, als er erneut einen Blitz aufleuchten sah. Dieses Mal hatte der Hobbit mit seinem Stab getroffen. Ein kurzer elektrischer Schlag fuhr durch Naggart, der ihn kurzzeitig paralysierte. Er schrie verzweifelt auf, als die Klinge des Menschen ihn kurz darauf erneut traf und er nach hinten taumelte. Doch dort stand schon der Echsenmann und wartete auf seine Chance, dem Krieger der Flammenden Wut einen tödlichen Schlag zu versetzen. Mit letzter Kraft wich Naggart dem Silberschwert aus. Doch dafür traf ihn das Beil des Zwerges am Bein. Ein pochender Schmerz zuckte durch seine Gliedmaße und ließ ihn zusammenbrechen. Mit einer Hand stützte sich Naggart vom Boden ab, um nicht der Länge nach hinzufallen. In der rechten Faust hatte er immer noch sein Schwert hoch erhoben und parierte einen weiteren Schlag des Menschen. Für Mordor, dachte Naggart noch, als er mit verbissenem Willen seine Schmerzen ignorierte und den unvermeidlichen Schlag des Echsenmenschen erwartete. Doch der Tod sollte ihn von der linken Seite ereilen. Er sah gerade noch das Aufblitzen der Mithrilwaffe des Zwerges, wie sie auf sein Gesicht zugerast kam, als es schon dunkel um Naggart wurde und der Schatten des ewigen Schlafes ihn bedeckte. "Wer seid Ihr?", fragte Fürst Vertago. Er musterte skeptisch Gasundrall Jeshuk, der immer noch mit verschränkten Armen draußen vor dem Tor stand. Der Fürst war gerade rechtzeitig gekommen, um den wild gewordenen Leutnant Farax davon abzuhalten, auf den Paladin einzuschlagen. Jetzt waren auch die anfeuernden Soldaten, die sich alle am Tor eingefunden hatten, ruhig geworden. Kenton und Laaron schauten ebenfalls stumm auf Vertago und fragten sich, was er wohl machen würde. Farax hatte sich ein wenig abseits hingestellt, doch versuchte er mit seinem Blick Gasundrall zu signalisieren, dass er nach wie vor gewillt war, ihm den Schädel einzuschlagen. Doch der Paladin widmete seine volle Aufmerksamkeit dem Fürsten, der sich in etwa vierzig Metern Entfernung vor ihm aufgebaut hatte und auf seine Antwort wartete. "Mein Name ist Gasundrall Jeshuk.", sagte der Paladin mit lauter Stimme, so dass jede einzelne Silbe von den Bergwänden im Tal widerhallte. Vertago verzog keine Miene und antwortete knapp: "Nie von ihm gehört." Gasundrall musterte den Mann vor ihm genau. Dieser Vertago kam ihm nicht sehr geheuer vor. Seine Ausstrahlung ließ ihm einen kalten Schauer über den Rücken fahren. Gegen ihn wirkte Farax geradzu wie ein harmloser Grashüpfer. Gasundrall schluckte und versuchte, seine Angst zu verbergen, als er erneut laut seine Stimme erhob und wieder von der
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unsichtbaren Armee erzählte, die angeblich hinter ihm stand und bereit war, die Festung zu stürmen. Doch Fürst Vertago ließ sich nicht verunsichern. Es verärgerte ihn, dass man den Verrückten nicht schon auf der Stelle getötet hatte. Stattdessen vertrödelte er hier seine kostbare Zeit. Er blickte zu Farax hinüber und sagte mit einer abwertenden Handbewegung: "Tötet ihn." Damit machte er kehrt und ging festen Schrittes in Richtung Turm zurück. Nicht einmal Talat machte dieses Mal irgendwelche Anstalten, die Krieger der Flammenden Wut zu untersuchen. Sabu hatte sie schon zu oft darauf hingewiesen, dass keine Zeit zu verlieren war. Er gab seinen Mitstreitern ein Zeichen, schnell den Turm zu stürmen, zu durchsuchen und dann schleunigst mit dem Drachenstein zu verschwinden. Chiwat seufzte ergeben auf. So sehr er auch Sabu schätzte, so sehr missfielen ihm seine Pläne. Er gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er draußen warten wollte und ihnen Rückendeckung geben wollte. Sabu nickte kurz und ließ Talat an sich vorbei in den Turm laufen. Gix und Titlo folgten den beiden. Gasundrall sprach leise ein paar magische Worte aus. Ein schwach schimmerndes Licht leuchtete kurz auf, das ihn wie eine schützende Kapsel umschloss. Dieser Schutzzauber sollte ihm bei dem anstehenden Kampf gute Dienste leisten. Die ganze Zeit über behielt Gasundrall den kampfeslustigen Leutnant Farax im Auge, der in Angriffsposition gegangen war und seine erste Attacke vorbereitete. Gasundrall hob schützend sein Schild vor sich und hielt das Schwert zum Gegenschlag bereit. Ein Zweikampf war es also geworden. Soweit er es sehen konnte, wollte Farax wohl den Befehl des Fürsten alleine ausführen. Dem Paladin war das nur recht, solange nur genügend schwarze Ritter dem Schauspiel beiwohnten. Zweifelsohne würde er Farax niederstrecken, doch was würde als nächstes geschehen? Mit einem schnellen Vormarsch eröffnete Farax den Kampf. Metall klirrte und die Kampfschreie des Leutnants erfüllten das Tal, was die anderen Soldaten dazu animierte, seinen Namen laut zu rufen, um ihn anzufeuern. Doch Gasundrall hatte gelernt, mit solchen Situationen umzugehen, so dass er sich von den Schreien nicht aus der Ruhe bringen ließ. Farax fluchte wie wild, als er merkte, dass seine Schläge nicht die Wirkung erzielten, die er sich erhofft hatte. Gasundralls Zauber wirkte. Der Paladin holte plötzlich mit einem wuchtigen Schlag aus und traf Farax am Bein. Ein Aufraunen ging durch die Reihen der Soldaten, doch der Getroffene schien die klaffende Wunde überhaupt nicht zu spüren, denn er hackte weiter auf Gasundralls Schild ein. Der Paladin wich unter den wütenden Schlägen zurück, machte dann jedoch eine gekonnte Seitwärtsbewegung, um sich wieder in eine offensive Stellung zu bringen. Er riss sein geweihtes Schwert in die Luft und ließ es dann ruckartig niedersausen. Wieder erzielte er einen Treffer: Farax brüllte auf und taumelte getroffen zurück. Sein linker Arm hing taub nach unten. Keuchend blickte er auf Gasundrall, der bislang lediglich ein paar Schürfwunden am Bein abbekommen hatte. Farax Augen funkelten böse. Mit einem spitzen Aufschrei stürzte sich der Leutnant abermals auf seinen Widersacher. Doch Gasundrall hatte wieder aufgepasst und verpasste Farax einen Schlag in die Seite. Benommen torkelte der Garnisonssoldat vor ihm her. Gasundrall spürte, wie die schützende Wirkung seines Zaubers langsam nachließ und konzentrierte sich auf seinen letzten todbringenden Schlag. Mit einem gekonnten Stoß durchbohrte er den Körper von Farax. Der Leutnant riss weit seine Augen auf, sein Unterkiefer klappte herunter. Mit einem Ruck zog Gasundrall seine Klinge zurück. Wie ein nasser Sack fiel der Leutnant tot zu Boden. Die Soldaten, die zugesehen hatten, starrten stumm auf den Toten. Mit einer Niederlage ihres Vorgesetzten hatte anscheinend niemand hier gerechnet. "Ich habe es Euch gleich gesagt", rief Gasundrall, "Wir werden Euch vernichten."
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Kenton schaute Laaron kurz an. Dieser hielt einen Bogen und einen Pfeil in der Hand. Kenton nickte und rief nach unten: "Ihr habt den Kampf gewonnen. Deswegen stellen wir Euch vor folgende Wahl: Entweder Ihr geht und behaltet Euer Leben oder Ihr bleibt und werdet Euren Tod finden." Gasundrall überlegte kurz. Er hatte sein Soll erfüllt. Auch war er nach dem Zweikampf schwächer geworden und sich nicht sicher, ob er einen zweiten Kampf überleben würde. So beschloss er, die Gunst der Stunde zu nutzen und den Rückzug anzutreten. Doch als er sich umgedreht hatte und einige Meter gelaufen war, bohrte sich ein Pfeil dicht neben ihn in den Boden. Verächtlich drehte sich der Paladin um und rief: "Elende Feiglinge!" Anstatt eine Antwort zu erhalten, hörte Gasundrall nur ein Knacken vom Wachturm, begleitet von einem wimmernden Fluchen. Kenton starrte wütend auf Laaron, der den Bogen überspannt und die Sehne gerissen hatte. Den aufgelegte Pfeil hatte er sich dabei selbst ins Gesicht gepeitscht, wo er einen roten Abdruck hinterlassen hatte. Kopfschüttelnd ging Gasundrall weiter und verschwand in der Nacht. Murrians Laune war an einem Tiefpunkt angekommen. Nicht nur, dass man ihn ein jämmerliches Dasein in einem Rucksack fristen ließ, nein, man wollte ihn noch nicht einmal dabei haben, wenn das Lager gestürmt und der ganze Spaß beginnen würde. Der bleiche Zaubergnomschädel versuchte seit mehreren Minuten schon, seinem Gefängnis in Titlos Rucksack zu entfliehen. Doch der Hobbit hatte den Knoten fest zugezogen. Murrian klagte wieder einmal, dass er lediglich seine Zähne hatte, um sich selbst zu helfen. Aber was sonst konnte ein Totenkopf tun? Zugegeben, der Gedanke, dass Totenköpfe überhaupt in der Lage waren, irgendetwas zu machen, schien den einen oder anderen Abenteurer immer noch zu beschäftigen. Doch wenn dieser arme Gesell nun schon einmal lebte, hätte man ihm doch wenigstens die Fähigkeit verleihen können, einen Knoten fachgerecht und schnell zu öffnen. Nach weiteren fünf Minuten war es dann endlich soweit. Murrian riss mit einem energischen Biss schließlich die Kordel auf. Voller Freude rollte er nach draußen und versank erst einmal im Tiefschnee. Fluchend über seine eigene Ungeschicklichkeit buddelte er sich aus der unbarmherzigen Kälte des Schnees heraus. Nachdem auch das erledigt war, bedachte er seine Lage. Er hatte auf keinen Fall vor, einfach nur dumm herumzusitzen, während sich die anderen amüsierten und den Rittern im Lager das Fürchten lehrten. Murrian wollte auch zu dieser Party! Er würde allen zeigen, wer der Furchterregendste war! Gedankenverloren schaute er auf den Inhalt von Titlos Rucksack, der nach dem erfolgreichen Ausbruch überall im Schnee verteilt lag. Als er die Flagge Mordors sah, welche der Hobbit einst hatte mitgehen lassen, kam ihm eine Idee. Schnell sprang der Schädel zu dem kleinen Ölfläschen, das noch herumlag und zog es mit sich zu der Fahne. Mit Gewalt zerbrach Murrian die Flasche und das Öl floss auf die schwarze Flagge. Dann suchte er noch Feuerstein und Zunder. Da er sich nicht erinnern konnte, solche Dinge im Gepäck Titlos gesehen zu haben, durchstöberte er das Gepäck Talats. Dort wurde er schließlich fündig. Freudestrahlend sprang der glückliche Totenschädel mit der Fahne samt Feuerstein und Zunder im Mund dem Lager der Warlocks entgegen. Jetzt würden alle seine wahre Größe erkennen! Chiwat hatte die beiden toten Ritter der Flammenden Wut hinter den Turm geschleift, damit niemand sie entdeckte oder Alarm ausgelöst wurde. Dann kauerte er sich neben den Eingang und wartete ab, was passieren würde. In seiner linken Hand hielt er die Drachenschuppe, die er von Mjin-Ben erhalten hatte und schloss kurz die Augen. Er hoffte, dass alles gut über die Bühne lief. Er schaute nach einer kurzen Zeit wieder auf. Im Lager war wieder Ruhe eingekehrt. Das Feuer war gelöscht und die Aufregung um das große Lagerhaus hatte sich wieder gelegt. Lediglich am Tor waren noch einige laute Rufe und das Klirren von Metall zu vernehmen. Was sich da wohl abspielte? Doch Chiwat kümmerte das im Moment wenig. Er 20
musste dafür Sorge tragen, dass niemand den Turm betrat, um die Gruppe zu stören. Er hoffte nur, dass Sabu nicht auf unvorhergesehene Schwierigkeiten stieß. Während der Echsenmensch noch über das eine oder andere nachdachte, sah er plötzlich, wie eine Gestalt in der Dunkelheit auf ihn zukam. Behände richtete sich Chiwat auf und wartete ruhig ab. Sein Gegenüber blieb erschrocken stehen. Beide schauten sich stumm an. Fürst Vertago konnte seine Überraschung nicht verbergen und schnalzte laut mit der Zunge. Sofort hörte Chiwat das Herannahen zweier gepanzerter Ritter. Trotzdem blieb er standhaft im Toreingang stehen. Vertago ging zwei Schritte auf ihn zu, so dass Chiwat deutlich die Metallplatte erkennen konnte, die seine linke Gesichtshälfte verdeckte und nur für ein rotes Auge offen geblieben war, das ihm wohl ein Animist implantiert hatte. "Ich dachte, Ihr wäret tot, Echsenmann!", sagte Vertago langsam. Chiwat antwortete nicht. Der Fürst schaute kurz über seine Schulter und entdeckte zufrieden die beiden Krieger der Flammenden Wut, die hinter ihm stramm Stellung bezogen hatten und ihre Hände am Schwertknauf hielten. Lächelnd drehte sich Vertago wieder zu Chiwat um und sagte: "Wie sagt man so schön? Besser spät als nie..." Vertago schnippte mit den Fingern. Unmittelbar darauf zogen die zwei Krieger ihre Waffen. Chiwat krallte sich fest an die Drachenschuppe und erwartete mit Geduld seine Gegner. Sabus Anspannung war ihm deutlich anzusehen. Er hatte die Gruppe schnell durch den unteren Saal gescheucht, in dem außer ein aus Stein gemeißeltes Quadrat am Boden, an dessen Eckpunkten Fackeln in vier verschiedenen Farben brannten, nichts weiter interessantes zu entdecken gab. Titlo kletterte eilig eine Leiter nach oben und stand plötzlich vor drei Türen. Mit einem Wink bedeutete er den anderen, ihm zu folgen. Unsicher schauten die vier auf die Türen. Titlo öffnete die erste und fand dahinter ein Labor. Hier befand sich der Drachenstein nicht. Titlo rannte zur nächsten Tür. Verschlossen! Er öffnete die letzte. Dahinter war eine Leiter, die nach oben führte. Sabu nickte Titlo zu. Dieser seufzte nur auf und kletterte mit bebendem Herzen die Sprossen hoch, während die anderen unten ungeduldig warteten. Titlo gelangte an eine Falltür. Beherzt öffnete er die Klappe und steckte den Kopf durch. Er sah einen schönen runden Raum, dessen Seiten mit Fensterglas verkleidet waren und einen Rundumblick aus dem Turm ermöglichte. Doch bevor er weiter die Einrichtung bestaunen konnte, blieb sein Blick auf einem Schreibtisch stehen, hinter dem ein Thron stand. Mit zitternden Knien schaute er auf die Person, die hinter dem Schreibtisch saß und nun langsam den Kopf hob und ihn durchdringend anschaute. Titlo spürte wie sein Herz anfing zu rasen, als er die goldene Maske des Schwarzen Dieners erblickte. Mit einem gellenden Aufschrei hastete der Hobbit nach unten. Als er bei Gix, Sabu und Talat angekommen war, verlor er kein weiteres Wort, sondern huschte voller Angst in das nächste Untergeschoss. Talat und Sabu wechselten einen fragenden Blick. Dann machte Sabu einen Schritt nach vorne, um zur Leiter nach oben zu gelangen. Er spürte nur noch einen Luftzug, als auch schon der Schwarze Diener von oben heruntersprang und direkt vor ihm landete. Voller Schreck blickte der Waldläufer seinen mächtigen Gegner an. Der Schwarze Diener machte mit seinen Händen eine ruckartige Bewegung nach oben. Der Kampfstab, den er in den Händen hielt, traf Sabu am Kinn und ließ ihn im hohen Boden durch die Luft fliegen und hart auf den Boden aufkommen, wo er erst einmal stöhnend liegen blieb. Talat schrie wie auf dem Spieß auf, machte kehrt und eilte hinter Titlo die Leiter herunter. Gix dagegen hatte der Macht des Schwarzen Dieners standgehalten und blickte ihn ruhig an. Er nahm keine Notiz von dem sich auf dem Boden langsam wieder aufrappelnden Sabu, der eine schwere Platzwunde am Kopf abbekommen hatte. Stattdessen bereitete er sich vor, so zu kämpfen wie er noch nie zuvor in seinem Leben gekämpft hatte. Gix spürte, wie ihm der Schweiß in Strömen vom Gesicht lief. Sein Atem ging schnell. Er wusste nicht, was er tun sollte. Lohrain war damals unglücklicherweise nicht dazu gekommen, ihn über den Gebrauch der Mächte Vheilens genauer aufzuklären. Er hatte noch zu wenig Erfahrung, um einen 21
wirksamen Zauberspruch seinem Widersacher entgegenzuwerfen. Er fuchtelte mit seinem Stab in der Luft herum, um den Schwarzen Diener auf Abstand zu halten. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass Sabu wieder auf den Beinen stand und nun auch sein Schwert gezogen hatte. Den Mann mit der goldenen Maske schien das aber nicht sonderlich zu interessieren. Er konzentrierte sich weiterhin auf Gix. Mit einem Mal glühten die Enden vom Kampfstab des Schwarzen Dieners rot auf. Dann entzündeten sich zwei Flammen, die den gesamten Stab in ein magisches Feuer tauchten. Gix schluckte schwer. Noch bevor er reagieren konnte, stieß der Schwarze Diener seine Waffe nach vorne und traf den kleinen Magier auf den Brustkorb. Gix Umhang leuchtete bläulich auf, als er an die Wand geschleudert wurde. Der Kobold schaute verwundert an sich herab. Der Mantel hatte den Schlag irgendwie abgefangen. Jedenfalls spürte er keine Schmerzen. Doch bevor er wieder aufstehen konnte, sauste bereits der nächste Schlag des Schwarzen Dieners mit einem Zischen auf ihn nieder. Abermals flammte der Umhang bläulich auf und wieder schien es ihm, als ob er nicht verletzt worden wäre. Nun sah Gix auch, dass Sabu sich in den Kampf einschaltete. Er schlug mit seinem Schwert von hinten auf den Gegner ein. Aber ohne Wirkung. Sabus Schläge schienen einfach durch den Schwarzen Diener hindurch zu gehen. Gix rollte sich schnell zur Seite und zauberte einen Blitzstrahl. Doch auch das schien den Schwarzen Diener nicht aufhalten zu können. Sein schwarzer Umhang neutralisierte die elektrische Energie des Blitzes. Unbarmherzig ließ er den Kampfstab durch die Luft sausen. Nichts und niemand schien ihn aufhalten zu können. Voller Verzweiflung wich Gix den gezielten Schlägen aus. Dann hob der Schwarze Diener beide Hände und ließ seine finstere Stimme in einer unbekannten Sprache erklingen. Ein magischer Wirbelwind bildete sich im Raum, der sofort auf Gix zuraste. Der Kobold hob abwehrend die Arme, als der Wind ihn schon erfasste und ihm den Atem nahm. Er keuchte und schnappte verzweifelt nach Luft. Weiter wurde er im Wirbelwind herumgeschleudert, bis ihn schließlich ein weiterer Schlag des Schwarzen Dieners traf, der ihn ohnmächtig zu Boden gehen ließ. Sabu war verzweifelt, als er den reglosen Gix am Boden sah. Selbst jetzt schenkte der Schwarze Diener dem Waldläufer keine Beachtung, sondern ging langsam auf den ohnmächtigen Kobold zu. Sabu biss sich auf die Zähne und holte tief Luft. Das Schicksal ließ ihm keine Wahl. So sehr er auch das Folgende vermeiden wollte, so unausweichlich war es. Er fasste sich ein Herz und griff langsam hinter seinen Rücken, bis sich seine Hand um den Knauf eines Schwertes schloss. Schwer atmend rannte Titlo aus dem schwarzen Turm heraus und blieb von dem einen auf den anderen Moment wie angewurzelt stehen. Er starrte verdutzt auf das Schauspiel, das sich gerade vor seinen Augen abspielte: Ein kleiner roter Drache schien im Augenblick ziemlich für Wirbel zu sorgen. Fürst Vertago und drei schwarze Ritter schwangen ihre Waffen durch die Luft, um das schnell fliegende Reptil zur Strecke zu bringen. Es sah eher so aus, als ob die Soldaten Fliegen vertreiben wollten, anstatt gegen jemanden kämpften. Hin und wieder spie der Drache auch noch Feuer und sorgte so für noch mehr Aufruhr und Panik bei den Rittern. Selbst Vertago schien dieser Lage nicht mehr Herr werden zu können. Titlos Blick wanderte weiter auf das große Haus vor ihm. Es stand komplett in Flammen und zwei Dutzend Männer kämpften verzweifelt gegen das Feuer, das nun sogar drohte, auf die anderen Häuser überzugreifen. Der Hobbit verstand im Moment nicht, was hier eigentlich geschah und von wo dieser Drache eigentlich gekommen war. Dann endlich sah er auch Chiwat, der gerade verbissen gegen zwei Krieger der Flammenden Wut kämpfte und von ihnen in arge Bedrängnis gebracht wurde. Er blutete bereits aus unzähligen Wunden. Es schien, als ob er nun nur noch damit beschäftigt war, die Schläge der Gegner zu parieren, anstatt selbst einen Treffer zu landen.
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Titlo vernahm ein Keuchen hinter sich. Erschrocken drehte er sich um. Talat stand schweißgebadet vor ihm. Titlo, der sich wieder ein wenig beruhigt hatte, schüttelte den Zwerg und sagte: "Talat, komm wieder zu dir. Wir müssen Chiwat helfen." Talat zuckte kurz zusammen, umklammerte seine Axt und nickte heftig. Mit schnellen Schritten eilten sie an Chiwats Seite. Ihr Eingreifen kam in letzter Minute. Ein Ritter staunte nicht schlecht, als sein präziser Schlag auf den Echsenmann mitten in der Luft von einer Mithrilaxt abgefangen wurde. Noch bevor er reagieren konnte, knallte zusätzlich noch ein Stein an seinen Helm. Irritiert wandte sich der Getroffene von Chiwat ab und fixierte seinen neuen Kontrahenten - Talat den Zwerg. Doch er sollte nicht lange auf ihn schauen. Talat setzte mit einem wuchtigen Schlag den bereits angeschlagenen Ritter außer Gefecht. Und auch der andere wurde nach nur wenigen Sekunden das Opfer der todbringenden Axt des Zwerges. Ohne dass Titlo noch eingreifen musste, machte Talat den letzten Gegner mit einem gezielten Stoß kampfunfähig. Besorgt hopste Titlo zum Echsenmann und erkundigte sich über sein Wohlbefinden. Doch die Frage hätte er sich ersparen können, denn jener war nicht nur blutig geschlagen worden, sondern stand kaum noch richtig auf den Beinen. Titlo schaute sich um. Im Moment war der Rest des Lagers mit dem Feuer oder dem kleinen Drachen beschäftigt. Kurzerhand stützten Talat und Titlo ihren Kameraden ab und gingen mit ihm aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich. Ruckartig drehte der Schwarze Diener seinen Kopf um und schaute scharf auf Sabu. Dieser hielt in seiner rechten Hand ein Schwert in die Höhe, das ein intensives blaues Licht ausstrahlte und damit den ganzen Raum erleuchtete. Noch niemals zuvor hatte Sabu die Macht Fulghuras, der Blauen Flamme, so gespürt wie just in diesem Moment. Ein wohltuendes Prickeln lief durch seinen gesamten Körper. Er fühlte sich stark und voller Energie. Der Schwarze Diener musterte zuerst das berühmte Schwert, dann seinen Träger. Ohne noch lange zu warten, kam seine Attacke, die Sabu überraschte und ihn sogleich zu Boden warf. Doch schnell sammelte er sich wieder, sprang auf die Beine und schlug seinerseits auf den Schwarzen Diener ein, was diesen jedoch nicht zu beeindrucken schien. Wieder holte der Schwarze Diener mit seinem Feuerstab aus und traf erneut Sabu, der vor Schmerz aufschrie. Dennoch blieb er dieses Mal auf seinen Beinen stehen und holte mit Fulghura erneut zum Gegenschlag aus. Doch auch mit dieser mächtigen Waffe schien er seinen Widersacher nicht das Fürchten lehren zu können. Urplötzlich hatte Sabu das Gefühl, es mit einem unverwundbaren Gegner zu tun zu haben. Er kam sich so schwach gegenüber der magischen Präsenz des Manns mit der goldenen Maske vor, dass in ihm langsam die Gewissheit aufstieg, dass er hier sein Ende finden würde. Doch er wollte sein Leben wenigstens teuer verkaufen. Wenn er auch hier schon sterben musste, dann sollte auch sein Gegner nicht ungeschoren davonkommen! Doch der Schwarze Diener kämpfte überlegt und mit all seinen Mitteln. Er hob seine linke Hand in die Luft und murmelte ein paar magische Worte. Ein Blitzstrahl entsprang seiner Handfläche und schlug in Sabus Kopf ein. Sabu strauchelte, hielt sich den Kopf. Er sah bunte Lichter vor seinem Kopf kreisen, bevor er zu Boden fiel. So also wirst du enden, dachte er noch, als er hörte, wie sich ihm der Schwarze Diener mit bedächtigem Schritt näherte. Doch der erwartete Schlag blieb aus. Stattdessen vernahm Sabu nur einen kühlen Windhauch. Eine tiefe und monotone Stimme sagte: "Ich schulde Euch noch einen Gefallen, Sabu." Unmittelbar darauf entbrannte ein neuer Kampf. Waffen klirrten. Sabu tastete sich an der Wand hoch und rieb seine Augen. Doch er war nach wie vor geblendet. Was ging hier vor? Wer war da? Sabu lauschte dem Klang, wenn Metall an Metall schlägt und rutschte vorsichtig an der Wand weiter. Wieder hörte er den Unbekannten rufen: "Geht und holt, weswegen Ihr gekommen seid."
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Dieses Mal glaubte Sabu jedoch, die Stimme zu kennen. Doch wusste er nicht woher. Er konzentrierte sich und tastete sich weiter bis zur Leiter vor, die nach oben in den Raum des Schwarzen Dieners führte. Er stieg eilig die Sprossen hoch. Mit der Zeit erholten sich seine Augen wieder und er konnte langsam wieder Konturen erkennen. Schnell schaute er sich im Raum oben um und fand noch eine Leiter, die bis in die Spitze des schwarzen Turmes führte. Schnell kletterte Sabu weiter hoch und fand sich in einem Raum wieder, an dessen Decke eine blau pulsierende Kugel hing, die ihr Licht auf eine Truhe warf. Ohne weiter Zeit zu verlieren, öffnete Sabu den Verschluss und durchwühlte deren Inhalt. Er nahm ein Schwert und einen Schild mit und fand noch einen runden Stein mit einem Loch in der Mitte, auf dem das Abbild eines Zahnes eingraviert war. Der Drachenstein, dachte Sabu. Schnell packte er ihn in seinen Rucksack und lief die Leiter herunter. Auf dem Weg nach unten, erstarrte Sabu plötzlich auf halber Strecke, als er erkannte, wer ihm das Leben gerettet hatte. Es war Magosh gewesen, der Mann der Balance und der Gehilfe der Elementarier. Als dieser Sabu sah, rief er befehlend: "Verschwindet!" Der Schwarze Diener versuchte zwar an Magosh vorbeizukommen und Sabu den Weg abzuschneiden, doch sperrte ihm sein Widersacher den Durchgang ab. Sabu sah Gix reglos in der Ecke liegen und lief zu ihm. Er lebte glücklicherweise noch. Da er ihn nicht zu Bewusstsein bringen konnte, nahm er ihn rücklings auf die Schulter und ging vorsichtig nach unten. Er schaute noch einmal zurück zu Magosh. Dieser war aber zu sehr mit dem Schwarzen Diener beschäftigt, als dass er ihm noch etwas hätte sagen können. Sabu machte sich an den Abstieg. Doch plötzlich rutschte er aus. Er verlor die Balance und fiel mit Gix drei Meter in die Tiefe. Sabu krümmte sich vor Schmerzen und rieb sich die Gelenke. Doch er hatte Glück, dass er sich nichts gebrochen hatte. Auch der Kobold schien den Sturz heil überstanden zu haben. Mit letzter Kraft nahm Sabu Gix auf seinen Rücken und verließ schleunigst den Turm. Erneut fiel Chiwat der Länge nach hin. Titlo und Talat hatten ihn gerade einmal bis hinter den schwarzen Turm geführt. Doch die Kräfte des Hobbits hatten nachgelassen und der Echsenmann war auf die Seite gefallen. Talat packte ihn an den Schultern und rief: "Los jetzt! Wir müssen hier weg!" Chiwat gab seinen charakteristischen Zischlaut von sich und stand mit Mühe wieder auf. Just in diesem Moment eilte Sabu mit Gix an ihnen vorbei und rief ihnen zu: "Ich hab den Stein! Rückzug!" Chiwat biss die Zähne zusammen, stemmte sich hoch und ging mit letzter Kraft und ungebrochener Willensstärke durch die Öffnung im Palisadenzaun, dicht gefolgt von Talat und Titlo. Jetzt war es fast geschafft! Murrian genoss sichtlich die Aussicht von oben. Wenn er noch ein bisschen Haut und Fleisch auf seinen Knochen gehabt hätte, hätte man wohl erkannt, dass er ein zufriedenes Grinsen aufgelegt hatte. Der Totenkopf hatte sich direkt auf die Spitze des schwarzen Turmes gesetzt, von dem aus er die Szenerie beobachten konnte. Er räusperte sich verlegen und schwang die Flagge Mordors, die er mit etwas Mühe an einem Zipfel in Brand gesetzt hatte. Dann verstellte er seine Stimme und rief mit drohender und furchterregender Stimme über das Tal: "Zittert, Ihr Völker! Zittert! Eure Zeit ist gekommen! Beugt Euch der Macht des Schrecklichen!" Verwundert schauten alle Soldaten, die noch mit Löscharbeiten beschäftigt waren, nach oben zum Turm. Doch alles, was sie sahen, war die dunkle Fahne, die hell in der Nacht brannte. "Ich bin Euer schrecklichster Alptraum", setzte Murrian seine Rede fort, "und ich werde Euch alle vernichten. Brenne Mordor, brenne! Heute und hier wirst du deinen Untergang erfahren!" Sichtlich beeindruckt von Murrians Vorstellung, begannen die Ritter panikartig im Lager zu laufen oder sich ängstlich auf den Boden zu werfen und die Hände über den Kopf zusammenzuschlagen. Murrian genoss diesen Anblick und warf mit noch mehr dunklen 24
Verwünschungen um sich. Auch die Helden blickten sich verwundert um, liefen und kletterten dennoch so schnell es ging weiter, um den Abstand zwischen sich und dem Lager zu vergrößern. Sabu blieb trotzdem kurz stehen, um einen Blick auf den Unbekannten auf der Spitze des Turms zu erhaschen. Doch da er Murrian nicht sah, glaubte er, dass Magosh den Schwarzen Diener wohl besiegt haben musste und nun die Aufmerksamkeit der Soldaten auf sich lenken wollte, um von den Helden und den Drachenstein abzulenken. So also beschleunigte Sabu noch seinen Schritt und kämpfte gegen den Schmerz in seinen Gliedern und seine Müdigkeit, um den runden Stein in Sicherheit zu bringen. Magosh dagegen hatte immer noch mit dem Schwarzen Diener zu tun, der ihn jetzt in arge Bedrängnis brachte. Gegen den Mann mit der goldenen Maske zu bestehen, war keine leichte Aufgabe. Magosh hatte sich in die Defensive zurückdrängen lassen und lenkte die Zauber und Schläge seines Gegners trotzdem noch gekonnt ab. Doch mit der Zeit schwanden seine Kräfte immer weiter, während er dem Schwarzen Diener nicht ansehen konnte, dass er langsam müde wurde. Mit einer Rückwärtsrolle entzog sich Magosh einem weiteren Schlag des FeuerKampfstabs und erreichte die Leiter nach unten, welche er behände hinunterglitt. Doch der Schwarze Diener dachte nicht daran, Magosh entkommen zu lassen und setzte ihm nach. Der Kampf verlagerte sich in das untere Geschoss. Schließlich sprang Magosh mit einem Satz aus der Tür nach draußen und wäre dort beinahe mit Fürst Vertago zusammengeprallt, der immer noch mit drei anderen Wachen gegen den kleinen Drachen kämpfte. Magosh ließ sich nicht beirren, sondern schlug einfach seinen Mantel um sich und war auch schon im nächsten Augenblick mit einem Lichtblitz verschwunden. Der Schwarze Diener starrte voller Wut auf den Punkt, an dem Magosh gerade noch gestanden hatte, und fluchte laut. Dann endlich erkannte auch er, was um ihn herum los war. Er sah den kleinen Drachen, der fröhlich die Soldaten auf Trab hielt und hörte die laute, tiefe Stimme, die von der Turmspitze "Brenne Mordor"-Sprüche durch das Tal grölte. Bevor der Diener noch etwas sagen konnte, sauste auf einmal der kleine, rote Drache mit einem pfeifenden Geräusch in den Nachthimmel und verschwand auch dort. Fürst Vertago keuchte schwer und stützte sich an einen Wachsoldaten ab, als er langsam zu seinem Herrn herüberhumpelte und ihn müde anstarrte. Der Schwarze Diener erwiderte stumm seinen Blick, ohne sich zu rühren. Mit einem plötzlichen Wutanfall drehte er sich zum Turm um und beschwor einen Blitzschlag, der die Spitze des Turmes traf und den fluchenden Murrian explosionsartig von seinem Sitz fegte. Mit einem lauten Kreischen flog der Schädel Hunderte von Metern aus dem Lager heraus. Endlich war wieder Ruhe. Alle Blicke waren auf den Schwarzen Diener gerichtet. Dieser aber drehte sich nur wortlos um und verschwand mit düsterem Blick in seinem Turm.
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KLARISS Breitenschild - SCHAM von Andreas Fischer
Die Leiden und das Geheimnis einer jungen Paladinnovizin. Ist sie Mörderin oder Opfer?
Tag 98, Jahr 40 n.F.U. Auf Geheiß meiner Magisterin werde ich von nun an ein Tagebuch führen. Es soll mir helfen meine Tageserlebnisse zu reflektieren und Lehren daraus zu ziehen. Sonderlich gerne komme ich dieser Auflage nicht nach. Wer sagt mir, daß es niemand anders als ich lesen werde? Nun, ich habe auf die tiefblaue Robe geschworen, daß ich ein Tagebuch führen werde, aber wird es mir wirklich dabei helfen können, eine ehrenvolle Paladin zu werden? Ich habe meine Zweifel... überhaupt, heute ist gar nichts geschehen, was sich aufzuschreiben lohnt. Was ist schon lehrenswertes daran zu sehen, daß ich beim Schwertraining der Schwertmeisterin das linke Ohr abgeschlagen habe oder daß ich aus der Orkgrube ohne Verletzungen herauskam, während Siegen meine Novizenpartnerin dabei schwer verletzt wurde und nun im Tempelhaus liegt. Ich sehe wirklich keinen Sinn in diesen Aufzeichnungen und lege deshalb den Federkiel für heute nieder. Tag 99, Jahr 40 n.F.U. Ich habe mir den gestrigen Eintrag nochmals durchgelesen und konnte daraus wirklich EINE Lehre ziehen: Wenn ich das nächste Mal in die Orkgrube gehe, dann muß ich noch schneller diese widerlichen Orks töten, damit meine Partnerin weniger Verletzungen davonträgt. Beim heutigen Schwerttraining hielt sich die Schwertmeisterin zurück und ließ mich mit dem Schwertmagister Hector trainieren. Glücklicherweise haben wir mit Holzschwertern gekämpft, sonst läge ich mit durchbohrtem Torso auch im Tempelhaus. Vorhin habe ich Siegen besucht. Sie erzählte, daß die tiefen Schnittwunden am meisten schmerzten. Seltsam, die Orks in der Grube kämpfen doch immer nur mit Holzkeulen und nicht mit Schwertern. Das Schreiben strengt mich zu sehr an, ich höre auf. Tag 100, Jahr 40 n.F.U. Endlich! Morgen werde ich meine erste Mission erhalten. Ich soll einen Priester zum Tempel der vier Winde begleiten. Sira, meine Schwertmeisterin (ihr Ohr ist immer noch ab!) hat mich dafür vorgeschlagen. Was für eine Ehre für mich! Gerade war ich noch im Tempelhaus, doch Siegens Lagerstätte war leer. Im Garten habe ich blaue Schwertlilien gepflückt (die mochte sie immer so sehr) und auf ihr karges Grab gelegt. Die Klerikerin sagte, daß Siegen kurz bevor sie starb, unentwegt meinen Namen genuschelt hatte. Wie unheimlich! Und warum? Das Halten des Schreibkiels ist mühselig, ich höre auf! Gleich werde ich meine Sachen für morgen packen. Ich freue mich ja so!
1. Segment - Schmerzen Mit einem fröhlichen Gesang wecken die ersten Singvögel den vermeintlichen Lumpenhaufen, der sich kaum merklich bewegt und leise wimmert. Ihre Schmerzen sind wieder da, die Bilder ihrer Marter blendet ihr Unterbewußtsein für Bruchteile von Sekunden immer wieder ein, Zu schwach um aufzustehen liegt sie gekrümmt am Boden und versucht wieder in den rettenden Schlaf zu finden, um vor dem schrecklichen Wachzustand zu entkommen. Immer wieder flammt ein anderer Schmerz auf und peinigt sie 26
aufs neue. Einen klaren Gedanken zu fassen ist ihr ebenfalls nicht möglich, durch diese Flut an hereinkommenden Nervensignalen ist ihr Kopf ein regelrechtes Tollhaus, in dem jede unangenehme Empfindung um Beachtung buhlt. „Ob Gevatter Tod bald eintrifft und mich von dieser schrecklichen Folter erlösen wird?“ hofft sie unter diesen unerträglichen Schmerzen und fällt endlich in ein tiefes Schwarz zurück. Ein leises Scheppern dringt an ihr Ohr. Ihr Kopf wird für einen kleinen Moment klar, erleichtert wird ihr bewußt, daß die Schmerzen an Intensität verloren haben. Noch toben sie durch ihren Körper, aber längst nicht mehr so stark, wie kurz davor. Moment, ihr ist klar, daß es eigentlich nicht möglich sein kann. Sie vermißt das kühle, feuchte Gras an ihrem Körper, der jetzt entspannt auf einem warmen Strohlager liegt. Gedämpfte Stimmen sprechen über sie. "Ich glaube, sie ist wieder aufgewacht...sieh nur, wie ihre Lider zucken..." "Wird auch langsam Zeit, ich will endlich weiter!" "Rhonda, bitte! Zeig doch auch mal Mitgefühl..." "Schsch Pagadon, ich glaube, sie will was sagen!" "W...w...o...o...o" zu mehr ist sie nicht fähig, ihre Augenlider zittern zwar, bleiben aber geschlossen. "In Sicherheit..." meint die männliche Stimme. "Wer hat Euch dies angetan?" fährt die weibliche Stimme ungeduldig dazwischen. "Rhonda, schau Dir doch mal bitte ihren blaugrünen, geschwollenen Mund an. Glaubst Du etwa wirklich, daß sie Dir jetzt erzählt, wer sie so entstellt hat?" "N...n...i..." stottert sie mit letzter Kraft, bevor sie wieder in dieses schmerzloses Dunkel fällt. Kaum wieder bei Bewußtsein, heißen sie ihre Schmerzen willkommen, aber sie sind längst nicht mehr so schlimm, wie an ihrem letzten Tag bei den Paladin der dunkelblauen Robe. Endlich kann sie auch wieder klar denken, vorsichtig öffnet sie ihre Augen, die gegen ein gedämpftes Licht anblinzeln. Im selben Moment legt sich ein, nach Kräuter riechender, Lappen auf ihre Augen, der sofort wieder weggenommen wird. "Oh... ihr seid wieder da, wie schön!" die angenehme Stimme des Mannes ist reines Labsal für ihre geschundene Seele. "Eure Schwellungen sind schon nicht mehr so schlimm, ihr genest schnell. Wollt Ihr mir Euren Namen verraten? Sie versucht ein Lächeln, doch ein stechender Schmerz aus den Mundwinkeln hindert sie daran. Langsam öffnen sich ihre geschwollenen, blau gefärbten Lippen. Einem heiseren Krächzen gleich flüstert sie ihren Namen, "K...kl...lll...a....r...r...i...s...s...s..."
2. Segment - Charme Tage vergehen. Klariss, einst grün und blau geschlagener Körper gewinnt mit jedem Kräuterbad an Kraft und Vitalität zurück. Pagadons Fragen weicht sie einfach aus, indem sie ihn nur freundlich anlächelt und schweigt. Sie mag niemanden sagen, woher sie kam und was geschehen war. Zu groß ist ihre Schuld und Schmach, die auf ihr lastet. "Ich singe Euch ein schönes Lied, aber Ihr müßt mir versprechen, wenigstens eine meiner Fragen zu beantworten." Pagadons Stimme gleicht einer sympathischen Melodie, die es vermag sie unweigerlich zum Lächeln zu bringen. Stumm schaut sie in die großen, aufgeweckten Augen dieses lieben Mannes und nickt schließlich. Mit einer flinken Bewegung hat Pagadon seine Leier gegriffen und beginnt eine fröhliche Melodie zu zupfen. "Das Vorspiel!" schmunzelt er und beginnt mit einer hellen, kräftigen Stimme sein Lied: 27
"Hell, wie der Morgen strahlt Dein Gesicht, Deinen Augen glänzen in diesem Licht, ich bin der Stier, du meine Kuh, in meinem Herzen lebst nur..." "PAGADON!" eine zornige, weibliche Stimme zerschneidet mit einem groben kühlen Ton, die entspannte Atmosphäre. Dumpf fällt die Leier zu Boden, während Pagadon und Klariss schuldbewußt zusammenzucken. "Du solltest sie pflegen und ihr nicht schöne Augen machen...Kann sie endlich reden?" Ihre Stimme klingt schroff und trocken, während ihre Augen die beiden böse anfunkeln. "Kaum ist der Barde allein, schon klingt seine Leier wieder..." "So sind wir Barden..." "SCHWEIG!" ihr unbeherrschtes , tiefes Brüllen verursacht eine Gänsehaut auf Klariss Haut, "und nun zu Euch!" Ihr erbarmungsloser Blick lastet auf Klariss, "Wer seid ihr und was war mit Euch geschehen?" Klariss zuckt wieder zusammen, die Bilder ihrer Folter erscheinen für kurze Augenblicke vor ihrem geistigen Auge, ihr Mund öffnet sich und schließt sich wieder. Unfähig ein Wort zu sprechen, schaut sie die herrische Frau, verängstigt an. "Sprecht endlich!" Klariss spürt den heißen Atem der aufgebrachten Frau, sieht wie ihr Kopf zornesrot wird, aber sie schweigt. Niemand wird es erfahren, niemand. So wie die Paladin der Dunkelblauen Robe nie erfahren werden, was mit Endrik geschah, so wird auch diese Frau nie erfahren, wer sie so mißhandelt hat. "Pagadon, geh mal vor die Tür!" herrscht Rhonda den schweigenden Barden an. "Warum? Was soll ich da?" seine Stimme klingt kleinlaut und verhalten. "Hack Holz, jage Tiere, sammele Beeren... egal was, aber mach es und verschwinde endlich!" Widerwillig erhebt sich Pagadon und wirft seiner Rhonda einen fragenden Blick zu, während er die Hütte verläßt. "Was sie wohl vor hat?" denkt er sich. "Ihr habt eine Zunge, Zähne und einen Mund, warum redet Ihr nicht endlich? Muß ich es aus Euch herausprügeln..." Rhonda hält überrascht inne, sie versteht es auf einmal. Ihr Gesicht entspannt sich merklich und in ihre Stimme fließt wieder Milde ein. "Das ist es...weil Ihr nicht redet, wurdet Ihr so zugerichtet... Ihr hütet ein Geheimnis... ich beginne zu verstehen..." Mit Gewalt komme ich nicht weit bei Ihr! denkt sich Rhonda und lächelt die verstörte Klariss entwaffnend an. "Hier seid Ihr in Sicherheit, niemand wird Euch anrühren, solange ich, Rhonda Lautenschmied, in Eurer Nähe bin. Ruht Euch nur aus, ich werde über Euch wachen!" Ungläubig starrt Klariss Rhonda an, dieser Stimmungswechsel kam ihr zu plötzlich und unerwartet. Was führt diese Rhonda nur im Schilde? Mit dieser Frage schließt sie erschöpft ihre Augen und fällt in einen traumlosen Schlaf.
3. Segment - Häscher Ein heller , warmer Sonnenstrahl tanzt fröhlich auf ihrer Nase und läßt sie wieder wach werden. Verschlafen öffnen sich ihren Augen. Neugierig blickt sie sich um. Diese seltsame Frau, Rhonda, und deren Mann (?) Pagadon sind nicht da, lediglich zwei herumliegende Rücksäcke und ein Deckenknäuel zeugen davon, daß jemand hier war oder ist. Wo die beiden wohl sind? Ihre Beine scheinen aus Wackelpudding zu bestehen, sie möchte aufstehen, doch es geht nicht. Die Beinmuskeln verweigern ihren Dienst und sie fällt auf ihr weiches Lager zurück. Im selben Moment fliegt die Tür auf und Gestalten in dunkelblauen Roben dringen ein. 28
"Deine Marter ist noch nicht zu Ende, Klariss!" höhnt eine, ihr wohlbekannte Stimme. "Sag uns endlich, was mit Endrik geschah, damit wir gerecht über dich richten können!" Klariss steckt der Schreck tief in den Gliedern, die Angst schnürt ihr den Hals zu. Wie gelähmt, sitzt sie auf ihrer Lagerstätte und starrt, mit Panik in den Augen, auf die dicken Holzknüppel in den Händen der Gestalten. Klariss weiß, daß sie nicht flüchten kann, sie ist ihnen hilflos ausgeliefert. Da treffen sie auch schon die ersten Knüppel an Kopf und Brust. Ihr entweicht ein markerschütternder Schrei aus Angst und Schmerz. "Sprich endlich!" fordert ihre Lehrmeisterin unnachgiebig und läßt ihre Keule, auf die sich vor Schmerzen hin und her windende Klariss, erneut sprechen. Wieder legt sich der barmherzige Mantel der Bewußtlosigkeit über die junge, gepeinigte Frau. Wieder Schmerzen. Unfähig, ihre Glieder zu rühren, liegt sie auf Stroh und bemerkt, daß etwas Kühles auf ihrer Stirn liegt. "Seid Ihr wieder da?" es ist die Stimme des netten Mannes, wie hieß er gleich noch mal... Pa.. Pagadon. Vergeblich versucht sie ihren Mund zu öffnen. Ihre geschundenen Lippen zittern zwar, aber es bleibt bei diesem Versuch. "Man hat Euch diesmal noch schlimmer zugerichtet!" erklärt Pagadon traurig und wechselt den wohlriechenden Lappen auf ihrer Stirn. In Klariss wandern ihre ungestellten Fragen rastlos hin und her. Wo sind die Paladin hin? Lebt Rhonda noch? Wo war Pagadon? Wann kommen die Paladin wieder? Sie möchte Antworten, aber sie muß sich noch gedulden. "Schlaft jetzt!" ermuntert Pagadon die schwerverletzte Frau, "um so eher wird wieder Eure Schönheit aufblühen. Klariss versucht ein dankbares Lächeln, doch es klappt nicht. Ihr scheint, als ob jemand den Raum betritt. "Und... schläft sie?" Es ist die Stimme von Pagadons Frau(?), Rhonda. "Ich glaube schon. Sie war gerade mal kurz da, aber jetzt... ich denke mal, daß sie wieder schläft. Hattest Du Erfolg?" Rhonda lacht kühl auf. "Erfolg? Ich habe noch gar nicht richtig angefangen, da sprudelte schon alles aus ihr heraus..." Ihr...das Wort sorgt in Klariss für weitere Unruhe, sie war schon fast wieder müde weggedriftet, nun ist sie wieder hellwach. Gespannt horcht sich weiter. "Und warum hat man..." "Tja, Pagadon, wie soll ich Dir das anschaulich erklären?" beginnt Rhonda. "Ich bin nicht doof, los sag es mir ohne viele schöne Worte, das kann ich nämlich besser als DU!" "Mag sein..." Rhondas Worte klingen auf einmal anders, sehr ernst. "Aber stell Dir doch mal vor, du hast noch gar nicht richtig angefangen und schon ist alles vorbei?" "Wie alles vorbei?" "Nun ja...", Rhondas Stimme klingt ein wenig belegt, "Sie ist vor Angst gestorben!" "Nein, das glaube ich nicht... Rhonda, du machst einen bösen Scherz, oder ?" "Nein, nein, nein. Beim Anblick meines Dolches sank sie in sich zusammen und machte keinen Mucks mehr..." "Seltsam..."stimmt ihr Pagadon zu. Lediglich Klariss glaubt zu wissen, warum sie, ihre Lehrmeisterin(?),so einfach starb, aber sie würde es den beiden nie erzählen.
4. Segment - Abschied
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Traurig schaut Pagadon Klariss hinterher. Wochenlang hat er sie mit Rhonda gemeinsam gepflegt und beschützt und nun... jetzt geht Klariss einfach weg. Er kann es nicht verstehen, doch sie wird ihre Gründe haben, trotzdem findet er es nicht richtig. Rhonda, die neben ihr steht, lächelt wissentlich. "Sie kommt wieder, Pagadon. Ganz gewiß, nun laß uns auch gehen, ich habe durch sie einige Tage verloren. Wenn wir Tseren den Glatzköpfigen noch kriegen wollen, dann sollten wir langsam wieder losziehen. Pagadon nickt und schaut ein letztes Mal Klariss hinterher. Wo sie nur hingehen wird? Rhonda greift in ihre Tasche, doch statt Tserens Steckbriefs hält sie ein Pergament in der Hand, fast hätte sie es vergessen. "Du kannst doch sicher auch diese Schrift lesen, oder?" Pagadon schaut Rhonda mit versteckten Tränen im Gesicht an, "Welche denn?" "Diese..." sie hält Pagadon die Schriftrolle hin, "jetzt wo sie weg ist, lies es mir vor. Bitte!" Erstaunt greift er danach und überfliegt es. "Woher hast Du es?" "Von dieser weibliche Paladin, die ich ausfragen wollte." "Ah ja", Pagadon räuspert sich und liest es vor: "Tag 101, Jahr 40 n.F.U. Mir wird der Priester vorgestellt. Ein älterer Mann, so um die vierzig Jahre alt, seine Haut ist so grau wie sein Haar. Er stellt sich mir als Endrik, Priester des Sono vor. Seit wann unterstützen wir Paladin der Dunkelblauen Robe die Geistlichkeiten eines anderen Glaubens. Ich wage die Frage meiner Lehrmeisterin nicht zu stellen, sonst würde ich ja zugeben, bei den Unterweisungen nicht immer aufgepaßt zu haben. Nach dem Mittagsmahl wird mir mitgeteilt, daß Endrik mich als Begleitung gewählt hat. Hatte ich wieder nicht richtig hingehört(?), ich wußte gar nicht, daß noch andere Novizen zur Auswahl standen. Zukünftig werde ich besser zuhören! Wir brechen sofort auf, um den Tempel der vier Winde noch bei Tageslicht zu erreichen. Endrik ist nicht sonderlich schweigsam, die ganze Zeit singt er frohe Lieder und preist die Göttin Tromothan. Ich horche interessiert auf, hatte man mir nicht damals erzählt, daß es keine Priester des SONO-Glaubens mehr gibt? Wieder einmal verfluche ich meine Unaufmerksamkeit bei den Unterweisungen. Es kommt, wie es kommen mußte. Die hellen, freundliche Lieder des Priesters haben SIE angelockt. Wir geraten in einen Hinterhalt und werden, aus dem Rücken heraus, angegriffen. Endlich habe ich die Gelegenheit, meine Passion den Schwertkampf, unter realen Bedingungen zu erproben. Wirklich beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit meine Schwerter den gepanzerten Körper des Orks durchstoßen. Sie zerschneiden ihn wie Butter und bleiben dabei unbefleckt. Mache ich wieder alles falsch? Endrik beschimpft mich auf’s übelste. Ich wäre zu impulsiv und hätte nicht die Besonnenheit einer Paladin. Trotzdem versuche ich ruhig zu bleiben und gelobe Besserung. Dieser Spinner! Keine fünf Minuten später wendet sich das Blatt, ich werde von Endrik geradezu angefleht weitere heranstürmende Orks, ohne sie zu warnen, niederzumetzeln. Es ist doch erstaunlich, wie wenig ein Ork verträgt. Fast scheint es mir, daß die Orks in der Trainingsgrube stärker waren, als diese hier. Sollte das dicke Ende noch kommen? Zumindest erreichen wir den Tempel der vier Winde noch vor Einbruch der Dunkelheit, ohne weitere Vorkommnisse. Meine Lehrmeisterin ist auch hier, ich bin gespannt, was sie von mir will. Tag 102, Jahr 40 n.F.U." Pagadon stutzt und glotzt ungläubig auf das Pergament. "Die nächsten Absätze kann ich nicht lesen, es ist eine Sprache die ich nicht kenne. Merkwürdig..." "Lies da weiter, wo es wieder geht!" murmelt Rhonda gespannt.
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"Am Abend erreiche ich wieder die Burg der Dunkelblauen Robe. Meine Lehrmeisterin ist wieder vor mir da, sie schaut mich verwundert an, fast so - als ob ich eine Geister-erscheinung wäre. Auf die Frage, wo Endrik sei, schaue ich betroffen zu Boden... Es steht fest,... hurra... ich brauche kein Tagebuch mehr führen, zu schade nur, daß ich kein Dach über den Kopf mehr haben werde und sozusagen vogelfrei bin. Was soll’s, irgendwie werde ich mich schon durchschlagen." Pagadon schaut stumm zu Rhonda und dann wieder in die Richtung, in die Klariss ging. Sie ist kaum noch in der Ferne auszumachen, lediglich ein kleiner schwarzer Punkt in der unendlich scheinenden Öde des Landes, zeugt von ihrer Existenz. "Ich verstehe langsam die Zusammenhänge. Unsere Klariss hat gehörig Dreck am Stecken und sie will es niemanden sagen. Pagadon, Tseren muß warten. Ich gehe ihr nach! Du gehst inzwischen nach Wolpa und machst dich schlau bezüglich der Paladin und dieses Pergaments, verstanden?" "Aber ich würde lieber..." versucht Pagadon einzuwerfen, doch vergeblich. Rhonda gibt ihm noch einen hastigen Kuß auf dem Mund und geht Klariss hinterher.
5. Segment - Mut Immer wieder schlägt das heilige Schwert auf das Holzschild ein. Mit jedem Schlag spritzen neue Splitter vom Schutz ab. "Flieh!" grollt Klariss dem, um sein Leben kämpfenden, Ork zu. Mit ängstlichen, aufgerissenen Augen wehrt der Ork den nächsten harten Schlag ab. Er ist der letzte seiner Kampfgruppe, die in ihrem eigenen grünen Blut am Boden liegt. Ab und an stöhnt der eine oder andere auf, doch der Tod ist bereits in der Nähe und schärft seine Sense. "Nun flieht endlich!" Klariss Aufforderung klingt schon fast nach einer Bitte, wieder schlägt das edle Schwert auf den Schild des Orks, das den Widerstand nicht länger halten kann, ein. Mit einem verhängnisvollen KRACK! bricht es auseinander. Mühelos dringt das helle Schwert in den Schädel der Kreatur ein und spaltet ihn. Seine Beine knicken weg und der Torso fällt dumpf zu Boden. Stumm betrachtet Klariss ihre Tat, es war ein leichtes gewesen diese Gegner zu töten. Obwohl sie wochenlang nicht trainiert hatte, waren ihre Schläge treffsicher. Zu treffsicher... sollte es an diesem Schwert liegen, das einst ihrer Lehrmeisterin gehört hatte. Ihr Atem geht immer noch schnell, ihr Herz rast. Auch wenn ihre Technik noch keine Schwächen zeigt, ihre Kondition hat stark gelitten. Wäre der Kampf nur ein wenig länger gewesen, dann hätte sie den Überfall nicht überlebt. "Wir sind uns ähnlicher, als ich dachte!" Rhondas Kopf erscheint hinter einem der dichten, verdorrten Büsche, die in unendlich scheinender Zahl diese Öde bevölkern. "Warum?" Klariss ringt immer noch nach Luft, schnell und unkontrolliert. "Eure Schwerttechnik ähnelt meiner und ihr..." ein Lächeln umspielt Rhondas Mundwinkel, "habt genauso wenig Ausdauer wie ich. Ihr kämpft kurz und heftig..., wie ich!" "Ihr wiederholt Euch, Kopfgeldjägerin. Auch wenn ich Euch mein Leben schulde, laßt mich alleine weiterziehen und hängt Euch nicht an mich. Jetzt, wo ich frei bin, möchte ich auch meine Freiheit genießen!" Klariss ernster Blick trifft Rhondas wachsame Augen, "Bitte! Kehrt zu Eurem Mann..." "Mann?" Rhonda prustet lachend los, "Ihr denkt, Pagadon... wirklich komisch! Er ist mein Partner im geschäftlichen Sinn, mehr nicht. Er übernimmt das Lesen und ich den Rest!" "Egal, laßt mich ziehen, bitte geht zurück!" "Nein!" erwidert Rhonda bestimmt, "erst will ich wissen, was Ihr mit dem Priester, diesem Endrik gemacht habt!" Klariss Mund öffnet sich und schließt sich wieder, ihm folgt eisiges Schweigen. "Das ist auch der Grund, warum die Paladin Euch grün und blau schlugen, nicht wahr?" 31
Klariss schweigt und starrt Rhonda ungläubig an. Woher kennt sie Endrik, die Paladin hätten es ihr nicht verraten. "Und die Sono - Religion existiert seit Foxens Untergang nicht mehr, was war nun mit Endrik? Nun sagt schon..." Rhonda zeigt ein wissendes Grinsen und erfreut sich an Klariss Gesichtsentgleisung. Sie hat es niemanden erzählt, woher weiß es die Kopfgeldjägerin? Spricht sie etwa im Traum? Wieso kennt sie die Antwort auf ihre nie gestellte Frage? "Wenn Ihr es mir nicht sagen wollt, dann werde ich Euch diesen blauen Paladin ausliefern. Nachdem IHR ja drei Paladin zusätzlich auf Eurem Sündenkonto habt, wird man mich sicher fürstlich entlohnen." "Nein!" schreit Klariss wütend aus und hebt ihr heiliges Schwert, bereit einen überraschenden Angriff abzublocken. "Ihr wollt einen Kampf? Gut, den könnt ihr haben. Gewinnt ihr, dann lasse ich Euch ziehen. Gewinne ich, dann erzählt mir die Wahrheit über Endrik!" Rhondas Schwerter legen sich fast wie von selbst in ihre Hände und schwingen spielerisch auf und ab. "Was ist?" Klariss weicht noch einen Schritt zurück und schüttelt den Kopf, "Nein, ich werde nur um meine Freiheit kämpfen, sonst nichts." Rhondas Schwerter verschwinden wieder in ihrem Schwertgehänge. "Schade!" bekundet Rhonda, "Wenn Ihr keinen lukrativen Einsatz bietet, ziehe ich mein Angebot zurück. Ihr könnt gehen, aber denkt daran, ich folge Euch und zwar solange bis ihr redet oder ich Euren Steckbrief in die Hand bekomme, dann werde ich Euch ausliefern und mich an Euren Schmerzenschreien erquicken!" Klariss weicht weiter zurück und hält ihr helles Schwert fest umklammert. " Was seid ihr nur für ein Mensch..." "Kein Mensch..." frotzelt Rhonda zurück, "Halbelfin bin ich!" "Abschaum! Nichts weiter als Abschaum seid ihr!" Klariss geht stetig weiter zurück, behält Rhonda aber konzentriert im Auge. "Ihr solltet schon hinschauen, wohin ihr geht!" "Wißt Ihr, wie alt dieser Trick ist? Den kannte schon mein Uronkel..." Klariss läßt Rhondas Rat unbeeindruckt, trotzig weicht sie noch weiter zurück. Sie strauchelt und verliert fast das Gleichgewicht. Fast wäre sie über einen, dieser unzähligen Büsche gestolpert. Rhonda hat die Situation nicht für sich ausgenutzt. Ruhig und besonnen steht sie da und genießt, wie unbeholfen Klariss immer weiter zurückweicht. "Wir sehen uns dann am Abend wieder!" ruft Rhonda Klariss noch zu, dann wendet sie sich ab und wartet, wartet gespannt. Gleich wir sie auf mich zustürmen, denkt Rhonda und macht sich kampfbereit. Kaum merkbar zittert der Boden unter ihr, sie hört ihr Schnaufen und reagiert. Wieder legen sich ihre Schwerter unglaublich schnell in ihre Hände, die sie zum Block kreuzt, als sie sich Klariss wieder zuwendet. Die Angreiferin schreckt überrascht zusammen, erst jetzt wird Rhonda bewußt, daß Pagadon mit schwerem Atem vor ihr steht. "DU?!" Rhonda ist für einen kurzen Moment verblüfft. "Was..." "Ich weiß es jetzt, ich weiß jetzt warum!" schnauft Pagadon voller Enthusiasmus. "Es ist keine fremde Sprache, Klariss hat einfach nur die Worte rückwärts und von rechts unten nach links oben geschrieben. Rhonda blickt stumm hinter Klariss her, deren Gestalt am Horizont immer kleiner wird. Hatte sie sich in ihr doch so getäuscht? Wäre es nicht logischer gewesen, wenn Klariss versucht hätte sie zu töten, oder..."
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Sie schaut Pagadon mit einem Blick der Erleuchtung an, "Klariss ist keine Mörderin, habe ich recht?" Pagadon nickt stumm und kramt die Rolle hervor. Mit trockener, Stimme beginnt er schnaufend zu lesen: "Ich passiere mit Endrik die Stelle vom Vortag, Endrik schweigt und würdigt die zerfressenen Körper der Orks keines Blickes, Irgend etwas stimmt nicht mit ihm, er redet und singt nicht, fast schon teilnahmslos geht er neben mir her. Ich frage ihn, ob etwas los sei, doch er schüttelt nur den Kopf. Wir befinden uns am Rande der Ödenlandschaft, als wir von vermummten Reitern bedrängt werden. Obwohl ich Endrik befehle, hinter mir Schutz zu suchen, entfernt er sich immer mehr von mir. Die Reiter weichen meinen Schlägen aus und versuchen mich einzukreisen. Endrik, der wohl Panik hat, versucht wegzulaufen, wird aber von Reitern gepackt und verschleppt. Die Reiter müssen es nur auf ihn abgesehen haben, denn sie ziehen sich zurück. Ich habe versagt und das Schlimmste ist, ich darf es niemanden sagen, da ich einst den Schwur der Blauen Robe leistete, der es Novizen verbietet über Fehlschläge zu sprechen." Pagadon blickt Rhonda an, die verklärt schaut, "Mmh, auch ich habe heute etwas hinzugelernt!" "Und was?" "Mut bedeutet nicht unbedingt den Kampf zu suchen, es erfordert viel mehr Mut einen Schwur, selbst im Anblick des Todes oder unter unsagbaren Schmerzen, nicht zu brechen... Laß uns gehen..." "Ich wußte gar nicht, daß Du philosophieren kannst..." "Ich auch nicht Pagadon, ich auch nicht." Rhonda sieht dem kleinen Punkt am Horizont noch einmal nach. " Ich werde wohl nie so mutig sein, wie ihr Klariss. Ich schäme mich für meine gemeinen Worte, die Euch verletzt haben" murmelt sie kaum hörbar und setzt laut hinzu, "Wie werden sie wiedersehen, Pagadon, bestimmt!" * Der ältere Mann mit grauem Haar öffnet verhalten die schmutzige Tür seiner brüchigen Holzhütte. "Was wollt Ihr hier?" murmelt er leise, "Laßt mich doch in Ruhe!" Die vermummte Gestalt schiebt sich, an ihm vorbei, in die Hütte hinein. "Ihr erlaubt, daß ich ablege, Endrik!" Ohne auf eine Antwort zu warten, zieht sie den Umhang und den langen Schal ab. "Ich heiße Hugon..." murmelt der Mann wütend und schließt die Tür. Mißtrauisch betrachtet er die Paladin, der ein Ohr fehlt. "Warum so unfreundlich? Ich möchte Euch entlohnen, edler Endrik!" "Ihr verspracht, mich nicht mehr aufzusuchen, also geht! Ich habe meine Schuld bezahlt und will kein Kopfgeld. Ihr habt doch das bekommen, was ihr wolltet" "Irrtum Alter. Jemand hat Klariss vor drei Wochen weggeschafft und ich weiß jetzt, wer es war... IHR!" Im selben Moment schiebt sich ein rostiger, schmutziger Dolch unerbittlich in den Brustkorb des alten Mannes, der entsetzt auf die rote Färbung seines Wamstes schaut und sterbend zusammenbricht. Sie schaut in seine hilfesuchenden Augen und spuckt ihm verächtlich ins Gesicht. "Klariss sollte leiden, jeden Tag auf’s neue. Niemand, nein wirklich niemand, schlägt mir ungestraft ein Ohr ab! Niemand!" == ENDE
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Die achte Welt von Thomas Kohlschmidt
Wird er sich diese Nacht selbst töten? Begegnung mit einer Erscheinung...
Das war das Ende! Für Frank stand es fest, dass er diese Nacht nicht überleben würde. Hier und heute würde sein verfluchtes, verpfuschtes Leben aufhören ihn zu quälen. Er würde sich seinen Säuferschädel von den Schultern blasen. Den Revolver dazu trug er in der rechten Manteltasche bei sich, und er konnte das kalte Metall mit der Hand spüren, die schwere Waffe gegen seinen Schenkel pendeln fühlen. Natürlich regnete es! Frank kniff die Augen zusammen und sah hinauf in den finstren Abendhimmel über Hamburg. Wilde Wolken zogen dort im Dunst der Großstadt, dieser perversen, stinkenden dröhnend hektischen Hure! Er taumelte den glitschigen Weg zu den Landungsbrücken hinab. Am Glockenturm der Schwedischen Seefahrerkirche konnte er ablesen, dass es gerade 23:24 Uhr war – kurz vor Mitternacht. Frank verzog sein Gesicht zu einem schiefen Lächeln. Um Mitternacht würde alles vorbei sein! Er hatte es nun nicht mehr weit bis zur Überseebrücke. Er würde die Bohlenrampe hinabwanken, bis er auf der Schwimmplattform ankommen würde, an der heute keine Schiffe lagen. Stockfinster war es jetzt da unten. Und hier – im Angesicht der erleuchteten Docks der ´Blohm & Voss´ -Werft, mit Ausblick auf ihre nimmermüde Geschäftigkeit und unter dem Singsang ferner Schleifmaschinen und Fräsen, würde er den Revolver zücken. Er würde ihn ganz langsam heben, die Feierlichkeit des Augenblicks einen Herzschlag lang schweben lassen, und dann den Lauf der Waffe zwischen seine Zähne schieben. Er wusste, wie das Metall schmeckte, denn er hatte zuhause in seinem dumpfen Wohnloch wie unter Zwang seit Wochen schon ´Generalproben´ durchgeführt. Und er war dann immer zu schwach gewesen, wirklich Schluss zu machen. Aber nicht heute Abend! Heute würde sich die Kugel lösen und sein ekelhaft denkendes, fühlendes, leidendes Gehirn zerfetzen und in die Hölle jagen, oder sonst wohin! Scheißegal! Frank war jetzt am Hafen angekommen. Dies war immer schon sein Lieblingsplatz gewesen, hier würde er aus dem Leben gehen. Wie oft hatte er sehnsüchtig all den Schiffen nachgesehen, die wie bewegte Kontinente die Elbe zum Meer hinabgeschwommen waren. Stolz. Unerschütterlich. Unerreicht. – Heute waren keine Schiffe zu sehen, nur das skelettierte Halbwrack drüben im Schwimmdock, an dessen Stahlrippen unzählige Menschlein wimmelten, um zu schweißen und zu bohren. Frank konnte die Funken stieben sehen. Sie warfen hektische Lichter auf das Schwarz des trägen Elbwassers. Der angetrunkene Mann seufzte. Er spürte seine Augen brennen. Schmerz kroch unter seine Lider. So war es immer gewesen: Er war auf der anderen Seite des Flusses zurückgeblieben, am anderen Ufer, während das Leben gegenüber bunte Kapriolen schlug oder wie selbstverständlich seine Blüten trieb. Dort arbeitete man, errichtete Karrieren und Häuser, fand Aufgaben und Freunde, für die es sich zu streiten lohnte, oder... oder...nein!!! Er wollte das jetzt nicht denken, nicht fühlen! Er fasste den Revolver in der Manteltasche fester. Aber sein beschissener Kopf ließ sich nicht stoppen! ...oder man verliebte sich! Ein Rasiermesser aus Kummer durchdrang seinen Suff, und eine Klinge tanzte grausam 34
Ballett. Anmutig, fast zärtlich, zerlegte sie sein Herz in triefende Scheiben. Frank winselte und stützte sich am Hafenbeckengeländer neben der Überseebrücke auf. Sina! Der Name ließ seine Adern schmerzen, jede einzelne Nervenfaser brennen. Und Tränen schossen ihm über die Wangen. WARUM?! Fragte er sich, fragte er sich getragen von Wut, die zu Hass aufschäumte und ihm die Brust in ein Inferno aus schmerzenden Kräften verwandelte. Er legte den Kopf in den Nacken. Dort oben jagten immer noch die Wolken entlang. Hämische Wolken, grinsende Fetzen, die auf seine geschundene Seele herabpissten! „Warum, Gott? Warum? Du... du Arschloch!! Du widerliche Drecksau!! Ich... ich habe nie darum gebeten, geboren zu werden!! Wa- rum?! Wa- rum muss es mich geben?!?“ Er zitterte jetzt, schämte sich seiner Blasphemie, konnte aber die Bitterkeit nicht mehr anders fassen. Er kotzte seinen Schmerz jetzt auf die Fliesen des Hafenweges. „Du Arschloch, Du Mistkerl! Du Versager!!!... Du willst allmächtig sein? Und erschaffst so einen... einen... Wichser, wie mich?!! Ha, das ist Klasse!!“ Zynisches Lachen entrang sich seiner Kehle, und er setzte sich wieder in Bewegung. Ein Gespenst schien ihn zu jagen, ein warmes Lächeln aus fernen Tagen, ein liebes Gesicht, das jetzt schlimmer war, als jeder Fluch. „Liebe!“ stieß er aus, „Liebe! Das ist wohl Deine größte... Verarsche, was!!??“ Wieder richtete er seine Augen zum Himmel, hinein in den Regen, und musste husten. „Gott, ich hasse Dich!“ flüsterte er zischend, wie eine Natter. Er stürzte die Überseebrückenrampe hinunter zum Ponton, der wie ein Schlund auf ihn zu warten schien. Warum hatte er diese Frau so lieben müssen, und warum hatte Gott sie ihm weggenommen? Vor seinem inneren Auge erschien Frank das Zeitungsfoto, dieses grauenhafte Abbild zerknüllten Metalls, diesen Gewölles aus Glas und Stahl und Lack, in dem Sinas Leben zerquetscht worden war. Dort drinnen war ihr süßes Lächeln in Sekunden zermalmt worden, ihr Schädel war geborsten, ihr Gehirn wie Pflaumenmus verspritzt. „Oh Gott, und ich soll Dich lieben?!! Niemals, niemals, hörst Du??!!“ Frank stand jetzt auf der schwimmenden Plattform im Elbstrom und weinte wie ein Kind. Er fingerte hektisch nach dem Revolver. Ein verheulter Seitenblick zum Kirchturm zeigte ihm, dass es nun fast soweit war: 23:55 Uhr. Gleich würde es vorbei sein. Endlich konnte er den Griff der Waffe zu fassen bekommen und zog sie hervor. Drüben im Schwimmdock spritzten die Funken heller. Flussabwärts loderten die Feuer auf den Schornsteinen der Raffinerien, und es roch nach Salz und Fisch. Der Wind schien ihn jetzt zu streicheln, der Regen war weniger geworden...Frank rief sich Sinas Sarg in Erinnerung, konzentrierte sich auf sein zuckendes Herz, den Schmerz, die Scherben seiner Seele und hob den Lauf zum Mund. „Hoffentlich komme ich nicht in den Himmel!“ dachte er, aber da bestand wohl keine Gefahr, nachdem er Gott so beschimpft hatte. Nach all seinem eigenen Versagen, seinen feigen Fluchten und Wortbrüchen, nach all den Verletzungen, die Frank geliebten Menschen in letzter Zeit zugefügt hatte, nach all dem aufgestauten Mist in seinem Leben, war das ausgeschlossen. Für ihn würde es Hölle heißen! Aber das konnte nicht schlimmer sein, als das hier! Jede Veränderung war ein Segen! Nur weg von hier!!! Er schob sich den Lauf in den Kopf und atmete jetzt ganz flach. Sein Puls jagte. Der Alkoholnebel wallte rot und lüstern. Frank zitterte, Gleich... gleich... JETZT! In genau diesem Augenblick größter Hitze, dampfenden Fiebers, brodelnder Hysterie, in diesem Augenblick erfasste ihn eine eiskalte Woge. Frank schrie auf. Sein Atem gefror, ebenso jede Bewegung. Es schien so, als würde 35
kristallklares Wasser wie in einem Sturzbach über ihn geschüttet. Ein Wirbel aus kaltem Blau erfasste ihn. In Kontakt mit seinem glühenden Körper zischte die Flut. Dampf umwogte ihn. Der Verzweifelte hörte sich unablässig schreien, aber gleichzeitig sah er sich weit weg, wie hinter einem Vorhang aus Eiskristallen tanzen. Seine Knochen wurden Gletscher, sein Fleisch Schnee. Seine Augen hatte er weit aufgerissen. Sein Hirn war wie aus Glas so klar, und jedes bisschen Dumpfheit war schlagartig dahin. Er knirschte mit den Zähnen auf dem Lauf der Waffe und schmeckte trotz taubgefrorener Zunge sein öliges Metall, sodass er würgen musste. „Keine Angst, sterbliches Wesen!“ hörte Frank plötzlich eine Stimme in seinem Kopf sprechen, „Es wird gleich besser sein. Keine Angst!“ Er warf nun wilde Blicke aus den Augenwinkeln um sich, denn seine zu größeren Bewegungen war er immer noch nicht fähig. Hatte er abgedrückt, und dies war der Übergang in die Hölle? „Nein! Dies ist nicht das Leben danach!“ antwortete die Stimme auf seine unausgesprochene Frage, „Ja, Frank Niebuhr, ich kann Deine Gedanken lesen. Ich kenne Dich! Du bist mein Schützling!“ „W... w... wer bist Du?“ stammelte Frank und bemerkte, dass der Lauf des Revolvers sich nicht mehr in seinem Mund befand. Die Waffe lag schwer in der Hand des Armes, der rechts an seinem Leib ohne Gefühl darin herunterhing. „Ich habe Milliarden von Namen und Keinen! Ich bin ein Wesen, das Du niemals begreifen kannst, aber ich verstehe Dich!“ Was war hier los? War er endlich verrückt geworden? Übergeschnappt? „Nein Frank, glaube mir: Du bist klarer als jemals zuvor in Deinem verunglückten Leben auf der Achten Welt! Du bist am Leben und dies hier geschieht wirklich!“ „Wo... wo bin ich?“ „Immer noch dort, wo Du warst. Aber ich habe - sagen wir einmal für Dich verständlich - die Zeit eingefroren, um in Ruhe mit Dir sprechen zu können.“ „Warum? Was willst Du? Wer bist du?“ „Ich bin Dein Bewahrer. Sei froh, dass Du einen hast! Nicht jede Seele bekommt einen Beschützer wie mich.“ „Ein Schutzengel? Du bist ein Schutzengel?“ „Nein! Ich bin kein geflügeltes Wesen, kein religiöses Symbol, kein naiver Traum! Ich bin Dein Helfer, Dein Richter, Dein Henker, wenn die Zeit gekommen ist!“ „Du bist eine Vision!“ flüsterte Frank in aufkeimender Panik, „Ich träume!!“ „Fühle in Dich hinein, Frank Niebuhr! Was sagt Dir jede Deiner Zellen? Bin ich ein Spuk? Mehr nicht? Du weißt es besser! Fühle!“ Frank war verwirrt. Er spürte Angst und Wut in sich hochsteigen, aber gleichzeitig gewahrte er ein sonderbares Kribbeln. Es war ein warmes Etwas, eine Bewegung, eine Welle in ihm. Es fühlte sich so ähnlich an, als ob Cognac den Magen erreicht, nur, dass dies sein ganzes Ich durchlief. Ein schönes, heilsames Schaudern war es. Etwas...Gutes. – Nein, das musste Betrug sein!! „Zeig Dich! Ich hasse es, wenn man mich verarscht! Was soll das Ganze? Ich falle nicht drauf rein! Zeig Dich!“ stieß er so fest hervor, wie er noch konnte. Vor seinen Augen teilte sich der Dampf und zwei hell leuchtende Augen erschienen. Sie strahlten ein warmes Licht aus und hatten seltsam funkelnde Pupillen, in denen unablässig Feuerwerke aufzusteigen schienen. Er konnte in den Tiefen des Blickes Kaskaden aus Funken erkennen, ein Pulsen von Wahrem. „Mehr werde ich Dir nicht zeigen, denn es würde Deinen Verstand zerstören!“ „Der ist schon hinüber, Schutzgeist! Verlass Dich drauf!“ stieß der Mann mit dem Revolver zynisch hervor und ärgerte sich darüber, dass er den Hauch nicht ignorieren konnte, der ihn 36
mehr und mehr erfasste, umstreifte, streichelnd beruhigte. „Du willst mich einlullen? Willst Du mich berauben?!“ „Nein, Frank! Du beraubst Dich selbst am meisten. Ich bin gekommen, um mit Dir zu sprechen, bevor Du auch diese Welt wieder so kläglich verlässt, wie die vorigen sieben!“ Frank stutzte. Hatte er richtig gehört? Was sollte das bedeuten? „Die vorigen sieben Welten? Wovon sprichst Du, Mann?“ Er wurde wieder wütend. Er versuchte seinen rechten Arm zu heben, aber es misslang ihm. Er versuchte es erneut: vergebens! „Hey, Schutzgeist! Hör auf mit dem Scheiß! Lass mich los! Ich will endlich... !“ „Du willst Selbstmord machen und Sina ein weiteres Mal im Stich lassen!“ donnerte die Stimme unvermutet heftig, und die Augen wurden für eine Schrecksekunde schmal vor ihm. Sein Herz zuckte, wie unter einer Peitsche zusammen. „W..´. w... Was?!!” Frank fühlte Eis durch seine Adern jagen, sein Rückgrat schien zu bersten. „Ich lasse Sina im Stich? Sina ist tot!!! Sie ist tot!!!“ Und wieder brannten ihm die Augen vor Tränen. „Nein! Sie ist nicht tot! Sie lebt! Sie existiert nur nicht mehr in dieser Welt! Wir haben sie transferiert. Wir sind die Bewahrer, und auch Sinas Seele ist Teil unserer Aufgaben.“ Frank sträubten sich die Haare. Er schluckte mehrmals. „Ich bin besoffen, stimmt´s ?“ „Fühle in Dich“, sagte die Stimme jetzt wieder in mildem Tonfall, „Glaubst Du, dass Du betrunken bist? Ist es wirklich so einfach für Dich, das Ungewöhnliche abzutun?“ Der Verzweifelte stutzte und sah in die fremden Augen. Er fixierte sie, prüfte sie. Es war wie ein Duell des Glaubens. Schließlich, nach durchzitterten Sekunden, Minuten, Stunden... , nach einer völlig unbestimmbaren Spanne an Zeit, senkte Frank den Blick und seufzte. „Nein. Es ist verrückt. Aber ich weiß, dass ich nicht träume oder im Delirium bin!“ Das Augenpaar blieb unverändert, aber die Stimme in seinem Kopf wurde sanfter. „Du beginnst endlich zu verstehen: Dein Hass und Misstrauen zerstören Dich, wenn Du nicht aufpasst!“ „Na und? Ich bin wertlos!“ „Das bist Du nicht! Sonst wäre ich nicht hier! Du hast recht: Es gibt Seelen, die werden im Schöpfungsablauf zu schwach geboren, zu zaghaft in Glauben und Liebe. Sie vergehen ohne Chance zwischen den Sternen und haben daher auch keinen Bewahrer. Aber Deine Seele, Frank Niebuhr – wie Du auf dieser Welt gerade heißt – Deine Seele muss kämpfen, um es zu schaffen! Wir haben Dich noch nicht aufgegeben!“ „Ihr? Die Bewahrer? Ihr beschützt ´hoffnungsvolle Seelen`?!“ Frank kicherte ironisch, „Das klingt zu schön, zu süß... niedlich geradezu!“ „Deine Bitterkeit hat Dich immer noch im Griff, und das ist verständlich! Auch diese Welt ist eine schlimme Arena für Dich! Wir wissen das, aber es muss sein. Sonst wirst Du die Seele, die hier ´Sina´ hieß, niemals befreien können!“ „Du sagtest, sie lebt noch“, flüsterte Frank zaghaft, und sein Herz drohte auszusetzen, so sehr fürchtete er die Wahrheit des Fremden, die er mehr und mehr ahnte, die ihn jedoch mit unbestimmter Furcht und Scham erfüllte. „Sie lebt“, sagte die Stimme mit den seltsamen Augen, „Und sie leidet, denn sie ist ohne Dich. Ihr seid ein Seelen-Paar, jeder die Hälfte des Ganzen. Aber ihr verliert euch nun schon seit acht Welten!“ Frank konnte seinen Arm immer noch nicht rühren. Gerade hatte er es erneut versucht. „Acht Welten, die Erde eine Arena! Was soll das?“ „Die Erde ist für viele Seelen ein Ort der Bewährung!“ sagte das unfassbare Wesen jenseits des Dampfes, „Für Sina und Dich war sie als Testwelt gedacht, an deren Herausforderungen ihr wachsen solltet, um so stark zu werden, dass euch weder Hindernisse, noch 37
Schicksalsschläge und Schmerzen voneinander abbringen würden. Diese innere Stärke ist der Glauben an das Gute! Es ist die Hoffnung! Aber Du hast wieder aufgegeben. Du bist in Angst versunken, genau wie Sina auch! – Weißt Du, warum sie gestorben ist?“ „Weil Gott sie getötet hat!“ zischte Frank. „Nein! Weil Du nicht an sie geglaubt hast, Frank! Du hast sie in der Unglücksnacht nicht gestützt und gehalten, als ihre eigene Angst sie fressen wollte. Sie dachte nach eurem Streit am Telefon, Du würdest sie nicht mehr lieben! Sie ist in purer Verzweiflung mit dem Auto losgefahren, um bei einer Freundin Trost zu suchen. Die Strecke dahin war dunkel und kurvenreich. Es hat geregnet. Sie hat geweint...“ „HÖR AUF!!!...Hör...auf!! Du Schwein!! Jetzt weiß ich es: Du willst mich quälen! Ich bin doch schon in der Hölle!!“ „Nein, Frank, geprüfte Seele! Du bereitest Dir auf jeder Welt die Hölle selbst, weil Du nicht glauben willst!“ „Ich kann nichts dafür!!!“ schrie Frank und weinte jetzt wieder, „Damals war ich so wütend und verletzt! Sie hatte sich mit diesem Stinktier Mark getroffen! Der war schon immer scharf auf sie, und sie trifft sich mit ihm!! Ich dachte, sie würde mich betrügen!! Ich dachte, sie lässt mich... allein. Wieder allein... - Es... es tut mir leid! Es tut mir so leid!“ „Das ist gut, Frank! Sehr gut, aber es muss der Anfang zu etwas Neuem sein, zu einer Veränderung! Du musst es wollen!“ „Was denn bloß?!!“ heulte Frank und kniete nun im Nebel. „Deine Angst darf nicht immer gleich zu Wut werden. Die Wut darf nicht in Hass münden! Du musst es lernen, Deine Angst zu ertragen! Du musst jeden Zweifel aushalten und trotzdem Dein Innerstes öffnen!“ „Aber d... d... das ist unmöglich! Es tut so weh!“ „Richtig, Seele! Das ist die Prüfung unserer Welten! Ihr müsst lernen, alle Schmerzen zu besiegen, indem ihr sie annehmt! Erst dann seid ihr stark genug, die Angst zu bezwingen. Ihr beginnt dann mit ihr zu leben, ohne Flucht!“ „Und wenn der Schmerz uns tötet?“ „Das wird er nicht!“ „Woher weiß ich das?“ „Du musst es glauben! Das ist immer wieder der Punkt, auf den es hinausläuft! Wie viele Welten willst Du noch verlieren?“ „Nicht eine!! Das habe ich nie gewollt! - Aber das ist doch alles frommes Gelaber wie in der Kirche!“ bäumte sich Frank ein weiteres Mal auf, „Schickt Dich Gott?“ „Wir haben unsere Aufgabe als Bewahrer. Wir spüren sie in uns und sind selbst von Größerem erschaffen. Wir nennen es nicht ´Gott`, aber es hat 1000 Namen in 1000 Welten. Namen sind nicht wichtig, sondern auf den Kern kommt es an. Viele Erd-Religionen und – Philosophien versuchen etwas davon einzufangen...“ „Wiedergeburt, Bewährung, Wiedergeburt, Bewährung, Erlösung...“ „So nennt man es hier oft, man kann es auch anders nennen. Die Wahrheit bleibt!“ Frank schwieg und sah zu Boden. Seine Wut zerfloss noch weiter, wurde matt und matter. „Was soll ich nun tun? Was kann ich tun?“ „Tapfer sein, Frank! Versuche es auszuhalten! Bleibe noch hier. Durchquere den Fluss, strebe ans andere Ufer und mische Dich ein. Geh noch nicht von dieser Welt!“ „Aber Du sagtest, Sina lebt! Ich will zu ihr!!“ Frank schien zu flehen. Seine Stimme versagte ihm. „Sie existiert auf einer anderen Ebene. Wenn Du jetzt zu ihr gehst, scheitert ihr auch im nächsten Universum. Wir haben sie extra hier herausgeholt, um Dir eine Art von Schock zu verpassen, damit Du endlich gezwungen bist, an Dir zu arbeiten! Eine Flucht ist nicht die Lösung! Versteh doch endlich: Wir Bewahrer bemühen uns nun schon so lange darum, euch zu helfen! Wer weiß, wie viele Chancen wir euch beiden noch gewähren dürfen, bis wir neue 38
Aufgaben bekommen und ihr doch als schwache Seelen geltet...“ „Werde ich sie jemals wiedersehen?“ fragte er unsicher. „Du wirst sie auf jeden Fall wiedersehen! Entweder als der, der Du jetzt bist – ein gebrochener Mann ohne Kraft - , oder aber später. Dann bist Du ein Stärkerer, jemand, der diese Welt und ihre Ängste bewältigt hat. Wenn Du so zu Sina gehst, kannst Du sie vielleicht für immer halten. Und bedenke: Auch sie kämpft in einer anderen Zeit und Welt um das gleiche Ziel, bis Du wieder bei ihr bist. Tue Deinen Teil für euch!“ „Ich weiß nicht...“, Frank schüttelte den Kopf, „Ich weiß nicht...“ Kälte kroch in seinen Mantel. Er fuhr sich über den Kopf. Regen. Es regnete wieder! Er riss seine Augen auf und warf den Kopf hin und her. Der Dampf war verschwunden, ebenso waren die seltsamen Augen verschwunden. Und er konnte sich jetzt wieder bewegen! Von ´Blom & Voss´ kreischten Fräsen herüber. Der Revolver lag noch immer in seiner Hand. Vorsichtig hob er ihn, Stück für Stück hob er ihn, näher und näher hin zu seinem Gesicht. Schon konnte er die Mündung sehen, deren schwarze Öffnung ihn wie ein Totenauge anstarrte. Wie ein kaltes Tier kroch die Waffe heran. Als das Metallrohr seine Lippen berührte, hielt er inne. Langsam schlug das Herz. Diese Stimme und diese Augen wehten durch seinen Kopf. Das Gefühl von Wärme war ein Echo in ihm. Aber konnte das stimmen? Die Erde eine Welt von vielen, eine Bewährungsprobe? Und Sina war noch am Leben? Was, wenn alles nur eine Vision gewesen war, ein Trick des Alkohols, ein Notausgang des Herzens kurz vor dem Aus? Wie in Zeitlupe öffnete Frank den Mund, hielt den Revolver dicht davor, ein einsamer Mann auf schwankender Plattform um Mitternacht auf dem Elbstrom. Die Uhr schlug jetzt 12. Und da fühlte er in der anderen Hand einen Gegenstand. Da war etwas in seiner Linken! Frank hob nun auch den anderen Arm und blinzelte aus den Augenwinkeln hinüber. Ganz langsam öffnete er seine kalten Finger, und ein Leuchten blühte auf. Inmitten des Lichtes befand sich ein länglicher Stein, ein Kristall. Und in diesem pulsierten Funken. Nein, jetzt sah er es: Dort stiegen unablässig Feuerwerke auf. Schweigend, erhaben, wunderschön! Der Mann zitterte jetzt stärker, sein Blick trübte sich mit Tränen. Und langsam, ganz langsam ließ er die rechte Hand sinken. Er ließ den Revolver in die Pfützen fallen und ging, die Linke an die Brust gepresst, den dunklen Weg zurück.
ENDE
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Die Geburt eines Drachen von Anthalerero
Die wahre Schönheit des Seins liegt oft im Verborgenen. Drei unterschiedliche Freunde erfahren dies auf beeindruckende Weise als sie, verirrt in einem riesigen unterirdischen Labyrinth, mit einem Mythos konfrontiert werden...
"Seht nur, dort hinten!" rief Kanea. Karok starrte gespannt in die Richtung, in die Kanea wies. Und tatsächlich, aus der Ferne blinkte ein schwacher Lichtstrahl in die stickige Dunkelheit des unterirdischen Labyrinths. "Hoffentlich ist das der Ausgang." murmelte Karok hoffnungsvoll. Der Lichtschimmer wurde heller und heller, je weiter sie den Gang entlang gingen, sie konnten bereits ohne die Kräfte ihrer Mäntel Details zu ihren Füssen erkennen. Karok wich erschrocken zur Seite, als Kanea einen quiekenden Laut von sich gab und einen Sprung nach rückwärts vollführte. Schmerzhaft stieß der Gigant mit dem Schädel an die niedrige Decke, und einige Mauerbröckchen rieselten herunter. Karok kicherte und hustete zugleich, weil aufgewirbelter Staub in seine Kehle drang. Wieder einmal hatte er Gelegenheit, sich darüber zu amüsieren, welche Angst gewisse kleine Nager bei dem an sich Furchtlosen Giganten auslösten. Als sie um eine Biegung des Ganges traten, verstummte Karoks Gelächter jäh. Ehrfürchtig bestaunte er die riesige unterirdische Halle, die sich seinen Blicken eröffnete. Er konnte kaum fassen welche Pracht sich da vor ihm ausbreitete. Auch Kanea neben ihm, stand mit weit aufgerissenen Augen und staunend offenstehendem Mund in dem prächtigen unterirdischen Dom. Der Boden, die Wände, die hochgewölbte Decke, einfach alles schien aus gleißendem, edlem Kristall zu bestehen. Ein geheimnisvolles Feuer im Inneren der riesigen kristallinen Strukturen tauchte den unteririschen Dom in fremd wirkendes, kaum zuordenbares Licht. Das also war es, was sie für den rettenden Ausgang gehalten hatten. Der Schatten, in einen schwarzen, schmucklosen Mantel gehüllt, wirkte in der göttergleichen Pracht dieser Halle auf seltsame Weise integriert. Es schien, als wäre er hier zuhause, als habe das kristalline Felsgemäuer der Halle, in dem sie sich nun befanden, auf Ihn gewartet, und hieß ihn jetzt funkelnd Willkommen. Karok blickte zu dem noch immer wortlos staunenden Kanea, und fand das dieser - obwohl er auf gleiche Weise wie der Schatten gewandet war - eher deplaziert wirkte. So schien er sich auch zu fühlen. Der Schatten bewegte sich wie hypnotisiert auf etwas in der Mitte des Kristalldoms Befindliches zu. Karok und Kanea folgten ihm mit ihren Blicken, und gewahrten erst jetzt, von wo dieses sanfte und zugleich strenge, grelle und zugleich düstere Licht ausging, das von den Kristallformationen ringsum in abertausend Facetten reflektiert wurde. Ihr Staunen steigerte sich schier ins Unermessliche, als sie die etwa einen Meter durchmessende Kugel, die dort auf einem etwas erhöhten Sockel thronte, mit ihren Blicken abtasteten. Der Schatten stand jetzt direkt vor der geheimnisvollen Kugel, streifte einen seiner Handschuhe ab, und berührte das zauberhafte Ding. Unfähig ihre Blicke von der Kugel zu wenden, sahen sie, wie sich in deren Inneren etwas zu regen begann. Irgendetwas Fremdes, und zugleich Vertrautes, reagierte auf die vorsichtig streichelnden Handbewegungen des Schattens. Er wirkte konzentriert, schien selbst vollkommen gefesselt zu sein von dem unvergleichlichen Anblick, der sich ihm und den übrigen Betrachtern bot. Wie magisch angezogen näherten sich auch Karok und Kanea der von Leben erfüllten Kugel. Sie hielten den Atem an, und das Herz drohte ihnen zu stocken, als sie das Wesen erkannten, das sich in deren Inneren vorsichtig, prüfend bewegte. Grazil drehte sich ein etwa einen Meter 40
langes Fabeltier zu ihnen um. Äonenalte Augen, von gelblichen, wissenden Feuer erfüllt, zogen den Blick der Zeugen seiner Geburt in ihren Bann. Noch waren sie verschleiert überzogen von jenem Schutz, der als Eihaut Sorge dafür trägt, dass sich Jungtiere die Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen aneignen können, ehe sie die letzte schützende Hülle ihres Werdens verlassen. Das Wesen bewegte sich wieder, und seine geheimnisvollen Augen lösten sich vom Anblick der Umstehenden. Doch Karok, Kanea, und der Schatten waren weiterhin unfähig, ihre Blicke von dem Wunder abzuwenden, welches das Innere der kristallenen Kugel beherbergte. Zögernd streckten die Drei ihre Hände aus, und berührten das schimmernde Kristall der Eischale. Die Oberfläche war glatt, wie poliert, und doch fühlten sie eine weder fassbare noch beschreibbare Struktur. Man konnte fühlen wie das Leben in dem darin eingehüllten Wesen pulsierte. Erwachendes Leben, das nun aus dieser, es ehemals schützenden, jetzt störenden und hinderlichen Hülle entfleuchen wollte. "Es schlüpft!" dachte Karok noch, kurz bevor der erste Riss die glatte kristalline Struktur unter seiner Handfläche teilte. Erschrocken zog er seine Hand zurück, und obwohl er zurücktreten wollte blieb er wie angewurzelt stehen, und beobachtete mit staunenden Blicken, wie sich das Wesen seiner beengenden Umhüllung entledigte. Eine kleine Flamme schoss aus seinem kleinen, zähnestarrenden Maul, befreite den Kopf eines Reptils. Vorsichtig reckte es ihn hinaus ins neue Leben. Es schien ihm zu passen, was da auf es zukam. Risse entstanden, wo sich Pfoten reckten und streckten. Langsam, Stück für Stück kam es zum Vorschein. "Ein Ei! Es war wirklich ein Ei!" flüsterte der Schatten .Seine Stimme war von derselben Ehrfurcht geprägt, die auch Karok und Kanea erfüllte. Neugierig betrachtete Karok den eleganten, mit schimmernd grauen Schuppen gepanzerten Körper. Zwei feine, mattsilbern schimmernde Hörner schmückten den Kopf des jungen Drachens, und sein dornenbewehrter Schwanz vollführte elegante schlängelnde Bewegungen. Seine Schuppen und Krallen erzeugten ein schabendes Geräusch, als der Drache den Kopf auf seinen dornigen Schwanz bettete, und ein leises, zufrieden klingendes Knurren hören ließ, ehe er zuerst eine kleine Rauchwolke fabrizierte, und dann eine wunderbar gelungene Flamme. Karok lief ein Schauer über den Rücken, als er das unvergleichlich schöne, aber wahrscheinlich gefährliche Wesen, das da vor ihnen thronte, näher zu betrachten begann. Das war also ein Drache, ein echter, lebender Drache! So, als würde er sich die Gestalten die bei seiner Geburt anwesend waren, einprägen wollen, bedachte das Reptil jeden von ihnen mit einem langen Blick. Schließlich drang ein weiteres zufriedenes Grollen aus seiner Kehle, es schloss die Augen, und schlief ein. Der geheimnisvolle Zauber der über Karok und Kanea, und wohl auch über dem Schatten, gelegen hatte, erlosch. Mit fahrigen Bewegungen versuchten sie, der Verwirrung zu entgehen, die das soeben Erlebte bei ihnen auszulösen begann. Die zerborstenen Überreste der Eierschalen leuchteten noch immer in diesem geheimnisvollen Feuer, und erhellten auch weiterhin den Kristalldom, der dieses Licht tausendfach zurückwarf. Der Schatten bückte sich und nahm ein kaum handgroßes Stück der schimmernden Eierschale an sich, wickelte es in einen Lappen und barg es unter seinem Mantel. Schweigend, noch immer tief beeindruckt von dem, was sie sehen hatten dürfen, verließen Karok und Kanea hinter dem Schatten den Kristalldom. Karok warf einen letzten Blick zurück auf den kleinen schlafenden Drachen, ehe er die Kapuze über seinen Kopf zog, und im Dunkel einer der staubbedeckten Gänge verschwand. ENDE
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