Rüdiger Wilke Zur Ordnung des Wirtschaftslebens
GABLER RESEARCH
Rüdiger Wilke
Zur Ordnung des Wirtschaftslebens Pl...
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Rüdiger Wilke Zur Ordnung des Wirtschaftslebens
GABLER RESEARCH
Rüdiger Wilke
Zur Ordnung des Wirtschaftslebens Plädoyer für eine präskriptive Ökonomik
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Sabine Schöller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2736-1
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Teil A
Deskriptive Ökonomik
1
1
Grundlegung
1
2
Gesellschaftliche Arbeit
4
2.1
Technologie
2.1.1
4
2.1.2
Arbeitsteilung
8
2.1.3
Raumwirtschaft
9
2.2
Organisation
15
2.2.1
Subsistenzwirtschaft
15
2.2.2
Warenproduktion
16
2.2.3.
Zeitwirtschaft
2.3
3
Produktionsprozess
4
Reproduktion
23 25
2.3.1
Gesamtwirtschaft und Einzelwirtschaft
25
2.3.2
Zirkulation
29
2.3.3
Wertschöpfung
33
Regulative 3.1
Allokation
39 39
3.1.1
Aufgabenstellung
39
3.1.2
Produktionsvoraussetzungen
40
3.1.3
Eigenmittelverzinsung
43
3.2
Distribution
46
3.2.1
Einkommenskategorien
48
3.2.2
Modellökonomie
54
3.2.3
Insuffizienz von Preisformeln
3.3
Internationale Beziehungen
56 61
3.3.1
Außenhandel
61
3.3.2
Kredit
71
3.3.3
Segregation der Weltwirtschaft
73
VI
Inhaltsverzeichnis
Teil B 4
Schichten der Ökonomie 4.1
77 77
Reproduktivität und Effizienz
77
4.1.2
Vorleistungsverflechung
78
4.1.3
Akzelerator
79
Pretiale Ökonomie
80
4.2.1
Prozessintensitäten
4.2.2
Einkommensdisparität
87
4.2.3
Einkommensmultiplikator
91
4.3
Monetäre Ökonomie
80
92
4.3.1
Geld
94
4.3.2
Zins
105
4.3.3
Kapitalmarkt
112
Phasen der Produktion
116
5.1
Kapazitätsaufbau
116
5.2
Kapazitätsbetrieb
120
5.2.1
Mengen und Preise
120
5.2.2
Reaktionsebenen
121
5.2.3
Produzentenkonkurrenz
124
5.3
6
Reale Ökonomie
77
4.1.1
4.2
5
Explikative Ökonomik
Kapazitätsabbau
Gesamtwirtschaftliche Koordination 6.1
Stetige Ökonomie
125
129 129
6.1.1
Gleichgewichtige Intensitätsvektoren
130
6.1.2
Gleichgewichtige Preisvektoren
137
6.1.3
Akkumulation
143
6.2
Geschwindigkeiten der Anpassung
152
6.2.1
Binnenwirtschaftliche Reaktion
6.2.2
Regionale Realwirtschaft und globale Monetärwirtschaft
153
6.2.3
Kontinuität und Innovation
155
6.3
Transitorische Ökonomie
152
164
Inhaltsverzeichnis
VII
6.3.1
Der industrielle Akkumulationszyklus
164
6.3.2
Transitorische Effizienz
170
6.3.3
Mobilität und Migration
177
Präskriptive Ökonomik
185
Teil C 7
8
Konstitutionsprinzipien 7.1
Dreigliederung
187
7.2
Aufgabenzuweisung
192
7.3
Zusammenwirken
194
Institutionen des Wirtschaftslebens 8.1
Realwirtschaftliche Verwaltung
198 198
8.1.1
Arbeit
8.1.2
Ressourcen
211
8.1.3
Konsum
213
8.2
Monetäre Verwaltung
198
221
8.2.1
Geldverwaltung
221
8.2.2
Investition
228
8.2.3
Alimentation
8.3
9
185
Pretiale Verwaltung
241 245
8.3.1
Betrieb
245
8.3.2
Assoziation
253
8.3.3
Evaluierung der Allokationskompetenz
257
Perspektiven des Gesamtvorgangs
259
9.1
Wirkungen des Wirtschaftshandelns
259
9.2
Regionalisierung
262
9.3
Prosperität und Stagnation
264
Anmerkungen
269
Teil A
Deskriptive Ökonomik
1 Grundlegung Konsum wird möglich durch menschliche Arbeit, die natürliche Ressourcen umgestaltet. Konsum ist der Vorgang, aus dem Arbeitsergebnis als Gebrauchswert Nutzen zu ziehen. Das Gelingen dieses Vorgangs steht außerhalb der ökonomischen Betrachtung. Diese endet mit dem Übergang des Arbeitsergebnisses an die Konsumenten. Substantielle Grundlage des Gebrauchswertes sind die natürlichen Ressourcen, die durch den Arbeitsprozess benutzt, verbraucht, oder umgestaltet werden, jedoch nicht hergestellt werden können. Konsum kann sich unmittelbar auf natürliche Ressourcen beziehen, etwa beim Verzehr roher Feldfrüchte. Umgekehrt kann das Arbeitsergebnis dazu bestimmt sein, nur andere Arbeiten zu unterstützen, die transformierte Ressourcen dem Konsum zuführen, jedoch selbst im Arbeitsprozess aufgebraucht zu werden. Dem Charakter einer Tätigkeit nach lässt sich diese nicht der Konsum- oder Arbeitssphäre zuordnen; Autofahren etwa mag Vorleistung für einen nachfolgenden Konsumzweck sein, kann aber auch direkt als Konsumvorgang betrieben werden. Die Scheidung zwischen Konsumvorgang und Arbeitsvorgang setzt bereits Arbeitsteilung voraus, so dass beide verschiedenen Personen zugeordnet werden können. Wer sich selbst aus Holz Möbel schreinert, braucht zwischen Arbeit und Konsum nicht zu differenzieren. Der Verbrauch des Holzes ist für denjenigen produktiv, der die Möbel nicht selbst benutzt, sondern sie abgibt. Wer sie für sich selbst herstellt, hat das Holz unproduktiv konsumiert. Im kollektiven Konsum scheitert auch dieses Kriterium: wer als Gastgeber Getränke ausschenkt, ist nicht arbeitender Produzent, die Gäste sind keine Konsumenten seiner Dienstleistung. Es handelt sich bei dieser Gabe um eine Schenkung, nicht um einen Tausch.
R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
Grundlegung
Wäre Reichtum lediglich etwas vorhandenes, so unterläge er dem Untergang durch Gebrauch oder Verbrauch. Er bedarf insoweit des Erhalts bzw. der Reproduktion. Ist Reichtum verstanden als das Vermögen, sich Gewünschtes durch Inanspruchnahme der Leistungen anderer zu verschaffen, so wäre dessen Ursprung damit reduziert auf das Beherrschen oder Bezahlen der Produzenten. Auch insoweit liegt der Reichtum in der Kompetenz der Produktion und Reproduktion. Nicht den Wünschen, jedoch dem Ausmaß ihrer Befriedigung sind Grenzen gesetzt. Diese werden durch Vergrößerung des technologischen Potenzials und durch effiziente Mobilisierung produktiver Ressourcen erweitert. Die Verfügbarkeit und den effizienten Einsatz wirtschaftlich relevanter Ressourcen zu organisieren ist originär wirtschaftliche Aufgabe. Aus dieser Aufgabenstellung leitet sich die Produktivität von Prozessen als Verwertung zweckmäßig eingesetzter Ressourcen her. Gesellschaften lassen sich danach differenzieren, ob ihnen diese Aufgabe mehr oder weniger gut gelingt. Diesem gesellschaftlichen Funktionsbereich vorgelagert sind die dabei zum Tragen kommenden wirtschaftlichen Institutionen und Regeln, in und nach denen sich wirtschaftlich relevante Entscheidungen vollziehen. Darüber hinaus ist der Wirtschaftsbereich insgesamt auf soziale Fähigkeiten angewiesen: Wissenschaft, Ausbildung, Wirtschaftsethos, sowie das Potenzial, Gruppen zu organisieren und in ihnen zu kooperieren. Die vorliegende Schrift stellt in Grundzügen die Funktionsweise einer monetär vermittelten arbeitsteiligen Ökonomie dar (Kapitel 2 und 3). Das wirtschaftliche Geschehen wird sodann unter verschiedenen Perspektiven betrachtet: • seine Abläufe und Strukturen betreffen drei unterscheidbare Ebenen, die sich wechselseitig vermitteln (Kapitel 4); • die spezifischen Bestimmungen der Auf- und Abbauvorgänge werden in Kapitel 5 entwickelt; • in Kapitel 6 werden Modellüberlegungen zur stetigen Ökonomie angestellt um von daher die tatsächliche transitorische Ökonomie verständlich werden zu lassen.
Grundlegung
3
Dem schließt sich ein präskriptiver Teil an, in dem zunächst das wirtschaftliche Geschehen seinen Stellenwert im gesamten sozialen Organismus erhält (Kapitel 7). Sodann werden die im vorangehenden deskriptiven und explikativen Teil erkannten strukturellen und funktionellen Defizite soweit möglich zugunsten einer konstruktiven Perspektive aufgelöst (Kapitel 8 und 9).
1.1 Grundlegung
4
Gesellschaftliche Arbeit
2 Gesellschaftliche Arbeit Die Geschichte der Ökonomie ist zugleich eine Geschichte der von Menschen benutzten Technologie, eine Geschichte der gesellschaftlichen Formen und eine Geschichte der Interdependenz zwischen beiden. In der hier untersuchten Frage nach den Möglichkeiten gesamtwirtschaftlich effizienter Allokation werden Genealogie oder Kausalität nicht untersucht. Die Bedeutung der wirkenden Regulative für das gesamtwirtschaftliche Resultat einzelwirtschaftlichen Handelns soll dadurch erläutert werden, dass die Spezifika der kapitalistischen Regulation gegen ausgewählte logisch konstruierte vorläufige Wirtschaftsstadien abgesetzt werden. Die Gegenwart liefert derart die Perspektive auf eine nach diesen Absichten zubereitete Vergangenheit.
2.1 Technologie 2.1.1 Produktionsprozess Das Erschaffen eines bestimmten sachlichen - materiellen oder immateriellen Arbeitsergebnisses vollzieht sich in der Weise, dass die sachlichen Produktionsvoraussetzungen gebraucht oder verbraucht werden, d.h. durch den Produktionsprozess zerstört werden. Gelingt das vorgesehene Arbeitsergebnis nicht, so ist die Rückkehr zum sachlichen Ausgangspunkt des Prozesses entweder nicht mehr möglich oder selbst wieder aufwendiger Prozess. Ressourceneinsatz Außer dem Ver- und Gebrauch sachlicher Voraussetzungen werden natürliche und personelle Ressourcen in Anspruch genommen: diese werden benötigt, lassen sich
jedoch
nicht
herstellen.
Raum
schlechthin
muss
für
jeglichen
Produktionsprozess herhalten, wird jedoch dabei nicht verbraucht. Hinsichtlich der Substanz natürlicher Ressourcen lassen sich die Produktionsprozesse in R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Technologie
solche
unterscheiden,
5
die
unbearbeitete
Natur
überhaupt
erst
der
gesellschaftlichen Arbeit zuführen, d.h. sie transformieren, und solche, denen Substanz ausschließlich in bereits bearbeiteter Form zur Verfügung steht. Dabei ist festzuhalten, dass inzwischen keine Produktionsprozesse mehr betrieben werden, die auf bereits hergestellte Arbeitsinstrumente ganz verzichten könnten. Will man also die technischen Vorbedingungen eines Arbeitsprodukts aufsuchen, so wird man zwar auch zur Bereitstellung der natürlichen Substanz seiner Vorliegerprozesse kommen, jedoch weisen diese selbst stets auch wieder in den Gesamtvorgang der gesellschaftlichen Arbeit zurück. Es gibt keinen ersten Produktionsprozess. Der Gebrauchswertzusammenhang der Ökonomie enthält Zirkel. Die personelle Ressource, die Arbeitskraft des gesellschaftlich tätigen Menschen, wird im Produktionsprozess angewendet und erschöpft sich mit der Arbeitszeit. Der Mensch bestimmt die Absicht des Prozesses und verleiht ihm Intelligenz und Zweckmäßigkeit. In der Geschichte der Technologie steht die menschliche Arbeit in substitutiver Beziehung zur Maschine als der sachlichen Voraussetzung im materiellen Vollzug der Produktionsprozesse. Arbeit als Zeit verbrauchender Vorgang beansprucht die Ressource Arbeitskraft und erwirkt ein wirtschaftliches Ergebnis. Sie weist also die beiden Dimensionen „Anstrengung“ und „Werk“ auf. Der technische Prozess lässt sich nicht den Kategorien Aufwand oder Ertrag zuordnen. Aufwand und Ertrag sind kaufmännische Begriffe. Diese machen erst den Unterschied von Anstrengung und Werk deutlich, indem sie gestatten, vom Prozess zugunsten seiner Voraussetzungen und Resultate zu abstrahieren. Im Unterschied zu den natürlichen Ressourcen Bodenfläche, Mineral etc. findet sich für die Ressource Arbeitskraft kein physikalisches Maß ihres Einsatzes. Als eine Dimension, diesen zu messen, bietet sich die Arbeitszeit an, jedoch ist über diese die
Arbeitsintensität
zu
integrieren,
deren
interpersoneller
Vergleich
problematisch ist. Wie der Nutzen, der aus einem objektiv definierbaren Gebrauchswert einer Ware gezogen wird, in die subjektive Kompetenz des unproduktiven Konsumen-
6
Gesellschaftliche Arbeit
ten fällt, so ist das Maß der Arbeitsintensität vom arbeitenden Subjekt zu beurteilen, das auch die Allokation seiner Arbeitskraft zu besorgen hat. Unter Allokation ist die Zuordnung von Ressourcen zu Produktionsprozessen zu verstehen. Produktionsprozesse vollziehen sich in der Zeit. Zeit trennt die Konsummöglichkeiten, den Reichtum, von seinen Voraussetzungen, den Produktionsprozessen. Der Reichtum einer Gesellschaft muss somit davon abhängen, wie sie die Zeit in den Qualitäten der Produktionsprozesse verdichten kann. Technologisches Niveau Ein Mensch muss essen. Seine Bedürftigkeit entsteht mit der Zeit, seine Arbeitskraft wird in der Zeit angewendet. Die Möglichkeit, durch rationellere Produktionsprozesse einen vermehrten und verbesserten Konsumfonds bereitzustellen, hängt vom Verhältnis ab, in dem die Rate effizient genutzter Arbeitszeit die Rate der Zunahme von Bedürftigkeit übersteigt. Eben darin drückt sich das Potenzial zu Expansion oder Innovation aus: die Arbeitskraft kann mehr als lediglich ihre eigene Reproduktion inklusive der des dabei benutzten Produktionsapparates besorgen. Das über die Reproduktion hinausgehende Arbeitsvermögen kann der Erweiterung, Umgestaltung oder Innovation der dem Konsumfonds vorangehenden Produktionsprozesse gewidmet werden, es dient nicht lediglich ihrem Erhalt. Zudem hat das Wirtschaftsleben die anderen Glieder des sozialen Organismus, das Geistes- und Staatsleben, mit Konsumgütern zu alimentieren. Das Wachstum des Pro-Kopf-Konsums erfolgt vor allem qualitativ. Es besteht nicht darin, dass auf gleichbleibendem qualitativen Niveau der Konsumprodukte stets mehr produziert und verbraucht wird. Der technische Fortschritt findet auch nicht derart statt, dass im Umkreis der qualitativ gleichbleibenden Vorprodukte stets weniger Ressourcen in deren Herstellungsprozessen benutzt werden. Vielmehr gehen die Vorprodukte nach kürzerer oder längerer Lebensdauer in der technologisch fortschreitenden Ökonomie verloren. Sie werden qualitativ untauglich,
eine
verbesserte
Ressourceneinsatz auszudrücken.
Relation
zwischen
Konsumfonds
und
Technologie
7
Das technologische Niveau findet einen quantitativen Ausdruck im Verhältnis der
sachlichen
Produktionsvoraussetzung
zu
dem
Ergebnis
des
Produktionsprozesses. Bei typischer industrieller Produktion kann im Fall von Einproduktprozessen
von
der
Ergebnismenge
mittels
derartiger
Inputkoeffizienten oder festen Mengenverhältnissen bei Kuppelproduktion auf die Mengen der verbrauchten Vorleistungen geschlossen werden. Ohne das Erfordernis, Kommensurabilität zwischen verschiedenen Vorleistungen herstellen zu müssen, kann unter verschiedenen Prozessalternativen mit qualitativ gleichen Vorleistungen eine Effizienzrangfolge bereits dann hergestellt werden, wenn das gleiche Produkt mit gleichem bzw. in mindestens einem Fall kleineren Inputkoeffizienten hergestellt werden kann. Über die Tatsache, dass jeder Herstellungsprozess Arbeitskraft und zumeist auch weitere Ressourcen benutzt, wird ein Zusammenhang zur Gesamtwirtschaft hergestellt, insofern der Ressourceneinsatz im kaufmännischen Kalkül mit alternativen Verwendungen konkurrieren muss. Nur wenn der Gebrauchswertzusammenhang der Gesamtwirtschaft eine Sammlung unverknüpfter Produktionsketten wäre, könnten sich nebeneinander verschiedene Technologieniveaus halten. Sie wären keinem Produktivitätsvergleich ausgesetzt. Eine Gesamtwirtschaft, welche die Reproduktion ihres Konsumfonds mit Hilfe ihres Ressourcenvorrats zuwege bringt, weist dann ein konsistentes globales Produktivitätsniveau auf, wenn die Annäherung an die schließlichen Konsummöglichkeiten in ihren Herstellungsprozessen proportional zum Ressourceneinsatz erfolgt. Auf diesen Zustand hin müssten ihre Regulative wirken. Fixe und zirkulierende Produktionsmittel In der Typologie der Vorleistungen eines Produktionsprozesses sind diejenigen, die im Prozess verbraucht werden, d.h. ihre technische Qualität verlieren, von denjenigen zu unterscheiden, die abgenutzt werden, aber bis zur schließlichen Unbrauchbarkeit dem fortgesetzten Produktionsprozess zur Verfügung stehen. Die dem Gebrauch unterliegenden Vorleistungen, auch als Arbeitsmittel oder
8
Gesellschaftliche Arbeit
Arbeitsinstrument bezeichnet, machen die Kapazität eines Produktionsprozesses aus. Mit ihrer Hilfe wird die andere Kategorie der sachlichen Produktionsvoraussetzungen, die Arbeitsgegenstände, zum erwünschten Ergebnis verarbeitet, d.h. verbraucht. Somit sind fixe von zirkulierenden Vorleistungen zu unterscheiden. Sie stehen in keinem festen Verbrauchsverhältnis zueinander, jedoch lässt sich ein optimaler Ausnutzungsgrad der Kapazität bestimmen und so, wie auch bei zirkulierenden Vorleistungen, von der Menge des Produkts auf die verbrauchte Menge der fixen Vorleistungen schließen. Eine bestimmte Menge des Produktionsergebnisses wird nur zufällig je ein ganzes Vielfaches der beteiligten fixen Vorleistungen benötigen. Diese sind unteilbar, d.h. die erforderliche Anzahl der fixen Vorleistung ist in einer Bedarfsrechnung aufzurunden. Die fixen Vorleistungen eines bestimmten Produktionsprozesses sind selbst das zirkulierende Ergebnis eines oder mehrerer seiner Vorliegerprozesse. Die Kategorie der fixen Vorleistungen müsste sich verlieren bei ausreichend großem Zeithorizont der Betrachtung, aber auch bei ausreichend umfassend definierten Produktionsprozessen. Insofern kein Produktionsprozess auf ein Arbeitsmittel verzichten kann, so muss bei unterstellter Fortsetzung der Produktion stets auch an anderer Stelle Ersatz produziert werden. Der Verbrauch ist durch den das Arbeitsmittel herstellenden Produktionsprozess mindestens zu kompensieren. Erst bei einer Ausschnittbetrachtung des Gesamtvorgangs der gesellschaftlichen Arbeit lassen sich beide Kategorien voneinander unterscheiden. Diese Unterscheidung ist daher bei der Analyse der Kapitalzirkulation relevant.
2.1.2 Arbeitsteilung Die Ökonomie gilt als arbeitsteilig organisiert, sobald die Produktion überwiegend für den Tausch erfolgt. Dies setzt Verschiedenheit der Arbeiten und ihrer Produkte voraus. Die sachlichen Arbeitsvoraussetzungen sind durchweg verschieden vom Arbeitsergebnis, womit das Bedürfnis nach Tausch sowohl beschaffungs- als auch absatzseitig gegeben ist. Der Produzent hat (produziert), was der Konsument braucht. Der Konsument (ver-) braucht, was er nicht hat. Der Produzent hat, was er nicht braucht. Was er
Technologie
9
braucht, hat der Konsument seines Arbeitsergebnisses nicht. Wenn der Produzent dem Konsumenten gibt, was dieser braucht, ist der Konsument in der Schuld des Produzenten. Der Produzent muss sich als produktiver Konsument in die Schuld seines Lieferanten begeben. Insofern Produktionsprozesse und Einzelwirtschaften nicht kongruent sind, ist zwischen der technischen und gesellschaftlichen Arbeitsteilung zu unterscheiden: die verschiedenen Arbeitsprozesse sind durch Vorleistungsverflechtungen verknüpft. Steht mit dem Ende eines Arbeitsprozesses ein Produkt zur Verfügung, so kann die Leistungskette an dieser Stelle den Übergang von einer Einzelwirtschaft zur nächsten vollziehen. Ohne die Möglichkeit, ein Produkt zu definieren, wäre die Verarbeitung kaum durch die Grenze zwischen zwei Einzelwirtschaften zu trennen.
2.1.3 Raumwirtschaft Die gesellschaftliche Arbeitsteilung schließt ein, dass Produzenten von Konsumenten auch räumlich getrennt sind und daher ihre Warenbeziehungen auch eine räumliche Dimension aufweisen. Unterschiede zwischen Wirtschaftsräumen begründen sowohl die Zweckmäßigkeit, als auch die Unzweckmäßigkeit von wirtschaftlichen Beziehungen. Diese Beziehungen zwischen Wirtschaftsräumen können sich in den Dimensionen • Warenaustausch • Migration von Arbeitskraft • Diffusion von Technologie • Kredit • Kapitaltransfer/Direktinvestition darstellen. Bedingung für das Zustandekommen der raumwirtschaftlichen Beziehung ist trivialerweise die erwähnte räumliche Trennung von Produktion und Konsum. Man fragt daher weiter, womit sich ein bestimmter Produktionsstandort begrün-
10
Gesellschaftliche Arbeit
det. Mögliche, jedoch nicht zwingend vorauszusetzende, angebotsseitige Gründe sind dafür • Ausstattungsdifferenzen bei den natürlichen Ressourcen • technologische Niveauunterschiede oder • das Ausmaß der Transportkosten zwischen Produzent und Konsument. Der einzige Entscheidungsparameter für die Existenz einer raumwirtschaftlichen Beziehung, der zeitliche Stabilität aufweist, ist die Ausstattung an natürlichen Ressourcen: Mineralische Lagerstätten und Bodenbeschaffenheiten bleiben ortsfest. Von Arbeitskräften und Technologien wäre nicht einzusehen, dass sie von Migration ausgeschlossen sind.
Räumliche Ausstattungs- bzw.
Niveau-
differenzen können die raumwirtschaftliche Warenbeziehung möglicherweise nur temporär begründen. Die Arbeitskraft ist durch sprachliche, kulturelle, soziale oder politische Bestimmungen in ihrer Mobilität begrenzt; Technologien setzen ein geeignetes Umfeld hinsichtlich personeller Qualifikation, sowie ihrer Vorleistungsverflechtungen voraus. Den geringsten zeitlichen Verzug weist hingegen die finanzielle Dimension raumwirtschaftlicher Beziehungen auf. Seien zwei Wirtschaftsräume A und B wegen unterschiedlicher natürlicher Ausstattungen oder Technologien bei der Herstellung zweier Waren 1 und 2 unterschiedlich produktiv, wobei A bei beiden Waren höhere Produktivität aufweise, jedoch der relative Vorsprung bei Ware 1 größer sei als bei Ware 2. Die Gesamtnachfrage beider Wirtschaftsräume übersteige die Produktionskapazität in A, so dass auch die unproduktiveren Kapazitäten in B in Anspruch genommen werden müssen. Obwohl beide Wirtschaftsräume mit eigener Kapazität ihre Nachfrage befriedigen könnten, liegt in einer Spezialisierung der Produktion mit anschließendem Austausch möglicherweise eine Erhöhung der Produktivität, wenn beide Wirtschaftsräume insgesamt betrachtet werden. Die Verbrauchsproportionen beider Waren 1, 2 seien je in beiden Wirtschaftsräumen gleich. Damit gilt diese Proportion auch hinsichtlich einer gemeinsamen Ressourcenallokation in einer Gesamtbetrachtung.
Technologie
11
α
Ware 2 A2 = 40 c”
β
d” B2 = 25
γ
c d
c’
e” e
d’ e’ B1 = 50
A1 = 100 Ware 1
Abb 2.1: Produktionsmöglichkeiten und Verbrauchsproportionen
Das Diagramm zeige die Produktionsmöglichkeiten pro Ressourceneinheit, etwa Arbeitskraft. Mit den im Wirtschaftsraum A benutzten Technologien sei alternativ die Produktion von 100 Einheiten Ware 1 oder 40 Einheiten Ware 2 möglich. Im Wirtschaftsraum B seien es lediglich 50 Einheiten Ware 1 oder 25 Einheiten Ware 2. B weise bei je geringerer Produktivität gegenüber den Technologien aus A einen komparativen Kostenvorteil bei der Produktion von Ware 2 auf: 40 / 25 < 100 / 50. Damit ist für jeden Wirtschaftsraum eine Substitutionsrate zwischen den Waren bestimmt. Als Rate ist sie gegen das absolute Niveau der Ressourcengehalte gleichgültig. Arbeitsteilung und Spezialisierung bedeuten gerade, dass Ressourcengehalte gegen das Verbrauchspotenzial, das im Tausch liegt,
relativiert
werden.
Dargestellt
sind
zudem
die
beiden
Produktionsmöglichkeiten bei Spezialisierung der Wirtschaftsräume auf je eine Ware in den Linien B1 bis A2 bzw. B2 bis A1. Alternative Verbrauchsproportionen seien als Ursprungsstrahlen α, β, γ dargestellt. Deren Schnittpunkte c, c’ oder c” bezeichnen das jeweils höhere Produktionsniveau in A gegenüber den Schnittpunkten e, e’ und e” in B. Ist etwa die Verbrauchsproportion β maßgeblich, so zeigt sich, dass der Produktivitätsrückgang wegen des Verzichts auf die Produktion der Ware 2 in A in Höhe von d-c ebenso groß ist wie der Produktivitätszuwachs wegen des Verzichts auf die Produktion der Ware 1 in B in
12
Gesellschaftliche Arbeit
Höhe von d-e. Unmittelbar oberhalb dieser Verbrauchsproportion, wenn also etwas mehr Ware 2 benötigt würde, fiele der Produktivitätsverlust größer als der Produktivitätsgewinn pro Arbeitskraft aus. Die gemeinsame Produktivität beider Wirtschaftsräume
müsste
bei
Spezialisierung
sinken.
Die
Spezialisierungsrichtung müsste sich schließlich umkehren, was in der Verbrauchsproportion α gezeigt ist, bei der entgegen dem komparativen Kostenvorteil Ware 2 im Wirtschaftsraum A zu produzieren wäre 1. Sind schließlich die Waren in der Proportion γ herzustellen, so liegt der Produktivitätsvorteil d’- e’ signifikant über dem Produktivitätsnachteil d’- c’. Die Bedingung der Vorteilhaftigkeit von Spezialisierungen c – d < d – e gelten für beide Waren 1 und 2, also c1 - d1 < d1 - e1 und c2 - d2 < d2 - e2. Mithilfe des Strahlensatzes lassen sich die Bedingungen mit den je binnenwirtschaftlichen Gegebenheiten ausdrücken als c2 ⎯ B2
c1 2 c1 + ⎯ < ⎯⎯ A1 c1 + e1
und
c2 ⎯ B2
c1 2 c2 + ⎯ < ⎯⎯ A1 c2 + e2
Auf der rechten Seite der Ungleichung ist der relative Effizienzvorsprung der überlegenen Technologie im Land A zu sehen. In der ersten Ungleichung derjenige bei der Herstellung von Ware 1, in der zweiten Ungleichung derjenige bei der Herstellung von Ware 2. Ein großer Effizienzvorsprung verspricht demzufolge Spezialisierungsgewinne. Auf der linken Seite der beiden Ungleichungen findet sich die Summe aus zwei Relationen: •
mit c2 / B2 ist der tatsächliche Ausstoß an Ware 2 pro Arbeitseinheit im Land A zum maximale möglichen Ausstoß an Ware 2 pro Arbeitseinheit in Land B in ein Verhältnis gesetzt;
•
mit c1 / A1 ist das binnenwirtschaftliche Verhältnis des tatsächlichen Ausstoßes an Ware 1 pro Arbeitseinheit im Land A zum maximale möglichen Ausstoß an Ware 1 pro Arbeitseinheit in diesem Land gekennzeichnet.
Die erste Relation soll für einen Spezialisierungsgewinn deswegen klein sein, weil z.B. eine vorgestellte Bewegung des Punktes B2 in Richtung auf A2 , also
Technologie
13
eine Vergrößerung des Nenners, den Abstand c – d schneller verringert, als den Abstand c – e und somit die eingangs gestellte Forderung c – d < d – e besser erfüllt. Ist ferner in der zweiten Relation c1 klein gegenüber A1 , so bedeutet dies, dass der Spezialisierungsgewinn durch einen geringen binnenwirtschaftlichen Verbrauchsanteil derjenigen Ware, bei welcher der Kostenvorteil im überlegenen Land A relativ größer ist, begünstigt wird. Im Beispiel der Verbrauchsproportion γ, bei der sich A auf Ware 1 und B auf Ware 2 spezialisieren, muss das Spezialisierungspotenzial des produktiveren Wirtschaftsraums A groß, das des unproduktiveren Wirtschaftsraums B gering sein. Dies besagt, dass der „Schaden“ gegenüber dem Optimalpunkt c’ dadurch klein ist, dass B aufhört, Ware 1 zu produzieren. Leicht zu beurteilen sind Fälle mit kreuzenden Linien der Produktionsmöglichkeiten. Eine gemeinsame Linie der Produktionsmöglichkeiten bei produktiverer Spezialisierung verliefe dann ohnehin oberhalb der Produktionsmöglichkeiten jedes einzelnen Wirtschaftsraums. Liegen die Linien der Produktionsmöglichkeiten beider Wirtschaftsräume parallel, d.h. die unproduktiveren Technologien weisen auch keinen komparativen Vorteil aus, sondern die Substitutionsraten sind gleich groß, so existieren in den Bereichen extremer Verbrauchsproportionen Spezialisierungsvorteile. Nur insofern der Gesamtbedarf nach den Waren 1 und 2 nicht exklusiv in A erstellt werden kann, finden die unproduktiver nutzbaren Ressourcen aus B überhaupt Verwendung bei der Entscheidung über den vereinten Ressourcenvorrat aus A und B. Der Zuwachs an Produkt pro eingesetzten Ressourcen müsste tatsächlich auch verbraucht werden, d.h. Nachliegerprozesse müssten mit ebenfalls erhöhter Intensität ablaufen. Andernfalls müsste sich der Produktivitätszuwachs als Beschäftigungs- und Auslastungsrückgang äußern, der in anderen Prozessen zu kompensieren wäre. Sofern von den hier unterstellten konstanten Skalenerträgen zugunsten steigender Skalenerträge abgewichen wird, ergibt sich bei jeglicher Spezialisierung bereits ein Produktivitätszuwachs. Die Kurven der Produktionsmöglichkeiten verliefen dann konkav, die Substitutionsraten wären nicht mehr konstant.
14
Gesellschaftliche Arbeit
Ein Teil der ökonomischen Modelle ist graphischer Darstellung zugänglich. Man verwechsle die dabei gezeichneten Kurven nicht mit der Menge möglicher Handlungsalternativen in einer tatsächlichen Ökonomie. Diese ist weder durch Kontinuitäten, noch durch Eindeutigkeit von Schnittpunkten gekennzeichnet. Separat wäre die Frage nach dem Weg, diese zu erreichen, sowie deren Stabilität im Zeitablauf zu erörtern. In der auf den Ressourcenverbrauch relativierten Produktivitätsbetrachtung ist vom Größenverhältnis beider Wirtschaftsräume, bzw. der für die Produktion beider Waren verfügbaren Kapazitäten abstrahiert. Die im Beispiel unterstellte vollständige Spezialisierung, die erst die Konstruktion der gemeinsamen Produktionsmöglichkeiten als Linie erlaubte, müsste aufgrund der Größenverhältnisse die erforderliche Verbrauchsproportion überhaupt ermöglichen. Der Widerspruch der Konstruktion liegt darin, dass einerseits vollständige Spezialisierung möglich sein soll, ohne die Kapazitätsgrenzen einer der beiden Wirtschaftsräume zu verletzen, andererseits sollen die je unproduktiveren Kapazitäten in B nur deshalb benutzt werden, weil die Kapazitäten in A nicht für den Gesamtverbrauch der Ware 2 in beiden Wirtschaftsräumen ausreichen. Man hat daher die Annahme zu treffen, dass die in den Sektor der Spezialisierung zusätzlich einzusetzenden Ressourcen gerade der Produktion derjenigen Ware vorenthalten werden, die der Handelspartner herstellen und liefern soll. Damit also die intersektorale Migration der Ressource Arbeitskraft leichter fällt als interregionale Migration werden Modellüberlegungen dieser Art im Zusammenhang mit internationalem Handel diskutiert. Hierbei sei die interregionale Migration beispielsweise durch Sprachunterschiede gehemmt. Jedoch hat diese Betrachtung noch keinen Bezug zu Währungs- oder Zollgrenzen. Weder ist im Diagramm eine wohlfahrtstheoretische Entscheidung über Vorteilhaftigkeit „internationaler Spezialisierung“ ersichtlich, noch ist das tatsächliche Zustandekommen der Spezialisierung und des Austauschs mit dem Hinweis auf potentiellen Produktivitätszuwachs bei gemeinsamer Ressourcenallokation hinreichend begründet. Die verglichenen Alternativen sind komparativ-statisch zu verstehen. Raumwirtschaften können durch Währungs- oder Zollgrenzen voneinander getrennt sein. Dann kommen für
Organisation
15
die Existenz der raumwirtschaftlichen Beziehungen weitere Entscheidungsparameter auf monetärer Ebene in Betracht. Die Tendenz, die produktivste Kapazität
zu
benutzen,
gilt
in
Einzelwirtschaften,
innerhalb
von
Währungsgebieten und auch zwischen diesen.
2.2 Organisation 2.2.1 Subsistenzwirtschaft Der Stoffaustausch der Menschen mit der Natur ist von jeher ein gesellschaftlicher Vorgang. Die Erzeugung des Minimalkonsums ist für jede Gemeinschaft conditio sine qua non ihrer weiteren Existenz. Sofern das technische Wissen nur zu einem als minimal angesehenen Konsumfonds reicht, entfällt die Möglichkeit, das Arbeitsvermögen in Vorleistungen zu investieren, die ein künftig höheres Konsumniveau gestatten sollen. Zugleich entfällt damit auch die Notwendigkeit, Verwendungsrichtung und Intensität derartiger Vorleistungen nach einer Regel zu entscheiden. In der Subsistenzwirtschaft stellen die Gesellen keine individuelle Aufwandsund Nutzenbilanz auf; die produzierende Gemeinschaft ist mit der konsumierenden Gemeinschaft kongruent. Bei minimalem Konsum muss sich die Distribution nach dem Bedarfsprinzip regeln, sofern nicht die Not so groß ist, dass bei der Aufteilung der Abgebende mit dem Empfangenden zusammen untergeht. Unter Distribution ist die Verteilung der wirtschaftlichen Leistung an Personen oder Institutionen zu verstehen. Dies kann sich direkt auf Ressourcen und Arbeitsprodukte oder indirekt auf Quanten des abstrakten Reichtums beziehen. Tausch mit anderen Gemeinschaften gründet sich auf ungeplante Überschüsse der eigenen Produktion, intendiert ist diese lediglich für den Eigenverbrauch. Innerhalb der Gemeinschaft genießt der Einzelne Solidarität und verzichtet darauf, sich mit persönlichem Eigentum abzusetzen.
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Gesellschaftliche Arbeit
2.2.2 Warenproduktion Das Arbeitsergebnis des Produzenten hat für diesen die Bestimmung, verkauft zu werden. Er arbeitet, insoweit er auf die zahlungskräftige Nachfrage des Konsumenten hofft. Die Beschaffenheit seiner Ware ist Mittel zum Zweck des Umsatzes. Den Konsumenten interessiert nicht, dass zur Bereitstellung der Ware gearbeitet werden muss, er sucht sich die billigste Bezugsquelle des von ihm Benötigten. Einfache Warenproduktion Damit der Kontrakt zwischen Produzent und Konsument zustande kommt reicht es nicht, dass der Produzent Menge und Qualität des vom Konsumenten Gewünschten erstellt. Er gibt ihm die Ware do ut des, jedoch benötigt er nicht die Waren, über die der Konsument verfügt. Vielmehr erwirbt er von diesem ein fungibles Schuldrecht, das sich andernorts gegen Ware weiter veräußern lässt. Den Anspruch gegen den Konsumenten muss der Produzent gegen seine Lieferanten portieren können. Er hat die reelle Leistung abgegeben und vertraut in die Leistungsfähigkeit anderer. Ware wird nicht gegen Ware getauscht, sondern gegen Geld verkauft. Der Verkäufer einer Ware ist stets ihr Produzent, der Käufer stets ihr Konsument. Der Verkäufer erbringt eine Leistung, die der Käufer willens und fähig ist zu bezahlen. Würde der Verkäufer keine Leistung erbringen, sondern eine vertretbare Ware um seines Einkommens willen lediglich zu teuer anbieten, käme der beabsichtigte Verkauf nicht zustande. Der Käufer ist durch Bezahlen seiner Schuld ledig geworden, die Gefahr der misslingenden Einlösung der Summe bei sonstigen Produzenten liegt beim Verkäufer. Geld portiert nicht Wert, sondern drückt einen unbestimmten Anspruch des Geldbesitzers gegenüber allen künftigen Verkäufern aus. Es gilt nur als Wert, insofern Waren, käufliche Arbeitsergebnisse, produziert werden. Die zahlungsfähige Bedürftigkeit der Einzelnen misst sich in den Preisen der besonderen Waren, die durch Bezug auf das allgemeine Wertmedium zirkulieren. Dass Waren verkauft werden weist noch nicht aus, dass sie wertvoll sind. Die Ressourcen, von denen die gesellschaftliche Produktion ausgeht, sind nicht selbst
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produziert. Sie werden formal als Waren behandelt. Wird jedoch eine produzierte Ware angeboten, kann nur ihre Verkäuflichkeit ihren Wert beweisen. Dabei betrachten jedoch Verkäufer und Käufer die Ware unter entgegengesetzten Aspekten: der Verkäufer will sie gegen möglichst viel Kaufanspruch eintauschen, ihm ist gleichgültig, was der Käufer mit der Ware nach dem Besitzwechsel anstellt. Ihre qualitative Beschaffenheit muss ihre Verkäuflichkeit gewährleisten. Dafür wird ein geringst möglicher Aufwand betrieben. Sein Wertverständnis gilt dem hohen Preis. Der Käufer hingegen will die Ware benutzen, interessiert sich für ihre Qualität, die er produktiv oder unproduktiv konsumiert. Ein niedriger Preis hat dabei den Vorteil, dass sein Budget weitere Käufe ermöglicht. Das Interesse des Verkäufers an der Ware ist ihr Tauschwert, das Interesse des Käufers ihr Gebrauchswert. Die gegensätzlichen Interessen finden offenbar nur dann zusammen, wenn für den Käufer die Relation Gebrauchswert zu Preis akzeptabel ist und gleichzeitig für den Verkäufer die Relation Preis zu Aufwand. In der gesamtwirtschaftlichen Aggregation, als Ergebnis aller Käufe und Verkäufe, ergibt sich daraus die Produktivität als Relation „Gebrauchswert des Konsumfonds bezogen auf den Ressourcenverbrauch“. Der Warenwert muss insoweit eine Form finden, in der Ressourcen und Konsumtion kommensurabel werden, womit eine Vermittlung der genannten Relation über viele Produktionsstufen hinweg möglich wird. Produktion und Konsum richten sich auf Güter und Dienstleistungen. Diese nehmen erst im Übergang vom Verkäufer zum Käufer tatsächlich Warenform an. Die Ware ist bis dahin produziert, danach wird sie konsumiert. Sie weist materielle Eigenschaften auf, Tauschwert zu sein macht ihre gesellschaftliche Funktion aus, wie sie zwischen Käufer und Verkäufer besteht. Wert ist das Maß für die Zukunftstauglichkeit des in der Vergangenheit Geleisteten. Die hier historisch gemeinte einfache Warenproduktion ist nicht zu verwechseln mit der „einfachen Zirkulation“ als der stets präsenten Ebene des Äquivalententauschs, durch die hindurch sich die Aneignung unbezahlter Mehrarbeit in Geldform vollzieht. Eine „einfache“ von einer „entfalteten“ Warenproduktion zu
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unterscheiden hat hier lediglich die Relevanz, dass erst in letzterer alle Ressourcen, auch die gesellschaftliche Arbeitskraft, als Ware analog zu den Arbeitsprodukten käuflich geworden sind. Entfaltete Warenproduktion Das Verwendungspotenzial eines Arbeitsprodukts kann nicht Preis sein. Geld weist keinen Gebrauchswert außer seiner bloßen Austauschbarkeit auf. Ein Geldquantum kann sich nicht ohne weitere Bestimmung einem Arbeitsprodukt zuordnen. Die beiden auseinander strebenden Bestimmungen der Ware, Gebrauchswert und Preis, können sich nur dadurch aufeinander beziehen, dass sie sich als Prozess voneinander trennen: der Gebrauchswert wird hergestellt, das Geldquantum „Preis“ soll sich mehren. Indem sich Produzent und Konsument treffen müssen, wird Ware definiert. Was sich als Substanz ihrer Prozesse im Entstehen und Vergehen von Gebrauchswert erhält, ist der Tauschwert. Von einem Wertfluss zwischen den Einzelwirtschaften zu sprechen kann nur Metapher dafür sein, dass der Verwertungsprozess zumindest der je verkaufenden Einzelwirtschaft gelingt. Preis
Wert
Gebrauchswert
Tauschwert
Abb. 2.2: Bestimmungen des Werts
Tauschwert kann nur als Beziehung unterschiedener Gebrauchswerte gelten. Im Tausch negiert der Produzent den Gebrauchswert seines Arbeitsprodukts, der Konsument bestätigt ihn und besorgt seine Zerstörung. Diese Bestätigung des Konsumenten nimmt aber den Namen des dem Gebrauchswert entgegengesetzten Preises an. Der Tausch macht für den Produzenten erst Sinn, wenn er das
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Arbeitsprodukt auf dessen Voraussetzungen beziehen kann. Auch dem Produzenten erscheint daher der Tauschwert als Beziehung unterschiedener Gebrauchswerte. Er besorgt die Reproduktion des Arbeitsprodukts, nachdem dieses ihm Preis geworden ist. Der Tauschwert drückt die Unterschiedenheit der Gebrauchswerte als Gleichheit in dem ihnen entgegengesetzten Preis aus. Er erscheint damit selbst als Quantum und trennt sich in der Form von dem, was ihn konstituiert. Er kann jedoch nicht unmittelbar Geld, bestimmtes Quantum als Preis, sein. Der Produzent bezieht den Gebrauchswert des Arbeitsprodukts auf den Gebrauchswert der Produktionsvoraussetzungen, insofern beide als Preise erscheinen. Der Prozess wäre erloschen, wenn das anfängliche Quantum bloß durch die Zeit getrennt als gleiches Quantum wiederkehrte. Der Tauschwert muss die qualitative Verschiedenheit der Gebrauchswerte negieren, aber er muss auch die quantitative Gleichheit ihrer Preisform ausschließen. Die Widersprüche der Wertform kommen im Produktionsprozess, als Einheit von Arbeits- und Verwertungsprozess, zum Tragen. Indem der Tauschwert sich zur Preisform verselbständigt, kann der Wert sich auf sich selbst beziehen als Kapital. Gebrauchswert und Preis sind bloß seine Momente. Obige Abbildung stellt also nicht etwa eine Begriffshierarchie vom Oberbegriff Wert zu etwaigen Unterbegriffen dar, sondern eine Struktur, in der das gesellschaftliche Subjekt Wert sich in seinen Momenten Gebrauchswert, Tauschwert als dem anderen Gebrauchswert, und schließlich Preis als dessen Verselbständigung zeigt und diese als Momente im Prozess seiner Erhaltung äußert und zusammen schließt. Noch in der einfachen Warenproduktion ist es nicht erforderlich, die Arbeitskraft als separate Produktionsvoraussetzung zu betrachten. Erst indem sie in der entfalteten Warenproduktion als käufliche Ware behandelt wird, rückt sie wirtschaftlich in die Nähe der sachlichen Vorleistungen. Begrifflich gehört sie dort nicht hin. Die tatsächliche Übung zieht immer vollständiger die Voraussetzungen des Produktionsprozesses in eine kaufmännische Betrachtung. Neben der Arbeitskraft sind auch die technisch dem Produktionsprozess zuzurechnenden natürlichen Ressourcen keine Vorleistungen, gehören jedoch sehr wohl zu seinen
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Voraussetzungen. Wenn in den nachfolgenden Erörterungen Prozessaufwände explizit zu den Vorleistungen addiert werden, so soll damit lediglich eine vollständige Aufwandsbetrachtung sichergestellt werden. Die Historie der Ökonomik weist wiederholte Auseinandersetzungen um Wertgehalt und Wertgröße der Waren auf. Zwei Einseitigkeiten werden gegeneinander gestellt: 1. die Wertgröße ließe sich restlos auf Entlohnung eingesetzter Ressourcen reduzieren. Die bloße Zirkulation der Waren könne, insofern sie deren Gebrauchswert unverändert lässt, auch ihren Wert nicht verändern, wie sehr dabei auch Einkaufs- und Verkaufspreise im Handel voneinander abweichen mögen. Die Äußerung der Ressource Arbeitskraft, die Arbeitsmenge, machte demnach den Wertgehalt der Waren aus und bestimme auch die Wertgröße. 2. Die Präferenzen der Endkonsumenten entschieden darüber, ob eine Ware hohen oder niedrigen Wert aufwiese. Von deren Budgetaufteilung ausgehend bestehe die Leistung von Produzenten darin, nach Maßgabe der ihnen bekannten und möglichen Prozesstechnologien verwertungsmaximale Mengen zu ermitteln und zu produzieren. Das Konkurrenzprinzip schließe zwar deren Preissetzungskompetenz nicht aus, es besorge jedoch die Angleichung der Ertragserwartungen. Produktionsmengen und damit Ressourcengehalte seien somit abgeleitete Größen. Es ist nicht erforderlich, sich zwischen diesen beiden Positionen zu entscheiden. Sie beschreiben unterschiedliche Zustände des dynamischen Wirtschaftsprozesses. Die klassische Ökonomik nahm ein „Gravitieren“ des Preises um den (Tausch-) Wert an, womit zunächst die Problematik kommensurabler Dimensionalität beider Größen unterschlagen ist. Richtig an dieser Auffassung ist allerdings die Sicht, dass Nachfrageschwankungen lediglich vorübergehend mit Preisschwankungen beantwortet werden müssen. Der höhere oder niedrigere Bedarf nach einer Ware muss nach Anpassung der Produktionskapazität bei elastischem Ressourcenangebot keinen geänderten Preis nach sich ziehen. Dass sich die Verwertungsraten aller Produzenten untereinander angleichen, sei gerade Ausdruck effizienter Regulation der arbeitsteiligen Ökonomie. Eine verkürzte Sicht auf den (Tausch-)Wert ist also dasjenige Verständnis, das ihn als einen
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langfristig gültigen Preis gegenüber seinem tatsächlich schwankenden Erscheinen festhält. Nachfragebedingungen können den Preis einer Ware steigen oder fallen lassen, sie erklären nicht dessen Höhe. Von Waren, die neu auf ihren Markt kommen sollen, weiß man, dass ihr langfristiger Preis nicht planmäßig unter den addierten Kosten der Vorleistungen und ihres Herstellungsprozesses liegen kann. Es führte auch zu keinem Ende, Preise aus Preisen zu erklären, sondern diese sollen im Verwertungsgleichgewicht aller Produktionsprozesse eine Proportionalität von Ressourcenverzehr und Konsumzuwachs reflektieren. Die zweite Position bezieht sich demnach auf den Anlass und die Mechanik des Anpassungsprozesses, die erste Position bezieht sich auf dessen Resultat. Der Preis einer Ware kann überdies nicht allein wegen zurückgehender Nachfrage momentan fallen, sondern ebenso sehr und dauerhaft allein durch verbesserte Produktionsmethoden, sofern der
Konkurrenzmechanismus
die
Preisreduktion
vermittelt.
Sinn
der
Veranstaltung Ökonomie kann nicht der sein, dass die Produzenten um der Produktion
willen
produzieren.
Dass
also
der
Preis
zugleich
den
Ressourcengehalt und die relative Wertschätzung der Konsumenten reflektiert, hat nicht positive, sondern eben zunächst normative Relevanz. Erst wenn alle Produktionsvoraussetzungen käuflich geworden sind, gewinnt die Ökonomie an technologischer und gesellschaftlicher Dynamik durch eine spezifisch andere Regulation: am Beginn eines Produktionsprozesses steht ein zu verausgabendes Geldquantum, durch den Verkauf der Leistung muss ein höheres Quantum zurückkehren. Geld nimmt nicht lediglich die Rolle des Tauschmediums wahr, sondern wird selbst zum Ausgangs- und Zielpunkt der Produktion. Die Produktion von Gebrauchswerten wird bloßes Mittel zur Produktion von Tauschwert. Der Arbeitsprozess wird um den Zirkulationsprozess zum Verwertungsprozess ergänzt und von diesem reguliert. Entscheidend ist die Differenz zwischen den Kosten des Einsatzes der Arbeitskraft und dem Arbeitsergebnis, also zwischen Ressourcenverzehr und Ressourcengehalt. Diese muss den monetär messbaren Zuwachs der Hauptsumme erbringen. Die Warenproduktion bildet sich zur Kapitalproduktion aus.
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Die Verwertung bestimmt sich formal einheitlich als Relation Verkaufsmenge · Verkaufspreis ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ Kosten der Vorleistungen + Kosten des Prozesses Die Regulierung durch den Unternehmer orientiert sich dabei ausschließlich an der Distributionsgröße des Investors, seinem Profit. Der Zins des Rentiers, die Rente des Grundbesitzers und der Lohn des Arbeiters sind von ihm in ihrer Gesamtheit als Kosten zu minimieren. Die verschiedenen Anteile an den Gesamtkosten des Prozesses sind gleichnamig gemacht und damit gegeneinander gleichgültig; ob die Verwertung vorgeschossenen Kapitals mit relativ wenigen sachlichen Vorleistungen und viel Arbeitskraftverausgabung im Prozess oder umgekehrt erfolgt, ficht die Preisbildung nicht an. Der erste Fall wird als niedrige, der zweite Fall also als hohe organische Zusammensetzung des Kapitals bezeichnet. Diese einzelwirtschaftliche Größe charakterisiert einen Produktionsprozess. Sie ist nicht mit dem Kapitalkoeffizienten zu verwechseln, der nur in einer gesamtwirtschaftlichen Erörterung benutzt werden kann. Auf diesen Begriff wird in Kapitel 6.1.1. eingegangen. Soziale Rollen Man beobachtet zwei laufende Beine: Abstützen nach vorne, Abstoßen nach hinten. Oder auch: Bewältigung der Hinkunft, Bewältigung der Herkunft. Der getragene Rumpf, die Arme und der Kopf werden übersehen. Letzterem fiele nicht ein, das eine Bein als „Vorteil“, das andere als „Nachteil“ zu klassifizieren. Soll die soziale Frage im Hinblick auf ihre heilende Beantwortung nicht durch die begrifflichen Abstraktionen hindurch fallen, so wird man sich dazu bequemen müssen, oberhalb der sozialen Rollen die Eingliederung des gesamten Menschen in das wirtschaftliche Glied des sozialen Organismus zu betrachten. Wer zugleich Herr, Ausführender und Nutznießer eines Arbeitsprozesses ist, etwa in einer Subsistenzwirtschaft, hat nicht nötig, diesen unter den Aspekten Aufwand und
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Ertrag zu differenzieren. Dies wäre überhaupt erst bei technologischen Alternativen erforderlich. Eine Ökonomie gilt als arbeitsteilig, insofern Konsumenten und Produzenten personell auseinanderfallen. Dann ist die Bedürftigkeit des Konsumenten mit der Faulheit des Produzenten in Einklang zu bringen. In historischer, bloß tatsächlicher Übung wird aus dem Produzenten der Arbeiter als Konsument abgespalten: er erhält Lohn als eine dem Arbeitsprozess äußerliche Bestimmung, die ihn je als arbeitenden und konsumierenden Teilmenschen in den gesellschaftlichen Arbeitsprozess zurückzwingt. Er produziert das Arbeitsergebnis, das ihm nicht gehört; er konsumiert aus seinem Lohn Waren, die er nicht erstellt. Der Arbeiter ist frei von den Verwirklichungsbedingungen seiner Arbeitskraft. Mit diesen schließt er sich nur temporär und vertraglich über den Unternehmer zusammen. Die spezifisch wirtschaftliche Aufgabe, Konsumenten und Produzenten zusammenzubringen, erledigt namens des Investors der Unternehmer. Er schätzt den zahlenden Konsumenten und den leistenden Arbeiter; er stößt den Gebrauchswerte verlangenden Konsumenten und den Lohn verlangenden Arbeiter zurück. Seine Vermittlungsleistung kristallisiert sich in Warenpreisen. Erst auf dieser Entwicklungsstufe wird es zugleich möglich und auch erforderlich, dem Arbeitsprozess Aufwand und Ertrag zuzuordnen. Die Bestimmungen des Arbeitsprozesses liegen in seinen beiden warenhaften Enden. Der Lohn rubriziert gleich mit den zu vermeidenden Vorleistungen, der Profit bleibt einzige zu maximierende Größe des Gesamtvorgangs. Arbeiter und Konsumenten sind dessen bloße Momente, die er zusammenführt, indem er sie voneinander trennt. Die Abstraktion ist soziale Realität geworden.
2.2.3. Zeitwirtschaft Progressive und retrograde Zeit Der Planungs- und Investitionsvorgang kalkuliert den Produktionsprozess vom Umsatzpotenzial des Prozessergebnisses zu den Kosten der Vorleistungen und des Prozesses selbst. Der Investitionsvollzug als tatsächliche Inanspruchnahme
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der Vorleistungen, aber auch als Prozessaufwand stimuliert seinerseits die Produktionsplanung der Vorleistungen sowie zusätzlichen Konsum aus den im Prozess generierten Einkommen heraus. Die Planung der arbeitsteiligen Produktion erfolgt somit retrograd vom Konsum aus zurück zu dessen Voraussetzungen. Der Beginn oder die Ausdehnung eines bestimmten Produktionsprozesses affiziert sowohl dessen Vorleistungsbaum, als auch den Fonds der unproduktiven Konsumtion. Soweit die Vorleistungsprozesse über ausreichende Kapazitätsreserven verfügen, sind bei diesen lediglich zusätzliche zirkulierende Vorleistungen beansprucht; erfolgt der Nachliegerprozess mit ausreichend hoher Prozessintensität oder sind die Kapazitäten des Vorliegers voll ausgelastet, so werden zusätzliche fixe Vorleistungen beansprucht. Der Vorleistungsbaum weist dann zusätzliche Verzweigungen auf (s. Abb. 2.4 auf Seite 27). Umgekehrt erfolgt der Produktionsprozess progressiv von den Ressourcen bzw. Vorleistungen zum produktiven bzw. Endkonsum. Damit stellt sich die Frage nach einem Verfahren, dass in der arbeitsteiligen Ökonomie den Zeitpunkt der Bereitstellung und das Ausmaß einer Produktionskapazität bestimmt. Darin, dass die Vorliegerprozesse erst post festum auf die Intensitätsvariation ihrer Nachliegerprozesse reagieren, liegt Suboptimalität der gesellschaftlichen Produktion. Das Produktionsoptimum wäre umgekehrt daran zu erkennen, dass mit dem Zeitpunkt der Fertigstellung einer Kapazität und der Bereitstellung zirkulierender Mittel gerade die Beanspruchung durch Nachliegerprozesse in entsprechendem Ausmaß beginnt. Unabhängig von der Idealität der gesellschaftlichen Organisation wird in technischer Hinsicht eine nahezu kontinuierliche Zunahme der Verbrauchsmengen mit der diskreten Zunahme von Produktionskapazitäten konfligieren. Kardinale und ordinale Zeit Planungsprozesse und Produktionsprozesse beanspruchen nach Maßgabe ihrer Verfahren wenig oder viel Zeit. Um zu einem bestimmten Bereitstellungszeitpunkt über eine bestimmte Produktionskapazität oder eine bestimmte Menge an zirkulierenden Mitteln verfügen zu können, müssen die durch Technikwahl definierten Vorliegerprozesse in der erforderlichen Reihenfolge vollzogen wor-
Reproduktion
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den sein. Je nachdem, wie weit der Vorleistungsbaum zurückverfolgt wird, ergibt sich daraus eine Mindestdauer von der Veranlassung der Intensitätsanpassung bis zur Bereitstellung allein aufgrund der beteiligten Prozesse und ihrer Ordnung. Diese Dauer wäre minimal, wenn alle Vorliegerprozesse über ausreichende Kapazitätsreserven verfügen, so dass die je benötigten Leistungen parallel erzeugt werden könnten. Insofern die Kapazitäten der Prozesse für dieses Vorgehen zu klein sind, wird es erforderlich, Leistungen nacheinander herzustellen, womit sich die Bereitstellungszeit erhöht. Die Prozessintensität fungiert als Substitut der Prozessdauer und umgekehrt. Intensität 20 10
3
6
Perioden
Abb. 2.3: Produktionsintensität und Prozessdauer. Output sind 60 Einheiten.
2.3 Reproduktion 2.3.1 Gesamtwirtschaft und Einzelwirtschaft Die Gesamtwirtschaft umfasst alle Prozesse, die geeignet sind ihre Vorleistungen, sowie den Konsum der involvierten Einkommensbezieher zu reproduzieren. Ihre technische Seite lässt sich als ein System von Herstellungsprozessen, die mit bestimmter Intensität ablaufen und durch Input-Output-Beziehungen miteinander verknüpft sind, darstellen. Intensität meint erzeugte Outputmenge pro Periode. Die Gesamtheit dieser Herstellungsprozesse setzt auf den natürlichen Ressourcen auf, beansprucht das gesellschaftliche Arbeitsvermögen und endet im Konsum, der das Gesamtarbeitsergebnis unproduktiv verzehrt.
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Die Weltwirtschaft ist die größtmögliche Gesamtwirtschaft. Der Begriff der Gesamtwirtschaft wird benötigt, um oberhalb der Einzelwirtschaft eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen, in der spezifische Regeln wirksam werden. Einzelwirtschaften können mehreren Gesamtwirtschaften angehören, sie operieren stets in mindestens einer Gesamtwirtschaft. Die Gesamtwirtschaft ist realwirtschaftlich, die Einzelwirtschaft ist pretialwirtschaftlich bestimmt; d.h. die Gesamtwirtschaft unterliegt keinen wirtschaftlichen Absichten, die Einzelwirtschaft unterliegt den kombinierten Verwertungsabsichten ihrer Beteiligten. Eine Gesamtwirtschaft muss nicht kongruent sein mit einer sogenannten „Volkswirtschaft“, welcher Begriff an eine Rechts- oder Kulturgemeinschaft anschließt und der in den vorliegenden Erörterungen nicht benötigt wird. In realwirtschaftlicher
Hinsicht
beweisen
die
Außenwirtschaftsbeziehungen
einer
Volkswirtschaft regelmäßig, dass sie keine Gesamtwirtschaft ist. Prozess der Leistungserstellung Die Gesamtheit aller Prozesse wird zerlegt und Einzelwirtschaften zugeordnet. Diese können mehr oder weniger lange Prozessketten ( „vertikale Integration“ ) oder parallele Prozesse, d.h. solche, die weder gemeinsame direkte Vorlieger noch direkte Nachlieger haben ( „horizontale Integration“ ), umfassen. Dazu kämen Mischformen, d.h. Integration gemeinsamer Vorlieger oder gemeinsamer Nachlieger.
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Konsum
P5 P4
P2 P1 P3
Ressourcen
Arbeitskraft
Abb. 2.4: Gesamtwirtschaft als Netzplandiagramm. Knoten ≡ Prozess, Kante ≡ Lieferbeziehung.
Der Output des Prozesses P5 findet als Input in Prozess P2 Verwendung. Der Prozess P4 beliefere ausschließlich, der Prozess P5 auch zusätzlich den Endkonsum. Die Prozesse P2 und P3 sind Vorlieger für den Prozess P4, P1 ist Vorlieger für P5. Die Prozesse P1, P3 und P4 verbrauchen unmittelbar Ressourcen. Bildeten die Prozesse der Leistungserstellung nicht in funktioneller und zeitlicher Hinsicht Prozessketten, so könnte auch nicht das Arbeitsprodukt der Vorperiode als „Kapital“ der Folgeperiode auftreten. Der Leistungsfluss verlässt den Bereich der Einzelwirtschaften mit dem Verkauf der Waren in den unproduktiven Konsum. Der unproduktive Konsument ist keine Einzelwirtschaft. In der handwerklichen Zunftorganisation waren die einzelnen Handwerker nach gleichen Berufen zusammengefasst. Diese Zusammenfassung war kongruent mit einer Zerlegung der Gesamtheit aller Produktionsprozesse nach in sich
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gleichartigen Prozessklassen. Den Zünften oblag die Aufrechterhaltung von Qualitätsstandards hinsichtlich der Produkte und der Ausbildung ihrer Mitglieder. Sie regulierten den Umfang des gesamten Geschäftsbetriebs ihrer Branche. Die Zunftorganisation ist für die technologische und kaufmännische Dynamik der industriellen Produktion ungeeignet. Den Einzelwirtschaften ist die Aufgabe zugeordnet, die gesellschaftliche Arbeit zu organisieren. Sie sind organisatorisch die einzige Schicht zwischen Betrieben und Gesamtwirtschaft. Eine Einzelwirtschaft fasst diverse Berufe zu kooperierender Tätigkeit in Betrieben zusammen, die insgesamt ein oder mehrere Geschäftsfelder bedienen. Ihr eigenes Gliederungsprinzip ist die Kooperation. Die
beschaffungs-
und
absatzseitigen
Verknüpfungen
zu
anderen
Einzelwirtschaften entstehen nach dem Prinzip der Koordination. Der Unterschied liegt darin, dass alle Beteiligten innerhalb einer Einzelwirtschaft zu deren gemeinsamen Zielen beitragen müssen. Daran ist überhaupt ihre Beteiligung geknüpft. Demgegenüber ist für die Koordination charakteristisch, dass Kooperation bloß möglich ist, nicht jedoch notwendig zustande kommt. Prozessklassen,
Berufe,
Betriebe
oder
Geschäftsfelder
stellen
kein
Gliederungskriterium der Gesamtwirtschaft in Einzelwirtschaften dar. Eigenleistung Die Subsistenzwirtschaft verbraucht Ressourcen, erstellt Gebrauchswerte und vernichtet sie wieder. Mindestens sind dabei Lebensmittel herzustellen. In einer ersten Stufe der Arbeitsteilung ließen sich diese, sofern überschüssig produziert, etwa gegen Werkzeuge eintauschen, die ein spezialisierter Handwerker verfertigte. Damit müsste sich die wechselseitige Wertschöpfung in Tauschverhältnissen ausdrücken. Die Landwirtschaft erstellte in Eigenleistung Saatgut und Dünger. Sie kann die Erstellung dieser Vorleistungen an andere Produktionszweige abgeben. Aus dem Wert des Bruttoprodukts sind lediglich die Geräte etc. als Vorleistung zu subtrahieren. Nach erweiterter Arbeitsteilung wird das Bruttoprodukt vollständig verkauft, jedoch werden Saatgut und Dünger als zusätzliche Vorleistung bezogen.
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kommerziell alt
Vorleistungen
Produktion
Technisch
Geräte etc.
Saatgut, Dünger Nettoprodukt
kommerziell neu Vorleistungen
Produktion
Setzte man realwirtschaftliche Konstanz beider Situationen voraus, also auch Konstanz des konsumierbaren Nettoprodukts, so hätte sich lediglich der Umfang des Warenaustauschs in der Ökonomie erweitert. Der vormalige Wertverzehr im Umfang von Saatgut und Dünger wird dem Tausch ausgesetzt.
2.3.2 Zirkulation Nur Lieferungen zwischen den Einzelwirtschaften nehmen Warencharakter an, Lieferungen zwischen Prozessen oder Betrieben innerhalb einer Einzelwirtschaft werden nicht verkauft. Die Verkäufe der Waren haben für den Verkäufer stets die Funktion, bezahlte Vorleistungen zuzüglich der Eigenkapitalverzinsung zu vergüten. Für den Käufer sind folgende Kategorien zu unterscheiden: er kauft Waren, deren Gebrauchswerte er selbst negiert. Ist dieser Vorgang nicht technische Voraussetzung des Herstellungsprozesses anderer Waren, so ist dieser Konsum unproduktiv; die gekauften Waren sind in dieser Bestimmung Konsumwaren. Mit der Zahlung der Preise zirkuliert das Kapital des Verkäufers, es erhält sich, indem es von der Warenform in die Geldform übergeht. Der Käufer jedoch negiert die Werte der gekauften Waren, seine Ausgaben sind unproduktiv, das ausgegebene Geld kann nicht wiederkehren. Werden hingegen die Gebrauchswerte in einer Weise negiert, dass daraus andere verkäufliche Gebrauchswerte, also Waren entstehen, deren Preise die Ausgaben wieder erstatten, so handelt es sich um Kapital- bzw. Investitionswaren. Sie werden mit der Bestimmung gekauft, durch Weiterverarbeitung, d.h. Veränderung ihres Gebrauchswerts, die Ausgabe verzinslich zurückzubringen. Wie jede Ware, werden auch Kapitalwaren nach dem Kauf konsumiert, dieser Konsum ist jedoch produktiv. Die Zuordnung in die eine oder andere Kategorie ist durchaus nicht am Gebrauchswert der Ware ablesbar: die nachfolgende Nutzung mag in
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technischer Hinsicht gleich sein, entscheidend ist jedoch der gesellschaftliche Ort des Verzehrs in einer Einzelwirtschaft oder beim unproduktiven bzw. Endkonsumenten. Vom Standpunkt der produzierenden Einzelwirtschaft aus ist der Verkauf von Kapitalwaren nicht mehr oder weniger interessant als der Verkauf von Konsumwaren: beide Kategorien von Waren müssen die investierten Mittel verzinsen. In welcher Relation in einer Gesamtwirtschaft Konsum- oder Kapitalwaren verkauft werden, hängt auch davon ab, ob Kapitalwaren gekauft werden müssen. Dies wäre offenbar dann nicht erforderlich und auch nicht möglich, wenn die Gesamtwirtschaft in einer einzigen Einzelwirtschaft organisiert wäre. Diese wäre Eigentümerin aller natürlichen Ressourcen, erstellte sich alle Produkte, die nicht an die Endkonsumenten verkauft werden, selbst zum Zwecke des Eigenverbrauchs. Die Leistung des Kapazitätsaufbaus wäre damit nie Ware. Bezahlte Vorleistung wäre ausschließlich der Lohn an die Arbeiter, in gleichem Volumen fänden Verkäufe aller Konsumwaren statt. Diese Gesamtwirtschaft produzierte tatsächlich nur Konsumwaren als Waren, bei welchem technischen Vorleistungsniveau auch immer. Es ist klar, dass in dieser Situation keine Profite realisiert werden könnten. Nicht in der Produktion ist der erscheinende Reichtum begründet, sondern in ihrer formellen Zerlegung in Einzelwirtschaften, die sich profitabel wieder verknüpfen lassen. Die Rolle des Geldes reduzierte sich auf die Verteilung der Konsumwaren; in das Investitionskalkül ginge es nicht ein. Preise zur Entscheidung technischer Alternativen lägen nicht vor. Im derartigen Fall einer einzigen Einzelwirtschaft kann von kapitalistischer Organisation der gesellschaftlichen Arbeit keine Rede sein. Was fehlte wäre das Spezifikum der käuflichen sachlichen Vorleistungen. Die Realisierung von Profiten setzt somit mindestens zwei Einzelwirtschaften voraus, von denen mindestens eine Kapitalwaren an die andere verkauft 2. Rentabilität sollte Attribut eines Produktionsprozesses sein; sie wird als diejenige einer Einzelwirtschaft gemessen.
Reproduktion
31
Ein Referenzmodell Repräsentativ für industrielle Ökonomien werden in der Produktion fixe Inputkoeffizienten unterstellt. Von den Mengen des Prozessergebnisses lässt sich also auf die Mengen der dafür erforderlichen sachlichen Vorleistungen und aller im Prozess selbst einzusetzenden Ressourcen schließen. Diese werden formal einheitlich als Input bezeichnet. Alle Prozesse benötigen die gleiche Standardperiode, bzw. nach Verlauf dieser Dauer wird der Output als entsprechendes Zwischenprodukt definiert, das in Folgeperioden anderen Prozessen als Input dient. Der Produktionsprozess lässt sich damit fassen als Überführung eines Vektors von Inputwaren in einen Vektor an Outputwaren innerhalb der Dauer der Standardperiode. Alle Käufe bzw. Verkäufe finden mit dem Periodenwechsel statt. Werden Prozesse als Zeilen und Waren als Spalten einer Matrix dargestellt, so ist die beschriebene Überführung in Begriffen der linearen Algebra als Linksmultiplikation der Matrix mit dem Intensitätsvektor x formalisierbar: xA → xB.
(2.1)
Die Matrix A enthalte die Inputkoeffizienten aller Prozesse, in B seien die Outputkoeffizienten zusammengestellt. Wird in einem Prozess lediglich eine Ware erzeugt, so liegt ein Einproduktprozess vor. Die Matrix B enthält in der betreffenden Zeile nur einen Eintrag. Mehrere Einträge in einer Zeile der Matrix B kennzeichnen einen Mehrproduktprozess bzw. Kuppelproduktion. Die Ressource Arbeitskraft ließe sich in diesem Matrizenpaar (A,B) direkt darstellen als zwar nicht in B auftretendes Prozessergebnis, aber in A eingehende Prozessvoraussetzung. Man hätte dann als Nettooutput pro Periode xB – xA
(2.2)
den Konsumfonds, als Zweck der Veranstaltung, exogen zu definieren. Soll darüber hinaus die Ökonomie wachsen, so müsste das Nettoprodukt auch den
32
Gesellschaftliche Arbeit
zusätzlichen Input der Folgeperiode ermöglichen. Eine andere Darstellungsmöglichkeit liegt darin, den Arbeitseinsatz als die seinetwegen erforderlichen Konsumwaren der Arbeiter darzustellen. Diese wären somit Input jeden Prozesses. Auch in einer expandierenden Ökonomie wäre damit der Konsumfonds proportional dem Arbeitseinsatz. Das Matrizenpaar (A,B) lässt sich als momentaner Technologievorrat der Ökonomie verstehen. Die Matrizen wachsen mit neuen Prozessen als zusätzlichen Zeilen und mit neuen Waren als zusätzlichen Spalten. Technikwahl bedeutet dann die Festlegung eines Intensitätsvektors x, der bei positivem Eintrag den betreffenden Prozess selektiert und seine Intensität bestimmt, bei Nulleintrag den möglichen Prozess nicht aktiviert. Bestandteile einer möglichen Optimierungsaufgabe wäre etwa die Ermittlung eines
Intensitätsvektors
x
und
eines
Preisvektors
y,
bei
dem
eine
Gesamtverzinsung der Ökonomie xBy / xAy maximal ausfällt 3. Erwerbsprinzip Der subsistenzwirtschaftliche Produzent erwirbt seine wirtschaftlichen Leistungen zum Zwecke seines Konsums. In der entfalteten Warenproduktion erwirbt der Produzent seine Ansprüche an die wirtschaftliche Leistung anderer in monetärer Form. Die Absicht, um derentwillen das wirtschaftliche Engagement in der arbeitsteiligen Ökonomie erfolgt, muss über ein Geldquantum vermittelt werden. Dass wirtschaftliches Handeln den Produzenten und den Konsumenten wirtschaftlicher Leistung zugleich befriedigt, soll sich in derselben Zielgröße des monetären Erwerbs ausdrücken. Ein gezahlter Preis ist zugleich als Ausgabe Ausdruck einer Budgetentscheidung des Konsumenten und als Einnahme Belohnung
des
Produzenten.
Sosehr
der
moderne
Produktionsprozess
gesellschaftlich erfolgt, so strikt soll er sich doch über das individuelle, private Interesse regulieren lassen.
Reproduktion
33
Unverzichtbarer Ideologiebestandteil der bürgerlichen Gesellschaft wird daher die Behauptung, dass gerade der Egoismus der Einzelnen in der arbeitsteiligen Wirtschaft das vorteilhafteste Gesamtresultat zuwege zu bringen imstande sei. Ihn vorauszusetzen schien damit Bedingung und nicht etwa Hindernis der gegenseitigen Bereicherung 4. Hinsichtlich der Produzentenmotivation sollen die Bewegungsmöglichkeiten für die monetäre Zielgröße Gerechtigkeit ausdrücken, hinsichtlich der Relation von Produktionsanstrengung und Konsumentennutzen soll damit Effizienz erreicht werden. Die Möglichkeit, Entscheidungen über die Vorteilhaftigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten zu treffen, wird dadurch auf eine einheitliche Formel gebracht, dass sich diese ausnahmslos quasi als Produktion von Geld darstellen. Der Fortgang der Untersuchung muss zeigen, ob diese einfache Legitimationsformel hinreicht, aus der Menge der möglichen wirtschaftlich relevanten Handlungen gerade diejenigen Regulations- und Produktionsvorgänge zu aktualisieren, welche die vorgenannte Effizienzrelation zu verbessern geeignet sind. In institutioneller Hinsicht entscheidend für das Erwerbsprinzip ist, dass es keiner regulativen Ergänzung bedarf. Ihm seien, nicht dem Verfahren nach, jedoch den Anwendungsbereichen nach, beispielsweise rechtliche Grenzen gesetzt. Es verknüpft sich jedoch nicht mit anderen, entgegenstehenden Prinzipien. Seine Bewegungsmöglichkeiten drücken bereits die Aussicht auf ein Gleichgewicht zwischen Produzenten- und Konsumentenabsicht aus. Die wirtschaftliche Entscheidungsfindung soll nicht daran zweifeln müssen, dass keine anderen, konkurrierenden Maximen zu berücksichtigen sind.
2.3.3 Wertschöpfung Geld ist die Hypostasierung des Wertes, der Geld nicht sein kann. Wert kann nur darstellen, was zum Gebrauch, also zur schließlichen Entwertung taugt. Demgegenüber soll gerade Geld seinen „Wert“ nicht verlieren, soll ihn als Geld gegen den Verfall der Gebrauchswerte bewahren. Als besonderes Geld im produktiven Einsatz, also als Kapital, soll es „seinen“ Wert gerade vermehren, nicht lediglich konstant halten. Als bloß nominales bezeichnet ein Geldquantum nicht bereits
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Gesellschaftliche Arbeit
Wert. Es hat diesen in der Ausgabe zu beweisen. Dabei gerät der bedeutete Wert in das Risiko des Verzehrs, oder in die Chance der Verwertung. Wert ist ein Prozessmaß. Die ehemalige Geldware Gold ist hingegen ein Ding, auch das bloße Wertzeichen, Münze, Banknote oder Buchgeld, wird als solches gehandhabt. Im Herstellungsprozess muss sich der Wert vermehren, der im Verwertungsprozess zum messbaren Ausdruck gelangt. Die Kapitalform des Werts schließt die Warenform und die Geldform als seine Momente zusammen. In der Geldform kann es sich nicht vermehren und die Warenform ist nicht das Ziel der Kapitalproduktion. Kapital muss sich erhalten indem es sich vermehrt. Profitabilität und Akkumulation müssen zur Übereinstimmung gebracht werden. Unter kapitalistischem Regime kann also nur solche Arbeit als produktiv gelten, die •
als Arbeitskraft gekauft und bezahlt wird
•
mit Hilfe gekaufter sachlicher Produktionsvoraussetzungen tätig wird und
•
Gebrauchswerte herstellt, die profitabel verkauft werden.
Davon abzugrenzen ist also der unproduktive Verzehr von Arbeitskraft, egal zu welchem Niveau sie vergütet wird. Sie würde dann nicht zur Geldvermehrung eingesetzt, sondern aus Revenue gespeist und diese unter mehrere Personen verteilen. Somit fallen unter den Begriff der unproduktiven Arbeit gerade auch solche Tätigkeiten, die bspw. eine hohe gesellschaftliche Nützlichkeit aufweisen, jedoch keine verkäufliche Leistung erstellen und daher aus Redistribution bezahlt werden müssen. Wie auch der Wert von Waren sich nur in deren Gebrauch beweisen kann, so muss sich der Geldwert als Geldgebrauch beweisen. Geld ist sich nicht selbst Wertspeicher. Wer Geld, statt es zu verwerten, lediglich konservieren will, verfällt daher auf Waren, deren Nachfrage gesichert erscheint und die zugleich nur begrenzt angeboten werden können. Hier bieten sich drei Kategorien von „Waren“ an: Immobilien, Gesellschaftsanteile und Staatsschuld. Sowenig Bodenfläche unbegrenzt zur Verfügung steht, ebenso wenig lassen sich unbegrenzt Kapitalien in einer Ökonomie betreiben. Mit der Begrenztheit des Angebots sind sich die Geldanleger gegenseitig die besten Preistreiber. Sie
Reproduktion
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schaffen sich selbst den Schein der Verwertung. Tatsächlich ist der Geldfluss, als notwendiger Ausdruck florierenden Wirtschaftens, dabei gehemmt. Die Staatsschuld kann nur das Versprechen sein, künftige Steuerbürger zur Verzinsung und Tilgung heranzuziehen. Sie beruht ebenso wie Gesellschaftsanteile auf der Erwartung künftiger Einnahmeüberschüsse. Allerdings investiert der Staat nicht, sofern er nicht Staatswirtschaft ist und seine Leistungen verkauft. Seine Ausgaben sind daher Konsum, zu dem der Steuerbürger gezwungen wird. Er mag diese als Erhalt oder Steigerung seines Lebensstandards empfinden, ebenso wie Ausgaben im Rahmen seines individuellen Konsums. Jedenfalls sind mit dem Eigenverbrauch des Staats produktive Ressourcen konsumtiv gebunden, das gesellschaftliche Nettoprodukt ist insoweit der Akkumulation vorenthalten. Ist durch die genannten Ausgabekategorien die Ökonomie schließlich im Ungleichgewicht, so erweisen sich auch diese Wertspeicher als illusionär. Die Geldverwendung verlief insofern bloß in Richtung auf sich selbst. Die spekulativ erhöhten Preise brechen ein, als letzter Schuldner müsste der Staat seinen Bankrott erklären. Das obige Diagramm zu den Bestimmungen des Werts, Abb. 2.2., lässt sich wie folgt erweitern. Der Preis einer Ware weist in die Geldsphäre, ihr Gebrauchswert in die Arbeitssphäre: Kredit
Geld Einkommen
Arbeit Ressourcen Abb. 2.5: Erweiterte Wertbestimmung
Preis
Wert Gebrauchswert
Tauschwert
36
Gesellschaftliche Arbeit
Dass die dritte - wie auch der Preis quantitative - Bestimmung als Tauschwert in Relation zum Ressourcengehalt der Ware steht, ist eine Effizienzforderung an ein jeweiliges Allokationsregime. Wertschöpfung kann nur der nützlichen Aktualisierung des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens entspringen. Dies verlangt produktive und konsumtive Verwendung von Geld in Proportionen, die sowohl den Anforderungen der Gegenwart, als auch denjenigen der Zukunft gerecht werden. Jedoch lässt sich weder von der Nützlichkeit eines Arbeitsergebnisses auf die Wertbildung des Arbeitsprozesses schließen, noch umgekehrt von der Realisierung des Tauschwerts auf die Nützlichkeit. Notwendige Bedingung der Wertbildung ist der tatsächliche Verbrauch durch den Konsumenten. Dieser muss liquide sein; sein bloß tatsächlicher Bedarf ist ökonomisch irrelevant und für die Bereitstellung der Arbeitsleistung nicht hinreichend. Umgekehrt könnte die Lieferung an einen Produktionsprozess erfolgt und bezahlt sein, dessen nachfolgendes Ergebnis sich als unverkäuflich erweist. Die Belieferung realisierte die vorangehende Wertschöpfung, das Produkt war tatsächlich unnütz. Eine erhebliche Anzahl wirtschaftlich relevanter Vorgänge nimmt die Form von Produktionsprozessen an, d.h. eignet sich zur Generierung eines Einzahlungsüberschusses, wiewohl diese lediglich Ausdruck von Redistribution sind. Diese aufzuspüren gestattet stets das Kriterium, ob ihr Wegfall den Konsumfonds verringerte oder dessen Zustandekommen erschwerte. Insoweit ihre Einrichtung Angelegenheit einer Einzelwirtschaft ist, geht es für diese darum, Rationalisierungspotenzial aufzudecken. Über die Zuständigkeit der Einzelwirtschaft hinaus werden Ressourcen verzehrt durch die spezifische Weise, die gesellschaftliche Arbeit zu organisieren. Die Entbehrlichkeit dieses Aufwands müsste sich je an einer strukturellen Alternative erweisen. Keineswegs kann von der bloß tatsächlichen Einkommenserzielung im Wirtschaftsleben auf die Nützlichkeit oder die wertbildende Qualität des so vergüteten Vorgangs geschlossen werden. Der Produktionsprozess war als Vorgang mit drei Dimensionen gekennzeichnet worden: der Vektor der Vorleistungen wird unter Verbrauch von Prozesszeit in den Vektor der Arbeitsergebnisse überführt. Soll die Wertschöpfung
Reproduktion
37
dieses Vorgangs monetär reflektiert werden, so sind Vorleistungen und Arbeitsergebnisse durch den Preisvektor in kommensurable Skalare zu verwandeln: xBy / xAy.
(2.3)
Die Wertschöpfung eines Prozesses soll sich in einer Relation der Outputpreise und Outputmengen zu den Inputpreisen und Inputmengen darstellen. ( Die Rechtsmultiplikation mit dem Preisvektor ergibt ein Skalarprodukt ! ) Preise y xBy xAy
xB
xA Mengen
Abb. 2.6: Wertschöpfung als bewertete Differenz von Output und Input
Die Einzelwirtschaft kann weniger verkaufen als sie hergestellt hat; mehr als die hergestellten Mengen zu verkaufen setzt Lagervorräte voraus. Kann nicht das gesamte Arbeitsergebnis verkauft werden, so muss der Umsatz der verkauften Leistung die Kosten der erzeugten Leistung dennoch decken. Die Absatzpreise können in Relation zu den Einkaufspreisen die Inkongruenz von produzierten und verkauften Leistungen temporär kompensieren.
38
Gesellschaftliche Arbeit
Dieser ungleichgewichtige Fall ist in vorstehender Abbildung 2.6 gezeigt. Die Relevanz der Wertbildung liegt allerdings gerade darin, die Mengenrelationen der Arbeitsprozesse
zur
Übereinstimmung
zu
bringen,
d.h.,
den
gesamtwirtschaftlichen Gebrauchswertzusammenhang darzustellen. Festzuhalten ist, dass die Wertschöpfung des Produktionsprozesses sich nicht allein im Preis ausdrückt, sondern das Wertgesetz stets nur in Verbindung mit den Prozessintensitäten, und daher den Mengen, seine regulierende Funktion erfüllt.
Allokation
39
3 Regulative Regulative sind Einrichtung zur Regulierung der Realwirtschaft, beispielsweise Geld, Preis, Profitrate, Zins. Zusammen mit den Institutionen des Wirtschaftslebens bilden sie den systematischen Rahmen, innerhalb dessen versucht wird, wirtschaftliches Wollen in wirtschaftlichen Erfolg umzusetzen.
3.1 Allokation 3.1.1 Aufgabenstellung Das Netzwerk der wirtschaftlichen Aktivitäten, die aus den natürlichen Ressourcen über viele Prozessstufen hinweg den Konsumfonds der Gesellschaft bereitstellen, ist zweckmäßig zu regulieren. Die Allokationsaufgabe in arbeitsteiligen Ökonomien ist mit folgenden Fragen zu erfassen: 1.
Qualitative Allokation: Welche Gebrauchswerte sollen hergestellt werden ?
2.
Quantitative Allokation: Welche Mengen dieser Gebrauchswerte sind erforderlich ?
3.
Intensive Allokation: Welche der möglichen Prozessintensitäten werden dazu gewählt ? Mit einer positiven Intensitätswahl ist die Technologie bestimmt.
4.
Temporale Allokation: Welche Bereitstellungstermine sind vorzusehen ?
5.
Regionale Allokation: Welche Bereitstellungsorte sind zu benutzen ?
Die wirtschaftlich relevanten Aktivitäten sind stets eine Konkretion aller dieser fünf Entscheidungsdimensionen. Die Allokation vollzieht sich auf zwei Ebenen: Lohn, Zins und Grundrente bilden regionale Niveaus aus, von denen aus sich die Rentabilitäten potentieller Produktionsprozesse ergeben müssen. Diese werden der einzelwirtschaftlichen R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
40
Regulative
Absicht nach maximiert, der gesamtwirtschaftlichen Wirkung nach gleichen sie sich an. Wäre dem namens des Investors tätigen Unternehmer das Lohnniveau der Arbeiter nicht vorgegeben, so hätte die additive Berücksichtigung in der Profitformel von vornherein keine Aussicht auf ausgeglichene Verwertung der Ressource Arbeitskraft in alternativen Verwendungen. Dies ist jedoch notwendige Bedingung effizienter Allokation. Die maximierende Absicht wirkt zum Beginn des Kapazitätsaufbaus, wenn das zu investierende Kapital als Geldsumme verfügt wird. In dieser Phase einzelwirtschaftlichen Agierens wird die einzusetzende Technik gewählt. Die Allokationsaufgabe wäre gegenstandslos, eine Preisformel unmöglich, wenn nicht die auf wirtschaftliche Leistungen sich richtenden Bedürfnisse über die Verwendung knapper Ressourcen zu befriedigen wären. Stünden diese mit unendlicher Elastizität zur Verfügung, so fielen zwar noch Erträge an, jedoch erübrigte sich das für die wirtschaftliche Entscheidung typische Optimierungskalkül. Den Rechenoperationen der Katallaktik liegen stets Ressourcenentgelte und Ertragsanteile zugrunde. Andere als diese Preisbestandteile treten nicht auf.
3.1.2 Produktionsvoraussetzungen Idealerweise werden solche Waren, deren Nachfrage steigt, vermehrt hergestellt. Das Angebot soll elastisch auf die Nachfrage reagieren. Das wäre möglich, wenn sämtliche Vorleistungen der gesellschaftlichen Produktion durch effizientere Nutzung der Ressourcen oder deren bloßen Mehreinsatz herstellbar wären. Dieser Mehreinsatz findet jedoch nicht nur bei herstellbaren Waren eine mindestens temporäre Schranke, sondern ist bei bereits ausgelasteten natürlichen Produktionsvoraussetzungen nicht möglich. Eine relativ zur landwirtschaftlich nutzbaren Fläche zunehmende Bevölkerungszahl muss diese intensiver nutzen bzw. zusätzliche schlechtere Böden in Betrieb nehmen, die Fläche selbst ist nicht herstellbar. Ebenso verhält es sich mit den Ressourcen Luft, Wasser, Mineralien, wobei deren Nutzung im Gebrauch oder auch der Verunreinigung liegen kann. Beides hat seine absolute physische
Allokation
41
Grenze, vor der üblicherweise eine nicht-physische, z.B. rechtliche Grenze gezogen wird. Diese Ressourcen sind natürliche Monopolgüter. Die menschliche Arbeitskraft, deren Betätigung die Umwandlung der natürlichen Produktionsvoraussetzungen in den Konsumfonds bewirken soll, ist nur bedingt als herstellbar zu begreifen. Empirisch ist das Bevölkerungswachstum eher negativ mit dem Reallohn korreliert. Eine weitere nicht-technische Produktionsvoraussetzung sind die finanziellen Mittel, mit denen die Herstellungs- und Vertriebszeit der verkäuflichen Leistung aus käuflichen Vorleistungen überbrückt werden muss. Deren Einsatz in beliebiger Höhe scheitert nicht an einer absoluten Unmöglichkeit der Bereitstellung, sondern daran, dass die damit erworbene Kaufkraft sich durch Preissteigerungen selbst aufhebt, sollte sie im Übermaß eingesetzt werden. Alle drei Kategorien von Produktionsvoraussetzungen werden formal gleich den sonstigen käuflichen Vorleistungen als Waren behandelt: Boden ist käuflich oder kann gepachtet werden; Verschmutzungen kosten Strafe; Arbeitskraft ist gegen Entlohnung einsetzbar und Geld wird gegen Zinszahlungen verliehen. In der kapitalistischen Produktionsweise sind die aufgeführten Produktionsvoraussetzungen auf verschiedene Kategorien von Eigentümern verteilt: Grundbesitzer, Arbeiter, Investor bzw. Rentier. Die Produktionsvoraussetzungen Arbeitskraft, Boden, Geld sind für sich selbst nicht produktiv und können ihrem Eigentümer kein Einkommen verschaffen. Ihr Verkauf kommt erst dadurch zustande, dass sie aus einer finanzierbaren Geschäftsidee heraus in den Produktionsprozessen einer Einzelwirtschaft integriert werden. Damit wird es über die einfache Warenproduktion hinaus möglich, neue Produktionskapazitäten zwischen bereits herstellbaren Vorleistungen und potentiellen Konsumenten zu etablieren. Die Einzelwirtschaft verkauft Produkte, keine Ressourcen. Sie ist nicht Eigentümerin von Geld, Grund, oder Arbeitskraft. Natürliche Ressourcen und Arbeitskraft werden erst in der Kombination mit den käuflichen Vorleistungen produktiv und ermöglicht ihren Eigentümern Anteile an der Wertschöpfung. So besorgt die Einzelwirtschaft die Einkommen
42
Regulative
des Arbeiters, des Grundbesitzers und des Investors bzw. Rentiers. Der Geldverleiher übernimmt nicht regelmäßig selbst die Rolle der Geschäftsführung, sondern beauftragt diese, bereitgestellte Eigenmittel zu verwerten oder als Fremdmittel zu verzinsen. Diese Leistung wird jedoch nicht zuliebe dieser Eigentümerkategorien erbracht, sondern um des Profits willen, der sich aus dem investierten Kapital ergeben soll. Ist dessen Höhe und Sicherheit nicht in ausreichendem Maße zu erwarten, unterbleiben Investition bzw. Betrieb der Kapazität. Die geringst mögliche, aber stets nominal positive Verzinsung potentiellen Kapitals ist die Leihe an Schuldner mit hoher Bonität. Kapital ist nicht Geld, aber es hat Geldform, wenn es investiert oder reinvestiert werden soll. Dann konkurriert diese Verwendungsrichtung stets mit der alternativen Verzinsung als Leihgeld. Die nicht-unternehmerischen Eigentümerkategorien müssen daher den gesamtwirtschaftlichen Ertrag insofern mit dem Unternehmerkapital teilen. Die Einzelwirtschaft soll ihre geschäftlichen Risiken mit Eigenmitteln unterlegen. Dass ein Geschäftsführer tüchtig ist, macht ihn noch nicht zum Unternehmer, ist nicht hinreichend zur Umsetzung einer Geschäftsidee. Entweder kann er selbst Eigenmittel investieren bzw. als Sicherheiten verpfänden, oder er mobilisiert neben geliehenen Fremdmitteln weitere Eigenmittel, deren Verzinsung an den Geschäftserfolg geknüpft wird. Die Arbeitskraft des Arbeiters, der Boden des Grundbesitzers mögen schlecht behandelt, schlecht bezahlt werden, beide gehen aber in der Einzelwirtschaft nicht unter. Die liquiden Mittel jedoch können überhaupt nur verzinst werden, wenn sie ausgegeben werden, d.h. tatsächlich verschwinden zum Zwecke der Wertschöpfung auf der Basis gekaufter Vorleistungen. Wer Geld verleiht ohne Eigentumsanspruch gegenüber der Betriebskapazität muss der Geschäftsführung glauben, dass sie die Hauptsumme wiederbringt und den Zins zahlen kann. Wer Geld als Eigenmittel bereitstellt, verzichtet auf Tilgung, erwartet jedoch Gewinnbeteiligung solange der Eigentumsanspruch bleibt.
Allokation
43
3.1.3 Eigenmittelverzinsung Alle Allokationsalternativen werden nach dem einzigen Kriterium der maximalen Eigenmittelverzinsung geordnet: bezogen auf den Investitionszeitpunkt des eigenen und mobilisierbaren geliehenen Geldes sollen die diesem Vorgang zurechenbaren
diskontierten
Einzahlungsüberschüsse
maximal
ausfallen.
Referenzzins ist etwa derjenige einer Leihe an einen Schuldner hoher Bonität. Bei der Profitmasse kommt es nicht nur darauf an, dass sie produziert, sondern darauf, dass sie auch realisiert wird. Die Eigenmittelverzinsung zählt als Rate im Moment der Investitionsentscheidung; mit der Existenz einer Kapazität ist nur noch das realisierbare Verzinsungsvolumen von Interesse, da die Hauptsumme als Bezugsgröße dann nicht mehr existiert. Dass bei stetig gleichgewichtigem Betrieb einer Kapazität überhaupt noch Liquidität benötigt wird, ist ausschließlich den Diskontinuitäten von Einkauf, Produktion, Verkauf und Verteilung geschuldet. Erfolgten alle Zahlungen kontinuierlich, so hätte die Transaktionskasse infinitesimal geringes Volumen. Ein vorausgegangenes Investitionsvolumen besitzt keine gegenwärtige Relevanz mehr. Diese wird erst künstlich hergestellt, durch den Zinsanspruch externer Finanziers und derjenigen, die als Investoren Eigenmittel zur Verfügung gestellt haben. Das Kriterium der Eigenmittelverzinsungsrate ist lediglich für die Phasen des Kapazitätsauf- und -abbaus relevant: die höhere Verzinsungserwartung ist das Ende der bisherigen Verwendungsrichtung der Ressourcen. Die Allokationsgüte des Kriteriums der Eigenmittelverzinsung soll daher für die Situation der Technikwahl geprüft werden. Zinsanomalien Investitionsalternativen stellen sich zunächst als Zeitreihe von Ein- und Auszahlungen dar. Sie werden als Barwerte untereinander vergleichbar gemacht. Durch das Diskontieren künftiger Zahlungen werden zugleich deren Volumina als auch deren Zahlungstermine berücksichtigt. Für die Bestimmung der Zinshöhe ist damit auch die Umschlagszeit des investierten Geldkapitals relevant; eine kurze Umschlagszeit kompensiert eine geringere Umsatzprofitrate. Von Interesse ist der
44
Regulative
Zuwachs in der Zeit. In Abhängigkeit vom benutzten Referenzzins werden frühe geringe und späte hohe Zahlungen äquivalent. Die Herkunft des benötigten Referenzzinses ist für die hier vorzunehmende Beurteilung irrelevant. Die Zahlungsreihe kann über die Zeit gleichverteilt sein, einen deutlichen Modalwert aufweisen oder extreme Termine stark besetzten. In diesen Fällen ist der Verlauf des Barwerts als Funktion des Diskontsatzes durchschnittlich, schwach oder stark gekrümmt. Im folgenden Beispiel seien zwei alternative Zahlungsreihen bei diversen Diskontsätzen bewertet: Tab. 3.1: Investitionsentscheidung mit Barwertberechnung
Periode
Barwert
Saldo 1
Saldo 2
Entscheidung
0
- 10.000,00
- 10.000,00
1
+ 103,00
+ 5.100,00
2
+ 12.000,00
+ 1.411,00
3
+ 1.393,00
+ 7.000,00
0%
+ 3.496,00
+ 3.511,00
2
3%
+ 2.685,94
+ 2.687,45
2
6%
+ 1.946,71
+ 1.944,44
1
9%
+ 1.270,30
+ 1.271,79
2
Switchpunkte des Diskontsatzes liegen nahe 3,62 % und 8,28 %. Die Entscheidung zwischen den Investitionsalternativen ist somit von der Höhe des gewählten Referenzzins abhängig. Dieser selektiert nach diesem Verfahren nicht etwa den rentabelsten Prozess bei Marginalisierung aller Investitionsvorhaben mit zu geringer Rentabilität, sondern liefert je nach Zinsniveau mehrfach wechselnde Entscheidungen. Sollen Investitionen ohne Rekurs auf einen externen Referenzzins bewertet werden, etwa mit der Methode des internen Zinsfußes als Lösung der Gleichung
Allokation
45
T
0 = ¦ St ( t
1 t ) 1+ i
,
i
interner Zinsfuß
t
Periodenindex 0..T
S Saldo Einzahlungsüberschuss so ergeben sich aus dem bemühten Polynom vom Grad T ebenfalls multiple Lösungen. Wird analog die Vorleistungsgeschichte eines Prozesses betrachtet, bei der Kostengrößen, etwa Ressourcengehalte, einem Verzinsungsanspruch genügen müssen, so zeigt sich ebenfalls als Resultat das Unvermögen, mit dem Zinsalgorithmus Beträge und Termine in gesamtwirtschaftlich rationaler Weise vergleichbar zu machen: Tab. 3.2: Periodenverteilung des Saldenvolumens
Periode
Kosten
Saldo 1
Saldo 2
Entscheidung
-3
- 500,00
- 4.500,00
-2
- 9.000,00
- 520,00
-1
- 507,00
- 5.000,00
0
- 10.007,00
+ 10.020,00
3%
- 10.616,67
- 10.618,94
1
6%
- 11.245,33
- 11.243,84
2
9%
- 11.893,04
- 11.895,44
1
Die unterschiedlichen Auszahlungsreihen seien etwa Ausdruck differierender Techniken zur Produktion der gleichen Ware, weswegen nur die Kostenseite betrachtet werden muss. Nicht als ein Kuriosum werden diese Beispiele hier aufgeführt 5, sondern weil zu
zeigen
ist,
dass
überhaupt
die
simultan
für
Allokations-
und
Distributionsaufgaben herangezogene Verwertungsrate funktional überlastet ist.
46
Regulative
Verzinsung langlebiger Produktionsmittel Im Umfeld des stetigen Kapazitätsbetriebs hat eine Anlage vom Typ 1, deren Anschaffung 100 GE kostet und die zehn Perioden funktioniert, die gleiche Bedeutung für die Liquidität wie eine gleich produktive Anlage vom Typ 2, bei der über fünf Perioden 50 GE abgeschrieben werden müssen. Der stetige Reinvestitionsbedarf beläuft sich in beiden Fällen auf 10 GE pro Anlage und Periode. Liegt die Periodenkapazität also nicht unterhalb von zehn Anlagen und ist der Altersaufbau gleichverteilt, so sind beide Anlagen äquivalent zu beurteilen. Die Situation stellt sich anders dar, wenn die Kapazität erst aufgebaut werden soll. Die Liquiditätsbelastung liegt jedenfalls am Beginn der Nutzung, die sich über verschieden lange Zeiträume erstreckt. Daraus ergeben sich differierende Verzinsungsansprüche. Das Kriterium der Eigenmittelverzinsung präferiert korrekt die zweite, kurzlebigere Anlage vor der ersten zehnperiodischen Anlage. Das Votum fiele mit höherem Zins um so deutlicher aus. Trotz technischer Äquivalenz muss daher auch der Preis der ersten Anlage nach fünf Perioden Nutzung über 50 GE, dem Preis einer neuen Anlage des zweiten Typs, liegen. Verfügen hingegen nicht beide Anlagen über die gleiche Periodenleistung, sei etwa die erste Anlage produktiver, so stünde dem ihr Zinsnachteil aufgrund längerer Amortisationsfrist entgegen. In der lediglich stetigen Betrachtung wäre sie bei gleichen Periodenkosten ihrer höheren Produktivität wegen überlegen. Man muss daher vom Zinssatz verlangen, dass er gerade den gesamtwirtschaftlichen pretialen Zuwachs reflektiert, um in dieser Entscheidung keine Fehlallokation zu bewirken 6.
3.2 Distribution Die Distributionsformeln sollen zur Selektion derjenigen Elemente des Technikvorrats und der erforderlichen Intensitätswahl führen, die den gesamtwirtschaftlichen Ressourcenverbrauch zur Erstellung des gewünschten Konsumfonds minimiert. Im Zusammenhang mit dezentraler Regulation müssen
Distribution
47
sie damit Bestandteile der Preisformel werden und insoweit auch in die Allokationsformel eingehen. Formel
Funktion
regulierte Schicht
Umsatz
Zirkulation
Monetär
Distribution an
Pretial
- Vorleistungen - Lohn
- Arbeiter
- Zins
- Finanziers
- Rente
- Grundbesitzer
= Profit
- Anteilseigner
Profit / Vorschuss
Allokation
Real
Die Inkommensurabilität von Konsumfonds und Ressourcenvorrat muss ein Drittes hervorbringen, darin der Prozessfortschritt sein abstraktes Maß findet die Wertbildung. Sie schließt synthetisch die Annäherung an den Konsum und den Verzehr des Ressourcenvorrats ein. So wie die fertige Ware gegen ihre vorgängigen Herstellungs- bzw. nachfolgenden Verbrauchsprozesse gleichgültig ist, so auch der verwertende Prozess gegen die absolute Höhe eingehender und ausgehender Warenpreise. Was sie konstituiert, verbergen sie dadurch, dass sie es ausdrücken: die Eigenschaft, Wert zu sein, also herkünftige mit hinkünftigen Prozessen zu verknüpfen, verschwindet in der gleichgültigen Darstellung als Warenpreis. Umgekehrt verhält sich die Verknüpfung der Waren im Prozess gegen diese gleichgültig, insofern dieser sich als Einzahlungsüberschuss darstellt. Die Distribution liegt nicht im Preis einer Ware, sondern im Preisüberschuss der verkäuflichen gegenüber den käuflichen Waren eines Produktionsprozesses. Die Ware wird Preis, der Prozess Einkommen.
48
Regulative
3.2.1 Einkommenskategorien Der
einzelwirtschaftliche
Ertrag
wird
an
die
beteiligten
Rollen
im
Wirtschaftsprozess als Einkommen ausgeschüttet oder in der Einzelwirtschaft als künftiger Anspruch der Investoren thesauriert. Die arbeitsteilige Ökonomie setzt voraus, dass sich dieser monetär ausdrücken lässt. Ver- und gekaufte Waren bzw. Vorleistungen müssen ihren Wert daher als Preise ausdrücken. Die funktionelle Einkommensverteilung beschreibt die Aufteilung des Nettoprodukts in monetärer Form an die sog. Produktivkräfte: Zins an das Geldkapital, Nettoprofit an das Realkapital, Grundrente an den Grundbesitz und Lohn an den Arbeiter. Demgegenüber wird in der personellen Einkommensverteilung von den Rollen der Personen im Wirtschaftsprozess abgesehen und nur die Konzentration innerhalb von Einkommensstufen betrachtet. Zins Wie der Preis eine doppelte Natur hat, Ausgabe des Konsumenten und Einnahme des Produzenten, so ist der Zins vom Schuldner zu entrichten, der Gläubiger der Hauptsumme vereinnahmt ihn. Erst dadurch, dass alle Investitionen ein anfänglich monetäres Stadium des Kapitals aufweisen, können sie sich aufeinander beziehen. Zins ist jedoch nicht der erwartete Ertrag investierten Kapitals überhaupt, sondern lediglich der Ertrag aus der Kreditsumme. Niveau und Trend des Zinses stellen sich für den Unternehmer, als dem Zinsschuldner, anders dar als für den leihenden Rentier, der den Zins einnimmt. Dieser wird bei Erwartung fallender Zinsen viel investieren, er verringert seine Liquidität, um zugleich hohe Verwertung und steigenden Kurs mitzunehmen. Rechnet er umgekehrt mit steigenden Zinsen, so erhöht er seine Liquidität und hält sein Geldangebot zurück. Ist das Zinsniveau hoch, so verteuern sich die Opportunitätskosten gegenwärtigen Konsums; das Sparvolumen ist daher höher, die Liquidität des Rentiers geringer. Damit unterliegt das Zinsniveau Selbstverstärkungseffekten: weist der Zinstrend abwärts, so geht auch die Liquidität des Verleihers zurück, sein Geldangebot ist hoch; steigt der Zins, so wird das Angebot verringert, die Geldnach-
Distribution
49
frage des Schuldners wird aus dem gleichen Grund eventuell zeitlich vorgezogen, also erhöht. Vorausgesetzt ist bei diesen Überlegungen Fremdfinanzierung der produktiven Einzelwirtschaften und Zirkulationsfähigkeit der Forderung. Bei Eigenfinanzierung der Einzelwirtschaften käme lediglich deren Verwertungsrate, die Eigenmittelverzinsung als Thesaurierung oder Ausschüttung an den Investor, in Betracht. Profit Die Geschäftsführung einer Einzelwirtschaft ist im Namen der Investoren tätig. Einzig deren Einkommenskategorie, der Profit, wird als Zielgröße der Betriebe maximiert. Sie gilt als Überschuss, alle anderen Einkommenskategorien gelten als Kosten. Die Vergütungen dieser anderen Einkommenskategorien sind als Durchschnittsgrößen der Einzelwirtschaft quasi vorgeordnet. Die Profitrate selbst wird zum Zeitpunkt der Investition maximiert und steht damit ebenfalls in einem Ausgleichsprozess. Jedoch kann nur Geldkapital, kaum aber Realkapital eine andere Betätigung mit Aussicht auf eine höhere Verwertungsrate suchen. Die Profitrate, als der zentralen Steuerungsgröße der Ökonomie, unterliegt im Längsund Querschnitt der Ökonomie tatsächlich den größten Schwankungen im Vergleich zu den übrigen Einkommenskategorien. Wer sich vorstellt, dass ein begrenztes Angebot an Kreditgeld mit einem unbegrenzten Ressourcenvorrat zusammentrifft, der folgert, dass auch noch die geringsten Möglichkeiten, Profite zu erzielen, zur Ausdehnung der Produktion genutzt werden. Gegenüber dem Zinssatz müsste die Profitrate dann gegen Null tendieren. Sie tut es jedoch nicht, weil heutigentags die finanziellen Mittel keine ultimative
Schranke
der
Produktion
sein
können
und
zudem
eine
Produktionsausweitung ad infinitum unmöglich ist. Ob die einzelwirtschaftliche Profitrate hoch oder niedrig ausfällt wird entschieden 1. nach der Fähigkeit, die geeignete Technikselektion vorzunehmen, also die gesellschaftliche Arbeit zu organisieren und
50
Regulative
2. nach der Aufteilung der Wertschöpfung. Diese bildet die Grenze für die Summe aller Einkommen, ihre Aufteilung gehorcht allerdings keinen technischen Koeffizienten, sondern der Fähigkeit, distributive Ansprüche durchzusetzen. Grundrente Die materiell benötigten Produktionsvoraussetzungen, die in begrenzter Menge vorhanden sind und nicht selbst hergestellt werden können, müssen nach einer Regel rationiert werden. Die zu landwirtschaftlichen, industriellen, kommunikativen, Wohn- und sonstigen Zwecken verwendete Grundfläche sei als Beispiel für eine derartige natürliche Ressource diskutiert. Im realwirtschaftlichen Ergebnis sind produktiven und konsumtiven Prozessen die erforderlichen Grundflächen als Mengen zuzuordnen. Der Vorgang der Zuteilung kann sich ohne Preisbildung als bloße Mengenrationierung nach z.B. außerökonomischen Kriterien vollziehen. Grundstücke könnten auch statt dessen vererbt, gekauft oder gepachtet werden. Damit ergäben sich aus der Zuordnung zumindest teilweise auch Grundstückspreise, wodurch diese Ressource mit dem Einsatz anderer Vorleistungen der Produktion kommensurabel wäre. Eine wirtschaftliche Beurteilung der Grundfläche kann in einer arbeitsteiligen warenproduzierenden Ökonomie schlecht auf Grundstückspreise verzichten. Nimmt die produktive oder unproduktive Verwendung der Grundfläche zu, so kann diese nicht in ihrer Mengendimension darauf reagieren, wie es bei herstellbaren Waren und ausreichender Reaktionszeit zu erwarten ist. Zusätzliches Nachfragevolumen müsste insoweit als Preiseffekt wirken. Für die landwirtschaftliche Verwendung etwa kann dies bedeuten, dass einerseits bislang wirtschaftlich uninteressante Flächen zusätzlich verwendet werden und andererseits auf bereits genutzten Flächen Melioration induziert wird. Ein Nachfrageschub hätte insoweit eine wünschenswerte investive Konsequenz gezeitigt. Davon zu unterscheiden ist jedoch die eben bei einem solchen natürlichen Monopol wie der Grundfläche mögliche und erforderliche Rationierung über den
Distribution
51
Preis. Dass diese nicht nur als Ausgabe für den Nutzer, sondern komplementär dazu als Einnahme bei einem Besitzer organisiert ist, bringt mit sich, dass Einnahmen im Wirtschaftsleben nicht nur für wirtschaftliche Leistungen, sondern eben auch für bloßen Besitz gezahlt werden. Diese Verwechselung von Allokation und Distribution ist einem Mangel an institutioneller Phantasie geschuldet. Arbeitslohn Der Arbeiter strebt nach Maximierung seines Lohns in Relation zu seiner Arbeitskraftveräußerung. Diese setzt sich aus Arbeitszeit und Arbeitsintensität zusammen. Die Veräußerung definiert er subjektiv und verlangt dafür einen monetär bestimmten Lohn. Ist dieser seine einzige Einkommensquelle, so muss er ausreichen, um sämtliche Reproduktionskosten seiner Arbeitskraft bezahlen zu können. Hierdurch gibt es eine Untergrenze der Lohnhöhe. Sie muss eventuell bei geringem Lohnsatz durch weitere Beschäftigung erreicht werden. Der Investor kann eine kleine oder eine große Summe investieren. Der Arbeiter kann nicht beliebig wenig konsumieren. Nicht trotz, sondern wegen einer zu geringen Lohnrate wird dann Arbeitskraft angeboten und der Reallohn damit um so niedriger gehalten. Dem Arbeiter erscheint der Lohn als sein Ertrag aus dem Arbeitsprozess. Im Investitionskalkül erscheint der Arbeitslohn als Kosten. So sehr der Arbeiter Anteil und Volumen seines Ertrags zu maximieren trachtet, ebenso sehr sollen Lohnkosten aus der in der Einzelwirtschaft maßgebenden Sicht des Investors bedingt minimiert werden. In einer Gesellschaft von Arbeitskraftbesitzern, die untereinander die gesellschaftliche Produktion vereinbaren müssen, müsste der Produzent vom Verwender seines Produkts Erstattung der aufgewandten Arbeit verlangen. Er stellt den Verwender also vor die Alternative, diese Arbeit selbst zu erbringen. Dabei
sei
von
unterschiedlicher
Geschicklichkeit
bzw.
Spezialisierung
abgesehen. Sind jedoch Kapitalbesitzer in der Lage, Arbeitskraft zu kaufen, so steht dem Hersteller als Erstattung nur das Gemisch aus bezahlten Vorleistungen (labour
52
Regulative
embodied), gekaufter Arbeitskraft (labour commanded) und dem Durchschnittsprofit zu. Mit dem kapitalistischen Marktpreis ist daher weder ein Ressourcenpreis (Arbeitskraft) , noch ein Ertragsausgleich (Arbeit) erreicht. Vielmehr sind die Marktpreise abhängig von der Zerlegung der Gesamtwirtschaft in private Einzelwirtschaften. In der Konkurrenz der Arbeiter untereinander spielen neben zusätzlichen Einkommensquellen auch die Möglichkeiten, die Reproduktion nicht-monetär zu erledigen, eine Rolle. Findet etwa die kapitalistische Expansion in den Bereich agrarischer Überbevölkerung hinein statt, so sollten sich dort kostenseitig lukrative Lohnsätze realisieren lassen. Dass die menschliche Arbeitskraft als eine Ware gehandelt wird, ist eine bloß tatsächliche Übung. Nicht schon deshalb, weil sie erfolgt, kann sie kategoriale Relevanz beanspruchen. Arbeitskraft ist eine personelle Ressource, keine Ware 7. Sie zu entlohnen und ihrem Ertrag den Profitanteil zu subtrahieren, ist die spezifisch kapitalistische Weise, sie zugleich maximal zu verwerten und ihren Einsatz nach dieser Maßgabe zu minimieren. Der Arbeiter wünscht sich eine möglichst steigende Nachfrage nach Anwendung seiner Arbeitskraft. Darin liegt ein Erhöhungspotenzial seiner Entlohnung. Genau dem entgegensetzt findet der Unternehmer in der Ersparung von Arbeitseinsatz eine profitable Belohnung, solange ihm gelingt, trotzdem das Produkt aus Absatzmenge und Verkaufspreis aufrecht zu halten. Auch wenn die Ware Arbeitskraft formal wie andere sachliche Vorleistungen gekauft wird und das Kalkül der Eigenmittelverzinsung auch diesen Kostenbestandteil minimieren muss, weist das Angebotsverhalten dieser Ware Besonderheiten auf, die damit zusammenhängen, dass eine Mehrheit der Haushalte ihre Konsumbedürfnisse nicht hinreichend aus anderen, arbeitslosen Einkommensquellen befriedigen kann. Produktionskapazitäten, Geld oder Grund müssen sich nicht verwerten, ihnen entspringt keine Bedürftigkeit mit bloßem Zeitablauf. Investitionen, Kredite und Verpachtungen werden bei ungewöhnlich schlechter Verwertungsrate zurückgestellt. Die natürliche Ressource Bodenfläche bedarf keiner Reproduktion, sie kann nicht hergestellt und nicht zerstört werden. Geld verursacht keine
Distribution
53
Herstellungskosten. Die Ressource Arbeitskraft hingegen muss nicht nur überhaupt, sondern kontinuierlich reproduziert werden. Den Arbeitern ist die intertemporale Reallokation dieser Ressource wegen niedrigen Reallohnniveaus nicht möglich. Sie sind auf Einnahmen angewiesen. Am äußeren Ende der Skala kann man sich vorstellen, dass wegen hoher Löhne die Tages- oder Lebensarbeitszeit zugunsten von Freizeit reduziert wird, bzw. die anderen Einkommenskategorien nennenswert zum Budget beitragen können. Nur in einem mittleren Bereich ist mit dem üblichen positivem Verlauf der Angebotskurve zu rechnen. Das Arbeitsangebot hat damit zwei anomale und einen regulären Abschnitt 8: Arbeitsangebot
Lohnsatz Abb. 3.2: individuelles Arbeitsangebot Wenn in der Aggregation der individuellen Arbeitsangebote zum gesamtwirtschaftlichen Arbeitsangebot die jeweiligen Switchpunkte nicht beieinander liegen, ist zu vermuten, dass das Arbeitsangebot wenig elastisch auf Variationen des Lohnsatzes reagiert. Ein erhöhtes Arbeitsangebot ist allerdings in einer Krisenphase der Ökonomie, die den Lohnsatz verfallen lässt, vergleichsweise irrelevant. Der Stellenwert einer Lohnsatzvariation als Bestandteil der Beschäftigungspolitik sollte daher nicht überschätzt werden. In der Aggregation liegt zugleich die Aufgabe beschlossen, Arbeitsangebote und Lohnsätze nach Qualifikationen zu differenzieren. Sowenig sich die Branchen stets im Gleichschritt bewegen, ebenso wenig lassen sich divergierende Qualifikationen gegeneinander austauschen, so dass dementsprechend sich selbst die
Trends
der
Lohnsätze
gegeneinander
entwickeln
können.
Der
Gesamtarbeitsmarkt ist segmentiert. Um so weniger kann ein allgemeiner
54
Regulative
Lohntrend als Remedium bei Beschäftigungsdefiziten empfohlen werden. Im Abschnitt 6.3.1. wird der Lohnsatz im Kontext des krisenhaften Einbruchs der Arbeitsnachfrage diskutiert.
3.2.2 Modellökonomie Die Integration der Distribution in die Allokationsfunktion soll anhand einer Modellökonomie mit zwei Einproduktsektoren illustriert werden. Diese produzieren mit der einzigen Ressource Arbeitskraft. Ware 1 eigne sich sowohl für den Endkonsum, als auch als Vorleistung im eigenen Sektor 1, sowie als Vorleistung im Sektor 2, der die Ware 2 als Vorleistung für den eigenen Sektor und für Sektor 1 bereitstellt. Die Transformation der Ressource Arbeitskraft, sowie der beiden Waren 1 und 2 in die beiden Produkte Ware 1 und Ware 2 erfolgt in einer limitationalen Technologie, deren Koeffizienten mit aij bezeichnet werden, wobei i den erzeugenden und j den verwendenden Sektor anzeige. Der Index 0 sei der Ressource Arbeitskraft vorbehalten. Wenn die gesamte Produktionsmenge eines Sektors nach einer Periode mit q1 bzw. q2 bezeichnet werde, so ergibt sich als Mengengleichgewicht im stationären Zustand q2 = a22 q2 + a21 q1
(3.1 )
Ware 2 kann zweckmäßigerweise nicht mehr als für den produktiven Verbrauch in beiden Sektoren hergestellt werden. Für das Konsumgut 1 gilt eine solche Restriktion nicht. Sein Ausstoß drücke unmittelbar das Niveau der Ökonomie aus, Verbrauchspräferenzen spielen bei lediglich einer Konsumware keine Rolle. Die Effizienz der Ökonomie drücke sich nicht in der Minimierung des Ressourceneinsatzes bei verlangtem Konsumfonds, sondern in der Maximierung desselben bei gegebenem Ressourcenvorrat a0 aus: a0 = a01 q1 + a02 q2
(3.2 )
Distribution
55
Zwischen dem Arbeitseinsatz und dem Minimalkonsum bestehe ein fest definiertes Verhältnis im Sinne einer fixierten naturalen Entlohnung. Von der Größe des Konsumfonds wird daher erwartet, dass er das Niveau der vorhandenen Arbeitskraft erreicht, über den produktiven Bedarf beider Sektoren an Ware 1 hinaus: q1 ≥ a0 + a11 q1 + a12 q2
(3.3 )
Mit dem Auftreten neuer Elemente des Technikvorrats soll entschieden werden, ob die bisher gewählte Technik zugunsten der neu erworbenen aufgegeben wird oder nicht. Kriterium dafür ist der Zuwachs des Konsumfonds. Der Betrag dieser Zielgröße berechnet sich zu zK = q1 ( 1 - a11 ) - a12 q2.
(3.4 )
Das Modell besteht somit neben dem Niveauparameter a0 aus sechs Koeffizienten, 0 < a11, a22 < 1 0 < a01, a02, a12, a21, mit denen sich auch die Mengen q1 und q2 ausdrücken lassen. Für zK ergibt sich zK = (a0 (( 1 - a11 )( 1 - a22 ) - a12 a21 )) / ( a02 a21 + a01 ( 1 - a22 )) Relativiert
auf
den
Niveauparameter
Distributionsformel der Subsistenzwirtschaft ZK (1 − a11 )(1 − a22 ) − a12 a21 = aO a02 a21 + a01 (1 − a22 )
a0
ergibt
sich
als
primitive
56
Regulative
Damit ist gerade keine Allokationssteuerung möglich. Die Aufgabe lautet vielmehr: welche Distributionsformel erledigt die Allokationssteuerung in der Weise, dass nicht der Ressourcenverzehr überhaupt, sondern dessen effizienter Einsatz vergütet wird ? Damit ist unterstellt, dass beide Aufgaben in einer Formel erledigt werden ! Die Distribution soll das wirtschaftliche Engagement motivieren, zugleich soll dabei die Allokation sowohl ermöglicht, als auch effizient organisiert werden. Die Arbeitsteilung der Einzelwirtschaften verlangt einen Ausdruck des einzelwirtschaftlichen Beitrags zum gesamtwirtschaftlichen Konsumfonds, unabhängig von der ausgestoßenen besonderen Warenqualität. Kommensurabilität finden die differierenden Gebrauchswerte der Waren im Medium der Geldpreise; die Effizienz ihrer Herstellungsprozesse muss sich als Verwertungsrate Einnahmeüberschuss / Ressourcenverzehr darstellen. Welche Chance besteht, dass die derart allokierenden Einzelwirtschaften das gesamtwirtschaftliche Konsummaximum realisieren ? Solange beide Sektoren unter einheitlicher Leitung stehen, kann ein etwaiges neues Produktionsoptimum ohne den Umweg einer Preisbildung bestimmt werden. Die Veränderung der genannten Zielgröße sei für die späteren Betrachtungen alternativer Preisformeln Kriterium für Annahme oder Ablehnung des Übergangs zu einer neu erworbenen Technik.
3.2.3 Insuffizienz von Preisformeln Zum Investitionszeitpunkt, wenn über die Verwendungsrichtung von Geldkapital entschieden wird, wird eine maximale Verwertungsrate gesucht. Diese hängt allerdings von den Absatz- und Beschaffungspreisen ab. Solange unterschiedliche Marktmacht ausgeschlossen ist, werden sich Investoren gleiche Verwertungsraten zugestehen. Dann kann aus dem Ausgleich der Verwertungsraten auch auf die maßgebliche
Preisformel
geschlossen
werden.
Von
einer
idealen
Allokationsformel ist die notwendige Bedingung zu erfüllen, dass der Gradient ihrer Distributionsgröße kollinear zum Gradienten des Konsummaximums an allen Stellen des Koeffizientenraums, also des Technikvorrats, verläuft. Andernfalls ließe sich leicht ein Beispiel für zwei Koeffizientenkonstellationen finden, zwischen denen im betreffenden Sektor eine suboptimale Entscheidung
Distribution
57
getroffen wird. Die partiellen Ableitungen der Konsumfunktion behalten alle sechs Koeffizienten; davon sind je drei für einen Sektor direkt relevant, die übrigen drei müssen in die gemeinsame Preisformel eingehen. Diese hat den Zusammenhang der einzelwirtschaftlichen Entscheidung zur Gesamtwirtschaft zu vermitteln. Sei Ware 1 das numéraire, so dass p das Preisverhältnis Ware 2 zu einer Einheit Ware 1 ausdrücke, dann ergibt sich beschränkt auf Sektor 1 aus obiger Bestimmung für zK/a0 als alternativer Zielgröße zH1der Term 1 - a11 - p a21 zH1 = ⎯⎯⎯⎯⎯⎯ p a21 + a01 Hier wird die Wertschöpfung bezogen auf die Summe aus Arbeitskrafteinsatz und Vorleistungen, welche Formel etwa zum Gesellschaftsmodell der selbständigen Handwerker ohne Lohnarbeiter passt. Nach der gleichen Logik werde für Sektor 2 der Term für die Zielgröße bvp ( 1 - a22 ) - a12 zH2 = ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ a12 + a02 entwickelt, woraus sich eine Preisformel ergibt als pH :=
√ 4a21(1 – a22)((1 – a11)(a02 + a12) + a01 + a12) + (a01(1 – a22) + a02a21)2 -a01(1-a22) – a02a21 2a21(1 – a22) (3.5) Die Allokationskompetenz dieser Preisformel soll gegen die Allokation nach dem Kriterium des Konsummaximums geprüft werden. In komparativ-stetiger Analyse
58
Regulative
werden Bewegungen im effizienten Teil des Koeffizientenraums simuliert: bei dem Niveauparameter a0 := 20 und den variablen Koeffizienten 0,1 ≤ a01, a02, a12, a21 ≤ 3,0 0,1 ≤ a11, a22 ≤ 0,5 . Die Schrittweite zur Generierung untersuchter Punkte beträgt 0,2. Von einem solchen Punkt aus wird je eine Umgebung geprüft, die durch Variation der sechs variablen Koeffizienten um ± 0,02 entsteht. Dazu werden für Sektor 1 die drei Koeffizienten a01, a11 und a21 variiert und a02, a22, a12 konstant gehalten, sowie vice versa für Sektor 2. Bei den drei zu variierenden Koeffizienten müssen unterschiedliche Vorzeichen verwendet werden, so dass für jeden Sektor sechs Fälle entstehen. Nur effiziente Punkte werden gegeneinander verglichen. In der Simulation entstehen 33.741 Punkte, von denen aus 39.463 Vergleiche im effizienten Bereich durchgeführt werden können. Davon zeigen 25.653 Bewegungen beider Zielgrößen zK und zH in die gleiche Richtung, sowie 13.810 in entgegengesetzte Richtungen. Zu 34,99 % verfehlt also die Allokation nach dieser Preisformel den Zuwachs des Konsumfonds zu realisieren, bzw. ein Sinken durch falsche Technikwahl zu vermeiden ! Das Gemisch aus Arbeitskrafteinsatz und Vorleistungen im Nenner der Zielgröße wird aufgelöst zugunsten einer Kostensumme aus sachlichen Vorleistungen und Löhnen, auf die Erlöse bezogen werden. Weder Vorleistungen, noch
Arbeitskraft
gehören
dem
Unternehmer.
Er
organisiert
den
Produktionsprozess mit dem Kapital des Investors. Dies setzt die Möglichkeit voraus, Arbeitskraft als Ware einkaufen zu können. Damit bildet sich die kapitalistische Zielgröße der Sektoren als
pC (1 − a22 ) 1 − a11 = a02 + a12 a01 + pC a21
(3.6)
Distribution
59
heraus, womit sich der Preis bestimmt zu
pC =
1 − a11 1 2 ( 4a21 (a02 + a12 ) + a01 − a01 ) 2a21 1 − a22
(3.7)
Die Simulation gegen die Allokation nach der Formel für das Konsummaximum ergibt eine Übereinstimmung zu 67,31 %; eine geringe Verbesserung gegenüber der Handwerkerökonomie. Ein Beispiel für fehlerhafte Technikwahl mit Profitpreisen zeigt sich bei folgendem Technologievorrat: Koeffizienten
Situation 1
Situation 2
a01
0.50
0.59
a02
0.10
0.10
a11
0.10
0.01
a22
0.30
0.30
a12
0.10
0.10
a21
0.50
0.41
pc
0.3742343589
0.3793932919
Profittate
1.30982
1.33165
Konsummenge
1.45000
1.43612
Die Koeffizienten für Sektor 1 variieren. Dieser entscheidet sich anhand der aus dem gleichgewichtigen Relativpreis sich ergebenden Profitrate für die Situation 2. Die Zielgröße Konsummaximum verschlechtert sich jedoch dabei. Der Mangel dieser dezentralen Allokation besteht darin, dass Ressourcenverbrauch und Distribution in einer Formel zusammengefasst werden sollen. Problematisch sind zumal diejenigen Divisoren, die in den Vorleistungen Ressourcenverbrauch und Einkommen und als Prozessaufwand nur den Ressourcenverbrauch summieren,
60
Regulative
wie es bei den kapitalistischen und Handwerkerpreisen geschieht. Die Preisbildung
ist
damit
von
der
einzelwirtschaftlichen
Zerlegung
der
Gesamtwirtschaft abhängig. Kompaktheit Ausgehend vom Referenzmodell aus Kapitel 2 lassen sich Matrizenpaare finden, die sich mit gleichgewichtigem Intensitätsvektor betreiben lassen. Ein solcher liegt vor, wenn alle seine Elemente nichtnegativ sind und sicherstellen, dass der Input einer Periode aj dem Output der Vorperiode bj bei allen Waren j entspricht. Der Freiheitsgrad wird durch Setzung einer der drei Intensitäten verbraucht. Bsp. 1
A: 5 5 25
5 15 25
30 20 15
B: 25 25 10
25 15 20
20 15 20
Bsp. 2
A: 5 5 10
5 5 10
10 5 20
B: 15 10 5
5 15 5
20 20 10
Beide Technologievorräte lassen sich übereinstimmend mit den Intensitäten x = ( 1, 2, 4 ) betreiben. Ferner soll ein monetäres Gleichgewicht als Budgetrestriktion in allen Prozessen i bi y – ai y = 0 Ù
bi y / ai y = 1
(3.8)
durch geeignete Wahl eines Preisvektors y gewährleistet werden. Diese Bedingung erfüllt ebenso sehr das Kriterium des Profitratenausgleichs mit einer Profitrate in Höhe von Null. Auch hier wird der bestehende Freiheitsgrad durch Setzung einer der drei Preise aufgehoben. Die Budgetrestriktion wird für das erste Beispiel mit den Preisen y = ( 1, 1, 4 ) erfüllt, dagegen findet sich für das zweite Beispiel kein positiver Preisvektor. Die Budgetrestriktion ließe sich nur durch negative, also unzulässige Preise y = ( 1, 1, -1 ) befriedigen.
Internationale Beziehungen
61
Daher stellt sich die Frage, welches Maß an Überdeckung der möglichen Realökonomien durch die monetäre Ökonomie möglich ist. In einer Simulation werden Matrizen der Dimension 3 × 3 generiert. Startwert aller Input- und Outputkoeffizienten sei 5, die Schrittweite betrage 5 und die Obergrenze liege bei 25. Die Anzahl möglicher Realökonomien wird dadurch erhöht, dass einer der 18 Koeffizienten geeignet zu den übrigen generierten 17 berechnet wird. Es darf angenommen werden, dass die Generierung äquivalenter Ökonomien keine systematische Verzerrung hinsichtlich der Existenz der aufzusuchenden positiven Preisvektoren y bedeutet. Die Simulation innerhalb der spezifizierten Koeffizientengrenzen zeigt mit 29862234 möglichen Realökonomien nicht einmal 7 Prozent Überdeckung mit positiven Preisvektoren.
3.3 Internationale Beziehungen 3.3.1 Außenhandel Die Vorleistungsverflechtungen, die Produzenten und Konsumenten miteinander verknüpfen, streben über die ganze Welt. Selbst da, wo in tatsächlicher Hinsicht keine Verbindung besteht, sind Qualitäten, Kapazitäten und Tauschraten entscheidungsrelevante Parameter für potentielle Lieferbeziehungen. Lokale Produktion für lokalen Verbrauch kann als Indiz für geringe Arbeitsteilung gelten. Arbeitsteilung ist kein Selbstzweck; sie rechtfertigt sich durch die Möglichkeit eines größeren Konsumfonds. Das größte Ausmaß an Arbeitsteilung wäre
damit
erreicht,
dass
keine
zwei
Produzenten
den
gleichen
Produktionsprozess betreiben oder das gleiche Produkt erzeugen. Das ist bei erst wenigen, in der Anzahl aber zunehmenden, Produktionsprozessen der Fall, womit diese Produzenten ein technisches Monopol halten. Würde die Produktivität jeglicher Kapazität am Weltmaßstab gemessen, erschienen die meisten Kapazitäten nicht mehr betriebswürdig. Sie werden jedoch nicht nur deshalb aufrechterhalten, weil die weltweit produktivste
62
Regulative
Kapazität beispielsweise nicht den weltweiten Bedarf befriedigen könnte. Vielmehr ist die Annahme aus Abschnitt 2.1.3, dass gleiche Waren in zwei Wirtschaftsräumen verbraucht werden, deren technologische Niveaus differieren, zu relativieren: in einer auf sich gestellten, also autarken Gesamtwirtschaft müssen alle verbrauchten Vorleistungen auch produziert werden können; die Nachfrage ergibt sich auch in qualitativer technologischer Hinsicht aus der Produktion.
Konsum
plus
Wachstumsrate
im
Verhältnis
zum
Ressourcenverbrauch machen das technologische Niveau aus und bestimmen den Umkreis der tatsächlich erzeugten und verbrauchten Waren. Tauschraten, Relativpreise und Ressourcengehalte zweier Waren ließen sich nur international vergleichen, wenn sie je national existieren. Die bisherige Betrachtung muss daher Gesamtwirtschaften von vergleichbarem technologischen Niveau unterstellen oder sich auf Erzeugnisse der Agrikultur bzw. der Extraktionsindustrien beziehen, bei denen qualitative technologische Niveaudifferenzen kaum eine Rolle spielen. Am anderen Ende der Prozessketten, bei den Konsumwaren, finden sich solche, die vergleichsweise unabhängig vom Niveau des technischen Umfelds verbraucht werden können: das Auto fährt auch auf dem Feldweg, Phonogeräte werden in Ermangelung eines Stromnetzes mit ( importierten ) Batterien betrieben. Das technologische Niveau zeigt sich typischerweise in den Mittelgliedern der Prozessketten, bei den Ausrüstungen (fixes Kapital) und den Halbfabrikaten (zirkulierendes Kapital). Auf diesen Verarbeitungsstufen werden bei hinreichendem technologischen Niveaugefälle wenig Waren der einen Gesamtwirtschaft in die andere passen und umgekehrt. Wenn jedoch die Teile einer Binnenwirtschaft wenig untereinander vorleistungsverflochten sind, die produktive Nachfrage vielmehr extern besteht, sind in ihr heterogene Technologieniveaus denkbar. Von Außenhandel wird gesprochen, wenn der Leistungstransfer zwischen Einzelwirtschaften mindestens zwei verschiedene Währungen betrifft. Damit haben die am Außenhandel Beteiligten mit zwei Preisen einer Ware zu tun: dem des Exporteurs und dem des Importeurs. Ware wird nicht nur gegen Geld
Internationale Beziehungen
63
getauscht, sondern dieses wird gegen anderes Geld getauscht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Warenverkehr das Gebiet einer Währungshoheit verlässt bzw. betritt oder nicht. Wie in der binnenwirtschaftlichen Betrachtung ist die Gültigkeit von Geld an den Gebrauch wirtschaftender Menschen geknüpft, nicht daran, dass auf der Münze des Kaisers Wappen prangt, der eine bestimmte Region als die seinige ansieht. Die Währung des Exporteurs wird gekauft, diejenige des Importeurs verkauft. Exporte stärken den Außenwert einer Währung, Importe drücken ihren Kurs. Wie auch in der binnenwirtschaftlichen Bestimmung kann Geld nur wieder ausgegeben werden, fremdes Geld etwa zu Importzwecken. Eine andere Bedeutung kann der hohe Außenwert einer Währung nicht annehmen. Indem neben den Preis der gehandelten Ware noch der Relativpreis der beteiligten Währungen tritt, sind Exporteure und Importeure einer Währung über den Wechselkurs miteinander verbunden. Die unter 2.1.3 vorgestellten Überlegungen betrachteten komparativ-statisch zwei Wirtschaftsräume einmal mit, einmal ohne Spezialisierung. Nunmehr stellt sich die Frage, wie die Spezialisierung im Fall einer Währungsgrenze zwischen beiden Wirtschaftsräumen reguliert wird und ihre Vorteile an die beteiligten Seiten verteilt werden. Für etwaige Preisrelationen wird in einem ersten Ansatz auf das Verhältnis der Ressourcengehalte Skalenerträgen
rekurriert.
indizierten
Bei konstanten oder differierende
sogar
Substitutionsraten
zunehmenden vollständige
Spezialisierung. Sind lediglich zwei Waren 1, 2 involviert, so müssten diese nicht nur zum Substitutionsverhältnis gemäß gemeinsamer Ressourcenverwaltung getauscht werden, sondern zusätzlich müssten sich Import- und Exportvolumen entsprechen. Ein kapazitativ gegenüber dem Handelspartner zu kleiner Wirtschaftsraum, der diesem die vollständige Spezialisierung verunmöglicht, verhindert damit auch das ermittelte Optimum im Rahmen der auf eine Ressourceneinheit bezogenen Betrachtung. Die Substitutionsrate wird dann stärker vom größeren Wirtschaftsraum bestimmt. Ist dieser der produktivere von beiden, so müsste sich der Relativpreis derjenigen Ware, die im unproduktiveren Wirtschaftsraum hergestellt werden soll, gegenüber
der
Situation mit
64
Regulative
vollständiger Spezialisierung wieder verteuern. In Abb. 2.1., Seite 11, verschiebt sich bei der Verbrauchsproportion γ die Substitutionsrate von B2/A1 in Richtung A2/A1, der Produktionspunkt verbessert sich von d’ in Richtung c’. Ist der produktivere Wirtschaftsraum zu klein, so müsste sich die im unproduktiveren Wirtschaftsraum angebotene Ware ebenfalls verteuern, Ware 1 könnte mit einer Produktivität oberhalb B1, aber auch unterhalb A1 hergestellt werden. Ware 1 ist in A mit 2,5 Einheiten pro 1 Einheit Ware 2 billiger als in B mit 2 Einheiten pro Ware 2. B möchte daher Ware 1 in A kaufen, jedoch kann es Ware 2 in A nicht teurer anbieten als zu dessen Binnenpreis 40/100 = 0,4. In B hat Ware 2 den Preis 25/50 = 0,5. Die Substitutionsrate mit Spezialisierung ergäbe sogar den Preis 100/25 = 4, ein Betrag, der nicht im Intervall beider Binnenpreise liegt. A wird zu diesen Terms of Trade keinen Handel treiben wollen. Seine eigene Ware 1 wird darum so sehr viel billiger, weil Ware 2 ausschließlich von den unproduktiveren Kapazitäten in B erstellt wird. Für den Exporteur A1 sind nur Preise unter 2,5 möglich, der Exporteur B2 möchte mehr als 2 Einheiten der Ware 1 gegen Ware 2 erlösen. Der unspezialisierte binnenwirtschaftliche Preiskorridor wird nicht verlassen. Wenn unproduktivere B-Ressourcen den unspezialisierten A-Einsatz substituieren, kann der Preis nicht mehr Ressourceneinheiten reflektieren. Dass der Ressourcengehalt Maßstab des Preises sein soll, ist ein Anspruch, der innerhalb einer Binnenwirtschaft gilt, insoweit diese vom Ressourceneinsatz über die angewandten Technologien zum Konsum eine Ganzheit bilden. Innerhalb dieser sind Preise und Wertschöpfung bestimmbar. Stehen mehrere Gesamtwirtschaften in wechselseitiger Lieferverflechtung, so fehlt zunächst der binnenwirtschaftlich benutzbare Maßstab für Terms of Trade. Er ist in dem trivialen Fall entbehrlich, in dem Import- und Exportwaren in mindestens zwei Gesamtwirtschaften dem technologischen Stand nach benutzt werden und ihre je binnenwirtschaftliche Tauschrate differiert, so dass für beide Ökonomien Vorteile aus partieller oder totaler Spezialisierung resultieren können. Dabei ist die Zweckmäßigkeit der beteiligten Waren binnenwirtschaftlich begründet. Man vergleicht zwei Gleichgewichtssituationen mit und ohne Außenhandel.
Internationale Beziehungen
65
Anders stellte sich die Frage, wenn Außenhandel überhaupt erst auf der Grundlage von Außenhandel begründet werden soll; d.h. eine Ökonomie exportiert um importieren zu können, importiert um exportieren zu können. Der Gebrauchswertzusammenhang bestimmte sich über mehrere Ökonomien. Die Tauschraten sollten sich dann ebenfalls über die Ressourcen und Technologien dieser Ökonomien insgesamt bestimmen, binnenwirtschaftliche Ressourcengehalte oder Tauschraten können keine Grundlage für Terms of Trade sein. Werden zwischen Gesamtwirtschaften Vorleistungen gehandelt, so kommt als neues Bezugssystem die Weltwirtschaft in Betracht. Die Einzelwirtschaft wird nach ihrem Vermögen, Wert zu schaffen, beurteilt; diese Größe kann sich nur aus den Beschaffungs- und Absatzpreisen ihrer Produktionsprozesse ergeben, die aus Verteilungsparametern und dem gesamtwirtschaftlichen Gebrauchswertzusammenhang bestimmbar sind. Jede Einzelwirtschaft bezahlt als eine ihrer Produktionsvoraussetzungen Arbeitskraft; die Wertschöpfung jeder Einzelwirtschaft wird zum Teil in Konsumausgaben verwandelt. Bei außenwirtschaftlichen Beziehungen ist nicht zwingend, dass sich unter den Import- oder Exportwaren Ressourcen- oder Konsumwaren befinden. Der zum Tragen kommende Markt ist dann kein Weltmarkt, sondern hat z.B. lediglich bilaterale Existenz. Die außenwirtschaftlich handelnden Einzel- oder Gesamtwirtschaften operieren auch in Binnenwirtschaften mit mehr oder weniger differierenden Ressourcenverwaltungen oder Technologieniveaus. Eine Ware billiger zu importieren als binnenwirtschaftlich zu kaufen, oder teurer zu exportieren als binnenwirtschaftlich zu verkaufen, sagt nicht notwendig etwas über die Vorteilhaftigkeit der Produktion beim Exporteur oder die Verbrauchsintensität des Importeurs aus, sondern kann auch lediglich Differenzen bei den Rechtsauffassungen zum Ressourcenverzehr oder dem technologischen Niveau geschuldete Bewertungsdifferenzen gegenüber bestimmten Waren reflektieren: wer Boden- und Gewässerschutz nicht kennt, exportiert preiswert die Dienstleistung „Müllentsorgung“; wer Petrochemie weder betreibt, noch ihre Produkte benutzt, kann billig Erdöl exportieren.
66
Regulative
Die Einzelwirtschaft muss einen Platz in der Kette der Leistungsprozesse in einer Binnenwirtschaft finden; die Außenwirtschaft begründet sich beschaffungs-, absatz- oder sogar beidseitig aus Prozessketten außerhalb der Binnenwirtschaft. A fortiori ist daher zu bestreiten, dass außenwirtschaftlich sich bildende Preise Ressourcenverzehr reflektieren. Die Außenwirtschaft ist nicht wie die Einzelwirtschaft über gemeinsame Ressourcenzugriffe und Belieferung eines Endkonsummarktes mit anderen Einzelwirtschaften in Resonanz, sondern sie ist mit den übrigen Exporteuren in den gleichen Fremdwährungsbereich und den übrigen Importeuren aus diesem Bereich über die Devisenbilanz verknüpft. Die binnenwirtschaftliche Geldverwaltung affiziert nicht die Relativpreise; in der Außenwirtschaft tauscht sich nicht nur Ware gegen Geld, sondern Währung gegen Währung. Welches ist dabei das tertium comparationis ? Man kann die Fläche von Bodenverbrauch und die Zeit des Arbeitseinsatzes messen. Wenig ist damit über den Ressourcenverbrauch gesagt, gar nichts über die mögliche Wertschätzung durch einen Konsumenten der entstehenden Leistung. Das aller Selbstverständlichste scheint die Regel: ein Markt kennt nur einen Preis für eine Ware. Hält man die Ressourcen wie die Resultate wirtschaftlicher Aktivität für Waren, so sollten sie an einem Ort, zu einer Zeit, bei gleicher Qualität den gleichen Preis kosten. Jedoch zeigen sich Qualitäten der Ressourcen nicht im Einsatz, sondern erst in der besonderen Verwendung zusammen mit sonstigen Vorleistungen im Prozess der Leistungserstellung. Daraus folgt jedoch nicht umgekehrt, dass sie erst eingesetzt als qualitativ homogen anzusehen sind. Vielmehr ist die Form, unter welcher der Ressourceneinsatz quasi als Warenmarkt organisiert ist, antizipierte Verteilung der Wertschöpfung im vorgesehenen Prozess der Leistungserstellung. Bei allen Konzessionen an den Jargon stehen doch Ressourcen außerhalb des Warenbegriffs. Die Heterogenität der Kalkulation ist im Preis der Waren ausgelöscht: hohe Produktivität, geringe Wertschöpfung, Ressourcenvergeudung oder manipulierte Wechselkurse können die Warenströme zwischen Währungsgebieten induzieren.
Internationale Beziehungen
67
Entscheider der außenwirtschaftlichen Aktivität ist die exportierende oder importierende Einzelwirtschaft; zu evaluieren ist der Vorteil an Konsumpotenzial für die beteiligten Gesamtwirtschaften. Unterschiede der spezifisch außenwirtschaftlichen Situation gegenüber den Bestimmungsgründen binnenwirtschaftlicher Preisfindung sind: • fehlender oder verzögerter Ausgleich bei den Ressourcenvergütungen • globale Differenzen im Technologieniveau • zwei oder mehrere Geldverwaltungen, pro Währungsgebiet ist eine Leistungsbilanz auszugleichen. Unter den folgenden Annahmen sei ein Modell konstruiert: • alle Lieferbeziehungen zwischen den Währungsgebieten erfolgen zwischen Einzelwirtschaften und sind damit zahlbar • zwei Länder i, j seien betrachtet • die Exportware
X ist von der Importware I unterschieden
• die Binnenpreise seien Bi, Bj ,die dementsprechenden Fremdwährungspreise seien Fi und Fj • die Zahlung der Exportware erfolge in Fremdwährung • die Zahlung der Importware erfolge in Binnenwährung • der Handelsvorteil werde in der Binnenwährung gemessen, in der auch die Leistungsbilanz erstellt wird. Das Devisenangebot speist sich demnach aus den Exporten, die Nachfrage aus den Importen. Der Handelsvorteil bestimmt sich als
¦ X
X i ( Fi d − Bi ) +
¦
I j ( B j − Fjd ) > 0
I
Die Importe werden mit Exporten bezahlt:
68
Regulative
¦
X i Fi d =
X
¦
I j Fjd
,
I
wobei die Devisenkurse d erst bei mehr als einer beteiligten Fremdwährung für Gleichnamigkeit sorgen müssen. Formal als binnenwirtschaftlicher Prozess modelliert, gelten die Exportwaren als monetäre Voraussetzung für die Importe auf der Ergebnisseite. Dabei ist der bewertete Output dem bewerteten Input gleichzusetzen, was im binnenwirtschaftlichen Zusammenhang, also bei nur einer Währung, keinen Sinn machte, da Einkommen nur aus einer Differenz zwischen Umsatz und Kosten generiert werden können. Eine solche Spreizung beider Beträge ergäbe sich daraus, dass der binnenwirtschaftlich bewertete Export einen geringeren Betrag aufwiese als der ebenfalls binnenwirtschaftlich bewertete Import, denn der Handelsgewinn speist sich aus den beiden Komponenten in Relation zu deren Binnenpreisen billiger Importe und teurer Exporte. Um einen Vergleich mit der binnenwirtschaftlichen Grenzrate der Verwertung herzustellen, wäre als Pendant eine Verwertungsrate des Prozesses „Außenwirtschaft“ derart zu konstruieren, dass die in Binnenpreisen bewerteten Importe auf die ebenfalls in Binnenpreisen
bewerteten
Exporte
bezogen
werden.
Wird
dabei
die
binnenwirtschaftliche Verwertungsrate unterschritten, so sind die in den Exportwaren aufgebrauchten Vorleistungen im Außenhandel suboptimal allokiert. Insofern jedoch Importwaren und Exportwaren sich nicht in tatsächlichen Produktionsprozessen aufeinander beziehen müssen, ließe sich von diesem Urteil aus noch nicht auf die Vorteilhaftigkeit einzelner Exporte oder Importe schließen. Unterstellen wir gegebene Technikwahl und konstantes Konsumniveau, sowie die Möglichkeit, bei der Spezialisierung die durch Importe freigesetzten Ressourcen gerade in der Mehrproduktion der Spezialisierungs- bzw. Exportware einzusetzen, so sind die Mengen bereits bestimmt: sie bleiben denen ohne Spezialisierung bzw. Außenhandel gleich. Realwirtschaftlich stellte sich der Handelsgewinn als Freisetzung von Ressourcen bei Konstanz des Endkonsums dar, monetärwirtschaftlich liegt der Handelspreis der Exportware über, welcher
Internationale Beziehungen
69
der Importware unter dem Binnenpreisniveau. Der Preiskorridor ergibt sich aus den beiden Preisverhältnissen ohne Spezialisierung bzw. Außenhandel. Die Bedingung, dass beide Länder bei vollständiger Spezialisierung ein bestimmtes Größenverhältnis zueinander haben müssen, wird als erfüllt unterstellt. Die innerhalb des Preiskorridors vereinbarten Terms of Trade müssen zusammen mit dem Devisenkurs den Leistungsbilanzausgleich herstellen. Devisenkurs £/$ £ 20,-
2,-
1,20 1,-
£ 20,-
$ 20 $ Importpreisindex
10 $
$ Exportpreisindex
Abb. 3.3: Leistungsbilanzausgleich
Ein steigender Devisenkurs - Binnenwährung zu Fremdwährung - erhöhte bei gleichen Mengen das Handelsvolumen; für die Exportwaren erhöhten sich die Erlöse, für die Konsumenten der Importwaren erhöhten sich die Kosten. Der steigende Devisenkurs darf nicht den Binnenpreis der Importware übersteigen, der oberen Grenze des Preiskorridors. Ein sinkender Kurs droht den Preiskorridor der Exportware zu unterschreiten. Für den Preiskorridor des Handelspartners gilt das umgekehrte.
70
Regulative
Die Hyperbeläste bedeuten je Preis-Kurs-Kombinationen gleichen Handelsvolumens. Sie sind über die Bedingung des Leistungsbilanzausgleichs aufeinander bezogen. Fett abgetragen sind die Preisuntergrenze in Fremdwährungseinheiten der Importware, wie sie für das Fremdwährungsgebiet gilt, sowie dessen
Preisobergrenze
für
die
Exportware
als
Importware
im
Fremdwährungsgebiet. Bei vorgegebenen Mengen bedeutet die eingezeichnete Preis-Kurs-Kombination als Hyperbel stets denselben Binnenpreis. In der Fläche unterhalb der Hyperbel der Importe bis zur deren Preisuntergrenze sind Importe möglich, die die Preisgrenzen der Binnenwirtschaft und des Handelspartners berücksichtigen. Entsprechend sind in der Fläche oberhalb der Hyperbel der Exporte bis zur Preisobergrenze der Exportware im Fremdwährungsgebiet deren Preisgrenzen für beide Handelspartner beachtet. Oberhalb des Devisenkurses von £ 2,- endet der Import, unterhalb von £ 1,20 endet der Export. Devisenkurs und Preise stellen jedoch nicht nur den Ausgleich der Leistungsbilanz her, sondern auch den der Verwertungsraten der Importwaren nutzenden oder Exportwaren verkaufenden Prozesse. Erst damit sind der Kurs und die Terms of Trade gleichgewichtig bestimmbar. Die zwei Freiheitsgrade des Modells, Devisenkurs und Preisniveau, werden für die beiden Bedingungen Gleichgewicht der Leistungsbilanz und Ausgleich der Verwertungsraten verbraucht. Die beiden die Grenzen des Preiskorridors bildenden Hyperbeläste haben in der Situation ohne Außenhandel einen Binnenpreis repräsentiert, der allen Prozessen die gleiche Verwertungsrate gestattet. Von diesen aus wird bei Spezialisierung für die Importware näher zum Koordinatenursprung, für die Exportware weiter davon weg gegangen. Das gesamtwirtschaftliche Nettoprodukt hat sich damit erhöht und muss auf alle Prozesse umverteilt werden. Alle Binnenpreise sind durch die Außenhandelssituation geändert. Gleichheit der Verwertungsraten stellt sich deshalb her, weil die Interessen der Importeure bei ursprungsnahen Hyperbelästen, also geringen Importpreisen und starkem Außenwert der Binnenwährung, befriedigt werden; die Interessen der Exporteure umgekehrt bei ursprungsfernen Hyperbelästen mit hohen Exportpreisen und
Internationale Beziehungen
schwachem
71
Außenwert
Außenhandelsvolumen,
erfüllt
letztere
sind.
erhöhen
Erstere es.
Mit
verringern dem
Ausgleich
das der
Leistungsbilanz müssen Importwert und Exportwert jedoch gleich sein. Man rechnet sich bei sinkendem Außenwert der eigenen Währung verbesserte Exportmöglichkeiten aus, damit erhöhte Beschäftigung und Auslastung. Das Argument setzt eine preiselastische Mengenreaktion voraus. Der Wechselkurs einer Währung im Hinblick auf einen Handelspartner ist das Ergebnis zweier Volumina, Exporten und Importen, die je ein Skalarprodukt aus Preisen und Mengen bilden. Von der Änderung des Devisenkurses, als dem Preis der fremden Währung, kann nur bedingt auf die Mengenänderung der Exporte geschlossen werden. Unmittelbar verbessert sich mit verringertem Außenwert nur der in Binnenwährung umgerechnete Preis der Exporte. Die Verteuerung der Importe ermöglicht eventuell der Binnenwirtschaft substituierendes Angebot. Der Handelsgewinn steckt jedoch ebenso sehr im Import. Ein Währungsgebiet wird nicht über die monetäre Maßnahme eines manipulierten Wechselkurses reicher. Wenn über viele Perioden hinweg Exportüberschüsse erzielt werden, müssen die Forderungen an andere Währungsgebiete in geeigneter Form aufbewahrt werden.
3.3.2 Kredit Die Beziehungen zwischen Wirtschaftsräumen mit unterschiedlichen Währungen erfolgen nicht lediglich nach dem Muster Ware gegen Geld, sondern auch nach dem Muster Geld gegen Geld als Zins und Tilgung von Krediten. Neben der Leistungsbilanz ist eine Kapitalbilanz zu führen. Bei transnationaler Verschuldung unterstellen wir Verzinsung und Tilgung in der Währung des ursprünglichen Gläubigers.
Die
Fähigkeit
zur
Verzinsung
und
Tilgung
von
Fremdwährungsschulden kann letztlich nur aus Exportüberschüssen in diesen Währungsraum
herrühren.
Sie
können
gänzlich
unabhängig
von
der
Fremdwährungsschuld möglich sein, oder diese soll erst eine Investition zur Exportproduktion einleiten. In letzterem Fall liegen offenbar die mit Fremdwährungsschulden ermöglichten Importe in der Produktionskette, die zu
72
Regulative
Exportmöglichkeiten führt. Nach der Länge dieser Kette, dem anschließend möglichen Absatzvolumen und den dabei erzielbaren Terms of Trade haben sich die Kreditkonditionen zu richten. Sind die Laufzeit zu kurz oder die Zinslast zu hoch, so muss aus der Beurteilung des Gesamtvorgangs heraus die Investition aus Fremdwährungsschulden unterbleiben. Im Unterschied zur einheimischen Verschuldung ist der Investor darauf angewiesen, dass sein Produkt oder dessen Nachlieger sich gerade im Währungsgebiet des Gläubigers vermarkten lässt, eine Produktion für den Binnenmarkt ist in Höhe der Fremdwährungsschuld zuzüglich ihrer Verzinsung ausgeschlossen. Er muss seinen Teil beitragen zur defizitären Handelsbilanz des Gläubigers bzw. zum Überschuss der eigenen Handelsbilanz. Diese Operation gelingt um so eher, je mehr einheimische Vorleistungen neben besagten Importen in den avisierten Export eingehen, vorausgesetzt, sie werden in den Terms of Trade hinreichend vergütet. Zu kurzen Tilgungsfristen passen nur kurze Produktionsketten im Binnenland, was ceteris paribus die Einstiegsmöglichkeiten inländischer Vorleistungen reduziert. Zugunsten einer hohen Verzinsungs- oder Tilgungsrate müssen möglichst viele Binnenressourcen dem Export gewidmet werden, zugunsten kurzer Tilgungsfristen die benötigten Produktionsketten durch die Binnenwirtschaft abgekürzt werden. Beiden Tendenzen gemeinsam ist die Segregation des Import-Export-Sektors aus dem übrigen Teil der Ökonomie. Soll mit Auslandsschulden ein binnenorientiertes Entwicklungsprogramm aufgelegt werden, so wären, um dieser Ökonomie zu helfen, extrem lange tilgungsfreie Zeiten und extrem niedrige Zinsen anzusetzen; das Darlehen muss praktisch geschenkt werden. Sind umgekehrt diese Importe keine Voraussetzung späterer Exporte, so ist nicht abzusehen, wieso sie mit Außenverschuldung einhergehen sollen. Eine bilaterale Direktinvestition kommt in dem Fall, dass sich Kreditgeld in einem anderen Währungsgebiet verwerten soll ohne dass seine Verzinsung repatriiert werden soll, insofern der Schenkung gleich, als damit Importe aus dem kapitalexportierenden Währungsgebiet ohne entsprechende Exporte aus dem kapitalimportierenden Währungsgebiet heraus möglich werden.
Internationale Beziehungen
73
Allerdings stimmen sich Importeure und Exporteure einer Ökonomie kaum darüber ab, hinsichtlich jeder üblichen Handelswährung stets das gleiche Volumen zu handeln. Vielmehr ist die Leistungsbilanz stets mehr oder weniger unausgeglichen. Diese Diskrepanz wird entweder über den Wechselkursmechanismus ausgeglichen, oder die defizitäre Ökonomie wird Schuldner in Binnenwährung oder meist in Fremdwährung. Mehr im Ausland zu kaufen als dorthin zu liefern, hat bei konstanten Terms of Trade auch die Bedeutung, in der eigenen Ökonomie gemessen am Verbrauch zu wenig zu leisten. Vorleistungsimporte sind dann durch den Beschäftigungseffekt, Konsumimporte durch den Einkommenseffekt gehemmt; die Wirkung stellt sich auch auf diesem Wege gegen ihre Ursache. Um die Ökonomie wäre es fatal bestellt, wenn die verzinslichen Fremdwährungsschulden zu nicht ausreichend produktiven Exportinvestitionen geführt haben bzw. führen konnten, so dass die Ökonomie vorab von Zins- und Tilgungsverpflichtungen eingeholt wird. Eine weitere Verschuldung aus dieser Situation heraus müsste das ursächliche Übel bis zur Insolvenz verschärfen. 3.3.3
Segregation der Weltwirtschaft
Wirtschaftsräume sind voneinander durch Zölle, Währungsgrenzen oder überhaupt nicht getrennt. Im Fall von Zöllen gilt ein strenges Regionalprinzip, was von Währungsgrenzen nicht stets behauptet werden kann. Der Zoll knüpft an den Warentausch zwischen Wirtschaftsräumen, die Währungsgrenze kommt als Wechselkurs der vereinbarten Währung in der Faktura zum Tragen. Der Zoll affiziert direkt die Terms of Trade der betreffenden Waren; ein Importzoll wirkt in dieser Dimension wie ein niedrigerer Wechselkurs für die Währung des importierenden Wirtschaftsraums. Ohne Währungsgrenze zwischen Wirtschaftsräumen wird ein Ungleichgewicht zwischen dem Saldo des Leistungstransfers und dem Saldo des Geldflusses nicht direkt sichtbar. Die Regionen stellen keine Zahlungsbilanzen auf. Mit einer Währungsgrenze ist dies erforderlich und andauernde Defizite oder Überschüsse der Leistungsbilanz erzeugen mit einer Wechselkursreaktion eine
74
Regulative
dämpfende Wirkung gegen die Ursache: Leistungsbilanzüberschüsse erhöhen wegen des Angebotsüberhangs an Fremdwährungen den Außenwert der Binnenwährung, Leistungsbilanzdefizite umgekehrt lassen den Außenwert der Binnenwährung verfallen. Damit werden die Terms of Trade je in eine Richtung verschoben, die den Saldo verringert. Eine ausgeglichene Leistungsbilanz drückt aus, dass eine Region zu den jeweiligen Preisen im gleichen Volumen an auswärtige Handelspartner liefert, in dem sie von diesen Leistungen bezieht. Ob diese Preise akzeptabel sind, müssen die binnenwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten und Konsumansprüche indizieren. Eine vorteilhafte oder ungünstige Entwicklung des Wechselkurses zwischen Währungen wirkt für oder gegen die im Außenhandel aktiven Einzelwirtschaften. Sie versuchen, dessen Änderungsrichtung und Ausmaß zu prognostizieren und ihre Verwertungsposition abzusichern. Dazu gehört eine Planung der Termine und Volumina, zu denen am Devisenmarkt Transaktionen vollzogen werden. Die Tatsache, dass eine Einzelwirtschaft die übrigen Akteure dieses Marktes nicht so steuern kann wie ihre eigenen Transaktionen, findet darin ihren Ausdruck, dass sie bereit ist, für Kurssicherungsgeschäfte Versicherungsprämien zu entrichten. Die
Volatilität
dieses
rein
monetären
Marktes
kann
derart
die
einzelwirtschaftlichen Entscheidungen affizieren, dass das Außenhandelsvolumen entgegen einem realwirtschaftlich ableitbaren Spezialisierungsvorteil reduziert wird.
Daseinsgrund
der
Wechselkurse
ist
jedoch
die
Vermittlung
realwirtschaftlicher Entwicklungen über die Währungsgrenze hinweg. Nur insoweit sich die normalerweise Waren liefernde Einzelwirtschaft auch spekulativ im Devisenmarkt engagiert, kann die Bewegung des Wechselkurses selbst als Erwerbsquelle angesehen werden. Demgegenüber sind Zölle entweder direkt als Einnahme eine zollerhebenden Institution intendiert oder sie wirken bei ausreichender Höhe prohibitiv als strukturpolitische Maßnahme zugunsten binnenwirtschaftlicher Substitution. Der sich aus Warenlieferungen ergebende Wechselkurs zweier Währungen sorgt gerade dafür, dass eine Region keinem chronischen Leistungsüberschuss in Relation zu ihren importierten Lieferungen ausgesetzt ist. Umgekehrt könnte ein
Internationale Beziehungen
75
anhaltender Importüberschuss nicht die Einkommensentstehung binnenwirtschaftlicher Produktion unterbinden. Genau darin liegt der Effekt der Währungsgrenze, dass allein ein niedriger Fremdwährungspreis keinen hinreichenden Grund für Importe bildet; dieser muss sich erst noch durch den Preis der Fremdwährung hindurch erhalten. Gewährt allerdings das Währungsgebiet mit dem Leistungsbilanzüberschuss der defizitären Region Kredit, so wird dadurch der Kurs der Überschusswährung wieder gedrückt, so dass die auf Saldenausgleich drängende Bewegung des Wechselkurses unterlaufen ist. Obwohl dann die Defizitregion offenbar der Überschussregion zu wenig Waren anbieten kann, bleibt das überhöhte Importvolumen bestehen unter dem Versprechen, mit künftigen Überschüssen Schulden nebst Zinsen zu tilgen. Die Fähigkeit dazu ist jedoch gerade dadurch verringert, dass die binnenwirtschaftliche Produktion nicht einmal dem binnenwirtschaftlichen Verbrauch entspricht, den sie später sogar noch übertreffen soll. Offenbar kann nicht nur mit den weltweit produktivsten Kapazitäten produziert werden. Die technologischen Niveaus der Wirtschaftsräume auf diesem Globus differieren voneinander. Daher müssen geringe technologische Niveaus geringe Realeinkommen erwirtschaften und umgekehrt. Nur ein einziges,
also
weltweites
Währungsgebiet
wäre
insofern
unzulänglich.
Wirtschaftsräume gleichen technologischen Niveaus brauchen aus diesem Grund nicht durch eine Währungsgrenze gegeneinander separiert zu werden. Liegt jedoch ein Niveaugefälle vor, so sorgt eine solche Grenze für die Angleichung von Verbrauch und Leistung, solange der Wechselkursmechanismus nicht durch langfristige Kreditsalden konterkariert wird. Währungsgebiete können nicht nur zu groß, sondern auch zu klein sein. Im Extremfall reagiert jede Einzelwirtschaft nur auf ihr eigenes Geld. Um die Schuldverhältnisse aus Warenlieferungen untereinander abzuwickeln wären dann jedes mal Transaktionen am Devisenmarkt erforderlich. Diese Situation lässt sich nicht im Rahmen der stetigen Ökonomie adäquat fassen; sie wäre mit dieser sogar kompatibel. Jedoch müssten hier die Verwerfungen der Zahlungsströme im Zusammenhang mit Kapazitätsauf- und -abbau zu unerträglicher Volatilität des
76
Regulative
Kursverlaufs führen. Offenbar ist daran gelegen, ein so großes Wirtschaftsgebiet in einem Währungsraum zusammen zu fassen, dass die Aufbau- und Abbauvorgänge in den Einzelwirtschaften sich in ihrer Außenwirkung zu anderen Währungsgebieten ausgleichen können und nur den konsolidierten Effekt widerspiegeln. Hinsichtlich der technologischen Entwicklung des Sekundärsektors ist es einem wirtschaftlich kleinen Währungsgebiet kaum möglich, sich aus der internationalen Arbeitsteilung zurückzuziehen, ohne signifikante Wohlstandseinbußen hinzunehmen. Ein hohes technologisches Niveau verlangt hohe Ausbringungsmengen und die Ausnutzung von Skaleneffekten. Instabile Wechselkurse gegenüber den Handelspartnern müssten die Wohlfahrtsrechnung des Landes empfindlich treffen. Hoher Spezialisierungsgrad einer Region und eigene Währung stellen eine eher ungünstige Kombination dar.
Reale Ökonomie
77
Regulative
Teil B
Explikative Ökonomik
Die bisher vorgestellten Aspekte der Ökonomie müssen jetzt zum Verständnis des Gesamtprozesses zusammen geführt werden. Dabei werden die Interdependenzen zwischen den Schichten und den Prozessphasen des Wirtschaftens verständlich. So werden systemische Notwendigkeiten und Handlungsoptionen unterscheidbar.
4 Schichten der Ökonomie
4.1 Reale Ökonomie Produktqualitäten, Prozessdauern, Fertigstellungstermine, produzierte Mengen, Produktionsorte und die im Arbeitsprozess eingesetzten natürlichen und personellen Ressourcen sind Beschreibungselemente der realen Ökonomie. Profitrate, Lohnsatz, Zins und Preis werden dabei nicht betrachtet. In der Realökonomie tritt zwar die gesellschaftliche Arbeit auf, nicht jedoch Kapital. Die Produkte der Arbeitsprozesse sind insoweit keine Waren. Die Realökonomie kann demnach nicht für sich alleine existieren, sie ist nicht etwa vormonetärer Gesellschaftszustand, denn ihr Zustandekommen setzt historisch spezifische Distributions- und Allokationsmechanismen voraus.
4.1.1 Reproduktivität und Effizienz Ein realwirtschaftliches Gleichgewicht lässt sich beschreiben als Verbrauch aller erzeugten Arbeitsprodukte und Befriedigung aller Nachfrage. Sofern zum Ablauf einer Periode zumindest alle produktive Nachfrage der Folgeperiode befriedigt
R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
78
Schichten der Ökonomie
werden kann, gilt die Ökonomie als reproduktiv, i.e., sie kann mit den gleichen Prozessen fortgesetzt werden. Realwirtschaftliche Effizienz hinsichtlich einer Prozessalternative ließe sich nur in dem in 2.1.1. erwähnten speziellen Fall feststellen. Wollte man für eine arbeitsteilige Gesamtwirtschaft ein Produktionsoptimum bestimmen ohne Rekurs auf Kommensurabilität von Ressourcen und Konsum durch Preise, so wären aus dem Technikvorrat diejenigen Prozesse zu selektieren, die entweder ein Wachstumsmaximum bei vorab spezifiziertem Konsumfonds und Ressourcenvorrat ermöglichten oder statt dessen im Hinblick auf einen fixierten Konsumfonds den Verbrauch einer Ressource minimierten. Wirtschaftliches Wollen muss sich letztlich in realökonomischen Tatbeständen vollziehen und befriedigen.
4.1.2 Vorleistungsverflechung In Abb. 2.4. auf der Seite 27 war die Realökonomie als Netzflussdiagramm dargestellt worden, mit dem sachlichen und personellen Ressourcenvorrat als Quellen und dem Konsumfonds als Senke. Dem Fluss der Gebrauchswerte ist in jedem Prozess der Einsatz der Arbeitskraft hinzuzufügen. Diese besorgt als konkrete Arbeit die je erforderlichen Transformationen der Gebrauchswerte. Jedoch ist der Fluss der transformierten Gebrauchswerte von den Ressourcen zu den Bestandteilen des Konsumfonds keine Einbahnstraße. Charakteristisch für die arbeitsteilige Ökonomie ist vielmehr der Sachverhalt, dass eine Vielzahl von Produktionsprozessen indirekt auch ihre Vorliegerprozesse beliefert. Die Vorleistungsverflechtung hat insofern eine Breiten- und eine Tiefendimension: ein bestimmter Prozess verzweigt retrograd in viele disparate Vorliegerprozesse und diese Verzweigung erfolgt auf mehreren vorgelagerten Prozessstufen. Fragt man nach den Wirkungen einer Nachfrageerhöhung nach einer bestimmten Ware, so ist folgende Unterscheidung hinsichtlich des Zustands der Ökonomie zu treffen: • die Nachfrageerhöhung trifft auf vorhandene Lagerbestände. Sie wird aus diesen momentan befriedigt und entfaltet keine Effekte auf vorgelagerte Produktionsprozesse.
Reale Ökonomie
79
• die Nachfrageerhöhung erweist sich als persistent und beansprucht zusätzliche Vorleistungen der betroffenen Produktionsprozesse. • die
Kapazitäten
der
beanspruchten
Produktionsprozesse
sind
nicht
ausgelastet. Lediglich zusätzliche zirkulierende Mittel werden in Bewegung versetzt. • die Nachfrageerhöhung ist nach Volumen und zeitlichem Anfall groß genug, um den Auf- oder Ausbau der Kapazität in den Produktionsprozessen zu veranlassen.
4.1.3 Akzelerator Ausgehend von einem reproduktiven Niveau aller Vorliegerkapazitäten lässt sich aus den Koeffizienten der Technologiematrix ein gleichgewichtiger Intensitätsvektor bestimmen. Das Produktionsvolumen weise dabei eine beliebige, aber im Zeitablauf konstante Wachstumsrate auf. Das Intensitätsniveau von Prozessen, welche die fixen Vorleistungen ihrer Nachliegerprozesse bereitstellen, bestimmt sich aus der Verschleißrate dieser Produkte. Was nach zehn Perioden erneuert werden muss ist in jeder Periode zu einem Zehntel zu liefern bei gleichmäßigem Altersaufbau der Kapazität. Muss aufgrund einer Nachfrageerhöhung die Produktionskapazität erhöht werden, so trifft die Erweiterung mit der Reproduktion zusammen: Ein Prozess N benötigt pro Periode Vorleistungen des Prozesses V in Höhe von 1/10 seines Kapazitätsumfangs von 100 Stück. Der Vorliegerprozess V liefert demnach 10 Stück als Ersatz der im Prozess N verschlissenen Kapazität. Nimmt die Nachfrage nach Produkten aus dem Prozess N um 10 % pro Periode zu, so dass er weitere Kapazitäten aufbauen muss, so kumuliert beim Vorliegerprozess V der Erneuerungsbedarf in Höhe von 10 Stück mit dem Erweiterungsbedarf von weiteren 10 Stück. Seine Prozessintensität erhöht sich von 10 auf 20 Stück, mithin um 50 %. Die ursächliche Erhöhung des Nachliegerprozesses beträgt jedoch lediglich 10 %. Die Nachfrageerhöhung akzeleriert retrograd in die Vorliegerbäume hinein, da die Kapazitäten nachfragegesteuert aufgebaut werden. Das Akzeleratorprinzip
80
Schichten der Ökonomie
und damit die Ausprägung industrieller Konjunkturzyklen wirkt nicht unabhängig von der Verfassung der betreffenden Märkte. Sind Einzelwirtschaften im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft, in der sie operieren, groß und verwalten ihre Produktionsprozesse oligopolistisch oder sogar monopolistisch, dann planen sie ihre Kapazitäten möglichst überkonjunkturell. Dann fehlte die atomistische Übertreibung der Anbieterreaktion auf Nachfrageausweitung. Auch das Verhältnis von fixen zu zirkulierenden Vorleistungen, wie es in Kapitel 5.1. erörtert wird, spielt eine entscheidende Rolle: Nachfrageschwankungen lassen sich eventuell mit Intensitätsschwankungen auffangen, sie verursachen lediglich geringe Übertragungseffekte in die Lieferantenkette. Vom Akzeleratorprinzip ist zu unterscheiden der Echoeffekt bei fixen Produktionsmitteln: unterschiedliche Prozessintensitäten bei dieser Warenkategorie
etwa
in
konjunkturtheoretischer
Betrachtung
bewirken
einen
inhomogenen Altersaufbau. Ein hoher Anteil neuer Anlagen senkt den Erneuerungsbedarf. Indem dieser stark vertretene Jahrgang veraltet, wird sich nach durchschnittlicher Verschleißzeit umgekehrt ein vermehrter Erneuerungsbedarf bemerkbar machen. Die Inhomogenität des Bestands überträgt sich in die Zukunft.
4.2 Pretiale Ökonomie 4.2.1 Prozessintensitäten Unschwer ließe sich bereits in realwirtschaftlicher Betrachtung im Falle von Überschussproduktion suboptimaler Ressourceneinsatz konstatieren. Prozesse, deren Vorleistungen nicht oder nicht in ausreichendem Maße erstellt werden, finden nicht oder mit zu geringer Intensität statt. Es bedarf eines Kriteriums zu entscheiden, ob darin ein Defizit liegt. Man kommt nicht umhin, den Ressourceneinsatz, wie er sich aus der Wahl der Prozessintensitäten ergibt, im Hinblick auf den unproduktiven Endkonsum zu beurteilen. Nicht von selbst verknüpfen sich die Prozesse der Realökonomie, sondern die Verknüpfungen als Lieferbe-
Pretiale Ökonomie
81
ziehungen zwischen den Produktionsprozessen kommen zustande, wenn darin ein Fortschritt von den beanspruchten Ressourcen zum Telos des Konsums gesehen wird. In der pretialen Ökonomie existiert mit dem Wert ein normatives Regulativ für die Allokation. Sowohl der Ressourcenverbrauch, bzw. die Vorleistung als ihrem Derivat, als auch der im Arbeitsprozess geleistete direkte oder indirekte Beitrag zum Konsumfonds müssen in gleicher Dimension kommensurabel werden. Damit soll die Möglichkeit der gesamtwirtschaftlichen Beurteilung einzelwirtschaftlichen Agierens eröffnet werden. Der etymologische Vorfahre des monetärwirtschaftlichen Phänomens „Preis“ ist lateinisch „pretium“. Im Hinblick auf die in Kapitel 8.3.3 vorgestellte präskriptive Preisformel, wird in dieser Schrift „pretial“ synonym zu wertwirtschaftlich verwendet. Natürliche Vorgänge, deren Resultat menschlichen Zwecken dienen können, etwa das Reifen von Feldfrüchten oder die Umsetzung von Plankton zu mineralischem Öl, lassen sich abgrenzen von Vorgängen, die menschlicher Anstrengung zu ihrem Verlauf bedürfen. Regen, Sonne, Sedimentierung erhöhen den Nutzen der betrachteten beeinflussten Substanz, schaffen dabei aber keinen Wert. Bodenbearbeitung, Ernte, Förderung sind wertbildende Tätigkeiten des Menschen, insofern sie dem späteren Konsum der bearbeiteten Substanz dienen, also nützlich sind. Arbeit ist nicht deswegen wertbildend, weil sie anstrengt; sie bildet Wert, insofern sie in mehr oder weniger langen Prozessketten dem unproduktiven Endkonsum zuarbeitet. Für die Wertbildung spielt es keine Rolle, ob ihr dabei unbearbeitete Natur substantiell zugrunde liegt oder nicht. Mindestens die Ressource Arbeitskraft wird in der wertbildenden Arbeit beansprucht. Sei die gesellschaftliche Gesamtarbeit reproduktiv und in dem Sinne gleichgewichtig, dass die aus einem momentan begrenzten Technikvorrat heraus selektierten Prozessintensitäten nicht variiert werden könnten, ohne dass danach Produkte fehlten oder überschüssig erstellt wären, so könnte man allen geleisteten Arbeiten gleiche Wichtigkeit zubilligen. Im Zustand der gleichgewichtigen Reproduktivität erfolgt die Wertbildung proportional zur Verausgabung der
82
Schichten der Ökonomie
Arbeitskraft. Nur in diesem theoretisch konstruierbaren Zustand der Ökonomie wäre der Ressourceneinsatz in den Produktionsprozessen proportional zum Wertgehalt ihrer Produkte. Für alle weiteren Untersuchungszwecke reicht die Proportionalität
beider
Dimensionen;
ein
darüber
hinaus
verlangter
Proportionalitätsfaktor wäre eine begriffliche Unmöglichkeit. Damit also bei gleicher Wichtigkeit aller Arbeiten und Gleichwertigkeit aller erstellten Arbeitsprodukte nicht lediglich sinnlose Verwendungszirkel der Gebrauchswerte betrieben werden, bedarf es einzelwirtschaftlich anwendbarer Regulative, die, wenn schon nicht konzipierend, so doch immerhin korrigierend, stets wieder den Zusammenhang zwischen Ressourceneinsatz und Konsumniveau herstellen. Die Möglichkeit derartiger Regulative liegt gerade darin, dass einerseits Ressourcen nicht nur in einer Urproduktion verwendet werden, sondern auf jeder Produktionsstufe und andererseits jeder gelingende Verkauf als Repräsentant des Endkonsums gilt. Wie auch immer die Preisformel in der entfalteten Warenproduktion gestaltet sein mag, stets kann das kaufmännische Kalkül Einkommen nur aus der Differenz von Bruttoumsatz und Vorleistungen bilden. Die Reproduktivität berührt noch nicht die Frage des gesamtwirtschaftlichen Produktionsoptimums, bei dem als weitere Bedingung verlangt wäre, dass keine alternative Prozessselektion aus dem Technikvorrat einen höheren Periodenausstoß bzw. bei gleichem Produktionsniveau einen geringeren Ressourcenverbrauch ermöglichte. Die Nützlichkeit der Arbeitsprozesse bemisst sich nicht nach dem Verwertungsbeitrag im Rahmen der Kapitalproduktion, sondern nach der positiven Sanktion durch den unproduktiven Konsumenten. Diese wird in der monetären Wirtschaft als hinreichende Bedingung im Kauf manifest. In diesem Sinne ist die Wertbildung der gesellschaftlichen Arbeit nicht durch die einzelwirtschaftliche Zerlegung der Gesamtwirtschaft und auch nicht durch den momentanen Verwertungszusammenhang der Arbeitsprozesse in monetärer Sicht definiert. In einer Periode 1 seien 1000 Stück Ware einer bestimmten Qualität unter Aufwand von 20 Arbeitseinheiten erstellt und verbraucht worden. In einer
Pretiale Ökonomie
83
Periode 5 seien von eben dieser Ware 2000 Stück mit nur mehr 10 Arbeitseinheiten erstellt und verbraucht. Ist die Ökonomie der Periode 5 reicher oder ärmer als die der Periode 1 ? Die technisch differierenden Prozesse sind bei qualitativ gleichem Ergebnis vergleichbar: ihre Produktivität hat sich vervierfacht. Steht daher der Arbeitseinheit eine vierfach höhere Entlohnung zu ? Der Ressourcengehalt der betreffenden Ware ist auf ein Viertel gesunken. Soll sie nur noch ein Viertel ihres Werts aus Periode 1 haben ? Die Wertdimension des Produktionsprozesses weist in zwei Richtungen: Vergütung des Ressourceneinsatzes beim Produzenten und Anerkennung für den Beitrag zum Konsumfonds seitens des Konsumenten. Offenbar ist dafür Sorge zu tragen, dass nicht eine Seite allein befriedigt wird. Vielmehr muss der Produktivitätsfortschritt zwischen Produzent und Konsument aufgeteilt werden. Ginge der Produzent leer aus, d.h. verfiele der Preis reziprok zum Produktivitätsfortschritt, so entfiele damit der Anreiz diesen durchzusetzen. Hätte umgekehrt der Konsument trotz Reduktion des Ressourcengehalts in den Waren denselben deflationierten Preis zu entrichten, so müsste reziprok zum Produktivitätsfortschritt der Umfang der genutzten Ressourcen zurückgehen. In beiden Fällen wäre der Ausgleich der Verwertungsraten gestört. Erst in einem mittleren Wert zwischen diesen beiden Extremen erweitern sich zugleich das Budget des Konsumenten und das Einkommen des Produzenten. Die Wertgröße wird dem Produzenten von seinen Konsumenten anerkannt. Gelingt es dem Produzenten, den Ressourcengehalt seiner Produkte durch Produktivitätszunahme auf ein Viertel zu senken, so wird ihm die bei gleichem Preis anfallende höhere Verwertungsrate durch Konkurrenz zugunsten des Konsumenten bestritten. Gleichbleibende Menge und Qualität der gelieferten Gebrauchswerte wäre keine hinreichende Bedingung für einen gleichbleibenden Tauschwert. Das vierfache Produkt aus gleichem Ressourceneinsatz könnte als vierfacher Wert nur unter Bezugnahme auf einen vergangenen Prozess gelten. Funktion des Wertregulativs ist jedoch, Einzelwirtschaften in den je gegenwärtigen
gesamtwirtschaftlichen
Gebrauchswertzusammenhang
zu
integrieren. Die Gebrauchswerte der realwirtschaftlichen Arbeitsprozesse werden
84
Schichten der Ökonomie
progressiv von den Ressourcen bzw. Vorleistungen zum produktiven bzw. Endkonsum transformiert. Der monetärwirtschaftliche Geldfluss nimmt die entgegengesetzte Richtung durch die Einzelwirtschaften. In deren Prozessen verbleibt der pretialwirtschaftliche Wert. Er muss daher beständige Metamorphosen durch die Stadien Geld - Ware - Produktion - Ware - Geld usf. vollziehen. Geld und Waren werden abgegeben; Wert wird festgehalten. Die Wertgröße der Prozessresultate, also der Waren, findet in keinem reellen Regulativ ihren unmittelbaren Ausdruck. Woran muss ein Ausdruck der quantitativen Dimension des Werts, dem Tauschwert, scheitern ? Er sollte ein absolutes Maß mit heterogener Herkunft sein: Äußerung der Ressource Arbeitskraft einerseits, gesellschaftliche Nützlichkeit andererseits. Tatsächlich wird ersatzweise ein Verhältnis gebildet: gesamtwirtschaftlich ist die Produktivität als Relation des Konsumfonds zum Ressourceneinsatz ein nicht darstellbares Vektormaximumproblem.
Einzelwirtschaftlich
läuft
der
Wert
in
die
monetärwirtschaftlich gestützte Rentabilität. Dabei zählt ebenfalls nicht der Ressourcengehalt, sondern im Lohn wird ein Maß des Ressourcenverzehrs bemüht. Die Warenpreise sind ersichtlich zu den Tauschwerten nicht proportional.
Indem
das
Gemeinsame
der
Waren
ihre
Eignung
zur
Geldvermehrung ist und nicht etwa ihre Herkunft aus menschlicher Arbeit, kann auf den Wert zugunsten des Preises völlig verzichtet werden. Zugleich wird damit auf den Anspruch verzichtet, die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeitskraft nach Maßgabe des Warenverbrauchs anders als über den indirekten Weg der Krise
zu
bewerkstelligen.
Dieser
Zustand
kann
als
Defizit
an
gesamtwirtschaftlicher Rationalität charakterisiert werden. Das Kapital, als prozessierender Wert, ist daher einmal monetäre Größe, dann wieder fungierender Produktionsprozess, der deren Wachstum als Profit erst ermöglicht. Es schließt somit alle drei Schichten der Ökonomie je für eine Einzelwirtschaft zusammen. Das Kapital ist Wert, der die Produktionsprozesse passend in ihre Vorlieger- und Nachliegerprozesse einfügen soll; es ist investiertes Geldquantum zu Beginn und Erlös zum Abschluss des Prozesses; es fungiert in diesem realwirtschaftlich als sachliche Produktionsvoraussetzung und tätige
Pretiale Ökonomie
85
Arbeitskraft. Kapital ist Arbeit, die als Arbeitskraft gekauft und deren Produkt als Ware in die Zirkulation gegeben wird. Arbeit ist Kapital, das als vorgetane Arbeit und tätige Arbeitskraft sich im Arbeitsprodukt vergegenständlicht und zur Weiterverarbeitung oder zum Konsum verbraucht wird. Wer zwischen Wertschöpfung und Werterscheinung nicht unterscheiden kann oder will, wird auch die Differenz zwischen Distributionsregel und Allokationsregel verschleifen. Die reelle gesellschaftliche Arbeit wird unter eine, ihr fremde, formelle Gliederung als Privatgeschäfte subsumiert. Indem die Pretialökonomie die Distributionsaufgaben erledigt, steuert sie auch die Allokation: die Ressource Arbeitskraft sucht die ihr maximal mögliche Verwertungsrate in geeigneten Arbeitsprozessen, bzw. lässt sie suchen. Der Konsument verteilt sein Budget nach Maßgabe seiner Bedürfnisse. So wie die Realwirtschaft die Transformation der Ressourcen in den Konsumfonds zu bewerkstelligen hat, so muss die Pretialwirtschaft den Beitrag einzelner Produktionsprozesse dabei in Einkommen transformieren. Wert kann nur produziert worden sein, insofern das Prozessergebnis konsumiert wird; es kann nur konsumiert werden, insofern es produziert wurde. Pretialökonomie gilt als erfolgreich, insofern Produktion und Konsum nach Menge, Qualität und Termin zueinander passen. Ob die gesellschaftliche Arbeitskraft den konsumtiven Bedürfnissen entsprechend auf die Arbeitsprozesse aufgeteilt ist oder nicht, zeigt sich erst in den Gleich- oder Ungleichgewichten beim Versuch der gesamtwirtschaftlichen Reproduktion. Da der Wert sich nicht zutreffend in der einzelwirtschaftlichen „Verwertung“ ausdrücken kann, wirkt er erst post festum korrigierend über den gesamtwirtschaftlichen Gebrauchswertzusammenhang. Ein Verfahren, das gesamtwirtschaftliche Verwertungsmaximum selbst in der transitorischen Ökonomie anzusteuern, ist nicht etabliert. Unabhängig von einer optimalen Intensitätswahl, die den Konsumfonds bei gegebenem Ressourcenvorrat maximiert oder bei definiertem Konsumfonds den Ressourceneinsatz minimiert, macht die Abweichung der realisierten Prozessintensitäten von einer reproduktiven Intensitätswahl die Differenz zwischen Ressourcengehalt und Wert aus. Von Prozessintensitäten, die so hoch gewählt
86
Schichten der Ökonomie
sind, dass das Prozessergebnis nur zum Teil weiter verwendet werden kann, darf behauptet werden, dass die darin verbrauchte Arbeitskraft relativ weniger Wert geschaffen hat als in Prozessen, deren Leistung vollständig Verwendung gefunden hat. Jedoch muss weiterhin gefragt werden, ob ein Produktionsprozess, der sowohl Nachliegerprozesse mit zu hoher als auch solche mit zu geringer Intensität beliefert, seinerseits über- oder unterdurchschnittlich zur Wertbildung der eingesetzten Arbeitskraft beiträgt. Diesen problematischen Wertbestimmungen für die transitorische Ökonomie kann nur entnommen werden, dass das Wertregulativ stets über den einzelnen Prozess hinaus auf dessen ihm Zweck setzende Einfügung in die Gesamtwirtschaft hinweist. Die Proportionalität von Ressourceneinsatz und Wertbildung ist insoweit auch für die transitorische Ökonomie bloßes Postulat ihrer Optimalität. Wert ist dem Ressourcengehalt nur unter sehr speziellen Bedingungen proportional zu setzen. Fremdbezug Die Subsistenzwirtschaft entwickelt keine Pretialökonomie. Auch bei realwirtschaftlicher Konstanz kann sich der pretialwirtschaftliche Umfang der Ökonomie erweitern, indem Arbeitsprozesse in separate Einzelwirtschaften ausgelagert werden und zwischen diesen Lieferbeziehungen als Warenbeziehungen bestehen. Regelmäßig ist die Herausbildung weiterer Einzelwirtschaften mit der Installation anderer Technologien verbunden. Um das Beispiel der Landwirtschaft aus Kapitel 2.3.1. aufzugreifen werden als Saatgut reproduktionsunfähige Hybridpflanzen geliefert, ihrer biologischen Instabilität wegen gesellen sich zur Vorleistung Dünger weitere Erzeugnisse der Agrarchemie. Den Zuwachs an Gebrauchswert und -masse haben nicht Ökonomen, sondern hoffentlich aufgeklärte und souveräne Konsumenten zu beurteilen. Setzt man diese voraus, so ist nur noch zu fragen, ob die neue Pretialökonomie vermehrte produktive Nutzung von Ressourcen indiziert. Dazu müsste sich der aus den agrarischen Einzelwirtschaften abgegebene Produktenwert stärker erhöht haben, als der Wert des
Pretiale Ökonomie
87
Zuwachses an bezogenen Vorleistungen beträgt, per Saldo also in diesem Sektor mehr Wert geschaffen werden. Bekämen die Konsumenten hingegen die gleichen Mengen in gleicher Qualität wie vorher, so müsste deren Wert als Folge rationellerer Produktion gesunken sein, d.h. die Wertschöpfung entweder der fremdbezogenen Vorleistungen oder der agrarischen Produktion, jedenfalls die Summe der Wertschöpfungen in beiden Sektoren geringer ausfallen. Zum Leidwesen agrarischer Produzenten kann der Pro-Kopf-Konsum an landwirtschaftlichen Erzeugnissen nicht immer weiter gesteigert werden. Dieser Sektor könnte nur Wachstumsbranche sein, wenn die zahlungskräftige Bevölkerung schneller wächst als die Wertminderung aufgrund technischen Fortschritts stattfindet. Daher sucht dieser Sektor sein ökonomisches Heil in der Produktveredelung, d.h. er lässt sich vom Konsumenten aufwendigere Produkte als bessere Produkte vergüten. Überhaupt kommt es in der Pretialökonomie gerade darauf an, dem Wertverfall durch technischen Fortschritt in Verbindung mit konkurrierenden Anbietern durch Produktinnovation zu entkommen. Dass das Neue auch als das Bessere und daher Teurere gelten kann, ist die selbst wieder „produktive“ Leistung von Marketing und Vertrieb.
4.2.2 Einkommensdisparität Demjenigen, der aus Wertschöpfung Einkommen bezieht, steht es innerhalb gewisser Grenzen frei, davon einen mehr oder weniger großen Anteil der konsumtiven Verwendung vorzuenthalten. Diese Grenzen sind ihm um so enger gezogen, je geringer sein absolutes oder relatives Einkommen ausfällt. Sie sind um so weiter gesetzt, je höher sein absolutes oder relatives Einkommensniveau liegt. Soll also der Ressourceneinsatz nicht dadurch entwertet sein, dass dessen Prozessergebnis nur zum Teil konsumiert wird, so käme es darauf an, dass gerade der nicht konsumierte Teil der Wertschöpfung in die Akkumulation eingeht. Er muss produktiv konsumiert werden, wie auch schon die Ersatzproduktion für das fixe Kapital. Dieser Nettoinvestitionsteil der gesellschaftlichen Produktion ist als Wertquantum nur zu bestätigen dadurch, dass die Qualitäten seiner Produkte zu
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Schichten der Ökonomie
eben der zusätzlichen produktiven Konsumtion passen. Der bloße Beschluss von Einkommensbeziehern, ihre Sparquote zu erhöhen (oder zu senken), ist durchaus keine
hinreichende
Voraussetzung
vermehrter
(oder
verminderter)
Nettoinvestition. Er müsste tatsächlich mit vermehrter unternehmerischer Leistung, der Organisation zusätzlicher gesellschaftlicher Arbeit einhergehen. Der pretialwirtschaftliche Erfolg ist leichter herzustellen, wenn diese Aufgabendimension nicht unnötig erschwert wird: die gesamtwirtschaftlich höhere Konsumquote, an deren Bedarf sich die Produktion viel leichter orientiert als an spekulativer Produkt- und Prozessinnovation, ist mit geringerer personeller Einkommensdisparität gewährleistet. Geht man hingegen von der irrigen Annahme aus, dass um erhöhter Nettoinvestitionen willen Reiche reicher und Arme ärmer werden müssten, so senkt man tatsächlich die Konsumquote, jedoch damit auch das Niveau der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Nach dem offensichtlichen Scheitern des wirtschaftspolitischen - oder sollte man sagen: staatswirtschaftlichen - Nachfragemanagements wird versucht, in umgekehrter Einseitigkeit sogenannte Angebotsbedingungen zu verbessern: • Absenken der Steuersätze für Gesellschaften, • zum Ausgleich steigende Abgabenlast für untere Einkommensschichten, also Rücknahme der progressiven Personenbesteuerung, • Anpassung der Realwirtschaft an das Tempo der Monetärwirtschaft, • sowie Lohnflexibilisierung nach unten. Um
der
Pretialwirtschaft
willen
engagieren
sich
die
Beteiligten
am
wirtschaftlichen Geschehen. Nicht die Realwirtschaft kann in der warenproduzierenden Ökonomie als Zweck wirtschaftlichen Handelns gelten. Diese Bestimmung musste die Realökonomie mit der Auflösung der Subsistenzwirtschaft abgeben. Auch die Monetärwirtschaft als Produktion von Geld kann nicht Zweck sein, sondern bestenfalls den Status eines Mittels einnehmen. Das die warenproduzierende Ökonomie charakterisierende „do ut des“ setzt als Zweck wirtschaftlichen Handelns die Relation zwischen den in den Wirtschaftsprozess
eingebrachten
Leistungen
gegen
die
ihm
entnommenen
Leistungen. Die am Wirtschaftsleben Beteiligten streben also ihre Integration in
Pretiale Ökonomie
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einen Vorgang an, der ihren Ressourceneinsatz mit einem Zuwachs an Konsumtionsmöglichkeiten vergilt. Können neben der personellen Ressource Arbeitskraft noch weitere Produktionsvoraussetzungen - Boden, Vorleistungen, finanzielle Mittel - als wertbildend gelten ? Wird diese Frage vom Standpunkt der kapitalistischen Produktion aus beurteilt, so gerät die Verwechslung von Allokation und Distribution zur Ideologie: die in historisch spezifischer Weise getrennten Produktionsvoraussetzungen,
die
Arbeitskraft
und
die
Verwirklichungsbedingungen der menschlichen Arbeit, werden durch eine Geldsumme erst wieder zusammen gefasst. Diese bestimmte Zusammenfassung rechtfertigt sich als Rate und Masse des Profits. Das Kalkül der Verwertung liegt im monetärwirtschaftlichen Bereich. Hingegen ist exklusiv die Ressource Arbeitskraft derjenige Engpassfaktor, an dem die Produktionsentscheidungen auszurichten sind, wenn die gestellte Frage vom Standpunkt der menschlichen Gesellschaft aus beantwortet wird. Dass die Bodenallokation als Besitz organisiert ist und die Investition finanzieller Mittel unter der conditio sine qua non der Verzinsung steht, ist dann bloß möglicher Modus der Allokation. Woher rühren die Schwierigkeiten, diejenigen Arbeiten zu verrichten, die gesellschaftlich nützlich sind, jedoch nicht als produktiv gelten können ? Der Warencharakter der gesellschaftlichen Beziehung zwischen Produzent und Konsument ist nicht nur Verbindung, sondern auch Trennung. Außerhalb der Subsistenzwirtschaft muss die Produzentenleistung Warencharakter annehmen und dem Konsumenten als einer budgetmäßig getrennten Person verkauft werden können. Das Äquivalenzprinzip muss unmittelbar vollzogen werden. Der Produzent sieht sich dem Erfordernis gegenüber, seinen Lebensunterhalt aus Warenbeziehungen bestreiten zu können. Er arbeitet nicht deshalb, weil eine bestimmte Arbeit nützlich ist oder ihn befriedigt, sondern nur insofern, als er seine Ressource Arbeitskraft in verkäufliche Leistungen umsetzen kann, deren Erlös ihm einen Anteil am Konsumfonds der Gesellschaft verschafft.
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Schichten der Ökonomie
Sowohl von der Seite der Distribution, als auch von der der Produktion ist die gesellschaftliche Arbeit auf die Formbedingung der Warenproduktion festgelegt. Dass wirtschaftliche Leistungen Warencharakter annehmen können, lässt sich an den folgenden notwendigen Bedingungen erkennen: • die Erstellung der Leistung ist im realwirtschaftlichen Sinne möglich. • die einzelwirtschaftlichen Verknüpfungen, welche die Vorleistungsgeschichte des Produkts ausmachen, existieren oder werden ermöglicht. • Produzent und Konsument treffen sich hinsichtlich der zeitlichen, räumlichen, qualitativen und quantitativen Eigenschaften des Produkts. • die potentiellen bzw. aktuellen Konsumenten sind liquide und • der Produzent einigt sich mit dem Konsumenten über den Warenpreis. • der produktive oder konsumtive Gebrauchswert der Ware ist dem Käufer exklusiv zuzuordnen. Die offiziöse Ökonomik tut sich schwer mit der Anerkennung der Pretialökonomie. Gewiss müssen alle in ihrem Rahmen entwickelten Begriffe einen monetären Ausdruck finden. Es kommt aber erstens darauf an, dessen Inadäquanz gegenüber dem pretialwirtschaftlichen Anspruch auf Proportionalität von Wertbildung und Ressourcenverbrauch einzusehen. Diese Inadäquanz verschafft sich
in
Krisen,
Unterbeschäftigung,
Zerreißen
der
Kreditketten,
Firmenzusammenbrüchen etc. Ausdruck. In Ansehung dieser Vorkommnisse wird dann auf den gewiss auch wieder monetärwirtschaftlichen Korrekturmechanismus verwiesen. Er hätte von dem irrenden und daher scheiternden Wirtschaftssubjekt antizipiert werden können und müssen. Auf der einen Seite wird Ökonomie als ökonometrisch messbarer Mechanismus gezeichnet, auf der anderen Seite sucht die Explikation Zuflucht bei den Verfehlungen der Subjekte, deren Erwartungsbildung dem falschen Mechanismus gehorchte. Somit kommt es zweitens darauf an, dass die am Wirtschaftsleben Beteiligten sich Institutionen und Regulative verschaffen, mit denen sich wirtschaftliches Wollen in wirtschaftliches Ergebnis erfolgreich umsetzen lässt. Mindestens gehört dazu das Zusammenpassen von Angebot und Nachfrage, Produktion und
Pretiale Ökonomie
91
Konsum. Insofern für den notwendigen gesellschaftlichen Rückkoppelungsmechanismus institutionelle Voraussetzungen fehlen, wird mit dem Regulativ der Kapitalverwertung ein unzulängliches Substitut verwendet. Kapital ist verirrter Kredit.
4.2.3 Einkommensmultiplikator Dieses Zusammenpassen bereitet gerade in der Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung Probleme: so erfreulich es ist, dass mit der Ausweitung der Produktion zusätzliche Einkommen anfallen, so unerfreulich ist eine Diskrepanz zwischen deren Verwendungsaufteilung und der vollzogenen Mehrproduktion. Die bis zur Unsinnigkeit abstrakte monetärwirtschaftliche Behauptung, dass die zusätzliche Einnahme wohl nur zusätzliche Ausgabe gewesen sein könne, Nachfrage und Angebot daher nicht auseinander fallen könnte, hilft hier gerade nicht weiter. Vielmehr haben die Produzenten ex ante Produktionsentscheidungen zu treffen, die ex post von den Käufen der dabei Einkommen Beziehenden positiv oder negativ sanktioniert werden. Zusätzliche Produktion wird als zusätzliche Wertschöpfung Einkommen der Beteiligten. Diese treffen eine Budgetentscheidung zwischen Konsum und Sparen. Zusätzliche Konsumausgaben werden als Lagerabbau oder zusätzlich induzierte Konsumwarenproduktion ihrerseits Einkommen generieren usf. 9. Kann man mit einer einheitlichen marginalen Konsumquote c rechnen, so ergäbe sich aus einer anfänglichen realisierten Mehrproduktion in Höhe von ǻP ein Gesamteffekt ǻP / ( 1 - c ). Die expansive Wirkung fällt um so stärker aus, je näher c an 1 heranreicht, d.h. je niedriger die Sparquote, 1 - c , ist. Der Sparvorgang ist in dieser Argumentation als Sickerverlust verstanden, nicht als zusätzliche Investition, die selbst wieder Multiplikatorprozesse verursachte. Zu beachten ist indes, dass die der Ausgabe entsprechende Einnahme nicht auch schon gleich als Einkommen
92
Schichten der Ökonomie
zählt. Die zu bezahlende Vorleistung wäre erst noch zu subtrahieren. Ferner darf eben vom Einkommen nicht auch schon auf Wertbildung geschlossen werden. Auch die bloße Distribution genügt der Form des Einzahlungsüberschusses.
4.3 Monetäre Ökonomie Reale und pretiale Ökonomie werden in der monetären Schicht der Ökonomie vermittelt. Sie verleiht allen wirtschaftlichen Tatbeständen monetären Ausdruck. Indem im gleichen Medium des Warentauschs sowohl Allokations- als auch Distributionsaufgaben erledigt werden sollen, kann es nicht darum gehen, dem Wert der Arbeitsleistung einen proportionalen monetären Ausdruck zu verschaffen. Werte betreffen die Intensitäten der Prozesse, Preise deren Produkte. Die ursprüngliche Maßgabe, soviel wie möglich nützliche Arbeit zu leisten und dabei so wenig wie möglich Arbeitskraft zu verausgaben, transformiert sich in die Regel, für erzielbaren Umsatz so billig wie möglich einzukaufen. Damit wird die Wertschöpfung nicht mehr in ein Verhältnis zur Arbeitskraftverausgabung gesetzt. Die fixen Produktionsmittel unterliegen dem Verschleiß, die zirkulierenden gehen unter; teurere als die gekauften Waren müssen entstehen. Die gekaufte Arbeitskraft wird nur im Zeitablauf nützlich. Der Zuwachs ist daher sowohl auf die Summe der Ausgaben als auch auf den Zeitbedarf bis zum Umsatzerlös zu beziehen. Der geringe Zuwachs in kurzer Frist gilt dem hohen Zuwachs in langer Frist gleich. Der spezifisch kapitalistische „Wert“ einer Ware ist ihr Vermögen, zur Verwertung von Geldkapital beizutragen. Die Herstellung des Konsumfonds ist dabei lediglich Verwertungsmöglichkeit; nicht Zweck, sondern Mittel. Das akkumulative Zusammenspiel der Einzelkapitale in den Einzelwirtschaften wäre unmöglich, wollte man die gleich notwendigen Arbeiten proportional zur Wertschöpfung
monetär
vergüten:
Prozesse
mit
niedriger
organischer
Zusammensetzung müssten beständig Mittel denen mit hoher organischer Zusammensetzung zuführen, damit stetige Akkumulation, d.h. konstante Proportionen, möglich wären. Die Rate „Überschuss pro verausgabter
Monetäre Ökonomie
93
Arbeitskraft“ ist weder für den Investor, noch für den Arbeiter von Relevanz. Zugleich demonstriert dies die Unmöglichkeit, das gesamtwirtschaftliche Optimum durch ein einzelwirtschaftliches Regulativ anzusteuern. Indem während der Investition von Geldkapital die Profitraten sich ausgleichen, müsste die monetäre Reproduktion die realwirtschaftliche Reproduktion verunmöglichen, wenn nicht das monetäre Resultat mit dem pretialen Resultat inkongruent wäre. Das Wertgesetz verlangt die Aufteilung des gesellschaftlich mobilisierten Arbeitsvermögens proportional zum gesellschaftlichen Bedarf nach wirtschaftlicher Leistung. Es zielt auf die gleichgewichtige Realökonomie. Seine Funktion ist nicht, eine Proportionalität zwischen personellem Ressourcengehalt der Waren und ihren Preisen herzustellen
10
. Die
Theorie des Werts ist kein Präludium zu einer Preistheorie. Warenpreise sind nur eines von mehreren Momenten im Wirken des Wertgesetzes. Indem der Wert sich bis zur Kapitalform fortentwickelt, sind seine vorausgesetzten Formen Ware und Geld bloße Momente seines Prozesses. Die Wertbildung steht unter der Logik der Geldform, sie wird insoweit indirekt reguliert 11. So problematisch auch die Quantifizierung von Tauschwert sein mag, er ist als Quantität zu begreifen. Wert als Maß hingegen schließt Qualität und Quantität zusammen; Quantum kann jetzt nur sein, was sich qualitativ bewährt: der Gebrauchswertzusammenhang der Ökonomie ist Voraussetzung von Tauschwert 12. Von den Tauschwertrelationen aus ergibt sich jedoch kein Weg zu den Preisrelationen. Der Zusammenhang von Wertbildung in den Produktionsprozessen und den Relativpreisen ihrer Warenresultate ist nur darüber hergestellt, dass die monetäre Steuerung der Warenpreise als Korrektiv gegen die Ungleichgewichtigkeit der Ökonomie operiert. Dass die monetäre Profitrate Gleichgewichtigkeit in der Realwirtschaft immer wieder anstreben muss, ist die spezifisch indirekte Weise, das Wertgesetz zu erfüllen. Die Logik der Verwertung von gesellschaftlicher Arbeitskraft und die Logik der Geldvermehrung sind sich insoweit ziemlich fremd. Das gestaltlose Wesen – Wert – scheint in die haltlose Existenz – Geld - , aber es schafft sich nicht dieses als seine ihm adäquate Form.
94
Schichten der Ökonomie
Die kapitalistische Wirklichkeit bleibt infiniter Zirkel zwischen Wertsubstanz und Wertform. Tatsächlich wird die Wertgröße nicht Bestandteil ökonomischen Planens und Steuerns. Diese Rolle kommt vielmehr monetären absoluten und relativen Größen - Preisen, Löhnen und Profitraten - zu. Nur scheinbar ist damit auch in der Monetärökonomie selbst das Telos des Wirtschaftens enthalten. Ihre Funktionalität wird jedoch erst vom Standpunkt der Pretialökonomie aus beurteilbar. Es kommt darauf an, die benutzten Institutionen und Regulative einer Ökonomie auf ihre Tauglichkeit daraufhin zu prüfen, ob sie Gleichgewichtigkeit und Effizienz der Realwirtschaft in selbst effizienter Weise zu steuern geeignet sind. Diese Frage wird in Kapitel 8.3.3. einer mathematischen Behandlung unterzogen. Die Preisformel reflektiert zugleich reale und pretiale Ökonomie. Sie reguliert Allokation und Distribution im einheitlichen Medium des Geldes.
4.3.1 Geld Der subsistenzwirtschaftlich Entscheidende setzt unmittelbar Ertrag und Ressourcenverbrauch ins Verhältnis. Er beurteilt seine Effizienz nach technischen Alternativen. Dasselbe Vorgehen wäre in einer arbeitsteiligen Gesamtwirtschaft erforderlich, die sich nicht in Einzelwirtschaften zerlegte. Die sowohl technisch als auch gesellschaftlich arbeitsteilige Ökonomie muss die doppelte Aufgabe lösen, den Konsumfonds qualitativ und quantitativ zu spezifizieren, sowie daraus abgeleitet den Verzehr miteinander kommensurabel gemachter Ressourcen zu minimieren. Sollen diese Aufgaben dezentral bewältigt werden, so bedarf es dezentral anwendbarer Regulative, die es gestatten, Handlungsalternativen zu bewerten. Der über Produktionsstufen tradierte Ressourcenverzehr ist durch ausreichende Zunahme an Konsumpotenzial zu legitimieren. Geldfunktionen Hier bietet sich die Verwendung eines einheitlichen Mediums an, in dem Dividend und Divisor ausgedrückt werden: Maß des Konsumentennutzens ist der
Monetäre Ökonomie
95
bezahlte Absatz, als Umsatz; Maß des Ressourcenverzehrs sind die als Beschaffung gezahlten Kosten des betrachteten Prozesses und seiner Vorlieger. Letztere enthalten, wie bei jedem Prozess, neben den Entgelten für natürliche Ressourcen auch die Anerkennung der Prozessleistung als Einkommen diverser Beteiligter, mindestens die Entlohnung der Arbeit. Mit dem Quotienten aus zwei Preissummen „Umsatz / Kosten“ sind damit zwei Dimensionen der Effizienz ausgedrückt: Schonung der Ressourcen einerseits, Anerkennung des gesellschaftlichen Werts der anteiligen Arbeiten andererseits. Ersteres gilt mit regionaler Relevanz: jede Ressourcenkategorie hat einen Preis, der sich aus den Ansprüchen aller Prozesse, die diese Region betreffen, insgesamt herleitet. Letzteres ist Ergebnis der intelligenten Allokationsentscheidung und Technikwahl. Die einzelwirtschaftliche Allokationsleistung trägt selbst zu den Preisdurchschnitten der Ressourcenkategorien bei, von deren Höhe ihre Entscheidungen abhängen. Indem der Quotient „Umsatz / Kosten“ stets einen Periodenbezug aufweist, ist als dritte Dimension der Effizienz die Größe des Zeitverbrauchs der Leistungserstellung ebenfalls berücksichtigt. Vom Geld wird verlangt, dass es den Vorgang der gesellschaftlichen Anerkennung wirtschaftlicher Leistung manifestiert. Als deren Indikator wechselt es den Besitzer, wird vom Konsumenten gegeben und vom Produzenten empfangen. Es ist Zirkulationsmittel. Diese Funktion übt es aus, indem weder Gläubiger, noch Schuldner der wirtschaftlichen Leistung selbst zur Emission von Geld befugt sind. Die Anerkennung der wirtschaftlichen Leistung erfolgt zugleich in bestimmter Höhe. Geld ist geeignet, eine feine Stückelung des Zahlungsbetrags auszudrücken und dessen Höhe. Nicht Geldbesitz überhaupt macht die Befugnis zur Teilnahme an bestimmter Zirkulation aus, sondern stets nur sein ausreichender Umfang. Geld tauscht sich gegen jegliche Ware, aber jeder einzelne Geldbesitzer reduziert sein endliches Budget, indem er als Konsument seinen Bedarf spezifiziert und durch Kauf befriedigt. Die beiden Transaktionen des Erfüllungsgeschäfts können auseinanderfallen: die Ware geht reell zum Käufer über, ihr Preis, als das Sollen der Ware, haftet ihr bloß ideell an. Der
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Schichten der Ökonomie
Käufer kann vorher oder nachher bezahlen, die tatsächliche Zahlung bezieht er dabei ideell auf die Ware. Geld ist Zahlungsmittel.
Schichten
Phasen
pretial
monetär
Aufbau Investition Profit / Wertschöpfung
Kreditgeld Amortisation
Betrieb
Einkommen Tauschwert
real
Abbau Fixe Produktionsmittel Effizienz
Kaufgeld
Preis zirkulierende Produktionsmittel Gebrauchswert
Tilgung Ressourcenentgelt
Transfergeld Zins
Endkonsum Nutzen
Abb. 4.1: Schichten und Phasen Verwertungsindikator kursiv
Das Volumen der Leistungsverflechtung der Einzelwirtschaften oder Personen untereinander ist nicht direkt von ihrer Liquidität abhängig. Diese ist nicht durch jeden einzelnen Kauf oder Verkauf belastet bzw. erhöht, sondern erst mit dem Zahlungsvorgang. Verbindlichkeiten und Forderungen gegenüber dem gleichen
Monetäre Ökonomie
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Geschäftspartner werden saldiert, Zahlungstermine werden zusammengelegt. Dieser Vorgang hält Verschuldungs- bzw. Kreditverhältnisse in einem rudimentären, vormonetären Stadium. Verschiebungen der Zahlungstermine nutzen die Geldfunktion der Wertaufbewahrung. Geldverwendung Mit der Arbeitsteilung und der Käuflichkeit aller Produktionsvoraussetzungen ist die Funktion gefordert, die gesellschaftliche Arbeit zu organisieren. Nicht von alleine verknüpfen sich die realwirtschaftlichen Prozesse als Vorleistungsverflechtungen, sondern aufgrund einer monetären Verwertungsregel. Zahlungskräftige Nachfrage muss entdeckt oder stimuliert werden, Herstellungsprozesse sind zu planen und zu realisieren, Betriebe müssen diesen zugeordnet oder begründet werden. Abgesehen davon, dass diese Konzeptionsphase selbst Ressourcen verbraucht, erfolgt anschließend eine Gestaltung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazität; Ideelles greift in Substantielles ein, findet darin seinen Ausdruck. Die Produktionsvoraussetzungen werden gekauft oder ihre Herstellung wird veranlasst. Da in der Regel dieser Aufwand nicht vom künftigen Umsatz der erst zu schaffenden Kapazität bezahlt werden kann, kann der erforderliche Geldbetrag nicht als Kaufgeld der Konsumenten zur Verfügung stehen, sondern muss geliehen werden. Kaufgeld tauscht Ware gegen Geld, Kreditgeld tauscht Geld gegen Geld zu einem anderen Zeitpunkt. Kaufgeld geht an den Lieferanten, anderes Kaufgeld kommt vom Konsumenten. Käufer und Verkäufer sind nach dem Erfüllungsgeschäft wieder quitt. Hingegen muss Kreditgeld dem Betrag der Hauptsumme nach an den Gläubiger zurückgezahlt werden, der Kredit ist jedoch damit begründet, dass das Geld zwischenzeitlich als Kaufgeld ausgegeben und wieder eingenommen wird. Während der Laufzeit des Kredits besteht eine Gläubiger-Schuldner-Beziehung. In dem Moment, in dem das Kreditgeld in den Wirtschaftsprozess eingreift, die Arbeit zu neuer oder anderer Produktionskapazität organisiert, hat es die meiste Kraft, Arbeit zur Wertschöpfung zu führen. Es ist junges Geld. Mit Kreditgeld werden die relativen Prozessintensitäten - Branchenproportionen -
98
Schichten der Ökonomie
organisiert, die Technik gewählt und neue Einkommensgelegenheiten generiert. Es verwandelt sich unmittelbar in Kaufgeld, das die Lieferantenketten entlang strömt, dem Fluss der Warenlieferung entgegen. Die Kraft, Kapazitäten zu organisieren nimmt dabei ab, die initiierte Kapazität stützt sich auf bereits vorhandene Kapazitäten. Die Geldschöpfung des Kredits, die die Wertschöpfung der damit organisierten Arbeit nach sich ziehen muss, geht auf jeder Stufe der Zulieferung in den Konsum aus Einkommen über, besorgt die Entwertung der Waren im Endkonsum. Zum anderen Teil versickert das Einkommen in der Ersparnis als dem Versuch, Wert als Geld aufzuheben. Aus der Wertschöpfung jeglicher Produktionsstufe werden darüber hinaus die synthetischen Kosten des sachlichen Ressourcenverzehrs bezahlt. Sie sind nicht technischen Erfordernissen der Realökonomie geschuldet, sondern dem Erfordernis, den Ressourceneinsatz zum Zweck der Allokation kommensurabel zu machen. Die synthetischen Kosten sind somit eine Alternative zu einer außerökonomischen Administration der Ressourcen. Auf die in der Wirtschaft geschaffenen Werte greift nicht nur diese selbst, sondern greifen auch die übrigen notwendigen Gliederungen des sozialen Organismus zu. Wie immer auch diese Zugriffe geregelt sind, insofern die Ansprüche über Warenbeziehungen erfüllt werden, ergibt sich neben Kredit- und Kaufgeld als dritte Verwendungsart das Transfergeld, das gegeben wird ohne weiteren Anspruch des Gebers. Dieses Geld kehrt in den Wirtschaftsprozess als Kaufgeld zurück, regelmäßig an der Stelle der Wertvernichtung im Endkonsum, damit aber auch als Zahlung an dessen Hersteller. Transfergeld ist altes, schwaches Geld 13. Geld gilt als solches, wenn es keinem besonderen Schuldner zugeordnet ist, sondern jeder Anbieter von Waren gegen dieses zu tauschen bereit ist. Es ist Austauschbarkeit
überhaupt,
die Verdinglichung eines gesellschaftlichen
Verhältnisses. Ein verbrieftes Schuldrecht mag bei Zirkulation und Zahlung benutzt werden, es genießt jedoch nicht das Privileg allgemeinen Vertrauens. Diese Verallgemeinerung des Vertrauens ist Substitut dafür, dass Geld nicht notwendig als werthaltiges Material (Gold, Silber) auftritt. Erst bei Verall-
Monetäre Ökonomie
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gemeinerung eines Vertrauensverlusts könnte es seine Rollen nicht mehr wahrnehmen und müsste gegen einen allgemein anerkannten Gebrauchswert ausgemustert werden. Wertaufbewahrungsfunktion
kann
es
nur
aus
seiner
allgemeinen
Zirkulationsmittelfunktion heraus erfüllen. Umgekehrt impliziert die von der Warenzirkulation zeitlich getrennte Zahlung die Wertaufbewahrungseigenschaft von Geld. Geldsurrogate geringeren Liquiditätsgrades gelten zugleich als Geld als auch als Ware. Forderungen sind, soweit sie gehalten werden, kein Geld. Sie treten als solches auf, wenn sie erneut zirkulieren, also erst wieder quasi als Ware getauscht werden. Mit der Entstehung der Forderung erhält der Schuldner Geld oder ihm ist die Zahlung aufgeschoben worden. Der Gläubiger als Besitzer der Forderung gibt diese in die Zirkulation oder liquidiert sie vor Endfälligkeit. Indem die Ertragserwartung zur Ware wird, wird der Geldbegriff unscharf. Zugleich liegt hierin die Möglichkeit eines illusionären Vermögenszuwachses weit über das Maß zusätzlichen Realvermögens hinaus. Geldmenge Arbeitsteilung vorausgesetzt, muss die tatsächliche Bereicherung in einer Gesellschaft wechselseitig ermöglicht werden. Das dezentral verfügbare Regulativ des Erwerbseinkommens operiert jedoch gerade mit dem Schein individueller Bereicherung durch individuelle Anstrengung derselben Person. Ihre wirtschaftliche Leistung stellt sich als Produktion von Geld dar. Abstrakter Reichtum ist jedoch kein Reichtum. Als bloß festgehaltene Liquidität kann Geld nicht als Geld gelten. Zwar lässt sich derart ein nomineller Betrag im Zeitablauf bewahren, was er bewirkt in der Ökonomie muss sich erst wieder zeigen, wenn er verausgabt wird, als Geld fungiert, also zur Zahlung und Zirkulation eingesetzt wird. Wird etwa Liquidität von den Währungsbehörden via Effektenverkauf der Wirtschaft entzogen, so hat sich dadurch die wirkende Geldmenge insgesamt verringert. Ebenso gut können Personen ihr Geld bloß horten, d.h., Liquidität festhalten und damit von der Zirkulation ausschließen. Als bestimmtes Quantum erscheint Geld als ein Bestand;
100
Schichten der Ökonomie
Wirkung kann es in der Ökonomie nur entfalten, wenn es zirkuliert, d.h., in einer Periode nach Maßgabe seiner Umlaufgeschwindigkeit Zahlungen besorgt hat. Die Bestandsgröße Geld muss die Stromgröße Handelsvolumen vermitteln. Nur im Tauschvorgang beziehen sich Geld und Warenwert aufeinander. Geld existiert ausschließlich in der Interaktion von Wirtschaftssubjekten, eben als Kauf, Kredit usf., kann nicht selbst ohne diese in der Realökonomie eine Bewegung auslösen; Wert muss hingegen sehr wohl in dieser erst geschaffen werden, Arbeit muss sich als Wert vergegenständlichen, bevor Ware zur Zirkulation ansteht. Dies ändert sich nicht dadurch, dass die entfaltete Warenproduktion um der Geldvermehrung willen stattfindet. Die Bestimmung einer „Geldmenge“ ist daher problematisch. Geld wird je als bestimmtes Quantum benutzt, als Preis, Kredit usf.. Ein völlig Begriffsloses entsteht, wenn das benutzte mit dem unbenutzten Geld summiert wird. Jemand kann Ware besitzen, diese kann den Besitzer wechseln. Sie gehört nicht gleichzeitig dem alten und dem neuen Besitzer. Dass Geld als Besitz angesehen wird, ist bloß kollektive Denkgewohnheit. Es taugt lediglich zu Zirkulation und Zahlung; Wertaufbewahrung ist eine ihm äußere Bestimmung, in der es keine Existenz hat. Also ist auch die Wertaufbewahrungsfunktion außerhalb der Käufe bzw. Verkäufe zu sichern und kann sich nicht unmittelbar aus deren Logik ergeben. Gerade an der Wertaufbewahrungsfunktion zeigt sich, dass Kauf und Verkauf, im Gegensatz zum Warentausch, beide Kontrahenten formell mit dem Ganzen ihres Ökonomiesystems verbinden. In der Genealogie des Werts liegt nicht das Geld, in der des Geldes nicht der Wert. Letzterer tritt im Tausch in Erscheinung, entsteht aber schon stets in der Produktion. Geld muss sich seines Substanzwertes entledigen, bloßes Wertzeichen werden, um so sämtlichen gesellschaftlichen Verhältnissen seinen Ausdruck verleihen zu können. Mit der dann möglichen Verschränkung von Produktion und Warenzirkulation wird es möglich, dass Geld und Wert sich funktionell berühren. Die Vermehrungslogik des Geldes wird der Wertproduktion oktroyiert; Wert
- keine Eigenschaft der Ware, sondern gesellschaftliche
Zuschreibung -
findet einen eher inadäquaten Ausdruck im Preis als
Monetäre Ökonomie
101
spezifischem Geldquantum. Geld wird daher als dingliches Substitut der tatsächlich fehlenden direkten funktionellen Abstimmung zwischen Produktion und Konsumtion zum entfremdeten Gattungswesen 14. Wie also können Geldvermehrung und Wertschöpfung sich historisch aufeinander zu bewegen ? Indem im Geld die Generalisierung des Wertausdrucks mit der Formalisierung des Produktionsprozesses als Metamorphose käuflicher Waren in käufliche Waren verwechselt wird 15. Das Allgemeine kann nicht schon deswegen, weil es allgemein ist, auch Ganzheit verbürgen. Das Kontinuum von Wertschöpfung und Wertverzehr gewinnt durch die Warenzirkulation nur zu einzelnen Zeitpunkten monetären Ausdruck. Bezogen auf einzelne Schuldner und Gläubiger ist Liquidität nur zu bestimmten Zeitpunkten und in bestimmter Höhe erforderlich, so dass die Wertaufbewahrungsfunktion
von
Geld
auch
von
Forderungen
mit
geringerem
Liquiditätsgrad erfüllt wird. Zentralbankgeld in der Verfügung des Nichtbankensektors der Ökonomie macht daher nicht die ganze Geldmenge aus. Dass sich empirisch ein im Zeitablauf stabiler Zusammenhang zwischen Geldmenge und dem damit in einer Periode vollzogenen Handelsvolumen zeigt, hat zu der Vorstellung geführt, die Geldmenge könne als exogene Variable ursächlich für das Niveau der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten gelten16. Richtig ist lediglich, dass die Monetisierung einer wachsenden Ökonomie unzulänglich oder überschüssig ausfallen kann. Die Notenbank manipuliert die Geldmenge
allenfalls
indirekt
über
die
knappe
oder
reichliche
Liquiditätsausstattung der Wirtschaft. Sie kann nur monetisieren, was als Schuldverhältnis in der Wirtschaft entsteht. Geldschöpfung Zum
Kredit
käme
es
nicht,
wenn
sich
Einnahmeüberschüsse
und
Liquiditätsbedarf stets in einer Hand befänden. Deren Auseinanderfallen in zeitlicher und personeller Hinsicht macht die Existenzberechtigung von Finanzintermediären aus. Von gesamtwirtschaftlicher Relevanz ist allerdings gerade der Tatbestand, dass Überschüsse und Defizite auch dem Volumen nach in
102
Schichten der Ökonomie
der gleichen Periode differieren: das Investitionsvolumen ist nicht vom Sparvolumen beschränkt, umgekehrt führt kein Weg zwingend von den Ersparnissen zur Investition. Zum einen sind demnach Einkommensüberschüsse als Ersparnisse im Bankensektor einzusammeln und im Aktivgeschäft als Kredite zu vergeben, zum anderen muss eine wachsende Ökonomie, deren Wachstum sich in zunehmendem Handelsvolumen ausdrückt, mit zusätzlichem Geld versorgt werden. Dieses gelangt nicht dadurch in die Wirtschaft, dass sich im Portemonnaie jeder Penny verdoppelt, auch nicht durch Abwurf aus einem Hubschrauber
17
, sondern
dadurch, dass vom Bankensektor ein Kredit gewährt oder eine verbriefte Forderung aufgekauft wird. Er stellt sich dabei auf die Gläubigerseite des Schuldverhältnisses. Der vormalige Gläubiger wird Geldbesitzer, also Gläubiger der Gesamtwirtschaft. Im Normalzustand der kapitalistischen Ökonomie wird zusätzliches Geld nicht verschenkt. Die Monetisierung der Ökonomie ist somit auf die Zunahme der Verschuldung angewiesen. Der Bankensektor kauft die Forderung auf, bezahlt jedoch nicht mit wirtschaftlicher Leistung, sondern schreibt den Betrag gut bzw. emittiert Geld. Zur Fälligkeit gebührt ihm nicht nur die Hauptsumme als Geld gegen das Erlöschen der Forderung, sondern während der Restlaufzeit entsteht darüber hinaus ein Zinsanspruch. Die Namen der Münzen erinnern teils an werthaltiges Geldmaterial (Taler, Silberling), teils an Gewicht (Peso, Pfund). Die zur Geldemission ermächtigte Institution gibt Zeichen aus gegen den selbst wieder monetären Anspruch auf wirtschaftliche Leistung. Sie vereinnahmt einen Münzgewinn, auch wenn Geld nur als Giralgeld existiert. Auch ohne Neuemission von Geld wäre die Kreditvergabe des Bankensektors nicht auf das Volumen der Einlagen beschränkt. Von diesen weiß man, dass sie nur zu einem Bruchteil als Bargeld in Anspruch genommen werden, der größere Teil verbleibt im Gironetz. Auch ein bewilligter Kredit gelangt kaum zur Barauszahlung, sondern wird vom Schuldner zu unbaren Zahlungen angewiesen. Insofern existiert keine physische Schranke des Aktivgeschäfts in Form eines Barmittelbestands.
Wenn
es
gelingt,
auch
die
kleinen
Beträge
der
Monetäre Ökonomie
103
Alltagsgeschäfte unbar abwickeln zu lassen, etwa mit Kartengeld, so ist dem Bankensektor bzw. den Betreibern von Kartengeld die Möglichkeit zur Liquiditätskrise gänzlich genommen Aktivvolumens
aus
dem
18
. Insofern muss nur ein Teil des
Einlagegeschäft
oder
aus
dem
Geldhandel
Refinanzierungskosten verursachen. Banken schaffen Kreditgeld. Ihnen ist an Monetisierung wirtschaftlicher Beziehungen, personellem Auseinanderfallen von Liquiditätsüberschuss und Liquiditätsmangel, sowie diskreten Zahlungsgewohnheiten gelegen. Das Bankgeschäft „Zahlungsverkehr“ wäre
gering,
wenn
Einzelwirtschaften
ihre
Leistungsverflechtung
mit
Warenlieferungen kompensierten, Investitionen als Eigenleistung zu bewerkstelligen wären und Zahlungsflüsse ein Maximum an Kontinuität annähmen in der Form, dass viele Termine mit geringen Beträgen vereinbart werden, statt weniger Termine mit großen, differierenden Beträgen. Das zinstragende Geldkapital ernährt sich von der Änderungsdynamik der Wirtschaft, nicht von ihrer Verstetigung. Im Kreditgeschäft verdient der Bankensektor am Zins und am Volumen. Schuldner mit hoher Bonität bekommen unter sonst gleichen Umständen bessere Konditionen, Schuldner mit geringer Bonität zahlen einen höheren Zins, da sie innerhalb ihrer Risikoklasse den Tilgungsausfall ausgleichen müssen. Wäre die Bonität von Einzelwirtschaften an die hohen Kapitalwerte ihrer Investitionen gekoppelt, so bräuchten diejenigen mit hoher Leistungsfähigkeit nur niedrige, und müssten diejenigen mit geringer Leistungsfähigkeit hohe Zinsen zahlen. Das derart differenzierte Zinsniveau wäre Rationierungsmittel, das das Kreditvolumen begrenzte. Dieses wäre nur auszudehnen unter Inkaufnahme geringeren Zinsniveaus. Man erzielte ein Ertragsmaximum, wenn die Kreditvergabe bis zu dem Punkt ausgedehnt wird, an dem die damit verursachten Refinanzierungs-, Ausfall- und sonstigen Kosten nicht mehr von Mehreinnahmen des erhöhten Volumens bei verringertem Zins kompensiert werden könnten. Die derart vollzogene Ausweitung der Geldmenge ist noch nicht preistreibend. Erst insofern das kaufmännische Kalkül der Kreditverwender irrig ist,
muss
eine
z.B.
branchenspezifisch
überlastete
Ökonomie
mit
104
Schichten der Ökonomie
Preiserhöhungen einen Nachfrageschub rationieren. Kreditgeld wird Kaufgeld und stößt dabei an eine, eventuell nur temporäre, realwirtschaftliche Grenze. Man urteilt danach unschwer, dass diese Investition und die vorangehende Kreditvergabe hätte unterbleiben sollen, sofern die Geldmengensteuerung der Preisstabilität verpflichtet ist. Wird jetzt mit zeitlicher Verzögerung die weitere Kreditvergabe gedrosselt, so könnten gerade induzierte Investitionen in den Engpass gewordenen Branchen betroffen sein. Die realwirtschaftliche Ursache der Rationierung durch Preisanhebung kann dann nicht beseitigt werden. Ein anderes Beispiel unzulänglicher Interpretation des Preisniveaus wäre etwa einsetzende Hochpreispolitik nach erfolgreicher Monopolisierung eines Marktes: hier wären die Prozessintensitäten reduziert, um die Produzentenrente erhöhen zu können. Preissteigerungen indizieren in diesem Fall keinen Nachfrageüberhang, sondern umgekehrt ein Angebotsdefizit. Würde dann ein konkurrierender Anbieter durch Kreditvergabe gefördert, könnte das Preisniveau wieder gedrückt werden. Gewiss kann die Geldmengensteuerung die Alimentation von Preissteigerungen global verweigern. Sind diese bereits manifest, so wird derart die realwirtschaftliche Störung mit einer weiteren monetären Störung behandelt. Dem allgemein
gültigen
Geld
wird
dabei
zugemutet,
die
je
besonderen
einzelwirtschaftlichen Aktivitäten zu regulieren, damit das nach einem Index gemessene Preisniveau stabil bleibt. Zum Insichsein des Geldes gehören alle Formen, in denen es sich auf sein anderes beziehen kann: bei temporaler Differenz im Kredit, bei regionaler Differenz als Währungsparität. Das Pendant zur Produktion in der Realökonomie ist die Spekulation in der Monetärökonomie. Insoweit im Geld eine formelle Totalität der Ökonomie zustande kommt, ist mit den bloß monetären Transaktionen auch stets die Bindung an alle anderen Ökonomieteilnehmer hergestellt, d.h. der Ertrag der Transaktion lässt sich nicht endgültig mit dem Kontrahenten vereinbaren.
Monetäre Ökonomie
105
Ein Kreditgeber verliert mit dem Festzins bei unerwartet ansteigendem Preisniveau. Der Schuldner in Fremdwährung gewinnt bis zum Zahlungstermin an deren zunehmendem Außenwert. Sobald sich also Geld auf Geld bezieht, ohne einen Weg durch die gesellschaftliche Arbeit zu nehmen, sind die Gewinne des einen Kontrahenten auch gleichzeitig die Verluste des anderen.
4.3.2 Zins Schulden bestehen komplementär zum Geld, Forderungen substituieren es. Der Zins macht aus Schulden Geld. Er zieht die ökonomische Zukunft in die Gegenwart. Geld allein entbehrt der Zeitdimension. Sollten Schulden unmittelbar liquide sein, so fehlte ihnen auch dieses bloß formale Gütekriterium ihrer Zukunftstauglichkeit. Wer einen Wechsel indossiert, beansprucht spezielles, nicht allgemeines Vertrauen. Der Zins muss seiner Höhe nach unzureichende von zureichenden Einzahlungsüberschüssen aus der Verwendung von Kreditgeld unterscheiden. Seine Bezugsgröße ist daher nicht nur die Hauptsumme, sondern gerade auch die Laufzeit. Zur Endfälligkeit muss sich spätestens die Rentabilität der Kreditgeldverwendung erweisen. Der Zins ist als Rate zu berechnen, als die er Betrag und Laufzeit integriert. Der gleichgewichtige Zins kann nicht die durchschnittliche Profitrate übersteigen, von der er existieren muss. Geld wird portfoliotheoretisch als zinslose Forderung klassifiziert. Damit stellt der Zins eine Brücke zwischen monetärer und pretialer Ökonomie dar, die wiederum die Realökonomie dirigiert 19. Die Allokation in der Realökonomie ist als Geldproduktion bzw. Geldvermehrung organisiert. Geld vermehrt sich jedoch nicht als Geld, sondern nur als Ausgabe und Einnahme im Rahmen einer rentablen Investition. An dieser Quelle der Wertschöpfung findet sich daher die größte Bruttorate der Verwertung. Dass sie um ihrer Messbarkeit willen monetären Ausdruck finden muss, ändert nichts an ihrer Zugehörigkeit zur Pretialökonomie. Geld ist nicht gegenüber Wertschwankungen, aber gegen das Risiko fehlender Rückkehr aus einer Investitionsausgabe sicher. Als Spekulation auf die Zukunft ist der kurzfristige
106
Schichten der Ökonomie
Kredit sicherer als der langfristige Kredit. Die Verschuldung ist daher auch nach dem Kriterium der Liquidität zu ordnen. Die normale Zinsstrukturkurve weist mit abnehmender Liquidität der Forderung einen höheren Zinssatz auf. Im Normalzustand der Ökonomie nimmt daher die Verwertungsrate entlang der Reihenfolge Geld, Kredit, Investition zu. Dabei hat der kurzfristige Kredit mit höherer Liquidität eher Geldeigenschaften als der langfristige Kredit, er verzinst sich daher geringer. Der Zins drückt das Zusammenspiel von pretialer und realer Ökonomie aus, das Gelingen des Spielverlaufs zeigt sich an seinem hohen Niveau. Das Saatgut des landwirtschaftlichen Betriebs wird nach den Erfordernissen des Anbauplans der Folgeperioden bestimmt. Nur dessen Komplement bis zum gesamten Ertrag der Periode kann konsumiert werden. Ersparnisse aus Einkommen und das Investitionsvolumen müssen demgegenüber nicht kongruent sein. Sowohl das zur Akkumulation vorgesehene Geldkapital kann die Resorptionsfähigkeit der Realökonomie übersteigen, als auch umgekehrt deren Expansion so stark ausfallen, dass über die Umleitung der Ersparnis hinaus Verschuldung monetisiert werden muss. Die gelingende Überführung des Geldkapitals in Realkapital ist ein Moment hoher Verzinsung; ein Überschuss des Geldkapitals muss das Zinsniveau drücken. Zwar ist bei kreditfinanzierter Investition der Fremdkapitalzins Kostengröße gegenüber der Profitrate, jedoch wird auch ein steigender Zins getragen, solange keine günstigere Alternative aus Investition und Finanzierung erkannt wird. Umgekehrt werden daher die Profitraten in einer desorientierten Realökonomie mit der monetären Maßnahme der Zinssenkung nicht saniert werden können; der niedrige Zins ist bloßer Ausdruck der schlechten wirtschaftlichen Lage. Die Akkumulationsraten machen den Zinstrend aus, nicht umgekehrt. Inflation Wenn das Kreditgeschäft erwerbswirtschaftlich organisiert ist, stellt sich die Frage,
ob
das
ertragsmaximierende
Vergabevolumen
innerhalb
eines
inflationsfreien Niveaus liegt oder Kreditlinien über dieses Niveau hinaus
Monetäre Ökonomie
107
eingeräumt werden. Muss der Kreditgeber ein steigendes Preisniveau erwarten, so wird er einen über dem Realzins liegenden Nominalzins verlangen. Soweit der investierende Schuldner seine besondere Preiserwartung inflationsfrei sieht, verschlechtert sich damit dessen Ertragserwartung. Er wird durch den inflationierten Zinssatz marginalisiert. Geht umgekehrt der Kreditgläubiger, beispielsweise der Bankensektor, von konstantem Preisniveau aus, während die Kreditnehmer Preiserhöhungsspielraum sehen, so gewinnt der Bankensektor über das Volumen und verliert über den gesunkenen Realzins. Die Kreditvergabe aus dem Bankensektor heraus ist nicht zwingend Indiz der Investitionstätigkeit in der Ökonomie. Abgesehen davon, dass auch unproduktive Konsumenten bereit sind, für ihren Gegenwartskonsum aus künftigem Einkommen Zinsen zu zahlen, muss der produktive Konsument nicht investieren, sondern mag den Kredit aus Liquiditätsgründen aufnehmen. Nicht nur zum Investitionszeitpunkt muss Kreditgeld den erwarteten Konsumenten substituieren, sondern nach fehlgeschlagener Preis-, Mengen- und Terminspekulation des Investors soll der Kredit über den fehlenden Konsumenten der eigenen Leistung hinweghelfen. Die Rentabilität der Kapazität verringert sich, befindet sich möglicherweise bereits im negativen Bereich, jedoch ist die Liquidität der Einzelwirtschaft prolongiert. Hiermit wird keine zusätzliche Nachfrage finanziert, sondern ein bestehendes Ausgabeniveau stabilisiert. Nicht wie viele, sondern welche
Forderungen
der
Bankensektor
finanziert,
entscheidet
über
Geldwertstabilität oder Inflation. Die Mechanismen der Kreditvergabe sind erstens geeignet, Kapazitätsaufbau jenseits des reproduktiven Niveaus bzw. außerhalb der reproduktiven Struktur herauszubilden, sie ermöglichen zweitens, die notwendige realwirtschaftliche Korrektur zu verzögern. Solange illusionäre Kreditketten durch Verweigerung der fälligen Forderungsabschreibung einfach prolongiert werden, erspart man sich zwar den Schmerz des unplanmäßigen Kapazitätsabbaus, setzt jedoch damit die unproduktive Ressourcenbindung fort. Der Kredit vermittelt die Wertschöpfung, er ersetzt sie nicht.
108
Schichten der Ökonomie
Inflation ist der bloß monetäre Ausdruck eines realwirtschaftlichen Fehlers, der sich aus einem pretialwirtschaftlichen Irrtum ergibt. Überflüssiges Geld steht in der Ökonomie in der Höhe, in der sich Verschuldung nicht durch erfüllte Ertragserwartungen wieder auflöst. Dass die Geldmenge dem Wert der betriebenen Produktionskapazitäten entspricht, ist eine stark idealisierte Bestimmung, die sich nur langfristig geltend machen kann. Schließt man von einer investiven, also gerechtfertigten Verschuldung auf die damit erstellte Kapazität, die allein Zins und Tilgung ermöglicht, so stimmte die getroffene Abschätzung. Abgesehen von der Eigentumsfrage ist aber dadurch, dass eine Geldmenge mit Produktionsmitteln gedeckt ist, noch kein Bezug zum Liquiditätsbedarf hergestellt, der zur Vermeidung von Preisdruck bei der Geldschöpfung relevant ist. Definiert man andersherum die Geldmenge als das Volumen der offenen Schulden, so können die Schuldner durchaus differierende Bonität aufweisen, d.h. „gute“ oder „schlechte“ Schuldner sein. Inflation beeinträchtigt die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes. Daraus stimuliert sie die Zirkulationsfunktion. Der Geldbesitzer bzw. Konsument kauft, um dem Wertverfall der Liquidität zuvorzukommen. Der Produzent stützt sich mittelbar auf einen in dieser Situation entstehenden Wertaufbewahrungseffekt des Warenbesitzes. Seine Einnahmen aus späteren Verkäufen bieten den Schein der Verwertung durch bloßen Zeitablauf , da nicht-indexierte Schulden in nomineller Höhe bestehen bleiben. Die beginnende Inflation, die sich auf die Geldillusion in den längerfristigen Kontrakten stützen kann, stimuliert die Produktion, indem sie die monetären, also lediglich nominellen Profitraten in den Zeit verbrauchenden Produktionsprozessen erhöht. Sie desorientiert zugleich deren reproduktive Proportionen. Unrentable Prozesse werden von der Grenze zur Illiquidität entfernt. Man kann nicht von „schlechten“ Schuldnern sprechen ohne den großen kollektiven Konsumenten „Staat“ zu erwähnen. Seine einzige originäre Einnahmequelle sind Steuern, jedoch wird ihm zugebilligt, Kredite zu nehmen, um seinen Verbrauch bestreiten zu können. Deren nachfolgende Verzinsung und
Monetäre Ökonomie
109
Tilgung können letztlich nur aus künftigem Steueraufkommen gespeist werden. Mit seinen kreditfinanzierten Ausgaben ist er genauso in der Lage, Preisdruck zu erzeugen wie eine zu hohe Akkumulation. Im Gegensatz zur Schaffung von Produktionskapazitäten haben jedoch Konsumausgaben nicht die Wirkung, über die
Ausweitung
der
Warenmenge
inflationäre
Angebotsdefizite
bzw.
Nachfrageüberhänge zu beseitigen. Wird bei auftretenden Engpässen der Produktion der unproduktive Eigenverbrauch des Staates vorrangig bedient, so müsste Preisstabilität dadurch aufrecht erhalten werden, dass pari passu investive Ansprüche an Ressourcen und Kapazitäten unterbleiben. Ferner gilt es als üblich, dass der Staat den Ertrag der Produzenten als Anknüpfungspunkt seiner Besteuerung wählt. Je nach Ausgestaltung trifft er damit die Verwertungsraten, nach denen sich die erwerbswirtschaftlich orientierte Ökonomie steuert. Die Rentabilitätsdifferenzen alternativer Investitionen werden durch die niedrigeren Raten der Nettoverwertung eingeebnet. Muss das einzelwirtschaftliche Kalkül zum
Zeitpunkt
der
Investition
von
Geldkapital
auf
eine
niedrigere
Nettoverwertung abstellen, so unterliegt diese eher der konkurrierenden Finanzanlage am Rentenmarkt, an dem sich derselbe Staat zinstreibend verschuldet. Ob nun der Staat sein ökonomisches Gewicht zugunsten öffentlicher Wohlfahrt oder zur Subvention des privatkapitalistischen Profits einbringt, sein Wirken bleibt stets an die Fähigkeit des profitablen Sektors gebunden, Überschüsse zu produzieren, die er vereinnahmen kann. Er wird sich also, da er die Zyklizität der kapitalistischen Wirtschaft nicht verhindern kann, im Notfall um die Wiederherstellung der Akkumulation bemühen. Preisindex Der Preis ist Attribut einer Ware, der sogenannte Geldwert soll gegenüber allen Waren
gelten.
Für
die
entscheidungsrelevante
Verwertungsrate
der
Einzelwirtschaften sind nur deren je spezifische Beschaffungs- und Absatzpreise relevant. Die Preisschwankungen sind als Argument für die Schwankungen der monetären Verwertungsraten notwendiges Ereignis zur dezentralen Regulation. Jede wirtschaftliche Einheit, Person oder Einzelwirtschaft, hätte ihren
110
Schichten der Ökonomie
individuellen Geldwert zu bestimmen. Ihre wirtschaftlichen Absichten sind keine anderen, als diesen zu maximieren: beschaffungsseitig durch niedrige, absatzseitig durch hohe Preise. Der Gebrauchswertzusammenhang der Einzelwirtschaften in der Gesamtwirtschaft in Verbindung mit dem Verwertungsratenausgleich wird für die Fiktion einer allgemeinen Preisbewegung beansprucht. Kapital soll von steigenden Verkaufspreisen
angezogen,
von
Preisverfall
abgestoßen
werden.
Der
Preisbewegung soll eine Mengenreaktion folgen. Hätte die Mengenreaktion die Verwertungsraten
wieder
ausgeglichen,
so
wäre
eine
Preisbewegung
allgemeingültig, d.h. ohne weiteren Anpassungseffekt. Erst unter dieser Voraussetzung könnte man von Inflation oder Deflation sprechen. Ohne diese Voraussetzung sind beide Phänomene etwa branchenspezifisch zu deuten. Die Deflation einer Branche wird nicht dadurch gemildert, dass andere Branchen noch inflationieren. Ob das im Vollzug der wirtschaftlichen Regulation erforderliche Auf und Ab der Preise insgesamt stabiles oder steigendes Preisniveau bedeutet, ergibt sich aus den gewählten Warenkörben, mit denen die Indizes gemessen werden. Dass diese steigendes Preisniveau anzeigen, heißt jedoch nicht, dass abgesehen vom Preisniveau keine strukturellen Anpassungen der Produktionsprozesse erforderlich wären. Andernfalls könnte die bloße Indexierung aller Preise inflationäre Entwicklungen neutralisieren. Das auf monetärer Ebene global messbare Problem beruht auf fehlender pretialwirtschaftlicher Entsprechung von Produktion und Konsum aller Waren. Werden dagegen global wirkende Mittel - Anhebung des Refinanzierungszinses oder Verknappung der Liquidität - eingesetzt, so lässt sich das Symptom nur mit kontraktiver Wirkung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität kurieren.
Darin
ist
die
Zinspolitik
nicht
besser
geeignet
als
die
Geldmengensteuerung. Immerhin hat gegenüber der Liquiditätsverknappung eine Zinsmanipulation den Vorteil, dass sie auf differierende Profitraten differenziert wirkt, d.h. die weniger rentablen Prozesse eher marginalisiert als beispielsweise diejenigen der Engpassprozesse, die Zinskosten leichter auf ihre Verkaufspreise überwälzen können bzw. mit hoher Bruttoprofitrate verkraften.
Monetäre Ökonomie
111
Alle gesamtwirtschaftliche Steuerung muss sich einzelwirtschaftlich vermitteln. Man hat daher zu fragen, inwiefern die benutzten Institutionen und Regulative im Wirtschaftsleben nicht auch oder besser ohne gesamtwirtschaftliche Steuerung wünschenswerte Zustände der Ökonomie herstellen. Liegt die gesamtwirtschaftliche Steuerung lediglich darin, dass der sich wirtschaftliche Kompetenzen anmaßende Staat in den Politikvariablen Staatsquote und Geldverwaltung schädigende Einflüsse reduziert ? Oder hat unter den vorherrschenden Institutionen und Regulativen die staatsfreie Ökonomiedynamik per se destabilisierende Effekte ? Falls beide Fragen zu bejahen sind, stellt sich die Aufgabe, Kompetenzen zwischen Staat und Ökonomie korrekt festzulegen und Institutionen und Regulative ihres Betriebs auf hinlängliche Tauglichkeit zu überprüfen. Deflation Die bloß monetärwirtschaftliche Sicht auf die arbeitsteilige Ökonomie verlangt die Fortsetzung der Zirkulation. Schlechte Schulden werden, solange möglich, umverteilt bzw. liquidiert. Der Folgeschaden zerreißender Kreditketten wird gefürchtet.
Der
prolongierte
Kredit
vermeidet
die
realwirtschaftliche
Restrukturierung und wirkt inflationär. Die realwirtschaftliche Restrukturierung müsste als Reduktion der gesamtwirtschaftlichen Volumina • Beschäftigung • Auslastung • Zirkulation beginnen. Der Preisanstieg wäre damit gebremst. Gerade dann, noch mehr aber bei Deflation, hätte die Produktion nicht nur ihre nominale Verwertungsrolle verloren, sondern Geld hätte sie bekommen. D. h., es wird gerne eingenommen, aber ungern ausgegeben. Käufe werden verzögert. Indem es außerhalb der Zirkulation bleibt, muss sich die Produktion einschränken. Die Deflation hat selbstverstärkenden Charakter. Monetärwirtschaft und Realwirtschaft wirken gleichgerichtet in die Kontraktion. Eine Deflation kann durch den Bankensektor nicht gebremst werden.
112
Schichten der Ökonomie
Sofern zumindest die beginnende Inflation unter Ausnutzung der Geldillusion die Produktion stimuliert, ist dem Verfall des Geldwerts mit zunehmendem Handelsvolumen entgegen gearbeitet. Inflation muss durch weitere Liquidität erst alimentiert werden. Dem kann überhaupt geldpolitisch entgegen gewirkt werden. In der Deflation wird Geld gehortet, in der Inflation werden Waren gehortet. Dies wirft Licht auf das Gebot der Geldwertstabilität.
4.3.3 Kapitalmarkt Profit und Zins Investor und Rentier bekommen Teile des Einkommens unter den Rubriken Profit und Zins. Bei Fremdfinanzierung hat der Investor den Rentier zu bedienen; sind Investitionsausgaben aus eigenen oder thesaurierten Mitteln alimentiert, geht der Rentier leer aus. Was fehlte, wenn die Rolle des Rentiers entfiele ? Dass unverteilte Profite zur Erweiterung des profitablen Prozesses reinvestiert werden, gehört als Vorstellung einer dynamischen, jungen Phase der entfalteten Warenproduktion an. Geldkapital kann den Ort seiner Entstehung verlassen und wird es tun, sofern es an anderer, z.B. neuer Stelle profitabler fungieren kann. Die Rollenverteilung zwischen Investor und Rentier reflektiert das Erfordernis der beständigen Reallokation von Geldkapital zwischen Einzelwirtschaften. Beide zusammen machen erst die Eigentümerseite der kapitalistischen Produktion aus. Der tatsächliche Verwender, der als Unternehmer Geld in Ware verwandelt und den profitablen Produktionsprozess zu organisieren hat, kann selbst eigentumslos sein. Er bewirkt die hohe oder schlechte Verwertungsrate der Eigenmittel des Investors, dessen Einkommen davon abhängt. Diese Arbeitsteilung birgt das Risiko, dass der Investor sich auf die Vereinnahmung des Ertrags beschränkt und die eingesetzte Geschäftsführung ihren sozialen Status gerade dadurch reproduziert, dass sie den Investor von den Unstetigkeiten des Geschäftsverlaufs ausnimmt: ihm wird die Ausschüttung verstetigt. Er erhält diese in Höhe eines mehrperiodischen Durchschnitts. Eine anhaltend schlechte Lage wird dadurch kaschiert, dass Substanz als Ertrag
Monetäre Ökonomie
113
deklariert und ausgeschüttet wird. Die Eigenmittel können um die Fremdmittel des Rentiers erweitert sein. Dieser orientiert seine Leihe an einer allgemeinen Zinsrate der jeweiligen Laufzeit und Bonität. Er nimmt am günstigen oder schlechten Geschäftsverlauf bis auf das Ausfallrisiko nicht teil. Der Rentier bleibt bloßer Geldeigentümer, der Investor wird Eigentümer des Realkapitals. Das ZinsProfit-Verhältnis muss sich daher aus dem Verhältnis von Geld- zu Realkapital ergeben. In den vorangehenden Erörterungen ist für die Beeinflussung der Profitrate durch den Fremdkapitalzins vorausgesetzt, dass Investitionen nicht aus thesaurierten Gewinnen finanziert werden. Die Aussagen verlieren insofern an Kraft, als fremdfinanzierte und eigenfinanzierte Investitionen unterschiedliche Startbedingungen
aufweisen.
Die
Eigenleistung
der
Bereitstellung
von
Geldkapital weist bei Eigenfinanzierung den Preis Null auf. Trotzdem wird die höchstmögliche Eigenmittelverzinsung gesucht, d.h. der ersparte Fremdkapitalzins wird nicht in weniger rentablen Investitionen verschenkt. Allerdings macht es einen praktischen Unterschied, ob bei Eigenfinanzierung bloß ein kalkulatorischer Zins angesetzt wird, oder ob dieser tatsächlich auch wie bei Fremdfinanzierung auszuschütten ist.
Investor
und
Rentier sind nicht
dichotomisch voneinander getrennt. Bei gleicher Wertschöpfungsrate des Arbeitsprozesses wären Investoren wegen hoher Zinsen bereit als Rentiers zu fungieren, umgekehrt wagen sich Rentiers in die Rolle von Investoren (nicht: Unternehmern !), wenn ihre Zinserwartung längerfristig zu uninteressant wird. Rentable Investitionen sind nicht der einzige Anlass zur Verschuldung. Sie sind daher auch nicht ausschließliche Bestimmungsgröße des Zinsniveaus. Bleibt entgegen der Erwartung die Amortisation einer Investition aus, so muss der Kredit die Liquidität der Einzelwirtschaft und damit ihr Überleben retten. Insoweit ergibt sich Kreditnachfrage nicht nur aus den Aussichten auf rentable Investitionen, sondern gerade auch aus ihrem Scheitern. Die Zukunft wird nicht nur be-, sondern auch überlastet. Die Umschuldung des ausfallbedrohten Kredits findet am gleichen Markt statt, wie die Finanzierung einer rentablen Geschäftsidee.
114
Schichten der Ökonomie
Der Finanzier vergibt Kredite aufgrund der Besicherung, d.h. er stützt die Rückkehr der Hauptsumme auf die illusionären Wertspeicher Immobilien und Effekten, statt die Rentabilität der innovativen Investition zu verifizieren. Der Umschuldner hat möglicherweise bessere Aussichten auf frisches Geld, als der innovative, besitzlose Unternehmer. Letzterer muss mit dem Zinsversprechen des Verschwenders konkurrieren. Die Desiderate des Zinsregulativs sind in Kapitel 3.1.3. erörtert worden. Der Zins ist ein suboptimales Regulativ der dezentralen Allokation, aber er erledigt diese überhaupt. Dass der Zins über die dabei erforderliche Zahlung aus dem Ertrag der Investition hinaus auch noch beim Empfänger Einkommen wird, d.h., dass die Leistung der Kreditvergabe erwerbswirtschaftlich organisiert ist, verleiht der Monetärökonomie soviel eigene Bewegungslogik, dass sie die Realwirtschaft nicht nur reguliert, sondern auch beeinträchtigt. Zins als Einnahme ist einer der Gründe,
der
die
realwirtschaftliches
arbeitsteilige Potenzial
in
Ökonomie den
daran
damit
hindert,
möglichen
ihr
volles
Konsumfonds
einzubringen. Effektenbörse Die Notwendigkeit, akkumuliertes Geldkapital vom Besitzer zum Verwender zu überführen, macht sich in der Einrichtung der Effektenbörse bemerkbar. Hier werden Eigentums- und Ertragsrechte bezüglich fungierender Kapitale ausgetauscht, im Fall der Emission kommt das angelegte Geld sogar den Gesellschaften zugute, andernfalls verfügen die Vorbesitzer nach Belieben darüber. Wenn eine Majorität an Zusteigenden eine Minorität an Aussteigenden alimentiert, kommt die Hausse zustande. Sie nährt sich selbst, insofern die Anleger sich aus dem Kursanstieg, statt aus dem Ertrag bereichern wollen. Hierfür eignen sich Papiere ohne Endfälligkeit besonders gut. Der Kursanstieg findet bei Käufern und Verkäufern ungeteilte Freude. Diese „Ware“ ist mit keinem Gebrauchswert behaftet, sie stellt kumulierte Ertragserwartung dar. Der Tauschakt ist kein Übergang zum Wertverzehr.
Monetäre Ökonomie
115
Das Pyramidenspiel ist zu Ende, nachdem auch der zögerlichste Anleger seine Ersparnisse oder sogar Kredite an die Börse getragen hat. Der Trend kehrt sich dann um, Buchgewinne sollen realisiert werden, eine Überzahl tritt auf die Anbieterseite. Nur mit Komik wird man diese Einrichtung als rationellen Beitrag zur realwirtschaftlichen Allokation behaupten können. Ein Feind des illusionären Wertspeichers Aktie ist der steigende Zins. Aktienkurse leiden gleich dreifach unter steigenden Zinsen: • erwartete Dividenden sind stärker zu diskontieren, • als
gegenüber
der
Außenverschuldung
nunmehr
kostengünstigere
Finanzierungsalternative werden ceteris paribus mehr Aktien emittiert, • die Aktie ist als Anlagealternative relativ zum Rentenpapier entwertet. Eine Börse ist jedoch nicht bloß Gesellschaftsspiel. Sofern die realwirtschaftlich tätigen
Einzelwirtschaften
um
des
höheren
Ertrags
willen
temporäre
Liquiditätsüberschüsse dieser Einrichtung zur Verfügung stellen, ist ihre monetäre Reproduktion affiziert. Einzelne oder die zum Index zusammengefassten Bewegungen der Kurse taugen nur sehr bedingt als Indikator realwirtschaftlicher Prosperität bzw. Stagnation.
116
Phasen der Produktion
5 Phasen der Produktion
5.1
Kapazitätsaufbau
Die Absicht des Investors nach Verzinsung seiner Eigenmittel findet in den Einzelwirtschaften als Investition Ausdruck. Als Investition kann nur gelten, was zur späteren Einnahme dient. Die bloß längerfristige Nutzung, der kommerzielle Vorteil für andere, reicht für diese Klassifizierung nicht aus. Demzufolge ist die sog. Infrastrukturinvestition möglicherweise sinnvoll und nützlich, aber ohne dass ihr Nutzeffekt auch monetär vergütet wird, kann sie keine Investition sein. Nach dem Innovationswert der Mittelverwendung lässt sich folgende Typologie der Investitionen bilden: • Erweiterung: technologisch gleiche Prozesse sollen die gleichen Produkte herstellen. Lediglich der Umfang der Produktionsleistung ist zu erweitern. • Rationalisierung: das gleiche Produkt soll mit geringeren Kosten gefertigt werden. Die Verringerung der erforderlichen Vorleistungsmenge oder reduzierte Prozesskosten erhöhen die Eigenmittelverzinsung, wenn die Verkaufspreise gehalten werden können. • Innovation: mit neuen Produktionsprozessen wird ein neues Produkt hergestellt und vertrieben. In dieser Reihenfolge nimmt der Aufwand an vorbereitenden Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen zu. Das Verhältnis von variablen zu fixen Kosten ist Ergebnis einer Technikwahl, deren Entscheidungslogik unter 3.1.2. erörtert worden ist. Die Arbeitsinstrumente eines Produktionsprozesses sind unterschiedlich dimensioniert: eines reicht für die Herstellung von 1 Million Einheiten des Arbeitsergebnisses, ein anderes ist nach der Produktion von nur 1.000 Einheiten verbraucht. Die technologische Entwicklung bringt es mit sich, dass die dem Konsum vorgelagerten
Produktionsprozesse,
soweit
sie
nicht
als
zirkulierende
R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Kapazitätsaufbau
117
Vorleistungen die Konsumsphäre erreichen bzw. produktiv verbraucht werden, sondern als fixe Vorleistungen im Prozess unterzugehen bestimmt sind, nur an Umfang zunehmen dürfen, wenn ihr Einsatz zum Ausstoß einer hinreichend großen Ausbringungsmenge beiträgt, auf die sich Fixkosten umlegen lassen. Das Verhältnis von zirkulierenden zu fixen Vorleistungen stellt sich also wie folgt dar:
Z4
Kosten der fixen und zirkulierenden Vorleistungen
F4 Z3 F3 Z2 F2
Z1 F1 F0 Ausstoßmenge Abb. 5.1 (I): Gesamtkostenkurve bei kleinen Kapazitäten
118
Phasen der Produktion
fixe + zirkulierende Vorleistungen
Z2
F2
Z1
F1
F0 Ausstoßmenge Abb. 5.1 (II): Gesamtkostenkurve bei großen Kapazitäten
Lässt man einen Ursprungsstrahl entlang der Kostenkurve laufen, so zeigt dessen Steigung - der Quotient aus Gesamtkosten und Gesamtmenge - die Durchschnittskosten der jeweiligen Ausbringungsmenge an:
Kapazitätsaufbau
119
Durchschnittskosten
Ausstoßmenge Abb. 5.2 (I): Durchschnittskostenkurve bei kleinen Kapazitäten
Durchschnittskosten
Ausstoßmenge Abb. 5.2 (II): Durchschnittskostenkurve bei großen Kapazitäten
120
Phasen der Produktion
Verfahren II ermöglicht die Produktion des gleichen Produkts zu geringeren Durchschnittskosten, vorausgesetzt, die benötigte Menge liegt nahe der Vollauslastung der installierten Kapazitäten. Mit der Ausbringungsmenge sinken die
Durchschnittskosten.
Dieser
Zusammenhang
wird
als
Skaleneffekt
bezeichnet. Der Vorteil von Verfahren I hingegen liegt darin, dass der Sprung der Durchschnittskosten bei Ausbringungsmengen oberhalb einer Vollauslastungsgrenze kleiner ausfällt als bei Verfahren II. Die Entscheidung zur Installation einer weiteren Kapazität fällt leichter. Das Ende der Phase des Kapazitätsaufbaus ist realwirtschaftlich bestimmt: der Übergang zum Kapazitätsbetrieb erfolgt zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmals ein für diese Kapazität vorgesehener Produktionsprozess seine Leistung in verkäuflicher Qualität erstellt hat.
5.2 Kapazitätsbetrieb 5.2.1 Mengen und Preise Vom monopolistischen Anbieter nimmt man an, dass er in bestimmten Grenzen die Macht hat, seinen Angebotspreis zu setzen. Er muss nicht lediglich seine Produktionsmenge nach einem Preis ausrichten, auf dessen Höhe er - wie ein atomistischer Anbieter - kaum Einfluss hat. Der Preis ist damit vom Grenzumsatz verschieden, so dass die monetäre Verwertungsrate der monopolistischen Einzelwirtschaft innerhalb einer Ordnung relevanter Preis-Mengen-Kombinationen mit vergleichsweise kleineren Mengen bei höheren Preisen verbessert werden kann. Entweder ist hierbei von einer Situation vor der Dimensionierung der Produktionskapazität die Rede, so dass die Produktionsmenge nicht von einem tatsächlichen höheren Niveau aus mit Fixkostenremanenz reduziert wird. Oder mit gelingender Monopolisierung löst sich der Produzent nicht nur von der höheren Produktionsmenge, sondern auch von den Kosten der höheren Kapazität.
Kapazitätsbetrieb
121
Mit der Verdrängung ehemaliger Konkurrenten übernimmt er deren Marktanteile und kann selbst bei eigener Produktionssteigerung noch das Gesamtangebot verringern. Die Preiselastizität der Nachfrage sei dazu hinreichend klein vorausgesetzt, so dass der Mengenrückgang den Einkommenszuwachs der höheren Preise nicht kompensiert. Der angestrebte Produktionspunkt ist damit rentabler als der mögliche Produktionspunkt bei Konkurrenz.
5.2.2 Reaktionsebenen Die tatsächliche wirtschaftliche Dynamik hat mit Einzelwirtschaften zu tun, die auf
verschiedenen
Ebenen
agieren
und
reagieren:
im
Zentrum
einzelwirtschaftlichen Operierens stehen die Entscheidungen über benutzte Technologien. Auf dieser Basis sind in einer weiteren Ebene die Dimensionen der Kapazitäten zu bestimmen. Schließlich werden innerhalb der vorhandenen Kapazität die aktuellen Prozessintensitäten gewählt. Zwischen realwirtschaftlichen Prozessen und der monetären Schicht einer Einzelwirtschaft lassen sich dann folgende Korrespondenzen ausmachen:
122
Phasen der Produktion
realwirtschaftlich
Intensität Kapazität
Technikwahl
monetärwirtschaftliche Referenz: Illiquidität Preise Erlöse Œ Œ Œ Investition Qualitäten Mengen
Betriebsgründung / -schließung Vorleistungsverflechtung Erlöse
Abb. 5.3: monetäre und realwirtschaftliche Reaktionsebenen Auf der hypothetischen Preis-Absatz-Funktion wird tatsächlich je ein Punkt aktualisiert. Im Fall der Auftragsfertigung ist die Preis-Absatz-Funktion stets nur
Kapazitätsbetrieb
123
ein Punkt. Werden Kapazitäten für eine unbekannte Menge von Konsumenten betrieben, so tritt die Schwankung der Nachfrage zunächst als bloße Mengenvariation bei gegebenem Preis auf. Im Fall des Nachfragerückgangs kann eine Preissenkungsreaktion des Produzenten nicht notwendig den Mengenrückgang ausgleichen. Umgekehrt kann bei Nachfrageausweitung eine Preiserhöhungsreaktion zum Verlust der bisherigen Marktposition des Produzenten führen. Preise werden nicht nur in der vollzogenen Lieferbeziehung gezahlt, sondern haben auch Koordinationsfunktion gegenüber potentiellen Nachfragern. Sie betreffen die Integration der Einzelwirtschaft in die Gesamtwirtschaft. Die momentane Ausnutzung eines Nachfrageschubs durch Preiserhöhung impliziert oft die Gefahr, Substitutionsprozesse bei den Konsumenten zu initiieren. Demgegenüber affizieren Mengenvariationen „nur“ die Erlössituation in der Einzelwirtschaft. Diese schlägt sich nach Maßgabe des Fixkostenanteils und der Vertragskultur gegenüber Lieferanten und Arbeitern in der Einkommenssituation nieder. Mengenvariationen sind Vorgänge in der Realwirtschaft, Preise betreffen jedoch die für sie maßgebliche monetäre Steuerung. Wollte man für jede mögliche Warenbeziehung zwischen sämtlichen Einzelwirtschaften und unproduktiven Konsumenten bei dezentraler Regulation je einen gleichgewichtigen Preis ermitteln bevor irgend eine wirtschaftlich relevante Entscheidung auch vollzogen wird, so wäre das Verfahren der iterativen Abstimmung seiner Komplexität wegen eine schiere Unmöglichkeit 20. Der tatsächliche Betrieb von Kapazitäten und die Existenz tatsächlicher Preissetzungen bietet bereits einen Dämpfungseffekt für das Preis-Mengen-Tâtonnement. Ein Stunde Null der dezentralen Abstimmung gibt es nicht. Bei trägen Preisen muss auf die Mengenschwankung rein realwirtschaftlich reagiert werden: Prozessintensitäten, Liefertermine und die Dimensionen der sachlichen und personellen Kapazität verbleiben dann als Reaktionsparameter. Eine erhöhte Flexibilisierung von Prozessintensitäten kann nicht prinzipiell befürwortet werden. Sie wäre kontraproduktiv, wenn dadurch Intensitätsanpassungen nicht gedämpft, sondern erratisch verliefen.
124
Phasen der Produktion
Erst wenn diese periphere Ebene keinen zureichenden Reaktionsspielraum mehr bietet, wird die Einzelwirtschaft sich mit geänderten Preissignalen neu im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang positionieren. Da beispielsweise gesenkte Preise nicht zum dauerhaften Verfall der betreffenden Verwertungsrate führen sollen, sind auch beschaffungsseitig die Lieferbeziehungen neu zu ordnen. Absatzseitig sollen mit verbesserten Produktqualitäten auf der Grundlage der vorhandenen Kapazitäten rentablere Kundenbeziehungen etabliert werden. Die grundlegendste Entscheidungsebene ist darüber hinaus die der Technikwahl. Sie betrifft die Prozessselektion noch vor der Entscheidung über die Dimension ihrer Kapazität. Nicht nur über die Größe von Betrieben innerhalb der Einzelwirtschaft, sondern überhaupt über deren Existenz muss hier geurteilt werden.
5.2.3 Produzentenkonkurrenz Insoweit
die
realwirtschaftliche
pretialwirtschaftlichen Absichten
ihrer
Reaktion Betreiber
der
Einzelwirtschaft
unterliegt, lassen sich
Vermutungen über die Regeln, nach denen zwischen den Reaktionsparametern Qualität, Kapazität, Intensität, Menge, Preis und Termin gewählt wird, nicht anstellen ohne Bezug auf die Verfassung der Märkte, in denen eine Einzelwirtschaft operiert. Sei erneut der Fall betrachtet, dass bei gegebenem Preis mehr Konsumenten oder auch trotz erhöhten Preises die bisherigen Konsumenten zu kaufen bereit sind, so lassen sich des Produzenten Einnahmen erhöhen entweder ohne realwirtschaftliche Reaktion, also bei konstanten Kosten, oder diese nehmen bei
Kapazitätsreserven
unterproportional
zu.
Mithin
wird
mit
der
Nachfrageausweitung die Ertragssituation der Einzelwirtschaft verbessert. Eine dadurch mögliche überdurchschnittliche Verwertungsrate gilt jedoch nicht weniger als eine unterdurchschnittliche Verwertungsrate als Indiz verfehlter gesamtwirtschaftlicher Effizienz. Soll diese in einzelwirtschaftlichem Streben durchgesetzt werden, so müssten Mechanismen wirken, die das Gesamtangebot bei Nachfrageausweitung erhöhen. Der monopolistische Anbieter hat daran, wie oben erörtert worden ist, zu wenig Interesse. Er interpretiert den erhöhten
Kapazitätsabbau
Mittelzufluss
125
nicht
allokativ,
sondern
distributiv.
Seine
Preis-Mengen-
Kombination ist durch konkurrierendes Angebot um so weniger bedroht, je mehr Kosten zu versenken sind, bevor Lieferbereitschaft entsteht. Der konkurrierende Kapazitätsaufbau ist zumal dann riskant, wenn der monopolistische Anbieter tatsächlich über Kapazitätsreserven verfügt, die er bei niedrigerem Preis auch benutzen könnte. Er kann insoweit Konkurrenten mit der Drohung einer Preissenkung abschrecken. Offenbar sollen derartige Monopole gar nicht erst entstehen. Eine andere Macht als die der reellen Konkurrenz kann die Angleichung der einzelwirtschaftlichen Verwertungsraten nicht besorgen.
5.3 Kapazitätsabbau Der Unternehmer verwaltet Realkapital. Als Maß der Allokationsgüte gilt die Eigenmittelverzinsung. Realkapital wird also formal wie Geldkapital beurteilt. Es weist jedoch nicht dessen Flexibilität auf. In Geldform kann sich Kapital in jede Verwendungsrichtung werfen. Als investiertes Realkapital, als bestehende Kapazität muss es zunächst weiter betrieben werden, auch bei untermaximaler, selbst bei unterdurchschnittlicher Profitrate. Entgegengesetzt zum Auszahlungsüberschuss beim Kapazitätsaufbau, weist der Kapazitätsabbau regelmäßig einen verteilbaren Einzahlungsüberschuss auf: die betriebliche Substanz wird verzehrt, jedoch nicht reproduziert. Die bestehende Kapazität hat den Vorzug, dass nur noch zirkulierende Vorleistungen Liquidität beanspruchen: bei Desinvestition tragen verdiente Abschreibungen zum Einzahlungsüberschuss bei, sofern das fixe Kapital bei seiner Installation bereits bezahlt wurde. Ist es geliehen oder fremdfinanziert, so fehlt bei nicht kostendeckendem Preis die Fähigkeit zur Tilgung. Die Eigenmittel werden aufgezehrt, darüber hinaus wäre die Einzelwirtschaft illiquide. Sind Einzelwirtschaften ausschließlich mit Eigenmitteln finanziert, so bleibt trotzdem der Antrieb zur maximalen Verzinsung bestehen. Bei schlechter Geschäftslage, also bei enttäuschten Erwartungen, ist der Spielraum bis zur
126
Phasen der Produktion
Illiquidität weiter entfernt. Bei vollständiger Fremdfinanzierung ist die Rentabilitätskontrolle viel stringenter, zugleich ist der Hebeleffekt maximiert:
Profit Zins
Zins Profit
FK
EK
FK
EK
Abb. 5.4: Hebeleffekt bei partieller Fremdfinanzierung. a) Eigenmittelverzinsung alimentiert Zins, b) Fremdkapital trägt bei zur Eigenmittelverzinsung
Ist also Eigenfinanzierung oder Fremdfinanzierung vorteilhafter ? Die Frage hängt offenbar mit der Fähigkeit bzw. Notwendigkeit der Einzelwirtschaft zusammen, differierende Rentabilitäten ihrer Geschäftsfelder
- auch im
Zeitablauf - ausgleichen zu können oder zu müssen. Der pünktlich bediente Gläubiger braucht in die Geschäftspolitik der Einzelwirtschaft nicht zu intervenieren. Er betreibt im Ernstfall die Liquidierung des Betriebsvermögens und löst den einzelwirtschaftlichen Zusammenhang auf. Der Investor hingegen steht viel eher auf der Seite des fungierenden Realkapitals und hofft auf die künftige und ewige Quasirente aus dessen Betrieb. Die beiden gekennzeichneten Rollen sind nicht strikt zu trennen. Wenn etwa der Finanzier einen so großen Anteil des Betriebskapitals hält bzw. dieser einen erheblichen Anteil seiner Aktiva ausmacht, kann sich sein wirtschaftliches Interesse auf Fortbestand des Schuldnerbetriebs richten. Andererseits kann mit der Einrichtung handelbarer Gesellschaftsanteile der Investor seinen Anteil als vorübergehende Anlage ansehen, die er bei minderer Rentabilität wieder aufgibt.
Kapazitätsabbau
127
Indem der Fremdkapitalzins als langfristige Untergrenze der Eigenmittelverzinsung fungiert, ist über Fremdfinanzierung die Einzelwirtschaft in einen gesamtwirtschaftlichen Verwertungszusammenhang gestellt. Diese muss schließlich über Sein oder Nichtsein der Einzelwirtschaften urteilen, letztere sind kein distributiver Selbstzweck. Dem investierenden Eigentümer steht es frei, seinen Betrieb aus sonstigen, außerwirtschaftlichen Gründen mit unterdurchschnittlicher Rentabilität aufrecht zu erhalten. Eine doppelte Transformation lässt sich konstatieren: • der realwirtschaftliche Beitrag des Ressourceneinsatzes zur Erhöhung des Konsumfonds wird pretialwirtschaftlich als Einkommen ausgedrückt; • der gesamtwirtschaftliche Bezug dieses Ressourceneinsatzes wird im Regulativ der Eigenmittelverzinsung ausgedrückt, das aber je nach der Komposition der Betriebsmittel als Eigen- oder Fremdkapital starke oder geringe Schwankungen aufweist. Eine technische Grenze findet der Kapazitätsaufbau an den verfügbaren Ressourcen, die er beansprucht. Die Kontraktion einer Ökonomie, etwa wegen abnehmender Konsumentenzahl oder abnehmender Konsumansprüche, verliefe suboptimal, wenn der Kapazitätsabbau die Verschleißrate der fixen Produktionsmittel noch überträfe. Hinsichtlich der personellen Ressourcen zeigt sich dieser Effekt am deutlichsten: spezialisierte berufsbezogene Qualifikationen lassen sich nicht in beliebig kurzer Frist erreichen. Sie können entweder ein ganzes Berufsleben lang genügen, oder auch recht schnell im technischen Wandel obsolet werden. Offenbar ist ein hoher Ausbildungsaufwand nur durch entsprechend lange Nutzungsdauer gerechtfertigt oder dieser wird außerhalb wirtschaftlicher Verwertung als wertverzehrender Konsum angesehen. Mit der bloß wirtschaftlichen Beurteilung von Ausbildung muss es eine Grenze haben; Ausbildung ist nicht überhaupt unter die Bedingung wirtschaftlicher Verwertbarkeit zu stellen. Diesem Kriterium unterliegt lediglich die nur für spezielle Fertigungsprozesse geeignete Qualifizierung, die insoweit für den derart Qualifizierten keinen weiteren Wert außerhalb dieser Anwendung aufweist.
128
Phasen der Produktion
Kapazitätsabbau kann nicht nur zu schnell, sondern auch zu langsam vonstatten gehen. Um bei der personellen Ressource zu bleiben: wenn diese in ineffizienten Produktionsprozessen verbleibt, statt in anderen Prozessen produktiver zu arbeiten, so ist gesamtwirtschaftliche Effizienz verfehlt. Die Regulative einer Ökonomie sind derart auszurichten, dass Ineffizienz auch sichtbar wird und zur Korrektur verleitet. Für den Arbeiter kann es nicht darum gehen „einen Arbeitsplatz zu haben“, sondern ihm geht es darum, Konsumanspruch und wirtschaftliche Leistung in Einklang zu bringen. Das Beenden einer bestimmten Produktionstätigkeit darf für ihn nicht als soziale Entwurzelung ausgestaltet sein. Es fragt sich daher, ob der Konsum an das Arbeitspotenzial zu koppeln ist oder an das Glück, dieses Potenzial auch in Form von Geldvermehrung realisieren zu dürfen.
Stetige Ökonomie
129
Phasen der Produktion
6 Gesamtwirtschaftliche Koordination
6.1 Stetige Ökonomie Nicht in ideologischer, sondern in analytischer Absicht wird die Ökonomie konstruktiv in einen Zustand versetzt, in dem keine Anpassungsdynamik mehr wirkt. Die ökonomische Begriffsbildung rekurriert auf einen Zustand der Ökonomie, in der Anpassungsprozesse aufgrund endogener Ungleichgewichte bei Konstanz exogener Parameter vollzogen sind, womit alle definierten Regulative ihre Funktion erfüllt und ihren raison d'être verloren haben. Konstanz exogener Parameter meint dabei Einflusslosigkeit auf die endogenen Ökonomiegrößen: die Zunahme der Verfügbarkeit an personellen und natürlichen Ressourcen etwa erfolge in Übereinstimmung mit der endogen bestimmten Wachstumsrate der Ökonomie. Ihr stetiger Zustand sei dabei stationär, expansiv oder kontraktiv. Definierbare Gleichgewichte existieren nicht nur momentan, sondern im Zeitablauf stabil. Unter diesen Bedingungen kann sich die Ökonomik der Gleichheitszeichen und Halbräume entfalten; Planung und Vollzug sind inzident. Der wissenschaftliche Wert dieser Modellbildung liegt lediglich darin, spezifische Fragen mit spezifischen Modellen zu beantworten. Erkenntnisse auf dieser Ebene sind nicht übertragbar auf die tatsächliche Ökonomie, deren Entscheidungen und Mechanismen in der stetigen Ökonomie gerade ausgeblendet sind. Die Konstruktion der stetigen Ökonomie erfolgt zu dem Zweck, notwendige Bedingungen für Gleichgewichte in der tatsächlichen, i.e. transitorischen Ökonomie
21
, zu verstehen. Nicht deshalb werden die am Wirtschaftsgeschehen Betei-
ligten mit stets zutreffenden Prognosen ausgestattet, weil sie sich faktisch nicht irren, sondern weil die Bedingungen für die Erfüllung geplanten Wirtschaftshandelns allein im Bereich wirtschaftlicher Institutionen und Regulative, nicht
R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
130
Gesamtwirtschaftliche Koordination
aber im Bereich subjektiver Kompetenz oder Unzulänglichkeit erklärt werden sollen. Kontingenz kann nicht Bestandteil eines Explikationsmodells sein. Von ökonomischem Verständnis kann solange nicht die Rede sein, als darauf verzichtet wird, Ökonomie als dynamische Regulation zu begreifen. Sie ist kein Zustand, sondern regelhafte Reaktion auf wirtschaftsexogene und wirtschaftsendogene Prozesse. Man kann daher nicht genug Vorsicht walten lassen bei der Deutung von Einsichten, die auf der Grundlage stetiger Ökonomiemodelle gewonnen wurden. Zu fragen ist stets, ob sie zum Verständnis der tatsächlichen transitorischen Ökonomie generalisierbar sind. Zumindest in der vorliegenden Schrift wird nicht versucht, ein ökonomisches Gesamtmodell aufzustellen und mit dem Anspruch zu versehen, dass es auf aggregierter Ebene das bedingte bzw. regelhafte Zusammenspiel aller Ökonomiegrößen darzustellen vermag.
6.1.1 Gleichgewichtige Intensitätsvektoren Stetig ist eine Ökonomie, bei der alle strukturbeschreibenden Merkmale im Zeitablauf konstant bleiben: • Preise, • relative Prozessintensitäten, • Verteilungsparameter und • Technikwahl. Alle Produktionsprozesse erfolgen kontinuierlich, d.h. zum Ende einer unterstellten einheitlichen Produktionsperiode befinden sich alle beteiligten Waren im stets wieder gleichen Fertigstellungsstatus. Insbesondere bietet der Einsatz fixer Produktionsmittel keine Diskontinuitäten, d.h. die Unterscheidung zu zirkulierenden Produktionsmitteln ist entbehrlich. Fixe Produktionsmittel bieten lediglich dann ein Problem des Modells, wenn die Kontraktionsrate ihre Verschleißrate übersteigt, so dass zwangsläufig Überschüsse an älteren Produktionsmitteln entstehen müssen. Hinsichtlich der monetären Ebene der stetigen Modellökonomie gilt, dass zum Wechsel der Produktionsperiode alle Waren verkauft werden. Das gesamte Kapital revolviert in diesem einheitlichen Rhythmus. Alle Zahlungsflüsse
Stetige Ökonomie
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konzentrieren sich auf diese Zeitpunkte. Profite werden reinvestiert bzw. konsumtiv verausgabt. Die stetige Ökonomie ist reproduktiv: Zum Ende einer Periode sind alle zu Beginn der Periode in den produktiven Konsum eingehenden Waren reproduziert; soweit die Ökonomie stationär ist in gleicher Menge, andernfalls entsprechend der Expansions- oder Kontraktionsrate mehr oder weniger. Wenn auch Produktion und Verbrauch gleichgewichtig sind, gelten alle Arbeiten, wie bereits festgelegt, als gleich wichtig und unverzichtbar, d.h. die Wertbildung erfolgt proportional zum Einsatz der Arbeitskraft. Die Kontinuität von Arbeitszeit und die einheitliche Nominalität von Geld darf nicht zu der Annahme führen, dass gleiche Zeiten bzw. Beträge auch gleiche Qualitäten aufwiesen. Diese Größen sind nicht homogen. Ihre Homogenität wäre bereits die Erfüllung eines Optimalitätskriteriums. Gerechnet wird vielmehr so: der Arbeiter will für gleiche Arbeitskraftverausgabung gleichen Lohn bei unterschiedlichen Verwendungsrichtungen seiner Arbeit; ein einheitlicher Zins bildet sich aus bei gleicher Laufzeit und Risikoklasse. Die tatsächlich heterogene Produktion der Gebrauchswerte muss sich nach diesen gleichnamigen, nämlich monetären, Größen richten. Die Ökonomie muss in jeder Periode ein Ergebnis erbringen, das ermöglicht, alle Prozesse qualitativ zu wiederholen, d.h. gemäß der Expansions- oder Kontraktionsrate mehr oder weniger Prozessoutput bereitstellen als der abgelaufenen Periode als Input zur Verfügung stand. Dieser Zustand der Reproduktivität in der Ökonomie schließt einen Minimalkonsum ein, der als unproduktiver Konsum, nicht als sachliche Vorleistung, in die Prozesse der Folgeperiode eingeht. Diese Reproduktivität ist zunächst realwirtschaftlich zu verstehen. Ein darüber hinaus gehendes Gütekriterium ist das Gleichgewicht von Produktion und Konsumtion, bei dem keine Überschussmengen produziert werden, und keine Nachfrage unbefriedigt bleibt. Davon zu unterscheiden ist schließlich die Optimalität der Technikwahl, bei der jede andere Selektion aus dem Technikvorrat ein ungünstigeres Verhältnis zwischen Konsum und Ressourcenverbrauch, also geringere Produktivität bedeutete. Dieses Kriterium findet keinen direkten
132
Gesamtwirtschaftliche Koordination
einzelwirtschaftlichen Ausdruck.
Konsum
und
Ressourcen
müssen
mit
homogenen Größen bewertbar werden. Die Planungsheuristik „Marktpreis“ muss über unterschiedliche Verwertungsraten Indikator notwendiger Änderungen sein. Reproduktion und Verteilung Soll ein maximal effizientes Verhältnis zwischen dem gewählten Konsumniveau und dem beanspruchten gesellschaftlichen Arbeitsvorrat erreicht werden, so müssten alle Produktionsprozesse daraufhin kapazitiert werden mit der Konsequenz, dass für einen Umbau oder eine Ausweitung der Produktionsprozesse zunächst das erreichte Konsumniveau zurückgenommen oder der gesellschaftliche Arbeitseinsatz erhöht werden müsste. Seien zwei stetige Ökonomien mit voneinander differierenden Sparquoten, jedoch gleichem technologischem Niveau verglichen. In der Ökonomie mit höherer Sparquote entscheiden sich die Einkommensverwender dazu, einen relativ größeren Einkommensanteil investiv zu verwenden, um je künftige Profitanteile zu erhalten. Zur somit höheren Sparquote passt nur eine Realökonomie, die eine höhere Wachstumsrate erreicht. Denn ein höherer Anteil der Produktion von Investitionswaren müsste sich ohne technischen Rückschritt bei gleicher Wachstumsrate in den Folgeperioden in einer realwirtschaftlich vermehrten Produktion von Konsumwaren niederschlagen. Wenn jedoch deren Anteil reduziert sein soll, muss die Produktion von Investitionswaren um ihrer selbst willen geschehen, d.h. sich in beständiger Produktionsausweitung der Gesamtwirtschaft befinden. Dies kann stetig nicht ohne andere Prozessintensitäten geschehen als denjenigen, die in der Ökonomie mit geringerer Sparquote gewählt werden. Divergierende Sparquoten kommen entweder durch individuelle Wahl der Einkommensbezieher zustande, oder sie werden durch Verschiebungen der funktionellen oder personellen Einkommensanteile bei differierenden spezifischen Sparquoten verursacht. Redistribution muss insoweit Ursache von Reallokation sein. Wird auf dem einen oder anderen Weg die gesamtwirtschaftliche Sparquote erhöht, so muss die Realwirtschaft passend zur Einkommenserwartung andere
Stetige Ökonomie
133
Prozesse betreiben; die Annahme konstanten technologischen Niveaus ist damit unverträglich. Konsum oder Kapitalverwertung Eine stetige Ökonomie wächst extensiv mit der Zunahme der Arbeitsbevölkerung. Kapital kann insoweit akkumulieren, als der Kapitalstock sich in jeder Periode vergrößern muss. Die Relation zwischen der zu Beginn einer Periode zur produktiven Verwertung anstehenden Waren und dem Warenzuwachs dieser Periode, der Kapitalkoeffizient, bleibt dabei konstant. Die realwirtschaftliche und pretialwirtschaftliche Kongruenz dieser Größe ist nur im Umfeld stetiger Ökonomien anzusetzen, in tatsächlichen transitorischen Ökonomien ist ihre Quantifizierbarkeit nicht gegeben. Welche Möglichkeit der Kapitalakkumulation bietet sich stattdessen bei konstanter Arbeitsbevölkerung ? Die in der Ökonomie gezahlten Geldlöhne sind je für das Kapital Kosten. Sie kommen über den unproduktiven Konsum als Profitrealisierung in den Bereich produktiver Kapitalverwertung zurück. Was aus dem Konsumumsatz der Periode nicht als Profit realisiert oder als Lohn in der letzten Fertigungsstufe, also etwa dem Detailhandel, gezahlt wird, sind Verwertungsmöglichkeiten der Investitionswaren an diese letzte Fertigungsstufe. Nur auf die Investitionswaren, nicht jedoch auf die Konsumwaren, kann sich die Kapitalakkumulation richten, der monetäre Umfang des Konsumfonds sei daher mit der Arbeitsbevölkerung ebenfalls konstant gehalten. Das Realeinkommen der Arbeiter mag damit ebenfalls konstant bleiben, der Lebensstandard nimmt nicht über den qualitativen Fortschritt hinaus zu. Der Konsum steht nicht der Profitrealisierung, jedoch der Akkumulation entgegen. Über einen quantitativ und monetär wachsenden Konsumfonds kann sich Kapital zwar verwerten, jedoch sei speziell die Möglichkeit einer größtmöglichen Akkumulation bei konstantem Arbeitsvermögen untersucht. Diese kann nur im Bereich der Vorleistungsverflechtung der Kapitale stattfinden, d.h. sie muss die Herstellung und Verwertung von Investitionswaren vergrößern. Dem Anspruch nach wächst Kapital am besten in sich selbst hinein. Ein Fabrikant fertigt mehr
134
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Schrauben für einen Fabrikanten, der mehr Maschinen zur Schraubenherstellung fertigt. Pro Periode wird nicht mehr gearbeitet oder konsumiert, jedoch müssen in jeder Periode mehr Verwertungsmöglichkeiten gegeben sein. Dieses Mehr an Verwertung über die aktuelle Arbeit der Periode hinaus kann nur, wie es der Natur der Vorleistungen entspricht, in früheren Perioden vorgeleistet worden und in dieser Periode erst oder noch immer Gegenstand von Käufen sein. Intensive Akkumulation
erhöhte
den
gesamtwirtschaftlichen
Kapital-
koeffizienten. Als nichtmonetäres Maß desselben steht hierzu lediglich der Arbeitseinsatz zur Verfügung. Diese Kapitalakkumulation leitet den Gebrauchswertzusammenhang der Ökonomie in stets längere Produktionsumwege, die Produktionstiefe muss zunehmen. Als Medium des Werttransportes von der Erstellungsperiode zu späteren Verwertungsperioden eignet sich langlebiges fixes Kapital eher als zirkulierendes Kapital, das nach Ablauf der Kette der Bearbeitungszeiten im Konsumfonds steht. So wünschenswert der Stimulus des Einkommenserwerbs für die Sättigung bei Nachfrageüberhang ist, so verheerend wirkt das Prinzip gegen die gesamtwirtschaftliche Verbrauchsreduktion nachdem Bedürfnisse befriedigt sind. Vielmehr verbleiben Bedürfnisse gerade dadurch unbefriedigt, dass Einkommen entfallen, also Bedürfnisbefriedigung nicht mehr bezahlbar ist. Die Wertbildungsabsicht steht der Verwertungsabsicht gegensätzlich gegenüber: höhere Effizienz, geringere Kosten der Produktion von Investitionswaren usf. erregen das Interesse der produktiven Konsumenten, jedoch ist mit diesen Eigenschaften des technischen Fortschritts unmittelbar der Investitions- und Reproduktionsumfang reduziert. Jetzt käme es darauf an, dass der Steuerungsalgorithmus die Reorganisation der gesellschaftlichen Arbeit zuwege bringt, so dass die aus dem Bedürfnis erwachsende Arbeitsbereitschaft im Gesamtprozess der gesellschaftlichen Produktion die Stelle ihrer Verwirklichung findet. Bei jeglicher qualitativer Neuerung oder bei ressourcensparendem technischem Fortschritt muss zur Aufrechterhaltung des Wertbildungsvolumens ausreichend Investitionsersatz in möglichst umfänglichen Ausmaß gefunden werden. Die momentane gesamtwirtschaftliche Effizienz ist unerwünscht. Sie zerstörte
Stetige Ökonomie
135
unabhängig von der Verwertungsrate das Verwertungsvolumen der Kapitale. Eine Investition des Rationalisierungstyps, als Implementierung ressourcensparenden technischen Fortschritts, besagte gerade, dass auf einem bisherigen Weg von den Ressourcen zum Konsum künftig weniger Wert geschaffen wird. Kann das Wertbildungsvolumen nicht in investiver Verwendung aufrechterhalten werden, so verbleibt schließlich der unproduktive Wertverzehr aus Besitzeinkommen 22. Intensitäten und Wachstumsrate Eine Modellökonomie verfüge über den folgenden Technikvorrat: 0,2500 0,3125 0
A:
0
0,0625 0,4563
0,4375
1
0
0,1250 0,0625 0,5000
0
0,5625 0,1250
0,1875 0
B:
0
Die Ressource Arbeitskraft sei in Form der Konsumwaren, im Beispiel Ware 1 (1. Spalte), in der Inputmatrix A als Bestandteil jedes Prozesses enthalten. Der Intensitätsvektor sei x, der Wachstumsfaktor sei α, so dass sich Reproduktivität als x (αA - B) ≤ 0, und das Produktionsgleichgewicht als x (αA - B) = 0 darstellen lässt. Zu dem Wachstumsfaktor α1 = 1,1 leitet sich genau ein normierter Intensitätsvektor
136
Gesamtwirtschaftliche Koordination
x(α1) = ( 0,49633 0,22093 0,28272 ) ab. Alle drei Prozesse werden benutzt. Für einen von 1,1 verschiedenen Wachstumsfaktor ist der Technologievorrat nicht geeignet. Die Prozesse 1 und 3 erzeugen Kuppelprodukte und sind sich wechselseitig Vorleistungslieferanten. Bei den hier unterstellten fixen Input- und Outputkoeffizienten lassen sich die Prozessintensitäten nicht gegeneinander variieren. Allein aus realwirtschaftlichen Gründen ist diese Ökonomie bei Beachtung des Produktionsgleichgewichts auf eine einzige Wachstumsrate festgelegt. Differierende Wachstumsraten sind jedoch auch dann nicht möglich, wenn der Technologievorrat aus Einproduktprozessen besteht und die Vorleistungsverflechtung geringer ist, solange fixe Input- und Outputkoeffizienten unterstellt werden und auch der Reallohn fixiert bleibt. Schwankende Wachstumsraten können daher nicht lediglich die sektoralen Proportionen einer Ökonomie neu ordnen. Eine bestimmte Prozessselektion ist entweder zu genau einer Wachstumsrate mit genau einem Intensitätsvektor kompatibel oder nicht. Ein Kontinuum von Wachstumsraten bei gegebener Prozessselektion existiert nicht. Eine Änderung der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate verlangt daher eine Abkehr vom Produktionsgleichgewicht bzw. auch eine geänderte Prozessselektion. Die Abkehr vom Produktionsgleichgewicht bedeutet etwa den Verzicht auf die Vollauslastung von Produktionskapazitäten. Keinesfalls lässt sich von einer Änderung der
gesamtwirtschaftlichen
Wachstumsrate
auf
die
Änderung
einzelwirtschaftlicher Wachstumsraten in gleicher Höhe schließen. Wird diese realwirtschaftliche Betrachtung um Preise monetärwirtschaftlich erweitert und wird angenommen, dass die monetären Verwertungsraten in einer gleichgewichtigen Ausgangssituation in allen Prozessen übereinstimmten, so verlangte die Änderung der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate intersektorale Transfers der erlösten Geldkapitale, solange die Ökonomie in der Weise modelliert wird, dass den Produktionsprozessen Einzelwirtschaften entsprechen.
Stetige Ökonomie
137
6.1.2 Gleichgewichtige Preisvektoren Die Konstruktion der stetigen Ökonomie unterschlägt den tatsächlichen Preisbildungsprozess dahingehend, dass Preise stets mit der Vergangenheit und der Gegenwart der Ökonomie konsistent seien, insofern die stetige Ökonomie gerade der Zeitdimension entbehrt. Die Auflösung gleichgewichtiger Preise in das Volumen der Vorleistungen und Prozessaufwände sowie deren Verzinsung führt nicht zu den Vorleistungen zum historischen Beginn der Warenproduktion. Die Reduktion geht nur auf gegenwärtige Technologien, die keine vorleistungsfreien Prozesse enthält. Die Zirkularität des Gebrauchswertzusammenhangs in der Ökonomie verlangt eine simultane Bestimmung aller Warenpreise. Indem Skaleneffekte aus dem Modell ausgeschlossen sind, lassen sich Preise unabhängig von der Höhe der Prozessintensitäten bestimmen. Wäre der Reallohn nicht natural fixiert, so müsste auch der Verteilungsparameter zur Preisbestimmung bekannt sein. Preise und Eigenleistung Für den benutzten Technologievorrat (A,B) soll auf der Grundlage der getroffenen Prozessselektion ein Preisvektor y (Spaltenvektor) gefunden werden, der allen drei Prozessen die gleiche monetäre Verwertungsrate bietet. Prozess 1 etwa kann bei einer Prozessintensität x1 = 160 von der dritten Ware 73 Einheiten verkaufen und benötigt dafür 40 Einheiten der Ware 1, sowie 50 Einheiten der Ware 2, von der er auch 10 Einheiten selbst erzeugt. Diese Eigenleistung ist allerdings nicht Bestandteil des verkäuflichen Nettoprodukts, sie erfolgt außerhalb der monetären Betrachtung. Die monetäre Verwertungsrate des ersten Prozesses lautet damit: 0,4563y3 / (0,25y1 + 0,25y2) - 1. Entsprechend werden die Verwertungsraten der Prozesse 2 und 3 formuliert, so dass sich ein Preisvektor
138
Gesamtwirtschaftliche Koordination
y0 = ( 0,23537 0,38468 0,47994 ) ergibt. Dieser könnte bei Eigenleistung nur für den Wachstumsfaktor α0 = 1,0 gelten. Die Verwertungsrate ergäbe sich zu 0,119, bzw. der Verwertungsfaktor wäre 1,119. Bei einer höheren Wachstumsrate müsste der Prozess 1 etwa mehr als 4/5 von Ware 2 zukaufen, der mögliche Anteil der Eigenleistung sinkt. Die mit der erhöhten Wachstumsrate erforderlichen zusätzlichen Warenmengen der Inputseite werden zum Teil aus den Erlösen der Vorperiode finanziert. Zu unterscheiden ist also zwischen der investiven Gewinnverwendung bei Fremdbezug und einer reduzierten monetären Verwertungsrate bei Eigenleistung. Diese kann als ein Residuum der Subsistenzwirtschaft in der arbeitsteiligen Ökonomie angesehen werden. Für den realwirtschaftlich ausschließlich möglichen Wachstumsfaktor α1 = 1,1 ergibt sich ein gleichgewichtiger Preisvektor von y1 = ( 0,2299 0,3908 0,3793 ) und ein Verwertungsfaktor von 1,10, der insoweit mit dem realisierten Wachstumsfaktor übereinstimmt. Diese Übereinstimmung rührt daher, dass alle Waren als notwendige Vorleistungen der Folgeperiode fungieren. Insoweit die stetige Ökonomie konstante Relativpreise aufweist und die Prozessselektion prolongiert wird, folgt daraus eine konstante Struktur der Produktvektoren zum Periodenwechsel und bei einheitlicher Verwertungsrate aller betriebenen Prozesse deren einheitlicher monetärer Zuwachs. Ein Technologievorrat (A,B), aus dem heraus eine realisierte Prozessselektion echte Teilmenge der darin als möglich definierten Prozesse ist, begrenzt einen maximalen Wachstumsfaktor dadurch, dass kein Intensitätsvektor gefunden werden kann, der noch die benötigten Vorleistungen zu erstellen erlaubt. Dabei ist an die Modellierung der Ressource Arbeitskraft in der Weise ihres Konsumbedarfs zu erinnern. Die erhöhte Wachstumsrate setzt also einen ausreichenden Arbeitsvorrat voraus.
Stetige Ökonomie
139
Die Wachstumsrate der Ökonomie darf nicht daran scheitern, dass die monetäre Verwertungsrate der Prozesse zur Innenfinanzierung der zusätzlichen Vorleistungen in den Folgeperioden nicht ausreicht. Dass aus den Prozessüberschüssen erst gespart werden müsse bevor die Produktion ausgedehnt werden könne,
darf
als
unzulängliche
Einschränkung
des
realwirtschaftlichen
Wachstumspotenzials gelten. Die monetäre Verwertungsrate sollte nicht als Obergrenze der Wachstumsrate fungieren. Preise und Kuppelproduktion Die Modellökonomie ist im Beispiel mit einer gleich großen Anzahl an Prozessen und Waren definiert worden. Gäbe es im Technologievorrat (A,B) mehr Prozesse als Waren,
so
müsste eine effiziente Selektion ineffiziente Prozesse
marginalisieren, so dass die Anzahl der realisierten Prozesse die der erzeugten Waren nicht übersteigt. Jedoch ist bei verbreiteter Kuppelproduktion der umgekehrte Fall möglich, bei dem die Anzahl der Waren die der zu ihrer Herstellung
benötigten
Prozesse
übersteigt.
Für
die
Ermittlung
des
gleichgewichtigen Preisvektors ergeben sich damit zusätzliche Freiheitsgrade. A:
0
0
3
1
1
2
0
0
1
0
0
2
0
2
6
0
1
6
0
1
0
0
0
5
B:
Dieser Technologievorrat kann mit dem Intensitätsvektor x = ( 0,50 0,25 0,25 ) als stationäre Ökonomie aktualisiert werden. Ware 4 dient offenbar dem Konsum, sie figuriert in allen drei Prozessen als Repräsentant des Ressourceneinsatzes. Bei dem Verwertungsfaktor 1 ergeben sich alternativ z.B. folgende zwei gleichgewichtigen Preisvektoren:
140
Gesamtwirtschaftliche Koordination
y1 = ( 0,43478 0,13043 0,13043 0,30435 ) y2 = ( 0,35294 0,17647 0,11765 0,35294 ). Dass die Bildung eines gleichgewichtigen Preisvektors in diesen Fällen nicht eindeutig ausfällt, wirft die Frage auf, wie eine transitorische Ökonomie neu selektierte Prozesse zutreffend bewerten kann. Schließlich soll deren Produktivität nach den Preisen von Vorleistungen, Prozessaufwand und verkäuflicher Leistung beurteilt werden. Die Aufgabe erscheint lösbar, wenn die Preise von Vorleistungen und Prozessaufwand bereits gegeben sind und lediglich die erzielbaren Preise der innovativen bzw. neu aktualisierten verkäuflichen Waren evaluiert werden müssen. Ebenso umgekehrt ließen sich innovative Prozesse bei gegebenen Verkaufspreisen beurteilen. Problematisch ist jedoch offenbar die Situation, in der die innovative Selektion mehrere, miteinander über Vorleistungen verflochtene Prozesse beurteilen muss, so dass die Höhe der Warenpreise interdependent ist und ihre Bestimmung simultan erfolgen muss. Fixes Kapital Im fixen Kapital sind die Eigenschaften „Kuppelproduktion“ und „Eigenleistung“ vereint. Nur in der stetigen Modellökonomie, in der unterstellt wird, dass der Altersaufbau fixen Kapitals in allen Perioden gleich ist, kann die Modellierung dahingehend
vereinfacht
werden,
dass
der
Kapazitätsinput
sowie
der
entsprechende Vorleistungsoutput quasi homogen sei. Indem der Technologievorrat alternative Prozessselektionen sichtbar machen muss, sollten Prozesse mit fixem Kapital, also die Mehrheit der Prozesse, in der Waren- und in der Prozessdimension um eine Anzahl vervielfältigt werden, die der Anzahl möglicher Alterszustände des fixen Kapitals entspricht. Eine etwa zehnjährige Maschine kann nur einen geringeren Preis aufweisen gegenüber einer neuen Maschine gleichen Typs. Dass nicht stets die älteste, also preiswerteste Periodenkapazität gekauft wird, ist neben den Installationskosten dem Umstand
Stetige Ökonomie
141
geschuldet, dass diese erst nach vorangehender Abnutzung existiert. Die Preisbildung langlebiger Produktionsmittel war in Abschnitt 3.1.3 erörtert worden. Sie musste zum Resultat haben, dass tatsächlich langlebige Produktionsmittel eher unverkaufte Eigenleistung für die Folgeperiode als verkäufliches Produkt der abgelaufenen Periode sind. Sei angenommen, dass die Effizienz betrachteter Maschinentypen sich im Zeitablauf verringert; entweder in der Form, dass bei gleichen Inputkoeffizienten kleinere Outputkoeffizienten gelten oder in der Form, dass zunehmend mehr Verbrauchsprodukte des Maschinenbetriebs erforderlich werden. Damit muss das Zinsregulativ eine optimale Nutzungsdauer unterhalb der absoluten technischen Lebensdauer von Maschinen bestimmen. Bei verbundenen Industrien und mehreren genutzten Maschinentypen zeigt sich jedoch, dass das Zinsregulativ auch in diesem Unterfall von Technikwahl wechselnde Entscheidungen hinsichtlich der Nutzungsdauer mit sich bringt 23. Das Ungenügende der bloßen Relativpreisbetrachtung zeigt sich bei der Abkehr von der stetigen Modellökonomie. Werden im Zeitablauf schwankende Wachstumsraten, geänderte Prozessselektionen und Änderungen der Verteilungsparameter zugelassen, so sind die Relativpreise von fixem Kapital nicht mehr bestimmbar. Deren Betrachtung liefert keine hinreichende Planungsheuristik; in der unstetigen, tatsächlichen Ökonomie wird als ein monetärwirtschaftliches Ersatzproblem das des maximierten Wachstums von als Geldgröße gemessenem Kapital gelöst. Der Absolutpreis ist somit unverzichtbar. Allokation und Distribution In einer gleichgewichtigen Ökonomie sollen alle Prozesse die gleiche Profitrate erbringen. Wird dann der Lohnsatz gesenkt, werden also die Profitraten der Produktionsprozesse erhöht, so gewinnt momentan der Prozess mit niedriger organischer Zusammensetzung mehr als derjenige mit hoher organischer Zusammensetzung. Die vorher gleichgewichtigen Preise führen damit zu differierenden Profitraten und sind damit unhaltbar. Der Anpassungsdruck rührt jedoch nicht erst aus einem aus klassenspezifischen Sparquoten ableitbaren
142
Gesamtwirtschaftliche Koordination
erhöhten Sparvolumen, sondern bereits allein aus der geänderten Aufteilung der Wertschöpfung.
w1 > w0 > w2
organische Zusammensetzung
Profitrate Abb. 6.1: Reagibilität der Profitrate
Der realwirtschaftliche Effekt lässt sich etwa durch die Annahme ausschließen, dass die Variationen des Lohnsatzes auf einem Einkommensniveau stattfinden, in dem sowohl aus Profiten, als auch aus Löhnen 100 % gespart wird. Der Übergang von w0 zu w1 illustriert den Fall steigender Löhne, umgekehrt fallen diese von w0 zu w2. Auch der umgekehrte Fall ist vorstellbar: die Ausgeglichenheit der Profitraten soll im Ausgangszustand nur darin begründet sein, dass die Relationen Lohn pro Arbeitskraftverausgabung differierten. Die Kapitalreproduktion hat dann keinen Anlass zur Reallokation, sehr wohl aber die beschäftigten Arbeiter. Stellen sie durch Migration oder Verhandlungen den Ausgleich der für sie relevanten Relation Lohn pro Arbeitskraftverausgabung her, so müssten momentan bei gleichem Preisvektor die Profitraten differieren. Sie entwickelten sich nach Maßgabe der organischen Zusammensetzung auseinander. Ein zur geänderten Verteilung wieder gleichgewichtiger Preisvektor kann für die einzelnen Prozesse durchaus
eine
ganz
andere
Position
hinsichtlich
der
organischen
Zusammensetzung ergeben, da diese erst auf der Grundlage der ebenfalls
Stetige Ökonomie
143
geänderten Vorleistungspreise bestimmt wird. Die Distribution affiziert die Allokation.
6.1.3 Akkumulation In der pretialen Sicht bedeutet Wachstum die Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung in produktiven Arbeitsprozessen. Produktivitätszuwachs bedeutet, mehr Produkte werden bei gleichem Ressourceneinsatz erzeugt, oder die gleiche Produktmenge lässt sich bei verringertem Ressourceneinsatz herstellen. Produktivität wäre also der Quotient aus Arbeitsergebnis und Arbeitseinsatz. Akkumulation und Profitrate Sei ein konstanter Ressourceneinsatz, etwa der gesellschaftlichen Arbeitskraft, unterstellt und die Produktivität konstant. Bei zugleich markträumender Produktion ist daher auch die erzeugte Wertmasse pro Periode konstant. Die Kapitalakkumulation kann dann nur intensiv, nicht extensiv erfolgen, d.h., eine zunehmende Masse der auf Vorleistungen entfallenden Werte nimmt an der Produktion in Folgeperioden teil bevor sie schließlich über den unproduktiven Konsum ausscheidet. Die Hypothese einer Akkumulation ohne Produktivitätsfortschritt ist keinesfalls als empirisch mögliche Tendenz zu verstehen. Sie wird bemüht, um die Notwendigkeit des Gegenteils, der engen Verknüpfung von Akkumulation und Produktivität, darzulegen. Die Hypothese implizierte zwei problematische Annahmen: • der Anteil produktiv verwendeter Vorleistungen nähme zu, ohne dass die Arbeitskraft produktiver wäre; • die Akkumulation würde vollzogen, obwohl dadurch die Profitmasse nicht steigen könnte. Aus Profiten werde zunächst nicht konsumiert, alle Konsumausgaben sind aus Lohnzahlungen zu bestreiten. Der Konsum kann also das Lohnvolumen nicht übersteigen und die Akkumulation setzt sich aus Profiten und den Ersparnissen
144
Gesamtwirtschaftliche Koordination
aus Löhnen zusammen. Indem sich akkumulierendes Kapital in einem zunehmenden Anteil nicht-konsumierbarer Vorleistungen ausdrücken muss, ist der Konsumanteil somit fallend. Der Arbeitseinsatz der Periode und die übernommenen Vorleistungen aus Vorperioden können sich zusammen nur in drei Teilen des Gesamtprodukts ausdrücken: • Reproduktion des Realkapitals, • Konsum und • Nettoinvestition. Nimmt der pretiale Anteil des bereits akkumulierten, also in Realkapital verwandelten Produkts am bewerteten Gesamtprodukt zu, so müssen sich konsumierter Lohn und Nettoinvestition, entstehungsseitig als Lohn und Profit, einen relativ schrumpfenden und absolut konstanten Rest teilen. Damit die Profitrate auf eine zunehmende Wertmasse akkumulierten Kapitals nicht verfällt, müsste der Lohnanteil entsprechend nachgeben. Dies wiederum ergibt keinen Sinn bei erhöhtem anteiligem Ressourceneinsatz in der Produktion von Vorleistungen, die sich schließlich in Konsumgütern ausdrücken müssen. Die Preisverhältnisse sind den Wertverhältnissen nicht kongruent. Die monetäre Profitrate zeigt nicht unmittelbar Stand und Entwicklung der pretialen Profitrate an. Vier Konsequenzen aus dem Fall der Profitrate sind zu erwarten:
1. Die Ökonomie verfällt in Stagnation, indem weder aus Profiten, noch aus sonstigen Einkommen akkumuliert, sondern das gesamte Nettoprodukt konsumiert wird. Die Ökonomie soll zwar der Kapitalform des Werts entsprechend reguliert werden, kommt jedoch nicht mehr zur Akkumulation 24. Die Realinvestition aus realisiertem Profit unterbleibt, der Anteil des fiktiven Kapitals nimmt zu. Die Selbstreferentialität des Kapitals zeigt sich dann nur noch als asset price inflation.
2. Die Produktivität nimmt zu, so dass eine höhere Produktmasse zur Distribution ansteht. Das monetäre Volumen des Ertrags steigt, es reflektiert nicht den sinkenden Ressourcengehalt pro Wareneinheit. Nur noch die auf hohem
Stetige Ökonomie
145
Produktivitätsniveau beschäftigten Ressourcen können aktiviert werden; der Anteil der „überschüssigen“ Bevölkerung wächst.
3. Die Akkumulation erstreckt sich auf zusätzliche Ressourcen, erfolgt also extensiv.
4. Die Zerlegung der Gesamtwirtschaft in Einzelwirtschaften wird reduziert, d.h. die Profite aus den Vorleistungen werden bei vertikaler Integration nicht bezahlt. Akkumulation und Produktivität Ohne Akkumulation sind alle Prozesse Vorleistungslieferanten des Konsums. Mit einem akkumulativ gewidmeten Teil des Periodeneinkommens wird auch ein Teil des Ressourceneinsatzes zum Umbau und zum Ausbau der Produktionskapazität verwendet. In einer betrachteten Periode ist dieser Teil der bisherigen Verwendung bei der Reproduktion des Konsumfonds entzogen. Bleibt dabei dessen Niveau bei konstantem Gesamteinsatz der Ressourcen erhalten, so muss die Produktivität der neuen Prozesse offenbar höher sein als die der vorherigen Prozessselektion. Ohne diesen Produktivitätsfortschritt wäre bei konstanter Ressourcenausstattung bzw. konstantem Ressourceneinsatz und konstantem Konsumniveau Akkumulation nicht möglich. Ohne Akkumulation müsste umgekehrt der Produktivitätsfortschritt den Ressourceneinsatz verringern oder das Konsumniveau anheben. Einkommensverwendung und Rate des technischen Fortschritts sind unter der Bedingung gleichbleibenden Ressourceneinsatzes nicht voneinander unabhängig. Produktivitätsfortschritt machte dann Akkumulation zugleich möglich und erforderlich. Ist die Fortschrittsrate jedoch hoch, so müsste die Akkumulation nicht nur einmalig, sondern auch in Folgeperioden ein entsprechend hohes Niveau aufrechterhalten,
um
die
Freisetzung
der
Ressourcen
bei
konstantem
Konsumniveau kompensieren zu können. Der Vollzug von Investitionen ist an und für sich zusätzliche Vorleistungsnachfrage; die vollzogenen Investitionen jedoch sind eine Sperre gegen weitere Investitionen, da die Produktions-
146
Gesamtwirtschaftliche Koordination
kapazitäten nicht beliebig jung werden können. Die Akzeleration vollzieht sich entlang der Vorleistungskette, sie betrifft nicht in Folgeperioden immer dieselben Stufen der Prozessketten. Man berechnet daher einen gleichgewichtigen Übergang zur Ausweitung des Konsums. Solange die Rate der Produktivitätszunahme und die Akkumulationsrate im Zeitablauf gleich hoch und konstant bleiben und sich die Altersstruktur der Produktionskapazität nicht ändert, kann man dem akkumulierten Teil der Produktion in jeder Periode den gleichen Ressourcenanteil und bei konstantem Ressourceneinsatz auch den gleichen Ressourcengehalt bzw. Wert zusprechen, der sich auf eine gemäß dem Produktivitätsfortschritt steigende Produktmasse verteilt. Wiewohl technischer Fortschritt sich typischerweise in neuen Prozessen und Produkten ausdrückt, sei er hier beispielsweise verstanden als das Vermögen, eine stets höhere Stückzahl an qualitativ je gleichbleibenden Vorleistungs- bzw. Konsumgütern mit gleichem Ressourceneinsatz herzustellen. Die gleiche Rate der Zunahme dieser Stückzahlen und der der Akkumulation ermöglicht letztere ohne ihren Anteil am Ressourceneinsatz zu variieren. Unabhängig von der Bewertung der Gesamtkapazität mit aktuellen niedrigeren oder historischen höheren Ressourcengehalten erfolgte die Akkumulation gemessen in diesem Maß nur in arithmetischer Reihe, in Stückzahlen gemessen erfolgt sie mit geometrischer Zunahme. Eine pretialwirtschaftliche Akkumulationsrate über das Niveau der Produktivitätszunahme hinaus erforderte einen zunehmenden Anteil der Nettoinvestition am gesamten Ressourceneinsatz. Zwar könnte zu diesem Zweck der Konsumfonds, der sich voraussetzungsgemäß der gleichen Produktivitätszunahme erfreut, verringert werden, jedoch höchstens bis zu seiner realwirtschaftlichen Konstanz; d.h., er verringerte seinen Ressourcenanteil maximal gerade in Höhe der technischen Fortschrittsrate. Diese spielt insofern eine der sogenannten natürlichen Wachstumsrate bei der Konstruktion von Wachstumsgleichgewichten vergleichbare, nämlich substitutive Rolle. Die pretiale Betrachtung kann von der Geldversorgung der Ökonomie gänzlich abstrahieren. In monetärer Sicht ist Preisstabilität bei realwirtschaftlicher
Stetige Ökonomie
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Expansion nur mit zunehmendem Geldangebot zu gewährleisten. Das Handelsvolumen ist dann im Zeitablauf nicht Repräsentant der Wertmasse. Die monetäre Profitrate müsste bei gleichbleibendem Ressourcenanteil der Nettoinvestition in den Perioden nur dann verfallen, wenn andernfalls die Preise den Ressourcengehalten nach unten folgten, d.h. der Produktivitätsfortschritt unmittelbar an jeden Konsumenten weitergegeben würde und der Produzent leer ausginge. Dass die monetäre Profitrate statt zu verfallen der Rate der Produktivitätszunahme gleich bleibt, hat sie insoweit der potenzialorientierten , nicht-deflationären Geldversorgung zu verdanken. Dem Verhältnis von pretialer zu monetärer Profitrate würde man mit Betrachtung lediglich der Relativpreise nicht gerecht. Eine Geldtheorie ist außerhalb der stetigen Modellökonomie unverzichtbar. Das deflationierte Niveau einer durchschnittlichen Profitrate, ebenso wie das Niveau des Reallohnsatzes finden eine absolute Grenze in der realwirtschaftlichen Produktivität. Gleichgewichtige reale und monetäre Reproduktion Die gleichgewichtige Reproduktion muss für alle einzelnen Warenkategorien in realer Hinsicht und für alle Einzelwirtschaften in monetärer Hinsicht erfüllt werden. Wenn alle Produktionsprozesse, die den produktiven Konsum beliefern, zu einem Investitionssektor, und alle Produktionsprozesse, die den Endkonsum beliefern, zum Konsumsektor zusammengefasst werden, lässt sich eine Verbindung zur Distribution und den Entscheidungen zur Einkommensverwendung herstellen. Von Eigenleistungen außerhalb der Warenzirkulation wird jetzt abgesehen. Im einfachsten Fall vollziehe sich die Reproduktion ohne Akkumulation und daher muss das Volumen der Konsumwaren dem Volumen der Einkommen, Löhne plus Profite, entsprechen. Nicht nur den Proportionen, sondern auch den absoluten Mengen und monetären Volumina nach, wiederholte dann eine Folgeperiode genau ihre Vorperiode: Investitionswaren = ( VI + LI ) ( 1 + r ) Konsumwaren
= ( VK + LK ) ( 1 + r ),
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Gesamtwirtschaftliche Koordination
wobei VI Vorleistungen für Investitionswaren VK Vorleistungen für Konsumwaren LI Lohnsumme im Investitionssektor LK Lohnsumme im Konsumsektor r
Zinssatz
Das Volumen der erzeugten Investitionswaren muss gerade dem Verbrauch an Vorleistungen beider Sektoren in gleicher Höhe, VK + VI , entsprechen. Soweit Sparen und Akkumulation erfolgen, sind Annahmen darüber zu treffen, wann Zahlungen und Ausgabeentscheidungen stattfinden. Löhne werden zu Beginn der Periode gezahlt und müssen sich daher bis zum Periodenende ebenso wie gekaufte Vorleistungen verzinsen. Sie werden im Laufe der gleichen Periode gegen Konsumwaren umgesetzt und in Höhe der maßgeblichen Sparquote gespart. Profite fallen zum Ende der Periode an, werden sofort reinvestiert bzw. in der Folgeperiode gegen Konsumwaren umgesetzt. Vermittels konstanter Preise kann vom Sparbetrag, S, auf die zusätzlich nachgefragten Mengen an Vorleistungen und Konsumwaren der Folgeperiode geschlossen werden. Diese müssen bereits zum Ende der Vorperiode zur Verfügung stehen, also produziert worden sein. Der Produktzuwachs der Vorleistungen aus dem Investitionssektor ist ( 1 + r ) ( VI + LI ) ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯. V K + VI Mit diesem Faktor muss in der stetigen Ökonomie auch der Konsum zunehmen. Die Gleichheit von Produktion und Verbrauch des Investitionssektors drückt sich als
Stetige Ökonomie
149
VK + VI ( 1 + r ) ( VI + LI )
= VK + VI + ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ S VK + LK + VI + LI
aus. Daraus leitet sich folgende Beziehung ab: ( 1 + r ) ( VI + LI ) ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ - 1 VK + VI
S =
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯. VK + LK + VI + LI
Die Wachstumsrate der Produktmasse muss der Zunahme der Vorschüsse aus der Ersparnis heraus entsprechen. Ließe sich dies ex ante koordinieren, so wäre eine der zahlreichen notwendigen Bedingungen für stetige Akkumulation erfüllt. Bei gleichgewichtiger Akkumulation dürfen sich die monetären und Mengenproportionen durch die Akkumulationsentscheidungen und die Zusatzproduktion nicht ändern. Im Modell wird auf kreditfinanzierte Zusatznachfrage verzichtet 25. Die bisherigen Überlegungen sind abhängig von der Formulierung einer adäquaten Sparfunktion. Der gesamte Sparbetrag ließe sich aus den Einkommen etwa als S := sL ( LI + LK ) + sP r ( VI + LI + VK + LK ). sL Sparen aus Löhnen sP Sparen aus Profiten ableiten. Allerdings kann der Sparanteil auch vom Einkommensniveau abhängig gewählt werden. Bei expandierenden Kapitalien oder einer erhöhten Pro-KopfBeschäftigung ist dann etwa ein überproportionaler Sparanteil zu erwarten. Auch die Verteilungsparameter r, LI und LK können bei differierenden funktionalen Sparquoten, sL und sP, zu einer Diskrepanz zwischen Produktion und Verwendung führen.
150
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Die Bedeutung dieser Modellüberlegungen zur Stetigkeit und Gleichgewichtigkeit einer expansiven Ökonomie ist nicht die, eine real existierende Produktionsweise mit unrealistischen Bedingungen zu überfrachten und sie der Funktionsuntüchtigkeit zu überführen. Vielmehr zeigen diese Bedingungen den Umfang der Aufgaben, die mit den vorgestellten Regulativen zu erledigen sind. Eine zentrale Problematik liegt gerade darin, das Wechselspiel zwischen Produktion und Ausgabeentscheidungen zu vermitteln. Technikwahl Die Steigerung der Produktivität ist gerade ein Mittel, die Profitmasse aus einer Einzelwirtschaft durch Verringerung des Kostenvolumens zu verteidigen oder auszudehnen. Die gelingende Verwertung akkumulierter Mittel als zusätzlicher Investition ist die Möglichkeit, die Realisierung erzeugter Werte in künftige Perioden zu verschieben. Die Tauschwertmasse wird in möglichst lange und umfängliche Produktionsumwege gesteckt, solange sie in ausreichender Rentabilität wieder im Konsumfonds erscheint. Nicht Geld oder Waren, sondern das prozessierende Kapital bietet die Möglichkeit, Wert aufzubewahren. Dies dadurch, dass Wertbildung und Wertverzehr nicht etwa ein dynamisches Gleichgewicht bilden, sondern die Wertbildung einen akkumulativen Überhang aufweist gegenüber dem Wertverzehr. Unter diesem Aspekt ist die Technikwahl bei der Allokation von Geldkapital als Realkapital nicht gleichgültig: so sehr die Beschäftigung von Arbeitern gebotener erscheint als die von Maschinen, so sehr verringerte doch ein kleinerer Kapitalkoeffizient die Möglichkeit, in gegenwärtigen Perioden zu produzieren, was erst in künftigen Perioden entwertet werden soll. Der Aufbau des gesellschaftlichen Kapitalstocks ist eine zeitweilige Möglichkeit, an der Schranke des unproduktiven Endkonsums vorbei Wertbildung zu realisieren. Hier erscheint das wechselseitige Aufkaufen
von
Vorleistungen
als
Erzeugung
wirklichen
Reichtums. Richtete sich hingegen die jeweilige Vorleistungsnachfrage auf arbeitsintensive
Produktionsprozesse,
so
ginge
ein
größerer
Teil
des
Einkommensstroms in Konsum oder Ersparnis, statt in die Akkumulation. In
Stetige Ökonomie
151
beiden Fällen zirkulierte Kaufgeld; im Fall der arbeitsintensiven Produktion gehen die erzeugten Werte schneller in den unproduktiven Verbrauch, d.h. sie verringern
das
Zirkulationsvolumen
im
Vergleich
zur
sogenannten
kapitalintensiven Technikwahl. Sofern langanhaltende Prosperitätsphasen der arbeitsteiligen Ökonomie mit Technologieschüben erklärt werden, ist darauf zu achten, ob technologische Innovationen geeignet sind, die Produktionssphäre flächendeckend zu durchdringen, oder ob sie lediglich einzelne Branchen ergreifen bzw. nur konsumnah angesiedelt sind. Die Dampfmaschine stellte sich als Energieaggregat für Produktionsbetriebe, Schiffe und Eisenbahn dar. Sie gelangt nicht in den Individalkonsum. Der Verbrennungsmotor andererseits eignet sich auch für den Personenkraftwagen. Die Miniaturisierung der Rechner diffundiert in den produktiven Bereich, in die Verwaltungen und auch in den Individualkonsum. Profit und Beschäftigung Die pretialwirtschaftliche Logik der Kapitalverwertung mag zwar den Anspruch auf möglichst beschleunigte Akkumulation stellen, jedoch ist damit durchaus noch nicht die jeweils gebotene Gebrauchswertstruktur der gesellschaftlichen Arbeit gegeben. Man gesteht im Falle eines auftretenden Widerspruchs zwischen pretialer und realer Reproduktion dem zentralen Regulativ der Kapitalproduktion zu, sich aus der gesellschaftlichen Arbeit zurückzuziehen. Diese verbleibt unorganisiert, die Arbeitskraft also ungenutzt. Vom Standpunkt der Arbeiter aus stellt sich die Wachstumsfrage also noch dringender als für das Kapital 26. Die einfache Reproduktion des Kapitals bedingt Konsum aus Profiten. Die Bedingung einer positiven Profitrate wird einer wirtschaftlichen Aktivität nie erlassen, ob das Niveau der wirtschaftlichen Aktivitäten ausgedehnt wird oder kontrahiert. Der Arbeiter kann sich also nicht dabei beruhigen, dass sein Interesse als Verkäufer der Ware Arbeitskraft bei der Logik der Kapitalverwertung gut aufgehoben sei. Mangelt es der Ökonomie an realwirtschaftlicher Vernunft, nämlich ausreichend produktiven Produktionsprozessen, so sieht er sich der
152
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Forderung gegenüber, das Kriterium der positiven Profitrate durch Redistribution zu seinen Lasten erfüllbar zu machen. Das Regulativ der Profitrate muss unter Konkurrenzbedingungen die Möglichkeit des technischen Fortschritts stets in seine Notwendigkeit umsetzen. Die Kapitalverwertung müsste scheitern, wenn dieser sich bei qualitativ und quantitativ konstantem Konsumfonds entfalten sollte. Nur in diesem Sinne lässt sich von einem impliziten Akkumulationszwang der Kapitalverwertung sprechen. Könnte Kapital sich ohne Konkurrenz entwickeln, so hätte man nicht mehr mit Privateigentum an Produktionsmitteln, mithin nicht mehr mit Kapitalismus zu tun. Würden Profite vollständig konsumtiv verwendet, sich also nicht in zusätzliche
Produktionsmittel
verwandeln,
so
wäre
der Zweck dieser
Produktionsweise, die Akkumulation von Kapital, verfehlt.
6.2 Geschwindigkeiten der Anpassung Auch wer sein Wirtschaftsverständnis auf das Faszinosum der Zirkulation reduziert, muss den Produktionsprozessen als ihrer Voraussetzung zugestehen, dass sie erstens Zeit in Anspruch nehmen und zweitens von unterschiedlicher Dauer sind. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Wirkungszusammenhänge ergibt sich eine Reihenfolge der Reaktionszeiten: monetäre Größen ließen sich sofort anpassen; realwirtschaftliche Prozesse können kurzfristig nur kontrahieren, nicht expandieren.
6.2.1 Binnenwirtschaftliche Reaktion Eine unerwartete Zunahme der Nachfrage kann bis zur Grenze der vorhandenen Kapazität mit elastischem Angebot bei bleibenden Preisen beantwortet werden. Ist die Kapazität ausgelastet, so bleiben die Reaktionsvariablen Preis oder Lieferfrist. Zur Kapazitätserweiterung kommt es erst unter der Annahme persistenter Nachfrageerhöhung. Fällt die Nachfrage unerwartet gering aus, so stehen die Reaktionen Preis oder Menge zur Verfügung. Dass Preissenkungen als Antwort auf einen Nach-
Geschwindigkeiten der Anpassung
153
fragerückgang richtig sind, setzt voraus, dass die Nachfragemenge preiselastisch wieder korrigiert werden kann und in der erwarteten Frist entweder geringere Einnahmen hingenommen werden oder Beschaffungspreise sich ebenfalls senken lassen. Der Einkommenseffekt der Preissenkung wird beim Konsumenten kaum zur Mengenerhöhung seines Nachfrageverhaltens führen können, da das betreffende Produkt einen Budgetanteil kleiner eins einnimmt. Dass es aufgrund einer Preissenkung zur Substitution kommt, ist im Bereich des produktiven Konsums bei limitationaler Produktionsfunktion nur mit geänderter Technikwahl zu erwarten, im unproduktiven Konsum dürfte diese Reaktion ebenfalls die Ausnahme darstellen (Brot als Futtermittel, Weizen zum Heizen). Hält also der Produzent seinen Preis konstant und reduziert die Produktionsmenge, so wird er sich in dem Maße schadlos halten können, wie er seinerseits Herstellungskosten reduzieren kann: Stückkosten lassen sich beschäftigungsabhängig zurückführen, remanente Fixkosten senken seine Verwertungsrate. Ist die Kapazität bereits bezahlt, so entgeht er einem Risiko in der liquiden Reproduktion, versäumt aber Abschreibungen zu verdienen; sind feste Verträge zu erfüllen, so besteht die Gefahr eines Auszahlungsüberschusses.
6.2.2 Regionale Realwirtschaft und globale Monetärwirtschaft Über den Betrieb der traditionellen Handelswege hinaus hat die entfaltete Warenwirtschaft von Europa ausgehend zunächst weltweite Märkte und später weltweite Produktion eingerichtet. Monetärwirtschaftlich verblieben die Regulative Anleihemarkt, Refinanzierung und Wechselkurs staatlicher Manipulation unterworfen. Insoweit diese monetärwirtschaftlichen Grenzen dereguliert werden, bildet sich auch ein weltweiter monetärwirtschaftlicher Zusammenhang aus. Mit vereinheitlichten Finanzmärkten sind national bzw. regional differierende monetäre
Verwertungsraten
kaum
vereinbar.
Sollte
seitens
nationaler
Währungsbehörden versucht werden, mit unterdurchschnittlich niedrigen Zinsen die Binnenwirtschaft zu stützen oder gar Investitionen dadurch anzuregen, dass deren Kapitalwert günstiger ausfällt, so nimmt inländisch geliehenes Geldkapital die Option wahr, sich zum höheren Niveau in Fremdwährung zu verzinsen. Dabei
154
Gesamtwirtschaftliche Koordination
unterstützt die erforderliche Transaktionsrichtung am Devisenmarkt noch zusätzlich einen Kursgewinn, denn die Landeswährung wird durch den Geldexport entwertet. Die monetärwirtschaftliche Bewegungsrichtung weist einen Selbstverstärkungseffekt auf. Die Realwirtschaft ist durch die induzierte Kursbewegung affiziert: kurzfristig sind durch den verringerten Außenwert der Landeswährung zwar Exporte lukrativer, jedoch ist die Binnenwirtschaft bei noch nicht substituierten Importabhängigkeiten beeinträchtigt. Bei einem umgekehrt überdurchschnittlichen nationalen Zinsniveau gilt mutatis mutandis entsprechendes. Eine nationale Beeinflussung von Zinsen oder Wechselkursen ist nicht mehr möglich, sie würde durch Arbitrage kurzfristig konterkariert. Gleichzeitig weist die
Realwirtschaft
differierende
regionale
Produktionsbedingungen
auf:
Wachstumsraten, pretiale Verwertungsraten, Stand der technologischen Entwicklung etc. sind durchaus nicht weltweit einheitlich. Dem interregionalen Leistungsaustausch fehlen monetärwirtschaftliche Regulative, um diese realwirtschaftliche Differenzierung abzufedern. In dem Maße, wie diese monetärwirtschaftlichen
Regulative
fehlen,
müssen
sich
Ausgleichs-
und
Anpassungsvorgänge direkt realwirtschaftlich bemerkbar machen: wenn Zinsen und Wechselkurse überregional bestimmt werden, muss die regionale Realwirtschaft in den Dimensionen Mengen und Beschäftigung reagieren. Das realwirtschaftliche
Anpassungstempo
ist
dem
monetärwirtschaftlichen
hoffnungslos unterlegen. Die kurzfristige realwirtschaftliche Reaktion ist stets der Rückgang
des
Niveaus
wirtschaftlicher Aktivitäten.
Der
überregionale
Verwertungsanspruch des akkumulierten bzw. kreditierten Geldkapitals belastet den regional differenzierten Verwertungsanspruch der personalen Ressource Arbeitskraft. Der Schein der erhöhten Produktivität als erhöhter Rentabilität der Produktionsprozesse
stellt
sich
kurzfristig
nicht
in
verbesserter
Allokationsleistung, sondern als Redistribution zu Lasten der Arbeitskraft dar. Wird jedoch die Verschlechterung der Kontraktbedingungen verweigert, so geht der Anpassungsdruck auch auf diesem Markt in die Mengendimension, d.h. die Verweigerung der Redistribution wird als Beschäftigungsrückgang geahndet.
Geschwindigkeiten der Anpassung
155
Darf man hoffen, dass die ungehemmte Verpflichtung auf das weltweit gültige Produktivitätsniveau, die Orientierung am je höchsten Standard, sich als heilsame Zwänge zur wirtschaftlichen Prosperität erweisen ? Zum einen ist nicht zu erwarten, dass dieser weltweite Wettlauf gegen die Entwertungstendenz in den meisten Regionen gewonnen werden kann. Wenn es zum anderen eines monetärwirtschaftlichen Zwangs zur Prosperität bedarf, wird deutlich, dass dieser nicht als Ursache, sondern bestenfalls als Bedingung fungieren kann. Monetärwirtschaftliche Maßnahmen und Vorgänge können Redistribution bewirken, die Realwirtschaft desorientieren usf., sie sind jedoch kein Substitut für realwirtschaftliche Leistung und deren effiziente Organisation.
6.2.3 Kontinuität und Innovation Anlass, bestehende Produktionskapazitäten auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen oder den innovativen Kapazitätsaufbau zu evaluieren, ist neben geänderten Nachfragebedingungen das Auftreten neuen technologischen Potenzials. Dessen Herkunft ist nicht oder jedenfalls nicht vollständig wirtschaftsendogen. Jeder wirtschaftliche Koordinierungsmechanismus hat die Aufgabe, Annahmen über eine nicht vorhersehbare Zukunft zu treffen und in gegenwärtigen Entscheidungen zu berücksichtigen. Dieses Problem wäre gering bei zugleich hoher Anpassungsgeschwindigkeit und niedrigen Anpassungskosten. Entscheidungen wären insoweit reversibel. Das mit Innovationen einhergehende wirtschaftliche Risiko ist jedoch in zwei Fällen, die auch kombiniert auftreten können, besonders groß: • bei langen Vorbereitungszeiten oder langen Nutzungsdauern liegt die positive Sanktion durch zahlungskräftige Konsumenten weit in der Zukunft. • bei hohen Mindestkapazitäten ist das Volumen „versenkter Kosten“ groß. Neben diese technisch bedingten Investitionsrisiken bei fixem Kapital treten weitere Auszahlungspflichten auch bei zirkulierendem und Humankapital auf, insoweit bei diesem Kontraktlaufzeiten zu berücksichtigen sind.
156
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Der Risikogehalt innovativer Investitionen wäre vergleichsweise geringer bei niedrigem Diskontsatz, also höherem Kapitalwert, oder hoher Wachstumsrate, die Nachfragepotenzial schafft. Beide Bedingen treten selten gleichzeitig auf. Das Problem ist in zwei entgegengesetzten Ansätzen behandelt worden: • Begrenzung des Folgeschadens von enttäuschten Erwartungen durch Privatisierung der Gewinnerwartung, also auch der eintretenden Verluste. • Verallgemeinerung des staatswirtschaftlichen Koordinationsversuchs, der eine ex-ante Abstimmung von Produzenten und Konsumenten gewährleisten soll. Zwei Wege führen in die gesamtwirtschaftliche Ineffizienz: • Vorrang der Kontinuität als dem Verzicht oder der Vermeidung von Innovation, welche die Rentabilität früherer Investitionen bedroht. • Vorrang der Innovation, die Anpassungskosten generiert und die Entwertung der bestehenden, zu substituierenden Kapazitäten bewirkt. Offenbar besteht vielmehr die Aufgabe darin, beide Tendenzen gegeneinander auszugleichen, so dass die Vorteile der Innovation Wertschöpfungspotenzial
-
-
Produktivität und
genutzt werden, andererseits jedoch auch das
Produktionspotenzial der bestehenden Kapazitäten ausgenutzt wird. Soweit nach dem Kriterium zur Entscheidung zwischen Kontinuität und Innovation gefragt wird, muss sich der Entwurf eines entsprechenden Regulativs als Antwort ergeben. Darüber hinaus jedoch ist auch eine institutionelle Antwort gefordert, die auf das Verfahren der Abstimmung zwischen Konsumenten und Produzenten und die dabei einzugehenden Verpflichtungen hin zielt. Bei der Diskussion der Verzinsung langlebiger Produktionsmittel (Seite 46) wurde angedeutet, dass das Zinsregulativ in der Funktion der Technikwahl die kurze Frist zwischen Aufwand und Endkonsum vor der langen Frist bevorzugen muss. Der realwirtschaftliche Hintergrund ist der, dass betriebene Produktionsprozesse nicht nur im Querschnitt, sondern eben auch im Längsschnitt um absolut oder zumindest momentan begrenzte Ressourcen und Kapazitäten konkurrieren müssen. Die Frage nach dem dann anzustrebenden Allokationsideal stellt sich nicht in der stetigen stationären Ökonomie. Diese hat, insofern alle Perioden gleich sind, ihren Ressourceneinsatz zu minimieren unabhängig von einer
Geschwindigkeiten der Anpassung
157
Periodenbetrachtung. Aber in einer stetigen Ökonomie verlangt bereits eine positive Wachstumsrate eine rationale intertemporale Allokation. Die Verzinsungslogik erfordert für die Gleichgewichtssituation in einer unstetigen Ökonomie einen exponentiellen Zuwachs der Bewertung aller investierten Mittel. Die mehrperiodische Optimierung der Allokation erfordert die Beachtung der natürlichen Ressourcengrenzen, die Produktion des Minimalkonsums und die Minimierung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsaufwands bzw. die Minimierung der Periodenanzahl bis zu einem vorgegebenen Zielzustand der Ökonomie. Kann man damit rechnen, dass die Verzinsungslogik • das Resultat der realwirtschaftlichen Optimierung ansteuert oder • ein gleichgewichtiger Preisvektor und Zinssatz mit diesem kompatibel ist ? Modellrechnung Dazu sei das Modell der Seite 135 mit drei Prozessen und drei Produkten herangezogen. Der Technologievorrat erweitere sich wie folgt: A:
0,250000
0,312500
0
0
0
0,187500
0
0,437500
0
0
0,125000
0,06250
0,500000
0
0
0,285710
0
0
0,428570
0
0,142850
0
0
0,142850
0,428570
0,142850
0
0
0
0,714280
0,087114
0,555297
0
0
0
1,471143
0,420021
0
0
0
158
Gesamtwirtschaftliche Koordination
B:
0
0,062500
0,456300
0
0
1
0
0
0
0
0
0,562500
0,125000
0
0
0
0
0
0
0,591590
1
0
0
0
0
0
0
0
1,142857
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
Offenbar kann die Ökonomie statt mit den Prozessen 1, 2, 3 auch mit den Prozessen 4, 5, 6 betrieben werden. Sei die Wachstumsrate in allen betrachteten Perioden mit 0,1 konstant, so ist ein stetiger Zustand mit den normierten Intensitäten x = ( 0 0 0 0,51610 0,23824 0,24565 0 0 ) und normierten Preisen y = ( 0,28392 0 0 0,31544 0,40063 ) möglich, wie bereits dort gezeigt. Die Verwertungsrate aller Prozesse beträgt dann ebenfalls wieder 0,1. Insoweit
sowohl die Wachstumsrate als exogen betrachtet wird, die
Verwertungsrate in beiden Situationen gleich groß ist und der Konsumfonds mit dem natural fixierten Reallohn gleichgesetzt wird, ist der Übergang von einer zur anderen Prozessselektion nicht ökonomisch zu begründen. Dies hindert nicht, an diesem Technologievorrat den Übergang von der Prozessselektion 1, 2, 3 zu der Prozessselektion 4, 5, 6 mit der Frage zu untersuchen, welche Stetigkeitsbedingungen der Monetärwirtschaft zu suspendieren sind, nachdem ein möglicher realwirtschaftlicher Übergang definiert ist.
Geschwindigkeiten der Anpassung
159
Der realwirtschaftliche Übergang wird in zwei Phasen ermittelt: • zunächst ist progressiv festzustellen, wie von einer stetigen Ausgangsperiode aus, noch nicht verwendete Prozesse des bekannten Technologievorrats mit den je zur Verfügung gestellten Produkten aktiviert werden können. Deren absolute Intensität bleibt dabei noch unbestimmt. • Retrograd können mit dem Erreichen der schließlichen Zielselektion die Anzahl und Intensitäten der Prozesse in den Übergangsperioden bestimmt werden. Dabei ist die exogene Wachstumsrate sowie die Bereitstellung des erforderlichen Konsumfonds zu beachten. Offenbar können aufgrund der Produkte 1, 2, 3 der anfänglichen stetigen Ökonomie in einer ersten Übergangsperiode sogleich die Prozesse 7 und 8 aufgenommen werden. Da Prozess 7 bereits das Produkt 4 erzeugt, kann daran anschließend auch der Prozess 4 aktiviert werden. Dann stehen die Produkte 4 und 5 zusätzlich zur Verfügung, so dass auch die Prozesse 5 und 6 der Zielselektion möglich werden. Die retrograde quantitative Prüfung ergibt, dass tatsächlich nach zwei Übergangsperioden der angestrebte stetige Zustand der Ökonomie bei geänderter Selektion möglich ist. Somit hat die Untersuchung die beiden stetigen Perioden 1 und 4, sowie die zwei transitorischen Perioden 2 und 3 zu betrachten. Da bei Aufhebung der Stetigkeitsbedingungen die Normierung der Prozessintensitäten und der Relativpreise nicht zweckmäßig ist, sei der realwirtschaftliche Zielzustand wie folgt gewählt: Die absoluten Intensitäten der Periode 4, x(4) = ( 0 0 0 5161000 2382400 2456520 0 0 ), erzeugen
multipliziert
mit
ihren
Outputkoeffizienten
Produktmengen x(4) X B = ( 2382400 0 0 2807451 3053196 ).
die
absoluten
160
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Retrograd lassen sich daraus die absoluten Prozessintensitäten der beiden transitorischen Perioden 3 und 2, sowie der ursprünglichen stetigen Periode 1 wie folgt bestimmen: x(3) = ( 0
2165818,1 0
x(2) = ( 0
1968925,6 2519545,3 0
x(1) = ( 4021170 1789932,3 2290543
4691818 0 0 2552228,4 0 0
)
0 0 2010772,3 632602,34) 0 0 0
0
)
Die Realwirtschaft dieses Übergangs vermag folgende Stetigkeitsbedingungen aufrechtzuerhalten: • Wachstum des Konsumfonds entsprechend der exogenen Zunahme des Ressourcenvorrats um den Faktor 1,1 in allen Perioden. • Zunahme der Beschäftigung in gleicher Höhe in allen Perioden. Weitere Stetigkeitsbedingungen sind an die Realökonomie nicht zu stellen. Der realwirtschaftliche Übergang lässt sich auch nicht weiter optimieren im Sinne einer Verringerung der benötigten Periodenanzahl oder einer Verringerung des gesamten Ressourceneinsatzes. Werden die Stetigkeitsbedingungen der Monetärwirtschaft aufgehoben, so soll es möglich sein, dass • der Produktpreis zu Beginn einer Periode (Input) von dem Preis zum Ende der gleichen Periode (Output) abweicht. • Die Verwertungsraten der Prozesse im Ablauf der Perioden schwanken. Jedoch ist weiterhin zu verlangen, dass in einer Periode die Prozesse gleiche Verwertungsraten aufweisen, da andernfalls die Aktivierung eines Prozesses mit geringerer Verwertungserwartung unterlassen wird. Da in Periode 4 bereits der stetige Wachstumsfaktor 1,1 mit den stetigen Mengenproportionen realisiert ist, müssen die Preise des stetigen Preisvektors y(4) auch Outputpreise der Periode 3 sein, andernfalls bereits in Periode 4 eine monetärwirtschaftliche Stetigkeit ausgeschlossen werden kann. Ebenso werden die stetigen Preise der Periode 1, y(1), auch Inputpreise der Periode 2 sein müssen.
Geschwindigkeiten der Anpassung
161
Die absoluten Preise der Periode 4 seien wie folgt gewählt: y(4) = ( 2833 0 0 3151 4016 ) Daraus werden retrograd die absoluten Preise der transitorischen Perioden 2 und 3 ermittelt. Die Relativpreise der Periode 1 sind bereits bekannt, so dass diese nur noch einen Freiheitsgrad aufweisen. Unbekannt sind demnach die absoluten Preise y1(1), y1(2), y2(1), y2(2), y3(1), y3(2), y4(2), sowie die beiden Verwertungsraten r(2), und r(3), bei denen auch noch die Gleichheit zu r(1) und r(4) zu prüfen ist. Folgende Gleichungen lassen sich zur Bestimmung der monetärwirtschaftlichen Unbekannten aufstellen: Verwertung im Prozess 2 in Periode 3 ( y1(2) a21 + y3(2) a23 ) r(3) = y1(3) b21
(6.1)
Verwertung im Prozess 7 in Periode 3 ( y1(2) a71 + y2(2) a72 ) r(3) = y4(3) b74
(6.2)
Verwertung im Prozess 3 in Periode 2 ( y1(1) a31 + y2(1) a32 ) r(2) = y2(2) b32 + y3(2) b33
(6.3)
Verwertung im Prozess 8 in Periode 2 ( y1(1) a81 + y2(1) a82 ) r(2) = y3(2) b83
(6.4)
Verwertung im Prozess 4 in Periode 3 ( y1(2) a41 + y4(2) a44 ) r(3) = y5(3) b45
(6.5)
162
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Verwertung im Prozess 2 in Periode 2 ( y1(1) a21 + y3(1) a23 ) r(2) = y1(2) b21
(6.6)
Verwertung im Prozess 7 in Periode 2 ( y1(1) a71 + y2(1) a72 ) r(2) = y4(2) b74
(6.7)
Aus den Gleichungen (6.5) bis (6.7) lässt sich eine Bestimmung beider Verwertungsraten r(2) und r(3) herleiten. Dabei seien y1(1) und y2(1) mit Hilfe von y3(1) ausgedrückt: r(2)r(3) = y5(3) b45 a71 (y1(0)/y3(0)) + a72 ( y2(0)/y3(0)) a44y3(1) (
a41 ( a21 (y1(0)/y3(0)) + a23 ) +
b74
) b21 a44 (6.8)
Werden die bekannten absoluten Beträge aus der Periode 4 eingesetzt, so ist r(2)r(3) = 5586,456 / y3(1). Aus den Gleichungen (6.1) bis (6.4) hingegen ergibt sich als Bestimmung für r(2) und r(3)
Geschwindigkeiten der Anpassung
163
r(2)r(3) = a71 y1(3) b21 y4(3) b74
a21
y3(1) a72 b32
y1(0) b33 a81 y2(0) b33 a82 a23a71y3(1) y1(0) y2(0) ( ( a31 )+ (a32 ) + a33) (a81 + a82 ) y3(0) b83 y3(0) b83 a21 y3(0) y3(0)
(6.9) Diesmal ergibt das Einsetzen der vorgegebenen absoluten Werte r(2)r(3) = 9204,1929 / y3(1). Die
ersichtliche Abweichung
lässt
sich wie folgt interpretieren: der
realwirtschaftliche Übergang der beiden transitorischen Perioden 2 und 3 zwischen den beiden stetigen Perioden 1 und 4 ist aus idealisierten Koeffizienten bestimmt worden. Diese gestatten in allen Perioden Mengengleichgewichte und ein der exogenen Wachstumsrate entsprechendes Beschäftigungswachstum. Trotzdem findet sich kein monetärwirtschaftlicher Übergang zwischen den beiden stetigen Perioden 1 und 4, der die einzige verbliebene Bedingung erfüllte, dass in der gleichen Periode betriebene Prozesse nicht untereinander differierende Verwertungsraten aufweisen. Die einer Produktionsweise entsprechende, spezifisch definierte Verwertungsrate muss durch ihre Divergenz in der Zeit bzw. zwischen verschiedenen Prozessen innerhalb einer Periode realwirtschaftliche Anpassungsprozesse indizieren und induzieren. Sind jedoch keine Anpassungen geboten, so wäre auch dies monetärwirtschaftlich zu reflektieren. Der vorliegende Widerspruch wäre in einem tatsächlichen Übergang durch die alternative oder kombinierte Rücknahme einiger der getroffenen Modellannahmen zu ermöglichen: • die Verwertungsrate ist über mehrere Produktionsprozesse zu bilden ( Mischkalkulation ); • die Toleranz gegenüber differierenden Verwertungsraten ist ausreichend hoch.
164
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Die Funktion des Zinsregulativs als Orientierungshilfe in der transitorischen Ökonomie ist damit in Frage gestellt.
6.3 Transitorische Ökonomie Innerhalb der Konstruktion stetiger Ökonomien ließen sich eine Reihe von Effekten der ökonomischen Anpassungsdynamik erläutern. Die derartige Behandlung von arbeitsteiligen Ökonomien setzt dasjenige voraus, was gerade in der tatsächlichen Ökonomie als deren spezifische Leistung überhaupt zu erbringen ist: die Kohärenz von Allokation und Distribution.
6.3.1 Der industrielle Akkumulationszyklus Wie die reife Frucht dem Verzehr oder der Fäulnis anheim fällt, so werden die Leistungen aus betriebenen Kapazitäten entweder von jungem Geld positiv sanktioniert oder sie sterben mit dem elementarischen Abbau der Kapazität aus. Dabei lassen sich folgende Fälle unterscheiden: • gleiche Leistung - gleiche Verwendung, wie in der stetigen Ökonomie • gleiche Leistung - andere Verwendung • gleiche Kapazität - andere Leistung • Abbau der Kapazität - andere Verwendung ihrer Substanz. Etliche makroökonomische Variable unterliegen zyklischen Bewegungen. Insbesondere monetäre Größen - Zinsen, Kurse, Indizes - können nicht anders als sich nach oben und wieder nach unten zu bewegen. Man versucht, den Beobachtungen Trend und Zyklus zu unterlegen. In der folgenden Analyse wird der realwirtschaftliche Investitionszyklus betrachtet. Die funktionelle Überlastung der Preisformel bringt mit sich, dass die Aufgaben der Allokation in separaten Abschnitten der zyklischen Akkumulation erledigt werden:
Transitorische Ökonomie
165
Polarisation Innovative Prozesse und Produkte werden nicht im luftleeren Raum eingeführt; sie verknüpfen sich mit vorhandenen Kapazitäten oder mit ebenfalls neu aufgebauten Kapazitäten. Für den folgenden expansiven Abschnitt des Zyklus muss eine mögliche Vorleistungsverflechtung von alten und neuen Kapazitäten gefunden werden. Die Integration der Prozesse stellt sich heraus. In diesem Abschnitt wird der Großteil der technologischen Entscheidungen gefällt und als innovative Investition umgesetzt. Die Intelligenz dieses Zustands der Ökonomie steckt in den Preisen, die den verknüpften Produktionsprozessen Verwertungsraten zuweisen. Der gebotene Gebrauchswertzusammenhang wird monetärwirtschaftlich ermöglicht. Steigerung Indem derart bestehende Kapazitäten betrieben und innovative Investitionen vorgenommen werden, fallen Einkommen an, die sich zum Teil auch als Endkonsum niederschlagen. Die Struktur der interdependenten Prozessintensitäten stellt sich heraus. Durch die Rückkopplung mit dem Endkonsum steigt das Niveau der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten. Nach der Innovation bietet so auch die Expansion Anlass zu Investitionen. Diese sind ihrer Typologie nach nunmehr expansiv. Die Expansion nimmt keine Rücksicht auf die Tatsache, dass Kapazitäten nur mit unterschiedlichem absoluten Zeitbedarf erstellt werden können. Was an Mengen fehlt, muss kurzfristig nachgeholt werden, mit der Folge, dass die nachholende Prozessintensität über einer noch ungeklärten reproduktiven Prozessintensität liegt. Intensität fungiert als Substitut der versäumten Zeit (vgl. Abschnitt „Zeitwirtschaft“). Vorliegerprozesse realisieren akzelerierten Kapazitätsaufbau im Verhältnis zu ihren Nachliegerprozessen. Dass die Prozesse mit differierenden Raten expandieren, weist aus, dass weder ihre Zuwachsraten, noch ihre relativen Intensitäten reproduktiv sein können. Eine Rückkopplung zu überkonjunkturell gültigen Prozessintensitäten kann nicht stattfinden. Der Endkonsum wirkt als Stimulus, nicht als Grenze der Expansion. Sie wird monetär ermöglicht durch die florierende private Verschuldungsbereitschaft und
166
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Geldschöpfung, die überall den erhofften künftigen produktiven oder unproduktiven Konsumenten substituiert. Die einzelwirtschaftliche monetäre Reproduktion gilt als hinlänglicher Indikator der künftigen gesamtwirtschaftlichen realen Reproduktion. Das Auf und Ab einzelner Preise ist zentrales Moment der dezentralen gesamtwirtschaftlichen Koordination. Wenn jedoch, je nach Indexdefinition, das sich verteuernde Volumen überwiegt, sieht sich der Geldwert gefährdet. Wer gewohnt ist, die Funktionen Nachfrage und Angebot auseinander zu reißen, wird Inflation beispielsweise auf einen Nachfrageüberhang zurückführen wollen. Dieser passt etwa zu einer konjunkturellen Phase mit hoher Beschäftigung. Die gesteigerte produktive und unproduktive Konsumtion trifft dann auf zumindest temporär beschränkte Kapazitäten und Ressourcen, so dass diese sich im Wege der Preisanhebung rationieren. Grundsätzlich ließe sich ein Gleichgewicht auf zwei Wegen wieder herstellen: Ausweitung des Angebots aus den Engpässen heraus oder Rücknahme der Nachfrage. Diese Situationsbeschreibung legt zutreffend das Ungleichgewicht von der monetären in die reale Ökonomie. Dass also die Warenpreise nicht nur relativ gegeneinander schwanken, sondern sich insgesamt erhöhen, ist der ihr entsprechende monetäre Ausdruck. Wenn in dieser Situation Inflationsbekämpfung einsetzt als Beschränkung der Refinanzierungsmöglichkeiten, kann die Realwirtschaft nur noch schrumpfen. Das monetärwirtschaftliche Mittel wirkt nicht differenziert, sondern global. Beschäftigung und Preisstabilität stehen insofern antagonistisch gegeneinander. Simultane Niveaustabilität bei Preisen und Beschäftigung hätte erfordert, dass die realwirtschaftliche Expansion schließlich in eine reproduktive Intensitätsstruktur kurz vor Erreichen der Ressourcengrenzen einmündet. Dieser Aufgabenstellung können die bemühten Institutionen und Regulative nicht gerecht werden.
Transitorische Ökonomie
167
Krise Ob die Expansion erst real durch eine temporäre Ressourcen- oder Kapazitätsbegrenzung, oder vorher bereits monetär durch nicht weiter prolongierbare Liquiditätsdefizite unterbrochen wird, spielt keine entscheidende Rolle. Die Krise offenbart, dass entweder die Intensitätsstruktur oder das Expansionsniveau
oder
beide
gleichzeitig
mit
gesamtwirtschaftlicher
Reproduktivität inkompatibel sind. Das Wertgesetz macht sich bemerkbar: die Prozessintensitäten müssen korrigiert werden. Die Korrektur erfolgt kontraktiv. Die Verteidigung der einzelwirtschaftlichen Liquidität verlangt Kostenreduktion, Investitionen sind jetzt vom Rationalisierungstyp: beschaffungsseitig muss gerettet werden, was absatzseitig verloren geht. Der produktive Konsument stellt bei verringertem Budget die stärkere Marktseite. Die Preise kommen unter Druck. Erstellte bzw. benötigte Leistungen sind qualitativ nicht so unspezifisch, dass sich über den Preis Mengen rationieren oder vertreiben ließen. Die Preiselastizitäten sind durchweg so gering, dass Ungleichgewichte über Prozessintensitäten und Liefertermine kompensiert werden. Das Preisgefüge ist mit den Allokationsentscheidungen aus der Suchphase des Zyklus kompatibel, es kann daher auch nicht vereinzelt, sondern nur insgesamt wieder zerstört werden. Auch vor diesem Hintergrund verläuft der marktgesteuerte Übergang von der Expansion in eine reproduktive Intensitätsstruktur der Ökonomie nicht unproblematisch. Unglücklicherweise wird mit der Reduktion des Aktivitätsniveaus auch der Endkonsum, die Stellgröße der gesamtwirtschaftlichen Reproduktivität, reduziert. Die Koppelung der Distribution an die Allokation gibt das sicherlich unzutreffende Signal an die Produzenten, dass die nicht mehr profitabel angewendeten Arbeiter ihren Bedarf verringerten. Der Multiplikator wirkt mit umgekehrtem Vorzeichen vergleichbar dem Steigerungsabschnitt des Zyklus. Das vorher so lohnende Akzeleratorprinzip rächt sich jetzt als defizitäre Überkapazität. Die als fixes Kapital investierten Mittel kehren nicht mehr als zirkulierendes Kapital zurück. Spätester Umkehrpunkt der Niveaureduktion ist die
erforderliche
Minimalkonsums.
Kapazitätserneuerung
bei
der
Reproduktion
des
168
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Die reduzierte Aktivität ist der Abschnitt verstärkter Suche nach technologischen Optionen. Deren spätere Implementierung im Polarisationsabschnitt stützt sich auf freigestellte Kapazitäten und Ressourcen. In einer Situation der Vollauslastung von Ressourcen und Kapazitäten hätte die innovative Investition größere Probleme, sich erforderliche Vorleistungen zuzuordnen. Unberechtigterweise wird aus dieser Situation das Argument für reduzierten Verbrauch genommen, der über Einkommensverminderung herzustellen sei. Getreide sei nicht zu konsumieren, sondern als Saatgut zu investieren. Von dieser Substitutionsbeziehung kann in der Krise nicht die Rede sein. Vielmehr ist die nach traditioneller Arbeitsteilung unternehmerische Leistung der innovativen Vorleistungsverflechtung zu besorgen, die das Einkommensniveau bei höherer gesamtwirtschaftlicher Produktivität rechtfertigt. Ohne diese Leistung ist die Lohnsenkung allerdings ein Mittel zur Verteidigung der einzelwirtschaftlichen Liquidität, deren Verlust tatsächlich das Ende der betreffenden Einzelwirtschaft und der dort entstehenden Arbeitereinkommen bedeutet. Die Rationalisierungsinvestition erhöht die einzelwirtschaftliche Produktivität und senkt das gesamtwirtschaftliche Einkommensniveau.
Offensichtlich
wird
jetzt
trotz
steigenden
„Grenzwertprodukts der Arbeit“ kein höheres Beschäftigungsniveau realisiert. Das tatsächliche Defizit dieser Situation liegt weder in fehlender effektiver Nachfrage, noch in unzulänglicher Finanzierung, sondern außerhalb des Wirtschaftslebens im mangelnden Angebot an wirtschaftlich relevanten Innovationen aus dem wissenschaftlichen Bereich und der daraus folgenden Leistung,
die
organisieren.
gesellschaftliche Arbeit Die
kontraproduktiven
zu
höherer
Verwertungsrate
institutionellen
Desiderate
zu des
27
Wirtschaftslebens verschärfen allerdings diese Situation unnötigerweise . Wer in dieser Situation den Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Aggregate wirft und einen konjunkturellen Verlauf ihrer Relationen zueinander erkennt, ist leicht verleitet, Eingriffspotenzial bei denjenigen Größen zu sehen, die dem einzelwirtschaftlichen Kalkül vorgeordnet sind: Geld-, Fiskal- und Lohnpolitik sollen derart aufeinander abgestimmt werden, dass sich die Anpassungsvorgänge des Krisenmechanismus in lediglich geringen Beschäftigungsschwankungen
Transitorische Ökonomie
169
äußern. Selbst wenn man davon absieht, dass der dabei berufene Nationalstaat nur bei entsprechend rigider Gestaltung der Grenze des Wirtschaftsraums kompetent sein kann, ist doch in diesen Betrachtungen die Wirkung für die Ursache gehalten: • vor dem Beschäftigungseinbruch ist das reale Zinsniveau gestiegen. Läge es niedriger, so könnte die Expansion fortgesetzt werden. Investitionen hätten bei geringerem Diskont einen höheren Kapitalwert. Richtig ist jedoch, dass der Kredit erst das Akzeleratorprinzip alimentiert hat. Ohne Rückkopplung zum Endverbrauch und ohne dessen Verstetigung sind Überkapazitäten der Ausrüstungsbranchen geschaffen worden. Der monetäre Trick akkomodierender Geldversorgung kommt der Aufforderung gleich, eine Illusion zu prolongieren. • Ein anderer Kostenfaktor, der die Profitrate bedroht, sind die Löhne. Wäre die Arbeitskraft billiger, so könnten inferiore Produktionsprozesse zusätzlich betrieben werden und in bedrohten bereits bestehenden Einzelwirtschaften wird die Liquiditätssituation entlastet. Richtig ist jedoch, dass die Situation, in der nicht einige, sondern viele Einzelwirtschaften unrentabel werden, fehlende Reproduktivität der Gebrauchswertstruktur ausdrückt. Diese ist durch einen bloß anderen, nämlich niedrigeren, Preis der Ware Arbeitskraft nicht korrigiert. • Fehlende Nachfrage verhindert die Auslastung der geschaffenen Kapazitäten. Diese soll ersatzweise über erhöhten Eigenverbrauch des Staats besorgt werden. Mit dieser Empfehlung wird tatsächlich unmittelbar in die Realwirtschaft eingegriffen. Fast jede Branche kann Lieferant des kollektiven unproduktiven Konsums werden. Zugleich ist die Unmöglichkeit vermieden, dass der Arbeiter als Konsument mehr ausgeben soll, jedoch gleichzeitig als produktive Ressource billiger werden muss. Das dynamische Gleichgewicht von konsumtiver und akkumulativer Verwendung des Nettoprodukts wurde verfehlt. Bei Unterauslastung von Kapazitäten erhöht kompensierender Staatsverbrauch ausschließlich den konsumtiven Anteil.
170
Gesamtwirtschaftliche Koordination
6.3.2 Transitorische Effizienz Nicht strukturelle Beständigkeit, sondern umgekehrt beständiger Wandel kennzeichnet die einzelwirtschaftliche Suche nach Verwertungsmöglichkeiten ihres Kapitals. Sie entkommt dem Entwertungsdruck des Produktivitätsfortschritts am besten dadurch, dass sie mit neuen Produkten bei neuen Konsumenten auftritt. In dieser Konstellation unterliegt sie zugleich dem höchsten Risiko eines negativen Kapitalwerts. Auch von Ökonomien auf hohem Niveau technischer oder sogar materieller Sättigung wird verlangt, dass sie nach diesem Verfahren prosperieren. Die Profitmasse kann nach zwei Seiten wachsen: • steigende Umsätze • sinkende Kosten. Beschränkt sich die Innovationsleistung allein auf den Aspekt der Kostenreduktion, so wird die Ressourcenfreisetzung nicht durch andere Verwendung kompensiert. Einer Ökonomie, die fortgeschritteneren Vorbildern nacheifert oder, z.B. nach umfänglicher Zerstörung, einen bereits früher erreichten Stand rekonstruiert, fällt es leichter, neue Prozesse für neue Produkte zu etablieren. Sie prosperiert bei beständigem Auslaufen bisheriger Produkte und Technologien. Anders stellt sich die Situation einer reifen, technologisch weit fortgeschrittenen Ökonomie dar. Hier sind Konsumenten zu überzeugen, dass das bloß Andere zugleich auch das Bessere sei. Was an technischer Effizienz in der Durchführung erreicht ist, muss durch gesellschaftliche Desorganisation wieder verschwendet werden. Die sogenannten „Transaktionskosten“, deren Aufwand nicht den Konsumfonds erweitert, sondern nur dem besonderen Verfahren, die gesellschaftliche Arbeit
zu
organisieren,
geschuldet
sind,
gelten
zu
Unrecht
als
Wertschöpfungspotenzial des Tertiärsektors. Wertverzehr kleidet sich in die Form der Wertschöpfung; Distribution will als Produktion erscheinen. Wenn Betroffene bereit sind, um ihrer ökonomischen Position willen Juristen damit zu beschäftigen, im staatswirtschaftlichen Geflecht aus Genehmigungen, Steuern, Subventionen und öffentlicher Auftragsvergabe Rechtsansprüche zu entdecken und durchzusetzen, so können an diese nur Einkommen verteilt
Transitorische Ökonomie
171
werden, die dem Verkauf produktiver Arbeitsleistung entspringen. Die bloße monetärwirtschaftliche Form dieser Vorgänge lässt durchaus keinen Schluss auf deren wertbildenden oder wertverzehrenden Charakter zu. Wer diese Leistungen beansprucht, kann nicht wie zwischen unterschiedlichen Vorprodukten mit unterschiedlichen Preisen wählen, sondern zahlt einen Obolus für die Betätigung in einem spezifisch verfassten wirtschaftlichen Umfeld. Man versucht, den Beschäftigungsdefiziten wegen einzelwirtschaftlicher Effizienz durch staatswirtschaftlichen Mehrkonsum zu entgehen. Auch der Produzent zieht den staatlichen Zwangskonsum als sichere Einnahmequelle dem bloß freiwillig zahlenden bzw. kaufunwilligen Individualkonsumenten vor. Die Behörde substituiert den Markt. Im Wirtschaftsleben sind Aktivitäten aus einem technischen Vorleistungszusammenhang mit dem Endkonsum heraus gerechtfertigt, sowie solche, die notwendige Allokationsaufgaben erledigen. Wenn es gelingt, im Wirtschaftsleben weitere Hürden für die Erwerbsmöglichkeiten aus produktiver Arbeit zu implementieren, so lassen sich daraus Einkommen generieren bis zur Grenze allgemeiner Lähmung des wirtschaftlichen Handelns überhaupt. Die drei Gütekriterien der stetigen Ökonomie, • Reproduktivität, • Proportionalität von Ressourcenverzehr und Wertbildung, sowie • Produktionsoptimum, sind im transitorischen Zusammenhang zu modifizieren. Die transitorischen Prozessintensitäten verletzen nicht deswegen das Kriterium des Produktionsoptimums, weil sie nicht der stetigen Reproduktivität genügen. Das Niveau eines Produktionsprozesses kann sich aus seiner Funktion, einen Übergang der Realwirtschaft zu bewerkstelligen, rechtfertigen. Das Proportionalitätskriterium ist aus der stetigen Ökonomie zu übernehmen, sofern von Unteilbarkeiten abstrahiert werden darf. Muss man jedoch mit diesen rechnen, so erhebt sich die Frage, ob eine Kapazität auch schon dann bereitgestellt werden soll, wenn sie mangels Nachfrage noch nicht mit voller Auslastung betrieben werden kann. Zudem mag es transitorisch effizient sein, eine Kapazität mit überhöhter Dimen-
172
Gesamtwirtschaftliche Koordination
sionierung und höherer Produktivität derjenigen mit passender Dimensionierung und geringerer Produktivität vorzuziehen. Kapazitäten entstehen neu, betriebene werden abgebaut. Eine aufgebaute Kapazität gilt zum Ende ihres Betriebs nicht mehr als technologisch angemessen. Sie wird sogar vor dem Ende ihrer technischen Lebensdauer bereits umgewidmet, wenn ihre Produktivität nicht nur den Kosten nach, sondern auch der Qualität ihrer Leistung nach suboptimal geworden ist. Offenbar müssen die in einer Ökonomie bemühten Regulative geeignet sein, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem Extrem der abschließenden Kapazitätsausnutzung und dem der sofortigen Innovation. Die transitorische Ökonomie ist kein Übergang zu einem bestimmten Zustand der Ökonomie. Sie ist nur Übergang. Trotzdem kann man zwei Zustände der Ökonomie gegeneinander vergleichen und fragen, ob eine alternative Prozessselektion und Intensitätswahl in den zwischenzeitlichen Perioden weniger Ressourcen benötigt hätte, bzw. statt dessen bei gleichem Ressourcenbedarf pro Periode weniger Perioden erforderlich gewesen wären. In einer abstrakten Formulierung ist die transitorische Effizienz daran abzulesen, dass ein späterer Zustand der Ökonomie nicht hätte schneller oder mit geringerem Ressourcenverzehr erreicht werden können. Spezifischer Unterschied zur Betrachtung der stetigen Ökonomie ist gerade der Zeitaspekt der transitorischen Ökonomie. Die Konstruktion der stetigen Ökonomie schloss die Aufgabe der temporalen Allokation aus. Komparativ-stetige Betrachtungen abstrahieren von den Kosten des Übergangs. Wenn transitorische Effizienz einzelwirtschaftlich ablesbar werden soll, ist daher zu verlangen, dass die aus dem Aufbau einer Produktionskapazität möglichen wirtschaftlichen Leistungen möglichst früh bereitgestellt werden sollen. Allerdings fallen die Prozessalternativen nicht in der Weise an, dass sich die relevanten Dimensionen • ( negativ: ) Ressourcenverzehr, • ( negativ: ) Dauer des Kapazitätsaufbaus und • ( positiv ) Wertschöpfungs- bzw. Renditepotenzial,
Transitorische Ökonomie
173
gegeneinander isolieren lassen. Ihre Substitutionsbeziehung muss gegeneinander kommensurabel gemacht werden. Wie die drei Dimensionen einen praktikablen, d.h. monetären, Ausdruck finden, ist entscheidend dafür, wie gut die Allokationsformel transitorische Effizienz zu approximieren erlaubt. Die jeweilige Ausprägung als Bestandteil der Preisformel bzw. der Verwertungsrate affiziert damit die Entscheidung über Technik- und Intensitätswahl. Es war bereits erörtert worden, wie mit dem Regulativ der Eigenmittelverzinsung versucht wird, diesen drei Dimensionen einen einheitlichen Ausdruck zu verschaffen. Eine alternative Formel wird in Kapital 8.2.2. vorgestellt. Die theoretische Entwicklung transitorischer Optimalität bliebe wertlos, wenn nicht auch die institutionellen Bedingung und die Regulative benannt werden, die sie erfüllbar machen. Das tatsächliche Differieren der Verwertungsraten in den Produktionsprozessen ist unausgewogenem Machtgefüge, unterschiedlicher Nützlichkeit der Arbeitsergebnisse, verschiedener Effizienz der Prozesse, aber auch der konjunkturellen Phase der Ökonomie geschuldet. Ein weiteres tritt hinzu: zu den möglichen Realwirtschaften muss je ein Preisvektor gefunden werden, der mindestens allen beteiligten Prozessen die liquide
Reproduktion,
wenn
schon
nicht
einheitliche Verwertungsraten
gewährleistet. Dass sie differieren, weist gesamtwirtschaftliche Suboptimalität auch für die transitorische Ökonomie aus. Nur eine Teilmenge dieser Differenzen ist begründbarer Bestandteil des Koordinationsprozesses. Jedoch hat sich andererseits auch gezeigt, dass selbst eine einheitliche monetäre Verwertungsrate in der gesamten Ökonomie im expansiven oder transitorischen
Zustand
keineswegs
die
Einheitlichkeit
der
pretialen
Verwertungsrate indiziert. Diese allein könnte ex definitionem die Verwerfungen des transitorischen Entwicklungspfades einer arbeitsteiligen Ökonomie anzeigen.
174
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Interdependenzen der transitorischen Entwicklung Die je in den Einzelwirtschaften relevanten Größen und ihr Zusammenspiel in der Gesamtwirtschaft sind in dem folgenden Interdependenztableau dargestellt: Innovation Rationalisierung
+ -
Expansion +
Akkumulation + +
+
-
+ +
+
+
-
Produktivität Auslastung + + Beschäftigung + Preisniveau + +
+
-
+ +
+ +
+
+ +
+
+
+
+ +
+ + +
-
Reallohnsatz Profitrate Nominalzins + Einkommen + Geldangebot + Geldnachfrage +
+
-
+
Liquidität
Abb. 6.2: Das Interdependenztableau
Bei der Interdependenz zweier (und mehrerer) makroökonomischer Variablen sind drei Ebenen ihrer Beziehung zu betrachten: • das beiderseitige absolute Niveau • der Zusammenhang ihrer Änderungsraten nach Vorzeichen und Ausmaß • die zweite Ableitung als Änderung der Änderung. Beispielsweise stellt man sich ein hohes Sparvolumen bei hohem Zinsniveau vor. Steigt aber der Zins von einem gegebenen Niveau aus, so verhält sich der Sparer attentistisch, d.h. er verschiebt die Finanzanlage bis ihm das Zinsniveau ausreichend hoch erscheint. Entsprechend muss der sinkende Zins auf zinsreagible Investitionen, etwa solche mit langem Planungshorizont und hohem
Transitorische Ökonomie
175
Anteil an Fremdfinanzierung, aufschiebende Wirkung entfalten. Für die Stabilisierung von Anpassungsprozessen in bemerkbaren Ungleichgewichtssituationen ist ein Vorzeichenwechsel von der ersten zur zweiten Ableitung erforderlich; die Wirkung muss sich schließlich gegen ihre Ursache stellen, damit das System gedämpfte Schwingungen zeitigt. Das Tableau zeigt in der Hauptdiagonalen die wichtigsten Größen einer geschlossenen, staatsfreien Ökonomie. Unterhalb der Hauptdiagonalen bedeutet ein Vorzeichen im Schnittpunkt zweier Größen, dass die obere Größe die untere beeinflusst, in der oberen Hälfte gilt die umgekehrte Beziehung; d.h., die Wirkung einer Größe auf eine andere ist stets gegen den Uhrzeigersinn abzulesen. Die exemplarisch eingetragenen Vorzeichen gelten für die Änderungsrichtung zweier Größen. Beispielsweise soll eine Zunahme der Beschäftigung den Reallohnsatz erhöhen und umgekehrt ein Sinken der Beschäftigung den Reallohnsatz verfallen lassen. Dieser steht der Profitrate unmittelbar antagonistisch gegenüber. Von letzterer hängt hingegen wieder die Beschäftigung und die Auslastung ab. Nicht dargestellt sind transitive, sowie abhängige, bzw. kombinierte Wirkungen der Größen untereinander. Um im Beispiel zu bleiben müssten sich Produktivität und Expansion derart entwickeln, dass bei geeigneter Distribution weder die Profitrate, noch der Reallohnsatz wegen Beschäftigungsabnahme verfallen. Ferner endet die Aussagekraft des Diagramms bei wirtschaftsexogenen Bestimmungen: die technische Innovation wird nicht wirtschaftsendogen veranlasst; die Liquiditätsversorgung hat auch einen autonomen Anteil. Das Tableau ist allenfalls eine Grundlage für die Explikation der transitorischen Ökonomie. Aufgabe dieser Schrift ist nicht die Entwicklung eines makroökonomischen Modells, das sich sogar noch ökonometrisch verifizieren ließe. Es ist auch kein Ansatz dazu. Hier soll nicht der Vorstellung Vorschub geleistet werden, die Gesamtwirtschaft ließe sich adäquat als mathematisches Modell formulieren. Dem Gegenstand mangelt es für diese Absicht an einer ausreichenden Portion waltender Vernunft. Das mit Preisen gewichtete Sozialprodukt und das Beschäftigungsniveau sind beobachtbar zyklischen Schwankungen unterworfen. Diese mögen einem
176
Gesamtwirtschaftliche Koordination
einheitlichem Grundschema folgen, wie es in Abschnitt 6.3.1 skizziert wurde. In der spezifischen Ausprägung nach Periode und Region werden sich stets spezifische Konstellationen finden, die einen Rückschluss von den messbaren aggregierten Größen auf einen wiederholt geltenden numerischen Wirkungszusammenhang unscharf machen. Man wird dabei zu bedenken haben, dass diese Größen in der empirischen Erhebung selbst konzeptionellen und messtechnischen Unschärfen unterliegen. Möglicherweise ließe sich eine durchschnittliche monetäre Profitrate zwar erheben, gerade in der transitorischen Ökonomie sind jedoch die Profitraten der Einzelwirtschaften divergierend und ihnen ist kein Durchschnittsniveau zuzuordnen. Dabei ist noch davon abgesehen, dass sich mit schwankenden Raten auch die Preise der jeweiligen Bezugsgrößen modifizieren, so dass zwar Profite, nicht aber Profitraten anfallen. Die Überlegungen sind jetzt soweit gediehen, dass sich der Übergang in die Vielfalt der mathematisch-ökonomischen Modellakrobatik anschließen könnte, wenn deren Resultat nicht dasjenige wäre, dass unterschiedliche Modellannahmen unterschiedliche Modellresultate ergeben. Man vermisst die Einführung neuer Modellklassen aufgrund der Fortentwicklung des gemeinten Gegenstands. Eher scheint das Scheitern befolgter Politikempfehlungen zur Generierung neuer Verhaltensannahmen beizutragen. Nur dem übelgesinnten Beobachter fiele die Möglichkeit, eine soziale Existenz als Ökonom zu reproduzieren, als Motiv beständiger Produktdifferenzierung ein. Die Vorstellungen zur Rolle der Wissenschaft von der Ökonomie seien beispielhaft an folgender Forschungsprogrammatik beurteilt: „This achievement signaled a new standard for what it means to understand business cycles. One exhibits understanding of business cycles by constructing a model in the most literal sense: a fully articulated artificial economy which behaves through time so as to imitate closely the time series behavior of actual economies.“
28
Die
Ökonometrie soll offenbar die ökonomische Begriffsbildung substituieren. Statt der Explikation von Wirkungszusammenhängen soll ein Modell geboten werden, in dem ökonomische „Größen“ untereinander einen Zusammenhang beschreiben, der mathematisch-funktional konstruiert und empirisch verifiziert ist. Ökonomie
Transitorische Ökonomie
177
wird als ein sich selbst überlassener Mechanismus vorgestellt, der exogene Störungen zu verkraften hat. Unterstellt, das Vorhaben sei gelungen: ist man damit dem Verständnis des gesamtwirtschaftlichen Prozesses näher gekommen ? Ließen sich daraus bei faktisch defizitärem Ablauf zweckmäßige Eingriffsmöglichkeiten benennen ? Erst mit der Lösung dieser Aufgabenstellung wäre der Wert einer Wissenschaft von der Ökonomie wieder herzustellen. Die Präferenz für die mathematische Darstellung von Ökonomie-Modellen rührt möglicherweise daher, dass sich mit diesen zugleich die Stringenz mathematischer Beweisführung borgen lässt und ferner Aussicht auf empirischökonometrische Verifikation von Hypothesen besteht.
6.3.3 Mobilität und Migration Im Rahmen der explikativen Ökonomik ist nochmals die binnenwirtschaftlich gedachte Gesamtwirtschaft um außenwirtschaftliche Betrachtungen zu erweitern. Die Segregation von Wirtschaftsräumen finde ausschließlich durch differierende Währungen statt. Dem wird je die Situation innerhalb eines einheitlichen Währungsgebiets gegenübergestellt. Stellen wir uns zunächst eine Gesamtwirtschaft vor, die sich im stetigen Zustand befindet. Eine echte Teilmenge ihrer Einzelwirtschaften sei als Region A bezeichnet, die komplementäre Teilmenge heiße Region B. Zwischen beiden Regionen bestehen Warenbeziehungen, die nach der Zerlegung als Exporte und Importe zu gelten haben. Divergierende Wachstumsraten In der Region A werde die Akkumulationsrate relativ zur bisherigen Rate, die nur in der Region B beibehalten wird, erhöht. Die erhöhte Wirtschaftsaktivität in der Region A führe zu höherer Wertschöpfung und einem höheren Volumen des verteilten Einkommens. Die Konsumgüterangebote seien elastisch genug, so dass das
gestiegene
Geldeinkommen
gestiegenes
Realeinkommen
reflektiert.
Gegenüber der Region B nehmen die Exporte aus der Region A mindestens relativ, wenn nicht sogar absolut ab: Region B wird wegen geringerer relativer
178
Gesamtwirtschaftliche Koordination
Wachstumsrate nicht dem Wachstumstempo der Region A proportional importieren. Zudem könnte ein Teil der bisherigen Exporte in die Region B von der vermehrten Nachfrage in der Region A selbst absorbiert werden. Importe nach Region A jedoch nehmen bei gleichbleibender Lieferverflechtung zwischen beiden Regionen zu. Nur insofern die Lieferungen aus Region B in die Region A selbst von deren Vorleistungen abhängen, könnte steigende Importnachfrage in Region A Exporte nach Region B erforderlich machen. Das in Region A zusätzlich investierte Kreditgeld fließt zum Teil als Kaufgeld in die Region B. Der Geldfluss von Region B zurück in die Region A fällt demgegenüber relativ geringer aus. Umgekehrt wird Region B bei den Warenbeziehungen Nettoexporteur, auch mit der Konsequenz, dass die Produktion auf die Region A ausgerichtet wird und das Beschäftigungs- und Auslastungsniveau auf das Akkumulationstempo der Region A angewiesen ist. Beide Regionen operieren mit derselben Währung. Sie stellen keine regionalen Zahlungsbilanzen auf; die Unausgewogenheit von Leistungsfluss und Geldfluss zwischen den Regionen wird nicht unmittelbar sichtbar. Erst dadurch, dass
sich
das
Volumen
der
Leistungsverflechtung
an
dem
höheren
Akkumulationstempo der Region A orientiert, müssten sich die Einkommen in der Region B mit dem Nettoimport von Kaufgeld aus der Region A erhöhen und das Niveau der Wirtschaftstätigkeit auch in der Region B anregen. Nur zum Teil kann auf diesem Weg die Unausgewogenheit von Waren- und Geldfluss zwischen beiden Regionen verringert werden. Für stabile Preise wäre vorauszusetzen, dass der Ressourcenzuwachs in der Region A in Höhe der Akkumulationsrate abzüglich des Nettoimports aus Region B stattfindet, für Region B wäre ein Ressourcenzuwachs in Höhe der geringeren Akkumulationsrate zuzüglich des Nettoexports in Region A erforderlich. Andernfalls können preisliche Verwerfungen zwischen beiden Regionen eine Reallokation von Auslastung und Beschäftigung zwischen beiden Regionen nach sich ziehen. Treten jedoch nur geringfügige Einkommens- oder Preiseffekte zwischen den Regionen auf, so müsste der Nettoexport der Region B einen ebenso beständigen Geldzufluss aus der Region A nach sich ziehen, d.h. die Zirkulation wäre gehemmt.
Transitorische Ökonomie
179
Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn zwischen beiden Regionen eine Währungsgrenze verliefe. Diese bringt quasi Exporteure und Importeure der Region B zueinander wie Handelspartner: nur die Einnahmen der Exporteure können Ausgaben der Importeure werden und umgekehrt. Entsprechendes gilt für die Akteure des Außenhandels der Region A. Deren Nettoimport müsste den Außenwert der A-Währung reduzieren, womit sich Importe verteuerten und Exporte verbilligten. Die reziproke Wirkung entfaltet der Wechselkurs für die Region B. Diese kann nicht dauerhaft mehr für die Region A produzieren, als sie von dort empfängt. Der Wechselkurs bietet einen deutlicher und kurzfristiger wirkenden Mechanismus gegen Ungleichgewichte regionaler Leistungsbilanzen als die zuvor erörterten Einkommenseffekte ohne Währungsgrenze. Differierendes Technologieniveau Unter Kapitel 2.1.3. war die Situation globaler technologischer Differenzen zwischen zwei Regionen erörtert worden. Man ist geneigt, sich auf der Grundlage komparativ-statischer Produktionsoptimum
Effizienzüberlegungen zu
entscheiden.
Hier
für träfe
sich
das die
globale theoretische
Punktwirtschaft mit der empirischen Agglomeration wirtschaftlicher Aktivität. Für die Arbeitskraft werden die Opportunitätskosten eines Migrationsverzichts relativ größer. Für die betriebliche Produktion kommen Skalenerträge und verringerte Transportkosten in Betracht. Die nur suboptimal produzierende Region müsste mit vorteilhaften Verwertungsraten wirtschaftliches Engagement anlocken. Die Produktionsbedingungen als Reproduktionskosten der Arbeitskraft und Entgelte der Ressourcennutzung wären unterhalb eines Niveaus zu halten, das der relativen Produktivität entspräche, wenn etwa auch noch der Nachteil engerer Absatzmärkte und fehlender lokaler Vorleistungen zu kompensieren ist. Tatsächlich ereignet sich nach der Mechanisierung der ehemaligen industriellen Metropolen eine signifikante Industrialisierung der sogenannten Schwellenländer nur im Hinblick auf Konsumenten, die entweder in den alten Metropolen beheimatet sind oder eng mit dem Außenwirtschaftssektor verknüpft sind. Dass die signifikante außenwirtschaftliche Orientierung der Indus-
180
Gesamtwirtschaftliche Koordination
trialisierung mit erheblicher Außenverschuldung einhergeht, ist nicht mit importierten Vorleistungen für Investitionsvorhaben hinreichend erklärt. Für die Kreditgeber war offenbar die Verschuldungsgrenze der Gläubigerländer erst erreicht, wenn der Leistungsbilanzüberschuss für Zins und Tilgung nicht mehr ausreichte. Er kann damit nicht mehr akkumulativ eingesetzt werden. Von technologischem Niveaugefälle kann in dieser Beziehung kaum noch gesprochen werden.
Dieses
ist
zwischen
dem
außenwirtschaftlichen
und
dem
binnenwirtschaftlichen Teil der Schwellenökonomie viel größer. Diese beiden Teile sind jedoch über Ressourcenentgelte verkoppelt. Damit besteht für die alte metropolitane Gesamtwirtschaft die Chance, ihren industriellen Teil in Regionen mit vorteilhaften Verwertungsraten zu verlegen. Den deindustrialisierten Arbeitern bleibt die Perspektive des niedrigeren Lebensniveaus im eher ortsfesten Teil des Tertiärsektors. Die höhere Produktivität der Gesamtbetrachtung nutzt denjenigen nichts, die mangels weiterer industrieller Akkumulation außer Kurs gesetzt sind. Ihnen wird Reallohnsenkung angeboten, damit sie in unproduktiveren Teilen der Ökonomie noch beschäftigt werden können. Die Perfidie dieses Arguments liegt darin, dass die Verbilligung der Ware Arbeitskraft als hinreichende Bedingung zusätzlicher Beschäftigung vorgestellt wird. Diese Verbilligung schafft jedoch keine zusätzliche wirtschaftliche Initiative; sie entlastet allenfalls das monetärwirtschaftliche Indiz vollzogener, unzulänglicher (realwirtschaftlicher) Allokation. Sollte sich Produktivitätsfortschritt, selbst in der Version der Rationalisierung, nicht in verbesserte Lebenshaltung umsetzen lassen ? Produktivität ist eine Relation zwischen wirtschaftlicher Leistung und Ressourcenverzehr. Mit fortgeschrittener Technologie wird diese Relation realwirtschaftlich erhöht; die bloß monetär gemessene Relation lässt sich jedoch auch dadurch erhöhen, dass die Reproduktionskosten der Ressource Arbeitskraft gesenkt werden. Nicht das absolut hohe oder geringe technologische Niveau einer Wirtschaftsregion ist Steuerungsgröße für das Verwertung suchende Geldkapital, sondern ausschließlich dessen Verwertungsrate. Geldkapital verwertet sich leichter von einem geringeren Produktionsniveau aus, wenn nur das Tempo der
Transitorische Ökonomie
181
Entwicklung höher ausfällt als etwa in einer Ökonomie mit bereits hohem technologischen Niveau und hohem Sättigungsniveau. Wollten deren Arbeiter das Geldkapital zur Bodenständigkeit reizen, müssten sie die Unmöglichkeit beständig sinkender Produktionskosten, also beständig sinkender Reallöhne, bei gleichzeitig expandierender Nachfrage zustande bringen. In der Tat beruht das Verschleiern der Folgen einer nach der Verwertungsrate von Geldkapital gesteuerten Ökonomie durchweg darauf, dass von der Reproduktionsbedingung abstrahiert wird, d.h., der Konsum getrennt von der Produktion, oder die Produktion getrennt vom Konsum erörtert werden. Betrachtet man die sozialen Schäden beider Seiten der industriellen Migration, so zeigt sich als in beiden Fällen verletztes Prinzip, das der regionalen Koinzidenz von Produktions- und Konsumtionsvolumen. Nicht die Ausnutzung interregionaler
Arbeitsteilung
Kreditbeziehungen
ist
aufgehobene
problematisch, Prinzip
sondern des
das
durch
regionalen
Leistungsbilanzausgleichs. Wenn zwischen Regionen ein gleiches globales Produktivitätsniveau existiert und ihre Ressourcenentgelte ausgeglichen sind, wäre eine Trennung durch Währungs- oder gar Zollschranken entbehrlich. Soweit sich Produzentenkonkurrenz nicht anders herstellen ließe, wären derartige Schranken sogar schädlich. Befinden sich jedoch Regionen unterschiedlicher Produktivität im gleichen Währungsgebiet, so zieht die Region höherer Produktivität sowohl die Produktion, als auch Konsumenten an sich. Regionale Disparitäten müssten sich verstärken. Die Produktion der unproduktiveren Region geht mit abgelenkter Nachfrage zurück, sie generiert weniger Einkommen. Die produktivere Region produziert im zweiten Schritt auch nicht mehr für die vergleichsweise stärker zurückbleibende unproduktivere Region. Die produktivere Nutzung reduziert sich auf weniger Ressourcen. Transportkosten fungieren immer weniger als Verteidigung regionaler Produzentenmonopole. Der produktivste Prozess setzt sich mit seinem niedrigsten Preis durch, sofern nicht entsprechend erhöhte Arbeitsentgelte die Verwertungsrate nach unten korrigieren. Er beliefert auch die weniger produktive Region, solange diese ihren Konsum etwa aus Transferleistungen noch bestreiten
182
Gesamtwirtschaftliche Koordination
kann. Geht man etwa bei ungleichen globalen Produktivitätsniveaus von getrennten Währungsgebieten zur Währungsunion über, so wären mit vereinheitlichten Warenpreisen bei differierenden Prozesskosten momentan die relativen
Verwertungsraten
realwirtschaftlichen
zerstört.
Das
Mengenreaktion
Vorzeichen auf
des
einen
Saldos
der
derartigen
monetärwirtschaftlichen Schock kann dann nur negativ ausfallen. Die Institution ‘Währungsgebiet’ ist geeignet, die regionale Allokation zu regulieren, so wie mit dem Zins die temporale Allokation reguliert werden soll. Reservewährung Währungsbehörden behalten sich mehr oder weniger Einflussmöglichkeiten auf den Devisenmärkten vor. Sind die Währungen gegeneinander frei konvertierbar, so besteht die Möglichkeit, Liquiditätsüberschüsse oder aufgenommene Gelder aus einer Währung in eine andere zu transferieren. Dies ist geboten, wenn die Kombination aus Verzinsung in fremder Währung und deren Terminkurs einen höheren Ertrag bietet als die Landeswährung, in der zunächst der Überschuss anfällt.. Die Anlage akkumulierten Geldkapitals ist daher über alle möglichen Währungen zu optimieren. Währungen mit kleinem realwirtschaftlichen Hintergrund und Währungen mit hoher Kursvolatilität werden bei dieser Entscheidung marginalisiert. Stellt sich dagegen eine Währung als allgemeine Reservewährung heraus, so profitiert die Anlage in dieser Währung von den Anlageentscheidungen der übrigen Marktteilnehmer. Der Anlagetrend verstärkt sich selbst dadurch, dass diese Währung gekauft wird und sich auf diese Weise ihr Kurs festigt. Im Gegenzug wird es zum Privileg dieser bevorzugten Währung, dass ihre Emittenten einen internationalen Emissionsgewinn verdienen: sie kann über die Grenzen inländischer Absorption hinaus inflationsfrei ausgegeben werden. Kehrt sich die Gunst der Anleger um, so strömen die Mittel zurück und drücken den Binnen- und Außenwert dieser Währung. Dieser Effekt entfiele, wenn dem Finanzmanagement der Einzelwirtschaften ein echtes Weltgeld zur Verfügung
Transitorische Ökonomie
183
stünde, dass gegen die übrigen Währungen konvertibel wäre, jedoch keinen direkten realwirtschaftlichen Bezug aufwiese. Zwischen dem globalisierten Verwertungsanspruch von Geldkapital und den regional differenzierten Akkumulationserfolgen der Realwirtschaft kann sich offenbar ein Widerspruch entfalten. Von der realwirtschaftlichen Expansion wird tendenziell auf ein Leistungsbilanzdefizit geschlossen, insofern binnenwirtschaftlich auftretende Angebotsdefizite außenwirtschaftlich ausgeglichen werden müssen. Zugleich kann binnenwirtschaftlich erhöhte Nachfrage bisherige Exportkapazitäten beanspruchen. Aus realwirtschaftlichen Argumenten heraus wird der Außenwert dieser Währung eher fallen. Der auswärtige Kredit kompensiert diese Tendenz oder verkehrt sie in ihr Gegenteil. Per Saldo ist zu vermuten, dass das monetärwirtschaftliche Reaktionstempo Störung statt Verstetigung der realwirtschaftlichen Anpassungsvorgänge bewirkt.
Dreigliederung
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Gesamtwirtschaftliche Koordination Dreigliederung
Teil C
Präskriptive Ökonomik
7 Konstitutionsprinzipien Das Hauptstück der Wissenschaft von der Ökonomie ist nicht damit geleistet, dass das Wirken der kollektiven Ignoranz systematisch dargestellt wird. Der Naturforscher findet und formuliert Gesetzmäßigkeiten; er hat sie nicht zu erfinden. Erfindungen sollen natürliche Gesetzmäßigkeiten anwenden. Je nach der zugrunde liegenden Wissensbasis stellt sich der erwünschte Nutzen oder auch unerwünschter Schaden ein. Veränderungen bzw. auch Fortschritte im naturwissenschaftlichen Verständnis sind im Verhältnis zur Evolution ihrer Gegenstände neue oder bessere Formulierungen der Gesetzmäßigkeiten, seltener einer nomologischen Dynamik des Gegenstands geschuldet. Hiermit soll keiner dichotomischen Auffassung der Beziehung von nomologischer und phänomenologischer Dimension zugearbeitet werden, sondern auf einen charakteristischen Unterschied zu den Sozialwissenschaften hingewiesen werden 29. In der sozialen Welt müssen Gesetzmäßigkeiten selbst begründet und angewendet werden; sie lassen sich nicht lediglich beobachten und erschließen. Ihre Funktionstüchtigkeit hängt auch vom Verständnis der dabei Beteiligten ab. Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Dynamik lassen sich nicht frei erfinden und den Beteiligten vorschreiben; sie müssen ein zweck- und sinnvolles Ganzes ergeben,
so
wie
in
den
Naturreichen
die
Gesetzmäßigkeiten
auch
zusammenwirken müssen. Dabei wird ihr Wirken in der Natur eher kausal, in der Gesellschaft eher final verstanden. Die Zukunft wirkt auf die Gegenwart, die Vergangenheit auch. So subjektfrei wie in den Naturwissenschaften, kann es in den Sozialwissenschaften offensichtlich nicht zugehen. Um also die zu verstehenden R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Konstitutionsprinzipien
Subjekte zu mechanisieren, ist ihnen Rationalität zu unterstellen. Diese ist jedoch nicht Rationalität überhaupt, sondern spezifische Rationalität spezifischer Regulative und Institutionen. Andere Regulative und Institutionen werden daher eine andere Rationalität nach sich ziehen. Die Sozialwissenschaften haben sich dem realitätsschaffenden Irrtum gegenüber nicht lediglich konstatierend zu verhalten. Eine positivistisch steril gewordene Wissenschaft versagt sich Kompetenz vor der Frage nach notwendigen Transformationen der gesellschaftlichen Spielregeln, selbst wenn deren Erfordernis bereits Gegenstand öffentlicher Debatte ist. Die Ökonomik hat jedoch über dieses unzulängliche Selbstverständnis hinaus Handlungsalternativen aufzuzeigen, die einen höheren Zielerreichungsgrad wirtschaftsbezogener Absichten ermöglichen. Dies schließt die Revision vorgegebener Regulative und Institutionen nicht aus, sondern ein. Reorientierung in struktureller Hinsicht müsste sich andernfalls aus außerwissenschaftlichen Bereichen ergeben. Gesellschaftliche Praxis ist nicht schon deswegen praktisch, weil sie praktiziert wird. Ob eine beobachtbare Diskrepanz zwischen mehrheitlichen kollektiven Absichten und deren persistenter Enttäuschung für die Beteiligten erträglich ist oder nicht, entzieht sich allerdings der Urteilskompetenz von Wissenschaft. Die kapitalistische Produktionsweise ist nicht konzipiert worden. Sie hat sich geschichtlich herausgestellt bei Übertragung der Verzinsungslogik auf alle zuvor „befreiten“ Bestandteile des arbeitsteiligen Produktionsprozesses. Sofern man nicht unterstellt, dass die Akzeptanz dieses Verfahrens für alle folgenden Zeitalter anhält oder dieses sich selbst in wünschenswerter Weise wegen geänderter Umstände modifiziert, besteht die Aufgabe, Ökonomik in präskriptiver Absicht zu betreiben. Nicht zu verantworten wäre, eine etwaige modifikationsbedürftige Gesellschaft
auf
Ordnungsexperiment
unzureichender zu
unterwerfen.
konzeptioneller Zunächst
ist
Grundlage das
System
einem der
wirtschaftlichen Aktivitäten als Aspekt des gesellschaftlichen Lebens in seinen umfassenden Rahmen zu stellen.
Dreigliederung
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7.1 Dreigliederung Das soziale Leben lässt sich unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten: • nach den Funktionsbereichen, die überhaupt in einer Gesellschaft zu erledigen sind; • nach den leitenden Prinzipien, die sich für unterschiedene Bereiche des gesellschaftlichen Lebens unterschiedlich eignen; • nach dem institutionellen Zusammenhalt, der den sozialen Vorgängen Stabilität und Kontinuität verschaffen muss. Rechtsleben, Wirtschaftsleben, Geistesleben Die Funktionalität des gesellschaftlichen Lebens lässt sich in drei Dimensionen charakterisieren: • Zunächst ist jemand gegenüber allen anderen, mit denen er in einem Gemeinwesen zusammenlebt, gleich-gültig, bezieht sich auf sie als Gleicher. Er gilt insoweit als Angehöriger einer Rechtsgemeinschaft. Diese schafft sich Einrichtungen, in denen jeder gleiche Rechte in Anspruch nehmen kann. Sie sind insoweit gleich, als sie für den Menschen im Allgemeinen gelten, als er mit allgemeinen Bestimmungen ihnen unterfällt. Nur auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung als Gleichberechtigte können sie sich auch allgemeinen Verpflichtungen unterwerfen. • Um in der gesellschaftlichen Arbeit Resultate hervorzubringen, kommt es auf die besonderen Fähigkeiten einer Person an, auf dasjenige, was ihn von anderen unterscheidet. Nicht kraft bloßer menschlicher Existenz ist er anderen zugeordnet, sondern aufgrund seiner Qualifizierung zu besonderer Leistung. Diese besondere Befähigung identifiziert ihn nicht als Individuum, sondern als Angehörigen einer Gruppe gleichartig Befähigter. Er ist Gemeinschaftswesen. • Mit seiner erkennenden und wünschenden Geistestätigkeit stellt sich der gesellschaftliche Mensch als Einzelner in den gesellschaftlichen Organismus. Mag sich auch noch so sehr eine Tendenz zur Kollektivierung von Wissen
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Konstitutionsprinzipien
und Wünschen bemerkbar machen, hinsichtlich des Geisteslebens muss sich der Mensch eingestehen, dass er sein Wirken in dieser Dimension nicht restlos in Konvention und Tradition auflösen kann, sondern gerade umgekehrt um so fruchtbarer und erfüllender wirkt, je mehr er sich an Freiheit erarbeitet hat. Ihm ist individuelle Zuständigkeit zuerkannt. Gleichheit, Solidarität, Freiheit Die drei Glieder des sozialen Organismus 30 stehen unter verschiedenen leitenden Prinzipien: im Geistesleben kommt es auf die Freiheit des Einzelnen an. Diese ist kein positives Attribut, das jedem bereits kraft seiner menschlichen Existenz zukäme. Sie ist auch nicht durch Konfession oder Einbildung herstellbar. Vielmehr ist sie ein Anspruch an den Einzelnen, den er in eigener Verantwortung einzulösen oder zu verwerfen hat. Freiheit des Geisteslebens wird darum nicht ausgewiesen als Recht auf Irrtum oder Wille zur Unordnung. Die Frucht des Strebens nach geistiger Freiheit ist ein Gewinn an Ordnung. Das Geistesleben trägt Verantwortung für die Zukunft des gesellschaftlichen Lebens. Es stattet die Menschen mit der erforderlichen geistigen Substanz aus, mit der sie im Rechtsund Wirtschaftsleben fruchtbar wirken können. So sehr sein eigenes Prinzip die Freiheit des Einzelnen ist, so sehr ist sein gestaltender Impuls auf das Zusammenwirken gesellschaftlich tätiger Menschen gerichtet. Das Rechtsleben ist nach dem Prinzip der Gleichheit zu ordnen. Hier wäre nicht einzusehen, dass jemand trotz anerkannter Mündigkeit von der Gestaltung des Rechts ausgeschlossen wäre. Auch der Schlichteste kann Rechtsgefühl kultivieren und soll es zum Ausdruck bringen. Indem im Staatsleben Aufgaben anstehen, die den Menschen als allgemeinen betreffen, sollen sie nach demokratischen Verfahren behandelt werden. Der Staat und das demokratische Verfahren muss sich auf das allgemeine Interesse beschränken; er darf nicht selbst Aufgaben wahrnehmen, die dem Geistes- oder Wirtschaftsleben zukommen. In diesen anderen Dimensionen des gesellschaftlichen Lebens kann auch kein demokratisches Verfahren erfolgreich sein: es müsste verhindern, dass
Dreigliederung
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im Geistesleben die Freiheit des Einzelnen gewahrt bliebe und im Wirtschaftsleben Sachkunde und Tüchtigkeit zum Tragen käme. Im Wirtschaftsleben soll das Prinzip der Solidarität wirken. Die wirtschaftlich Handelnden verstehen, dass sie zusammenarbeiten müssen und aufeinander angewiesen sind. Das Gleichheitsprinzip müsste hier die wirtschaftlichen Kräfte lähmen; das Freiheitsprinzip müsste den Wirtschaftsverbund zerstören. Im Wirtschaftsleben kommt es darauf an, die Tüchtigkeit und Sachkunde der Menschen zum Zwecke der wechselseitigen Bereicherung fruchtbar zu machen. Nicht die Gleichheit, sondern die Verschiedenheit der Arbeiten macht den Wert des Zusammenwirkens aus. Staatlichkeit, Gemeinschaft, Individualität Individuen müssen offensichtlich das Substrat jeglichen gesellschaftlichen Lebens ausmachen. Zudem billigt man keinem sozialen Konstrukt einen Eigenwert oberhalb oder entgegen jeglicher individueller Absicht zu. Nur an beteiligten und betroffenen Individuen könne sich der Wert oder Unwert gesellschaftlicher Einrichtungen beweisen. Der Versuch, sich ein Verständnis des nachtraditionellen gesellschaftlichen Lebens zu verschaffen, verfiel daher auf das freie, souveräne und selbständige Individuum, das soziale Beziehungen und Bindungen erst zu konstituieren hätte. Dass in dieser Sicht gemeinsames Wollen und Wirken im gesellschaftlichen Leben überhaupt zustande käme, müsste entweder
eine
bestimmte
Gleichartigkeit
derartiger
Individuen,
ihre
komplementäre Ungleichartigkeit im Hinblick auf ein gemeinsames Ganzes, oder schlicht die Unterwerfung des einen unter den Willen des anderen voraussetzen. Die Wahlfreiheit des Unterlegenen reduzierte sich dann auf die beiden Optionen, sich zu unterwerfen oder sich bis zur eigenen Vernichtung der Herrschaft des Überlegenen zu widersetzen. Die als fade empfundene Primärmotivation der Gesellschaftsbildung beschränkte sich mithin auf den persönlichen Eigennutz. Dass dessen Erreichen überhaupt gesellschaftlich versucht wird, bedürfte insoweit erst einer technischen Begründung. Ohne diese käme Kooperation nicht zustande; führte das Individuum eine isolierte Existenz.
190
Konstitutionsprinzipien
Dass diese Sicht auf das soziale Leben als beschränkt oder einseitig erscheint, hindert nicht, dass sie als Ideologie reale geschichtliche und kulturelle Effekte zeitigt. Die gesellschaftliche Ordnung konstituiert sich nicht allein als Staatlichkeit. Der Staat ist nicht das einzige Organ des gesellschaftlichen Menschen, sonstige gesellschaftliche Organe sind nicht durch ein System vertraglicher Bindungen bloß zwischen Individuen substituierbar. Vielmehr muss der soziale Organismus über eine Reihe weiterer, speziellen gesellschaftlichen Funktionen gewidmeter sozialer Konstrukte verfügen, derer Menschen sich nicht lediglich als technischer Mittel zum sachlichen Zweck bedienen, sondern in denen sie sich aus dem authentischen Bedürfnis nach Gemeinschaft zusammenfinden.
Familien,
Wirtschaftsunternehmen
seien
Weltanschauungsgemeinschaften hier
exemplarisch
genannt
31
und .
Diese
Gemeinschaften müssen weder Unterbau staatlicher Organisation, noch dessen Konkurrenz sein. Ihr Zusammenhalt beruht auf kultureller Homogenität, ihre Vielfalt gründet sich auf die Heterogenität möglicher gemeinschaftlicher Absichten. Die wechselseitige Anerkennung von Produzent und Konsument in der Warenbeziehung ist nur eine spezifische Ausprägung von gesellschaftlicher Anerkennung, die das Streben von Menschen in ihrer sozialen Welt ausmacht. Gemeinschaften sind der Ort, in dem Fähigkeiten, Leistungen, Rechte, Positionen und Rollen anerkannt werden können. Die Übung, die Funktionalität von Gemeinschaften entweder staatlicher Ordnung oder individueller Verantwortung zuzuschlagen, lässt die soziale Kompetenz des gesellschaftlichen Menschen abschmelzen. Mit dem dann fehlenden Mittelbau gesellschaftlicher Ordnung fehlt auch die Fähigkeit einer Gesellschaft zur institutionellen Dynamik. Bloß Staat und Individuum alleine sind nicht in der Lage, kulturellen und sozialen Wandel auch strukturell in adäquater Weise nachzuvollziehen. Der Versuch, das gesellschaftliche Leben allein auf die beiden normativen Quellen des Eigennutzes und staatlicher Gesetze zu stützen, wird scheitern. Es bedarf darüber hinaus der positiven sittlichen Bindung des Individuums in der Gemeinschaft. Allgemeine und besondere
'UHLJOLHGHUXQJ
191
Anliegen von Menschen müssen sich in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Ausdruck verschaffen können. Das bisherige funktionelle Desiderat lässt sich etwa an der Unfähigkeit zur Integration von Individuen in das Wirtschaftsleben aufzeigen: der soziale Schaden wird von der Allgemeinheit abgemildert, finanziell kompensiert. Die Allgemeinheit ist aber unfähig und daher unzuständig, die Integrationsleistung zu erbringen. Wirtschaftliche Gemeinschaften sind zur Integration berechtigt, jedoch nicht verpflichtet. Notwendigkeit, Fähigkeit und Zuständigkeit finden nicht zusammen. Daher sollen hier Hinweise gegeben werden, wie im sozialen Leben Funktionalität, Institutionalität und Konstitutionsprinzipien einander adäquat zugeordnet werden. Der erste Ort einer technischen Innovation ist das Bewusstsein des oder auch der Erfinder. Von dort gelangt sie über Institutionen zur technischen Entwicklung bis in die Herstellung. Man wirft der Suche nach technischer Innovation keinen „Utopismus“ vor, wenn sie sich auf bekannte naturgesetzliche Zusammenhänge stützt. Was die Fortbildung der Verfassung, der Institutionen und Regeln des sozialen Lebens anlangt, entsteht die Furcht, dass ein verlässlicher Ausgangspunkt für den Entwurf einer Sozialordnung fehlt, dass der bekannte Ablauf seine Grundlage verliert. Die Grundlage sind wirkliche Menschen, der erreichte Stand ihrer Produktivkräfte. Eine innovative Sozialordnung setzt keine umerzogenen Menschen voraus, verlangt nicht mehr Ressourcen als auch vorhanden sind. Allerdings muss das alte Schema, Monarchie und Untertan, verlassen werden. Die überkommene Einheitsordnung kann die gesellschaftliche Dynamik weder fördern, noch bändigen. Indes ist von einer prinzipiellen Erörterung einer innovativen Sozialordnung keine vollständige Spezifizierung aller ihrer Institutionen zu erwarten. Ein solcher Entwurf würde damit auch nicht ihre Zukunftstauglichkeit belegen können. Die Begründung ergibt sich vielmehr aus dem Kontrast der verfehlten und mit gewaltigen Verbrechen verbunden Suche nach Auswegen aus der Gesellschaftskrise zu demjenigen, was in den geopferten Klassen tatsächlich gefordert war.
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Konstitutionsprinzipien
7.2 Aufgabenzuweisung In den staatlichen Organen wirkt das Rechtsleben einer Gesellschaft. Rechte entstehen, werden angewandt, verändern sich und verlieren ihre Gültigkeit. Dieser Prozess betrifft alle Gesellschaftsmitglieder und ist auch von allen zu tragen. Rechte wirken für und gegen Personen. Sie binden an die Pflicht zu tun oder zu unterlassen. Insofern bedarf es staatlicher Macht, Rechten Geltung zu verschaffen. Hinsichtlich des Wirtschaftslebens bietet das Rechtsleben Grundlage, jedoch keinen Eingriff. Der Staat verfolgt keine Wirtschaftsinteressen. Sein Ressourcenverzehr dient unmittelbar und ausschließlich staatlichen Funktionen, deren Umkreis gekennzeichnet wurde. Somit ist es nicht seine Aufgabe, unterbeschäftigten Kapazitäten zur Profitabilität zu verhelfen. Der Staat bleibt Konsument, sofern er nicht anfängt, seine Leistungen im Wirtschaftsleben profitabel zu verkaufen. Sollte also mit Budgetierung Wirtschaftspolitik betrieben werden, hieße das, altes Geld zirkulieren zu lassen und dadurch Ressourcen zu blockieren, die statt dessen von jungem Geld umgewidmet werden müssen. Die Vermischung von staatlichen und wirtschaftlichen Absichten hat einen üblen Namen: Korruption. Diese wird nicht vermieden durch ein Mehr an Gesetzen, Kontrollen oder moralischer Beanspruchung der Beteiligten, sondern durch systematische Vermeidung der Gelegenheit. Dass sich Macht in Reichtum und Reichtum in Macht verwandeln lässt, setzt sowohl die Verselbständigung des Staates gegenüber dem Souverän voraus, als auch seine Zuständigkeit im Wirtschaftsablauf. Der funktionellen Unterschiedenheit zwischen Recht und Ökonomie soll insofern eine klare institutionelle Gliederung folgen. Hinsichtlich der Eingliederung der menschlichen Arbeitskraft in den Wirtschaftsprozess übernimmt das Rechtsleben die Aufgabe, allgemein verbindliche Bedingungen, unter denen Arbeit verrichtet wird, zu vereinbaren. Festzulegen ist das Intensitätsmaß der Arbeiten mit seinen Dimensionen, Sicherheits- und Schutzkriterien in technischer Hinsicht sowie das Verständnis darüber, wann der Vergütungsanspruch entsteht. Die Kompetenz des Rechtslebens endet da, wo besondere Belange von Berufsgruppen zwischen diesen und
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den Einzelwirtschaften zu spezifizieren sind. Auch erst im Wirtschaftsleben kann sich die Höhe des Vergütungsanspruchs als Ausschüttungsanteil an der Wertschöpfung herausstellen. Das Intensitätsmaß der Arbeitskraftverausgabung im Sinne einer Obergrenze ist schützenswertes Recht, das nicht in der Absicht wirtschaftlicher Verwertungsfortschritte zur Disposition steht. Insofern es unterhalb dieser Grenze die Verteilung der Arbeiten auf die Arbeiter reguliert, ist dies Angelegenheit des Wirtschaftslebens, indem von den Berufsverbänden dafür zu sorgen ist, dass bei Unterbeschäftigung die Last der Transferzahlungen reziprok zur vereinbarten Arbeitsintensität berechnet wird und so dem Verwertungskalkül der Einzelwirtschaften ausgleichend entgegenwirkt. Die Gesellschaftsmitglieder genießen das Recht auf Leben, nicht das Recht auf Reichtum. Von Staats wegen wird jedem ein Grundeinkommen gewährt, das der Höhe nach den Grundbedarf an Lebensmitteln einschließlich Unterkunft auf elementarem Niveau abdeckt, jedoch ohne Mittelbindung ausgezahlt wird. Weitere Zusatzeinkommen erhalten die hauptberuflich im Rechts- oder Geistesleben Tätigen als Aufwandsentschädigung, oder sie entstehen als besondere Ansprüche aus Arbeitsleistung oder Sozialversicherung im Wirtschaftsleben. Die Sozialversicherung kennt keine Zwangsmitgliedschaft. Ihr treten Einzelpersonen bei, die das persönliche Risiko des Einkommensausfalls wegen Alter, Krankheit oder Invalidität verteilen wollen. Sie ist ein wirtschaftlicher Verein und Beispiel für einen Betrieb ohne Verwertungsabsichten. Das Wirtschaftsleben muss den Konsumfonds auch für das Geistes- und Rechtsleben bereitstellen. Es erlangt aus dem Geistesleben Geschäftsideen, Technologie und Ausbildung. Aus dem Rechtsleben heraus wird die Zuführung der natürlichen und personellen Ressourcen geregelt.
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Konstitutionsprinzipien
7.3 Zusammenwirken Die drei Glieder des sozialen Organismus sollen sich nach ihren je spezifischen Prinzipien organisieren, damit sie in geeigneter Weise zusammenwirken können. Alle Menschen haben, wenn auch in unterschiedlichen Proportionen, an allen drei Gliedern des sozialen Organismus Anteil. Der junge Mensch wird ausgebildet und findet wollend seine Lebensbestimmung; so steht er vornehmlich im Geistesleben. Mit dem Erreichen der politischen Mündigkeit ist seine Mitarbeit im Rechtsleben verlangt. In der Mitte seines Lebens mag der Schwerpunkt im Wirtschaftsleben liegen. Für eine Zuordnung gibt es kein allgemeines Schema. Jemand kann sich ein Leben lang der Wissenschaft verschreiben. Günstiger wird es, wenn für üblich erachtet wird, in einem Leben wechselnde Schwerpunkte zu setzen. Der Wirtschaftspraktiker beginnt zu lehren und zu forschen; der Wissenschaftler wechselt in den Wirtschaftsbereich u.s.f.. Der Wirkungsgewinn liegt für die Menschen in der Generalisierung, für die Institutionen in der Spezialisierung. Dass etwa das Geistesleben institutionell aus dem Rechts- und Wirtschaftsleben ausgegliedert wird, heißt nicht, dass es im Staat oder in der Ökonomie geistlos zuginge; vielmehr ist das Geistesleben stets die umgreifende Dimension für alle Glieder des sozialen Organismus. Der gesellschaftliche Mensch konstituiert die Totalität des Gesellschaftlichen, er vermittelt die Glieder des sozialen Organismus. Diesem droht nicht die Gefahr, in drei Teile zu zerfallen. Eine Zusammenfassung als institutionelle Spitze wäre kontraproduktiv. Die menschliche Gesellschaft, Kollektive und Einzelne sind nicht Objekt einer Institution, sondern umgekehrt sind die Institutionen der Ort, in dem diese ihr gesellschaftliches Leben gestalten. Das Geistesleben setzt die gestaltenden Impulse, das Rechtsleben besorgt ausgleichende Vermittlung und das Wirtschaftsleben liefert Resultate.
Zusammenwirken
195
Geist
Mensch
Wirtschaft
Recht
Abb. 7.1: Konstitution Mensch und Gesellschaft Bei hinreichendem Verständnis dieser Zusammenhänge und dementsprechend eingerichteter gesellschaftlicher Praxis wird sich die Vorstellung verlieren, den wirtschaftlich Handelnden käme der Reichtum zu, Geistes- und Rechtsleben hätten sich zu bescheiden. Nicht zuträgliche Gliederung, sondern unnatürliche Trennung liegt darin, dass das Geistesleben in seiner künstlerischen Abteilung sich zum weltfremden, verzichtbaren Luxus entwickelt und die Erzeugnisse des Wirtschaftslebens der künstlerischen Gestaltung entbehren. Die wissenschaftlichen Vorleistungen für Produkt- und Prozessinnovationen im Wirtschaftsleben sind unverzichtbar. Sie müssen, gemessen an wirtschaftlicher Umsetzbarkeit, stets im Überangebot vorhanden sein, wenn der Zustrom von jungem Geld nicht versiegen soll. Jedoch lässt sich Wissenschaft nicht als Investitionsmaßnahme kalkulieren. Planbar wären Budgets; wirtschaftliche Verwertbarkeit der Forschungsresultate ist eine bloß mögliche Folge ihrer Verausgabung. Insbesondere darf die Alimentierung des Geisteslebens nicht vom jeweiligen Wohlergehen
im
Wirtschaftsleben
Geschäftslage
müsste
ein
nach
abhängen.
Bei
wirtschaftlichem
eher Interesse
bescheidener gesteuertes
Geistesleben gerade dann, wenn es am meisten helfen sollte, kürzer treten und die Zukunft verspielen. Wissenschaft leidet unter dem Anspruch auf berechenbare wirtschaftliche Nützlichkeit. Abgesehen von der Budgetierungsfrage wäre eine
196
Konstitutionsprinzipien
vom
Wirtschaftsleben
abhängige
Wissenschaft
auch
in
forschungsprogrammatischer Hinsicht utilitaristisch verkürzt. Der Übergang von der Forschung zur Entwicklung bedarf verschiedener institutioneller Zuordnung, nicht verschiedener Personen. Für welchen Zweig des Wirtschaftslebens Forschungsergebnisse via Entwicklung relevant werden, ist diesen vorab nicht anzusehen. Sie müssen in wirtschaftlicher Unabhängigkeit erbracht werden können. Zumal Stiftungen und Einzelpersonen finanzieren das Geistesleben. Dass die Wertschöpfung nicht als Besitzeinkommen verteilt wird, hat auch den Zweck, die Alimentierung des Geisteslebens zum Teil denjenigen anzuvertrauen, die durch ihren wirtschaftlichen Erfolg ausweisen, dass sie die Wichtigkeit des Geisteslebens zu schätzen wissen. Nicht als Kreditgeld, sondern als Transfergeld gelangen diese Mittel an die Verwaltungsorgane des Geisteslebens. Sie sind Geschenk, das dessen Freiheit gewährleistet. Dass das Geistesleben im allgemeinen Interesse liegt, heißt nicht, dass es sich nach allgemeinen Interessen richten kann. Die Organisation der Allgemeinheit, der Staat, ist nicht geeignet, Regeln für Ausbildung, Wissenschaft oder Kunst aufzustellen oder nach seinem Interesse Mittel zu vergeben. Wirtschaftszwecke, sowenig wie Staatszwecke, sind dem Geistesleben zuträglich. Dass das Geistesleben sich nicht als Selbstzweck missversteht, wird am besten dadurch erreicht, dass es seine Gestaltungsimpulse frei entfaltet und sich diese auch im Rechts- und Wirtschaftsleben auswirken. Erst seine Verkürzung unter Verwertungs- oder Machtabsichten lässt das Geistesleben so sehr steril und entbehrlich erscheinen. Wenn auf der wissenschaftlichen Seite mit der Beruhigung der eigenen Bedeutungslosigkeit unverantwortlich oder überhaupt nicht konzipiert wird und auf der anderen, praktischen Seite im Vorgriff auf die vermutete Irrelevanz von Theorie kein Reflex erfolgt, so liegt darin nicht zweckmäßige Gliederung, sondern fataler Verzicht auf den Übergang des Wissens von einer gesellschaftlichen Sphäre auf die andere. Die gerade falsche Reaktion auf diesen Befund ist dann die Verklammerung des so ungünstig auseinander Fallenden in zusätzlichen, übergeordneten gemischten Institutionen.
Zusammenwirken
197
Es kann nicht sinnvoll sein bei der Betrachtung des gesellschaftlichen Lebens, die Defizite der Beteiligten gegen diejenigen der Institutionen auszuspielen. Ebenso sehr wie Institutionen dadurch, dass sie nach durchgängigen Prinzipien arbeiten, an Wirksamkeit gewinnen müssen, ebenso müssen die Beteiligten die Überführung des in einem Bereich Gewonnenen in den anderen nutzenden Bereich besorgen. Das Ganze der Gesellschaft wird nicht an eine gesamthaft zuständige Institution verwiesen 32.
198
Institutionen des Wirtschaftslebens
Konstitutionsprinzipien
8 Institutionen des Wirtschaftslebens
8.1 Realwirtschaftliche Verwaltung 8.1.1 Arbeit Gesellschaftlich nützliche Arbeit wird in allen drei Gliedern des sozialen Organismus erbracht. Jedoch stellt nur die Arbeit im Wirtschaftsleben den gesamten Konsumfonds bereit und kann als wertbildend gelten. Ihre Leistungen werden
verkauft
und
ermöglichen
damit
dem
Produzenten
ein
Produktiveinkommen. Berufsverbände Die konkrete Arbeit im Wirtschaftsleben kommt dadurch zustande, dass betriebene Kapazitäten Leistungen bereitstellen, die in den produktiven oder unproduktiven Konsum eingehen können; diese Produktionskapazitäten sind damit Vorraussetzungen eines Arbeitsprozesses, der einer spezifisch qualifizierten Arbeit bedarf. Den betrieblichen Anforderungen sind Qualifikationsmerkmale vorgeordnet, die zur Klassifizierung der möglichen Arbeiten als Berufe führen. Der Arbeiter mag seinen Beruf wechseln. Er gehört jedoch stets mindestens einem Berufsverband an. So wie sich Klassifizierungen in der Ausbildung im Rahmen des Geisteslebens ergeben, kommen hier andere, prozessspezifische Merkmale zur Klassifizierung in Berufe zum Tragen. Der Berufsverband ist wirtschaftliches Handeln in Latenz: der Arbeitsprozess kombiniert diverse Ausbildungen der Arbeitskräfte zu Arbeitsprozessen, die im assoziativen Zusammenwirken der Einzelwirtschaften von Konsumabsichten legitimiert werden.
R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Realwirtschaftliche Verwaltung
199
Zu unterscheiden sind nach einer zentralen Organisationsspitze die Berufsverbände des Wirtschaftsraums, sowie deren Zusammenfassung in den lokalen Organisationen der Arbeitsverwaltung. Die Aufgaben der Gliederungsebenen
sind
funktional
abgegrenzt:
die
besonderen
Aufgaben
eines
Berufsverbandes werden bei diesem und nicht in der allgemein zuständigen Zentrale angesiedelt. Wie bei der politischen Repräsentation ist stets dafür zu sorgen, dass die organisatorische Hierarchie sich nicht zur funktionellen Hierarchie auswächst. Die Aufgaben der Zentrale sind auf dasjenige beschränkt, was nicht in den besonderen Gliederungen erledigt werden kann; ihre Rollenträger sind den Gliederungen, denen sie zuarbeiten, rechenschaftspflichtig. Zentrale der Arbeitsverwaltung Berufsverband Landwirt
Arzt
Chemiker
Architekt
...
lokale Arbeitsverwaltungen Abb. 8.1: Gliederungen der Arbeitsverwaltung
In diesem Zusammenschluss organisieren die Arbeiter ihre wirtschaftlichen Interessen: ein Berufsverband sorgt für die Nutzung des wissenschaftlichen Fortschritts in dem von ihm betreuten Bereich und gibt seinerseits Anstöße für die Forschungsprogrammatik und für Ausbildungsinhalte. Er ist Forum des überbetrieblichen Erfahrungsaustauschs. Seine Aufgabe ist auch, Bedarfsprognosen für den von ihm betreuten Beruf zu stellen. Die vornehmste Aufgabe jedoch ist der Beitrag zur Initiierung des Kapazitätsaufbaus, d.h. die personelle
200
Institutionen des Wirtschaftslebens
Ausstattung von Investitionsvorhaben mit Arbeitern. Zudem ist die Reallokation von Arbeitskraft gegenüber betriebenen Kapazitäten aus der Arbeitsverwaltung heraus zu besorgen. Sie hat ein erforderliches Beschäftigungsniveau herzustellen und aufrechtzuerhalten. Diese Aufgabe, die mindestens aus dem Bedürfnis unterbzw. unbeschäftigter und leistungswilliger Arbeiter herrührt, bedarf einer organisatorischen Unterstützung, um die Suchprozesse zwischen Arbeitern und Betrieben effizient zum Erfolg zu führen. Neue Berufe entstehen und bisherige Berufe werden obsolet. Dem werden auch ihre institutionellen Abbildungen folgen müssen. Der Berufsverband ist keine Ständeorganisation. Er verteidigt nicht die Einkommensabsichten seiner Mitglieder durch Zugangsbeschränkung. Er verteidigt ebenso wenig existierende Produktionsmöglichkeiten gegen deren Ablösung wegen technischen Fortschritts. Die Beschäftigung ergibt sich aus der Einkommenserwartung, nicht umgekehrt. Die
pretiale
Größe
dirigiert
die
reale
Größe.
Die Arbeiter
finden
institutionalisierte Unterstützung für ihre Beschäftigung, es obliegt jedoch ihrer Entscheidung, die Relation von vergüteter Wertschöpfung bzw. sonstigen Annehmlichkeiten zu Arbeitskraftverausgabung bzw. sonstigen Unannehmlichkeiten zu akzeptieren oder durch weiteres Suchen zu verbessern. Diese Suche ist in zweckmäßigem
Umfang
gesamtwirtschaftlich
erwünscht.
Sie
impliziert
friktionelle Unterbeschäftigung und verbessert die Verwertungsrate der gesellschaftlichen Arbeitskraft. Einkommen Nichts scheint dem gegenwärtigen Verständnis über die Möglichkeit einer gesamtwirtschaftlichen
Koordination
einzelwirtschaftlichen
Handelns
selbstverständlicher zu sein als die Belohnung der Arbeitsleistung durch Einkommen. Wessen Leistungen eine Nachfragesteigerung über die Kapazitätsgrenze hinaus erfahren, der soll temporär die verkaufte Menge über eine Preiserhöhung rationieren können, womit sich sein Einkommen erhöht; wessen Absatzmöglichkeiten umgekehrt eng werden, der verdient seine Abschreibungen nicht mehr oder gerät sogar in Illiquidität. Die Innovationsleistung des Pioniers
Realwirtschaftliche Verwaltung
201
trägt eine Extrarendite davon, wenn er die Nachfrage auf ein mindestens temporär begrenztes Angebot über den Preis rationieren kann. So selbstverständlich dem Rentier und Investor ein arbeitsloses Einkommen als Zins oder Dividende gezahlt wird, da die Allokationsmechanismen sich auf diese Beträge stützen müssen, so selbstverständlich wird dem Arbeiter das Einkommen gekürzt, wenn seine Arbeitskraft nicht mehr profitabel angewendet werden kann. Der Konsum ist an das Arbeitspotenzial zu koppeln, nicht an das Glück, dieses Potenzial auch unter der Formbedingung der Geldvermehrung realisieren zu dürfen. Wäre der Empfänger von Grundrente, Zins oder Profit gerade diejenige Person, die daraus die erforderliche Zerlegung in Transfer- oder Kreditgeld trifft und letztere Mittel der wertschöpfungsmaximalen Verwendung zuführte, dann könnten diese Beträge nicht nur im Investitionskalkül berechnet, sondern auch noch als Einkommenskategorie ausgeschüttet werden. Hingegen lässt sich sehr wohl die Rationierung der knappen Ressourcen sowie der vorhandenen Vorleistungen über Preise regulieren, ohne dass Bodenrente oder Zins als sogenannte „Faktoreinkommen“ fungieren. Wird zudem die überkommene und schwierig gewordene Unterscheidung zwischen dispositiver und positiver Arbeit, Arbeitsleiter und Arbeitsleister usf., nicht weiter gepflegt, insofern der Arbeiter unternehmerische Verantwortung und Kontrolle übernimmt, so bedarf es ferner keiner Spaltung der Wertschöpfung in Profit und Lohn, sondern es hat im Wirtschaftsleben mit einer Einkommenskategorie sein Bewenden. Die
ehemalige
Personalunion
von
Investor
und
Unternehmer
im
„Kapitalisten“ hatte den Vorteil, dass dessen Rollenverständnis auf beständige Umwälzung der gesellschaftlichen Arbeit gerichtet war. Während der Arbeiter sich für seine Anstrengung entlohnen ließ, musste der geschäftsführende Eigentümer „sein“ Kapital durch Expansion und Innovation in Betrieb halten, um seine soziale Rolle reproduzieren zu können. Der Nachteil dieser Konstruktion liegt bei denjenigen, die sich zwar wirtschaftlich engagieren wollen, jedoch weder mit innovativem Potenzial, noch
202
Institutionen des Wirtschaftslebens
mit hinreichender Bonität zur Fremdfinanzierung ausgestattet sind. Für deren Situation ist innerhalb des Wirtschaftslebens bislang niemand zuständig. Umgekehrt muss evtl. die Institution Einzelwirtschaft den geschäftsführenden Eigentümer überleben, sie soll nicht auf dem Weg der Erbfolge unter unfähigen Nachfahren eingehen. Sie ist also aus dem Umfang erblichen Eigentums auszuscheiden. Insoweit Investoren von Unternehmern verschieden sind, lassen sich erstere bereitwillig in die passive Rolle des Dividendenempfängers fallen, letztere begreifen die Veranstaltung „Einzelwirtschaft“ konservativ, um ihre soziale Rolle in relativer Sicherheit reproduzieren zu können. Ihnen liegt die Sicherheit der Kosteneinsparung näher als das Risiko der Innovation. Bei der Institutionalisierung der Einzelwirtschaften kommt es darauf an, dass der Produktionsapparat mit größtmöglicher Sachkunde und Verantwortlichkeit verwaltet wird. Trotzdem sind die wirtschaftenden Personen nicht an bestimmte Einzelwirtschaften gebunden, welche die Reproduktion ihrer sozialen Existenz gewährleisten müssen. Mit der Auflösung einer Einzelwirtschaft verläuft sich nicht das Sozialkapital, sondern es bleibt den Berufsverbänden erhalten. Die Verwertung der Produktionsanlagen ist dem unten beschriebenen Investitionsverfahren nach vollständig zu erledigen, so dass es durch die Auflösung der Einzelwirtschaft nicht verschwendet wird. Die Ökonomie ist derart einzurichten, dass sie sowohl mit demjenigen rechnet, der nicht selbständig seine Arbeitskraft in das Wirtschaftsleben integriert, als auch das Potenzial wirtschaftlich initiativer Personen fordert und fördert. Die Unternehmerrolle soll daher konsequent vom Investor zum Arbeiter übergehen. Verantwortung und Ertragsaussicht müssen personell zusammengeführt werden. Auf der Skala zunehmender Gestaltungskompetenz gegenüber der gesellschaftlichen Arbeit bedarf es keiner verschiedenen funktionellen Einkommenskategorien. Die Wertschöpfung wird allerdings weder nach Köpfen, noch nach Arbeitszeiten
verteilt,
sondern
proportional
einem
vorab
vereinbarten
Einkommen, das sich im Verlauf der Bilanzierungsperiode nicht erfüllt, erfüllt oder übererfüllt. Die Vereinbarungen werden zwischen den geschäftsführenden
Realwirtschaftliche Verwaltung
203
Personen und den übrigen in der Einzelwirtschaft Beteiligten getroffen, wobei beide Seiten einem Angleichungsdruck durch alle anderen Einzelwirtschaften der Region in Richtung eines Durchschnitts innerhalb der jeweiligen Tätigkeitskategorie unterliegen. Die Maßgeblichkeit des vereinbarten Einkommens wird nicht dadurch modifiziert, dass von der damit verknüpften vorgesehenen Arbeitsintensität tatsächlich abgewichen wird. Diese ist regulär im Periodendurchschnitt einzuhalten. Die Abschlagszahlungen auf das erst nach Bilanzierung einer Periode berechenbare Einkommen können etwa in Höhe von 4/5 des erwarteten Betrags erfolgen. Diese Größe wird auch zur Ermittlung des Liquiditätsbedarfs im Investitionskalkül zugrunde zu legen sein. Die Höhe des vorgesehenen Produktiveinkommens ergibt sich nicht als Vorgabe der Berufsverbände, sondern aus der erwarteten Wertschöpfung, die an die Beteiligten verteilt werden kann. Den Berufsverbänden kommt dabei die Rolle des Informanten bzgl. der regional üblichen Produktiveinkommen verschiedener Qualifikationen und Arbeitsintensitäten zu. Damit ist die Einzelwirtschaft nicht zur Gänze mit der Lohnfindung betraut, sondern kann sich auf überbetriebliche Gegebenheiten stützen. Die Höhe der pro Arbeitseinheit ausgeschütteten Wertschöpfung ergibt sich damit aus einem iterativen Prozess zwischen den Einzelwirtschaften und der Gesamtwirtschaft. Bei der Institutionalisierung dieses Vorgangs kommt es darauf an, dass sich das Einkommensniveau möglichst unmittelbar mit der Entwicklung der Produktivität korreliert: je mehr, und je intelligenter gesellschaftliche Arbeit organisiert wird, desto höhere Beträge lassen sich verteilen. Die angestrebte Verkürzung
der
Regelstrecke
schließt
einen
Pluralismus
funktioneller
Einkommenskategorien ebenso aus, wie eine lang anhaltende Überlastung der Produktionsprozesse durch rigide Einkommensansprüche. Das
aus
der
einzelwirtschaftlichen
Wertschöpfung
heraus
zahlbare
Produktiveinkommen ist Regulativ der Allokation und nicht Belohnung oder Strafe im Rahmen der Distribution. Unabhängig von der tatsächlichen
204
Institutionen des Wirtschaftslebens
Beschäftigung wird daher aus dem Rechtsleben heraus ein Grundeinkommen gewährt und derart die Distribution von der Allokation teilweise entkoppelt. Das Wirtschaftsleben, das seine Leistungen für alle drei Glieder des sozialen Organismus bereitzustellen hat, kann nicht jeden einzelnen Arbeitsprozess mit dem notwendigen Gesamteinkommen der je Beschäftigten belasten. Es erweist sich als unzweckmäßig, die Allokation mit Distributionshürden zu behindern. Geringwertige oder kurze Arbeitseinsätze sollen nicht deswegen unterbleiben, weil ihre Wertschöpfung alleine nicht ausreicht, dem Beschäftigten ein ausreichendes Konsumbudget zu gewähren. Produktiveinkommen sind Zusatzeinkommen über das beschäftigungsunabhängige Grundeinkommen bzw. auch über
Transferleistungen
bei
unfreiwilliger
Unterbeschäftigung
hinaus.
Geringwertige oder kurze Arbeitseinsätze werden wahrgenommen, wenn es ausreicht, sie mit entsprechend geringem Produktiveinkommen zu vergüten. Die erforderliche Ergänzung des Konsumbudgets darf nicht an derart wenig tragfähige Arbeitsprozesse gekoppelt werden. Dies hätte prohibitive Wirkung. Nicht einmal im Wirtschaftsleben selbst lassen sich alle Einkommen aus dem Verkauf wirtschaftlicher Leistung bestreiten. Dass überwiegend derart verfahren werden kann, ist lediglich eine Abkürzung der monetären Zirkulation: der Konsument der Leistung hat die Beanspruchung von Ressourcen zu bezahlen, der individuelle Produzent benötigt ausreichende Mittel zu seiner Konsumtion. Dies lässt sich als Einnahme und Ausgabe der Institution „Einzelwirtschaft“ ausgestalten. Zudem ist damit in einfacher Weise dem ökonomischen Prinzip Rechnung getragen; Ressourceneinsatz und Ressourcenertrag müssen sich aneinander
anpassen.
Dem
Personaleinsatz
und
Sachmittelbedarf
der
übergeordneten Institutionen des Wirtschaftslebens stehen keine verkäuflichen Leistungen gegenüber. Man soll jedoch auch bei deren Betrieb nicht auf das ökonomische Prinzip verzichten. Soll daher das individuelle Interesse der dort Tätigen zum rationellen Betrieb der Einrichtung beitragen, so ließe sich etwa für diese ein Gesamtbudget definieren, innerhalb dessen Einsparungen im Sachmittelbereich zusätzliche Einkommen ermöglichen.
Realwirtschaftliche Verwaltung
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Stets dann ist eine Situation problematisch zu beurteilen, wenn weder der Konsument mit seiner Ausgabeentscheidung, noch der Produzent mit seiner Verfahrensentscheidung zur wirtschaftlichen Rationalität beitragen können. Beschäftigung Dem Wirtschaftsleben obliegt die Aufgabe, denjenigen Personen, die nicht hauptamtlich im Geistes- oder Rechtsleben tätig sind, Beschäftigung zu bieten. Unterbeschäftigung ist dort auf ihr freiwilliges bzw. unvermeidliches Maß zu reduzieren. Wie die effiziente Maschine möglichst ununterbrochen laufen soll, so wird die qualifizierte Arbeitskraft möglichst intensiv beschäftigt. Einen erheblichen Teil des für seine Arbeit erforderlichen Wissens erlangt der Arbeiter durch seine betriebliche Tätigkeit. Seine Qualifizierung außerhalb und innerhalb des Betriebs kostet Aufwand, der sich als Nutzen über möglichst viele Leistungseinheiten verteilen soll. Arbeitsprozesse sollen möglichst kontinuierlich vollzogen, Reibungsverluste durch personelle Aufgabenübertragungen möglichst vermieden werden. Das kaufmännische Kalkül spricht dagegen, dieselbe Arbeit auf viele Köpfe bzw. Hände zu verteilen. Diese Spezialisierung der Arbeiter heißt nicht nur, dass sie möglichst nur spezialisierte Arbeiten in einem Betrieb ausüben. Es bedeutet gerade auch, dass sie ihre spezialisierte Qualifikation in verschiedenen Einzelwirtschaften einbringen, die ihrer bedürfen. Eine Auflösung der starren Zuordnung von Arbeitern zu Einzelwirtschaften macht sich in der Tendenz bemerkbar, möglichst jeden Arbeiter zur zuliefernden Einzelwirtschaft zu erklären. Eine derartig kleine Einzelwirtschaft entbehrt der Möglichkeit zum Kapazitätsausgleich. Sie unterliegt den größtmöglichen Beschäftigungsschwankungen. Von ihr wird verlangt, hinsichtlich folgender Dimensionen flexibel zu sein: • Beschäftigungsintensität • Einsatzort, möglicherweise auch Wohnort • Einsatztermin • Einkommensniveau.
206
Institutionen des Wirtschaftslebens
Als ginge es darum, eine bizarre Form auszufüllen, soll die Viskosität der Füllung erhöht werden. Die Freude über die Abwechslung wird ihre Grenze finden. Nicht um der Trägheit willen, sondern weil dem Arbeitsleben eine planbare soziale Existenz entspringen soll, ist die Akzeptanz dieser Tendenzen eingeschränkt. Die Ökonomie könnte sich leichter der technisch begründeten Flexibilität des Arbeitseinsatzes erfreuen, wenn zuvor die bisherige Verklammerung von Allokation und Distribution gelockert würde. Neben der Korrektur der wirkenden Regulative ist die Behebung institutioneller Defizite gefordert. Der Arbeiter ist nicht vereinzelt der organisierenden Kompetenz existierender Einzelwirtschaften gegenüberzustellen, sondern er operiert jenseits seiner konkreten betrieblichen Arbeitseinsätze auf der Grundlage einer verlässlichen Zugehörigkeit zu seinem Berufsverband. Auf dieser Basis wird man dazu übergehen können, den Kapazitätsabgleich über mehrere Einzelwirtschaften hinweg zu planen. Arbeiter gehören nicht einer oder mehreren Einzelwirtschaften, weil sie dort ihren Arbeitseinsatz zugesagt haben, sondern sie sind dort tätig, um ein vereinbartes Arbeitsergebnis zu erzielen. Sie werden nicht dazu verleitet, Verfahren zu entwickeln, um ihren Einsatz zu prolongieren, sondern können ihr Engagement dem Ziel nützlicher Produkte widmen. Aus den Berufsverbänden heraus ist die Zuordnung von Personen zu Produktionsprozessen nach dem vorrangigen Gesichtspunkt der sachlichen Befähigung vorzunehmen. Erst in zweiter Linie ist die relative Gleichverteilung des Arbeitseinsatzes unter die am Wirtschaftsleben Beteiligten zu betreiben. Da der NichtArbeitende ebenfalls am gesellschaftlichen Konsumfonds teilhaben muss, ist denjenigen, die über die Beschäftigungsintensität Einzelner und die Wahl der Technik entscheiden, ein Anreiz zu bieten, die Beschäftigung gleich zu verteilen. Das Rechtsleben muss dem Wirtschaftsleben diese Aufgabe stellen, jedoch sie nicht selbst lösen wollen. Die Spitzenorganisation der Berufsverbände hat daher den Einzelwirtschaften Beschäftigungsabgaben aufzuerlegen, deren Höhe sich nach dem Verhältnis von vereinbarter Arbeitszeit zur Anzahl der Beschäftigten richtet in Relation zu dieser Kennziffer im regional erforderlichen Durchschnitt. Im Rechtsleben gibt es
Realwirtschaftliche Verwaltung
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Gebote und Verbote. Die Ungleichverteilung der Arbeit ist unerwünscht, aber nicht untersagt. Somit kommt es zur ökonomischen Regulierung durch einen monetären Ausdruck der Ungleichverteilung. Die Gleichverteilung der Arbeit wird damit nicht erreicht, jedoch muss die Abweichung davon einen monetären Vor- bzw. Nachteil in der Einzelwirtschaft bewirken. Dieser synthetische Kostenbestandteil reduzierte sich auf Null, wenn alle unfreiwillig Arbeitslosen absorbiert wären. Der Effekt eines mehrfach beschäftigten Arbeiters, der je in den Betrieben, in denen er arbeitet, für eine geringe Arbeitsintensität sorgt, ist in der Weise zu berücksichtigen, dass in jeder Einzelwirtschaft, in der er tätig wird, seine in anderen Einzelwirtschaften vereinbarten Arbeitszeiten addiert werden. Der seines Engagements wegen zu entrichtende Betrag wird sich somit erhöhen. Der Tatbestand der relativen Beschäftigungsintensität ist an den Arbeitern festzustellen; die Zahlungspflicht belastet jedoch die Einzelwirtschaften, denn diese definieren die Arbeitsintensitäten in ihren Leistungserstellungsprozessen. Zwei Formeln sind daher zu entwickeln: • die regionale Unterbeschäftigung wird im mehrperiodischen, gleitenden Durchschnitt festgestellt; • sodann wird die Belastung der Einzelwirtschaften ermittelt nach Maßgabe ihrer betrieblichen Arbeitsintensität. Diese Kennziffer bestimmt sich unabhängig von der Höhe der erwirtschafteten Wertschöpfung; ihr Anliegen richtet sich nicht auf das Ergebnis der Arbeit, sondern auf den Einsatz der Arbeitskraft. Die Berechnung des erwarteten Beschäftigungsniveaus muss ein konjunkturelles Mittel ergeben; die zu entrichtenden Beträge dürfen nicht mit Verschlechterung des tatsächlichen Beschäftigungsniveaus prozyklisch angehoben werden. Auf der Grundlage der einzelwirtschaftlichen Kennziffer wird ein zur Wertschöpfung proportionaler Betrag erhoben. Die Zusammenhänge seien an einem Zahlenbeispiel erläutert. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit betrage 5 %. Im Beispiel ist sie jedoch momentan höher.
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Institutionen des Wirtschaftslebens
Person
Betrieb
Arbeitszeit
1
1
20
500
2
30
840
2
2
35
525
3
2
35
500
4
2
38
700
5
1
20
6
1
30
500
7
3
35
700
8
3
35
480
9
3
27
450
1
15
380
2
10
10 11 Σ
330
Angebot
5
Einkommen
300
20
220
25
-
50
11 Personen sind mit 330 Arbeitszeiteinheiten engagiert und bieten 50 weitere Arbeitszeiteinheiten an. Damit ergibt sich ein realisierter Durchschnitt von 330/10 = 33 Arbeitszeiteinheiten pro Person. Die Unterbeschäftigung beläuft sich auf 50/(330 + 50) = 13 %. Die Multiplikatoren für die Beschäftigungsabgaben der drei Einzelwirtschaften, sowie deren relative Belastung ihrer betrieblichen Wertschöpfung ergeben sich zu: Betrieb
1: ( 142 / (4 • 33) ) • 5 % • 1680 GE = 90,4 GE
5,38 %
Betrieb
2: ( 168 / (5 • 33 )) • 5 % • 2785 GE = 141,8 GE
5,09 %
Betrieb
3: ( 97 / (3 • 33)) • 5 % • 1630 GE = 79,8 GE
4,89 %
Aus Gründen der Praktikabilität wird während der Periode mit 5 % gerechnet, nach Abschluss der Periode ergibt sich dann ein Bonus oder Malus nach Maßgabe unter- oder überdurchschnittlicher Arbeitsintensität. Im Beispiel liegt die Einzelwirtschaft 3 unter, jedoch liegen 1 und 2 über dem Intensitätsdurchschnitt
Realwirtschaftliche Verwaltung
209
von 33 Arbeitszeiteinheiten. Das Aufkommen beträgt 312 GE; die Transferzahlungen an unfreiwillig Unbeschäftigte belaufen sich auf 4/5 des verlorenen Produktiveinkommens, sofern die dementsprechende Arbeitszeit weiterhin glaubhaft angeboten wird. Dies zu überwachen ist ebenfalls Aufgabe des betreffenden Berufsverbands. Mit der gekennzeichneten Fortzahlung hat es rasch ein Ende, wenn der Betreffende zwar dem Wirtschaftsleben angehören will, sich aber keiner der fünf möglichen Tätigkeiten, • betriebliche Mitarbeit in Einzelwirtschaften • Qualifizierung • Initiieren
und
Konzipieren
gesellschaftlicher
Arbeit
vor
ihrer
einzelwirtschaftlichen Ausführung • zeitlich befristete Suche zur Reallokation der eigenen Arbeitskraft • Arbeit innerhalb der wirtschaftlichen Institutionen verpflichtet fühlt. Es sei betont, dass in obiger Tabelle nur das Produktiveinkommen aufgeführt ist, das der Arbeiter aus dem Betrieb heraus bezieht. Also im Beispiel bezieht die Person 11 überhaupt kein Produktiveinkommen. Über das einheitliche Grundeinkommen hinaus wird noch entsprechend der Eingruppierung im Berufsverband von der Sozialversicherung eine Transferzahlung in Höhe von
4/5
des
geplanten
Produktiveinkommens
für
unterbeschäftigte
Arbeitskapazität geleistet, allerdings begrenzt auf den im Rechtsleben bestimmten Normalarbeitstag. Die Streuung der Gesamteinkommen fällt daher geringer aus als die der Produktiveinkommen. Der Berufsverband ist keine Verwaltung von Arbeitslosigkeit. Auch außerhalb einer unmittelbaren Zuordnung zu einer Einzelwirtschaft ist der Arbeiter in und für seinen Berufsverband tätig: der einzelwirtschaftlichen Aktivität vorgeordnet sind
nicht
nur
Qualifizierungsmaßnahmen,
sondern
ebenso
die
der
einzelwirtschaftlichen Umsetzung vorausgehende konzeptionelle Initiative zur Organisation zusätzlicher gesellschaftlicher Arbeit. Produkte und Prozesse werden nicht hinter den Mauern einer Einzelwirtschaft entworfen. Der Wettbewerb der Konzepte erfolgt vielmehr entweder in den Einzelwirtschaften oder auch außerhalb ihrer in den Berufsverbänden bzw. der lokalen
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Institutionen des Wirtschaftslebens
Arbeitsverwaltung. Nicht als Arbeitslosenunterstützung, sondern um eben die genannten Tätigkeiten eventuell auch außerhalb der Einzelwirtschaft erledigen zu können, ist die erwähnte Aufstockung bzw. Fortzahlungsregelung zu verstehen. In diesem Sinne ist der im einzelwirtschaftlichen Verständnis Unterbeschäftigte nicht aus der Ökonomie ausgeschlossen, sondern er verfolgt die Reallokation seiner Arbeitskraft, sowie eventuell auch die seiner künftigen Mitarbeiter. In der Ökonomie kann es nicht darum gehen, dass soviel wie möglich gearbeitet wird, sondern sowenig wie möglich und soviel wie aus dem Interesse der Endkonsumenten heraus nötig muss gearbeitet werden. Kann also der Arbeitseinsatz im Verhältnis zur Leistungserstellung verringert werden, so darf das nicht zur distributiven Existenzbedrohung der betroffenen Arbeiter werden, sondern gerade diese können am ehesten Rationalisierungspotenzial aufdecken und verwirklichen. Dieses zu verhindern, an entbehrlichen Aufgaben festzuhalten oder diese überhaupt erst einzurichten wäre sicherlich ein Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Ineffizienz. Der Produktivitätsfortschritt muss dem Konsumenten gehören, er ist kein dauerhaftes Mittel der Einkommenssteigerung beim Produzenten. Bereicherung erfolgt kollektiv, nicht individuell. Die Arbeiter sind daher nicht in Einzelwirtschaften gegeneinander mit Erwerbsinteressen separiert, sondern betreiben aus ihrem Zusammenschluss im Berufsverband heraus Produktionsprozesse mit den erforderlichen, d.h. wechselnden Intensitäten. Der Widerspruch zwischen dem Beschäftigung stimulierenden Erwerbsinteresse der Arbeiter und dem Anspruch der Konsumenten auf stets verbesserte Preis-Leistungs-Verhältnisse muss in der Konkurrenz der Produzenten seine Regelung finden. Die Arbeitsverwaltung hat nicht bestehende Kapazitäten vor innovativem Kapazitätsaufbau zu bewahren, sondern gerade Beschäftigungsmöglichkeiten aus neuen Produkten und Prozessen zu aktualisieren. Dabei ist eine Konkurrenz der Konzepte zu fördern. Der innovative Produzent muss sein Konzept nicht gegen potentielle Konkurrenten geheim halten um sich mit Beginn der Lieferbereitschaft eine Pionierrente zu sichern: weder werden die Konsumenten von neuen Produkten am Markt überrascht, noch ist die Geschäftsidee anders zu finanzieren als in der unter 8.2.2.
Realwirtschaftliche Verwaltung
211
beschriebenen, also öffentlichen, Prozedur. Ist das beste unter den konkurrierenden Investitionsvorhaben ermittelt, so wird es mit einem Kapazitätsniveau aufgelegt, das den prospektiven Bedarf abdeckt. Die personelle Besetzung schließt natürlicherweise die dementsprechenden Ideenträger ein. Nicht durch Festhalten an bisherigen Lieferbeziehungen und Produktqualitäten lässt sich ein ausreichend hohes Beschäftigungsniveau aufrechterhalten. Die Aufgabe kann nur derart gelöst werden, dass der Fluss der Ideen in die gesellschaftliche Arbeit institutionell ein Maximum an Unterstützung erfährt. Erst wenn der Beschäftigungsrückgang durch Produktivitätszunahme nicht mehr durch neue Prozesse und Produkte kompensiert werden könnte, stellte sich die Aufgabe, die gesellschaftliche Arbeit gleichmäßiger zu verteilen als es das Kriterium maximaler Effizienz erlaubte. Allerdings muss dieser Zustand, wenn er vorliegt, auch anerkannt werden; es hilft nicht, ihn mit der Beschwörung von Optimismus und Innovation zu eskamotieren. Von Optimismus kann dann nicht mehr die Rede sein, wenn die in der abgelaufenen Phase industrieller Akkumulation angewandten Institutionen und Regulative in eine davon unterschiedene Phase des Wirtschaftens schlicht prolongiert werden sollen. Nicht jeder geänderten Situation wird man dadurch gerecht, dass bloß Rückgriff auf Einrichtungen, Ideologien und Tugenden der Vergangenheit genommen wird.
8.1.2 Ressourcen Weil
natürliche
Ressourcen
zum
Zwecke
der
Rationierung
in
den
Investitionskalkül eingehen sollen, muss eine nach Region und Periode spezifizierte Verbrauchsmenge unter künftigen Beanspruchern versteigert werden. Sie werden nicht dadurch zu knappen Gütern, dass sie monopolistisch besessen werden und auf ihre Verwendung ein Preis verlangt werden kann. Dabei ist einerseits von Bodenfläche, Erzlagern und sonstigen in Verarbeitungsprozesse eingehenden, selbst nicht hergestellten Substanzen die Rede, andererseits von Schadstoffeinträgen in Luft, Wasser und Erde. Erstere
212
Institutionen des Wirtschaftslebens
sind natürlich begrenzt, letztere müssen als Rechtsanspruch auf eine dauerhaft erträgliche Biosphäre begrenzt werden. Alle drei Glieder des sozialen Organismus haben an diesem Vorgang Anteil:
• in
der
Wissenschaft
werden
die
notwendigen
Kenntnisse
über
Gefährdungspotenziale einzelner Substanzen und ihres Zusammenwirkens in der Biosphäre dargestellt.
• im Rechtsleben werden auf dieser Grundlage Verbrauchsmengen bestimmt. • Diese werden im Wirtschaftsleben durch Versteigerung an Nutzer bzw. Verursacher mit Preisen versehen, die als Ressourcengebühren an die Geldverwaltung gehen. Dass Ressourcen verbraucht bzw. genutzt werden ist nicht verboten, sondern unerwünscht. Der Verbrauch ist für das Wirtschaften auch unvermeidlich. Anders als im Rechtsleben wird hinsichtlich der Ressourcen nicht mit Verboten, sondern mit Preisen reguliert. Innerhalb der vom Rechtsleben gesetzten absoluten Grenzen wird die Verteilung auf Nutzer bzw. Verbraucher einem ökonomischen Kalkül zugänglich sein müssen, damit Technikwahl und Allokation möglich werden. Die in der Versteigerung an künftige Nutzer ermittelten Gebühren der sachlichen Ressourcen werden sich in einer Höhe so ergeben, dass diese als Substitute der personellen Ressource Arbeitskraft fungieren können. Die Nutzungsgebühr für zusätzlich beanspruchte Bodenfläche findet ihre Grenze an dem alternativen Mehreinsatz an Arbeitskraft; Gebühren für schädigende Beeinträchtigungen der Biosphäre werden nicht den entsprechenden Vermeidungsbzw. Beseitigungsaufwand übersteigen. Mithin finden die sachlichen Ressourcen ihr Maß im gesellschaftlichen Arbeitskrafteinsatz. Es muss möglich sein, dass in der Preisformel der Waren das Gewicht der lebendigen Arbeit abnehmen, und das der
Ressourcennutzung
zunehmen
kann.
Produktivitätszunahme
besagt
schließlich, dass der lebendigen Arbeit eine immer geringere Rolle zukommt 33. Der Ressourcenverbrauch wird Ausgabe des Konsumenten, nicht aber Ertrag des Produzenten; dieser reicht die anteilige Zahlung weiter an die Geldverwaltung
Realwirtschaftliche Verwaltung
213
bzw. er überwälzt mit dem Einkaufspreis entrichtete Ressourcengebühren im Verkaufspreis an seine Konsumenten. Sie werden synthetischer Kostenbestandteil. Nutzungsrechte lassen sich ausschließlich bei der Ressourcenverwaltung erwerben und können auch nur an diese zu gleichen Konditionen gegebenenfalls wieder zurück gegeben werden. Ein direkter Handel zwischen Rechtsinhabern und anderen Interessenten als Sekundärmarkt kommt nicht zustande. Nutzungsrechte können also nicht spekulativ erworben werden. Auch hier gilt das Prinzip, dass die zur gesamtwirtschaftlichen Regulation erforderliche Zahlung nicht erwerbswirtschaftlich integriert ist. Die Bestimmung der Verbrauchsmengen kann nur dann Bestandteil des Rechtslebens sein, wenn die sich daraus ergebenden Zahlungen nicht durch Disparitäten in der Vermögens- und Einkommensverteilung zum begrüßten Zuwachs individueller Konsumbudgets degenerieren. Andernfalls wären Personen motiviert, sich in den Zustand der Betroffenheit zu manövrieren bzw. die Beeinträchtigung zu provozieren. Für die diesen Teil des Rechtslebens Verwaltenden hinwieder ist die behördenartige Lust an der Behinderung, die sich zu Nebenzahlungen umsetzen lässt, weitgehend zu reduzieren. Der Entscheidungsvorgang ist möglichst nah am rechtsetzenden Souverän zu halten; das Prinzip der geringst möglichen Delegation kann hier Anwendung finden. Das Rechtsleben hat den Umkreis der zu bewertenden Ressourcenverbräuche möglichst vollständig zu bestimmen. Dann ist es nicht erforderlich, Nebeneffekte von Prozessen und Produkten in umständlichen Berechnungen über sogenannte „externe Effekte“ zu ermitteln.
8.1.3 Konsum Die Konsumentenorganisation ist eine der bislang im Wirtschaftsleben fehlenden Institutionen. Die Konsumenten werden nicht lediglich aus dem Rechtsleben heraus vor den Produzenten beschützt, oder aus dem Geistesleben heraus aufgeklärt, sondern spielen eine aktive, gestaltende Rolle bereits beim Zustandekommen wirtschaftlicher Aktivitäten.
214
Institutionen des Wirtschaftslebens
Bedarfsfindung Die Funktion der Konsumenten reduziert sich mitnichten darauf, zu zahlen oder zu verzichten. Ihre Organisation ist eine Einrichtung zum Zweck der Verständigung über ihren Bedarf. Aufgabe der Konsumentenorganisation ist es, den Bedarf zu kennen und ihn zu prognostizieren. Wenn es im Wirtschaftsleben darum geht, Bedarf mit Leistungsfähigkeit zu vermitteln, so befasst sich die Konsumentenorganisation mit ersterem Pol. Auch dem Produzenten ist nicht mit Konsumenten gedient, die von der Ware lediglich wissen, dass sie „billig“ sein soll. Der bloße Preis als vorrangiges Kaufkriterium lässt das Wertschöpfungspotenzial der betroffenen Branche kontinuierlich sinken, denn die Produzenten müssen sich auf derartige Konsumenten einstellen und reduzieren die Qualität. Es darf nicht das Privileg der Produzenten bleiben, Warenqualität zu kennen. Ein erheblicher Teil an Geschäftsideen wird aus der Kenntnis des Bedarfs heraus geboren. Der planende Unternehmer stützt sich, sofern er Endkonsumenten als Abnehmer vorsieht, auf die Vorarbeit und Bedarfskenntnis der Konsumentenorganisation. Ihr wird die Funktion zugewiesen, informationelle Asymmetrien zwischen Produzenten und Konsumenten zu reduzierten, wie es auch zwischen Verkäufer und Einkäufer im Rahmen des produktiven Konsums geschieht. Kollektives Wollen Die Konsumentenorganisation ist kein politisches Organ mit prohibitiver Funktion,
sondern
Verein
mit
wirtschaftlichem
Interesse.
Individuelle
Konsumenten werden nicht durch eine Zwangsmitgliedschaft bevormundet, sondern finden hier eine institutionalisierte Möglichkeit, kollektives Wollen wirksam werden zu lassen: der Bedarf bspw. nach Infrastruktur müsste unterversorgt bleiben, wenn sich lediglich potentielle Leistungsanbieter und kollektive oder individuelle, jedoch nur schwierig zu belastende Leistungsabnehmer gegenüberstünden. Hier muss die Konsumentenorganisation die Rolle
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des organisierenden Mittlers übernehmen und die Nutzenzurechnungsprobleme durch geeignete Vergütungsmodalitäten lösen. Die institutionellen Defizite des lediglich erwerbswirtschaftlich orientierten Wirtschaftslebens rechtfertigen nicht die Erweiterung staatlicher Kompetenz in den Bereich wirtschaftlicher Aufgaben hinein. Was wirtschaftliche Funktion ist, muss innerhalb des Wirtschaftslebens einen institutionellen Ort seiner Erledigung finden. Die Rolle des Rechtslebens findet darin eine Grenze, dass es den Umkreis der für die Allgemeinheit zu regelnden Vorgänge bestimmt. Eine Wohnstraße wird nicht nur für einen Bruchteil der Anlieger erstellt. Hierin ist die Teilnahme mit ihren finanziellen Verpflichtungen nicht so freiwillig, dass das Vorhaben nicht mehr zustande käme. Als Grundlage des wirtschaftlichen Vorgangs müssten also im Beispiel aus dem Rechtsleben heraus die Merkmale bestimmt werden, an die sich die Rechtsfolgen knüpfen, sodann organisiert und steuert die entsprechende Abteilung der Konsumentenorganisation die wirtschaftlichen Maßnahmen einschließlich der Kostenumlage. Analog ist daran zu denken, dass sich in der Konsumentenorganisation ein Verein von Interessenten bildet, die den Wohnungsbau genossenschaftlich betreibt. Die Wohnanlage ist insofern gemeinschaftlich angeschafftes Konsumgut, dass im Umlageverfahren finanziert wird. Damit ist eine Alternative zum erwerbswirtschaftlichen Wohnungsbau für anschließende Vermietung möglich. Im Gegensatz zur produzierenden Einzelwirtschaft verfolgt die Konsumentenorganisation allerdings keine Verwertungsabsichten. Ihre Leistungen sind unverkäuflich, auch wenn betriebliche oder persönliche Nutznießer erkennbar sind. Lediglich ihr Betrieb ist im Umlageverfahren von den Endkonsumenten zu finanzieren. Diese muss ihre Organisation bleiben, damit sich keine Interessen einmischen, die ihre Zuständigkeit verunmöglichen müssten. In den Fällen, in denen ein Anbietermonopol technisch begründet und gerechtfertigt erscheint, müssen atomisierte Konsumenten eine kollektive Repräsentanz in der Konsumentenorganisation organisieren, die mit dem Leistungsanbieter über Kapazitäten, Qualitäten und Tarife verhandelt. Hier ist etwa an wirtschaftliche Leistungen zu denken, die regelmäßig über Netze
216
Institutionen des Wirtschaftslebens
vertrieben werden. Lässt sich die Annäherung an die durchschnittliche Verwertungsrate nicht durch Produzentenkonkurrenz herbeiführen, so soll immerhin der individuelle Konsument seine Position durch angemessene Rahmenverträge zwischen Monopolist und Konsumentenorganisation wahren können. Der Produzent gerät dadurch nicht in die Rolle eines Regiebetriebs, sondern arbeitet weiterhin für seinen wirtschaftlichen Erfolg, jedoch muss er sich auf Verträge einlassen, die sein monopolistisches Preissetzungsprivileg begrenzen. Zum Investitionszeitpunkt wird eine solche Situation festgestellt und mit der Bewilligung die Verpflichtung auf Rahmenverträge als Monopolvorbehalt vereinbart. Der Arbeiter ist spezialisierter Produzent und zugleich generalisierter Konsument. Von einem einzelnen Menschen kann nicht erwartet werden, dass er alle Produktionsprozesse in der Ökonomie, der er sich zurechnet, versteht. Jedoch soll er die Qualitäten des Ergebnisses dieser Ökonomie, die Gebrauchswerte des unproduktiven Konsums, kennen. Dass die gesellschaftliche Produktion ihr Maß im Endkonsum findet, hat nicht lediglich quantitative, sondern ebenso sehr qualitative Bedeutung. Die Rolle des „souveränen“ Konsumenten ist nicht darauf zu reduzieren, dass er post festum angebotene Ware kauft oder nicht. Der Informationswert der bloßen Warenbeziehung ist vielmehr in der Konsumentenorganisation als Ort der Kommunikation zwischen Konsumenten und Produzenten zu ergänzen. Von den Konsumenten heißt es, sie seien schlecht zu organisieren. Ihre Zahl sei groß und ihre Interessen seien zu verschieden. Zum einen ist jedoch daran gedacht, diese Einrichtung mit wichtigen Aufgaben zu betrauen, so dass sie stets ihre Daseinsberechtigung praktisch beweist. Zum anderen ist sie zweckmäßig zu gliedern, so dass die Interessen der Beteiligten effizient und spezialisiert verfolgt werden können.
Realwirtschaftliche Verwaltung
217
Zentrale der Konsumentenorganisation Fachgruppe Ernährung
Medizin
Umwelt
Wohnen
Verkehr
...
lokale Konsumentenorganisation Abb. 8.2: Gliederungen der Konsumentenorganisation
Dabei ist die Rede von einem Zustand der gesellschaftlichen Distribution, in der sich individueller Konsum und Arbeitsleistung an überwiegend den gleichen Personen in ein Verhältnis setzen. Dieses käme nicht zustande bei extremer Ungleichverteilung, wie sie etwa bei arbeitslosen Einkommen möglich ist, da dann der gleiche veräußerte Geldbetrag in ganz unterschiedlichem Maße Bedürfnisse befriedigt, auch wenn sich diese nicht intersubjektiv kardinal nachmessen lassen. Die Bedeutung und Funktion der Konsumentenorganisation sei an zwei Beispielen illustriert: Medizinische Versorgung Die medizinische Versorgung hat sich, wie jede andere Arbeit auch, nach dem Prinzip zu richten, dass sie sowenig wie möglich Ressourcen verbraucht, jedoch soviel wie nötig, um den gesellschaftlichen Bedarf zu decken. Ganz offensichtlich ist diese Abteilung der gesellschaftlichen Arbeit nicht geeignet, über die Zunahme der Bevölkerung hinaus ein wachsendes Leistungsvolumen zu verwerten: Ob der Arzt prophylaktisch oder reparativ wirkt, er wird sich an der Zahl der potentiellen Patienten orientieren müssen. Die reparative Leistung des
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Institutionen des Wirtschaftslebens
Arztes nimmt der Patient nur ungern in Anspruch. Die Rekonvaleszenz ist ihm ein Nutzen, diese schließt jedoch die vorangehende Erkrankung ein, die durchweg als unangenehm erlebt wird. Auch von Seiten der Nachfrage nach medizinischer Leistung gilt daher eine bedingte Minimierung ihres Volumens. Für den Einzelnen ist die Erkrankung weder erwünscht, noch vorhersehbar. Sie ist insoweit ein Vorfall, der dem Versicherungsprinzip unterworfen werden kann: die Inanspruchnahme medizinischer Leistung wird im Umlageverfahren von vielen potentiell Betroffenen finanziert. Dieses Verfahren darf nicht die Qualitätskontrolle des Konsumenten aufheben. In medizinischen Einrichtungen werden Einkommen der Leistungsanbieter nach Maßgabe ihrer freiwilligen vertraglichen Auswahl durch Patienten generiert. Bei unterdurchschnittlichem Preis-Leistungsverhältnis sinkt ihre Inanspruchnahme mit der Folge verringerter Einnahmen. Ein Teil der Einkommen besteht in einem Festbetrag pro potentiellem Patienten und Vertragsperiode unabhängig von tatsächlicher Inanspruchnahme. Für die Leistungsanbieter ist insofern die Erkrankung der Versicherten nicht zwingende Voraussetzung ihrer Einkommen. Umgekehrt ist die medizinische
Leistungserstellung
nicht
mit
so
hohen Verwertungsraten
ausgestattet, dass Krankheit zur hinreichenden Bedingung lukrativer Geschäfte wird. Medikamente und sonstige medizinische Mittel sind Bestandteil der Vorleistungen, deren Kosten und Qualität der Arzt gegenüber den Patienten verantwortet. Darüber hinaus ist seine eigene ärztliche Leistung gemäß der mit der Krankenversicherung getroffenen Rahmenvereinbarung zu bewerten. Die Ausgestaltung seiner Vergütung drückt einen realwirtschaftlichen Vorrang vor der Pretialwirtschaft aus.
Realwirtschaftliche Verwaltung
219
monetäre
Leistungsbewertung
Volumina Vergütung
Leistung Abb. 8.3: Pretiale Steuerung bei unterproportionaler Vergütung
Das Vergütungsmodell gibt dem Leistungsanbieter Grund, sich so viel wie ihm möglich ist potentielle Patienten zu zuordnen, denn dadurch steigt sein Sockeleinkommen, der Ordinatenabschnitt seiner Vergütung. Zugleich hat er ein Interesse daran, den Aufwand pro Patienten zu minimieren, so dass er ein günstiges Verhältnis von Vergütung zu Leistung erreicht. Falls etwa Gesundheitsberatung, Prophylaxe etc. die Behandlung Erkrankter zu vermeiden hilft, wird vorzugsweise diese Leistung erbracht. Auf der Konsumentenseite ist durch angemessene Eigenbeteiligung sicherzustellen, dass das Versicherungsprinzip nicht zur Verschwendung der Produzentenleistung führt. Ein signifikanter Stimulus belohnt das Bemühen potentieller Patienten nach Gesundheit ohne ein Ausmaß zu erreichen, bei dem die Inanspruchnahme medizinischer Leistung zum finanziellen Risiko des bereits Versicherten wird. Der Gesamtbedarf an medizinischer Leistung ist am Verlauf der empirischen ärztlichen Beschäftigung ablesbar. Die Krankenversicherung wäre als Einzelwirtschaft, die die Leistung „Versicherungsschutz“ verkauft, denkbar. Besser kann sie jedoch als wirtschaftlicher Verein der Versicherten Teil der Konsumentenorganisation sein. Der Verein zahlt an keine externen Kapitalgeber Dividende, sondern reduziert bei Überschüssen nach Rücklagenbildung und Rückstellungen die Beiträge seiner Versicherten. Die Krankenversicherung
220
Institutionen des Wirtschaftslebens
schließt mit entsprechend vielen Ärzten Rahmenvereinbarungen ab. Diese regeln das Verfahren der Zuordnung von Patienten zu Ärzten, den dabei anfallenden Sockelbetrag, sowie die Vergütung der einzelnen medizinischen Leistung. Auch bei dem schwierigen Produkt der medizinischen Versorgung dürfen ökonomische Regulative nicht gänzlich außer Kraft gesetzt werden. Der pretialwirtschaftliche Stimulus muss sich in Vergütungen, Mengen und Qualitäten ausdrücken können. Werden alle drei Dimensionen außerökonomisch gesteuert, so darf man davon ausgehen, dass weder Anbieter, noch Nutzer medizinischer Versorgung ihre Interessen befriedigen können. Verkehrswegebau Das wirtschaftliche Erfordernis, Verkehrswege nutzen zu können, muss sich als kollektive Aktion organisieren können. Die Zuarbeit des Rechtslebens für dieses Anliegen beschränkt sich auf das Ausweisen potentieller Verkehrsflächen als einer von mehreren Nutzungsmöglichkeiten von Grundfläche. Zudem hat sich die Allgemeinheit über den Umfang der sonstigen nutzbaren natürlichen Ressourcen, also etwa der Schadstoffeinträge, verständigt. Die Abstimmung zwischen beteiligten und betroffenen Regionen, zwischen diversen Verkehrsträgern und die mit alternativen Verwendungen konkurrierende Allokation von natürlichen Ressourcen wird von den Institutionen des Wirtschaftslebens geleistet. Bau und Instandhaltung von Verkehrswegen kann dann innerhalb des Wirtschaftslebens abgewickelt werden, wenn sich ein aufwandsproportionaler Umlageschlüssel findet, nach dem tatsächliche Nutzer der Einrichtung zahlungspflichtig werden. Nur dann lässt sich die in Rede stehende wirtschaftliche Leistung auch als Ware darstellen. So wie sich Personen und Fracht bei Bahn, Schiff und Flugzeug erfassen lassen, so kann etwa der Kraftstoffverbrauch als Maß der Straßennutzung beansprucht werden. Auch in dieser Angelegenheit kann die Konsumentenorganisation initiativ werden, den kollektiven Bedarf formulieren und die Leistungsverrechnung besorgen. Auch in diesem Fall greift sie nicht in die Souveränität des einzelnen Konsumenten bzw. der nutzenden Einzelwirtschaft ein, was ausschließliches Privileg der als Staat organisierten Allgemeinheit bleibt.
Monetäre Verwaltung
221
8.2 Monetäre Verwaltung 8.2.1 Geldverwaltung Geld ist der unspezifische Anspruch der Konsumenten auf Ware. Sind die Ware und der Verkäufer spezifiziert, so kommt es zur Geldausgabe in Höhe des Preises und zum Erlöschen des Kaufanspruchs. Geld kann überhaupt nur diese Verwendung des Ausgebens finden, wie lange auch immer die Ausgabe verzögert wird
34
. Solange der Kaufanspruch noch nicht diese allgemeine Form hat,
sondern als Wertpapier Bezug nimmt auf einen einzelnen Schuldner, ist der Gläubiger noch nicht Geldbesitzer. Geldbesitzer wird jemand nicht nur durch Verkauf,
eingenommenes
Geld
ist
nicht
stets
Kaufgeld.
Auch
der
Kreditgeldverwender ist ebenso wie der Transfergeldverwender Geldbesitzer. Beide verwandeln durch Ausgeben ihr Geld in Kaufgeld, das ihnen nicht mehr gehört; der Kreditgeldverwender in der Weise, dass er den Betrag aus dem Verwertungsprozess wieder besorgt, der Transfergeldverwender ohne diese Aussicht. Nur als Kredit- oder Transfergeld kann zusätzliches Geld in die Ökonomie eingeführt werden, nicht jedoch als Kaufgeld, denn die Geldverwaltung, die das Geldschöpfungsmonopol hat, kauft keine Waren. Geldschöpfung ist kein Erwerbszweig, Kredittilgung kein Einkommen beim Zahlungsempfänger. Man spricht von „Geldzirkulation“ und „Warenfluss“. Richtiger wäre es, das materielle Substrat der Waren zirkulieren zu lassen und Geld in geordneter Weise von einer Quelle zu einer Senke fließen zu lassen. Diese sind beide in der Geldverwaltung anzusiedeln. Die Einzelwirtschaft unterliegt dem Bilanzprinzip: sie muss ein finanzielles Gleichgewicht wahren. Der Transfergeldverwender gibt mehr als sein Produktiveinkommen aus, sofern er überhaupt ein solches bezieht. Der Kreditverwender muss mehr Einnahmen erzielen als er Kaufgeld ausgibt. Die Einzelwirtschaft kann nicht mehr als die Wertschöpfung verteilen. Käme es in der Ökonomie
222
Institutionen des Wirtschaftslebens
darauf an, abstrakten Reichtum dezentral zu akkumulieren, handelte es sich um Kapitalismus, egal wie viel „demokratische Kontrolle“ oder „Partizipation“ darüber gestülpt wird. Bei Desinvestition, der Verwendung verdienter Abschreibungen auf die fixen Produktionsmittel zur Tilgung, wird der Kreditbetrag an die Geldverwaltung zurückerstattet. Die Geldverwaltung unterliegt nicht dem Bilanzprinzip: die Kreditvergabe ist nicht an die Kredittilgung gekoppelt, die Transferzahlung nicht an eine besondere Einnahme. Der mit dem Zins verbundene Zirkulationszwang ist hier aufgehoben. Einzahlungen und Auszahlung sind dem Termin nach entkoppelt. Als Einrichtung des Wirtschaftslebens befindet sie nicht über die Höhe der Transfergeldzahlungen an das Geistes- und Rechtsleben. Sie stabilisiert den Konsumgüterpreisindex gegen den Angebotsüberschuss an Kreditverwendung aus dem Geistesleben. Das Wirtschaftsleben, der Fluss des Kaufgelds, muss beide Pole, das starke und das schwache Geld, vermitteln. In der Geldverwaltung findet sich der absolute Punkt der Ökonomie. Hier wird dem Geld auch seine letzte Bestimmung als Quantität genommen. Das Wertzeichen „Geld“ ist kein Ding, sondern gesellschaftliches Verhältnis. Es macht die Gesellschaft nicht länger undurchsichtig, sondern wird bewusst in einer ihrer Institutionen gehandhabt. Die Summe der Einzahlungen muss nicht der Summe der Auszahlungen entsprechen. Gegenüber dem einmal emittierten Geld muss die Ökonomie unter gesamtwirtschaftlichen Kriterien Souveränität zurück gewinnen. Was als junges Geld die Realwirtschaft strukturierte, kehrt als altes Geld zur Geldverwaltung zurück. Von hier aus beginnt der Strom an Transfergeld in das Geistesleben, das zum Teil auch konzeptionelle Vorarbeit dem Wirtschaftsleben erbringt. Sowenig ein Mensch sich auf das Einatmen beschränken könnte, sowenig soll Geld nur in die Ökonomie eingeführt werden. Vielmehr bedarf es definierter Funktionen, durch die auch sein Rückfluss gewährleistet ist. Zuflüsse bzw. Geldvernichtung sind die Kredittilgung, der unkündbare Teil der Spareinlagen und die Ressourcengebühren. Abflüsse bzw. Geldschöpfung sind die Kreditzahlungen für Investitionen und die Transfergeldzahlungen.
Monetäre Verwaltung
223
Tab. 8.4: Ausgleich der Geldflüsse
Einzahlung Geistes- Staat leben Auszahlung
Wirtschaftsleben Geldverwaltung
Einzelwirt- Arbeiter Soziaverschaft sicherung Geistesleben Kaufgeld Staat Kaufgeld GeldverTransferKreditgeld Transfer: waltung geld Grundeinkommen, Kredit EinzelwirtRessour- Kaufgeld, Produk- Transferschaft cengebüh- Vortiveingeld ren., leistungen kommen Tilgung Arbeiter TransferSpareinla- Kaufgeld, Vorsorge geld gen, Konsum Sollzins SozialverTransfersicherung. geld Die Geldschöpfung wird die Geldvernichtung überkompensieren müssen, wenn das Beschäftigungsniveau in der Ökonomie zunehmen soll, umgekehrt weist die Geldvernichtung ein höheres Volumen als die Geldschöpfung auf, wenn das Investitionsniveau für die Indexstabilität zu hoch ist. Eine Ökonomie wäre in einem bedauernswerten Zustand, wenn der Zufluss des starken Geldes deswegen unterbleiben müsste, weil das schwache Geld nicht abfließt, sondern weiter zirkuliert. Nicht eine ominöse „Geldmenge“ ist von der Geldverwaltung zu steuern, sondern die verschiedenen Kategorien der Geldflüsse sind in einer Weise zu verwalten, dass die Realwirtschaft Aufbau-, Erhaltungs- und Abbauprozesse auf stabilem Niveau vollziehen kann. Ausschließliche Aufgabe der Geldverwaltung ist die Stabilisierung des Konsumgüterpreisindexes. Sie verwaltet Spareinlagen mit der Garantie auf
224
Institutionen des Wirtschaftslebens
Werterhalt. Diese müssen unter Fristenwahrung wieder vom Einzahler gekündigt werden. Sie sind kein Bestandteil von Erbmasse. Der Besitzer kann sie letztwillig an eine Einrichtung des Geisteslebens verfügen oder sie wird ohne eine solche Verfügung dorthin übertragen. Sichteinlagen können vom Gläubiger jederzeit in beliebiger Höhe wieder abgezogen werden, jedoch sind sie durch keine Werterhaltungsgarantie ausgezeichnet. Konsumenten können sich Kreditgeld verschaffen, falls sie bereit sind, auf künftige Einkommen zu verzichten und einer Bonitätsprüfung standhalten. Zur Rationierung von Konsumkrediten wird ein synthetischer
Sollzins
gebildet
in
Höhe
der
aktuellen
marginalen
Wertschöpfungsrate bei Investitionen. Zinszahlungen werden nicht verboten, sondern die Verschuldung der Konsumenten sollte nicht erforderlich sein. Das Beschäftigungsniveau zu steuern ist jedoch nicht Aufgabe der Geldverwaltung, sondern ergibt sich als Entscheidung der wirtschaftlich Handelnden und der Endkonsumenten über das gewünschte Verhältnis von Konsum und Aufwand. Zwar enthält die Belieferung der Endkonsumenten Einkommenspotenzial, sie verbraucht jedoch auch Ressourcen. Der Arbeiter plant seinen Einsatz im Verhältnis zu dem damit möglichen Konsum. Die Vermittlung seines Konsumniveaus durch das Produktiveinkommen trennt ihn von seiner Arbeitsleistung, die er auch für Konsumenten des Geistes- und Rechtslebens erbringt. Nur in der gedachten Subsistenzwirtschaft arbeitet er unmittelbar für sich.
Sind
einmal
die
gesellschaftlichen
Aufgaben
außerhalb
des
Wirtschaftslebens budgetiert, wäre er nicht etwa reicher, wenn er weniger für jene arbeitete, sondern um dasjenige ärmer, was in der Preisformel als Geldvernichtung fungiert. Die Funktion der Geldverwaltung ist institutionell dem Wirtschaftsleben zugeordnet. Die Volumina der Alimentation des Geistes- und des Rechtslebens sind nicht Gegenstand von Entscheidungen innerhalb der Geldverwaltung. Diese sind ihr vielmehr vorgeordnet und sie verwaltet den Zahlungsfluss,
der
auch
bei
ihren
gesamtwirtschaftlich
Entscheidungen zur Stabilität des Geldwerts berücksichtigt wird.
relevanten
Monetäre Verwaltung
225
Weltgeld Dem Bedürfnis nach Risikostreuung bei Währungspositionen einerseits und nach Vermeidung spekulativer Selbstverstärkung von Paritätstrends andererseits kann mit der Institution „Weltgeld“ Rechnung getragen werden. Es existiert als Guthaben der regionalen Geldverwaltungen bei der insoweit zentralen Weltgeldverwaltung Es wird ausschließlich von den regionalen Geldverwaltungen als Buchgeld geführt. Es kann nicht als Banknote oder Münze emittiert oder im Inlandszahlungsverkehr benutzt werden. Liquiditätsüberschüsse bzw. künftiger Liquiditätsbedarf im interregionalen Handel ließen sich dann in einem impliziten Währungskorb konservieren. Die Gewichte der darin beteiligten Währungen ließen sich nach dem jährlichen Handelsvolumen (Import + Export) bestimmen. Weltgeld soll Währungsrisiken nicht kompensieren, sondern lediglich streuen. Es wird selbst die Fakturawährung im interregionalen Handel. Weltgeld als Voraussetzung von Fremdwährungstransaktionen lässt sich ausschließlich bei regionalen Geldverwaltungen erwerben und kann auch nur an diese wieder gegen Landeswährung zurück gegeben werden. Ein direkter Handel zwischen zwei Transaktionswährungen kommt nicht zustande. Alle Devisentransaktionen erfolgen gegen Weltgeld. Aufgabe der Weltgeldverwaltung ist die Wertkonstanz von Weltgeld im Zeitablauf . Sie misst diese durch den definierten Währungskorb. Die Paritäten zwischen den Währungsgebieten sollen nicht manipuliert werden, intendiert ist nur die Aufrechterhaltung der Parität des Weltgeldes gegenüber dem Währungskorb wie er aktuell durch seine Gewichte definiert ist. Die Sollgleichheit zwischen zwei Zeitpunkten 0 und 1 und der Gewichtung
¦γ d i
i
γi
i0
lautet demnach
= ¦ γ i d i1 i
226
Institutionen des Wirtschaftslebens
Verliert bspw. der Kurs einer Währung wegen eines Leistungsbilanzdefizits, so erhöhen sich ceteris paribus die Kurse aller anderen Währungen gemessen in Weltgeld. Umgekehrt muss sich bei Exportüberschuss die Transaktionswährung aufwerten, Weltgeld verbilligen, wenn es von Importeuren gekauft und von Exporteuren verkauft wird. Wenn Exporteure die eigene Transaktionswährung von der Geldverwaltung gegen die in der anderen Region erzielten Weltgeldbeträge zurückkaufen, um damit Lieferanten zu bezahlen und Produktiveinkommen auszuschütten, so kann diese eigene Transaktionswährung nur von den Importeuren der eigenen Region bei der Weltgeldverwaltung eingebracht werden. Der Konnex zwischen Import und Export ist also sehr viel enger im Vergleich zu einer Situation, wo mit ungleich höherem Volumen neben der Leistungsbilanz eine „Kapitalbilanz“ ihren Saldo zum Devisenhandel beiträgt. Ungleichgewichte können sich erst gar nicht auftürmen. Überschüsse oder Defizite der regionalen Leistungsbilanz werden bei diesem Verfahren früher sichtbar, als wenn der Leistungsbilanzsaldo je durch Kredite kompensiert wird. In regelmäßiger Auktion werden Nachfrage und Angebot der Transaktionswährungen zunächst umsatzmaximierend zusammen geführt. Devisenkurs
Angebot
d Nachfrage Menge Abb. 8.5: Kursbildung der Transaktionswährungen
Die Kurse ergeben sich somit am Schnittpunkt der je aggregierten Angebotsbzw. Nachfragekurve. Der Währungskorb liegt damit über oder unter seinem vorangehenden Wert. Falls Weltgeld billiger geworden ist, so müssen die so
Monetäre Verwaltung
227
ermittelten Kurse in einem zweiten Schritt entlang der Angebotskurve gleichmäßig abgesenkt werden. Umgekehrt müssen sie bei zu teurem Weltgeld entlang der Nachfragekurve gleichmäßig erhöht werden bis der vorangegangene Wert des Währungskorbs wieder erreicht, also obige Gleichung erfüllt ist. Alle cross rates bleiben bei diesem Vorgehen von vorneherein untereinander konsistent. Die Weltgeldverwaltung startet mit anfänglichen eigenen Währungsbeständen, die von den regionalen Geldverwaltungen eingezahlt werden. In dem Maß, wie das interregionale Handelsvolumen zunimmt, wird eine allgemeine Nachfrageerhöhung nach Weltgeld, also seiner Verteuerung, nicht mit Mengenrestriktionen beantwortet, sondern mit einer Angebotsausweitung an Weltgeld. Dieser Devisenvorrat ermöglicht in Kontraktionsphasen auch wieder eine Verringerung der von den regionalen Geldverwaltungen gehaltenen Weltgeldreserven. Die Weltgeldverwaltung verfolgt also nicht nur das relative Volumen einzelner Währungen am interregionalen Handel, sondern auch die Entwicklung des gesamten Volumens. Zu den Vereinbarungen zwischen Weltgeldverwaltung und den regionalen Geldverwaltungen gehört, dass die Rückgabe von Weltgeld gegen die regionale Transaktionswährung nur zu Kursen erfolgen kann, die den Wert des Währungskorbs nicht verringern. Da diese Kurse nicht von denjenigen des vorausgehenden Erwerbs von Weltgeldguthaben abhängen, könnte beispielsweise ein Saldo an Transaktionswährung bei der Weltgeldverwaltung verbleiben, den die betreffende regionale Geldverwaltung nicht mehr gegen Weltgeld zurückkaufen kann. Spekulative Teilnahme am Paritätstrend einer einzelnen Währung ist bereits dadurch ausgeschlossen, dass Teilnehmer am interregionalen Handel bzw. am Devisenmarkt nur Landeswährung oder Weltgeld halten können, nicht jedoch Fremdwährungsbeträge. Demnach entsteht auch kein Bedarf nach einem Terminmarkt für Devisen. Auch in dieser Konstellation sind Regulative, die ebenso sehr mit dem Sicherheitsmotiv begründet werden wie auch für ein Erwerbsmotiv spekulativ ausgenutzt werden können, durch die Regelung in einer Institution zu ersetzen. Ist also im interregionalen Handel eine Faktura in Weltgeld vereinbart, so trägt der Käufer das Risiko, dass bis zum Zahlungstermin die Fakturawährung
228
Institutionen des Wirtschaftslebens
teurer wird, i.e., seine eigene Währung sich verbilligt. Er kann dies vermeiden, indem er den später erforderlichen Erwerb von Weltgeld zum Kassakurs vorzieht. Er zahlt dabei den Preis erhöhten Liquiditätsbedarfs und begibt sich der Chance auf einen Währungsgewinn, wenn statt dessen die Parität sich zu seinen Gunsten verbessert. Der Verkäufer kann bei Verfall des Außenwerts seiner Währung bis zum Zahlungsziel gewinnen oder er verliert, weil sie sich verteuert. Jedes Verfahren, Währungsverluste auszuschließen, verlangt entweder Kosten bei den Kontrahenten der Transaktion oder generiert kontingente Gewinne. Das Problem muss dadurch verringert werden, dass die Paritätsentwicklung verstetigt wird,
also
erratische Ausschläge
vermieden
werden. Auch
von
der
Aufgabenstellung her, den interregionalen Handel zu organisieren, zeigt sich der Vorteil einer Ökonomie, in der die Geldverwendung an die Erfordernisse der realökonomischen Reproduktion gebunden bleibt. Eine kritische Masse, die einen Paritätstrend spekulativ verstärken könnte, kommt somit erst gar nicht zustande.
8.2.2 Investition Die Investition greift gestaltend in die Gesamtwirtschaft ein, indem sie Vorleistungen dem Endkonsum näher zu bringen geeignet ist. Ihre Momente sind Leistungsbestimmung, Technikwahl, Vorleistungsbewertung. Sie ist Übergangspunkt des Geistes- und Rechtslebens in das Wirtschaftsleben. Alle drei Glieder des sozialen Organismus haben an diesem Vorgang Anteil:
• aus dem Geistesleben heraus tritt die gestaltende Kraft der Geschäftsidee in die Wirtschaftspraxis. Sie organisiert den Arbeitsprozess im Hinblick auf künftig Benötigtes.
• Das Rechtsleben bettet die neuen Aktivitäten in einen harmonischen Zusammenhang mit bestehenden Aktivitäten. Es verhilft zum Ausgleich aller Ansprüche im Umkreis des neuen bzw. erweiterten Betriebs.
• Die Initiative und Koordination der Investition geht vom Wirtschaftsleben aus: eine Unternehmerpersönlichkeit leitet aus der Fülle des im Geistesleben Vorstrukturierten das Mögliche in das nach Zeit, Qualität und Intensität
Monetäre Verwaltung
229
Notwendige über. Der Übergang vom Geistes- in das Wirtschaftsleben kann dabei durchaus bei personeller Kontinuität des Ideenträgers stattfinden. Investitionsplanung Zur Initiierung des Betriebs oder des Betriebsteils sind zu spezifizieren:
• das qualitative und intensive Leistungsprogramm: welche Leistungen sollen mit welcher Periodenkapazität erbracht werden.
• Gesamtlaufzeiten der geplanten Kapazitäten • Vorleistungen und Ressourcen in qualitativer Hinsicht und nach der zeitlichen Verteilung der Beanspruchung über die Gesamtlaufzeit
• Personelle Ausstattung • Erlöse, Kosten, Einkommen • Zahlungsströme. Hierbei erhält der Initiator Assistenz in folgender Weise:
• Sicherstellung der Leistungsqualität und Eruierung ihres Absatzpotenzials durch die Leistungsabnehmer. Diese sind entweder produktive Konsumenten im Rahmen der Auftragsfertigung oder unproduktive Endkonsumenten, die entweder auch unmittelbar als Auftraggeber fungieren oder im Planungsstadium von der Konsumentenorganisation repräsentiert werden.
• Zuführung bzw. Beanspruchung der Ressourcen zu vereinbarten Gebühren. Der Initiator nimmt rechtzeitig am Preisbildungsprozess teil, sein Bedarf wird im Planungsstadium bereits berücksichtigt.
• Die Beschaffungspreise der spezifizierten Vorleistungen sind mit potentiellen Lieferanten zu verhandeln.
• Vereinbarungen
mit
den
Berufsverbänden;
hier
kommt
einerseits
betriebsübergreifendes und zum anderen verhandelbares Recht zum Tragen. Eingliederung der menschlichen Arbeitskraft.
230
Institutionen des Wirtschaftslebens
Preisformel Die unternehmerische Leistung entfaltet sich in diesem Dreieck der Interessen, das sich in monetärer Hinsicht als Erlöse, Kosten und Arbeitseinkommen in der Preisformel reflektiert. Erlöse Vorleistungen
Wertschöpfung Ressourcen
Produktiveinkommen
Kosten Das junge, investiv eingesetzte Kreditgeld wird nicht nur sofort als Kaufgeld verwendet, sondern verteilt sein Ableben ebenfalls von Anbeginn an als Transfergeld für die Ressourcennutzung einschließlich der Tilgung des anfänglichen Kredits. Die Distributionsregeln sind Grundlage der Preisformel, insofern die Relation einer Ertragsgröße auf ihre Bezugsgröße Angleichungsvorgängen unterliegt. Hier wird also die Ertragsgröße Produktiveinkommen auf die Arbeitskraftverausgabung bezogen und es lassen sich unter der Annahme des Ausgleichs der Verwertungsrate Relativpreise ableiten. Investitionsentscheidung Kredite werden nicht auf der Basis bereits vorhandener „Sicherheiten“ gewährt, ohne dass das Wertschöpfungspotenzial des Vorhabens abgestimmt ist. Die Bewilligung von Kreditgeld erfolgt aufgrund der von Kunden, Lieferanten, Berufsverbänden und der Ressourcenverwaltung verifizierten Planzahlen. Die genannten Beteiligten werden bei Bewilligung der Mittel vertraglich zu den im Investitionsplan
genannten
Qualitäten,
Mengen,
Preisen
und
Terminen
verpflichtet. Planung und Vertrag können dabei nur so genau sein, wie es dezentrale Koordination ermöglicht. Die Unmöglichkeit eines Handelsbetriebs, über die Lebenszeit einer aufzubauenden Lagerhalle hinweg Mengen und Preise für Einkauf und Verkauf zu benennen, darf nicht die notwendige Investition verhindern. Die Spezifizierung in Planung und Vertrag muss praktikabel
Monetäre Verwaltung
231
ausfallen. Von der Konzeption bis zur Kreditbewilligung durchläuft das Vorhaben bei den Beteiligten eine Skala zunehmender Verbindlichkeit der Vereinbarungen. Die Konsumentenorganisation hilft, das Schätzrisiko hinsichtlich neuer Produkte für individuelle Konsumenten zu verringern. Die Sicherheit der Auftragsfertigung für die produktive Konsumtion wird dabei nicht zu erreichen sein, ein Abnahmevertrag entsteht nicht. Damit, dass das postulierte Genie des Unternehmers ausreichen soll, alle institutionellen und funktionellen Desiderate einer gewachsenen Wirtschaftsverfassung zu kompensieren, kann es nicht sein Bewenden haben. Es handelt sich vielmehr darum, den marktwirtschaftlichen Risikokult durch das Assoziationsprinzip zu substituieren: Leistungserstellung wird durch den Konsum gerechtfertigt, nicht durch die Spekulation auf hohe Einkommen. Insofern der oder die Unternehmer geliehenes und nicht ihr persönliches Geld investieren, ist sicherzustellen, dass die Beträge nicht unter dem Vorwand des Kapazitätsaufbaus als Einkommen ausgeschüttet werden, ohne dass eine ausreichende wirtschaftliche Leistung erbracht wird. Die Einzelwirtschaft unterliegt daher der Pflicht zur periodischen Bilanzierung, aus der der Stand des Planungsvollzugs hervorgeht. Auch eine perfekte Planung ist unnütz, wenn der tatsächliche Vollzug ihr nicht entspricht. Die wirtschaftliche Sanktion als hohes oder geringes Einkommen kann sich erst aus dem Vollzug des Geplanten ergeben. Daher wird bei den Interessenten nicht nur mit Mengen, Qualitäten und Arbeitszeiten kalkuliert, sondern auch Geld bemüht, den Planungsvollzug in tatsächlicher Hinsicht zu steuern. Dies vermeidet die Alternative administrativer Überwachung und Zwangsmaßnahmen. Neue Kapazitäten für neue Leistungen oder Prozesse müssen direkt oder indirekt bestehende Kapazitäten beanspruchen. Damit besteht Regelungsbedarf hinsichtlich aller fünf Dimensionen der Allokationsaufgabe ( vgl. Kapitel 3.1.1. ). Ob eine Investition im gesamtwirtschaftlichen Umfeld opportun ist oder nicht, entscheidet sich danach, ob die erwartete Wertschöpfung, als Maß des Konsumbeitrags, in Relation zur gesamtwirtschaftlichen Vorleistungs- und Ressourcenbelastung ausreicht. Die Beurteilung erfolgt auf der Basis der geplanten
232
Institutionen des Wirtschaftslebens
Zahlungsreihe, aus der Zeitpunkt und Höhe aller Zu- und Abflüsse über die geplante Lebenszeit der neuen Kapazität hervorgehen müssen. Die Vorleistungsund Ressourcenbelastung umfasst die beiden Dimension Betrag und Dauer. Für den zeitlichen Aspekt wird ein Termin bestimmt, bis zu dem ebensoviel Leistungen an andere Einzelwirtschaften bzw. Endkonsumenten abgegeben werden wie an Vorleistungen und sachlichen Ressourcen in Anspruch genommen wurden. Das beanspruchte Volumen ist dann erstattet. Die Erstattung speist sich sowohl aus eigenen Leistungen, also der Nettowertschöpfung der Investition als der Summe der Produktiveinkommen, als auch aus dem Verkauf der Vorleistungen, sowie überwälzten Ressourcengebühren. Die Zahlungsvorgänge sind daher wie folgt zu kategorisieren: • ( positiv: ) Verkaufserlöse, • ( negativ: ) Vorleistungen und • ( negativ: ) Nutzungsgebühren für sachliche Ressourcen tragen zur Bestimmung des Erstattungstermins bei. Demgegenüber sind • Kreditauszahlung, • Tilgung und • Produktiveinkommen für diese Berechnung irrelevant. In einem ersten Schritt ist eine „letzte“ Einzahlung zeitlich damit bestimmt, dass sie geeignet ist, die bis dahin angefallenen Auszahlungen der relevanten Kategorien, also Vorleistungen und Ressourcengebühren, abzudecken. Der Höhe nach wird sie als eben dieser fiktive Amortisationsrest bestimmt. Sodann wird in einem zweiten Schritt über alle relevanten bis zu dieser „letzten“ amortisierenden Einzahlung anfallenden Zahlungen sowohl ein durchschnittlicher Auszahlungstermin, als auch ein durchschnittlicher Einzahlungstermin wie folgt berechnet:
Monetäre Verwaltung
233
TA :=
Σi Ai ti ———— Σi Ai
(8.1)
TE :=
Σj Ej tj ———— Σ j Ej
(8.2)
wobei Ai Ausgaben, Ej Einnahmen bedeute. Der ermittelte Abstand TE - TA ergibt eine durchschnittliche Amortisationsdauer, als notwendigem Bestandteil der temporalen Allokation. Ihre Dimension ist „Anzahl der Perioden“. Die Gesamtwertschöpfung G der Investition ergibt sich als Produkt aus durchschnittlicher Periodenwertschöpfung P und Anzahl der Perioden der längsten Lebensdauer der geplanten Kapazitäten T: G := Σt Pt = T ( Σt Pt ) / T = T P
(8.3)
Für die Gesamtformel wird noch der Kreditbedarf K als Höchstbetrag des Finanzierungsdefizits definiert, so dass sich als dimensionslose Kennzahl R für das Investitionsranking ergibt: R := G / K (TE - TA ) = ( P / K ) ( T / (TE - TA ) )
(8.4)
Die Kennzahl drückt zweierlei aus:
• nur eine hohe Gesamtwertschöpfung rechtfertigt eine lange Amortisationszeit und
• nur eine hohe Gesamtwertschöpfung rechtfertigt die Inanspruchnahme eines hohen Kreditvolumens. Damit reflektiert die Kennzahl die Vorteilhaftigkeit der Investition im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang und stellt ihr den Aufwand, dieses Wertschöpfungspotenzial zu erreichen, gegenüber. Dieser umfasst die beiden
234
Institutionen des Wirtschaftslebens
Dimensionen Zeit und Betrag. Eine ungleichmäßige Verteilung der Gesamtwertschöpfung auf verschiedene Perioden kommt nur innerhalb der Amortisationsdauer als deren Verkürzung oder Verlängerung zum Ausdruck. Spätere Ungleichverteilungen gehen nicht in den Koeffizienten ein, sie sollen nur als Charakteristikum der Kapazitätsaufbauphase gelten. Zweckmäßigerweise werden derartige Schwankungen durch den Tilgungsplan kompensiert. Die wie oben ermittelte Amortisationszeit ist kein monetärwirtschaftliches Pendant zur Phasenabgrenzung zwischen Kapazitätsaufbau und Kapazitätsbetrieb. Sie wird regelmäßig länger dauern, also erst nach dem Kapazitätsaufbau beendet sein, da erst dann Warenverkäufe zu erwarten sind. Nach dieser Phase wird die Investition positiv bewertet bei hoher Nettowertschöpfung ohne Bezugnahme auf das Volumen beanspruchter Vorleistungen und Ressourcen. Einen derartigen Quotienten zu bilden ist umgekehrt notwendiges Verfahren der temporalen Allokation in der Phase des Kapazitätsaufbaus. Das zur Kreditaufnahme veranlassende Finanzierungsdefizit resultiert in der Kapazitätsaufbauphase auch aus Abschlagszahlungen als Produktiveinkommen, dem in dieser Phase noch keine verkäuflichen Leistungen gegenüberstehen. Sie müssen sich als im Aufbau begriffene Kapazität aktivieren lassen und sind insoweit Bestandteil der Wertschöpfung aus dieser Investition. Damit stehen diese Beträge sowohl im Zähler, als auch im Nenner der Kennziffer. Der Zähler beschreibt die pretiale Relevanz des Vorhabens in der Gesamtwirtschaft, der Nenner beschreibt das monetäre Gewicht der Aufbauphase dieser Kapazität. Dieses darf nicht als Sachmittelverzehr oder Arbeitsaufwand bevorzugt oder benachteiligt werden. Die Geldverwaltung prüft den Kreditantrag auf Vollständigkeit und formale Korrektheit. Ihre Aufgabe ist nicht, die geplanten Qualitäten, Mengen und Preise zu beurteilen; diese sind von den genannten Beteiligten der Investitionsplanung zu vertreten. Alle für einen künftigen Zeitraum geplanten Investitionen werden nach der vorgestellten Formel in eine Reihenfolge gebracht und bis zur Grenze der Preisstabilität bewilligt. Mit dem Antragsteller ist ein Tilgungsplan innerhalb der
Monetäre Verwaltung
235
Kapazitätslaufzeit zu vereinbaren. Die Tilgung erfolgt in Höhe des beanspruchten Kredits. Eine Mischung der Rückzahlungen von bereitgestellten Mitteln zwischen verschiedenen Investitionen ist nicht vorzusehen; die Rentabilitätsrechnung bezieht sich auf Investitionen, nicht auf die Einzelwirtschaften, die die damit ermöglichten Prozesse betreiben. Das Datenmaterial der bewilligten und auch der geplanten Vorhaben geht separat in die Wirtschaftsstatistik ein zur Orientierung potentiell betroffener Produzenten, Konsumenten, sowie konkurrierender Investoren. Beurteilung der Rankingformel Der pretialwirtschaftliche und der monetärwirtschaftliche Teil der Formel entspringen sowohl verschiedenen Interessen, als auch verschiedenen Institutionen: • in der Arbeitsverwaltung wird der erwarteten Wertschöpfung der Einsatz der Ressource Arbeitskraft gegenübergestellt. Hierbei spielt das Volumen und die Dauer des Defizits, dessen Finanzierung erst gestattet, das Wertschöpfungspotenzial zu aktualisieren, keine Rolle. Potentielle Produktionsprozesse werden innerhalb der Arbeitsverwaltung nach lediglich einem Teil der vorgestellten Formel, dem gesamten Wertschöpfungsvolumen, entwickelt und sortiert. Dass die ökonomische Investitionsdynamik diese Rate anstelle der Profitrate egalisiert, ist bereits ein Zuwachs an gesamtwirtschaftlicher Rationalität. • erst die Geldverwaltung bringt die Dimension des notwendigen Übergangs in der Berücksichtigung der Erstattungszeit zum Ausdruck. Sie selbst konzipiert keine Vorhaben zur Organisation von gesellschaftlicher Arbeit, sondern filtert in zweiter Stufe die Vorschläge aus der Arbeitsverwaltung. Indem sie lediglich restriktiv eine Grenze zur Verletzung der Preisstabilität zieht, werden die Produktionsvorhaben dabei durchaus nicht umsortiert. Hinsichtlich der beiden Kriterien „Preisstabilität“ und „Rangwert“ gilt folgende Regelhierarchie: Vorhaben
werden
nach
Rangwert
bewilligt.
Ist
die
Grenze
zur
Preisrationierung bei Lieferanten überschritten, können trotzdem noch Projekte bewilligt werden, die im Rahmen verfügbarer Kapazitäten, also ohne
236
Institutionen des Wirtschaftslebens
Preisanhebung
realisiert
werden
können.
Das
Volumen
künftiger
Wertschöpfung kann dann noch weiter erhöht werden ohne Gefährdung der Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes. Die zur Kreditbewilligung vorgelegten Zahlungsreihen sind das auf einen monetären Ausdruck verdichtete Resultat realwirtschaftlicher Planung. Der Zahlungsreihe lassen sich nur noch die Dimensionen Rubrik, Termin und Betrag entnehmen. Diese müssen hinreichen um sowohl die stetige, als auch die transitorische Effizienz des Vorhabens zu beurteilen. Da sich jedoch ein Zahlungstermin nur durch seinen Betrag qualifizieren kann, werden Beträge im stetigen und im transitorischen Teil der Formel verwendet. Der kleinste Wert des liquiden Saldos liefert das Volumen des Kreditbedarfs K und ergibt sich selbst aus den Auszahlungsbeträgen, die die Gewichte der Zahlungstermine bilden, aus denen die Erstattungsfrist abgeleitet wird. Wie die zuvor erwähnten Abschlagszahlungen als Produktiveinkommen werden Beträge somit mehrfach in der Formel (8.4) verwendet. Sie ist ihrer Primitivität wegen robuster als die Verzinsungsformel. Mehrdeutige Ergebnisse können sich nicht ergeben, da sie weder einen Referenzzins benötigt, noch Laufzeiten als Exponenten in Potenzreihen verwendet. Es fällt schwer, untypische Zahlungsreihen zu konstruieren, bei denen geringe Änderungen dem Zeitpunkt oder dem absoluten Volumen nach deutliche Schwankungen im Wert der Kennziffer hervorrufen. Die Reagibilität des Funktionswertes gegenüber dem Argument scheint wenig erratisch zu verlaufen. Das Verfahren sei an zwei Beispielen erläutert:
Monetäre Verwaltung
237
Bsp. 1: Peri-
Ver-
Vorleistung Ein-
Gewichte Gewichte kumulierter kumulierter
ode
käufe
+
Einzah-
1
0
12.000
3.000 0,00000
2
0
4.000
3.000 0,00000
0,25000
3
27.000
2.000
3.000 1,00000
0,00000
ΣL
27.000
18.000
9.000
ΣE
16.000
16.000
-
kom-
Ressourcen men
lung
1,00000
Auszah-
Saldo
Saldo
lung
Liquidität
Erstattung
0,75000
-15.000
-12.000
-22.000
-16.000
1,00000
0
0
-
-
-
-
Die letzten beiden Zeilen der Tabelle zeigen die Summe des liquiden Saldos ΣL und die Summe des Saldos aus der Erstattungsrechnung ΣE . Zum Zwecke der Veranschaulichung fehlt in der Spalte des kumulierten Liquiditätssaldos sowohl die Krediteinbuchung, als auch die Tilgung. Der Kredit müsste spätestens in der Periode 2 vollständig von der Geldverwaltung ausgezahlt, also beim Betrieb eingebucht sein und er wird in Periode 3 in gleicher Höhe wieder getilgt. Da aber der Liquiditätsbedarf sichtbar werden soll, wird von Kredit und Tilgung in dieser Spalte abgesehen. Gemäß der oben vorgestellten Preisformel geht das Produktiveinkommen nicht in die Erstattungsrechnung ein. Die Erstattungsrechnung endet mit dem Nulldurchgang des kumulierten Saldos. Er ist pro Periode in der letzten Spalte der Tabelle dargestellt. In Periode 3 muss ein Negativsaldo in Höhe von -16.000 GE ausgeglichen werden. Der Überschuss von 22.000 GE wird dementsprechend in der Erstattungsrechnung nur mit 16.000 als Einzahlung berücksichtigt. Insofern sind die Summen bei Auszahlungen und Einzahlungen in der Erstattungsrechnung auch stets gleich. Das Periodengewicht für die Auszahlungsreihe wird innerhalb der Erstattungsrechnung als Verhältnis des Auszahlungsbetrags zur Summe der relevanten Auszahlungen der Erstattungsrechnung gebildet: In Periode 1 also 12.000 / 16.000 = 0,75; in Periode 2 analog 4.000 / 16.000 = 0,25. Somit ergibt sich ein durchschnittlicher Auszahlungstermin von 1 * 0,75
238
Institutionen des Wirtschaftslebens
+ 2 * 0,25 = 1,25. Für die Einzahlungen ist nur die Periode 3 relevant und erhält damit das volle Gewicht, mithin 3 * 1 = 3. Aus TE = 3 und TA = 1,25 ergibt sich eine Erstattungsfrist von 1,75 Perioden. Das größte Defizit tritt in Periode 2 mit -22.000 auf und bestimmt damit den Kreditbedarf K. Die Ranking-Formel ergibt daher 3.000 R := ——— 22.000
3 × ———— = 0,2337 1,75
Diesen Zahlungsreihen kann etwa eine einmalige Auftragsfertigung entsprechen. In der Summenzeile muss sich die Preisformel verifizieren lassen: Einkommen 9000 GE = Umsatz 27000 GE abzüglich Vorleistungen und Ressourcen in Höhe von 18000 GE. Im zweiten Beispiel werden über mehrere Perioden hinweg Einnahmen erzielt:
Monetäre Verwaltung
239
Bsp. 2: Peri Ver-
Vorleis-
Ein-
Gewichte Gewichte kumulier- kumulierter
ode
tung +
kommen
Einzah-
Auszah-
ter Saldo
Saldo
lung
lung
Liquidi-
Erstattung
käufe
Ressourcen
tät
1
0
10.000
2.000
0,00000
0,07663
-12.000
-10.000
2
0
40.000
3.000
0,00000
0,30651
-55.000
-50.000
3
0
50.000
6.000
0,00000
0,38314
-111.000
-100.000
4
20.000
16.000
13.000
0,15326
0,12261
-120.000
-96.000
5
55.000
14.500
20.000
0,42146
0,11111
-99.500
-55.500
6
80.000
14.000
25.000
0,42529
0,00000
-58.500
0
7
70.000
14.000
30.000
0,00000
0,00000
-32.500
0
8
60.000
13.500
27.000
0,00000
0,00000
-13.000
0
9
65.000
14.000
27.000
0,00000
0,00000
+11.000
0
10
30.000
14.000
27.000
0,00000
0,00000
ΣL
380.000
200.000
180.000
ΣE
130.500
130.500
-
1,00000
1,00000
0
0
-
-
-
-
Hier endet die Erstattungsfrist in Periode 6 mit einem verbliebenen Negativsaldo in Höhe von -55.500 GE. Zur Summe der relevanten Einzahlungen der Erstattungsrechnung zählen somit 55.500 GE aus der Periode 6 und die Verkäufe der Perioden 4 und 5, zusammen also 130.500 GE. Exemplarisch sei das Gewicht der Auszahlung in Periode 5 bestimmt: 14.500 / 130.500 = 0,11111. Aus TE = 5,27208 und TA = 2,88506 ergibt sich eine Erstattungsfrist von 2,387 Perioden. Die Ranking-Formel ergibt
240
Institutionen des Wirtschaftslebens
18.000 R := ———
10 × ———— = 0,6284.
120.000
2,387
In dem Fall, dass infolge vieler Investitionsvorhaben die Preisstabilität gefährdet wäre, müsste die Geldverwaltung das zweite Vorhaben eher bewilligen als das erste. Dieses erste Vorhaben unterliegt mit deutlich schlechterer Fristenrelation. Die Geldverwaltung fungiert als institutionelles Substitut für das suboptimale Zinsregulativ. Der
synthetische
Sollzins
für
Konsumentenkredite
wird
aus
der
Wertschöpfungsrate gebildet. Diese beträgt im ersten Beispiel 13.6 % = 3000 / 22000 und im zweiten Beispiel 15% = 18000 / 120000. Wird auch das erste Vorhaben bewilligt, so wäre demnach dessen Zins maßgeblich. Bewilligungsverbund Bei der Projektplanung kann sich das Erfordernis herausstellen, die Kapazitäten von Vorlieferanten ebenfalls auszubauen. Die Vorhaben werden interdependent. Damit ist eine getrennte Bewilligung an die beteiligten Betriebe nicht sinnvoll. Sie werden zu einem Bewilligungsverbund zusammen geführt. Indem Lieferbeziehungen bestehen, sind auch Preise verhandelt worden. Damit ist also gerade der Parameter, der zur Rangwertbildung führt, von beiden Betrieben selbst beeinflusst. Sie werden also den Rangwertkoeffizienten annähern und damit die gemeinsame Bewilligung/Ablehnung wahrscheinlicher machen. Besteht die Möglichkeit, dass die gesamte Ökonomie in einen Bewilligungsverbund gerät und damit die dezentrale und inkrementelle Entwicklung verunmöglicht ist ? Dies wäre bei genereller Vollauslastung der Produktionskapazitäten zu erwarten. Sie gibt es nur als Fiktion zur konstruktiven Vereinfachung des gesamtwirtschaftlichen Ökonomiemodells. Je nach Branche werden Kapazitätsreserven eingeplant. Daher hört der Bewilligungsverbund entlang der Vorleistungsketten auch wieder auf. Ein Zusammentreffen aus verschiedenen
Monetäre Verwaltung
241
Assoziationen bei derselben Vorleistung ist allenfalls im Bereich Energie oder Extraktionsindustrie zu erwarten. Dass die
Bewilligungsverbünde
Antragsvolumen
sich –
gemessen am aggregierten
- vergrößern, ist für die Assoziationen ebenso wie für die
Geldverwaltung relevanter Frühindikator eines unelastischen Angebots und der Gefahr künftiger Preisrationierungen. Damit müssen die Vorhaben reduziert bzw. bei Unteilbarkeiten auch abschlägig beschieden werden. Solche Entscheidungen sind ebenso wie Bewilligungen Ausdruck der gesellschaftlichen Beauftragung von Kapazitätsaufbauvorhaben. In einer raschen und allgemeinen Aufbauphase der
Ökonomie
treten
große
Bewilligungsverbünde
auf.
Dies verlangt
entsprechend umfangreiche und gründliche Vorarbeit in den Berufsverbänden und den Assoziationen. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung für mehrere erst noch zu erstellende Betriebe wird sich aber auch dann nach dem gesellschaftlichen Arbeitseinsatz richten können.
8.2.3 Alimentation Das Wirtschaftsleben ist sich nicht Selbstzweck. Verwertung geleisteter Arbeitsprodukte durch leistende Arbeitskraft hat nicht das Telos des abstrakten Reichtums, sondern das des individuellen und kollektiven Konsums auch außerhalb des Wirtschaftslebens, wodurch die dort geschaffenen Werte verzehrt werden. Neben den im Wirtschaftsleben regulierten Produktiveinkommen der Arbeiter hat die Zuleitung der erforderlichen Mittel an das Geistes- und Rechtsleben zu erfolgen. Weniger noch als im Wirtschaftsleben kann im Geistes- oder Rechtsleben die Vorstellung gepflegt werden, Einkommen sei Belohnung für die bereitgestellte Leistung. Die Leistungen des Rechtslebens werden ohnehin nicht verkauft; Forscher, Künstler usf. arbeiten nicht im Hinblick auf wirtschaftlichen Erfolg. Ihre Tätigkeiten werden durch Transfergeld ermöglicht. Andererseits ist das politische oder Geistesleben kein Vorwand, um trotz Untätigkeit oder Unvermögen ein Einkommen zu garantieren. Eine Erfolgskontrolle findet ebenfalls in beiden Fällen statt.
242
Institutionen des Wirtschaftslebens
Staatsleben Im politischen Bereich ist jeder Mündige angehalten, sich um den Gehalt politischen Handelns zu kümmern. Er lässt sich seine Kompetenz nicht durch überschüssige Komplexität abkaufen, in der sich nur noch eine Schicht von politischen Experten bewegt, an die die Befugnis der Nicht-Experten delegiert wird. Die überschüssige Verrechtlichung des gesellschaftlichen Lebens rührt aber gerade daher, dass das politische in das wirtschaftliche Leben hinein wuchert und zugleich Schwierigkeiten der Ökonomie politisch behoben werden sollen. Dort können nur Spezialgesetze formuliert werden. Mit der Rücknahme des unbegründeten Expertentums verringert sich auch das exorbitante Budget des großen kollektiven Zwangskonsumenten. Ein Großteil der scheinbar so bequem an staatliche Instanzen delegierten Aufgaben lässt sich zum einen sachbezogener, zum anderen effizienter bei einem Minimum an Selbstorganisation der Betroffenen erledigen. Wenn auf der anderen Seite das Wirtschaftsleben nur noch die Bereitstellung von gesellschaftlich notwendigen Leistungen besorgt, statt soviel
gesellschaftlichen
Aufwand
wie
möglich
in
die
Form
des
Einkommenserwerbs zu fügen, werden auch die personellen Ressourcen zum nebenamtlichen politischen Engagement zur Verfügung stehen. Auch damit ist die Notwendigkeit des Mitteltransfers reduziert. Trotzdem bleibt die hauptamtliche Tätigkeit im Rechtsleben bestehen und ist so angemessen zu vergüten, dass sich befähigte Personen nicht aus pretialer Benachteiligung in das Wirtschaftsleben abgedrängt sehen. Ihr Einkommensbedarf und die notwendigen Sachmittel werden im Rechtsleben budgetiert und sind Teil des Transfergelds, das von der Geldverwaltung im Vollzug ihrer Aufgabe berücksichtigt werden muss. An dieser Stelle muss der Hinweis genügen, dass der Konsumfonds für die Alimentierung des Rechtslebens ausreicht. Mutmaßungen darüber, ob die zugleich befugte und betroffene Allgemeinheit dieses Budget zu klein oder zu groß im Verhältnis zum Anteil des Geisteslebens oder des Produzentenkonsums definiert, scheinen entbehrlich. Wichtig ist lediglich, dass eine Rückkopplung zwischen der Aufgabenerfüllung des Rechtslebens und der Allgemeinheit besteht und demokratisch gesteuert wird. Die letztlich politisch Verantwortlichen haben
Monetäre Verwaltung
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nicht lediglich ihre politische Willensbildung an Personen abzutreten, sondern sich, soweit dies durch Laien möglich ist, selbst in der programmatischen Willensbildung und ihrem Vollzug zu beteiligen. Damit ist einerseits jeder Verselbständigung und Selbstbedienung von hauptamtlichen Politikintermediären im Namen staatlicher Aufgabenerfüllung die Grundlage entzogen. Zum anderen wird die Verantwortungslosigkeit des bloß Personen wählenden Souveräns zugunsten spürbarer Rückkopplung seines politischen Verhaltens reduziert. Welches Kriterium lässt erkennen, inwiefern eine Aufgabe unter staatlicher oder unter wirtschaftlicher Regie erfüllt wird ? In Kapitel 8.1.3 war das Anliegen des Verkehrswegebaus erörtert worden. Dieses kann im Wirtschaftsleben abgehandelt werden, insofern sich doch eine wenn auch indirekte - Nutzenzuordnung an Konsumenten konstruieren lässt. Jedoch sind gesellschaftlich nützliche Arbeiten denkbar, bei denen eine solche Zuordnung kaum geeignet ist, die Grundlage eines Gebührenmodells abzugeben. Die wirtschaftliche Leistung lässt sich noch in der Herstellung, aber nicht mehr für den Konsum als Ware darstellen. Man erachtet beispielsweise die Anlage und Unterhaltung öffentlicher Plätze für wünschenswert, wird aber deren Benutzung nicht mit individuellen Gebühren belasten. Tatsächlich sollen aber die für diese Aufgaben erforderlichen Arbeitseinsätze und Sachmittel mit alternativer Verwendung in den produktiven, warenproduzierenden Leistungen konkurrieren. Nur im Staatsleben kann sich die Allgemeinheit selbst verpflichten. Das öffentliche Interesse nimmt nicht auf Trittbrettfahrer Rücksicht, sondern beteiligt alle nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit in einem Umlageverfahren am Aufwand. In der vorliegenden, auf Grundlegendes zur Gestaltung des Wirtschaftslebens zielenden Schrift kann das herangezogene Beispiel nicht prinzipiell und abschließend beurteilt werden. Sollte es möglich sein, auch derartige Fälle gesellschaftlich nützlicher Arbeit aus der organisierenden Leistung der Konsumentenorganisation heraus zu gestalten, so wäre insoweit die Initiative aus dem Staatsleben entbehrlich.
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Institutionen des Wirtschaftslebens
Soziale, und unter diesen eben auch wirtschaftliche Funktionen können darunter leiden, dass die erforderlichen Regulative und Institutionen nicht vorhanden oder falsch verfasst sind oder nicht zusammenpassen. Dies wäre zu korrigieren. Darüber hinaus sind es stets spezifisch kulturell geprägte Menschen, die ihre Absichten in Regulativen und Institutionen zum Ausdruck bringen. Sie sind die Grundlage, auf der erst sinnvoll die Konstrukte des sozialen Lebens erörtert werden können. Geistesleben Die Höhe der Transfergeldzahlungen an das Geistesleben wird von Stiftungen und Einzelpersonen festgelegt, jedoch nicht aus einer staatlichen Verwaltung heraus. Dazu ist die Verfügung durch die Selbstverwaltung von Wissenschaft, Kunst und Ausbildung langfristig zu vereinbaren, so dass die dort Tätigen nicht unter der Drohung des kurzfristigen Mittelentzugs stehen. Das Budget wird aus den erforderlichen Einrichtungen bzw. Projekten heraus kalkuliert und bewirkt Transferzahlungen aus vorgenannter Quelle. Nötigenfalls werden Budgets aus der Geldverwaltung heraus ergänzt, ohne dass es dabei zum Mittelentzug an anderer Stelle kommen muss. Die sparsame Sachmittelverwendung wird durch Vergleichsrechnungen im Geistesleben selbst sichergestellt. Allgemeine Schulbildung bei Jugendlichen ist zugleich Recht und Pflicht. Sie muss daher staatlich gewährleistet sein. Dies heißt aber nicht, dass Schule eine staatliche Veranstaltung wird. Es heißt lediglich, dass das Geistesleben in dieser Funktion verpflichtet wird, Schule zu organisieren, die Regeln des Mittelaufkommens fest zu legen und das Curriculum zu bestimmen. Schule wird dadurch andererseits auch nicht zum Erwerbsbetrieb. Von der Forschung zur Entwicklung erfolgt der Übergang des Wissens in die wirtschaftliche Anwendung. Wäre die Forschung selbst bereits Funktion des Wirtschaftslebens, so müsste sie als wirtschaftlicher Wert kalkuliert, d.h. als verkäufliche Leistung eingeplant werden. Die Anwendung wäre auf zahlende Nutzer zu beschränken und das Forschungsbudget käme nur bei ausreichender Risikobereitschaft zustande. Wissenschaft ist keine Investition. Indem gerade die möglichste
Pretiale Verwaltung
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Verbreitung betrieblichen Wissens der gesamtwirtschaftlichen Effizienz zuträglich ist, muss dessen Zustandekommen dem einzelwirtschaftlichen Kalkül vorenthalten bleiben.
8.3 Pretiale Verwaltung 8.3.1 Betrieb Führung und Kontrolle Im einzelwirtschaftlichen Betrieb werden Kapazitäten aufgebaut, genutzt und wieder umgewidmet. Er wird von seiner Geschäftsführung geleitet. Sie arbeitet im Interesse der Konsumenten ihrer Leistung und befriedigt damit auch die Einkommensansprüche in der Einzelwirtschaft. Ein Betrieb ist - soweit wie erforderlich - hierarchisch gegliedert und arbeitet nach dem Prinzip der Kooperation. Lieferanten, Konsumenten und die die Arbeiter zuführenden Berufsverbände standen am Beginn der betrieblichen Planung. Leistungsverwender und Arbeiter haben auch den Verlauf der Leistungserstellung zu überwachen. Ihnen gegenüber ist die Geschäftsführung verantwortlich. Den Konsumenten sind Qualitäten und Mengen termingerecht bereitzustellen, das Betriebspersonal erwartet Produktiveinkommen aus der in Aussicht gestellten Wertschöpfung. Es steht in gleicher unternehmerischer Verantwortung für den betrieblichen Erfolg und besorgt sich daher eine effiziente Organisation mit adäquater personeller Besetzung. So wie sich hinsichtlich Qualität, Menge, Preis und Termin der betrieblichen Leistung ein gemeinsamer Wille zwischen Einzelwirtschaft und Konsumenten bzw. Leistungsverwendern bildet, so muss auch innerhalb des Betriebs ein gemeinsames Wollen hinsichtlich des Vorgangs der Leistungserstellung entstehen. Die Funktionstüchtigkeit der sozialen Konstrukte liegt nicht in der Reduktion des Individuums, sondern gerade im Gegenteil in dessen Fähigkeit, sich in die soziale
Welt
einzubringen.
Das
Bildungsprinzip
der
Kollektive
im
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Institutionen des Wirtschaftslebens
Wirtschaftsleben ist aus dem archaischen Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft hervorgegangen. Man beobachtet im Wirtschaftsleben den Übergang zu flachen Organisationsstrukturen; kooperative Interessenabstimmung gewinnt Vorrang vor Subordination. Das beteiligte Individuum führt nicht bloß aus, sondern verantwortet selbständige Entscheidungen in seinem Aufgabenbereich. Vom Rechtsleben aus werden die Bestandteile einer Betriebssatzung verlangt, die von den Arbeitern für den bzw. im Betrieb zu konkretisieren sind. In der Phase der betrieblichen Planung war ein übliches Verhältnis zwischen Arbeitskraftverausgabung und Wertschöpfung gefunden worden. Dieses im Vollzug der Leistungserstellung zu erreichen obliegt der Kohärenzfähigkeit der in der Einzelwirtschaft Zusammenwirkenden. Diese verständigen sich nicht über den „Wert der Arbeitskraft“, sondern über einen Verteilungsschlüssel über die im Verlauf der Periode zu erreichende Leistung. Dazu ist vorab die vorgesehene Periodenwertschöpfung zu schätzen. Das Interesse des Arbeiters geht über bloßen Fleiß deshalb hinaus, weil Wertschöpfung nur in der Orientierung auf den Konsumentennutzen entstehen kann. Nicht die Anstrengung wird entlohnt, sondern die Eignung des Produkts in der weiteren produktiven oder unproduktiven Konsumtion. Insofern also der „Lohn“ nicht vom Geschäftserfolg entkoppelt ist, interessiert sich jeder Arbeiter in der Einzelwirtschaft auch für die Tüchtigkeit der Geschäftsführung, der er die Verfolgung der Geschäftspolitik im gemeinsamen Interesse anvertraut hat. Er kann aus fortgesetzten Fehlentscheidungen und personellen Fehlbesetzungen nicht bloß ohnmächtig durch Kündigung des Arbeitsvertrags entkommen, sondern übt das Recht aus, seine Geschäftsführung nach ihrem turnusmäßigen Rechenschaftsbericht zu entlasten oder die Entlastung zu versagen, mit der Konsequenz einer Neubesetzung dieser Funktion. Diese Befugnisse der Belegschaft machen indes keine demokratische Verwaltung des Betriebes aus; denn nicht die gesamte Bevölkerung eines Wirtschaftsraums regiert von außen in jeden Betrieb hinein, sondern nur die im und am Betrieb Interessierten bringen durch Koordination und Kooperation den Interessenausgleich und so die gesellschaftliche Wertschöpfung zustande.
Pretiale Verwaltung
247
Gesamtwirtschaftliche Kenngrößen – Einkommen, Beschäftigung, Wachstum – sind daher nicht zentrale Vorgabe, sondern dezentrales Resultat betrieblichen Wirtschaftens. Arbeitsmotivation Der Arbeiter ist kein Fremder in einem Betrieb, der ihm nicht gehört. Geschäftsführer besorgen nicht das pekuniäre Anliegen anonymer Investoren. Die Orientierung am Konsumenten der eigenen Leistung und damit das Interesse an der konkreten, Gebrauchswerte herstellenden Arbeit ist nicht bloßer Appell, sondern ist institutionell verankert. Die pretialwirtschaftlichen Vermittlungen, wie sie in der alten Akkumulationsökonomie zwischen Eigentümern, Geschäftsführern, Arbeitern und Auftraggebern operieren, sind signifikant reduziert. Zwei Fehlentwicklungen der Betriebsführung sind möglich: • der Betrieb wird als Möglichkeit gesehen, kurzfristig Produktiveinkommen zur Ausschüttung gelangen zu lassen. Das Interesse der Arbeiter richtet sich nicht auf den Erhalt oder sogar Ausbau der betrieblichen Kapazität. Sie hoffen auf eine anderweitige Beschäftigung, wenn der Betrieb ruiniert ist. • Existenz und Wachstum des Betriebs hat Vorrang vor der Ausschüttung von Produktiveinkommen. Die Wertschöpfung soll im Betrieb erhalten bleiben und zu stets neuer Verwendung eingesetzt werden. In vorliegendem Systementwurf soll die Errichtung, Betrieb und Erweiterung von Produktionskapazitäten stets der gesellschaftlichen Abstimmung unterliegen, also nach dem oben beschriebenen Verfahren in den je beteiligten Instanzen realwirtschaftlich beurteilt werden und schließlich via Kreditbewilligung in der Geldverwaltung
dem
formellen
Kriterium
der
gesamtwirtschaftlichen
Opportunität unterworfen werden. Daher wird die Wertschöpfung bis auf begrenzt zulässige Rücklagenbildung zur Verteilung gelangen, aber auch der Werterhalt der Kapazität bzw. die planmäßige vollständige Tilgung des Kredits an die Geldverwaltung überwacht. Die Bindung der Arbeiter, egal in welchem Organ des Betriebes sie tätig werden, ist durch langfristige Vertragsgestaltung zu gewährleisten. Auch die
248
Institutionen des Wirtschaftslebens
Geschäftsführung kennt ihre Erfolgskriterien, an denen ihre Leistung gemessen wird. Diese sind mit den Leistungsabnehmern und den übrigen Arbeitern des Betriebs vereinbart und sie muss nicht auf jeder Betriebsversammlung mit der Entbindung von ihrer Aufgabe rechnen. Zu ihren Aufgaben gehört also auch die technologische und qualitative Fortentwicklung des Betriebs, um dem Interesse nach Produktiveinkommen dauerhaft zu entsprechen. Das ökonomische Anreizsystem bezieht nicht Geldgrößen auf Geldgrößen; es gibt keinen systemischen Zwang zur Akkumulation von abstraktem Reichtum. Es fördert die Produktivität, insofern auf der Grundlage der vom Leistungsverwender bestimmten Qualität und Quantität der Arbeitsprodukte der Arbeitseinsatz von denjenigen minimiert wird, die ihn erbringen und deshalb über die Kompetenz verfügen, dessen Erfordernis oder Vermeidung zu beurteilen. Zahlungsströme Folgende funktionellen Zahlungsströme lassen sich unterscheiden:
• Der Zahlungseingang bei Kapazitätsbetrieb resultiert aus den Verkäufen der betrieblichen Leistung an Konsumenten.
• Die Lieferungen von sachlichen Vorleistungen verursachen Zahlungsausgänge.
• Der im Prozess der Leistungserstellung anfallende Ressourcenverzehr ist mit Gebühren belastet.
• Der Geldverwaltung gegenüber ist der Tilgungsplan der aufgenommenen Kredite einzuhalten.
• Aus der verbleibenden Wertschöpfung sollen in definiertem Umfang Rücklagen gebildet werden.
• Die Beschäftigungsabgabe ist zu entrichten. • Der dann verbleibende Periodenüberschuss wird proportional zu den vereinbarten Arbeitsentgelten der Periode ausgeschüttet. Die unterperiodischen Abschlagszahlungen in Höhe von bspw. 4/5 der vereinbarten Summe werden dabei angerechnet.
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Innerhalb der Kategorie Produktiveinkommen bleibt insoweit Konfliktpotenzial, als vor der gemeinsamen Wertschöpfung bereits die Anteile an der späteren Ausschüttung vereinbart werden müssen. Dabei sind Durchschnittsgrößen aus dem zwischenbetrieblichen Vergleich stets nur Anhaltspunkte. Diese Ausschüttung orientiert sich nicht an der tatsächlichen, sondern an der vereinbarten Arbeitszeit, die im Periodendurchschnitt einzuhalten ist. Ein pretialer Anreiz, die Arbeitsintensität im Periodenablauf anzuheben, besteht nicht. Ist eine solche Anhebung betrieblich erforderlich, so ist der Arbeitsvertrag dementsprechend anzupassen. Wenig hilfreich scheinen Verfahren, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ex post und individuell vergüten zu wollen. Diese Verfahren, die bei individuell und unmittelbar am Markt Operierenden ihre stimulierende Wirkung entfalten, müssen in Arbeitszusammenhängen scheitern, bei denen der wirtschaftliche Erfolg nur Arbeitskollektiven zugerechnet werden kann. Wollte man deren Mitglieder als Einzelkämpfer entlohnen, so müsste sich deren Trachten auf Strategien richten, die einen individuellen Leistungsbeitrag beweisen sollen. Das erwünschte Vertrauen und die Kooperation im Arbeitskollektiv wären damit untergraben. Arbeitskollektive, denen wirtschaftlicher Erfolg zugerechnet werden soll, dürfen andererseits nicht so groß gewählt werden, dass das Engagement Einzelner nicht mehr spürbar werden kann und für Einzelne kein Überblick möglich ist, ob die Leistungsbereitschaft in anderen Teilen des Kollektivs ebenfalls besteht. Ob innerhalb dieser einheitlichen Einkommenskategorie eine große oder geringe Streuung der Einkommenshöhe besteht, muss nicht Gegenstand einer theoretischen Erörterung werden. Das Interesse aller Beteiligten in den Berufsverbänden an ausreichender Wertschöpfung führt zu einer geeigneten Differenzierung der Einkommenshöhen. Die praktische Übung erweist, ob das Organisieren der gesellschaftlichen Arbeit als bloß andere, oder als höherwertige Arbeit gegenüber ihrer Durchführung angesehen wird. Zwingender Bestandteil der Betriebssatzung ist die Festlegung der maximalen Spanne der Produktiveinkommen.
250
Institutionen des Wirtschaftslebens
Vergütungsmodalitäten Idealerweise werden alle Betriebe nach der Formel • Wertschöpfung = Erlöse - Kosten gesteuert.
Diese
Formel
soll
für
den
größtmöglichen
Bereich
des
Wirtschaftslebens gelten. Sie setzt voraus, dass es dem Betrieb möglich ist, durch seine Geschäftspolitik Erlöse, Kosten oder beides zu beeinflussen. Jedoch können etwa die hier vorgestellten Institutionen des Wirtschaftslebens oberhalb der Einzelwirtschaften nicht selbst ihre Leistungen verkaufen. Der Betrieb dieser Institutionen muss jedoch dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit unterworfen bleiben. Er ist in einer Weise zu budgetieren, dass den Betreibern zumindest der Anreiz der Kostenersparnis verbleibt. Wer beide Seiten der Wertschöpfungsformel fixierte und damit auch das Gesamteinkommen definiert hat, müsste zusätzlich die Qualität der bereit zu stellenden Leistung außerökonomisch kontrollieren. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip muss sich statt dessen in mindestens einem der Parameter • Preis • Menge • Qualität ausdrücken können. Das reine Umlageverfahren ist als dauerhafte Einrichtung möglichst zu vermeiden. Intensitätssteuerung Da zum Zeitpunkt der Mittelbewilligung zur Investition nicht alle künftigen Leistungen aus der aufzubauenden Kapazität vorauszusehen sind, bedarf es der Regulative für den Kapazitätsbetrieb, die geeignet sind, in möglichst gesamtwirtschaftlich vorteilhafter Weise auf geänderte Konsumansprüche zu reagieren. Im Falle der Nachfrageerhöhung, wie in Abschnitt 5.2. diskutiert, müsste eine „geschlossene Gesellschaft“ von Betreibern dieser Kapazität das zur Konzeption ihres Aufbaus bemühte Regulativ der maximalen Wertschöpfungsrate dahingehend anwenden, dass sie den Arbeitseinsatz reduziert, den Preis bei geringerer Leistung erhöht und sich eines höheren Einkommens in Form einer
Pretiale Verwaltung
251
Monopolrente erfreut. Hierbei zeigte sich das Irrationale der Belohnung einer im Verhältnis zu den Konsumansprüchen zu geringen Leistung. Zählt der „Lohn“ nicht zu den Kosten, sondern zum Ertrag des Produktionsprozesses, so verläuft die Kostenkurve flacher. Ein Punkt gleichen Anstiegs mit dem Umsatz wäre also erst bei höheren Ausbringungsmengen zu erwarten. Zwar wäre die Wertschöpfung insgesamt mit einer Mengenausweitung zu erhöhen, solange der Preis der Leistungseinheit über den Kosten der zusätzlichen, z.B. zirkulierenden, Vorleistungen pro Leistungseinheit liegt, jedoch erhöhte sich damit auch die Beschäftigung, also der im Divisor der Formel auftretende Ressourceneinsatz an Arbeitskraft. Die Bewilligung der Investitionsmittel ist daher keine Privatisierung der aufzubauenden und zu betreibenden Kapazität. Sie bleibt erstens der Befriedigung von Konsumansprüchen und zweitens der gesamtwirtschaftlichen Effizienz gewidmet. Die Erhöhung der einzelwirtschaftlichen Wertschöpfungsrate stellt eine Abweichung vom Ausgleich dieser Quotienten zwischen den Einzelwirtschaften dar. Sie bedeutet somit ein Defizit an gesamtwirtschaftlicher Effizienz. Sowohl das Interesse der Konsumenten nach höherer Leistung zu geringerem Preis, als auch das Interesse etwaiger Unter- bzw. Unbeschäftigter nach Beschäftigungsausweitung, steht dem entgegen. Aus der Assoziation von Produzenten und Konsumenten und aus der Arbeitsverwaltung heraus wird in dieser Situation auf eine Leistungsausweitung mit der Folge des Ausgleichs der Wertschöpfungsraten hingewirkt. Die Geldverwaltung muss die Kreditvergabe an dem Punkt versagen, an dem steigende Preise die Stabilität des Konsumgüterpreisindexes gefährden. Also überwachen die Assoziationen der Produzenten die Entwicklung des Bedarfs, der Kapazitäten und Lieferfristen und der Preise bei der Grundstofferzeugung. Sie wissen, dass Inflation nicht durch Beschäftigungsrücknahme, sondern durch Kapazitätsausweitung bei denjenigen Herstellungsprozessen, die Engpass zu werden drohen, vermieden wird. Geldwertstabilität wird nicht durch Rezession , sondern durch Produktion gewährleistet.
252
Institutionen des Wirtschaftslebens
Gegenüber der anvertrauten Kapazität heißt es für die zuständige Geschäftsführung „use it or loose it“; sie müssen das sachliche und personelle Produktionspotenzial nutzen oder es wird anderen Verwendungen zugeführt. Die Verpflichtung, den vereinbarten Tilgungsplan nach Termin und Volumen zu erfüllen und die Begrenzung der Rücklagenbildung aus der Wertschöpfung während des Kapazitätsbetriebs auf einen kleinen Anteil der in Anspruch genommenen Mittel sind ökonomische Stimuli zur intensiven Kapazitätsnutzung, die
jedoch
für
sich
alleine
nicht
ausreichen,
das
Ziel
effizienter
Kapazitätsnutzung zu erreichen. Betriebsgröße Währungsgebiete, Einzelwirtschaften, Herstellungsprozesse und Leistungskategorien stehen nicht in beliebigen Relationen zueinander. Dass Einzelwirtschaften in Kooperations-, Subordinations- oder Fusionsabsichten ineinander wachsen, ist ihren konfligierenden Erwerbs- und Existenzsicherungsinteressen geschuldet, nicht unbedingt der Absicht effizienter Bedarfsdeckung bei den Konsumenten. Der Erwerb von Gesellschaftsanteilen bei Geschäftspartnern stellt das Koordinationsprinzip und mit ihm etwa auch die Preisbildung als einer zentralen Einrichtung der dezentralen Regulation fundamental in Frage. Gesellschaftsanteile zu besitzen ist weder aus Ertrags-, noch aus Beherrschungsabsichten erforderlich. Mit den hier vorgestellten Institutionen und Regulativen sind sie unvereinbar. Die Einzelwirtschaft ist mit den assoziierten Konsumenten und den zugeordneten Berufsverbänden ausreichend mit externer Kontrolle versorgt. Die Zusammenfassung von Leistungserstellungsprozessen in einer Einzelwirtschaft ist durch den Betrieb gemeinsamer technischer und personeller Kapazitäten gerechtfertigt. Diese wäre zu klein bzw. zu sehr spezialisiert, wenn vorübergehende Nachfragerückgänge zur Illiquidität führten. Sie wäre zu groß, wenn Quersubventionierung über Branchengrenzen hinweg nicht institutionell ausgeschlossen ist. Wenn die Frage aufgeworfen wurde, warum überhaupt Unternehmen existieren 35
und deren Betrieb sich nicht statt dessen aus einem System individueller
Pretiale Verwaltung
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Kontrakte ergeben soll, so scheint ersichtlich, dass ohne verlässliche Kooperation vieler Beteiligter große technische Kapazitäten nicht initiiert werden könnten. Die erforderlichen Bindungsfristen und das Zusammenführen der zur Kooperation Willigen wäre ohne die Institution „Einzelwirtschaft“ schwer vorstellbar. Nur falls die sich aus Konsumentenbedürfnissen ergebenden Aufträge unmittelbar aus kooperierender, kombinierter Arbeitskraft erledigt werden könnten, ohne dass dabei auf bereitgestellte technische Kapazitäten zur arbeitsteiligen Produktion zurückgegriffen werden müsste, könnte auf diese Institution verzichtet werden. Die Tendenz zu diesem Verzicht lässt sich dementsprechend im Dienstleistungsbereich beobachten.
8.3.2 Assoziation Die Vorleistungsverflechtung der Einzelwirtschaften untereinander wird, wie auch die Vertriebsbeziehung zum Endkonsumenten, assoziativ gestaltet, d.h. sie begründet keine einzelwirtschaftliche Zusammenfassung. Die assoziative Vertragsgestaltung erfolgt hierarchiefrei, ihr Prinzip ist die Koordination. Konsument und Produzent können nicht im Subordinationsverhältnis zueinander stehen. Ihre Funktionen wirken in relativer Unabhängigkeit miteinander: der Konsument wird nicht kraft Monopol des Produzenten zum Einzahler instrumentalisiert, umgekehrt ist der Produzent nicht dem Diktat eines Monopsonisten ausgesetzt. Wesentliches Moment ihrer Souveränität ist die Option, keinen Vertrag schließen zu müssen. So wie die Existenzberechtigung einer Einzelwirtschaft darin liegt, dass die an ihr Beteiligten kooperieren müssen, so ist die institutionelle, einzelwirtschaftliche Grenze stets wieder erneut durch Verträge zwischen Lieferant
und
Abnehmer
zu
Produktionskapazitäten
in
Arbeitsleistung
nicht
ersetzt
überwinden.
Zusammenarbeit dessen
Die
Planung
von
dem
Verwender
der
Sanktionsmöglichkeit
bei
mit
spätere
Qualitätsdefiziten. Durch alle Produktionsstufen hindurch bleibt das Prinzip gültig, dass die Produktion die Konsumtion zum Zweck hat anstelle der Erwerbs in der alten Akkumulationsökonomie. Die Assoziation stellt die erwünschte
254
Institutionen des Wirtschaftslebens
Langfristigkeit der wechselseitigen Bindungen zwischen Einzelwirtschaften her. Oberhalb
der
einzelnen
Lieferverträge
bilden
sich
im
assoziativen
Zusammenspiel der Einzelwirtschaften Regeln heraus, die eine gerechte, d.h. langfristig konsensfähige Verteilung der Kooperationsrente ermöglichen. Effiziente Investitionen brauchen nicht an differierenden Bindungsfristen der Beteiligten zu scheitern. Ein technisch begründetes Monopol muss durch die Wirkung der Konsumentenorganisation handhabbar werden. Mit dem Entstehen einer derartigen Kapazität musste die Konsumentenorganisation mit dem Produzenten für seine künftige Leistungsgestaltung einen Monopolvorbehalt vereinbaren: Preise, Mengen und Qualitäten seiner Leistungen sind vertraglich mit der Konsumentenorganisation zu vereinbaren und zu verändern, wenn auch die Leistungsabnehmer Individuen sind. Umgekehrt ist der Produzent darin frei, seine betrieblichen Kapazitäten freizugeben, wenn der produktive oder unproduktive Konsument keine ausreichende Vergütung seiner Leistung zu zahlen bereit ist. Dieser normale Vorgang der Umwidmung gesamtwirtschaftlicher Ressourcen erfolgt bei technischem Fortschritt oder sonstigen Anlässen einer Anpassung der Prozessintensität. Die Geschäftsführung der Einzelwirtschaft verantwortet Qualitäten, Volumina und Termine der ihr zugeordneten Prozesse der Leistungserstellung. Sie besorgt damit die technische Voraussetzung einer angemessenen Vergütung ihrer Leistung durch die Konsumenten. Der wirtschaftliche Erfolg ihrer Leistungen kommt bilateral zustande. Über die Verwender der eigenen Leistung werden keine Spekulationen
angestellt,
diese
werden
auch
nicht
der
eigenen
Verwertungsabsicht nach zugerichtet, sondern sie sind ab der Konzeptionsphase gestaltend beteiligt, insofern sie den raison d’être der Einzelwirtschaft ausmachen. Die Produktiveinkommen der Arbeit im Wirtschaftsleben werden aus der Wertschöpfung in den Betrieben gezahlt. Von Wertschöpfung kann jedoch nur dann die Rede sein, wenn die Arbeitsprozesse ihre gesamtwirtschaftliche Rechtfertigung in Reproduktion oder Konsum finden. Diese Rechtfertigung muss sich
Pretiale Verwaltung
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in den Verträgen zwischen den Betrieben durch Preise, Mengen und Qualitäten vermitteln. Mit den Assoziationen entstehen keine zusätzlichen gesamtwirtschaftlichen Regulierungskosten. Sie sind der institutionelle Ort für die Funktionen Absatz, Beschaffung, Werbung, Marktforschung. Die darin Tätigen sind insoweit überwiegend Delegierte anderer Einrichtungen des Wirtschaftslebens. Nur ein kleiner Teil der dort Tätigen verfolgt die Einhaltung der in der Assoziation geltenden Regeln und gehört daher nicht auch zusätzlich einer der beteiligten Einzelwirtschaften, Berufsverbände oder der Konsumentenorganisation an. Auch an dieser Einrichtung muss sich das Prinzip zeigen, dass die in relativer Unabhängigkeit organisierten drei Glieder des sozialen Organismus auf personeller Ebene ihren Zusammenhang herstellen: die Kräfte des Geistes- und Rechtslebens kommen in den Assoziationen daher nicht durch Delegation aus deren Institutionen, sondern über Personalunion zum Tragen. Die Assoziation ist damit nichts anderes als der institutionelle Nachfolger des allseits geschätzten „Marktes“. Wie dieser bildet sich eine Assoziation entlang ähnlicher Nutzenfelder aus. Die Effizienz der Assoziationen drückt sich im Verschwinden von Arbitragegewinnen aus. Wer diese für ungerechtfertigt hält, muss dafür sorgen, dass Angebot und Nachfrage, bzw. Produktion und Bedarf, sich in qualitativer, mengenmäßiger, zeitlicher und preislicher Hinsicht nicht nur zufällig treffen. Gelegentlich der Erörterung der Investitionsplanung ist deutlich geworden, in welche Zusammenhänge das Begründen neuen oder zusätzlichen Produktionspotenzials zu stellen ist. Hier kann das Urteil eines auf sich gestellten einzelnen Interessenten nicht ausreichen. Die wirtschaftlichen Urteile der Beteiligten müssen sich zum wirtschaftlich relevanten Gemeinwillen zusammenfügen. Die Berufsverbände der Produzenten nehmen deren Interessen als Produzenten wahr, die Konsumentenorganisation nimmt die Interessen der Konsumenten wahr. Die Assoziationen der Einzelwirtschaften machen erst das für das Wirtschaftsleben Typische aus: Wahrnehmung der Interessen anderer durch eigene Leistung. Viel mehr als in der Distribution kommt hier der Sinn von Solidarität zum Tragen. Die
256
Institutionen des Wirtschaftslebens
Assoziationen sind der Ort, an dem die wechselseitige Bereicherung als Herstellung von Gebrauchswerten für andere organisiert wird. Dass die Assoziation nicht um der Distribution willen operiert, wird auch an den von ihr überwachten ökonomischen Kennziffern deutlich: sie kann aus der Wirtschaftsstatistik die wichtige Relation von Wertschöpfung und Arbeitseinsatz ableiten. Falls sich dabei signifikante Abweichungen vom Durchschnitt zeigen, wird die Assoziation das Leistungsprogramm und das Produktionsvolumen der betreffenden Betriebe überprüfen. Dass die Wertschöpfung proportional zum Arbeitseinsatz erfolgt, ist das Kriterium gesamtwirtschaftlicher Rationalität. Als produktiv gilt jetzt nicht nur die mehrwertbildende, sondern die wertbildende Arbeit. Die Diskrepanz zwischen Einkommenserzielung und Wertbildung ist reduziert. Die Inkongruenz zwischen produktiver und gesellschaftlich nützlicher Arbeit lässt sich so verringern. Institutionelles Metadiagramm Das Zusammenspiel der aufgeführten Institutionen des Wirtschaftslebens lässt sich wie folgt veranschaulichen: Konsument
Einzelwirtschaft
Produzent Abb. 8.6: Institutionelles Metadiagramm
Assoziation
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Die Einzelwirtschaft ist eine Konkretion des wirtschaftlichen Wollens. Dieses entsteht bei den Konsumenten, es muss sich zum assoziativen Urteil ausbilden in Zusammenarbeit mit den Produzenten, die daraus Entscheidungen über kapazitative Maßnahmen für betroffene Einzelwirtschaften ableiten. Wertschöpfung ist nicht Angelegenheit der Produzenten, sie wird ebenso wenig alleine von den Konsumenten definiert, sondern findet ihren Ausgangspunkt in der Assoziation, dem Treffpunkt der zwecksetzenden und der durchführenden Institution. Zugleich lassen sich an dieser Stelle Vorstellungen über die relative institutionelle Stabilität der genannten Einrichtungen entwickeln. Die innovative Dynamik des Wirtschaftslebens beschert den Einzelwirtschaften die durchschnittlich geringste Lebensdauer. Deren Entstehen und Vergehen überdauern die Berufsverbände, sowie die Assoziationen. Die größte institutionelle Stabilität ist bei der Konsumentenorganisation zu erwarten.
8.3.3 Evaluierung der Allokationskompetenz Der stetige Teil der Allokationsformel, Wertschöpfung pro Arbeitskraft, soll gegen die gesamtwirtschaftliche Allokationsformel, Konsum pro eingesetzten Ressourcen, verglichen werden. Die assoziierten Produzenten gestehen sich im bemühten Zwei-Sektor-Modell des Abschnitts 3.2.2 folgende ausgeglichene Zielgrößen zu:
p
W
(1 − a22 ) − a12
a
=
1 − a11 −
02
a
pa W
21
(8.5)
01
Daraus ergibt sich die Preisformel zu
p
W
=
(1 − a11) + a 01 a12 (1 − a22) + a 02 a21 01
a a
02
(8.6)
258
Institutionen des Wirtschaftslebens
Wird dieser Preis je in die sektoralen Zielgrößen gemäß (8.5) wieder eingesetzt, so zeigt sich Übereinstimmung mit der Zielgröße des Konsummaximums zk/a0, wie es in Abschnitt 3.2.2 hergeleitet wurde. Für Sektor 1 gilt nämlich:
(1 − a11) −
(1 − a11 )a02 + a01a12 (1 − a22 )a01 + a02 a21 a21
a
01
((1 − a22 )a01 + a02 a21 )(1 − a11 ) − ((1 − a11 )a02 + a01a12 )a21 (1 − a22 )a01 + a02 a21 )a01
((1 − a22 )(1 −a11 ) − a12 a21 )a01 + a02 (a21 (1 − a11 ) − (1 − a11 )a21 ) (1 − a11 )(1 − a22 ) − a12 a21 ((1 − a22 )a01 + a02 a21 )a01 (1 − a22 )a01 + a02 a21
Entsprechend lässt sich für Sektor 2 zeigen: (1 − a11 )a02 + a01a12 (1 − a22) − a12 (1 − a22 )a01 + a02a21
a
02
(1 − a11 )(1 − a22 )a02 + (1 − a22 )a01a12 − a12 (1 − a22 ) 2 a21 (1 − a22 )a01a02 + a02
(1 − a11 )(1 −a 22 )a02 + a01 ((1 − a22 )a12 − a12 (1 − a22 )) − a12a02a21 (1 − a11 )(1 − a22 ) − a12a21 2 (1 − a22 )a01a02 + a02a21 (1 − a22 )a01 + a02a21
Im Gegensatz zur Profitpreisformel werden hier Kosten der Vorleistungen und des Prozesses nicht der Kapitalform des Werts entsprechend gleichgültig addiert. Vielmehr bleibt in obiger Verwertungsrate die realökonomische Größe „Arbeitskraft“ bestehen; sie wird nicht in eine monetäre Kostengröße „Lohn“ transformiert. Damit ist auch der Preis nicht von der Zerlegung der Gesamtwirtschaft in Einzelwirtschaften abhängig. Die gezeigte Reduktion der Preisformel auf das Kriterium des Konsummaximums bleibt damit auch in mehrsektoralen Modellökonomien erhalten, bzw. man kann sich den Sektor 2 als Konsolidierung aller Vorleistungsprozesse vorstellen. Diese dezentrale Preisformel leistet also genau die Aufgabe, die gesamtwirtschaftliche Relation Konsumfonds zu Ressourcenverzehr darzustellen. Sie sollte daher für die gesellschaftliche Vermittlung der Produktionsprozesse ex ante eingesetzt werden 36.
Wirkungen des Wirtschaftshandelns
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9 Perspektiven des Gesamtvorgangs Wirkungen des Wirtschaftshandelns
Die Aufgabe, einer Gesellschaft einen Satz von Institutionen und Regeln vorzugeben, der bei beliebig gesteigerter Asozialität der Beteiligten ideale Resultate ihres Zusammenwirkens ergibt, lehnt der Ökonom wegen objektiver Unlösbarkeit ab. Ein Regelsatz ist nicht die Ursache guter oder schlechter Ergebnisse des Wirtschaftshandelns. Ein System sich gegenseitig kontrollierender Institutionen mit überschneidungsfrei zugeordneten Funktionen gewährleistet nicht, einen beliebig hohen Anteil an Gesinnungskrüppeln auf gesellschaftlich nützliche Arbeiten zu verpflichten. Überhaupt ließe sich die Unnatürlichkeit eines Regimes daran ablesen, wie viel Zwang es anzuwenden hat, um sich aufrecht zu erhalten. Kompetenzen werden von Menschen genutzt nach Maßgabe ihres Verständnisses der sozialen Prozesse, an denen sie teilhaben. Allerdings macht es einen Unterschied, ob die gültigen Regulative einer Ökonomie das ökonomische Prinzip auf gesamtwirtschaftlicher Ebene vereiteln müssen oder ermöglichen. In Zeiten, in denen sich eine Wirtschaftsverfassung strukturell herausgefordert sieht, kehren auch überkommene Ideologien wieder, da sie nie die Chance (oder das Pech) hatten, in unverfälschter Reinheit zu wirken. Dass zumal in Kontinentaleuropa Marktfundamentalismus propagiert wird, ist mit signifikanten staatswirtschaftlichen Beschwerden erklärbar, aber nicht gerechtfertigt. Auf der entgegengesetzten
Seite
Existenzberechtigung
sehen
gerade
die
Vertreter
daraus
des
ableitbar,
Nationalstaats
ihre
dass
bloß
die
monetärwirtschaftliche Orientierung der Ökonomie das Raumprinzip schmerzhaft ignoriert. Sie formulieren Gehalte einer modernen Industriepolitik und Partnerschaft des öffentlichen und privaten Sektors. Man wird nicht dabei Beruhigung finden können, dass es nunmehr bloß darum ginge, aus dem Vorrat tradierter Wirtschaftsverfassungen und Wirtschaftsgesinnungen eine neue Mischung herzustellen.
R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
260
Perspektiven des Gesamtvorgangs
Umgekehrt darf aber auch eine neue Wirtschaftsverfassung keine „neuen Menschen“, Umerziehung usf. für ihre Funktionstüchtigkeit voraussetzen. Dass und wie sich in der Folge Einstellungen, Bedürfnisse und Verhaltensweisen in einer Richtung modifizieren, dass man dieser Gesellschaft Selbstverständnis zusprechen kann, soll durch die neue Wirtschaftsverfassung bloß ermöglicht werden. Die vorliegende Schrift soll prinzipielles Verständnis des derzeitigen Wirtschaftens sowie Hinweise geben, die zur Verhinderung der Produktion sozialer Schäden beachtlich sind. Das bloße Verfassen von Texten kann nur einen begrenzten pragmatischen Wert haben. Einerseits sind konzeptionelle Hinweise unverzichtbar, andererseits geht es von diesen aus nicht erfolgreich in das Ausdenken von Regeln und Institutionen hinein. Nur in kategorialer Überspannung wäre möglich, die angestellten Erörterungen dogmatisch oder ideologisch abzurunden. Dies kann dem tatsächlichen Fortkommen des sozialen Prozesses nicht nutzen, sondern nur schaden. Vielmehr ist mit der Entzerrung der drei Dimensionen des gesellschaftlichen Organismus - Geistesleben, Rechtsleben, Wirtschaftsleben - überhaupt zu beginnen, damit sich sukzessive die Einstellungen und Orientierungen der Beteiligten auch in praktischer Hinsicht umstellen können. Erst dann macht eine weitergehende Konkretisierung der Überlegungen des vorangegangenen Kapitels einen Sinn. Das soziale Urteil soll institutionell ermöglicht werden, es kann nicht als Anstrengung eines Einzelnen antizipiert werden. Zumindest sollte eine Richtung aufgezeigt sein, die außerhalb der unfruchtbaren Widerspruchslinie von liberalistischer und etatistischer Wirtschaftsverfassung liegt.
9.1 Wirkungen des Wirtschaftshandelns Zu Recht wird den Sozialwissenschaften nicht zugemutet, Ziele oder Ideale des gesellschaftlichen Zusammenwirkens von Menschen zu formulieren. Sie sind dazu nicht in der Lage; die Anforderung wird nicht gestellt, die Auskunft nicht erwartet. Die Explikation sozialer Prozesse mit demjenigen zu verbinden, was in
Wirkungen des Wirtschaftshandelns
261
der Menschheit nicht etwa als äußeres, oktroyiertes Leitbild, sondern als Bestrebung aus verletzter Menschenwürde heraus tatsächlich wirksam wird, gilt geradezu als unwissenschaftlich. Die Deskription habe sich auf dasjenige zu beschränken, was die an sozialen Prozessen Beteiligten entweder als mechanisch Unterworfene oder zufällig Irrende sieht. Dieses von der Wissenschaft implizit beachtete Hybrisverbot hat die Konsequenz, dass die hinsichtlich ihrer sozialen Gestaltungskompetenz stets weiter reduzierten Gesellschaften sich zu einem kollektiven Glauben an die autonome Fortschreibung oder Fortentwicklung ihrer sozialen Konstrukte zwingen, ob deren Veränderungen sich nun zum Erträglicheren oder zum Unerträglicheren gestalten. In der Wissenschaft von der Ökonomie lässt sich stets mehr kritisieren als durch Vorschläge, die auf die Wirtschaftsverfassung zielen, zu verbessern wäre. Eine ideale Beantwortung der sozialen Frage wird es nicht geben können; diese zu behandeln bleibt Aufgabe, solange sie sich in immer neuen historischen Versionen
stellt.
Die
Veranstaltung
Ökonomie
hat
Konfliktsituationen
konstitutionell zu minimieren und den verbleibenden Restbestand institutionell in rationaler Weise zu handhaben. Eine harmonistische Auflösung von Konflikten wird in der neoklassischen Ideologie lediglich suggeriert. Der durch die Vorschläge des vorangegangen Kapitels befriedigte Teil der Kritik an der bestehenden Wirtschaftsverfassung soll hier zusammenfassend evaluiert werden: • Jedes der drei Glieder des sozialen Organismus ist dem ihm entsprechenden Prinzip nach verwaltet. • Die Geldverwaltung erhält mit ihrer neuen Konstitution die Kompetenz, den Ausgleich zwischen dem Einströmen von jungem und dem Ausströmen von altem Geld aufrecht zu erhalten. • Die Regelkreise zwischen Produktion und Konsumtion sind verkürzt, so dass das Wertgesetz sich nicht als Krisenmechanismus geltend machen muss. • Die Verschränkung von Allokation und Distribution ist nicht aufgehoben, aber gelockert.
262
Perspektiven des Gesamtvorgangs
• Der Pluralismus der funktionellen Einkommensverteilung ist aufgehoben, so dass die Monetärwirtschaft und die Ressourcenverwaltung distributionsneutral von einer verbesserten Allokationsregel für die Realwirtschaft getrennt bleiben. • Die Regulative des Wirtschaftslebens spielen sich nicht als Selbstzweck auf. Die Produktion unterliegt keinem Wachstumszwang. • Vergütung und gesellschaftliche Nützlichkeit einzelner Arbeiten müssen möglichst proportional zueinander gehalten werden. Die Gestaltungskompetenz für die wirtschaftlich relevante Initiative liegt nicht ausschließlich bei den Produzenten.
9.2 Regionalisierung Insofern staatliche und wirtschaftliche Funktionen institutionell unterschieden sind, muss deren regionale Zuständigkeitsgrenze auch nicht kongruent verlaufen. Währungsgrenze So wie die Verwertungsrate die temporale, so hat die Währungsparität die regionale Ordnung der Realökonomie zu bewerkstelligen. Allein die Währungsgrenze mit ihrem Bilanzprinzip hält Produktion und Konsumtion im regionalen Gleichgewicht. Sie ist geboten, wenn globale Niveauunterschiede der Produktivität ohne Währungsgrenze zur Agglomeration wirtschaftlicher Aktivitäten führen müsste. Die Arbeiter einer Region exportieren keine Arbeitsplätze; sie dirigieren nicht interregional mobiles Kapital auf der Suche nach dem Verwertungsmaximum, sondern bringen innerhalb einer Währungsgrenze Wertbildung und Wertverzehr in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander. Das Verfahren der Wertschöpfungsmaximierung vermeidet die sozialen Schäden, die dann eintreten, wenn eine gesättigte Ökonomie mangels weiter fortgesetzten Produktionszuwachses dem Geldkapital eine nur unzulängliche Verwertungsrate zu bieten hat. Die Wertschöpfung alleine ist nicht auf Zuwachsraten angewiesen, sondern hinreichend mit einem erreichten und beispielsweise
Regionalisierung
263
konstanten Niveau der Produktion und des Konsums begründet. Der Arbeitskraft ist daher nicht die nahezu unendliche regionale Mobilität von Geldkapital zuzumuten. Die Währungsgrenze schließt Handel nicht aus, sondern ein. Volatilitäten von Wechselkursen, die die regionale Allokation bis zum Erliegen behindern können, rühren nicht aus Kataklysmen der Realwirtschaft, sondern aus umfänglichen Transaktionen mit bloß monetärem Hintergrund. Stabilisierung ist bereits dadurch zu erwarten, dass Devisenmärkte sich nur mehr aus den Volumina des Leistungsaustauschs speisen. Der Schuldner einer Währung muss auch derjenige sein, der den Ausgleich mit eigener Leistung zu bezahlen hat ! Soll ihm als Konsument die vorteilhafte Produktion der anderen Region zur Verbilligung eigener produktiver oder unproduktiver Konsumtion gereichen, so muss er dieser ebenso als Produzent Waren
anbieten
können.
Zu
begrüßen
ist
der
Vorgang,
dass
eine
fortgeschrittenere Region einer zurückgebliebenen Region wirtschaftliche Hilfe angedeihen lässt. Diese erfolgt wie eine bilaterale Direktinvestition als Schenkung, beispielsweise in Weltgeld, die gerade nicht den Devisenhandel affiziert. Danach werden weder Gewinne repatriiert, noch sind Zinsen und Tilgungsraten zu entrichten. Staatsgrenze Banknoten gelten als gesetzliches Zahlungsmittel. Endet daher der räumliche Geltungsbereich einer Geldverwaltung mit einer Staatsgrenze? Die Rechtsgemeinschaft definiert auf der Grundlage der wissenschaftlichen Vorleistungen des Geisteslebens für das Wirtschaftsleben Benutzungs- und Verbrauchskontingente hinsichtlich der natürlichen Ressourcen. Daraus ergeben sich nach Maßgabe der wirtschaftlichen Aktivitäten Gebühren für die Konsumenten. Auf diesem Wege wird das Aufgabengebiet der Geldverwaltung, nämlich die Verteidigung der Binnenpreisstabilität, betroffen. Sofern diese authentisch wirtschaftliche Aufgabe der Geldverwaltung nicht mit einer Staatsgrenze endet bzw. beginnt, könnten die genannten Vorgaben des
264
Perspektiven des Gesamtvorgangs
Rechtslebens mehrere Geldverwaltungen erreichen bzw. umgekehrt eine Geldverwaltung sich dem Wirken mehrerer Staaten ausgesetzt sehen. Die Geldverwaltung interessiert sich für das Volumen, nicht für die Bemessung der Ressourcengebühren, die ihr aus dem Wirtschaftsleben zufließen. Diese sind, um es zu wiederholen, keine Einnahmen des Rechtsgebietes! Werden mehrere Staaten im Bereich einer Geldverwaltung tätig, so hat diese deren differenzierte Alimentierung zu besorgen und bei der Volumensteuerung zu berücksichtigen. Auch aus diesem Fall von regionaler Überschneidung leitet sich keine Forderung nach Koinzidenz von Staats- und Währungsgrenze ab. Innerhalb der gleichen Geldverwaltung zu operieren bedeutet, auf einen regionalen Leistungsbilanzausgleich via Wechselkurs zu verzichten. Zwischen getrennten Rechtsgemeinschaften gibt es keine Intervention wegen divergierender Ansichten über das staatliche Ausgabegebaren. Jedoch ist über Modus und Volumen der Alimentierung innerhalb der voraussetzungsgemäß gemeinsamen Organe des Wirtschaftslebens Einverständnis zu erzielen. Stabilität und Souveränität von Staaten lässt sich kaum dadurch herstellen, dass diese zu immer größeren Einheiten zusammengeschlossen oder auch in kleinere Einheiten aufgelöst werden. Ein Stabilisierungseffekt ist viel eher daher zu erwarten, dass die drei Glieder des sozialen Organismus auf der Grundlage ihrer relativen Eigenständigkeit zu ausgleichenden Vorgängen geeignet sind. Indem sie nicht im Einheitsstaat zusammengefasst sind, werden die Schwierigkeiten des einen nicht verstärkt im anderen, sondern vielmehr dort eine ausgleichende Reaktion auslösen können.
9.3 Prosperität und Stagnation Nicht Produktion als Wertschöpfung macht Probleme, jedoch das Verdikt der permanenten Produktionssteigerung. Darauf ist die Verzinsungslogik ausgelegt; sie hat damit für mehr als ein Jahrhundert ein signifikantes Aufstreben des wirtschaftlichen Niveaus bewirkt. Wenn mangels weiterer Geschäftsideen die Produktivitätszunahme bzw. Rationalisierung lediglich Beschäftigungsprobleme
Prosperität und Stagnation
265
verursacht, wenn die kapitalistische Produktivkraftentwicklung natürliche Ressourcen zerstören muss, dann ist es an der Zeit, sich vom impliziten Akkumulationszwang der vorherrschenden Regulative zu verabschieden. Die Aufgabe, dass der Arbeitsfähige die Chance erhält, seinen Lebensstandard zu erarbeiten, sollte nicht an einem Mangel an kollektiver Intelligenz scheitern. Ist das Produktivitätsniveau so hoch, dass die Bedürfnisse der Endkonsumenten, einschließlich aller Unterbeschäftigten, befriedigt werden können ohne diesen Zustand Vollbeschäftigung nennen zu können, so kann offenbar Erwerbsarbeit nicht länger den überragenden Stellenwert in der Lebenszeit der Menschen einnehmen. Viele Tätigkeiten, die unzweifelhaft wichtig und nützlich sind, lassen sich kaum als Erwerbsarbeit organisieren. Nach der Tendenz des aufstrebenden Sekundärsektors, Geräte in die Haushalte zu verkaufen, liegt nunmehr eine der Optionen auf Umsatz darin, die hauswirtschaftlichen Aktivitäten in monetisierte Dienste des Tertiärsektors zu zerlegen. Damit wird der Schein der Beschäftigung erzeugt. Die unmittelbare Konsumtion der gesellschaftlichen Arbeitskraft kleidet sich in die Form der Produktion. Dienstleistungen sind Waren, ihr konsumnaher Bereich weist jedoch im Vergleich zum industriell erstellten fixen Kapital eine nur kurze Verwertungsfrist auf. Da ihre Produktionstiefe gering ist, eignen sie sich nicht als Wertspeicher der Akkumulation. Der Tertiärsektor wird die unzulängliche Akkumulation von Realkapital nicht kompensieren, er wird kein Pendant zur Prosperität industrieller Intensivierung generieren. Daher macht es keinen Sinn, an Regulativen festzuhalten, welche die gesellschaftliche Arbeit auf die Form „Vorschuss - Produktion - Profit“ verpflichten. Demgegenüber ist die Form „Vorschuss - Produktion - Tilgung“ nicht auf die Akkumulation von Geld- oder Realkapital angewiesen. Sie zerstört die Ökonomie auch dann nicht, wenn die Voraussetzung permanenter technologischer Innovation verloren geht. Feudalismus ist in wirtschaftlicher Hinsicht bloße Aneignungsweise. Insofern die Glieder eines Produktionsprozesses auf arbeitsteiligem Stand der Produktivkräfte durch Geld zusammengekauft werden können und müssen, wird ‚Kapitalismus’ als Produktionsweise bezeichnet. Diese Veranstaltung ist in tatsächlicher Hinsicht
266
Perspektiven des Gesamtvorgangs
ebenfalls eine Aneignungsweise. In der unzutreffenden Bezeichnung liegt mithin der
Sarkasmus,
über
eine
die
gesellschaftliche Arbeit
organisierende
Produktionsweise nicht zu verfügen und daher subsidiär eine historische Aneignungsweise bemühen zu müssen. Das chronisch gewordene Desiderat zureichenden Funktionierens jedoch erzwingt die immer weiter ausgreifende Zurichtung der Restgesellschaft auf dieses Aneignungsprinzip. Lediglich dadurch konnte dieses als geschichtsmächtig erscheinen. Bekannte Kulturen mit stagnierender Ökonomie werden vom Standpunkt steigender Produktivität aus mitleidig bedauert. Sollte jedoch die Periode stets rationellerer materieller Produktion in ein Sättigungsniveau gegenüber den individuellen Konsumenten einmünden und das gewünschte interpersonelle Gleichgewicht zwischen Leistungsbereitschaft und Konsumanspruch nicht mit immer mehr Dienstleistungen herstellbar sein, sollten immer größere Teile einer unprofitablen Ökonomie schlicht stillgelegt werden, dann stellte sich allerdings die Aufgabe, erneut mit stagnierender Ökonomie fertig zu werden. Die industrielle Fertigung zerlegt Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand der gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Sie reduziert den arbeitenden Menschen auf seine
produktive Funktionalität, den bedürftigen
Menschen auf seine
Zahlungsfähigkeit. Soll weiterhin das gesellschaftliche Leben als Geldproduktion erscheinen, so wäre die Zerlegung und Reduktion auch des konsumierenden, lernenden,
sich
sozial
und
fachlich
qualifizierenden
und
planenden
Gesamtmenschen vorzunehmen, so dass er via zahlbarer Dienstleistung wieder zusammengesetzt werden kann. Im Anschluss an die Überlegungen in Kapitel 2.2.2. kann diese Entwicklung nicht solchen Menschen entsprechen, die aus der Ganzheit heraus operieren um Ganzheit zu reproduzieren. Die in der Ökonomie notwendigen Mittel und Vermittlungen sollen sich ihnen gegenüber nicht als Selbstzweck
aufwerfen,
sondern
bleiben
in
der
Kompetenz
ihrer
Verfügungsmacht: wenn sie wirtschaftliche Absichten konterkarieren, werden sie abgeändert oder abgeschafft. In einer fortschreitenden Desorientierung und Entmündigung jedes Einzelnen liegt der fortschreitende Verfall gesellschaftlicher Kultur, nicht etwa deren
Prosperität und Stagnation
267
Stabilität und Modernität. Die monetärwirtschaftliche Zerlegung der gesellschaftlichen Arbeit ist als probates Mittel zu erkennen, vom Massenbewusstsein zum Individualbewusstsein zu führen. Diese Einrichtung der Ökonomie darf nicht zum Hindernis werden, das jetzt erforderliche Gruppenbewusstsein auszubilden. Für
diese
Aufgabe
bekommt
die
geeignete
Institutionalisierung
des
gesellschaftlichen Lebens eminente Bedeutung. Das Gerede vom souveränen Individuum kann durchaus nicht in tatsächlicher Hinsicht den Schlusspunkt der Entwicklung von menschlicher Gesellschaftlichkeit bezeichnen. In nachtraditionellen Gesellschaften muss sich soziale Kompetenz auf der Grundlage der Individualität, also über diese hinaus, entfalten können.
Anmerkungen
269 Perspektiven des Gesamtvorgangs
Anmerkungen Anmerkungen 1
David Ricardo, The Principles of Political Economy and Taxation, New York, 2004, p. 82: Portugal exportiert Wein nach England und importiert von dort Stoff, obwohl England in beiden Produkten höhere Produktivität aufweist. Der Handel kommt zustande, weil die je internen Tauschraten differieren.
2
K. Marx, Das Kapital, Bd. II, "Mit Bezug auf die ganze Kapitalistenklasse erscheint aber der Satz, dass sie das Geld zur Realisation ihres Mehrwerts (resp. auch zur Zirkulation ihres Kapitals, konstanten und variablen) selbst in die Zirkulation werfen muss, nicht nur nicht paradox, sondern als notwendige Bedingung des ganzen Mechanismus". Karl Marx - Friedrich Engels – Werke (MEW), Dietz Verlag, Berlin/DDR 1963, Bd. 24, p. 419.
3
John von Neumann, Über ein ökonomisches Gleichungssystem und eine Verallgemeinerung des Brouwerschen Fixpunktsatzes, in: K. Menger (Hg.), Ergebnisse eines mathematischen Kolloquiums, No. 8, Wien 1937, p. 73 - 83; bzw. ders., A Model of General Equilibrium, in: Review of Economic Studies, Vol. 13, 1945.Dem Zeitgeist entsprechend wird dieses Akkumulationsmodell der „Equilibrium“-Fiktion zugeschlagen, obwohl es nicht einmal gleichgewichtige Preise enthält. Der Ausgleich der Prozessrentabilitäten wurde erst später mittels subsidy & tax von Oskar Morgenstern / G. Thompson dazu implantiert: Mathematical Theory of Expanding and Contracting Economies, Lexington, 1976, Chapter 4, p. 61.
4
Man lese Bernard Mandeville, The Fable of the Bees, London, 1732. Dazu affirmativ A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776), Oxford, 1976, Book I, Chap. 2: Die Egoismen vereinigen sich zu einem Gesamtvermögen.
5
Reswitching ist dargestellt bei Piero Sraffa, Warenproduktion mittels Waren, Frankfurt/M., 1976, Kapitel 12.
6
Die Abhängigkeit des Maschinenpreises vom Zinsniveau findet sich ibid. in Ziffer 83 dargestellt. Bei Eugen von Böhm-Bawerk kommt dem Agio die Funktion zu, das gerade noch zulässige Ausmaß an Produktionsumwegen zu steuern. Vgl. ders., Positive Theorie des Kapitals, 4.A., p. 405. Wenn allerdings kein Mechanismus dafür sorgt, dass sich der Kapitalzins gerade in der benötigten Höhe, also ohne Inflation oder Unterbeschäftigung, bildet, sind auch “schwere Störungen, Kosten und Verluste“ nicht vermieden.
R. Wilke, Zur Ordnung des Wirtschaftslebens, DOI 10.1007/978-3-8349-6188-4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
270
Anmerkungen
Knut Wicksell leitet daher im Rahmen seiner Zinsspannentheorie für den exogen zu manipulierenden Geldzins die Forderung ab, dass er mit dem „natürlichen“ Zins übereinstimmen müsse. Vgl. ders., Geldzins und Güterpreise. Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen, Jena, 1898. 7
Boden, Arbeitskraft und Geld sind als Waren „entirely fictitious“; vgl. Polanyi, K., The Great Transformation, Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, Frankfurt/M., 1978, Kapitel 6, p. 108.
8
Vgl. W. Launhardt, Mathematische Begründung der Volkswirtschaftslehre, Leipzig, 1885, p. 95.
9
Ein frühe Darstellung des Einkommensmultiplikators findet sich bei Kahn, R.F., The Relation of Home Investment to Unemployment; Economic Journal 41, 1931, S. 173198.
10
Vgl. die Erörterung zur Kategorie und Wirkung des Wertgesetzes in den revisionistischen Ländern bei Wlodzimierz Brus, Funktionsprobleme der sozialistischen Wirtschaft, Frankfurt/M., 1971, p. 142ff..
11
Der Produktionspreis als Resultat der kapitalistischen Konkurrenz wird daher nicht in einem Gleichgewichtsmodell simultan berechnet, sondern in einem tatsächlichen ökonomischen Prozess bestimmt. Die Vorleistungen, konstantes und variables Kapital, befinden sich dabei in der Geldform. Der an den Prozess der Wertbildung aus angewandter Arbeitskraft anschließende Zirkulationsprozess unterwirft den Überschuss über die Reproduktionskosten der Arbeitskraft einer der Form geschuldeten Umverteilung nach vorgeschossener Kapitalgröße. Die „Berichtigung“ des Ladislaus von Bortkiewicz verfehlt also die kategoriale Entwicklungssystematik des Kapitals. Vgl. ders., Zur Berichtigung der grundlegenden theoretischen Konstruktion von Marx im dritten Band des ‚Kapital’, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, 34. Band, Jena 1907, p. 319ff.. Ihm liegt die Arbeit vor von V. K. Dmitriev, David Ricardos Werttheorie (1898), in: Bertragm Schefold (Hg.), Ökonomische Klassik im Umruch, Ffm 1986, p. 63-136. Darin wird die generelle Entbehrlichkeit eines Bezugs auf Arbeitswerte dadurch „gezeigt“, dass sich ein Relativpreisvektor mit positiver einheitlicher Profitrate auch dann findet, wenn keine Produkte als „Lohngüter“ tituliert werden; Maschinen produzieren alles und ihre Prozesszeiten werden aufgezinst. Ibid. p. 94f..
12
G.W.F. Hegel, Werke, Bd. 5, Wissenschaft der Logik, Frankfurt/M. 1969, p. 393 "Man sieht wohl ein, dass in der entwickelten bürgerlichen Gesellschaft die Mengen von Individuen, welche den verschiedenen Gewerben angehören, in einem Verhältnis miteinander stehen; aber dies gibt weder Gesetze von Maßen noch eigentümliche Formen desselben."
Anmerkungen
271
13
Rudolf Steiner spricht von Leihgeld, Kaufgeld, Schenkungsgeld. Vgl. ders. Nationalökonomischer Kurs, 12. Vortrag, Dornach, 1979, p. 170 ff.. Dass Geld altern soll ist auch eine Forderung von Silvio Gesell, Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, Rehbrück, 1922. Die inhärente Wertminderung durch Zeit beim Gebrauchswert der Ware soll bei dem Wertzeichen „Geld“ künstlich nachvollzogen werden.
14
K. Marx: "Die Verkehrung und Verwechslung aller menschlichen und natürlichen Qualitäten, die Verbrüderung der Unmöglichkeiten – die göttliche Kraft – des Geldes liegt in seinem Wesen als dem entfremdeten, entäußernden und sich veräußernden Gattungswesen der Menschen. Es ist das entäußerte Vermögen der Menschheit." Ökonomisch-philosophische Manuskripte von 1844, 3. Manuskript, MEW 40, Berlin 1968, p. 565. Die Feuerbachsche Terminologie verschwindet später gänzlich.
15
An diese Verwechslung knüpfen sich die individualistischen Freiheitsillusionen der bürgerlichen Ideologie, die Geld nicht in die entfaltete Zirkulation bringt, um den Kapitalbegriff falsch aufsetzen zu können. Vgl. etwa G. Simmel, Philosophie des Geldes, (1900) Ffm. 1989, p. 410ff.. „Antinomie von Totalität und Unendlichkeit“ bei T. W. Adorno, Negative Dialektik, Ffm. 1966, p. 37. Die Zirkulation des Kapitals kommt nicht bis zur wahren, sondern nur zur schlechten Unendlichkeit. Das System muss expandieren, weil Geld sich vermehren soll, aber sich nicht vermehren kann. Bei der Verwandlung von Geld in Ware fällt der Geldbesitzer ein „unendliches Urteil“; vgl. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 88, Werke Bd. 7 , Ffm. 1970. Die Unbestimmtheit des Vorteils aus Geldbesitz wird mit der Freiheit des Geldbesitzers schlicht verwechselt.
16
Milton Friedman und Anna J. Schwarz, A Monetary History of the United States, 1867 – 1960, 1963, Princeton University Press, p. 676. Im anglo-amerikanischen Bereich soll das Aufzeigen der statistischen Korrelation auch gleich als Begriffsbildung gelten. Mit dem gleichen Datenmaterial wird ebenso sehr das Gegenteil – die Endogenität der Geldmenge – „bewiesen“. Der Skeptizismus war da vorsichtiger: "We only find that the one does actually in fact follow the other...The mind feels no sentiment or inward impression from this succession of objects: Consequently ther is not, in any single particular instance of cause and effect, any thing which can suggest the idea of power or necessary connection." David Hume, An Enquiry Concerning Human Understanding (1758), in: Essays and Treatises on Several Subjects, Bd. II, Edinburgh, 1825, p. 63. Nach der Indifferenzhypothese in der Kreditauffassung der Klassik, wird das Gedankengut der Merkantilisten von der Kaufkraftschöpfung wieder aufgegriffen. Vgl. John Law, Mémoire sur les banques (1715), in: Werke Bd. 2, Paris 1934, p. 5.
272
Anmerkungen
17
John Stuart Mill, Principles of Political Economy, 4. Aufl. 1857. Deutsche Ausgabe: Grundsätze der Politischen Ökonomie, Jena, Gustav Fischer, 1924; Bd. 2, p. 15. Milton Friedman, The Role of Monetary Policy, American Economic Review, Vol. 58, 1968, p. 1-17: "One day a helicopter flies over this community and drops an additional $1,000 in bills from the sky"
18
Vgl. Knut Wicksell, Vorlesungen über Nationalökonomie auf Grundlage des Marginalprinzips, 2. Band: Geld und Kredit, Jena, Gustav Fischer, 1922, p. 98ff. Kapitel III, 6. Die Idealbank
19
Der „Keynes-Effekt“ beschreibt die Transmission eines erhöhten Geldangebots über Wertpapierkäufe, Kursanstieg, Zinssenkung zu Investition und erhöhtem Güterangebot. Siehe B. Felderer / S. Homburg, Makroökonomik und neue Makroökonomik, Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo (Springer), 1984, p. 138f..
20
James Tobin "the famous Walrasian auctioneer has a big job finding the equilibrium, but he has to perform only once." Asset Accumulation and Economic Activity: Reflections on Contemporary Macroeconomic Theory, University of Chicago Press, 1980, p. 23.
21
Adolph Löwe setzt neben die Betrachtungsweisen statisch und dynamisch noch die kinetische: „die ihrem Wesen nach vorübergehenden inneren Berwegungsphänomene eines ökonomischen Systems“. Vgl. ders., Zur ökonomischen Theorie des Imperialismus, Festschrift für Franz Oppenheimer, 1924, p. 197. Der Sprachgebrauch hat sich offenbar nicht durchgesetzt. Was er kinetisch nennt, wird hier als transitorisch bezeichnet.
22
Diese Empfehlung zur Aufrechterhaltung von Beschäftigungsniveaus wird von T. R. Malthus gegeben: Principles of political economy considered with a view to their practical application. London 1820. Er zählt p. 408 die Vorzüge der „unproductive consumers“ auf.
23
Vgl. B. Schefold, Fixed Capital as a Joint Product, Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 192/1977, p. 415-439. Wiederabdruck in L. Pasinetti (Hg.) Essays in the theory of joint production, London & Basingstoke, 1980, Kapitel 7. Das Modell betrachtet Kuppelproduktion ausschließlich in der Form, dass ein Prozess außer einem Endprodukt nur noch gebrauchte Maschinen als Zwischenprodukt hervorbringt. Die Prozesse sind über sonstige Zwischenprodukte vorleistungsverflochten, die Technologiematrizen sind dadurch unzerlegbar. Die technische Option besteht im Betrieb von oder dem Verzicht auf Prozesse, die alte Maschinen nutzen ( nämlich dann, wenn alte Maschinen negative Preise bekämen). Der Modellökonomie wird lediglich
Anmerkungen
273
Reproduktivität abverlangt, nicht Gleichgewichtigkeit. Numeraíre der Preise ist die Lohnrate als Warenkorb der Endprodukte. Die Preise von Endprodukten, Rohmaterialien, neuen Maschinen und sonstigen Zwischenprodukten steigen monoton mit dem Zinssatz ( nicht unterschieden von der Profitrate ), während die Preise alter Maschinen fluktuieren können. Ihre Nutzungsdauer ist daher mit dem Zinssatz nicht korrekt zu bestimmen. 24
Michael Heinrich „widerlegt“ das komplizierte Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate durch eine mathematische Formel, in der die Bestandteile des vorgeschossenen konstanten und variablen Kapitals eines betrachteten Produktionsprozesses im gleichen Zuge mit seiner eigenen Produktivitätszunahme ebenfalls mit erhöhter Produktivität hergestellt werden. Diese Verbilligung bewahrt in der Profitratenformel als Verkleinerung des Nenners den Quotienten vor seinem Verfall. Die Profitrate wird gerettet, aber die Akkumulation kommt nicht mehr zustande. Vgl. ders., Die Wissenschaft vom Wert, 3. Aufl., Münster, 2003, Kapitel 8.4.
25
In den von F. Engels herausgegebenen Vorüberlegungen von K. Marx zur Reproduktion des Kapitals findet sich ein Modell, das die Frage klären soll, unter welchen Voraussetzungen Wertersatz und Stoffersatz gleichgewichtig verlaufen können bzw., wie es zur Überakkumulation kommt. Marx stellt die Volumina des intersektoralen Austauschs als Summe aus Arbeitswerten dar. Er gerät in Schwierigkeiten mit den Stetigkeitsbedingungen der Ökonomie. Der Mangel des Arguments liegt wohl darin, dass das Wertgesetz als Tausch von Arbeitswerten erfüllt werden sollte. Vgl. K. Marx, Das Kapital II, Kapitel 21. Die daran anschließenden Erörterungen ignorieren den kategorialen Aufbau bzw. die Methodik dieses Werks. In seinem Brief an Paul Mattick vom 16.9.1931 berichtet Henryk Gossmann, dass Helene Bauer, die Frau von Otto Bauer, das Realisierungsproblem in dessen Schemata mit Kreditgeld überwinden will. Er selbst schlägt vor, die Reproduktionsschemata in Produktionspreisen zu formulieren, vgl. ders., Marx, die klassische Nationalökonomie und das Problem der Dynamik, Frankfurt/Wien, 1969, p. 95 und p. 93. Otto Bauer, Die Akkumulation des Kapitals, Neue Zeit 31. Jg. Bd 1, 1912/13. Wenn also nicht Stoff und Wert, sondern Stoff und Geld störungsfrei reproduziert werden sollen, stellt sich die Frage, ob etwa die Realisierung an einem Geldmangel scheitern sollte. Nicht grundlos operiert die klassische Ökonomie mit Werten. Wert muss produziert worden sein, Kreditgeld nicht.
26
In „Lohnarbeit und Kapital“ zitiert Marx die Behauptung der bürgerlichen Ökonomen: „Die Interessen des Kapitals und die Interessen der Arbeiter sind dieselben.“ Er schreibt: „Ein merkliches Zunehmen des Arbeitslohns setzt ein rasches Wachsen des produktiven Kapitals voraus.“ Vgl. MEW 6, Berlin 1959, p.411f.. Ein Beobachter aus dem 19. Jahrhundert hätte nicht schlecht gestaunt, wenn er feststellt, dass dieser Zynismus denjenigen zentraler Bestandteil ihrer Programmatik wird, von denen sich die Arbeiter im 20. Jahrhundert wirtschaftlich und politisch repräsentieren lassen.
274
Anmerkungen
27
Im Rahmen der Kritik der Politischen Ökonomie des Kapitals ist zu untersuchen, welche potentiellen Änderungen der gebrauchswertsetzenden Arbeit als technischer Fortschritt selektiert werden. Innovation und Diffusion vollziehen sich im konjunkturellen Kontext. Vgl. Alfred Müller, Die Marxsche Konjunkturtheorie. Eine überakkumulationstheoretische Interpretation, Köln, 2009, p. 168 sqq. und p. 293.
28
Vgl. Lucas Jr.,R. E., Understanding Business Cycles, in: K. Brunner ; A. Meltzer (Hrsg.), Stabilisation of the Domestic and International Economy, Amsterdam, 1977, p. 10. Unterstellt, das Vorhaben sei gelungen. Das beobachtbare, also vergangene, Verhalten sei zutreffend modelliert und die weitere Entwicklung wird daraus prognostiziert. Die künftigen Verlierer ändern - so sie das können - bereits heute ihre Strategie und unterlaufen die Modellreaktion. Der Begriff wirft sich in die generalisierende Abstraktion und zwingt sich dann in das Singuläre zurück. Auf der Strecke bleiben muss derart das begriffene Konkretum, was den Wert einer Wissenschaft ausmachen sollte. Das mathematische Ergebnis blendet als Schein des Schlusses. Man vergleiche G.W.F. Hegel, Werke, Bd. 3, Phänomenologie des Geistes, Frankfurt/M. 1971, pp. 42; bzw. ders. Werke, Bd. 5, Wissenschaft der Logik, Frankfurt/M. 1969, p. 244.
29
Die Erörterung hat eine lange Geschichte, man vgl. etwa Leibniz’ Unterscheidung der bewirkenden Ursachen (causae efficientes) von den Zwecken (causae finales), in: G. W. Leibniz, Prinzipien der Natur und der Gnade, auf Vernunft gegründet, §3; ders., Monadologie (Übers.: Hermann Glockner), §79: „Die Seelen wirken nach den Gesetzen der Finalgründe durch Begehrungen, Zwecke und Mittel. Die Körper wirken nach Gesetzen der bewirkenden Ursachen oder der Bewegung.“; W. Dilthey, Abhandlungen zur Grundlegung der Geisteswissenschaften, Gesammelte Werke, Bd. 5, etwa p. 143: „Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir“; Überblick und Entwicklung von Dualismustheorien bei J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 4. Auflg., Bd. 1, Ffm, 1987, pp. 160.
30
Die Dreigliederung findet sich dargestellt bei Rudolf Steiner, Gesamtausgabe, Bde. 185 - 199, Dornach / Schweiz.
31
„Eine Gesellschaft, die aus einer Unmasse von unorganisierten Individuen zusammengesetzt ist und die sich ein Überstaat bemüht einzugrenzen, ist ein wahres soziologisches Monstrum ... Im übrigen steht der Staat viel zu weit von den Individuen; er hat mit ihnen nur äußerliche Beziehungen, als dass es ihm möglich wäre, in das individuelle Bewusstsein einzudringen und die Einzelperson von innen her zu sozialisieren ... Eine Nation kann sich nur dann erhalten, wenn sich zwischen Staat und den Bürgern eine ganze Serie von sekundären Gruppen einschiebt, die den Individuen genügend nahe sind, um sie in ihren Wirkungsradius einzufangen und sie im allgemeinen Strom des sozialen Lebens mitzureißen. Wir haben gezeigt, dass die
Anmerkungen
275
Berufsgruppen fähig sind, diese Rolle zu erfüllen, und dass sogar alles sie dafür bestimmt.“ Emile Durkheim, Über die Teilung der sozialen Arbeit, Vorwort zur zweiten Auflage. 32
Die Hegelsche Staatsphilosophie verlangt den Staat als letzten Zweck des Individuums (op. cit., § 258) . Trotz Marxens Verriß derselben (Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW 1, Berlin 1976, pp. 203-333 und 384f.) wurde im Bereich des osteuropäischen Sozialexperiments Etatismus als offizielle Doktrin vertreten bzw. als Ignoranz und Repression erlitten auch dort, wo sich eine Legitimation wegen äußerer Bedrohung nicht herstellen lässt. Von der menschlichen Emanzipation kann nach Marx erst die Rede sein, wenn der „wirkliche individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Arbeit, in seinen individuellen Verhältnissen Gattungswesen geworden ist“, l.c., p. 370.
33
Dies perspektivisch auch bei K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42 p. 593: "in demselben Maße verschwindet die unmittelbare Arbeit und ihre Quantität als das bestimmende Prinzip der Produktion".
34
Eine klassische Einsicht: „It would be too ridiculous to go about seriously to prove, that wealth does not consist in money, or in gold or silver; but in what money purchases, and is valuable only for purchasing." "It is not for its own sake that men desire money, but for the sake of what they can purchase with it.“ Vgl. A. Smith, op. cit., p. 438f..
35
Vgl. Coase, R. H., The Nature of the Firm, in: Economica, Vol 4, 1937, p. 386ff..
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Stanislaw Strumilin weist darauf hin, dass die kapitalistischen Produktionspreise gegenüber arbeitswertproportionalen Preisen ein Effizienzdefizit implizieren: Wertgesetz und Planung, Woprosi Ekonomiki, Nr. 7, Moskau, 1959, pp. 1-25. Allerdings darf man sich nicht auf eine stetige Lösung beschränken, sondern muss auch der transitorischen Aufgabenstellung gerecht werden. Andernfalls wird man leichte Beute bürgerlicher Kritik; vgl. bspw. Paul A. Samuelson, A New Labor Theory of Value, in: Proceedings of the National Academy of Sciences, USA, Vol 68, 1971, p. 1193f.. So auch Ludwig von Mises: "the problem of economic calculation is of economic dynamics; it is no problem of economic statics." Ders., Socialism, New York: Jonathan Cape, 1936, p. 139; ders., Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus, Jena 1922, p.190 ff..