AE-Manual der Endoprothetik
Dieter C. Wirtz Herausgeber
AE-Manual der Endoprothetik Knie
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Herausgeber Prof. Dr. med. Dieter C. Wirtz Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Ärztl. Leiter des Zentrums für Physiotherapie und Physikalische Therapie Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn Deutschland
[email protected]
Projektkoordinator Prof. Dr. med. Ulrich Holz Don Carlosstr. 23 70563 Stuttgart Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-12888-2â•…â•…â•…â•… e-ISBN 978-3-642-12889-9 DOI: 10.1007/978-3-642-12889-9 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Einbandentwurf: deblik, Berlin Zeichnungen: Reinhold Henkel, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Geleitwort
Der endoprothetische Ersatz von Gelenken, insbesondere großer Gelenke, gilt heute zu Recht als eine der erfolgreichsten operativen Prozeduren des gesamten chirurÂ� gischen Fachgebiets. Dies gilt nicht nur für kurz- und mittelfristige HeilungsaussichÂ� ten, sondern auch für mehr als 15-jährige Langzeitperspektiven unter dem Aspekt der gewonnenen Lebensqualität. Gesundheitsökonomen haben errechnet, dass die durch einen Gelenkersatz gewonnenen Jahre an Lebensqualitat, verglichen mit anderen medizinischen Prozeduren besonders kostengünstig sind. Die Zahl der allein in der Bundesrepublik Deutschland jährlich implantierten Hüft- und Kniegelenksendoprothesen zeigt, dass die Behandlung von Verschleißerkrankungen und Verletzungen der Gelenke einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Faktor darstellt, dessen BedeuÂ� tung angesichts der demographischen Entwicklung weltweit ohne jeden Zweifel rasch zunehmen wird. Folgerichtig ist für viele Krankenhäuser inzwischen die GelenkÂ�endoprothetik von herausragendem bis überlebensentscheidendem ökonomischem Gewicht. Die große Zahl von Anbietern wundert also nicht. Ebenso wenig wundern die Ergebnisse der kurz-, mittel- und langfristigen Ergebnisforschung, die zeigen, dass trotz der national und international enormen Erfahrung auf dem Gebiet der Gelenkendoprothetik eine Menge kleiner und großer Fehler mit kleinen und großen Konsequenzen gemacht werden können. Der auch von Patienten immer wieder geäußerten Einschätzung, bei Gelenkersatzoperationen handele es sich um „Routineeingriffe“, muss energisch widersprochen werden. Jeder dieser häufig durchgeführten Eingriffe hat seinen individuellen Aspekt, muss auf das Sorgfältigste vorgeplant und ebenso sorgfältig – in Kenntnis und unter potentieller Beherrschung sämtlicher denkbarer Komplikationen – durchgeführt werden. Kein Eingriff ohne gründliche Schulung, keine Verwendung von Implantaten ohne vorheriges Training. Selbstüberschätzung ist auch hier die Saat für viele Fehlschläge. Der endoprothetische Gelenkersatz duldet auch keine kleinen Fehler, auch sie können große Folgen für die Langzeitprognose haben. Präzision ist gefragt, der Patient erwartet zu Recht ein perfektes Ergebnis. Dies ist das Umfeld, in welchem nach mehr als 10â•›Jahren gegenseitigem Erfahrungsaustausch aus den Reihen der Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik die Idee eines AE-Manuals geboren wurde. Inspiriert durch das erfolgreiche Konzept des AOManuals haben sich aus dem Kreise der AE-Mitglieder Editoren und Autoren mit großem Enthusiasmus an die Arbeit gemacht, ein oder besser das Standardlehrbuch zu erstellen, welches auf alle Fragen aus dem Gebiet der Gelenkendoprothetik und dessen Umfeld erschöpfend auf aktuellem Stand Auskunft gibt, ohne die Praxisnähe zu verlieren und durch Theorielastigkeit für Operateure in Aus- und Weiterbildung
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Geleitwort
„unlesbar“ zu werden. Nach ihrem Leitbild sieht die AE ihre Hauptaufgabe in der kontinuierlichen Gestaltung einer umfassenden Fort- und Weiterbildung für Ärzte und OP-Personal, der Nachwuchsförderung, der klinischen Forschung, der Patienteninformation und dem internationalen Austausch. Als neutrale und unabhängige Vereinigung sieht sich die Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik geradezu prädestiniert, ein solches Standardwerk herauszugeben. Dass dies ein großes, ein schwieÂ� riges Werk werden würde, war allen klar. Umso mehr freuen wir uns, dass es nun tatsächlich Stück für Stück vollendet werden konnte. Zu danken ist dies der Energie und der Expertise aller aktiv Beteiligten, die ihren speziellen Erfahrungsschatz hier weitergeben. Das vorliegende Manual und die regelmäßigen Kurse und Kongresse der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik sind Teil eines sich stets aktualisierenden Gesamtkonzepts. AE-Manual und AE-Kurse ergänzen sich gegenseitig. Die Herausgabe eines solchen mehrbändigen Buchprojektes bedarf einer ganz besonderen Koordinationsleistung. Der AE stand in Professor Dr. Ulrich Holz ein Koordinator zur Verfügung, der mit Erfahrung, Weitblick und energischer Tatkraft für Fortgang und Abschluss des Projektes Sorge trug. Ihm sei an dieser Stelle besonders gedankt. Ebenso sei Klaus Hug als dem ursprünglichen Projektinitiator Dank gesagt. Ohne seinen Impuls wäre das AE-Manual nicht aus den Startblöcken gekommen. Viele geduldige und ungeduldige Autoren können nun aufatmen, nach langen Mühen dürfen sie jetzt ihr Werk in der Hand halten. Wesentlichen Anteil daran hatten die verantwortlichen Mitarbeiter des Springer Verlages, denen an dieser Stelle für ihre freundliche und sehr gute Zusammenarbeit gedankt sei. Unseren Lesern wünsche ich im Namen der AE eine Informationsquelle, die ihren Bedürfnissen entspricht. Eine große Gruppe von Experten hat sich bemüht, dieses Ziel zu erreichen.
Professor Dr. med. V. Ewerbeck Präsident der AE
Vorwort
Die Implantation eines künstlichen Kniegelenks gehört heutzutage sicherlich zu den Standardoperationen im „orthopädisch-unfallchirurgischen Alltag“. Dabei ist es wesentlich, dass diese häufige operative Prozedur nicht nur „gut“ durchgeführt, sondern auch dem patientenseitigen Anspruch auf höchste Ergebnisqualität Rechnung getragen wird. Ausgehend von der jeweils individuellen Situation muss jedoch mit dem Patienten ein realistisches „outcome“ präoperativ besprochen werden. Dazu gehört auch zu kommunizieren, dass in der elektiven Knieendoprothetik es nicht in allen Fällen möglich ist, jedwede Komplikation zu vermeiden. Dies benötigt die Definition von Standards und die Kenntnis eines angepassten Komplikationsmanagements. Das individuell bestmögliche Behandlungsergebnis für den Patienten muss im Fokus unseres Handelns stehen. Zielsetzung dieses AE-Manuals war es daher, den derzeitigen „golden standard“ für die verschiedenen Schritte auf dem „clinical pathway“ der Implantation von Knieendoprothesen zusammenfassend darzustellen. Dabei wurde nicht auf die Spezifitäten der einzelnen Prothesensysteme am Markt abgehoben, sondern vielmehr hoher Wert auf die Darstellung der grundsätzlichen Prinzipien und die Vermeidung möglicher Fehler bei der knieendoprothetischen Versorgung gelegt. Mein Dank gilt allen Autoren, die mit hohem persönlichem Engagement dazu beigetragen haben, dass der „Knieband“ der AE-Manualreihe den genannten Ansprüchen in hohem Maße Rechnung trägt. Darüber hinaus möchte ich mich bei der fortwährenden Unterstützung durch Herrn Professor Dr. Ulrich Holz bedanken, der als „Editor-in-Chief“ der gesamten AE-Manualreihe zum Gelingen dieses Buches ganz erheblich beigetragen hat. Ich wünsche jedem Leser einen erträglichen Erkenntnisgewinn und hoffe – bzw. bin mir sicher –, dass der eine oder andere Aspekt aus dem Manual sein tägliches Handeln beeinflussen wird.
Dieter C. Wirtz
Inhalt
1 Anatomie des Kniegelenks (Articulatio genus)����������������������������������尓��������╅╇ 1 A. Prescher 1.1â•…Einführung����������������������������������尓������������������������������������尓�����������������������╅╇ 1 1.2â•…K nöcherne Strukturen����������������������������������尓������������������������������������尓�����╅╇ 1 1.2.1â•…Femur����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������╅╇ 1 1.2.2â•…Tibia����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������╅╇ 3 1.2.3â•…Patella����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������╅╇ 4 1.2.4â•…Fabella����������������������������������尓������������������������������������尓������������������╅╇ 6 1.3â•…Gelenkkapsel����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������╅╇ 6 1.3.1â•…Stratum fibrosum����������������������������������尓������������������������������������尓�╅╇ 6 1.3.2â•…Stratum synoviale����������������������������������尓������������������������������������尓╅╇ 7 1.3.3â•…Cavum articulare����������������������������������尓������������������������������������尓�╅╇ 7 1.4â•…Bandapparat����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������╅╇ 7 1.4.1â•…Vorderer Bandkomplex (sog. Streckapparat)����������������������������╅╇ 7 1.4.2â•…Seitenbandapparat����������������������������������尓������������������������������������尓╅╇ 8 1.4.3â•…Hinterer Bandapparat ����������������������������������尓����������������������������� â•… 10 1.4.4â•…Zentraler Bandkomplex (Ligg. cruciata, sog. Binnenbänder) ����������������������������������尓������������������������������������尓����� â•… 11 1.5â•…Meniski ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╅ 13 1.6â•…Bursen ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������� â•… 14 1.6.1â•…Ventrale Bursen ����������������������������������尓������������������������������������尓�� â•… 14 1.6.2â•…Dorsale Bursen ����������������������������������尓������������������������������������尓��� â•… 14 1.6.3â•…Seitliche Bursen ����������������������������������尓������������������������������������尓��╅ 15 1.7â•…Leitungsbahnen des Kniegelenks ����������������������������������尓�����������������������╅ 15 1.7.1â•…A rterien des Kniegelenks allgemein ����������������������������������尓������╅ 15 1.7.2â•…Blutgefäßversorgung der Patella ����������������������������������尓������������ â•… 16 1.7.3â•…Nerven ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������� â•… 16 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������������� â•… 17 2 Biomechanik des Kniegelenks ����������������������������������尓����������������������������������╅ G. N. Duda, M. O. Heller, T. Pfitzner, W. R. Taylor, C. König und G. Bergmann 2.1â•…Einleitung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������╅ 2.2â•…Grundlagen der muskuloskeletalen Belastungen ��������������������������������╅ 2.2.1â•…Bedeutung der Muskelkräfte für die Belastung der Knochen ����������������������������������尓������������������������������������尓�������╅
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Inhalt
2.2.2â•…Balance zwischen äußere Lasten und inneren Beanspruchungen ����������������������������������尓�����������������������������������╅ 2.2.3â•…In-vivo-Messungen der muskuloskelettalen Belastungen ������� â•… 2.2.4â•…Gelenkkinetik (Gelenkkräfte) ����������������������������������尓���������������� â•… 2.2.5â•…In-vivo-Belastungsmessungen ����������������������������������尓��������������� â•… 2.2.6â•…Gelenkkinematik (Gelenkbewegung) ����������������������������������尓���� â•… 2.3â•…Patellofemorales Gelenk ����������������������������������尓������������������������������������尓� â•… 2.4â•…Belastungen am Kniegelenk╯– zukünftige Perspektiven �������������������� â•… Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������������� â•… 3 Ätiologie und Pathogenese der Gonarthrose ����������������������������������尓����������╅ G. Pap und I. Meinecke 3.1â•…Definition und Klassifikation der Gonarthrose ����������������������������������尓� â•… 3.1.1â•…Definition ����������������������������������尓������������������������������������尓������������� â•… 3.1.2â•…Klassifikation ����������������������������������尓������������������������������������尓������ â•… 3.2â•…Ätiologie der Gonarthrose ����������������������������������尓���������������������������������� â•… 3.2.1â•… Entstehungsursachen ����������������������������������尓������������������������������ â•… 3.2.2â•…Risikofaktoren ����������������������������������尓������������������������������������尓����╅ 3.3â•…Pathogenese der Gonarthrose ����������������������������������尓����������������������������� â•… Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓�����������������������������������╅ ntwicklung der Knieendoprothetik, Indikation 4 E und sozioökonomische Gesichtspunkte ����������������������������������尓�������������������╅ J. Mettelsiefen, S. Kirschner, J. Lützner und K.-P. Günther 4.1â•…Historische Entwicklung der Knieendoprothetik �������������������������������� â•… 4.2â•…Indikationskriterien ����������������������������������尓������������������������������������尓�������� â•… 4.3â•…A ktuelle Prävalenz und Inzidenz ����������������������������������尓���������������������� â•… 4.4â•…Sozioökonomische Gesichtspunkte ����������������������������������尓�������������������� â•… Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������������� â•… 5 Implantate ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������╅ M. Flören und H. Reichel 5.1â•…Materialien und Oberflächen ����������������������������������尓������������������������������ â•… 5.2â•…Implantatdesigns ����������������������������������尓������������������������������������尓������������� â•… 5.2.1â•…Unikondyläre Knieprothesen ����������������������������������尓����������������� â•… 5.2.2â•… Oberflächenersatzprothese ����������������������������������尓���������������������╅ 5.2.3â•…Teilgekoppelte Knieprothesen ����������������������������������尓���������������� â•… 5.2.4â•…„Rotating“- und „Fixed-hinge“-Implantatsysteme ������������������╅ 5.3â•…Tribologie: fixed oder mobile bearing? ����������������������������������尓�������������� â•… 5.4â•…Verankerungsprinzipien: zementiert oder zementfrei? �����������������������╅ Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������������� â•… 6 Biomechanik des endoprothetisch versorgten Kniegelenks ��������������������╅ W. Mittelmeier, R. Souffrant, D. Kluess, P. Bergschmidt und R. Bader 6.1â•…Numerische Simulation der Gelenkbiomechanik nach endoprothetischem Ersatz ����������������������������������尓����������������������������������� â•… 6.2â•…Biomechanische Aspekte von unikondylären Endoprothesen ������������ â•… 6.3â•…Biomechanische Aspekte von Oberflächenersatzendoprothesen �������� â•… 6.4â•…Biomechanische Aspekte von teil- und vollgekoppelten Knieendoprothesen ����������������������������������尓������������������������������������尓��������� â•… 6.5â•…Biomechanische Aspekte des retropatellaren Ersatzes �����������������������╅
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Inhalt
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6.6â•…Klinische Ergebnisse als Kennzeichen einer adäquaten Gelenkbiomechanik ����������������������������������尓������������������������������������尓�������� â•… 81 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������������� â•… 83 7 I ndikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese ����������������������������������尓������������������������������������尓����������� â•… 85 A. M. Halder und S. Köhler 7.1â•…Indikation ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������ â•… 85 7.2â•…Untersuchungen ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������� â•… 86 7.2.1â•… Anamnese ����������������������������������尓������������������������������������尓����������� â•… 86 7.2.2â•…Klinische Untersuchung ����������������������������������尓������������������������� â•… 87 7.2.3â•…Laboruntersuchung ����������������������������������尓��������������������������������� â•… 90 7.2.4â•…Apparative Untersuchung ����������������������������������尓����������������������� â•… 93 7.3â•…Aufklärung ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������� â•… 95 7.4â•…Planung des operativen Eingriffs ����������������������������������尓����������������������� â•… 96 7.4.1â•…Grundlagen ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� â•… 96 7.4.2â•…Planungskomponenten ����������������������������������尓���������������������������� â•… 97 7.4.3â•…Planung des Knocheneingriffs ����������������������������������尓��������������� â•… 97 7.4.4â•…Planung des Prothesensystems ����������������������������������尓��������������� ╇ 103 7.4.5â•…Planung des Weichteileingriffes ����������������������������������尓������������� ╇ 106 7.4.6â•…Planung der Arthrolyse ����������������������������������尓�������������������������� ╇ 107 7.4.7â•…Ergebnis der Planung ����������������������������������尓������������������������������ ╇ 108 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������������� ╇ 108 8 Anästhesie ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������� ╇ 109 S. Wirz 8.1â•… Anästhesieverfahren ����������������������������������尓������������������������������������尓������� ╇ 109 8.1.1â•… Allgemeinanästhesie ����������������������������������尓������������������������������� ╇ 109 8.1.2â•… Regionalanästhesie ����������������������������������尓���������������������������������� ╇ 112 8.1.3â•… Weitere Aspekte bei Knieoperationen ����������������������������������尓��� ╇ 118 8.2â•… Peri- und postoperative Schmerztherapie ����������������������������������尓����������� ╇ 118 8.2.1â•… Chronifizierung ����������������������������������尓������������������������������������尓���╇ 119 8.2.2â•… Schmerztherapie und „Outcome“ ����������������������������������尓���������� ╇ 119 8.2.3â•… Systemische Schmerztherapieverfahren ����������������������������������尓 ╇ 120 8.2.4â•…Regionale Schmerztherapieverfahren in der postoperativen Phase ����������������������������������尓������������������� ╇ 122 8.3â•… Fazit ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������������������� ╇ 123 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������������� ╇ 123 9 Operation der Kniegelenksendoprothese ����������������������������������尓���������������� ╇ 127 H. Röhrig 9.1â•…OP-Planung ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������� ╇ 127 9.2â•…Lagerung und Abdeckung ����������������������������������尓���������������������������������� ╇ 129 9.3â•…OP-Technik ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������� ╇ 130 9.3.1â•…OP-Zugänge ����������������������������������尓������������������������������������尓��������� ╇ 130 9.3.2â•…OP-Technik bei Standardsituationen ����������������������������������尓������ ╇ 132 9.3.3â•…OP-Technik bei anatomischen Besonderheiten ������������������������ ╇ 136 9.3.4â•…Weichteilbalancierung ����������������������������������尓���������������������������� ╇ 137 9.3.5â•…Rekonstruktion von Knochendefekten ����������������������������������尓�� ╇ 138
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Inhalt
╇ 9.4â•…Computerassistierte Operation/Navigation ����������������������������������尓������ ╇ 139 ╇ Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 141 10 Knieendoprothetik bei Tumoren ����������������������������������尓����������������������������╇ 143 M. Balke und G. Gosheger 10.1â•…Indikationen für extremitätenerhaltende Tumorchirurgie �������������� ╇ 143 10.1.1â•…Infiltration des Kniegelenks/Streckapparats ����������������������� ╇ 144 10.1.2â•… Infiltration von Gefäßen/Nerven ����������������������������������尓������ ╇ 144 10.1.3â•…Multiple Biopsiezugänge/intraläsionale Voroperationen ��� ╇ 144 10.2â•…Implantatwahl ����������������������������������尓������������������������������������尓������������� ╇ 144 10.2.1â•…Distales Femur ����������������������������������尓���������������������������������� ╇ 146 10.2.2â•… Proximale Tibia ����������������������������������尓��������������������������������� ╇ 147 10.2.3â•…Totales Knie ����������������������������������尓������������������������������������尓�� ╇ 147 10.3â•…Weichteilrekonstruktion ����������������������������������尓��������������������������������� ╇ 148 10.4â•…Peri- und postoperatives Management bei Tumorprothesen ���������� ╇ 149 10.4.1â•…Postoperatives Management ����������������������������������尓������������� ╇ 150 10.4.2â•…Komplikationen ����������������������������������尓��������������������������������� ╇ 150 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 151 11 Retropatellarer Ersatz ����������������������������������尓������������������������������������尓���������╇ 153 K.-D. Heller 11.1â•…Klinik der Retropatellararthrose ����������������������������������尓�������������������� ╇ 153 11.2â•…Patella-Alignement bei╯Varus-/Valgusknie ����������������������������������尓��� ╇ 154 11.3â•…Pro und Kontra des primären Rückflächenersatzes ������������������������ ╇ 157 11.4â•…Der╯sekundäre Patellarückflächenersatz ����������������������������������尓�������� ╇ 162 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 162 12 Postoperative Maßnahmen ����������������������������������尓������������������������������������尓�╇ 165 A. Seuser 12.1â•…Befunddokumentation ����������������������������������尓������������������������������������尓 ╇ 165 12.1.1â•…Klinische Untersuchung ����������������������������������尓�������������������� ╇ 165 12.1.2â•… Dokumentation der postoperativen Physiotherapie ����������� ╇ 165 12.1.3â•… Klinische Scores ����������������������������������尓������������������������������� ╇ 165 12.1.4â•…Objektive (apparative) funktionelle Befunddokumentation ����������������������������������尓����������������������� ╇ 166 12.2â•… Lagerungs- und Verbandstechniken ����������������������������������尓�������������� ╇ 168 12.3â•… Mobilisation und Pflege ����������������������������������尓��������������������������������� ╇ 169 12.4â•… Laborkontrollen ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� ╇ 169 12.5â•… Röntgenkontrollen ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇ 169 12.6â•… Medikamentöse Nachbehandlung ����������������������������������尓������������������ ╇ 170 12.6.1â•… Medikamentöse Schmerztherapie ����������������������������������尓���� ╇ 170 12.6.2â•… Antikoagulation ����������������������������������尓�������������������������������� ╇ 171 12.6.3â•… Antibiotikatherapie ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 171 12.6.4â•… Individuelles Medikamentenschema des Patienten ����������� ╇ 172 12.7â•… Physikalische Therapie (Harer-Becker u. Schoer 1998) ����������������� ╇ 172 12.7.1â•… Integratives Modell der Gelenkfunktion ���������������������������� ╇ 173 12.7.2â•… Symptomatische physikalische Therapie ���������������������������� ╇ 174 12.7.3â•… Funktionelle physikalische Therapie ����������������������������������尓 ╇ 177 12.7.4â•… Ermüdung – Regeneration╯– Leistungssteigerung ������������� ╇ 185 12.8â•… Tipps und Tricks (Wiedemann u. de Grüter 1987) ������������������������� ╇ 190 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 192
Inhalt
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13 Intra- und postoperative Komplikationen ����������������������������������尓������������ ╇ 195 M. Pietsch und S. Hofmann 13.1â•… Intraoperative Komplikationen ����������������������������������尓���������������������� ╇ 195 13.1.1â•… Nervenverletzungen ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 195 13.1.2â•… Gefäßverletzungen ����������������������������������尓���������������������������� ╇ 195 13.1.3â•… Periprothetische Frakturen ����������������������������������尓���������������� ╇ 196 13.1.4â•… Verletzung der Seitenbänder ����������������������������������尓������������� ╇ 196 13.1.5â•… Avulsion des Ligamentum patellae ����������������������������������尓�� ╇ 196 13.1.6â•… Verletzung des hinteren Kreuzbandes �������������������������������� ╇ 197 13.2â•… Perioperative Komplikationen ����������������������������������尓����������������������� ╇ 197 13.2.1â•… Thrombembolien ����������������������������������尓������������������������������� ╇ 197 13.2.2â•… Fettembolien ����������������������������������尓������������������������������������尓�� ╇ 197 13.2.3â•… Postoperative Nachblutung ����������������������������������尓��������������� ╇ 198 13.3â•… Postoperative Komplikationen ����������������������������������尓����������������������� ╇ 198 13.3.1â•… Periprothetische Frakturen ����������������������������������尓���������������� ╇ 198 13.3.2â•… Wundheilungsstörung ����������������������������������尓����������������������� ╇ 200 13.3.3â•… Frühinfekt ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇ 200 13.3.4â•… Nervenverletzung ����������������������������������尓������������������������������ ╇ 201 13.3.5â•… Ruptur des Ligamentum patellae ����������������������������������尓����� ╇ 201 13.4â•… Besondere Verläufe und Probleme ����������������������������������尓����������������� ╇ 202 13.4.1â•… Schmerzhafte Knieprothese ����������������������������������尓�������������� ╇ 202 13.4.2â•… Diagnose bei schmerzhafter Knieprothese ������������������������ ╇ 204 13.4.3â•… Schmerzhafte, nicht gelockerte Knieprothese ������������������� ╇ 205 13.4.4â•… Schmerzhaft gelockerte Knieprothese ������������������������������� ╇ 206 13.4.5â•… Instabile Knieprothese ����������������������������������尓���������������������� ╇ 207 13.4.6â•… Steife Knieprothese ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 208 13.4.7â•… Implantatallergie ����������������������������������尓������������������������������� ╇ 209 13.4.8â•… Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) ����������������������� ╇ 209 ╇ Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 210 14 Aseptische Knieprothesenlockerung ����������������������������������尓���������������������� ╇ 213 B. Baumann, T. Sterner und C. Rader 14.1â•…Aseptische Knieprothesenlockerung – Risikofaktoren ��������������������� ╇ 213 14.1.1â•…Patientenbezogene Faktoren ����������������������������������尓���������������╇ 214 14.1.2â•…Implantatbedingte Ursachen ����������������������������������尓��������������╇ 214 14.1.3â•…Intraoperative Einflussfaktoren und chirurgische Qualität ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� ╇ 215 14.2â•…Partikelkrankheit ����������������������������������尓������������������������������������尓�������� ╇ 216 14.2.1â•…Aseptische Osteolysen ����������������������������������尓���������������������� ╇ 219 14.2.2â•…Abriebbedingte Osteolysen ����������������������������������尓�������������� ╇ 219 14.2.3â•…Schlussbetrachtung ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 222 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 223 15 Septische Knieendoprothesenlockerung ����������������������������������尓���������������� ╇ 227 S. Gravius, G. Pagenstert und D. C. Wirtz 15.1â•…Einleitung ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������� ╇ 227 15.2â•…Epidemiologie ����������������������������������尓������������������������������������尓������������� ╇ 227 15.3â•… Pathogenese ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������� ╇ 228 15.4â•…Keimspektrum ����������������������������������尓������������������������������������尓������������ ╇ 229 15.5â•…Risikofaktoren ����������������������������������尓������������������������������������尓������������ ╇ 229
xiv
Inhalt
15.6â•…Klassifikation ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������� ╇ 229 15.6.1â•…Infektionsweg ����������������������������������尓������������������������������������尓 ╇ 229 15.6.2â•…Infektionszeitpunkt ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 230 15.7â•…Klinik ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������������� ╇ 230 15.7.1â•… Schmerzen����������������������������������尓������������������������������������尓������� ╇ 230 15.7.2â•…A namnese ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇ 231 15.7.3â•…Funktion ����������������������������������尓������������������������������������尓��������� ╇ 231 15.7.4â•…Weichteilverhältnisse ����������������������������������尓������������������������� ╇ 231 15.7.5â•…Differentialdiagnosen ����������������������������������尓������������������������ ╇ 231 15.8â•…Diagnostik ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������ ╇ 231 15.8.1â•…Laborchemie ����������������������������������尓������������������������������������尓�� ╇ 232 15.8.2â•…Bildgebende Verfahren ����������������������������������尓��������������������� ╇ 232 15.8.3â•…Mikrobiologie ����������������������������������尓������������������������������������尓 ╇ 233 15.9â•… Definition periprothetischer Infektionen ����������������������������������尓������� ╇ 236 15.10╇Therapie ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������� ╇ 236 15.10.1â•…Therapiebausteine ����������������������������������尓���������������������������� ╇ 238 15.10.2â•…Therapiealgorithmus ����������������������������������尓������������������������ ╇ 242 15.11╇Implantate ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������╇ 246 15.12╇Komplikationen ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� ╇ 247 15.13╇Sonderfälle ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������ ╇ 250 15.13.1â•…A rthrodese ����������������������������������尓������������������������������������尓��� ╇ 250 15.13.2â•…Amputation ����������������������������������尓������������������������������������尓�� ╇ 250 15.14╇Ergebnisse und Diskussion ����������������������������������尓����������������������������� ╇ 251 15.15╇Fazit ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������� ╇ 252 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 252 16 Revisionsendoprothetik im Kniegelenksbereich ����������������������������������尓���╇ 255 H. R. Merk und H. Spank 16.1â•…Präoperative Planung ����������������������������������尓������������������������������������尓�� ╇ 256 16.2â•…Operative Exposition ����������������������������������尓������������������������������������尓�� ╇ 257 16.2.1â•…Hautschnitt ����������������������������������尓������������������������������������尓���� ╇ 258 16.2.2â•…A rthrotomie und Gelenkdarstellung ����������������������������������尓 ╇ 258 16.2.3â•…Eversion der Patella ����������������������������������尓�������������������������� ╇ 259 16.3â•…Vorgehen bei ausgeprägter Valgusfehlstellung und kontraktem Kniegelenk ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������╇ 260 16.4â•…Explantation der Prothese ����������������������������������尓������������������������������╇ 260 16.5â•…Alignment und Jointline ����������������������������������尓�������������������������������� ╇ 262 16.6â•…Defektsanierung bei Wechsel einer Operation �������������������������������� ╇ 262 16.7â•…Weichteilbalancing ����������������������������������尓������������������������������������尓����� ╇ 265 16.8â•…Prothese – Stabilisierungsgrad und Verankerung ���������������������������╇ 266 16.9â•… Kniescheibe und Streckapparat ����������������������������������尓��������������������� ╇ 267 16.10╇Implantation der Revisionsprothese ����������������������������������尓��������������� ╇ 268 16.11╇Weichteilverschluss ����������������������������������尓������������������������������������尓����� ╇ 269 16.12╇Zusammenfassung ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇ 269 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 269 17 Ergebnisse der Knieendoprothetik ����������������������������������尓������������������������╇ 271 C. Lohmann, H. Meyer und W. Rüther Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 277
Inhalt
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18 Begutachtung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������ ╇ 281 H. Röhrig 18.1â•…Befunderhebung und Messmethode ����������������������������������尓��������������� ╇ 281 18.1.1â•…Beweglichkeit ����������������������������������尓������������������������������������尓 ╇ 281 18.1.2â•…Bandfestigkeit ����������������������������������尓������������������������������������尓 ╇ 281 18.1.3â•…Neurologische Diagnostik ����������������������������������尓����������������� ╇ 283 18.1.4â•…Belastbarkeit bei Endoprothesen ����������������������������������尓������� ╇ 283 18.2â•…Konsequenzen der Beurteilung bei einer Knieendoprothese ��������� ╇ 284 18.2.1â•…Gesetzliche Krankenversicherung ����������������������������������尓���� ╇ 284 18.2.2â•…Pf↜legeversicherung ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 284 18.2.3â•…Gesetzliche Rentenversicherung ����������������������������������尓������ ╇ 284 18.2.4â•…Gesetzliche Unfallversicherung ����������������������������������尓�������� ╇ 284 18.2.5â•…Private Unfallversicherung ����������������������������������尓��������������� ╇ 285 18.2.6â•…Schwerbehindertenrecht ����������������������������������尓������������������� ╇ 285 ╇ Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╇ 285 Sachverzeichnis ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������� ╇ 287
Mitarbeiterverzeichnis
Priv.-Doz. Dr. med. Dipl.-Ing. Rainer Bader Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock, Doberaner Str. 142, 18057 Rostock, Deutschland Dr. med. Maurice Balke Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie, Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster, Deutschland E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. med. B. Baumann Orthopädische Klinik der Universität Würzburg, König-Ludwig-Haus, Brettreichstr. 11, 97074 Würzburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr.-Ing. Georg Bergmann Julius Wolff Institut, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Freie und Humboldt Universität zu Berlin, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland Dr. med. Philipp Bergschmidt Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock, Doberaner Str. 142, 18057 Rostock, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Georg N. Duda Julius Wolff Institut und Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Freie und Humboldt Universität zu Berlin, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Markus Flören Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Orthopädie, Oberer Eselsberg 45, 89081 Ulm, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Georg Gosheger Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie, Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster, Deutschland Dr. med. Sascha Gravius Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn, Deutschland E-Mail:
[email protected]
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Prof. Dr. med. Klaus-Peter Günther Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, Deutschland Priv.-Doz. Andreas M. Halder Sana-Kliniken Sommerfeld, Hellmuth-Ulrici-Kliniken, Klinik für Endoprothetik, Waldhausstraße 1, 16766 Kremmen, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller Herzogin-Elisabeth-Hospital, Orthopädische Klinik, Leipziger Straße 24, 38124 Braunschweig, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. biol. hum. Markus O. Heller Julius Wolff Institut und Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Freie und Humboldt Universität zu Berlin, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland Univ.-Doz. Dr. med. Siegfried Hofmann Allgemeines und orthopädisches LKH Stolzalpe, Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, 8852 Stolzalpe, Österreich Dr. med. Stephan Kirschner Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dipl.-Ing. Daniel Kluess Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock, Doberaner Str. 142, 18057 Rostock, Deutschland C. König Julius Wolff Institut und Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Freie und Humboldt Universität zu Berlin, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland Prof. Dr. med. Christoph Lohmann Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, 20246 Hamburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Jörg Lützner Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, Deutschland Dr. med. Ingmar Meinecke Orthopädisch-Traumatologisches Zentrum, Parkkrankenhaus Leipzig, Strümpellstraße 41, 04289 Leipzig, Deutschland Prof. Dr. med. Harry R. Merk Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Universitätsklinikum Greifswald der Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald (AöR), Ferdinand-Sauerbruch-Straße, 17475 Greifswald, Deutschland E-Mail:
[email protected]
Mitarbeiterverzeichnis
Mitarbeiterverzeichnis
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Dr. med. Jan Mettelsiefen Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, Deutschland H. Meyer Klinik für Orthopädie, Rheumaklinik Bad Bramstedt, Oskar-Alexander-Straße 26, 24576 Bad Bramstedt, Deutschland Prof. Dr. med. Wolfram Mittelmeier Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock, Doberaner Str. 142, 18057 Rostock, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Geert Pagenstert Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn, Deutschland Priv.-Doz. Dr. med. Géza Pap Orthopädisch-Traumatologisches Zentrum, Parkkrankenhaus Leipzig, Strümpellstr. 41, 04289 Leipzig, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Tilmann Pfitzner Julius Wolff Institut und Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Freie und Humboldt Universität zu Berlin, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland Dr. med. Martin Pietsch Allgemeines und orthopädisches LKH Stolzalpe, Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, 8852 Stolzalpe, Österreich E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Andreas Prescher Institut für Anatomie der RWTH Aachen, Wendlingweg 2, 52074 Aachen, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Christof P. Rader St. Franziskus-Hospital Köln, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schönsteinstr. 63, 50825 Köln, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Heiko Reichel Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Orthopädie, Oberer Eselsberg 45, 89081 Ulm, Deutschland Dr. med. Herbert Röhrig Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Wolfgang Rüther Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, 20246 Hamburg, Deutschland Dr. med. Axel Seuser Kaiser-Karl-Klinik, Orthopädische Abteilung, Graurheindorfer Str. 137, 53117 Bonn, Deutschland E-Mail:
[email protected]
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Dipl.-Ing. Robert Souffrant Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock, Doberaner Str. 142, 18057 Rostock, Deutschland Dr. med. Heiko Spank Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Universitätsklinikum Greifswald der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (AöR), Ferdinand-Sauerbruch-Straße, 17475 Greifswald, Deutschland Dr. med. Thomas Sterner St. Franziskus-Hospital Köln, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schönsteinstr. 63, 50825 Köln, Deutschland Dr.-Ing. William R. Taylor Julius Wolff Institut und Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Freie und Humboldt Universität zu Berlin, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland Prof. Dr. med. Dieter C. Wirtz Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Stefan Wirz Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin CURA-St. Johannes Krankenhaus, Schülgenstraße 15, 53604 Bad Honnef E-Mail:
[email protected]
Mitarbeiterverzeichnis
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Anatomie des Kniegelenks (Articulatio genus) A. Prescher
In der Kniegelenkchirurgie ist die Anatomie der Schlüssel zum Erfolg D. C. Hughston
1.1 Einführung Das Kniegelenk ist schon seit langer Zeit intensiv unter anatomischen, funktionellen und entwicklungsgeschichtlichen Gesichtspunkten bearbeitet worden. Trotzdem sind bis heute noch nicht alle Details hinreichend verstanden und geklärt. Als klassische Arbeiten, die sozusagen das Fundament der späteren Forschungen und Darstellungen legten, seien zum einen die „Anatomie der Gehwerkzeuge“ der Gebrüder Weber aus dem Jahre 1836 genannt und zum anderen die Monographie von Robert „Über die Anatomie und Mechanik des Kniegelenkes“ aus dem Jahre 1855 (Robert 1855). Eine gute Übersicht über die weitere sehr spannende Entwicklung der anatomisch-physiologischen Forschungen zum Kniegelenk geben Wetz u. Jacob (2001). Das Kniegelenk ist das größte Gelenk des menschlichen Körpers und weist zwei Freiheitsgrade auf: Es kann gestreckt und gebeugt werden und zusätzlich kann in der Beugeposition noch eine axiale Längsrotation ausgeführt werden. Damit erfüllt das Kniegelenk zwei konträre Anforderungen: Es muss in der Streckstellung eine hohe Stabilität gewährleisten und die Teilkörpergewichte tragen und zusätzlich muss es in der Beugestellung gut beweglich sein, um dem Fuß den nötigen Verkehrsraum zur Verfügung zu stellen. Um diesen Anforderungen zu genügen, ist ein kompliziertes Gelenk entstanden, das als typisches Beispiel für ein zusammengesetztes Gelenk, eine Articulatio composita, gelten kann. Es besteht
aus einer Articulatio femorotibialis und einer Articulatio femoropatellaris. Die Articulatio femorotibialis wird durch die Einfügung der Meniski noch weiter untergliedert in eine „Articulatio meniscofemoralis“ und eine „Articulatio meniscotibialis“. Weiterhin kann das Kniegelenk als typische Articulatio bicondylaris angesehen werden, in der zwei räumlich voneinander getrennte Gelenke immer zusammenspielen. Bezüglich der Mechanik sind Scharnierbewegung und Rotation konstruktiv miteinander vereinigt, so dass es sich beim Kniegelenk um einen Trochoginglymus, ein Drehgleitgelenk, handelt.
1.2 Knöcherne Strukturen 1.2.1 Femur Das Femur läuft distal in zwei Gelenkrollen, Condylus medialis et lateralis, aus, die ventral durch die sattelförmige Facies patellaris, das Gleitlager für die Patella, miteinander verbunden werden. Dabei wird die Facies patellaris durch eine Linea condylopatellaris medialis bzw. lateralis von den Kondylengelenkflächen getrennt. Der laterale Anteil der Facies patellaris reicht weiter nach proximal als der mediale. Die Femurtrochlea zeigt im Bereich des Patellagleitlagers nur selten eine symmetrische Ausprägung (Euplasie), vielmehr kommt hier häufig
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_1, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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eine Hypoplasie der medialen Kondylenwange vor. Die unterschiedlichen Ausprägungen können nach Gschwend u. Bischofsberger (1971) klassifiziert werden und stehen in engem Zusammenhang mit der Ausformung der Gelenkflächen der Patellarückseite. Die größte Knorpeldicke findet sich auf der lateralen Kondylenwange (Putz et╯al. 1987). Dorsal werden die beiden Kondyli durch die tiefe, knorpelfreie Fossa intercondylaris voneinander geschieden. Die Fossa intercondylaris stellt nicht nur einen Raum zur Aufnahme der Kreuzbänder dar, sondern dient auch der Stabilisierung des Kniegelenks in der Streckstellung. In der Streckstellung verzahnt sich nämlich die Eminentia intercondylaris der Tibia innerhalb der Fossa (Abb.â•›1.1a), so dass keine Rotationsbewegungen oder Seitenverschiebungen möglich werden. Diese Bewegungen werden erst in der Beugestellung wieder freigegeben (Abb.â•›1.1b). Im Bereich des Daches der Fossa intercondylaris befinden sich mehrere großkalibrige Foramina nutricia, die sich auch radiologisch manifestieren können (Abb.â•›1.1b). Der kompakte Knochen des Daches der Fossa intercondylaris stellt in der seitlichen Projektion das morphologische Korrelat der Blumensaatlinie dar (Abb.â•›1.2a, b), die als wichtige Orientierungslinie und Landmarke dient. Im vorderen Abschnitt liegt lateral eine flache Rinnenbildung,
Abb.â•›1.1. a Kniegelenk in Streckstellung. Man beachte die genau in die Fossa intercondylaris passende Eminentia intercondylaris, die seitliche Verschiebungen und eine Rotationsbewegung unmöglich macht. b Kniegelenk in Beugestellung. Man beachte den Raumgewinn in der Fossa intercondylaris, der die Rotationsbewegung ermöglicht. Der Stern markiert das Tuberculum tractus iliotibialis Gerdy und der Pfeil weist auf die Foramina nutricia im Dach der Fossa intercondylaris
A. Prescher
Abb.â•›1.2.↜ a Mediansagittaler Sägeschnitt durch das distale Femurende. Die beiden Pfeile weisen auf die kräftige Kompaktalamelle des Daches der Fossa intercondylaris. b Seitliche Röntgenaufnahme des distalen Femurs mit Blumensaatlinie (↜Pfeile). Die Linie entspricht dem Dach der Fossa intercondylaris. (Für die Röntgenaufnahme bin ich Herrn Prof. Dr. med. B. Wein, Aachen, sehr zu Dank verpflichtet)
in die sich das vordere Kreuzband bei der Extensionsstellung einlagert (Grant 1962). Diese Rinne wird klinisch auch gerne als „Notch“ bezeichnet (Abb.â•›1.3). Der mediale, kräftigere Kondylus reicht bei unphysiologischerweise vertikal orientiertem Femur ca. 1–2â•›cm tiefer herab als der laterale. Seitlich oberhalb der beiden Kondylen findet sich jeweils eine prominente, aufgeraute Knochenpartie, der Epicondylus medialis bzw. lateralis. Auf dem Epicondylus medialis muss noch das Tuberculum adductorium erwähnt werden, das der Insertion der Hauptsehne des M. adductor magnus dient. In der Umgebung des Tuberculum adductorium finden sich bei Kindern und Jugendlichen oft Knochenirregularitäten, sog. „tug lesions“, die nicht mit malignen Prozessen verwechselt werden dürfen (Barnes u. Gwinn 1974). Für die biomechanische Analyse des Kniegelenks sind die Krümmungsverhältnisse der Femurkondylen von be-
1â•… Anatomie des Kniegelenks (Articulatio genus)
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Abb. 1.3.↜ Die Pfeile weisen auf die „Notch“ von Grant, in die sich bei Streckung das vordere Kreuzband straff einlegt und an der Knochenkante ein Hypomochlion findet
sonderer Bedeutung. Prinzipiell liegen am distalen Femurende bikonvexe Gelenkflächen vor, d.â•›h., es besteht sowohl eine Krümmung in der Sagittalebene als auch in der Frontalebene. Die sagittale Krümmung wird aus kleinen Kreisbögen zusammengesetzt, deren Radien von hinten nach vorne zunehmen, d.â•›h. dass die sagittale Krümmung von vorne nach hinten allmählich zunimmt, bis der dorsale Abschnitt schließlich fast einem Kreisbogen entspricht. Es handelt sich somit um eine typische Spirale, wie es schon die Gebrüder Weber (1836) festgestellt haben. Sehr genaue Vermessungen der Krümmungsverhältnisse liegen von Bugnion (1892) vor. Die Oberflächenkontur entspricht in der Sagittalebene einer Randkurve mit unterschiedlichen Krümmungsradien. Die Krümmungsmittelpunkte aller Gelenkflächenteilstrecken bilden die Evolute. Als Evolvente hingegen wird die Randkurve der Gelenkoberfläche bezeichnet. Medialer und laterale Kondylus unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer sagittalen Krümmung, sondern auch in morphologischen Details. So läuft die Gelenkfläche des medialen Kondylus dorsal in eine kleine, nach kranial gerichtete, zungenförmige Ausziehung aus, wohingegen die Gelenkfläche des lateralen Kondylus in einer fast geraden Linie endet (Abb.â•›1.4). Auch die seitlichen Konturen unterscheiden sich, z.â•›B. in der Lage der Grenzrinne (Ravelli 1949). Weiter ist die Stellung der Oberschenkelrollen zueinander von Bedeutung. Nach dorsal zeigen sie eine geringe Divergenz, wodurch der Breitendurchmesser des Kniegelenks hinten größer wird. Auch
Abb.â•›1.4.↜ Distales Femurende von dorsal. Die Konturierung stellt die unterschiedliche Gestaltung des medialen und lateralen Kondylus heraus. Man beachte die zungenförmige Ausziehung am medialen Kondylus (↜Pfeil)
stehen sie nicht parallel zueinander, sondern geneigt, so dass die Außenränder tiefer stehen als die Innenränder der Rollen. Im distalen Femurende sollte zur Geburt ein Knochenkern, der Beclard’sche Kern, vorhanden sein (Reifezeichen!). Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zeigt die Profilaufnahme eine dreieckige Aufhellung im vorderen Bereich der distalen Femurepiphyse, die als „Ludloff’scher Fleck“ bezeichnet wird und zur regulären Anatomie gehört. Die distale Epiphysenfuge verschließt sich um das 20. Lebensjahr.
1.2.2 Tibia Das proximale Tibiaende, der sog. Tibiakopf, wird von einem Condylus lateralis und einem Condylus medialis gebildet. Die obere Fläche, das Tibiaplateau, weist eine mediale und eine laterale, jeweils eiförmige Gelenkfläche auf, die durch die Eminentia intercondylaris voneinander getrennt werden. Die proximalen Gelenkflächen der Tibia passen wegen ihrer geringen Konkavität schlecht zu den Femurrollen (Fick 1904) und meistens liegt die laterale Gelenkfläche etwas
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höher. Da sich die Gelenkflächen auf die Tuberkula der Eminentia intercondylaris erstrecken, erhalten sie eine leicht konkave, von lateral nach medial zunehmende Höhlung, wobei die Knorpelbedeckung im Bereich der Tuberkula dicker ist als im peripheren, von den Meniski bedeckten Randsaum. Vor der Eminentia intercondylaris befindet sich die Area intercondylaris anterior, dahinter die Area intercondylaris posterior. Die Eminentia intercondylaris selbst besteht aus zwei nebeneinander gelegenen Knochenhöckern, dem Tuberculum intercondylare mediale bzw. laterale. Nach den Untersuchungen von Bauer (1931) werden drei Ausprägungen der Eminentia intercondylaris beschrieben: ●╇Typ I: mediales Tuberkulum höher als laterales (62â•›%), ●╇ Typ II: beide Tuberkula gleich hoch (30â•›%), ●╇Typ III: laterales Tuberkulum höher als mediales (8â•›%). Die Eminentia intercondylaris ist ein sehr effektiver knöcherner Stabilisator (s. oben). Ventral am proximalen Tibiaende liegt die mächtige Tuberositas tibiae, die der Insertion des Lig. patellae dient. Etwas lateral kann ein weiterer, schwach ausgebildeter Knochenhöcker gesehen werden, der als Tuberculum tractus iliotibialis Gerdy bezeichnet wird und der der Befestigung des Tractus iliotibialis (Maissiat’scher Streifen) dient. An der hinteren seitlichen Fläche der Tibia befindet sich die Gelenkfacette für die Anlagerung der Fibula. Da sich die Fibula ursprünglich auch an der Bildung des Kniegelenks beteiligt hat, besteht als historischer Rest dieser Entwicklung häufig eine Kommunikation zwischen dem Kniegelenk und der Articulatio tibiofibularis proximalis. Das Tibiaplateau ist um ca. 9° nach dorsal geneigt (Retroversio tibiae), außerdem liegen die Gelenkkörper dorsal der Tibiaschaftachse, was als Retropositio bezeichnet wird. Der Knochenkern der proximalen Tibiaepiphyse erscheint am Ende des 10. Fetalmonats. Der Apophysenkern der Tuberositas tibiae tritt um das 12. Lebensjahr herum auf und verschmilzt dann mit der proximalen Epiphyse. Die proximale Epiphysenfuge fusioniert zwischen dem 19. und 21. Lebensjahr. In manchen Fällen kann ein Tuberculum intercondylicum tertium bzw. quartum beobachtet werden (Ravelli 1949). Das Tuberculum intercondylicum tertium (Abb.â•›1.5), auf das Politzer u. Pick (1937) erstmalig aufmerksam machten, liegt im Be-
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Abb.â•›1.5.↜ Tibiaplateau. Der Pfeil weist auf das Tuberculum intercondylicum tertium, das sich aus der Area intercondylaris anterior, dicht am Rand der medialen Gelenkfläche, erhebt. Der Stern markiert den medialen Kondylus
reich der Area intercondylaris anterior und kommt in ca. 3â•›% vor (Ravelli 1949). Das seltenere (ca. 1,1â•›%), von Wichtl (1941) erstmalig nachgewiesene, Tuberculum intercondylicum quartum liegt im Bereich der Area intercondylaris posterior.
1.2.3 Patella Die Patella stellt das größte, in die Sehne des M. quadriceps femoris eingelagerte Sesambein des menschlichen Körpers dar und weist eine dreieckige Gestalt auf. Kranial liegt die Basis patellae, kaudal der Apex patellae. Auf der Facies anterior patellae können zarte Knochenrinnen gesehen werden, in denen die Sehnenfasern der Quadrizepssehne verlaufen und über Sharpey’sche Fasern auch im Knochen verankert sind. Kommt es zur Ossifikation dieser Fasern (Fibroostose), so entstehen die sehr häufig im Bereich der Patellabasis, aber auch im Bereich der Patellaspitze zu beobachtenden Patellazähne (oberer und unterer Patellasporn; Abb.â•›1.6a). Auch werden auf der Facies anterior immer wieder feine Foramina nutricia beobachtet, die für die Blutgefäßversorgung der Kniescheibe wichtig sind (Abb.â•›1.6e). Die dorsale Seite der
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Abb.â•›1.6↜. a Patella mit oberen und unteren Patellaspornen (↜Pfeile) und teilweiser Ossifikation der Quadrizepssehne auf der Vorderfläche. b Patella in der Ansicht von dorsal mit Haglund’scher Delle (↜Stern). c Patella in der Ansicht von dorsokranial. Die beiden Pfeile weisen auf eine zusätzliche Knochenkante. An dieser Stelle biegt die mediale Facette in eine
sagittale Orientierung um (Odd’sche Facette). d Patella bipartita mit laterokranialem isolierten Knochenelement (↜Stern). e Patella bipartita mit isoliertem Spitzenkern (↜Stern). Der Pfeil weist auf typische Foramina nutricia. f Patella emarginata. Der Pfeil weist auf den charakteristischen knöchernen Defekt
Patella weist nur oberhalb des Apex patellae eine Gelenkfläche auf, so dass die Rückseite des Apex frei bleibt und nur von einer sehr dünnen Kompaktalamelle überkleidet wird. Hier treten ernährende Gefäße in die untere Partie der Patella ein. Die Gelenkfläche der Patella wird durch einen senkrechten Knochenfirst in eine mediale und eine laterale Gelenkfacette unterteilt. In der Regel ist die mediale Facette kleiner als die laterale. Immer ist die Patella medial dicker als lateral. Die beiden Gelenkflächen der Facies posterior patellae sind gegeneinander geneigt und bilden somit den Patellaöffnungswinkel, der ca. 120–140° beträgt. Insbesondere bei langen Patellaformen kann zentral eine schwache Eindellung beobachtete werden: die Haglund’sche Delle (Abb.â•›1.6b). Am medialen Rand biegt die Gelenkfläche oft in eine sagittale, kleine zusätzliche Gelenkrandfacette um, die als Odd-Facette
(„zusätzliche“ Facette) bezeichnet wird (Abb.â•›1.6c). Je nach Ausprägung der medialen und der lateralen Gelenkfacetten werden unterschiedliche Patellatypen definiert, die nach Wiberg (1941) und Baumgartl (1964) eingeteilt werden können (Abb.â•›1.7). Diese Klassifikation basiert auf der Patellamorphologie, wie sie sich in der Defile-Aufnahme darstellt. Auch die seitliche Profilaufnahme der Patella kann zur Einteilung der außerordentlich variablen Patellaform verwendet werden (Hepp 1983). Hin und wieder bestehen an der Patella isolierte Knochenpartien, so dass eine Patella bipartita oder multipartita vorliegt. Am häufigsten findet sich ein persistierender eigenständiger Knochenkern an der lateralen Seite der Patella (Abb.â•›1.6d). Auch die Spitze des Apex patellae kann isoliert sein (Abb.â•›1.6e). Befindet sich auf der lateralen Seite eine Einmuldung, in der jedoch kein isolierter Knochenkern liegt, so wird von
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~120-140°
Typ I Euplasie lateral
Typ II
Typ III mediale Hypoplasie
mediale Hypoplasie mit Odd-Facette
medial
“Jägerhut”
“Flachpatella”
“Kieselstein”
“Halbmond”
Abb.╛1.7.↜ Patellatypen modifiziert dargestellt nach Wiberg (1941); Baumgartl (1964) und Dihlmann (1987)
einer Patella emarginata (Abb.â•›1.6f) gesprochen; diese Entität wurde von Kempson (1902) erstmals beschrieben und der Terminus „emargination“ eingeführt. Eine genaue und originelle Untersuchung zur Erklärung der Patella bipartita und der Emargination legte Olbrich (1950) vor. In der knorpelig präformierten Kniescheibe entwickeln sich im 3.–4. Lebensjahr mehrere Knochenkerne, die zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr synostotisch miteinander verschmelzen. Die Entwicklung der Patella zeigt zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr einen starken Geschlechtsdimorphismus (Hellmer 1935, 1941). Die Patella ist eine für das Kniegelenk sehr wichtige Struktur, die die Wirksamkeit der Quadrizepssehne steigert und die Gelenkbelastung verringert (Kapandji 2006).
1.2.4 Fabella Im Caput laterale des M. gastrocnemius kommt in 16,3â•›% (Hessen 1946) ein rundlich-ovales Sesambein vor, das als Fabella (Böhnchen) oder Sesamum genus superius laterale bezeichnet wird. In 63–85â•›% besteht Doppelseitigkeit. Nach Kitahara (1935) kommt die Fabella bei Negern und Formosa-Wilden fast konstant vor. In der Regel kann die Fabella wegen fehlender Ossifikation nicht vor dem 12.–15. Lebensjahr festgestellt werden. Die laterale Fabella wird durch einen langen, oberflächlichen Bandzug, dem Lig. fabellofibulare Vallois, (Abb.â•›1.9a) am Fibulaköpfchen befestigt. Selten kann auch im medialen Ursprungskopf
des M. gastrocnemius eine Fabella auftreten und als besondere Rarität muss das simultane mediale und laterale Vorhandensein gewertet werden (Kremser 1930), das jedoch bei vielen Tieren (Ratten, Kaninchen und Fleischfressern) die Regel ist. In der vergleichenden Anatomie werden die Fabellae auch als Ossa Vesaliana bezeichnet. Die klinische Bedeutung der Fabella besteht in der Verwechslung mit einem freien Gelenkkörper oder einer traumatischen Knochenabsprengung. Bei starker Überstreckung des Kniegelenkes kann es auch zu einem Querbruch der Fabella kommen.
1.3 Gelenkkapsel 1.3.1 Stratum fibrosum Die Gelenkkapsel des Kniegelenks weist, was Fick (1904) eindrücklich betont, wie üblich zwei Schichten, das Stratum fibrosum und das Stratum synoviale, auf. Das Stratum fibrosum inseriert ca. 1â•›cm neben der Knorpel-Knochen-Grenze des Femurs und der Tibia und umschließt das gesamte Kniegelenk, wobei es an der die Fossa intercondylaris dorsokranial begrenzenden Linea intercondylaris inseriert. Dadurch überspannt es die Fossa als stark gestraffte kollagenfaserige Platte, die von Blutgefäßen (A/V. media genus) perforiert wird. Seitlich ist das Stratum fibrosum mit den Meniskusbasen fest verwachsen. Lateral und medial ist das Stratum fibrosum kräftig verstärkt, so
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dass hier oft von einem medialen und einem lateralen Kapselband gesprochen wird.
1.3.2 Stratum synoviale Das Stratum synoviale ist im anterioren, medialen und lateralen Bereich an der Knochen-Knorpel-Grenze des Femurs und des Tibiakopfs befestigt. Dorsal schiebt es sich zwischen die beiden Gelenkfacetten des Tibiaplateaus und umfasst die Area intercondylaris anterior. Dadurch wird der Kreuzbandkomplex ebenfalls umgriffen und gelangt in eine extraartikuläre, (s. extrasynoviale) Lage zwischen Stratum synoviale und fibrosum. Am Femur liegt die Befestigungslinie in der Fossa intercondylaris, an den dorsalen und lateralen Knorpelrändern der Kondylen und an den Seitenrändern der Facies patellaris. Im Bereich der distalen Femurvorderfläche wird ein mächtiges Fettpolster überkleidet (Abb.â•›1.9a, b). Unterhalb der Patella schiebt sich zwischen das Stratum fibrosum und das Stratum synoviale ein pyramidenförmiger Fettkörper. Dieser verformbare Körper wird als Corpus adiposum infrapatellare Hoffa (Abb.â•›1.9a, b und 1.11) bezeichnet und weist an seiner Oberfläche zwei von den Patellaseitenrändern herablaufende zottenförmige Fettfalten auf, die Plicae alares. Ist die mediale Plica alaris besonders prominent ausgebildet, wird sie auch als Plica parapatellaris medialis bezeichnet und kann Ursache eines Plicasyndroms werden. Mediosagittal geht vom Hoffa’schen Fettkörper eine variabel gestaltete Synovialfalte aus, die sich dem vorderen Kreuzband anlegt und in der Fossa intercondylaris angeheftet ist. Bei kräftiger Ausprägung darf diese gefäßführende Plica synovialis infrapatellaris (s. Rudimentum septi genus) arthroskopisch nicht mit dem vorderen Kreuzband selbst verwechselt werden. Bei dieser Falte handelt es sich um ein weitgehend funktionsloses, entwicklungsgeschichtliches Relikt der ehemaligen Trennwand des Kniegelenks.
1.3.3 Cavum articulare Der außerordentlich geräumige Gelenkraum des Kniegelenks erstreckt sich bis ca. 3â•›cm unter die Strecksehne,
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wobei dieser Bereich als „oberer Rezessus“ des Kniegelenks bezeichnet wird. Von diesem wird in den meisten Fällen durch eine zirkuläre oder halbmondförmige Wulstbildung, die Plica suprapatellaris, ein Recessus suprapatellaris abgesetzt, der sich von einer ursprünglich nicht mit dem Kniegelenk kommunizierenden Bursa, der Bursa suprapatellaris, ableitet. Oft werden die beiden auf unterschiedliche Weise entstehenden Räume nomenklatorisch nicht unterschieden und nur von einem Recessus suprapatellaris gesprochen. Der Recessus suprapatellaris ist funktionell außerordentlich bedeutsam, da hier das für die Kniebeugung über 90° so wichtige Reservematerial zur Verfügung gestellt wird (sog. Entrollfunktion; Müller 1982). Distal des Ursprungsfeldes des M. vastus intermedius entspringen noch einzelne Muskelfasern von der Femurvorderfläche, die im proximalen Scheitelbereich des Recessus suprapatellaris inserieren und die als M. articularis genus bezeichnet werden. Dieser Muskel unterstützt das Offenhalten des Rezessus und beugt seiner Obliteration vor. Von Bedeutung ist der Recessus subpopliteus, der sich unter die Sehne des M. popliteus schiebt und in ca. 14â•›% der Fälle mit dem Gelenkraum der Articulatio tibiofibularis in Kontakt steht. An den Seitenrändern der Patella finden sich die variabel ausgebildeten rinnenförmigen Recessus parapatellares. Die Gelenkkapsel des Kniegelenks wird durch kräftige Bänder verstärkt, so dass bei weitgehend fehlender Knochenführung eine ausgeprägte Bandführung entsteht. Der Kapsel-Band-Apparat des Kniegelenks kann am besten nach topographischen Gesichtspunkten untergliedert werden, so dass ein vorderer, medialer, lateraler, hinterer und zentraler Bandkomplex zu beschreiben ist.
1.4 Bandapparat 1.4.1 Vorderer Bandkomplex (sog. Streckapparat) Der Streckapparat (Abb.â•›1.8) umfasst neben der Patella folgende ligamentäre Strukturen: 1. Tendo m. quadricipitis und Lig. patellae, 2. Retinaculum patellae longitudinale mediale bzw. laterale,
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laufende kollagene Faserzüge angetroffen, die in ihrer Gesamtheit das mediale bzw. laterale Retinaculum transversale bilden. Im Einzelnen werden, je nach Insertion, verschiedene Anteile beschrieben. Befestigen die Faserzüge die Patella am Femur, so werden sie als mediales bzw. laterales Lig. patellofemorale bezeichnet. Insbesondere das Lig. patellofemorale mediale ist funktionell wichtig, da es die laterale Dislokation der Patella verhindert. Schräge Faserzüge, die sowohl medial als auch lateral zur Tibia ziehen, werden als Lig. patellotibiale mediale bzw. laterale benannt und sichern die Kniescheibe ebenfalls gegenüber seitlichen Verschiebungen. Unter diesen queren Retinakula werden weitere schräge Faserzüge beobachtet, die von der Patella an die Vorderhörner der Meniski ziehen oder sich von den Ligg. patellotibialia abspalten. Diese, sowohl medial als auch lateral ausgeprägten Ligg. patellomeniscalia, dienen der Bewegung der Meniski bei Streckung und Rotation.
1.4.2 Seitenbandapparat Abb.â•›1.8.↜ Vorderer Bandapparat: 1 M. vastus lateralis, 2 M. rectus femoris, 3 M. vastus medialis, 4 Tendo m. quadricipitis femoris, 5 Lig. patellae, 6 Retinaculum patellae longitudinale mediale, 7 Lig. patellofemorale laterale, 8 Lig. patellotibiale laterale, 9 Lig. patellofemorale mediale, 10 Lig. patellotibiale mediale, 11 Lig. patellomeniscale, 12 Corpus adiposum infrapatellare Hoffa. Man beachte, dass der vordere Bandapparat ist in drei Schichten organisiert ist: oberflächliche Schicht – Retinaculum patellae longitudinale mediale (↜6) und laterale (nicht dargestellt). Mittlere Schicht – Retinaculum patellae transversale laterale und mediale, bestehend aus den Bandzügen 7 und 8 bzw. 9 und 10. Tiefe Schicht: Ligg. patellomeniscalia (↜11)
3. Retinaculum patellae transversale mediale bzw. laterale, 4. Ligg. patellomeniscalia. Diese Strukturen des vorderen Bandapparates sind stratigraphisch geordnet und in drei Lagen organisiert: Oberflächlich-zentral liegt die Sehne des M. quadriceps femoris, die über die Patella hinweg zieht, um dann als Lig. patellae an der Tuberositas tibiae zu inserieren. Medial und lateral zieht ein Faserkontingent dieser Sehne seitlich an der Patella vorbei zur Tibia. Diese Faserzüge werden als Retinaculum patellae mediale bzw. laterale (Reservestreckapparat) bezeichnet. Unter diesen Strukturen werden quer oder schräg ver-
Der Seitenbandapparat (Abb.â•›1.9a, b) besteht aus einem einfach strukturierten Lig. collaterale laterale (s. fibulare, Außenband) und einem komplizierten, aus mehreren Komponenten zusammengesetzten, Lig. collaterale mediale (s. tibiale, Innenband). Beide Kollateralbänder sichern das Kniegelenk in der Frontalebene, d.â•›h., ein seitliches Aufklappen des Kniegelenks wird verhindert. Die Bänder sind in maximaler Streckstellung, also nach der Schlussrotation, am stärksten gespannt und in Beugeposition entspannt, wodurch die Rotation freigegeben wird. Die Außenrotation wird dann allerdings durch die Seitenbänder auch beschränkt. Bei seitlicher Betrachtung überkreuzen sich laterales und mediales Kollateralband spitzwinkelig. Das laterale Kollateralband ist deutlich kürzer als das mediale. 1.4.2.1 Ligamentum collaterale laterale Das laterale Seitenband (Abb.â•›1.9a) ist eine unkomplizierte, fast drehrunde Struktur, die kranial vom Epicondylus lateralis femoris entspringt und kaudal an der lateralen und anterioren Partie des Caput fibulae inseriert. Durch diese Insertion wird der gesamte Bandzug nach lateral vom Gelenk abgerückt und nimmt keine
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Abb.â•›1.9↜. a Fibularer Bandapparat des Kniegelenks: 1 Lig. collaterale laterale, 2 Tendo m. poplitei, 3 Meniscus lateralis, 4 Corpus adiposum infrapatellare (Hoffa), 5 Lig. fabellofibulare (Vallois), 6 Fabella lateralis, 7 laterale Polkappe und Caput laterale m. gastrocnemii, 8 Lig. patellae, 9 Plica suprapatellaris, 10 Recessus suprapatellaris, 11 Tendo m. quadricipitis, 12 Fettkörper, 13 M. articularis genus. b tibialer Bandapparat des Kniegelenks: 1 Tendo m. quadricipitis, 2 M. articularis genus, 3 Recessus suprapatellaris, 4 Fettkörper, 5 Corpus adiposum infrapatellare (Hoffa), 6 Lig. patellae, 7 Pes anserinus superficialis, 8 Lig. collaterale mediale, 9 Meniscus medialis, 10 Lig. collaterale mediale posterius, 11 Lig. meniscofemorale, 12 Lig. meniscotibiale (s. Lig. coronarium), 13 M. semimembranosus, 14 hinteres Schrägband
Verbindung zum lateralen Meniskus und der lateralen Gelenkkapsel auf. Vielmehr entsteht unter dem Lig. collaterale laterale ein Raum, durch den die im Sulcus popliteus des Femurs eingelagerte Ursprungssehne des M. popliteus zieht. Die verbleibenden Partien werden durch ein lockeres, fetthaltiges Bindegewebe und manchmal von Schleimbeuteln ausgefüllt. Da der Epicondylus lateralis deutlich nach anterior versetzt ist, resultiert bei gestrecktem Knie eine leicht schräge Verlaufsrichtung des Bandes von kranioventral nach posterokaudal. Im dorsalen Bereich findet sich oft eine weitere Kapselverstärkung, die als Lig. collaterale laterale posterius bezeichnet worden ist (von Meyer 1853; s.â•›auch dorsaler Bandapparat). 1.4.2.2 Ligamentum collaterale mediale Beim Lig. collaterale mediale (Abb.â•›1.9b) handelt es sich um einen breitflächigen, komplizierten Bandkomplex, der vom Epicondylus medialis femoris entspringt und dann schräg über das Kniegelenk hinweg zur Tibia zieht. Hier inseriert der Bandzug ventral des
Margo medialis an der Facies medialis tibiae hinter der Insertion der Sehnen des Pes anserinus superficialis. Hervorzuheben ist die schräge Streichrichtung des Bandes (15–20° zur Achse der Tibia) in Streckstellung. Am Lig. collaterale mediale können unterschiedliche Abschnitte unterschieden werden: Der breite Bandstreifen lässt einen vorderen und einen hinteren Abschnitt erkennen. Die vordere Partie zeigt parallele kollagene Fasern, die der Gelenkkapsel (dem mittleren Abschnitt des sog. medialen Kapselbandes) nur locker aufliegen. Da diese beiden Strukturen gegeneinander verschieblich sein müssen, ist zwischen ihnen in der Regel eine Bursa ligamenti collateralis tibialis ausgebildet. Es muss besonders daraufhingewiesen werden, dass in diesem vorderen Segment keine Verbindung zum Meniskus besteht. Die hintere Partie wird auch als Lig. collaterale tibiale posterius bezeichnet und lässt einen oberflächlichen und einen tiefen Anteil unterscheiden. Der superfizielle Anteil ist parallelfaserig strukturiert und inseriert ebenfalls an der Tibia, wohingegen im tiefen Anteil kurze Faserzüge vorherrschen. Diese ziehen zum einen schräg vom Femur zur Meniskusbasis und zum anderen von der Tibia
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zur Meniskusbasis. Diese Fasersysteme werden auch als Lig. meniscofemorale und Lig. meniscotibiale (s. Lig. coronarium) bezeichnet. Die tiefen Anteile sind untrennbar in die Gelenkkapsel integriert und werden ungenau auch „mediales Kapselband“ genannt. Dorsal geht das Lig. collaterale tibiale posterius kontinuierlich in das von Hughston u. Eilers (1973) sehr detailliert beschriebene „posterior oblique ligament“ (s. hinteres Schrägband) über. Es verwundert nicht, wenn bei der komplizierten Struktur des medialen Bandkomplexes nomenklatorische Schwierigkeiten auftreten. So bezeichnen Hughston u. Eilers (1973) nur den vorderen, dem medialen Kapselband lose aufliegenden Anteil als Lig. collaterale mediale. Den gesamten hinteren, aus dem Bereich des Tuberculum adductorium entspringenden Anteil nennen sie „hinteres Schrägband“ und unterscheiden hier drei Insertionsarme: zentraler (tibialer) Zügel, oberer (kapsulärer) Zügel und unterer (distaler) Zügel. Hierbei entspricht der untere (distale) Zügel dem Lig. collaterale tibiale posterius und der zentrale (tibiale) Zügel den Ligg. meniscofemorale bzw. meniscotibiale. Bei Verwendung dieser Begriffe besteht das „hintere Schrägband“ dann nur aus dem Faserzügel, der in die dorsale Gelenkkapsel einstrahlt und mit dem Lig. popliteum obliquum in Verbindung steht. Für die Funktion des Kniegelenks, insbesondere die Stabilisierung und die Meniskusprotektion bei Beugung ist das „hintere Schrägband“ von entscheidender Funktion. An dieser Stelle muss daraufhingewiesen werden, dass die derzeit gültigen Terminologia Anatomica (1998) nur ein sehr eingeschränktes Repertoire an Begriffen bietet, das für die ausführliche anatomische Beschreibung des Knies bei weitem nicht ausreicht. Es wurden mittlerweile zahlreiche Begriffe eingeführt, die jedoch oftmals von unterschiedlichen Autoren differierend verwendet werden oder deren exakte Definition man vermeidet. Diese Definitions- und Nomenklaturproblematik kann hier nur angerissen werden; sie bedarf aber einer sorgfältigen Klärung, um Missverständnisse, oberflächlich-unscharfe Beschreibungen und Fehlinterpretationen zu vermeiden.
1.4.3 Hinterer Bandapparat Die Dorsalseite des Kniegelenks wird durch sehr kräftige Bandstrukturen verstärkt und ist in Streckstellung
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angespannt. Hierdurch wird eine Überstreckung wirkungsvoll verhindert und ein wesentlicher Beitrag zur Seitenstabilisierung geliefert. Der hintere Bandapparat (Abb.â•›1.10) ist eine recht komplizierte Anordnung von Bändern und Muskeln, wobei die Bänder zum Teil als Insertions- oder Ursprungsstrukturen von Muskeln angesehen werden müssen. Im Einzelnen werden beschrieben: 1. mediale und laterale Polkappe, 2. Tendo m. semimembranosi mit Pes anserinus profundus,
Abb.â•›1.10. Bandapparat des Kniegelenks in der Ansicht von dorsal: 1 Tendo m. semimembranosi mit den Insertionszügeln 1a–1e, die in ihrer Gesamtheit den Pes anserinus profundus bilden. 1a Lig. popliteum obliquum, 1b Zügel zur Aponeurose des M. popliteus, 1c Zügel zur Dorsalseite der Tibia, 1d Zügel zur Medialseite des Condylus medialis tibiae, 1e Zügel zum hinteren Schrägband und zum medialen Meniskus, 2 Caput mediale m. gastrocnemii mit medialer Polkappe, 3 M. plantaris, 4 Caput laterale m. gastrocnemii mit lateraler Polkappe, 5 M. popliteus, 6 Lig. collaterale laterale, 7a Lig. popliteofibulare, 7b Lig. popliteum arcuatum, 8 Tendo m. poplitei, 9 Bandverbindung des M. popliteus zum lateralen Meniskus, 10 Bandverbindung des M. popliteus zum Caput fibulae, 11 Verbindung des Pes anserinus profundus zum medialen Meniskus
1â•… Anatomie des Kniegelenks (Articulatio genus)
3. Lig. popliteum obliquum, 4. M. popliteus, 5. Lig. popliteum arcuatum. Kranial liegen über beiden Kondylenrollen Kapselverstärkungen, die als mediale und laterale Polkappe bezeichnet werden. Diese Polkappen unterfüttern die beiden Ursprungsköpfe des M. gastrocnemius, die hier mit der Gelenkkapsel fest verwachsen sind, was zu einer zusätzlichen Verstärkung führt. Eine ganz wichtige Rolle spielt die Insertion des M. semimembranosus, dessen Sehne den Pes anserinus profundus als Insertionsstruktur ausbildet und der die posteromediale Ecke des Kniegelenks besetzt und dominiert. Aus diesem Grunde hat sich auch der Begriff des „Semimembranosusecks“ eingebürgert. Es müssen fünf verschiedene Insertionszügel beschrieben werden: 1. zur Medialseite des medialen Tibiakondylus, 2. zur Dorsalseite des medialen Tibiakondylus, 3. das Lig. popliteum obliquum, 4. Verbindung zum hinteren Schrägband und zum medialen Meniskus und 5. zur Aponeurose des M. popliteus und zur dorsalen Fläche der Tibia. Ein großer Teil der Sehnenfasern des M. semimembranosus bildet das schräg über die Gelenkhinterwand ziehende Lig. popliteum obliquum. Dieses Band beginnt an der lateralen Seite der mit der Kniegelenkskapsel verwachsenen Sehne des M. semimembranosus und zieht schräg ansteigend zur lateralen Polkappe unter den M. plantaris und den lateralen Kopf des M. gastrocnemius. Ist eine laterale Fabella ausgebildet, fassen Fasern auch an diesem Sesambein Fuß. Der Bandzug wird oft von dorsal in das Kniegelenk eintretenden Gefäßen perforiert. Die dorsolaterale Ecke des Kniegelenks wird im Wesentlichen vom M. popliteus gesichert: „Popliteuseck“. Dieser Muskel entspringt mit einer kräftigen Sehne aus dem Sulcus popliteus des lateralen Femurkondylus und zusätzlich mit einer breiten, flachen Sehnenplatte vom Lig. popliteum arcuatum. Sein Muskelbauch inseriert auf der dorsalen Fläche der Tibia oberhalb der Linea m. solei. Die breitsehnige Verbindung zum Arkuatumkomplex ist funktionell bedeutsam, da sie stabilisierend und dynamisierend auf diese Bandstrukturen wirkt. Auf der lateralen Seite ist das Lig. popliteum arcuatum aus-
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gebildet, das vom Apex capitis fibulae entspringt und sich dann in zwei Zügel aufteilt: Der laterale, auch als Lig. popliteofibulare bezeichnete, verbindet sich mit der Popliteussehne. Oftmals laufen auch Fasern weiter nach kranial und inserieren in der lateralen Polkappe und an der evtl. vorhandenen Fabella. Diese Fasern werden auch als Retinaculum ligament arcuati (s. Lig. collaterale laterale posterius) bezeichnet. Ist eine Fabella vorhanden, entspricht dieser Bandzug dem Lig. fabellofibulare (s. Lig. de Vallois). Der mediale Zügel hingegen bildet die typische bogenförmige Arkade, verbindet sich mit dem Lig. popliteum obliquum und läuft dann an der dorsalen Tibiafläche aus, wobei Verbindungen zum Hinterhorn des Außenmeniskus bestehen. Unter der namensgebenden Arkade tritt die Sehne des M. popliteus in die Gelenkkapsel des Kniegelenks ein. Für die funktionelle Betrachtung werden oftmals dorsale und mediale bzw. laterale Strukturen zusammengefasst, so dass von posterolateralen und posteromedialen Strukturen gesprochen wird. Eine genaue Analyse der funktionellen Gegebenheiten all dieser Gebilde liefern Müller (1982) und Petersen et╯al. (2006).
1.4.4 Zentraler Bandkomplex (Ligg. cruciata, sog. Binnenbänder) Der sog. Binnenbandapparat (Abb.â•›1.11) wird von den beiden extrasynovial, größtenteils in der Fossa intercondylaris des Femurs gelegenen, ca. 3,8â•›cm (Girgis et╯al. 1975) bis 4â•›cm (Fick 1904) langen, schräg verlaufenden Kreuzbändern gebildet: dem Lig. cruciatum anterius und posterius. Genaue Daten zu den Abmessungen der Bänder stellt Kummer (2005) zusammen. Die beiden Bänder sind keine wirklichen Binnenraumbänder, sondern müssen als Verstärkungszüge der Kapselhinterwand (Fick 1904) aufgefasst werden. Diese Verstärkungszüge springen allerdings stark prominent in den Gelenkraum vor, so dass der Eindruck von intraartikulären Strukturen hervorgerufen wird. Sie werden nur vorn und seitlich vom Stratum synoviale eingehüllt, wohingegen dorsal das Stratum fibrosum liegt. Da sie von intraartikulär erreichbar sind, hat es sich in der Klinik jedoch eingebürgert, von einer „intraartikulären“ Lage zu sprechen (Tillmann u. Petersen 2000). Wegen der
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1.4.4.1 Lig. cruciatum anterius
Abb.â•›1.11.↜ Tibiaplateau mit Bandapparat und Menisci in der Ansicht von kranial: 1 Meniscus medialis, 2 Meniscus lateralis, 3 Lig. patellae, 4 Retinaculum patellae longitudinale mediale und laterale, 5 Ligg. patellomeniscalia, 6 Lig. collaterale mediale, 7 mediales Kapselband, 8 hinteres Schrägband, 9 Tendo m. semimembranosi, 10 M. popliteus, 11 Tendo m. poplitei mit Kapseldurchtritt, 12 Lig. collaterale laterale, 13 Lig. popliteofibulare, 14 Tractus iliotibialis, 15 Corpus adiposum infrapatellare (Hoffa), 16 Lig. transversum genus, 17 Lig. cruciatum anterius: 17a Pars anteromedialis, 17b Pars intermedia, 17c Pars posterolateralis, 18 Lig. cruciatum posterius: 18a Pars posteromedialis, 18b Pars anterolateralis, 19 Lig. meniscofemorale anterius (Humphrey), 20 Lig. meniscofemorale posterius (Weitbrecht, Wrisberg oder Robert), 21 vorderes Meniskusband
herausragenden Stabilisierungsfunktion der beiden Kreuzbänder hat die Lyoner Schule für beide Bänder zusammen auch den Begriff des „Pivot central“ geprägt. Da sich beide Bänder tatsächlich wie ein X überkreuzen, besteht der Name „Ligg. cruciata“ zu recht. Zwischen den beiden Bändern befindet sich oft ein kleiner Schleimbeutel, die Bursa intercruciata (Fick 1904). In den Kreuzbändern liegen Mechanorezeptoren und freie Nervenendigungen (Schultz et╯al. 1984; Schutte et╯al. 1987; Zimny et╯al. 1986) und bedingen eine propriozeptive Funktion der Kreuzbänder, deren Bedeutung für die Steuerung der Kniebewegungen stark angenommen wird, aber die noch nicht sicher bewiesen ist (Kummer 2005). Zum zentralen Bandkomplex können noch zwei Bandzüge gerechnet werden, die sich dem hinteren Kreuzband anlagern: Lig. meniscofemorale anterius (Humphrey) und Lig. meniscofemorale posterius (Weitbrecht, Wrisberg oder Robert).
Das Lig. cruciatum anterius (s. Abb.â•›1.11) entspringt von der medialen, hinteren Partie der Innenfläche des Condylus lateralis in einem ca. 2,3â•›cm hohen, nach ventral geneigtem Kreissegment (Girgis et╯al. 1975) und inseriert in der Area intercondylaris anterior, so dass eine schräge, von hinten-lateral nach vornemedial gerichtete Streichrichtung besteht. Dabei zeigt das etwas abgeplattete Band eine leichte Verdrillung, so dass die untere Bandpartie nach vorn-oben sieht, die obere jedoch nach lateral. Die vorderen Fasern sind länger als die hinteren, da sie kranial am Femur inserieren, wohingegen die kurzen hinteren Fasern mehr kaudal am Femur ansetzen (Kummer u. Yamamoto 1988). Nach Girgis et╯al. (1975) besteht eine regelmäßige Insertion von Fasern des vorderen Kreuzbandes am Vorderhorn des lateralen Meniskus. Das vordere Kreuzband wird nach den Untersuchungen von Fick (1911) in zwei nicht voneinander trennbare funktionell-anatomische Faserbündel aufgeteilt: Pars anteromedialis und Pars posterolateralis, wobei manche Autoren auch noch eine Pars intermedia einführen (Wagner u. Schabus 1982; s. Abb.â•›1.11). Die Spannungszustände in den verschiedenen Funktionslagen des Kniegelenkes zeigt die Tab.â•›1.1. Die Reißfestigkeit des vorderen Kreuzbandes beträgt 1725â•›N (Engebretsen u. Lewis 1996). Nach den Untersuchungen von Petersen u. Tillmann (1996) zeigt das vordere Kreuzband ca. 5–10â•›m m oberhalb der tibialen Insertion eine Faserknorpeleinlagerung. Dieser Bereich liegt topographisch in „Grant’s notch“, die hier in Streckstellung wie ein Hypomochlion wirkt. Dadurch entsteht eine Situation mit wechselnder Druck- und Schubbeanspruchung, die die Entstehung von Faserknorpel erklärt (Tillmann u. Schünke 1991). Die Gefäßversorgung des vorderen Kreuzbandes erfolgt im kranialen Tabelle 1.1.↜渀 Funktionszustände der Ligg. cruciata. (n. Fick 1911) Bänder Lig. cruciatum ant.: anteromediales + intermediäres Bündel posterolaterales Bündel Lig. cruciatum post.: anterolaterales Bündel posterolaterales Bündel
Streckung
Beugung
gespannt
schlaff
schlaff
gespannt
schlaff gespannt
gespannt schlaff
1â•… Anatomie des Kniegelenks (Articulatio genus)
Anteil aus der A. genus media und in den kaudalen Partien aus den Aa. inferiores medialis et lateralis genus. Die Gefäße dringen mit horizontalen Ästen in das Kreuzband ein und verlaufen dann parallel zu den Kollagenfibrillenbündeln (Arnoczky 1983). Nach Petersen u. Tillmann (1996) hat das Band im Bereich der Faserknorpeleinlagerung eine weitgehend avaskuläre Zone. Es ist bemerkenswert, dass von den Knocheninsertionen aus kaum eine nennenswerte Blutgefäßversorgung des Bandes erfolgt (Marshall et╯al. 1979). 1.4.4.2 Ligamentum cruciatum posterius Das Lig. cruciatum posterius (s. Abb.â•›1.11) entspringt fächerförmig in einem 3,2â•›cm langen, horizontal orientierten dorsalen Kreissegment von der lateralen Fläche des Condylus medialis und zieht schräg nach hintenlateral, um in der Area intercondylaris posterior zu inserieren. Es ist wichtig, dass ein kräftiger Anteil des Bandes über die Hinterkante der Tibia streicht, um an der dorsalen Tibiafläche Fuß zu fassen. Es besteht weiterhin eine regelmäßig vorkommende Faserverbindung zum Hinterhorn des Außenmeniskus (Girgis et╯al. 1975), die von den meniskofemoralen Ligamenten unterschieden werden muss. Eine Verbindung zum medialen Meniskus liegt nicht vor. Das hintere Kreuzband lässt im Gegensatz zum vorderen nur zwei nicht voneinander trennbare Bündel erkennen, die nach Fick (1911) als anterolaterales und als posteromediales Bündel bezeichnet werden. Bei den unterschiedlichen Funktionsstellungen des Kniegelenkes ergeben sich die Spannungsverhältnisse der Tab.â•›1.1. Die Reißfestigkeit wird für diese beiden Bündel deutlich unterschiedlich angegeben: für das anterolaterale mit 1494â•›N und für das posteromediale mit 242â•›N (Race u. Amis 1994). Einige Autoren unterscheiden mehr als drei Faserbündel (z.â•›B. Mommersteeg et╯al. 1995). Detaillierte Angaben zur Mikromorphologie des hinteren Kreuzbandes werden von Petersen u. Tillmann (2000) mitgeteilt. Die Blutgefäßversorgung des hinteren Kreuzbandes erfolgt kranial ebenfalls aus der A. genus media und kaudal aus den Aa. inferiores medialis et lateralis genus. Ähnlich wie im vorderen Kreuzband kommt auch im hinteren eine faserknorpelige Zone im mittleren Drittel des Bandes vor und bedingt hier eine weitgehend avaskuläre Zone (Petersen u. Tillmann 1999). In engem Zusammenhang mit dem hinteren Kreuzband
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liegen die beiden meniskofemoralen Bänder, das Lig. meniscofemorale anterius (Humphrey) und das Lig. meniscofemorale posterius (Weitbrecht, Wrisberg oder Robert; s. Abb.â•›1.11). Das Humphrey’sche Band zieht vom Hinterhorn des Außenmeniskus parallel und vor dem hinteren Kreuzband zur lateralen Fläche des medialen Kondylus. Das Lig. meniscofemorale posterius zieht ebenfalls vom Hinterhorn des Außenmeniskus zur lateralen Fläche des Condylus medialis, liegt dabei jedoch hinter dem Lig. cruciatum posterius. Über die Häufigkeit der Bänder besteht in der Literatur keine Einigkeit. Nach den Untersuchungen von Heller u. Langman (1964) trat ein meniskofemorales Band in 71â•›% (140 Fälle) auf. Davon entfielen 35â•›% auf das posteriore, 36â•›% auf das anteriore. Bei 6â•›% der Fälle waren beide Bänder vorhanden. Nach Kummer (2005) sollen in 50â•›% der Fälle beide Bänder gemeinsam vorkommen. Bei 100 untersuchten Knien fand dieser Autor nie ein Gelenk ohne ein Lig. meniscofemorale. In einer Untersuchung von Niess et╯al. (2000) an 122 Kniegelenken konnten die Bänder in 96â•›% nachgewiesen werden (82â•›% Wrisberg und 58â•›% Humphrey). Zusätzlich konnten diese Autoren zeigen, dass das hintere Band eine große Variationsbreite zeigt und drei wohl definierte Typen unterscheiden lässt.
1.5 Meniski Die Inkongruenzen der Gelenkflächen werden durch die eingelagerten, im Querschnitt keilförmigen Meniski ausgeglichen. Bei den Meniski handelt es sich um faserknorpelige Halbscheiben, an denen ein vorderes Horn, ein Meniskuskörper und ein hinteres Horn unterschieden werden können (s. Abb.â•›1.10). Während die Meniski beim einjährigen Kind noch vollständig vaskularisiert sind, weisen sie beim Erwachsenen nur noch im äußeren Bereich (1,5–2â•›mm) Blutgefäße auf, die von der Gelenkkapsel her eintreten, so dass die inneren Partien, insbesondere die Meniskusschneide, avaskulär sind (Scapinelli 1968; Petersen u. Tillmann 1995). Die ligamentären Abschnitte der Meniskushörner sind sehr gut vaskularisiert, wohingegen die chondralen Ansatzstrukturen an der Tibia avaskulär sind (Tillmann u. Petersen 2000). Der Meniskus darf nicht als homogener Faserknorpel angesehen werden. Vielmehr besteht der Meniskus aus verschiedenen La-
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gen von unterschiedlich angeordneten Materialien und Fasersystemen, so dass eine Art Sperrholzbau resultiert. Detaillierte Untersuchungen zum Feinbau und zur Faserarchitektur der Meniski finden sich bei Petersen u. Tillmann (1998). Der mediale und der laterale Meniskus weisen eine unterschiedliche Gestalt auf. ●╇Meniscus medialis: sichelförmig, sein Vorderhorn wird über ein kurzes, aber kräftiges Band an der Area intercondylaris anterior befestigt. Sein Hinterhorn in gleicher Weise in der Area intercondylaris posterior. ●╇Meniscus lateralis: kreisförmig, so dass die beiden Meniskushörner im Bereich der Eminentia intercondylaris dicht beieinander zu liegen kommen. Die Vorderhörner werden durch das Lig. transversum genus miteinander verbunden. Da die Meniski axial belastet werden, würden sie ohne dieses Band seitlich aus dem Gelenkspalt herausgedrückt. Nach einer neueren Untersuchung (Muhle et╯al. 2000) wirkt sich das Lig. transversum genus restriktiv auf die posteriore Translationsbewegung des Vorderhorns des Innenmeniskus aus und soll deshalb auch einen Einfluss auf die Entstehung von Innenmeniskusschäden haben können. Das sehr variable Band, das oftmals vernachlässigt wird, stellt also einen wichtigen Faktor für die Meniskuslage dar. Es ist in MRTAufnahmen darstellbar und wird vom Hoffa’schen Fettkörper allseitig umschlossen. Die Meniski nehmen wichtige funktionelle Aufgaben wahr, die schlagwortartig zusammengefasst werden können: 1. transportable Gelenkpfanne, 2. Ausgleich von Inkongruenzen, 3. gleichmäßige Druckverteilung, 4. Hemmschuhwirkung. Diese Einzelfunktionen lassen sich auch zusammenfassend dahingehend beschreiben, dass die Meniski die Lastaufnahmefläche vergrößern und gleichzeitig der Gelenkresultierenden einen erheblich größeren Spielraum ermöglichen (Kummer 1987). Wichtig ist, dass die Meniski bei allen Bewegungen des Kniegelenks ebenfalls bewegt werden. Bei der Streckung werden sie über die meniskopatellären Bänder nach vorne gezogen. Bei der Beugung ziehen die Faserverbindungen mit dem M. semimembranosus und dem M. popliteus nach hinten. Bei der Innenrotation bewegt sich der Außenmeniskus nach hinten und der Innenmeniskus nach vorne. Bei der Außenrotation ist das umgekehrte
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Verhalten zu beobachten. Es muss noch festgestellt werden, dass die Meniskusbewegungen bei den Rotationsbewegungen des Kniegelenks weitgehend scheinbare Bewegungen sind, da das Tibiaplateau unter den Meniski weggedreht wird. Dies führt zu hohen Belastungen an den knöchernen Insertionspunkten der Meniski. Der größte Kontakt zum Femur besteht in der Streckstellung und wird beim Übergang in die Beugestellung immer weiter aufgehoben. Bei vollständiger Beugung findet schließlich nur noch ein sehr geringer Kontakt im hinteren Bereich statt. Eine wichtige Differenzierungsstörung stellt der Scheibenmeniskus, Meniscus disciformis, dar, der in den Formenkreis der Meniskusdysplasien gehört (Ficat 1962).
1.6 Bursen Im Bereich des Kniegelenks kommen verschiedene Schleimbeutel vor. Im Einzelnen werden beschrieben:
1.6.1 Ventrale Bursen 1. Bursa subcutanea praepatellaris: liegt direkt unter der Haut vor der Kniescheibe. 2. Bursa subfascialis praepatellaris: liegt unter der über die Patella hinwegziehenden Faszie. 3. Bursa subtendinea praepatellaris: liegt im oberen Patellabereich unter der Quadrizepssehne. 4. Bursa subcutanea tuberositatis tibiae: liegt direkt unter der Haut und vor der Tuberositas tibiae. Diese Bursa wird bei knienden Berufen am stärksten beansprucht. 5. Bursa subcutanea infrapatellaris: liegt unter der Haut und vor dem Lig. patellae. 6. Bursa infrapatellaris profunda: liegt dorsal hinter dem Lig. patellae und kann hin und wieder mit dem Kniegelenk kommunizieren.
1.6.2 Dorsale Bursen 1. Bursa subtendinea m. gastrocnemii lateralis: liegt unter dem lateralen Ursprungskopf des M. gas-
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trocnemius, ist fakultativ und kommuniziert meistens nicht mit dem Kniegelenk. 2. Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis: liegt unter dem medialen Ursprungskopf des M. gastrocnemius und kommuniziert meistens mit der Kniegelenkshöhle. 3. Bursa m. semimembranosi: liegt zwischen dem Pes anserinus profundus und der hinteren Schienbeinkante. Verschmelzen Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis und Bursa m. semimembranosi miteinander, so entsteht die geräumige Bursa gastrocnemiosemimembranosa, die den Spaltraum zwischen dem M. semimembranosus und dem Caput mediale des M. gastrocnemius ausfüllt. Sie kann über die Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis oder auch eigenständig ebenfalls eine Kommunikation mit der Kniegelenkshöhle aufweisen. Die Bursa gastrocnemiosemimembranosa kann durch Übertritt von Synovialflüssigkeit aus dem Kniegelenk gefüllt werden, wobei sich ein Ventilmechanismus bemerkbar machen kann, der ein Zurückströmen der Flüssigkeit verhindert (Jayson u. Dixon 1970). Es resultiert eine prall gefüllte, sich vergrößernde Bursa, die nach dem Londoner Chirurgen William Morrant Baker (1839–1896) als „Baker-Zyste“ bezeichnet wird, obwohl sie bereits 1840 von Adams und 1845 und 1846 von Wenzel Gruber beschrieben wurde (Adams 1840; Gruber 1845, 1846).
1.6.3 Seitliche Bursen 1. Bursa subtendinea m. bicipitis femoris inferior: liegt zwischen der distalen Bizepssehne und dem Lig. collaterale laterale. 2. Bursa m. poplitei: Sie umscheidet die Ursprungssehne des M. popliteus und öffnet sich beim Eintritt der Sehne in den Kniegelenksraum trichterartig in diesen. Deshalb ist sie besser als Recessus subpopliteus zu bezeichnen. 3. Bursa subtendinea m. sartorii: liegt im Bereich des Pes anserinus superficialis zwischen der oberflächlichen Sehne des M. sartorius und den tiefer gelegenen Sehnen der Mm. gracilis und semitendinosus. 4. Bursa anserina: liegt zwischen Pes anserinus superficialis und Lig. collaterale mediale. Sie kann hin und wieder mit der Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis kommunizieren.
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5. Bursa ligamenti collateralis tibialis: liegt zwischen Lig. collaterale mediale und medialem Kapselband.
1.7 Leitungsbahnen des Kniegelenks 1.7.1 Arterien des Kniegelenks allgemein Nachdem die A. femoralis den Hiatus adductorius passiert hat und in die Fossa poplitea eingetreten ist, wird sie als A. poplitea bezeichnet. Die A. poplitea gibt in der Fossa poplitea fünf Äste ab, die für die Versorgung des Kniegelenkes wichtig sind: 1. A. superior lateralis genus, 2. A. superior medialis genus, 3. A. media genus, 4. A. inferior lateralis genus und 5. A. inferior medialis genus. Rückläufig gelangen die Aa. recurrens tibialis anterior und posterior zum Kniegelenk. All diese Gefäße stehen durch zahlreiche Anastomosen miteinander in Verbindung und bilden ein ausgedehntes periartikuläres Gefäßnetz, das Rete articulare genus. Dieses Gefäßnetz besteht aus sehr zahlreichen, aber dünnkalibrigen, zarten Gefäßen, die insbesondere die Gelenkkapsel des Kniegelenks versorgen. Für einen effizienten Kollateralkreislauf bei Ausfall der A. poplitea kann das Rete articulare nicht sorgen. Die Aa. superiores genus ziehen oberhalb der Femurepikondylen, die sie mit zahlreichen Rr. nutricii versorgen, nach ventral und münden hier in das Rete articulare genus. Die A. media genus perforiert die dorsale Wand der Gelenkkapsel und zieht in die Fossa intercondylaris, wo sie den kranialen Abschnitt des Kreuzbandkomplexes versorgt und Rr. nutricii (Rr. intercondylares) in das Dach der Fossa intercondylaris abgibt. Auch das proximale Tibiaende wird versorgt, und zwar über einen Ast, der an der Rückseite des vorderen Kreuzbandes herabläuft und sich direkt vor der Eminentia intercondylaris aufzweigt, um sowohl den lateralen als auch den medialen Condylus tibiae zu erreichen. Ein Endast der A. media genus zieht in einer Synovialscheide eingebettet nach vorne zur Versorgung des Hoffa’schen Fettkörpers (Lang u. Wachsmuth 1972). Die Aa. inferiores genus entspringen direkt unterhalb des Kniegelenkspaltes. Die
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A. inferior medialis genus zieht dann, bedeckt vom Lig. collaterale mediale nach vorne und mündet in das Rete articulare, wohingegen die laterale oberhalb des Caput fibulae und unter dem Lig. collaterale laterale zum Rete verläuft. Beide inferioren Gefäße geben Äste in die Fossa intercondylaris ab, die die kaudalen Abschnitte der Kreuzbänder versorgen. An der Speisung des Rete articulare genus beteiligt sich noch die A. genus descendens, die kurz oberhalb des Hiatus adductorius aus der A. femoralis entspringt. Dieses Gefäß perforiert die Membrana vastoadductoria und verläuft zusammen mit dem N. saphenus distalwärts. Dabei werden dann Rr. articulares abgegeben, die medialseitig ins Rete articulare eintreten. An der Versorgung des Kniegelenks beteiligen sich noch zwei Äste der A. tibialis anterior. Bevor diese durch die Membrana interossea cruris tritt, gibt sie die inkonstante, kleine A. recurrens tibialis posterior ab. Direkt nach dem Durchtritt durch die Membran entspringt die A. recurrens tibialis anterior, die dann den M. tibialis anterior perforiert und ins Rete articulare mündet. Die Aa. recurrentes tibiae versorgen die Articulatio tibiofibularis, den Condylus lateralis tibiae und vordere Kniegelenkspartien. Der R. circumflexus fibularis, aus der A. tibialis posterior entspringend, wendet sich um das Fibulaköpfchen nach ventral und mündet hier ebenfalls in das Rete articulare ein. Schließlich kann der R. descendens der A. circumflexa femoris lateralis bis in den Bereich des Kniegelenkes herabreichen und sich an der Speisung des Rete articulare genus beteiligen. Eine sehr detaillierte Analyse der Blutversorgung des Kniegelenkes stammt von Scapinelli (1968).
Im Bereich der Vorderseite der Patella befindet sich ein arterieller Gefäßkranz (A. circularis, peripatelläre Ringanastomose), in die von allen vier Ecken speisende Gefäße eintreten: oben-lateral: A. superior lateralis genus, unten-lateral: A. inferior lateralis genus, oben-medial: A. genus descendens, unten-medial: A. inferior medialis genus. Zusätzlich findet zwischen diesen beiden medialen Zuflüssen eine weitere Speisung des Rete patellae durch die A. superior medialis genus statt. Auf der lateralen Seite kann sich auch die A. recurrens tibialis anterior an der Versorgung des Gefäßnetzes beteiligen. Das auf der Vorderseite der Patella liegende Gefäßnetz gibt nun kleine NutrizialÂ� arterien in die Patella hinein ab. Die untere Hälfte der Patella empfängt zusätzlich Gefäße, die in die Rückfläche des Apex patellae eintreten, und die ebenfalls aus der peripatellären Ringanastomose stammen. Somit besitzt die untere Patellahälfte eine bessere Blutversorgung als die obere, was sich bei der Heilung von Patellafrakturen auswirken kann (Scapinelli 1967). Die Seitenränder, die Basis und die eigentliche Patellaspitze zeigen keinen Eintritt von Blutgefäßen.
1.7.2 Blutgefäßversorgung der Patella
Die sehr variable sensible Versorgung der Haut erfolgt aus den Segmenten L3 und L4. Im lateralen oberen Bereich versorgen die Ausläufer des N. cutaneus femoris lateralis und im medialen die Rr. cutanei femoris anteriores des N. femoralis die Haut des Kniegelenks. Auf der medialen Seite bis zum Gelenkspalt des Kniegelenks ist der R. cutaneus n. obturatorii zu nennen. Weiterhin beteiligt sich auf der Medialseite des Gelenks der N. saphenus ausgiebig an der Versorgung der Haut. Insbesondere gibt er hier den R. infrapatellaris ab, der in ca. 70â•›% den M. sartorius perforiert (Lang u. Wachsmuth 1972) und dann unterhalb der Patella nach vorne in den Bereich der Tuberositas tibiae zieht.
Von besonderer klinischer Bedeutung ist die Blutgefäßversorgung der Patella, die von dem feinmaschigen Rete patellae, einer Unterabteilung des Rete articulare genus, sichergestellt wird (Kirschner et╯al. 1997). Die Zerstörung dieses Versorgungsweges ist mit einer hohen Rate postoperativer Komplikationen, wie Knorpeldegeneration und Stressfraktur der Patella belastet (Slater et╯al. 1991). Die komplizierte Angioarchitektur der Patella kann nach den Untersuchungen von Kirschner et╯al. (1997) folgendermaßen geschildert werden:
1.7.3 Nerven Bei der Nervenversorgung des Kniegelenkes muss zwischen der Hautinnervation und der eigentlichen Gelenkinnervation unterschieden werden.
1.7.3.1 Hautinnervation
1â•… Anatomie des Kniegelenks (Articulatio genus)
Insgesamt fällt auf, dass die wichtigsten Nerven zur Innervation der Haut auf der medialen Seite zwischen Condylus medialis femoris und Tuberositas tibiae verlaufen, so dass das Verletzungsrisiko für sensible Nerven auf der lateralen Seite deutlich geringer ist. Wird der mediale Zugang gewählt, muss unbedingt auf die Äste des N. saphenus geachtet werden, um Sensibilitätsausfälle zu vermeiden und um die Bildung der hier sehr unangenehmen Amputationsneurome zu verhindern. Eine Übersicht über die unterschiedlichen Innervationsmuster der Haut des Kniegelenks geben Lang u. Wachsmuth (1972).
1.7.3.2 Gelenkinnervation Die Versorgung des eigentlichen Kniegelenks erfolgt nach dem Hilton’schen Gesetz von allen Nerven, die auch Muskeln versorgen, die das Kniegelenk bewegen. In der Regel zweigen in diesem Sinne von den entsprechenden Muskelästen Rr. articulares ab, die zur Gelenkkapsel und zum Bandapparat ziehen. Insbesondere sind hier zu nennen: 1. Rr. articulares aus den Muskelästen für den M. vastus medialis, intermedius und lateralis. Diese Nerven gehören zum N. femoralis und treten kraniomedial, kranial und kraniolateral an das Kniegelenk heran. 2. Rr. articulares des N. tibialis. Diese drei Äste lagern sich den Gefäßen (A. superior medialis genus, A. inferior medialis genus und A. media genus) an und ziehen mit diesen Gefäßen zum Kniegelenk. Sie bilden dann ein ausgedehntes Geflecht zur Versorgung des gesamten medialen Bereiches und des hier liegenden Bandapparates. Insbesondere der mit der A. media genus verlaufende Ast versorgt auch noch dorsale Kapselpartien und den Kreuzbandkomplex. 3. Rr. articulares aus dem N. peroneus communis. Wie auf der medialen Seite werden auch hier drei Äste abgegeben, die mit den Gefäßen (A. superior lateralis, A. inferior lateralis und A. recurrens tibialis anterior) verlaufen. Auch hier wird ein ausgedehnter Gelenkplexus formiert, der die laterale Gelenkkapsel und die Bandstrukturen versorgt. Zusätzlich wird auch die Articulatio tibiofibularis aus diesen Quellen innerviert.
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4. R. articularis aus dem R. posterius des N. obturatorius. Dieser Nerv tritt mediokranial an das Kniegelenk heran, die Innervation ist sehr variabel. Danksagung:╇ Herrn W. Graulich, unserem Institutszeichner, danke ich sehr für die engagierte Anfertigung der Zeichnungen und seine Geduld bei meinen zahlreichen Korrekturwünschen.
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Biomechanik des Kniegelenks G. N. Duda, M. O. Heller, T. Pfitzner, W. R. Taylor, C. König und G. Bergmann
2.1 Einleitung Um die Zeiträume zu minimieren, die nach einem endoprothetischen Gelenkersatz zur Regeneration des Patienten nötig sind, und eine möglichst schnelle und weitestgehende Wiederherstellung der Funktion während der Rehabilitation zu ermöglichen, ist ein gewisses Verständnis der mechanischen Bedingungen nötig. Wissen um die mechanischen Bedingungen ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil zum einen die Endoprothese die makroskopischen Bedingungen für das Gelenk grundlegend ändert. Zum anderen bestimmt das chirurgische Vorgehen – beim Kniegelenk besonders die Balance und Aktivität der Weichteile – die mechanischen Rahmenbedingungen, unter denen die knöcherne Integration des Implantats stattfindet. Somit sind die biomechanischen Bedingungen nicht nur für die Funktion, sondern auch für die Dauerhaftigkeit des Gelenkersatzes in dem sich mit dem Alter ändernden biologischen Umfeld entscheidend. Ziel dieses Kapitels ist, eine Einführung in die Biomechanik des Kniegelenks zu geben und das vorhandene Wissen zu skizzieren. Wissen um die muskuloskeletalen Belastungen erlaubt Rückschlüsse auf die in der jeweiligen Situation benötigte Versorgung des Patienten. Oftmals wird diese Aussage letztlich aber erst durch die Kombination moderner Bildgebung und quantitativer Funktionsanalytik möglich sein können. Nur selten werden sich solch komplexe Analysen in der Klinik anwenden lassen. Somit muss die Abschätzung der tatsächlich auftretenden Belastungen oftmals in der Klinik nur deskriptiv bleiben.
Koordinierte Muskelaktivität erlaubt die Ausführung der Gelenkbewegungen und eine Optimierung der Belastungen am Knochen und Gelenk. Diese Balance der Muskulatur ist für eine möglichst minimale Belastung des endoprothetisch versorgten Kniegelenks essentiell, um große Scherkräfte und Torsionsmomente am Implantat zu vermeiden. Somit ist die Belastung am Implantat definiert durch die Muskelkräfte und bei Patienten weitestgehend unabhängig von den Belastungen am Fuß. Langfristig werden die aufgezeigten Überlegungen auch Eingang in präoperative Planung und postoperative Kontrolle der Versorgung finden, um beanspruchungsgerechte Versorgungen und Korrekturen des muskuloskeletalen Systems zu ermöglichen.
2.2 Grundlagen der muskuloskeletalen Belastungen Das Verständnis der Biomechanik ist essentiell für die Diagnostik und Therapie der Pathologien des Kniegelenks. Wesentlich für die Funktion und die Belastung des Gelenks ist das ausgeglichene Zusammenspiel von Knochen, Muskeln, Bändern und Sehnen. Aus der komplexen Interaktion dieser Strukturen resultieren die für das Knie charakteristischen Dreh-, Roll- und Gleitbewegungen. Jede durch einen chirurgischen Eingriff verursachte Manipulation dieses Systems bewirkt eine Änderung der Kräfte in diesen Strukturen, mit möglicherweise bedeutender Beeinflussung der Gelenkfunktion.
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_2, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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G. N. Duda et al.
Gelenkbelastung und Gelenkkontaktkräfte sind wichtige Faktoren in der Pathogenese und Progression der Gonarthrose (Baliunas et al. 2002; Felson 1995). Ein frühzeitiges Erkennen von unphysiologischen Belastungen könnte eine frühzeitige therapeutische Intervention ermöglichen. Auch nach endoprothetischer Versorgung kann die Evaluation von Kinetik und Kinematik des Kniegelenks wertvolle Rückschlüsse auf die erreichte Korrektur und den mittel- bis langfristigen Erfolg der Versorgung zulassen. In der Diagnostik der schmerzhaften Endoprothese wäre eine Differenzierung zwischen kinematisch (durch Bewegung), kinetisch (durch Kräfte) und durch systemische Ereignisse verursachten Schmerzen hilfreich, um eine Revision gezielter planen und durchführen zu können.
Analysen der Querschnittsflächen der Röhrenknochen sowie der mechanischen Belastungen führten ihn zu der Annahme, dass die Röhrenknochen in erheblichem Maße Biegebelastungen zu übertragen haben. Neben Pauwels gibt es bis heute jedoch wenige Arbeiten, die die spezifische Bedeutung aller Oberschenkelmuskeln für die knöcherne Beanspruchung untersuchen. In mathematischen Analysen (Raftopoulos u. Qassem 1987; Rohlmann et al. 1983) oder experimentellen Arbeiten (Cristofolini et al. 1995) werden zumeist nur die Abduktoren, selten auch das iliotibiale Band (Rybicki et al. 1972), berücksichtigt. Bisher liegen nur wenige Analysen der muskuloskeletalen Belastungen unter Berücksichtigung der wesentlichen mechanischen Strukturen vor (Duda 1996).
2.2.1 Bedeutung der Muskelkräfte für die Belastung der Knochen
2.2.2 Balance zwischen äußere Lasten und inneren Beanspruchungen
1870 beschrieb Wolff erstmals einen Zusammenhang zwischen Belastung, Beanspruchung und anatomischen Strukturen, den er später im sog. Wolff’schen Gesetz manifestierte (Wolff 1892). Basierend auf Wolffs Betrachtungen publizierte Koch (1917) die erste analytische Bestimmung der Beanspruchungen langer Röhrenknochen. Erst später wurde jedoch die außerordentliche Bedeutung der Muskelkräfte für die Belastung und Beanspruchung des Röhrenknochens offenkundig (Pauwels 1951). Am Beispiel der Abduktoren und des iliotibialen Bandes illustrierte Pauwels die reduzierende Wirkung der Muskeln für die Beanspruchung des Knochens. In einer Vielzahl an Beispielen zeigte Pauwels auf, wie Muskeln und Bänder die durch die Gewichtskraft bewirkten Biegemomente an der Hüfte ausgleichen. In seinen Arbeiten werden die Muskeln als Zugseile oder Ketten dargestellt, die die Last des Körpergewichts balancieren. Er führte dabei den Begriff der Zuggurtung zum Verständnis der Rolle des iliotibialen Bandes ein und definierte eine Zug- und eine Druckseite des Knochens (Pauwels 1973). Aus diesen Überlegungen ergeben sich bis heute direkte Konsequenzen für die klinische Praxis, z.â•›B. für die optimale Lage von Implantaten. Als eine für die mechanische Belastung besonders kritische Aktivität erkannte Pauwels den Stand auf einem Bein („Einbeinstand“; Pauwels 1951). Seine
Um die komplexe muskuloskelettale Beanspruchung der langen Röhrenknochen beschreiben zu können, müssen die Bewegung, die äußere Belastung und die Gewichtsverteilung der gesamten Extremität bekannt sein. Basierend auf individuellen Bewegungs- und äußeren Belastungsmessungen lassen sich dann mit Hilfe der inversen Dynamik (Chao u. Rim 1973) z.â•›B. alters- oder krankheitsspezifische Gelenkbelastungen bestimmen (Winter 1991). Diese Gelenklasten sind die Summe aller durch Muskeln bewirkten Kräfte und Momente. Die Anzahl der ein Gelenk überspannenden Weichteilstrukturen ist so groß, dass mit einer Vielzahl verschiedener Muskelaktivitäten ein und dieselbe Bewegung vollführt werden kann. Am Femur mit 6 Freiheitsgraden greifen z.â•›B. mehr als 26 Kräfte an. Somit kann eine einzige Bewegung durch eine Reihe von Kombinationen von Muskeln erzielt werden. Es gibt also keine mathematisch eindeutige Methode zur Berechnung der körperinneren Belastungen. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen. Zum einen lässt sich die Anzahl der Gleichungen und die der Unbekannten angleichen (Ghista et al. 1976; Pierrynowski 1982), zum anderen kann aus der unendlich großen Anzahl möglicher Lösungen eine mehr oder weniger „sinnvolle“ gefunden werden (Optimierung: Crowninshield 1978;
2â•… Biomechanik des Kniegelenks
Seireg u. Arvikar 1973). Die Problematik besteht dabei im Auffinden eines „sinnvollen“ Optimierungskriteriums. Zu einer besseren Übereinstimmung zwischen Messungen der Muskelaktivität (EMG: Winter 1991) und vorhergesagter Muskelkraft kommt es mit sog. nichtlinearen, dynamischen Optimierungskriterien (Berücksichtigen der Bewegungsgeschichte: z.â•›B. Thunnissen et al. 1992). Trotz dieser Verbesserungen können sich die berechneten Lösungen je nach Gangbild des Probanden, Optimierungskriterium und anatomischem Modell widersprechen (Davy u. Audu 1987). Aufgrund der geschilderten Problemstellung sind folgende Aspekte zu klären, wenn man die Belastungen im Kniegelenk eines individuellen Patienten bestimmen möchte: Alle Last tragenden Strukturen müssen bestimmt werden. Je nach spezifischer Fragestellung kann eine Vereinfachung der muskuloskeletalen Anatomie auf wenige Muskelgruppen oder eine Vernachlässigung der stabilisierenden Wirkung der Ligamente zulässig sein (Collins u. O’Connor 1991; Holden et al. 1994). Die moderne Bildgebung ermöglicht es, fast alle an den knöchernen Strukturen angreifenden Weichteile für den individuellen Fall zu bestimmen. Somit kann die jeweilige Bedeutung eines speziellen Muskels oder einer Sehne für die mechanische Situation der unteren Extremität ermittelt werden.
2.2.3 In-vivo-Messungen der muskuloskelettalen Belastungen Für das Kniegelenk gibt es erst seit jüngster Zeit Invivo-Messungen. Messungen von Hüftkontaktkräften dagegen wurden in vivo erstmals 1966 berichtet (Rydell 1966a, b). Telemetrische Messmethoden wurden von einer Reihe von Forschergruppen entwickelt (Bergmann et al. 1993; Carlson et al. 1974; Davy et al. 1988; English u. Kilvington 1979; Mann u. Hodge 1990; Taylor et al. 1997). Eine relativ vollständige Darstellung der Hüftkontaktkräfte unterschiedlicher Patienten während unterschiedlicher Gehgeschwindigkeiten ist durch Bergmann und Mitarbeiter (1993) präsentiert worden. Die maximalen Kräfte wurden in dieser Studie zwischen dem 2,9-fachen (2â•›k m/h) und 4,7-fachen Körpergewicht (6â•›k m/h) berichtet. Während des Stolperns konnte jedoch eine Kraft vom 8,7-fachen
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Körpergewicht an der Hüfte gemessen werden. Die Mehrzahl der Messungen zeigte lediglich ein ausgeprägtes Maximum der Hüftkontaktkraft – obwohl die Bodenreaktionskraft (äußere Last: Kraft zwischen Boden und Fußkontakt) beim Gehen typischerweise zwei Maxima aufweist. Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied ist die Aktivität der das Gelenk überspannenden Muskeln. Die zur Stabilisierung und zur kontrollierten Bewegung des Gelenks benötigten Muskelkräfte modifizieren das ursprüngliche Belastungsmuster der Bodenreaktionskraft. Erste Messungen der in vivo wirkenden Axialkräfte am Tibiofemoralgelenk wurden von der Gruppe um D’Lima vorgestellt (D’Lima et al. 2005, 2006). Anhand des postoperativen Verlaufs konnte für einen 80-jährigen Patienten gezeigt werden, dass die Kräfte innerhalb der ersten 12â•›Monate nach Implantation der Prothese durch zunehmende Kräftigung der Muskulatur deutlich anstiegen. So wurden 3â•›Monate postoperativ lediglich Kräfte vom 1,2-fachen Körpergewicht beim Laufen gemessen, während die Maximalkraft ein Jahr nach der Implantation der Prothese im Mittel das 2,8-fache Körpergewicht betrug, mit Spitzenkräften bis über das dreifache Körpergewicht hinaus (D’Lima 2005, 2006). Die aufgezeigten Arbeiten zu In-vivo-Messungen muskuloskelettaler Belastungen geben nur einen groben Überblick über die Vielzahl an durchgeführten Untersuchungen. Grundsätzlich beschränken sich In-vivo-Messungen jedoch auch auf einige wenige Patienten und wenige anatomische Lokalisationen. Daher lässt sich aus der Vielzahl an vorliegenden Messungen kein vollständiges und allgemeingültiges Bild der muskuloskelettalen Belastung ableiten. Mit Hilfe analytischer Methoden wurden Modelle entwickeln, die eine weitestgehend vollständige Bestimmung der muskuloskelettalen Belastungen ermöglichen. Ein Validieren dieser mathematischen Analysen anhand von In-vivo-Messungen ist jedoch zwingend erforderlich, um die von ihnen gelieferten Ergebnisse auf Plausibilität zu prüfen.
2.2.4 Gelenkkinetik (Gelenkkräfte) Für die Analyse des Zusammenspiels der einzelnen muskuloskelettalen Strukturen wurden computerba-
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sierte Berechnungsverfahren entwickelt und etabliert. Voraussetzung ist die Kenntnis der kinetischen und kinematischen Eingabegrößen. Diese können in einer klinischen Ganganalyse erhoben werden. Kinetische Eingabegrößen sind dabei die am Fuß angreifenden Kräfte und Momente. Die relevanten kinematischen Eingabegrößen sind die räumliche Position von Becken, Oberschenkel, Unterschenkel und Fuß während der Bewegung (Heller et al. 2007). Chao und Rim (1973) konnten zeigen, dass sich anhand dieser Daten die auf die Gelenke wirkenden Momente (äußere Momente) bestimmen lassen. Um das mechanische Gleichgewicht zu diesen sog. äußeren Momenten herzustellen, müssen die inneren Strukturen, d.â•›h. Muskeln und Bänder, gleich große, aber gegensinnig wirkende Momente erbringen. Diese Momente werden außer durch die Kräfte in den Muskeln und Bändern auch durch deren Hebelarme bestimmt. Unter Zuhilfenahme von anatomischen Modellen können die Ansatzpunkte von Muskeln und Bändern während der Bewegung bestimmt werden (Heller et al. 2007). Die insgesamt am Kniegelenk übertragene Gelenkkontaktkraft setzt sich aus der Summe aller am Gelenk wirkenden, einzelnen Kräfte zusammen. Zur Darstellung dieser Kräfte verwendet man mathematische Optimierungsmethoden, da die Anzahl der Kräfte, die auf das Gelenk wirken, die Anzahl der verfügbaren Gleichungen zur Beschreibung der Gelenkmechanik übersteigt (Heller et al. 2007). Aus der Summe aller am Kniegelenk wirkenden Muskelkräfte ergibt sich die insgesamt am Gelenk übertragene Gelenkkontaktkraft. Die Spannbreite der mittels mathematischer Modelle berechneten tibiofemoralen Gelenkkontaktkräfte ist sehr groß. In verschiedenen Untersuchungen konnten bei physiologischen Achsverhältnissen für das normale Gehen tibiofemorale Kräfte zwischen dem 1,7-fachen und dem 7,1-fachen Körpergewicht („body weight“, BW) ermittelt werden (Komistek et al. 2005; Taylor et al. 2004). Die auf das Gelenk wirkenden Scherkräfte in Knieendoprothesen sind ebenfalls zu berücksichtigen, da sie den Polyethylenabrieb potentiell erhöhten. Das Ausmaß der Scherkräfte kann zusätzlich nützliche Informationen über die Stabilität des Gelenkes liefern. Dabei variieren die berechneten mediolateralen bzw. anterior-posterioren Scherkraftkomponenten vom ca. 0,7-fachen bis zum 3,9-fachen BW erheblich (Kellis 2001; Nagura et al. 2002). Ein auf CT-Daten des „Visible Human“ (NLM, Bethesda, USA) basierendes Modell der gesamten unteren
G. N. Duda et al.
Extremität wurde von Heller et al. (2001) entwickelt. Für dieses Modell wurde eine gute Übereinstimmung der berechneten Kräfte mit In-vivo-Messdaten von Patienten mit instrumentierter Hüftgelenkstotalendoprothese für das Laufen und Treppensteigen nachgewiesen. Nach dieser Überprüfung des Rechenmodells an der Hüfte wurden nachfolgend die Belastungen am nativen Kniegelenk dieser Hüftpatienten ermittelt. Für das tibiofemorale Gelenk betrug die über aller Probanden gemittelte Maximalkraft in axialer Richtung beim Laufen das 3,3-fache des Körpergewichts („body weight“, BW). Die interindividuellen Schwankungen dieser Kräfte waren dabei größer als die intraindividuellen Variationen. Wenn die Belastungskurven aller Wiederholungen der Aktivität gemittelt wurden, um ein typisches Belastungsprofil zu erhalten, ergab sich für das Laufen eine Spitzenbelastung in Höhe des 2,8-fachen BW (Abb.â•›2.1). Die für das Treppensteigen errechnete Maximalbelastung war deutlich höher als beim Laufen. Die über alle Patienten gemittelte Maximalkraft betrug hier das 5,9-fache BW. Die Spitzenbelastung trat bei deutlich gebeugtem Knie (Beugewinkel stets größer als 15°) auf. Der Mittelwert der maximalen Scherkraft in anterior-posteriorer Richtung betrug das 0,6-fache BW beim Laufen bzw. das 1,3fache BW beim Treppensteigen. Diese Berechnungen zeigen, dass das tibiofemorale Gelenk während dynamischer Alltagsaktivitäten erheblichen mechanischen Belastungen unterliegt. Es ist daher davon auszugehen, dass eine ausgeglichene Belastung des tibiofemoralen
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Tibiofemorale Gelenkkontaktkraft (BW) Laufen
4 2 ML 0 AP -2
Abb. 2.1.╇ Tibiofemorale Gelenkkontaktkräfte während eines Bewegungszyklus beim Laufen, angegeben im Mehrfachen des Körpergewichts („body weight“, BW). Die Graphen zeigen den Verlauf der axialen Komponente [durchgezogene Linien: Mittelwert aus je 6 Wiederholungen von 4 Probanden (↜schwarz) ± Standardabweichung (↜grau)] sowie den Verlauf der anterior-posterior (AP) bzw. mediolateral (ML) ausgerichteten Scherkräfte (↜unterbrochene Linien)
2â•… Biomechanik des Kniegelenks
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Gelenks entscheidend zum Erfolg des künstlichen Gelenkersatzes am Knie beiträgt. Ist eine Achsfehlstellung des Kniegelenks vorhanden, treten unphysiologische Belastungen der verschiedenen Gelenkstrukturen auf. Schon geringe Achsabweichungen können zu einer starken Verschiebung der Belastungen führen. Anhand des validierten muskuloskelettalen Modells der unteren Extremität können die Auswirkungen von Achsfehlstellungen auf die Belastungen im Kniegelenk untersucht werden. In einer Untersuchung von Heller et al. (2003) lag der Untersuchungsbereich zwischen 8° Valgus- und 10° Varusdeformität. Dabei konnte gezeigt werden, dass sowohl bei Varus- als auch bei Valgusfehlstellungen eine deutlich höhere Gelenkkontaktkraft auf das Kniegelenk wirkt (Abb.â•›2.2). Während bei zunehmender Varusfehlstellung das mediale Gelenkkompartiment vermehrt belastet wird, resultiert aus einer zunehmenden Valgusfehlstellung eine vermehrte Belastung des lateralen Kompartments. Der Anstieg der Gelenkkontaktkräfte war dabei bei Abweichungen von mehr als 4° von der anatomischen Achse besonders stark ausgeprägt. Diese am Gelenk wirkenden Kräfte sind wesentlich für die langfristige Funktion des Kunstgelenks verantwortlich und insbesondere das Ausmaß des Polyethylenabriebs ist von den auf das Tibiaplateau einwirkenden Kräften abhängig (Kuster u. Stachowiak 2002). Klinisch wurden bei fehlimplantierten
Tibiofemorale Gelenkkontaktkraft (BW)
8
0
physiol. 10o varus 8o valgus
0
Gangzyklus [%]
100
Abb. 2.2.╇ Die Analysen der Veränderung der tibiofemoralen Gelenkkontaktkräfte infolge einer Achsabweichung am Knie zeigen, dass sowohl eine deutliche Abweichung in Varus als auch in Valgus zu einem erheblichen Anstieg der Kräfte während der gesamten Standphase des Laufens führt
Komponenten mit Achsabweichungen von mehr als 3–4° höhere Lockerungsraten beobachtet (Heller et al. 2003). Bei der endoprothetischen Versorgung ist daher die Wiederherstellung der physiologischen Beinachse anzustreben. Zu starke Über- als auch Unterkorrektur einer Achsdeformität kann zu vermehrten Belastungen der Gelenkendoprothese mit einem erhöhten Lockerungsrisiko führen. Diese Ergebnisse zeigen die Bedeutung der mathematischen Berechnungsmodelle für die klinische Praxis, indem sie es erlauben, diejenigen Faktoren zu bestimmen, die einen besonderen Einfluss auf die Kräfte am endoprothetisch versorgten Gelenk haben.
2.2.5 In-vivo-Belastungsmessungen In-vivo-Messungen von Implantatbelastungen wurden mit instrumentierten Hüftgelenks- und Schulterendoprothesen sowie am Wirbelkörperersatz erfolgreich durchgeführt. Um realistische In-vivo-Daten des Kniegelenks zu gewinnen und auch um die muskuloskelettalen Modelle validieren zu können, wurde in mehrjähriger Forschungsarbeit auch eine instrumentierte Knieendoprothese entwickelt, mit der die Messung der im Gelenk wirkenden Kontaktkräfte und Momente möglich ist (Heinlein et al. 2007). Die Prothese ist eine Modifikation des INNEXTM-Systems, Typ FIXUC (Zimmer GmbH, Winterthur, Schweiz). Femurkomponente und Tibia-Inlay werden übernommen. Lediglich die Tibiakomponente wurde für die Instrumentierung des Implantats leicht abgeändert. Die Messdaten werden telemetrisch aus der Prothese gesendet (Graichen et al. 2007). Die erste instrumentierte Knieendoprothese wurde einem 63-jährigen Patienten implantiert, der unter Gonarthrose in seinem linken Knie litt. Die Prothese wurde mit herkömmlicher OP-Technik implantiert, beide Kreuzbänder wurden entfernt. Zehn Wochen nach Implantation wurden die Belastungen beim Gehen auf ebener Fläche sowie beim Treppensteigen gemessen. Die Kurven zeigen Beispiele für den Kraftverlauf während des Gehens auf ebener Fläche (Abb.â•›2.3) und während des Treppensteigens (Abb.â•›2.4). Dargestellt sind die axiale Längskraft (rot) sowie die beiden Querkräfte in mediolateraler (grün) und anteroposte-
24 Abb. 2.3.╇ In vivo gemessene Gelenkkräfte beim Gehen auf ebener Fläche, drei Schritte. Werte in Prozent des Körpergewichts (% BW)
FX
FY
FZ
200
100 Belastungswerte [% BW]
2
G. N. Duda et al.
0
–100
X =Lateral
Y =Anterior
–200
0
0.5
1
1.5
Kniegelenk: Gehen: flaches Gehen
Abb. 2.4.╇ In vivo gemessene Gelenkkräfte beim Treppensteigen, zwei Schritte
2 Zeit [s]
2.5
3
3.5
F
2â•… Biomechanik des Kniegelenks
riorer Richtung (blau). Zusätzlich ist die Gesamtkraft (schwarz) gezeigt, die sich aus der vektoriellen Addition der Einzelkräfte ergibt. Beim Gehen beträgt die maximale axiale Last 260â•›% BW (Prozent des Körpergewichts BW). Die gemessenen Querkräfte bleiben sowohl in anteroposteriorer als auch in mediolateraler Richtung immer relativ klein. Die Querkraft in anteriorer Richtung beträgt maximal 31â•›% BW, in posteriorer Richtung 16â•›% BW. In medialer Richtung erreicht sie 31â•›% BW, in lateraler Richtung lediglich 2â•›% BW. Beim Treppensteigen wurden insgesamt größere Belastungen als beim Gehen gemessen. Die axiale Kraft beträgt maximal 290â•›% BW, dies ist allerdings nur ca. 12â•›% mehr als beim ebenen Gehen. Die Querkraft beträgt in anteriorer Richtung maximal 47â•›% BW, in posteriorer Richtung 20â•›% BW. In medialer Richtung erreicht sie höchstens 19â•›% BW, in lateraler Richtung nur 8â•›% BW. Die aufgeführten Messdaten zeigen erste Ergebnisse eines Patienten. Messungen mit weiteren Patienten werden zeigen, wie groß die individuellen Unterschiede sind. Insgesamt liegen die in vivo gemessenen Kräfte unter den mit Hilfe des muskuloskelettalen Modells berechneten Belastungen. Besonders beim Treppensteigen und für die Querkräfte zeigen sich größere Differenzen. Dabei ist zu beachten, dass die Belastungen an einem speziellen Prothesentyp gemessen wurden. Sie hängen auch von den individuellen anatomischen Verhältnissen und vom Gangbild des Patienten ab. Eine Aussage über die Übertragbarkeit der Belastungsdaten auf das gesunde Kniegelenk, auf andere Prothesentypen oder ihre Verallgemeinerung kann noch nicht getroffen werden. Erst die Daten eines größeren Patientenkollektivs werden Aufschluss über die mittleren Belastungen geben und in Relation zu den Daten des muskuloskelettalen Modells gesetzt werden. Es ist auch geplant, in vivo gemessene und analytische Daten während derselben Übungen zu erheben. Hierdurch ergibt sich die einmalige Möglichkeit, die Rechenmodelle noch besser an die realen Verhältnisse anzupassen. Weitere Ergebnisse der In-vivo-Belastungsmessungen können der Datenbank www.OrthoLoad.com entnommen werden. Sie befindet sich zurzeit im Aufbau und wird es erlauben, die Belastungen mehrerer Patienten bei vielen verschiedenen Aktivitäten zu analysieren.
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2.2.6 Gelenkkinematik (Gelenkbewegung) Die Gelenkbewegungen sind eng mit den am Gelenk wirkenden Kräften und Belastungen verknüpft. Die Relevanz zeigt sich auch in der aktuellen Diskussion über „High-Flexion-Design“-Kniegelenksendoprothesen. Dieses Design soll dem Patienten eine vermehrte Beugefähigkeit im Vergleich zu den herkömmlichen Implantaten ermöglichen. Aufgrund der erhöhten Belastung bei starker Flexion zeigen diese Prothesen jedoch eine erhöhte Lockerungsrate sowie verstärkte patellofemorale Kräfte (Han et al. 2007; Sharma et al. 2008). Um diese Kräfte zu berechnen, ist eine möglichst exakte Erfassung der Gelenkkinematik während typischer Alltagsaktivitäten notwendig. Bewegungsmessungen stützen sich dazu in der Regel auf Daten aus Ganganalysen mit Hautmarkern. Dies ist zwar ein nichtinvasives, sensitives Verfahren, um Pathologien der Gesamtbewegung aufzudecken (Andriacchi et al. 1998), der Methode wird jedoch eine mangelnde Präzision bei der Darstellung von komplexen dreidimensionalen Bewegungen zugeschrieben (Heller et al. 2007). Zur Steigerung der Genauigkeit und Verbesserung der Darstellung wurde ein neues Berechnungsverfahren zur Bestimmung der Rotationsachse entwickelt (Ehrig et al. 2007). Im Vergleich zu bereits etablierten Berechnungsmodellen der Rotationsachse konnte der Symmetrical Axis of Rotation Approach (SARA) die größte Genauigkeit in den durchgeführten Tests zeigen (Ehrig et al. 2007). Mit dem Verfahren könnte es in Zukunft möglich sein, auch aus hautmarkerbasierten Messungen genaue Daten zur Gelenkbewegung zu bestimmen. Dies bleibt an klinischen Daten aus der Ganganalyse zu prüfen (Fuchs et al. 1997). Ein dreidimensionales modifiziertes Viergelenkkettenmodell der tibiofemoralen Kinematik wurde daraufhin von Heller und Mitarbeitern entwickelt (2007; Abb.â•›2.5). In diesem neuen Modell wird sowohl die Längenänderung der Kreuzbänder als auch die Innenund Außenrotationskomponente berücksichtigt. Die Validierung des modifizierten Modells erfolgte durch eine magnetresonanztomographische Untersuchung an 12 kniegesunden Freiwilligen. In Seitlage wurden Scans in 0°, 30° und 90° Flexion durchgeführt. Um den Einfluss der extensorischen Muskulatur zu evaluieren, wurden die Aufnahmen sowohl unbelastet, als
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G. N. Duda et al.
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Abb. 2.5.╇ Oben: Rekonstruktion der Knochenoberflächen von Femur und Tibia aus den MRT Aufnahmen für 0° (↜links), 30° (↜Mitte) und 90° (↜rechts) Kniebeugung eines Probanden. Anhand der Daten für die Streckstellung, zusammen mit den Ansatzflächen der Kreuzbänder wurde das Computermodell zur Beschreibung der Kinematik kalibriert. Unten: Proxi-
male Tibia mit 3D-Rekonstruktion des hinteren Kreuzbandes (HKB) eines Probanden bei 0°, 30° und 90° Kniebeugung. Bei 0° ist eine charakteristische Wölbung des Bandes zu sehen. Während bei 30° noch eine geringe Wölbung erkennbar ist, erscheint das HKB bei 90° Kniebeugung gestreckt und übernimmt hier eine wichtige stabilisierende Rolle
auch mit aktivierten Kniegelenksstreckern vorgenommen. Die durchgehende Aktivierung der Muskulatur wurde mittels einer Oberflächenelektromyographie verifiziert. Die Genauigkeit des Modells stieg mit zunehmender Flexion an (Heller et al. 2007). Die Längenänderungen der Kreuzbänder zeigten eine gute Übereinstimmung von Modell und In-vivo-Daten. Das hintere Kreuzband übernimmt demnach insbesondere in Beugung eine stabilisierende Rolle (Abb.â•›2.5 und 2.6). Dehnung und Verkürzung der Bänder zeigen darüber hinaus signifikante Unterschiede zwischen belastetem und unbelastetem Kniegelenk (Abb.â•›2.6; Heller et al. 2007). Die Berücksichtigung dieses Verhaltens ist besonders beim Kreuzband erhaltenden Vorgehen wichtig, um eine möglichst physiologische Gelenkbewegung herzustellen.
Die magnetresonanztomographische Untersuchung stellt in Kombination mit der Oberflächenelektromyographie eine gute Möglichkeit zur Darstellung der Kniegelenkskinematik dar. Das Verfahren ist nichtinvasiv und die technischen Voraussetzungen breit verfügbar. Gerade der durch die Verschiebbarkeit der Haut bei der Ganganalyse entstehende Fehler wird hier vermieden. Die exakte Abbildung der knöchernen Gelenkpartner birgt einen weiteren Vorteil. Die Aktivierung der Muskulatur ist mittels Elektromyographie im Vergleich zur Ganganalyse ebenfalls quantifizierbar. Nachteil dieses Verfahrens sind die hohen Kosten der Untersuchung.
2â•… Biomechanik des Kniegelenks
27 Relative Längenänderung des HKB [%]
130 120 110 100 90
passiv PM passiv AL aktiv PM aktiv AL
80 70 0
10
20
30
40 50 Beugewinkel [o]
60
70
80
90
Abb. 2.6.╇ Muskelaktivität wirkt sich nicht nur auf die Bewegung des Kniegelenks, sondern auch auf das Verhalten der Kreuzbänder aus. Hier wurde mit dem Computermodell (Heller et al. 2007) die Längenänderung (definiert als Abstandsänderung zwischen Ursprung und Insertion) der funktionellen Bündel des hinteren Kreuzbandes (HKB) untersucht. Die Analyse ergab ein über dem gesamten Bewegungsverlauf
signifikant unterschiedliches Verhalten des AL-Bündel des HKB im Vergleich zwischen passiver und aktiver Kniebeugung. Dies verdeutlicht, dass sich die im Gelenk vorherrschenden Bedingungen bei passiver Kniebeugung nur bedingt zur Interpretation der kinematischen Verhältnisse unter Belastung heranziehen lassen
2.3 Patellofemorales Gelenk
Ob bei Prothesenimplantation primär ein Retropatellarersatz durchgeführt werden sollte, wird kontrovers diskutiert. Eine einheitliche Empfehlung existiert bislang nicht (Badhe et al. 2001; Burnett et al. 2004; Waters u. Bentley 2003). Bei der Wahl des Patellaimplantats sollte aus biomechanischen Gründen eine möglichst exakte Rekonstruktion der PatellaÂ�
Zum Erreichen einer günstigen Gelenkbelastung wird dem Erhalt bzw. der Wiederherstellung der Funktion des patellofemoralen Gelenks eine wichtige Rolle zugesprochen (Sharma et al. 2008). Welchen Kräften das Gelenk während Alltagsaktivitäten unterliegt, wurde mit dem validierten muskuloskelettalen Modell ermittelt (Heller et al. 2001, 2007). Die maximale Belastung des patellofemoralen Gelenkes trat beim Treppensteigen bei ca. 55° Flexion auf (Abb.â•›2.7). Der Mittelwert aus allen Wiederholungen betrug das dreifache BW. Beim Laufen trat zu Beginn der Standphase ein Maximum der Belastung auf (Mittelwert: ca. 0,7-faches BW), einhergehend mit entsprechender Aktivierung der Vasti, bei jedoch fast gestrecktem Knie. Die Berechnungen zeigen, dass nicht nur das tibiofemorale, sondern auch das patellofemorale Gelenk während dynamischer Alltagsaktivitäten erheblichen mechanischen Belastungen unterliegt. Es ist daher davon auszugehen, dass die Wiederherstellung der Funktion des Patellofemoralgelenks entscheidend zum Erfolg des Gelenkersatzes am Knie beiträgt.
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Patellofemorale Gelenkkontaktkraft (BW) Laufen Treppensteigen
3
2
1
0
Abb. 2.7.╇ Maximalwerte der berechneten patellofemoralen Gelenkkontaktkräfte beim Laufen und Treppensteigen, angegeben im Mehrfachen des Körpergewichts („body weight“, BW). Die Balken zeigen die Mittelwerte aus je 6 Wiederholungen von 4 Probanden ± Standardabweichung
28
2
dicke erfolgen. Patellofemorales Overstuffing durch ein überdimensioniertes Femurschild oder durch eine Überhöhung der Patelladicke bei Retropatellarersatz kann zu anteriorem Knieschmerz führen und eine Revisionsoperation notwendig machen (Star et al. 1996). Die Überhöhung der Patelladicke kann zwar bei Flexionswinkeln <35° zu einer Verbesserung des Hebelarmes des Streckapparates führen (Hsu et al. 1996), bei Flexion >70° resultiert im Gegensatz dazu jedoch eine starke Zunahme der Scherkräfte und der Kompressionskräfte. Schon bei einer Überhöhung von 2â•›m m bzw. einer Zunahme der Patelladicke von 10â•›% treten signifikant erhöhte Kräfte auf (Oishi et al. 1996; Star et al. 1996). Konsequenz kann eine verminderte Beugefähigkeit und ein durch die Belastung erhöhter Prothesenabrieb sein, der ein frühzeitiges Implantatversagen bedeuten kann. Die Dicke des knöchernen Implantatlagers der Patella stellt einen limitierenden Faktor des Retropatellarersatzes dar. Es sollte eine Dicke von 15â•›m m aufgrund einer möglichen Frakturgefahr nicht unterschreiten. Da auch das Patellaimplantat selbst, wegen eines erhöhten Partikelabriebs, nicht zu dünn gewählt werden darf (>8–10â•›m m), ist die Rekonstruktion der Ausgangsdicke bei Patellae <25â•›m m oft schwierig zu realisieren (Oishi et al. 1996). Im Gegensatz dazu kann eine deutliche Unterschreitung der Patelladicke zu einer anterioposterioren Instabilität des Kniegelenkes und der Gefahr der patellofemoralen Subluxation führen (Hsu et al. 1996). Auch die durch eine Prothesenimplantation verursachten Veränderungen des femorotibialen Gelenks haben direkten Einfluss auf die Biomechanik des Femoropatellargelenks. Jede resektionsbedingte Veränderung der Gelenkebene führt zu einer Änderung der Patellaposition im Verhältnis zur Gelenkebene (Grelsamer 2002; Singerman et al. 1995). Es kann dabei sowohl zu einem Patellahochstand (Patella alta) als auch zum Patellatiefstand (Patella baja) kommen. Das scheinbare Tiefertreten der Patella durch Kranialisierung der Gelenkebene bei Prothesenimplantation wird daher auch als Pseudo-Patella baja bezeichnet (Grelsamer 2002). Ursache der Verschiebung der Gelenkebene ist häufig eine Über-/Unterresektion des distalen Femur oder der Tibia. Über die Wahl der Dicke des PE-Inlay wird die Primärstabilität des Gelenks wiederhergestellt. Diese sollte analog zur Patella ebenfalls nicht zu dünn gewählt werden, um ein Versagen
G. N. Duda et al.
der Prothese zu verhindern (Ritter et al. 1999). Es gibt Hinweise, dass bei einer Distalisierung der Gelenkebene (Patellahochstand) erhöhte, und bei einer Proximalisierung der Gelenkebene (Patellatiefstand) reduzierte patellofemorale Kontaktkräfte auftreten (Murray et al. 1991; Singerman et al. 1995). Auch die Zugbelastung der Patella wird von der Position der Gelenkebene beeinflusst. Während eine Verschiebung der Gelenkebene nach distal (Patellahochstand) eine erhöhte Zugbelastung der Patella bedeutet, führt diese bei Verschiebung der Gelenkebene nach proximal (Patellatiefstand) zu einer reduzierten Zugbeanspruchung. Singerman und Mitarbeiter (1995) konnten eine Zunahme der Zugbelastung der Patella von 25â•›% in 90° Flexion, bei einer Distalisierung der Gelenkebene von 8â•›m m feststellen. Figgie und Mitarbeiter (1989) hingegen konnten die besten Ergebnisse verzeichnen, solange die Abweichung nach distal weniger als 8â•›m m betrug. Auch hier können die erhöhten Belastungen des patellofemoralen Gelenks eine Lockerung aufgrund von Prothesenabrieb verursachen. Daher sollte stets eine Rekonstruktion der physiologischen Gelenkebene erfolgen, um unter Erhaltung der Gelenkstabilität und Weichteilverhältnisse die Belastung der Prothesenkomponenten möglichst gering zu halten (Figgie et al. 1986; Grelsamer 2002; ten Ham et al. 2005; Wyss et al. 2006).
2.4 Belastungen am Kniegelenk╯– zukünftige Perspektiven Durch die verschiedenen mathematischen Ansätze und die Erhebung von In-vivo-Daten konnten in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse in der Biomechanik des Kniegelenks gewonnen werden. Die Bestrebungen, die vorhandenen Ansätze weiter zu optimieren, und die Fortführung der Pionierarbeit auf dem Gebiet der In-vivo-Belastungsmessungen werden in Zukunft zu einem noch besseren Verständnis um die kinetischen und kinematischen Verhältnisse im Kniegelenk und insbesondere des endoprothetisch versorgten Kniegelenks führen. Die Wiederherstellung der physiologischen Verhältnisse ist angestrebtes Ziel vieler Operationen am Kniegelenk, beispielsweise in der Kreuzbandchirur-
2â•… Biomechanik des Kniegelenks
gie (Papannagari et al. 2006; Siebold et al. 2008), bei Korrekturosteotomien (Coventry 1985; Leutloff et al. 2001; Morrey 1989) und insbesondere in der Kniegelenksendoprothetik (Gamada et al. 2008). Eine gute Funktion soll wieder hergestellt und vermehrte Belastungen, die z.â•›B. zu einer Frühlockerung durch Abriebpartikel führen könnte, vermieden werden (von Eisenhart-Rothe et al. 2007). Trotz dieser Bestrebungen kommt es oftmals bei endoprothetischem Ersatz zu signifikanten Änderungen der Gelenkkinematik. Die auftretenden, zum Teil unphysiologischen femorotibialen Bewegungsmuster wirken sich direkt auf die Patellakinematik aus, was zu persistierenden patellofemoralen Beschwerden führen kann. Eine Konsequenz aus einer suboptimalen Kniekinematik kann der vordere Knieschmerz sein. Er wird maßgeblich durch eine Veränderung der Patellakinematik verursacht und für bis zu 50â•›% der Revisionseingriffe nach Kniegelenksendoprothese verantwortlich gemacht (Sharma et al. 2008; von Eisenhart-Rothe et al. 2007). Vom Operateur wird daher erwartet, dass die patientenspezifische Biomechanik, auch der betroffenen Weichteile, berücksichtigt wird. Oftmals sind für den Operateur jedoch weder detaillierte, patientenspezifische Informationen über die präoperativ in vivo wirkenden Kräfte verfügbar, noch Angaben, wie diese Kräfte (Kinetik) oder die räumliche Gelenkbewegung (Kinematik) durch die Endoprothese verändert werden. Für die Operationsplanung werden häufig zweidimensionale Planungssysteme verwendet, die sich auf rein geometrische Analysen von Röntgenbildern beschränken. In Wirklichkeit wirken auf das versorgte Kniegelenk aber räumlich verteilte Kräfte. Deren Übertragung auf das knöcherne Lager und die umliegenden Weichteile beeinflusst maßgeblich die langfristige Funktion und somit die Standzeit der Prothese (Bergmann et al. 2007; Dennis 2006). Der dauerhafte Erfolg operativer Eingriffe am Kniegelenk ist von der Qualität der Wiederherstellung eines natürlichen Bewegungsausmaßes und damit von der Verhinderung stark erhöhter muskuloskelettaler Belastung abhängig. Wesentlich dafür ist die Berücksichtigung biomechanischen Wissens bei der präoperativen Planung und während der Operation. Bisher ist dieses Wissen nur in Büchern und Journalbeiträgen verfügbar und fließt lediglich in die präoperative Planung ein. Die Übertragung in die konkrete operative
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Situation ist jedoch vom Können und Wissen des Operateurs abhängig. Mathematische Modelle besitzen das Potential, dem Operateur detaillierte, patientenspezifische Informationen zu den in vivo wirkenden Kräften und deren räumliche und zeitliche Verteilung zur Verfügung zu stellen. Ihr Einsatz in der Routine setzt jedoch eine umfangreiche Überprüfung voraus. Mit einem an Patientendaten validierten Berechnungsmodell wurde gezeigt, dass sowohl das tibiofemorale als auch das patellofemorale Gelenk infolge der Muskelaktivität bereits während Alltagsaktivitäten erheblichen Kräften ausgesetzt sind. Die Berechnungen legen nahe, dass die Kräfte bei einer Fehlstellung der anatomischen tibiofemoralen Achse von mehr als 4° deutlich ansteigen, das Ausmaß des Kraftanstieges dabei jedoch interindividuell stark variieren kann. Um neben der Gesamtbelastung auch die genaue Verteilung der Kräfte innerhalb des Gelenks zu ermitteln, ist eine hinreichend genaue Beschreibung der Bewegung des Kniegelenks erforderlich. In Verbindung mit MR-basierter In-vivo-Bildgebung bieten neue mathematische Modelle die Möglichkeit, die Kniebewegung des einzelnen Patienten genau wiederzugeben und den Einfluss der aktiven Muskulatur auf die Kinematik zu berücksichtigen. Durch die Implementierung dieser Technologien in präoperative Planungs- und intraoperative Navigationssysteme eröffnet sich die Möglichkeit, den Operateur bei seinem Vorgehen durch Vorhersagen der patientenspezifischen postoperativen Biomechanik zu unterstützen. Wir gehen davon aus, dass durch eine auf diese Weise optimierte Biomechanik auch die Funktion und Dauerhaftigkeit des künstlichen Gelenks entscheidend verbessert werden können.
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Ätiologie und Pathogenese der Gonarthrose G. Pap und I. Meinecke
3.1 Definition und Klassifikation der Gonarthrose 3.1.1 Definition Der Begriff Gonarthrose beschreibt die Arthrose, d.╯h. die degenerative, primär nicht entzündliche Erkrankung des Kniegelenks (Reichel 2000). Im angloamerikanischen Sprachraum wird Arthrose auch als Osteoarthritis oder Osteoarthrosis bezeichnet, so dass sich in der deutschsprachigen Literatur teilweise auch der Begriff Osteoarthrose verbreitet hat. Entsprechend dem vorwiegenden oder ausschließlichen Befall der verschiedenen Kniegelenksanteile (Kompartimente) wird die Erkrankung häufig unterteilt in: ●⊑ die unikompartimentelle patellofemorale Arthrose, ●⊑ die unikompartimentelle femorotibiale Arthrose, ●⊑ die bikompartimentelle femorotibiale Arthrose, ●⊑ die trikompartimentelle, patellofemorotibiale Arthrose (Pangonarthrose). In Abhängigkeit von der Knieachse sowie dem bevorzugten Betroffensein des medialen oder lateralen femorortibialen Kompartiments kann darüber hinaus zwischen einer Varusgonarthrose und einer Valgusgonarthrose unterschieden werden. Obgleich anfängliche Ansichten, nach denen es sich bei der Osteoarthrose um eine physiologische, altersbedingte Abnutzungserscheinung eines Gelenks (wie z.╯B. des Kniegelenks) handelt, relativ schnell
revidiert wurden, gab es bis vor etwa 20╯Jahren keine standardisierte Definition der Osteoarthrose. Die meisten Autoren beschrieben die Osteoarthrose als eine Erkrankung mit, zumindest weitgehend, unbekannter Ätiologie bei der es zu Veränderungen primär am Gelenkknorpel und dem subchondralen Knochen kommt. Diese Beschreibung diente voranging zur Abgrenzung der Osteoarthrose gegenüber rheumatischen Gelenkveränderungen, bei denen primär die Synovialmembran betroffen ist. Seit etwa 20╯Jahren hat sich jedoch ein differenzierteres Herangehen an die Arthrosedefinition durchgesetzt (Dieppe 1999). In speziellen Publikationen zur Problematik der Osteoarthrose sind verschiedene, detaillierte Definitionen vorgeschlagen worden, die sich im Wesentlichen durch die Wahl des Definitionsansatzes unterscheiden. So gibt es sowohl klinischepidemiologische Ansätze als auch solche, die von morphologischen oder auch von funktionellen Aspekten ausgehen und teilweise auch eine Kombination von Krankheitsdefinition und Klassifikation darstellen. Den meisten Definitionsansätzen gemein ist der Umstand, dass inzwischen davon ausgegangen wird, dass es sich bei der Osteoarthrose nicht um eine einzelne Erkrankung sondern vielmehr um eine (recht heterogene) Gruppe von Erkrankungen handelt. Diesem Umstand trug bereits die erste Definition von 1986 Rechnung, die vom Osteoarthrose-Subkomitee des „American College of Rheumatology Diagnostic and Therapeutic Criteria Committee“ vorgeschlagen wurde (Altman et╯al. 1986): Eine heterogene Gruppe von Zuständen, die zu Gelenksymptomen und Zeichen führt, die mit einer gestörten Integrität des Gelenkknorpels verbunden sind und zusätz-
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_3, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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lich mit damit verbundenen Veränderungen im darunter liegenden Knochen am Rand des Gelenkes.
Eine neuere Definition wurde 1994 auf einem, unter anderem von der American Academy of Orthopedic Surgeons (AAOS) unterstützen, Workshop mit dem Titel „New Horizons in Osteoarthritis“ entwickelt (Keuttner u. Goldberg 1995). Die Bedeutung dieser Definition resultiert daraus, dass sie einerseits das Konzept der Osteoarthrose als eine Gruppe von Erkrankungen bekräftigt und andererseits auch die Involvierung des gesamten Gelenks mit all seinen artikulären und periartikulären Anteilen (und nicht nur des Gelenkknorpels und -knochens) betont: Osteoarthrose ist eine Gruppe von überlappenden, voneinander verschiedenen Erkrankungen, die unterschiedliche Ätiologien haben können, aber gleichartige biologische, morphologische und klinische Manifestationen zeigen. Die Krankheitsprozesse befallen nicht nur den Gelenkknorpel sondern betreffen das gesamte Gelenk, einschließlich des subchondralen Knochens, der Bänder, der Kapsel, der Synovialmembran und der periartikulären Muskeln. Letztendlich degeneriert der Gelenkknorpel in Form von Fibrillationen, Fissuren, Ulzerationen und vollständigem Dickenverlust der Gelenkoberfläche.
Diese grundsätzliche Definition der Arthrose ist in vollem Umfang auch auf das Kniegelenk anwendbar. Somit ist auch die Gonarthrose keine einheitliche Erkrankung, sondern stellt eine Gruppe verschiedener Erkrankungen dar, die trotz gleichartiger Manifestationen sowohl unterschiedliche Entstehungsursachen haben als auch ein unterschiedliches Betroffensein der einzelnen artikulären und periartikulären Gelenkanteile zeigen kann. Dabei kommt wegen der Bedeutung des Kniegelenks für das Stehen und Gehen neben den Knorpel-/Knochenanteilen der einzelnen Gelenkkompartimente auch der Gelenkkapsel mit Synovialmembran, den Bändern (vorderes und hinteres Kreuzband und Seitenbänder) und der Quadrizepsmuskulatur eine wesentliche Bedeutung zu.
3.1.2 Klassifikation Die Gonarthrose ist, wie oben dargestellt, eine Erkrankung diverser Ätiologien und verschiedener Manifestationsformen und -orte. Für die Erklärung der Ätiologie und daraus resultierend für die Klassifikation der Gonarthrose liegt die Hypothese zugrunde, dass sich teilweise eindeutige Ursachen für die Entstehung einer Gonarthrose definieren
G. Pap und I. Meinecke
lassen, während es gleichermaßen in zahlreichen Fällen nicht gelingt, eine (einzelne) Ursache zu identifizieren. In neueren ätiologischen Konzepten hat sich deshalb die Erkenntnis durchgesetzt, dass neben dem Einwirken unterschiedlicher, eindeutig identifizierbarer schädigender Faktoren zahlreiche weitere Variablen die Entstehung und den Verlauf einer Gonarthrose beeinflussen, von denen heute erst ein Teil bekannt ist. Grundsätzlich wird, entsprechend dieser angenommen Ätiologie, die Gonarthrose in zwei Arten eingeteilt: die idiopathische (primäre) Gonarthrose und die sekundäre Gonarthrose. Diese Einteilung der Gonarthrose folgt einem Prinzip, das – entsprechend dem oben bereits Ausgeführten – für alle Arten der Osteoarthrose gilt. Bei den idiopathischen Osteoarthrosen handelt es sich dabei um Arthrosen, bei denen keine unmittelbare (Einzel-)Ursache für die jeweilige Erkrankung festzustellen ist; sie wird in zwei Formen eingeteilt: die lokalisierte und die generalisierte Form, wobei nach Kellgren und Moore von letzterer Form dann gesprochen wird, wenn drei oder mehr Gelenkgruppen betroffen sind (Kellgren u. Moore 1952). In Fällen, bei denen eine bestimmte Erkrankung der Arthroseentstehung zugrunde zu liegen scheint, spricht man von sekundärer Arthrose. Tabelle╯3.1 zeigt eine Klassifikation der Arthrose und die Einordnung der Gonarthrose in dieses Gesamtkonzept. Aufgrund der Tatsache, dass es (wie in diesem Buch noch ausgeführt) bei der Gonarthrose eine deutliche Diskrepanz zwischen den erhebbaren Befunden (inspektorisch/makroskopisch, radiologisch und histologisch) und der klinischen (Beschwerde-)Symptomatik gibt, wurde vorgeschlagen, neben den verschiedenen möglichen Klassifikationen der Gonarthrose eine praxisrelevante Einteilungen in die eigentliche (schwere) Gonarthroseerkrankung einerseits und die kleine (nicht unbedingt als Gonarthroseerkrankung zu bezeichnende) Kniegelenksbehinderung vorzunehmen, um so die wirklich behandlungsbedürftigen Fälle von den nicht zwingend (spezialärztlich) zu behandelnden Patienten zu unterscheiden (Dieppe 1999). Eine solche Einteilung hat sich jedoch bisher nicht durchgesetzt.
3.1.2.1 Radiologische Klassifikation Klassischerweise erfolgt die radiologische Beschreibung arthrotischer Veränderungen am Kniegelenk
3â•… Ätiologie und Pathogenese der Gonarthrose Tabelle╯3.1.╛╇ Klassifikation der Arthrose. (Mod. aus Flores u. Hochberg 1998)
35
Idiopathische Lokalisierte Arthrose Generalisierte Arthrose Arthrose Sekundäre Arthrose
Gonarthrose, Coxarthrose u.â•›a. Polyarthrose von mehr als 3 Gelenkregionen
Posttraumatisch
Akut Chronisch Postinflammatorisch Akut Chronisch Angeborene und erworbene Gelenkschäden Dysplasiekoxarthrose Z.â•›n. Morbus Perthes u.â•›a. Metabolische Erkrankungen Ochronose Morbus Wilson Morbus Gaucher u.â•›a. Endokrine Erkrankungen Akromegalie Hyperparathyreoidismus u.â•›a. Neuropathische Arthropathie Charcot-Arthropathie Sonstige Kalziumablagerungserkrankungen Endemische Erkrankungen Avaskuläre Nekrosen u.â•›a.
auf der Basis der von Kellgren und Lawrence beschriebenen Charakteristika (Kellgren u. Lawrence 1957). Die wichtigsten Veränderungen sind dabei: ●⊑ Osteophytenbildung, ●⊑ Gelenkspaltverschmälerung, ●⊑ subchondrale Sklerosierung, ●⊑ Geröllzystenbildung, ●⊑ Gelenkdeformierung. Die gemeinsame Betrachtung des Vorkommens dieser Veränderungen führt zu einem recht einfachen Graduierungsschema der radiologischen Arthrosezeichen (Flores u. Hochberg 1998): 0 = normal 1 = zweifelhaft 2 = minimal 3 = mäßig 4 = schwer Auf der Basis dieser Klassifikation wurden von verschiedenen Autoren Graduierungen der radiologischen Arthrosezeichen vorgeschlagen, die sich weitestgehend ähneln. Während im englischsprachigen Raum häufig auf die Beschreibungen im „Atlas of Standard Radiographs“ (Tab.╯3.2) Bezug genommen wird, erfolgt im deutschsprachigen Raum die Klassifikation der Gonarthrose in der Regel mit der in Tab.╯3.3 dargestellten Klassifikation nach Wirth (1992). In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass solche universell anwendbaren Graduierungen wie die von Kellgren und Lawrence nur eine begrenzte Genauigkeit besitzen (Spector u. Cooper 1993). Aus dieser
Erkenntnis heraus wurden für einzelne Gelenke, wie auch für das Kniegelenk, spezielle Scoring-Skalen für die radiologisch sichtbare Gelenkdestruktion entwickelt (Tab.╯3.4 und 3.5). Unter Benutzung von speziellen veröffentlichten Atlanten (Altman u. Gold 2007) können geübte Personen so eine exzellente Intraobserver- und eine sehr gute bis exzellente Interobserver-Reliabilität erreichen (Lane u. Kremer 1995). Im klinischen Alltag ist ein solches Vorgehen jedoch oft nicht üblich, so dass die Intra- und InterobserverReliabilität von Röntgenbeurteilungen und radiologischen Klassifikationen bei Gonarthrose oft beträchtliche Streuungen aufweist (Günther u. Sun 1999). 3.1.2.2 Histologische Klassifikation Die genaue Beschreibung der histologischen Veränderungen bei Gonarthrose mit den verschiedenen Tabelle╯3.2.╇ Radiologische Schweregrade der Gonarthrose. (Aus Flores u. Hochberg 1998) Grad 1 Fragliche Gelenkspaltverschmälerung und mögliche osteophytische Ausziehungen Grad 2 Klare Osteophyten und mögliche Gelenkspaltverschmälerung Grad 3 Mäßige multiple Osteophyten, klare Gelenkspaltverschmälerung, etwas Sklerose, mögliche Deformierung der Knochenenden Grad 4 Grosse Osteophyten, deutliche Gelenkspaltverschmälerung, schwere Sklerose und klare Deformierungen der Knochenenden
36
3
Tabelle╯3.3.↜渀ȀRöntgenoÂ� logische Klassifikation der Gonarthrose. (Nach Wirth 1992)
G. Pap und I. Meinecke I
Initiale Gonarthrose
II
Mäßige Gonarthrose
III
Mittelgradige Gonarthrose
IV
Schwere Gonarthrose
Stadien der Gelenkdestruktion sowie der hier ablaufenden Prozesse ist Gegenstand zahlreicher ausführlicher Darstellungen (Aigner u. McKenna 2002; Kuettner u. Cole 2005; Kerin et╯al. 2002; Sulzbacher 2000) und würde den Umfang dieses Kapitels sprengen. Nichtsdestoweniger stellt die Kenntnis der histopathologischen Beurteilung der arthrotischen Gelenkveränderungen am Kniegelenk einen wesentlichen Punkt in der Darstellung von Ätiologie und Pathogenese der Gonarthrose dar, so dass hier im Folgenden die Grundzüge der histologischen Klassifikation dargestellt werden sollen. Wie oben dargestellt, gehen neue Betrachtungsweisen davon aus, dass von der osteoarthrotischen Gelenkdestruktion grundsätzlich alle Gelenkkompartimente betroffen sind, so dass die Gonarthrose Tabelle╯3.4.↜渀ȀRadiologische Scoring-Scala der Gonarthrose. (Nach Scott et╯al. 1993) Kriterium Graduierung Definition Kein Osteophyt Osteophyten 0 Kleiner (definitiver) 1 Osteophyt Mäßiger Osteophyt 2 Großer Osteophyt 3 Gelenkspaltver0 Keine Verschmälerung schmälerung 1 Leichte Verschmälerung Mäßige Verschmä2 lerung Starke Verschmälerung 3 Subchondrale 0 Nicht vorhanden Sklerose 1 Vorhanden 0 Nicht vorhanden Ausziehungen 1 Vorhanden der Eminentia intercondylaris Chondrokalzinose 0 Nicht vorhanden 1 Vorhanden
•â•‡ Angedeutete Ausziehungen der Eminentia intercondylaris •â•‡ Angedeutete Ausziehungen der gelenkseitigen Patellapole •â•‡ Leichte Ausziehungen an den Tibiakonsolen •â•‡ Leichte Verschmälerung des Gelenkspaltes •â•‡ Beginnende Entrundung der Femurkondylen •â•‡ Mäßige subchondrale Sklerosierung •â•‡ Hälftige Verschmälerung des Gelenkspaltes •â•‡ Deutliche Entrundung der Femurkondylen •â•‡Deutliche osteophytäre Randwülste an Tibiakonsolen, Außen- und Innenkanten der Femurkondylen, Eminentia interkondylaris sowie an gelenkseitigen Patellapolen •â•‡Deutliche Verschmälerung bis Aufhebung des Gelenkspaltes •â•‡Zystische Veränderungen an Femur, Tibia, und Patella bis zur knöchernen Destruktion •â•‡ Subluxationsstellung zwischen Femur und Tibia
grundsätzlich das Gesamtorgan „Kniegelenk“, einschließlich der periartikulären Strukturen betrifft (Dieppe 1999). Aus diesem Grund wird von einigen Autoren ein Wechsel des Betrachtungsparadigmas weg vom Fokus Knorpel hin zu einer auf das Gesamtgelenk bezogenen Betrachtungsweise gefordert (Dieppe 1999) und u.╯a. zunehmend die Bedeutung des subchondralen Knochens (Dieppe 1999) und des neuromuskulären Systems (Weiler et╯al. 2000) betont. Dennoch wird in zahlreichen (histologischen) Modellen der Arthroseentstehung nach wie vor davon ausgegangen, dass der primäre Ort der Läsion im Knorpelgewebe liegt (Aigner u. Soder 2008). Somit fokussieren die meisten Arbeiten zu histologischen Veränderungen bei der Osteoarthrose zunächst auf die Prozesse der Knorpeldestruktion. Betrachtet man die makroskopischen Knorpelveränderungen bei Gonarthrose, so findet man als frühe Zeichen zunächst eine Gelbfärbung des hyalinen GeTabelle╯3.5.↜渀ȀRadiologische Beurteilung der Gonarthrose auf der Grundlage eines Röntgenatlas. (Nach Altman u. Gold 2007) Kriterium Lokalisation Graduierung Randosteophyten
Mediale Femurkondyle Mediales Tibiaplateau Laterale Femurkondyle Laterales Tibiaplateau
0–3 0–3 0–3 0–3
Gelenkspaltver- Mediales Kompartiment 0–3 schmälerung Laterales Kompartiment 0–3 Sonstige Mediale Tibiaabnutzung Nicht vorhanden/ vorhanden Nicht vorhanden/ Mediale Tibiasklerose vorhanden Laterale Femursklerose Nicht vorhanden/ vorhanden
3â•… Ätiologie und Pathogenese der Gonarthrose
lenkknorpels mit Verlust des normalen Oberflächenglanzes. Im weiteren Verlauf der arthrotischen Destruktion kommt es dann zur Knorpelerweichung und Rissbildung und zu einem makroskopisch sichtbaren Matrix- und Substanzverlust (Knorpelabrieb) sowie dann bei fortschreitender Destruktion zum vollständigen Verlust der Knorpelschicht und dem Freiliegen des subchondralen Knochens (Knorpelglatze; Aigner u. Soder 2008). Gleichzeitig zeigt sich typischerweise im Randbereich der Gelenkfläche osteophytäres Regenerationsgewebe, das zunächst als randständige Erhebung imponiert und im fortgeschritteneren Stadium Teile des Gelenkknorpels mit scheinbar reifem Oberflächenknorpel überziehen kann (Aigner u. Soder 2008). Als Zeichen der synovialen Reaktion auf diese fortschreitende Knorpeldestruktion findet sich eine (Detritus-)Synovialitis mit synovialer Hyperplasie und eine Kapselfibrose. Da die makroskopische Gelenkbeurteilung am Kniegelenk mit Hilfe der Arthroskopie heute ein weit verbreitetes Verfahren zur Objektivierung der Gelenkdestruktion darstellt, besitzt die makroskopische Klassifikation der osteoarthrotischen Veränderungen am Kniegelenk eine wesentliche Bedeutung bei Diagnose und Auswahl von stadiengerechten Therapieverfahren der Gonarthrose (Ayral 1996; Dougados et╯al. 1994). Dabei erfolgt die Einteilung des Knorpelschadens in der Regel in 5 Grade, die von verschiedenen Autoren in ähnlicher Art und Weise vorgeschlagen oder verwendet wird (Noyes u. Stabler 1989; Ayral et╯al. 1998; Blackburn et╯al. 1994): Grad 0 â•›= normaler Knorpel Grad 1╛↜=↜渀屮 K norpelerweichung, leichte KnorpelfibrillaÂ� tionen Grad 2 â•›= mäßige Knorpelfibrillationen Grad 3â•› = schwere Knorpelfibrillationen Grad 4â•› = ausgeprägte Erosionen mit Knorpelglatze Grundsätzlich kann diese grobe makroskopische Beurteilung sowohl für die visuelle (arthroskopische) Beurteilung als auch für eine Beurteilung im MRT angewandt werden (Glückert et╯al. 1990). Mikroskopisch zeigen sich frühe degenerative Veränderungen zunächst als Verlust der normalerweise gleichmäßigen Proteoglykananteils der Knorpelmatrix („Proteoglykanverlust“) sowie in einer minimalen Zellproliferation.
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Die supramolekulare Destruktion des Kollagennetzwerkes zeigt sich in Form von Rissbildungen und schließlich am Fehlen ganzer Knorpelschichten mit unregelmäßiger Konturierung der Knorpeloberfläche („Knorpelusuren“). Gleichzeitig kommt es neueren Untersuchungen zufolge zu einem – in seinem Ausmaß und seiner Bedeutung noch umstrittenen – apoptotischen Zelltod (Aigner u. Soder 2008; Aigner u. McKenna 2002). Kompensationsversuche der ortsständigen Zellen auf diese destruktiven Prozesse bestehen in einer gesteigerten Neusynthese von Matrixkomponenten und einer erhöhten Proliferation der Knorpelzellen besonders in den oberen und mittleren Knorpelzonen. Dies zeigt sich zunächst in einer diffusen Hyperzellularität mit kleineren Zellkomplexen und später in der für den osteoarthrotischen Knorpel typischen Bildung von Knorpelnestern („cluster“). Der weitere Verlauf führt dann zu einer zunehmenden Abschilferung des hyalinen Knorpels so dass letztendlich in den schwerst geschädigten Arealen nur noch wenig oder gar kein Knorpel mehr erhalten ist. Parallel dazu kommt es zu einer zunehmenden Kalzifizierung der untersten Knorpelschichten und der histomorphologisch zu beobachtenden Vervielfachung der sog. „tidemark“ (Aigner u. Soder 2008). Neben diesen Veränderungen am Gelenkknorpel stellen die, insbesondere in späteren Stadien eintretenden, Veränderungen am subchondralen Knochen ein wesentliches Merkmal der arthrotischen Gelenkdestruktion dar. Dazu zählt in erster Linie die subchondrale Sklerosierung, die durch die damit verbundene verminderte Elastizität und somit erhöhte mechanische Belastung des Knorpels einen zusätzlichen ursächlichen Faktor für die Arthroseprogression darstellt. Außerdem finden sich häufig mehr oder weniger große Pseudozysten („Geröllzysten“) im subchondralen Knochenbereich. Aufgrund der Vielschichtigkeit der ablaufenden Prozesse verwundert es nicht, dass die Klassifikation und Graduierung der Veränderungen im Rahmen der Osteoarthrose sehr komplex ist. Neben de Beschreibung des Typs („Typing“, s. Tab.╯3.1) kann man sowohl das Gesamtausmaß der Arthrose („Staging“) als auch das Ausmaß des lokalen Schädigungsgrades („Grading“) beurteilen. Für das Staging der Arthrose wird in Deutschland häufig die Stadieneinteilung nach Otte angewandt (Otte 1969). Sie ist in Tab.╯3.6 aufgeführt und stellt im We-
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3
Tabelle╯3.6.↜渀ȀStadieneinteilung der arthrotischen Gelenkdestruktion nach Otte (1969) Grad Histologische Kennzeichen 0 Normal I Oberflächliche Fibrillierungen, kein Substanzverlust II Knorpeldefekt, der nicht die gesamte Dicke des Knorpels umfasst (Substanzdefekt, Risse, Fibrillierung erreicht nicht den subchondralen Knochen) III Knorpeldefekt, der die gesamte Dicke des Knorpels umfasst (tiefreichende Substanzdefekte, Risse und Fibrillierungen erreichen den subchondralen Knochen) IV Vollständiger Knorpelverlust (zumindest fokal)
sentlichen einen summarischen Gesamtbefund des Gelenks dar. Während dieses Staging letztendlich geeignet ist, z.╯B. eine Operationsindikation (bei Grad IV) zu bestätigen, erweist es sich bei höheren Anforderungen an Sensitivität und Spezifität des Befundes (z.╯B. im Rahmen von wissenschaftlichen Studien) als zu grob. Das klassische und international hier am meisten angewandte Graduierungssystem ist das nach Mankin et╯al. (1971), das im Ansatz relativ einfach und auch arithmetisch auswertbar ist. Es ist in Tab.╯3.7 dargestellt. Kritik am Graduierungssystem nach Mankin in Bezug auf die Mitbeurteilung von Regeneratknorpel, die Miterfassung unterschiedlicher Lokalisationen im Gelenk und eine recht hohe interindividuelle Varianz Tabelle╯3.7.↜渀ȀGraduierung der arthrotischen Gelenkdestruktion nach Mankin et╯al. (1971) Kriterium Grad Histologische Kennzeichen Normal Struktur des 0 Oberflächenunregelmäßigkeiten Knorpels 1 Pannus und Oberflächenunre2 gelmäßigkeiten Risse bis in die Übergangszone 3 Risse bis in die tiefe Zone 4 Risse bis in die kalzifizierte 5 Zone Normal Chondrozyten 0 Diffuse Hyperzellularität 1 Zellklone 2 Hypozellularität 3 Normal 0 Safranin-OLeicht reduzierte Anfärbung Färbung 1 Mäßig reduzierte Anfärbung 2 Stark reduzierte Anfärbung 3 Keine Anfärbung 4 Totale Desorganisation 5 Tidemark 0 Intakt 1 Von Gefäßen durchbrochen
G. Pap und I. Meinecke
der Auswertungssicherheit führte zu neuen Graduierungssystemansätzen wie dem, das unlängst von Pritzker et╯al. (2006) vorgeschlagen wurde. Inwieweit sich dieses Graduierungssystem durchsetzen wird, muss sich noch zeigen.
3.2 Ätiologie der Gonarthrose 3.2.1 Entstehungsursachen Für die Betrachtung der Ätiologie der Gonarthrose ist es sinnvoll, zunächst einige generelle Aspekte der möglichen Ursachen für die Entstehung und den Krankheitsverlauf der Osteoarthrose darzustellen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass sich die Ansichten zur Osteoarthrose und ihrer Entstehung in den vergangenen 20╯Jahren nicht nur grundlegend geändert haben (Brandt et╯al. 1998), sondern dass der Erkenntnisgewinn hier noch lange nicht abgeschlossen ist (Sharma 2001; Martin 1994). Während man früher davon ausging, dass die Osteoarthrose als „degenerative“ Erkrankung die unvermeidliche Begleitung des Älterwerdens mit einer aus quasi lebenslanger Belastung resultierender Abnutzung des Gelenks (sog. „Wear-and-tear“-Theorie) darstellt, geht man heute zunehmend davon aus, dass es sich bei der Osteoarthrose um einen metabolisch aktiven, dynamischen Prozess handelt, der sowohl destruktive als auch reparative Prozesse beinhaltet (Brandt et╯al. 1998). Die Betrachtung der Osteoarthrose als das Ergebnis gegenläufiger, destruktiver und reparativer, Prozesse, die von einer Vielzahl biochemischer und physikalischer Faktoren getriggert werden, mündet so in der bereits vor fast 25╯Jahren geäußerten Ansicht von der Osteoarthrose als einem Reparaturprozess als Antwort auf verschiedenste (potentielle) Gelenktraumatisierungen und Mechanismen der Gelenkzerstörung (Brandt et╯al. 1998; Bland u. Cooper 1984; Radin u. Burr 1984). Ist der primär schädigende Prozess einmal in Gang gesetzt, werden alle Anteile des Gelenks an der Gelenkreaktion, die als eine „Anpassungsreaktion“ angesehen werden kann, beteiligt (Mankin 1974). Im Rahmen dieser „Anpassungsreaktion“
3â•… Ätiologie und Pathogenese der Gonarthrose
39
kann eine erhöhte metabolische Aktivität des Knorpels in Form von neuer Knochenbildung und „Remodeling“ des Gelenks mit den destruktiven Prozessen Schritt halten. Das Ergebnis hängt dann von der Balance zwischen der Schwere und Chronizität der Gelenkschädigung einerseits und der Effektivität der Reparaturprozesse andererseits ab und kann sowohl zu einem Zustand der „Kompensation“ oder einem Zustand der „Dekompensation“ führen (Abb.╯3.1; Brandt et╯al. 1998). Eine solche Theorie der Osteoarthrose erklärt sowohl die deutliche Heterogenität der Osteoarthrose in Bezug auf die betroffen Gelenke und Gelenkanteile, die verschiedenen Erscheinungsformen als auch die Variabilität in Bezug auf die klinische, bildgebende und histologische Manifestation mit einer hohen Rate an Symptomlosigkeit trotz sichtbarer Veränderungen. Man muss jedoch sowohl bei der Übertragung der Erkenntnisse zur Pathogenese der Osteoarthrose von einem Gelenk auf ein anderes vorsichtig sein wie auch bei der Verallgemeinerung einer klinischen Form der eines Modells auf die Osteoarthrose allgemein. Diese grundsätzlichen theoretischen Ansätze zur Ätiologie der Osteoarthrose treffen vollständig auch
auf die Gonarthrose zu, die somit nicht als eine einzelne „Erkrankung“, sondern als ein Prozess mit verschiedenen Triggern und Reaktionsfolgen, die zu verschiedenen Manifestationen führen können, zu verstehen ist. Dabei müssen in Anlehnung an Brandt et╯al. (1998) jedoch einige Punkte berücksichtigt werden: Obwohl verschiedene Trigger eine gemeinsame phenotypische Expression als „Gonoarthrose“ zur Folge haben, kann sich die Art, in der sie das Gelenk schädigen, in großem Umfang unterscheiden und erbliche, konstitutionelle, metabolische, biomechanische und umweltbedingte Mechanismen beinhalten. Der Ort der primären Schädigung können sämtliche Gewebe des Kniegelenks sein (Knochen, Knorpel, Synovialmembran, Kapsel, Bänder, Muskulatur), da sie alle (gemeinsam) für die Gelenkintegrität von essentieller Bedeutung sind. Die Risikofaktoren und Mechanismen, die an der Entstehung der Gonarthrose beteiligt sind, müssen nicht die gleichen sein wie die, die über ihr Voranschreiten oder Nichtvoranschreiten bestimmen. Unter Berücksichtigung dieser ätiologischen Aspekte muss nun die in der Praxis gebräuchliche Einteilung der Gonarthrose betrachtet werden.
Gelenkschaden Ergebnis Trauma
Metabolische Störungen
Instabilität Entzündung Neuromuskuläre Störung
Risikofaktoren, (unbekannte) genetische, konstitutionelle und Umweltfaktoren
Zustand der Kompensation: keine/ leichte Symptome und Behinderung
Arthrose-Prozess
Osteophyten/Remodelling Synoviale Reaktion
Abb.╯3.1.╇╛Konzept der Osteoarthrose als einen variablen Ergebnisprozess aus schädigenden und reparativen Prozessen. (Nach Brandt et╯al. 1998)
Kapsuläre Reaktion
veränderter Chondrozyten-Metabolismus Reparaturmechanismen
Zustand der Dekompensation: deutliche Symptome und Behinderung
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3
Hier hat sich, wie oben dargestellt, die (grobe) Unterscheidung der ätiologisch ungeklärten idiopathischen oder primären Gonarthrosen von den sekundären Gonarthrosen durchgesetzt. Dabei geht man davon aus, dass bei den primären Gonarthrosen kein sicher erfassbarer ätiologischer Faktor für die Arthroseentstehung verantwortlich gemacht werden kann, sondern dass es sich um eine multifaktorielle Genese aus den oben beschriebenen Aspekten unter Einwirkung verschiedener Risikofaktoren handelt. Aus diesem Grund nimmt die Untersuchung und Betrachtung von Risikofaktoren eine zentrale Stellung in der Betrachtung sowohl der Ätiologie und auch als prophylaktischer Ansatz ein. Die Betrachtung der Risikofaktoren, die Untersuchung des Stellenwertes der einzelnen Faktoren sowie ihrer Zusammenhänge untereinander ist Gegenstand zahlreicher epidemiologischer Studien und Abhandlungen (Felson 1998; Cooper u. Coggon 1999; Corti u. Rigon 2003; Felson et╯al. 2007; Imeokparia et╯al. 1994; Schouten et╯al. 1992; Spector et╯al. 1994). Auf sie wird in diesem Buch im Kapitel Epidemiologie noch gesondert eingegangen, so dass sie weiter unten nur kurz erläutert werden. Gegenüber den primären Gonarthrosen weisen die sekundären Gonarthrosen klar definierbare ätiologisch bedeutsame Faktoren in der Vorgeschichte auf. Diese Faktoren oder Ursachen stellen das primäre Ereignis dar und führen sekundär, unmittelbar oder mittelbar, zu einer Schädigungskaskade mit Destruktion des Gelenkknorpels und Involvierung aller Gelenkanteile und somit zur Entstehung der Gonarthrose. Tabelle╯3.8 zeigt eine Zusammenfassung ätiologisch bedeutsamer Faktoren, die zur Entstehung und Progression der Gonarthrose beitragen. Dabei initiiert jeder dieser ätiologischen Faktoren oder Faktorenkomplexe eine Prozesskaskade, die gleichzeitig zur Gelenkschädigung und zum Einsetzen reparativer Prozesse führt. Diese Prozesse sind für die einzelnen ätiologischen Faktoren teilweise relativ spezifisch, so dass unter der Überschrift der sekundären Gonarthrose letztendlich verschiedene Erkrankungsgruppen wie z.╯B. Morbus Ahlbeck, posttraumatische Gonarthrose, hämophile Arthropathie etc. zusammengefasst werden können. Die Darstellung der Ätiologie und Pathogenese dieser einzelnen Erkrankungen würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen und soll deshalb hier nicht näher ausgeführt werden.
G. Pap und I. Meinecke Tabelle╯3.8.↜渀ȀÄtiologische bedeutsame Faktoren, die zur Entstehung und Progression der Gonarthrose beitragen. (Aus Reichel 2000) Ätiologische Gruppe Ursache Entzündliche Genese •â•‡ Rheumatoidarthritis •â•‡ Juvenile rheumatoide Arthritis •â•‡ Lokale Arthritis Metabolische Genese •â•‡ Alkaptonurie •â•‡ Diabetes mellitus •â•‡ Hyperlipoproteinämien •â•‡ Morbus Wilson •â•‡ Nephrokalzinose •â•‡ Gicht •â•‡ Hämochromatose •â•‡ Chondrokalzinose •â•‡ Rachitis Endokrine Genese •â•‡ Akromegalie •â•‡ Hypothyreose •â•‡ Hyperparathyreoidismus Gerinnungsstörung •â•‡ Hämophilie Gelenkdeformitäten •â•‡Posttraumatische Kongruenzund -inkongruenzen störung •â•‡Postarthritische Kongruenzstörung •â•‡ Osteochondrosis dissecans •â•‡ Aseptische Knochennekrosen •â•‡ Meniskektomie Sonstige mechanische •â•‡Genu varum, valgum, recurvatum Genese •â•‡ (Sub-)Luxationen •â•‡ Chronische artikuläre Instabilität •â•‡ Unbehandelte Meniskusläsionen •â•‡ Beinlängendifferenzen •â•‡ Kompensatorische Überlastung •â•‡ Unphysiologische Überlastung •â•‡Unphysiologische Entlastung/ Immobilisation Neurogene Genese •â•‡ Tabes dorsalis •â•‡ Diabetische Neuropathie •â•‡ Syringomyelie •â•‡ Periphere Nervenläsionen Osteopathien, Kolla•â•‡ Morbus Paget genosen •â•‡ Marfan-Syndrom •â•‡ Ehlers-Danlos-Syndrom Endemische Arthrosen •â•‡ Kashin-Beck-Krankheit
3.2.2 Risikofaktoren Die Entstehung der Osteoarthrose im Allgemeinen, wie auch der Gonarthrose, wird weithin als das Ergebnis des Wirkens von lokalen Einflussfaktoren gesehen, die aber im Gesamtkontext einer systemischen Prädisposition wirken (Dieppe 1995). Aus diesem Grund werden die Risikofaktoren für die Entstehung der Gonarthrose von einigen Autoren in systemische und
3â•… Ätiologie und Pathogenese der Gonarthrose
lokale Risikofaktoren unterschieden (Sharma 2001) die jedoch in vielen Fällen eng zusammenwirken. So ist z.╯B. der systemische Risikofaktor „Alter“ oft verbunden mit den lokalen Risikofaktoren Varusvalgus-Laxität, Propriozeptionsverlust, verminderte Muskelkraft usw. Andere unterscheiden die sog. intrinsischen Risikofaktoren (Alter, Geschlecht, Rasse, Familienanamnese und Übergewicht) von den extrinsischen Risikofaktoren (Gelenkform/-stabilität, Gelenktrauma/-überbelastung, Bewegungsverlust), wobei auch hier das Ziel ist, die lokal wirkenden Faktoren von solchen, die systemisch wirken, abzugrenzen (Dieppe 1990). Die wesentliche Rolle von systemischen Risikofaktoren zeigt sich in der Tatsache, dass bei der Arthrose eines Knies, einer Hüfte oder Hand eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit einer kontralateralen Arthrose besteht. So entwickeln 34╯% der Frauen mit unilateraler Gonarthrose innerhalb von 2╯Jahren eine kontralaterale Gonarthrose (Spector et╯al. 1994) und nach 11╯Jahren ist bei 92╯% der Patienten mit unilateraler Gonarthrose auch die Gegenseite betroffen (Spector et╯al. 1992). Diese und ähnliche Beobachtungen führten zu der Annahme, dass systemischen Risikofaktoren eine zentrale Rolle bei der Entstehung einer Osteoarthrose zukommt. Darüber hinaus wird jedoch auch die Auffassung vertreten, dass bestimmte lokale Risikofaktoren eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Gonarthrose spielen können. So konnten z.╯B. Sharma et╯al. (2001) zeigen, dass eine Varusfehlstellung die Progression der Gonarthrose im medialen Kompartiment beschleunigt, während eine Valgusfehlstellung die Arthroseprogression im lateralen Kompartiment vorantreibt. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass einige lokale Risikofaktoren auch symmetrisch vorhanden sind und deshalb auch die zeitnahe kontralaterale Involvierung auch ohne die vordergründige Annahme der Dominanz von systemischen Risikofaktoren erklärbar ist. So sind Varus-valgus Laxität, propriozeptive Fähigkeit und Muskelkraft in beiden Knien eines Patienten wegen der kortikalen Verschaltungen sehr ähnlich (Pap et╯al. 1998a) und damit auch das mögliche Wirken dieser Faktoren als Risikofaktor (Sharma 2001). Die wesentlichen lokalen und systemischen Risikofaktoren sind in Tab.╯3.9 dargestellt. Dabei muss beachtet werden, dass Art und Umfang, in dem diese Risikofaktoren wirken, oft keine einfachen Zusammenhänge
41 Tabelle╯3.9.↜渀ȀSystemische und lokale Faktoren für die Entstehung der Gonarthrose Systemische Faktoren
Lokale Faktoren
•â•‡ Adipositas •â•‡ Knochendichte •â•‡ Geschlecht •â•‡ Alter •â•‡ Ethnische Zugehörigkeit •â•‡(Unbekannte) erbliche Faktoren
•â•‡ Physische Aktivität •â•‡ Trauma •â•‡ Gelenkachse •â•‡ Muskelkraft •â•‡ Varus-Valgus Laxität •â•‡ Anteroposteriore Laxität •â•‡ Propriozeption •â•‡ Meniskektomie
darstellen. So liegt die Prävalenz der Gonarthrose bei Männern unter 45╯Jahren leicht über der der Frauen, während ab dem 55. Lebensjahr Frauen signifikant häufiger betroffen sind als Männer (Peyron 1986). Wie oben bereits ausgeführt, ist die Untersuchung und Darstellung des oft komplexen Wirkens dieser Risikofaktoren Gegenstand zahlreicher epidemiologischer Studien und Übersichtsarbeiten und wird im Kapitel Epidemiologie ausführlich dargestellt.
3.3 Pathogenese der Gonarthrose Die Pathogenese der Gonarthrose ist gekennzeichnet einerseits durch das gleichzeitige Wirken von destruktiven und reparativen Prozessen (s. oben) und anderseits durch einen bzw. mehrere parallel ablaufende, Circulus-vitiosus-artige Kreisläufe, in denen eine bestehende Schädigung durch Rückkopplung mit anderen Gelenkstrukturen und dem Einwirken externer Faktoren eine Progression erfährt (Brandt et╯al. 1998). Diese Kreisläufe spielen sich z.╯B. zwischen dem Gelenkknorpel und der Synovialmembran, zwischen Gelenkknorpel und dem subchondralen Knochen und der Synovialmembran und dem neuromuskulärem System ab. Abbildung╯3.2 zeigt schematisch wesentliche Aspekte der Pathogenese der Gonarthrose und einige dieser Kreisläufe bzw. Rückkopplungsmechanismen. Sie sollen im Folgenden näher erläutert werden. Als Ausgangspunkt für die Entstehung der Gonarthrose wird das Wirken eines oder mehrerer mechanischer und/oder biochemischer Trigger angenommen, das zu einem Überschreiten der Toleranzschwelle des Knorpels führt und in dessen Folge eine Störung des Gleichgewichts zwischen Belastung und Belastbarkeit
42
3
Abb. 3.2.↜渀ȀRückkopplungswege bei der arthrotischen Gelenkdestruktion
G. Pap und I. Meinecke Trigger/Risikofaktoren • Mechanische Trigger • Biochemische Trigger
Molekulare Reaktionen • Knorpelmatrix (Proteolyse) • Chondrozyteneigenschaften
Mediatoren Abrieb
Knorpel
Synovialzellen
Zytokine Proteasen
Neurogener Einfluss • Gelenkinnervation • Muskulatur
Knochen Subchondrale/knöcherne Reaktionen • Zunahme der Steifigkeit • Verringerte Perfusion • Osteophytenbildung
des Knorpels eintritt. Bei diesen Triggern handelt es sich im Rahmen der primären Gonarthrose im Wesentlichen um das Wirken von einem oder mehreren o.╯g. Risikofaktoren wie übermäßige (repititive) Gelenkbelastung, hohes Gewicht, Gelenkinstabilität, genetische Disposition, Alter u.╯Ä., bei der sekundären Gonarthrose sind dies die als unmittelbare oder mittelbare Ursache angesehenen schädigenden Faktoren wie Trauma, Infektion, Stoffwechselstörungen u.╯Ä. Die als Folge eintretende Knorpelschädigung kann sowohl mechanisch als auch biochemisch (enzymatisch) induziert sein und wird in ihrem Fortschreiten sowohl von Ausmaß und Art der weiteren (mechanischen) Gelenkbeanspruchung als auch z.╯B. von biochemischen, hormonellen, neurogenen und heriditären Faktoren beeinflusst. Für die Progression der klinischen Manifestation der Gonarthrose spielen in diesem Zusammenhang drei Prozesskreise eine wesentliche Rolle. Zum einen ist dies die synovialitische Reaktion. Als Ergebnis der Knorpeldestruktion werden u.╯a. Abriebteile (freie Detrituspartikel, freie Proteoglykane) und proinflammatorische Zytokine und Proteasen in den Gelenkspalt abgegeben und führen zu einer synovialen Reizung im Sinne einer sog. reaktiven Detritussynovitis (Reichel 2000). Im Ergebnis dieser Detritussynoitis kommt es nicht nur zu klinischen Symptomen wie Schwellung, Schmerzen, Erguss und Funktionseinschränkungen, sondern auch zu einer Freisetzung von verschiedenen Zyto-
kinen und matrixdestruierenden Proteasen durch die Synovialzellen bzw. in der Synovialis vorhandenen Makrophagen, die ihrerseits die weitere Knorpeldestruktion voranschreiten lassen (Kido et╯al. 2007). In diesem Zusammenhang kann es zur Entwicklung eines pannusartigen Gewebes kommen, das von der Synovialmembran bzw. von der Kapsel ausgehend auf den hyalinen Knorpel übergreift, diesen bedeckt und so den Knorpelabbau weiter vorantreibt. Im Ergebnis dieses Circulus vitiosus kann es zu akuten Entzündungsreaktionen im Kniegelenk im Sinne einer aktivierten Arthrose kommen. Der zweite Prozesskreis ist bedingt durch eine Alteration des Systems hyaliner Knorpel/subchondraler Knochen (Burr 1998; Lajeunesse u. Reboul 2003). Bedingt durch die Knorpeldestruktion und die daraus resultierende verstärkte mechanische Belastung des subchondralen Knochens, aber möglicherweise auch durch andere gonarthroserelevante Risikofaktoren (mechanische Fehlbelastung bei Achsfehlstellungen, Übergewicht, neuromuskuläre Dysbalance u.╯a.) kommt es zu einem hyperostotischen Knochenumbau (Reichel 2000) mit zunehmender Steifigkeit des subchondralen Knochens und damit auch verminderter Perfusion. Dies führt einerseits dazu, dass die energieabsorbierende, elastische Eigenschaft des Knochens verlorengeht und die darüber liegenden Knorpelanteile in einem steigenden Umfang mechanische Belastungen aufnehmen müssen und damit einer höheren Schädigung ausgesetzt sind. Andererseits führt
3â•… Ätiologie und Pathogenese der Gonarthrose
die verminderte Perfusion zu einer verminderten Ernährung der unteren Knorpelschichten und damit zu einer weiteren Schädigung des hyalinen Knorpels. Gleichzeitig kann die unmittelbar subchondrale, nach Destruktion des Gelenkknorpels dann freigelegte Knochenschicht an mehreren Stellen nekrotisch werden und es resultieren Einbrüche der Knochenschlusslamelle und Mikrofrakturen der subchondralen Trabekel (Burr u. Radin 2003). In diesem Zusammenhang entwickeln sich umschriebene subchondrale Nekrosen, die durch Granulationsgewebe ersetzt werden. Schließlich entstehen mit nekrotischen Knochenbälkchen und Bindegewebe angefüllte sog. Detrituszysten, die mit dem subchondralen Markraum in Verbindung stehen oder standen (Reichel 2000). Andererseits entwickeln sich durch den Einbruch der Knochengrenzlamelle sog. Pseudozysten, die mit dem Gelenkbinnenraum in Verbindung stehen. Durch diese Bruchpforte wird Synovialflüssigkeit eingepresst, es entsteht ein Raum mit fibrösem oder chondroidem Gewebe. Später wird die Verbindung zum Gelenkbinnenraum durch Kallusbildung meist wieder verschlossen, so dass im fortgeschrittenen Stadium der Arthrose eine Zuordnung der Zysten zu einem dieser beiden Typen meist nicht mehr möglich ist. Parallel zu diesen Prozessen entstehen an den Randzonen der Gelenkflächen Osteophyten. Ursprünglich wurde angenommen, dass diese Osteophyten als kompensatorische Reaktion des Gelenks gebildet werden und den auf das Gelenk wirkenden Druck durch Vergrößerung der Gelenkfläche reduzieren sollen (Sokoloff 1980). Diese Meinung ist jedoch nicht unumstritten (Reichel 2000), da sie zur klinischen Symptomatik bei Gonarthrose mit Schmerzen und Funktionsstörungen beitragen können (Boegard et╯al. 1998). So ist die Frage, ob es sich bei der Osteophytenbildung um eine funktionelle Adaptation des Gelenks oder um ein (rein) pathologisches Phänomen handelt, noch nicht abschließend geklärt (van der Kraan u. van den Berg 2007). Dazu trägt auch der Umstand bei, dass man die Osteophyten in drei verschiedene Gruppen – den Traktionsostephyten, den inflammatorischen Osteophyten und den Osteophyten im engeren Sinne (Osteochondrophyt) – einteilen kann (Menkes u. Lane 2004) und diese unterschiedliche Eigenschaften zeigen. Grundsätzlich wird heute davon ausgegangen, dass die Osteophytenbildung einen Prozess darstellt, der große Ähnlichkeit mit der Chondrogenese und der
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enchondralen Knochenbildung während der Embryogenese hat und wahrscheinlich über mechanische Trigger, die auf die Expression von verschiedenen Zytokinen wirken (TGFβ, BMP), stimuliert werden (van der Kraan u. van den Berg 2007; van Beuningen et╯al. 1998). Dabei zeigen Genexpressionsuntersuchungen, dass die Osteophytenbildung deutliche Gemeinsamkeit mit der Kallusbildung im Rahmen der Frakturheilung aufweist (Matyas et╯al. 1997), so dass man davon ausgeht, dass während der Osteophytenbildung bei Arthrose ähnliche inflammatorische Signalwege wirken wie bei der Frakturheilung. Hierzu zählt auch, dass offenbar aktivierte Synovialzellen bei Arthrose gleichermaßen wesentlich zur Osteophytenbildung beitragen (van der Kraan u. van den Berg 2007). Der dritte Prozesskreis in der Pathogenese der Gonarthrose bezieht sich auf das Zusammenwirken von Triggerfaktoren, Gelenkdestruktion und neuromuskulärer Gelenkstörung und wird teilweise unter dem Begriff arthrogene Muskelinhibition zusammengefasst. Das Phänomen der arthrogenen Muskelinhibition wurde bereits Anfang der 80er Jahre von Stokes und Young (1984) beschrieben und zunächst am Meniskektomiemodell untersucht. Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass die Veränderungen afferenter Informationen im Gelenk durch eine bestehende Gelenkschädigung und die damit verbundene abnorme Reizung von intraartikulären Mechanorezeptoren zu einer reflektorischen Hemmung insbesondere von efferenten Quadrizepsmotoneuronen führt. Dabei geht man davon aus, dass es sich um Rezeptoren in der Synovialmembran und in Bandstrukturen des Gelenkes handelt, die im Rahmen der arthrotischen Gelenkdestruktion betroffen sind. In erster Linie die arthrotische Kniegelenksreizung, aber auch mögliche weitere Faktoren wie Instabilität und Fehlstellung, bewirken eine Reizung intraartikulärer Rezeptoren und afferenter Neurone und führen zu einer verminderten Erregbarkeit von α-Motoneuronen in den entsprechenden Segmenten des Rückenmarkes und damit zu einer veränderten Willküraktivierbarkeit und verminderten Muskelkapazität des M. quadriceps femoris (Pap et╯al. 2004). Durch diese reflektorisch bedingte Quadrizepshemmung wird ein Circulus vitiosus aufrechterhalten, der von einer arthrotischen Gelenkreizung über eine komplexe Störung der neuromuskulären Funktion insbesondere des M. quadriceps und zu einer arthrogenen Muskelschwäche führt (Abb.╯3.3).
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3
G. Pap und I. Meinecke
Abb. 3.3.↜渀ȀKonzept der arthrogenen Muskelinhibition. (Nach Stokes u. Young 1984)
Gelenkschaden
Muskelschwäche
Reflexinhibition
Immobilisation
Muskelhypotrophie
Im Ergebnis dieser gelenkbedingten, reflektorischen Muskelhemmung mit Abnahme der maximalen Willkürkraft des Quadrizepsmuskels kommt es letztendlich zu einer Störung der Kniegelenksfunktion mit verminderter Belastbarkeit des Kniegelenks, Gangund Stabilisierungsstörungen (Andriacchi et╯al. 2004) und zunehmender Belastung der arthrotisch bereits geschädigten Kniegelenksstrukturen (Baliunas et╯al. 2002). Die muskuläre Störung der Kniegelenksfunktion ist damit dann nicht nur Ergebnis der Gelenkaffektion, sondern ihrerseits auch durch die resultierende Fehlbelastung des Gelenks wieder Ursache für eine weitere Gelenkschädigung. Auf der Grundlage ähnlicher Mechanismen führen die Reizungen intraartikulärer Rezeptoren auch zu einer Veränderung propriozeptiver Eigenschaften am Kniegelenk (Weiler et╯al. 2000). Diese beziehen sich sowohl auf eine Störung des Gelenkstellungssinns (Garsden u. Bullock-Saxton 1999) als auch des Gelenkbewegungssinns (Pap et╯al. 1998b). Obgleich vermutet wird, dass diese Propriozeptionsveränderungen als auslösender Trigger und als Faktor der Erkrankungsprogression bei Gonarthrose wirken können (Barrett et╯al. 1991), ist die genaue klinische Bedeutung noch unklar (Sharma et╯al. 1997; Sharma 1999), insbesondere auch, da ein direkter Zusammenhang zwischen Propriozeptionsveränderungen und Einschränkungen der Kniegelenksfunktion nicht zwingend gefunden werden konnte (Marks et╯al. 1993; Pap et╯al. 1998a). Zusammenfassend führen durch systemische und lokale Faktoren getriggerte Prozesse in den Bereichen Knorpel/Knochen, Kapsel-/Bandapparat und neuro-
muskuläres System zu (biochemisch vermittelten) morphologischen und funktionellen Veränderungen des Kniegelenks, die entweder im Stadium der Kompensation verharren oder sich in den klinischen und bildgebenden Zeichen der Gonarthrose äußern können.
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Entwicklung der Knieendoprothetik, Indikation und sozioökonomische Gesichtspunkte J. Mettelsiefen, S. Kirschner, J. Lützner und K.-P. Günther
4.1 Historische Entwicklung der Knieendoprothetik Die ersten operativen Behandlungsversuche bei Gonarthrose gehen auf Verneuil 1860 (Steinberg u. Steinberg 2000) zurück. Er versuchte, nach Resektion der femoralen und tibialen Gelenkflächen durch Interposition verschiedener Materialien wie z.â•›B. Nylon, Fascia lata u.â•›a. eine Verbesserung der Mobilität bei arthrotischen Kniegelenken zu erreichen (Verneuil 1860). Ein ähnlicher Ansatz mit Resektion der Gelenkflächen wurde von Ferguson verfolgt. Er konnte bei einem Teil der Patienten eine mobile Pseudarthrosenbildung erreichen. Das Ausmaß der Beweglichkeit ging allerdings mit einer zunehmenden Instabilität des Gelenks einher (Riley 1976). Durch den Berliner Chirurgen Themistokles Gluck ist erstmals ein eigentliches Kunstgelenk am Knie entwickelt worden (Abb.â•›4.1). Er stellte 1890 seine Idee der „Berliner medicinischen Gesellschaft“ vor (Gluck 1890; Hawk 1993; Blauth u. Donner 1979). Seine Knieprothese bestand aus Elfenbein und war als Scharniergelenk ausgeführt (Abb.â•›4.2). Er setzte diese Gelenke bei Patienten mit tuberkulös zerstörten Gelenken ein. Zur Fixierung im Knochen wurde eine Mischung aus Kolophonium und Gips verwendet. Durch mangelnde Asepsis kam es bei allen Patienten zum septischen Implantatversagen. Seine Vorgehensweise führte zu Auseinandersetzungen mit der chirurgischen Gesellschaft und er wurde zeitweilig ausgeschlossen. Letztlich wurde er jedoch 1930 aufgrund seiner herausragenden Leistungen zum Ehrenmitglied ernannt (Gluck 1891).
Erst durch die Erfolge der Hüftendoprothetik wurde die Entwicklung von Knieprothesen wiederbelebt. Die ersten Prothesenmodelle waren zumeist gekoppelte Scharniergelenke. 1947 führten die Gebrüder Judet und Crepin erste Versuche mit Prothesen aus Acrylharz durch, die aufgrund von Materialproblemen wenig erfolgreich waren (Riley 1976; Judet et al. 1947; Walldius 1957). Sie stellten für das Hüftgelenk eine kurze Oberflächenprothese und für das Kniegelenk
Abb. 4.1.↜渀 Themistokles Gluck (1853–1942)
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_4, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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4
Abb. 4.2.╛╇ Gluck-Prothese
ein gekoppeltes Scharniergelenk vor. Die von Walldius ab 1951 im Karolinska-Institut in Stockholm eingesetzten achsgeführten Scharnierprothesen waren etwas erfolgreicher als die Vorgängermodelle (Walldius 1960). Als Material für das Implantat wählte er eine Chrom/Kobalt/Molybdän-Legierung (Vitallium). Durch biomechanische Schwächen der Prothese mit ungleichmäßiger Krafteinleitung und massivem Abrieb ergaben sich wiederum vorzeitige Implantatlockerungen. Ähnliche Probleme zeigten auch die Prothesen von Shiers und Young, die 1954 bzw. 1963 eingeführt wurden. Mit einer Überarbeitung der Biomechanik konnte die Pariser Guepar-Gruppe eine Verbesserung der Ergebnisse erreichen (Mazas 1973; Jones et╯al. 1979), ohne jedoch das Problem der vorzeitigen Auslockerung überzeugend gelöst zu haben (Hoikka et al. 1989; Hernigou u. Goutallier 1988). Aufgrund dieser Erfahrungen wurde die gekoppelte Knieendoprothetik in den USA lange Zeit mit großer Skepsis beobachtet und sehr zurückhaltend eingesetzt.
J. Mettelsiefen et al.
Das Konzept des Oberflächenersatzes am Kniegelenk wurde mit der Einführung von tibialen unikondylären Acrylplateaus zur Behandlung von Varus- oder Valgusfehlstellungen durch MacIntosh 1954 in Toronto begonnen (MacIntosh 1958). Durch die Interposition der unikondylären Platzhalter sollten vor allem das Alignement und die Stabilität verbessert werden. Lockerungen und Infektionen stellten die häufigsten Versagensursachen dar, die später auch nicht durch die Nutzung metallischer Materialien beseitigt werden konnten. Ein Meilenstein der Endoprothetik ist die Einführung der sog. „Low friction Arthroplasty“ durch Sir John Charnley 1961 (Charnley 2005). Das Problem der Implantatfixierung konnte er durch Anwendung des Polymethylmetacrylats (PMMA) überzeugend lösen und führte gleichzeitig die Gleitpaarung von Polyethylen und Metall ein. Er schaffte damit die Voraussetzungen, dass die erste eigentliche Oberflächenprothese am Kniegelenk von Gunston 1969 implantiert werden konnte. Gunston nutzte die wesentlichen Fortschritte der von Charnley eingeführten Implantatfixierung und stellte eine Prothese mit ungekoppelten Femurschlitten und korrespondierenden Tibiainlays vor (Gunston 1971; Gunston u. MacKenzie 1976). Dieses Prinzip wurde durch (Engelbrecht 1971; Engelbrecht et al. 1976) in Hamburg als unikondylärer Gelenkersatz „St. Georg“ weiterentwickelt und vielfach erfolgreich eingesetzt. Mit der Modularisierung der Komponenten wurde Anfang der 70er Jahre durch Marmor der unikondyläre Gelenkersatz in den USA verbreitet (Marmor 1988a, b). Die Weiterentwicklung der Oberflächenendoprothesen am Knie wurde auch stark durch M.A.R. Freeman geprägt: Neben der Entwicklung der Freeman-Swanson-Knieprothese (Abb.â•› 4.3a, b) ist in London besonderes Augenmerk auf standardisierte Operationstechniken, die Beachtung der Weichteile und die Prävention periprothetischer Infektionen gelegt worden. Insbesondere der Hinweis auf eine zuverlässige Rückzugsmöglichkeit in Form einer Arthrodese sowie verschiedener, noch immer aktueller Behandlungsziele wie z.â•›B. des anzustrebenden Bewegungsausmaßes sind von unveränderter Aktualität (Freeman et al. 1973). Des Weiteren folgte dann 1974 die bikondyläre kreuzbandersetzende „Total Condylar Prothesis“ von Walker, Insall und Ranawat (Insall et al. 1979, 1983; Insall u. Kelly 1986). Basierend auf diesem Implantat erlebte die Knieen-
4â•… Entwicklung der Knieendoprothetik, Indikation und sozioökonomische Gesichtspunkte
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Abb. 4.3a, b.╇ FreemanSwanson-Knieprothese
doprothetik einen großen Aufschwung und Weiterentwicklungen z.â•›B. in Form des Insall-Burstein-Knies (Abb.â•›4.4). Unter Verwendung dieses Implantats haben die Entwickler erstmalig 10-Jahres-Überlebensraten oberhalb von 90â•›% berichtet (Insall et al. 1982). Die Anwendungen der Oberflächenendoprothetik bei Patienten mit rheumatoider Arthritis in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien mit Instabilität und Knochendefekten erschien zunächst wenig aussichtsreich. Durch eine Schweizer Arbeitsgruppe (Gschwend, Schleier und Bähler) erfolgte die Entwicklung der GSB- Knieprothese mit einer stabilen intrakondylären Führung und intramedullärer Verankerung für diese Patienten (Abb.â•›4.5; Gschwend u. Loehr 1981).
Abb. 4.4.╛╇ Insall-Burstein-Knie
Unter kontinuierlicher Weiterentwicklung konnten die 10-Jahres-Überlebensraten der GSB-Prothese stetig verbessert werden und liegen mittlerweile entwicklerunabhängig bei über 90â•›% (Hagena u. Hofmann 1984; Gschwend u. Ivosevic-Radovanovic 1988). In Hamburg ist durch Engelbrecht neben der unikondylären
Abb. ╛4.5.╇╛GSB-Knieprothese
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Endoprothetik auch eine Scharnierendoprothese mit 2 Freiheitsgraden entwickelt worden. Zusätzlich zur Flexions-Extensions-Achse konnte das Endo-Modell um einen zentralen Zapfen rotieren. Hiermit wurden durch den Entwickler 12-Jahres-Überlebensraten von 94â•›% erreicht (Plutat et al. 2000). Vergleichbare Ergebnisse sind auch für die in Kiel entwickelte BlauthKnieprothese von unabhängigen Arbeitsgruppen berichtet worden (Bohm 2003; Steckel et al. 2005). Die wesentlichen Entwicklungen in der Knieendoprothetik sind in der Folgezeit im Bereich der Oberflächenendoprothesen erfolgt. Die Entwicklung von mobilen Polyethylen-Inlays zur Vermeidung des Abriebs bei steigender Gelenkkonformität wurde durch Goodfellow und O’Connor (1978) begonnen. Durch diese Arbeitsgruppe ist auch ein erfolgreiches unikondyläres Prothesendesign mit mobilem Polyethylen-Inlay entwickelt worden (Murray et al. 1998). Das Konzept mobiler Inlays haben dann Büchel und Pappas aufgegriffen und weiterentwickelt. Sie stellten 1977 mit dem Low-contact-stress-(LCS-)Knie eine bikondyläre Prothese mit rotierender Plattform vor (Buechel u. Pappas 1986, 1989; Buechel et al. 2001). Durch eine verbesserte Kongruenz der Gleitpartner und eine rotierende Plattform, die sich an der physiologischen Beweglichkeit der Meniski orientierte, sollten Druckspitzen und Torsionskräfte vermieden werden (Crossett 2006). Mit diesem Implantat wurden von den Entwicklern 15-JahresÜberlebensraten von über 97â•›% erreicht (Buechel 2004; Abb.â•›4.6). Das Konzept mobiler Plattformen ist von verschiedenen Arbeitsgruppen genutzt und
Abb. 4.6.╇╛Low-contact-stress-(LCS-)Knieprothese
J. Mettelsiefen et al.
mit unterschiedlichem klinischem Erfolg umgesetzt worden (Vertullo et al. 2001). Mittel- und langfristige Ergebnisse sind gegenwärtig noch nicht von allen Modellen vorhanden. Aktuelle Behandlungsergebnisse von Oberflächenprothesen mit mobilen oder fixen Plattformen lassen keine eindeutigen Unterschiede erkennen und bewegen sich u.â•›a. in den Endoprothesenregistern von Schweden und Australien auf sehr hohem Niveau (Ranawat et al. 1994; Ritter et al. 1994; Falatyn et al. 1995; Sathappan et al. 2006; Christen et al. 2007). Die gegenwärtig verfügbaren Endoprothesentypen für den Oberflächenersatz am Kniegelenk sind: ●⊑ k reuzbanderhaltende Oberflächenprothesen, ●⊑ kreuzbandersetzende Oberflächenprothesen („posterior- stabilized“ oder ultrakongruente Inlays), ●⊑ Oberflächenprothesen mit mobilen Plattformen kreuzbanderhaltend oder ersetzend. Weiterhin gibt es eine Reihe von Entwicklungen, die die Ergebnisse von Knieendoprothesen im Allgemeinen oder bei speziellen Patientengruppen verbessern sollen. Hierzu zählen veränderte Kopplungen mit alternativen Ausformungen des Polyethylen (medial pivotierende Knieprothese), die zunehmende Differenzierung der Komponentengrößen und Berücksichtigung von möglichen geschlechtsspezifischen anatomischen Voraussetzungen („Gender Knee“) oder die Designänderung der Femurkomponentenform aufgrund der Rotationsachse des Kniegelenkes („Single Radius“). Im Bereich der Werkstoffe sind Veränderungen der metallischen Oberflächen durch Keramisierung und stärkere Vernetzung des Polyethylens vorgenommen worden. Auch die Abkehr von der modularen Tibiakomponente (konventionelle metallische Träger und Polyethylen-Inlay) ist möglich. Hier stehen dann entweder metallisch verstärkte, nicht modulare Tibiakomponenten oder gänzlich aus Polyäethylen hergestellte Tibiakomponenten zur Verfügung, die vor allem bei älteren Patienten implantiert werden. Neben den genannten Entwicklungen werden die Oberflächenendoprothesen zunehmend zu sog. „Produktfamilien“ weiterentwickelt, die für fortgeschrittene Versorgungen mit Knochendefekten und Varus-Valgus-Instabilitäten bis hin zum vollständigen Revisionsimplantat Lösungen anbieten. Durch den modularen Aufbau lassen sich solche Versorgungen individuell an die jeweilige Knochen- oder Weich-
4â•… Entwicklung der Knieendoprothetik, Indikation und sozioökonomische Gesichtspunkte
teilsituation anpassen (Gerdesmeyer et al. 2006). In Einzelfällen besteht ein fließender Übergang zu Tumorprothesensystemen, die den Ersatz langstreckiger Knochendefekte und die entsprechende Gelenkführung leisten können (Kotz 1993; Gosheger u. Winkelmann 2000). Weiterhin kann durch Anwendung von Navigationssystemen in der Knieendoprothetik die Genauigkeit der Endoprothesenimplantation für die frontale Beinachse im Stand verbessert werden (Lüring et al. 2005). Die Navigation wird vom überwiegenden Teil der Hersteller als bildfreie Lösung mit intraoperativer Registrierung der Landmarken und Ermittlung der notwendigen Achsen angeboten. Der zusätzliche Zeitbedarf bei navigierten Knieendoprothesenimplantationen beträgt zwischen 10 und 20â•›min. Der langfristige Effekt navigierter Knieprothesenimplantationen auf die Überlebensrate und das klinische Ergebnis ist derzeit Gegenstand der klinischen Forschung (Lüring et al. 2005). Gegenwärtig werden bei Anwendung der Navigation Mehrkosten von etwa $â•›1500 pro Operation erzeugt, Daten aus Deutschland liegen hierzu bisher nicht vor. Unter diesen Voraussetzungen wird eine Kosteneffektivität auch unter optimistischer Annahme der Abnahme von Revisionen nicht erreicht (Novak et al. 2007). Durch Weiterentwicklungen der chirurgischen Techniken und Verwendung von weniger invasiven Zugängen soll das chirurgische Ergebnis verbessert und die Rehabilitationsphase verkürzt werden. Neben positiven Berichten aus Fallserien zeigen die wenigen randomisierten Studien einen zeitlich begrenzten positiven Effekt auf die Rehabilitation. Eine abschließende Bewertung auf das langfristige Behandlungsergebnis muss mangels ausreichenden Datenmaterials gegenwärtig ausbleiben (Lüring et al. 2005).
4.2 Indikationskriterien Die Indikationskriterien lassen sich aufgrund der Angabe patientenbezogener Symptome (z.â•›B. Schmerzen, Gelenksteife, Gehstrecke) und untersucherbezogener Befunde (Gelenkstabilität, Beweglichkeit) sowie apparativer Befunde (Röntgen oder auch MRT-Untersuchungen) definieren. Zusätzlich werden weitere Faktoren wie das Lebensalter, der
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Allgemeinzustand und Begleiterkrankungen bei der Therapieentscheidung berücksichtigt. Patientencompliance, Lebens- und Arbeitssituation und Aktivitätsgrad des Patienten stellen sog. soziale Faktoren dar, die ebenfalls in die Entscheidungsfindung einfließen und das klinische Ergebnis beeinflussen (Faller et al. 2003). Evidenzbasierte Richtlinien für die Indikationsstellung, zu welchem Zeitpunkt die Implantation einer Knieendoprothese erfolgen soll, liegen derzeit nicht vor (NIH 2003; Kennedy et al. 2003; Dieppe et al. 1999). Die individuelle Schmerztoleranz und der funktionelle Anspruch variieren erheblich. Hieraus ergibt sich ebenfalls eine Varianz in der Ausprägung der Symptome und klinischen Zeichen bei den operativ versorgten Patienten. Für die Indikationsstellung geben jedoch internationale Konsenspapiere eine Orientierung: Danach ist die Indikation für eine K-TEP gegeben, wenn erhebliche, trotz konservativer Therapie persistierende Schmerzen, klinisch nachweisbare funktionelle Beeinträchtigungen sowie radiologisch deutliche Gelenkveränderungen bestehen (NIH 2003; Mancuso et al. 1996; Naylor u. Williams 1996; Hadorn u. Holmes 1997). In den Leitlinien „Gonarthrose“ der DGOOC werden zur Indikationsstellung für eine Knieendoprothese der Lequesne-Index als Assessmentverfahren zur Erfassung von Behandlungseffekten bei Gonarthrose und der Kellgren-und-LawrenceScore zur Bewertung der radiologisch sichtbaren Gelenkveränderungen empfohlen (Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und des Berufsverbandes der Ärzte für Orthopädie 2002; Charles et al. 1999). Für die verpflichtende Berichterstattung im Rahmen des BQS-Verfahrens werden einerseits der Bereich Schmerz (schmerzfreie Gehstrecke, Medikamenteneinnahme, Ruheschmerz und Dauer der Symptomatik) sowie andererseits die radiologische Ausprägung der Arthrose nach dem Kellgren-undLawrence-Score erfasst (BQS Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung 2005). Da es sich in den meisten Fällen um einen elektiven Eingriff handelt, sollte der Patient in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Er muss selbstverständlich über mögliche Konsequenzen des Eingriffs aufgeklärt werden, da Risiken und Ergebnis der Operation individuell variieren. Ziele und Erwartungen sollten berücksichtigt werden, um vor
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der Operation zu klären, welche Ziele erreichbar und welche Erwartungen realistisch sind (NIH 2003). Die Einbeziehung des Patienten kann auf folgende Arten erfolgen: In der sog. paternalistischen Form stimmt der Patient passiv der Entscheidung des Arztes über die Wahl der Therapie zu. In der informierten Form (sog. „shared decision making“) trifft der Patient nach ausführlicher Aufklärung über die verschiedenen Möglichkeiten und Risiken der Therapie die Entscheidung selbst (Charles et al. 1999). Auch ein großer Teil der gut informierten Patienten möchte die Verantwortung über die gewählte Therapieform nicht übernehmen und folgt mehr dem paternalistischen Entscheidungsweg (Deber 1994; Degner u. Sloan 1992). Überzogene Erwartungen an das Ergebnis nach Implantation einer Knieprothese stellen keine empfehlenswerte Indikation dar. Die operative Versorgung sollte erst vorgenommen werden, wenn die Erwartungen an den Behandlungseffekt in einem vernünftigen Verhältnis zu dem erwartbaren Behandlungsergebnis stehen. Dies gilt insbesondere in Anbetracht von möglichen unerwünschten Behandlungsergebnissen.
4.3 Aktuelle Prävalenz und Inzidenz Für Deutschland stehen nur eingeschränkte bevölkerungsbasierte Daten zur Abschätzung der Prävalenz und Inzidenz der Gonarthrose bzw. der endoprothetischen Versorgung zur Verfügung (Günther et al. 1998, 2002). Die Abschätzungen sind daher teilweise auf Erhebungen aus dem Ausland angewiesen (Sun et al. 1997). Da die klinische Symptomatik bei geringen Arthrosegraden nach Kellgren und Lawrence sehr variabel ist, verbleiben bei reinen Patientenbefragungen erhebliche Unsicherheiten (Buckwalter et al. 2004). Für die Arthroseerkrankungen an der unteren Extremität stellt das Lebensalter einen relevanten Einflussfaktor dar. Die Inzidenz der Gonarthrose steigt ab der fünften Lebensdekade deutlich stärker als die Inzidenz der Koxarthrose (Buckwalter et al. 2004). Sie erreicht bei Frauen über 70â•›Jahren Werte von 36â•›% (Lawrence et al. 2008). In der Framingham-Studie für Osteoarthritis wurden in den 80er Jahren erhöhtes Lebensalter und Übergewicht als Risikofaktoren für die
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Gonarthrose vor allem bei Frauen erkannt (Günther et al. 1999; Felson 1990a, b). Aufgrund zunehmender Adipositas und einer Überalterung der Gesellschaft wird in den nächsten Jahren die Zahl der an einer Gonarthrose Erkrankten noch ansteigen, so dass mit einem erhöhten Bedarf an endoprothetischer Versorgung zu rechnen ist. In Australien lässt sich dieser Trend anhand der Fallzahlentwicklung der letzten 15â•›Jahre deutlich beobachten. Von 1993 bis 2003 ist die Zahl der primären Knie-TEP-Implantationen von 13.371 um 109,4â•›% auf 28.003 gestiegen. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der primären Hüft-TEP-Implantationen im selben Zeitraum lediglich um 49,4â•›% gestiegen (Australian Orthopaedic Association National Joint Replacement Registry 2004). Eine differenziertere Aussage wird von Bourne et al. (2003) zu der Steigerungsrate der Knie-TEPImplantationen in Kanada gemacht. Die wesentlichen Zuwachsraten zwischen den Jahren 1994 und 1995 sowie 1999 und 2000 werden bei jungen Erwachsenen (45–55â•›Jahre) und sehr alten Patienten (>85â•›Jahre) erreicht. In einer aktuellen Publikation (Kurtz et al. 2007) wird für die USA berechnet, dass in den nächsten 20â•›Jahren mit einer 600â•›%igen Steigerung der Implantationsraten von Knie-TEPs gerechnet werden muss. Ob diese Prognose auf Deutschland übertragbar ist, wo derzeit jährlich etwa 124.000 Knieendoprothesen implantiert werden, ist unsicher (Merx et al. 2007).
4.4 Sozioökonomische Gesichtspunkte Erkrankungen der Gelenke gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in den Industrieländern (Health Canada Arthritis in Canada 2003; Centers for Disease Control and Prevention 2006). Neben der medizinischen Relevanz spielen sowohl soziale als auch ökonomische Gesichtspunkte eine Rolle. Die Zahl der stationären Krankenhausaufenthalte aufgrund der Diagnose Arthrose ist in den letzten fünfzehn Jahren um über 60â•›% gestiegen (Statistisches Bundesamt 2002). Die Gonarthrose bedingt dabei mit über 50â•›% der Fälle den größten Anteil der stationären Aufenthalte. Da 80â•›% der stationären Aufenthalte mit einer operativen Versorgung einhergehen, besitzt die Gonarthrose eine
4â•… Entwicklung der Knieendoprothetik, Indikation und sozioökonomische Gesichtspunkte
hohe sozioökonomische Relevanz. Neben gelenkerhaltenden Operationen wird bei einem relevanten Patientenanteil eine Knieprothese implantiert. Im Jahr 2001 waren drei Viertel aller Patienten, bei denen eine Hüftoder Knie-TEP implantiert wurde, im Schnitt 64â•›Jahre alt. Durch die demographische Entwicklung ist zunächst vor allem mit einer deutlichen Steigerung der Versorgung alter und sehr alter Patienten zu rechnen. Anhand von Registerbeobachtungen ist zudem mit einer Steigerung der Versorgung von jungen Erwachsenen zu rechnen. Neben den direkten Behandlungskosten müssen bei diesen Patientenkollektiven auch die Kosten für Arbeitsausfall, vorzeitige Berentungen und eventuelle Revisionsoperationen berücksichtigt werden. Mit einer steigenden Anzahl von Primärimplantationen ist grundsätzlich mit einem zahlenmäßigen Anstieg der Revisionen zu rechnen. Auf welchem Niveau sich diese Revisionslast in Deutschland bewegen wird, kann gegenwärtig aufgrund fehlender Daten nicht prognostiziert werden. In unterschiedlich strukturierten Gesundheitssystemen differieren das Ausmass der Revisionsbelastung und die damit zusammenhängenden Kosten erheblich (Kurtz et al. 2007). Im Bereich der Hüftendoprothetik hat sich eine differenzierte Versorgung unter Beachtung des Lebensalters und der funktionellen Ansprüche durchgesetzt. So bietet die vollzementierte Endoprothese mit zementierter PE-Pfanne bei älteren Patienten die Möglichkeit der Kostensenkung ohne funktionelle Nachteile. Eine vergleichbare Versorgungsmöglichkeit bei Knieendoprothesen liegt mit den All- Polyethylenpfannen vor und ist bereits klinisch erprobt (Pomeroy et al. 2000), hat sich aber bisher in der Versorgung noch nicht durchgesetzt.
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Implantate M. Flören und H. Reichel
5.1 Materialien und Oberflächen Zur Herstellung von Kniegelenksprothesen werden unterschiedliche Materialien wie CoCrMo- und Titanlegierungen sowie ultrahochmolekulares Polyethylen mit und ohne Oberflächenvernetzung („crosslinking“) verwendet. Die Metallimplantate für die femoralen und tibialen Komponenten werden entweder mit einer Gusstechnik oder in einem Schmiedeverfahren hergestellt. Die formgepressten Polyethylenkomponenten werden als tibiale Gleitpartner oder als Patellarückflächenersatz verwendet (Dobbs u. Robertson 1982). Die Oberflächen der Metall- und Polyethylenkomponenten werden abschließend mittels spezieller Verfahren bearbeitet, was einen deutlichen Einfluss auf die Materialeigenschaften hat (Dauerfestigkeit, Abrieb, Alterung). Insbesondere beim Polyethylen hat die Gammasterilisation unter atmosphärischem Sauerstoff durch Diffusion des Sauerstoffs in die Oberfläche dazu geführt, dass deren Brüchigkeit erhöht wurde (Costa et al. 2002). Titan- und CoCrMo-Legierungen werden bevorzugt für Knieprothesen verwendet, wobei reines Titan aufgrund seiner schlechten tribologischen Eigenschaften nicht als direkter Gleitpartner verwendet werden kann, wohl aber aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit ideal für den Knochen-Implantat-Kontakt (Osseointegration) geeignet ist. Es wurde versucht, die tribologischen Eigenschaften durch unterschiedliche Verfahren der Oberflächenhärtung (Diffusionshärtung, Ionenbeladung, Hartbeschichtung) zu verbessern (Buchanan et al. 1987; Streicher et al. 1991). Leider wurden mit jedem Versuch auch Nachteile in
Bezug auf die Dauerfestigkeit („fatigue strength“) oder die Oberflächenstabilität generiert. Verwendung in der Knieendoprothetik finden hauptsächlich die Ti-6Al-4V- und Ti-6Al-7Nb-Mischungen (ISO 5832-3, ISO 5832-11). Die zweite Mischung wurde entwickelt, da toxische Reaktionen durch gelöstes Vanadium angenommen wurden, so dass Vanadium mit Niobium ausgetauscht wurde, das die Biokompatibilität weiter erhöhte. Die Dauerfestigkeit wird durch unterschiedliche Faktoren des Herstellungsprozesses beeinflusst, jedoch hauptsächlich durch den Temperaturverlauf während des Schmiedevorgangs und die anschließende Oberflächenbearbeitung. Hier kommen Verfahren wie Polieren, Bestrahlung mit unterschiedlichen Korngrößen, Plasma-Spray (Titanpartikel im Vakuum, CSTi Zimmer) oder Laseroberflächenbearbeitungen zur Anwendung (Chang et al. 1998; Pittman et al. 2006). Biomechanische Belastungstest mit 10â•›Mio. Zyklen bestätigten Dauerfestigkeitswerte bei den unterschiedlichen Herstellungsprozessen zwischen 200 und 600â•›MPa (Semlitsch et al. 1985, 1992). CoCrMo-Implantate werden entweder in Gusstechnik (ISO 5832-4) oder im Schmiedeverfahren (ISO 5832-12) hergestellt. Das Gussverfahren wird hauptsächlich zur Herstellung geometrisch aufwendiger Komponenten genutzt. In Präzisionstechnik wird eine Keramikform gefertigt, die anschließend mit der flüssigen Legierung gefüllt wird. Spezielle Aushärtungsverfahren sind notwendig, um insbesondere die Oberflächenporosität und die kristalline Struktur zu homogenisieren. Dennoch können Variabilitäten zwischen unterschiedlichen Chargen bestehen, so
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_5, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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dass weitere Verfahren zur Präzisionsüberprüfung notwendig werden (radiologische Untersuchung auf z.â•›B. innere Defekte, Flüssigkeitspenetrationstest für Oberflächendefekte). Im Schmiedeverfahren werden die Komponenten entweder direkt aus der Legierung maschinell erstellt oder thermomechanisch geformt. Biomechanische Belastungstests bestätigten Dauerfestigkeitswerte bei den beiden Herstellungsprozessen zwischen 300 und 600â•›MPa. Zu erwähnen bleibt, dass insbesondere die Abriebfestigkeit der CoCrMoImplantate vom Carbonanteil in der Legierung abhängig ist, der entsprechend der ISO-Normen mit einer maximalen Beimischung von 0,35â•›% festgesetzt wurde. Legierungen mit einem hohen Carbonanteil (0,2–0,25â•›%) zeigen gegenüber Legierungen mit einem geringen Carbonanteil (0,05–0,08â•›%) eine bessere Abriebfestigkeit und somit verbesserte tribologische Eigenschaften, so dass sie insbesondere bei Metall-Metall-Gleitpaarungen verwendet werden (Que u. Topoleski 1999; Streicher et al. 1991). Im Rahmen der fortwährenden Weiterentwicklung zur Verbesserung der tribologischen Eigenschaften der verwendeten Oberflächenmaterialen wurden in den letzten Jahren zunehmende Vorteile durch Einsatz von Keramik als femorales Oberflächenmaterial gesehen. Obwohl die Abriebproblematik mehrheitlich dem „schwächeren“ Gelenkpartner, dem Polyethylen, angelastet wird, gibt es doch eindeutige Hinweise, dass die Rauigkeit und insbesondere Oberflächenrisse und Kratzer des femoralen Gelenkpartners den adhäsiven und abrasiven Abrieb beeinflussen. So zeigen sich die Vorteile der oxidierten Zirkoniumkeramik als Artikulationspartner in der Knieendoprothetik in einer verbesserten Benetzbarkeit („lubricity“) sowie einer stärkeren Abriebsresistenz. Als weiterer Vorteil wird die verbesserte Biokompatibilität gesehen. Leider bringen die Brüchigkeit des Materials und die Schwierigkeiten in der Herstellung komplexer geometrischer Formen auch Nachteile mit sich (Laskin 2003; Tsukamoto et al. 2006). Die Prothesenkomponenten werden aus der Zirkoniumlegierung (Zr-2,5â•›%Nb) direkt geschmiedet und anschließend mittels thermaler Diffusionstechnik oxidiert. Hierbei wird die Zirkoniumoxidschicht nicht aufgetragen, sondern die Oberfläche der originalen Legierung oxidiert unter Hitzeeinfluss in einer Sauerstoffumgebung. Es wird eine Oxid-Keramik-Schicht von 5â•›µm Dicke erzeugt.
M. Flören und H. Reichel
Biomechanische Testungen bestätigten bei der Zirkoniumkeramik Dauerfestigkeitswerte von mehr als 450â•›MPa, verbesserte Ergebnisse in Härtetestungen, einen geringeren Volumenabrieb und eine reduzierte Rauhigkeit bei Überprüfung von direktem Fremdkörperabrieb. In der Knieendoprothetik wird Polyethylen als Gleitpartner der femoralen Komponente verwendet. Polyethylen ist ein Vinylpolymer, das aus Ethylenmonomeren besteht. Liegen die Polyethylenketten ohne Verzweigungen vor, so spricht man von linearem Polyethylen oder HDPE („high density polyethylene“). Lineares Polyethylen wird mit Molekulargewichten zwischen 200.000 und 500.000â•›g/mol hergestellt. Wird das Molekulargewicht weiter erhöht (3–6â•›Mio.â•›g/mol), erhält man „ultra-high molecular weight polyethylene“ (UHMWPE). Aufgrund seiner glatten Oberfläche und der geringen Friktionskräfte mit anderen Materialen ist es ein idealer Artikulationspartner in der Endoprothetik. Beim Polymerisationsprozess von Ethylengas fällt UHMWPE in Pulverform aus und kann anschließend unter hohem Druck oberhalb des Schmelzpunktes mittels eines Fließpressverfahrens geformt werden. Tibiale Onlays werden entweder aus UHMWPEBlöcken maschinell hergestellt oder man verwendet das o.â•›g. UHMWPE-Pulver, um es direkt in die endgültige Form zu pressen (Bloebaum et al. 1991). Bei der Sterilisation von UHMWPE kann sich die Materialeigenschaft gravierend verändern. Typischerweise wird konventionelles UHMWPE mittels Ethylenoxidgas oder Gamma-Strahlung von einer Kobaltquelle (25–40â•›kGy) sterilisiert. Gerade beim letzteren Verfahren entstehen aufgrund der hohen Energie freie Radikale, die molekulare Kettenbrüche und Oxidationen des Materials, das sog. Altern (Aging), erzeugen. Dies führt zu Materialveränderungen im Sinne einer reduzierten Dauerfestigkeit unterhalb der Oberfläche (0,5–2â•›m m, „white bands“). Wird dieses Material normal belastet, so werden Spitzendrücke in der geschwächten Materialschicht erzeugt, was zu einem frühzeitigen Verschleiß (Brüche, Delamination) führt (Costa et al. 2002). Daher hat sich der Sterilisationsprozess mittels ionisierter Strahlung in einem inerten Gas, im Vakuum oder in einer Sauerstoff bindenden Atmosphäre durchgesetzt (Blunn et al. 2002; Costa et al. 2006; Willie et al. 2006).
5â•… Implantate
Auf der anderen Seite wird der Prozess der strahlungsinduzierten Kettenbrüche beim Polyethylen genutzt, um hochvernetztes UHMWPE herzustellen. Der Oxidationsprozess wird hierbei durch eine zusätzliche thermische Bearbeitung verhindert, so dass o.â•›g. Negativfolgen nicht entstehen sollten (Medel et al. 2007; Puertolas et al. 2006).
5.2 Implantatdesigns Weltweit werden mehr als 1 Million Knieprothesen pro Jahr implantiert (hauptsächlich in den industrialisierten Ländern) und aufgrund der demographischen Entwicklung der Bevölkerungen ist die Tendenz weiter stark zunehmend. Allein in Deutschland wird der künstliche Kniegelenksersatz 160.000-mal jährlich durchgeführt. Die primäre Gonarthrose stellt mit fast 90â•›% die Hauptindikation dar, in 7–13â•›% der Prothesenimplantationen handelt es sich um Revisionseingriffe. Hierbei werden unterschiedliche Prothesentypen implantiert, die je nach Schweregrad und Ausbreitung der Gonarthrose sowie der Berücksichtigung der Bandstabilität des zu versorgenden Kniegelenkes ausgewählt werden: ●⊑ unikondyläre Knieprothesen, ●⊑ bikondyläre Oberflächenersatzprothesen mit und ohne Patellarückflächenersatz, ●⊑ teilgekoppelte Knieprothesen, ●⊑ gekoppelte Implantatsysteme („rotating“, „fixed hinge“). Ferner kann man vollzementierte Knieprothesen (ca. 80â•›%) von unzementierten Prothesen (ca. 5â•›%) und hybrid zementierten Prothesen (15â•›%) unterscheiden.
5.2.1 Unikondyläre Knieprothesen Mit einer unikondylären Knieprothese wird das mediale oder laterale tibiofemorale Kompartiment ersetzt, wenn offensichtlich nur eine Seite des Gelenks durch den Arthroseprozesses betroffen ist. Theoretisch sollen unikondyläre Prothesen durch Erhaltung beider Kreuzbänder und nur geringer Schädigung
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der kapsulären Strukturen die normale Kinematik, Propriozeption und Stabilität des Gelenkes erhalten. Die Ursprünge der unikondylären Prothesen gehen auf Marmor und Engelbrecht zurück, die Anfang der 1970er Jahre ihre Prothesen vorstellten (Marmor 1973; Engelbrecht u. Zippel 1973). Jedoch waren Sinterungen der Komponenten mit frühzeitigen Lockerungen und hohe Polyethylenabriebsraten noch nicht gelöste Probleme, so dass unterschiedliche Entwicklungsansätze (breitere Komponenten, „Flat-on-flat“Design) verfolgt wurden. Leider waren die frühen Ergebnisse dieses Verfahrens sehr kontrovers, so dass sich unikondyläre Prothesen nicht flächendeckend durchsetzten. Als Hauptgründe für ein frühzeitiges Versagen der unikondylären Prothesen konnten das Implantatdesign, die operative Technik und die Patientenauswahl identifiziert werden (Blunn et al. 1992; Marmor 1988; Riebel et al. 1995). Eine wesentliche Neuerung stellten Goodfellow und Kollegen (1987) mit dem Oxford Meniscal Bearing System vor. Durch eine erhöhte Passform zwischen der femoralen Komponente und dem tibialen Insert wurden einerseits Scherkräfte am Polyethylen und somit Abrieb reduziert, andererseits wurden durch die Beweglichkeit des Inserts auf der tibialen Basis mögliche Probleme durch eine Zwangsführung („constraint“) wie frühzeitige Lockerungen vermieden. In den letzten Jahren haben die unikondylären Prothesen eine deutliche Renaissance durch aktuelle Publikationen erfahren, die annähernd ähnlich gute Langzeitergebnisse wie beim Oberflächenersatz bestätigten. Bei aktuellen Designs sind die Komponenten mit Ankerstiften, einem Kiel und einer rauen Oberfläche zur verbesserten Fixierung versehen. Die Prothesenkomponenten sind in unterschiedlichen Größen verfügbar, so dass eine individuelle Anpassung an die entsprechenden Dimensionen des zu versorgenden Kniegelenks erfolgen kann. Hierbei wird durch die Instrumentarien nur soviel Knochen entfernt, wie durch die Komponenten ersetzt wird. Eine Veränderung oder Korrektur der Achsverhältnisse soll explizit ausgeschlossen werden (Abb.â•›5.1). Auch die Polyethylendicke variiert entsprechend der verbleibenden Weite in Beugung und vollständiger Extension. Es gibt fixierte und mobile Polyethylen-Inserts, wobei das Dislokationsrisiko nicht unbeachtet bleiben sollte. Die vollzementierte Versorgung wird bevorzugt, da bei den zementfreien
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Abb.╯5.1a,╯b.╇╛Mediale zementierte unikondyläre Endoprothese (MG II, Zimmer)
a
b
Systemen weiterhin Sinterungen der Komponenten und frühzeitige Lockerungen beobachtet werden (Argenson u. Parratte 2006; Gleeson et al. 2004; Lewold et al. 1995). In verschiedenen Langzeitbeobachtungen wurden Überlebensraten der unikondylären Prothesen zwischen 84â•›% und 98â•›% nach mehr als zehn Jahren beschrieben (Tab.â•›5.1). Dem widersprechen unabhängige Aufarbeitungen der Ergebnisse, wie z.â•›B. in den skandinavischen Prothesenregistern, wo deutlich reduzierte Überlebensraten verschiedener unikondylärer Prothesen beschrieben wurden (Koskinen et al. 2007; Lewold et al. 1995). Tabelle 5.1.╇↜Langzeitstudien unikondyläre Prothesen
Autor Cartier et al. 1996 Ansari et al. 1997 Murray et al. 1998 Tabor Bert 1998 Berger et al. 2005 Squire et al. 1999 Svard u. Price 2001 Romanowski u. Repicci 2002
Akzeptierte Indikationskriterien, die mit einem guten Langzeitergebnis verknüpft waren, sind ein Lebensalter über 60â•›Jahre bei normaler oder reduzierter Aktivität, ein Körpergewicht unter 80â•›kg bei einer freien Beweglichkeit (>90°) des Gelenks. Des Weiteren sollten hochgradige Deformitäten (>10–15°) und deutliche Degenerationen patellofemoral und insbesondere im gegenseitigen Kompartiment ausgeschlossen sein. Aber auch bei Überschreiten dieser Indikationsparameter werden zufriedenstellende Ergebnisse in einzelnen Studien beschrieben (Berend et al. 2007; Collier et al. 2006; Price et al. 2005).
Prothese Marmor St. Georg Oxford Marmor Biomet Miller-Galante Marmor Oxford Repicci
Anzahl 60 437 109 67 95 62 48 74 136
Follow-up 10–18â•›Jahre 1–17â•›Jahre 5–14â•›Jahre 5–20â•›Jahre 9–12â•›Jahre 10–13â•›Jahre 15–22â•›Jahre 10–15â•›Jahre 8â•›Jahre
Überlebensrate (95â•›%-CI) 10â•›Jahre – 93â•›% (81–100) 10â•›Jahre – 88â•›% (81–93) 10â•›Jahre – 98â•›% (93–100) 10â•›Jahre – 84â•›% 10â•›Jahre – 87â•›% 13â•›Jahre – 95â•›% (91–100) 22â•›Jahre – 84â•›% 10â•›Jahre – 95â•›% (90–99) 8â•›Jahre – 96â•›%
5â•… Implantate
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In den genannten Langzeitstudien wurde mehrheitlich das mediale Kompartiment versorgt. Die Aufarbeitung der Ergebnisse der lateralen Versorgungen bestätigte ein kontroverses Bild mit reduzierten Überlebensraten. Insbesondere bei Verwendung einer Mobile-bearing-Prothese zeigten sich lateral erhöhte Dislokationsraten des Inlays (Deshmukh u. Scott 2001).
5.2.2 Oberflächenersatzprothesen Ungekoppelte Oberflächenersatzprothesen ersetzen nur die Gelenkflächen, die Gelenkführung erfolgt durch den Kapsel-Band-Apparat. Dies erfordert eine exakte Operationstechnik und ein dem natürlichen Kniegelenk angenähertes Prothesendesign. Die Ursprünge der Oberflächenersatzprothesen gehen auf Gunston und Coventry zurück. Gunston verwendete bei der Polycentric-Prothese im Prinzip zwei unikondyläre Prothesen und erreichte zwar gute klinische Frühergebnisse bei jedoch einer hohen Versagensrate aufgrund inadäquater Fixierung der Komponenten (Gunston 1971). Coventry orientierte sich mit der Geomedic-Prothese eher an der anatomischen Konfiguration der Femurkondylen und versuchte, eine möglichst hohe Passgenauigkeit bei Erhalt beider Kreuzbänder zu erreichen, was zu einem kinematischen Konflikt und ebenfalls frühzeitigem Prothesenversagen führte (Rand u. Coventry 1988). Die Imperial-College-London-Hospital-Prothese (ICLH) wurde von Freeman und Swanson 1972 mit einem „Roller-in-trough“-Prinzip (Walze in Mulde) entwickelt. Es handelte sich um einen verbundenen Doppelschlitten, der in die Konkavität der Tibiakomponente eingepasst war. Beide Kreuzbänder wurden entfernt und die mediolaterale Stabilität erfolgte durch den natürlichen Kapsel- und Kollateralbandapparat (Bargren et al. 1976). Insall und Kollegen stellten im Folgejahr die TotalCondylar-Prothese vor, die auch eine retropatellare Versorgung ermöglichte und als Prototyp der modernen Oberflächenprothese gilt. Sie verfolgten eine neue Philosophie, bei der mechanische Faktoren stärker bewertet wurden als anatomische Gesichtspunkte, eine „normale“ Kinematik zu reproduzieren. Das Tibiaplateau war bereits mit einem Kurzschaft versehen, um asym-
Abb.╛╛5.2.↜渀ȀDesignunterschiede von Oberflächenendoprothesen mit schematisierter Darstellung der Polyethylenbelastung. Oben: hohe Formschlüssigkeit mit gewisser Zwangsführung („Roundon-round“-Prinzip, z.â•›B. Total Condylar Knee). Mitte: geringe Formschlüssigkeit mit kleinflächiger Polyethylenbelastung („Flat-on-flat“-Prinzip, Standard-Inlay vieler aktueller Oberflächenendoprothesen). Unten: hohe Formschlüssigkeit bei mobiler Plattform („Round-on-round with mobile bearing“, z.â•›B. LCS)
metrische Lastaufnahmen kompensieren zu können. Die ursprüngliche Tibiakomponente wurde vollständig aus Polyethylen hergestellt und erst später wurde die Komponente mit einer Metallrückfläche zur Verbesserung der homogenen Krafteinleitung versehen. Die tibiale Kontaktfläche war randständig erhöht und mit einem zentralen Steg versehen, so dass ein hoher Kontaktschluss durch perfekte Kongruenz („Round-inround“-Prinzip, „double-dished“) erreicht wurde, was natürliche Rotations- und Schubbewegungen verhinderte (Abb.â•›5.2). Dennoch definierte die zementierte Total-Condylar-Prothese einen neuen Standard (Tab.â•›5.2). Zwei Kritikpunkte an der Total-Condylar-Prothese führten zur Entwicklung von Posterior-stabilizedProthesen:
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Tabelle 5.2.↜渀ȀLangzeitstudien Oberflächenersatzprothesen Autor Ritter et al. 2001 Laskin 2001 Bourne et al. 2007 Sextro et al. 2001 Buechel 2002 Berger et al. 2001 Hofmann et al. 2001 Vessely et al. 2006 Rodricks et al. 2007 Rodriguez et al. 2001 Pavone et al. 2001 Diduch et al. 1997
Prothese AGC Genesis I Genesis II Kinematic LCS – meniscal bearing LCS – rotating plattform Miller-Galante I Miller-Galante II Natural Knee PFC PFC Total Condylar Total Condylar Total Condylar (PS.)
Anzahl 4583 100 100 168 140 169 172 109 300 1000 160 220 120 114
1.╇ ein geringer Bewegungsumfang und 2.╇die Tendenz des Femurs, bei zunehmender Flexion nach vorne zu subluxieren, wenn ein Missverhältnis zwischen Beuge- und Streckspalt bestand. Dies führte zu einem Impingement der hinteren Femurkondylen mit der tibialen Gleitfläche bei ca. 95° Flexion. Bei der Insall-Burstein-posterior-stabilizedProthese wurde ein zentraler Kopplungsmechanismus integriert, der bei ca. 70° Flexion den femorotibialen Kontaktpunkt nach posterior verschiebt, um einen femoralen Rollback zu erzeugen und eine weitere Flexion zuzulassen (Insall et al. 1982). Parallel zur Entwicklung der Total-CondylarProthese wurde ebenfalls basierend auf einem Doppelschlitten ein Prothesendesign mit Erhaltung des hinteren Kreuzbands bei weniger Konkavität des Tibiaplateaus („Flat-on-flat“-Design, s. Abb.â•›5.2) entwickelt. Der Entwicklungsprozess führte zur Kinematic-Condylar-Prothese und später zu weiteren Kreuzband erhaltenden Oberflächenprothesen, die in den achtziger Jahren vermehrt Verwendung fanden (Ansari et al. 1998; Ritter et al. 1995). Diese Designphilosophie findet sich bei den meisten aktuellen Prothesensystemen und hat in vielen Langzeitstudien gute Ergebnisse gezeigt (s. Tab.â•›5.2). Der geringere Formschluss der Artikulation führt zu Verbesserungen in der Kinematik. Eine Problemzone ist jedoch der nur kleinflächige Kontakt zwischen gering kurvierter Femurkomponente und annähernd flachem Tibiaplateau, der eine hohe punktförmige Polyethy-
Follow-up 3–15â•›Jahre 10–12â•›Jahre 10–12â•›Jahre 14–20â•›Jahre 10–20â•›Jahre 10–20â•›Jahre 8–15â•›Jahre 8–10â•›Jahre 10–14â•›Jahre 14–18â•›Jahre 14–17â•›Jahre 18–22â•›Jahre 17–23â•›Jahre 3–18â•›Jahre
Überlebensrate (95â•›% CI) 15â•›Jahre – 98,9â•›% 10â•›Jahre – 96â•›% 12â•›Jahre – 96â•›% 15â•›Jahre – 88,7â•›% (82–95) 16â•›Jahre – 83,0â•›% (16–100) 18â•›Jahre – 98,3â•›% (73–100) 10â•›Jahre – 84,1â•›% 10â•›Jahre – 100â•›% 10â•›Jahre – 95,1â•›% (90–97) 15â•›Jahre – 97â•›% (95–98) 17â•›Jahre – 97,2â•›% 20â•›Jahre – 85â•›% 23â•›Jahre – 94â•›% 18â•›Jahre – 94â•›% (63–100)
lenbelastung zur Folge hat (Blunn et al. 1991). Die punktförmige Belastung kann durch eine Erhöhung der Kongruenz des Artikulationsmechanismus (Rückkehr zum „Round-in-round“-Prinzip) erreicht werden, was aber wieder erhöhte Beanspruchungen am Polyethylen bzw. an der Prothesenverankerung zur Folge hat. Als mögliche Lösungsansätze wurden ein „Round-on-flat“-Prinzip verfolgt und Prothesen mit rotierenden Plattformen oder Meniskuslagern entwickelt (Buechel u. Pappas 1986). Diese Systeme haben eine zehnmal größere Kontaktfläche mit entsprechender Reduktion der punktförmigen Polyethylenbelastung. Durch die mobilen Plattformen können bei der Roll-Gleit-Bewegung auch Rotations- und Schubkräfte aufgenommen werden (s. Abb.â•›5.2). Interessanterweise bieten einige Prothesensysteme weiterhin fixierte ultrakongruente oder Deep-dishedPolyethyleninlays an. Das Design entspricht der ursprünglichen Total-Condylar-Prothese, die sagittale Stabilität wird nur durch die Konkavität der Plattform garantiert. Beim Vergleich von Deep-dishedund Posterior-stabilized-Plattformen beim gleichen Prothesensystem fand Laskin keine Unterschiede bezüglich Bewegungsausmaß, Funktionalität und Schmerzreduktion. Er konnte die Wichtigkeit eines adäquaten Weichteilbalancing zur Erstellung symmetrischer Beuge- und Extensionsspalten herausstellen, das dann ein genügend großes Bewegungsausmaß ohne hinteres Impingement bedingt (Laskin 2001). Auch bis zum heutigen Tage konnte in der Knieendoprothetik eine „normale“ Kinetik des ersetzten
5â•… Implantate
Gelenks nicht erreicht werden. Eine „paradoxe“ RollGleit-Bewegung ist weiterhin typischerweise vorhanden, wobei das Femur während der Extension nach hinten gleitet und zurück nach vorne mit der Flexion („roll-back“). Auch bei Verwendung eines Posteriorstabilized-Designs wird dieses Phänomen beobachtet, wenn auch in geringerer Ausprägung als bei Kreuzband erhaltenden Prothesen (Fantozzi et al. 2006; Walker u. Sathasivam 2000). Aktuelle Entwicklungen beinhalten Veränderungen der Femurgeometrie (Nachahmung der unterschiedlichen Kurvenradien der Kondylen) und tibialen Konformität, einhergehend mit Modifikationen des Stabilisierungsmechanismus („cam-and-post geometry“). Ursprünglich hatte der Nocken-Zapfen-Mechanismus der Posterior-stabilized-Prothesen eine symmetrische rechteckige Form und erzeugte einen gleichmäßigen Rollback. Durch Veränderung der Geometrie und Verwendung eines konischen Stabilisierungsmechanismus werden eine vordere Stabilisierung und ein mehr femoraler Rollback auf der lateralen Seite erreicht. Zusätzlich wird der Slope im lateralen Kompartiment erhöht, so dass der Femur während der Flexion über dem lateralen Plateau nach hinten gleiten kann. Durch eine bessere Kontrolle des „Rollback“-Mechanismus mit femoraler Außenrotation während der Flexion bei diesen „High-performance“-Knieprothesen wird eine „normalere“ Kinematik erreicht, die eine verbesserte Beweglichkeit und Kniefunktion erzeugen soll (Victor et al. 2007; Walker u. Sathasivam 2000; Walker 2001). Ein weiterer Ansatz, einen möglichst natürlichen Bewegungsablauf wiederherzustellen und insbesondere junge und aktive Patienten zu versorgen, stellt der sog. bikompartimentelle Oberflächenersatz dar. Hierbei wird das mediale und patellofemorale Kompartiment ersetzt und es wird sowohl das hintere als auch das vordere Kreuzband erhalten. Die notwendigen Knochenresektionen wurden reduziert und die Prothese ist in „Less-invasive“-Technik zu implantieren. Kontraindikationen für diesen Versorgungstyp sind Degenerationen im lateralen Kompartiment, rheumatoide Gelenkerkrankungen, Beugekontrakturen, ausgeprägte Deformitäten und funktionell insuffiziente Kreuzbänder. Erste Ergebnisse bei strikter Indikationsstellung bestätigen einen positiven zukunftsweisenden Trend mit insbesondere exzellentem postoperativen Bewegungsausmaß und Aktivitätslevel der Patienten (Rolston et al. 2007).
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Abschließend soll noch der isolierte Oberflächenersatz des patellofemoralen Gelenks abgehandelt werden, der erstmals 1955 durch McKeever erwähnt wurde. Abnormalitäten in der Patellaführung (z.â•›B. Trochleadysplasie), posttraumatische Veränderungen (z.â•›B. traumatische oder kongenitale Patellaluxation, Patellafraktur) sowie Veränderungen der an der Patella einwirkenden Kräfte (z.â•›B. abnormale femorale Torsion) können eine mehrheitlich patellofemorale Arthrose bedingen. Nach Ausschöpfung aller konservativen Therapieoptionen und Ausschluss der möglichen operativen Alternativen (Korrektur-Alignment, Balancierung Extensionsmechanismus) kann der patellofemorale Oberflächenersatz indiziert sein. Kontraindikationen für diesen Versorgungstyp sind Degenerationen in den tibiofemoralen Gelenkanteilen, rheumatoide Gelenkerkrankungen, Beugekontrakturen, ausgeprägte Deformitäten, signifikante Patella baja sowie insbesondere regionale Schmerzsyndrome ohne adäquates Korrelat. Die femorale Trochlea wird mit einem Metallimplantat und die Patellarückfläche mit einer Polyethylenkomponente ersetzt. Zementfreie und zementierte Versorgungsarten werden angeboten, wobei die Zementierung bevorzugt wird. Entscheidend ist neben der korrekten Implantatpositionierung die Balancierung des Extensionsmechanismus, da persistierende Patellasubluxationen oder Verkippungen zu frühzeitigem Polyethylenabrieb führen. Die Ergebnislage wird auch in der jüngeren Literatur weiter kontrovers diskutiert (Ackroyd et al. 2007; Meding et al. 2007; Newman 2007). Der Vergleich mit dem trikompartimentellen Oberflächenersatz erbringt keine klare Bevorzugung eines Verfahrens und bei Fortschreiten der Arthrose ist die Revision unumgänglich (Lonner et al. 2006; Nicol et al. 2006). Dennoch stellt der patellofemorale Oberflächenersatz eine Alternative für insbesondere junge und aktive Patienten mit isolierter patellofemoraler Arthrose dar.
5.2.3 Teilgekoppelte Knieprothesen Die ursprüngliche Constrained-Condylar-Knieprothese (CCK) wurde von Insall und Kollegen entwickelt (Donaldson et al. 1988). Sie basierte auf dem Posterior-stabilized-Design und verfügte über einen
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Abb.╛╛5.3.╇╛Interkondylär stabilisierende Knieendoprothese (Legion, Smith & Nephew). Der rechteckige Polyethylenzapfen des Inlays greift annähernd formschlüssig in die interkondyläre Box der Femurkomponente ein und erzeugt eine VarusValgus-Stabilisierung. Der hintere Steg der Femurkomponente erzeugt mit der vorderen Wand der Box eine zusätzliche Anterior-posterior-Stabilisierung
entsprechend vergrößerten zentralen Zapfen des Inlays, der mit einer vergrößerten femoralen Box artikulierte. Der verlängerte Zapfen stützte sich an den Wänden der Box ab und erzeugte die Varus-ValgusStabilität. Sonst funktionierte die Prothese wie ein posterior-stabilisierendes Design und wurde hauptsächlich bei vermehrten Instabilitäten eingesetzt, die alternativ nur mit einer gekoppelten Prothese zu versorgen gewesen wären. Eine Hyperextension wurde durch das CCK nicht kompensiert, so dass es bei einer Recurvatumproblematik nicht eingesetzt werden konnte. Im Original wurden die femoralen und tibialen Verankerungsschäfte zementiert und im Rahmen der Weiterentwicklung kamen modulare Schäfte mit der Möglichkeit zur Press-fit-Verankerung hinzu. Das Indikationsspektrum heutiger CCK-Systeme beinhaltet hauptsächlich Revisionsoperationen bei Instabilitäten sowie primäre Versorgungen bei ausgeprägten Valgusdeformitäten mit medialen Kollateralbandinsuffizienzen (Abb.â•›5.3).
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Die erhöhte Stabilität dieses Designs kann natürlich Scherkräfte erzeugen, die an die Implantatverankerung weitergeleitet werden und somit zu häufigen Lockerungen führen können, ähnlich wie bei den Scharnierprothesen. Dieses potentielle Risiko konnte bislang nicht bestätigt werden. Rosenberg et al. (1991) berichteten zwar von progressiven Lockerungszeichen am Knochen-Zement-Interface in 16â•›% der Fälle, die aber von Donaldson et al. (1988) und Easley et al. (2000) nicht bestätigt werden konnten. Lachiewicz zeigte sogar Überlebensraten der Implantate von 96â•›% nach 10â•›Jahren (Lachiewicz u. Soileau 2006). Anderson et al. (2007) befürworten die Routineverwendung von Constrained-condylar-Komponenten bei der Versorgung komplexer Primärsituationen mit hochgradigen Deformitäten und Instabilitäten und hinterfragen die Notwendigkeit für eine langstreckige Schaftverankerung der Komponenten. Eine teilgekoppelte Versorgung ist mit den meisten modernen Knieprothesensystemen möglich, so dass der Operateur intraoperativ anhand der festgestellten Instabilität den Stabilisierungsgrad der Komponenten festlegen kann.
5.2.4 „Rotating“- und „Fixed-hinge“-Implantatsysteme Die Vorgänger der heute verfügbaren achsgeführten Totalendoprothesen waren Scharniergelenke mit nur einem Freiheitsgrad der Bewegung und starrer Last tragender Achse (Shiers 1954; Walldius 1957). Die unphysiologische Kinematik sowie der Metall-MetallKontakt führten zu erhöhten Belastungen der Verankerung sowie hohen Lockerungs-, Infektions- und Bruchraten (Phillips u. Taylor 1975). Auch die Weiterentwicklungen (Guepar, Spherocentric) wiesen weiterhin mechanische Probleme und hohe Infektionsraten auf (Jaffe et al. 1982; Matthews et al. 1986). Später eingeführte achsgeführte Prothesen (Kinematic Rotating Hinge, St.-Georg-Rotationsknie, GSB) besaßen wandernde Achsen oder Kompromissachsen im physiologischen Drehpunktbereich mit wesentlichen mechanischen Vorteilen gegenüber der tragenden Achse. Die axiale Kraftübertragung erfolgte über die Artikulationsflächen, seitlich einwirkende Kräfte wurden von den Koppelungskomponenten der Prothese und nicht vom
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Kapsel-Band-Apparat des Kniegelenks aufgenommen. Dies garantierte eine sichere Achsführung auch in extrem defizitären Bandsituationen, hatte aber den Nachteil der hohen Belastung des Prothesengelenks und der Verankerung im Knochen. Eine fehlende oder geringe Rotationsmöglichkeit des Kopplungsteils erhöhte die Grenzflächenbelastung noch zusätzlich. Des Weiteren erschwerten langstreckige Zementverankerungen und interkondyläre Knochendefekte der gekoppelten Prothesen die Rückzugsmöglichkeiten im Revisionsfall. Die Studienlage bestätigte hohe Komplikationsraten durch Infektionen, Implantatbrüche und Patellaprobleme (Kester et al. 1988; Nieder 1991; Rand et al. 1987; Sprenger u. Doerzbacher 2002; Steckel et al. 2005). Moderne Rotating-hinge-Prothesen (S-ROM Modular Knee, NexGen RHK, Stryker MRH) verfügen über eine verbesserte Kinematik. Der Koppelungsmechanismus wird nur noch an der femoralen Komponente gesichert und ein langer Zapfen wird frei beweglich in die tibiale Komponente eingeführt, so dass die Möglichkeit zur Rotation im gesamten Bewegungsumfang gegeben ist. Diese Modifikationen führten insbesondere zur Reduktion von Scherkräften und zu reduzierten Belastungen an den Implantat-Knochen-Grenzen. Zusätzlich stehen zementfreie Press-fit-Schäfte zur Verankerung zur Verfügung und auch die notwendigen Knochenresektionen, insbesondere interkondylär, wurden mit der letzten Generation der Rotating-hinge-Prothesen reduziert (Abb.â•›5.4). In der Primärendoprothetik des Kniegelenks sind Rotating-hinge-Prothesen nur sehr selten indiziert. Sie werden nur bei schweren Gonarthrosen (>35° Varus, >25° Valgus) mit insuffizientem, nicht rekonstruierbarem Bandapparat sowie Subluxationen, insbesondere bei Rheumatikern, eingesetzt. Das Hauptindikationsspektrum liegt in der Revisionsendoprothetik, wo Kniegelenke mit ausgedehnten Knochendefekten mit Beteiligung der Kollateralbänder oder Insuffizienz des Extensionsmechanismus behandelt werden können. Die bislang verfügbaren mittelfristigen Ergebnisse nach 2–6â•›Jahren bei insgesamt extremen Ausgangssituationen liegen im zufriedenen bis guten Bereich, es wurden Überlebensraten von über 90â•›% berichtet (Barrack 2001; Jones 2006; Springer et al. 2001; Westrich et al. 2000). Es sollte dennoch verdeutlicht werden, dass im Revisionsfall prä- und intraoperativ vor direkter Implantation einer Rotating-hingeProthese die Möglichkeiten zur Versorgung mit einem Posterior-stabilized- bzw. Condylar-constrained-Implantat überprüft werden sollten (Gustke 2005).
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Abb. 5.4.↜渀ȀKomponenten einer modernen gekoppelten Knieendoprothese (NexGen Rotating Hinge Knee, Zimmer). Die Femurkondylen artikulieren Last tragend mit der rotierenden Plattform (hohe Formschlüssigkeit), der Kopplungsmechanismus wird in der Femurkomponente mit einem Metallbolzen in einem Polyethylenlager fixiert und tibial frei rotierend in die Komponente eingeführt. Modulare Schaftverlängerungen komplettieren die Prothese
5.3 Tribologie: fixed oder mobile bearing? Nachdem Anfang bis Mitte der 1970er Jahre der Oberflächenersatz eingeführt und zunehmend beliebter wurde, verblieben als nicht gelöste Probleme Polyethylenabrieb und Lockerungen. Beim „Roundon-flat“-Design wurden hohe Polyethylenspitzendrücke mit entsprechend vermehrtem Abrieb festgestellt, wohingegen bei „Round-on-round“-Prothesen erhöhte Scherkräfte entweder am Polyethylen oder an der Verankerung kompensiert werden mussten. Als mögliche Lösung wurden mobile Gleitlager für Knieprothesen vorgeschlagen (Goodfellow u. O’Connor 1978). Dieser Ansatz sollte mehrere Vorteile in sich vereinen, wie geringere Kontaktdrücke und
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weniger Abrieb, geringe Scherkräfte sollten die Lockerungsrate beeinflussen und durch die Selbstausrichtung sollten eine bessere Beweglichkeit und Patellaführung erreicht werden (O’Connor u. Goodfellow 1996). Basierend auf der Total-condylar-Prothese stellten Buechel und Pappas (1986) die Low-ContactStress-Prothese (LCS) vor, die entweder mit zwei beweglichen Meniskuslagern oder einer rotierenden Plattform implantiert wurde. Bei der ersten Versorgungsmöglichkeit stellten sich schon frühzeitig Dislokationsprobleme und ein nicht unerheblicher Abrieb ein, so dass sich die rotierende Plattform bis heute durchgesetzt hat (Buechel u. Pappas 1989). Weitere Entwicklungen waren eine Verlagerung des Rotationszentrums nach medial und die Einführung eines zusätzlichen Freiheitsgrades der Plattform durch Zulassen einer anterior-posterioren Translation (Walker u. Sathasivam 2000). Mittlerweile werden von den meisten Herstellern Knieprothesensysteme mit mobilen Plattformen angeboten. Prinzipiell zeigen mobile Plattformen durch eine erhöhte Konformität der Gleitpartner einen reduzierten Kontaktdruck und es konnte experimentell ein geringerer Abrieb bei mobilen Plattformen im Vergleich zu fixierten Gleitlagern bestätigt werden (McEwen et al. 2001, 2005). Es muss aber die größere Abriebfläche beachtet werden, da auch an der Unterseite nicht unerheblicher Abrieb entstehen kann (Jones et al. 1999; Parks et al. 1998; Wasielewski et al. 1997), so dass diesbezüglich kein Vorteil beim mobilen Gleitlager gesehen werden kann. Auch klinisch konnte in zahlreichen Studien kein Unterschied im Bewegungsumfang bei beiden Versorgungstypen festgestellt werden (Chiu et al. 2001; Jacobs et al. 2004; Kim et al. 2001; Pagnano et al. 2004; Price et al. 2003; Woolson u. Northrop 2004). Klare Vorteile zeigte hier die Verwendung von posterior-stabilisierenden Knieprothesen (Aglietti et al. 2005). Eine sehr interessante Langzeitstudie präsentierten Kim et al., die 146 Patienten mit bilateraler Gonarthrose auf einer Seite mit einem fixierten Gleitlager (AMK) und auf der anderen Seite mit einer rotierenden Plattform (LCS) versorgten. Während der gesamten Beobachtungsphase (11–14,5â•›Jahre) zeigten sich keine subjektiven klinischen und radiologischen Unterschiede sowie gleiche Revisionsraten. Eine mögliche Reduktion der Lockerungsraten durch Verwendung von mobilen Plattformen konnte noch nicht abschließend bewiesen werden. Theore-
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tisch führt die Verwendung des mobilen Gleitlagers zur Reduktion von Scherkräften, die bei einer fixierten Plattform an die Implantatverankerung weitergeleitet werden. Allerdings existieren bislang keine klinischen Daten, die eine geringe Lockerungsrate beweisen. Es gibt sogar Hinweise, dass bei aseptischer Lockerung von Prothesen mit mobilen Plattformen häufiger Osteolysen unter den Implantaten zu finden sind (Huang et al. 2002a, b). Als weitere Vorteile von mobilen Gleitlagern werden die Möglichkeiten zur Kompensation einer Implantatmalrotation und Reduktion von patellofemoralen Scherkräften gesehen. Dies konnte in experimentellen Studien gezeigt werden, wobei eine Gesamtmalrotation bis 10° ausgeglichen werden konnte (Cheng et al. 2003; Matsuda u. Ishii 2004; Pagnano et al. 2004). Die bislang vorhandenen klinischen Ergebnisse unterstützen jedoch die angenommene Hypothese nicht (Vertullo et al. 2001). Tibesku (2005) untersuchte die Fragestellung „fixed oder mobile“ durch unterschiedliche Methoden. In seiner klinischen Studie fand er keine Unterschiede bezüglich Schmerzlinderung, Aktivität, Bewegungsumfang und Lebensqualität zwischen beiden Gleitlagerdesigns. Allerdings zeigten die „Mobile-bearing“Patienten postoperativ bessere klinische Ergebnisse im Knee Society Score, was jedoch aufgrund der Fallzahl und des Nachuntersuchungszeitraums kritisch zu interpretieren ist. In weiteren Studien konnte er jedoch mittels Ganganalyse-, Fluoroskopie, Elektromyographie- und Kadaveruntersuchungen keine Unterschiede zwischen Prothesen mit fixiertem und mobilem Gleitlager feststellen. Insbesondere deutliche Vorteile in der Kinematik wurden bei mobilen Plattformen nicht festgestellt, da weiterhin ein paradoxes Vorwärtsgleiten des Femurs mit zunehmender Flexion gefunden wurde. Die theoretischen tribologischen Vorteile können somit erst im Langzeitverlauf beurteilt werden und müssen gegenüber Komplikationsmöglichkeiten des mobilen Gleitlagers abgewogen werden.
5.4 Verankerungsprinzipien: zementiert oder zementfrei? Die Fixierung der Implantate in der Knieendoprothetik mittels Polymethylmethaacrylat-Knochenzement (PMMA) hat sich seit den 1970er Jahren kontinu-
5â•… Implantate
ierlich durchgesetzt. Hohe Lockerungsraten in den 1980er Jahren ließen vermuten, dass unter anderem der PMMA-Knochenzement für eine eingeschränkte Langzeitfixierung der Komponenten verantwortlich war. Daher wurde der Ansatz der zementfreien Implantatverankerung mit porösen Oberflächen oder Oberflächenbeschichtungen aus der Hüftendoprothetik in der Knieendoprothetik übertragen. Leider zeigten erste Implantatanalysen nach Ausbau der Prothesen nur sehr geringe Knochen-Implantat-Verbindungen und diese hauptsächlich im Bereich von Verankerungsschrauben (Cook u. Thomas 1991; Ranawat et al. 1986; Vigorita et al. 1993). Spätere Untersuchungen von stabilen Implantaten zeigten einen stabilen Knochen-ImplantatKontakt von ca. 30â•›%, so dass die Autoren schlussfolgerten, dass für eine stabile zementfreie Verankerung ein 100â•›%iges Anwachsen von Knochen and die poröse Implantatoberfläche nicht notwendig ist (Bloebaum et al. 1992; Sumner et al. 1994). Zementfreie Implantatsysteme der ersten Generation zeigten schlechte Überlebensraten, wobei hierfür mehrheitlich nicht die biologische Fixierung, sondern andere Gründe wie Lockerungen der Patellakomponenten, Verwendung von dünnen Gleitlagern aus konventionellem PE und Ablösungen der Oberflächenbeschichtungen verantwortlich waren (Knutson et al. 1994; Robertsson et al. 1999). Bezüglich frühzeitiger Lockerungen der tibialen Komponente betonte Whiteside (1994a) die Notwendigkeit einer möglichst hohen Primärstabilität der Tibiabasisplatte und führte entsprechende Modifikationen am Schaft bei gleichzeitiger Verwendung von mehreren Verankerungsschrauben durch. Es wurden auch vermehrt subprothetische Osteolysen und Lockerungen gefunden, die möglicherweise auf eine uneingeschränkte Wanderung von PE-Abriebpartikeln aus dem Gelenkraum in den tibialen und femoralen Knochen zurückzuführen waren (Chockalingam u. Scott 2000; Engh u. Ammeen 2001). Diesbezüglich wurden Vorteile bei einer zementierten Versorgung gesehen, da die Zementschicht eine künstliche Barriere für PE-Partikel darstellt. Zusätzlich wurden auch Vorteile durch eine gleichmäßigere Krafteinleitung von der Tibiabasisplatte zum Knochen nach Zementierung gesehen (Bloebaum et al. 1994; Stern et al. 1997). Die verfügbaren klinisch-radiologischen Langzeitstudien zeigen verlässliche Ergebnisse der zementfreien Versorgung bei einigen Prothesentypen
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nach mehr als 10â•›Jahren (Buechel 2002; Hofmann et al. 2001; Whiteside 1994b). Baker et al. (2007) konnten sogar beim randomisierten Vergleich beider Fixierungsmethoden keine statistisch signifikanten Unterschiede im Langzeitverlauf feststellen. Die Überlebensraten nach 15â•›Jahren betrugen für die zementierten Prothesen 80,7â•›% (95â•›% -CI: 71,5–87,4) und für die zementfrei implantierten Prothesen 75,3â•›% (95â•›% -CI: 63,5–84,3). Es wird aber unmissverständlich klar, dass die Ergebnislage der zementierten Versorgung als Standard anzusehen ist und die zementfreie Versorgung sich hieran messen muss (Lombardi et al. 2007). Bei einer Vielzahl von Prothesen wurde unabhängig und einheitlich eine verlässliche Langzeitfixierung der Komponenten mittels PMMA nachgewiesen, die ursprünglich das Ziel der zementfreien Fixierung gewesen ist (s. Abschn.â•›5.2.2, Langzeitergebnisse Oberflächenersatz). Modulare Systeme, insbesondere für Revisionsoperationen, verfügen heute über lange Schaftkomponenten für eine metaphysäre bis diaphysäre Verankerung femoral und tibial. Sie werden entweder bei ausgedehnten knöchernen Defekten eingesetzt oder wenn eine zusätzliche Varus-Valgus-Stabilisierung durch die Komponenten erreicht werden soll. Es sind unterschiedliche Fixierungen von der rein zementfreien Press-fit-Versorgung, über die Hybridverankerung (Schaft-Press-fit, Komponente zementiert) bis zur voll zementierten Versorgung möglich. Eine grundsätzliche Bevorzugung eines Verankerungsprinzips ist bisher nicht gegeben und die Entscheidung muss im Einzelfall getroffen werden, da sie von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist (Defektgröße, Reimplantation nach septischem Geschehen, Größenvielfalt der Schäfte zur sicheren Press-fit-Verankerung u.â•›a.)
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Biomechanik des endoprothetisch versorgten Kniegelenks W. Mittelmeier, R. Souffrant, D. Kluess, P. Bergschmidt und R. Bader
Die Häufigkeit von Kniegelenksarthrosen nimmt durch erhöhte Prävalenzraten im Alter und stetig steigende Lebenserwartung der Bevölkerung zu. Nach Ausschöpfung aller konservativen und operativen Maßnahmen bleibt der endoprothetische Kniegelenksersatz häufig die einzige Möglichkeit, Schmerzfreiheit und Gelenkfunktion wieder herzustellen sowie vorhandene Deformitäten zu korrigieren. Die Wiederaufnahme der individuellen Alltagsaktivitäten sowie die Selbstversorgung stehen dabei für den Patienten im Vordergrund. Nach Schätzungen von Endoprothesenherstellern wurden im Jahre 1997 weltweit annähernd 500.000 Kniegelenke implantiert (Puhl u. Decking 1998), im Jahr 2002 bereits ca. 800.000 mit steigender Tendenz (Leyen 2002). Die Knieendoprothetik hat mit den stetig steigenden Implantationszahlen ein hohes Maß an Sicherheit erlangt, so dass zunehmend auch jüngere aktive Patienten mit hohen Anforderungen an eine maximale Funktion endoprothetisch versorgt werden (Bergschmidt et╯al. 2008; Kircher et╯al. 2007). In der Erfassung des schwedischen Registers zeigte sich eine kumulative Revisionsrate nach 8,5â•›Jahren von 6â•›% für Patienten unter 65â•›Jahren und 2,5â•›% für Patienten über 65â•›Jahren (Harrysson et╯al. 2004). Unter Berücksichtigung der Komplexität der Kinematik und Kinetik am natürlichen Kniegelenk entsteht durch die Implantation eines künstlichen Gelenkersatzes eine spezielle und veränderte Belastungs- und Bewegungssituation am Kniegelenk. Dabei können die verschiedenen Freiheitsgrade und Bewegungsachsen unterschiedlich sein, abhängig vom jeweiligen Design der Knieendoprothese und den individuellen Voraussetzungen des natürlichen Kniegelenks. Unter diesen
Bedingungen stellt das Kniegelenk intraoperativ besondere Ansprüche an die Anpassung der Kinematik durch Einstellung der dreidimensionalen Orientierung des Gelenkes im Knochenlager. Dabei spielen vor allem die Berücksichtigung der Weichteilverhältnisse, propriozeptive sowie biomechanische Aspekte eine wesentliche Rolle. Im gesunden Kniegelenk werden die physiologisch auftretenden femorotibialen Belastungen zwischen medialem und lateralem Kompartiment aufgeteilt, wobei schon auf der Grundlage der anatomischen Größenunterschiede von einer ungleichen Verteilung auszugehen ist. Mit Hilfe von numerischen Simulationen und Messungen mit instrumentierten Knieendoprothesen konnte diese Lastaufteilung nachgewiesen werden (Lindgren u. Seireg 1989; D’Lima et╯al. 2006). Demnach verläuft beim ebenen Gehen die Gelenksresultierende in der Frontalebene in Richtung des medialen Tibiakondylus. Aufgrund dieser überwiegenden medialen Lastübertragung im Kniegelenk ist das mediale Kompartiment vermehrt degenerativen Veränderungen ausgesetzt und muss somit häufiger endoprothetisch versorgt werden als das laterale Kompartiment. Im Hinblick auf die Kinematik des natürlichen Kniegelenks ist die Flexions- und Extensionsbewegung als Roll- und Gleitbewegung der femoralen Kondyle auf der tibialen Gelenkfläche beschrieben (Fick 1904). Eine Beugung ist bis etwa 150° und eine Rotationsbewegung bei gebeugtem Knie von etwa 45° bis 60° möglich. In der endgradigen Streckbewegung wird die sog. Schlussrotation um 10° ausgeführt (Kummer 2005). In der Beugebewegung findet anfänglich ein reines Rollen statt; ab einem Beugewinkel von etwa
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_6, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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20° bis 30° gleiten die Gelenkflächen aufeinander (Abicht 2005). Dabei wandern die Gelenkkontakte vor allem am lateralen Tibiaplateau nach posterior (sog. negatives Rollback) (Freeman u. Pinskerova 2005), d.â•›h., in der Transversalebene verschiebt sich der laterale Kontaktpunkt bei einer Flexion von 0° auf 120°â•›â•›um ca. 20â•›m m nach dorsal, während der mediale nahezu konstant bleibt (Pinskerova et╯al. 2004). Ein anschauliches Modell des Bewegungsablaufs stellt das überschlagene Gelenkviereck dar (Menschik 1974). Während der Bewegung im Kniegelenk verlagert sich die momentane Drehachse und befindet sich jeweils im Kreuzungspunkt beider Schwingen (vorderes und hinteres Kreuzband). Bei starrem Steg (Femur) und beweglicher Koppel (Tibia) wird die Bewegungsbahn (Kurve) des Kreuzungspunktes als Rastpolkurve bezeichnet (Kummer 2005). In der Knieendoprothetik steht bis heute die Nachbildung der natürlichen Kinematik im Fokus der Implantatentwicklung. Bei Knieendoprothesen konnte bislang aus geometrischen Gründen das natürliche Roll-GleitVerhalten nicht nachgebildet werden, d.â•›h., bei handelsüblichen Knieendoprothesen verschieben sich die Gelenkkontakte nur geringfügig, so dass eine kombinierte Roll-Gleit-Bewegung mit negativem Rollback nicht stattfindet. Die Kinematik von ungekoppelten Knieendoprothesen (bikondylärer Oberflächenersatz) konnte von einigen Arbeitsgruppen (Freeman u. Pinskerova 2005; Johal et╯al. 2005) anhand von MRT-Aufnahmen präzise beschrieben werden.
6.1 Numerische Simulation der Gelenkbiomechanik nach endoprothetischem Ersatz Die Überprüfung der detaillierten Kinematik und Lastverteilung nach Implantation eines Kniegelenks beruht in der Regel auf klinischen Ergebnissen. Die präklinische Testung des postoperativen Zustands findet im Modellversuch im Allgemeinen mittels sog. Kniesimulatoren statt, bei denen überwiegend Standardtests gemäß DIN-/ISO-Norm umgesetzt werden. Worst-case-Testungen werden nur vereinzelt analysiert. Dies hat selbstverständlich erhebliche Bedeutung für den Erfolg der Knieendoprothetik un-
W. Mittelmeier et╯al.
ter der Berücksichtigung, dass zunehmend alte und übergewichtige Patienten, aber auch immer mehr jüngere Patienten ihre Kniegelenke in spezifischen und teilweise auch Worst-case-Situationen belasten. Zum Teil dienen auch funktionell-klinische Untersuchungen mittels Bildverstärker zur Überprüfung der Gelenkkinematik, z.â•›B. bei Instabilitäten oder auch hinsichtlich der Frage zur Restbeweglichkeit von Polyethylen-Inserts. Einen wesentlichen Ansatz zur Analyse biomechanischer Fragestellungen in der orthopädischen Chirurgie bietet vermehrt die Finite-Elemente-(FE-)Simulation. Diese bietet die Möglichkeit zur Implementierung von bestimmten Belastungssituationen außerhalb der Standardnormtests. In unserer Arbeitsgruppe wurden entsprechende Finite-Elemente-Modelle aufgebaut, die u.â•›a. folgende intra- und postoperative Situationen näherungsweise zu simulieren vermögen, wie die Verkippung des Tibia-Inlays in Varus-Valgus-Richtung, femorale Knochendefekte in der periprothetischen Umgebung, Stolpern und intraoperatives Einschlagen der Femurkomponente (Schultze et╯al. 2007; Kluess et╯al. 2008). Die numerische Simulation der biomechanischen Beanspruchung einer Knieendoprothese in situ erfordert zunächst eine sinnvolle Modellbildung. Somit wird bei Berechnungen der Implantatsicherheit häufig auf die Einbeziehung von Weichgewebe verzichtet. Ebenfalls werden aus rechenökonomischen Gründen meist nur der Gelenkanteil und ein diaphysärer Abschnitt der jeweilig angrenzenden Knochen simuliert. Am Beispiel des Kniegelenks ist es zur Analyse der Femurkomponente folglich zulässig, die Tibia unter Annahme gewisser Randbedingungen zu vernachlässigen und nur das distale Femur bis zum Isthmus zu betrachten (Abb.â•›6.1). Die Geometrie des Femurs kann aus Computertomographie-(CT-)Daten rekonstruiert werden. Ebenfalls wird in aktuellen FE-Untersuchungen von der Korrelation zwischen der Röntgenstrahlabschwächung im CT (gemessen in Hounsfield-Einheiten, HU) und der Steifigkeit des Knochens Gebrauch gemacht. Mit Hilfe entsprechender Materialgesetze kann somit der Inhomogenität des biologischen Materials Knochen Rechnung getragen werden. Weiterhin bedient sich die Finite-Elemente-Methode bestimmter Kontaktbedingungen. Folglich muss bei zementierten Implantaten zum einen fester Kontakt zwischen Knochen und Knochenzement sowie zwischen Endoprothese
6â•… Biomechanik des endoprothetisch versorgten Kniegelenks
Abb. 6.1.↜╇ Finite-Elemente-Modell einer implantierten Femurkomponente mit distalem Femur, Knochenzementschicht und Tibia-Inlay. Links: unbelasteter Zustand, rechts: Spannungsplot unter Wirkung der Kräfte beim normalen Gang als Ergebnis der FE-Analyse
und Knochenzement definiert werden, zum anderen muss der gleitende Kontakt zwischen der Femurkomponente und dem Tibia-Inlay mit entsprechenden Reibkoeffizienten berücksichtigt werden. Die zu simulierende Belastung der Knieendoprothese in situ stellt eine Annahme dar, die nur aus Berechnungsmodellen oder In-vivo-Messungen hergeleitet werden kann. Zum einen kann auf Berechnungen der Kniegelenkskräfte, basierend auf gemessenen Hüftgelenkskräften, zurückgegriffen werden, neuerdings wurden auch Studien veröffentlicht, in denen mit instrumen-
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tierten Knieendoprothesen die In-vivo-Belastung direkt im Knie des Patienten gemessen wird (D’Lima et╯al. 2006). Sind solche Belastungen bekannt, können diese als Kraftvektoren im FE-Modell angebracht und die Strukturantwort im Knochen-Implantat-Verbund berechnet werden. Mit den beschriebenen Methoden wurden in eigenen Arbeiten Finite-Elemente-Modelle der implantierten Knieendoprothese erstellt und die Beanspruchungen der Femurkomponente unter den oben genannten Worst-case-Bedingungen berechnet. Im Falle des Stolperns bildeten sich an der inneren vorderen Kante der Femurkomponente Spannungen aus, die 12,6-mal höher lagen als unter normalem Gang (Abb.â•›6.2). Ein in Varus-Valgus-Richtung verkipptes Inlay wies einseitig erhöhte Spannungen auf, die ca. 1,5-mal höher als unter normalem Gang waren. Femorale Knochendefekte zeigten keine sichtbare Erhöhung der maximalen Hauptspannungen in der Femurkomponente, jedoch sollte in Zukunft der Einfluss von Knochendefekten basierend auf klinischen Erfahrungen vor allem auch tibiaseitig untersucht werden. Das Einschlagen der Femurkomponente stellt ein gesondertes Problem dar. Ein solcher Lastfall muss die zeitabhängigen Dämpfungs- und Trägheitskräfte berücksichtigen und darf nicht, wie bei Simulationen des normalen Gehens üblich, quasistatisch berechnet werden. Eine aktuelle Studie zum Einschlagverhalten von Femurkomponenten unterschiedlichen Materials (Kobalt-Chrom vs. Keramik) zeigte beim Einschla-
Femurkomponente unter Krafteinwirkung beim normalen Gang
Femurkomponente unter Krafteinwirkung beim Stolpern
Max. Hauptspannungen
Max. Hauptspannungen
42 N/mm 30 25 20 15 10 5 0
2
530 N/mm2 300 250 200 150 100 50 0
Abb. 6.2.↜渀 Ergebnisse der Analyse der Hauptspannungen mit Ansicht der Femurkomponente von kranial. Auffällig sind die bis zu 12,6-fach höheren Hauptspannungsbeträge beim Stolpern verglichen mit normalem Gang
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W. Mittelmeier et╯al.
Abb. 6.3.↜渀 Finite-ElementeModell zur Analyse des Einschlagens einer Femurkomponente mittels Einschläger und Hammer. Der Hammer wurde hier nicht vollständig modelliert, sondern als Starrkörperoberfläche berücksichtigt. Anstelle des distalen Femurs dienten Federn zur Aufhängung der Femurkomponente
gen hohe Hauptspannungen an den inneren Kanten und verdeutlicht die Gefahr einer Material- und Oberflächenschädigung (Abb.â•›6.3). Der Impuls beim Einschlagen wird durch die Masse des Hammers und die Schlaggeschwindigkeit bestimmt, folglich kann die Gefahr einer Implantatschädigung durch Verwendung eines leichteren Hammers oder durch geringere Schlaggeschwindigkeit minimiert werden. Insgesamt ermöglicht diese FE-Simulation zunächst die Überprüfung von Oberflächenersatzendoprothesen, wobei jedoch auch spezielle Designaspekte einzelner Endoprothesentypen einbezogen werden können. Es ergibt sich somit die Möglichkeit, Achsbelastungen bei teilgekoppelten oder vollgekoppelten Knieendoprothesen unter diesen Bedingungen zu prüfen. Aktuelle Publikationen belegen die mögliche Simulation von Abriebvorgängen am künstlichen Kniegelenk mit Hilfe der FE-Berechnung (Knight et╯al. 2007). Derzeit sind diese Berechnungen auf eine Nachbildung des Kniesimulators zur experimentellen Ermittlung der Abriebraten beschränkt, mit dem Ziel, innerhalb kurzer Berechnungszeiten das Abriebverhalten im Kniesimulator vorhersagen zu können. Hier stehen Berechnungen von wenigen Stunden Dauer Experimenten mit Laufzeiten bis zu mehreren Monaten gegenüber. Eine Analyse des Einflusses von Implantatgeometrie, -position und Belastung auf das Abriebverhalten ließe sich mit einem adäquaten FE-Modell zeitsparend durchführen. Entsprechende Modelle beruhen auf der Beziehung zwischen der Abriebtiefe H und dem Kontaktdruck p sowie der Reibdistanz S und einem experimentell bestimmbaren Abriebfaktor KW nach Archard (Archard 1953): H = KWâ•› p S
Werden im FE-Modell die Kräfte und Momente entsprechend eines Knieabriebsimulators in Form von Randbedingungen angebracht, können der Kontaktdruck und die Reibdistanz berechnet werden. Mit dem Abriebfaktor wird schließlich die Abriebtiefe nach einer definierten Anzahl von Lastzyklen bestimmt. Die letztendlich berechnete Abriebtiefe wird vom FE-Modell subtrahiert, die Geometrie neu angeordnet und das nächste Recheninkrement mit veränderter, „abgeriebener“ Geometrie gestartet. Auf diese Weise kann der Abriebvorgang innerhalb mehrerer Millionen Belastungszyklen simuliert werden. Ein weiteres Feld der orthopädischen Biomechanik, das derzeit mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode erschlossen wird, ist die Remodellierung des periprothetisch gelegenen Knochens (Nyman et╯al. 2004; Behrens et╯al. 2008). Zunächst wird dazu am Rechner eine virtuelle Implantation der Knieendoprothesenkomponenten in dreidimensional rekonstruierte Knochen vorgenommen. Die Knochendichte stellt den veränderlichen Parameter dar, der infolge des Knochenumbaus zu- oder abnehmen kann und direkten Einfluss auf die Steifigkeit der betroffenen Volumina hat. Initial wird die Strukturantwort des Knochen-Implantat-Verbunds mit der direkt postoperativ vorliegenden Knochendichte berechnet, wobei als Lastfall im Allgemeinen die Belastungen während des normalen Gangs gewählt werden. Anschließend werden innerhalb eines Algorithmus die Dehnungen im Knochen ausgewertet und je nach Betrag der Dehnungsenergiedichte eine Zuoder Abnahme oder ein Gleichbleiben der Knochendichte berechnet. Mit den veränderten Werten wird daraufhin das nächste Inkrement berechnet, bis ein bestimmtes Maß an simulierter postoperativer Dauer erreicht ist.
6â•… Biomechanik des endoprothetisch versorgten Kniegelenks
Insgesamt muss aber berücksichtigt werden, dass die FE-Simulation Berechnungen von näherungsweisem Charakter auf der Basis von speziell vorgegebenen Parametern darstellt und jeweils durch Abweichungen von Design, Werkstoff oder Knochenqualität abweichende Werte auftreten können. Deshalb sollten die Modelle immer wieder im experimentellen Modellversuch zur Validierung der numerischen Ergebnisse geprüft werden.
6.2 Biomechanische Aspekte von unikondylären Endoprothesen Knieendoprothesen werden vorrangig nach ihrem Stabilitäts- und Beweglichkeitsgrad eingeteilt (Bloemer 2000). Nach ISO 7207-1 wird in ungekoppelte (uni-, bi- und trikompartimenteller Oberflächenersatz), teilgekoppelte und gekoppelte Systeme unterschieden. Ungekoppelte Knieendoprothesen besitzen mehrere Bewegungsfreiheitsgrade bei geringer Stabilität, gekoppelte (z.â•›B. Scharnierprothesen) dagegen eine hohe Stabilität bei geringer Beweglichkeit. Die Besonderheit der unikondylären Knieendoprothesen besteht darin, dass das vordere Kreuzband als im zentralen Anteil des Kniegelenks bestehendes Führungssegment erhalten bleibt. Mit höherem Erhaltungsgrad der umgebenden Bänder des Kniegelenks ergibt sich ein erhöhtes Risiko bezüglich der Auswirkung von Achsabweichungen oder Problemen infolge von Bandstabilitäten. So besteht durch die Verwendung von unikondylären Knieendoprothesen zwar die Möglichkeit, nur das geschädigte Kompartiment zu ersetzen, für den Operateur ergibt sich jedoch die meist schwierige Aufgabe, die ligamentäre Situation zu erhalten bzw. eine bessere einzustellen. Maßgebliche Kriterien sind die Wiederherstellung der Gelenksstabilität und gleichzeitig das Erzielen einer physiologischen Kniekinematik. Diese konträren Eigenschaften sind entscheidend für den Erfolg und die Langlebigkeit der unikondylären Knieendoprothese, deren Hauptversagensgrund im Polyethylenabrieb und der Implantatmigration zu sehen ist (Hernigou u. Deschamps 2004). Intraoperativ muss aus diesem Grund die Bänderspannung einerseits so angepasst werden, dass die Kongruenz der Kontaktflächen nachgeführt und „lift-off“ Effekte, die ihrerseits zu erhöhten Kon-
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taktdrücken und Beschädigungen des Polyethylen-Inlays führen können, vermieden werden. Andererseits dürfen die durch einen zu straffen Bandapparat aufgebrachten Zwangskräfte auch nicht zu groß werden, damit diese nicht zu einem erhöhten Verschleiß des PE-Inlays führen.
6.3 Biomechanische Aspekte von Oberflächenersatzendoprothesen Im Gegensatz zu unikondylären Knienedoprothese wird bei der Implantation eines bikondylären Oberflächenersatzes im Kniegelenk das vordere Kreuzband reseziert. Die Stabilität des Kniegelenkes muss aufgrund dessen von dem verbleibenden Bandapparat, vor allem dem hinteren Kreuzband und den Kollateralbändern, sichergestellt werden. Bestimmte konstruktive Merkmale an den Oberflächenersatzendoprothesen können zusätzlich stabilisierend wirken. Unabhängig vom Oberflächendesign ist das Ziel der Implantatgestaltung jeweils die Nachbildung der physiologischen RollGleit-Bewegung zwischen Ober- und Unterschenkel. Im natürlichen Kniegelenk übernehmen die Menisken die Funktion der Kontakflächenanpassung und Druckverteilung. Im künstlichen Gelenkersatz obliegt diese Funktion dem Polyethylen-Inlay. Im Allgemeinen werden die Oberflächenendoprothesen in kongruente Designs, d.â•›h. mit aneinander angepassten Krümmungsradien in mindestens einer Ebene zwischen Femur-Komponente und PolyethylenInlay (Single-Kurve bzw. Single-Radius), und weniger kongruente Designs (Multi-Radius) unterschieden. Die Kongruenz der Gleitpartner bewirkt große homogen belastete Kontaktflächen, was wiederum zu einer Verringerung der Materialbeanspruchungen und des daraus resultierenden Abriebs führt. Die Kongruenz ist über den gesamten Bewegungsumfang sicherzustellen, dadurch wird die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, was sich in einem verminderten Beugevermögen widerspiegelt. Oberflächendesigns mit weniger kongruenten Kontaktflächen können den physiologischen Bewegungsumfang besser reproduzieren, gehen jedoch gleichzeitig mit erhöhten Kontaktdrücken und Polyethylen-Verschleiß einher. Zusätzlich ist die durch die Oberflächengestaltung möglich Stabilisierung vermindert.
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W. Mittelmeier et╯al.
Abb. 6.4.↜╇ Röntgenologisches Bild eines ungekoppelten bikompartimentellen Oberflächenersatzes mit einer rotierenden Plattform am zweiten postoperativen Tag in 30° und 90° Beugung. Eine posteriore Translation (Rollback) tritt bei ultrakongruentem Polyethylen-Inlay nicht auf
Einen Kompromiss stellen Endoprothesen nach dem „Mobile-bearing“-Konzept dar. Bei diesen Implantaten werden kongruente Inlays (Abb.â•›6.4) zusätzlich beweglich gelagert, um die natürliche Roll-Gleit-Bewegung bestmöglich anzunähern. Die Polyethylen-Komponente kann sich dazu rotierend, gleitend oder kombiniert gegenüber dem metallischen Tibiaplateau bewegen. Theoretisch sollten derartige Konzepte über eine etwas „physiologischere Kinematik“ und einen größeren Bewegungsumfang als Systeme mit „Fixed-bearing“-Inlays verfügen. Jedoch konnten in klinischen Nachuntersuchungen zum Teil keine Unterschiede in der ROM beobachtet werden (Ladermann et╯al. 2008). Moderne Implantatsysteme ermöglichen aber durch einen modularen Aufbau den intraoperativen Wechsel von „mobile“ auf „fixed“ und umgekehrt und damit die Anpassung des Systems an die sich jeweilig darstellende Weichteilsituation. Im Unterschied zu den unikondylären Endoprothesen wird beim bikondylären Oberflächenersatz die femorale Gelenkfläche des femoropatellaren Gelenks zum Teil mitversorgt. Zudem erhalten die Implantate auf diese Weise eine größere Verankerungsfläche und
somit Stabilität im knöchernen Lager. Zahlreiche bikondyläre Systeme bieten die Option des endoprothetischen Ersatzes der patellaren Artikulationsfläche, deren Notwendigkeit jedoch unterschiedlich beurteilt wird.
6.4 Biomechanische Aspekte von teil- und vollgekoppelten Knieendoprothesen Diese Form von Oberflächenersatzprothesen ermöglicht durch spezielles Design, eine Gelenkstabilisierung trotz eines zum Teil insuffizienten Bandapparat zu erzielen (Agneskirchner u. Lobenhoffer 2004). Bei einer posterioren Instabilität, d.â•›h., das hintere Kreuzband ist degenerativ verändert oder musste intraoperativ abgelöst werden, stehen posterior stabilisierende Systeme („Constrained Condylar Designs“; Sculco 2006) zur Verfügung. Hierbei wird durch eine posteriore Erhöhung des Polyethylen-Inlays oder einen Zapfen, der
6â•… Biomechanik des endoprothetisch versorgten Kniegelenks
in die Femurkomponente greift, eine Translation der Tibia in Flexion verhindert (Agneskirchner u. Lobenhoffer 2004). Bei insuffizienten Seitenbändern kann eine zusätzliche seitliche Abstützung des Zapfens in der Femurkomponente indiziert sein. Kippkräfte in der Frontalebene werden aufgenommen und somit eine Varus-Valgus-Stabilisierung bei guter Wiederherstellung der Gelenkbeweglichkeit herbeigeführt. Durch eine vollständige Kopplung der Bewegungsachsen wurde schon früh in der Knieendoprothetik versucht, dem Problem der Weichteilanpassung für den Operateur Erleichterung zu verschaffen, aber andererseits auch für den weniger gut muskulär eingestellten Patienten eine vorgegebene Achsführung zu gewährleisten. Bereits das von Themistokles Gluck in der frühesten Phase der Endoprothetik konzipierte Gelenk beruhte auf einem Scharniermechanismus. Achsgeführte, gekoppelte Knieendoprothesensysteme werden heutzutage bei schweren Gelenkdeformitäten, bei denen ein hochgradig insuffizienter Bandapparat vorliegt und teilgekoppelte Systeme keine ausreichende Gelenkstabilisierung gewährleisten (Sculco 2006; Fraitzl et╯al. 2008), sowie häufig im Revisionsfall eingesetzt. Bei gekoppelten Systemen sind die Femur- und Tibiakomponente meist über ein Scharniergelenk miteinander verbunden. Durch das Scharniergelenk ist nur ein Bewegungsfreiheitsgrad (Flexion-Extension) freigegeben, somit ist nicht annährend eine physiologische Kniegelenkskinematik im Sinne einer Roll-Gleit-Bewegung mit posteriorem Rollback des Femurs bei Flexion möglich. Durch das Fehlen der Rückverlagerung (Rollback) der Femurkondylen wird bei Flexion der Hebelarm des Streckapparats nicht vergrößert, wodurch die Kniestreckung deutlich erschwert ist und höhere Anpresskräfte im femoropatellaren Gelenk entstehen (Hassenpflug 2003). Bei den ersten Modellen achsgeführter Knieendoprothesen (wie Waldius, Shiers u.â•›a) erfolgte die Lastübertragung zwischen Femur- und Tibiakomponente ausschließlich über ein Scharniergelenk.
79
Dadurch resultierten hohe Belastungen auf die Implantatkomponenten und das angrenzende Knochenlager, wodurch gravierende Abriebvorgänge und mechanische Auslockerungen der Implantate auftraten (Hassenpflug 2003). Bei aktuellen gekoppelten Systemen wird die Last nicht über die Achse des Scharniergelenks, sondern vorrangig über die Artikulations- bzw. Gleitflächen übertragen. Die einachsige Rotationsbewegung erfolgt über kongruente femorotibiale Gleitflächen. Durch diese Konformität sind Druck- und Scherbelastungen in den Artikulationsflächen limitiert, so dass im Vergleich zu ungekoppelten Systemen bestimmte Verschleißmechanismen am Polyethylen-Inlay nicht beobachtet werden (Hassenpflug 2003). Wesentliche Unterschiede zur Kinematik einachsig geführter Systeme ergeben sich durch die Implementierung einer zweiten Bewegungsachse. Zweiachsig geführte Knieendoprothesen verfügen in der Regel über zwei senkrecht zueinander gestellte Achsen, die in unterschiedlichem Abstand voneinander gelagert sein können. In der Regel wird proximal eine quer verlaufende, also transversale Achse gewählt, während distal eine senkrechte entweder starr oder beweglich gelagerte Achse eingesetzt wird. Deshalb wird in der Regel auch die Bezeichnung „rotating hinge“ (Abb.â•›6.5) verwendet. Derartige Systeme besitzen zwei Bewegungsfreiheitsgrade und erlauben femorotibial neben der Flexion-Extension zusätzlich eine Außen- und Innenrotationsbewegung. Der eingeschränkte Bewegungsgrad führt bei allen gekoppelten Knieendoprothesen zu unerwünschten Zwangskräften, die durch zusätzliche Verankerungselemente in das umgebende Knochenlager abgeleitet werden müssen. Aus diesem Grund verfügen gekoppelte Systeme im Gegensatz zu ungekoppelten meist über femorale und tibiale Stielverlängerungen, um die hohen Grenzflächenbelastungen (Abb.â•›6.5) auf ein möglichst großes Knochenlager übertragen zu können (Agneskirchner u. Lobenhoffer 2004).
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6
W. Mittelmeier et╯al.
Abb. 6.5.↜渀 Röntgenologisches Bild einer bei nachgewiesener Zementallergie zementfrei verankerten teilgekoppelten Knieendoprothese (als „rotating hinge“ ausgeführt) mit femoralen und tibialen Verankerungsstielen. Knöcherne Reaktion (bedingt durch Stress Shielding) am proximalen Ende des femoralen Verankerungsstiels
6.5 Biomechanische Aspekte des retropatellaren Ersatzes Die Notwendigkeit des patellaren Gleitflächenersatzes wird bis heute kontrovers diskutiert. So wird im Rahmen des primären Kniegelenkersatzes beispielsweise in den USA im Gegensatz zu Mitteleuropa die Rückfläche der Patella sehr häufig mit einer Polyethylenkomponente versehen. Befürworter führen neben der Verringerung des anterioren Knieschmerzes auch ein besseres klinisch-funktionelles postoperatives Ergebnis als Argument an (Berti et╯al. 2006). Die Bewegungsmuster mit und ohne patellarem Rückflächenersatz sind zwar ähnlich, doch scheint der passive sowie aktive Bewegungsumfang, insbesondere beim
Treppensteigen, für Flexionsbewegungen durch den Rückflächenersatz erhöht zu sein (Berti et╯al. 2006). Jedoch kommt es nach retropatellarem Gleitflächenersatz bei liegender bikondylärer Knieendoprothese, im Vergleich zu einer nicht endoprothetisch ersetzten Rückfläche, zu unerwünschten, erhöhten Druckbelastungen an der Patellarückfläche (StukenborgColsman et╯al. 2003). Unabhängig davon sollte bedacht werden, dass eine korrekte und spannungsfreie Zentrierung der Patella einen wichtigen Faktor zur Vermeidung des anterioren Knieschmerzes darstellt (Agneskirchner u. Lobenhoffer 2004) und die Führung des retropatellaren Ersatzes wesentlich von der Weichteilführung, der Gestaltung des retropatellaren Gleitlagers und der Kinematik des gesamten Kniegelenks abhängt.
6â•… Biomechanik des endoprothetisch versorgten Kniegelenks
6.6 Klinische Ergebnisse als Kennzeichen einer adäquaten Gelenkbiomechanik Insbesondere jüngere Patienten stellen hohe Anforderungen an eine maximale Funktion des endoprothetisch versorgten Gelenks. Neben dem adäquaten Implantatdesign ist das „Handling“ möglicher intraoperativer Störgrößen durch den Operateur eine Voraussetzung für optimale biomechanische Bedingungen, die sich entscheidend in den klinischen Ergebnissen nach künstlichem Kniegelenkersatz widerspiegeln. Klinische Verlaufsbeobachtungen nach endoprothetischem Kniegelenkersatz werden nach speziell entwickelten Scores durchgeführt. Am weitesten verbreitet sind der „Hospital for Special Surgery (HSS) Score“ nach Ranawat und Shine (1973) und der „Knee Society Score“ nach Insall et╯al. (1989). Beide Scores berücksichtigen Aspekte des klinischen Outcome in unterschiedlicher Gewichtung. Der „HSS-Score“ nach Ranawat und Shine berücksichtigt neben subjektiven funktionellen Kriterien auch objektive Untersuchungsbefunde. Der Score lässt sich in 6 Beurteilungsaspekte – Schmerz, Funktion, Muskelkraft, Bewegungsumfang, Fehlstellung und Instabilität – bei maximal erreichbaren 100 Punkten unterteilen. Der „Knee Society Score“ nach Insall wird unterteilt in einen „Knee Score“ (maximal 100 Punkte), der nur das Gelenk beurteilt, und einen „Funktions-Score“ (maximal 100 Punkte), der die Fähigkeit des Patienten zu gehen und Treppen zu steigen berücksichtigt. Dabei werden als Hauptkriterien der insgesamt 200 zu erreichenden Punkte Schmerz, Bewegungsausmaß im Kniegelenk, Stabilität des Gelenks, Gehstrecke sowie Treppensteigen gewertet. Eine umfassende Beurteilung von Patienten beinhaltet zusätzlich die Evaluierung der Symptome und physischen Funktionseinschränkungen im Alltag. Bei Gon- und Coxarthrosen ist der „WOMAC-Arthroseindex“ (Western Ontario and McMaster Universities) der am weitesten verbreitete Fragebogen zur Erfassung von arthrosespezifischen Krankheitsauswirkungen aus Sicht des Patienten (Harrysson et╯al. 2004). Der Index wird in 3 Skalen (Schmerz, Steifigkeit und Funktion) gegliedert und ist nicht nur ein arthrosespezifischer, sondern auch ein gelenkspezifischer Evaluierungs-Score.
81
Die Verwendung von Funktions-Scores erlaubt eine umfassende Analyse aller funktionellen und physischen Aspekte während der Verlaufsbeobachtung nach endoprothetischem Kniegelenkersatz. Trotz der Einheitlichkeit der Scores gestaltet sich die Vergleichbarkeit unterschiedlicher klinischer Verlaufsbeobachtungen aufgrund multifaktorieller Einflüsse schwierig. Eine suffiziente Kniegelenkskinematik ist u.â•›a. von Implantatdesign und -positionierung abhängig. Zudem spielen auch die ligamentäre Stabilität, das Weichteilbalancing, der präoperative Befund, demographische Faktoren und die Nachbehandlung eine wichtige Rolle für das postoperative Outcome. In klinischen Studien wird meist eine maximale Range of Motion (ROM) für Flexion zwischen 100° und 120° beobachtet (Tab.â•›6.1). Dies ist adäquat für Aktivitäten des täglichen Lebens wie Treppensteigen und Hygiene. Eine Steigerung des Bewegungsausmaßes kann bis zu einem Jahr postoperativ nachgewiesen werden. Später zeigen sich in der Regel keine weiteren signifikanten ROM-Verbesserungen (Benjamin et╯al. 2003). Eine Multicenterstudie mit 282 endoprothetisch versorgten Kniegelenken untersuchte präoperative Einflüsse auf das klinische Outcome (Anouchi et╯al. 1996). Der ROM für Flexion betrug im Patientengut 1â•›Jahr postoperativ 107â•›±â•›11° und nach 2â•›Jahren 106â•›±â•›10°. Die Betrachtung der ROM-Veränderung zum präoperativen Befund (Delta-Wert) konnte folgende Ergebnisse liefern: Patienten mit einer schlechten präoperativen Funktion erfahren einen größeren Zugewinn an Funktionalität, Bewegungsumfang und Verlust an Schmerz als Patienten mit präoprativ guter Funktion. Im absoluten Gesamt-Outcome (Knee Society Score) zeigen sich hingegen keine signifikanten Unterschiede (Anouchi et╯al. 1996). Analoge Ergebnisse konnten Bergschmidt et╯al. (2008) in einer klinischen Verlaufsbeobachtung nach bikondylärem Oberflächenersatz mit einem durchschnittlichen Bewegungsausmaß von 102â•›±â•›14° nach 6â•›Monaten zeigen. Häufig wird ein großer Bewegungsumfang eines endoprothetisch versorgten Kniegelenks als Bewertungsmaßstab für ein gutes operatives Ergebnis herangezogen. Dies trifft jedoch nur bedingt zu. Eine internationale Multicenterstudie (684 Knieendoprothesen) konnte nur eine geringe Korrelation (0,18–0,32) zwischen WOMAC-Arthroseindex und Bewegungsumfang bestätigen. Der durchschnittliche Bewegungsumfang lag bei 110°â•›±â•›15° bei einer signifikanten Verbesserung im WOMAC-Arthroseindex
82
6
W. Mittelmeier et╯al.
Tabelle 6.1.↜渀 Übersicht über klinische Evaluierung der Range of Motion (ROM) verschiedener Knieendoprothesensysteme. Die ROM ist dabei definiert als maximale Flexion minus Extensionsdefizit Autor
Implantattyp
n
Follow-up
Mean Follow-up [Monate]
ROM [°]
Anouchi et╯al. 1996
Advantim Knee® (Fa. Wright Medical Technology)
287
12â•›Monate
12
107
Bergschmidt et╯al. 2008
Genia® (Fa. ESKA)
╇ 48
6â•›Monate
╇ 6
102
Bin et╯al. 2007
NexGen®LPS (Fa. Zimmer) NexGen®LPS flex (Fa. Zimmer)
╇↜90 ╇ 90
12â•›Monate 12â•›Monate
12 12
123,6 129,4
Kim et╯al. 2004
Condylar®TC3 (Fa. DePuy, 16), Condylar® Sigma® (Fa. DePuy, 395), Scorpio® (Fa. Stryker, 253), Legacy® (Fa. Zimmer, 35), Condylar® Substituting (Fa. DePuy, 288)
987
2–5,8â•›Jahre
34
111,5
Kim et╯al. 2005
NexGen®LPS (Fa. Zimmer) NexGen®LPS flex (Fa. Zimmer)
╇╛50 ╇╛50
12â•›Monate 12â•›Monate
12 12
136 139
Miner et╯al. 2003
Kinemax® (Fa. Stryker)
â•›684
12â•›Monate
12
110
╇╛22 ╇╛22
79–107â•›Monate 79–107â•›Monate
98,6 96,2
105,8 106,5
30,68
117,08
Watanabe et╯al. 2005
®
Rotaglid (Fa. Corin) NexGen CR® (Fa. Zimmer)
Gesamt
beim Follow-up nach 12â•›Monaten. Dennoch bleibt ein Mindestmaß an Flexion Voraussetzung für ein gutes postoperatives Ergebnis in funktionellen, physischen und psychischen Aspekten der klinischen Verlaufsbeobachtung. Patienten mit einem Bewegungsumfang von kleiner als 95° Flexion wiesen einen signifikant schlechteren WOMAC-Arthroseindex auf (Miner et╯al. 2003). Bei Beachtung des o.â•›g. Zusammenhangs zwischen ROM und klinischem Outcome bleibt der Nutzen sog. „High-Flex“-Knieendoprothesen zu diskutieren. In 2 unterschiedlichen klinischen Verlaufsbeobachtungen wurde die NexGen®-LPS-Knieendoprothese als Standardform und als „High-Flex“-Variante evaluiert. „High-Flex“-Knie bezeichnet die Möglichkeit einer Flexionsbewegung von über 120° infolge eines speziellen Prothesendesigns. Beide Studien konnten bei insgesamt sehr guten Ergebnissen (92–93 Punkte) keine signifikanten Unterschiede des HSS-Scores nach einem einjährigen Follow-up finden. Dennoch wiesen Patienten in der „High-Flex“-Gruppe eine signifikant höhere Flexion (129,8â•›±â•›5,2 vs. 124,3â•›±â•›9,2) auf (Bin u. Nam 2007; Kim et╯al. 2005). Die klinische Relevanz und der Einfluss der erhöhten posterioren Translation bei „High-Flex“-Knieendoprothesen auf die Standzeit muss noch verifiziert werden.
2.330
Ähnlich verhalten sich Ergebnisse zwischen „Mobile-bearing-“ and „Fixed-bearing“-Knieendoprothesen. In einem intraindividuellen Vergleich im Rahmen von bilateralen Knieendoprothesenimplantation bei 22 Patienten lag die Flexion in beiden Gruppen bei 106,9°, wobei signifikante Unterschiede im Knee Society Score nach einem Follow-up zwischen 79 und 107â•›Monaten nicht nachgewiesen werden konnten (Watanabe et╯al. 2005), analog zu anderen Studien (Price et╯al. 2003). Es gibt Hinweise auf ein geringfügig vermehrtes Auftreten von subjektiven Aspekten, wie z.â•›B. Klicken oder Fremdheitsgefühl bei Knieendoprothesen mit „Moblile-bearing“-Plateaus. Als Vorteil muss die Möglichkeit des Ausgleichs von kleinen Rotationsfehlern bei der Implantation Berücksichtigung finden (Watanabe et╯al. 2005). Ursachen für eine verminderte postoperative Beweglichkeit stellen neben „Low-grade“-Infekten, Implantatunverträglichkeiten, Fehlpositionierungen und Arthrofibrosen dar. Die Arthrofibrose stellt eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung mit definiertem Streck- und Beugedefizit dar (Gollwitzer et╯al. 2006; Kim et╯al. 2004). Kim et╯al. (2004) konnten bei 1.000 Knieendoprothesen von 5 verschiedenen Herstellern 13 Arthrofibrosen (Prävalenz 1,3â•›%) identifizieren. Im Patientenkollektiv ohne Arthrofibrosen lag
6â•… Biomechanik des endoprothetisch versorgten Kniegelenks
die ROM für Extension sowie Flexion im Mittel bei 0,2° bzw. 111,7° und in der Arthrofibrosengruppe bei 16,9° bzw. 76,5°. Insgesamt hat die Knieendoprothetik heutzutage ein hohes Maß an Sicherheit erlangt. Nicht zuletzt aufgrund der verbesserten klinischen Ergebnisse sind die Implantationszahlen weiter steigend. Ein gutes postoperatives Ergebnis ist abhängig von einer Vielzahl von Faktoren, insbesondere von der Schaffung einer adäquaten Gelenkbiomechanik beim endoprothetischem Ersatz. Dies zu realisieren bzw. zu optimieren, bleibt eine Herausforderung für den behandelnden Arzt. Bei der Vielzahl von Innovationen im Implantatdesign, Implantatmaterial und Operationstechnik müssen die guten frühfunktionellen Ergebnisse vor allem auch in Langzeituntersuchungen bestätigt werden.
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7
Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese A. M. Halder und S. Köhler
Die präoperative Vorbereitung beginnt mit der Indikationsstellung und beinhaltet alle Maßnahmen, die für die Implantation einer Knieendoprothese notwendig sind. Dazu gehören eine umfassende Anamnese, die körperlichen und apparativen Untersuchungen mit der Beurteilung der Operationsrisiken, ein ausführliches Aufklärungsgespräch und die Planung der Operation selbst.
7.1 Indikation Die Indikation zur Implantation einer Knieendoprothese ist die primäre oder sekundäre Gonarthrose mit daraus resultierenden starken Schmerzen, Bewegungseinschränkung, Instabilität und radiologisch nachweisbaren Gelenkveränderungen (Munzinger et╯al. 2004). Je nach Ausmaß der arthrotischen Schädigung steht der Operateur vor der Aufgabe, das richtige Implantat für den Patienten zu finden. Die Implantation einer unikondylären Prothese ist indiziert, wenn es sich lediglich um eine unikompartimentale Gelenkdestruktion handelt, mit einem stabilen Kapselbandapparat, intakten Kreuzbändern und einem Bewegungsausmaß von mindestens 90°. Der Patient sollte keine manifeste Retropatellararthrose haben und nicht stark übergewichtig sein. 10â•›% der an Arthrose erkrankten Patienten leiden an einer isolierten Retropatellararthrose. Konservative Therapien bringen diesen Patienten häufig wenig Besserung. Während in früheren Jahren die Patellektomie die Therapie der Wahl war, hat man heute die Möglichkeit, isoliert das patellofemorale Gelenk zu ersetzen.
Die Indikation für einen ungekoppelten Oberflächenersatz liegt vor bei arthrotischen Veränderungen in allen drei Gelenkkompartimenten, bei stabilen Seitenbändern, einer Achsfehlstellung unter 20° und guter Knochensubstanz. Bei ausgeprägter ligamentärer Insuffizienz, Achsfehlstellungen von über 25° und erheblichen knöchernen Substanzdefekten sollte eine achsgekoppelte Knieendoprothese implantiert werden. Die Funktion und Standzeit der Endoprothesen sind, trotz vieler Innovationen in den letzten Jahren, immer noch begrenzt. Daher sollte ein Patient, der sich zur Implantation einer Knieendoprothese entschließt, einen hohen Leidensdruck haben, verbunden mit Schmerzen unter Belastung und in Ruhe, Funktionseinschränkungen und entsprechenden radiologischen Veränderungen. Eine Gonalgie allein stellt keine Indikation zur Operation dar. Sie bedarf weiterer Abklärung und sollte mit konservativen Therapiemaßnahmen oder Gelenk erhaltenden Operationen behandelt werden. Die individuellen Ansprüche des Patienten an die Mobilität und sportliche Aktivität sollten präoperativ im Rahmen der Anamnese eruiert werden. Es ist wichtig, dass der Patient realistische Erwartungen in Bezug auf das Operationsergebnis hat. Eine noch so gut geplante und korrekt durchgeführte Operation kann trotzdem zu einem unzufriedenen Patienten führen, wenn der Patient schlecht über das zu erwartende funktionelle Ergebnis aufgeklärt wurde oder noch nicht unter einem hohen persönlichen Leidensdruck in Folge der Schmerzen und Funktionseinschränkungen stand. Neben der Auswahl des Implantates sind eine gute Planung der Operation und eine exakte Durchführung
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_7, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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für ein gutes Operationsergebnis unerlässlich. Eine schlecht geplante und durchgeführte Operation führt zu einem unzufriedenen Patienten, der sich schnell in einem Teufelkreis von Revisionsoperationen befindet. Der Patient sollte daher über seine individuellen Erfolgsaussichten aufgeklärt sein, alle konservativen und Gelenk erhaltenden operativen Therapiemöglichkeiten sollten ausgeschöpft und zu hohe Erwartungen an ein Kunstgelenk müssen relativiert sein. Alternative chirurgische Möglichkeiten wie die Arthroskopie, Knorpel- und Knorpel-Knochen-Transplantation und die Umstellungsosteotomie sollten dem Patienten erläutert werden. Auch über die Möglichkeit der Arthrodese sollte der Patienten aufgeklärt sein. Primär ist die Arthrodese selten indiziert. Sie bleibt jedoch eine Therapieoption bei schweren, etwa septischen Komplikationen nach Knieendoprothese. Die meisten orthopädischen Operationen, so auch die endoprothetische Versorgung des Kniegelenks, sind elektive Eingriffe und daher planbar. Die Wartezeit auf einen Elektiveingriff sollte genutzt werden zur Klärung und Einschätzung des Operationsrisikos und der kardiopulmonalen Belastbarkeit des Patienten. Eine medikamentöse Einstellung kann in dieser Zeit optimiert werden. Bei Adipositas ist dem Patienten eine Gewichtsreduktion zu empfehlen. Falls es aussichtsreich erscheint, kann dem Patienten auch eine präoperative Konditionierung des Kniegelenks zur Verbesserung der Beweglichkeit und Muskelkraft angeraten werden. Patienten mit Herzerkrankungen bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Ein Elektiveingriff nach akutem Myokardinfarkt oder bei dekompensierter Herzinsuffizienz ist kontraindiziert. Alle Arrhythmien, vor allem eine ventrikuläre Extrasystolie, müssen vorher therapiert werden. Elektiveingriffe bei Herzvitien müssen unter antibiotischer Endokarditisprophylaxe erfolgen. Bei künstlichem Herzklappenersatz sind zusätzlich die Antikoagulanzien präoperativ abzusetzen und der Patient muss überlappend heparinisiert werden. Bei Hypertoniepatienten sind die Blutdruckwerte zu optimieren und Patienten mit koronarer Herzkrankheit sollten ebenfalls medikamentös gut eingestellt sowie anfallsfrei sein. Eine koronare Herzkrankheit erhöht das Risiko für einen perioperativen Herzinfarkt auf das 10-fache.
A. M. Halder und S. Köhler
Aber auch andere Grunderkrankungen erhöhen das Operationsrisiko. Bei COPD besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Pneumonie. Diabetes mellitus führt häufig zu Wundheilungsstörungen. Narkose und Operation können bei Diabetikern zu gefährlicher Hypovolämie führen. Biguanide und α1Glucosidasehemmer sollten wegen einer Laktatazidosegefahr zwei Tage präoperativ abgesetzt werden. Bei einer terminalen Niereninsuffizienz ist die letzte Dialyse 12–24â•›h präoperativ durchzuführen. Bei entsprechender Ausstattung der Klinik kann die Wartezeit darüber hinaus für eine Eigenblutspende genutzt werden. Eine Eigenblutspende sollte bei einem zu erwartenden Blutverlust von mehr als 10â•›% oder einem Bedarf von mehr als zwei Blutkonserven erfolgen. Das Risiko von Infektion nach homologer Bluttransfusion ist trotz standardisierter Untersuchungen der Blutkonserven hoch. Das Risiko einer HIV-Infektion ist mit 1:500.000 gering. Das Risiko einer Posttranfusionshepatitis liegt mit ca. 1â•›% pro Transfusion sehr hoch. Jährlich erkranken 25.000–30.000 Patienten in Deutschland an einer Posttranfusionshepatitis, bei der es sich meistens um eine Hepatitis C handelt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Grunderkrankungen, die mit einem hohen Narkoserisiko einhergehen, ein akuter Infekt des Kniegelenks, eine Osteomyelitis der Extremität und infizierte Hautulzerationen absolute Kontraindikationen für eine endoprothetische Versorgung des Kniegelenks darstellen. Eine relative Kontraindikation für die Implantation einer Knieendoprothese ist eine ausgeheilte Infektion des Kniegelenks, sehr hohes Übergewicht, ein niedriges Alter des Patienten und Kniegelenk belastende berufliche Tätigkeiten. Ausgedehnte Weichteildefekte, eine fortgeschrittene Osteoporose und arterielle Durchblutungsstörungen sind ebenfalls relative Kontraindikationen, bei denen Nutzen und Risiko für den Patienten sorgfältig abzuwägen sind.
7.2 Untersuchungen 7.2.1 Anamnese Die Anamnese dient der Feststellung aller präoperativen Risiken und der Erfassung der individuellen
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
Erwartungshaltung des Patienten an diese Operation. Das anamnestische Gespräch bietet Raum, um die Compliance des Patienten, seinen Leidensdruck und seine Ansprüche an eine Endoprothese zu erkennen. Sie ist ein wichtiges Element, um Ängste abzubauen und eine enge und vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung aufzubauen, die auch über den Erfolg der Operation entscheidet. Um die Anamnese zu standardisieren, ist es sinnvoll, sie anhand von vorgefertigten Bögen vorzunehmen. Die Anamnese beginnt mit der Geburt, der postnatalen Phase und der weiteren Entwicklung. Es folgt die Aufstellung über alle Erkrankungen, Unfälle und Operationen. Aktuelle Medikamente sollten dokumentiert, nach Nikotin-, Alkohol- und Drogenkonsum gefragt werden. Allergien nehmen an Bedeutung zu. Ergibt sich in der Anamnese der Verdacht auf eine Metallallergie, sollte die Zeit vor der Operation zur weiteren Abklärung genutzt werden. Bestätigt sich eine Metallallergie, ist eine speziell beschichtete Endoprothese zu bestellen. Es folgt die spezielle Anamnese mit Fragen nach der Schmerzlokalisation, der Ausstrahlung, zeitlichem Auftreten, einem ursächlichen Zusammenhang, etwa mit einem Unfall, nach Belastungs- und
Abb. 7.1. a Valgusdeformität, b Varusdeformität
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Ruheschmerz, nach der Schmerzintensität und den damit verbundenen Einschränkungen der körperlichen Aktivität. Es sollte auch erfragt werden, ob und in welcher Art Vorbehandlungen stattgefunden haben. Bei Voroperationen am Kniegelenk sind vorhandene Narben in die präoperative Planung mit einzubeziehen. Darüber hinaus spielen berufliche Belastung, Hobbys und sportliche Ansprüche eine wichtige Rolle. Mit der Frage nach den familiären Verhältnissen kann auch die häusliche Versorgung des Patienten nach einer solchen Operation im Rahmen der Anamnese abgeklärt und die Zeit des stationären Aufenthaltes genutzt werden, um ggf. eine Hauskrankenpflege zu organisieren.
7.2.2 Klinische Untersuchung Jede klinische Untersuchung beginnt mit der Inspektion, sie gibt erste Hinweise auf das Ausmaß und die Art der Erkrankung. Die Inspektion sollte am stehenden Patienten durchgeführt werden. Es erfolgt die Beurteilung der Beinachse: Liegt eine varische oder valgische Fehlstellung vor (Abb.â•›7.1), hat
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der Patient ein Genu recurvatum oder flexum (Jackson u. Mannarino 1984)? Die Atrophie des M. quadriceps femoris sowie eine Schwellung des Kniegelenks können inspektorisch erfasst werden. Wichtig ist auch die Inspektion der Haut. Jede Hauterkrankung, vor allem aber die Psoriasis, geht mit einem deutlich erhöhten postoperativen Infektionsrisiko einher. Die Berücksichtigung von Narben spielt für die Operationsplanung eine große Rolle, um Wundheilungsstörungen oder Hautnekrosen zu vermeiden. Danach folgt die Palpation. Sie erlaubt gezielt, erkrankte Gelenkstrukturen zu lokalisieren. Die Palpation erfolgt am liegenden Patienten. Hauttemperatur und Muskeltonus sollten erfasst werden. Weichteilschwellung oder Kniegelenkserguss können palpatorisch unterschieden werden. Bei einem Kniegelenkserguss zeigt sich unter Ausstreichen des oberen Recessus unter leichtem Druck von ventral eine tanzende Patella. Die Kniekehle ist zu palpieren, um eine Poplitealzyste zu erkennen. Schmerzlokalisationen, wie z.â•›B. der druckschmerzhafte innere Gelenkspalt bei der Varusgonarthrose, können erkannt werden. Aber auch die Gelenkkapsel, der Pes anserinus oder das Fibulaköpfchen können im Rahmen der Gonarthrose druckschmerzhaft sein. An der Patella ist auf einen Facettendruckschmerz zu achten. Zur Palpation gehört auch die Untersuchung des Gefäßstatus. Die Pulse der A. femoralis, A. poplitea, A. tibialis dorsalis und der A. dorsalis pedis sollten überprüft und dokumentiert werden. Auch eine orientierende neurologische Untersuchung ist erforderlich. Die Sensibilität und die Muskeleigenreflexe der unteren Extremität, d.â•›h. der Patellasehnenreflex, der Tibialis-posterior-Reflex und der Achillessehnenreflex, sind zu untersuchen, um etwa postoperativ auftretende Störungen einordnen zu können. Nach der Palpation folgen die Funktionstests. Es sollte stets eine orientierende Untersuchung der Wirbelsäule und des Hüftgelenks erfolgen. Es ist nicht selten, dass ein Schmerz im Kniegelenk durch eine Coxarthrose oder degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule ausgelöst wird (Abb.â•›7.2). Das Bewegungsausmaß des Kniegelenks wird nach der Neutral-Null-Methode bestimmt und beträgt Extension/Flexion 10/0/140°. In 90° Beugung hat ein gesundes Kniegelenk eine Innenrotation von 10° und eine Außenrotation von 20°. In Streckung ist eine Ro-
A. M. Halder und S. Köhler Abb. 7.2.↜ Schmerzausstrahlung
tation nicht möglich (Abb.â•›7.3). Bei der orientierenden Bewegungsprüfung ist auf Krepitationen zu achten. Danach folgt die Überprüfung der Kniegelenksstabilität. Eine Instabilität wird in drei Grade unterteilt. Eine Aufklappbarkeit oder Schubladenbewegung von 5â•›m m entsprechen Grad 1, von 5–10â•›m m Grad 2 und über 10â•›m m Grad 3. Die Stabilität der Innen- und Außenbänder wird durch den Ab- und Adduktionstest in Kniestreckung und bei 30° Beugung erfasst (Müller 1983). Hierbei umfasst der Untersucher das Kniegelenk von beiden Seiten mit den Händen, der Unterschenkel des Patienten ist zwischen Unterarm und
Abb. 7.3.↜ Bewegungsausmaß des Kniegelenks nach der Neutral-Null-Methode
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
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Abb. 7.4.↜渀 Varus-ValgusStresstest
Taille des Untersuchers fixiert. Dann wird jeweils Valgus- und Varusstress auf das Kniegelenk ausgeübt und die Aufklappbarkeit am Kniegelenksspalt palpiert (Abb.â•›7.4). Für die Versorgung des Kniegelenks mit einem Oberflächenersatz müssen die Seitenbänder intakt sein. Die Kreuzbänder können überprüft werden mit dem Lachmann-Test. Dabei ist das Knie des Patienten in 30° Beugung, die eine Hand des Untersuchers umfasst die Femurkondylen und Patella, die andere Hand zieht die Tibia nach vorne. Weiterhin können das vordere und hintere Kreuzband durch den Schubladentest untersucht werden. Hier liegt der Patient auf dem Rücken, das Hüft- und Kniegelenk sind gebeugt. Der Untersucher setzt sich zur Fixierung des Unterschenkels in Neutralstellung auf den Fuß des Patienten und umgreift den Tibiakopf mit beiden Händen. Zur Überprüfung des vorderen Kreuzbandes zieht er die Tibia in 30° Flexion nach ventral und zur Überprüfung des hinteren Kreuzbandes schiebt er sie in 90° Flexion nach dorsal (Abb.â•›7.5). Das ganze wird in 15° Außenrotation zur Kontrolle der anterior-medialen bzw. der posterior-medialen Stabilität und in 30° Innenrotation zur Kontrolle der anterior-lateralen bzw. der posteriorlateralen Stabilität wiederholt. Eine weitere Möglichkeit zur Untersuchung des vorderen Kreuzbandes ist der Pivot-Shift-Test. Der Patient ist ebenfalls in Rückenlage. Der Untersucher
fixiert mit der einen Hand den distalen Oberschenkel, mit der anderen Hand hält er den Unterschenkel in Innenrotation und Abduktion, übt also Valgusstress aus. Jetzt wird das Knie langsam gebeugt. Bei einem defekten vorderen Kreuzband subluxiert dabei die Tibia nach vorne. Die Meniskuszeichen sind bei einer manifesten Gonarthrose nur von untergeordneter Bedeutung, sollen aber der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Schmerzen im Bereich des Meniskus können ausgelöst werden bei maximaler Flexion und maximaler Extension. Es gibt eine Vielzahl von Tests zur Feststellung eines Meniskusschadens. Beispielhaft sei hier der Payr-Test dargestellt. Mit der einen Hand fixiert der Untersucher das Knie, mit der anderen das Sprunggelenk. Nun wird der Unterschenkel bei maximal ge-
Abb. 7.5.↜ Hinteres Schubladenzeichen
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A. M. Halder und S. Köhler
chen ist häufig falsch-positiv, jedoch ist ein negativer Befund ein sicheres Zeichen für eine intakte retropatellare Knorpeloberfläche. Ein Patellahoch- oder -tiefstand ist ebenso zu dokumentieren wie eine lateralisierte Patellaposition, die eine operative Rezentrierung erfordert. Es ist sinnvoll, die Untersuchungsverfahren zur standardisieren und die Daten anhand der üblichen Scores wie dem Insall-Score zu erfassen (Abb.â•›7.8 und 7.9). So können klinische Ergebnisse objektiviert, dokumentiert und verglichen werden.
7.2.3 Laboruntersuchung Abb. 7.6.↜ Payr-Test zur Feststellung eines Meniskusschadens
beugtem Knie außenrotiert und leichter Varusstress ausgeübt zur Überprüfung des medialen Meniskus und dann innenrotiert mit leichtem Valgusstress zur Überprüfung des lateralen Meniskus (Abb.â•›7.6). Es folgt die Untersuchung der Patella. Krepitation bei der Bewegung der Patella und in Flexions- und Extensionsbewegung des Kniegelenks oder bei manueller Verschiebung beim Grinding-Test (Abb.â•›7.7) deuten auf eine Retropatellararthrose hin. Zur weiteren Abklärung dient das Zohlen-Zeichen. Hier drückt der Untersucher die Patella vom oberen Pol aus leicht nach distal und lässt den Patienten den M. quadriceps femoris anspannen. Das Zohlen-Zei-
Abb. 7.7.↜ Untersuchung der Patella: Grinding-Test
Die Untersuchungsbefunde sollten keinesfalls älter als 2 Wochen sein. Standardmäßig erfolgt präoperativ die Blutgruppenbestimmung. Die Anzahl der bereitzustellenden Blutkonserven richtet sich nach der Art der geplanten Operation. Bei einer Knieendoprothesenimplantation sind mindestens 2 Blutkonserven, Fremd- oder Eigenblut, bereitzustellen. Das Hämoglobin sollte bei geplanten operativen Eingriffen nicht unter 9â•›g/dl liegen, ggf. sollte der Patient bereits präoperativ transfundiert werden. Lediglich bei bekannter Niereninsuffizienz sind niedrigere Hämoglobinwerte zu tolerieren. Die Bestimmung der Elektrolyte Natrium, Kalium und Kalzium ist Standard. Besonders wichtig ist eine regelmäßige Elektrolytkontrolle bei Patienten mit Diuretika- und Digitalismedikation. Serumprotein sollte präoperativ bestimmt werden. Eine Hypalbuminämie kann zu einer maskierten Hypovolämie führen. Bei erhöhten Glukosewerten oder bekanntem Diabetes mellitus sollte zusätzlich ein Blutzuckertagesprofil angefertigt werden. Bei Schilddrüsenerkrankung in der Anamnese erfolgt die Bestimmung von T3, T4 und TSH. Zur Einschätzung des Narkoserisikos gehört auch die Kontrolle der Nieren- und Leberfunktion. Routinemäßig empfiehlt sich prä- und postoperativ die Bestimmung des Kreatinins, des Harnstoffs und der Transaminasen. In der Gerinnungsdiagnostik erfolgt standardmäßig die Messung des Quick, der PTT und der Thrombozytenzahl.
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
Abb. 7.8.↜ Untersuchungsbogen Knie
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Abb. 7.9. Insall-Score
A. M. Halder und S. Köhler
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
Antikoagulanzien, wie Cumarine, sollten zehn bis vierzehn Tage präoperativ abgesetzt werden. Überlappend sollte eine Antikoagulation mit Heparin erfolgen. Thrombozytenaggregationshemmer, wie Acetylsalizylsäure oder Clopidogrel, sollten sieben Tage präoperativ abgesetzt werden. Bei regelmäßiger Einnahme bestimmter Medikamente, wie Digitalis oder Antiepileptika, ist die präund vor allem auch postoperative Kontrolle der Medikamentenspiegel erforderlich. Bei Verdacht auf ein entzündliches Geschehen kann die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) bestimmt werden. Deutlich spezifischer ist jedoch die Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP). Bei erhöhten Entzündungswerten und bei jeder unklaren Schwellung des Kniegelenks sollte präoperativ unter sterilen Kautelen eine Punktion des Gelenks erfolgen. Zunächst wird das Punktat makroskopisch auf Trübung, Farbe und Konsistenz beurteilt. Ein blutiges Punktat deutet auf eine Verletzung des Kapsel-BandApparats hin. Ein blutiges Punktat mit Fettaugen lässt eine Knochenbeteiligung vermuten, ein seröses Punktat liegt bei Reizergüssen vor, eine trübe und dünnflüssige Konsistenz lässt auf eine rheumatische Grunderkrankung schließen, ein trüb gelbliches Punktat liegt bei Gelenkinfektionen vor und eine himbeerartige Färbung findet sich bei Luesarthropathie. Bei Verdacht auf Infektion geht ein Röhrchen mit steril entnommener Gelenkflüssigkeit zur bakteriologischen Untersuchung. Bestätigt sich der Verdacht auf eine Gelenkinfektion, ist die Implantation einer Endoprothese absolut kontraindiziert. Vor einer erneut geplanten Operation sollte der Infekt nach Resistogramm antibiotisch saniert werden. Ein intraoperativ entnommener Abstrich ist nur möglich, wenn die Antibiotikaprophylaxe erst nach dem Abstrich und nicht, wie üblich, kurz vor dem Hautschnitt gegeben wird. Bei Verdacht auf eine Erkrankung des rheumatischen Formenkreises wird ein heparinhaltiges Röhrchen zentrifugiert, um Zellen, Sediment und Kristalle zu untersuchen. Zusätzlich sollte bei einer Rheumadiagnostik eine Synoviabiopsie an drei verschiedenen Stellen erfolgen, um die Diagnose zu verifizieren. Laborchemisch kann zusätzlich die Bestimmung der Rheumafaktoren, der Harnsäure, antinukleärer Faktoren (ANF), der Komplementfaktoren, eine Immunelektrophorese und ggf.
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die Bestimmung der Histokompatibilitätsantigene, wie HLA B 27, erfolgen. Darüber hinaus sollte bei jedem Patienten präoperativ stets ein EKG angefertigt werden. Ein Röntgen des Thorax ist bei Patienten über 60â•›Jahren unerlässlich.
7.2.4 Apparative Untersuchung Präoperative Röntgenaufnahmen sind für die Planung der Operation unerlässlich. Die Knochenqualität, Varus- und Valgusfehlstellung, osteophytäre Anbauten, sklerotische oder zystische Veränderungen sowie Knochendefekte oder posttraumatische Veränderungen müssen bei der präoperativen Planung berücksichtigt werden. Die radiologische Untersuchung beginnt mit Kniegelenksaufnahmen im a.â•›p.- und seitlichen Strahlengang (Abb.â•›7.10; Greenspan 2003). Im a.â•›p.-Strahlengang sollte die Röntgenaufnahme im Einbeinstand angefertigt werden, um den Grad der Verschmälerung des medialen oder lateralen Gelenkkompartiments zu erkennen sowie das Ausmaß ossärer Defekte. Es sollte jeweils ein Drittel der Tibia und des Femurs mit abgebildet sein. Die seitliche Aufnahme kann in Extension oder in Flexion erfolgen. Hier variieren die Angaben zum Grad der Flexion in der Literatur zwischen 30° und 90°. Es ist wichtig, die Aufnahmen standardisiert zu erstellen. Das seitliche Röntgenbild ermöglicht die Beurteilung des posterioren Slope des Tibiaplateaus und die Höhe der Patella zur Gelenklinie. Mit Hilfe des Patellahöhenindex kann diese objektiviert werden. Er errechnet sich aus dem Verhältnis zwischen der Länge der Patella zur Länge der Patellasehne und sollte 1 betragen. Eine Patella alta liegt bei einem Patellahöhenindex <0,8 vor, eine Patella baja bei einem Patellahöhenindex >1,2. Die Patella alta beeinträchtigt die Patellaführung und Extensionsfähigkeit des Kniegelenkes, eine Patella baja die Flexion durch Impingement (Insall u. Salvati 1971). Zusätzlich kann die Form, Lage und Dicke der Patella beurteilt werden und Patellafehlbildungen, wie eine Patella partita, erkannt werden. Die Patellatangentialaufnahme in Flexion gibt Aufschluss über den Lauf und die Form der Patella
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A. M. Halder und S. Köhler
Abb. 7.10a, b. Kniegelenksaufnahmen im a.â•›p.- (a) und seitlichen Strahlengang (b)
(Abb.â•›7.11). Auch hier variiert der vorgegebene Flexionsgrad in der Literatur zwischen 30° und 60°. Patella-Defilé-Aufnahmen bei 30°, 60° und 90° Beugung sind zur Beurteilung einer Trochleadysplasie und des Patellalaufes geeignet. Defilé-Aufnahmen sind vor allem bei rezidivierender Patellaluxation indiziert. Eine lange Beinaufnahme im Stehen dient zur Beurteilung intra- und extraartikulärer Achsabweichungen (Abb.â•›7.12). Bei der Aufnahme muss der Femurkopf sowie das obere Sprunggelenk zu sehen sein, um die mechanische Beinachse bestimmen zu können. Bei adipösen Patienten ist die gleichzeitige
Abb. 7.11. Patellatangentialaufnahme in Flexion
Darstellung oft schwierig, da der Weichteilschatten den Femurkopf überdeckt. Auf jeder Röntgenaufnahme sollte ein rotationssymmetrischer Gegenstand bekannter Größe abgebildet zu sein, um den Vergrößerungsfaktor bestimmen zu können. Im Regelfall beträgt der Film-Fokus-Abstand 115â•›cm, womit die Abbildung im Maßstab 1:1,15 vergrößert ist. Im Falle digitaler Aufnahmen ist der Größenmaßstab zur Kalibrierung der Bilder besonders wichtig. Fallen bei der klinischen Untersuchung in Hüft- und Kniebeugung Rotationsfehler am Beinskelett auf, so sollte eine Computertomographie auf Höhe des Schenkelhalses, des Kniegelenks sowie des oberen Sprunggelenks angefertigt werden (Abb.â•›7.13). Damit können dann das Ausmaß und die Höhe von Rotationsfehlstellungen an Femur und Tibia bestimmt werden. Diese spielen etwa bei der Führung der Patella im Gleitlager eine wichtige Rolle. Weiterhin ist die Computertomographie bei Verdacht auf einen Tumor oder eine Fraktur indiziert. Ein MRT ist zur Beurteilung des Bandapparats, der Menisken und der umgebenden Muskulatur geeignet. Außerdem ist eine Diagnose des M. Ahlbäck oder einer Osteochondrosis dissecans sowie einer subchondralen Impression möglich.
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
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Zur frühzeitigen Diagnose eines M. Ahlbäck ist ebenfalls die Szintigraphie geeignet. Eingesetzt wird die Szintigraphie auch zur Erfassung von Osteomyelitis, bei Verdacht auf Stressfraktur und Tumor. Zur Abklärung einer Bursitis, einer Baker-Zyste, eines Gelenkergusses sowie zur Beurteilung der Quadrizeps- und Patellasehne eignet sich die Sonographie. Die Arthrographie des Kniegelenks ist heutzutage durch das MRT und die Arthroskopie, die gleichzeitig eine Behandlung ermöglicht, weitgehend abgelöst. Bei schwachen oder fehlenden Fußpulsen und einer anamnestisch angegebenen Claudicatio ist präoperativ eine arterielle Angiographie erforderlich.
7.3 Aufklärung
Abb. 7.12a, b. Beinaufnahme im Stehen: a Varusgonarthrose, b Valgusarthrose
Im Rahmen der Aufklärung sollte auf Ängste und Erwartungen des Patienten eingegangen werden. Die Aufklärung soll der Entscheidungsfindung helfen. Nur ein gut aufgeklärter, informierter und motivierter Patient kann an dem Erfolg der Operation und der postoperativen Nachbehandlung mitarbeiten. Eventuell auftretende Komplikationen können nur durch eine stabile und vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung bewältigt werden. Das Gespräch muss in für den Patienten verständlichen Worten erfolgen. Bei der Aufklärung ausländischer Patienten ist ein Übersetzer hinzuzuziehen.
Abb. 7.13. Rotationsfehlstellungen im CT
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Eine Behandlung ohne Aufklärung ist rechtswidrig, ein daraus eventuell entstehender Schaden ist vom Operateur zu tragen. Die Beweislast über eine erfolgte Aufklärung liegt beim Arzt (BGH, Urteil vom 28.02.1984). Eine Aufklärung sollte die Diagnose, Art, Umfang und Durchführung der geplanten Operation, die Erfolgsaussichten und Behandlungsalternativen mit jeweiligen Vor- und Nachteilen sowie allgemeine und spezielle Komplikationen beinhalten. Zu den allgemeinen Risiken gehören die Thrombose und Lungenembolie, Infektion, Gefäß- und Nervenverletzungen sowie bei Operationen an den Extremitäten der M. Sudeck, das Kompartmentsyndrom und die Fraktur. Zu den speziellen Risiken der Knieendoprothetik zählen die aseptische und septische Lockerung der Prothese, die Arthrofibrose und die Luxation. Formulare können ein Aufklärungsgespräch nicht ersetzen, sie dienen der Vorbereitung des Patienten auf das Gespräch und der Dokumentation der Aufklärung. Alle besprochenen möglichen Komplikationen und Behandlungsalternativen sollten zusätzlich handschriftlich dokumentiert werden. Das Formular ist mit Datum, Zeit und Dauer der Aufklärung und der Unterschrift des Patienten und des Arztes zu versehen. Die Aufklärung sollte mit einem ausreichend großen Abstand zur geplanten Operation erfolgen, spätestens am Vortag. Der Operateur muss die Aufklärung nicht selbst durchführen, er ist aber verpflichtet, sich zu vergewissern, dass sie in rechtem Umfang erfolgt ist (OLG Karlsruhe, Urteil 19.03.1997). Zur Stärkung des Vertrauensverhältnisses sollte der Operateur jedoch vor und nach dem Eingriff mit dem Patienten sprechen. Ist eine Komplikation aufgetreten, sollte sofort der Vorgesetzte und ggf. die Rechtsabteilung der Krankenhausverwaltung benachrichtigt werden. Es ist sinnvoll, ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen. Zusätzlich sollte der Patient vor der Operation Informationen erhalten, was für einen stationären Aufenthalt benötigt wird, wie Untersuchungsbefunde der behandelnden Ärzte, Medikamente für die ersten Tage, Einweisungsschein und ggf. eine Kostenübernahme, Utensilien für die Körperhygiene, Bademantel, Sportbekleidung, Badekleidung und festes Schuhwerk.
A. M. Halder und S. Köhler
7.4 Planung des operativen Eingriffs Die präoperative Planung dient dazu, den operativen Eingriff mit seinen instrumentellen und personellen Voraussetzungen exakt zu planen und ein realistisches Ziel festzulegen (In u. Schmalzried 2006). Bei der präoperativen Planung erarbeitet sich der Operateur einen Plan für das operative Vorgehen mit den dafür notwendigen Kennzahlen wie Resektionswinkel und -ausmaß, Prothesenart und -größe. Dementsprechend müssen Instrumenteur und Assistent informiert werden sowie Instrumente und Implantate erforderlichenfalls bestellt werden (Scuderi 2006). Dabei muss der erfahrene Operateur eine realistische Zielstellung verfolgen.
7.4.1 Grundlagen Wichtigste Grundlage für die präoperative Planung ist die korrekte Indikationsstellung. Für das Verfahren der Implantation einer Knieendoprothese muss die klinisch nachgewiesene Notwendigkeit bestehen und die Erwartungshaltung des Patienten mit dem realistisch erreichbaren klinischen Ergebnis übereinstimmen. Neben der Patientenselektion und der Aufklärung ist deshalb auch die Compliance des Patienten von entscheidender Bedeutung (Lucas 2007). Die Ergebnisse einer umfassenden klinischen Untersuchung sind für die präoperative Planung eminent wichtig. Dabei spielen das Ausmaß und die Ridigität einer Deformität, die Weichteildeckung, das Bewegungsausmaß und die Stabilität des Kniegelenks eine entscheidende Rolle. Jedoch auch der neurologische und vaskuläre Zustand des Beins haben wesentlichen Einfluss auf das operative Vorgehen. Des Weiteren fließen die Ergebnisse apparativer Untersuchungen in die präoperative Planung ein. Allen voran bilden die Ergebnisse der Röntgenuntersuchung des Kniegelenks Grundlage für die präoperative Planung. Erforderlichenfalls sind auch zusätzliche Untersuchungen mittels CT – etwa zur Bestimmung von Rotationsfehlern –, MRT – etwa zur Abgrenzung von Weichteiltumoren –, Szintigraphie – etwa zur Lokalisierung von Entzündungsherden – oder spezielle Laboruntersuchungen – etwa zum Ausschluss einer Infektion – notwendig.
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
Für die graphische Planung des operativen Eingriffs sind Planungsschablonen verfügbarer Prothesensysteme heranzuziehen. Diese liegen zumeist in analoger Form als Folien vor, zunehmend jedoch auch in digitaler Form zur Verwendung in digitalen Bildbearbeitungssystemen. Die Genauigkeit der Planung mit digitalen Systemen entspricht inzwischen der des analogen Verfahrens (The et╯al. 2005; Specht et╯al. 2007). Schließlich ist bei der präoperativen Planung die apparative, instrumentelle und personelle Ausstattung der Operationseinheit zu berücksichtigen. So beeinflusst das Vorhandensein eines Fluoroskops oder eines Navigationsgeräts die Planung ebenso wie das Vorhandensein von Knieprothesensystemen mit unterschiedlichem Kopplungsgrad. Schließlich ist die Kompetenz und Erfahrung des Operateurs und seines Teams bei der Planung zu berücksichtigen und für das Ergebnis von entscheidender Bedeutung.
7.4.2 Planungskomponenten Die Planung des Knocheneingriffs umfasst wesentlich die Korrektur der Beinachse in der Frontal- und Sagittalebene sowie die Bestimmung der korrekten Rotationsposition der Prothese. Die Standdauer der Knieendoprothese hängt im entscheidenden Maß von der achsgerechten Implantation ab. Des Weiteren muss die korrekte Gelenkspaltebene und damit Resektionsebene geplant werden, um eine optimale Funktion des Kniestreck- und Beugeapparats zu ermöglichen. Bei Vorliegen von Deformitäten muss zur Implantation das geeignete Ausrichtverfahren gewählt und ggf. eine Osteotomie geplant werden. Das Füllen größerer knöcherner Defekte muss geplant werden, um entsprechende Transplantate oder Augmentate zur Verfügung zu haben und so die Gelenkebene wiederherstellen zu können. Schließlich spielt das präoperative Erkennen der Knochenqualität für die Wahl des Verankerungsverfahrens und der Verankerungselemente eine wichtige Rolle. Die Auswahl des geeigneten Prothesensystems, der korrekten Größen und aller notwendigen Komponenten ist für den Erfolg der Implantation einer Knieendoprothese von elementarer Bedeutung. Bei der Planung des Weichteileingriffs ist zunächst der Zugangsweg sorgfältig zu planen, um einerseits alle Bereiche des Kniegelenks zu erreichen, die chirurgisch angegangen werden müssen, und anderseits
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eine ungestörte Wundheilung zu ermöglichen. Die weichteilige Korrektur einer Deformität etwa durch stufenweise Releases muss ebenso geplant werden wie die ligamentäre Stabilisierung des Kniegelenks. Schließlich muss bei Vorliegen von Kontrakturen die Wiederherstellung eines auskömmlichen Bewegungsumfanges geplant werden.
7.4.3 Planung des Knocheneingriffs 7.4.3.1 Korrektur der Beinachse Die Wiederherstellung der korrekten Beinachse hat entscheidenden Einfluss auf die Standzeit der Prothese und die Stabilität des Kniegelenks. Das Knie ist physiologisch auf der mechanischen Beinachse zentriert, wobei die Gelenklinie nahezu rechtwinklig dazu in 2–3° Varusstellung verläuft. Das Tibiaplateau weist einen posterioren Slope von 5–10° auf, wodurch es bei Belastung in leichter Flexion nahezu planparallel zum Boden ist. Die mechanische Beinachse (Mikulicz-Linie) verläuft von der Hüftkopfmitte zur Mitte des oberen Sprunggelenks. Während die anatomische Tibiaachse identisch mit der mechanischen Beinachse ist, weicht die anatomische Femurachse in einem Valguswinkel von 5–9° von der mechanischen Beinachse ab. Dabei hängt der resultierende tibiofemorale Winkel von der Geometrie des Femurs ab, wobei die Länge des Oberschenkelschaftes und -halses sowie deren Winkel zueinander und der Grad der Anteversion des Oberschenkelhalses einen Einfluss haben. Die Kniebasislinie ist die Tangente an den distalen Femurkondylen und bildet femoralseitig einen Außenwinkel von 87° bzw. tibialseitig einen Außenwinkel von 93° mit der mechanischen Beinachse. In der Sagittalebene ist das Knie auf der mechanischen Beinachse zentriert und die Tangente am Tibiaplateau weist einen posterioren Slope von 5–10° auf (Abb.â•›7.14). Eine Beindeformität liegt dann vor, wenn mechanische Beinachse und anatomische Tibiaachse nicht aufeinander liegen. Das Ausmaß der Abweichung der anatomischen Tibiaachse von der mechanischen Beinachse gibt den Grad der Deformität an (Abb.â•›7.15). Ziel der Implantation der Knieendoprothese ist es, das Kniegelenk wieder auf der mechanischen Beinachse
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A. M. Halder und S. Köhler
Abb. 7.14. Mechanischanatomische Achsen
zu zentrieren und die Orientierung der Gelenkebene relativ zum Boden wiederherzustellen. Die Ausrichtung der Knieendoprothese hängt dabei vom verwendeten Prothesentyp ab, wobei man das klassische Alignment vom anatomischen Alignment unterscheidet (Abb.â•›7.16). Beim klassischen Alignment für Knieendoprothesen mit symmetrischer Femurkomponente wird die Gelenklinie rechtwinklig zur anatomischen Tibiaachse hergestellt. Dabei erfolgt die proximale Tibiaresektion rechtwinklig zur anatomischen Tibiaachse und die distale Femurresektion rechtwinklig zur mechanischen Beinachse, d.â•›h. in einem Winkel von 5–9° zur anatomischen Femurachse. Die transepikondyläre Linie liegt dabei parallel zur Tibiaresektion. Der posteriore Kondylenwinkel gebildet aus der Kniebasislinie in Flexion und der transepikondylären Linie hat physiologisch 3–5° Innenrotation. Insofern weist die Femurkomponente beim klassischen Alignment eine relative Außenrotation in Flexion von 3–5° auf, um eine zentrierte Patellaführung wiederherzustellen. Beim anatomischen Alignment für Knieendoprothesen mit asymmetrischer Femurkomponente wird
die anatomische Gelenklinie in 2–3° Varuswinkel relativ zur mechanischen Beinachse wiederhergestellt. Dabei erfolgt die proximale Tibiaresektion in 2–3° Varuswinkel und die distale Femurresektion in 7–11° Valguswinkel relativ zur anatomischen Femurachse. Bei hochgradigen Varus- oder Valgusfehlstellungen kann eine geringgradige Unterkorrektur operationstechnisch und klinisch vorteilhaft sein. Die Rotation der Femurkomponente in Flexion wird durch die Lage der transepikondylären Linie und letztlich durch die mediolaterale Bandspannung bestimmt, die für einen symmetrischen Flexionsspalt ausgeglichen sein muss (Abb.â•›7.17). Die Rotation der Tibiakomponente wird durch die Geometrie der Gelenkfläche bestimmt. Relativ zu den posterioren Tibiakondylen weist das Tibiaplateau eine Innenrotation auf. Intraoperativ wird die Rotation der Tibiakomponente entweder am medialen Drittel der Tuberositas tibiae ausgerichtet oder durch Flexion und Extension mit eingesetzter unfixierter Tibiaprobekomponente eingestellt. Die Flexionsstellung der Femurkomponete kann in der seitlichen Röntgenaufnahme bestimmt werden.
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
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intramedulläre Zielung eine verlässliche Orientierung zur Ausrichtung der femoralen Prothesenkomponente. Deshalb ist es wichtig, bei der präoperativen Planung die Femurdiaphyse zu beurteilen, da es im Falle eines femoralen Achsfehlers oder eines weiten Markraums zur Fehllage der Prothese kommen kann. Entsprechendes gilt für die Ausrichtung der Tibiakomponente mittels intramedullärer Zielung. Während in diesen Fällen tibial die extramedulläre Zielung eingesetzt werden kann, kommt femoral entweder ein kurzer intramedullärer Ausrichtstab und ein geplant abweichender Resektionswinkel (Abb.â•›7.18) oder die navigierte Implantation zur Anwendung. Bei der CT-freien Navigation wird das Zentrum des Hüftkopfs kinematisch berechnet und mit dem Zentrum des Kniegelenks die mechanische Femurachse gebildet, an der die Femurkomponente ausgerichtet wird (Clemens u. Miehlke 2005). 7.4.3.3 Osteotomien
Abb. 7.15a, b.↜ Varusgonarthrose: a Planung 1, b Planung 2
Aufgrund der Antekurvation des Femurs resultiert im Regelfall eine Flexionsstellung von 2–5°. Die Tibiakomponente wird entsprechend den physiologischen Verhältnissen in einem posterioren Slope von 5–7° implantiert, um eine gleichmäßige Weite von Streck- und Beugespalt herzustellen. Bei einem zu geringen Slope ist der Beugespalt zu eng und damit die Flexion eingeschränkt. Bei einem zu großen Slope ist der Beugespalt zu weit und damit das Knie in Beugung instabil. 7.4.3.2 Wahl des Ausrichtverfahrens Bei den meisten Knieendoprothesensystemen erfolgt die Ausrichtung der Femurkomponente mittels intramedullärer Zielung und die Ausrichtung der Tibiakomponente mittels extramedullärer Zielung. Insbesondere bei adipösen Patienten bietet nur die
Extraartikuläre Achsabweichungen können dia- oder metaphysär lokalisiert sein. Während geringgradige metaphysäre Abweichungen durch eine geeignete Wahl der Resektionsebenen ausgeglichen werden können, müssen diaphysäre Achsabweichungen durch eine zusätzliche Osteotomie ein- oder zweizeitig korrigiert werden (Abb.â•›7.19; Papagelopoulos et╯al. 2007). Bei einzeitigem Vorgehen können zementfreie Stiele an den Prothesenkomponenten wie Marknägel eingesetzt werden und zu einer primär stabilen Versorgung führen. Zementfreie Stiele können auch mit einer zementierten artikulierenden Komponente eingesetzt werden. 7.4.3.4 Wahl der Resektionsebenen Die Höhe des Gelenkspalts der Knieendoprothese sollte der anatomischen Gelenkspalthöhe entsprechen, um den Hebelarm für die Streck- und Beugemuskulatur wieder herzustellen und so eine optimale Funktion des Streck- und Beugeapparats zu gewährleisten. Das Ausmaß des resezierten Knochens sollte dabei am weniger degenerativ veränderten Gelenkanteil bestimmt werden und der minimalen Implantatdicke entsprechen. Im Falle eines tiefer gehenden tibialen
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Abb. 7.16. Klassische anatomische Ausrichtung der Knieendoprothese
Knochendefekts sollte zur Rekonstruktion der anatomischen Gelenkspalthöhe der Knochenaufbau mittels autogenem oder allogenem Knochen oder Augmentat erfolgen, wobei die Tibiakomponente dann mit einem Stiel sicher im Wirtsknochen verankert werden kann.
Der Wahl einer distaleren Resektionsebene mit Ausgleich durch ein dickeres Polyethylen-Onlay sind enge Grenzen gesetzt, da das Tibiaplateau distal kleiner wird und eine kleine Tibiakomponente nur begrenzt mit einer größeren Femurkomponente kombiniert werden kann. Defekte an den Femurkondylen müssen ebenfalls ausgeglichen werden, um die anatomische Gelenkspalthöhe wiederherzustellen. Eine Proximalisierung des Gelenkspalts verkürzt nicht nur den Hebelarm der Streckmuskulatur, sondern führt auch zu einem Tiefstand der Patella, wodurch es zum Kontakt der Patella mit dem Polyethylen-Onlay kommen kann. Zudem führt eine Proximalisierung der Femurkomponente zu einer Erweiterung des Streckspalts. Streckund Beugespalt müssen jedoch für eine einwandfreie Funktion der Knieendoprothese gleich weit sein.
7.4.3.5 Größenbestimmung von Knochendefekten
Abb. 7.17. Außenrotation der Femurkomponente
Auf den a.â•›p.- und seitlichen Röntgenaufnahmen des Kniegelenks im Stehen lässt sich die Größe von Knochendefekten abschätzen (Abb.â•›7.20; Mulhall et╯al.
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese Abb. 7.18. Intramedulläre Zielung bei Achsfehlern
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tat oder einem Metallaugmentat aufgefüllt werden (Dennis 2007). Dabei sind sowohl keilförmige als auch stufenförmige Augmentate für den Tibiakopf verfügbar. Femurseitig sind der Innengeometrie der Femurkomponente angepasste Augmentate für den distalen oder dorsalen Femurkondylus in der Regel verfügbar. Bei Verwendung großer Knochentransplantate oder Augmentate empfiehlt sich die Stabilisierung der Tibia- oder Femurkomponente mit einem Stiel intramedullär im Wirtsknochen. Sind die Knochendefekte so ausgedehnt, dass sie die ligamentären Insertionen betreffen, so fällt dies klinisch in der Regel durch die Instabilität des Kniegelenks auf, kann aber auch durch die Rigidität der Deformität verschleiert werden. In diesen Fällen ist eine Knieendoprothese mit einem hohen Kopplungsgrad zur Stabilisierung des Kniegelenks bereit zu halten. 7.4.3.6 Patella und Tuberositas tibiae
2006). Sie treten zumeist am mechanisch schwächeren Knochen des Tibiaplateaus, aber auch an den Femurkondylen auf der konvexen Seite einer Varus- oder Valgusdeformität auf. Sie sind häufig von einer Zone sklerosierten Knochens abgegrenzt. Bei der Planung der Resektionsebenen muss das Anfrischen des sklerosierten Knochens und damit der zusätzliche Knochenverlust vor Auffüllen des Defekts berücksichtigt werden. Kleine Defekte können im Regelfall durch eine geschickte Wahl der Resektionsebene und mit Knochenzement ausgeglichen werden. Größere Defekte, die noch von einer intakten Kortikalis umgeben sind, können mit autologer Spongiosa, gewonnen aus der kontralateralen Knochenresektion, aufgefüllt werden. Große Defekte ohne umgebende kortikale Abstützung müssen nach sorgfältigem Anfrischen mit autologem oder allogenen Knochentransplan-
Auf der axialen Patellaaufnahme ist die Form, Lage und Dicke der Patella zu beurteilen. Die Patellaresektion ist so zu planen, dass eine gleichmäßige minimale Dicke von 10â•›m m verbleibt, um die Vitalität zu erhalten und eine ausreichende Verankerung für den Rückflächenersatz zu gewährleisten. Bei starker einseitiger Ausdünnung muss ggf. Knochen autolog ersetzt werden. Bei starker Lateralisierung der Patella muss intraoperativ nach Wiederherstellung der anatomischen Beinachse auf Rezentrierung der Patella geachtet werden. Erforderlichenfalls muss ein laterales Release oder eine Medialisierung der Tuberositas tibiae durchgeführt werden. Auch die Höhe des Patellastands hat wesentlichen Einfluss auf das Operationsergebnis. Während eine Patella alta zur Luxation neigt, kann es bei der Patella baja zum Kontakt mit dem Polyethylen-Onlay und zu eingeschränkter Beugung kommen. Der Stand der Patella muss erforderlichenfalls durch Versetzen der Tuberositas tibiae korrigiert werden. Deshalb ist es wichtig, auf den präoperativen Röntgenaufnahmen die Qualität und Position der Tuberositas tibiae zu beurteilen. Diese kann durch vorangegangene Osteotomien geschwächt sein und muss dann intraoperativ bei Eversion der Patella besonders vorsichtig behandelt oder temporär fixiert werden.
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Abb. 7.19. Extraartikuläre Deformität
7.4.3.7 Osteophyten
Abb. 7.20. a.â•›p.- und seitliche Röntgenaufnahmen des Kniegelenks bei Knochendefekten
Auf der a.â•›p.- und seitlichen Röntgenaufnahme sind die Osteophytenbildungen am Tibiaplateau und an den Femurkondylen besonders zu beachten. Die Osteophyten haben im Prozess der Arthroseentstehung die Fläche des Last tragenden Knochens vergrößert und die Kollateral- und Kreuzbänder relativ verkürzt, in dem sie ihren Weg verlängert haben. Insofern ist vor jedem Release eine sorgfältige Entfernung der Osteophyten notwendig, um die verfügbare Länge des Bands wieder freizugeben. Besonders im Falle der Kreuzbänder kommt es häufig zur Läsion oder Ruptur durch Osteophyten. Osteophyten bestehen aus minderwertigem Knochen und täuschen größere Gelenkflächen vor. Deshalb ist es wichtig, vor der Größenbestimmung der Prothesenkomponenten die
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
Osteophyten zu entfernen. Im Bereich der dorsalen Femurkondylen kann es durch Osteophyten zu einem Impingement des Tibia-Onlays kommen, wodurch die Flexion behindert wird und Schmerz ausgelöst werden kann. Deshalb sind sie in diesem Bereich besonders gründlich zu entfernen. Schließlich können Osteophyten einen chronischen Schmerzreiz insbesondere im Verlauf des medialen Kollateralbands auslösen.
7.4.3.8 Beurteilung der Knochenqualität Die Knochenqualität ist auf den präoperativen Röntgenaufnahmen nur grob einzuschätzen. Im Falle der Osteoporose sollte sowohl tibial als auch femoral eine zementierte Verankerung der Prothese erfolgen. Erforderlichenfalls sind gestielte Komponenten zu verwenden. Eine starke Sklerose ist schwer präzise zu osteotomieren und lässt keine Zementpenetration zu. Deshalb muss ein sklerotisches Areal gründlich angefrischt werden und erforderlichenfalls angebohrt werden. Der zusätzliche Knochenverlust ist bei der präoperativen Planung zu berücksichtigen.
Poliomyelitis ist die Auswahl des Prothesentyps sehr sorgfältig vorzunehmen und erforderlichenfalls eine höhergradige Koppelung zu bevorzugen. Vollständig ungekoppelte Prothesen (Abb.â•›7.21), die unter Erhaltung des hinteren Kreuzbandes implantiert werden, finden bei Kniegelenken mit intakten Kapselbandverhältnissen, bei leichten bis mittelschweren Deformitäten und weitgehend erhaltenem Bewegungsausmaß Verwendung. Posterior stabilisierte Prothesen (Abb.â•›7.22) – durch einen hohen Grad der Kongruenz der artikulierenden Gelenkflächen – werden nach notwendiger Resektion des hinteren Kreuzbandes implantiert und bei posterioren Instabilitäten, höhergradigen Deformitäten und Bewegungseinschränkungen eingesetzt. Interkondylär stabilisierte Prothesen (Abb.â•›7.23), die neben der posterioren Stabilisierung die Varus-
7.4.4 Planung des Prothesensystems 7.4.4.1 Wahl des Prothesentyps Bei der Auswahl des Prothesentyps ist grundsätzlich ein möglichst geringer Kopplungsgrad zu bevorzugen. Je höher der Kopplungsgrad einer Prothese, umso mehr Kräfte werden auf die Implantat-Knochen-Grenze übertragen, wodurch die Gefahr der Prothesenlockerung zunimmt. Bei hochgradigen Deformitäten und Bewegungseinschränkungen sind allerdings ausgedehnte Releases notwendig, so dass ein entsprechend höherer Grad der Kopplung notwendig wird. Im Falle von Knochendefekten, die die Insertionen der Kollateralbänder betreffen, muss ebenfalls ein höherer Kopplungsgrad gewählt werden. Alte Patienten, die häufig muskuläre, koordinative oder neurologische Defizite aufweisen, profitieren mehr von der Versorgung mit einer gekoppelten Knieendoprothese. Im Falle von Patienten mit Paresen nach Apoplex oder
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Abb. 7.21. Ungekoppelte kreuzbanderhaltende Prothese
Abb. 7.22. Posterior stabilisierte Prothese
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die sehr ausgedehnte Kapselbandreleases notwendig machen, sowie im Falle großer Knochendefekte, die eine ligamentäre Stabilisierung des Kniegelenks ausschließen. 7.4.4.2 Wahl der Prothesengröße
Abb. 7.23. Interkondylär stabilisierte Prothese
Valgus-Bewegung limitieren, werden bei leichten Varus-Valgus-Instabilitäten, höhergradigen Deformitäten und Bewegungseinschränkungen verwendet, für die ausgedehnte Kapselbandreleases notwendig sind. Vollständig gekoppelte Prothesen (Abb.â•›7.24), bei denen Femur- und Tibiakomponente durch einen Rotationsbolzen oder ein Scharnier verbunden sind, finden Anwendung bei hochgradigen Instabilitäten, hochgradigen Deformitäten und Bewegungseinschränkungen,
Abb. 7.24. a Gekoppelte rotierende Prothese, b Scharnierprothese
Bei der Bestimmung der geeigneten Prothesengröße kann man sich bei der Primärimplantation an den auf der Röntgenaufnahme dargestellten Knochendimensionen orientieren. Im Falle großer Knochendefekte, etwa bei Revisionen oder hochgradigen Deformitäten, ist dies nur begrenzt möglich, da in diesen Fällen die Höhe des Gelenkspalts erst intraoperativ rekonstruiert werden und eine geeignete Auflage für die Tibiakomponente geschaffen werden muss (Gustke 2005). Bei der Bestimmung der Prothesengröße wird zunächst die Tibiakomponente ausgemessen (Abb.â•›7.25). Da in den gängigen Prothesensystemen Tibia- und Femurkomponentengröße nur begrenzt miteinander kombinierbar sind, liegt die Auswahl der Tibiakomponentengröße und die Femurkomponentengröße in etwa fest. Die Tibiakomponente ist möglichst groß zu wählen, um eine Abstützung am kortikalen Knochen oder kortikalisnahen Spongiosaknochen zu erreichen.
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
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Abb. 7.25.↜ Ausmessung der Tibiakomponente: a.â•›p.- (a) und seitliche Röntgenaufnahme (b)
Abb. 7.26a, b. Bestimmung der Größe der Femurkomponente: a.â•›p.- (a) und seitliche Röntgenaufnahme (b)
Eine grobe Unterdimensionierung führt zu mangelhafter Abstützung am weichen zentralen Spongiosaknochen. Andererseits ist die Überdimensionierung zu vermeiden, um eine Irritation der peripheren Kapselbandstrukturen zu verhindern. Aufgrund der unmittelbaren Nähe des medialen Kollateralbandes zum medialen Tibiakopf wird eine Überdimensionierung medial deutlich schlechter toleriert als lateral. In jedem Falle ist eine Irritation der Patellarsehne oder des Tractus iliotibialis ventral zu vermeiden. Die Größe der Femurkomponente wird in erster Linie auf der seitlichen Röntgenaufnahme bestimmt, in dem die anteroposteriore Größe der Femurkondylen wiederhergestellt wird (Abb.â•›7.26). Insofern bestimmt die Größe der Femurkomponente die Weite des Beugespalts. Gelegentlich liegt die gewünschte Größe zwischen zwei verfügbaren Prothesengrößen. Entscheidet man sich für die kleinere Femurkomponentengröße, so ist mit einem entsprechend weiteren Beugespalt zu rechnen, ein Notching der ventralen Femurkortikalis ist unbedingt zu vermeiden. Entscheidet man sich für die größere Femurkomponentengröße, so ist mit einem engeren Beugespalt zu rechnen und erforderlichenfalls die Femurkomponente leicht zu ventralisieren. Ein seitliches Überhängen der Femurkomponente ist jedoch in jedem Falle zu vermeiden, da dies zu Irritationen des Kapselbandapparates, insbesondere des lateralen Retinakulums führen kann. Bei der Wahl des geeigneten Tibia-Onlays ist sowohl die Kombinierbarkeit mit der ausgewählten Fe-
murkomponente als auch die minimale und maximale verfügbare Dicke zu beachten. In jedem Falle muss die gewählte Tibia-Onlay-Dicke auf der Grundlage der zuvor bestimmten Resektionshöhe die anatomische Gelenkspalthöhe wiederherstellen.
7.4.4.3 Stiele und Augmentate Im Falle der Rekonstruktion größerer Knochendefekte lassen sich Tibia- und Femurkomponente mit Stielen zementfrei oder zementiert in der Diaphyse des Wirtsknochens sicher verankern. Während zementierte Stiele auch bei deformierten und geschädigten Diaphysen eingesetzt werden können, müssen zementfreie Stiele achsgerecht kortikal verankert werden. Die Abstützung mittels Stiel ist bei tibialen Knochendefekten wichtiger als bei femoralen, da tibial die Knochenqualität in der Regel schlechter und die Auflagefläche geringer ist als femoral. Zur Vermeidung des Kontakts eines Stiels mit der ventralen Tibiakortikalis sind Offset- oder gewinkelte Stiele verfügbar. Treten am Femur etwa im Revisionsfall dorsal oder distal größere Knochendefekte auf, so führt der femorale Stiel nicht nur zur sicheren intramedullären Implantatverankerung, sondern erleichtert auch die axiale Ausrichtung der Femurkomponente (Mahoney u. Kinsey 2006). Zur Indikation für den Einsatz von Komponentenstielen werden unterschiedliche Knochende-
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Abb. 7.27. Planung des Weichteileingriffes: Zugangswege
fektgrößen angegeben. Generell gilt jedoch, dass die Indikation zur Verwendung von Komponentenstielen bei kortikal nicht begrenzten Defekten großzügiger zu stellen ist als bei vorhandener kortikaler Abstützung. Im Falle notwendiger diaphysärer Korrekturosteotomien, die mit der Prothesenimplantation einzeitig durchgeführt werden, können lange Komponentenstiele wie Marknägel verwendet werden und gestatten dann eine postoperative Mobilisierung unter Belastung.
7.4.5 Planung des Weichteileingriffes 7.4.5.1 Zugangsweg Der geeignete Zugangsweg muss zum einen alle Strukturen des Kniegelenks zugänglich machen, die einer chirurgischen Therapie bedürfen. Zum anderen darf der gewählte Zugangsweg die Durchblutung der periartikulären Weichteile nicht gefährden, um eine ungestörte Wundheilung per primam zu ermöglichen (Abb.â•›7.27). Bei schlechten Durchblutungsverhältnissen am gesamten Bein ist erforderlichenfalls eine vorangehende gefäßchirurgische Versorgung zu planen. Häufig bestehen Narben früherer Traumata oder von Voroperationen. Da die Durchblutung der
präpatellaren Weichteile zum großen Teil von der medialen Seite aus von der Arterie genus superior medialis erfolgt, ist bei Verwendung alter Zugangswege stets der lateralste zu benutzen (Vince u. Abdeen 2006). Muss dann jedoch für die Anlage etwa des medialen parapatellaren Zugangsweges ein großer Hautlappen gebildet werden, so relativiert sich dieser Vorteil. Wählt man eine parallele Schnittführung zu einer alten Narbe, so sollte ein Mindestabstand von 3–4â•›cm gewahrt bleiben. Müssen alte Narben durch die neue Schnittführung gekreuzt werden, so sollte dies nicht spitzwinklig unter 60° geschehen, sondern am besten rechtwinklig. Besteht eine schlechte Weichteildeckung mit einer adhärenten Narbenplatte, so ist eine großflächige Ablösung unbedingt zu vermeiden und falls unumgänglich bereits die plastische Deckung mittels myokutaner Lappen zu planen (Abb.â•›7.28).
7.4.5.2 Weichteilkorrektur von Deformitäten Zur Planung der Weichteilkorrektur von Deformitäten bildet die klinische Untersuchung der Rigidität einer Deformität wichtigste Grundlage. Im Falle passiv ausgleichbarer Deformitäten, die durch den einseitigen intraartikulären Höhenverlust des Knochens entstanden sind, sind meist keine oder wenige Releases notwen-
7â•… Indikation, Untersuchungen, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese
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Bei einer kontrakten Valgusdeformität müssen nach der lateralen Meniskusresektion zunächst die lateralseitigen Osteophyten entfernt werden. Bei asymmetrischem lateral engen Beugespalt kann das hintere Kreuzband releast werden und die Gelenkkapsel von der dorsalen Femurkondyle. Ist dies nicht ausreichend, so kann auch die Popliteussehne vom Femurkondylus gelöst werden. Bei asymmetrischem lateral engem Streckspalt kann der Tractus iliotibialis vom Tuberculum Gerdi gelöst werden. Im Ausnahmefall muss das laterale Kollateralband vom Epicondylus lateralis abgelöst werden. Bei Lateralisierung der Patella im Gleitlager nach Wiederherstellung der anatomischen Beinachse kann zunächst das femoropatellare Band durchtrennt werden und erforderlichenfalls ein vollständiges laterales Release ausgeführt werden. Abb. 7.28. Planung des Weichteileingriffes: NarbenÂ�situation
dig. Im Falle kontrakter, passiv nicht ausgleichbarer Deformitäten sind schrittweise Releases sorgfältig zu planen. Das Ausmaß ist anhand der klinischen und radiologischen Untersuchung abzuschätzen. Ebenso kann das Ausmaß der Elongation der Kapselbandstrukturen auf der konkaven Seite der Deformität abgeschätzt werden. Sind sehr ausgedehnte Releases notwendig, um physiologische Achsverhältnisse wiederherzustellen, so ist die Indikation zur Verwendung einer Prothese mit höherem Koppelungsgrad zu prüfen (s. oben). Kapselbandreleases sind in jedem Falle vor den Knochenresektionen auszuführen, da diese ansonsten zu ausgedehnt vorgenommen werden würden und zu einer übermäßigen Weite des Beuge- oder Streckspaltes führen könnten. Im Fall einer kontrakten Varusdeformität sind zunächst der mediale Meniskus zu entfernen und danach die medialseitigen Osteophyten. Bei asymmetrischem, medial engem Beugespalt ist zunächst das hintere Kreuzband zu lösen, dann der ventrale Anteil des medialen Kollateralbandes vom Tibiakopf. Bei asymmetrischem medial engem Streckspalt kann der dorsale Anteil des medialen Kollateralbandes vom Tibiakopf und die Gelenkkapsel von den posterioren Femurkondylen gelöst werden. Im Ausnahmefall muss auch die ischiokurale Muskulatur vom dorsalen Tibiakopf gelöst werden.
7.4.6 Planung der Arthrolyse Grundlage der Planung der Arthrolyse zur Wiederherstellung eines ausreichenden Bewegungsumfanges des Kniegelenks ist die klinische Untersuchung. Eine feste Bewegungsbegrenzung deutet auf eine knöcherne oder besonders kontrakte weichteilige Ursache hin, während ein weicher Anschlag eine rein weichteilbedingte Bewegungseinschränkung vermuten lässt. Im Fall einer Streckhemmung muss eine dorsale Arthrolyse der Gelenkkapsel und des hinteren Kreuzbandes geplant werden, wodurch die Verwendung einer posterior stabilisierten Knieendoprothese notwendig wird. Im Ausnahmefall muss ein Release oder eine Verlängerung der ischiokoralen Muskulatur durchgeführt werden. Im Falle einer Beugehemmung muss das Release der suprapatellaren, medialen und lateralen Rezessus geplant werden. Erforderlichenfalls müssen Verklebungen des Quadrizeps auf dem distalen Femur gelöst werden. Im Ausnahmefall kann die Quadrizepssehne in V-Y-Technik verlängert werden. In jedem Falle ist ein intakter Streckapparat Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Implantation einer Knieendoprothese und muss für eine frühfunktionelle Nachbehandlung geschont werden.
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7.4.7 Ergebnis der Planung Im Ergebnis der Planung muss der Operateur eine klare Vorstellung vom operativen Vorgehen haben und zeichnerisch Achsverhältnisse, Prothesenlage und Größe dokumentiert haben. Ebenso müssen Instrumenteur und Assistenten über das Vorgehen in Kenntnis gesetzt sein. Der Patient muss über die realistisch erreichbaren Ziele der Operation aufgeklärt sein und sein Einverständnis erklärt haben. Die notwendigen Instrumente und Implantate müssen bereit stehen. Schließlich sollte für den Eingriff ausreichend Zeit eingeplant werden, um intraoperative Fehler durch Zeitdruck zu vermeiden.
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Anästhesie S. Wirz
8.1 Anästhesieverfahren Vorbemerkungen. Eine Vielzahl moderner anästhesiologischer Verfahrensmöglichkeiten ermöglicht ein äußerst sicheres Vorgehen, das individuell abgestimmt auf die jeweilige Operation, deren voraussichtlicher Dauer, das Alter des Patienten, seine Vorerkrankungen, aber auch persönliche Wünsche zugeschnitten sein sollte. Grundsätzlich sollte die Abwägung verschiedener Anästhesie- und Schmerztherapieverfahren nach dem Prinzip „Kosten-Nutzen-Risiko“ erfolgen.
8.1.1 Allgemeinanästhesie 8.1.1.1 Allgemeines Indikationen für eine Allgemeinanästhesie bei Operationen am Kniegelenk bestehen ●⊑ bei sehr ausgedehnten, aufwendigen Operationsverfahren, wie der Verbundosteosynthese, ●⊑ insbesondere, wenn sie voraussichtlich mit einem hohen Blutverlust einhergehen, ●⊑ bei Patienten in einem kritischen Allgemeinzustand, z.â•›B. Polytrauma, ●⊑ bei ausbleibenden oder zu kurzer Wirkdauer von Regionalverfahren, ●⊑ und bei Kontraindikation für Regionalverfahren. Bei bereits bestehenden Regionalverfahren kann sich sekundär die Indikation zur Durchführung einer
Allgemeinanästhesie bei langer Liegedauer auf dem OP-Tisch mit dem Auftreten von „Rückenschmerzen“ bzw. einer unzureichenden Analgosedierung ergeben, aber auch bei unvorhergesehen Komplikationen wie plötzlichem, starken Blutverlust oder weiteren Störungen der Vitalfunktionen. Vorteile der Allgemeinanästhesie gegenüber der Regionalanästhesie sind die ●⊑ hohe „Effektivität“, ●⊑ die unkomplizierte Anwendbarkeit bei Koagulationsstörungen, ●⊑ das fehlende Risiko neurologischer Komplikationen und die ●⊑ fehlende Notwendigkeit aufwendiger Lagerungsmaßnahmen. Dennoch sind die physiologischen Auswirkungen der Allgemeinanästhesie im Vergleich zur Regionalanästhesie gravierender. Risiken wie das der Aspiration oder einer postoperativen Heiserkeit, die Beschränkung auf eine ausschließlich systemische postoperative Schmerztherapie und eine erhöhte Inzidenz von postoperativer Übelkeit und Erbrechen (PONV) sind nachteilig. Bei Durchführung einer Allgemeinanästhesie ist zwischen ●⊑ sehr kurzen, ●⊑ k urzen (<60â•›min) und ●⊑ länger dauernden Eingriffen zu unterscheiden. Sehr kurze Operationen, wie z.â•›B. ein schmerzhafter Verbandswechsel, können in ausschließlicher Maskennarkose durchgeführt werden, wenn keine
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_8, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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Kontraindikationen bestehen. Diese bestehen grundsätzlich bei Notfalleingriffen, bei Aspirationsrisiko, d.â•›h. fehlender Nüchternheit, gastroösophagealem Reflux und Adipositas. Vorteile hierbei sind eine geringere Invasivität, die Möglichkeit der erhaltenen Spontanatmung und die hohe Zeitökonomie im OP-Ablauf. Bei kurz dauernden Eingriffen, wie z.â•›B. einer Kniearthroskopie, kann die Atemwegssicherung über eine Larynxmaske erfolgen. Da die Larynxmaske als oropharyngealer Tubus keinen Aspirationsschutz bietet, gelten die gleichen Kontraindikationen wie bei der Maskenanästhesie. Starke Einschränkungen der Lungencompliance können zu Beatmungsproblemen führen. Ein zu hohes Blockvolumen des „Cuffs“ führt während der Narkose zu einem schlechteren Sitz der Larynxmaske und postoperativ zu Schmerzen im Larynxbereich. Die Vorteile der Larynxmaskenanwendung entsprechen der der Maskennarkose, wobei bei der Larynxmaske die Hände des Anästhesisten „nicht gebunden“ sind. Die endotracheale Intubation stellt den sichersten Atemweg für alle Beatmungsformen dar. Sie sollte bei Aspirationsrisiko, kritisch kranken Patienten mit der gesicherten Indikation für eine Knieoperation und bei vorhersehbaren intraoperativen Lagerungswechseln bevorzugt werden, in der Regel als orotracheale Intubation. 8.1.1.2 Spezielle Situationen Nichtnüchterner Patient. Grundsätzlich sollte bei nichtnüchternen Patienten (Nahrungskarenz feste Nahrung <6â•›h, klare Flüssigkeiten <2â•›h) die Dringlichkeit der Operationsindikation zwischen Operateur und Anästhesisten besprochen werden, denn die Aspiration gehört zu den folgenschwersten Komplikationen in der Anästhesie (Olsson et al. 1986). Die Rate einer Aspiration beträgt allgemein 4,7 auf 10.000 Allgemeinanästhesien. Die Durchführung einer Regionalanästhesie ist bei gegebener Operationsindikation und fehlender Nüchternheit das Vorgehen der Wahl, allerdings bleibt bei bestehenden Kontraindikationen die Allgemeinanästhesie als einzige Möglichkeit bestehen. Eine Vorbereitung mit H2-Blockern oder Protonenpumpenhemmern hebt zwar den Magen-pH an,
S. Wirz
was bei einer erfolgten Aspiration als vorteilhaft angesehen wird, schützt aber in keiner Weise vor den Wirkungen einer Aspiration fester Nahrungsbestandteile. Eine Prophylaxe mit Na-Citrat ist obligat. Bei nichtnüchternen Patienten oder Patienten mit einem erhöhten Aspirationsrisiko muss eine sog. „rapid sequence induction“ (RSI) erfolgen: Nach Absaugen des Mageninhaltes über eine Magensonde und deren Entfernung erfolgt eine ausreichende Oxygenierung des Patienten über eine dicht aufgesetzte Maske. Klassischerweise wird nach Präkurarisierung, Gabe des (i.v.-) Einleitungshypnotikums und von Succinylcholin keine Zwischenbeatmung durchgeführt, sondern der Patient zügig unter Anwendung des Krikoiddrucks intubiert. Alternativ zu dem depolarisierendem Muskelrelaxans Succinycholin ist auch die Anwendung von Rocuronium möglich. Schwierige Intubation – schwieriger Atemweg. In einem orthopädisch-unfallchirurgischen Patientengut bestehen zwangsläufig Vorerkrankungen, die zu Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule führen können, wie M. Bechterew oder die rheumatoide Arthritis. Eine schwierige Laryngoskopie ist definiert als die erschwerte Visualisierung des Kehlkopfeingangs. Eine schwierige Intubation ist nach der American Society of Anesthesiologists (ASA) gegeben, wenn mehr als drei laryngoskopische Intubationsversuche durch einen Geübten erforderlich sind, die Notwendigkeit des Gebrauchs von Hilfsmitteln und/oder alternativen Techniken besteht und die Zeitdauer der korrekten Tubusplatzierung länger als zehn Minuten in Anspruch nimmt. Der schwierige Atemweg bedeutet, dass sowohl Maskenventilation, Laryngoskopie oder Intubation erschwert sind. Die größte Gefahr eines missglückten Atemwegsmanagements liegt im Zustandekommen einer Hypoxie mit irreversiblen neurologischen Schäden oder letalem Ausgang („can’t intubate/can’t ventilate“) (Wong et al. 2005). Ursache ist die erschwerte Darstellbarkeit des Kehlkopfeingangs aufgrund von Adipositas permagna, Missbildungen, Verletzungen oder Erkrankungen (Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule). Prädiktiv weisen neben einer entsprechenden Anamnese u.â•›a. eine erschwerte Mundöffnung, eine Prognathie, der Befund eines „fliehenden Kinns“ und ein kurzer Hals auf eine erschwerte Intubation hin.
8â•… Anästhesie
Validiert sind Scores nach Mallampati, Patil (Abstand Schildknorpel und Kinnspitze) und nach Wilson (Mallampati et al. 1985). Die ASA hat ein detailliertes Prozedere publiziert. Bei vorhersehbaren Intubationsproblemen sollte primär eine fiberoptische Intubation entweder wach oder unter leichter Sedierung versus Intubationsversuchen nach Anästhesieinduktion (ggf. ohne Relaxation) gegeneinander abgewogen werden. Das Vorgehen bei unerwarteter schwieriger Intubation besteht in der Optimierung der Intubationsverhältnisse durch Lagerung oder Anwendung weiterer Laryngoskopiespatel, der Larynxmaske, des Kombitubus und der fiberoptischen Intubation. In der sog. „Can’t-ventilate-can’t-intubate-Situation“ ist die Rückkehr zur Spontanatmung und das Aufwachenlassen des Patienten eine Option, um dann eine bronchoskopische Intubation zu versuchen. Notfalls ist der chirurgische Zugang als Koniotomie oder Dilatationstracheotomie erforderlich (Practice Guidelines for Management of the Difficult Airway 2003). 8.1.1.3 Pharmaka – Medikamente zur Allgemeinanästhesie Die Allgemeinanästhesie bewirkt die zeitweilige, umkehrbare Funktionshemmung des zentralen Nervensystems mit Bewusstseinsverlust, Schlafinduktion, Analgesie und – wenn erforderlich – die schlaffe Lähmung der willkürlichen Muskulatur. Zur Verfügung stehen Opioide, intravenöse Hypnotika, Inhalationsnarkotika und Muskelrelaxanzien. Die Auswahl einzelner Substanzen dieser Gruppen orientiert sich am Allgemeinzustand des Patienten und den Erfordernissen der Operation. Die Einleitung der Narkose mittels Inhalation ist unüblich, da sie als unangenehm empfunden wird. In Ausnahmefällen, wie bei nichtkooperativen Kindern oder bei Erwachsenen, die eine Venenpunktion ablehnen, kann sie allerdings zur Anwendung kommen. Bewährte intravenöse Induktionshypnotika sind Thiopental oder Propofol, wobei bei Propofol zusätzliche Maßnahmen zur Prävention des Injektionsschmerzes notwendig sind. Bei multimorbiden bzw. kardial erkrankten Patienten ist Etomidate das Einleitungshypnotikum der Wahl, da es eine signifikant geringere kardiozirkulatorische Beeinträchtigung verursacht.
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Die Aufrechterhaltung der Narkose erfolgt über Inhalationsnarkotika, wie Isofluran, Sevofluran, Desfluran oder Enfluran. Bei der TIVA (totale intravenöse Anästhesie) ersetzt das intravenöse Propofol über Perfusor das Inhalationsanästhetikum, z.â•›B. im Rahmen einer „triggerfreien“ Anästhesie bei Verdacht auf dem Vorliegen einer Disposition zu einer malignen Hyperthermie. Zur Beatmung wird entweder ein Gemisch aus Sauerstoff/Stickoxydul oder Sauerstoff/Raumluft verwendet. Für sehr kurz dauernde Eingriffen kann das Opioid Remifentanil ausreichend sein. Bei längeren Eingriffen wird üblicherweise das länger wirksame Opioid Fentanyl verwendet, gegebenenfalls supplementiert durch Remifentanil zur Coupierung von „Schmerzspitzen“. Seltener werden in Deutschland zur Narkoseführung die Opioide Piritramid, Morphin, Sufentanil oder Oxycodon verwendet. Außer zur Anwendung bei der Intubation sind periphere Muskelrelaxanzien bei Knieoperationen grundsätzlich nicht notwendig. Wenn der Operateur eine Relaxation ausdrücklich wünscht, bleibt das Repertoire – außer bei der RSI – auf nichtdepolarisierende Substanzen beschränkt. Cis-Atracurium eignet sich vorzugsweise für längere, Rocuronium für mittellange und Mivacurium für Eingriffe kurzer Dauer. 8.1.1.4 Anästhesiologische Überwachung – Zugänge – weitere Verfahren Basismaßnahmen. Das Standardvorgehen, wie z.â•›B. bei dem Vorgehen bei einer Kniearthrosokpie, beinhaltet das Monitoring über EKG, nichtinvasiv gemessenen Blutdruck, periphere O2-Sättigung und alle üblichen Beatmungsparameter sowie die Anlage eines einzelnen venösen Zugangs. Bei Eingriffen ab 30â•›min Dauer sollte zusätzlich eine Temperaturmessung, ab drei Stunden oder Operationen mit erwartetem großem Blutverlust eine Blasenkatheterisierung neben der Messung der Flüssigkeitszufuhr zur Bestimmung einer Flüssigkeitsbilanz durchgeführt werden. Ein neuromuskuläres Monitoring ist nur bei entsprechenden Vorerkrankungen oder bei Relaxanziengabe sinnvoll, insbesondere bei repetitiver Gabe. Ein zweiter, großlumiger venöser Zugang wird bei ausgedehnten Operationen mit größerem Blutverlust vor Beginn der Operation angelegt. Die gleiche Indikation gilt auch für die Anlage eines zentralvenösen Katheters (ZVK).
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Erweiterte Maßnahmen. Bei Operationen mit starkem Blutverlust, wie z.â•›B. die Verbundosteosynthese, sollte zum schnellen Ausgleich großer Blutungen ein Shaldon-Katheter oder eine 7F-Schleuse appliziert werden. Ein invasives Monitoring über ZVK und arterielle Kanüle ist bei multimorbiden Risikopatienten, z.â•›B. mit kardiovaskulären Befunden wie dem einer Herzinsuffizienz, relevanter koronarer Herzkrankheit oder schwierig einstellbarer Hypertonie unerlässlich. Bei diesen Patienten sollte sich die Steuerung der Blutdruckwerte an dem sog. „Hausdruck“ orientieren. Zusätzlich sei auf die Anwendung der transösophagealen Echokardiographie bei kardiovaskulären Risikopatienten verwiesen. Die Messung des Herzzeitvolumens ist bei Operationen im Kniebereich eher selten indiziert und schwerkranken Patienten vorbehalten, z.â•›B. über den pulmonalarteriellen Katheter oder die PiCCO-Technik. Bei solchen Patienten muss generell die Operationsindikation gegenüber dem Risiko gewissenhaft abgewogen werden.
8.1.2 Regionalanästhesie 8.1.2.1 Allgemeines Man unterscheidet neuraxiale, also rückenmarknahe Verfahren, von selektiveren Leitungsanästhesien und Nervenblockaden. Bei beiden Techniken werden Lokalanästhetika (LA) in die Nähe von Nervenstrukturen appliziert. Die Anwendung regionalanästhesiologischer Techniken bei Knieeingriffen ist eine wichtige Alternative zur Allgemeinanästhesie mit ihren physiologischen Auswirkungen. Vorteile sind ●⊑ erhaltenes Bewusstsein, ●⊑ erhaltene Spontanatmung, ●⊑ erhaltene Schutzreflexe, ●⊑ postoperative Analgesie. Dennoch äußern Operateure immer wieder Bedenken gegenüber regionalanästhesiologischen Techniken aufgrund der Wahrnehmung längerer Wechselzeiten, einer schlechteren Analgesiequalität oder dem Umgang mit dem betreuungsintensiveren „wachen“ Patienten. Allerdings gibt es für diese Wahrnehmung keine Evidenz.
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Präoperativ sind mit dem Patienten die Vor- und Nachteile regionaler oder allgemeiner Anästhesieverfahren zu besprechen. Für die Regionalanästhesie ist aufzuklären über die Möglichkeiten der Komplikationen: 1.╇ Blutung, 2.╇ Infektion und 3.╇ Nervenläsion mit der Folge der motorischen oder sensorischen Beeinträchtigung. Bei neuroaxialen Verfahren kann dies bis zum Querschnittssyndrom führen. Mögliche toxische Nebenwirkungen der anzuwendenden Pharmaka, postspinale Kopfschmerzen, das Verhalten nach Operationen (Was tun bei der Trias: neurologische Befunde, Fieber und LWS-Schmerzen nach lumbaler PDA als Hinweis auf einen peruralen Abszess?) gehören in das Aufklärungsgespräch. Einflüsse der Regionalanästhesie auf die perioperative Morbidität und Mortalität. Im Gegenteil hat die Regionalanästhesie Auswirkungen auf ein gutes postoperatives „Outcome“ (Van Aken u. Rolf 1996). So zeigt sich unter einer Regionalanästhesie eine ●⊑ verminderte Morbidität und Mortalität und eine ●⊑ Verbesserung des chirurgisch-operativen rehabilitativen Ergebnisses. In einer großen Metaanalyse konnten Rodgers et al. (2000) für die Regionalanästhesie (hier: Periduralanästhesie oder Spinalanästhesie) eine um durchschnittlich 1/3 reduzierte postoperative Mortalität nachweisen (Cohendy et al. 2005; Jones et al. 1990). Dieser Effekt ist insbesondere bei älteren und multimorbiden Patienten nachweisbar (Wong et al. 2001; Zwissler 1997). Bezogen auf einzelne Organsysteme kommt es ●⊑ zu einer geringeren pulmonalen KomplikationsÂ�rate, ●⊑ z u einer Senkung des Sympathikotonus mit einem geringeren myokardialen Sauerstoffverbrauch und damit zu einer geringeren Rate kardiovaskulärer Komplikationen, ●⊑ z u einer geringeren Einschränkung der Immunitätslage, ●⊑ z u einer weniger ausgeprägten postoperativen Hyperkoagulabilität, einer geringeren Inzidenz von Thrombosen und Thromboembolien (Ballantyne et al. 1993, 1998; Liu et al. 1995; Mitchell et al. 1991; Sharrock et al. 1991).
8â•… Anästhesie
Bezogen auf das chirurgisch-operative Ergebnis nach Knieeingriffen und die Rehabilitationszeit zeigen sich besondere Vorteile bei postoperativen Katheterverfahren (s. Abschn.â•›8.2: Peri- und postoperative Schmerztherapie). 8.1.2.2 Pharmaka – Lokalanästhetika Lokalanästhetika blockieren spannungsabhängige Natriumkanäle (in höheren Konzentrationen zusätzlich Kaliumkanäle) und damit die Bildung von Aktionspotentialen. Die Rezeption und Weiterleitung von Temperatur, Druck, Schmerz oder motorischer Impulse wird dadurch abgeschwächt oder vollständig aufgehoben. Ein niedriger pkA-Wert und eine hohe Lipophilie beschleunigen den Wirkeintritt, weil die Diffusion in der ungeladenen Form erleichtert ist. In entzündlich veränderten Geweben mit einem erniedrigten pH ist die Wirksamkeit von LA stark herabgesetzt. Bezüglich der LA-Toxizität unterscheidet man eine ●⊑ zentralnervöse ●⊑ kardiovaskuläre ●⊑ lokale und ●⊑ allergische Toxizität. Die systemische Toxizität von Lokalanästhetika hängt ab vom Injektionsort, dem First-pass-Effekt, der hepatischen Funktion (Aminoamid-LA), der Plasmaeiweißbindung (Albumin, α1-saures Glykoprotein), dem Proteingehalt (reduziert bei Niereninsuffizienz), dem pH-Wert (Azidose erhöht freie Konzentration), der Begleitmedikation und dem Geschlecht (wâ•›>â•›m). Bei hohen Plasmaspiegeln kann LA nach Passage der Blut-Hirn-Schranke zentrale Symptome auslösen: Unruhe, Schwindelgefühl, orales Kribbeln, metallischen Geschmack, perorale Parästhesien, generalisierte Krampfanfälle und Koma. Kardiale Nebenwirkungen bestehen in einer Abnahme der Kontraktilität, Extrasystolie und Verlangsamung der Erregungsweiterleitung bis hin zur Asystolie. Bei den ersten Symptomen einer Intoxikation muss die Applikation sofort beendet werden, falls dies noch möglich ist. Die Patienten erhalten Sauerstoff, ggf. Benzoediazepine. Eine Hyperventilation wird immer wieder empfohlen, muss aber in manchen Fällen auch als primäre Ursache differentialdiagnostisch in Betracht gezogen werden. Die weitere Therapie ist sym-
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ptomatisch orientiert. Bei einer kardiopulmonalen Reanimation sollte eine längere Zeitdauer in Betracht gezogen werden, da die stereoselektive Blockade der Reizleitung von dem Ausmaß der Ionenkanal-LABindung abhängt. Noch nicht ausreichend validiert sind neuere Ansätze wie die Infusion von Lipiden, die Gabe von Propofol oder die Insulin-Kalium-GlukoseInfusion. Lokale Toxizitäten können sich in neuropathischen Schmerzen äußern, die zumeist reversibel sind. Unklar ist, ob es sich um Substanzwirkungen oder um mechanische Irritation handelt. Allergien treten vor allem bei Lokalanästhetika vom Estertyp auf, da beim Abbau dieser Substanzen Paraaminobenzoesäure entsteht. Bei Lokalanästhetika vom Amidtyp bestehen allergische Reaktionen gegen das Konservierungsmittel Methylparaben. Die Wirkdauer von LA hängt von der Lipidaffinität ab. Lokalanästhetika kann man in drei Gruppen einteilen: ●⊑ kurz wirksam (30–60â•›min), z.â•›B. Procain, ●⊑ mittellang wirksam (60–120â•›min), z.â•›B. Lidocain, Mepivacain und Prilocain und ●⊑ lang wirksam (bis 400â•›min), z.â•›B. Bupivacain. Im klinischen Alltag haben sich amidartige LA aufgrund ihrer höheren Stabilität gegenüber den esterartigen LA bewährt. Zu dieser Substanzgruppe gehören Lidocain, Prilocain, Mepivacain, Buppivacain und Ropivacain. Prilocain ist aufgrund seines höheren Verteilungsvolumens und der dadurch bedingten niedrigeren Plasmakonzentrationen das LA mit der niedrigsten Toxizität. Daher kommt Prilocain vorzugsweise bei der i.v.-regionalen Anästhesie und den selektiven peripheren Nervenblockaden zu Einsatz. Das Abbauprodukt o-Toluidin überführt Hämoglobin zu Methämoglobin mit der Folge einer peripheren Zyanose. Die Therapie besteht in der Gabe von Toluidinblau oder Methylenblau. Die Maximaldosis von Prilocain sollte auf 600â•›mg/Tag beschränkt bleiben. 8.1.2.3 Neuraxiale Verfahren Für Operationen im Kniebereich stehen die Spinalanästhesie (SpA), die Katheter-Periduralanästhesie (KPDA) und die kombinierte Spinal-Epiduralanästhesie (CSE) zur Verfügung.
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Absolute Kontraindikationen für rückenmarknahe Regionalverfahren sind ●⊑ die fehlende Einwilligung, ●⊑ der unkooperative Patient, ●⊑ lokale Infektionen oder ●⊑ Hämatome im Punktionsbereich ●⊑ hämodynamische Instabilität, ●⊑ Volumenmangel ●⊑ Sepsis, SIRS und ●⊑ akute zentralnervöse Erkrankungen. Relative Kontraindikationen bestehen bei chronischen neurologischen Erkrankungen (MS) oder vorbestehenden neurologischen Läsionen (Z.â•›n. Poliomyelitis), anamnestisch starken Kopfschmerzen, schwierigen anatomischen Verhältnissen und einer Antikoagulanzientherapie (Lawton et al. 1995). Spinalanästhesie, Periduralanästhesie, CSE. SPA zu Knie-Eingriffen werden zumeist Single-Shot-Verfahren angewandt, bei der PDA die etwas aufwendigere Kathetertechnik (Williams-Russo et al. 1996). Eine Spinalanästhesie führt im Vergleich zu einer Allgemeinanästhesie zu geringeren Schmerzen und einem reduzierten Analgetikabedarf in der frühen postoperativen Phase. Die Aufwachraumzeit ist mit einer Spinalanästhesie kürzer, die Patientenzufriedenheit höher. Die SpA ist gerade bei kurz- mittellangen Operationen im Kniebereich die Methode der Wahl, mit den Vorteilen einer ●⊑ einfachen Technik, ●⊑ des raschen Wirkungseintritts, ●⊑ einer geringen systemischen Toxizität, ●⊑ einer hohen Erfolgsquote und ●⊑ einer guten motorischen Blockade. Nachteilig kann bei multimorbiden Patienten, bei Volumenmangel, aber auch bei erhöhtem Sympathikotonus („junge Männer“) die rasche und vollständige Sympathikolyse sein. Als Verfahrenstechnik bietet sich die Anlage in Seitenlage unter der Verwendung von hyperbaren LA, z.â•›B. 10–20â•›mg (=2–4â•›ml) Bupivacain 0,5â•›% hyperbar, an, da eine selektivere Blockade der zu operierenden Seite resultiert. Die Notwendigkeit einer systemischen Schmerztherapie besteht bei Eingriffen mit starken postoperativen Schmerzen, so dass hier die Wirkdauer der SpA nicht ausreicht. Dagegen besitzt die K-PDA u.â•›a die Vorteile der Nachinjektion und eine bessere Steuerung der Aus-
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breitung. Bei der Periduralanästhesie ist entgegen ihrer hohen Effektivität zu beachten, dass sie trotz niedrigerer LA-Dosierung (z.â•›B. 6â•›ml/hâ•›=â•›12â•›mg/h Ropivacain 0,2â•›%) im Einzelfall Patienten in der Rehabilitationsphase immobilisieren und zu Miktions- bzw. Defäkationsstörungen führen kann. Sollte eine Periduralanästhesie gewünscht sein, ist die kombinierte Technik der CSE sinnvoll, da hierbei die Anschlagszeit der periduralen Wirkung entfällt. Eine gravierende Komplikation neuroaxialer Verfahren stellt die sog. „hohe Spinalanästhesie“ dar. Bei großen Volumina, versehentlicher intrathekaler Injektion einer PDA-Dosis und einer LA-Ausbreitung bis oberhalb Th3 hinaus kommt es zur Hemmung der interkostalen Atemmuskulatur, einer Blockade der Nervi accerelantes mit Bradykardie, einem ausgeprägtem venösen Pooling und Senkung des Herzminutenvolumens, Kreislaufversagen und Atemstillstand. Die Therapie besteht in Volumengabe, Gabe von Vasopressoren, Atropin und weiterer symptomatischer Behandlung (Beatmung). „Postspinaler Kopfschmerz“ entsteht nach subduraler Punktion mit großlumigen Nadeln, z.â•›B. nach versehentlicher Perforation bei dem Versuch einer PDA-Anlage. Wahrscheinlich führt ein Liquorverlustsyndrom zum Kopfschmerz. Er verstärkt sich durch sitzende Position, bessert sich umgekehrt im Liegen und tritt in den ersten postoperativen Tagen auf und hält für ca. sieben bis zehn Tage an. Die Therapie beinhaltet Bettruhe, Flüssigkeitsgabe, Analgetika ohne Gerinnungseffekt (Metamizol), und die Anlage eines epiduralen Blutpatchs mit Eigenblut. Neurologische und ggf. radiologische Diagnostik sollte differentialdiagnostisch erfolgen (Richman et al. 2006). 8.1.2.4 Selektive Nervenblockaden Selektive Leitungsanästhesie bzw. Nervenblockaden bieten den Vorteil einer ●⊑ hohen Effektivität ●⊑ geringeren Immobilisation, ●⊑ selektiven Sympathikolyse an der unteren Extremität ●⊑ selteneren instabilen Kreislaufverhältnissen, ●⊑ fehlenden Beeinträchtigung der Miktion, ●⊑ geringeren Gefahr einer gravierenden neurologischen Komplikation (Paraplegie),
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●⊑ keiner Auslösung von postspinalen Kopfschmerzen, ●⊑ Anwendbarkeit bei Beeinträchtigungen der Gerinnung (außer in der Nähe nichtkompressibler Gefäße, z.â•›B. Psoas-Kompartment-Block), ●⊑ Anwendbarkeit bei schwierigen anatomischen Verhältnissen (Adipositas, M. Bechterew, Frakturen). Man kann die Einmalapplikation von LA („singleshot“) von der kontinuierlichen Kathetertechnik unterscheiden. Bei der Letzteren ist die fraktionierte Gabe der LA vorteilhaft und die Möglichkeit der postoperativen Weiterführung der Analgesie. Die Auslösung von Parästhesien mit der Punktionsnadel zur Identifikation der zu betäubenden Nervenstruktur ist heute als obsolet anzusehen, es kann zur Nervenverletzung oder intraneuralen Injektion kommen. Deshalb ist neben guten anatomischen Kenntnissen des Anwenders die Elektrostimulation durch Nervenstimulatoren Standard, obwohl auch ohne dieses Hilfsmittel die betreffenden Nerven aufgesucht werden können. Besonders bei tieferer Lokalisation der zu blockierenden Struktur (anteriorer Zugang zum Ischiadikus) ist der Einsatz eines Nervenstimulators nützlich. Allerdings ist der Nervenstimulator kein „Nervensuchgerät“! In den letzten Jahren hat sich die Anwendung der Sonographie etabliert. Hierdurch wird, gerade in Kombination mit der Benutzung des Nervenstimulators, die Gefahr von Fehlpunktionen minimiert. Die Darstellung der individuellen Anatomie ist gerade bei adipösen Patienten hilfreich. Die Penetration von Gefäßen mit der Nadel kann dargestellt werden und die Katheterlage kontrolliert werden. Die Ausbreitung des Lokalanästhetikums kann visualisiert werden und somit die Effektivität der Blockade besser abgeschätzt werden. Motorische Aα-Fasern depolarisieren früher als die sensorischen Aδ- und C-Fasern, weshalb Kontraktionen vor der Schmerzempfindung ausgelöst werden. Eine Erweiterung des Spektrums stellt die ultraschallgesteuerte selektive Regionalanästhesie dar, die allerdings im alltäglichen Einsatz aufwendiger ist. Für die Operationen am Kniegelenk ist die Kombination des ●⊑ Femoralisblocks (FB, früher 3-in-1-Block; Abb.â•›8.1) mit dem ●⊑ Ischiadikusblock (IB; Abb.â•›8.2)
Spina iliaca anterior superior Lig. inguinale N. femoralis Trochanter major
Abb. 8.1.↜渀 Femoralisblockade
Spina iliaca anterior superior N. femoralis Tuberculum pubicum Trochanter major
N. ischiadicus
Abb. 8.2.↜渀 Kombinierte Femoralis- und Ischiadikusblockade (anteriorer Zugang)
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unter „Kosten-Nutzen-Risiko-Abwägungen“ besonders vorteilhaft. Die Punktionstechnik erlaubt die Anlage auch bei immobilen oder adipösen Patienten. Der IB sollte vorzugsweise als proximaler oder anteriorer IB angewandt werden. Zu beachten ist beim anterioren Zugang die Verletzungsmöglichkeit der Arteria femoralis. Eine Identifikation ihres Verlaufs sollte per Doppler oder Ultraschall vor Anlage erfolgen. Bei kombinierter Anwendung dieser beiden Blockaden (Abb.â•›8.3) ist allerdings die zusätzliche Durchführung einer Allgemeinanästhesie notwendig, da das vom Nervus obturatorius versorgte Gebiet am medialen distalen Oberschenkel bzw. medialen Kniegelenk ausgespart bleibt. Hierbei kann sogar bei der Knieendoprothetik die Technik der Larynxmaske zur Anwendung kommen, wenn die regulären Operationszeiten nicht dagegen sprechen. Die Kombination des ●⊑ Psoas-Compartment-Blocks (PCB) mit dem ●⊑ t ransglutäalen IB
Trochanter major
N. ischiadicus
Abb. 8.3.↜渀 Ischiadikusblockade (lateraler Zugang)
stellt ein alternatives Vorgehen dar, z.â•›B. wenn sowohl eine Allgemeinanästhesie als auch eine neuroaxiale Regionalanästhesie vermieden werden soll (Jankowski et al. 2003; Kaloul et al. 2004). Auch bei sensibilisierten oder chronifizierten Patienten kann starker Schmerz im Dermatom des Nervus obturatorius einen PCB erforderlich machen. Nachteilig ist neben der schwierigeren Punktionstechnik das Risiko der Gefäßverletzung (Nähe zur Vena cava bzw. Aorta) und die Gefahr der periduralen oder subduralen Fehlinjektion bzw. Katheterfehllage. Vorteile dieser kombinierten Regionalverfahren in Verbindung mit einer Allgemeinanästhesie sind ●⊑ eine signifikante Schmerzreduktion, ●⊑ ein intraoperativ geringerer Narkotikaverbrauch, ●⊑ k ürzere Verweildauer im Aufwachraum und eine ●⊑ hohe Patientenzufriedenheit (Luber et al. 2001).
8.1.2.5 Thromboembolieprophylaxe und Regionalanästhesie Patienten mit Gelenkersatzoperationen am Kniegelenk unterliegen einem erheblichen Thromboserisiko. Ohne entsprechende Prophylaxe entwickeln 84â•›% der Patienten nach Kniegelenkersatz eine Thrombose, nach Unterschenkelfrakturen bis zu 57â•›% (Jorgensen et al. 1991). Daher ist Antikoagulanzientherapie bei diesem Patientengut unerlässlich. Bei einer Antikoagulanzientherapie und Therapie mit Zyklooxygenaseinhibitoren bestehen allerdings Zeitintervalle für die Punktion, die Anlage und Entfernung eines Katheters (Tab.â•›8.1). Zur Vermeidung von Blutungskomplikationen, insbesondere epiduraler oder spinaler Hämatome, sollten diese Zeitintervalle unbedingt eingehalten werden. Für die Parameter des Gerinnungslabors gilt: ●⊑ Quick >50â•›% ●⊑ aPTT <40â•›s und ●⊑ Thrombozyten >80.000–100.000. Bei gesunden Patienten der ASA-Klassen I und II ohne entsprechende Anamnese bzw. klinische Zeichen von Gerinnungsstörungen ist eine Laborbestimmung der Gerinnungswerte nicht unbedingt erforderlich. Ab ASA-Klasse III, einer bestehenden Koagulationsstörung oder einer medikamentösen Antikoagulation
8â•… Anästhesie
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Tabelle 8.1.↜ Empfohlene Zeitintervalle vor und nach rückenmarksnaher Punktion bzw. Katheterentfernung. (Überarbeitete Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Stand: 10/2007) (DGAI 2007) â•›
Vor Punktion/ Katheterentfernung
Nach Punktion/ Katheterentfernung
Laborkontrolle
Unfraktionierte Heparine (Prophylaxe, ≤15.000â•›IE/Tag) Unfraktionierte Heparine (Therapie) Niedermolekulare Heparine (Prophylaxe)
4â•›h
1â•›h
4–6â•›h 12â•›h
1â•›h (keine i.v.-Bolusgabe) 2–4â•›h
Thrombozyten bei Therapie >5â•›Tagen aPTT, (ACT), Thrombozyten Thrombozyten bei Therapie >5â•›Tagen Thrombozyten, (anti-Xa) (anti-Xa)
Niedermolekulare Heparine (Therapie) 24â•›h 2–4â•›h Fondaparinux 6–12â•›h 36–42â•›h (Prophylaxe, ≤2,5â•›mg/Tag) Vitamin-K-Antagonisten INR <1,4 Nach Katheterentfernung INR Hirudine (Lepirudin, Desirudin) 8–10â•›h 2–4â•›h aPTT, ECT Argatroban 4â•›h 2â•›h aPTT, ECT, ACT Acetylsalicylsäure (100â•›mg) Keine Keine â•› Clopidogrel 7â•›Tage Nach Katheterentfernung â•› Ticlopidin 10â•›Tage Nach Katheterentfernung â•› NSAR Keine Keine â•› Die nicht in dieser Tabelle aufgeführten Substanzen Dabigatran und Rivaroxaban sind wie das Fondaparinux ausschließlich für den postoperativen Beginn zugelassen. Auf das empfohlene Zeitintervall zwischen dem Ende der Operation und der ersten Gabe ist zu achten (Fondaparinux >6â•›h, Dabigatran 1–4 h, Rivaroxaban 6–10 h). Dabigatran (Pradaxa®) ist ein direkter Thrombininhibitor zur oralen Thromboseprophylaxe nach Hüft- und Kniegelenksersatz. Rivaroxaban (Xarelto®) ist ein direkter Faktor Xa-Inhibitor zur oralen Thromboseprophylaxe nach Hüft- und Kniegelenksersatz bei Erwachsenen. Bezüglich der Therapiepausezeiten empfiehlt der Hersteller ein Intervall von mindestens 18 h (z.â•›B. vor Epiduralkatheterentfernung) und ein Intervall von 6 h vor der nächsten Einnahme, wobei dazu keine Studiendaten vorliegen.
sollte ein ausreichendes Gerinnungslabor bestimmt werden. Die Inzidenz epiduraler oder spinaler Hämatome liegt bei 1:150.000 nach Epiduralanästhesien und erhöht sich auf 1:220.000 nach Spinalanästhesien. Risikofaktoren für das Auftreten eines spinalen/ epiduralen Hämatoms sind ●⊑ A rt des Verfahrens (SPA
8.1.2.6 Weitere Verfahren Intraartikuläre Analgesie. Es besteht eine hinreichende Evidenz für die analgetische Effektivität der intraartikulären Applikation mit Lokalanästhetika, Opioiden, allein oder in Kombination. Dennoch reichen diese Maßnahmen nicht zu einer alleinigen intraoperativen Analgesie aus. In Verbindung mit einer niedrigen Nebenwirkungsrate stellt die intraartikuläre Analgesie am Kniegelenk eher ein empfehlenswertes Verfahren der frühen postoperativen Analgesie dar. Die Gabe eines Lokalanästhetikums oder die Kombination mit einem Opioid sollte einer alleinigen Opioidgabe vorgezogen werden. Opioide sind nicht ausschließlich zentral wirksam, sondern zeigen auch periphere Wirkungen: Unter inflammatorischen Bedingungen verändern sich die Synthese endogener Opioide, deren axonaler Transport und die Anzahl membrangebundener Opioidrezeptoren. Es kommt zu einer Aktivierung und größeren Dichte von Opioidrezeptoren. Daher erklärt sich die Wirkung der peripheren, intraartikulären Opioidapplikation bei länger dauernden und entzündlich veränderten Prozessen im Kniegelenk.
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Klinisch wurde die periphere Opioidapplikation nicht nur im Kniebereich, sondern auch bei anderen entzündlich veränderten Gelenken (Schulter, Kiefer, Arthritis), chirurgischen Wunden, Verbrennungen, Ulzerationen (der Haut und der Kornea!), Mukositiden und sogar in der intraperitonealen Applikation untersucht. Zu kritisieren sind methodische Mängel einiger Studien (nichtentzündliche Schmerzmodelle, insuffiziente Schmerzintensitäten, inadäquate Kontrollgruppen, zu kleine Gruppengrößen, inadäquat niedrige Opioiddosen und Narkoseregime mit verlängerter postoperativer Wirkung). Weiterhin bleibt unklar, ob sie Standardbehandlungen überlegen ist (wie z.â•›B. die intraartikuläre Steroidgabe). Die intraartikuläre Analgetikagabe am Kniegelenk ist deshalb effektiv, weil prädiktive Faktoren für ihren Erfolg, wie ●⊑ eine gute Zugänglichkeit des schmerzhaften Gebiets, ●⊑ das Vorhandensein eines örtlichen Entzündungsgeschehens und ●⊑ der Ausschluss einer raschen systemischen Absorption gegeben sind. Bisher wurde in keiner der zahlreichen klinischen Studien eine ernstzunehmende Nebenwirkung beschrieben (Joshi et al. 1993; Khoury et al. 1992; Marchal et al. 2003). Auch die ambulante Anwendung ist publiziert. Nach Marchal et al. (2003) kann nach Ende der Operation die Gabe von ●⊑ 25â•›ml Bupivacain 0,25â•›%, ●⊑ 5â•›mg Morphin, ●⊑ ad 25â•›ml NaCl 0,9â•›% am Kniegelenk durch den Operateur empfohlen werden (Boden et al. 1994; Klasen et al. 1999). Intravenöse regionale Anästhesie. Die intravenöse Injektion eines LA in eine blutleere Extremität unter Verwendung eines Tourniquet nennt man i.v.-regionale Anästhesie (IVRA). Bei Eingriffen an der unteren Extremität kommen wird die IVRA nur selten angewandt, weil höhere LA-Volumina und ein höherer TourniquetDruck notwendig sind. Für Eingriffe am Kniegelenk stellt die IVRA eher ein Ausweichverfahren dar, wenn die anderen Anästhesieverfahren technisch nicht möglich oder kontraindiziert sind.
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8.1.3 Weitere Aspekte bei Knieoperationen Häufig ist die Anlage eines Tourniquets bei Knieoperationen aus operativer Sicht sinnvoll. Die Dauer einer Blutleere ist allerdings durch die zunehmende Druckschädigung der Weichteile unter der Manschette und einer sich entwickelnden metabolischen Azidose in der Extremität begrenzt. Blutsperren bis zu einer Dauer von 2â•›h gelten als sicher. Der Druck in der Manschette ist abhängig von dem Durchmesser der entsprechenden Extremität und dem systolischen Blutdruck des Patienten. Richtwerte betragen ca. 300â•›mmHg für die obere und 450â•›mmHg für die untere Extremität. Nach etwa 45-minütiger Dauer der Blutsperre können trotz Anästhesie Schmerzreaktionen auftreten. Unter einer Regionalanästhesie werden dumpfe Schmerzen angegeben. Eine zusätzliche Sedierung kann notwendig werden. Während einer Allgemeinanästhesie können Blutdruck- und Herzfrequenzsteigerungen beobachtet werden. Hier ist eine Vertiefung der Narkose angezeigt. Nach Eröffnung der Blutsperre kommt es zu einer passageren metabolischen Azidose und Hyperkapnie. Eine adäquate Steigerung der Ventilation ist in den meisten Fällen ausreichend. Bei vorbestehender Azidose sollten jedoch frühzeitig Puffersubstanzen eingesetzt werden. Komplikationen einer Blutsperre können sein ●⊑ eine myokardiale Depression durch eine ausgeprägte metabolische Azidose nach Eröffnung der Blutsperre, besonders bei kardialen Risikopatienten (Arrest möglich), ●⊑ das Ablösen eines Thrombus bei tiefer Beinvenenthrombose mit nachfolgender Lungenembolie, ●⊑ das Auftreten von arteriellen Spasmen, Venenthrombosen und Nervenläsionen (differentialdiagnostische Abgrenzung gegen Schäden nach einer Regionalanästhesie wichtig).
8.2 Peri- und postoperative Schmerztherapie Das Bereitstellen einer effektiven postoperativen Schmerztherapie beinhaltet mittlerweile juristische Implikationen (Uhlenbruck 1994; Ulsenheimer 1997, 2004; Weißauer 1993).
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Im Vordergrund steht dennoch die Tatsache, dass eine suffiziente postoperative Analgesie eine frühzeitige postoperative Mobilisierung ermöglicht und postoperative Komplikationen verringert, wie (u.â•›a.) ●⊑ Thromboembolien durch eine bessere Mobilisation, ●⊑ eine erhöhte postoperative Pneumonieinzidenz, ●⊑ einen erhöhten Sympathikotonus und dadurch ●⊑ den myokardialen Sauerstoffverbrauch. Dabei sollten diese Grundsätze gelten: ●⊑ Ü ber Ziele, Verfahren und Komplikationen der perioperativen Schmerztherapie müssen die Patienten bereits präoperativ aufgeklärt werden. ●⊑ Schmerzen werden mit Hilfe von Skalen (VAS, NRS) erhoben. ●⊑ Die Verwendung von Schmerzskalen und Pumpensystemen sollte mit den Patienten präoperativ eingeübt werden. ●⊑ Nur der schmerzfreie Patient wird aus dem Aufwachraum in die stationäre Behandlung entlasÂ�sen. ●⊑ Postoperative Schmerzen sollten prophylaktisch behandelt werden und nicht erst, wenn sie entstehen. ●⊑ Alle für die perioperative Schmerztherapie relevanten Daten werden dokumentiert und sind den behandelnden Schmerztherapeuten zugänglich. ●⊑ Einrichtung eines interdisziplinären Akutschmerzdienstes zur Planung, Organisation und Durchführung der postoperativen Schmerztherapie. ●⊑ Mindestens zwei schmerztherapeutische Visiten pro Tag nach einem strukturierten Schema.
8.2.1 Chronifizierung Lang andauernde, multilokuläre Schmerzen, weitere „Körperbeschwerden“, psychosomatische Beschwerden, Depressivität, Angst, psychosoziale Faktoren treten bei chronifizierten Schmerzpatienten regelmäßig auf. Bei ihnen kommt es regelhaft zu postoperativen Komplikationen. Patienten mit chronifizierten Schmerzsyndromen sollten präoperativ identifiziert werden (Schema nach Gerbershagen; Feeney 2004). Die bedeutende Rolle affektiver Vorbefunde für die Entstehung lang dauernder Schmerzen konnte in
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einer Untersuchung von 116 Patienten mit Knie-TEP herausgestellt werden. Eine andere Studie zeigte dies analog für präoperativ hohe Angstlevel. Präoperativ sollte die aktuelle Analgetikatherapie, insbesondere die Opioide, detailliert erhoben werden. Starke Opioide oder Benzodiazepine sollten perioperativ nicht abrupt abgesetzt werden, weil körperliche Entzugssymptome entstehen können. Bei Daueropioidtherapie besteht aufgrund zentraler neuroplastischer Änderungen eine erniedrigte Schmerzschwelle mit stärkerer Schmerzempfindung und höherem postoperativen Analgetikaverbrauch. Bei Vorliegen einer Toleranz ist trotz hoher Opioiddosierungen eine Atemdepression eher selten. Dennoch muss jeder Patient mit einer solchen Therapie ausreichend beobachtet werden. Die Dosis sollte titrierend und angepasst an die Schmerzstärke individuell ermittelt werden (Foley 1991). Regionale Analgesieverfahren sind postoperativ hinsichtlich der Prävention chronischer Schmerzen besonders vorteilhaft. Besonders deutlich wird dieser Effekt bei bereits vorliegenden neuropathischen Schmerzsyndromen, die ihrerseits einen Risikofaktor für die Chronifizierung von Schmerzen darstellen (Brander et al. 2003; Kehlet 1997; Kehlet u. Wilmore 2002).
8.2.2 Schmerztherapie und „Outcome“ Gerade im Zeitalter der DRG mit einer hohen ökonomischen Bedeutung, dem Wunsch nach einer kurzen Liegezeit, einem guten operativen bzw. rehabilitativen Ergebnis ist eine effektive postoperative Schmerztherapie von essenzieller Bedeutung, denn im Gegensatz zu einer systemischen Schmerztherapie beschleunigt die regionale Schmerztherapie die Rehabilitationszeit signifikant (Capdevila et al. 1999; Coley et al. 2002; Joshi u. Ogunnaike 2005; Mahoney et al. 1990; Morrison et al. 2003; Van Aken u. Rolf 1996; Zenz u. Tryba 1996). Allerdings hängt der Erfolg auch von einer suffizienten postoperativen Betreuung und Logistik ab. So sollte die postoperative Schmerztherapie immer mit dem pflegerischen und ärztlichen Stationspersonal und insbesondere mit den Physiotherapeuten abgestimmt werden, da sonst die Unterschiede zwischen den Verfahren verwischen (Moiniche et al. 1994).
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8.2.3 Systemische Schmerztherapieverfahren 8.2.3.1 Intravenöse patientenkontrollierte Analgesie (i.v.-PCA bzw. PCIA) Die intravenöse PCA über programmierbare Spritzenpumpen gewährleistet eine auf den individuellen Bedarf des Patienten abgestimmte Dosierung von Analgetika, in der Regel von stark wirksamen Opioiden. Eine gleichzeitige Therapie mit Nichtopioiden reduziert die Opiatdosis (Brodner u. van Aken 1998; Etches et al. 1995; Silvanto 2002). Nach Knieoperationen ist zur Mobilisation und Übungsschienenbehandlung gerade die Steuerung des Analgetikabedarfs durch den Patienten von Vorteil. Kommunikationseinschränkungen mit dem Patienten, z.â•›B. bei Demenz und Sprachproblemen, schränken die Anwendbarkeit der i.v.-PCA allerdings ein. Die Pumpen werden programmiert nach den Parametern ●⊑ Bolusdosis, ●⊑ Dosislimit, ●⊑ Sperrintervall, ●⊑ ggf. eine Basalrate (bei stark wirksamen Opioiden im Einzelfall abzuwägen wegen der Gefahr der Atemdepression), ●⊑ Bolusgeschwindigkeit und ●⊑ Loading-Dosis (nur bei intensiver Überwachung, z.â•›B. Wachstation). Die Verantwortung für die sachgerechte Programmierung der Pumpen liegt bei spezialisierten und eingewiesenen Mitarbeitern. Weder Patient noch weitere Mitarbeiter dürfen diese verändern. Zur PCA sind in Deutschland Piritramid, seltener Morphin oder Tramadol Standard. Tramadol kann im Rahmen des sog. Würzburger Schmerztropfes (Tramadol, Metamizol, Antiemetikum) auch als PCA verwendet werden. Hierbei ist eine Basalrate möglich, so dass der Nachtschlaf nicht durch Schmerzen gestört wird. Abgesehen um die Diskussion über die Wirksamkeit von Tramadol ist diese Substanz bezüglich der zentralen und emetogenen Nebenwirkungen gerade bei älteren Patienten bzw. Patienten mit einer antidepressiven Medikation
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von Nachteil (vgl. unten). Auch anderer Opioide sind prinzipiell zur PCIA geeignet, wie z.â•›B. Oxycodon. 8.2.3.2 Orale Schmerztherapie Nichtopioide. Untersuchungen zur postoperativen Versorgung mit Nichtopioiden liefern uneinheitliche Ergebnisse bezüglich der Verwendung von NSAID, Coxiben, Metamizol und Paracetamol. Einige Untersuchungen befürworten die präemptive Gabe von Nichtopioiden. Die Erfolgsraten der alleinigen Gabe von Nichtopioiden nach Knieoperationen betragen bis zu 70â•›%, was aber auch bedeutet, dass ein Drittel dieser Patienten unzureichend versorgt ist. Bezüglich des Nebenwirkungsspektrum erscheint die Gabe von Metamizol und Paracetamol vorteilhafter als der sauren nichtsteroidalen Antiphlogistika, wobei allerdings das oral applizierte Paracetamol als ein eher schwach wirksames Analgetikum zu bewerten ist. Trotz ihrer höheren Effektivität steht die Kurzzeitanwendung von NSAID und Coxiben wegen gastrointestinaler bzw. kardiovaskulärer Nebenwirkungen in der Diskussion (Griffin et al. 1988). Das häufigere Auftreten von gastrointestinalen und renalen Nebenwirkungen stellt eine gravierende Einschränkung dar, wobei ältere Patienten als Risikogruppe anzusehen sind (Galli u. Panzetta 2002; Hinz u. Brune 2000). Eine NSARTherapie sollte ausschließlich unter einer Prophylaxe mit Protonenpumpeninhibitoren erfolgen (Yeomans et al. 1997). Die Therapie mit „selektiven“ Zyklooxygenase-II-Hemmern beinhaltet zwar ein geringeres gastrointestinales Risiko, demgegenüber steht aber eine erhöhte Inzidenz von kardiovaskulären und zerebrovaskulären Komplikationen. Jüngere Veröffentlichungen deuten ein vergleichbares Risikoprofil von nichtselektiven und selektiven Zyklooxygenasehemmern an (Chen et al. 2004; Mukherjee et al. 2001; Nussmeier et al. 2006; Page u. Henry 2000). Laut Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (2004) bestehen wegen der Gefahr kardiovaskulärer Ereignisse Einschränkungen bei der Anwendung von Zyklooxygenasehemmern, insbesondere den selektiven Zyklooxygenase-II-Hemmern. Sie sind bei allen kardiovaskulären Risikopatienten kontraindiziert. Bei Patienten über 65â•›Jahren gilt eine strenge Indikationsstellung. Die Anwendung sollte nur so lange wie nötig erfolgen.
8â•… Anästhesie
121
Opioide. Im Gegensatz zu den Nichtopioiden zeigen Opioide keine organtoxischen Effekte (Laitinen et al. 1992). Verschiedene Studien zum perioperativen Einsatz von Opioiden behandeln Tramadol, Codein, Oxymorphon, Hydrocodon, Piritramid, schnell freisetzendes Fentanyl und Morphin in unterschiedlichen Applikationsformen (Banning et al. 1986; Cagney et al. 1999). Diese Quellen referieren zumeist im perioperativen Kontext den Einsatz niedrigerer Opioiddosen, da eine Abhängigkeit der Rate von Nebenwirkungen von der morphinäquivalenter Dosis vermutet wird. Unmittelbar postoperativ stellt zwar die intravenöse PCA mit Opioiden ein etabliertes und effektives Verfahren dar, aber laut Shang u. Gan (2003) besteht der Vorteil einer oralen Opioidapplikation in einer einfacheren und kostengünstigeren Anwendung, die zudem ebenso sicher und effektiv wie die intravenöse PCA sei (Oeltjenbruns u. Schäfer 2005). Orale Opioidtherapie. Zur oralen Opioidtherapie stehen in Deutschland aktuell mehrere Substanzen in verschiedenen galenischen Zubereitungen zur Verfügung. Tabelleâ•›8.2 beschreibt die oralen Zubereitungsformen. Es empfiehlt sich eine Therapie des Dauerschmerzes über die Retardzubereitung und die zusätzliche Gabe über eine schnell freisetzende Form bzw. Tropfen zur Coupierung von Schmerzspitzen bei Mobilisation oder vor Physiotherapie. Nichtretardierte Substanzen eignen sich auch zur Titration der erforderlichen Opioioid-Tagesdosis, um dann auf retardierte Präparate umzustellen. Dadurch werden konstantere Blutspiegel erreicht. Orales Tramadol. Tramadol wird sowohl als Retardpräparat als auch in Tropfenform vertrieben. Dieser µ-Agonist unterliegt nicht der Betäubungsmittelverordnung und stellt das in Deutschland am häufigsten verschriebene Opioid dar. Dennoch ist Tramadol bezüglich seiner Potenz und seines Nebenwirkungs-
Tabelle 8.2.↜ In Deutschland verfügbare Applikationsmöglichkeiten oraler Opioide
spektrums umstritten. So konnten Stubhaug et al. (1995) eine unzureichende Wirksamkeit dieses Opioides im postoperativen Verlauf nachweisen. Zudem schränkt eine hohe Inzidenz von Nebenwirkungen die Anwendbarkeit dieser Substanz ein (Liukkonen et al. 2002). Zusätzlich zeigt der µ-Agonist Tramadol über die Wiederaufnahmehemmung von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt einen dualen Wirkmechanismus. Damit besitzt dieser Stoff die Eigenschaften und Nebenwirkungen trizyklischer Antidepressiva und damit ein erhöhtes Interaktionspotential. Bei der gleichzeitigen Anwendung von Antiemetika, wie dem Ondansetron, kommt es dagegen zu einer Wirkabschwächung (Arcioni et al. 2002). Etwa 10â•›% der Bevölkerung Europas sind aufgrund eines genetischen Polymorphismus als „poor metabolizers“ mit einer Defizienz des Cytochrom 4502D6 anzusehen. In diesem Fall entsteht der analgetisch wirksame Metabolit des Tramadols, M1 ((+)O-Desmethyl/Tramadol) nicht in ausreichender Menge, so dass klinisch eine verminderte Wirksamkeit resultiert (Scott u. Perry 2000). Orales Hydrocodon. Hydrocodon ist in Deutschland ein nur selten eingesetztes Opioid. Eine Untersuchung zum Hydrocodon im postoperativen Bereich ließ keinen Unterschied der Effektivität dieses Opioids im Vergleich zum NSAR Ketorolac erkennen. Orales Tilidin-Naloxon. Auch Tilidin-Naloxon ist in Deutschland nicht betäubungsmittelpflichtig und wird in Retard- und Tropfenform angeboten. Tilidin ist ein Prodrug mit einem hohen First-pass-Effekt, das zu Nortilidin metabolisiert wird (Van Cauwenberge et al. 1992). Bei niereninsuffizienten Patienten bleibt die plasmatische Konzentration von Nortilidin unverändert, was die Sicherheit dieser Substanz bei einer Niereninsuffizienz erhöht. Bei chronischen Schmerzen im Rahmen einer Osteoarthritis ist zwar die orale An-
Opioid
Retardpräparat
Schnell freisetzende Tropfen Bukkal-tran- Intravemukosal nös Tablette
Tramadol
Ja
Nein
Morphin
Ja
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Nein
Ja
Hydromorphon Ja
Ja
Nein
Nein
Ja
Oxycodon
Ja
* (vgl. Text)
Nein
Nein
Ja
Fentanyl
Nein
Nein
Nein
Ja
Ja
122
8
wendung von Tilidin-Naloxon genauso effektiv und sicher wie der von Pentazozin, aber Daten zum postoperativen Einsatz dieser Substanz existieren nicht. Orales Morphin. Morphin ist als Tablette sowohl in retardierter als auch in schnell freisetzender Form und als Tropfen erhältlich. Der Einsatz der schnell freisetzenden Tablette führt zur Senkung des postoperativen intravenösen Opioidverbrauchs. Nach Kniegelenksoperationen stellt allerdings die orale postoperative Anwendung von Morphin gegenüber einer Regionalverfahren keinen Vorteil dar. Die Abbauprodukte des Morphins sind ihrerseits analgetisch effektiv sind und können Nebenwirkungen erzeugen. Die Metabolite Morphin-3- und Morphin-6-Glucuronid wirken gegensätzlich, da Morphin-6-Glucuronid analgetische Potenz besitzt, während Morphin-3-Glucuronid sogar algetisch wirkt. Bei einer renalen Funktionseinschränkung kann Morphin-6-Glucuronid kumulieren und zu deletären Nebenwirkungen wie z.â•›B. einer Atemdepression führen. Schnell freisetzende Fentanylzubereitungen. Hier stehen die buccal-transmucosale, sublinguale und intranasale Anwendung zur Verfügung (Ashburn et al. 1993; Lichtor et al. 1999). Allerdings besteht die Zulassung ausschließlich in der Anwendung bei Durchbruchsschmerzen bei einer Tumorerkrankung, so dass eine perioperative Anwendung derzeit off-label und wissenschaftlich nicht validiert ist. Orales Hydromorphon. Auch Hydromorphon liegt in Deutschland als Retardpräparat und schnell wirkende Zubereitung in Kapselform vor. Eine geringe Plasmaeiweißbindung bei nur geringer Bildung aktiver Metabolite könnte beim Einsatz dieses Opioid gerade bei geriatrischen oder multimorbiden Patienten vorteilhaft sein. Möglicherweise besitzt Hydromorphon gegenüber Morphin ein geringeres Potential von Opioidnebenwirkungen. Allerdings existieren momentan kaum Untersuchungen zur postoperativen Anwendung von Hydromorphon. Orales Oxycodon, Oxycodon-Naloxon. Mehrere Studien belegen die hohe Wirksamkeit von oralem Oxycodon bei Kreuzbandeingriffen oder Kniegelenksersatzoperation (de Beer et al. 2005; Sunshine et al. 1996). Es handelt sich um ein Retardpräparat, das eine zusätzliche schnelle Anflutungsphase aufweist. In einer niedrigeren Dosierung von oralen morphinäquivalent 10â•›mg (=5â•›mg Oxycodon) eignet es sich
S. Wirz
zur Akutbehandlung von postoperativen Schmerzen, wobei aus Sicherheitsgründen ein Zeitintervall eingehalten werden sollte (Cheville Al Chen et al. 2001). Das Nebenwirkungsspektrum von oralem Oxycodon weist gegenüber anderen Opioiden Vorteile auf. Es gibt Hinweise auf eine geringere Inzidenz von Nausea, Emesis und zentralen Symptomen im Gegensatz zu anderen Opioiden (Wirz et al. 2005). Die präemptive Anwendung von Oxycodon verringert signifikant Nebenwirkungsraten und Entlassungszeiten aus dem Aufwachraum. Der Zusatz von Naloxon vermindert die Wirksamkeit von Oxycodon nicht, minimiert aber das Zustandekommen einer postoperativen Obstipation. Sowohl die stationäre als auch die ambulante Anwendungsweise ist möglich.
8.2.4 Regionale Schmerztherapieverfahren in der postoperativen Phase Die Anwendung regionaler Techniken – ob neuroaxial oder peripher selektiv – ist gleichbedeutend mit Anästhesie- als auch Schmerztherapieverfahren. Somit gelten die o.â•›g. Indikationen oder Kontraindikationen. Auch regionale Verfahren sollten nach dem Prinzip der patientenkontrollierte Analgesie geführt werden. Sollte dies nicht möglich sein, sollte eine regelmäßige LA-Gabe nach Zeitplan mit gleichzeitiger Kontrolle des Schmerzniveaus erfolgen. Die Mehrzahl der arthroskopischen, endoprothetischen, anderer offenen Eingriffe am Kniegelenk ist sehr schmerzhaft, weshalb kontinuierliche Verfahren zur Schmerztherapie verwendet werden sollten. Die postoperative Schmerzintensität und die Häufigkeit von Komplikationen ist unabhängig vom operativen Zugangsweg (medialer trivector vs. parapatellarer Zugang; subvastus vs. medialer parapatellarer Zugang; Fisher et al. 1998). Zur postoperativen Analgesie sollte ein peripheres Doppelkatheterverfahren (Plexus lumbalis und sacralis bzw. N. femoralis und N. ischiadicus) angewandt werden, alternativ eine Periduralanalgesie. Periphere Katheterverfahren führen zu geringeren postoperativen Schmerzen oder zu einem reduzierten Opioidkonsum im Vergleich zu Plazebo oder keiner Therapie, was auch bei einer einmaligen N.-femoralis Blockade nachweisbar ist. Kontinuierliche Verfah-
8â•… Anästhesie
ren sind effektiver als Einmalinjektionen (Ganapathy et al. 1999; Salinas et al. 2006; Singelyn u. Gouverneur 2000). Bei peripheren Verfahren führt die zusätzliche Blockade des N. ischiadicus zu einer weiteren Schmerzreduktion als ein alleiniger N. femoralis oder PCB. Allerdings muss intraoperativ von einem Risiko einer Schädigung des N. ischiadicus ausgegangen werden. Daher empfiehlt sich zum Ausschluss nach der Blockade eine Kontrolle der Funktion des N. ischiadicus. Ein N.-femoralis-Katheter führt nicht sicher zur Analgesie im Bereich des N. obturatorius (Macalou et al. 2004). Eine zusätzliche Blockade des N. obturatorius kann notwendig werden. Eine kontinuierliche Plexus-lumbalis-Blockade schließt den N. obturatorius ein, führt aber nicht zu einer verbesserten Analgesie im Vergleich zu einer kontinuierlichen N.-femoralisBlockade. Es existieren nur wenige Untersuchungen zu Infektionen nach Anlage peripherer Katheter im postoperativen Zeitverlauf. Die Rate klinisch manifester Infektionen ist trotz häufiger Kolonisationseffekte gering. Dennoch sollten alle Katheter postoperativ regelmäßig inspiziert werden (Cuvillon et al. 2001). Eine Periduralanalgesie zeigt häufiger Nebenwirkungen (Hypotension, Miktionsstörungen). Sowohl die kontinuierliche Periduralanalgesie als auch periphere Katheterverfahren bewirken neben einer besseren postoperativen Schmerzkontrolle eine frühere Mobilisation und Rehabilitation und damit ein besseres funktionelles Ergebnis als eine systemische Opioidtherapie, weshalb eines dieser Verfahren zur Anwendung kommen sollte. Sollte dies nicht möglich sein, wird eine i.v.-PCA zur postoperativen Schmerztherapie empfohlen (Loper et al. 1990; Silvasti u. Pitkanen 2000). Grundsätzlich sollte die LA-Dosis postoperativ so eingestellt werden, dass der Patient zwar eine ausreichende Schmerzlinderung erfährt, aber die Tiefensensibilität nicht beeinträchtigt wird. So kann beispielsweise der Femoraliskatheter mit einer kontinuierlichen Dosis von 6–8â•›ml/h Naropin 0,2â•›% bestückt werden, werden parallel dazu der Ischiadikuskatheter eine achtstündige Bolusgabe von 10â•›ml Naropin 0,2â•›% erhält. Diese Dosierungen sind dennoch individuell einzustellen: Das operative Ergebnis kann bei einer zu hohen LA-Dosierung gefährdet sein, wenn der Patient durch eine zu starke motorische Blockade sturzgefähr-
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det ist oder z.â•›B. bei operativen Rekonstruktionen von Bändern im Kniebereich wegen „schmerzfreier“ unvorsichtiger Bewegungen Bandrupturen verursacht. Andererseits ist eine Unterdosierung im Verhältnis „Kosten-Nutzen-Risiko“ als ebenso zweifelhaft anzusehen. Auf jeden Fall ist die Notwendigkeit einer optimalen postoperativen Überwachung im Rahmen eines Akutschmerzdienstes gegeben (Schug u. Torrie 1993).
8.3 Fazit Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) definiert die perioperative Schmerztherapie als eine interdisziplinäre ärztliche Aufgabe. Der Patient hat einen Rechtsanspruch auf eine optimale Behandlung, nicht nur hinsichtlich der operativen Optionen, sondern auch einer suffizienten Schmerztherapie. Diese sollte standardisiert sein, abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten der verschiedenen Kliniken. Das Prinzip der patientenkontrollierten Analgesie kann sowohl systemisch als auch regional angewandt werden. Jeder Patient sollte schmerzfrei den Aufwachraum verlassen und im stationären Bereich durch einen Akutschmerzdienst weiter betreut werden. Alle am Akutschmerzdienst Beteiligten sollten regelmäßig geschult und weitergebildet werden (Kehlet 1997; Wagner et al. 2006; Zinganell u. Hempel 1993; ZylkaMenhorn 2004).
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Operation der Kniegelenksendoprothese H. Röhrig
9.1 OP-Planung Die Kniegelenksendoprothetik stellt heute unangefochten den Goldstandard zur Versorgung der fortgeschrittenen Kniegelenksarthrose dar. Haupterfolgskriterien sind neben der korrekten Implantatauswahl, die Implantatpositionierung und auch das ligamentäre Balancing. Aus diesem Grunde muss eine sorgfältige OP-Planung erfolgen, da die Aussage von Morris E. Müller: „Eine ungeplante Endoprothese ist eine geplante Katastrophe“ gerade für die Kniegelenksprothese uneingeschränkt gilt. Die allgemeine Vorbereitung eines Patienten zur Operation einer Kniegelenksendoprothese unterscheidet sich nicht von anderen elektiven Operationen. So ist neben der allgemeinen Anamnese und dem speziellen Krankheitsverlauf die Kenntnis von Vorerkrankungen wichtig, da dies z.â•›B. bei Rheumatikern unmittelbaren Einfluss auf die Wahl des Prothesenmodells haben kann. Zunehmend wichtiger wird die Frage nach vorbestehenden Metallallergien sowie bei frühzeitigen Lockerungen die Möglichkeit des Vorliegens einer PMMA-Allergie (Allergie auf Benzyperoxid, dem Starter der Polymerisationsreaktion). Weiterhin wichtig ist die Labordiagnostik der Infektparameter zum Ausschluss präexistenter Infekte. Zur zeichnerischen OP-Planung erfolgen Röntgenaufnahmen vom Kniegelenk im Stand auf langer Platte (z.â•›B. 20â•›×â•›40â•›cm) in 2 Ebenen mit entsprechendem Maßstab, eine axiale Patellaaufnahme sowie eine Ganzbeinstandaufnahme a.-p. (Buckwalter et╯al. 2004; Cushner et╯al. 2005; Dalury et╯al. 2009; Duncan et╯al. 2006). Im Rahmen der Planung wird die Differenz zwischen mechanischer und anatomischer Achse des
Femurs gemessen und später am Instrumentarium eingestellt. Bei korrektem Maßstab kann die Prothesengröße vorher bestimmt werden. Ebenso kann die definitive Achsausrichtung geplant und damit notwendige Korrekturen bereits präoperativ durchdacht werden. Hier sieht der Operateur, ob eine Rekonstruktion von Knochendefekten oder das Vorhalten von Spezialimplantaten erforderlich ist. Bei der präoperativen Planung muss das zu verwendende Material (Spongiosa, Knochenersatzmaterialen, Keile, Wedges etc.) bekannt und die Verfügbarkeit gewährleistet sein (Whittaker et╯al. 2008). Zeigt die patellare Röntgenaufnahme eine deutliche Lateralisation der Patella, so muss mit einem zusätzlichen Eingriff am lateralen Patellaretinakulum gerechnet werden, um den patellaren Lauf zu korrigieren (Abb.â•›9.1). Im Rahmen der klinischen Untersuchung sind insbesondere die Erfassung der Bandstabilität und der Korrigierbarkeit der Fehlstellung wichtig. Diese haben Einfluss auf die Implantatwahl sowie die Zugangswahl. Der Zustand der Anschlussgelenke, die Integrität der langen Röhrenknochen müssen erfasst werden. Etwaige vorausgegangene Knochenbrüche, Fehlstellung bei geplanter Stielversorgung oder Prothesen an Anschlussgelenken müssen einkalkuliert werden. Bei Bandstabilität der Seitenbänder und des hinteren Kreuzbandes können kreuzbanderhaltende Oberflächenprothesen zum Einsatz kommen. Bei einer erhaltenen Seitenbandstabilität und Insuffizienz des hinteren Kreuzbandes benötigt man ein posterior stabilisiertes System, das die Instabilität des hinteren Kreuzbandes ersetzen kann. Hierbei muss dann direkt die gleichzeitig notwendige tibiale Stielversorgung bedacht werden. Eine notwendige Seitenbandunterstützung kann durch ein teilgekoppeltes System („semi-
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_9, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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Abb.╛9.1.╇ Achsmessung in Ganzbeinstandaufnahme
constrained“) realisiert werden. Kommt eine solche Prothese zum Einsatz, so sollte auch ein femoraler Stiel zur Anwendung kommen, damit die auf das ZementInterface wirkenden Scherkräfte abgefangen werden. Im Rahmen von knöchernen Fehlstellungen können
Abb. 9.2.↜渀 Planung Tibia
H. Röhrig
dann sog. Offset-Adapter notwendig werden, um eine korrekte Implantatpositionierung zu erzielen. Muss die gesamte Gelenkstabilität auf die Prothese übertragen werden, so können voll gekoppelte Systeme („hinge/rotating hinge“) zum Einsatz kommen (Sikorski 2008; Whiteside 2004). Auch diese Prothesen sind obligat mit einer Stielverankerung zu koppeln, wobei ggf. wieder die Verwendung von Offset-Adaptern notwendig wird. Ziel der Planung ist es, normale Achsen am Kniegelenk in allen Ebenen wieder herzustellen, so dass die mechanische Achse des Beins durch die Mitte des Kniegelenks zu liegen kommt (Miculicz-Linie). Gleichzeitig muss das Kniegelenk von seiner Bandführung her ausgeglichen balanciert werden. Alle hierzu notwendigen Operationsschritte können hierbei im Voraus bedacht werden (Abb.â•›9.2 und 9.3). Die Messergebnisse und Achsverhältnisse werden auf den Messblättern mit dem Namen des Patienten dokumentiert. Ebenso sollte die zeichnerische Planung zu den Patientenakten geheftet werden (Kohn u. Rupp 2000; Lüring et╯al. 2005). Aufklärung.╇ Der Patient muss bei der Indikationsstellung zur Operation bereits über Wesen und Art des Gelenkersatzes informiert werden. Dabei sollten auch die möglichen Risiken und Komplikationen angesprochen werden. Am Aufnahmetag zur Operation müssen im Aufklärungsgespräch Details mit dem Patienten besprochen werden. Die Aufklärung muss 24â•›h vor dem geplanten Eingriff erfolgen.
9â•… Operation der Kniegelenksendoprothese
129
Abb. 9.3.↜渀 Planung Femur
Zum Aufklärungsgespräch gehören auch der Verlauf der Operation und der postoperative Heilungsprozess. Die Möglichkeiten der intra- und postoperativen Komplikationen und Schädigungen müssen eingehend besprochen werden (Mandalia et╯al. 2008). Hüft- und Kniegelenksimplantation sind nicht unbedingt vergleichbar. Der postoperative Verlauf und die Rekonvaleszenz bei der Hüftendoprothese ist sehr viel schneller und wird vom Patienten einfacher empfunden. Beim Kniegelenk muss der Patient im Besonderen darauf hingewiesen werden, dass die Erholungsphase in der Regel etwas langsamer verläuft, es sollte sich jedoch eine ständige Verbesserung ergeben. Schwellung, leichte Überwärmung und Ergussbildung können je nach Aktivität des Patienten über mehr als 3–6â•›Monate anhalten. Die Risiken, über die der Patient aufgeklärt werden muss, gliedern sich in allgemeine und spezielle OP-Risiken. Die allgemeinen Risiken treffen für jeden operativen Eingriff zu, die speziellen beziehen sich explizit auf den geplanten Eingriff. Zu den allgemeinen Risiken zählen die Blutung, Nachblutung, Thrombose, Embolie, Lungenentzündung, Verletzung von Gefäßen mit transfusionspflichtiger Blutung, Verletzung von Nerven mit nachfolgender Gefühlsstörung oder Lähmung sowie Weichteil-, Knochen- und Gelenkinfektionen. Zu den speziellen Risiken zählen der Implantatinfekt, der Implantatbruch, der Implantatverschleiß (PE-Abrieb), die septische oder aseptische Implantatlockerung, eine verbleibende Bewegungs-
einschränkung, eine Patellamalfunktion mit Lateralisation, eine Bandauslockerung. Der Patient muss darüber informiert werden, dass diese Komplikationen eine Revisionsoperation unter Umständen notwendig machen. Auch wichtig sein kann der Zusatz „Erweiterung der Maßnahmen falls intraoperativ notwendig“ um in trotz guter Planung unvorhergesehenen Situationen im Sinne des Patienten entscheiden zu können. Der Patient muss bewusst das auf ihn Zukommende nachvollziehen können. Zur schriftlichen Dokumentation sind die handelsüblichen Aufklärungsbögen zu verwenden, wobei zu empfehlen ist, dass die besprochenen Risiken vom aufklärenden Arzt handschriftlich vermerkt sind. Auf dem Aufklärungsbogen müssen Datum und Uhrzeit vermerkt sein. Der Patient bestätigt dann mit seiner Unterschrift, dass er die Operation, den Operationsablauf und die Komplikationen verstanden hat (Lidgren et╯al. 2004). Bewährt hat sich die Durchführung einer Markierung der zu operierenden Extremität mit Filzstift, um eine Seitenverwechslung im OP auszuschließen.
9.2 Lagerung und Abdeckung Bei der Knieendoprothesenimplantation ist ein häufiger Lagewechsel von Streckung und Beugung bei den einzelnen Operationsschnitten notwendig. Die
130
9
H. Röhrig
9.3 OP-Technik 9.3.1 OP-Zugänge
Abb. 9.4.↜渀 Abdeckung Knie-TEP
Beweglichkeit der Extremitäten muss gewährleistet sein. Bewährt hat sich die Lagerung mit einer Rolle zum Aufstellen des Beines in 90° unter Verwendung einer Seitenstütze. Die Blutsperre muss so angelegt werden, dass man mit der Sterilität nach dem Abwaschen und Abdecken nicht in Konflikt kommt. Das Auswickeln kann steril oder unsteril erfolgen. Bei Verwendung einer Blutsperre muss beim Abwaschen darauf geachtet werden, dass keine Desinfektionslösung in die Blutsperre läuft (Abb.â•›9.4). Zur Abdeckung werden heute standardisierte Sets, Textil oder Einmalpapierabdeckung verwendet (UTücher). Diese haben den Vorteil, dass sie mit integrierten Klebestreifen eine sichere, unverrutschbare Fixation gewährleisten und steriles Arbeiten sicher möglich ist. Der Fuß selbst muss als Orientierungspunkt so abgedeckt werden, dass die Mitte des OSG in a.-p.Richtung und der zweite Strahl als Fixpunkt erkennbar bleibt. Hier empfiehlt sich bei extramedullärer Ausrichtung das Abwaschen des Fußes und Abdecken in großen Handschuhen. Das Verwenden von Inzisionsfolien bleibt optional, da keine signifikanten Vorteile bekannt sind. Wird eine intramedulläre Tibiaausrichtung verwandt, muss der Fuß nicht obligat mit abgewaschen werden und kann bis Mitte des Unterschenkels in eine sterile Tüte (z.â•›B. Stockinette®) verpackt werden. Weiterhin kann die Markierung des Hüftmittelpunktes präoperativ hilfreich sein. Hierzu kann eine handelsübliche EKG-Klebeelektrode verwandt werden, die unter BV-Verwendung über dem Hüftkopfzentrum aufgeklebt werden. So markiert, kann intraoperativ die Beinachse, z.â•›B. unter Verwendung des Kauterkabels, überprüft werden.
Für die Implantation von Knieendoprothesen gilt der mediane Zugang zum Kniegelenk als Standard. Der Hautschnitt erfolgt wie angezeichnet von ca. 2 Querfingern proximal des oberen Patellapols bis zum oberen Anteil der Tuberositas tibiae (Abb.â•›9.5). Subkutan wird das mediale Retinakulum dargestellt und parapatellar das Knie eröffnet. Die Inzision läuft von der distalen Tuberositas tibiae bis zum Vastus-medialis-Ansatz, der parapatellar durchtrennt und der Schnitt dann in die Quadrizepssehne verlängert wird (Abb.â•›9.6). Die Patella kann dann weggeklappt und muss nicht evertiert werden. Hierdurch soll eine höhergradige Schädigung des Streckapparates vermieden und nachfolgend eine bessere Streckkraft gewährleistet werden (Abb.â•›9.7).
Abb. 9.5.↜渀 Gezeichneter Standardzugang
Patella Fascia cruris
Abb. 9.6.↜渀 Mediale Umschneidung
Lig. patellae
9â•… Operation der Kniegelenksendoprothese
131
Corpus adiposum infrapatellare
Abb. 9.9.↜渀 Lagerung des Beins in einem Beinhalter bei der VMO-Snip-Technik
Capsula articularis Membrana fibrosa Patella
Capsula articularis Membrana synovialis
Abb. 9.7.↜渀 Weggeklappte Patella
Diese wird, soweit notwendig, eventuell sogar bis auf ganze Länge längs des Faserverlaufs gespalten. Hierbei empfiehlt sich, mit der Spaltung primär zurückhaltend zu sein, um bei Überführung des Beines in Beugung die maximal notwendige Spaltung durchzuführen. Die laterale Umschneidung des Retinakulums erfolgt in der Regel bei einer Valgusarthrose mit einer Fehlstellung von über 15°, um einen besseren Zugang zum lateralen Bandapparat und dem dort in der Regel notwendigen Bandrelease zu bekommen. Der sicherlich am häufigsten verwandte minimal invasive Zugang ist der Midvastuszugang (Abb.â•›9.8; Laskin 2004). Dieser auch VMO-Snip genannte Zugang (Bonutti 2003) beginnt 1–2â•›cm medial der Patella und wird bis proximal der Tuberositas tibiae geführt. Der Zugang wird dann nach proximal nicht bis in den proximalen Bereich der Quadrizepssehne geführt, sondern der Vastus medialis wird im Faserverlauf gespalten. Hier-
durch sind in Streckung die kranialen, in Beugung die distalen Gelenkanteile zugänglich. Eine Prothesenimplantation ist bei diesem Zugang nur mit speziellen Hebeln und verkleinerten Schnittblöcken möglich. Aufgrund der deutlich reduzierten Übersicht eignet sich dieser Zugang nur für den erfahrenen Chirurgen oder unter Verwendung eines Navigationssystems. Optimalerweise findet bei dieser OP-Technik die Lagerung des Beines in einem Beinhalter statt (Abb.â•›9.9). Ein weiterer minimiert invasiver Zugang ist der Subvastuszugang. Dieser unterscheidet sich vom Midvastuszugang nur dadurch, dass der Schnitt unterhalb und nicht im Vastus medialis nach medial geführt wird und somit der Muskel nicht verletzt wird (Abb.â•›9.10). Insgesamt scheint durch die minimiert invasiven Zu-
Lig. cruciatum anterius
M. vastus medialis
Condylus medialis femoris
Abb. 9.8.↜渀 Medial parapatellarer Hautschnitt für Midvastuszugang
Abb. 9.10.↜渀 Übersicht über das Gelenk bei Midvastuszugang
132
9
gänge lediglich die Zugangsmorbidität etwas gesenkt zu werden. Als Nachteil hat sich eine schwierigere Weichteilbalancierung und Ausrichtung der Kniegelenksachsen gezeigt (Cushner et╯al. 2005; Lüring et╯al. 2005; Neyret et╯al. 2008). Für die minimal-invasiven Zugänge sind entsprechend verkleinerte Instrumentarien notwendig, da hier nicht mehr von ventral nach dorsal gearbeitet werden kann, sondern von anteromedial nach lateral. Schwieriger wird die Situation, wenn Voroperationen bereits erhebliche Narbenbildung am Kniegelenk hinterlassen haben. Diese Narben sind ggf. in die Hautinzision mit zu integrieren, um Nekrosen des Integuments zu vermeiden. Entscheidet man sich für die quadrizepsschonenden Techniken, so liegt der Hautschnitt parapatellar medial. In maximal vernarbten Situationen kann eine Osteotomie der Tuberosita tibiae oder eine V-Y-Quadrizepsplastik durchgeführt werden, falls eine Dislokation der Patella schwierig zu bewerkstelligen ist (Cushner et╯al. 2005). Hiermit gewinnt man die notwendige Übersicht, ohne eine unkontrollierte Schädigung des Streckapparates zu riskieren.
9.3.2 OP-Technik bei Standardsituationen Grundsätzlich lassen sich zwei Standardsituationen unterscheiden: Die Tibia-first-Technik bzw. die Femur-first-Technik. Sie werden durch die Modellverwendung und das dazugehörige Instrumentarium bestimmt. Beide Systeme bieten Vor- und Nachteile. Vorteil des Femur-first-Systems ist eine unabhängige Präparation von Femur und Tibia und somit eine maximal knochensparende Operationstechnik. Die Entfernung der resezierten Tibia ist, aufgrund des zugeschnittenen Femurs, deutlich erleichtert. Da die Präparation der beiden Knochen unabhängig voneinander erfolgt, sind die möglichen Fehlerquellen größer. Die Bandstabilisierung erfordert somit mehr Erfahrung. Die Tibia-first-Methode beginnt mit der tibialen Resektion. Bei den meisten Systemen baut dann die femorale Resektion auf der tibialen Resektion auf. Die Entfernung der resezierten Tibiascheibe ist aufgrund der noch vorhandenen dorsalen Kondylen schwieriger.
H. Röhrig
Dann kann jedoch unter Verwendung von Spacern oder aktiven Balancesystemen die Balancierung des Kniegelenks einfacher als bei der Femur-first-Technik durchgeführt werden. Ein Nachteil kann der Aufbau des Femurschnittes auf der resezierten Tibia sein. Findet keine perfekte Balancierung der Kniegelenksbänder statt, so kann durch die aufeinander aufbauenden Schnitte eine Fehlresektion mit nachfolgender knöcherner Balancierung erfolgen. Der Zugang unterscheidet sich bei den beiden Techniken nicht. Seitens der Implantationstechnik gibt es deutliche Unterschiede in Abhängigkeit vom verwandten Prothesenmodell. Die nachfolgende OPBeschreibung bezieht sich nun auf eine Femur-firstOperation bei der häufigsten Arthroseart, der medial betonten Pangonarthrose. Die Bilder zeigen eine Genesis-2®-Implantation. Nach medialem Zugang zum Kniegelenk erfolgt das erste Release in der Regel am lateralen Kollateralband am Tibiakopf. Hier sollte sparsam vorgegangen werden. Es erfolgt sodann die Resektion der hypertrophen Synovialis, wobei femoral die Schaftachse sichtbar werden sollte. Eine vollständige Synovialektomie des oberen Rezessus ist nicht unbedingt notwendig und auch nicht anzuraten, da nach vollständiger Synovialektomie postoperativ Beugedefizite zu beobachten sind. Dann erfolgt die Mensikusresektion soweit sichtbar und die Entfernung des vorderen Kreuzbandes. Osteophyten am Femur sowie im Bereich der Notch werden abgetragen. Zur Verbesserung der Subluxation des Tibiakopfes nach vorn kann das Semimembranosuseck frei präpariert werden (Neyret et╯al. 2008). Der Hoffa’sche Fettkörper wird im Sinne einer Synovektomie teilreseziert. Eine vollständige Resektion ist in der Regel nicht notwendig. Liegen kontrakte Verhältnisse vor, kann es notwendig sein, das hintere Kreuzband zu balancieren. Ist der Lift-off des Tibiaplateaus in Beugung nicht zu beherrschen, so kann es notwendig sein, das hintere Kreuzband zu resezieren und eine posterior stabilisierte Prothese zu verwenden (Abb.â•›9.11). Nach vorsichtigem Release der Patella an der Tuberositas tibiae mit Resektion der Bursa subpatellaris lässt sich die Patella zur Seite wegklappen. Zum Schutz der Seitenbänder werden kurze Hohmann-Hebel medial und lateral um das Tibiaplateau eingebracht. Größere Osteophyten an der Patella, insbesondere im kaudalen Bereich, sollten vorher abgetragen werden.
9â•… Operation der Kniegelenksendoprothese
Abb. 9.11.↜渀 Lift-off bei zu straffem HKB
Dann erfolgt die femorale Markraumeröffnung mittels eines Pfriems/Bohrers kurz oberhalb der Notch (Abb.â•›9.12). Durch Einführen des Markraumführstabes mit einer femoralen Ausrichtleere erfolgt die femorale Schnittausrichtung (Abb.â•›9.13). Hierbei kann die Ausrichtung anhand der dorsalen Kondylenlinie, der Epikondylarlinie sowie der Whiteside-Linie erÂ�folgen. Bei der Größenbestimmung ist auf ein korrektes Boxmaß sowie auf die Vermeidung eines femoralen Notchings zu achten. Im dorsolateralen Gelenkeck ist darauf zu achten, dass die Popliteussehne nicht verletzt wird, da dies zu einer Erweiterung des lateralen Beugespalts führt. Schnittblockgeführt erfolgt nun die Zurichtung des Femurs, wobei immer auf ein korrektes Anliegen der Schnittblöcke zu achten ist. Nach erfolgter Zurichtung des Femurs wird der korrekte Sitz der Prothese mittels eines Probeimplantats geprüft (Abb.â•›9.14). Wichtig ist das Abtragen der auf dem Röntgenbild erkennbaren dorsalen Osteophyten, um ein Impingement bei Beugung zu verhindern (Abb.â•›9.15). Nach fertiger femoraler Präparation erfolgt die Tibiapräparation. Für die Darstellung der Tibia existie-
133
ren verschiedene Hebel (Retraktoren), die das ventrale Luxieren der Tibia erleichtern und durch ihr Design im Sägevorgang das hintere Kreuzband und die Gefäß-Nerven-Straße schützen. Bereits in diesem Schritt können ein dorsales Relese und die Abtragung dorsaler Tibiaosteophyten durchgeführt werden (Buckwalter 2004). Danach erfolgt die Referenzierung des Tibiaschnittes über eine intra- oder extramedulläre Ausrichtung. Bei der intramedullären Ausrichtung wird der Tibiamarkraum am Ansatz des vorderen Kreuzbandes eröffnet und ein intramedullärer Ausrichtstab eingeführt. Die intramedulläre Ausrichtung eignet sich insbesondere bei geplanter Stemverwendung und Patienten, bei denen die Tibiavorderkande nicht gut darstellbar ist (Abb.â•›9.16). Alternativ kommt die extramedulläre Ausrichtung zum Einsatz. Hierbei wird ein Stab parallel zur Tibiavorderkante, durch die Sprunggelenksmitte, zielend auf den 2. Strahl, ausgerichtet. Je nach Instrumentarium ist der Slope in das Prothesensystem integriert oder muss separat eingestellt werden (Abb.â•›9.17). Die Festlegung der Resektion erfolgt über Fühlersysteme. Nun erfolgt die tibiale Resektion. Bei der Resektion kann man das hintere Kreuzband über einen ins Tibiaplateau eingeschlagenen Steinmann-Nagel schützen. Ziel der Osteotomien ist eine Herstellung von gleich weitem Extensions- und Beugespalt. Die Femurkomponente muss zur Epikondylenlinie in Außenrotation implantiert werden, um eine gutes Patellagleiten zu gewährleisten (Duncan et╯al. 2006; Kirschner u. Lützner 2008; Eike u. König 2000). Flexions- und Extensionsstellung der Femurkomponente sind zu vermeiden. Nach Durchführung sämtlicher Schnitte und Entfernung der Restmeniski kann mit Spacern das Band-Alignement überprüft und angepasst werden (Lüring et╯al. 2005; NIH 2004; Whiteside 2004). Die Knochenbohrungen für die Verankerungselemente des Tibiaplateaus werden mit den entsprechenden Schablonen eingebracht. In der Regel werden bis 9â•›m m Tibikopfgelenkfläche reseziert. Dies richtet sich nach der jeweiligen Implantatdicke. Sind der Extensions- und Flexionsspalt gleich weit, kann mit der Testimplantation fortgefahren werden. Wichtig ist, dass bei voller Streckung und 90° Beugung stabile Verhältnisse ligamentär gewährleistet sind und der Bewegungsumfang voll möglich ist. Sind Beuge- und Streckspalt zu eng, kann an der Ti-
134
9
Abb. 9.12.↜渀 Femorale Markraumeröffnung
H. Röhrig
Lig. cruciatum anterius
Lig. cruciatum posterius
Patella
Meniscus medialis
bia nachreseziert werden. Ist der Beugespalt zu eng und der Streckspalt normal weit, wird der Tibia-Slope überprüft. Dieser sollte ca. 5° betragen. Bei Verwendung einer kleineren Femurkomponente kann an den dorsalen Kondylen nachreseziert werden. Ist der Beugespalt zu weit, kann eine größere Femurkomponente mit Aufbau der dorsalen Femurkondylen angewandt werden. Zum Abschluss der Standardsituation wird die Patella behandelt. Ziel dieser Behandlung ist, ein gutes Gleiten der Patella zu ermöglichen, ohne Verkippung nach lateral oder medial. Nach Abtragung der Osteophyten kann denerviert werden, indem Verwachsungen rund um die Patella mit dem Elektrokauter gelöst werden. Dabei kann auch eine Inzision am lateralen distalen Patellapol des Retinakulums zu einer Verbesserung des Gleitweges mit Lockerung der Patella lateral führen. Nach Implantation der Probe-
Meniscus lateralis
prothese sollte die Patella ohne Verschluss der Retinakula bereits sicher auf dem vorgegebenen Weg gleiten. Wird eine Patellarückfläche implantiert, muss man auf die ursprüngliche Dicke der Patella achten. Bei der Implantation der originalen Prothese ist bei zementierten Modellen die Drittgenerationszementiertechnik zu beachten. Der Knochen muss mit der Jet-Lavage vorbereitet werden. Verwendet wird vorgekühlter, vakuumangerührter Zement. Die Zementaushärtezeit wird beachtet, überstehender Zement wird entfernt. Der eröffnete femorale Markraum sollte mit Knochen verschlossen werden, um ein tiefes Penetrieren des Zements in den Femurmarkraum zu verhindern. Das Retinakulum wird mit resorbierbaren Material in Einzelkopftechnik wasserdicht verschlossen. Vor Verschluss des Retinakulums muss die Blutsperre geöffnet werden, um Blutungen zu koagulieren und eine Verletzung der Poplitealarterie sicher auszuschließen.
9â•… Operation der Kniegelenksendoprothese
135
Abb. 9.15.↜渀 Abtragung dorsaler Osteophyten mit gebogenem Meißel
Abb. 9.13.↜渀 Femorale Ausrichtung
Abb. 9.14.↜渀 Fertig zugerichtetes Femur
Abb. 9.16.↜渀 Intramedulläre Ausrichtung
136
9
Abb. 9.17.↜渀 Extramedulläre Tibiaausrichtung
9.3.3 OP-Technik bei anatomischen Besonderheiten Die anatomischen Besonderheiten sind zu gliedern in Veränderungen am Knochen und an Weichteilen. Sie können angeborene Deformitäten mit hypoplastischen oder hyperplastischen Veränderungen an den Femurkondylen oder Tibiakopf sowie an der Patella sein. Erworbene Schäden sind Verschleiß, Zystenbildung oder Tumoren mit Knochenverlust. Resultieren können Fehlstellungen in der Frontalebene und Sagittalebene, Instabilitäten, Knochendefektsituationen, Kontrakturen in Flexion oder Extension sowie Einschränkungen in der Funktion des Streckapparates. Posttraumatische Schäden können im Bereich des Kniegelenks ebenfalls zu erheblichen Veränderungen im o.â•›g. Sinne führen und müssen beachtet werden. Kniegelenksnahe Frakturen, die in Fehlstellung verheilt sind, müssen berücksichtigt und entsprechend
H. Röhrig
behandelt werden, um den Kniegelenksersatz in anatomisch korrekter Position einbringen zu können. Bei erhaltenem Bandapparat sind Knochenverluste zu ersetzen, um postoperative Stabilität gewährleisten zu können. Eventuell sind Osteotomien durchzuführen, die mit Stielprothesen stabilisiert werden. Eine sichere Verankerung im guten Knochen muss gewährleistet sein. Längere Zeit bestehende Veränderungen an den Weichteilen können ebenfalls zu erheblichen Deformierungen im Kniegelenk führen. Im der präoperativen Planung ist es notwendig, die Ausmaße der Fehlstellung korrekt zu erfassen, um die notwendigen Release-Techniken anwenden zu können. Die Durchblutung und der Verlauf von Gefäßen sollten mit präoperativer Diagnostik, eventuell Angiographie, geklärt sein. Besonderes Augenmerk ist auf Narbenbildung durch Voroperationen oder traumatische Veränderungen der Weichteile zu lenken. Lappenbildung bei der Hautinzision oder zu geringe Abstände zu alten Narben beim Anlegen von neuen Hautschnitten sind zu vermeiden. Wenn möglich, sollten immer alte Narbenzugänge benutzt werden oder in die Inzision integriert werden, um durchblutungsgeschwächte Inseln im Integuement zu vermeiden. Sollten solche entstehen, würde dies unweigerlich zu Nekrosen führen (Cushner et╯al. 2005). Sind von vornherein Probleme mit der Hautdurchblutung, besonders im Schienbeinkopfbereich, zu erwarten, muss auch eine sichere Weichteildeckung mit gestielten Muskellappen, in der Regel der mediale Gastroknemiuskopf, in Erwägung gezogen werden. Entscheidend sind immer ein sicherer infektfreier Verschluss und ein sicherer Hautverschluss über der Prothese.
9.3.3.1 Valgusdeformität Bei besonders starker Valgusdeformierung bei hypoplastischen Femurkondylen und Kontrakturen kann ein lateraler Zugang mit oder ohne Tuberositas-tibiaeOsteotomie die Operation übersichtlicher gestalten. Bei der Tuberositasosteotomie ist darauf zu achten, dass der entnommene Span mit dem Ligamentum patellae groß genug ist, um diesen wieder sicher verankern zu können. Bewährt hat sich die Methode nach Blauth mit einer Spanlänge von ca. 6â•›cm und einer Dicke von 1,5â•›cm (Cushner et╯al. 2005). Alle intrakap-
9â•… Operation der Kniegelenksendoprothese
sulären Verklebungen und Verwachsungen können reseziert oder durchtrennt werden. Im lateralen Bereich kann es durchaus notwendig sein, auch den Tractus ileotibialis zu inzidieren. Zu beachten ist, dass auch die Scarpaefasern des Septum intermuskulare erheblich kontrakt oder verkürzt sein können und deshalb in einem solchen Falle auch durchtrennt werden müssen. Eine Verlängerung des Tractus iliotibialis wird ca. 10â•›cm oberhalb dem Tuberculum Gerdii in einer schräg nach oben steigenden Inzision angelegt, so dass nach Ausheilung wieder eine tragende Funktion entstehen kann. Um den Valgusausgleich bei kontrakten Bandstrukturen im dorsolateralen Bereich zu erreichen, wird von vielen Autoren ein Ablösen des lateralen Seitenbandapparat am proximalen Ansatzpunkt empfohlen. Dies führt aber unweigerlich zu einer lateralen Instabilität, die nur schlecht kompensierbar ist (Cushner et╯al. 2005). Ein anderes Verfahren beschreibt ein Versetzen des Bandansatzes mit Ansatz des Popliteus durch eine Osteotomie (nach Brilhault et╯al. 2002). Bei dieser Osteotomie wird ein scheibenförmiges Knochenstück von der lateralen Wange des Femurkondylus ca. 1,5â•›cm dick in a.-p.Richtung osteotomiert. Sie kann dann nach dorsal und distal disloziert und mit einer stabilen Schraubenosteosynthese verankert werden. In der postoperativen Phase ist die Knochenbruchheilung, die ca. 6â•›Wochen in Anspruch nimmt, zu berücksichtigen (Neyret et╯al. 2008). Aufgrund der bei Valgusdefomitäten bestehenden dorsalen Kondylendefizite muss insbesondere bei dorsal referenzierten Systemen auf einen manuellen Ausgleich der Dysplasie geachtet werden, um eine Fehlpositionierung des Femurschildes zu verhindern.
9.3.3.2 Varusdeformität Die Varusdeformität ist im Grunde die Standarddeformität in der Knieendoprothetik. Sie ist auch technisch am einfachsten zu beherrschen. Präoperativ müssen die Ausgradbarkeit und das Ausmaß des Streckdefizits evaluiert werden. Bei der Varusdeformität genügt in der Regel zur Balancierung des Gelenks ein einfaches Weichteil-Release medial und dorsal. Bei ausgeprägt kontraktem Kniegelenk kann es notwendig sein, den dorsomedialen Seitenbandapparat stufenweise zu lösen. Als erster Schritt
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wird dabei der Femurkondylus aus seinen Verwachsungen gelöst und das dorsomediale Gelenk bis proximalen Seitenbandansatz präpariert. Dann wird das Semimembranosuseck freipräpariert und der Ansatz des ligamentokapsullären Semimembranosus durchtrennt. Das mediale Seitenband kann dann am dorsomedialen Gelenkeck nach distal weiter freipräpariert werden, bis eine Korrektur der Fehlstellung gelingt (Cushner et╯al. 2005; Kohn u. Rupp 2000; Neyret et╯al. 2008). Durch den breitflächigen Ansatz des Seitenbandes, das bis 10–12â•›cm nach distal reichen kann, ist eine Reinsertion bei entsprechender Nachbehandlung wieder möglich. Eine Vollbelastung bei implantierter Prothese unter Vermeidung von Varus-Valgus-Stress und Rotation ist für mindestens 6â•›Wochen notwendig. Hierbei eignen sich bewegliche Schienen (z.â•›B. Donjoy®) sehr gut zur Stabilisierung des Kniegelenks.
9.3.4 Weichteilbalancierung Viele Autoren betrachten das Implantieren einer Knieendoprothese nicht so sehr als Knochenoperation, sondern halten die Behandlung der Weichteile für wesentlich wichtiger (Lidgren et╯al. 2004; Lüring et╯al. 2005), um die Stabilität bei der Oberflächenprothese ohne Kopplung zu gewährleisten. Ziel der Weichteilbalancierung ist es, den Beuge- und Streckspalt in der gleichen Weite zu erhalten. Ein stufenweises Vorgehen ist bis zur Ausbalancierung ist notwendig, um eine zu starke Auslockerung der Bänder zu verhindern. Das Überprüfen des Beuge- und Streckspalts mit einem Spacer kann sehr hilfreich sein. Die Popliteussehne, die Integrität der lateralen und medialen Kollateralbänder sowie deren Bandansätze sind bei Release-Manövern von entscheidender Bedeutung, da bei Durchtrennung erhebliche Instabilitäten auftreten, die dann nur durch einen höheren Kopplungsgrad kompensiert werden könnten. Besteht ein kontraktes hinteres Kreuzband, so fällt ein tibiales Lift-off bei der Probeprothese auf. In diesem Fall kann das hintere Kreuzband gelockert werden. Dies geschieht vorzugsweise femoral, da der femorale Bandansatz in 90° Beugung zugänglich ist und so stufenweise ein Release bis zum Verschwinden des Lift-offs durchgeführt werden kann (Cushner 2005). Ist ein Ausgleich des Lift-off bei zu kontraktem hinteren Kreuzband
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nicht möglich, so kann dieses reseziert werden. Dann muss jedoch die HKB-Stabilität auf die Prothese übertragen werden (Posterior-stabilised-Prothese). In Beuge- und Streckstellung lässt sich durch Zug am Unterschenkel dann das erreichte Ausmaß des Weichteil-Release ermitteln, um die notwendige Resektion unter Beachtung der Rotation der Femurkomponente abzuschätzen. Mit einem Tensorgerät, wie es von Freeman entwickelt und von anderen Autoren beschrieben wurde, kann die Spannung gemessen und verifiziert werden (Lüring et╯al. 2005; Whiteside 2004). Dabei ist die Achsausrichtung des Kniegelenks in Streckstellung gut zu überprüfen. Zum Aufheben der Varuskontraktur kann dann das mediale Seitenband nach Durchtrennung des Semimembranosusecks am Tibiakopf schrittweise nach distal gelöst werden, um eine sichere Balancierung zu erreichen. Das bei Varusdeformitäten häufig vorhandene Streckdefizit hat seine Ursache in einer kontrakten dorsalen Kapsel. So müssen hier auch primär die posteriore Kapsel und die posteromediale Ecke released werden. Ziel muss eine Minimierung des Knochenverluste sein. Bei Standardimplantationen ohne wesentliche Deformitäten wird so ein gleich weiter Streck- und Beugespalt erreicht und die Prothese kann problemlos eingelegt werden. Sollte es dennoch zu Differenzen im Streckund Beugespalt sowie medial und lateral kommen, so ist die Kenntnis über die Beeinflussung des Beugeund Streckspalts durch die Bänder und Resektionen unabdingbar (Sharkey et╯al. 2002; Whiteside 2004). Eine symmetrische Erweiterung des Beuge- und Streckspalts erreicht man durch tibiale Knochenresektion sowie ein Release der dorsalen Kapsel. Hierbei wird diese mit einem gebogenen Meißel vom Femurkondylus abgeschoben. Hierbei ist die Lage des Gefäßnervenbündels zu bedenken, um Verletzungen zu verhindern. Eine isolierte Vergrößerung des Beugespalts erreicht man durch Resektion im Bereich der dorsalen Kondylen (kleineres Femurschild!)
9.3.5 Rekonstruktion von Knochendefekten In der primären Endoprothetik können grundsätzlich alle Defektformen am Tibiakopf und Femur, wie sie aus der Revisionschirurgie bekannt sind, vorkommen. Günstig zu behandeln sind die zentralen Defekte mit erhaltener Kortikalis („contained defect“). Schwie-
H. Röhrig
riger zu behandeln sind die randständigen Defekte mit Teilverlust oder Verlust der Kortikalis. Der Verlust der stabilen Kortikalis bedingt den Verlust von lasttragenden Elementen. Bei ausgeprägten Arthrosen kann es auch zu Verlust zu ganzen Knochensegmenten kommen, die knöchernen oder alloplastischen Wiederaufbau benötigen. Für den Aufbau und die Wiederherstellung der Stabilität können autologe Knochen oder/und Knochenersatzmaterialien verwendet werden. Dazu stehen folgende Materialien zur Verfügung. ●⊑ Spongiöser und kortikaler Knochen der resezierten Anteile, autologer Beckenknochen oder autogener Fremdknochen und die allogenen eiweiß- und zellfreien heterologen Knochen sowie Kunstknochen wie Tricalciumphosphatkeramik, die in jeder Menge zur Verfügung stehen. ●⊑ Strukturelle Transplantate (Strutgrafts), die ebenfalls autolog, autogen und in Kunstknochen zur Verfügung stehen. ●⊑ Keile, Blöcke, die aus Zement oder Metall vorgefertigt werden und in die Defekte stabil eingepasst werden können. ●⊑ Bei der Behandlung von größeren Knochendefekten ist eine Stielverankerung der Prothese notwendig (Cushner et╯al. 2005; Whittaker et╯al. 2008). ●⊑ Zementauffüllung. Zu große Zementmengen für die Verankerung sollten vermieden werden, da es schnell zu Lockerungen kommt, besser sind die Kombinationen aus Spacern und Knochenmaterial, die mit Zement sicher verankert werden können. Ein wichtiger Bestandteil für das Einheilen aller Transplantate ist das Vorhandensein eines ersatzstarken Lagers mit guter Durchblutung. Die eburnisierten Knochendefektgrenzen müssen deshalb aufgebohrt und von Bindegewebe oder Zystenmaterial befreit werden, damit eine anschließende Kapillareinsprossung in das Transplantat gewährleistet ist. Dies führt zu Um- und Einbau des Transplantats. Ebenso ist für Stabilität der Implantate zu sorgen. Bei größeren Defekten sollte deshalb eine Stielverankerung gewählt werden, um die Transplantate zu schützen. Insbesondere femoral kann eine Stielverankerung bei hoher femoraler Antekurvation dann schwierig sein, wenn das verwendete Implantat nur einen geraden femoralen Stiel besitzt. In einem solchen Fall hilft die Planung, um ggf. individuell angefertigte gebogene Schafte für die Operation bereit zu halten.
9â•… Operation der Kniegelenksendoprothese
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Um die biologische Wertigkeit der allogenen, heterologen und alloplastischen Transplantate zu erhöhen, kann eine Kompositerstellung mit autologer Spongiosa und dem Aspirat aus dem Beckenkamm hergestellt werden. Bei den „contained defects“ hat sich die Auffüllung in der Exetermethode bewährt (Whittaker et╯al. 2008). Dies führt zu einer schichtweise komprimierten Spongiosa, die dann auch gewisse mechanische Stabilität gewährleistet. Strukturelle Implantate müssen ebenfalls durch Osteosynthesen (Zugschraubenosteosynthesen) so verankert sein, dass genug Stabilität und Ruhe zum Einbau gewährleistet ist. Dasselbe gilt auch für die Implantation von Keilen und alloplastischen Segmentstücken, die mit der Prothese und dem Knochen fix verankert werden müssen, um keine Abriebproblematik zu erzeugen.
zielt werden können. Von allen wird eine schnellere Rehabilitation mit weniger Problemen bei der Mobilisation beschrieben. Derzeit kann angenommen werden, dass bei Einhaltung der Grundregel wie perfektes Alignement und Positionierung der Prothesenteile in Zusammenhang mit einer sicheren minimal-invasiven Technik (so minimal-invasiv wie möglich) gute Ergebnisse erzielt werden können. Bei Schwierigkeiten sollten die Zugänge erweiterbar sein, um über Standardzugänge zu einem guten Ergebnis zu kommen.
9.4 Computerassistierte Operation/ Navigation
Minimal-invasive Knieendoprothetik.╇ Die minimalinvasive Chirurgie hat sich in allen Bereichen der Chirurgie weiterentwickelt. Vorteil in der Knieendoprothetik ist, dass die Weichteilstrukturen besonders des Extensionsapparates geschont werden und damit ein besseres funktionelles Ergebnis erzielt werden kann (Dalury et╯al. 2009; Mandalia et╯al. 2008). Nachteil all dieser minimal-invasiven Verfahren ist die schlechtere Übersicht und damit auch verbundene schlechte Einsicht und Bestimmung der Landmarken für die Achsausrichtung und Bestimmung der Resektionslinie. Die Zugänge haben sich aus den konventionellen Standardzugängen entwickelt. Zur Anwendung kommen die Miniarthrotomie mit Minivastus, Midvastus, der Subvastus und die Quadrizepssparingtechniken. Für gute Ergebnisse bei diesen Zugängen ist es notwendig, eine gewisse Patientenselektion zu betreiben, das heißt, der Patient muss geeignet sein für den Zugang. Die MisZugänge haben zur Entwicklung neuer Instrumentarien geführt. Diese verändern die bekannte Schnittgeometrie und bedingen eine erneute Lernkurve beim Operateur. Das Arbeiten von der Seite ist gewöhnungsbedürftig: Ein Abweichen des Sägeblatts lässt sich schwierig kontrollieren. Möglicherweise hilft hier die Navigation zur Bestimmung der Achse weiter, um ein regelrechtes Alignement zu erreichen (Lüring et╯al. 2005), da die visuelle Bestimmung der Landmarken erschwert ist. Zu beachten ist folgende Empfehlung: Das Erlernen der Standardtechnik ist zuerst notwendig, um sich dann den minimal-invasiven Techniken zuzuwenden. Bisher sind keine evidenzbasierten Arbeiten bekannt, die klar zeigen, dass bessere Langzeitergebnisse er-
Ziel der Navigation ist die Verbesserung des intraoperativ erzielten Alignements der implantierten Gelenkpartner. Hierzu existieren auch mittlerweile einige hochrangige Studien, die den Vorteil der Navigation in dieser Hinsicht im Vergleich zur konventionellen OP-Technik beschreiben (Anderson 2005; Bolognesi u. Hofmann 2005). Über den klinischen Nutzen bei verlängerter OPZeit, höherem technischen Aufwand und höheren Kosten ist jedoch bisher wenig bekannt. Auch gibt es keine signifikanten Daten bezüglich eines verbesserten Langzeit-Outcome nach navigierter Knieendoprothetik. Von den entwickelten Systemen haben sich am Markt die sog. bildfreien Systeme durchgesetzt. Hierbei visualisiert das Computersystem mittels stereoskopischer Kamera und zweier Fixpunkte (Steinmann-Nagel mit Markern tibial und femoral) die beweglichen Gelenkpartner. Die individuelle Anatomie erlernt das Computersystem intraoperativ durch Abtasten des Situs und nachfolgendem Erlernen des Hüftdrehzentrums, der Sprunggelenksmitte und der präoperativ vorhandenen Beinachse. Unter Kenntnis der individuellen Anatomie kann dann das Computersystem das Ergebnis der Schnitte bereits vor Durchführung bei Verwendung markierter Instrumentarien vorweg nehmen (Abb.â•›9.18). Fehler in der Schnittblockpositionierung können so bereits vor Knochenresektion visualisiert und korrigiert werden. Die OP-Durchführung bleibt, im Gegensatz zu den früher in der Hüftendoprothetik verwandten Robotern, vollständig in der Hand des Chirurgen.
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H. Röhrig
Abb. 9.18.↜渀 Navigationsbildschirm mit Achsen
A
9.0 mm
6.5 mm
L
P
Extension: 2.0° Extension Balancing
Max: 9.0 mm
Varus: 2.0o
Abb. 9.19.↜渀 Orthopilot, Fa. Aesculap
Max: 8.0 mm
Press “Store’’ to record extension settings for calculation of the femoral implant position.
Extension
2.2o
Varus
1.9o
Ext.Space
8.8mm(Med) 6.7mm(Lat)
Store
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Die meisten am Markt befindlichen Navigationssysteme arbeiten mit der Tibia-first-Technik. Mit Hilfe dieser Technik lässt sich die Achsausrichtung des Implantats im Vergleich zur konventionellen Technik verbessern, was auch in Metaanalysen bewiesen ist (Abb.â•›9.19; Bauwens 2007). Sinnvoll erscheint diese Technik insbesondere dann, wenn die Visualisierung des OP-Situs schwierig ist. Dies ist bei minimal-invasiven Zugängen sowie ausgeprägtem Weichteilmantel der Fall. Das Wissen um die „perfekte“ Bandspannung ist immer noch nicht evidenzbasiert. Die Navigation kann jedoch bei der Erzielung eines symmetrischen Streck- und Beugespalts hilfreich sein (Abb.â•›9.20; Lüring 2006). Hierbei wird jedoch nur die Implantatpositionierung positiv beeinflusst. Probleme wie Zementaustritt mit intraartikulär verbleibenden Zementresten aufgrund mangelnder Übersicht sind beschrieben und durch die Navigation nicht zu beeinflussen. Des Weiteren können gerade bei Anwendung der Technik des mobilen Fensters die Referenzsterne lockern und somit die Resektionen ihre Genauigkeit verlieren (Tracker-Morbidität). Insgesamt kann die Na-
9â•… Operation der Kniegelenksendoprothese
Abb. 9.20.↜渀 Navigierter Tibiaschnittblock
vigation also die Implantatlage verbessern, Fehlpositionierungen sind jedoch durch sie nicht ausgeschlossen. Vor Verwendung der Navigation sollte der Chirurg erfahren in konventioneller OP-Technik sein, um im Falle eines technischen Defekts die Operation in hoher Qualität beenden zu können. Wie alle neuen OPTechniken unterliegt der Chirurg bei Einführung des Systems einer Lernkurve.
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Knieendoprothetik bei Tumoren M. Balke und G. Gosheger
War vor noch ca. 30â•›Jahren die Standardtherapie bösartiger kniegelenksnaher Tumoren die Oberschenkelamputation, so können heutzutage nahezu alle Patienten beinerhaltend operiert werden. Solange die Regeln der weiten Resektion gemäß Enneking et al. (1980) eingehalten werden, ist die Lokalrezidivrate vergleichbar mit der nach ablativen Verfahren (Campanacci et al. 1981), so dass Amputationen oder Umdrehplastiken kaum noch notwendig sind. Zu Beginn der Ära der Tumorprothesen wurden für jeden Fall einzeln angefertigte Spezialimplantate verwendet. Diese brachten jedoch gravierende Nachteile mit sich. Zum einen war die Anfertigung sehr teuer, zum anderen auch zeitintensiv. Die Herstellung dauerte in der Regel ca. 6â•›Wochen, so dass teilweise der optimale operative Zeitpunkt für die Resektion des Tumors nicht eingehalten werden konnte und sich so die Prognose deutlich verschlechterte. Ein weiterer Nachteil war die fehlende intraoperative Variationsmöglichkeit nach Fertigstellung des Implantats. Nicht selten stellte sich während der Operation die exakte Größe oder z.â•›B. der Schaftdurchmesser anders dar als zuvor am Röntgenbild geplant, die Möglichkeit der Implantatänderung bestand jedoch nicht. Dies führte zu einer teilweise schlechteren Funktion und frühzeitigem Versagen der Prothese. Um Patient und Operateur zufriedenzustellen, waren also neue Implantate nötig, die ohne intensive präoperative Planung bei vertretbaren Kosten innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung standen, eine breite intraoperative Variationsmöglichkeit boten und so eine Anpassung auf die jeweilige individuelle anatomische Situation ermöglichten. Diesen Ansprüchen werden die modernen modularen Tumorprothesensysteme gerecht. Die Modulari-
tät macht die individuelle Rekonstruktion knöcherner Defekte jeglicher Größe möglich, ohne Kompromisse in der Stabilität und Haltbarkeit eingehen zu müssen. Obwohl in der Regel junge und körperlich sehr aktive Patienten betroffen sind, die extreme Ansprüche an das Material und die Verankerung stellen, ist in den letzten 30â•›Jahren die 5-Jahres-Überlebensrate der Megaendoprothesen von ca. 20â•›% auf 85â•›% deutlich angestiegen (Mittermayer et al. 2001). Dieses Kapitel soll einen Überblick über die Indikationen der Knieendoprothetik bei Tumoren geben, anhand eines modularen Prothesensystems die generellen Operationsschritte darstellen und Grundsätze der Weichteilrekonstruktion sowie des peri- und postoperativen Managements beschreiben.
10.1 Indikationen für extremitäten- erhaltende Tumorchirurgie Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung des Prothesenmaterials und der operativen Techniken steigt die Anzahl der Patienten, die extremitätenerhaltend operiert werden können, konstant an. Die klassische Indikation für Tumorprothesen ist ein ausgedehnter knöcherner Defekt nach weiter Resektion eines bösartigen primären Knochentumors der metadiaphysären Region, meist an der unteren Extremität. Tumorprothesen finden jedoch auch Verwendung bei solitären Knochenmetastasen spezieller Primärtumoren (z.â•›B. Nierenzellkarzinom) oder zur Rekonstruktion nicht tumorbedingter knöcherner Defekte, wie sie nach
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_10, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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Frakturen oder nach Explantation einer infizierten Prothese bestehen können. Viele bisherige Kontraindikationen für die Prothesenimplantation müssen heutzutage neu überdacht werden.
10.1.1 Infiltration des Kniegelenks/ Streckapparats Das Kniegelenk selbst ist nur selten vom Tumor betroffen, sondern in der Regel nur indirekt beteiligt. Eine direkte Kontamination des Gelenks besteht gelegentlich aufgrund einer fehlplazierten Biopsie, einem Tumorwachstum entlang der Kreuzbänder oder pathologischen Frakturen. Eine Ausbreitung des Tumors entlang der extraartikulären Bänder oder Kapselstrukturen besteht nur sehr selten. Falls eine Kontamination des Gelenks vorliegen sollte, ist der Extremitätenerhalt jedoch immer noch möglich. Allerdings ist dann zur Erreichung der onkologischen Sicherheit eine extraartikuläre Resektion, d.â•›h. eine En-bloc-Resektion des gesamten Gelenks mit Halbierung der Patella ohne Eröffnung der Gelenkkapsel, notwendig. Die anschließende Rekonstruktion, insbesondere die Weichteildeckung und Wiederherstellung eines suffizienten Streckapparates, ist dann jedoch wesentlich schwieriger. Auch wenn große Anteile der Quadrizepsmuskulatur reseziert werden müssen, kann in vielen Fällen gleichwohl eine Tumorprothese verwendet werden. Verschiedene Muskelschwenklappen wie z.â•›B. aus dem M. biceps femoris, den Adduktoren und v.â•›a. aus dem M. gastrocnemius ermöglichen die plastische Deckung der Prothese. Zur Wiederherstellung der aktiven Streckfähigkeit des Kniegelenks können der Streckapparat und das Lig. patellae gemeinsam mit den entsprechenden Schwenklappen an synthetischen Materialen, wie z.â•›B. dem Mutars®Anbindungsschlauch oder dem LARS-Ligament (aus Polyester; Dominkus et al. 2006), refixiert werden. Diese sind fest mit der Prothese verbunden und ermöglichen so die sichere Reinsertion der Muskulatur am Implantat. Sollte die resultierende Stabilität insbesondere bei höheren Belastungen nicht ausreichen, kann durch den Einsatz einer zusätzlichen externen Orthese vor allem die Überstreckung im Kniegelenk vermieden und so eine zufriedenstellende Funktion erreicht werden.
M. Balke und G. Gosheger
10.1.2 Infiltration von Gefäßen/Nerven Eine Gefäßinfiltration (z.â•›B. der A. femoralis oder A. poplitea) gilt häufig noch als Kontraindikation für den Extremitätenerhalt. Die Durchführung eines Gefäßersatzes z.â•›B. durch ein Dacron- oder Veneninterponat nach Resektion des betroffenen Gefäßabschnitts kann jedoch auch in diesen Fällen meist eine Prothesenimplantation ermöglichen und den Patienten vor ablativen Eingriffen wie Amputationen oder Umdrehplastiken bewahren. Direkte Infiltration wichtiger Nerven (N. peroneus, N. femoralis, N. ischiadicus) durch den Tumor ist sehr selten. In den meisten Fällen kann der Nerv bei Verdrängung durch den Tumor aus dem Perineureum herausgelöst werden, das als guter Sicherheitsabstand fungiert. In vielen Fällen lässt sich auch nach Resektion eines Nerven (z.â•›B. N. peroneus) mit einer entsprechenden Schienenversorgung (Peroneusfeder) eine gute Funktion erzielen, so dass auch bei der insgesamt sehr seltenen Nervenbeteiligung der Beinerhalt überdacht werden sollte. Sekundär kann, nach Überleben des Patienten, ein M.-tibialis-posterior-Transfer zur Wiederherstellung der Fußhebung durchgeführt werden.
10.1.3 Multiple Biopsiezugänge/ intraläsionale Voroperationen Als einzige absolute Kontraindikation für den Extremitätenerhalt mit einer Tumorprothese gilt das Vorliegen multipler Biopsiezugänge bzw. Operationszugänge intraläsionaler Voroperationen, so dass eine plastische Deckung nach vollständiger Resektion nicht mehr möglich ist. Dies ist jedoch als absolute Rarität anzusehen.
10.2 Implantatwahl Mittlerweile sind mehrere modulare Tumorprothesensysteme verschiedener Hersteller auf dem Markt, die sich im Allgemeinen sehr ähneln, teilweise jedoch auch
10â•… Knieendoprothetik bei Tumoren
bedeutende Unterschiede aufweisen. Allen Systemen gemeinsam ist der modulare Aufbau, in der Regel bestehend aus zementiert oder zementfrei zu implantierenden Schäften, die dann mit dem entsprechenden modularen Ersatz des resezierten Knochens und dem Gelenkmechanismus verbunden werden. Bezüglich der Möglichkeiten der Weichteilrekonstruktion gibt es jedoch große Unterschiede. Das GMRS™ (↜Global Modular Replacement System) von Stryker® versieht die Prothesen z.â•›B. mit spezielle Oberflächen bzw. Ösen, die ein Verwachsen der Ligamente mit dem Metall gewährleisten sollen. Zum Teil wird auch eine Kombination der Prothese mit einem Allograft durchgeführt, der dann zur Refixation der Weichteilstrukturen dient. Aufgrund der damit verbundenen deutlich erhöhten Infektionsgefahr werden Allografts in Deutschland jedoch sehr zurückhaltend verwendet. Das von uns standardmäßig verwendete Tumorprothesensystem ist das „Modular Universal Tumor and Revision System“ (Mutars®) der Firma Implantcast® (Buxtehude). Das modulare Design ist seit 1992 im Einsatz und wurde an der Universitätsklinik Münster entwickelt. Aufgrund seiner Modularität erlaubt dieses System eine individuelle Rekonstruktion knöcherner Defekte jeglicher Größe, nicht nur nach Tumorresektionen, sondern auch nach Frakturen oder infektbedingter Implantatentfernung (Tab.â•›10.1, Abb.â•›10.1). Die knöcherne Verankerung des Prothesenschafts geschieht zementiert oder zementfrei. Aufgrund des sechseckigen Querschnitts ist eine sichere Schaftverankerung mit exzellenter primärer Rotationsstabilität
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von 70â•›Nm (im Median) möglich. Das Schaftdesign für das distale Femur erzielt zusätzliche Stabilität durch Berücksichtigung der physiologischen Antekurvation. Nach Aufbohren des Knochens gewährleisten entsprechend vorgeformte, ebenfalls hexagonale Raspeln die genaue Passform und sichere „Pressfit“-Verankerung. Das Mutars®-System verwendet für die zementfreie Verankerung Hydroxylapatitbeschichtete Titanschäfte (Titanlegierung TiAl6V4), deren gebräuchlichste Schaftlänge 12â•›cm beträgt. Der Durchmesser wird anhand digitaler Röntgenbilder individuell geplant, sollte jedoch aufgrund der notwendigen Stabilität 12â•›m m Kerndurchmesser möglichst nicht unterschreiten. Eine zementierte Verankerung (CoCr-Gusslegierung) wird meistens bei älteren Patienten (über 60â•›Jahre) bzw. bei Osteoporose z.â•›B. durch lange präoperative Immobilisierung und/oder neoadjuvante Chemotherapie notwendig, empfiehlt sich jedoch auch, wenn eine „Press-fit“-Verankerung in der metadiaphysären Region nicht möglich ist. Alle Prothesenmodule sind an ihren Verbindungsstellen mit einer Stirnverzahnung versehen, wodurch die Rotation auch nach fester Verankerung der Schäfte in 5°Schritten sehr genau eingestellt werden kann. Durch dieses System lassen sich Rotationsfehler vermeiden und ggf. nachkorrigieren. Zur Wiederherstellung der Länge des entfernten Knochens stehen Verlängerungshülsen in 2-cm-Schritten zur Verfügung. Diese sind ebenfalls mit einer Stirnverzahnung versehen und werden nach korrekter Einstellung und Überprüfung der Rotation mit dem Gelenkanteil und mit dem Schaft verbunden und durch Schrauben fixiert.
Tabelle╯10.1.╇ Komponenten und Rekonstruktionslängen der Mutars®-Tumorprothesen des Kniegelenks â•› Komponenten Rekonstruktionslänge Ab 100â•›mm Distales Femur •â•‡ Kurvierter Femurschaft •â•‡Modulares distales Femur mit PE-Gleitfläche und Verbindungsstück für Femurschaft •â•‡ Tibiaplateau •â•‡ Evtl. Patellarückflächenersatz Proximale Tibia •â•‡ Schaft für Femuroberflächenersatz Ab 50â•›mm •â•‡ Femuroberflächenersatzimplantat mit Verriegelungsmechanismus •â•‡Modulare proximale Tibia mit PE-Gleitfläche und Verbindungsstück für Tibiaschaft •â•‡ Evtl. Patellarückflächenersatz Totales Knie •â•‡ Kurvierter Femurschaft Mit distalem Femur ab •â•‡Modulares distales Femur oder KRI (Knierevisionsimplantat) mit 120â•›mm (femoral 100â•›mm, VerrieÂ�gelungsmechanismus tibial 20â•›mm) mit KRI ab •â•‡ Modulare proximale Tibia mit PE-Gleitfläche und Verbindungsstück 70â•›mm (femoral 50â•›mm, •â•‡ Tibiaschaft tibial 20â•›mm) •â•‡ Evtl. Patellarückflächenersatz
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Extension sowie ein gewisses Maß an Rotation bei gleichzeitiger Stabilisierung bei Varus-/Valgusstress und Bewegungen in der anterior-posterioren Ebene. Dieser Erhalt wichtiger Bewegungsmöglichkeiten reduziert die Übertragung der Verwindungskräfte auf die Schaftverankerungen und Gelenkmechanismen und senkt somit die Lockerungsrate und den Verschleiß der Polyethylenteile (Grimer et al. 1999). Die Weichteilrekonstruktion und die sichere Refixierung von Sehnen und Muskeln gelingt durch die Verwendung eines Mutars®-Anbindungsschlauches aus Polyethylenterephthalat (PET), wie im Kapitel „Weichteilrekonstruktion“ beschrieben (Gosheger et al. 2001). Für spezielle Indikationen stehen gesonderte Prothesenbeschichtungen zur Verfügung. Zur Prävention allergischer Reaktionen ist bei entsprechendem Verdacht eine Titannitrit-Beschichtung erhältlich. Aufgrund der hohen Infektionsgefahr der Megaendoprothesen wurde eine spezielle antibakterielle Silberbeschichtung (Mutars®-Silver) entwickelt, die für eine signifikante Reduktion der Infektionsraten bisher ohne relevante Nebenwirkungen verantwortlich zu sein scheint (Gosheger et al. 2004; Hardes et al. 2007). Sollten trotz der zahlreichen Variationsmöglichkeiten Sonderanfertigungen oder spezielle Adapter zur Kombination mit anderen Prothesensystemen nötig sein, so sind diese in relativ kurzer Zeit bei der Prothesenfirma (Implantcast®) erhältlich.
Abb. 10.1a, b.╇ Mutars® -Tumorprothesen des Kniegelenks: a distales Femur, b proximale Tibia, c totales Knie, jeweils ohne Verlängerungshülsen. In a femoral und b tibial ist die Hydroxylapatit-Beschichtung der Schäfte zu erkennen. In a ist der neue asymmetrische Tibia-Schaft abgebildet
Endoprothetischer Ersatz unter Einbeziehung des Kniegelenks erfordert eine außergewöhnliche Kombination aus Flexibilität und Stabilität, insbesondere da sowohl die Kreuz- als auch die Seitenbänder reseziert werden müssen. Der Gelenkersatz besteht aus einem gekoppelten Rotationskniegelenk („rotating hinge“) und dem PEEK-Optima®-Schloss, das eine deutlich höhere Stabilität als Polyethylen aufweist. Der Einsatz eines „rotating hinge“ erlaubt eine Flexion und
10.2.1 Distales Femur Das distale Femur ist die häufigste Lokalisation für maligne Knochentumoren (insbesondere Osteosarkome). Bis vor ca. 20â•›Jahren war die Standardtherapie für solche Tumoren die hohe Oberschenkelamputation oder Umdrehplastik. Aufgrund der heutzutage in der Regel früheren Diagnosestellung, der neoadjuvanten Chemotherapie und der Weiterentwicklung insbesondere der modularen Tumorprothesen können ca. 95â•›% dieser Patienten extremitätenerhaltend operiert werden. Sofern die Regeln der weiten Resektion gemäß Enneking et al. (1980) eingehalten werden, entspricht die Lokalrezidivrate im Wesentlichen der der Amputation bzw. Umdrehplastik. Die sehr guten funktio-
10â•… Knieendoprothetik bei Tumoren
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Abb. 10.2.╇ Kosmetisches und funktionelles Ergebnis nach Refixierung des Streckapparates am Mutars®Anbindungsschlauch nach Rekonstruktion der proximalen Tibia
nellen Ergebnisse und die hohen Langzeitüberlebensraten der modernen Tumorprothesen führen zu einer hohen Patientenzufriedenheit, so dass bei Tumoren des distalen Femurs der Einsatz modularer Prothesen als Standard angesehen werden kann.
10.2.2 Proximale Tibia Nach dem distalen Femur ist die proximale Tibia am zweithäufigsten von bösartigen Knochentumoren betroffen. Aufgrund der besonderen chirurgischen und technischen Probleme wurden Tumoren dieser Lokalisation in der Vergangenheit häufig amputiert. Aufgrund der speziellen Anatomie, der Nähe zu den Gefäßen und Nerven (N. peroneus) und v.â•›a. der schwierigen Weichteildeckung und Rekonstruktion eines suffizienten Streckapparats stellen extremitätenerhaltende Tumorresektionen an der proximalen Tibia auch heutzutage noch eine Herausforderung dar. Die unmittelbar subkutane Lage der proximalen Tibia ist für die relativ hohe Infektionsgefahr im Zusammenhang mit Wundnekrosen/Wundheilungsstörungen verantwortlich. Die routinemäßige Durchführung einer Gastroknemius-Schwenklappenplastik und der Einsatz eines Mutars®-Anbindungsschlauchs sowie die spezielle antibakterielle Silberbeschichtung (Mutars®Silver) führen zu deutlich reduzierten Infektionsraten und erleichtern die funktionelle Rekonstruktion. Auf-
grund der Weiterentwicklung sowohl der Operationstechniken als auch der modularen Prothesen sind bei entsprechender Erfahrung des Operateurs auch diese Tumoren beinerhaltend und mit einer guten Funktion in der Regel operabel. So lässt sich z.â•›B. wie im Kapitel „Weichteilrekonstruktion“ beschrieben, die Patellarsehne gemeinsam mit dem Gastroknemius-Schwenklappen sehr gut am Mutars®-Anbindungsschlauch refixieren und so die aktive Streckfähigkeit des Kniegelenkes wiederherstellen (Abb.â•›10.2). Abgesehen von den bisher genannten Problemen muss sich der Operateur bei weiten Resektionen der proximalen Tibia noch mit einem weiteren Gelenk, dem proximalen Tibiofibulargelenk befassen. Dieses wird in aller Regel en bloc mitreseziert, da es verhältnismäßig häufig invadiert ist und sein Erhalt keine wesentlichen Funktionsverbesserung darstellt.
10.2.3 Totales Knie Sollte der seltene Fall eines Tumorbefalls sowohl des distalen Femurs als auch der proximalen Tibia bzw. Skip-Läsionen des jeweils angrenzenden Gelenkteils vorliegen, so besteht die Möglichkeit, beide o.â•›g. Komponenten zum „totalen Knie“ zu kombinieren. Das „totale Knie“ findet neben den Tumoren auch bei extensivem Knochenverlust z.â•›B. nach Explantation einer infizierten Prothese Verwendung.
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M. Balke und G. Gosheger
10.3 Weichteilrekonstruktion Das funktionelle Ergebnis einer Tumorprothese ist direkt abhängig von den nach der Resektion noch zur Verfügung stehenden funktionstüchtigen Weichteilen und Muskeln. Die wesentlichen Ziele der Weichteilrekonstruktion sind zum einen die spannungsfreie Deckung der Prothese und zum anderen die Wiederherstellung der muskulären Funktion und Stabilität. Hierbei sollte die Indikation zu einer Muskelschwenklappenplastik (v.â•›a. an der proximalen Tibia) großzügig gestellt werden, da eine vollständige muskuläre Deckung der Prothese die hohe Gefahr von Wundnekrosen und Infektionen minimiert. Um adäquate Resektionsgrenzen zu erreichen, müssen bei Tumorresektionen des distalen Femurs meist auch Anteile der Quadrizepsmuskulatur mit entfernt werden. Wenn die verbliebene Muskulatur keine zufriedenstellende Funktion des Gelenks gewährleistet, können Teile des M. quadriceps mit einer Hamstring-Plastik ersetzt werden. Der M. biceps femoris eignet sich hervorragend zum Transfer auf den anterioren Prothesenteil und erleichtert so die plastische Deckung. Um den medialen Prothesenteil zu bedecken und zum Teil die Funktion eines evtl. resezierten M. vastus medialis zu ersetzen, eignet sich sehr gut der M. sartorius. Die Muskellappenplastiken spielen auch eine große Rolle in der Stabilisierung und dem „realignment“ der Patella, insbesondere dann, wenn eine extraartikuläre Resektion mit Ersatz des gesamten Kniegelenks notwendig war. Zur plastischen Deckung der Prothese hat sich die Durchführung einer primären Gastroknemius-Schwenklappenplastik als Standard etabliert (s. Abb.â•›10.4). Hierbei stehen je nach Resektion sowohl der mediale als auch der laterale Anteil zur Verfügung. Um die aktive Funktion des Kniegelenks wiederherzustellen, ist insbesondere nach Rekonstruktionen der proximalen Tibia eine sichere Refixierung der Muskeln und Sehnen an der Prothese notwendig. Beim Mutars®-System gelingt dies durch die Verwendung eines PET-Anbindungsschlauchs, der um die Prothese gespannt und fest vernäht wird (Abb.â•›10.3). Dieser Anbindungsschlauch dient ebenfalls der Refixierung des Gastroknemius-Schwenklappens. Eine Refixierung des Lig. patellae in Kombination mit dem Gastroknemius-Schwenklappen (Abb.â•›10.4), führt zu
Abb.╛╛10.3.╇ Implantation einer Mutars® -Tumorprothese der proximalen Tibia mit Anbindungsschlauch nach weiter Tumorresektion. a Tibialer Absetzungsrand (↜1), fibularer Absetzungsrand (↜2), popliteales Gefäß-/Nervenbündel (↜3) und N. peroneus (↜4). b Mutars®-Prothese der proximalen Tibia (↜1) mit Femurschild (↜2) und Anbindungsschlauch (↜3). c Um die Prothese gezogener Anbindungsschlauch (↜1) mit Nähten (↜2) fest verankert
sehr guten funktionellen Ergebnissen und zur Wiederherstellung der aktiven Kniegelenksstreckung (s. Abb.â•›10.2). Eine relevante Schwäche des Streckapparats, wie sie häufig nach Refixation der Bänder direkt an der Prothese vorkommt, kann durch die Verwendung des Anbindungsschlauches vermieden werden. Sollte ein spannungsfreier Hautverschluss nicht möglich sein, ist die zusätzliche Deckung des Muskellappens mittels „Mesh-graft“ unvermeidbar. Hierbei hat sich gezeigt, dass die zusätzliche Anlage eines Vakuumverbandes für 5 bis 7â•›Tage das Einwachsen der transplantierten Haut beschleunigen kann.
10â•… Knieendoprothetik bei Tumoren
Abb.╯ 10.4.↜渀 Medialer Gastrocnemius-Schwenklappen und Refixierung des Streckapparates am Mutars®-Anbindungsschlauch. a Medialer Gastrocnemius-Schwenklappen (↜1) zur Deckung der Prothese und Refixation am Anbindungsschlauch (↜2). b Z.â•›n. Weichteildeckung mit Gastrocnemius-Schwenklappen (↜1) und Refixierung des Streckapparates (↜2) inklusive Patellarsehne am Schwenklappen und dem darunter liegenden Anbindungsschlauch
10.4 Peri- und postoperatives Management bei Tumorprothesen Vor jeder operativen Behandlung eines bösartigen oder gutartigen, lokal aggressiven Knochentumors sollte ein genaues Staging bezüglich Ausdehnung und Systembefall sowie eine bioptische Sicherung der Verdachtsdiagnose erfolgen. In der Regel erfolgt ein Metastasenausschluss mit einer Computertomographie der Lunge und des Abdomens sowie einer 3-Phasen-Skelettszintigraphie. Die lokale Ausdehnung ist mit einem Röntgenbild in 2 Ebenen inklusive Messlatte für die spätere Prothesenplanung und einem MRT des entsprechenden Bereichs mit Kontrastmittel zu bewerten. Bei bösartigen Knochentumoren ist ein Kompartment-MRT, d.â•›h. ein MRT des
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gesamten befallenen Knochens zum Ausschluss von Skip-Metastasen zwingend erforderlich. Die notwendige bioptische Sicherung der Diagnose sollte insbesondere in ihren möglichen Konsequenzen nicht unterschätzt werden. Obwohl der eigentliche operative Eingriff der Biopsie, ob offen oder mittels Knochenstanze, relativ einfach ist, setzt er doch einiges an Erfahrung und v.â•›a. Kenntnis der späteren definitiven Operation voraus. Da der Biopsiekanal immer als tumorkontaminiert angesehen werden muss, ist es unumgänglich, diesen bei der Tumorresektion en bloc mit zu entfernen. Eine fehlerhaft durchgeführte Biopsie kann einen eventuellen Extremitätenerhalt extrem erschweren oder gar unmöglich machen. Eine Kontamination eines gesunden Kompartiments oder wichtigen Gewebes, v.â•›a. von Gefäßen oder Nerven sowie potentieller Schwenklappen sollte auf jeden Fall verhindert werden. Am Kniegelenk ist insbesondere darauf zu achten, das Gelenk, den Adduktorenkanal, die Kniekehle, den N. peroneus, den M. rectus femoris und die Patellarsehne nicht zu involvieren. Außerdem empfehlen sich zur Vermeidung eines Hämatoms und einer damit einhergehenden möglichen Tumoraussaat eine penible Blutstillung und die Einlage mindestens einer Redon-Drainage mit Ausleitung im Schnittverlauf. Die letztendliche Entscheidung über das genaue operative Vorgehen sowie die knöcherne Resektionslänge wird bei bösartigen Knochentumoren wie Osteo- oder Ewing-Sarkomen erst nach mindestens 4 (von i.â•›d.â•›R. 6) Zyklen neoadjuvanter Chemotherapie anhand aktueller MRT-Bilder getroffen. Für eine erfolgreiche Implantation einer Tumorprothese sind mehrere entscheidende Schritte erforderlich. Der erste Schritt besteht immer in der exakten Planung der Resektionslänge und der zur Rekonstruktion benötigten Prothesenteile. Hierfür besteht beim Mutars®-System die Möglichkeit, eine genaue Implantatplanung anhand digitaler Röntgenbilder durch Implantcast® anfertigen zu lassen. Der zweite Schritt besteht in der Resektion des Tumors gemäß den nach Enneking et al. (1980) definierten Resektionsgrenzen. Darauf folgt als dritter Schritt die Implantation der Prothese und Wiederherstellung der Stabilität, wobei Probeimplantate zur Überprüfung der präoperativen Planung zur Verfügung stehen. Als letzter Schritt folgt dann die Weichteilrekonstruktion zur Deckung des Implantats und Wiederherstellung der Funktion, ggf. mit Muskelschwenklappen und, falls nötig, einer „Mesh-Graft“.
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Bei jeder Implantation einer Tumorprothese, besonders jedoch nach proximalem Tibiaersatz sollten zur Vermeidung von Druckschädigungen an Nerven, Gefäßen und Muskulatur mit der Gefahr eines Kompartmentsyndroms mindestens 2 tiefe RedonDrainagen eingelegt und für einige Tage unter Sog belassen werden.
10.4.1 Postoperatives Management Peri- und postoperativ sollten alle Patienten prophylaktisch mit Antibiotika (z.â•›B. Cephalosporine der 3. Generation) behandelt werden. Zunächst für 3â•›Tage intravenös, dann weiter oral bis zum Abschluss der Wundheilung. Außerdem werden alle Patienten darüber aufgeklärt, dass, wie nach einer Herzklappenoperation, bei erwarteter Bakteriämie (z.â•›B. lokale Infektionen oder Zahnbehandlungen) eine Antibiotikaprophylaxe betrieben werden sollte, um eine hämatogene Aussaht und Spätinfektionen der Prothese zu verhindern. Nach zementfreier Implantation kniegelenksnaher Prothesen empfehlen wir eine relativ strikte Immobilisierung und Entlastung: 6â•›Wochen Teilbelastung mit ca. 10â•›kg, gefolgt von langsamer Belastungssteigerung von ca. 5–10â•›kg pro Woche (je nach Gewicht des Patienten) bis zum Erreichen der Vollbelastung. Die Beübung der Beweglichkeit nach distalem Femurersatz sollte nur eingeschränkt werden, wenn ein GastroknemiusSchwenklappen zur Defektdeckung (4â•›Wochen Immobilisierung in Streckung) nötig war. Beim proximalen Tibiaersatz ist eine Ruhigstellung in Streckung für ca. 4â•›Wochen (z.â•›B. in Mecron-Schiene) essentiell, da die refixierten Muskeln und Bänder (v.â•›a. Lig. patellae) zunächst mit dem Anbindungsschlauch verwachsen müssen. Ab der 5. postoperativen Woche beginnt dann die Beübung der Flexion. Die maximale Beugung sollte allerdings 90° nicht überschreiten, da ansonsten mit einem deutlich verfrühten Verschleiß des PolyethylenGleitlagers zu rechnen ist. Sollte eine „Mesh-graft“ zur Hautdeckung nötig sein, empfiehlt sich die zusätzliche Anlage eines Vakuumverbands für 5 bis 7â•›Tage. Mit dieser Technik lässt sich der Einwachsprozess der transplantierten Haut deutlich beschleunigen. Gerade bei den kniegelenksnahen Resektionen sollte besonders auf eine postoperativ eintretende
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Schwäche der Muskeln des anterioren und lateralen Kompartiments, d.â•›h. eine Fußheberschwäche/ein Fallfuß, geachtet werden. Da der N. peroneus routinemäßig dargestellt wird, kann es zu einer leichten Schädigung durch Hakenzug oder postoperatives Ödem/Hämatom kommen. Leichter Druck oder Zug kann durch eine temporäre Störung der Mikrozirkulation des Nervs zu einer Funktionsbeeinträchtigung führen. Gerade nach Rekonstruktionen an der proximalen Tibia kann jedoch auch bei intaktem Peroneusnerv durch die Resektion bzw. das Ablösen der anterioren Muskulatur eine Einschränkung der Fußhebung bestehen. Sollte es zu einer relevanten Schwäche bzw. zu einem Fallfuß kommen, empfiehlt sich die zügige Spitzfußprophylaxe mit einer Peroneusfeder. In aller Regel sind die Funktionsstörungen temporär und erholen sich meist innerhalb einiger Monate.
10.4.2 Komplikationen Die gravierendste Komplikation ist das Lokalrezidiv, das mit einer sehr schlechten Prognose vergesellschaftet ist (Picci et al. 1994). Die Lokalrezidivrate nach Extremitätenerhalt mittels Tumorprothesen wird in der Literatur mit 1–9â•›% angegeben und ist vergleichbar mit ablativen Verfahren (Eckardt et al. 1985; Tunn et al. 2004). Um solch gute Ergebnisse zu erzielen, ist allerdings eine weite Resektion nach Enneking et al. (1980) erforderlich. Die 5- bis 10-Jahres-Überlebensrate moderner Tumorprothesen liegt zwischen 69 und 90â•›% (Gosheger et al. 2006). Die häufigsten Komplikationen, die eine Explantation der Prothese nötig machen, sind die aseptische Lockerung, die periprothetische Infektion oder die periprothetische Fraktur bzw. Schaftfraktur (Ham et al. 1998; Mittermayer et al. 2001; Shin et al. 1999; Unwin et al. 1996). Die Infektionsrate an der unteren Extremität beträgt bis zu 36â•›% und ist am höchsten bei Rekonstruktionen der proximalen Tibia (Grimer et al. 1999). Im Falle eines tiefen Protheseninfekts ist wie bei der primären Endoprothetik ein zweizeitiger Wechsel mit temporärer Implantation eines Antibiotika-Knochenzement-Spacers unvermeidbar (Grimer et al. 2002; Hardes et al. 2006). Bei Frühinfektionen (1. bis 3.â•›Monate) kann ein einzeitiges Verfahren mit Debridement, Lavage und Wechsel der Polyethylen-
10â•… Knieendoprothetik bei Tumoren
teile versucht werden (Hardes et al. 2006). Die tiefe Infektion der Tumorprothese führt, wenn nicht kontrollierbar, regelmäßig (19–46â•›%) zu einer sekundären Amputation des Beins (Jeys et al. 2003; Malawer u. Chou 1995). Mehr und mehr setzt sich in den letzten Jahren der routinemäßige Gebrauch von silberbeschichteten Prothesen (Mutars®-Silver) durch. Die Silberionen sind in der Lage, die Infektionsraten signifikant zu senken und scheinen bis heute keine relevanten Nebenwirkungen zu haben (Gosheger et al. 2004; Hardes et al. 2007). Die aseptische Lockerungsrate an der unteren Extremität betrug in der Vergangenheit bis zu 27â•›% (Mittermayer et al. 2001). Durch Weiterentwicklung des Prothesendesigns, insbesondere der Einführung der (zementfreien) hexagonalen Schäfte und des „Rotating-hinge“-Kniegelenks konnte diese hohe Zahl auf unter 8â•›% gesenkt werden (Enneking et al. 1980). Im Falle aseptischer Lockerungen sind Revisionsoperationen mit Reimplantation einer Tumorprothese allerdings fast immer erfolgreich. Selbst Frakturen des Prothesenschafts (Inzidenz 1–22â•›%) sind mit einem Schaftwechsel in der Regel behandelbar. Zur Behandlung der bisher genannten Komplikationen sind aufwendige Operationen mit zumindest teilweisem Wechsel der Prothese nötig. Der Verschleiß der Polyethylenteile dagegen ist in aller Regel durch einen verhältnismäßig kleinen Eingriff behebbar. Polyethylenverschleiß gilt im eigentlichen Sinne nicht als Komplikation, sondern eher als Nebeneffekt des extensiven Gebrauchs insbesondere der jungen und aktiven Patienten. Er manifestiert sich durch eine zunehmende Instabilität des Gelenks sowie eine damit verbundene Gangunsicherheit auf unebenem Untergrund. Ein Inlay-Wechsel sollte frühzeitig durchgeführt werden, da die Abriebpartikel ansonsten eine aseptische Lockerung induzieren können. Nach anfänglichen Schwierigkeiten der speziell angefertigten Megaendoprothesen gilt heutzutage insbesondere nach Einführung der modularen Prothesensysteme der Extremitätenerhalt bei Knochentumoren als Standard. Amputationen und Umdrehplastiken sind nur noch sehr selten nötig und die exzellenten funktionellen Ergebnisse mit modularen Prothesen führen zu einer sehr hohen Patientenzufriedenheit. Die permanenten Weiterentwicklungen der verschiedenen Materialien, Verankerungssysteme und Beschichtungen sowie die wachsende Erfahrung der Operateure führen zu einem sich ständig erwei-
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terndem Einsatzspektrum der Prothesen. Indikationen und Kontraindikationen des Extremitätenerhalts in der Tumororthopädie sind ständig im Wandel und sollten für jeden einzelnen Patienten neu evaluiert werden.
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Retropatellarer Ersatz K.-D. Heller
11.1 Klinik der Retropatellararthrose Bezüglich der Anatomie der Biomechanik sowie der Ätiologie und Pathogenese der Gonarthrose sei auf die Kap.â•›1 bis 3 verwiesen. Als passive Stabilisatoren der Patella wirken der Sulcus patellaris sowie der weiter nach ventral vorspringende Condylus lateralis des Femurs. Weitere passive Stabilisatoren sind die Quadrizepssehne und das Lig. patellae. Zusätzliche Stabilisatoren sind neben der Gelenkkapsel und der beidseitigen Lig. patello-femoralia das laterale und mediale Retinakulum. Dynamische seitliche Stabilisatoren der Kniescheibe sind der M. vastus medialis, die Adduktoren des Oberschenkels über die Lamina vastus adductoria und die Pes-anserinus-Gruppe. Durch die Aktion des Pes anserinus wird der Unterschenkel innenrotiert und es kommt zu einer Verringerung des Valguswinkels Q. Diesem QWinkel kommt eine entscheidende Bedeutung sowohl im Rahmen der Arthrogenese als auch im Rahmen von postoperativen femuropatellaren Beschwerden zu. Neben den primären Arthrosen der retropatellaren Gelenkfläche, deren Ursache häufig nicht geklärt werden kann, spielen sekundäre Arthrosen eine wesentliche Rolle. Hier sind insbesondere zu nennen: ●⊑ die Dysplasie der Patella sowie ihres Gleitlagers, ●⊑ die Instabilität der Patella, ●⊑ die Osteochondrosis dissecans der Patella, ●⊑ die posttraumatische Arthrose. Die Biomechanik des Retropatellargelenks ist komplex (Grelsamer u. Feinstein 2001). Die Kniescheibenrückfläche weist keine Kongruenz mit dem Gleitlager auf,
sie hat mehrere Facetten, die unterschiedlich konfiguriert und unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt sind. In Abhängigkeit vom Bewegungsablauf stehen verschiedene Patellaabschnitte mit dem Gleitlager in Kontakt. Wesentlich für das Verständnis des Retropatellarersatzes ist, dass sich die quer liegende Kontaktzone der Patella bei Kniebeugung von distal nach proximal verlagert, im Gleitlager ist dies gegensinnig (Goodfellow 1976). Bei maximaler Beugung steht somit die Odd-Facette auf der medialen Kante des Eingangs in die Fossa intercondylaris (Nakagawa et al. 2003). Die patellofemoralen Anpresskräfte nehmen bis 90° Flexion zu und sinken dann wieder (Hassenpflug 2005). Der femuropatellare Knorpel wird beim Hocken, Treppensteigen und Bergabgehen besonders stark beansprucht und hohen Scherkräften ausgesetzt. Die Lokalisation des Knorpelschadens ist abhängig vom Entstehungsmechanismus (Fulkerson 2000). Besteht eine Patellalateralisation oder ein vergrößerter Q-Winkel, so ist hauptsächlich die laterale Patellafacette betroffen, es entsteht ein laterales Hyperkompressionssyndrom. Die Osteochondrosis dissecans verursacht häufig nur umschriebene Knorpelschäden. Basierend auf der Bandlaxizität und der Muskelfunktion differenzieren Munzinger et al. (1985) zwei verschiedene Typen des femuropatellaren Schmerzsyndroms. ●⊑ Typ 1 wird definiert als erhöhte Bandlaxizität, meist durch eine Quadrizepsdysplasie oder -atrophie mit meist klinischen Kriterien, wie Schwellneigung, Patella alta, Genu valgum, normalem QWinkel oder Outfacing der Patella. Es liegt eine familiäre Häufung vor. ●⊑ Bei Typ 2 besteht keine erhöhte Bandlaxizität, der Quadrizeps ist kräftig, kontrakt oder verkürzt. Es
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_11, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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K.-D. Heller
besteht keine Schwellneigung, es liegen ein erhöhter Q-Winkel, keine Patella alta, ein Infacing der Patella und eine schmerzhafte Patellafacette vor. Munzinger et al. (1985) unterscheiden weiterhin zwischen einem primären und einem sekundären patellaren Schmerzsyndrom. Ursachen für das sekundäre femuropatellare Schmerzsyndrom sind neben der Femuropatellararthrose die Bandinsuffizienz, Zustand nach Bandrekonstruktionen, Meniskusläsionen, Synovialitiden und andere. Auch wenn die Retropatellararthrose nur eine Facette des femuropatellaren Schmerzsyndroms darstellt, so sind die Symptome relativ uniform. Während bei Jugendlichen nichtarthrotische Gründe für den vorderen Knieschmerz anzuführen sind, so sind diese mit zunehmendem Alter meist Ausdruck degenerativer Veränderungen. Neben einer belastungsabhängigen Schmerzsymptomatik, insbesondere beim längeren Sitzen und Treppabsteigen sowie Bergabgehen und dem typischen Anlaufschmerz liegen die klassischen Symptome einer degenerativen Gelenkveränderung, wie Ergussneigung, Bewegungseinschränkung und Anlaufschmerz sowie Krepitation im femuropatellaren Gleitlager vor. Typischerweise wird vom betroffenen Patienten der Schmerz an der Vorderseite des Kniegelenks empfunden. Die sekundäre Synovialitis kann zu einer diffusen Schmerzsymptomatik führen. Es kommt häufig zu einer generellen Reizsituation des Kniegelenks. Während die Varus- oder Valgusgonarthrose eher ausgeprägte Schmerzen bereitet, werden die Femuropatellararthrosen oft subjektiv als Schwäche oder Instabilität wahrgenommen (Barrett et al. 1990). Auch das typische Giving-way-Phänomen kann Ausdruck einer Retropatellararthrose sein.
11.2 Patella-Alignement bei╯Varus-/ Valgusknie Sowohl die Beinachse als solche als auch die Malpositionierung von Femur- und Tibiakomponenten, insbesondere bei präoperativ existenten extremen Achsabweichungen, können Patellaprobleme bewirken. Während beim Varusknie die Ursache der Deformität tibialseitig zu finden ist, liegt diese beim Valgusknie meist im Bereich der lateralen Femurkondyle. Von wesentlicher Bedeutung für die korrekte Rota-
Abb. 11.1.╇ Whiteside-Linie und Epikondylarlinie in situ am Beispiel eines Valgusknies
tionsposition der femoralen Komponente ist die Orientierung an knöchernen anatomischen Landmarken. Hierzu sind folgende Methoden hilfreich: ●⊑ Referenz an den posterioren Kondylen mit standardmäßiger Außenrotationskorrektur von 3°, ●⊑ Ausrichtung senkrecht zur a.â•›p.-Linie nach Whiteside u. Arima (1995), ●⊑ Ausrichtung parallel zur chirurgischen Epikondylarlinie (Abb.â•›11.1). Das Ziel dieser Methoden besteht darin, die Femuranatomie, die bei arthroseinduzierter Destruktion verändert sein kann, wieder herzustellen. Im optimalen Fall rekonstruieren alle drei Methoden die gleiche Rotationsposition. Verbleibt bei ausgeprägter Varusdeformität eine leichte laterale Restinstabilität, so ist diese nicht problematisch, wenn die Beinachse im Lot ist und der Gelenkspalt sich lateral intraoperativ bei gestrecktem Knie nicht öffnet. Einen wesentlichen negativen Effekt auf die femuropatellare Situation hat diese Konstellation nicht. Rotationsabweichungen der Tibia- und Femurkomponente sind entscheidende Faktoren für das femuropatellare Gleitverhalten. Eine Fehlpositionierung von Tibia- und/oder Femurkomponente sind eine der häufigsten Ursachen für den vorderen Knieschmerz. Eine kombinierte Innenrotation von Tibia- und Femurkomponente von nur 3–7° führen zum Fehlgleiten der Patella mit Subluxation und lateralem Patellalauf (Hofmann et al. 2003). Höhergradige Rotationsabweichungen können Instabilitäten der Patella nach lateral bedingen. Beschwerden werden sowohl mit als auch ohne Retropatellarersatz beschrieben (Akagi et al. 1999). Wie unter Abschn.â•›11.4 noch weiter auszuführen, konnten Barrack et al. (2001b) zeigen, dass
11â•… Retropatellarer Ersatz
155 Abb. 11.3.╇ Patellalateralisation bei Valgusgonarthrose (Ganzbeinaufnahme)
Abb. 11.2.╇ Optimale Ausrichtung des Tibiaplateaus
in diesen Fällen ein alleiniger sekundärer Retropatellarersatz nicht zur Beschwerdelinderung führte, da das Patellafehlgleiten nicht ausgeglichen werden konnte. Bei einer entsprechenden Konstellation aus Klinik und Fehlpositionierung führen Weichteilkorrekturen nicht zu dem gewünschten Ergebnis (Berry u. Rand 1993). Die Positionierung der Tibia richtet sich nach anatomischen Landmarken (Abb.â•›11.2). Das Plateau sollte in Relation zur Tuberositas tibiae innenrotiert stehen. Bei normal konfigurierter Tibia entspricht dies dem Übergang vom medialen zum mittleren Drittel der Tuberositas. Die Positionierung des Tibiaplateaus durch Durchbewegung des Kniegelenks führt nur dann zu einem guten Ergebnis, wenn auch das Femur gut platziert wurde (Dickhoff et al. 1995). Liegt eine Fehlplatzierung des Femurs vor, so addieren sich diese Fehler (Romero et al. 2003). Je lateraler die Tuberositas im individuellen Fall vorliegt, desto positiver ist der Effekt der Ausrichtung nach der Tuberositas-Methode. Hierdurch kommt es zu einer zunehmenden Außenrotationspositionierung der Tibiakomponente, was eine relative Innenrotation der Tuberositas bedingt und somit die Gefahr der Patellaluxation mindert. Bei einem ausgeprägten präoperativ bestehenden Genu varum findet sich in einigen Fällen eine starke Innentorsion der Tibia. Dies muss bei der Planung berücksichtigt werden. Eine Zunahme des Q-Winkels bedingt einen Anstieg der Kompressionskräfte im Bereich der lateralen Facette (Jerosch u. Heisel 1998). Im Gegensatz zur Varusdeformität hat die Valgusdeformität einen wesentlichen Einfluss auf das Patella-Alignement (Abb.â•›11.3).
Bei Patienten mit Valgusdeformitäten (häufig Frauen jenseits des 65. Lebensjahres) finden sich in der Patellaaxialaufnahme deutliche Veränderungen im Sinne einer Retropatellararthrose, nicht selten findet sich eine Patelladysplasie mit deutlicher Ausdünnung der lateralen Facette, oft in Kombination mit einer Patella alta (Abb.â•›11.4). Bedingt durch die Achsfehlstellung und die dadurch erreichte Vergrößerung des Q-Winkels in Verbindung mit einer Verkürzung des lateralen Retinakulums ist der laterale femuropatellare Aspekt massiv überlastet. Typischerweise findet sich beim klassischen Valgusknie eine Hypoplasie der lateralen Femurkondyle sowohl distal
Abb. 11.4.╇ Patellalateralisation bei Valgusgonarthrose (Axialaufnahme)
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Abb. 11.5.╇ Hypoplasie der lateralen Femurkondyle beim Valgusknie
als auch dorsal (Abb.â•›11.5). Die Tibia ist beim Valgusknie oft nicht wesentlich betroffen. Die Hypoplasie der lateralen Femurkondyle ist beim Valgusknie bei der Resektion unbedingt zu beachten. Es empfiehlt sich ein 5° Valguswinkel zur femoralen Resektion. Dies korrigiert die Valgusachse des Beins und hat einen positiven Effekt aufs mediale Kollateralband. Es muss auf die transepikondyläre Achse oder die Whiteside-Linie geachtet werden, um eine Innenrotation des Femurschildes zu vermeiden. Werden die Branchen der Resektionslehre undifferenziert der dorsalen Femurkondyle angelegt, so resultiert eine extreme Innenrotation mit den oben beschriebenen nachhaltig negativen Folgen für das patellofemorale Alignement. Das schwere Valgusknie geht häufig mit einer lateral kontrakten und medial gelockerten Bandsituation einher. Bei schwerem Valgusknie empfiehlt sich aus diesem Grunde der laterale Zugang, eine entsprechende operative Erfahrung ist hierbei jedoch essentiell, da es insbesondere tibial leichter zu Malrotationen kommen kann. Der laterale Zugang hat den wesentlichen Vorteil, dass die medialen Bandstrukturen nicht noch mehr verlängert werden und dass das laterale Release (Traktus, Popliteussehne, Kapsel, Außenband und Retinakulum) stadienhaft erfolgen können. In diesen Fällen ist ein stadienhaftes laterales Release, zu dem auch die Rezentrierung der Patella gehört, von entscheidender Bedeutung. Scott (2006) beschreibt eine besondere Form des Release („inverted cruciform release“) bei dem die laterale superiore Gefäßversorgung der Patella geschont wird, um eine
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Patellanekrose zu vermeiden. Wesentlich ist, dass das Release bis zum tibialen Ansatz vervollständigt wird. Sinn, Zweck und Häufigkeit eines lateralen Release werden insbesondere dann, wenn ein medialer Zugang gewählt wird, sehr kontrovers diskutiert. Für die Patella hat dies den Vorteil, dass die mediale Gefäßversorgung intakt bleibt. Scott (2006) weist mit Nachdruck auf die negativen Auswirkungen des residualen Valgus-Alignements nach durchgeführter Knietotalendoprothetik hin. Durch die Femurschaftkonfiguration beim Valgusknie komme es zu einer Fehlpositionierung der intramedullären Führlehre. Er hält es für wichtig, dass der Schaft einige Millimeter medial der Interkondylärregion penetriert wird, um diesen Fehler nicht zu begehen. Die ansonsten resultierende höhere Valgusstellung des Beins vergrößert den Q-Winkel und bewirkt ein verstärktes Lateralgleiten der Kniescheibe. Zur Optimierung der Prothesenfunktion und zur Reduktion des Abriebs ist eine neutrale mechanische Achse von wesentlicher Bedeutung. Auch für das Patellofemoralgelenk ist diese Achsausrichtung wesentlich, da diese einen normalen Q-Winkel bedingt. Aufgrund der Konfiguration des Q-Winkels wirkt immer eine nach lateral gerichtete Kraft auf die Kniescheibe (Buff et al. 1988; Ahmed 1994). Neben dem Aspekt der Lateralisation der Kniescheibe kommt es bei Implantation eines Retropatellarersatzes zu Scherkräften, die eine Frühlockerung induzieren können. Ein weiterer Aspekt der mangelnden Rekonstruktion des Q-Winkels ist die chronische Reizung des Femuropatellargelenks (Anderson et al. 2002). Die durch Valgusfehlstellung bedingte mechanische Überlastung des femuropatellaren Gelenks verdeutlicht den Stellenwert der präoperativen Planung an der Ganzbeinaufnahme, da hier der Winkel des distalen femoralen Schnittes, der üblicherweise zwischen 4 und 7° abgemessen werden kann. McPherson (2006) weist auf die Schwierigkeit von femoralen und tibialen Knochendeformitäten hin, die entweder durch Frakturen oder Umstellungsosteotomien bedingt sein können. Eine schwierige Fehlstellung ist die Varusdeformität des Femurs, da in diesem Fall der distale femorale Schnitt, der eine neutrale mechanische Achse anstrebt, den Q-Winkel vergrößert. In Extremfällen wird eine begleitende korrigierende suprakondyläre Umstellungsosteotomie empfohlen. In der koronaren Ebenen kann, sofern die femorale
11â•… Retropatellarer Ersatz
Prothesenkomponente nicht das ganze Femur bedeckt, eine leichte Lateralisierung desselben den Q-Winkel verkleinern; eine Medialisierung muss dringend vermieden werden. Im Falle der tibialen Komponente ist ein Aufliegen auf der medialen Tibiakorticalis wichtig, wird die Tibiakomponente jedoch zu weit medialisiert, kommt es zu einer relativen Lateralisierung der Tuberositas tibiae, was den Q-Winkel erhöht. Diese Gefahr besteht insbesondere bei kleinen adipösen Patienten.
11.3 Pro und Kontra des primären Rückflächenersatzes Nahezu jede Studie, die sich dem Für oder Wider des Rückflächenersatzes befasst, beginnt mit der folgenden oder einer sinngemäßen Einleitung: ●⊑ „The dicision to preserve the patella in total knee arthroplasty remains controversal“ (Burnett et al. 2004). ●⊑ „Patella resurfacing in total knee arthroplasty has presented a dilemma for surgeons“ (Mayman et al. 2003). ●⊑ „Patella resurfacing during total knee arthroplasty has fallen in and out of favor since its introduction in 1977“ (Holt u. Dennis 2003). Eine entsprechende Einleitung weist die Publikation von Schröder-Boersch bereits 1998 auf. An dieser Aussage hat sich bis dato nichts geändert. Auch mit Veränderung oder Verbesserung der Materialien und der Implantate ist die Frage Pro oder Kontra Retropatellarersatz nicht eindeutig zu beantworten. Fengler (2000) führte im Jahre 1998 eine Befragung von 86 deutschen Orthopädischen Kliniken durch, deren Ergebnis die Situation widerspiegelt. 18,6â•›% der Kliniken würden nie einen Retropatellarersatz durchführen. 24,3â•›% immer, wenn keine Kontraindikation vorliegt und 55,7â•›% bei bestimmten Indikationen, z.â•›B. bei erheblichen retropatellaren Schmerzen, bei erheblicher retropatellarer Arthrose oder bei der rheumatoiden Arthritis. Phillips et al. (1996) starteten eine englandweite Rundfrage und kamen zu dem Ergebnis, dass 39â•›% aller englischen Kniechirurgen immer einen Patellarückflächenersatz implantieren, 19â•›% nie. Die verbleibenden entschieden dies in Abhängigkeit vom Einzelfall.
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Auch die Auswertung mittels Metaanalysen wirft gravierende Probleme auf, da die publizierten Studien meistens methodologische Limitationen aufweisen. Diese fassen Boutron et al. (2003) wie folgt zusammen: „Unterschiedliche Chirurgen mit unterschiedlicher Erfahrung implantieren unterschiedliche Prothesen sowohl femoral als auch tibial und retropatellar in verschiedenen Techniken bei unterschiedlichen Verhältnissen bezogen auf die Kniescheibe. Anschließend werden unterschiedliche Populationen mit unterschiedlichen initialen Diagnosen interpretiert.“ Die ersten Knieendoprothesen in den 70er Jahren waren für den Retropatellarersatz nicht konzipiert. In Folge resultieren auch aufgrund der biomechanischen Konstellation dieser Prothese vordere Knieschmerzen (Holt u. Dennis 2003). Im weiteren Verlauf wurden die Endoprothesen optimiert und auch für den retropatellaren Ersatz konzipiert. Das Patellagleitverhalten wurde ebenso berücksichtigt wie die notwendige Tiefe des femuropatellaren Gleitlagers. Die chirurgische Technik wurde zusätzlich optimiert, was zu deutlich verbesserten klinischen Ergebnissen führte (Barrack u. Wolfe 2000; Barrack et al. 1997; Boyd et al. 1993; Burnett u. Bourne 2003; Enis et al. 1990; Rand 1990; Wood et al. 2002). Burnett u. Bourne (2004) stellten in einer tabellarischen Übersicht 15 aktuelle Studien bzgl. des Vergleichs Patellaersatz versus Nichtersatz gegenüber. Diese Tabelle unterstreicht die Kontroverse in der aktuellen Diskussion. Während in 6 Studien die Kniescheiben mit Retropatellarersatz bessere Ergebnisse aufweisen, finden sich in 7 weiteren Studien keine Unterschiede. In 2 Studien sind keine eindeutigen Aussagen zu treffen. Es zeigte jedoch keine Studie eine klare Überlegenheit der nicht endoprothetisch versorgten Kniescheibe. Cameron (2005) weist darauf hin, dass Studienergebnisse von vor 10â•›Jahren mit heutigen Ergebnissen nicht mehr zu vergleichen sind, da sich das Implantatdesign wesentlich verändert hat. Ungeachtet dessen weisen Studien aus dieser Zeit, die bei beidseits operierten Patienten jeweils die Versorgung mit und ohne Retropatellarersatz verglichen, keine wesentlichen Unterschiede auf. Cameron führt dies unter anderem darauf zurück, dass die benutzten Scores, so z.â•›B. der HSS-Score, das Femuropatellargelenk nicht adäquat berücksichtigen. Des Weiteren merkt er kritisch an, dass ein vorderer Knieschmerz nicht immer mit einer Patellapathologie korreliert. Nizard et al. (2004)
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führten zwischen 1966 und 2003 eine Metaanalyse, basierend auf 12 randomisierten kontrollierten Studien, durch, die Retropatellarersatz und Nichtersatz verglichen. Sie konnten anhand der Auswertung dieser Studien herausarbeiten, dass die Knie mit Retropatellarersatz bessere Ergebnisse und ein geringeres Risiko für Reoperationen und vordere Knieschmerzen beim Treppensteigen aufwiesen, und dies, obwohl sowohl der Knee Society Function Score und der HSS-Score keine Unterschiede aufwiesen. Die Autoren mahnen jedoch, dieses Ergebnis nicht überzubewerten, da die einzelnen Studien deutlich inhomogene Rahmenbedingungen aufwiesen. Mayman et al. (2003) zitierten insgesamt 24 Publikationen, die entweder resümieren, der Kniescheibenrückflächenersatz weise bessere Ergebnisse auf, er weise schlechtere Ergebnisse auf oder die Ergebnisse seien vergleichbar. Tanzer et al. (2001) sowie Freeman et al. (1989) belegen eine Reduktion der femuropatellaren Komplikationen nach Knieendoprothetik aufgrund der anatomisch konzipierten Gleitrinne in der Femurkomponente. Gegen den Patellarückflächenersatz wird angeführt, dass die originäre Kniescheibe physiologischer und anatomischer ist als der Patellarückflächenersatz, was letztendlich nur bei einer gesunden Kniescheibe gilt. Probleme wie „tilt“ und „overstuffing“ treten seltener auf, wenn die Patella belassen wird. Die Hauptargumente gegen den Retropatellarersatz sind die berichteten höheren Komplikationsraten, bedingt durch Patellafraktur, Patelladislokation, Schädigung des Streckapparates und aseptische Osteonekrose (Clayton u. Thirupathi 1982; Dennis 1992; Gomes et al. 1988; Healy et al. 1995; Hozack et al. 1988; Leblanc 1989; Lynch et al. 1987; Mochizuki u. Schurman 1979; Rand 1990; Bayley u. Scott 1988). Als weitere Komplikationen werden aufgeführt: der Verschleiß der retropatellaren Komponente, die Lockerung und das Patella-clunk-Syndrom (Bayley et al. 1988; Beight et al. 1994; Hozack et al. 1989; Rosenberg 1996; Stulberg et al. 1988; Bourne et╯al. 1995; Dennis 1992; Gomes et al. 1988). Für den Patellarückflächenersatz spricht, dass der möglicherweise noch gesunde Patellarückflächenknorpel aufgrund des Knorpel-Metall-Kontakts degeneriert (Barrack u. Wolfe 2000; Boyd et al. 1993; Kajino et al. 1997; Soudry et al. 1986; Brick u. Scott 1988). Ein wesentlicher Aspekt ist, dass nachgewiesenermaßen die Revisionsraten ohne Patellarückflächenersatz bei nahezu 50â•›% liegen (Barrack u. Wolfe
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2000; Gomes et al. 1988; Castro et al. 1997; Kaper u. Bourne 2001). Die früheren Nachteile der Metall-backed-Patella-Designs sowie die hohen Verschleißraten des Polyethylens wurden durch eine Verbesserung des Polyethylens sowie der Konfiguration der Patellakomponente ausgeglichen (Barrack u. Wolfe 2000). Whiteside (2006) rät von einem undifferenzierten Vergleich der beiden Verfahren ab, da all zu oft Femurschilde ohne anatomische Patellakonfiguration mitberücksichtigt würden. Er persönlich ist der Meinung, dass bei einem Vergleich patellafreundlicher Femurkomponenten mit einem modernen Patellarückflächenersatz, die Revisionsrate bei dem Nichtersatz geringer sowie die Kniefunktionen und die Patientenzufriedenheit höher wären. In den Publikationen werden die verschiedenen Behandlungsalternativen zum Retropatellarersatz nur sehr selten angesprochen. Favorisiert wird in vielen Fällen die Patelladenervation sowie die Patelloplastie. Der Begriff „Patelloplastie“ ist jedoch sehr dehnbar. Hierunter wird zum einen das Abtragen von Osteophyten und das Glätten von geschädigtem Knorpel verstanden, andere Autoren bohren den eburnisierten Knochen an. Hierunter werden auch Weichteiltechniken zur Dekompression verstanden. Dennis (2006) weist, insbesondere bezogen auf den vorderen Knieschmerz und die Reoperationsraten, auf die Überlegenheit des Retropatellarersatzes hin. Er setzt hierbei jedoch voraus, dass bei Durchführung eines Retropatellarersatzes die chirurgischen Prinzipien eingehalten werden, um Komplikationen zu vermeiden, vor allem sollte vermieden werden, die ursprüngliche Patelladicke zu überschreiten und die Blutversorgung nachhaltig zu schädigen. Die Femurund Tibiakomponente sollte optimal positioniert werden, um ein zentrales Patellagleiten zu erreichen. Er fordert ein Femurschild mit einer anatomischen, asymmetrisch breiten Gleitrinne, deren Tiefe deutlich höher sein soll als bei den Knien der ersten Generation. Burnett u. Bourne (2004) halten es für wichtig, dass die Femurkomponente die Patella bei hoher Flexion gut unterstützt. Im Rahmen einer Metaanalyse des Nationalen Endoprothesenregisters von Kanada sehen die Autoren eine Tendenz zugunsten des Patellarückflächenersatzes, sie sehen jedoch Unterschiede bei verschiedenen Implantaten. Die Autoren schlagen einen Algorithmus für und wider den Rückflächenersatz vor (Abb.â•›11.6). Sie sehen eine Indikation zum Belassen der Patella bei Patienten unter 60â•›Jahren
Patellaersatz erwägen
>60
Entzündlich
groß, dicke Patella, schlechter Lauf, nichtkongruent
schlecht
Femuropatellarer Knorpelschaden
Abb. 11.6.╇ Algorithmus für den Patellarückflächenersatz beim endoprothetischen Kniegelenkersatz auf der Basis klinischer, radiologischer und intraoperativer Parameter
Patellaerhalt erwägen
<60
Alter
Nichtentzündlich
Ätiologie der Begleitarthritis
kleine dünne Patella, guter Kongruenz, regelrechter Lauf
Beurteilung Patella Form, Kongruenz, Lauf
gut
Beurteilung Gelenk: Intraoperativer und Radiologischer Befund
Tibiofemoraler Knorpelschaden
Klinische Beurteilung: Anamnese und Befund
11â•… Retropatellarer Ersatz 159
160
11
ohne oder mit leichter Arthrose und einem guten Streckapparat bei Einsatz eines patellafreundlichen Femurschildes. Picetti et al. (1990) und Kim et al. (1999) sehen die Indikation zum Belassen der Patella bei einem kongruenten Gleitverhalten und normal konfigurierter Patella ohne Zeichen einer entzündlichen Gelenkerkrankung oder einer entzündlichen Synovialitis. Andere Autoren empfehlen generell einen Retropatellarersatz (Ranawat 1986; Harwin 1998; Larson u. Lachiewicz 1999). In einer aktuellen Metaanalyse sieht die griechische Autorengruppe um Pakos (2005) aufgrund des geringeren Risikos für Reoperationen und des geringeren postoperativen Knieschmerzes ebenfalls einen klaren Vorteil für den Retropatellarersatz. Hsu (2006) resümiert seinen Review-Artikel wie folgt: Die Entscheidung, ob eine Patella mit einem Rückflächenersatz versehen werden soll oder nicht, obliegt dem Chirurgen. Ausbildungsstand und Erfahrung, präoperative Analyse des patellofemoralen Gleitverhaltens sowie eine intraoperative Analyse desselben und die Beurteilung der Kniescheibenrückfläche sollten intraoperativ zur entsprechenden Entscheidung führen. In Verbindung mit einem modernen patellafreundlichen Implantatdesign und einer guten chirurgischen Technik kann mit und ohne Patellarückflächenersatz ein gutes Ergebnis erzielt werden. Einen tabellarischen Versuch der differenzierten Indikationsstellung pro oder kontra Patellarückflächenersatz publizierte Schröder-Boersch (1998; Tab.â•›11.1). Risikofaktoren für retropatellare Komplikationen sind (Rand 2005) ●⊑ ausgeprägte Femuropatellararthrose, ●⊑ adipöse Patienten, ●⊑ Osteoporose, ●⊑ Valgusdeformität,
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●⊑ posttraumatische Arthrose ●⊑ nach Tibiakopfumstellungsosteotomie. Im Falle der posttraumatischen Arthrose sowie nach Tibiakopfumstellungsosteotomie liegt die Ursache der Schmerzen meist in einer Patella baja, die ein Impingement zwischen Patella und Tibia-Onlay oder eine Instabilität der Patella bewirkt. Bezüglich des Zugangsweges konnte nachgewiesen werden, dass im Falle eines Mid- oder Subvastuszugangs die Rate an lateralen Retikulumspaltungen geringer war (Dalury u. Jiranek 1999; Parentis et al. 1999; White et al. 1999). Bezüglich der Frage, ob Inset- oder Inlay- oder Onlay-Patella, konnten Rosenstein u. Mitarbeiter (2007) nachweisen, dass die Inlay-Patella um 25â•›% höhere Scherkräfte toleriert als die Onlay-Patella. Im Rahmen einer retrospektiven Studie zeigen Rand u. Gustilo (1996) eine geringere Komplikationsrate mit der Inlay-Patella. Mögliche Komplikationen durch den Retropatellarersatz sind: ●⊑ Eine zu starke Veränderung der Patelladicke (Abb.â•›11.7): Die vorhandene Patelladicke sollte, sofern die Patella normal konfiguriert ist, erhalten bleiben, da der Grad der Knochenresektion das Gleitverhalten der Patella maßgeblich beeinflusst. Wird zu viel Knochen reseziert, wird die Patella zu dünn und kann frakturieren bzw. sie erschwert die Wechseloperation. Eine Dickenzunahme der Patella spannt die lateralen Strukturen und führt zu einem Tilt derselben. Wesentlich ist ein Vermeiden eines asymmetrischen Retropatellarersatzes und einer optimale Einstellung des Retropatellarersatzes. Gomes et al. (1988) konnten nachweisen, dass die Inlay-Technik eine genauere Ausrichtung am Patellaknochen ermöglicht als die Onlay-Technik.
Tabelle 11.1.↜渀 Indikationen pro und kontra Patellarückflächenersatz Für den Rückflächenersatz
Gegen den Rückflächenersatz
Schwere Retropatellararthrose mit starker Formveränderung
Wenig Retropatellararthrose ohne erhebliche Formveränderung Störung der Patelladurchblutung z.â•›B. durch ausgedehntes laterales Release. Guter zentraler Verlauf der nativen Patella Schlechte Knochenqualität z.â•›B. bei rheumatoider Arthritis Jüngerer Patient mit hohem Aktivitätsniveau
Präoperativ starke retropatellare Schmerzen Schwierige Balancierung der Patella im femoralen Gleitlager Gute knöcherne Substanz der Patella Rheumatoide Arthritis
11â•… Retropatellarer Ersatz
161 Abb. 11.9.╇ Verkippung der Patella nach Ersatz
Abb. 11.7.╇ Zu dünne Patella nach Ersatz
●⊑ Patellafrakturen (Abb.â•›11.8): Die Frakturprävalenz nach Knie-TEP-Ersatz ist höher bei Männern und nach Patellarückflächenersatz. Des Weiteren ist sie deutlich höher nach Knieendoprothesenwechsel. Mögliche Gründe für Patellafrakturen sind avaskuläre Patellanekrose, Malpositionierung des Implantates, Adipositas, ausgedehnte Knochenresektion bei Retropatellarersatz, hoher Aktivitätslevel, großer Bewegungsumfang, InlayTechnik bei Retropatellarersatz, großer zentraler Fixationsknopf sowie Osteoporose. ●⊑ Verkippung der Patella mit falschem Gleitverhalten und/oder Instabilität (Abb.â•›11.9): Die oben beschriebenen Risikofaktoren wie Patellasubluxation, Valgusdeformität und Femuropatellararthrose gehen mit einer höheren Rate an lateralen Retinakulumspaltungen und einer höheren Rate an postoperativem Mal-Alignement
Abb. 11.8.╇ Patella� fraktur nach Retropatellarersatz
einher. Die chirurgische Technik und das Implantatdesign sind die beste Prophylaxe. Insbesondere Schwierigkeiten mit der operativen Technik sind Gründe für eine erhöhte Patellainstabilität. Dies ist weniger dem Für oder Wider des Retropatellarersatzes anzulasten. ●⊑ Abrieb: Auch wenn Abrieb einer Polyethylenpatella denkbar ist, so führt diese im Vergleich zur Metallback-Patella nur extrem selten zur Revision. Intraoperativ findet man in den meisten Fällen eine Überwucherung mit Narbengewebe, das die Patellakomponente sichert. ●⊑ Rupturen und Schädigungen des Streckapparates: Solche Rupturen sind schwer zu behandelnde Komplikationen der Knieendoprothetik. Quadrizepssehnenschäden gehen oft mit einer systemischen Erkrankung, wie z.â•›B. Diabetes mellitus oder der systemischen Einnahme von Kortikosteroiden einher. ●⊑ Avaskuläre Nekrose der Patella: Bei der Präparation ist die Durchblutung der Patella zu beachten, insbesondere dann, wenn neben einem medianen Zugang noch ein laterales Release durchgeführt werden muss. Aus diesem Grunde sollte die superiore laterale Arterie auch bei einem lateralen Release erhalten bleiben. Sollte es dennoch zu einer Nekrose kommen, so ist die Frakturrate ebenso erhöht, wie die Rate der aseptischen Komponentenlockerung. Pagnano (2003) konnten keine erhöhte Rate an Patellafrakturen nach lateralem Release mit Unterbindung der oberen lateralen Arterie nachweisen. Die aseptische Lockerung der Patellakomponenten ist ein bekanntes Problem der Endoprothetik. Die Verankerung mittels dreier kleiner peripher gelegener Zapfen birgt die geringste Gefahr für Frakturen und Lockerung. Ein großer zentraler Zapfen hat eine geringere Lockerungsrate, aber eine höhere Frakturgefahr.
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Abb. 11.10.╇ Aseptische Lockerung der Patellakomponente
●⊑ Patella-clunk-Syndrom: Dieses Syndrom resultiert, wenn Weichteile, die sich im Bereich der Patella bilden, bei Implantation einer Posterior-stabilized-Variante in den Kasten springen. ●⊑ Zentrisches Bohren und Fehlpositionierung des Implantats. ●⊑ Aseptische Lockerung (Abb.â•›11.10).
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Beschwerden gleich. Ein Patient erlitt eine femuropatellare Subluxation und ein Patient eine Fraktur. Die Autoren fassen zusammen, dass die Ergebnisse dieses Eingriffs als unvorhersehbar gedeutet werden sollten. Im Patientenkollektiv von Muoneke et al. (2003) erfuhren 55â•›% der Patienten keine Verbesserung oder gar eine Verschlechterung der Beschwerden. Mockford u. Beverland (2005) berichten ebenfalls über schlechte Erfolge nach sekundärem Retropatellarersatz. Sie raten dringend dazu, die Patienten vor einem solchen Eingriff darüber aufzuklären, dass in maximal 50â•›% der Fälle eine Besserung auftritt und durchaus auch eine Verschlechterung resultieren kann. Ähnliche Ergebnisse berichten Barrack et al. (2001a). Bei allem Pro und Kontra bezogen auf den Retropatellarersatz muss bei jeder Indikationsstellung zum Retropatellarersatz berücksichtigt werden, dass es zu einer Lockerung des Retropatellarersatzes kommt, die eine Revision notwendig macht. Die einmal bereits ausgedünnte Patella ist letztendlich schwerer mit einem erneuten Retropatellarersatz zu versorgen. Die Menge der Revisionen diesbezüglich ist limitiert, die Rückzugsmöglichkeiten sind gering und die Komplikationsraten in Bezug auf avaskuläre Nekrose und Patellafrakturen steigen. Dies sollte insbesondere bei der Versorgung jüngerer Patienten Berücksichtigung finden.
Literatur 11.4 Der╯sekundäre Patellarückflächenersatz Einige Studien (Mockford u. Beverland 2005) werten den sekundären Retropatellarersatz bei primär nicht ersetzter Patellagleitfläche aus. Alle diesbezüglich ausgewerteten Studien kommen zu dem Ergebnis, dass auch nach Durchführen eines sekundären Retropatellarersatzes nicht davon ausgegangen werden kann, dass der vordere Knieschmerz beseitigt werden kann. In einer eigenen Studie des Autors entwickelten 30â•›% der revidierten Patienten Komplikationen und wurden nicht zufrieden. Campbell et al. (1995) berichten über 6 Fälle von sekundärem Retropatellarersatz nach initialem Nichtersatz. In 2 Fällen kam es zu Beschwerdelinderung, in 2 Fällen blieben die
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12
Postoperative Maßnahmen A. Seuser
12.1â•… Befunddokumentation Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Befunddokumentation, die den postoperativen Verlauf eines Patienten mit künstlichem Knieersatz beschreiben können. Dabei sollte zwischen objektiven und subjektiven Kriterien unterschieden werden.
12.1.1â•… Klinische Untersuchung Die Grundlage jeder Befunddokumentation ist die Beschreibung der Kniegelenkbeweglichkeit. Diese wird im Neutral-Null-System durchgeführt. Idealerweise wird mit einer Beweglichkeitsüberprüfung direkt postoperativ nach Wundverschluss vor Anlegen des Wundverbandes (s.â•›auch 12.2) begonnen. Ein weiterer messbarer Parameter ist die Schwellung. Diese wird durch die Messung des Knieumfangs auf mittlerer Patellahöhe in Kniestreckung protokolliert. Neben der postoperativen Kontrolle von Durchblutung, Sensibilität und grober Kraft sind die bekannten subjektiven Parameter Rötung und Überwärmung tägliche Visiteninhalte. Alle erhobenen Daten sollten in einem geeigneten Dokumentationssystem festgehalten werden. Komplettiert wird die Befunddokumentation durch Puls, Blutdruck, Gewicht und Temperaturmessungen sowie Labor- (s. 12.4) und Röntgenkontrolle (s. 12.5). Darüber hinaus wird auch die pflegerischen Arbeit (Verbandswechsel, Lagerung, Mobilisation) dokumentiert.
12.1.2â•… Dokumentation der postoperativen Physiotherapie Schon im Akuthaus sollten physikalische Maßnahmen (s. 12.7) stattfinden. Sowohl die Häufigkeit der Anwendungen (auch Bewegungsschiene mit Angabe der erreichten Gradzahl) als auch die Inhalte sollten dokumentiert werden, z.â•›B. manuelle Therapie zur Verbesserung der Beweglichkeit mit anschließender vorsichtiger Stabilisation durch isometrische Anspannung der Streck- und Beugemuskulatur usw.
12.1.3â•… Klinische Scores Zur Qualitätskontrolle und späteren wissenschaftlichen Aufarbeitung bietet sich die Anwendung von klinischen Scores an (Brander u. Stuhlberg 2006). Allen gemeinsam ist die Subjektivität und Untersucherabhängigkeit ihrer Aussagen. Weit verbreitet ist der HSS-Score (Hospital for Special Surgery) Es handelt sich um einen klinischen Score mit 62â•›% subjektiven und 38â•›% objektiven Kriterien, hauptsächlich mit dem Inhalt Schmerz, Gehstrecke, Treppen steigen, öffentliche Verkehrsmittel, Bewegungsausmaß, Muskelkraft, Flexionsdeformität, Instabilität. Als AlternativScore kann der Score der Knee-Society nach Insall et al. (1989) dienen. Seine Anwendung ist häufig, es ist ein klinischer Score mit 75â•›% subjektiven und 25â•›% objektiven Kriterien. Es gehen Schmerz, Bewegungsausmaß, Stabilität, Gehstrecke und Treppensteigen ein.
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_12, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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12
Der Staffelstein-Score hat sich in der Rehabilitationsphase bewährt. Es werden je 40 Punkte für Schmerz, Aktivitäten des täglichen Lebens und den Gelenkbefund (Beweglichkeit, Weichteil, Kraft) vergeben (Mitteldorf u. Casser 2000).
12.1.4â•… Objektive (apparative) funktionelle Befunddokumentation Die Objektivierung des postoperativen funktionellen Ergebnisses wird in Zukunft im Rahmen der Kontrolle der Ergebnisqualität noch mehr an Bedeutung gewinnen. Am Bewegungsapparat sind neben der morphologischen Kontrolle des Prothesensitzes (Röntgen) die Funktion der Muskulatur und die effiziente Abwicklung der Gelenkflächen des künstlichen Gelenkes von großer Bedeutung. Diese spielen auch in der sekundären und tertiären Prävention (Standzeit der Prothese) eine entscheidende Rolle. In der Praxis haben sich bereits das EMG zur frühfunktionellen Kontrolle der Muskulatur und die 3D-Bewegungsanalyse auf Ultraschallbasis zur Erkennung von funktionellen Gelenkbelastungen im späteren postoperativen Verlauf bewährt (Hallbauer et al. 1992; Seuser et al. 1994, 2004). 12.1.4.1â•… MG E Im menschlichen Körper gibt es viele elektrische Impulse. Die elektrischen Signale werden durch die Nervenzellen geleitet und können durch Elektroden aufgenommen werden. Dies kann zur Messung der Muskelströme per EMG (Elektromyographie) ausgenutzt werden (Cram u. Kasmann 1998). Hierbei steigt der messbare elektrische Impuls mit zunehmendem Aktivitätsgrad des Muskels im Mikrovoltbereich. Dieser ist abhängig von der Muskelkraft und der Ansteuerung durch übergeordnete Zentren (Basmajian u. De Luca 1987; Freiwald et al. 2007). Bei einer Schwellung oder Entzündung im Kniegelenk, kommt es neben vielen anderen Veränderungen auch zu Veränderungen der knieumgebenden Muskelaktionen. Selbst bei geringfügigen Irritationen und entzündlichen Veränderungen, nimmt die Spannung der Beinbeugemuskulatur zu. Die Streckmuskulatur nimmt bei EMG-Messungen mit zunehmendem intraartikulärem Druckanstieg in ihrer
A. Seuser
Kontraktionsfähigkeit ab (Bittscheidt et al. 1978). Dadurch kommt es unweigerlich zu einer Veränderung der inneren Kniekinematik, die sich in der Bewegungsfunktion und speziell im Roll-Gleit-Verhalten bemerkbar macht. Am Bewegungsapparat werden bisher nur wenige Messungen zur Darstellung des Muskelprofils durchgeführt. Dadurch bleiben Feinheiten von Bewegungsstörungen verborgen, insbesondere die symmetrische (seitengleiche) Leistung der Muskulatur kann mit klinischen Methoden nicht genau überprüft werden. Hierzu kann das EMG wichtige Aussagen beitragen. Der Muskelstatus ist bei jedem Patienten und jeder Verletzung/Operation auf individuelle Weise gestört (Laube et al. 1998). Das EMG gibt uns einen Hinweis, wie die Therapie auf die jeweilige Funktionsstörung angepasst werden kann. Ein zweiter großer Vorteil ist die Untersucherunabhängigkeit und die Reproduzierbarkeit der Methode. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit einer Therapiekontrolle und -optimierung. Beim Patienten nach Kniegelenksersatz werden der M. vastus medialis und die ischiokrurale Muskulatur untersucht (Draper 1990; Engelhardt u. Freiwald 1997). Für jede Muskelgruppe wird ein spezifischer Untersuchungsgang durchgeführt. Dazu gehört eine Messung in Ruhe zur Darstellung des „Ruhetonus“ der Muskulatur. Des Weiteren wird die maximale Kraftentfaltung des Muskels gegen einen Widerstand (Isometrie) gemessen. Schließlich wird die muskuläre Funktion während einer typischen Bewegung des Muskels im Sitzen ermittelt (Extension/Flexion). Die quantitative Betrachtung bewertet die absolute Höhe der elektrischen Antwort und die Durchschnittswerte der drei Versuche. Relevant sind dabei die auftretenden Seitenunterschiede rechts/links in Prozent. In der Praxis werden bei diesem Übungsablauf aufgrund von Erfahrungswerten und bereits durchgeführten Studien Seitendifferenzen unter 20â•›% akzeptiert. Zusätzlich wird die Qualität des Kontraktionsaufbaus und Abbaus und die dazwischen liegende Bewegungsumkehrphase beurteilt. Neben der genauen Befunddokumentation ergibt sich eine Individualisierung der physikalischen Therapie (s. 12.7). 12.1.4.2â•… Dreidimensionale Bewegungsanalyse Es gibt mehrere Möglichkeiten der dreidimensionalen Bewegungsanalyse. Die zurzeit praktikabelste ist die
12â•… Postoperative Maßnahmen
dreidimensionale Bewegungsanalyse auf Ultraschallbasis (s. 12.7) Seit 1979 werden in Bonn regelmäßig Funktionsanalysen durchgeführt. Das in der Abteilung für Biomechanik und Biophysik an der Orthopädischen Universität Bonn entwickelte Messsystem (Original Ultraschall-Topometer) ist eine akustische Messmethode zur berührungslosen dreidimensionalen Ortsmessung. Grundlage dafür ist die Messung der Laufzeiten regelmäßig abgegebener Ultraschallimpulse. Die Ultraschallimpulse der am zum messenden Körper befestigten Sender, werden von fest im Raum installierten Empfängern registriert (Abb. 12.1; Schumpe et al. 1990a). Zur Messung des Kniegelenks werden zwei Ultraschallsender je oberhalb und unterhalb des Kniegelenks befestigt. Über die Laufzeiten werden die Abstände der Sender zu den Empfängern ermittelt. Diese werden EDV-gesteuert in rechtwinklige karthesische
Abb. 12.1. Bewegungsanalyse des rechten Kniegelenks mit dem Ultraschalltopometer auf einem Laufband. S 1–6 = Ultraschallsender, E 1–4 = Ultraschallempfänger
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Koordinaten umgerechnet und online in den unterschiedlichen Projektionen graphisch auf dem Terminal dargestellt. Aus diesen Daten werden verschiedene Parameter errechnet: ●╇ Kniegelenkwinkel, ●╇ Winkelgeschwindigkeit, ●╇ Winkelbeschleunigung und ●╇ Roll-Gleitverhalten des Kniegelenks. Den ersten drei Parametern sind die folgenden Charakteristika gemein: Die Kurven sollen regelmäßig, rhythmisch und rund sein. Dies spiegelt eine optimale Effizienz der arthroneuromuskulären Einheit wider. Jede Abweichung bedeutet mehr Energieaufwand pro Schritt, insbesondere wenn es zu Beschleunigungsspitzen im Bewegungszyklus kommt. Neben diesen zyklischen Parametern gibt uns das Rollgleiten im Kniegelenk Aufschluss über die
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A. Seuser
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0o Beugung
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C1
=
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C3
Abb. 12.2. Roll- und Gleitmechanismus. Hoher Rollanteil: Der Belastungswinkel C wechselt. Es kommt zum physiologischen Lastflächenwechsel. Die Belastung erfolgt senkrecht und damit optimal für den Knorpel und die Kniebinnenfunk-
tion! (↜links). Hoher Gleitanteil: Der Belastungswinkel C bleibt gleich. Es erfolgt kein Lastflächenwechsel. Es besteht die Gefahr Knorpel und Bänder belastender schräger Krafteinleitung (↜rechts)
Kraftverteilung auf die künstliche Oberfläche (Seuser et al. 2000).
Negatives Rollen ist gekennzeichnet durch ein Abfallen des Tibiatangentenwinkels während der Kniebeuge und ähnelt der Bewegung, die ein Autoreifen durchführt, wenn das Auto einen steilen Berg hinauffährt und dabei mit durchdrehenden Reifen rückwärts rollt (Seuser et al. 2003, 2004).
Physikalische Grundlagen Rollen – Gleiten Ein optimales Roll-Gleiten ist ein Produkt aller knieumgebender und -bildender Strukturen, wie Gelenkform, Kapselbandapparat, Menisken und Muskulatur (Schumpe et al. 1990b). Bei Belastung im geschlossenen System wie bei der Kniebeuge oder beim Gang, kommt es natürlicherweise zu einem hohen Rollanteil, der dafür sorgt, dass die Kräfte senkrecht auf die Knieoberfläche übertragen werden. Dabei kommt es zu einem stetigen Wechsel der Kontaktflächen und zur optimierten Verteilung der Oberflächenbelastung auf die Knieendoprothese (Abb.â•›12.2). Die Auswertung des Messergebnisses erfolgt über ein spezielles Software-Programm. Dieses berechnet das Roll-Gleit-Verhalten anhand der Tibiastellung während der Kniebeugebewegung. Es wird der Winkel bestimmt, den die Tangente an der Bewegungsspur gegen die Achse des Unterschenkelsenders einnimmt. Dabei ist Rollen als eine dauernde Winkelveränderung des Tibiatangentenwinkels gegen den Kniebeugewinkel in aufsteigende Richtung definiert. Ein Gleiten zeigt sich durch einen gleichbleibenden Tibiatangentenwinkel (Belastungswinkel C und D) während der Kniebeugung. Die punktuelle Lastverteilung wie beim Rollen ist aufgehoben und es kommt zu vermehrten Belastungen ein und derselben Kontaktstellen zwischen Femur und Tibia. Vermehrt sagittal einfallende Kräfte belasten die Gelenkflächen zusätzlich.
12.2â•… Lagerungs- und Verbandstechniken Der unmittelbare postoperative Verlauf hängt von der optimalen Lagerung und von den Verbandstechniken ab. Ziele der Lagerung und des Verbandes der unteren Extremität nach Kniegelenkendoprothetik sind Verminderung/Vermeidung von Schmerz, Schwellung und Druckulzera sowie Erhalt der intraoperativ erreichten Streckfähigkeit. Es gelten einfache Grundregeln für die Lagerung: Schmerzfreiheit bei maximaler Entstauung und möglichst strecknaher Position des Kniegelenks. Die beste Lagerung ist immer ein guter Kompromiss zwischen den Hauptzielen. Für viele Patienten ist die gestreckte Lagerung direkt postoperativ auch unter einer adäquaten Schmerzmedikation kaum über längere Zeit auszuhalten. Daher kommt als wichtigstes Mittel die intermittierende Lagerung in der Neutralposition tagsüber in Frage. Überwiegt der Schmerz, sollte das Bein in eine schmerzfreie Position gelagert werden. Dies ist meist mit einer leichten Kniebeugung und leichter Außenrotation im Hüftgelenk verbunden. In den ersten Tagen sollte diese Lagerung in einer Schiene erfolgen, um möglichst unwillkürliche Bewegungen für das Kniegelenk (vor
12â•… Postoperative Maßnahmen
allen Dingen Rotation) zu vermeiden. Das Abtrainieren der Schiene kann individuell, orientiert an den Symptomen des Patienten, geschehen. Eines der Hauptprobleme nach Kniegelenkoperationen ist die postoperative Kontrolle von Schwellung. Schwellungszustände haben viele Ursachen: Blutung, Gelenkerguss, Synovitis, gemischte Ödeme und reine Lymphödeme. Eine Infektion sollte immer ausgeschlossen werden (Rodriguez-Merchan et al. 2003). Durch Hochlagerung, Kompression und rezidivierende Kälteanwendung (s. 12.7) können solche Symptome vermieden oder deutlich gebessert werden. Hierbei ist der postoperativ angelegte Kompressionsverband im Kornährenmuster nach Wattierung des Beines die beste Grundlage (Schlauchverband – Verbandswatte – elastische Binde). Der gut sitzende Kompressionsverband sollte bis zum ersten Verbandswechsel belassen werden. Dann kann klinisch entschieden werden, ob man auf Antithrombosestrümpfe, meistens der Kompressionsklasse I, umsteigen kann. Kontraindikationen sind allenfalls allergische Reaktionen des Patienten auf das verwendete ATS-Material oder höhergradige Durchblutungsstörungen, die durch die Kompression verstärkt werden könnten.
12.3â•… Mobilisation und Pflege Nach komplikationslos verlaufener Operation ist die Mobilisation am ersten Postoperationstag Standard. Diese wird in kleinen Schritten aufgebaut: Begonnen wird mit Aktivierung der Wadenpumpe (Anziehen und Strecken im Sprunggelenk). Der nächste Schritt schließt das Kniegelenk mit ein: beidseitiges synchrones Beugen und Strecken, soweit es das operierte Knie zulässt. Dann folgt langsames Aufrichten des Patienten und weitere Stabilisierung des Kreislaufs an der Bettkante. Es folgen das Stehen vor dem Bett und erste Schritte am Gehwagen unter der vom Operateur vorgegebenen Belastung. Die Mobilisation kann individuell und unter Einhaltung der entsprechenden Vorgaben von Tag zu Tag gesteigert werden. Nach jeder Mobilisation empfiehlt sich eine mindestens 30-minütige Pause. CPM („continuous passive motion“) ist ein Hauptbestandteil der frühen Rehabilitation. Der Patient sollte während der gesamten Behandlungszeit schmerzfrei sein. Unter dieser Kautele ist eine fraktionierte Therapie mit bis zu 4- bis 6-mal 30â•›min besser als 2- bis 3-mal 1 h (Salter 1989).
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Die postoperative Pflege umfasst vor allen Dingen die Hautpflege und ist damit die Grundlage einer reizfreien Wundheilung. Die vorsichtige tägliche Reinigung nach dem Verbandswechsel und die Pflege der Haut werden mit stark rückfettenden, ansonsten neutralen Hautpflegemitteln durchgeführt.
12.4â•… Laborkontrollen Hauptgrund für die Durchführung von Laborkontrollen ist die Kontrolle der Blutregeneration, die Beobachtung der Entzündungsparameter, der Leber- und Nierenwerten und des Elektrolythaushalts. Darüber hinaus gilt es, die Thrombozytenzahl im Auge zu behalten. Insbesondere diese zwingt zu einer 5-tägigen Laborkontrolle zur Früherkennung einer heparininduzierten Thrombozytopenie. Nach den ersten 10â•›Tagen können die Laborkontrollen individuell je nach Notwendigkeit weiter geführt werden. Wegen der obligatorischen postoperativen Schmerzâ•‚ therapie (s. 12.6) sollte bedacht werden, dass nicht nur Paracetamol, sondern auch die nichtsteroidalen Antiphlogistika ein hepatotoxisches Potential haben. Bei Ansteigen der Leberwerte bei Therapie mit nichtsteroidalen Antiphlogistika sollte eine Kontrolle der Transaminasen alle 2â•›Tage stattfinden. Bei anhaltender Tendenz müssen die nichtsteroidalen Antiphlogistika abgesetzt und eine Ersatzmedikation mit Opioiden begonnen werden. Sollte über längere Zeit Novalminsulfon gegeben werden, empfehlen sich wöchentliche Blutkontrollen, um rechtzeitig den Beginn einer Agranulozytose aufzuklären. Für den unproblematischen Patienten empfehlen sich Laborkontrollen am ersten, fünften und zehnten postoperativen Tag, dann Kontrolle in der ersten Woche der Rehabilitation und vor Beendigung der Rehabilitation.
12.5â•… Röntgenkontrollen Die erste Röntgenkontrolle erfolgt im OP zur direkten Kontrolle des Implantatsitzes. Am ersten bis dritten postoperativen Tag dann Kontrolle des Kniegelenks in zwei Ebenen. Wenn es zu keinen weiteren Auffälligkeiten kommt, ist keine weitere postoperative Kontrolle bis vor Abschluss der Rehabilitation nötig. Nach
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der intensiven rehabilitativen Belastung des Patienten ist vor Entlassung ein Röntgen des Kniegelenks in zwei Ebenen und der Patella tangential angezeigt. Weitere Kontrollen finden nach 6â•›Monaten, dann im jährlichen oder im 2-jährigen Verlauf statt. Bei anhaltenden Schmerzen oder nach Trauma können jederzeit zusätzliche Röntgenkontrollen durchgeführt werden.
12.6â•… Medikamentöse Nachbehandlung Die medikamentöse Nachbehandlung umfasst viele Bereiche. Der wichtigste Bereich ist die Schmerztherapie. Aus welchen Gründen auch immer der Schmerz den Bewegungsapparat belastet, verursacht er monoton reflektorische Veränderungen, die, nach außenhin erkennbar, vor allen Dingen eine Erhöhung der muskulären Spannung in tonischen und eine Abschwächung der phasischen Muskeln bewirken können. Dies führt unweigerlich zu Funktionsstörungen und behindert den weiteren postoperativen Verlauf. Die Schmerztherapie ändert sich im postoperativen Verlauf.
12.6.1â•… Medikamentöse Schmerztherapie Grundsätzlich sollte die medikamentöse Schmerztherapie nach den Grundlagen des WHO-Schemas durchgeführt werden. Eine Adaptation an die Schmerzsituation des Patienten ist erforderlich. Das bedeutet ggf. auch einen schnelleren Einsatz von Opiaten oder eine Anpassung an die Schmerzart und den Schmerzort. Ziel ist es, eine rasche passive Gelenkmobilisation zu ermöglichen. Nur in den ersten Wochen ist der Weichteilmantel gut dehnbar (Jage 2004). 12.6.1.1â•… Direkt postoperative Schmerztherapie (1â•›Woche postoperativ) (S3 Leitlinie Schmerztherapie 2009) Periphere Leitungsanästhesie (Meier u. Büttner 2006)╇ Indikationen: früher Ruheschmerz („early postoperative pain“), komplexer Übungsschmerz der frühen Mobilisationsphase.
A. Seuser
Nervus-femoralis-Katheter.╇ In den ersten 24â•›h ggf. kontinuierliche Behandlung. Dann Bolusinjektionen (20â•›ml Bupivacain 0,25â•›%) vor Mobilisation sowie abends bei streckseitigem Ruheschmerz. Ziehen des Katheters am 4. oder 5. postoperativen Tag. Psoas-Kompartment-Blockade mit anteriorem Ischiadikuskatheter.╇ Verhindert Kniekehlenschmerz für ca. 20â•›h (20â•›ml Bupivacain 0,25â•›%). Unsicherer als Femoralisblockade. Kombination möglich. Führt bei 85â•›% der Patienten zur schmerzfreien Aufwachphase. Systemische Akutschmerztherapie.╇ Ausreichend für Routineeingriffe und als Reserve bei Leitungsanästhesie. Bei akuten Schmerzen werden die peripheren Analgetika regelmäßig und Opioide frühzeitig bei Bedarf gegeben. Bei häufigem Bedarf „Schmerzmedikamente“, insbesondere Opiate, im strengen Zeitintervall verabreichen. Eine Regelmedikation mit nichtsteroidalen Antiphlogistika kann bei Bedarf mit Metamizol und Opioiden/Opiaten ergänzt werden. 12.6.1.2â•… Schmerztherapie in der postakuten Phase Eine Individualisierung der Schmerztherapie führt zu einer verbesserten Behandlungseffizienz. Beim postakuten Patienten (ab 1â•›Woche postoperativ) kann strukturbezogen therapiert werden. Die Schmerztherapie variiert mit dem Symptom und der betroffenen Struktur. Unterschieden wird zwischen somatischem und neurogenem Schmerz. Somatischer Schmerz kann muskulär oder ligamentär sein. Medikamentöse Schmerztherapie bei muskulärem Schmerz╇ Primärer Versuch mit Muskelrelaxanzien. Da Muskelverspannung auch mit Entzündung einhergeht, kommt auch der kurzfristige Einsatz von Antiphlogistika in Frage. Ergibt sich keine Linderung, werden auch periphere und zentrale Analgetika eingesetzt. Bei lokalisierten Befunden (Triggerpunkte), können Injektionen helfen. Adjuvant sind Chirotherapie, TCM, KG und physikalische Therapie (s. 12.7). sinnvoll. Medikamentöse Schmerztherapie bei ligamentärem Schmerz╇ Dieser ist in erster Linie ein Entzündungsschmerz. Bei fehlender Kontraindikation hilft eine entzün-
12â•… Postoperative Maßnahmen
dungshemmende Medikation mit nichtsteroidalen Antiphlogistika. Kurzfristig bestehen auch keine Einwände gegen Cyclooxyginase-II-Hemmer. Bei Patienten über 60â•›Jahre oder zusätzlichen „Magenrisiken“ Kombination mit Protonenpumpenhemmer. Bei unzureichender Wirkung Steigerung durch periphere Analgetika, Muskelrelaxanzien und zentrale Analgetika. Medikamentöse Schmerztherapie bei neurogenem Schmerz╇ In seltenen Fällen kommt es zu neuronalen Schmerzsymptomen bei Irritation des N. peroneus oder des N. saphenus. Erfahrungsgemäß ist der neurogene Schmerz schwerer einzustellen und erfordert von Anfang an stärkere Schmerzmedikamente (Opioide, Opiate). Es haben sich auch Psychopharmaka/Antiepileptika (Gabapentin) bewährt. Zusätzlich können periphere Analgetika und Antiphlogistika, aber auch Muskelrelaxanzien in einem multimodalen Ansatz zum Einsatz kommen.
12.6.1.3â•… Medikamentöse Schmerztherapie in der Rehabilitation (2â•›Wochen postoperativ) Gerade die Kniegelenkendoprothetik ist im Bezug auf die Schmerztherapie eine Herausforderung, da Schmerz die Entwicklung der Funktion des endoprothetischen Kniegelenks stark beeinflusst. Freie Nervenendigungen vom Typ III sind für Schmerz, aber auch für die Anpassung an Trainings- und Therapieeffekte verantwortlich. Mit Schmerz wird der Therapieund Trainingserfolg behindert. Ausreichende Schmerztherapie senkt einen pathologisch gesteigerten Muskeltonus. Die Kennmuskelkraft wird gesteigert, es kommt zu einer Symmetrisierung der Muskelgruppen rechts/links und zu einem vergrößerten Bewegungsumfang. Trotzdem besteht nach Schmerztherapie noch eine erhebliche funktionelle Reststörung, die nur durch weitere Krankengymnastik, kombiniert mit physikalischen Therapiemethoden und medizinischer Trainingstherapie, angegangen werden kann. Die Kontrolle der Schmerzstärke erfolgt über die visuelle Analogskala (VAS; s. 12.1). Der Patient wird auf seinen individuellen Schmerzzielbereich einge-
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stellt. Dazu stehen verschiedene medikamentöse und therapeutische (s. 12.7) Ansätze zur Verfügung (Heisel u. Herosch 2007).
12.6.2â•… Antikoagulation Neben der Schmerztherapie ist die niedrig dosierte Heparintherapie eine der wichtigsten Bestandteile der medikamentösen Nachbehandlung. Die Verhinderung von Thrombosen und Embolien ist eines der wichtigsten Themen der postoperativen Maßnahmen nach Knie-TEP. Die niedrig dosierte Heparintherapie für 11– 14â•›Tage, in bestimmten Fällen auch für eine längere Zeit, ist dabei die wirkungsvollste Therapie. Diese wird ergänzt durch durchblutungssteigernde Frühmobilisation, die der Patient schon ab dem 1. postoperativen Tag im Bett erlernen kann (s. 12.3). Ergänzt wird der Thromboseschutz durch die Verwendung von Kompressionsverbänden und Antithrombosestrümpfen. Die der Operation vorausgegangene Gerinnungsuntersuchung gibt uns Erkenntnisse über das individuelle Risiko des Patienten (z.â•›B. Faktor-V-Leiden). Die Dosierung richtet sich nach dem verwendeten Heparin oder nach dem persönlichen Risiko des Patienten (vorherige Marcumar-Indikationen). Die Heparinisierung des Patienten sollte für 11– 14â•›Tage bei längerfristiger Entlastung unter 20â•›kg Teilbelastung durchgehalten werden, so lange, bis die Teilbelastung aufgehoben wird (S3 Leitlinie VTEProphylaxe 2009).
12.6.3â•… Antibiotikatherapie Die Wundinfektionsrate konnte durch den konsequenten Einsatz einer systemischen perioperativen Antibiotikaprophylaxe auf unter 1â•›% gesenkt werden. Zum Einsatz kommen vor allem Cephalosporine der zweiten Generation. Dabei ist das Prozedere noch unterschiedlich und reicht von einem präoperativen „single shot“ bis zum perioperativen Einsatz (3â•›Tage) bei Risikopatienten (Wechseloperation, Hämophilie, HIV, rheumatoide Arthritis).
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12
12.6.4â•… Individuelles Medikamentenschema des Patienten Viele Patienten sind schon präoperativ auf ein bestimmtes Medikamentenschema eingestellt. Dazu gehören Antidiabetika, Antiosteoporotika, Antihypertensiva, Herz-Kreislauf-Medikamente, Antiasthmatika, Schilddrüsenmedikamente, blutverflüssigende Mittel (Marcumar, Aspirin, Plavix etc.) und immunsupprimierende Mittel (Methotrexat). Eine notwendige Unterbrechung der Therapie sollte mit dem behandelnden Fachkollegen abgesprochen werden. Herz-Kreislaufstützende Medikamente und Antiarrhythmika sollten dringend belassen werden. Blutdrucksenkende Medikamente können oft in der ersten postoperativen Phase (4 bis 6â•›Wochen) reduziert werden, da es durch den intraoperativen Blutverlust zu einer vorübergehenden Blutdrucksenkung kommt. Mit steigendem Hb steigen auch wieder die Blutdruckwerte und die vorherige Medikation kann schrittweise wieder eingesetzt werden. Postoperative Adaptationsschwierigkeiten kann es vor allem bei antidiabetischer Medikation, Schilddrüsenmedikation und bei der Remarcumarisierung geben.
12.7â•… Physikalische Therapie (Harer-Becker u. Schoer 1998) Grundlagen.╇ Etwa die Hälfte des Erfolges einer Knieersatzoperation ist abhängig von der physikalischen Therapie. Die operative Versorgung entfernt die erkrankten knöchernen Anteile, synovektomiert und sorgt im Idealfall für achsgerechte Verhältnisse und eine ausreichende ligamentäre Balance. Das lange vor dem Eingriff schon gestörte muskuläre Gleichgewicht und die vorbestehende Reizung des Kapselbandapparates wird durch die OP im Sinne eines „second hit“ verstärkt. Dazu kommt die postoperative Schwellneigung des Gelenks und/oder der gesamten Extremität. Auch die Nachbargelenke und die „gesunde“ Gegenseite werden passager mehr belastet. Nur genaue Kenntnisse der motorischen Körperfunktionen ermöglichen den effektiven Einsatz aller physikalischen Therapiemaßnahmen. Die Prothese ist ein Verschleißteil mit begrenzter Lebenserwartung. Schaffen wir optimale Belastungs-
A. Seuser
bedingungen, können wir von einer langen Standzeit ausgehen. Jeder Patient bringt dabei individuelle Möglichkeiten mit, die sehr vom Vorleben abhängen: Wie sportlich war der Patient? Wie sind seine Hebelverhältnisse in Hüfte, Knie- und Sprunggelenk? Wie sehr musste in die Beinsachse eingegriffen werden? Wie lange war der Krankheitsverlauf vor dem Eingriff? Sind andere Gelenke betroffen? Welcher Zugang wurde gewählt? Gab es postoperative Komplikationen? Inhalte der physikalischen Therapie sind zunächst die Reduktion von Symptomen, die für den Patienten primär limitierend sind. Dabei ist an erster Stelle der Schmerz zu nennen, in zweiter Linie die Bewegungseinschränkungen. Hier ist freie Streckung und mindestens 90 Grad Beugung das mittelfristige Therapieziel. Darüber hinaus müssen Schwellung und Entzündung reduziert und die muskuläre Balance wieder hergestellt werden. Über die Beseitigung der o.â•›g. Symptome hinaus, ist die Etablierung der optimalen Funktion eine Grundlage für die lange Standzeit der Knieprothese. Die bei dem Patienten bestehenden Symptome sind durch klinische Untersuchungen leicht zu eruieren. Dagegen muss die gestörte Funktion durch Funktionsmessungen festgestellt werden. Das Ergebnis sollte eine Bewegung sein, die in jedem Falle regelmäßig, rhythmisch und rund (sinusförmig) ist. Dies gilt nicht nur für die Bewegung in einem Gelenk, sondern auch für die Koordination von mehrgelenkigen Bewegungsketten, die in unserem Alltag die Regel sind. Bewegung fängt im Kopf an.╇ Dies ist die Aufgabe unseres Gehirns. Dafür nutzt unsere Bewegungszentrale eine Vielzahl von Eindrücken, visueller, vestibulärer, aber hauptsächlich somatosensorischer Art (Enoka 1994). Der am besten beeinflussbare Teil des somatosensorischen Systems ist die Muskulatur. Daher gilt das Hauptaugenmerk der physikalischen Therapie der Muskulatur. Wir finden hier eine große Anzahl von Rezeptoren, die verschiedene Aufgaben haben, unter anderem Rezeptoren vom Typ Ia, wie die primäre Muskelspindel, die Muskellänge und Veränderung kontrolliert, Typ Ib, den Golgi Sehnenapparat, der für die Muskelspannungsoptimierung zuständig ist, den Typ II, die sog. sekundäre Muskelspindel, die einen weiteren Kontrollmechanismus für die Muskellänge darstellt, sowie den Typ IIb, nicht Spindelendungen, die für die Erfassung von tiefem Druck und Tiefensensibilität zuständig sind.
12â•… Postoperative Maßnahmen
Freie Nervenendigungen vom Typ III sind notwendig für den Schmerz, aber auch gleichzeitig für die Anpassung an Trainings- und Therapieeffekte und die reinen freien Nervenendigungen vom Typ IV, die hauptsächlich Schmerz leiten. Krankheitsfolgemodell der WHO.╇ Die Rehabilitation richtet sich nach dem Krankheitsfolgemodell der WHO. Schädigung, Fähigkeitsstörung und Behinderung sind die Eckpfeiler (Impairment, Disability, Handicap). Für Patienten mit Knie-TEP ergibt sich daraus folgende Situation: Schädigung durch Muskelschwäche der Streckmuskulatur, Verkürzung der Beugemuskulatur, verminderte Produktion von Synovialflüssigkeit (quantitativ und qualitativ). Reizung der Gelenkkapsel, gestörte neuromuskuläre Rückkopplung und Reizung von Innenband, Außenband und Retinacula patellae. Dies führt zu Fähigkeitsstörungen der Belastbarkeit, Fortbewegung und Selbstversorgung sowie ohne Rehabilitation zur Behinderung und zum Verlust der physischen Unabhängigkeit, der Mobilität und der sozialen Integration. Das Krankheitsfolgemodell wird durch das biopsychosoziale Modell der ICF (Internationale Classifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) konsequent weiter vertieft. Zusammenfassend geht es darum, eine funktionelle Gesundheit wieder herzustellen, die den gesamten Lebenshintergrund spiegelt. Dabei ist bei der Beeinträchtigung der Teilhabe am sozialen Leben unter Berücksichtigung individueller Kontextfaktoren relevant (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (Herausgeber). Rehabilitation und Teilhabe, Wegweiser für Ärzte und andere Fachkräfte der Rehabilitation. Deutscher Ärzteverlag 2005).
12.7.1â•… Integratives Modell der Gelenkfunktion Bewegung ist das Endprodukt einer langen Kette neuronaler Verschaltungen, die mit dem Bewegungswillen im Frontalhirn beginnt (Winter 1990). Dann erfolgt die Weiterleitung in die prämotorischen und motorischen Areale des Großhirns. Multiple Verschaltungen mit assoziativen Zentren, dem Kleinhirn sowie dem limbischen System modellieren die Bewegung, bevor das Ereignis sichtbar ist.
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Im Einzelnen ergibt sich Bewegung aus der organisierten Hemmung und Ansteuerung aller gelenkführenden Muskeln. Häufige Bewegungswiederholungen (z.â•›B. beginnend mit kleinen Bewegungsausschlägen und geringer koordinativer und Kraftbelastung) führen zur Ausbildung von Bewegungsalgorithmen, die in einem Musternetzwerk verschaltet werden (Kandel et al. 2000). Dieses wird beeinflusst durch Drogen (auch Schmerzmedikamente) und durch entsprechend absteigende Signale. Afferente Impulse, z.â•›B. Therapie- und Trainingsreize, optimieren das System durch positive Rückkopplung. Das Ergebnis wird an die Motorneurone weitergegeben und es entsteht das Bewegungsmuster. Dieses ist im Prinzip durch Rechtslinks-Symmetrie (wobei sich das „Gesunde“ dem „Kranken“ im Sinne einer pathologischen Symmetrie anpasst) und hohe Ausführungseffizienz bestimmt. Diese Effizienz zeigt sich nach außen messbar in Regelmäßigkeit, Rhythmik und Rundheit der Bewegung sowohl im betroffenen Gelenk als auch in den Nachbargelenken (EMG und 3D-Ultraschalltopometer zur Erfolgskontrolle). Die neuronale Kontrolle ermöglicht einen konstanten und akkuraten afferenten Input der Gelenkrezeptoren mit angemessener motorischer Antwort ohne Ansteuerungsstörung (EMG-Bewegungsanalyse; Abb.â•› 12.3). Daraus ergeben sich die nachfolgenden Therapiegrundsätze (Abb.â•›12.4): ●╇Stabilität erfordert motorische Kontrolle (intermuskuläre), Kraftschlüssigkeit (intramuskulär) und die Formschlüssigkeit der passiven Komponenten (Prothesensitz, Weichteilbalance). ●╇Bewegung trägt die aktiven und neuronalen Komponenten wie z.â•›B. den emotionalen Antrieb in sich und beeinflusst die Stabilität. ●╇Die passive Komponente wird z.â•›B. durch Gelenkmobilisation optimiert. ●╇Motorische Kontrolle mit integrierter neuronaler Komponente wird über Tonusregulierung therapeutisch beeinflusst (Massagen/Manuelle Therapie). ●╇Die aktive Komponente der Gelenkfunktion wird über die Aktivierung getriggert (MTT, Stabilisation, mono- und multisegmental). ●╇Der emotionale Antrieb mit der neuronalen Komponente wird über Körperwahrnehmung angesteuert (Kinästhetik, PNF).
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A. Seuser
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12.7.2â•… Symptomatische physikalische Therapie
Gelenkfunktion
Passive Komponente
Neben der medikamentösen Schmerztherapie spielt die physikalische Therapie eine entscheidende Rolle. Die Möglichkeiten der physikalischen Therapie sind groß und für jeden Patienten kann die richtige Therapie zusammengestellt werden. Aus Krankengymnastik, medizinischer Trainingstherapie, Wassertherapie, Mechanotherapie, Thermotherapie und Elektrotherapie kann der betreuende Arzt und Therapeut zusammen mit dem Patienten (therapeutisches Team) die individuelle Lösung finden (Abb.â•›12.5). Wichtig ist, die gesunde Seite immer mitzutrainieren. Der Körper strebt nach Symmetrie und die gesunde Extremität passt sich der kranken an!
Motorische Kontrolle Stabilität
Neuronale Komponente
Bewegung
Emotionen Antriebe
Aktive Komponente
Neuronale Komponente
Abb. 12.3. Integratives Modell der Gelenkfunktion. Formschlüssigkeit (↜渀屮↜passive Komponente): intakte Knochen, genaue Implantation, Ligamente, Faszien und Kapsel. Kraftschlüssigkeit (aktive Komponente): optimale Muskelfunktion, ausdauernde isotonische und isometrische Kontraktion intramuskulär. Motorische Kontrolle: optimale Koordination intermuskulär, adäquate Kraftübertragung auf die artikulären Struktur im optimalen Punkt. Neuronale Kontrolle: konstanter akkurater afferenter Input der Mechanorezeptoren in die Gelenke und gelenkumgebenden Strukturen, adäquate Interpretation des afferenten Inputs und angemessene motorische Antwort. „Ansteuerungsstörung“. (Mod. nach Lee 2001 und Panjabi 1992. Mit freundlicher Genehmigung von Marco Herbstleb)
12.7.2.1â•… Physikalische Therapie bei Schmerz an der Muskulatur Ausgehend von einer vor allem muskulären Schmerzsituation hilft die Mechanotherapie mit ihren funktionell lockernden Methoden wie der klassischen Massage oder der Triggerpunktbehandlung nach Marnitz. Die Bewegungsmassage nach Terrier ist bei Schmerzen in der Muskulatur, verbunden mit
Gelenkfunktion
Passive Komponente
Abb. 12.4. Therapieschwerpunkte nach dem integrativen Modell der Gelenkfunktion. (Mod. nach Lee 2001 und Panjabi 1992. Mit freundlicher Genehmigung von Marco Herbstleb)
Aktive Komponente
Motorische Kontrolle Stabilität
Neuronale Komponente
Bewegung
Emotionen Antriebe Neuronale Komponente
Körperwahrnehmung
Tonusregulierung
Gelenkmobilisation
Aktivierung
12â•… Postoperative Maßnahmen
175 Physikalische Therapie
Krankengymnastik
Beweglichkeit Koordination Stabilisation Kräftigung Gangschule ADL
MTT Krafttraining untere Extremität
Rumpf Schultergürtel †bende Verfahren Kraft + Koordination
Wasser
Mechanotherapie
Thermotherapie
Elektrotherapie
< Gewicht
Schmerlinderung
Schmerzlinderung
Schmerzlinderung
Koordination
Abschwellung
Entspannung
Entspannung
Stabilisation
Detonisierung
Abschwellung
Abschwellung
Lagesinn
Kräftigung
Kraftausdauer
Ausdauer
CPM Thromboseschutz
Heimprogramm
Abb. 12.5. Synopsis aller physikalischen Möglichkeiten der Behandlung nach Knie-TEP. Die „wichtigsten“ und effektivsten Therapien stehen links. Die komplementären Methoden stehen
rechts. Innerhalb der Gruppe ist die Abstufung von oben nach unten gedacht. ADL activities of daily living, CPM continuous passive motion, MTT medizinische Trainingstherapie
Bewegungseinschränkungen, eine lohnende Therapiemethode. Krankengymnastisch können Funktionsmassagen, vorsichtige mit kleinen Bewegungen arbeitende manuelle Therapie an den mit dem Muskel assoziierten Gelenken sowie die Querdehnung der Muskulatur und die progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen zum Einsatz kommen. Thermotherapie umfasst Kälte- und Wärmeanwendungen. Grundprinzip: akute Symptome eher mit Kälte, chronische eher mit Wärme behandeln. Dies ist jedoch auch von der Subjektivität des Patienten abhängig. Der Vorteil von Kälteanwendungen ist die Senkung der Nervenleitgeschwindigkeit und damit der Schmerzen (Olson u. Stravino 1972). Wird Kälte mit Druck kombiniert, kommt es zu reflektorischen Öffnung aller Gefäßsysteme (venös, arteriell, lymphatisch). Dies führt zu gesteigerter Durchblutung und verbessertem Abtransport von Schlackestoffen (Eldred et al. 1960; Lippold et al. 1960). Bei eher chronischen Verläufen helfen Fango oder heiße Rolle, je nachdem, ob großflächig oder punktuell Wärme zugeführt werden soll. Problematisch ist die leichtere Ansprechbarkeit der Muskelspindel, die nach der Behandlung zu unkontrollierten Muskelverspannungen führen kann. In der Elektrotherapie ist bei liegenden Implantaten Hochvolt zur Behandlung der Muskulatur bei Schmer-
zen und Verspannung indiziert. Kräftigen der Antagonisten der verspannten Muskulatur führt reflektorisch zu einer Detonisierung der Agonisten. 12.7.2.2â•… Physikalische Therapie bei Schmerz am Kapselbandapparat Die durch Operationsinstrumente gedehnten Bandansätze sind besonders empfindlich und verursachen punktuelle Schmerzen. Bei längerem Bestehen kann es auch zur Schmerzausstrahlung ins gesamte Kniegelenk kommen. Bei Versagen physikalischer Therapiemaßnahmen ist eine Infiltration der Bandansätze indiziert. Bei ligamentären Schmerzen ist die Krankengymnastik mit manuellen Therapieansätzen die wichtigste Therapieform. Integration von propriozeptivem Training und Dehnen der verkürzten Beinbeuger von Anfang an (Kendall et al. 2001). Die führende „Elektrotherapie“ beim Kapselbandschmerz ist der Ultraschall. Er kann einen periartikulären Schmerz (z.â•›B. Periost, Tibia, Ansatz und Verlauf Tibialis anterior) senken, sollte aber nicht im Bereich der eingebrachten Prothetik eingesetzt werden. Die Phonophorese kombiniert mit Hochvolt und Ultraschall ist eine Möglichkeit, entzündungshemmende
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und schmerzstillende Dermatopika leichter durch die Haut zu transportieren (prothesenfern; Senn 1988). Querfriktionen lösen Fibrinverklebungen im entzündlichen Gebiet und verbessern die lokale Durchblutung. Die Massage nach Marnitz behandelt Triggerpunkte und hilft den Muskelzug auf den Kapselbandapparat zu reduzieren. Die Thermotherapie wird wie bei Muskelsymptomen eingesetzt. Die bei Muskelproblemen nicht aufgeführte Wassertherapie – zu starke Detonisierung der Muskulatur mit unter Umständen Kontrollverlust beim Verlassen des Wassers – kann jetzt als Entspannungstherapie (Gehen unter „schwerelosen“ Bedingungen) und zur vorsichtigen Verbesserung der Koordination eingesetzt werden. 12.7.2.3â•… Physikalische Therapie bei neurogenen Schmerzen Bei neurogenem Schmerz helfen in der Krankengymnastik die Nervenmobilisation und die manuelle Therapie. Inhalte sind die Traktion im Segment der neurogenen Einengung und die Mobilisation dieses Segmentes mit anschließender Stabilisation. Triggerpunkt- und Reflexzonentherapie in der Körperperipherie sind in ihrer Wirkung nicht bewiesen, haben sich in der Praxis jedoch individuell bewährt. Die elektrotherapeutischen Möglichkeiten umfassen transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Interferenzstromanwendungen sowie galvanische Längs- oder Querdurchflutungen (cave bei Prothetik). Wärme kann den Nervenschmerz verstärken, daher eher Kältetherapie (Stillwell 1971). Diese hat jedoch weniger Wirkung als die anderen Therapiemethoden. Generell gilt, alle verfügbaren Therapiemethoden (Chirotherapie, Traditionelle Chinesische Medizin, medikamentöse Therapie, Injektionen, Psychotherapie (Schulze Schleithoff 2008)) in einem multimodalen Ansatz zu nutzen. 12.7.2.4â•… Physikalische Therapie nach Symptomen Bewegungseinschränkung╇ Unterschiedlich ausgeprägte präoperative Gelenkdestruktionen liefern unterschiedliche postoperative Be-
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wegungseinschränkungen und erfordern eine individuelle Therapie. Alle Formen der Krankengymnastik sind in unterschiedlichen Kombinationen sinnvoll. Postisometrische Relaxation, PNF, „continuous passive motion“, ADL-Training und Gangschulung. In der medizinischen Trainingstherapie (MTT) wird in die eingeschränkte Bewegungsrichtung trainiert. Bei Flexionseinschränkung im Kniegelenk Training der Beinbeuger im offenen System, das heißt, mit Gewichtsbelastung über den Unterschenkel. Zusätzlich erfolgt zunächst die einbeinige, dann je nach EMGKontrolle auch die symmetrische Kräftigung beider Bewegungsketten im geschlossenen System auf der Beinpresse. Erhalt der Ausdauerfähigkeit durch Ergometertraining, auch durch verkürzte Kurbel (ab ca. 70° Flexion möglich). Die Mechano- und die Thermotherapie sind als zusätzliche Maßnahmen der Verbesserung der Beweglichkeit geeignet. Bei der Terrier-Massage handelt es sich um eine Massage der reflektorisch verspannten Muskulatur, in Abhängigkeit von der Gelenkstellung. Die klassische Massage arbeitet detonisierend am verspannten Muskel. Ist die Ursache der Bewegungseinschränkung eine Schwellung, kann diese über Lymphdrainage abgebaut werden. Bei Blockierungen des Wadenbeinköpfchens hilft Chirotherapie. Reflektorische Bewegungshemmungen können neuraltherapeutisch punktuelle Schmerzen über eine Schmerzpunktinfiltrationen (Carbostesin 0,5â•›%) behandelt werden. Muskuläre Schwäche und Atrophie╇ Gegebenenfalls stützende Maßnahmen (z.â•›B. Bandagen oder Orthesen) und Gehhilfen, um vorübergehend die Belastung zu minimieren. Bei anhaltender Muskelatrophie und Lähmung ist eine weitere Abklärung indiziert. Die physikalische Therapie umfasst insbesondere die medizinische Trainingstherapie (MTT) mit Krafttraining (Seuser et al. 1992, 1993b), Ausdauertraining und Koordinationstraining. Die Kontraktion der Muskulatur muss schmerzfrei sein (Freiwald 2006; Gustavsen u. Streeck 1997). In der Krankengymnastik sollte mit Energietechniken und Vojta beim Grad 0–1, mit Isometrie ab Kraftgrad 2 gearbeitet werden. Ansonsten so früh wie möglich mit PNF (propiozeptive neuromuskuläre Faszilitation) koordinativ in die Diagonale arbeiten.
12â•… Postoperative Maßnahmen
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Manuelle Stabilisation segmental und übersegmental: Ein Kompensationstraining soll dem Patienten helfen, andere Muskelgruppen für die geschwächte Muskulatur einzusetzen. Die Aktivitäten des täglichen Lebens werden in Bezug auf die Muskelatrophie und Lähmung überprüft und optimiert. Faradisation des betroffenen Nervs/der Muskulatur. Häusliche Muskelstimulation mit z.â•›B. Polystim. Hochvolt kann als reine Spannungsapplikation beim Implantat auch als Muskeltrigger eingesetzt werden. Im Wasser wird unter Abnahme der Körperschwere frühzeitig ein Ausdauertraining z.â•›B. Aquajogging durchgeführt. Dabei werden auch die koordinativen Möglichkeiten verbessert.
Koordinationsstörung╇
Schwellung╇
12.7.3.1â•… Grundlagen
Die Schwellung ist eines der Hauptsymptome nach Knieendoprothetik. In der Rehabilitationsphase ist das Knie über mehrere Wochen mäßig geschwollen und überwärmt. Das kann zum schnellen Verlust der intraperativ gewonnen Beweglichkeit führen. Eine Differentialabklärung der Schwellung steht am Anfang der Therapie. Bei Indikation ist die Punktion ein wesentlicher diagnostischer und schmerzstillender Faktor, reicht aber alleine nicht aus. Die reflektorischen Reaktionen (z.â•›B. reflektorische Schwäche des Kniestreckapparates, Tonuserhöhung der Beugemuskulatur), müssen durch einen Therapiekanon wieder zurückgeführt werden. Im Vordergrund stehen abschwellende Mittel und damit das breite Spektrum der Antiphlogistika. Lokal und knochennah kann auch mit Salben- und Gelanwendungen gearbeitet werden. Bei zusätzlicher Rötung Einsatz von Rivanol. Die physikalische Therapie besteht vor allem aus der Mechanotherapie mit Lymphdrainage und Kompression. Sind die Schwellungen rückläufig, kann auch mit maschineller Lymphdrainage, wie z.â•›B. mit Hydroven, weitertherapiert werden. In der Thermotherapie führt die Kältetherapie, als elektrotherapeutische Maßnahme kommt frequenzmodulierte Hochvolttherapie in Frage. Krankengymnastisch frühes Bewegungstraining. Bei verminderter Belastbarkeit auch Antithrombosetraining mit Verbesserung der Wadenpumpe. Antithrombosestrümpfe, Hochlagern, Packungen mit Enelbin, Retterspitz oder Quark sind assistive Maßnahmen.
Durch den langen Krankheitsverlauf und durch die Operation sind alle Strukturen des Kniegelenks beeinträchtigt. Daher sind die segmentale Propriozeption und auch die mehrsegmentale Koordination erheblich eingeschränkt. Die Koordination ist in direkter Weise von allen anderen Symptomen abhängig. Sie soll von Anfang an mittherapiert werden. Individuell optimale Koordination kann nur erreicht werden, wenn alle anderen Symptome erfolgreich therapiert wurden.
12.7.3â•… Funktionelle physikalische Therapie
Das Kniegelenk ist ein muskelgeführtes Gelenk, bei dem zwei sehr unterschiedlich konfigurierte Oberflächen miteinander kommunizieren. Dabei ist die Oberfläche des Femurs deutlich größer als die der Tibia. Daraus resultiert als innere Kinematik eine Kombination aus Rollen und Gleiten (s. Abb.â•›12.2). Die Bewegungsmöglichkeiten des Kniegelenks sind Beugung und Streckung sowie Rotation nach innen und nach außen. Das Knie spricht in typischer Weise auf Erkrankungen an. Die Streckmuskulatur, die entwicklungsgeschichtlich jünger ist, neigt zur Abschwächung. Mit zunehmendem Druck in der Gelenkkapsel oder zunehmender Entzündung geht zunächst die Kraft des Vastus medialis, dann des Vastus lateralis, dann des Rectus femoris und dann des Intermedius langsam verloren. Die Beugemuskulatur neigt als entwicklungsgeschichtlich ältere Muskulatur zur Verkürzung bei intra- und periartikulären Prozessen. Rein biomechanisch gesehen geht das Kniegelenk beim Gang durch eine Stand- und Schwungphase. Eine initiale strecknahe Stellung des Kniegelenks beim Fersenkontakt, geht über in eine Beugung unter Körperlast und in eine Endstreckung bei der Zehenabdruck (10–20°). Dann wird eine Schwungphase von 50–60° eingeleitet (s. Abb.â•›12.9). Der Roll-Gleit-Mechanismus im Kniegelenk dient in allererster Linie der optimalen Kraftverteilung zwischen Femur und Tibia, dabei ist ein möglichst hoher Rollanteil angestrebt. Beim Rollen wird die Kraft
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von einem Punkt auf den nächsten senkrecht verteilt. Beim Gleiten kommt es zur vermehrten schrägen Krafteinleitung (s. Abb.â•›12.2). 12.7.3.2â•… Funktionelle Physikalische Therapiesteuerung durch EMG Ruhetonusmessung╇ Die Ruhetonusmessung erfolgt in entspannter Körperhaltung und lockerer Muskulatur. Die Datenanalyse zeigt die Muskelwerte in Mikrovolt und die prozenÂ�tuale Rechts-links-Differenz. Referenzdaten gibt es nur für Messungen im Gesichts-, Hals-, Brust-, Lendenund Schulterbereich. Erhöhte Ruhetonuswerte und Rechts-links-Differenzen werden therapeutisch relevant bei Unterschieden über 2 MicV oder über 20â•›%. Die Therapie besteht aus der Detonisierung des zu stark feuernden Muskels. Dabei ist die Beinbeugemuskulatur deutlich mehr betroffen als die Beinstreckmuskulatur. Methodisch können krankengymnastische Querdehnungen und detonisierende Massagen eingesetzt werden. In der MTT (medizinische Trainingstherapie) wird der Antagonist trainiert. Isometrische Kontraktion╇ Der Patient arbeitet aus einer definierten entspannten Körperhaltung heraus, er wird instruiert, die entsprechende Muskulatur maximal gegen einen festen Widerstand maximal ca. 5â•›s lang anzuspannen: Gewünscht ist eine gleichmäßige Muskelinnervation von rechter und linker Seite auf hohem Niveau über die gesamte Zeit. Danach sollte eine Muskelrelaxation auf die zu Beginn vorherrschenden Ruhetonuswerte erfolgen. Für die Beinbeuger wird eine symmetrische Kontraktion in Bauchlage durchgeführt. Beide Knie sind gebeugt und beide Hacken werden gleichzeitig in Richtung Gesäß gegen einen Widerstand ca. 5–8â•›s angebeugt und dann wieder entspannt. Die Ausführung für die Streckmuskulatur besteht aus dem maximalen Durchdrücken der Knie bei lockeren Fußgelenken für 5–8â•›s und erneutem Entspannen. Auffällig sind Links-rechts-Differenzen über 20â•›%, ein unterschiedliches Timing, ein Abfallen des Kontraktionsniveaus und mangelndes Entspannen nach Kontraktion (Nachfeuern). Die Therapie beinhaltet die Kräftigung der weniger stark feuernden Seite (wenn operierte Seite betroffen).
A. Seuser
Über progressive Muskelrelaxation nach Jacobson kann die Entspannungsphase verbessert werden. Funktioneller Test╇ Der Patient führt eine definierte Bewegung aus: Streckung und Beugung beider Knie im Hängesitz für den Vastus medialis und Beugung und Streckung beider Kniegelenke in Bauchlage für die ischiokrurale Muskulatur. Die Ausführung sollte mit geringer Anstrengung und mit größtmöglichem Bewegungsausmaß erfolgen. Die Auswertung erfolgt durch qualitative Betrachtung der muskulären Feuerung in der konzentrischen, exzentrischen und in der Bewegungsumkehrphase. Zusätzliche Feuerung steht für zentrale und/oder intramuskuläre Ansteuerungsstörungen. Auffällig sind Links-rechts-Differenzen über 20â•›%, unterschiedliches Timing, mangelndes Entspannen nach Kontraktion (Nachfeuern) und unterschiedliche Streckaktion der Beinbeuger. Die Beinbeuger haben einen regulierenden Einfluss auf die Kniestreckung, während die Streckmuskulatur während der Beugung komplett abschaltet. Da die betroffene Kniebeugemuskulatur nach Eingriffen oder Schädigung am Kniegelenk eher zur Verkürzung neigt, sollte diese bei Mehrfeuerung gedehnt werden. Durch exzentrisches Training (Muskelanspannung unter Dehnung) kann die Aktion der Beinbeuger in der Streckphase verbessert werden. Für die Streckmuskulatur gilt: Kräftigen der weniger stark feuernden Muskelgruppe. Koordinatives Training für stark unregelmäßig feuernde Muskelaktionen. Der Fokus liegt je nach Störung vermehrt im konzentrischen oder exzentrischen Training oder in der Beübung der Bewegungsumkehrphase (Abb.â•›12.6 und 12.7).
12.7.3.3â•… Funktionelle physikalische Therapie nach 3D-Bewegungsanalyse Die normale Bewegung des Kniegelenks auf dem Laufband umfasst die Standphase und die Schwungphase. Die normale Standphase funktioniert wie folgt: ●╇Fersenkontakt mit nahezu gestrecktem Kniegelenk, ●╇ Lastübernahme unter Beugung des Kniegelenks, ●╇ Zehenabdruck mit fast gestrecktem Kniegelenk,
12â•… Postoperative Maßnahmen Abb. 12.6. EMG-Analyse des Vastus medialis bds. Patientin nach Oberflächen-Knie-TEP rechts am 11.02.08. Eingangsmessung (↜oben) vom 29.02.08. Abschlussmessung nach Rehabilitation (↜unten) vom 18.03.08. Rechter Vastus medialis blau, linker Vastus medialis gelb. 1. Messabschnitt: Ruhemessung, 2. Messabschnitt: isometrische Anspannung, 3. Messabschnitt: isotonische Streckund Beugebewegung im Sitz. Interpretation: Bei Abschluss symmetrischer Ruhetonus, die isometrische Kraft kann länger gehalten werden mit einem insgesamt kleineren Rechts-links-Unterschied (s. auch Abb.â•›12.7). Kein Unterschied in der Ansprechbarkeit des Vastus medialis rechts gegenüber links in der Streck-Beuge-Bewegung. Insgesamt Beruhigung der Kurvenführung. Rechts ist noch die erste Umkehrphase (↜roter Pfeil unten) betroffen. Die Erregungsrückbildungsstörung (↜rote Pfeil oben) ist behoben (links noch angedeutet). Der Muskel kommt nach der Aktion immer wieder auf den Ruhetonus (↜gestrichelte Linie oben)
179 LT VMO, uV RT VMO
15
10
5
Aktivitäten
1 Ruhemessung
2 Isometrisches An 5,0
3 Konzentrisch Ext 13.0
2 Isometrisches An 5,0
3 Konzentrisch Ext 13.0
LT VMO, uV RT VMO
25 20
15 10 Ausreisser
5 Aktivitäten
1 Ruhemessung
s0
●╇15–20° Kniebeugebewegung während der Standphase, ●╇ regelmäßig, rhythmisch, sinusoid. Therapeutisch wichtig sind die Standphasenstörungen. Neben dem Verlust von Regelmäßigkeit, Rhythmik und Rundheit (Sinus) der Kurven gibt es individuell unterschiedliche Störungen im Standphasenverlauf: ●╇ keine Standphasenamplitude, ●╇ zu kleine Standphasenamplitude, ●╇ Knie bei Fersenkontakt zu stark gebeugt, ●╇ Knie bei Zehenabdruck zu stark gebeugt, Störungen der Standphase führen zu unphysiologischer Kraftverteilung und höhere Beschleunigungs-
5
10
15
20
belastung pro Schritt. Der Patient braucht für jeden Schritt mehr Energie (Abb.â•›12.8).
Funktionelle physikalische Therapie der Standphasenstörungen╇ Zur Reetablierung der optimalen Standphase sollte ein Standphasentraining durchgeführt werden (Abb.â•›12.9, s. Abb.â•›12.15; Seuser et al. 2002). Aufteilung der Standphase in einzelne Phasen: ●╇ Beüben Fersenkontakt strecknah, ●╇ Beüben Lastübernahme, ●╇ Beüben Übergangsphase zur Schwungphase, ●╇ Training als Einzelwiederholungen.
180
12
A. Seuser
Ruhemessung Mean, uV Maximum, uV LT VMO, uV RT VMO
1,12 1,53 Diff 26,7%
1,31 Diff
1,81 27,3%
Isometrik Mean, uV Maximum, uV LT VMO, uV RT VMO
7,57 4,65 Diff 38,6 %
Ruhemessung Mean, uV LT VMO, uV
1,76 Diff
1,52 13,7%
6,26 4,84 22,8 % Diff
Isometrik
Maximum, uV RT VMO
3,56 Diff
17,4 11,5 Diff 34,1 %
Konzentrisch Flexion-Extension Mean, uV Maximum, uV LT VMO, uV RT VMO
1,95 45,3%
Mean, uV LT VMO, uV
Maximum, uV RT VMO
16,1 11,8 Diff 26,8 %
26,9 22,1 Diff 17,9 %
16,7 11,6 Diff 30,5 %
Konzentrisch Flexion-Extension Mean, uV LT VMO, uV
10,8 Diff
9,46 12,1 %
Maximum, uV RT VMO
28,3 Diff
25,1 11,5 %
Abb. 12.7. Durchschnitts- und Absolutwerte der EMG-Kurven aus Abb.â•›12.6 in Microvolt und Angabe der prozentualen Rechts-links-Differenzen in Bezug auf die durchschnittlichen
und maximalen Werte bei Ruhetonus, isometrischer Anspannung und isotonischer Arbeit des Vastus medialis bds. LT left, RT right, VMD Vastus medialis
Zusammengesetzt als Umkehrphasentraining: ●╇Fersenkontakt mit nahezu gestrecktem Kniegelenk, Übergang zur Lastaufnahme oder von der Lastaufnahme Übergang zur Endstreckphase oder von der Endstreckphase Übergang in die Schwungphase oder von der Schwungphase Übergang in den Fersenkontakt mit nahezu gestrecktem Kniegelenk.
●╇Koordination und Kraft können beim Fortgeschrittenen kombiniert werden. ●╇Dann erst Steigerung der Bewegungsgeschwindigkeit. ●╇Steigerung des Bewegungsumfanges erst langsam dann schneller.
Die technische Umsetzung sollte variiert werden: ●╇Zeitlupentraining mit möglichst langsamer Ausführung der Übungsaufgabe. ●╇Bei motorischer Beherrschung dieser Übung, zusätzlich Gewichtsbelastung, bei muskulären Defiziten oder ●╇verstärkte Koordinationsbelastung mit Übungen auf instabilen Untergründen, bei koordinativ bedingten Störungen.
Beinachsenstabilität╇ 8–15° Abduktion-/Adduktionsbewegung beim Gang sind die Norm. Diese sind regelmäßig, rhythmisch und sinusoid. Abweichungen erhöhen die Belastung des Kniegelenks und der Nachbargelenke. ●╇ Seitauslenkung unter Norm (0–8°), ●╇ Seitauslenkung über Norm (über 15°), ●╇ arrhythmische Seitauslenkung, ●╇ unregelmäßige Seitauslenkung.
12â•… Postoperative Maßnahmen
181 Norm W [grd] -60
-40
-20
2
1
0 2
Norm T [sec]
3
4
6
8
Wx
Wx
rel. Änderung des Winkels zw. Femur und Tibia
Patient 1 60 ,00
Wx [grd]
40 ,00
20 ,00
2 Patient 1 T [sec]
3 1 0
2
4
6
8 Patient 2
Wx [grd] 60 ,00
40 ,00
20 ,00 Patient 2 T [sec] 0
5
10
15
T [sec]
Abb. 12.8. Dreidimensionale Bewegungsanalyse des Kniegelenks auf dem Laufband. Auf der X-Achse die Zeit (sec), auf der Y-Achse der Kniewinkel (grd). Die hohen Ausschläge zeigen die Schwungphase, die kleinere Amplitude die Standphase. Regelmäßige, rhythmische und sinusförmige Schwungund Standphasen stellen die Norm da (↜oben). Die Standphase sollte 10–15° umfassen und strecknah beginnen (↜rote 1). Es folgt die Beugung unter Lastaufnahme (↜rote 2) und die strecknahe Endstellung im Kniegelenk beim Zehenabdruck (↜rote 3). In der Mitte Patient 1 mit Oberflächen-Knie-TEP 3â•›Monate postoperativ: Die Schwungphase ist regelrecht. Die Stan-
phase beginnt regelrecht strecknah (↜rote 1). Das Knie beugt korrekt unter der Lastübernahme (↜rote 2). Dann fehlt jedoch die Endstreckung. Das Knie wird noch gebeugt wieder in die Schwungphase geführt (↜rote 3). Diese Aktion findet sich bei jedem Schritt in unterschiedlicher Ausprägung. Störung der Regelmäßigkeit und der Rhythmik. Patient 2, 7â•›Wochen nach Oberflächen-Knie-TEP (↜unten): Die Standphase ist nur rudimentär ausgebildet (↜roter Kreis). In der Lastphase also keine Kniebeugeaktion und folglich kein Belastungswechsel. Zusätzlich deutliche Störung der Regelmäßigkeit und der Rhythmik
182
A. Seuser
12
Abb. 12.9. Beispiele für ein Standphasentraining. Oben: normale Standphasenaktivität des Kniegelenks (von rechts nach links). 10–15° Beugung. Strecknah bei Fersenkontakt (↜rechts). Es folgt die Beugung unter Lastaufnahme (↜Mitte) und die
strecknahe Endstellung im Kniegelenk beim Zehenabdruck (↜links). Wiederholung des Ablaufs in einzelnen Abschnitten (z.╛B. nur Fersenkontakt), in Zeitlupe, mit Widerstand (↜unten) und/oder mit Koordinationsaufgaben (tiefe Matte)
Funktionelle physikalische Therapie der Beinachsenstabilität╇
Bei Hypomobilität zusätzlich manuelle Therapie des Kniegelenks und des Hüftgelenks mit Entkopplung Wirbelsäule/Becken sowie Detonisierung des Tractus iliotibialis (Abb.â•›12.10, s. Abb.â•›12.15).
Vorgehensweise wie beim Standphasentraining, jedoch jetzt genauer Augenmerk auf Einhaltung der Beinachse in Bezug auf Rotation und Seitstabilität. Zunächst langsame Übungsausführung und Aufteilung der Übung in einzelne Phasen, dann Training der Übergangsphasen, dann des gesamten Ablaufs, erst in Zeitlupe, dann entweder mit externem Widerstand oder höheren koordinativen Anforderungen. Dann gegebenenfalls Kombination aus Koordination und Kraft, dann erst Steigerung der Bewegungsgeschwindigkeit und/oder Bewegungsumfang.
12.7.3.4â•… Bewegungsanalyse des Kniegelenks bei der Kniebeuge Spiegelt der Gang mehr die Koordinationsfähigkeit des Kniegelenks, so zeigt die Kniebeuge die Kraftentwicklung. Prinzipiell gelten die gleichen Regeln wie bei der Ganganalyse. Bei der Kniebeuge zeigen sich Umkehrphasenstörungen streck- oder beuge-
12â•… Postoperative Maßnahmen
183
Abb. 12.10. Beispiel eines Beinachsentrainings beim Gang
nah durch hohe zusätzliche Beschleunigungsspitzen (Abb.â•›12.11). Die kinematisch problematischsten Abschnitte sind die Bewegungsumkehrphasen. Hier wird die Bewegungsenergie von einer Bewegungsrichtung in die andere umgeleitet, beispielsweise von der endgradigen Streckung des Kniegelenks in die beginnende Beugung oder von der endgradigen Beugung in die beginnende Streckung (Abb.â•›12.12, s. Abb.â•›12.15; Seuser et al. 2004).
produzierbarkeit der Seitauslenkung. Ungünstig sind Seitauslenkungen: ●╇ unter Norm (0–3°), ●╇ über Norm (über 30°), ●╇ arrhythmische Seitauslenkung, ●╇ unregelmäßige Seitauslenkung,
F unktionelle physikalische Therapie der Umkehrphasenstörung╇
●╇Zunächst Beginnen in einem kleinen strecknahen Bewegungsbereich, ●╇Variation der Aufführung, beginnend mit Halteübungen, mal mit engem Fußstand, mal mit breitem Fußstand, ●╇Steigerung: entweder mit zusätzlicher Kraftbelastung oder mit zusätzlicher koordinativer Belastung, ●╇Steigerung: Kombination von Kraft und Koordination, ●╇Steigerung: Beginn mit isotonischer Ausführung zunächst langsam, dann Steigerung des Bewegungsumfanges, ●╇dann erst Steigerung der Bewegungsgeschwindigkeit.
●╇Beginnen in dem gestörten Umkehrphasenbereich mit kleinsten Bewegungsausschlägen, die in Zeitlupe ausgeführt werden. ●╇Wird dies beherrscht, zusätzliche Belastung durch externe Gewichte oder zusätzliche Belastung durch verstärkte Koordinationsanforderungen. ●╇Beim Fortgeschrittenen Kombination von Kraft und Koordination. Dann erst Steigern des Bewegungsumfangs und dann erst Steigern der Bewegungsgeschwindigkeit (Abb.â•›12.13, s. Abb.â•›12.15).
Funktionelle Physikalische Therapie der Beinachsenstabilität bei der Kniebeuge╇
Beinachsenstabilität bei der Kniebeuge╇ Die Beinachsenveränderungen bei der Kniebeuge sind variabler als beim Gang. Dies hängt auch von der Ausführung der Kniebeugung (Fersen bleiben am Boden oder nicht) ab. Wichtig ist die genaue Re-
Roll-Gleit-Verhalten╇ Das Roll-Gleiten sollte einen hohen Rollanteil haben. Sobald der Gleitanteil überwiegt, kommt es zu schräg
184
12
A. Seuser Norm
100
Patient 1
Wy (grd)
0
-100
T [sec]
0
5
10
100 ,00 80 ,00 60 ,00 40 ,00 20 ,00 0 ,00
15
wx Wx[grd] (grd)
T [sec]
0
5
10
15
-100
T [sec]
0
5
10
15
-50 0,0 -10 00
WTx
10
15
0 ,00 -20 0,0 T [sec]
T [sec]
0
5
WFx Wx
5
Wx (grd/sec2)
0 ,00
-50
T [sec]
0 200 ,00
500 ,00
0
60 ,00 80 ,00
Wx[grd/sec02] (grd/sec2) wx
100 0,0
50
wxWx [grd] (grd)
20 ,00 40 ,00
Wy (grd sec2)
100
Patient 2 0 ,00
10
15
0
5
WFx Wx
WTx
10
15
WFx wx WTx
Abb. 12.11. Bewegungsanalyse bei der Kniebeuge: Links die Normkurven für Kniewinkel (↜oben) und Winkelbeschleunigung (↜unten). Alle Kurven sind regelmäßig, rhythmisch und sinusförmig, insbesondere keine Beschleunigungsspitzen im Bewegungsumkehrbereich (↜rote Kreise). In der Mitte Patient 1 mit Oberflächen-Knie-TEP 3â•›Monate postoperativ. Der Kniewinkel (↜oben) ist unauffällig. Die Winkelbeschleunigungs-
kurve (↜unten) zeigt noch deutliche Beschleunigungsspitzen im strecknahen Bewegungsumkehrbereich (↜roter Kreis) bei ca. ±20° bei jeder Bewegungsausführung. Ganz rechts Patient 2, 7â•›Wochen nach Oberflächen-Knie-TEP. Bei physiologischer Winkelveränderung (↜oben), Umkehrphasenstörung (↜rote Ellipse) streck- und beugenah in der Winkelbeschleunigung (↜unten). Empfohlen wird ein Umkehrphasentraining
einfallenden Kräften. Hauptursache sind muskelund weichteilbedingte Bewegungseinschränkungen, nicht ausreichende Muskelaktivierung, fehlende Koordination, Dysbalancen der Streck- und Beugegruppe sowie fehlende Kraft (Abb.â•›12.14).
●╇Steigerung: zusätzliche externe Krafteinleitung, vom Kraftausdauertraining bis zum submaximalen Krafttraining, ●╇ Steigerung der koordinativen Beanspruchung, ●╇Kombination aus Kraftausdauer und Koordination oder submaximaler Kraft und Koordination, ●╇Steigerung des Bewegungsweges in Richtung des zunehmenden Gleitanteiles.
Funktionelle physikalische Therapie des Gleitens im Kniegelenk╇ ●╇Ausgehend von dem Beugewinkel, ab dem der Gleitanteil zunimmt, sollte ein Krafttraining zunächst mit kleinen Bewegungsausschlägen im Sinne eines Umkehrphasentrainings begonnen werden. Es gilt, eine Steigerung der Kinästhetik und ein Bewusstwerden der jeweiligen Stellung des Kniegelenks im Raume zu schaffen.
Funktionelle physikalische Therapie des negativen Rollens╇ Das negative Rollen ist ein Rollen gegen die Bewegungsrichtung und damit die schädlichste Bewegung für die Kniebinnenstrukturen (Spanagel et al. 1997). Ausgehend von der Überlegung,
12â•… Postoperative Maßnahmen
185
Abb. 12.12. Umkehrphasentraining bei einer Kniebeuge. Strecknah (↜oben) und beugenah (↜unten). Kleine Amplitude, Zeitlupe, mit Widerstand, mit Koordinationsaufgabe (↜unten),
Dann steigern der Amplitude, der Übungsgeschwindigkeit, des Widerstands und der Koordinationsaufgaben unter Berücksichtigung der individuellen Möglichkeiten
dass das negative Rollen eine Zwangsbewegung des Kniegelenks durch Bewegungseinschränkung auch im Rotationsbereich ist, sollte beginnend in dem Kniegelenkswinkelbereich, in dem das Rollen in das negative Rollen oder Gleiten in negatives Rollen übergeht, eine manuelle Therapie auch in der Rotation (innen und außen) durchgeführt werden. Da die Rotation ein elementarer Bestandteil der Kniebewegung ist und sich über den gesamten Bereich der Kniebeuge streckt, sollte die manuelle Therapie alle 10° Kniebeugung in Rotation wiederholt werden. Im Anschluss an die manuelle Therapie können eine Tonisierung und eine Thera-
pie wie bei der Therapie des Gleitanteils erfolgen (Abb.â•›12.15).
12.7.4â•… Ermüdung – Regeneration╯– Leistungssteigerung Jede der oben beschriebenen Therapien ist nur effektiv durch eine optimale Abfolge von Belastung und Regeneration. Neben medizinischem Fachwissen sind sport- und trainingswissenschaftliche Grundlagen zu
186
A. Seuser
12
Abb. 12.13. Beispiel für Krafttraining kombiniert mit Koordinationsaufgabe auch als Beinachsentraining (unten) (Seuser et al. 1998)
berücksichtigen. Viele äußere Parameter haben Einfluss auf die Regenerationszeit. Dazu gehören der Trainingszustand, Begleiterkrankungen und postoperativer Verlauf (z.â•›B. Blutverlust). Ein weiterer Faktor ist die Motivation und die Psyche. Der Mensch ist bis ins hohe Alter trainierbar. Langsamere Reparaturvorgänge im Alter erfordern längere Regenerationszeiten.
12.7.4.1â•… Ermüdung – auch ein Gelenkproblem! Wie belastet man den Patienten individuell richtig? Therapieren ohne zu ermüden! Bewegungsanalysen haben gezeigt, dass es unter medizinischer Trainingstherapie auch beim Kraftausdauertraining zu gesteigerter Ge-
12â•… Postoperative Maßnahmen
D [grd]
z [cm] 90 ,00 85 ,00
-10 ,00
w [grd] 10 ,00
95 ,00 90 ,00
-20 ,00 -30 ,00
Y [cm] -20
-10
0
50 ,00
85 ,00
10
w [grd] 10
20
30
40
50
60
70
90 ,00 85 ,00
-10 ,00
w [grd] 10 ,00
95 ,00
-20 ,00 -30 ,00
Y [cm]
5 ,00
70 ,00
D [grd]
z [cm]
-30
60 ,00
innere Kniegelenkfunktion
0 ,00
-20
0
-10
10
80 ,00
-5 ,00
60 ,00
150 ,00
-15 ,00
40 ,00
20
30
50 ,00
Gleiten
Rollen
40
50
60 ,00
70 ,00
w [grd] 60
70
D [grd]
w [grd] 20 ,00
-10 ,00
30 ,00
C [grd] C [grd]
10 100 ,00
z [cm]
20 ,00
90 ,00 85 ,00
0 ,00
40 ,00
60 ,00
80 ,00
40
60
80
100 ,00
C [grd]
100 ,00
-20 ,00 -25 ,00
40 ,00
C [grd]
rel. Kniebeuge-/-streckbewegung bei fixierter Femurstellung -10 ,00
30 ,00
Patient 1
-30
20 ,00
Norm
0 ,00
Patient 2
10 ,00
187
Y [cm] -25
-20
-15
-10
-5
0
5
50 ,00
w [grd] 20
100
Abb. 12.14. Die Graphen zeigen das Roll-Gleiten bei einer Kniebeuge. Die X-Achse stellt den Kniebeugewinkel dar, die Y-Achse den Belastungswinkel (Tibiatangentenwinkel) C und D. Normales Roll-Gleit-Verhalten (↜oben): stetiger Anstieg der Belastungswinkel D (proximal) und C (distal) während der ge-
samten Kniebeuge (10–70°). Patient 1 mit Oberflächen-KnieTEP 3â•›Monate postoperativ (Mitte): hoher Rollanteil bis ca. 40° Kniebeugung (↜roter Pfeil), dann reines Gleiten bis 70°. Patient 2, 7â•›Wochen nach Oberflächen-Knie-TEP (↜unten): negatives Rollen während des gesamten Bewegungsablaufs
lenkbelastung kommen kann, ohne dass Stoffwechselparameter oder das Gefühl des Patienten dies anzeigen (Abb.â•›12.16; Seuser et al. 1993a). Das erfordert einen vorsichtigen Beginn, z.â•›B. beim Beinpresstraining mit kleinem, strecknahem Bewegungsumfang, niedrigem Gewicht und geringen Wiederholungen. Dann Adaption des Trainings nach der Borg-Skala (Borg 1998).
12.7.4.2â•… Wie viel Regeneration braucht die Struktur/der Patient? Regeneration kann in Abhängigkeit von der GeweÂ� beart unterschiedlich sein. Es ergeben sich spezifiÂ� sche Ansätze für die Muskulatur, das Herz-Kreislauf-
Abb. 12.15. Algorithmus der dreidimensionalen Bewegungsanalyse. Norm (↜obere Kastenreihe) und Normabweichungen (↜mittlere Kastenreihe) sowie deren Therapie (↜untere Kastenreihe) beim Gang und bei der Kniebeuge (Seuser et al. 2006)
188 A. Seuser
12
189
114
114
112
112 Belastungswinkel C [ o ]
Belastungswinkel C [ o ]
12â•… Postoperative Maßnahmen
110 108 106 104 102 100 98 96 94
110 108 106 104 102 100 98 96
15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Kniebeugewinkel [ o ]
94
15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Kniebeugewinkel [ o ]
Abb. 12.16. Roll-Gleiten im Kniegelenk während einer Belastung mit 70â•›kg einbeinig auf der Beinpresse. Linkes Bild: Einmaliger Versuch mit 70â•›kg nach Aufwärmen: gleichmäßiger Rollanteil (20°) im gesamten Bewegungsumfang. Einschät-
zung Borgskala 8, Laktat 1,1â•›m mol. Rechtes Bild: Einbeinig 70â•›kg für 5â•›min. Verminderter Rollanteil (15°). Ab 43° Beugung unkoordiniertes Gleiten als Zeichen der neuromuskulären Ermüdung. Einschätzung Borgskala 12, Laktat 1,7â•›m mol
System oder für die passiven Stabilisatoren unseres Bewegungsapparates (Weineck 2003). Das plastischste Organsystem in Bezug auf Leistungsadaptation ist die Muskulatur. Schon nach der ersten Therapie in der MTT sind durch bessere Abstimmung der einzelnen Muskelfasern (intramuskuläre) und der einzelnen Muskeln untereinander (intermuskuläre) Trainings- und Therapieeffekt messbar (EMG, Bewegungsanalyse). Das Herz-Kreislauf-System braucht schon länger regelmäßiges Training für Leistungsanpassungen. Am langsamsten stellen sich die bradytrophen Sehnen und Bänder auf neue Anforderungen ein und zeigen am ehesten Überlastungssymptome.
Erst wenn sich alle Parameter erholt haben, ist der richtige Zeitpunkt für den nächsten Belastungsreiz. Folgt kein weiterer Belastungsreiz innerhalb der nächsten 3â•›Tage, kommt es wieder zur Homöostase, bei dem das gesteigerte Reservoir z.â•›B. auch an Glykogen, innerhalb von 3â•›Tagen wieder auf Normalniveau reguliert wird. Energie macht eine Leistungssteigerung erst möglich. Im Prinzip haben wir zwei große Energieträger, Kohlehydrate und freie Fettsäuren. Sie lösen sich gegenseitig in der Energieversorgung ab. Die Kohlehydrate sind akuten Energielieferanten. Sind die Speicher erschöpft, nutzt der Körper zunehmend die in freien Fettsäuren gespeicherte Energie. Die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme der Patienten sollte darauf abgestellt sein. Wir raten deshalb von Diäten während der Rehabilitation ab. Die Regeneration der verbrauchten Substrate ist sehr unterschiedlich (Sekunden bis Wochen). Verschiebungen im Wasser- und Elektrolythaushalt sind die häufigsten nutritiven Probleme in der Rehabilitation (Hollmann u. Hettinger 2000). Postoperativ kommt es durch die veränderte vegetative Gesamtlage bei manchen Patienten zu gesteigertem Schwitzen. Durchfall, Übelkeit und Erbrechen durch Narkosenachwirkung, Antibiotika und nosokomiale Infektionen sind Gründe für Wasser und Elektrolytverlust. Dazu kommt die „Trinkfaulheit“ bei älteren Patienten. Erschöpfung findet auch im peripheren und zentralen Nervensystem statt. Es kommt zum Verbrauch von Neurotransmittern und damit zur psychischen Erschöpfung bis zur depressiven Stimmungslage. Dadurch werden die
12.7.4.3â•… Keine Leistungssteigerung ohne Belastung! Mit der Thematik Regeneration ist das Prinzip der Leistungssteigerung eng verbunden. Leistungssteigerung erfahren wir nur durch Belastung, das heißt, durch Verbrauch von energiereichen Substraten, von Muskeleiweiß und durch mikrotraumatische Zerstörung von Muskelzellen sowie durch Belastung unseres HerzKreislauf-Systems. Jedem Belastungsreiz folgt eine Leistungsabnahme. Erst nach Sistieren des Belastungsreizes kommt es zur langsamen Erholung und Erneuerung der verbrauchten Substrate über das Ausgangsniveau hinaus. Dieser Anstieg der Leistungsfähigkeit nach Belastung und Erholung nennt sich Superkompensation.
190
12
Leistung und damit die Regeneration erheblich beeinflusst. Ein Therapiefortschritt ist auch von einer ausreichenden Regeneration abhängig. Nur bei ausreichender Regeneration aller beteiligten Strukturen können Überlastungen und damit funktionelle Defizite vermieden werden. Diese funktionelle Komponente am Endorgan Gelenk korreliert nicht mit den bekannten Regenerationsparametern und wird dadurch selten erkannt. Hier hilft eine regelmäßige EMG-Kontrolle (1/Woche) und die individuelle Adaptation des Therapieprogramms je nach EMG-Befund. In jedes Therapieprogramm sollte ein regeneratives Pausenwerk eingearbeitet sein. Dieses berücksichtigt unterschiedliche Pausen je nach vorausgegangener Therapie (aktiv/passiv). Im Mikrozyklus (Tagesprogramm) werden aktive und passive Therapieinhalte arrangiert, im Makrozyklus (Wochenprogramm) wechseln Tage mit größerer Belastung und Tage mit mehr regenerativem Inhalt. Innerhalb der ca. 3â•›Wochen Rehabilitation werden sowohl Therapiequantität als auch die Therapieintensität individuell gesteigert. Die Therapien werden im Tagesablauf je nach Anspruchsprofil geordnet. Therapien mit hoher neuronaler Komponente wie Koordinationstraining (Biofeedbackverfahren, koordinatives Gruppentraining, KG) sollten im ausgeruhten Zustand erfolgen. Kraft- und Ausdauertraining (MTT, Ergometer und Wassertherapie) können auch vom schon vorbelasteten Organismus noch abgearbeitet werden. Dabei wird der Therapeut immer auf die individuellen Vorgaben des Patienten eingehen. Nach stark belastende Therapien sollten passiven Therapien mit Regenerationscharakter folgen. Regenerationsverkürzende Maßnahmen sind u.â•›a. Massagen, Kälte- und Wärmetherapie, abschwellende Therapien (Lymphdrainage und Elektrotherapie), Entspannungstherapie nach Jacobson, passive Behandlungen in der Physiotherapie und Antagonistentraining in der MTT. Medikamentöse Schmerztherapie, genügend Nachtschlaf und „gutes“ Essen führen zur psychischen Ausgeglichenheit. Die Eingliederung des Patienten in das therapeutische Team, ein freundlicher und zugewandter Umgang und eine gute Stimmung im eigenen Team (von der Putzfrau bis zum Chef) schaffen Motivation und sind die Garanten für eine erfolgreiche Regeneration und Rehabilitation.
A. Seuser
12.8â•… Tipps und Tricks (Wiedemann u. de Grüter 1987) Borgskala.╇ Subjektive Einschätzung des Anstrengungsempfindens (RPEâ•›=â•›„rate of perceived exertion“) von 6–20 (sehr sehr leichtâ•›=â•›7, sehr sehr schwerâ•›=â•›19). Grundlage der Therapiesteigerung in der MTT und näherungsweise Bestimmung der Herzfrequenz (Skalenwertâ•›×â•›10) bei dynamischer Arbeit Cryotron.╇ Kältetherapie mit CO2, minus 72â•›°C und 50 bar Druck. Elektrotherapie (Senn 1990) ●╇ Diadynamische Ströme (Bernard 1952): –╇Niederfrequenter Wechselstrom mit sensiblen vegetativen Effekten und mit analgesierendem und hyperämisierendem Effekt. Nutzt nur eine Halbwelle eines interfrequenten gleichgerichteten Wechselstroms (Mucha u. Zysno 1978). –╇CP-Strom nach Bernhard (Court Période): Stark analgesierend und resorptionsfördernd im Wechsel 50/100 Hertz. ●╇Faradisation: Therapeutische Anwendung niederfrequenter Reizströme zur Muskelkräftigung. ●╇ Interferenzstrom –╇Mittelfrequenztherapie: analgesierend, hyperämisierend und resorptionsfördernd. Schwebungsstrom als Folge der Interferenz zwischen zwei Wechselstromwellen. Dadurch ergeben sich an- und abschwellende Intensitäten. –╇nach Nemec: gute sensible Verträglichkeit, Senkung des Hautwiderstandes, kann auch über Metallimplantaten verwandt werden. ●╇Iontophorese: Nutzung eines konstanten galvanischen Gleichstroms zur transkutanen Applikation von ionisierten oder undissoziierten Dermatopika. ●╇NMES: neuromuskuläre elektrische Stimulation. Elektrische Stimulation des peripheren Nervensystems. Muskelstimulation durch direkte Aktivierung der Motoneurone im gemischten peripheren Nerven zum Eigentraining (s. Faradisation; Michel 2003). ●╇TENS: transkutane elektrische Nervenstimulation. Analgesieverfahren durch niederfrequente Impulsund Gleichströme zur Heim- und Selbstbehandlung.
12â•… Postoperative Maßnahmen
●╇ Ultraschall –╇Sonderform der Mechanotherapie. Schallschwingung auch als Impulsschall mit variablen Wattstärken, wirken wie hochfrequente Vibrationen und sind durchblutungsfördernd, schmerzlindernd und gewebelösend. –╇Phonophorese: siehe auch Iontophorese, transportiert Dermatopika als Ankopplungsmittel durch die intakte Haut an den Krankheitsherd. –╇Simultantherapie: gleichzeitige Anwendung von Ultraschall und Elektrotherapie. Auch als Phonophorese durchführbar ●╇Hochvolt: Reizung mit sehr kurzen Impulsen und hoher Spannung. Gleiches Wirkspektrum wie herkömmliche Reizströme. Schmerzlinderung, Durchblutungsverbesserung. Vorteil gegenüber dem norÂ�malen Reizstrom, keine Verätzungen sowie Behandlung über Metallimplantate sind möglich. Es besteht eine gute sensible Verträglichkeit. E-Technik nach Hanke.╇ Behandlungsmethode auf neurophysiologischer Grundlage. Durch die Entwicklung kinesiologische Technik, können angeborene motorische Basismuster aus den ersten Lebensjahren reaktiviert werden. Ziele sind Umprogrammierung der pathogenen Belastungssituationen, Korrektur von muskulären Dysbalancen, exzentrische Dehnung verkürzter Strukturen, Koordinations- und Innovationsschulung. Manuelle Therapie ●╇Korrigiert mittels spezieller Grifftechniken artikuläre Dysfunktionen bei Hyper- und Hypomobilität und daraus resultierende schmerzhafte Affektion der Weichteilgewebe. ●╇Cyriax: Einteilung der Störung des Bewegungsapparates in Strukturschäden. Die Befunderhebung lokalisiert die Schädigung an den Strukturen des Bewegungsapparates. Danach erfolgt die Therapie im Gebiet der Schädigung (Kausaltherapie). ●╇Maitland: Durch primär passive Bewegungen wird der Stütz- und Bewegungsapparat untersucht, behandelt und beurteilt. Im Mittelpunkt stehen dabei oszillierende passive Bewegungen, die innerhalb der Mobilisation angewandt werden. ●╇Kaltenborn-Evjent: Behandlung nach der KonkavKonvex-Regel als Grundlage für das Verstehen des Bewegungsverhaltens im Gelenk. Prüfen des Gelenkspiels, Nutzung von Traktion und Kompres-
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sion der Gelenkpartner. Bei allen manualtherapeutischen Maßnahmen, kommt es zur Stimulation der Mechanorezeptoren. Kraftgrad nach Kendall (Kendall et al. 2001) ●╇ 0 = keine Kontraktionsmöglichkeit, ●╇1 = eine leichte Muskelkontraktion ist fühlbar, Bewegung nicht möglich, ●╇2 = sehr schwache Muskelkraft, es kann nur unter Ausschluss der Schwerkraft auf einer bewegt werden, ●╇3 = schwache Muskelkraft, volles Bewegungsmaß ohne Widerstand gegen die Schwerkraft möglich, ●╇4 = leicht reduzierte Muskelkraft, das volle Bewegungsausmaß ist gegen mäßigen Widerstand möglich, ●╇5 = normale Muskelkraft, volles Bewegungsmaß gegen starken Widerstand möglich und wird gehalten. Massagetherapie ●╇Manuelle Behandlung mit dosiertem Druck, Zug oder anderen mechanischen Reizen, die lokale oder Fernreaktionen auslösen. ●╇Funktionsmassage nach Evjent: Bearbeiten der Muskulatur während der Dehnung, mehrmaliges schmerzfreies Hin- und Herbewegen im Gelenk, während der Dehnbewegung Muskeln mit Handballen gegen Knochen drücken und im Faserverlauf nach proximal schieben. ●╇Marnitz: Schlüsselzonenmassage. Wird unter Dehnung der betroffenen Muskulatur mit lokalen, kleinen kreuzförmigen Friktionen im Sinne einer manuellen Tiefenmassage am „Störfeld“ durchgeführt (Strößenreuther et al. 2000). ●╇Terrier: Manipulativmassage, kombiniert kleinflächige Massage passive Muskeldehnung, passive Gelenkmobilisation und Gelenkspieltechniken (Weiß 1995). Nervenmobilisation (Butler, Maitland, Elvay).╇ Standardisierter Spannungstest, um Dehnfähigkeit und Mobilität gegen das umliegende Gewebe bzw. Adhäsion der Nerven zu untersuchen und durch Gelenkmobilisation, Dehnung, Querfriktion, Funktionsmassage unter geringer nervaler Vorspannung oder auch durch abschnittsweise Mobilisierung des Nerven zu behandeln. PNF.╇ Propriozeptive neuromuskuläre Faszilitation. Koordinierung physiologischer Bewegungsabläufe,
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12
Abbau pathologischer Bewegungsmuster, Normalisierung des Muskeltonus, Muskelkräftigung, Muskeldehnung durch Einübung dreidimensionaler PNF-Pattern, die sich an Bewegung aus Alltag und Sport orientieren. Progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Aktive Muskeldetonisation durch Training der Wechselbeziehung zwischen psychischer und muskulärer Spannung. Übende Verfahren.╇ Biofeedbackverfahren mit verschiedensten Indikationen. Schulung der Kinästhetik und der Hirn-Gelenk-Muskelverbindung über EMG oder auch der Schwerpunktverlagerung über die Bodenreaktionskräfte. Vojta.╇ Neurophysiologisch orientiertes Behandlungssystem zur Wiederherstellung angeborener physiologischer Bewegungsmuster, die durch Traumata verloren gegangen sind. Unter anderem durch Einbettung von Muskeln, die bisher in einem pathologischen Ersatzmuster oder gar nicht gearbeitet haben in physiologische Bewegungsketten.
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Intra- und postoperative Komplikationen M. Pietsch und S. Hofmann
13.1â•… Intraoperative Komplikationen 13.1.1â•… Nervenverletzungen Die Verletzung kleiner Hautäste kann zu einer zeitweisen oder bleibenden Hyposensibilität führen. Liegt eine schmerzhafte Knieprothese vor, sollte eine oberflächliche lokale Symptomursache im Sinne eines Neurinoms (klopfschmerzhaft, elektrisierender Schmerz) durch eine Testinfiltration ausgeschlossen werden. Die Inzidenz der Verletzung des Nervus peronaeus wird mit 0–9,5â•›% angegeben (Schinsky et╯al. 2001). Als Risikofaktoren gelten ein präoperatives Streckdefizit über 15°, eine Valgusdeformität über 10–15°, ein postoperatives Hämatom, eine über 120â•›min bestehende Blutsperre, eine vorbestehende Neuropathie (radikuläre Neuropathie, Spinalkanalstenose), die rheumatoide Arthritis, ein Kompressionssyndrom durch Lagerung oder Verband und die postoperative Epiduralanalgesie (Schinsky et╯al. 2001). Dennoch konnten etliche Studien keinen sicheren Zusammenhang mit diesen Faktoren nachweisen (Nercessian 2005). Die Stichelung des Tractus iliotibialis bei der kontrakten Valgusdeformität mit der so genannten „Pie-Crust“-Technik birgt das Risiko der direkten Verletzung des Nervus peronaeus. Um dies zu verhindern, sollte nur mit der Spitze des Skalpells gearbeitet werden (maximale Tiefe 5â•›m m). Besondere Vorsicht ist bei kleineren Knien geboten (Clarke et╯al. 2004). Prophylaktisch empfiehlt sich bei bestehenden Risikofaktoren eine postoperative Lagerung in 40° Flexion für 24â•›h, um den Nervus peronaeus zu entlasten. Lie-
gen nach der Operation die Symptome einer Peronaeusirritation (Fallfuß) vor, sollte die Extremität nicht zu fest verbunden werden. Die Lagerung erfolgt in 40° Flexion. Die Verabreichung von Vitamin B oder Cortison zeigte keine eindeutige positive Wirkung. Vorteilhaft erscheint die Behandlung mit Strom. Auch aus rechtlichen Gründen empfiehlt sich zu Beginn und im Verlauf die Hinzuziehung eines Neurologen (klinische Beurteilung, Messung der Nervenleitgeschwindigkeit im Verlauf). Die Mobilisierung erfolgt mit einer stabilisierenden Unterschenkelschiene. Im Allgemeinen ist die Prognose bei einer Irritation des Nerven als gut einzuschätzen. Nur bei einer geringen Anzahl der Patienten (z.â•›B. bei direkter Schädigung des Nerven) ist eine operative Sanierung notwendig und sollte mit dem plastischen Chirurgen besprochen werden.
13.1.2â•… Gefäßverletzungen Die Verletzung der Arteria poplitea ist mit einer Häufigkeit von 0,03–0,05â•›% (Ninomiya et╯al. 1999) eine seltene Komplikation. Die Auswirkungen können jedoch schwerwiegend sein und gefäßchirurgische Eingriffe erforderlich machen. Wird die Verletzung nicht erkannt (Blutsperre) oder nicht adäquat intraoperativ versorgt, kann es zu Kompartmentsyndrom, arteriovenöser Gefäßfistel, Pseudoaneurysma bis hin zur Amputation kommen (Ninomiya et╯al. 1999). Die Arterie gleitet in Flexion nach dorsal (Shetty et╯al. 2003) und erscheint im Arteriogramm auf Höhe der Gelenklinie eher lateral gelegen (Ninomiya et╯al. 1999). Ein nach lateral, 1â•›cm nach dorsal, eingebrachter Haken
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_13, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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kann die Arterie auch in Flexion verletzen (Ninomiya et╯al. 1999). Er sollte besser in der Mittellinie am Ansatz des hinteren Kreuzbands eingesetzt werden. Forcierte Extension und Hyperflexion sollten vermieden werden, da dadurch sehr hoher Zug auf die Arterie ausgeübt wird (Ninomiya et╯al. 1999). Insbesondere bei arteriosklerotisch verändertem Gefäß besteht die Gefahr einer indirekten Verletzung (postoperative Thrombose; Holmberg et╯al. 1996). Bei Patienten mit bekannt schlechtem Gefäßstatus sollte die präoperative Abklärung in Zusammenarbeit mit einem Gefäßchirurgen erfolgen (Ninomiya et╯al. 1999). Die Verwendung einer Blutsperre sollte bei diesen Patienten unterbleiben (Kumar et╯al. 1998). Bei rascher Diagnose einer Verletzung der Arteria poplitea und adäquater Versorgung von dorsal (Bypass), ist mit einem guten Ergebnis zu rechnen (Da Silva u. Sobel 2003). Verletzungen kleiner Seitenäste der Arterie und der Vena poplitea lassen sich meist direkt von vorn versorgen (Ligatur). Es besteht aber ein erhöhtes postoperatives Thromboserisiko.
13.1.3â•… Periprothetische Frakturen Intraoperative oder unmittelbar postoperative Frakturen sind meist auf einen technischen Fehler zurückzuführen (z.â•›B. femorale Kondylenfraktur oder suprakondyläre Femurfraktur bei Verletzung der Kortikalis mit massiver Unterschneidung des anterioren Femurschildes, mehrfach Pinnung der Tibia (Hirsch et╯al. 1981; Zalzal et╯al. 2006)). Durch die Mobilisation einer schlecht beweglichen Knieprothese in Narkose kann eine periprothetische Fraktur gesetzt werden. Diese meist metaphysären Frakturen können durch Osteosynthese (Schrauben, Platte) fixiert und mittels Stemaugmentation geschützt werden. Vorteilhaft hat sich hier insbesondere die Verwendung von polyaxial winkelstabilen Osteosynthesematerialien erwiesen. Je nach Fraktur und Knochenqualität müssen gegebenenfalls die Belastung und der Umfang der Beweglichkeit postoperativ reduziert werden. Wird die Fraktur intraoperativ zunächst nicht entdeckt (z.â•›B. femorale Kondylenfissur ausgehend von der Femurimplantatbox oder tibiale Fissur unterhalb des Kiels oder Stems), kann unter der Voraussetzung einer stabilen Fraktur und eines stabilen Implantats ein konservativer Therapieversuch unternommen werden. Problematisch erscheint
M. Pietsch und S. Hofmann
die längere Ruhigstellung des Kniegelenks. Hier sollte nach Möglichkeit nur die Fraktur geschient werden (z.â•›B. Sarmiento Gips) und die Beweglichkeit ohne Belastung des Kniegelenks weiter gegeben sein. Die Inzidenz einer intraoperativen Patellafraktur ist geringer als die der postoperativen. Meist liegt ein technisch-chirurgischer Fehler vor. Die intraoperative Patellafraktur wird operativ behandelt.
13.1.4â•… Verletzung der Seitenbänder Kommt es intraoperativ zu einer Verletzung einer der beiden Seitenbänder, sollte die Möglichkeit gegeben sein, auf eine nicht bandgeführte Prothese umzusteigen. Die konservative Therapie durch Ruhigstellung oder die intraoperative Naht des geschädigten Bandes (Leopold et╯al. 2001) erscheint aus unserer Erfahrung heraus als wenig erfolgversprechend (s. Abschn.â•›13.4.5).
13.1.5â•… Avulsion des Ligamentum patellae Die Ruptur bzw. Ablösung des Ligamentum patellae ist eine seltene, aber sehr schwere Komplikation. Insall hat die Ablösung des Ligaments als eine zu vermeidende anstatt eine zu behandelnde Komplikation beschrieben (Insall u. Hass 1993). Durch entsprechende frühzeitige intraoperative Maßnahmen sollte eine Gefährdung des Patellabandes vermieden werden. So kann durch die vertikale periostale Präparation des Ligaments bis an den eigentlichen Ansatzpunkt an der Tuberositas tibiae eine mögliche Spannung reduziert werden (Scuderi u. De Muth 2002). Der Ansatzpunkt an der Tuberositas kann mit einem „mentalen“ Pin gesichert werden. Die Erweiterung des Standardzugangs sollte, wenn notwendig, frühzeitig erfolgen. Hierbei ist der „Quadrizeps Snip“ als Erweiterung der Arthrotomie in 45° nach lateral zu nennen (proximale Erweiterung). Ist ein Zugang zum Gelenk nicht möglich, sollte eine Osteotomie der Tuberositas tibiae durchgeführt werden (distale Erweiterung). Zur operativen Versorgung einer Ruptur bzw. Ablösung des Ligamentum patellae s. Abschn.â•›13.3.5.
13â•… Intra- und postoperative Komplikationen
13.1.6â•… Verletzung des hinteren Kreuzbandes Bei Insuffizienz oder intraoperativer Verletzung des hinteren Kreuzbandes sollte auf eine das hintere Kreuzband ersetzende („posterior-stabilized“) Prothese umgestiegen werden. Als Kompromiss kann ein geführtes Inlay verwendet werden („deep dished“).
13.2â•… Perioperative Komplikationen 13.2.1â•… Thrombembolien Die Häufigkeit einer tiefen Beinvenenthrombose nach Knieendoprothesenimplantation ohne Thromboseprophylaxe, die mit objektiven Diagnoseverfahren nachgewiesen werden kann, wird mit bis zu 47â•›% angegeben (Cardiovascular Disease Educational and Research Trust et╯al. 2006). Davon sind jedoch 8â•›% proximale Thrombosen. Gemäß der internationalen Leitlinien wird das Risiko als hoch eingestuft (Cardiovascular Disease Educational and Research Trust et╯al. 2006). Die Entstehung erklärt sich durch die Virchow-Trias: Veränderungen der Gefäßwand, der Blutströmung und der Blutzusammensetzung. Insbesondere individuelle Risikofaktoren (hohes Lebensalter, Z.â•›n. Thrombose, Malignom, Adipositas, Thrombophilie) können die Wahrscheinlichkeit einer thrombembolischen Komplikation erhöhen. Als Folgen einer tiefen proximalen Beinvenenthrombose sind die Lungenembolie und das postthrombotische Syndrom zu nennen. Prophylaktisch stehen die medikamentöse und physikalische Therapie zur Verfügung. Als Standardtherapie gilt die einmalige tägliche Gabe von niedermolekularem Heparin (NMH). In der modernen Therapie sollte bei Patienten mit individuellen Risikofaktoren eine Adaptierung der Dosis nach oben erfolgen (Leyvraz et╯al. 1991). Für die Dauer der Prophylaxe wird nach Knieendoprothesenimplantation eine Dauer von 5–6â•›Wochen empfohlen (Cardiovascular Disease Educational and Research Trust et╯al. 2006; Rader 2007). Als Nebenwirkungen von NMH sind Blutungskomplikationen, Haarausfall, Osteoporose, allergische Reaktion und die Heparin-indizierte Thrombozytopenie (HIT) zu nennen. Während die HIT I ohne klinische Bedeutung ist, stellt die HIT II eine schwerwiegende Kom-
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plikation mit gegebenenfalls tödlichem Verlauf dar. Durch eine Antigen-Antikörper-Reaktion kommt es zum Abfall der Thrombozyten unter 100.000/ml oder 50â•›% des Ausgangswertes. Um ein HIT-II-Syndrom zu erkennen, sollte für 3â•›Wochen postoperativ eine 3-mal wöchentliche laborchemische Thrombozytenkontrolle erfolgen. HIT-Syndrome über den 23â•›Tag nach NMH-Erstgabe sind bisher nicht beschrieben. Bei Verdacht einer HIT II sollte auf ein Nicht-Heparin-Medikament umgestiegen werden (z.â•›B. Orgaran). Fondaparinux (Heparin-Analog) zeigte eine um 50â•›% niedrigere Thromboserate im Vergleich zu NMH ohne des Risikos einer HIT II. Nachteilig erscheint das Fehlen eines Antidots, Protamin ist nicht wirksam. Fondaparinux sollte erst 6–8â•›h nach der Operation verabreicht werden, eine intraoperative Prophylaxe kann mit Heparin am Tag zuvor erfolgen. In Kombination mit einer Epiduralanästhesie sollte NMH spätestens 12â•›h vor der Anästhesie und erst wieder 4â•›h nach Entfernung eines Epiduralkatheters verabreicht werden (Rader 2007). Zusätzlich zur medikamentösen Prophylaxe sollten alle Möglichkeiten der physikalischen Therapie genutzt werden (Antithrombosestrümpfe, Frühmobilisation, arteriovenöse Pumpsysteme, SprungÂ�gelenkbewegungsschiene).
13.2.2â•… Fettembolien Die Inzidenz einer Fettembolie nach einer Operation der unteren Extremität wird mit <1â•›% angegeben (Bulger et╯al. 1997). Die Mortalität beträgt zwischen 7 und 20â•›% (Bulger et╯al. 1997). Ursächlich ist durch erhöhten intramedullären Druck eine Ausschwemmung von Fett aus dem Knochen (intramedulläre Bohrung, Einführung des intramedullären Zielgeräts, Zementierung, Öffnen der Blutsperre (Hofmann et╯al. 1998; Jenkins et╯al. 2002)). Die Diagnose des Fettemboliesyndroms (FES) ist eine klinische Ausschlussdiagnose. Differentialdiagnostisch ist eine kardiorespiratorische oder neurologische Ursache wie Herzinfarkt, kardiogener Schock, Sepsis, Lungenembolie, zerebrovaskuläres Ereignis oder Stoffwechselstörung auszuschließen. Klinisch können sich Symptome wie Ateminsuffizienz, Hypotension, Hypoxie, neurologische Symptome (Desorientierung, Müdigkeit, Verwirrtheit), Tachykardie, Fieber, Anämie, Thrombozytopenie, Petechien, Netzhautveränderungen, Ikterus oder
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Lipide im Urin zeigen. Diagnostisch kommen die arterielle Blutgasanalyse (Hypoxie), Blutbild (Anämie, Thrombozytopenie) und Gerinnungsanalyse (Ausschluss von Koagulopathien) in Frage. Neurologische Störungen, verursacht durch toxische, metabolische oder infektiöse Ursachen sollten ausgeschlossen sein. Die Untersuchung des Gehirns zeigte sich mit dem MRT sensitiver als mit dem CT (Stoeger et╯al. 1998). Prophylaktisch muss von der Anästhesie ausreichend Volumen gegeben und der Patient kardiorespiratorisch stabil gehalten werden. Chirurgisch sollten während der Operation die tibialen und femoralen intramedullären Eröffnungskanäle vor dem Einführen der Führungsstäbe erweitert (Überbohrung) und lavagiert werden (Hofmann et╯al. 1998). Therapeutisch erfolgt eine symptomatische Therapie mit Unterstützung des Herz-Kreislauf- und respiratorischen Systems. Entscheidend ist eine entsprechende postoperative Überwachung von Risikopatienten. Insgesamt ist das Risiko einer FES deutlich höher bei der einzeitig zweiseitigen Operation im Vergleich zur einseitigen.
13.2.3â•… Postoperative Nachblutung Postoperative Nachblutungen, die chirurgisches Handeln erfordern, sind selten (Calligaro et╯al. 2003). Gefäßverletzungen sollten rasch erkannt und adäquat versorgt werden (s. Abschn.â•›13.1.2, Gefäßverletzungen). Stärkere Nachblutungen aus Knochen und Gewebe werden entsprechend konservativ behandelt (Kompression, Kryotherapie, Hochlagerung).
13.3â•… Postoperative Komplikationen 13.3.1â•… Periprothetische Frakturen Neben intraoperativen technischen Fehlern (s. Abschn.â•›13.1.3) sind später auftretende Frakturen oft durch ein Trauma in Zusammenhang mit einer schlechten Knochenqualität (Osteoporose, rheumatoide Arthritis) bedingt. Ermüdungsfrakturen treten vor allem bei schlechter Knochenqualität im Zusammen-
M. Pietsch und S. Hofmann
hang mit Implantationsabweichungen (z.â•›B. Varus-, Valgusmalalignment, Fehlpositionierung der Tibiakomponente) auf. Die meisten Klassifikationen liegen für die suprakondylären Frakturen vor und gehen auf Neer und Mitarbeiter zurück (1967). Im Verlauf wurden verschiedene Weiterentwicklungen vorgeschlagen (Chen et╯al. 1994; DiGioia u. Rubash 1991; Rorabeck u. Taylor 1999). Für die periprothetischen Tibiafrakturen wurde aus der Mayo Clinic eine vierteilige Fraktureinteilung mit jeweils drei Subtypen vorgeschlagen (Hannsen et╯al. 2002). Wichtig zur Behandlung erscheint die Beurteilung der Stabilität des Implantats und der Fraktur (Gross 2004). Bildwandlergezielte oder sogar computertomographische Aufnahmen können hier hilfreich sein. Entscheidend ist, ob eine Revision der liegenden Prothese durchgeführt werden muss oder nicht. Nur wenn die Fraktur und das Implantat als stabil beurteilt werden, ist eine konservative Therapie sinnvoll. Meist ist die operative Versorgung der Fraktur die Therapie der Wahl. Das chirurgische Vorgehen ist von der Stabilität des Implantats und der Knochenqualität abhängig. Bei implantatfernen diaphysalen Frakturen ist das Implantat meist stabil. Diese sollten mit modernen winkelstabilen Plattensystemen versorgt werden. Metaphysäre implantatnahe Femurfrakturen mit stabiler Komponente können auch mit einem retrograden intramedullären Nagel versorgt werden. Voraussetzungen sind die Möglichkeit des freien intramedullären Zugangs und die anatomische Frakturreposition. Bei Posterior-stabilized-Femurkomponenten besteht diese Möglichkeit nicht bei jeder Prothese. Frakturen, die sehr distal (näher als 20â•›m m an der femoralen Notch) verlaufen, ermöglichen unter Umständen nicht die distale Verriegelung des Nagels (Backstein et╯al. 2007). Bei Verwendung eines intramedullären Nagels sollte auf die korrekte Rotation und Achsausrichtung der Fragmente geachtet werden, um die Funktion der Prothese zu gewährleisten. Kann die korrekte Rotationsausrichtung und Achse der Komponenten nicht wiederhergestellt werden, sollte die Fraktur mit einer winkelstabilen Platte und eventuell zusätzlich mit Stemaugmentierter Revisionsprothese erfolgen. Metaphysäre Tibiafrakturen mit stabilem Implantat können mit winkelstabilen Plattensystemen versorgt werden. Frakturen mit gelockertem Implantat erfordern immer auch die Komponentenrevision mit Stemaugmentation (Abb.â•›13.1). Problematisch erscheint die Zementierung des Stems, da es zu einer Störung
13â•… Intra- und postoperative Komplikationen
Abb. 13.1a, b. Röntgen Kniegelenk a.â•›p. Periprothetische femorale Fraktur. a Fehlschlag nach Osteosynthese mit winkelstabilem Plattensystem. b Revision der gelockerten Femurkomponente mit langem Stem und Strut-Graft
der Frakturheilung kommen kann und eine erneute Revision erschwert ist (Backstein et╯al. 2007). Somit sollte nur die Komponente mit Kiel zementiert werden, während der Stem besser zementfrei bleibt. Bei Implantatkompatibilität muss nicht die gesamte Prothese gewechselt werden. Bei ligamentärer Instabilität muss auf eine nicht bandgeführte Prothese gewechselt werden, was jedoch meist eine Revision der Femurund Tibiakomponente erfordert. Zeigen sich nach dem Entfernen einer lockeren Implantatkomponente große Knochendefekte, sollten alle Möglichkeiten der Augmentation (Strukturallografts, Metallblöcke, totaler Knochenersatz durch die Prothese mit z.â•›B. HingeProthese, totaler Femurersatz, Tumoprothese) intraoperativ vorliegen. Die Patellafraktur stellt die häufigste periprothetische Fraktur dar. Die Inzidenz beträgt zwischen
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0,11â•›% und 5,4â•›% (Sheth et╯al. 2007). Klinische Symptome können bei einer nicht akut traumatischen Patellafraktur fehlen und werden oft erst bei einer Routinenachuntersuchung auf dem Röntgenbild diagnostiziert (Sheth et╯al. 2007). Klassische klinische Symptome beinhalten einen vorderen Knieschmerz, Schwellung, Erguss, Instabilität beim Gehen mit der Angst zu Stürzen und ein Extension Lag. Neben dem a.-p.- und dem lateralen Röntgenbild erleichtert die Patella tangential Aufnahme die Diagnose. Neben dem akuten Trauma sind vor allem technisch-chirurgische Faktoren die häufigste Ursache einer Patellafraktur. Störungen der Patelladurchblutung (Patellarelease und Resektion des Hoffa-Fettkörpers), zu große Resektion beim Patellaersatz mit einer Restpatella <10â•›m m, Patellamaltracking, Overstuffing, tibiale und/oder femorale Malrotation können zu einer Fraktur führen (Sheth et╯al. 2007). Patienten mit einer schlechten Knochenqualität, rheumatoiden Arthritis, weiblichem Geschlecht, erhöhter Aktivität und sehr guter Flexion haben ein erhöhtes Risiko einer postoperativen Patellafraktur (Rorabeck et╯al. 1998). Bei Patellersatz mit einem einzelnen zentralen Verankerungszapfen oder der sog. InlayTechnik besteht ebenfalls eine erhöhte Gefahr, eine Fraktur zu erleiden (Rorabeck et╯al. 1998). Daneben zeigen zementfreie Patellaimplantate und Posteriorstabilized-Prothesen einen erhöhen Kontaktstress im patellofemoralen Gelenk (Sheth et╯al. 2007). Nach Revisionsoperationen und neuerlichem Patellaersatz besteht das Risiko einer Patellafraktur. Bei jüngeren Patienten sollte gegebenenfalls eine autologe Patellaplastik (Restpatella <10â•›m m) erfolgen (Reuben et╯al. 1991). Bei älteren Patienten sollte die Patella als „Shelf“ belassen werden. Eine asymptomatische nicht verschobene Fraktur mit nicht gelockertem Patellaersatz sollte konservativ mit einer Orthese behandelt werden. Eine symptomatische nicht verschobene Patellaquer- oder -längsfraktur mit intaktem Patellaersatz sollte auch konservativ mit Ruhigstellung in Streckstellung für 6â•›Wochen behandelt werden. Eine verschobene Fraktur >2â•›m m, ein gelockerter Patellaersatz und ein rupturierter Streckapparat sollten jedoch operativ behandelt werden. Es stehen die gleichen operativen Möglichkeiten wie bei der Patellafraktur im nicht ersetzten Knie zur Verfügung. Behindert ein bestehender Patellaersatz die adäquate Frakturversorgung, sollte auch ein fest sitzendes Implantat entfernt werden. Die Fraktur des oberen oder
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unteren Patellapols wird wie eine Patellasehnenruptur (s. Abschn.â•›13.3.5) oder Quadrizepssehnenruptur behandelt. Die Rekonstruktion der Patellasehen kann mit der Semitendinosussehne oder einem Allograft erfolgen (s. Abschn.â•›13.3.5)
13.3.2â•… Wundheilungsstörung Die oberflächliche Wundheilungsstörung muss von der tiefen Protheseninfektion (Frühinfektion) abgegrenzt werden. Bei der oberflächlichen Wundheilungsstörung werden die anhaltende Wundsekretion, die teilweise oder komplette Hautnekrose und der oberflächliche Infekt unterschieden. Neben der adäquaten frühzeitigen Behandlung ist das Verhindern eines tiefen Protheseninfekts oberstes Ziel. Da die Blutversorgung der Haut mehr von medial erfolgt, sind prinzipiell mediale Hautinzisionen mehr gefährdet, eine Wundheilungsstörung zu erleiden. Der laterale Hautrand ist gefährdeter als der mediale (Vince et╯al. 2007). Deshalb empfiehlt sich eine gerade anteriore Längsinzision im Vergleich zu einem medial parapatellaren Hautschnitt. Alte Hautnarben sollten nach Möglichkeit mit einbezogen werden. Bei mehreren alten Narben sollte die am weitesten laterale verwendet werden. Dieser Vorteil sollte aber gegen eine größere Mobilisierung des subkutanen Gewebes abgewogen werden. Insbesondere große nach lateral ziehende „Weichteillappen“ sollten aufgrund der schwächeren lateralen Blutversorgung vermieden werden. Können nur Teile einer alten Narbe als Hautzugang verwendet werden oder kreuzt eine neue Inzision eine alte Narbe, sollte dies in einem möglichst weiten Winkel geschehen. Der Abstand zu einer alten Narbe sollte möglichst groß sein (Della Valle et╯al. 2006). Bei kritischer Wundsituation wird für einige Tage die Ruhigstellung des Kniegelenks empfohlen (Vince et╯al. 2007). Die Verwendung von Antibiotika sollte bei einer Wundheilungsstörung unterbleiben, da sonst gegebenenfalls der tiefe Frühinfekt verspätet diagnostiziert werden kann (Vince et╯al. 2007). Das mikrobiologische Ergebnis von Abstrichpräparaten einer verlängerten Sekretion oder Wundheilungsstörung ist wenig richtungsweisend (Hautkeime). Hier sollte besser eine Gelenkpunktion erfolgen. Wenn die Wundsituation schnelles chirurgisches Handeln erfordert, sollte die Langzeitbebrütung des Punktats nicht
M. Pietsch und S. Hofmann
abgewartet werden. Die unmittelbare postoperative Beurteilung der Leukozyten im Punktat ist schwierig. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen neuere Daten für den chronischen Spätinfekt vor (mehr als 1700 Leukozyten und/oder mehr als 65â•›% polymorpher Leukozyten; Mason et╯al. 2003). Für den unmittelbar postoperativen Zustand gibt es bis zum jetzigen Zeitpunkt keine verlässlichen Daten (Vince et╯al. 2007). Hier muss eine Entscheidung nach dem klinischen Zustandsbild getroffen werden. Unmittelbar postoperativ ist die Beurteilung des C-reaktiven Proteins (CRP) schwierig. Im Zweifelsfall sollte der Frühinfekt angenommen werden und eine entsprechende Behandlung erfolgen (offenes Débridement und Polyethylenwechsel). Die rein oberflächliche Infektion (nur die Haut und das Subkutangewebe betreffend) ist manchmal sehr schwierig von einer tiefen (das Gelenk betreffende Infektion) zu unterscheiden. Auch hier sollte nach Möglichkeit vor der Antibiotikagabe eine Gelenkpunktion erfolgen (Vince et╯al. 2007). Durch Infiltration kann eine Verbindung der Subkutis zum Gelenk überprüft werden. Postoperativ verlängerte Wundsekretion ohne Hinweis für eine tiefe Infektion kann jedoch unter Ruhigstellung einige Tage beobachtet werden. Sollte die Sekretion nicht aufhören oder deutlich geringer werden, ist das offene Débridement mit Inlaywechsel zu empfehlen. Eine verlängerte Sekretion über 5â•›Tage birgt das erhöhte Risiko, eine tiefe Infektion zu entwickeln (Saleh et╯al. 2002). Oberflächliche Hautnekrosen bis 3â•›cm Durchmesser heilen gewöhnlich konservativ, tiefe oder größere Nekrosen erfordern meist chirurgisches Vorgehen (Vince et╯al. 2007). Insbesondere große, tibiale Defekte oder Nekrosen über der Patellasehne erfordern meist die Versorgung mittels eines Muskellappens (Gastrocnemius) durch den plastischen Chirurgen.
13.3.3â•… Frühinfekt Verschiedene Klassifikationen der infizierten Knieprothese liegen vor (Tsukayama et╯al. 2003). Die Einteilung erfolgt nach dem Zeitpunkt der Implantation. Wichtig für das praktische Vorgehen erscheint, ob die Prothese erhalten werden kann oder entfernt werden sollte. So gilt beim Frühinfekt das prothesenerhaltene Vorgehen als berechtigt und erfolgversprechend. Voraussetzung ist eine nicht gelockerte Prothese.
13â•… Intra- und postoperative Komplikationen
Beim Spätinfekt wird die Prothesenexplantation mit ein- oder zweizeitiger Reimplantation empfohlen. Die Grenze zwischen Früh- und Spätinfekt wird mit 4 bis maximal 6â•›Wochen nach der vorherigen Operation angegeben (Pietsch et╯al. 2006). Einige Autoren halten jedoch ein prothesenerhaltendes Vorgehen nur bis 3â•›Wochen für sinnvoll (Kern et╯al. 2006). Die Symptome eines Frühinfekts mit Schmerz, Schwellung, Rötung, Sekretion und Fistel sind meist eindeutiger als die Symptome der schleichenden, chronischen Spätinfektion, die oft nur mit Schmerzen einhergeht. Die Wundheilungsstörung bzw. Hautnekrose ohne Verbindung zum Gelenk muss ausgeschlossen werden. Beweisend für die Infektion ist der intraartikuläre Keimnachweis durch die gegebenenfalls mehrfache Punktion. Die beim Spätinfekt zu empfehlende Langzeitbebrütung über 2â•›Wochen kann beim Verdacht eines Frühinfekts jedoch nicht abgewartet werden. Die Sanierungsrate hängt ganz entscheidend von einem raschen chirurgischen Vorgehen innerhalb 2â•›Tage nach Symptombeginn ab. Die Diagnose auf Grund der Höhe der Leukozyten im Gelenkpunktat ist unmittelbar postoperativ nicht eindeutig (s. Abschn.â•›13.3.2). Die Methode der Wahl beim Frühinfekt ist das offene Débridement mit Inlaywechsel und anschließender 6-wöchiger Zweifachantibiotikatherapie (z.â•›B. Rifampicin 600â•›mg 1-mal 1 und wirksames Antibiotikum). Rifampicin ist eine bakterizide Substanz mit hoher oraler Bioverfügbarkeit, breitem Wirkspektrum und ist ein guter Kombinationspartner in einer Zweifachtherapie. Prinzipiell sollten die Antibiotika wirksam auf einen nachgewiesenen Keim sein. Es empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem Infektiologen. Intraoperativ sollte aus mehreren Stellen im Gelenk Gewebe zur bakteriologischen Untersuchung gewonnen werden (Abb.â•›13.2) alleinige Gewebeabstrich ist nicht ausreichend. Die intraoperative Jet-Lavage ist empfehlenswert, evtl. mit einem antiseptischen Zusatz (Chiu u. Chen 2007). Die postoperative mehrtägige Spül-Saug-Drainage hingegen wird heutzutage wegen der Ausbildung von Spülstraßen nicht mehr empfohlen (Kern et╯al. 2006). Die Erfolgsrate beim offenen Débridement mit Inlaywechsel wird mit 20–68â•›% angegeben (Chiu u. Chen 2007) und liegt unter den Erfolgsraten des Prothesenwechsels. Einige Autoren fanden Risikofaktoren (Bakterienvirulenz, Gesundheitszustand des Patienten; Wilson et╯al. 1990), die das Resultat beeinflussen können, andere hingegen konnten keinen Zusammenhang (Kern et╯al. 2006) feststellen. Beim arthroskopischen Vorgehen kann das
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Abb. 13.2. Intraoperative Gewebeentnahme zur bakteriologischen Untersuchung. Aufbringung des Gewebes auf einer Agarplatte zur unmittelbaren Bebrütung
Inlay nicht gewechselt werden und das Débridement ist nicht so radikal wie beim offenen Vorgehen. Die Arthroskopie muss daher häufig in kurzen Zeitabständen mehrfach wiederholt werden. Die Erfolgsraten liegen unter denen des offenen Vorgehens (Waldman et╯al. 2000), so dass das arthroskopische Débridement nur unter besonderen Umständen empfohlen werden kann (schlechter Allgemeinzustand des Patienten, antikoagulierter Patient; Waldman et╯al. 2000).
13.3.4â•… Nervenverletzung Durch falsche Lagerung oder einen zu festen Verband kann es insbesondere im Zusammenhang mit einem Hämatom postoperativ zu einer Schädigung des Nervus peronaeus kommen (s. Abschn.â•›13.1.1).
13.3.5â•… Ruptur des Ligamentum patellae Neben der traumatischen Ruptur des Ligaments gibt es verschiedene Ursachen, die zu einem postoperativem Riss führen können. Hier sind vor allem chirurgisch-technische Ursachen (Malposition, Malrotation, „Overstuffing“, Impingement, Störung der Durchblutung) zu nennen (Rand et╯al. 1989). Obwohl verschie-
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dene Reparaturtechniken beschrieben wurden, hat sich keine Standardtechnik herauskristallisiert. Die konservative Behandlung durch Ruhigstellung ist nur beim nichtoperationstauglichen Patienten sinnvoll, ansonsten ist die chirurgische Behandlung zu empfehlen. Nur bei der akuten mittigen Patellarsehnenruptur ist der Versuch einer Direktnaht mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial gerechtfertigt (Scuderi u. De Muth 2002). Der sichere Weg ist jedoch immer eine Rekonstruktion der Sehne (Vince et╯al. 2006). Bei patellanahen Rupturen im oberen Sehnenanteil sollte die Patella mit Hilfe von Bohrlöchern mitgefasst und zusätzlich eine Entlastungsdrahtschlinge durch die Tuberositas tibiae gelegt werden (Scuderi u. De Muth 2002). Insbesondere die häufigere distale tuberositasnahe Ruptur bzw. Ablösung sollte rekonstruiert werden. Dies kann durch eine Plastik mit Hilfe der Semitendinosussehne erfolgen. Die Sehne wird wie bei der Kreuzbandplastik gestrippt, bleibt aber am Ursprung des Pes anserinus stehen und wird durch ein horizontales Bohrloch durch das untere Patelladrittel zurück zum Pes anserinus geführt (Cadambi u. Engh 1992). Die Sehne wird mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial mit dem Rest der Patellarsehne vernäht. Eine weitere gewissermaßen „Salvage Procedure“ ist die Rekonstruktion der Streckapparats mit einem allogenen Transplantat, bestehend aus Tuberositasknochenblock, Patellasehne, Patella und Quadrizepssehnenanteil (Scuderi u. De Muth 2002). Die ursprüngliche Patella wird nicht entfernt, sondern bleibt als „Shelfpatella“ über dem Transplantat erhalten (Scuderi u. De Muth 2002). Als Nachbehandlung nach operativer Behandlung einer Patellarsehenruptur ist die Ruhigstellung in Streckstellung für 4–8â•›Wochen zu empfehlen (Scuderi u. De Muth 2002).
13.4â•… Besondere Verläufe und Probleme 13.4.1â•… Schmerzhafte Knieprothese Mechanische Implantationsabweichungen können zu einer schmerzhaften Knieprothese und/oder Instabilität oder Steifheit führen. Neben mechanischen Ursachen muss bei schmerzhafter und/oder steifer Knieprothese auch die chronische tiefe Infektion ausgeschlossen werden.
M. Pietsch und S. Hofmann
Abb. 13.3a, b. GanzÂ�beinröntgen a.â•›p. im Stehen. a Fehlschlag einer FemurumÂ�stellungsosteotomie in 20° Valgus. b Nach der Implantation der Knieprothese sollte die biomechanische Gesamtachse 0 â•›± â•›3° mit in 90° darauf positionierten Komponenten betragen
Die Ursachen des vorzeitigen mechanischen Versagens sind in den drei Grundprinzipien der Knieendoprothetik zu suchen: Alignment, Rotation und ligamentäre/knöcherne Stabilität. 13.4.1.1â•… Alignment Die mechanische Achse des Beins sollte nach der Implantation 0° betragen mit einer in 90° darauf positionierten Femur- und Tibiakomponente (Abb.â•›13.3). Mehr als ±3° Abweichungen von diesem Alignment können zu Beschwerden führen (Sparmann et╯al.
13â•… Intra- und postoperative Komplikationen
2003). Es kommt zu einer einseitigen Belastung der Prothesenanteile mit einer Überbeanspruchung der Prothesenmaterialien und des Knochens (Vince et╯al. 2006). Die Folgen sind über Jahre gesehen eine mechanische Lockerung der Prothese und der Polyethylenabrieb mit Polyethylenkrankheit. Die Schädigung der Bänder führt sekundär zur Instabilität (Vince et╯al. 2006). Bei einer Neutralachse und schiefen Gelenklinie kommt es zu Schmerzen im Kapselbandapparat. 13.4.1.2â•… Rotation Die zentrale Bedeutung der Rotationsabweichung der Femur- und/oder Tibiakomponente der Knieprothese von der idealen Positionierung wurde in den letzten Jahren als häufige Ursache von Schmerzen, Instabilität oder eingeschränkter Beweglichkeit einer implantierten Prothese erkannt (Berger et╯al. 1998; Hofmann et╯al. 2003; Pietsch u. Hofmann 2005). Während sich eine Rotationsabweichung der Tibiakomponente auf die Kinematik des Patellofemoralgelenks auswirkt, hat eine Malrotation der Femurkomponente auch Auswirkung auf die Kinematik des Beugespalts im Sinne einer Asymmetrie (Berger et╯al. 1998; Hofmann et╯al. 2003; Pietsch u. Hofmann 2005; Abb.â•›13.4). Zur Rotationsausrichtung der Femurkomponente gibt es zwei unterschiedliche Techniken. Die Tibia-First- oder ba-
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lancierte Beugespalttechnik stellt eine einfache, aber nicht sichere Methode dar. So müssen eine exakt in 90° geschnittene Tibia und Femur vorliegen. Im Anschluss muss der Streckspalt perfekt balanciert sein, bevor sich die Rotation in Flexion richtig einstellt. Bei der Femur-First- oder knöchernen Landmarkentechnik wird die Rotation parallel zu den knöchernen Ansatzpunkten der Seitenbänder (epikondyläre Achse) und der Whiteside-Linie angestrebt. Da die Epikondylen meist schwierig definiert werden können, sollten diese zur sicheren Bestimmung präpariert werden. Gelingt die Darstellung dennoch nicht zweifelsfrei, kann durch Präparation der Seitenbandansätze die Epikondylenlinie festgelegt werden. Liegt eine Asymmetrie der Weichteilspannung in Beugung zur Streckung vor (s. Abb.â•›13.5), sollte noch einmal die Rotation der Femurkomponente überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden (Hofmann et╯al. 2003; Pietsch u. Hofmann 2005). Die neue Operationstechnik „Extension Gap First“ minimiert die Gefahr der Malrotation der Femurkomponente (Pietsch et╯al. 2007). Die Rotation der Tibiakomponente wird anhand des Übergangs mittleres zu medialem Drittel der Tuberositas tibiae in einer Linie zum Ansatz des hinteren Kreuzbandes festgelegt (funktionelles Alignment; Akagi et╯al. 2004). Die Festlegung der Rotation der Tibiakomponente durch Beugung und Streckung („Floating“) unterliegt mehreren Fehlermöglichkeiten (Femurrotation, Balancierung, Alignment, Slope) und sollte nur zur Kontrolle der anatomisch-funktionellen Positionierung herangezogen werden.
13.4.1.3â•… Ligamentäre und knöcherne Stabilität
Abb. 13.4. Die gegenüber der Epikondylarlinie (↜rote Linie) nach innen rotierte Femurkomponente hat Auswirkungen auf den Beugespalt (Instabilität) und auf den Patellalauf (PatellaMaltracking)
Ein symmetrisch ausbalancierter Streck- und Beugespalt sollte immer erzielt werden. Die Knochenschnitte und die Größe der Implantatkomponenten müssen so gewählt werden, dass der Bandapparat in Beugung und Streckung nicht zu locker oder zu straff ist (Clarke u. Scuderi 2003). Bei unterschiedlich großem Beuge- und Streckspalt muss eine Anpassung erfolgen. Bei einem engen Beugespalt wird durch die Wahl einer kleineren Femurkomponente dieser dem Streckspalt angepasst („downsizing“). Bei einem engen Streckspalt wird der distale Femur nachgeschnitten („recutting“). Ist eine Balancierung am Operationstisch nicht möglich, sollte auf eine vollgeführte, ggf. sogar gekoppelte Prothese umgestiegen werden.
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M. Pietsch und S. Hofmann
Abb. 13.5. Varus/ValgusStress-Röntgen (30°, 90°) unter Durchleuchtung einer implantierten KTEP. Asymmetrischer Beugespalt (laterales „Lift-off“ in 90° Varus) als Hinweis einer femoralen Innenrotationsabweichung
Die falsche Position der Gelenklinie kann zu Instabilität oder eingeschränkter Beugung führen. So resultiert aus einer zu niedrigen Gelenklinie eine mittlere Flexionsinstabilität d.â•›h. in 60° Beugung ist die Prothese instabil, während sie in Streckung und 90° Beugung stabil bleibt (Vince et╯al. 2006). Eine zu hohe Gelenklinie führt zur eingeschränkten Beugefähigkeit mit einer mittleren Flexionskontraktur.
13.4.2â•… Diagnose bei schmerzhafter Knieprothese
sichtlich der Schmerzqualität ergibt häufig einen wesentlichen Hinweis auf die Ursache. Ein nächtlicher Dauerschmerz deutet auf eine chronische Infektion, ein Belastungsschmerz eher für eine mechanische Ursache hin. Ein Schmerz zu Beginn des Gehens ist typisch für eine beginnende Lockerung. Neben einer klinischen Standarduntersuchung des Kniegelenks, sollten die Seitenbänder in 30°, 60° und 90° Flexion hinsichtlich Symmetrie und lateralem „lift-off“ überprüft werden. Ein positiver aktiver Quadrizepstest und ein positiver hinterer Schubladentest oder eine sichtbare vordere Translation der Tibia beim Übergang Beugung zu Streckung ist hinweisend für eine Instabilität (Vince et╯al. 2006). Genaue Untersuchung der Nachbargelenke.
Eine Vielzahl von häufigeren und seltenen Ursachen kann zu einer schmerzhaften Knieprothese oder frühzeitigem Prothesenversagen führen.
13.4.2.2â•… Labor, Punktion und Infiltration
13.4.2.1â•… Anamnese und Untersuchung Sämtliche Vorbefunde, Operationsberichte, prä- und postoperativen Röntgenbilder sollten herangezogen werden. Die gezielte Befragung des Patienten hin-
Ausschluss einer tiefen, schleichenden Infektion durch Erfassung des Entzündungslabors (C-reaktives Protein, Blutsenkung und Leukozyten) und Durchführung einer intraartikulären Punktion. Eine intraartikuläre bzw. gezielt extraartikuläre Infiltration von Schmerzpunkten mit Lokalanästhetikum hilft, zwischen intraund extraartikulärem Geschehen zu unterscheiden.
13â•… Intra- und postoperative Komplikationen
13.4.2.3â•… Röntgen Standard a.â•›p. und seitlich, Ganzbeinröntgen. Routinemäßig sollte eine a.-p.-Röntgenaufnahme im Stehen durchgeführt werden. Eine exakte Achsvermessung (Gesamtachse, LDFA, MPTA) ist nur auf der Ganzbeinaufnahme möglich. Die seitliche Aufnahme wird in den meisten Kliniken in einer Beugestellung zwischen 30° und 50° durchgeführt. Soll die Patellahöhe bestimmt werden, ist eine Aufnahme in 30° mit möglichst exakter Überlagerung der Kondylen notwendig (Doppelkontur der dorsalen Femurkondylen <3â•›m m; Seil et╯al. 2000). Patella. Die Patella-tangential-Aufnahme erlaubt neben der Betrachtung des Knochens und eines vorhandenen Rückflächenersatzes auch die Möglichkeit, Informationen über den Patellalauf zu gewinnen. Eine nicht in der Femurkufe zentrierte oder verkippte Patella kann hinweisend auf eine Weichteildysbalance, eine Abweichung der Femur- und/oder Tibiakomponente von der idealen axialen Rotationsposition sein (Pietsch u. Hofmann 2007). 13.4.2.4â•… Spezielle bildgebende Verfahren Bildwandler. Bildwandlergezielte Aufnahmen mit exakter Einstellung des Gelenkspaltes bzw. des Implantat-Knochen-(Zement-)Interface erlauben eine bessere Darstellung von Lockerungssäumen, Knochenverlusten oder einer vorhandenen Inlay-Asymmetrie. Schwierig zu sehende Implantatbrüche können dabei entdeckt werden. Sehr hilfreich sind bildwandlergezielte Stressröntgenuntersuchungen, um die Funktion einer liegenden KTEP im Streck- und Beugespalt zu überprüfen (Stahelin et╯al. 2003; Abb.â•›13.5). Durch Varus-ValgusAufnahmen in 30° wird der Streckspalt überprüft, in 60° die so genannte Mid-Flexion und in 90° der Beugespalt. Somit lassen sich Fragen hinsichtlich der Bandsymmetrie (30° und 90°), der Gelenkslinie (60°), der Rotation der Femurkomponente (90°) und des Verhältnisses des Beuge (90°) – und Streckspalts (30°) zueinander beantworten. Wichtig dabei sind standardisierte Aufnahmen. So wird für die Stabilitätsprüfung in 90° Beugung das Bein mit 80° gebeugtem Hüftgelenk auf einem Gestell positioniert. Der Röntgenstrahl wird mit 5° Reklination auf das 90° gebeugte Knie
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zentriert, was eine Darstellung des Flexionsspalts erlaubt (Stahelin et╯al. 2003). Eine vordere und hintere Schublade kann dargestellt werden. Szintigraphie. Zum Ausschluss einer Lockerung bzw. tiefen Infektion kann in unklaren Fällen eine dynamische 3-Phasen-Knochenszintigraphie (99â•›m-Technetiummarkiertes Diphosphonat) erfolgen. Die Treffsicherheit kann in Kombination mit 111-Indium- markierten Leukozyten (dynamische Leukozytenszintigraphie) auf 85â•›% gesteigert werden (Joseph et╯al. 2001). Computertomographie (CT). Rotation: Eine Überprüfung der Rotation der Prothesenkomponenten erfolgt mittels einer speziellen CT (Berger et╯al. 1998). Zur Vermessung der Femurkomponente wird das Schnittbild verwendet, auf dem sich die so genannte chirurgische Epikondylenlinie (lateraler Epikondyl zum medialen Sulkus des medialen Epikondyl) und die dorsalen Kondylenlinie (Tangente an den dorsalen Kondylen der Prothese) gemeinsam befinden. Diese zwei Linien sollten bei korrekter Rotation der Femurkomponente immer parallel zueinander stehen. Abweichungen zeigen entsprechend den Grad der Rotationsabweichung an. Klinisch wird die femorale Rotationsabweichung in drei Schweregrade eingeteilt: leicht bis 3°, mittel 4–6° und schwer >6° (Hofmann et╯al. 2003). Zur Vermessung der Tibiakomponente müssen zwei Schnittbilder verwendet werden, da sich die Tuberositas tibiae und die Tibiakomponentenachse nicht auf einem gemeinsamen Bild zeigen. Die Senkrechte dient dabei als Referenzebene. Als Normwert gelten hierbei 18° (±2,6°) Innenrotation bezogen auf die Spitze der Tuberositas tibiae (Berger et╯al. 1998).
13.4.3â•… Schmerzhafte, nicht gelockerte Knieprothese Der Ausschluss einer Lockerung ist oft schwierig und nicht immer zweifelsfrei. Der Infekt muss immer ausgeschlossen werden. Ein Anlaufschmerz, eine klopfschmerzhafte proximale Tibia, ein radiologisch durchgehender Saum >2â•›m m oder ein progredienter Saum und ein typisches Muster in der TechnetiumSzintigraphie sind die wichtigsten Kriterien einer gelockerten Knieprothese.
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M. Pietsch und S. Hofmann
Abb. 13.6. Therapie bei der schmerzhaften Knieprothese
Die schmerzhafte Knieprothese
Diagnose Anamnese, Vorbefunde, Klinische Untersuchung Röntgen, Spezialröntgen, CT, Szintigraphie Labor Punktion, Infiltration
Chronischer, tiefer Infekt
Mechanische Ursache
Prothese fest
Prothese locker
Klinische Untersuchung Bildgebung Labor Punktion unauffällig
Konservativer Therapieversuch
Kein Erfolg
Einzeitiger Prothesenwechsel
Ein- oder zweizeitiger Prothesenwechsel
Konservative Therapie: Steife Prothese Physiotherapie Mobilisation in Narkose Instabile Prothese Orthese Muskelaufbau „mysteriöse“ Prothese Ausschluss CRPS Abwarten Psychologie
Entscheidend für die erfolgreiche Therapie ist die exakte Analyse der Ursachen (s. Abschn.â•›13.4.2). Eine Operation ohne präoperative Abklärung und Analyse ist sinnlos. Bei diesen Patienten ist auch immer eine erfolglose konservative Therapie von mindestens 3–6â•›Monaten vor der großen Revisionsoperation zu fordern (Abb.â•›13.6). Ziel der Revisionsoperation ist die Korrektur aller mechanischen Implantationsabweichungen und das Ergebnis einer mechanisch gut funktionierenden Prothese.
13.4.4â•… Schmerzhaft gelockerte Knieprothese Konnte eine Lockerung nachgewiesen werden, sollte neben dem Infektausschluss eine zusätzliche Analyse mechanischen Implantationsabweichungen erfolgen. Es ist bei einer vorzeitigen Lockerung oder vorzeitigem Polyethylenabrieb immer von einer Implantationsabweichung auszugehen. Bei einer im Anschluss durchzuführenden Wechseloperation sollten diese Abweichungen behoben werden.
13â•… Intra- und postoperative Komplikationen
13.4.5â•… Instabile Knieprothese Die tibiofemorale Instabilität bei einer schmerzhaften Knietotalendoprothese ist ein häufiges Phänomen und stellt etwa 20â•›% der Revisionsoperationen dar (Sharkey et╯al. 2002). Abzugrenzen ist die Instabilität nach Trauma, die ein eigenes Ereignis darstellt. Die meisten Instabilitäten treten in der unmittelbar postoperativen Phase bis 2â•›Jahre nach der primären Implantation auf (Thompson et╯al. 2004). Hier muss ein direkter Zusammenhang mit der chirurgischen Technik angenommen werden. Bei neu aufgetretenen Spätinstabilitäten oder Luxationen 2â•›Jahre nach der Operation muss zusätzlich auch ein Versagen der Prothese selbst angenommen werden (Komponentenlockerung, Knochenverlust, Inlay-Bruch, Abrieb, Fraktur oder Prothesenbruch; Vince et╯al. 2006). Dennoch sollte auch hierbei an Implantationsabweichungen gedacht werden, die zu dem vorzeitigen Prothesenversagen geführt haben. Bei Patienten mit hochgradigen Deformitäten insbesondere einer Valgusgonarthrose oder extraartikulären Deformitäten besteht die Gefahr einer postoperativen Instabilität durch die Notwendigkeit exzessiver Weichteil-Release. Patienten mit insuffizientem Streckapparat, nach Patellaektomie oder neuromuskulären Erkrankungen (Multiple Sklerose; Rao u. Targett 2003) oder Poliomyelitis (Genu recurvatum; Vince et╯al. 2006) haben ein erhöhtes Risiko zur Instabilität. Die korrekte chirurgische Technik stellt die effektivste Methode zur Verhinderung einer Knieprotheseninstabilität und -luxation dar. Malalignment, Malrotation und ligamentäre/knöcherne
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Instabilitäten sollten immer verhindert werden (Tab.â•›13.1; Pietsch u. Hofmann 2007). Voraussetzung einer erfolgreichen Therapie einer schmerzhaften instabilen Prothese ist die exakte Analyse der Ursachen. Eine konservative Therapie mit Ruhigstellung des Kniegelenks ist nur in Situationen erfolgversprechend, in denen es unmittelbar postoperativ zu einer Subluxation oder Luxation ohne eigentliches Trauma gekommen ist. Durch eine Ruhigstellung des Kniegelenks mit einer maximalen Beugefähigkeit von 30° für 6â•›Wochen kann gegebenenfalls eine genügend gute Stabilität erzielt werden. Voraussetzung ist, dass eine einseitige Weichteilinsuffizienz im Sinne eines zu großen Weichteil-Release und kein eigentlicher Implantationsfehler vorliegt. Wurde die Bandstrukturen quer durchtrennt und nicht im Sinne eines Release längs vom Knochen gelöst, erscheint die Heilung wenig wahrscheinlich. Auch die Ruptur eines arthrotisch veränderten Bandes durch Trauma zeigt geringe Heilungstendenzen. Die Rekonstruktion der Bänder gilt als wenig vielversprechend (Vince et╯al. 2006), auch wenn von einer erfolgreichen Serie berichtet wurde (Leopold et╯al. 2001). Der Austausch des Inlays gleichen Kopplungsgrades ergibt nur Sinn, wenn die seltene Ursache einer symmetrisch zu niedrigen Inlay-Höhe in Beugungund Streckung vorliegt. Implantationsabweichungen müssen dabei ausgeschlossen sein. Insgesamt zeigt der isolierte Wechsel des Inlays jedoch schlechte Ergebnisse (Babis et╯al. 2002). Um einen höheren Kopplungsgrad zu erreichen, muss meist auch die Prothese getauscht werden. Bei einem Prothesenwechsel sollten alle auf das Gelenk destruierend einwirkenden Kräfte,
Tabelle╯13.1.↜渀 Instabilitätsfaktoren in der Knieendoprothetik (Pietsch u. Hofmann 2007) Malalignment
Achsabweichung bzw. verbliebene Deformität
Malrotation
Rotationsabweichung der Femurkomponente mit instabilem Beugespalt Rotationsabweichung der Tibiakomponente mit Patellafehllauf
Instabilität
Knöcherner Beuge- und Streckspalt nicht symmetrisch, Beugespalt zu groß Weichteil-Release ungenügend, asymmetrischer instabiler Beugespalt Inlay zu klein gewählt, zu viel Spiel im Beuge- und Streckspalt Tibialer Slope zu hoch, zu viel Spiel im Beugespalt Gelenklinie zu niedrig, Instabilität in 60° Beugung Insuffizienter Streckapparat
Prothesentyp
Kreuzbanderhaltenden Prothese bei insuffizientem hinterem Kreuzband Kreuzbanderhaltende Prothese bei nicht perfekt balanciertem Beugespalt Mobiles Inlay bei nicht perfekt balanciertem Beugespalt Allgemein falsche intraoperative Prothesenwahl mit zu geringem Kopplungsgrad
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13
die zur Instabilität oder Luxation geführt haben, optimiert werden. Malalignment, Malrotation und die Beugestreckspaltinstabilität (Mismatch) sollten behoben werden. Nur wenn eine nicht zu korrigierende Bandinsuffizienz vorliegt, ist eine vollgeführte, nicht gekoppelte Prothese notwendig. Auch die Verwendung einer gekoppelten Prothese z.â•›B. bei Revision einer instabilen ungekoppelten Prothese macht ohne Korrektur der Instabilitätsursachen keinen Sinn und kann neuerlich zu einem vorzeitigen Prothesenversagen führen. Bei einer posttraumatischen Instabilität oder Luxation erscheint die konservative Therapie mit Ruhigstellung nur bei intakten Seitenbändern sinnvoll. Bei einer Ruptur stellt die Operation mit Wechsel auf eine vollgeführte Prothese die Methode der Wahl dar.
13.4.6â•… Steife Knieprothese Das steife Kniegelenk nach Endoprothesenimplantation zeigt einen deutlich eingeschränkten Bewegungsumfang, der mit einer Einschränkung in den Aktivitäten des täglichen Lebens und fast immer mit Schmerzen einhergeht. Die Inzidenz wird mit 8–12â•›% nach Knieendoprothesenimplantation angegeben (Scranton 2001). Das steife Kniegelenk sollte nicht mit der primären Arthrofibrose gleichgesetzt werden, die mit einer Inzidenz von 0,8â•›% sehr selten ist (Bong u. Di Cesare 2004). Die primäre Arthrofibrose stellt eine Ausschlussdiagnose dar und entsteht durch Fibrosierung ohne infektiöse oder mechanische Ursache. Patienten mit einer reduzierten präoperativen Beweglichkeit im Kniegelenk zeigen auch einen reduzierten Bewegungsumfang nach der Operation (Bong u. Di Cesare 2004). Dies geht jedoch meist ohne Schmerzen einher. Auch Adipositas und mehrere Voroperationen können Faktoren einer eingeschränkten Bewegung postoperativ darstellen (Shoji et╯al. 1990). Die häufigste Ursache einer steifen Knieprothese ist entweder in einem chronischen Protheseninfekt oder in chirurgisch-technischen intraoperativen Faktoren zu suchen (s. Abschn.â•›13.4.1). Prothesen, die im Gesamtalignment nicht neutral positioniert werden, können insbesondere in Kombination mit anderen Ursachen wie einem nicht durchgeführten Bandrelease oder einer zu eng implantierten
M. Pietsch und S. Hofmann
Prothese verstärkt zu einer einseitigen Belastung mit eingeschränkter Beweglichkeit führen. Kleine Implantationsabweichungen in Kombination mit einer Innenrotationsfehlstellung des Femurs können sich fatal auswirken. Auch das sog. „Overstuffing“ des Femoropatellargelenks, hervorgerufen durch eine zu weit ventrale Position der Femurkomponente, einer Flexionsstellung der Femurkomponente oder einer zu geringen Resektion bei Patellaersatz, kann zu einer reduzierten Flexion führen. Eine nicht optimal rotierte Femur und/oder Tibiakomponente (insbesondere bei Innenrotation) kann zu Patellafehllauf, oder einem einseitig zu engem Beugespalt führen. Ist der Beuge- zum Streckspalt nicht balanciert, kann eine Reduktion des Bewegungsausmaßes resultieren. Wurde die femorale Komponente zu groß gewählt, resultiert insbesondere bei anterior referenzierenden Systemen ein zu enger Beugespalt. Eine zu geringe distale femorale Resektion führt zu einem zu engen Streckspalt. Das Anheben der Gelenklinie durch eine zu große Resektion des distalen Femurs kann hingegen auch zu eingeschränkter Beugefähigkeit führen. Eine zu tief stehende Patella kann auch bei korrekter Gelenklinie in zunehmender Flexion „impingen“ und eine weitere Beugung verhindern. Eine isoliert zu tief stehende Patella erzeugt meist jedoch keine Probleme. Bei einem zu geringen tibialen Slope kann es zu einem Anschlagen der femoralen Komponente auf die dorsale Anteile des Tibia-Inlays mit reduzierter Flexion kommen. Umgekehrt führt ein zu steiler Slope zu einer Beugeinstabilität. Ein negativer Slope führt zum Rekurvatum. Dorsale Osteophyten am Femur sollten immer entfernt werden. Insbesondere bei einem präoperativen Streckdefizit kann sich die Kapsel in Streckung dann besser entspannen und in den meisten Fällen ist damit das Streckdefizit beseitigt. Intraoperativ sollte bei implantierter Prothese und 90° flektierter Hüfte bei geschlossener Kapsel eine freie Flexion durch das Gewicht des Unterschenkels ohne Probleme über 130° möglich sein (Lee et╯al. 1998) Die volle Extension muss ohne jede Einschränkung am Operationstisch vorliegen. Weitere postoperative Faktoren einer eingeschränkten Beweglichkeit sind eine schlechte Patientencompliance oder Motivation, das Complex Regional Pain Syndrome (CRPS; s. Abschn.â•›13.4.8) und heterotope Ossifikationen. Der tiefe Protheseninfekt muss immer ausgeschlossen werden. Liegt ein chronischer tiefer Infekt vor, sollte der ein- oder zweizeitige Prothesen-
13â•… Intra- und postoperative Komplikationen
wechsel erfolgen (Abb.â•›13.6). Konnten eine oder mehrere mechanische Ursachen analysiert werden, besteht nach ausgiebiger Aufklärung und fehlgeschlagener konservativer Therapie die Möglichkeit des einzeitigen Prothesenwechsels mit Korrektur aller Implantationsabweichungen (s. Abb.â•›13.6).
13.4.7â•… Implantatallergie Die durch die Implantation eingebrachten Materialen unterliegen der Korrision bzw. dem Abrieb. Die dadurch freigesetzten Metallionen können theoretisch das Immunsystem aktivieren und eine allergische Reaktion hervorrufen (Merritt u. Rodrigo 1996). Neben der direkten Aktivierung einer Immunantwort ist die Wirkung des freigesetzten Fremdmaterials auch als Mediator möglich. Die Implantate enthalten klassische Kontaktallergene wie Nickel, Chrom, oder Kobalt. Direkte Unverträglichkeiten gegen Nickel, aber auch Chrom und Kobalt wurden für die Haut beschrieben und sind z.â•›B. für Nickel mit bis 12â•›% in der Bevölkerung nicht unbedingt selten (Hallab et╯al. 2001). Als klinische Symptome einer Kontaktallergie gelten Ekzeme, Rötung, Urtikaria und Juckreiz. Bis zum jetzigen Zeitpunkt steht kein eindeutiger klinischer Labortest zum Nachweis einer allergischen Reaktion auf ein eingebrachtes Implantat zur Verfügung. Auch das Vorliegen einer allergischen Hautreaktion auf ein bestimmtes Material (Patchtest), lässt nach heutigem Wissensstand keine sicheren Rückschlüsse auf eine Implantatallergie zu. Insbesondere können keine Aussagen über Implantatversagen im Sinne einer Lockerung getroffen werden. Die Verwendung sog. „Allergieimplantate“ mit einer nickelfreien Oberfläche ist somit eine mögliche Alternative. Ein eindeutiger Konsensus in der Literatur liegt nicht vor. Entsprechende Empfehlungen werden jedoch ausgesprochen (Thomas 2003; Thomas et╯al. 2008). Insbesondere wenn das gewohnte Implantat nicht als allergenfreie Prothese zur Verfügung steht (z.â•›B. bei Revisionsprothesen), muss dies mit dem Patienten besprochen werden. Hier muss das Risiko einer möglichen Unverträglichkeit gegen die Nachteile der Verwendung einer Prothese bzw. Instrumente, die der Operateur nicht kennt, abgewogen werden.
209
13.4.8â•… Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) Mit dem sog. „Complex Regional Pain Syndrome“ (CRPS) wird eine neurologisch-orthopädisch-traumatologische Erkrankung beschrieben. Die Erkrankung kommt durch äußere Einwirkung (Trauma, Operation) zustande. Sie beinhaltet einen anhaltenden regionalen Schmerz, vasomotorische Störungen mit Veränderung der Temperatur, Störung des Hautkolorits und Schwellung. Trophische Störungen betreffen die Haut und den Knochen. Die Beweglichkeit ist meistens eingeschränkt. Im Zusammenhang mit einer implantierten Knieprothese ist das CRPS selten und klassische Symptome können fehlen (Dowd et╯al. 2007). Dennoch sollte bei Schmerzhaftigkeit und Bewegungseinschränkung an ein CRPS gedacht werden (Atkins 2003). Die Diagnose ist eine klinische und kann durch die Technetium-Szintigraphie unterstützt werden. Sämtliche anderen Ursachen einer schmerzhaften Knieprothese (s. Abb.â•›13.6) müssen jedoch ausgeschlossen sein. Röntgenologisch stellt sich nach 3â•›Monaten eine Osteopenie dar (Dowd et╯al. 2007). Stellt sich nach einer Sympathikusblockade keine Schmerzreduktion ein, ist die Diagnose CRPS eher unwahrscheinlich (Dowd et╯al. 2007). Die Behandlung erfolgt durch Physiotherapie, Medikamente und Sympathikusblockade. Massagen, Bewegungsübungen und die Mobilisierung der Patella sollten nach der akuten Phase erfolgen und eher vorsichtig und nicht zu aggressiv sein. Schmerz sollte vermieden werden. Meist sind Wärmanwendungen besser als Kälte (Dowd et╯al. 2007). Der Schmerz sollte am besten medikamentös in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Schmerzteam behandelt werden. Die multimodale Therapie beinhaltet NSAR, Steroide, Narkotika, Opioide, Antiepileptika (Gapapentin) und Antidepressiva. Um den Kalziumgehalt zu erhöhen, kommen Bisphosphonate und Calcitonin zur Anwendung. Die Sympathikusblockade kann regional, intravenös – spinal – epidural und bevorzugt paravertebral erfolgen. Die paravertebrale Blockade des lumbalen Sympathikus stellt dabei die effektivste Methode dar. Als letzte Rückzugsmöglichkeit bleibt die chirurgische lumbale Sympathikotomie. Die Wechseloperation der implantierten schmerzhaften
210
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Knieprothese bei Nichterkennen eines CRPS muss vermieden werden, da dies in einer Amputation enden kann. Die Prognose hängt von der frühen Erkennung und adäquaten Behandlung ab. Wird das CRPS nicht oder spät erkannt, kann der Zustand in einen chronischen, sehr schwierig zu behandelnden übergehen.
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13â•… Intra- und postoperative Komplikationen Mason JB, Fehring TK, Odum SM, Griffin WL, Nussman DS (2003) The value of white blood cell counts before revision total knee arthroplasty. J Arthroplasty 18:1038–1043 Merritt K, Rodrigo JJ (1996) Immune response to synthetic materials. Sensitization of patients receiving orthopaedic implants. Clin Orthop Relat Res 326:71–79 Neer II CS, Grantham SA, Shelton ML (1967) Supracondylar fracture of the adult femur. Study of one hundred and ten cases. J Bone Joint Surg Am 49:591–613 Nercessian O, Ugwonali OFC, Park S (2005) Peroneal nerve palsy after total knee arthroplasty. J Arthroplasty 20:1068– 1073 Ninomiya JT, Dean JC, Goldberg VM (1999) Injury to the popliteal artery and ist anatomic location in total knee arthroplasty. J Arthroplasty 14:803–809 Pietsch M, Hofmann S (2005) Die isolierte Innenrotationsabweichung der Femurkomponente als Ursache vorzeitigen Knieendoprothesenversagens. Orthop Praxis 41:55–58 Pietsch M, Hofmann S, Wenisch C (2006) Treatment of deep infection of total knee arthroplasty using a two-stage procedure. Oper Orthop Traumatol 18:66–87 Pietsch M, Hofmann S (2007) Von der tibiofemoralen Instabilität zur Luxation in der Knieendoprothetik. Orthopäde 36:917–927 Pietsch M, Djahani O, Hofmann S (2007) Die minimal-invasive Mini-Midvastus-Incision-Technik als Standard in der Knieendoprothetik. Orthopäde 36:1120–1128 Rader CP (2007) Standards und Perspektiven der Thromboseprophylaxe. Orthopäde 36:560–566 Rand JA, Morrey BF, Bryan RS (1989) Patella tendon ruptures after total knee arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 224:233–238 Rao V, Targett JP (2003) Instability after total knee replacement with a mobile-bearing prosthesis in a patient with multiple sclerosis. J Bone Joint Surg Br 85:731–732 Reuben JD, McDonald CL, Woodard PL, Hennington LJ (1991) Effect of patella thickness on patella strain following total knee arthroplasty. J Arthroplasty 6:251–258 Rorabeck CH, Angliss RD, Lewis PL (1998) Fractures of the femur, tibia, and patella after total knee arthroplasty: decision making and principles of management. Instr Course Lect 47:449–458 Rorabeck CH, Taylor JW (1999) Classification of periprosthetic fractures complicating total knee arthroplasty. Orthop Clin North Am 30:209–214 Saleh K, Olson M, Resig S, Bershadsky B, Kuskowski M, Gioe T, Robinson H, Schmidt R, McElfresh E (2002) Predictors of wound infection in hip and knee joint replacement: results from a 20 year surveillance program. J Orthop Res 20:506–515 Schinsky MF, Macaulay W, Parks ML, Kiernan H, Nercessian O (2001) Nerve injury after primary total knee arthroplasty. J Arthroplasty 16:1048–1054 Scranton PE Jr (2001) Management of knee pain and stiffness after total knee arthroplasty. J Arthroplasty 16:428–435 Scuderi GR, De Muth BC (2002) Management of patella tendon disruptions. In: Scuderi GR und Tria AJ Jr (Hrsg) Total knee arthroplasty. Springer, Berlin, Heidelberg, New York
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Aseptische Knieprothesenlockerung B. Baumann, T. Sterner und C. Rader
Die aseptische Knieprothesenlockerung ist langfristig der häufigste Grund für das Versagen einer Knieendoprothese. Bei Beobachtung der Versagensfälle muss den partikelbedingten Osteolysen und der dadurch resultierenden Implantatlockerung eine besondere Rolle zugewiesen werden. Deshalb haben wir diesem wichtigen Grund der aseptischen Lockerung ein eigenes Kapitel gewidmet. Eine weitere Betrachtungsweise der aseptischen Lockerung geht der Frage nach, wie häufig und mit welchen Risikofaktoren ein verfrühter Versagensfall eintritt. Im folgenden Buchabschnitt wird vorwiegend auf diesen Aspekt eingegangen.
14.1 Aseptische Knieprothesenlockerung╯– Risikofaktoren Zusammen mit dem künstlichen Hüftgelenksersatz ist der Kniegelenksersatz mittlerweile eine der erfolgreichsten und häufigsten orthopädischen Operationen. In Deutschland werden pro Jahr mehr als 120.000 Knieendoprothesen eingesetzt. Durch moderne Implantatsysteme und verbesserter operativer Technik lassen sich gute bis sehr gute Langzeitergebnisse erreichen. Der Beobachtungszeitraum lag bei 10 Jahren deutlich über 90%. Das Gesamtrisiko einer Revision ist laut Robertsson et al. (2001) mit ca. 8â•›% anzugeben. Die aseptischen periprothetischen Osteolysen waren in 44â•›% der Grund für die Revisionen. In den meisten Fällen (90â•›%) ist das Tibiaplateau betroffen. Vor der Diskussion der Risikofaktoren erscheint es noch einmal wichtig, darauf hinzuweisen, dass die
Definition einer lockeren Prothese oder eines Prothesenversagens nicht eindeutig ist. Als Kriterien gelten beispielsweise Säume um die Implantate, Osteolysen, Frakturen des periprothetischen Knochens, Migration bei vergleichender Röntgenbildanalyse, Mehranreicherungen in der Dreiphasenskelettszintigraphie sowie belastungsabhängige Schmerzen in der Anamnese. Nur wenige dieser Methoden können allein eine Lockerung eindeutig beweisen. Deshalb kann es im klinischen Alltag bzw. intraoperativ vorkommen, dass eine vermeintlich feste Prothese gelockert ist oder umgekehrt. Es können jedoch folgende radiologische Kriterien festgestellt werden, die eine Lockerung wahrscheinlich werden lassen. Direkte Zeichen: ●⊑ Zementfraktur, ●⊑ periprothetische Fraktur ohne adäquates Trauma, ●⊑ Implantatbruch bzw. Schraubenbruch, ●⊑ Implantatwanderung >0,5â•›cm. Indirekte Zeichen: ●⊑ große Osteolysen bzw. große Lysesäume um die Implantate oder im Interface Knochen/Zement, ●⊑ erheblicher Abrieb an den Gleitpartnern z.â•›B. einseitiger Abrieb des Inlays, ●⊑ Achsveränderungen z.â•›B. vermehrte Varusfehlstellung, ●⊑ neu auftretende, nicht unfallbedingte Bandinstabilität. Umgekehrt stellt sich die Frage, welche Faktoren es gibt, die für ein langfristig gutes Ergebnis entscheidend sind. Die klassischen Faktoren wie Operationstechnik, Primärstabilität, chirurgische Qualität (z.â•›B. Release
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_14, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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und Balancierung der Sehnen, Bänder und Muskeln), Implantatdesign (z.â•›B. Oberflächengeometrie), aber auch patientenabhängige Faktoren sind nicht zu vernachlässigen. Im Folgenden werden die möglichen Risikofaktoren einer aseptischen Lockerung bzw. eines Implantatversagens dargestellt.
14.1.1 Patientenbezogene Faktoren Patientenabhängige Faktoren spielen eine nicht geringe Rolle. So werden Erwartungen, die vor allem jüngere Patienten in die Operationsmethode setzen, nicht immer erfüllt. Insgesamt weist diese Gruppe eine deutlich höhere Revisionsrate als ältere Patienten auf (Rand et al. 2003; Vessely et al. 2006). Die größere Aktivität jüngerer Patienten (Patienten unter 50â•›Jahren) konnte als höheres Revisionsrisiko identifiziert werden (Malchau et al. 2000; Callaghan et al. 2000). Die häufigste Indikationen, die zum endoprothetischen Gelenkersatz führen, sind die primäre Gonarthrose und die rheumatoide Arthritis. Bezüglich der Revisionswahrscheinlichkeit konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden (The Swedish Knee Arthroplasty Register 2006). Betrachtet man in diesem Zusammenhang die altersabhängige Revisionswahrscheinlichkeit, werden mehr Revisionen im jüngeren Alter bei der Arthrose gefunden, während bei der rheumatoiden Arthritis keine Alterskorrelation vorliegt (Robertsson et al. 2001; The Swedish Knee Arthroplasty Register 2006). In Bezug auf das Geschlecht, ist in der Schwedenstudie kein Unterschied bei den Revisionen zwischen den Geschlechtern festgestellt worden. Erstaunlich ist jedoch, dass eine geringere Knochenmineraldichte mit einer stabileren Prothesenverankerung einhergeht. Das Skandinavische Prothesenregister bestätigt dies. Aseptische Lockerungen nahmen mit zunehmenden Alter und abnehmender Knochenmineraldichte ab (Robertsson et al. 2001). Übergewicht ist, obwohl häufig als Grund für ein Implantatversagen angesehen, ein umstrittenes Thema. Eine einheitliche Studienlage über signifikant schlechtere postoperative Ergebnisse oder erhöhte Lockerungsraten liegen nicht vor. Trotzdem schneiden stark adipöse Patienten (BMI >40) in Nachuntersuchungen schlechter ab. Im Vordergrund stehen patellofemorale Beschwerden, die wahrscheinlich auf einer erhöhten Gelenkkraft mit
B. Baumann et al.
zunehmendem Gewicht beruhen (Griffin et al. 1998; Schmith et al. 2006; Winiarsky et al. 1995). Erhöhte Lockerungsraten konnten bei adipösen Patienten nicht gesehen werden. Ursächlich wird hierfür eine verminderter Aktivitätslevel angesehen, was zu einem verminderten Abrieb der Gelenkpartner führt (Foran et al. 2004). In letzter Zeit nehmen multiple Formen von Allergien zu. Die Endoprothetik ist von dieser Entwicklung nicht ausgeschlossen. Metallallergien, vor allem gegen Nickel, aber auch Allergien gegen Knochenzement, müssen bei der Versagensanalyse in Betracht gezogen werden (Thomas 2003). Daneben können anatomische Varianten, extreme Fehlstellungen oder posttraumatischen Fehlstellungen das Ergebnis beeinflussen. Da aber z.â•›B. bei extremen Valgusfehlstellungen häufig schon primär achsgeführte Prothesen Verwendung finden, ist eine Vergleichbarkeit schwierig. Eine häufigere aseptische Lockerung kann so nicht nachgewiesen werden. Seltenere Ursachen für eine frühzeitige Lockerung können Knochen- oder Stoffwechselerkrankungen sein, die die Knochenqualität beeinflussen. Beispielhaft seien hier der M. Gaucher, M. Paget oder eine Osteopetrose genannt.
14.1.2 Implantatbedingte Ursachen Implantatversagen aufgrund des Implantatdesigns haben sich in den letzten Jahren deutlich zurückentwickelt, so dass sie bei den Standardimplantaten für den totalen Knieersatz mittlerweile zu vernachlässigen sind. Die Prothesendesignes der großen Hersteller gleichen sich zunehmend. Unikompartimentelle Systeme unterliegen im Vergleich zum kompletten Oberflächenersatz einer deutlich erhöhten Revisionsrate (2,3-fach; Robertsson et al. 2001). Als Gründe werden falsche Technik und die falsche Indikation angesehen. Insbesondere die schon vorhandene Retropatellarearthrose wird als falsche Indikation für eine Schlittenprothese angeführt. Eine eindeutige Meinung besteht hierzu allerdings nicht. Mechanisches Implantatversagen oder Materialversagen wird heute vor allem bei Revision- und Tumorendoprothesen aufgrund mechanischer Belastung der langstreckigen Verankerungsstiele und Verankerungsstellen gesehen (Bader et al. 2006). Die
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Indikation für eine gekoppelte Prothese hat in einem differenzierten Behandlungskonzept durchaus seinen Platz. Bei älteren Patienten, Revisionen, schweren Fehlstellungen und Instabilitäten, Kontrakturen oder schweren Gelenkdestruktionen sollte eine gekoppelte Prothese implantiert werden. Blauth u. Hassenpflug (1991) beobachteten eine Überlebensrate der BlauthProthese, als Stellvertreter der gekoppelten Prothesen, nach 11â•›Jahren von 97â•›%, was mit den Ergebnissen des Oberflächenersatzes vergleichbar ist. Der Einbau sollte jedoch aufgrund des Knochenverlusts, der starren Gelenkführung und der langen Stiele besonderen Problemsituationen vorbehalten werden, da Rückzugsmöglichkeiten mit erheblichen Schwierigkeiten belastet sind. Trotzdem kommt es auch bei modernstem Prothesendesign zu Verschleißerscheinungen vor allem des Polyethylen-Inlays, was in Folge dann zur sog. Partikelkrankheit führen kann (s.â•›unten). Verschleißvorgänge wie Pitting, Delamination und Abrasion sind von der Dicke des Inlays (ab 8â•›mm), der Qualität des Ausgangsmaterials (Cross-link-Polyethylen), aber auch von der Bearbeitung und der Sterilisationstechnik abhängig (Bader et al. 2006; Heinz u. von Mallek 2005). Dies wirft zugleich die Frage der Verankerungstechnik, ob zementiert oder zementfrei, auf. Laut dem schwedischen Endoprothesenregister (Robertsson et al. 2001) wiesen zwischen 1988 und 1997 zementfreie Implantate eine signifikant erhöhte Revisionsrate (1,4-fach) im Vergleich zu den zementierten Implantaten auf (Robertsson et al. 2001). Es besteht in der Literatur darüber Einigkeit, dass eine zementfreie Fixation des Tibiaplateaus häufiger mit Saumbildungen einhergehen und eine erhöhte Revisionsrate zeigen kann. Bei der Femurkomponente zeigen sich zwischen der zementfreien und zementierten Variante keine statistischen Unterschiede (Boos u. Russlies 2006). Der Autor bevorzugt die Zementierung des Tibiaplateaus und der Femurkomponente. Ein weiterer Aspekt der Verankerung ist die Notwendigkeit eines tibialen Stems auch bei der Primärendoprothetik. Während in der Revisionschirurgie eine lange intramedulläre Verankerung notwendig ist, ist das Thema bei der Primärimplantation umstritten. Kielartige oder V-förmige Verbreiterungen im metaphysären Abschnitt sollen vor allem die Kippstabilität erhöhen. Es zeigte sich aber in den Untersuchungen von Stern et al. (1997), dass diese Kiele keinen ent-
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scheidenden biomechanischen Einfluss auf die Stabilität haben. Auch in der Studie von Bertin (2007), in der Tibiakomponenten mit und ohne Stiel verglichen wurden, konnte keine erhöhte Revisionsrate nachgewiesen werden. Ob die neuen Prothesendesigns, allen voran das „Frauenknie“, eine deutliche Verbesserung der bisher schon sehr guten Ergebnisse bringt, bleibt abzuwarten.
14.1.3 Intraoperative Einflussfaktoren und chirurgische Qualität Bei den operationsbedingten Revisionen hat die Erfahrung des Operateurs eine ausschlaggebende Bedeutung. Die Rekonstruktion einer geraden Beinachse mit einem Korridor von ±3° wird in der Literatur als ein wichtiger Parameter für das Langzeitüberleben von Oberflächeersatzprothesen gesehen. Eine dementsprechende Fehlpositionierung der Komponenten (Achs- und/oder Rotationsfehler) bedingt einen vergrößerten Verschleiß und damit ein eventuell frühzeitiges Versagen. Auch eine Fehldimensionierung der Komponenten erhöht die Belastung der Prothese. Ist eine knöcherne Auflagefläche nicht gewährleistet, wurden Ermüdungsbrüche des Tibiaplateaus beschrieben (Bader et al. 2006). Es sollte nochmals betont werden, dass eine gute knöcherne Auflagefläche aller Komponenten die Voraussetzung für eine stabile und langfristige Verankerung ist. Vor allem zementfrei eingebrachte Implantate müssen press-fit eingebracht werden, um eine ausreichende Osteointegration zu ermöglichen. Prothesen-Knochen-Distanzen von 0,5â•›m m und mehr führen zu einer abnehmenden Integration und damit zu einer abnehmenden Prothesenfestigkeit (Dalton et al. 1995). Vor allem mangelnde Primärstabilität in der Einwachsphase hat einen hohen negativen Prädiktionswert für ein frühzeitiges Versagen (Ryd et al. 1995), ohne dass hier Abriebpartikel ihre zerstörerische Wirkung entfalten konnten (s.â•›unten). Diskutiert werden in diesem Zusammenhang erhöhte Flüssigkeitsdrücke der Gelenkflüssigkeiten, die über verformbare Bindegewebsmembranen auf den Knochen übertragen und zur Instabilität führen können (Aspenberg u. van der Vis 1998). Vor allem
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unter dem belasteten Tibiaplateau wurden in finiten Elementanalysen deutlich erhöhte Druckspitzen nachgewiesen. Die mechanische Beanspruchung der Gelenkkomponenten hängt neben äußeren Faktoren und der Beinachse auch entscheidend von der ligamentären Führung ab. Durch ein unzureichendes „ligament balancing“ des Operateurs kommt es zu einer übermäßigen, einseitigen Beanspruchung der Komponenten, was sekundär zum Versagen führen kann. Zudem hat der Patient auch schon direkt postoperativ Schmerzen. Nach 10â•›Jahren erfolgen ca. 29â•›% aller Revisionen aufgrund einer ligamentären Instabilität (Bader et al. 2006; Mulhall et al. 2006). Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Polyethylenabrieb auch eine Bandinstabilität hervorruft, die dann aber Ausdruck des Verschleißes und nicht Ausdruck eines Operationsfehlers ist. Durch die Entwicklung von Navigationssystemen für die moderne Knieendoprothetik sollen die o.â•›g. wichtigen Parameter verbessert werden. In einer Metaanalyse der aktuellen Literatur von Bäthis et al. (2006) konnte hier ein eindeutiger Vorteil bei der Anwendung eines Navigationssystems gesehen werden. Neuere Navigationssoftware lässt sogar eine objektive Beurteilung des Weichteilmanagements unter Verwendung von verschiedenen Spreizern zu. Eine eindeutige Studienlage für das navigierte Weichteilmanagement liegt zum aktuellen Zeitpunkt nicht vor. Moderne Techniken erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Vor allem das Schlagwort „minimal-invasiv“ hat in den letzten Jahren Eingang in die Knieprothetik gefunden. Der Vorteil soll insgesamt in einem weniger belastenden Eingriff mit geringeren Schmerzen, besserer Beweglichkeit und kürzerer stationärer Verweildauer und Rehabilitation liegen (Pietsch et al. 2007). Es bestehen jedoch kontroverse Standpunkte zwischen den Standardzugängen und der minimal-invasiven Technik. Aufgrund des kleineren Zugangsweges ist die Übersicht deutlich eingeschränkt. Fehlpositionierung der Femur- und Tibiakomponente, Fehldimensionierung der Komponenten, erschwerte Schnitttechnik mit einer hohen Anforderung an neu entwickeltes Instrumentarium und daraus resultierende Achsfehlstellungen stellen einige noch ungelöste Probleme der neuen Technik dar. Vor allem die korrekte Einstellung der Bandspannung gestaltet sich schwierig. Die meisten Spreizerinstrumentarien sind für die MIS-Zugänge
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zu groß. Darüber hinaus sind die lateralen Anteile aufgrund der meist medial liegenden Zugänge schwer zu erreichen. Des Weiteren stellen Patellaprobleme, die häufig nur mit einer Eversion der Patella behandelt werden können, eine schwer lösbare Aufgabe dar (Lüring et al. 2007). Einigkeit in der Literatur besteht darin, dass eine flache Lernkurve bei den MIS-Techniken vorliegt. Insgesamt existieren noch keine langfristigen Studien, die einen eindeutigen Vorteil gegenüber der sehr bewährten Standardtechnik ergeben. Wie eben erwähnt, ist der vordere Knieschmerz eine häufige Ursache von aseptischen Revisionsoperationen. Diese Problematik hält weiter die Diskussion über einen Retropatellarersatz oder ein Remodelling der gelenkseitigen Patella in Gange. In der aktuellen Studienlage konnte kein Vorteil des Rückflächenersatzes im Vergleich mit einem Patellaremodelling gefunden werden, so dass die Entscheidung schwierig ist. Einigkeit besteht darin, dass der Rückflächenersatz, wenn er denn vorgenommen wird, zementiert werden muss. Zementfreie Metal-backed-Patellaimplantate zeigten z.â•›T. Revisionsraten von über 30â•›% (Rader et al. 1996). Bei Verwendung eines Retropatellarersatzes muss eine ausreichender Patelladicke (>13â•›m m) verbleiben, da sonst eine Lockerung, Nekrose, Fraktur drohen können (Hassenpflug 1996).
14.2 Partikelkrankheit Definiert man den Begriff Partikelkrankheit, so ist damit eine Erkrankung gemeint, die durch Abriebpartikel eines künstlichen Gelenks oder verschiedener Materialpartner verursacht wird. Die Reaktion oder die „biologische Wirkung“ von Abriebpartikel im Menschen führt, zumeist periprothetisch, zu einer Art chronischen Entzündungsreaktion, in deren Folge Granulationsgewebe, Bindegewebe usw. den Knochen verdrängen. Diese Reaktion des menschlichen Körpers führt dann zu den sog. periprothetischen, abriebbedingten Osteolysen. Osteolysen aufgrund von Tumorkrankheiten, von Allergien, bakteriell-bedingter Ursachen usw. sollten hiervon abgegrenzt werden. Durch die alternde Gesellschaft, durch den Erfolg der Endoprothetik und durch die damit verbundene hohe Stückzahl an Endoprothesenimplantationen gewinnt die Partikelkrankheit weltweit an Bedeutung.
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Abb.╛╛14.1.╇╛a Röngtenbilder in 2 Ebenen einer 72-jährigen Frau 8â•›Jahre nach der 2â•›K nierevisionsendoprothese. Aufgrund von aseptischen Osteolysen des medialen Femurkondylus war es zu Lockerung und Fraktur gekommen. Klinisch imponierten eine Varusfehlstellung und eine mediale Instabilität zusammen mit belastungsabhängigen Schmerzen. Die Tibiakomponente war fest und wurde nicht ausgetauscht. b Röntgenbilder der 76-jährigen Patientin 1â•›Jahr nach Prothesenwechsel auf eine zementfreie (Stiel-) Custom-made-Femurkomponente der Fa. Link. Gelenknah ist zementiert worden. c Diaphysär wurde die speziell angefertigte Stielkomponente passgenau implantiert. Klinisch ist die Patientin schmerzfrei und kann ohne Stöcke gut ihren Alltag bewältigen
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B. Baumann et al.
14 „The Conquest of a Worldwide Human Disease“ lau-
tete die wegweisende Schlussfolgerung, die William Harris (1995) im Jahr 2005 zog und damit das Hauptproblem der Endoprothetik auf den Punkt brachte. Periprothetische Osteolysen stellen den wichtigsten Faktor dar, der die Langzeitergebnisse der Endoprothetik limitiert. Obwohl periprothetische Osteolysen nicht
mit einer Prothesenlockerung gleichzusetzen sind, da die Implantate, insbesondere in der Anfangsphase, noch stabil sein können, so sind sie häufig das erste indirekte radiologische Zeichen, dass der pathologische Prozess der Partikelkrankheit längst in Gang gekommen ist. Typische Fälle einer progredienten periprothetischen Osteolyse sind in Abb.â•›14.1 und 14.2 darge-
Abb.╛╛14.2.╇╛a╛╛Röngtenbilder in 2 Ebenen eines 79-jährigen Mannes 9â•›Jahre nach Knieendoprothese. Man erkennt die aseptischen Osteolysen des Tibiaplateaus und der Oberschenkelkomponente. Die Tibiakomponente war erheblich varisch fehlimplantiert. Klinisch zeigte der Patient belastungsabhängige Schmerzen und rezidivierende Kniegelenksergüsse. b Röntgenbilder des 79-jährigen Patienten 2â•›Jahre nach Prothesenwechsel auf eine teilgeführte TS-Revisionsendoprothese der Fa. Stryker. Klinisch ist der Patient schmerzfrei und kann ohne Stöcke gut gehen
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stellt. Angesichts der Tatsache, dass weltweit jährlich über 1,5â•›Mio Gelenkersatzoperationen durchgeführt werden und in 3–10â•›% der Fälle in einem Zeitraum von 10â•›Jahren Prothesenlockerungen auftreten, die Wechseloperationen notwendig machen, kann die enorme medizinische und volkswirtschaftliche Bedeutung der Partikelkrankheit und deren Folgen abgeschätzt werden (Spangehl et al. 1999). Dieser Abschnitt befasst sich mit der Genese der Partikelerkrankung und mit den molekularen Mechanismen der partikelinduzierten periprothetischen Osteolyse.
14.2.1 Aseptische Osteolysen Aus dem Schwedenregister (Herberts u. Malchau 2000; Spangehl et al. 1999) ist zu entnehmen, dass aseptische periprothetische Osteolysen oder Lockerungen 44â•›% der Knierevisionen in Schweden verantwortlich gemacht werden. Wahrscheinlich sind die Zahlen zu hoch gegriffen, da viele Low-gradeInfektionen unerkannt bleiben, trotzdem stellen die aseptischen Ursachen sicherlich den größten Anteil dar. Mehrere Theorien sind für die Ätiologie der aseptischen Osteolyse vorgeschlagen worden. Zunächst wurden Zementfrakturen, -zerrüttung und -partikel für die Osteolysen bzw. Lockerung verantwortlich gemacht, so dass der Begriff „cement disease“ geprägt wurde (Harris et al. 1976; Yang et al. 2002). Als Konsequenz wurden in den 80er Jahren zementfreie Implantate in die klinische Anwendung eingeführt (s. Abb.â•›14.2). Die Frühergebnisse offenbarten allerdings, dass damit das Problem der periprothetischen Osteolyse nicht behoben war. In der Folge wurde die Ursache zunächst den Metallpartikeln (August et al. 1986), später den Polyethylenpartikeln (Howie et al. 1988) zugeschrieben. Da auch diese Theorien das Problem nicht vollständig erklären konnten, wurden biomechanische Modelle erarbeitet. Hier sind zu nennen: „high fluid pressure“ (Aspenberg et al. 1998), „stress shielding“ (Engh u. Bobyn 1988), „micromotion“ (Spangehl et al. 1999), „sealed interface“ (Spangehl et al. 1999). Unabhängig davon spielen die klassischen biomechanischen Faktoren wie Primärstabilität, chirurgische Qualität (z.â•›B. Release der Knieseitenbänder) und Implantatdesign eine überragende Rolle, so dass diese bei der Ursachenforschung der periprothetischen Oste-
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olyse immer zu berücksichtigen sind. Es liegt auf der Hand, dass in manchen Fällen biomechanische Ursachen hauptverantwortlich für periprothetische Osteolysen sind. In der Praxis gelingt die Identifikation der genannten biomechanischen Lockerungsursachen durch Analyse des klinischen und radiologischen Verlaufs unter Berücksichtigung des verwendeten Implantats und nach Ausschluss einer Infektion relativ zuverlässig. Es ist somit festzustellen, dass die Gruppe der aseptischen Prothesenlockerung heterogen ist und einer weiteren Differenzierung bedarf. Dies lässt sich auch aus der kürzlich veröffentlichten histologischen Konsensusklassifikation für periprothetische Membranen (Morawietz et al. 2004) erschließen: ●⊑ Typ I: periprothetische Membran vom abriebinduzierten Typ 55â•›%, ●⊑ Typ II: periprothetische Membran vom infektiösen Typ 20â•›%, ●⊑ Typ III: periprothetische Membran vom Mischtyp 5â•›%, ●⊑ Typ IV: periprothetische Membran vom Indifferenztyp 15â•›%, ●⊑ nicht beurteilbar 5â•›%. Die Klassifikation teilt die aseptischen Lockerungen in 3 Typen ein (Typ I, Teile von Typ III und Typ IV). Problematisch ist, dass diesen Typen der aseptischen Prothesenlockerung keine einheitliche Entität zugrunde liegt und keine differentialtherapeutischen Schlüsse gezogen werden können. Nur durch eine Zusammenschau mit dem klinischen und radiologischen Verlauf ist es möglich, eine Einordnung vorzunehmen.
14.2.2 Abriebbedingte Osteolysen Den größten Anteil an der Gruppe „Aseptische Osteolyse“ wird von Morawietz et al. (2004) dem abriebinduzierten Typ mit einem Anteil von 55â•›% zugeteilt. Die meisten der Kniegelenkendoprothesen werden aus einem oder zwei verschiedenen metallischen Werkstoffen und einem Ultra-high-molecular-weightPolyethylen gefertigt. Die Femurkomponente sowie ihr Gegenstück, das PE-Inlay, unterliegen hohen mechanischen und tribologischen Anforderungen. Anders als bei den Gleitpaaren der Hüfte ist die Knieendoprothese einer kombinierten Gleit–Wälz-
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Beanspruchung ausgesetzt, so dass der Verschleiß des Polyethylens mit einer Lockerung einhergehen kann. Hohe Bedeutung hinsichtlich dieses Verschleißes kommt der Oberflächenbeschaffenheit der femuralen Komponente und dem PE-Inlay zu. Die ISO-Norm 7207-02 (1998) schreibt den Rauheitskennwert Ra vor (Femur <0,1â•›µm, PE 2â•›µm). Trotzdem unterliegen die Gleitpaarungen einem Verschleißmechanismus. Neben abrasivem Materialabtrag und sog. „pitting“ zählt auch ein Risswachstum unter der Gleitfläche, das zu großen schollenförmigen Materialausbrüchen, sog. Delaminationen führen kann. Auch die unvermeidliche Oxidation des PE im Laufe der Zeit führt zu einer Abnahme der tribologischen Eigenschaften mit einer Verminderung der Abriebbeständigkeit und einer Versprödung des Werkstoffes (Steinhauser et al. 2006). Durch diese Vorgänge kommt es zur Anhäufung von Abriebpartikeln. Aufgrund unterschiedlicher Abriebmechanismen finden sich im Unterschied zu den Abriebpartikeln an der Hüfte im Knie größere und Flake-förmige Partikel (Schmalzried u. Callaghan 1999). Um den Abrieb zu vermindern, wurden bewegliche Inlays entwickelt. Durch eine größere Auflagefläche kommt es zu einer geringeren Punkt- oder Linearbelastung, was in einem geringeren Abrieb resultieren kann (Yang et al. 2002). Die Theorie der partikelinduzierten Osteolyse geht davon aus, dass Makrophagen durch die Phagozytose von Abriebpartikeln aktiviert werden und Mediatoren freisetzen, die über einen kaskadenartigen Prozess zu einer periprothetischen Inflammation und Knochenresorption führen. Das Modell hat im Laufe der Zeit einige Modifikationen, Konkretisierungen und Ergänzungen erhalten. So wurde in den ersten Arbeiten den aktivierten Makrophagen die Fähigkeit zugeschrieben, durch direkte Knochenresorption die periprothetische Osteolyse zu verursachen (Doorn et al. 1996; Glant u. Jacobs 1994; Spangehl et al. 1999; Yang et al. 2002). Obwohl diese Fähigkeit von Makrophagen in geringem Ausmaß bewiesen zu sein scheint (Spangehl et al. 1999; Ziebuhr et al. 2001), gehen alle heutigen Modelle nicht davon aus. Die wesentliche Knochenresorption wird durch Osteoklasten hervorgerufen (Boyle et al. 2003). Eine periprothetische Osteolyse ist letztlich Folge einer lokalen, negativen Knochenbilanz. Diese Bilanz wird vom Knochenabbau, aber auch von der Knochenbildung mitbestimmt. So ist nach derzeitigem Verständnis diese negative Kno-
B. Baumann et al.
chenbilanz als Ergebnis einer komplexen Interaktion verschiedener Zelltypen anzusehen.
14.2.2.1 Partikelinduzierte Zellaktivierung Studien haben gezeigt, dass Abriebpartikel sowohl die Osteoklastogenese induzieren, als auch Osteoklasten (Yang et al. 2002) aktivieren und deren Apoptose inhibieren können (Greenfield et al. 1999, 2002). Dabei fungieren die aktivierten Makrophagen zum einen als Quelle für entsprechende Mediatoren und zum anderen als Vorläuferzellen zum Osteoklasten (Spangehl et al. 1999). Obwohl auch Osteoklasten (Ziebuhr et al. 1999) und Osteoblasten (Bi et al. 2001; Spangehl et al. 1999) in der Lage sind, Abriebpartikel zu phagozytieren und wahrscheinlich den Prozess der partikelinduzierten Osteolyse induzieren können, kommt den Makrophagen in dieser Hinsicht noch immer eine Schlüsselrolle zu, da sie zum einen hoch differenzierten Phagozytoseapparat besitzen und zum anderen regelhaft in Osteolysen und Pseudomembranen mit intrazellulären Partikeln nachgewiesen wurden (Yang et al. 2002). Sowohl in Tissue-retrieval- als auch in In-vitro-Studien wurden intrazellulär Partikel nachgewiesen, weshalb man lange Zeit davon ausging, dass die Phagozytose von Partikeln notwendig ist, um den Prozess der partikelinduzierten Osteolyse zu initiieren. Aufgrund der Beobachtung, dass es eine optimale Partikelgröße für die Phagozytose gibt (Green et al. 1998), leitete sich auch die Theorie ab, dass Partikel ab einer gewissen Größe keine biologische Aktivität hätten. Indes konnten Nakashima et al. (1999) zeigen, dass der Prozess der Phagozytose nicht notwendig ist, um Makrophagen zu aktivieren. Soloviev et al. (2005) konnten einen Mechanismus aufdecken, dass Titanpartikel ohne Phagozytose mit Zellmembran interagieren, dabei über eine Lipidperoxidation freie Sauerstoffradikale generieren und die neutrale Sphingomyelinase aktivieren. Dies induziert eine NFκB-Aktivierung (nuclear factor kappa B), die dann wiederum eine vermehrte Transkription proinflammatorischer und osteoklastoinduktiver Gene verursacht. Viele In-vitro-Studien konnten zeigen, dass verschiedene Abriebpartikel in der Lage sind, in einem geeigneten Zellmodell verschiedene Mediatoren sowohl auf RNA- als auch auf Proteinebene zu
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induzieren. Es wurden eine Vielzahl von Mediatoren beschrieben: TNFα (Tumor-Nekrose-Faktor alpha), PGE2 (Prostaglandin E2), IL-1 (Interleukin 1), IL-6 (Interleukin 6), IL-8 (Interleukin 8), PDGF („platelet-derived growth factor“), MMP-2 (Matrixmetalloproteinase 2), MMP-7 (Matrixmetalloproteinase 7), MMP-9 (Matrixmetalloproteinase 9), TGFβ („tumor growth factor beta“), lysosomale Enzyme, IFN-γ (Interferon gamma) (Goodman et al. 1996, 1998; Haynes et al. 1993, 1997; Spangehl et al. 1999). Die Zytokinantwort hängt dabei von Material (Haynes et al. 1998; Spangehl et al. 1999; Ziebuhr et al. 2001), Größe (Green et al. 1998; Ziebuhr et al. 2001), Konzentration (Baumann et al. 2005) und Form (Yang et al. 2002) der Partikel ab. Da Partikel aus unterschiedlichen Materialien mit identischer Charakteristik gemäß oben genannten Kriterien nicht verfügbar sind, ist auch eine vergleichende Aussage bezüglich der biologischen Aktivität von Partikeln aus unterschiedlichen Biomaterialen nicht gesichert möglich. Wenn ein solcher Vergleich doch gemacht wird, so scheint die „surface area“ (Gelb et al. 1994; Hohr et al. 2002; Ziebuhr et al. 2001) der Partikel die geeignetste Bezugsgröße zu sein, wobei die meisten Studien zu dem Ergebnis kommen, dass Legierungen mit Cobalt und Chrom den stärksten biologischen Effekt, Titanlegierungen einen mäßigen und PE- sowie Keramikpartikel den geringsten biologischen Effekt haben. Hinzu kommt ein synergistischer Effekt, wenn Abriebpartikel unterschiedlicher Materialien wie etwa PE und Titanpartikel zusammenwirken (Baumann et al. 2006). Einschränkend wurde allerdings immer wieder angemerkt, dass die „Muster“ von Mediatoren, auch wenn es sich meist um „osteoresorptive“ Zytokine handelt, nicht zwangsläufig eine vermehrte Knochenresorption und Osteoklastogenese beweisen. Daher haben einige Autoren schon frühzeitig versucht, mit radioaktiv markierten Mäusekalvarien (45Ca) oder „bone resorption pit assays“ (Glant u. Jacobs 1994; Glant et al. 1993; Spangehl et al. 1999) ein direktes Maß der Knochenresorption nach Partikelexposition zu erhalten. Verschiedene Autoren konnten in Tierversuchen zeigen, dass verschiedene Partikel [Polymethylmetacrylat (PMMA), Titan-AluminiumVanadium (TiAlVa), Cobalt-Chrom-Molybdän (CoCrMo), „stainless steel“ (SS), Polyethylen (PE)] in der Lage sind, Osteolysen zu induzieren (Aspenberg et al. 1996; Goodman et al. 1993). Die Arbeitsgruppe von
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Sabokbar et al. (1997, 2003a, b, 2005) konnte in verschiedenen Studien zeigen, dass Zellen, die aus einer Pseudomembran einer aseptischen Lockerung isoliert wurden, sich unter geeigneten Bedingungen zu Osteoklasten differenzieren.
14.2.2.2 RANKL-vermittelte Knochenresorption Entscheidend bei der periprothetischen Osteolyse ist somit eine inadäquat hohe, lokale Knochenresorption aufgrund gesteigerter Osteoklastenaktivität und Osteoklastogenese, die in der Bilanz die Knochenneubildung übertrifft. In diesem Zusammenhang stellen RANKL („receptor activator of nuclear factor-κB ligand“) und OPG (Osteoprotegerin) als Agonist und Antagonist eines parakrinen Zytokinsystems essentielle Faktoren bei der Regulation der Differenzierung, Fusion, Aktivierung und Apoptose von Osteoklasten dar (Hof bauer 2006). RANKL stimuliert die Anzahl und Aktivität funktionsfähiger Osteoklasten durch Aktivierung des osteoklastären Rezeptors RANK („receptor activator of nuclear factor-κB“) und steigert damit die Knochenresorption, während OPG durch Neutralisierung von OPGL entgegengesetzte Effekte besitzt. RANKL und OPG werden von Osteoblasten und Knochenmarkstromazellen produziert, während RANK von der monozytärosteoklastären Zellreihe exprimiert wird. Mehrere Studien konnten im Gewebe aus periprothetischen Osteolysen eine erhöhte RANKL-Expression nachweisen (Crotti et al. 2004; Gehrke et al. 2003; Haynes et al. 2001; Horiki et al. 2004). Wesentlich ist letztlich ein lokales Überwiegen („overbalance“) von RANKL gegenüber OPG (RANKL/OPGRatio), so dass in der Summe das osteoklastogene das osteoblastogene System funktionell übertrifft. Eine Blockade von RANKL durch ein RANK:FcFusionsprotein konnte in einem Mausmodell die partikelinduzierte Osteolyse nicht nur verhindern, sondern eine bereits eingetretene partikelinduzierte Osteolyse signifikant bessern (Childs et al. 2001a, b). Die Blockade von RANKL kann mit demselben Ergebnis auch durch OPG-Überexpression erreicht werden, was sowohl durch Ex-vivo- (Goater et al. 2002) als auch durch In-vivo-Gentransfer gezeigt (Ziebuhr et al. 2001) werden konnte. Hinzu kommt,
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dass Abriebpartikel eine direkte Hochregulation von RANK in Makrophagen induzieren (Baumann et al. 2004). Metallische und PE-Partikel induzieren sowohl in Osteoblasten (Spangehl et al. 1999) als auch Fibroblasten (Ziebuhr et al. 2001) eine signifikante RANKL-Expression, was die Schnittstelle der mesenchymalen mit der monozytären Zellreihe repräsentiert. Sowohl Fibroblasten als auch Osteoblasten, die aus periprothetischen Osteolysen isoliert wurden, sind als Co-Kulterzellen geeignet, die Differenzierung von Monozyten zu Osteoklasten zu induzieren und begleiten.
14.2.2.3 TNFα-vermittelte Knochenresorption Obwohl man RANKL lange Zeit für die Ostoeklastogenese für essentiell hielt, so spricht heute vieles dafür, dass TNFα eine nicht minder wichtige Rolle bei der periprothetischen Osteolyse spielt (Spangehl et al. 1999). Merkel et al. (1999) konnten in einem Knockout-Mausmodell TNFα als essentiellen Schlüsselmediator identifizieren. Dies wurde durch ein Tiermodell von Childs et al. (2001a, b) bestätigt, die zeigen konnten, dass der TNFα-Inhibitor, Etenercept, in der Lage ist, partikelinduzierte Osteolysen signifikant zu reduzieren. Einschränkend muss gesagt werden, dass die Tiermodelle nicht zwingend auf den Menschen übertragbar sind. Des Weiteren fokussierten einige Studien auf die intrazellulären Signaltransduktionsmechanismen im Zusammenhang mit Abriebpartikeln. Zentrale Bedeutung konnte hier für den NF-κB-Signalweg gezeigt werden, der bei der Signaltransduktion sowohl nach Stimulation durch TNFα als auch RANKL involviert ist. Es konnte für PE- und TiAlV-Partikel gezeigt werden, dass sie eine signifikante Transaktivierung des TNFα-Promoters über den „NF-κB pathway“ induzieren und eine TNFα-Antwort auslösen (Baumann et al. 2005; Nakashima et al. 1999). Eine Blockade des NF-κB-Transduktionsweges führte in vitro zu einer signifikanten Abnahme der Osteoklastogenese nach Exposition gegenüber Abriebpartikeln (Clohisy et al. 2004). Obwohl für TNFα gezeigt wurde, ohne RANKL eine Osteoklastogenese mit Steigerung der Knochenresorption zu induzieren (Azuma et al. 2000), so ist in vivo ein Synergismus von TNFα und
B. Baumann et al.
RANKL umso mehr anzunehmen, als gezeigt werden konnte, dass TNFα in Osteoblasten die Expression von RANKL induziert (Hofbauer et al. 1999). Die Arbeitsgruppe von Sabokbar konnte schließlich zeigen, dass sowohl die Blockade des RANKLSignaltransduktionsweges als auch die Blockade von TNFα zu einer Verringerung der Knochenresorption von etwa 80â•›% in vitro führt. Dies zeigt, dass beide Signaltransduktionswege ähnlich wichtig sind und im Falle einer therapeutischen Intervention angegangen werden müssen.
14.2.3 Schlussbetrachtung Durch die Funktionsverbesserung und Schmerzbefreiung gehört der künstliche Gelenkersatz zu den erfolgreichsten Operationen überhaupt. Die Partikelkrankheit ist für die begrenzten Langzeitresultate verantwortlich. Abriebpartikel und deren biologische Wirkungen spielen anteilsmäßig die größte Rolle bei der periprothetischen Osteolyse, so dass das Ziel der Abriebminimierung von herausragender Bedeutung ist. Die Optimierung der tribologischen Eigenschaften von Gleitflächen bleibt weiterhin ein wichtiges Forschungsfeld. Allerdings hat die Beleuchtung der Versagensfälle in der Endoprothetik viel Verständnis für die Reaktion des Körpers auf den künstlichen Ersatz geliefert. Einige klinische Verläufe sind monokausal nicht plausibel zu erklären, insbesondere wenn diese Verläufe auf die Wirkung auf Abrieb reduziert werden. Neue ätiologische Entitäten wie „Biomaterial-adhärentes Endotoxin“ oder „Hypersensitiviät“ gelten heute als bewiesen. Ob sie klinisch eine wirkliche relevante Rolle spielen, ist jedoch unklar. In Anbetracht der Tatsache, dass in früheren Jahren immer ein bestimmtes Modell für die Entwicklung einer periprothetischen Osteolyse favorisiert wurde, ist es heute offensichtlich, dass es sich um einen multifaktoriellen Prozess handelt. Die klassischen Faktoren wie Primärstabilität, chirurgische Qualität, Operationstechnik und Prothesendesign sind für die Langzeitergebnisse sehr wichtig. Die Bedeutung der bakteriellen Infektion wird tendenziell unterschätzt, während die der partikelinduzierten Osteolyse überschätzt wird.
14â•… Aseptische Knieprothesenlockerung
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Septische Knieendoprothesenlockerung S. Gravius, G. Pagenstert und D. C. Wirtz
15.1 Einleitung Periprothetische Infektionen nach Prothesenimplantationen stellen schwerwiegende Komplikationen nach künstlichem Gelenkersatz dar und sind mit einer bedeutenden Sterblichkeit der Patienten und enormen volkswirtschaftlichen Kosten vergesellschaftet. Mikrobiologisch ist die periprothetische Infektion durch folgende Trias gekennzeichnet (Geipel u. Herrmann 2004): ●⊑ Ein niedriges bakterielles Inokulum ist zur Verursachung einer periprothetischen Infektion ausreichend. ●⊑ Charakteristisch ist ein atypisches Erregerspektrum, das im Wesentlichen aus niedrig virulenten Keimen der normalen Hautflora besteht. ●⊑ In der Mehrheit der Fälle kann die Infektion ohne vollständige Entfernung des Fremdmaterials nicht geheilt werden. Die periprothetische Infektion stellt eine komplexe Situation dar, in deren Bewertung orthopädische Aspekte, Grunderkrankungen und Risikofaktoren von Seiten des Patienten, die Erregercharakteristik und die Antibiotikaresistenz mit einfließen müssen. Hieraus wird die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit der chirurgischen Fachdisziplinen und dem klinischen Infektiologen ersichtlich, um von der primär mikrobiologischen Diagnostik über eine chirurgische und antibiotische Therapie eine individuell angepasste Revisionsstrategie zu entwickeln. Der vorliegende Beitrag versucht, ein für den betroffenen Patienten individualisiertes, auf der Grund-
lage etablierter Erkenntnisse und Leitlinien beruhendes Gesamtkonzept zur Behandlung periprothetischer Infektionen darzustellen.
15.2 Epidemiologie Trotz neuer moderner Operationsverfahren, strenger Hygiene und perioperativer Antibiotikaprophylaxe wird die Häufigkeit einer periprothetischen Gelenkinfektion mit 0,4–2â•›% bei der Primärimplantation (zitiert in Gollwitzer et al. 2006) angegeben. Diese Infektrate steigt bei Wechseloperationen sowie in Risikokollektiven sogar auf bis zu 5–15â•›% an (Buechel et al. 2004). Unabhängig vom operationsbedingten Infektionsrisiko ist jeder Prothesenträger während der Prothesenstandzeit einem konstanten Risiko einer hämatogenen Protheseninfektion ausgesetzt. Steckelberg u. Osmon (2000) wiesen bei Knie- und Hüftendoprothesenimplantationen eine Inzidenz einer Protheseninfektion in den ersten 2â•›Jahren von 5,9/1.000 Prothesenjahren, danach bis zum 10. Jahr von 2,3/1.000 Prothesenjahren nach. Bei einer Anzahl von etwa 180.000 Hüft- und 125.000 Knieprothesen jährlich in Deutschland muss daher bei einer durchschnittlichen Infektionsrate von 1,5â•›% mit 4.500 Protheseninfektionen pro Jahr gerechnet werden. Unter Berücksichtigung der erhöhten Infektrate bei Wechseloperationen und weltweit prognostizierter Steigerungsraten von 22â•›% für die primäre Endoprothetik und sogar von 102â•›% in der Revisionsendoprothetik bis zum Jahr 2010 (Dixon et al. 2004) wird sich diese Zahl sicher noch wesentlich erhöhen.
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_15, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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15.3 Pathogenese Grundlage der periprothetischen Infektion ist die komplexe Wechselwirkung zwischen Wirtsorganismus/faktoren, dem eingebrachten Fremdmaterial und dem bakteriellen Infektionserreger (Costerton et al. 1999). Grundlegende Arbeiten zum theoretischen Verständnis der bakteriellen Besiedlung von Implantatoberflächen basieren auf Erkenntnissen von Costerton et al., die bereits 1978 auf die Besonderheit des bakteriell produzierten Biofilms bei implantatassoziierten Infektionen hinwiesen. Gemeinsames Charakteristikum der Erreger ist die Eigenschaft der Adhärenz an die verwendeten Implantatmaterialien oder auch an das umgebende Wirtsgewebe. Sofern diese Kolonisation noch vor Kontakt mit Blut und Plasmakomponenten des Wirtes erfolgt, sind hier insbesondere physikalische und chemische Mechanismen für die Interaktion der Bakterienzellund der Implantatoberfläche verantwortlich (Bryers u. Ratner 2004). Unmittelbar nach Kontakt mit Blut und Plasmakomponenten kommt es durch die Adsorption von Wirtsmolekülen zu einer erheblichen Änderung der Oberflächencharakteristik des Materials im Sinne einer proadhäsiven Oberfläche mit der Präsentation von Adhäsionsmolekülen. Bakterielle Erreger können nun über spezifische Rezeptoren (↜Adhäsine) an die nun vorhandene Proteinmatrix adhärieren. Vorwiegend zellwandassoziierte Proteine, wie Kapselpolysaccharide oder Teichonsäuren, sind als Adhäsionsfaktoren identifiziert worden. Die sich an die Kolonisation anschließende Akkumulation der Mikroorganismen auf der Implantatoberfläche führt zur Proliferation und Ausbildung eines mehrschichtigen bakteriellen Zelllayers, dem sog. „Biofilm“. Die Geschwindigkeit der Oberflächenbesiedlung mit Ausbildung des Biofilms ist für das Überleben der Bakterien und die Entstehung der periprothetischen Infektion entscheidend. Gristina (1987) prägte hierfür den Ausdruck „race for the surface“. Da das eingebrachte Implantatmaterial selbst eine Störung der lokalen Leukozytenfunktion hervorruft, ist die weitere Ausbreitung des Erregers auf das Fremdmaterial möglich (Zimmerli et al. 1984). Diese Tatsache ist auch die Erklärungsgrundlage dafür, dass schon eine geringe Anzahl bakterieller Erreger ausreicht, die Infektion
S. Gravius et al.
auszulösen und zu unterhalten (Geipel u. Herrmann 2004). Bei Staphylococcus aureus ist durch die Anwesenheit eines Fremdkörpers eine Senkung der Inokulationsdosis um das über 100.000-fache beschrieben (Zimmerli et al. 2004). Trotz perioperativer Antibiotikaprophylaxe kann ein vorhandener Fremdkörper infiziert werden, da weniger als 100 koloniebildende Bakterien bereits einen periprothetischen Infekt verursachen können (Zimmerli et al. 1984). In Anwesenheit der Fremdkörperoberfläche wechseln die Bakterien von der planktonischen („freilebenden“) in eine sessile („stationäre“) Form über (Frommelt 2004). Dies ist insbesondere von Interesse, da sich sessile Bakterienpopulationen durch eine deutlich verlängerte Generationszeit, zum Teil über 20â•›h im Gegensatz zu 35â•›min bei Staphylokokken, auszeichnen (Procter et al. 1998). Diese verlängerten Generationszeiten wirken sich sowohl auf die Wirksamkeit der Antibiotika wie auch auf die Zeit zwischen Inokulation und Manifestation der periprothetischen Infektion aus. Die Fähigkeit der Biofilmbildung sessiler Bakterien schränkt die Wirksamkeit einer antibiotischen Therapie weiter ein. Einerseits können vereinzelte Bakterienarten, wie Pseudomonas aeruginosa, eine Diffusionsbarriere darstellen, andererseits wird die lokale Wirtsabwehr durch direkte antiphagozytäre Effekte beeinträchtigt. Selbst bakterizide Antibiotika sind in Bezug auf die Erregerelimination auf die zelluläre Abwehr angewiesen, um die Bakterien abzutöten. Durch die frustane Phagozytose kommt es zur Ausschüttung zytotoxischer und protolytischer Enzyme durch die Abwehrzellen. Die Persistenz des Biofilms führt zur Rekrutierung und Aktivierung weiterer Abwehrzellen und somit zu einer chronischen Entzündungsreaktion. Die Initiierung der osteolytischen Kaskade beginnt mit der Aktivierung osteoklastärer Zellen durch das proinflammatorische und zytokinreiche Mikromilieu. Des Weiteren wird die Biofilmbildung offensichtlich durch komplexe bakterielle Regulationsvorgänge gesteuert. Die Auswirkungen dieser Adaptionsvorgänge können sich durch den Austausch resistenter Gene unter den Bakterien („quorum sensing“) oder in der Ausbildung atypischer Varianten („small colony variants“, SCV) manifestieren. SCV sind Subpopulationen von Staphylococcus areus und Staphylococcus epidermidis, die durch reduzierte Zellteilungsraten und Stoffwechselleistungen gekennzeichnet sind (Procter et al. 1998). Der SCV-Phänotyp ist mit Bio-
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
filmbildung assoziiert und atypische SCV-Varianten sind in einer Reihe weiterer Bakterienspezies, darunter auch Pseudomonas aeruginosa und Escherichia coli, nachgewiesen worden. Mikrofilmbildende Mikroorganismen zeichnen sich durch ein langsameres Wachstum als der Wildtyp aus und sind signifikant mit der Ausbildung periprothetischer Infektionen sowie einer erhöhten Antibiotikaresistenz vergesellschaftet (Peters et al. 1995).
229 Tabelle 15.2.↜渀ȕRisikofaktoren für die Entwicklung einer periprothetischen Gelenkinfektion Gesicherte Risikofaktoren
Wahrscheinliche sowie ungesicherte Risikofaktoren
15.4 Keimspektrum Tabelleâ•›15.1 zeigt den Anteil unterschiedlicher Infektionserreger bei Gelenkprotheseninfektionen (Geipel u. Herrmann 2004).
den, die in einer reduzierten lokalen Abwehr bzw. einem erhöhten Expositionsrisiko gegenüber Mikroorganismen resultieren können. Eine Übersicht über die beschriebenen Risikofaktoren gibt Tab.â•›15.2.
15.5 Risikofaktoren Risikofaktoren für die Entwicklung einer periprothetischen Gelenkinfektion wurden in einer umfangreichen Fallkontrollstudie bestimmt (Berbari et al. 1998). „Gesicherte“ Risikofaktoren beinhalten im Wesentlichen lokale Bedingungen. Darüber hinaus sind weitere systemische Risikofaktoren beschrieben worTabelle 15.1.╇ Anteil verschiedener Erreger bei Gelenkprotheseninfektionen Pathogen Staphylokokken, davon – Koagulasenegative Staphylokokken – Staphylococcus aureus Gramnegative, aerobe Stäbchenbakterien: Enterobacteriaceae: E. coli; Proteus spp.; Morganella morganii; Serratia marcescens, Citrobacter freundii, Salmonella enterica; Pseudomonas spp. Stenotrophomonas maltophilia; Alcaligenes spp. Streptokokken: Streptococcus agalactiae, sog. „ViridansStreptokokken“ Polymikrobiell Anaerobier: Propionibacterium spp. Peptostreptokokken, Bacteroides spp.; Prevotella spp. Andere Erreger Ohne Erregernachweis
•â•‡Vorausgegangener Gelenkersatz •â•‡Erhöhter NNIS (Nosocomial Infections Surveillance System Score 1992) •â•‡ Postoperative Wundinfektion •â•‡ Maligne Grunderkrankung •â•‡ Rheumatoide Arthritis •â•‡ Kortikosteroidtherapie •â•‡ Diabetes mellitus •â•‡ Adipositas •â•‡ Hohes Lebensalter •â•‡Implantation bei Knochentumor •â•‡ Erworbene Immunsuppression •â•‡ Hämodialyse •â•‡Vorausgegangene septische Arthritis
Häufigkeit [%] 50–60 25–30 25 20
10–15 10–15 7–10 2 10
15.6 Klassifikation Die Einteilung der Protheseninfektion berücksichtigt den Infektionsweg und den Zeitpunkt der Manifestation nach Prothesenimplantation.
15.6.1 Infektionsweg Exogene Infektionen werden durch Erreger verursacht, die peri- und/oder postoperativ aufgrund einer Wundheilungsstörung oder eines infizierten Hämatoms in das Operationsgebiet eingeschleppt werden. Eine exogene Infektion kann sich bereits nach Tagen oder bei sog. „Low-grade-Infektionen“ erst nach Monaten oder bis zu 2â•›Jahren manifestieren. Hämatogene Infektionen werden durch einen Infektfokus gestreut, der sich primär in einem anderen Bereich des Körpers manifestiert und zu einer Besiedlung des Implantats durch Mikroorganismen auf dem hämotogenen und/oder lymphogenen Weg führt. Hämatogene Infektionen können jederzeit auf-
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treten, sie sind aber innerhalb der ersten 2â•›Jahre verglichen mit den exogenen Infektionen zahlenmäßig in der Minderheit. Neben einer akuten Sepsis stehen lokalisierte Streuherde als Ausgangspunkt einer hämatogenen Protheseninfektion im Vordergrund. In letztgenannten Fällen kann eine gewisse lokalisatorische Zuordnung zum nachgewiesenen Keimspektrum getroffen werden (Zimmerli 1984): ●⊑ Haut: Staphylococcus aureus; β-hämolysierende Streptokokken ●⊑ Urogenitalsystem: Escherichia coli ●⊑ Respirationstrakt: Pneumokokken ●⊑ Gastrointestinaltrakt: Salmonellen ●⊑ Mundhöhle: Anaerobier Per continuitatem bezeichnet das direkte Übergreifen eines der Prothese naheliegenden Infekts (Haut- oder Weichteilläsion, penetrierendes Trauma) auf die Prothese.
15.6.2 Infektionszeitpunkt Frühinfekt.╇ Infekte, die sich in den ersten drei postoperativen Monaten manifestieren, werden als Frühinfekte bezeichnet. In der Regel handelt es sich fast ausschließlich um peri- oder postoperative exogene Keimbesiedlungen im Rahmen eines infizierten Hämatoms oder einer Wundheilungsstörung. Hämatogene Frühinfektionen sind zwar selten, sie wurden aber z.â•›B. während akuter Harnwegsinfektionen beschrieben (Zimmerli 1984). Verzögerte Infektion.╇ Verzögert werden Infekte benannt, die sich in einer Zeit von 3â•›Monaten bis zu 2â•›Jahren postoperativ manifestieren. Schwelende, meist exogene „Low-grade-Infektionen“, die von niedrig virulenten Keimen verursacht werden, führen zur Prothesenlockerung und damit zu belastungsabhängigen Schmerzen. Das Auftreten einzelner akuter oder subakuter hämatogener Infekte ist auch zu diesem Zeitpunkt möglich. Spätinfekt.╇ Alle Infektionen, die später als 2â•›Jahre postoperativ auftreten, werden als Spätinfekte klassifiziert. Sie sind fast ausschließlich hämatogener Herkunft oder seltener per continuitatem entstanden. Ihr Auftreten kann akut aufgrund einer Sepsis oder primär chronisch erfolgen.
S. Gravius et al. Tabelle 15.3.↜渀 Die häufigsten Erreger bzw. Erregergruppen zur zeitlichen Manifestationen der Protheseninfektion. (Geipel u. Herrmann 2004) Erreger bzw. Erregergruppe Zeitliche Unterteilung Frühinfekt •â•‡ Staphylococcus aureus •â•‡Gramnegative, aerobe Stäbchenbakterien •â•‡ Koagulasenegative Staphylokokken Verzögerte Infektion •â•‡ Koagulase-negative Staphylokokken •â•‡ Staphylococcus aureus •â•‡Mikroorganismen der kommensalen Hautflora •â•‡Aerobe gramnegative Stäbchenbakterien Spätinfekt •â•‡ Koagulasenegative Staphylokokken •â•‡Mikroorganismen der kommensalen Hautflora •â•‡ Staphylococcus aureus •â•‡Aerobe, gramnegative Stäbchenbakterien •â•‡ Anaerobier
Merke Im Falle einer Staphylococcus-aureusSepsis wird die Gefahr einer Besiedlung eines einliegenden Implantates mit ca. 50â•›% für eine Knieendoprothese, mit ca. 25â•›% für eine Hüftendoprothese und für Osteosynthesematerialien mit 7â•›% angegeben (Murdoch et al. 2001). Entsprechend der häufigsten Erreger bzw. Erregergruppen lässt sich eine gewisse Zuordnung zur zeitlichen Manifestation einer Protheseninfektion treffen (Tab.â•›15.3; Geipel u. Herrmann 2004).
15.7 Klinik 15.7.1 Schmerzen Während im akuten Fall einer Protheseninfektion die Klinik mit den typischen Symptomen Rötung, Überwärmung, Schwellung, Erguss, aufgehobener Funktion sowie starker Schmerzhaftigkeit einhergeht und bis hin zur Sekretion, Fistelbildung, Fieber oder gar bis zum (prä-)septischen Krankheitsbild reicht und unschwer auf die vorliegende Infektion hinweist, können diese typischen Symptome bei den blander verlau-
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
fenden chronischen („Low-grade“-)Infektionen nicht immer richtungsweisend sein, so dass hier zunächst an ein infektiöses Geschehen gedacht werden muss. Unspezifische Befunde, u.â•›a. persistierende Rötungen, Schwellungen, intraartikuläre Ergüsse und Wundsekretionen, subfebrile Temperaturen sowie schmerzhafte Bewegungseinschränkungen geben Hinweise auf eine chronische Protheseninfektion. Gerade bei einem frühzeitigen Prothesenversagen oder einer Arthrofibrose sollte vor Diagnosestellung immer eine blande verlaufende chronische Infektion ausgeschlossen werden (Gollwitzer 2006). Neuauftretende Schmerzen im Gelenkbereich einer Endoprothese nach zunächst gut funktionierender Prothese und Schmerzfreiheit (>3â•›Monate postoperativ) insbesondere in der Nacht und in Ruhe sollten differentialdiagnostisch an eine Protheseninfektion denken lassen.
15.7.2 Anamnese Zur Beurteilung eines Protheseninfekts gehört die exakte Erhebung der Anamnese mit der Durchsicht der Dokumentation des gesamten Behandlungsablaufs bis zum Zeitpunkt der eigenen Beurteilung. Eine komplizierte Wundheilung, eine zurückliegende Antibiotikatherapie, eine persistierende Wundsekretion, Fistelbildungen, andauernde Schmerzen oder Vorerkrankungen (mögliche Streuherde (s.╯Abschn.â•›15.6.1)) können Hinweise auf das Vorliegen einer Protheseninfektion geben. Sind bereits operative Revisionseingriffe erfolgt, sollte besonderes Augenmerk auf vorhandene Erregernachweise und Resistenztestungen sowie verabreichte Antibiotika sowie deren Applikationsdauer gelegt werden.
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15.7.4 Weichteilverhältnisse Im Bereich des Kniegelenks ist die Prothese nur von einem dünnen Weichteilmantel geschützt. Narben aus Voreingriffen und Wundheilungsstörungen sind minderdurchblutete Areale und aufgrund von Narbenadhäsionen wenig verschieblich, wodurch der operative Zugangsweg, die Mobilisation der Narbenzone und der Wundverschluss intraoperativ erschwert sind. Fisteln und Abszesse bedürfen einem radikalen Débridement mit der Gefahr der Entstehung möglicher Weichteildefekte, die im späteren Verlauf geschlossen werden müssen. Daher gilt, rechtzeitig das Ausmaß der Weichteildefekte abzuschätzen und schon präoperativ die Weichteilsituation zu beurteilen und mögliche plastisch chirurgische Eingriffe im Vorfeld zu planen. Die Weichteilsituation sollte in zwei Gruppen unterteilt werden: ●⊑ Wenig veränderte Weichteile: Die Weichteile sind normal, die Wundränder bzw. die Narbe sind durch den Infekt nicht wesentlich beeinflusst. ●⊑ Stark infektveränderte Weichteile: Geschwollene, glasig-ödematöse Weichteile, Abszesshöhlensysteme bzw. Fisteln und starke Eiterproduktion.
15.7.5 Differentialdiagnosen ●⊑ Aseptische Knieprothesenlockerung ●⊑ Mechanische Komplikationen (Instabilitäten, u.â•›a.) ●⊑ Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) ●⊑ A rthrofibrose ●⊑ Metall- und Knochenzementallergie
15.7.3 Funktion
15.8 Diagnostik
Wichtig ist die Erfassung der aktuellen Funktion und möglicher Einschränkungen und Erwartungen an die Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Extremität. Hier müssen das Alter, das soziale und berufliche Umfeld wie auch die häuslichen Gegebenheiten mitberücksichtigt werden.
Die sichere diagnostische Differenzierung zwischen aseptischer und septischer Prothesenlockerung stellt ein immer noch ungelöstes Problem der heutigen Endoprothesenchirurgie dar. Die richtige Diagnosestellung ist jedoch für die Wahl des operativen Verfahrens und die Prognose nach Prothesenwechseln entscheidend.
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Das Problem der Diagnose einer Protheseninfektion resultiert aus der ungenügenden Sensitivität und Spezifität der einzelnen zur Verfügung stehenden Untersuchungsverfahren. Eine Vielzahl der vorliegenden Studien zur Infektdiagnostik basieren auf uneinheitlichen Kriterien zur definitiven Diagnose einer Protheseninfektion und auch die zumeist als Goldstandard herangezogenen diagnostischen Verfahren der intraoperativen Kultur und/oder Histologie zeigen keine 100â•›%ige Sensitivität und Spezifität. Dies erklärt die teilweise gravierenden Unterschiede der einzelnen Untersuchung zur Wertigkeit der verschiedenen Verfahren. Aus diesem Grund sollte eine Kombination der laborchemischen, mikrobiologischen, histopathologischen und bildgebenden Verfahren zur Diagnostik der Protheseninfektion herangezogen werden.
S. Gravius et al.
Tag kommen (Niskanen et al. 1996). Persistierende CRP-Erhöhungen können hingegen auf ein infektiöses Geschehen hinweisen. Das CRP ist vor allem als geeigneter Verlaufsparameter zur Kontrolle der Wirksamkeit einer laufenden Antibiotikatherapie anzusehen. Neuere hochspezifische Infektionsparameter, u.â•›a. Interleukin 6 (IL-6) und Procalcitonin (PCT), könnten die Diagnose der periprothetischen Infektion deutlich verbessern. Während für das PCT noch keine Ergebnisse zur diagnostischen Wertigkeit vorliegen, zeigte das IL-6 in einer Studie von DiCesare et al. (2005) mit einer Genauigkeit von 97â•›% eine vorliegende Protheseninfektion an (Sensitivität 100â•›%; Spezifität 95â•›%).
15.8.2 Bildgebende Verfahren
15.8.1 Laborchemie
15.8.2.1 Röntgendiagnostik
Laborchemische Parameter stellen im diagnostischen Algorithmus nach der Anamnese und der Klinik den nächsten diagnostischen Schritt dar. Als Routineuntersuchungen haben sich das Differentialblutbild und das C-reaktive Protein (CRP) im klinischen Alltag etabliert. Die Leukozytenzahl und deren Differenzierung ist für die Unterscheidung bzw. den Ausschluss einer Protheseninfektion nicht genügend aussagekräftig und besitzt nur eine geringe Sensitivität (Morrey et al. 1989). Während eine Erhöhung der Leukozytenzahl meist mit einem ausgeprägten klinischen Infektgeschehen korreliert, gehen chronische Protheseninfekte in der Regel mit normwertigen Leukozytenzahlen einher. Erhöhte Leukozytenzahlen finden sich in nur 28â•›% der Fälle (Wodtke u. Löhr 2008). Der sensitivste Parameter der Labordiagnostik ist das CRP. Zwar schließt ein normwertiges CRP eine Infektion nicht aus, es liegt jedoch in >80â•›% der Fälle eine CRP-Erhöhung bei nachgewiesener Infektion vor (Wodtke u. Löhr 2008). Das CRP ist insbesondere als Verlaufsparameter in der postoperativen Phase sinnvoll. Nach einem postoperativen Anstieg am 2. bis 3â•›Tag sollte es nach komplikationsloser Prothesenimplantation zu einem raschen Abfall mit Normalisierung bis zum 10. postoperativen
Die radiologische Diagnostik dient insbesondere der Beurteilung einer Prothesenlockerung sowie dem differentialdiagnostischen Ausschluss von mechanischen Komplikationen und Gleitflächenabrieb. Charakteristische radiologische Befunde einer Protheseninfektion sind selten, da die klinischen Befunde meist den radiologischen Veränderungen vorauseilen. Bei chronischen Infektionen können sequentielle Röntgenbilder fokale Osteopenien, Osteolysen und periostale Knochenneubildungen zeigen. Während die früh auftretende Osteolyse als charakteristisches radiologisches Merkmal einer Protheseninfektion zu werten ist, sind spät auftretende Osteolysen meist durch aseptischen Abrieb verursacht. Eine nativradiologisch nachweisbare Prothesensinterung <1,5–2â•›m m innerhalb der ersten beiden Jahre ist kein direkter Nachweis einer Prothesenlockerung. Doppelkonturen an der Grenze zum Knochen belegen eine Lockerung nur für zementierte Prothesen. Nicht zementierte Prothesen können ohne sichtbare radiologische Zeichen gelockert sein. Anlässlich einer Untersuchung von Tigges et al. (1994) fehlen verwertbare radiologische Zeichen einer Protheseninfektion bei der Hälfte der Patienten, während je ein Viertel der Patienten unspezifische bzw. spezifische Zeichen aufweisen.
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
15.8.2.2 Magnetresonanztomographie und Computertomographie Beide Untersuchungen können meist aufgrund massiver Artefaktbildung eine sichere Beurteilung der direkten Prothesenumgebung erschweren und liefern daher in der Infektdiagnostik meist keine zusätzlichen Informationen. Die Computertomographie kann hingegen in Zusammenschau mit nuklearmedizinischen Untersuchungen deren Auswertung erleichtern.
15.8.2.3 Arthrographie mit Kontrastmittel Gelenkaussackungen und Abszessbildungen sind Zeichen einer Infektion und können zur Operationsplanung verwendet werden. Kann radiologisch massiver Abrieb nachgewiesen werden, so ist differentialdiagnostisch an mit Detritus gefüllte Höhlen bei aseptischer Prothesenlockerung zu denken. Kontrastmittelanreicherungen um die Prothese steigert die Beurteilbarkeit der Stabilität.
15.8.2.4 Nuklearmedizinische Verfahren Neben den verschiedenen Methoden der Entzündungsszintigraphie mit konventionellen Radiopharmaka (↜67Gallium-Zitrat; 99mTechnetium markierte monoklonale Antikörper; 111Indium-Oxin-Leukozyten) wie auch der Mehrphasenskelettszintigraphie können neuartige Verfahren, wie z.â•›B. die Positronenemissionstomographie (PET) mit 18F-Fluorodexyglucose (FDG) und die Antigranulozytenszintigraphie (AGS), Vorteile in der Diagnostik der Prothesenlockerung bieten. Szintigraphische Verfahren beruhen auf dem Prinzip des Nachweises eines erhöhten periprothetischen Knochenstoffwechsels. Da in der mittelbaren postoperativen Phase (mindestens 12â•›Monate) aufgrund der hypermetabolen Heilungsprozesse ein unspezifisch gesteigerter Uptake im periprothetischen Gewebe nachweisbar ist (Zhuang et al. 2002), ist die diagnostische Aussagefähigkeit der szintigraphischen Verfahren in dieser Zeitperiode zu vernachlässigen. Studien belegen, dass szintigraphische Ver-
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fahren bei sehr hoher Sensitivität von 100â•›% mit dem Problem einer mangelnden Spezifität behaftet sind. Allerdings besitzt die 99mTechnetium-Knochenszintigraphie durch die hohe Sensitivität einen zuverlässigen negativen Vorhersagewert und kann daher als Ausschlussdiagnostik einer Protheseninfektion verwendet werden (Davis 1994). Die diagnostische Wertigkeit der neuen Verfahren FDG-PET und AGS muss erst noch in klinischen Studienkollektiven evaluiert werden (Gravius et al. 2010). Merke╇ Nuklearmedizinische Untersuchungsverfahren können komplementär zur konventionellen Bildgebung, den laborchemischen sowie mikrobiologischen Verfahren bei präoperativ bestehender diagnostischer Unsicherheit zusätzliche Informationen liefern, ihre alleinige diagnostische Wertigkeit sollte aber nicht überschätzt werden
15.8.3 Mikrobiologie Die mikrobiologische Diagnostik periprothetischer Infektionen erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Seiten des Klinikers und des Mikrobiologen zur Etablierung eines standardisierten diagnostischen Prozesses. Um die diagnostische Wertigkeit mikrobiologischer Untersuchungsmethoden nicht zu mindern, sollte mit dem Beginn einer antibiotischen Therapie bis nach der Probegewinnung gewartet bzw. eine laufende Antibiotikatherapie mindestens 4â•›Tage vor der diagnostischen Materialgewinnung abgesetzt werden. Bei nicht akuter Therapiebedürftigkeit wird sogar eine 2- bis 4-wöchige Antibiotikapause empfohlen. Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe sollte erst nach Entnahme der intraoperativen Gewebeproben erfolgen. Cave╇ Nach Absetzen der Antibiotikatherapie muss eine regelmäßige klinische Kontrolle bei potentieller Sepsisgefahr erfolgen!
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Empfohlen werden Untersuchungen in soliden und flüssigen Medien auf aerobe und anaerobe Keime sowie Pilze. Einige Autoren empfehlen die Inokulation der Materialien in pädiatrischen Blutkulturflaschen. Durch die automatisierte Weiterverarbeitung der Proben sowie der Adsorption eventuell noch vorhandener Antibiotikazusätze durch die in den Blutkulturflaschen enthaltenen Kunststoffgranulate kann die diagnostische Wertigkeit mikrobiologischer Verfahren erhöht werden (Weiss et al. 2006). Merke Abstriche aus Wunden oder Fisteln haben eine sehr geringe Sensitivität und sollten vermieden werden. Abstriche weisen in der Regel Bakterienkolonien nach, die von der umgebenden Haut in den Defekt eingewandert sind. Dies führt zur Fehlinterpretationen, da nur in ca. 40â•›% der Fälle relevante pathogene Keim gefunden werden. Des Weiteren ist die antibiotische Therapie der gefundenen Mischflora aufwendig, teuer, komplikationsreich und in der Regel unnötig Da es sich bei den Erregern implantatassoziierter Infektionen häufig um niedrig virulente und langsam wachsende Bakterien handelt, die zudem durch eine vorangegangene Antibiotikatherapie geschädigt sein können, sollte die Bebrütungszeit zur Erzielung eines optimalen bakteriellen Ergebnisses auf 14â•›Tage ausgedehnt werden. Bis zu 13â•›Tage nach Beginn der Kultur können infektverursachende Bakterien nachgewiesen werden (Trampuz et al. 2004). Es sollte bedacht werden, dass mit der Verlängerung der Kultivierungszeit die Gefahr einer Kontamination ansteigt. Je früher die Diagnose eines bakteriellen Wachstums gestellt werden kann, umso valider ist die Aussage. Eine zeitnahe Verbringung (<2â•›h) der Proben in das mikrobiologische Labor muss gewährleistet sein. Dies gilt insbesondere für Notfalleingriffe in der Nacht und an Wochenenden. Merke Herkömmliche mikrobiologische Verfahren weisen planktonische Bakterienpopulationen nach, die aufgrund der Biofilmbildung meist nur in geringer Zahl vorliegen und somit die Diagnostik erschweren
S. Gravius et al.
15.8.3.1 Gelenkpunktion Die Aspiration von Gelenkflüssigkeit zur mikrobiologischen Diagnostik bietet die Möglichkeit der präoperativen Keimidentifizierung und ist somit insbesondere in allen Fällen einer geplanten einzeitigen Endoprothesenwechseloperation sowie zur Abklärung einer unklaren Infektsituation indiziert. Die Gelenkpunktion bei einliegender Prothese hat aufgrund des erhöhten iatrogenen Infektionsrisikos unter streng aseptischen OP-Bedingungen zu erfolgen. Aufgrund des Kontaminationsrisikos durch Hautkeime muss gerade die Bewertung eines positiven mikrobiologischen Befundes durch Saprophyten (koagulasenegative Staphylokokken, Propioni-/Korynebakterien) kritisch bewertet werden. Hier empfiehlt sich eine Wiederholung der Punktion. Sind bereits bakteriologische Vorbefunde vorhanden, so steigt bei Keimidentität und gleichem Resistenzmuster der Aussagewert des Verfahrens stark an (Taylor u. Beggs 1995). Merke╇ Zur Gelenkpunktion sollte die scharf geschliffene Punktionsnadel über eine ca. 2â•›m m messende Stichinzision durch die Haut eingeführt werden. Damit soll verhindert werden, dass ein durch die Punktionsnadel ausgestanzter Hautzylinder während des Punktionsvorganges in das Gelenk transportiert wird und somit eine Kontamination zu falschpositiven Keimnachweisen führen kann. Eine Punktatmenge von 1–3â•›ml wird als ausreichend betrachtet. Eine Möglichkeit, ein ausreichendes Punktatvolumen trotz fehlender oder geringer freier Flüssigkeit zu erreichen, ist die Applikation von steriler Kochsalzlösung (ohne antiseptische Zusätze) mit anschließender AsÂ�piration. Eine vorherige Applikation von Lokalanästhetika sollte aufgrund der bakteriziden Wirkung der Inhaltsstoffe der Lokalanästhetika unterlassen werden Aufgrund einer Vielzahl verschiedener Inkubationsund Entnahmeverfahren wird die diagnostische Wertigkeit der Gelenkpunktion derzeit uneinheitlich bewertet (Sensitivität 42–100â•›%; Spezifität 81–100â•›%; zitiert in Gollwitzer et al. 2006). Steinbrink u. Frommelt (1995) konnten an einem Patientenkollektiv
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
>2.000 Hüftendoprothesen nur 82â•›% der Infektionen durch eine präoperative Gelenkpunktion isolieren, so dass etwa jede 5.â•›Protheseninfektion durch das Verfahren undiagnostiziert bleibt. Aufgrund obiger Ausführungen sollte die endgültige Diagnosestellung unter Einbeziehung der intraoperativen Mikrobiologie und Histologie erfolgen (Lonner et al. 1996). 15.8.3.2 Synoviale Zellanalyse Mit der Punktion des Gelenks zur mikrobiologischen Untersuchung empfiehlt sich die begleitende zytologische Analyse des Gelenkpunktats. Dazu sollte die Gelenkflüssigkeit in einem EDTA-Röhrchen gesammelt und auf erhöhten Proteingehalt, erniedrigte Glukosewerte, eine Vermehrung der Leukozytenzahl und einen erhöhten Anteil polymorphkerniger neutrophiler Granulozyten hin untersucht werden. Im Gelenkpunktat eines Prothesenträgers zeigen >1.700â•›Leukozyten/µl (Sensitivität 94â•›%; Spezifität 88â•›%) oder ein Anteil von >65â•›% neutrophiler Granulozyten (Sensitivität 97â•›%; Spezifität 98â•›%) eine sehr hohe Infektwahrscheinlichkeit an (Trampuz et al. 2004). Merke╇ Aufgrund der häufig niedrigen Virulenz der Erreger der Protheseninfektion müsÂ� sen die Grenzwerte verglichen mit nativen Gelenken deutlich niedriger angesiedelt werden (>50.000â•›Leukozyten/µl; Anteil von >90â•›% neutrophile Granulozyten).
Cave╇ Bei entzündlichen Grunderkrankungen (z.â•›B. Rheumatoide Arthritis) ist die zytologische Analyse des Gelenkpunktats nur eingeschränkt verwertbar.
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weis und damit die Grundlage für die spätere korrekte antimikrobielle Therapie. Proben von mehr als 5 repräsentativen Arealen mit Infektionsaspekt, mindestens jedoch eine Probe aus dem Kapselgewebe, dem tibialen und femoralen Knochen-Implantat-Interface sowie der tibialen und femoralen Markhöhle, sind sinnvoll (Dixon et al. 2004). Cave╇ Auch hier ist auf eine streng sterile Entnahme der Gewebeproben zu achten. Sekundäre Verunreinigung von chirurgisch gewonnenen Gewebeproben durch Kontakt mit der Patientenhaut oder mit Handschuhen, der Lagerung oder Handhabung der Gewebeproben mit verunreinigten Kompressen oder Operationsbesteck durch das Operationspersonal birgt die Gefahr falsch-positiver Ergebnisse. Zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen sollte jeweils das Entnahmeinstrument gewechselt werden. Ein Vergleich zur korrespondierenden Histologie dieser Probe kann in solchen Fällen hilfreich sein. Bei fehlender neutrophiler Infiltration in der Histologie kann eine sekundäre Kontamination der Probe während der Verarbeitung postuliert werden. Aus diesem Grund empfiehlt sich die Entnahme je einer Doppelprobe (Kantenlänge ca. 0,5â•›cm) aus den o.â•›g. repräsentativen Arealen und deren Trennung in je eine Probe zur mikrobiologischen und histologischen Untersuchung. Beim Verdacht auf einen schwer kultivierbaren Keim ist die zusätzliche Probenentnahme zur Durchführung einer bakteriellen PCR sinnvoll (Tunney et al. 1999). Die in Studien angegeben Sensitivitäten/Spezifitäten der intraoperativen Mikrobiologie variieren zwischen 65 und 75â•›% bzw. 93 und 96â•›% (zitiert in Gollwitzer et al. 2006). Hier muss darauf hingewiesen werden, dass die diagnostische Wertigkeit meist auf der Korrelation mit der intraoperativen Kultur und Histologie beruht.
15.8.3.3 Mikrobiologie periprothetischer Gewebeproben
15.8.3.4 Mikrobiologische Kultivierung von entnommenen Implantaten
Die intraoperativ entnommene periprothetische Gewebeprobe liefert den zuverlässigsten Erregernach-
Tunney et al. (1999) empfehlen die Einsendung des explantierten Kunstgelenks zur aeroben und anaero-
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15
ben mikrobiologischen Untersuchung. Nach den publizierten Ergebnissen konnte dadurch ein Keimnachweis bei >70â•›% der „angeblich“ aseptisch gelockerten Kunstgelenke des Hüftgelenks erbracht werden. Die Interpretation der Ergebnisse bleibt abzuwarten, da der Anteil der sekundären Verunreinigung während der Verarbeitung der Implantate derzeit noch unklar bleibt. Im Vergleich zu der Kultur der intraoperativ entnommenen Gewebeproben verbesserte sich nach Trampuz et al. (2007) die Sensitivität des Verfahren durch die Sonikation zur Freisetzung der prothesenadhärenten Keime von 60,8â•›% auf 78,5â•›%, die Spezifität beider Methoden war vergleichbar (99,2â•›% vs. 98,8â•›%). Da es sich um ein technisch aufwendiges Verfahren handelt, kann dieses nur an spezialisierten Zentren durchgeführt werden.
15.8.3.5 Histologie Als Standard sollten die oben beschriebenen Doppelproben aus mindestens fünf repräsentativen Infektarealen neben der mikrobiologischen auch einer histologischen Untersuchung zugeführt werden. Die quantitative histologische Beurteilung erfolgt gemäß der Kriterien von Mirra et al. (1984) durch den Nachweis neutrophiler Granulozyten nach Auswertung von mindestens 5 „high power fields“ (HPF, Gesichtsfelder mit 400-facher Vergrößerung) innerhalb der repräsentativen Infektareale. Ein positiver Befund entspricht einer Zahl von >5 bzw. >10 neutrophilen Granulozyten pro HPF (Lonner et al. 1996; Mirra et al. 1984). Aufgrund beschriebener hoher Sensitivitäten >92â•›% und Spezifitäten >98â•›% kann die Histologie am ehesten als alleiniger Goldstandard angesehen werden. Merke╇ Die intraoperative Gramfärbung besitzt aufgrund der geringen Sensitivität keine Bedeutung (Atkins et al. 1998).
15.8.3.6 Arthroskopie zur Probengewinnung Im Falle eines wiederholt negativen Keimnachweises bei klinisch weiterhin bestehendem Verdacht auf eine
S. Gravius et al.
chronische Protheseninfektion kann eine Arthroskopie zur Gewinnung von Probematerialien in Erwägung gezogen werden. Fuerst et al. (2005) konnten für die mikrobiologische Untersuchung arthroskopisch gewonnener Gewebeproben (ohne vorheriges Auffüllen des Gelenkbinnenraumes mit Spülflüssigkeit) bei 26 untersuchten Knieprothesen eine Sensitivität von 100â•›% (↜bei gleichzeitig hoher Spezifität von 95â•›%) zeigen. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der gleichzeitigen Probegewinnung zur histologischen Aufarbeitung.
15.9 Definition periprothetischer Infektionen Es gibt zahlreiche Definitionen der periprothetischen Infektion (Gollwitzer et al. 2006; Hirakawa et al. 1998). Entsprechend unserer Einschlusskriterien (Abb.â•›15.1) sollte mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt sein: 1. Eitrige Gelenkpunktion oder ≥1.700â•›Leukozyten/µl und/oder ≥65â•›% neutrophile Granulozyten in der sterilen Gelenkpunktion. 2. Positive Histologie mit Nachweis einer floriden Entzündungsreaktion und oder ≥5 neutrophile Granulozyten/HPF nach Auswertung von 5 repräsentativen Arealen. 3. Positiver Keimnachweis aus sterilem Gelenkpunktat und/oder aus mindestens einer der intraoperativen Gewebeproben nach Langzeitbebrütung (14â•›Tage). 4. Klinisch oder intraoperativ makroskopisch eindeutiger Protheseninfekt (u.â•›a. Fistelgang mit Verbindung zum Gelenk).
15.10 Therapie Die periprothetische Infektion erfordert ein frühzeitiges und aggressives kombiniert konservativ-chirurgisches Vorgehen, d.â•›h. die chirurgische Revision in Kombination mit einer gezielten antibiotischen Therapie, bevor eine umfangreiche Destruktion und Nekrose der beteiligten Strukturen einsetzt. Derzeit ist eine Vielzahl an Konzepten zur Behandlung periprothetischer Infektionen publiziert.
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
237
Abb. 15.1.╇ Behandlungsleitfaden Protheseninfekt; Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie; RheinischeFriedrich-Wilhelms-Universität Bonn
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15
Folgende Entscheidungskriterien sollten hierbei bei der Festlegung des operativen Vorgehens berücksichtigt werden (Zimmerli u. Ochsner 2003): 1. Zeitintervall zwischen Auftreten und Therapie des Infekts: Bei einer Dauer der Infektsymptome ≤3â•›Wochen kann ein stabiles Implantat belassen werden und ein Débridement mit begleitender Antibiotikatherapie durchgeführt werden. 2. Weichteilsituation: Wenig veränderte Weichteile erlauben ein einzeitiges Vorgehen. Stark infektveränderte Weichteile erfordern ein schrittweises zwei- oder mehrzeitiges Vorgehen (Abschn.â•›15.7.4). 3. Stabilität der Prothese: Lockere Prothesen müssen immer, stabile bei einer Infektdauer >3â•›Wochen gewechselt werden. 4. Erreger bzw. Erregerspektrum: Neben dem in Abschn.â•›15.4. beschriebenen Keimspektrum periprothetischer Infektionen bedürfen schwierig zu behandelnde Keime besonderer Aufmerksamkeit. Zu den schwierig zu behandelnden Keimen zählen: a) Pilze: starke Biofilmbildung; keine Therapie gegen adhärierende Pilze verfügbar. b) „Small colony variants“: Staphylococcus aureus und koagulasenegative Staphylokokken zeigen phänotypisch Resistenzen auf diverse Antibiotika. c) Enterococus spp.: keine bakterizide orale Therapie verfügbar. d) Pseudomonas aeruginosa: rasche Resistenzentwicklung bei Monotherapie; bei Chinolonresistenz kein orales Antibiotikum verfügbar; starke Biofilmbildung. Hierunter werden im Einzelnen folgende Erreger/Erregergruppen zusammengefasst: ●⊑ MRSA: Methicillin-resistenter Staphylococcus auÂ� reus ●⊑ VRSE: Vancomycin-resistenter Stapholycoccus auÂ� reus ●⊑ MRSE: Methicillin-resistenter Staphylococcus epiÂ� dermidis ●⊑ VRE/CRE: Vancomycin/Chinolon-resistente Enterokokken ●⊑ CRP: Chinolon-resistente Pseudomonaden ●⊑ ESBL: Extended-Spectrum-Betalactamase-Bildende (Enterobakterien, v.â•›a. E. coli, Klebsiellen) ●⊑ Stenotrophomonas maltophilia
S. Gravius et al.
15.10.1 Therapiebausteine 15.10.1.1 Grundsätze des septischen Wunddébridements Das chirurgische Débridement ist der wichtigste Bestandteil aller Revisionen. Es umfasst die Entfernung aller Nekrosen, die Wundrandresektion nach Friedrich, die Resektion infizierten Muskelgewebes bei grauer Verfärbung und fehlenden Muskelfibrillationen sowie vorliegender Knochensequester bei Kalzifizierung und fehlender Blutung nach Anbohrung. Die Spülung des Operationssitus sollte mit verschiedenen mikrobiziden Flüssigkeiten (z.â•›B. Lavasept, Wasserstoffperoxid, Iod etc.) und nachfolgender Neutralisation mit physiologischer Kochsalzlösung, evtl. per Jet-Lavage, erfolgen. Cave╇ Die Anwendung der Jet-Lavage verringert die Keimanzahl signifikant effektiver als die manuelle Lavage, jedoch kann es zum Einpressen von Keime in tiefere Weichteilschichten durch die Jet-Lavage kommen. Der Wundverschluss sollte schichtweise mit monofilen dicken resorbierbaren Fäden zur Wiederherstellung der Anatomie und zur wasserdichten Kompartimentierung der Wundhöhle erfolgen (alternativ können antibiotikaimprägnierte geflochtene Fäden, z.â•›B. Vicryl Plus® verwendet werden). Die einzelnen Wundhöhlen sollten mit mindestens einer großlumigen Drainage verschlossen bzw. zum Kollaps gebracht werden, damit ggf. auf die subkutane Nahtreihe zur Verringerung von Fremdmaterial verzichtet werden kann. Zum Hautverschluss eignet sich insbesondere die Donati-Rückstichnaht mit tiefen durchgreifenden Nähten, da die Haut damit wasserdicht verschlossen werden kann, ohne dass der unmittelbare Wundrand unter Kompression gebracht wird (avaskuläre Wundrandnekrose). Merke╇ Fortlaufende Nähte und die Intrakutannaht sind beim septischen Wundverschluss kontraindiziert
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
Bei starkem interstitiellem Weichteilödem durch virulente Keime oder bei SIRS kann eine temporäre Vakuumversiegelung der Wunde günstig sein, um das anfallende Wundsekret und damit die Bakterienlast zu verringern. Durch die Entfernung des interstitiellen Ödems verbessert sich die Durchblutung und konsekutiv die Gewebeoxygenierung und auch die verfügbare Antibiotikagewebekonzentration. Eine Vakuumtherapie sollte auf 1- bis 2-mal 3–5â•›Tage reduziert werden, da der Schwamm als Fremdkörper besiedelt wird und unter systemischer Antibiose ein ideales Modell zur Resistenzentwicklung für Bakterien darstellt. Daher sollte die Vakuumtherapie nur bei starkem, anders nicht beherrschbarem, interstitiellen Ödem (i.â•›d.â•›R. nur bei SIRS) zur Anwendung kommen. Im Zweifel sollte eher dem septischen Wundverschluss mit verlängerter Liegezeit der Wunddrainagen (für 2–4â•›Tage) der Vorzug gegeben werden. Eine Vakuumtherapie mit Sogdrainagen anstatt einer kontinuierlichen Vakuumsogtherapie mit Vakuumapparaten ist nicht zu empfehlen, da der Sog in Sogdrainagen i.â•›d.â•›R. schnell abnimmt, durch Sekretstau die Wundabdeckung undicht wird und der Schwamm sekundär von der umgebenden Haut per continuitatem besiedelt wird.
15.10.1.2 Grundsätze der Antibiotikatherapie Die antibiotische Therapie muss mit dem chirurgischen Therapiekonzept abgestimmt und idealer Weise im interdisziplinären Konsens zwischen den chirurgischen Fachdisziplinen und dem klinischem Infektiologen festgelegt werden. Antibiotika sollten gemäß dem geführten Erregernachweis sowie den Resistenztestungen und nach den pharmakologischen Eigenschaften bezogen auf die periprothetische Infektsituation ausgewählt werden. Die Elimination nicht wachsender, adhärierter, im Biofilm abgeschirmter sessiler Bakterienspezies ist das Hauptziel der antimikrobiellen Therapie. Antimikrobielle Substanzen sollten die folgenden Anforderungen erfüllen (Geipel u. Herrmann 2004): ●⊑ bakterizider Wirkmechanismus, ●⊑ g ute Knochen- und Gewebegängigkeit, ●⊑ hoher Quotient aus erzieltem Gewebespiegel und minimaler Hemmkonzentration des Isolats,
239
●⊑ niedrige Rate spontaner Resistenzentwicklung, ●⊑ Aktivität auch gegen sessile, biofilmbildende ErÂ�reger, ●⊑ gute Verträglichkeit (inkl. Langzeitverträglichkeit), ●⊑ Möglichkeit der oraler Sequentialtherapie. Die Therapiedauer richtet sich im Wesentlichen nach dem gewählten chirurgischen Vorgehen. Insgesamt wird als Anhaltspunkt eine Dauer von 4–6â•›Wochen empfohlen, um den Knochen für den Zeitraum der Revaskularisation zu schützen. Die Behandlung wird in der Regel für 2â•›Wochen parenteral eingeleitet. Sind geeignete Medikamente verfügbar (bakterizide orale Bioverfügbarkeit!), ist die Weiterführung der Therapie peroral möglich. Ist hingegen keine oral bakterizide Medikation verfügbar, kann ggf. durch eine Portanlage die notwendige dauerhafte intravenöse Therapie ambulant ermöglicht werden. Staphylokokken Die Bedeutung der Biofilmbildung und der besondere Metabolismus fremdkörpersassoziierter Staphylokokken erfordert grundsätzlich eine Kombinationstherapie, bei der insbesondere Rifampicin eine besondere Bedeutung zukommt. Aufgrund des hohen Anteils koagulasenegativer Staphylokokken als Verursacher periprothetischer Infektionen und einer hohen Rate an Methicillinresistenzen werden als bakterizide Antibiotika zellwandaktive Glykopeptide eingesetzt. Handelt es sich um methicillinempfindliche Erreger, so sollten Isoxazolypenicilline (z.â•›B. Flucloxacillin) aufgrund der besseren Knochengängigkeit und Bakterizidiekinetik gegenüber Glykopeptiden den Vorzug erhalten. Bei Penicillinempfindlichkeit (mikrobiologischer Nachweis fehlender Penicillinaseaktivität) sollte aufgrund seiner optimalen Aktivität Penicillin G verwendet werden. Der Kombinationspartner Rifampicin wird – sofern keine Kontraindikationen vorliegen (cave: Hepatotoxizität und Wechselwirkungen mit zahlreichen Pharmaka) – bei sensiblen Isolaten verwendet. Cave╇ Eine Rifampicin-Monotherapie ist aufgrund schneller Resistenzentwicklungen nicht zu empfehlen.
240
15
Zur oralen Sequenzialtherapie können in Kombination mit Rifampicin Fluorchinolone (z.â•›B. Ciprofloxacin) zum Einsatz kommen. Bei methicillinresistenten Erregern ist die Rate von Fluorchinolonresistenzen hoch. Neben Fluorchinolonen ist Fusidinsäure erfolgreich als Kombinationspartner mit Rifampicin verwendet worden. Neuerdings können bei methicillinresistenten Stämmen Oxazolidinone eingesetzt werden. Hier ist insbesondere das Linezolid auch als oral verfügbare Substanz zur Sequenzialtherapie verfügbar (cave: Anwendungsbeschränkungen und Therapiedauer beachten!). Eine weitere Substanz ist das Lipopeptid Daptomycin. Streptokokken╇ Streptokokken können im Regelfall mit Penicillin G behandelt werden. Bei einzelnen Isolaten der Gruppe der „Viridans-Streptokokken“ ist eine Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) notwendig, da hier eine reduzierte Empfindlichkeit gegenüber Penicillin G nachweisbar ist, die entweder eine Kombinationstherapie mit Aminoglykosiden oder primär den Einsatz von Glykopetiden erfordert. Enterokokken╇ Enterokokken werden mit Penicillin G oder Ampicillin parenteral behandelt. Zumindest in der initialen Therapiephase (2â•›Wochen) kann eine Kombinationstherapie mit einem Aminoglykosid zur Erzielung einer bakteriziden Wirkung angestrebt werden. Ampicillinresistente Enterokokken (z.â•›B. Enterococcus-faecium-Stämme) erfordern die Gabe eines Glykopeptids, von Streptograminen oder eines Oxazolidinons. Cave╇ Enterokokken sind allgemein resistent gegenüber Cephalosporinen, Enterococcus faecalis auch gegenüber Streptograminen.
Gramnegative Stäbchenbakterien╇ BetalaktamÂ�antiÂ�biotika (Penicilline, Cephalosporine) und/oder Fluorchinolone können zur Therapie peri-
S. Gravius et al.
prothetischer Infektionen mit Enterobacteriaceae eingesetzt werden. Enterobacteriaceae weisen jedoch bereits heute Resistenzen gegenüber Ciprofloxacin auf. Breitspektrumbetalaktamasen (ESBL) vermitteln insbesondere bei Escherichia coli- und Klebsiella-pneumoniae-Resistenzen gegenüber Penicillinen und Cephalosporinen. Des Weiteren können bestimmte Enterobacteriaceae (Enterobacter, Serratia, Hafnia, Citrobacter) unter Betalaktamtherapie Breitspektrumbetalaktamasen ausbilden; hier ist initial eine Kombinationstherapie (z.â•›B. mit Fluorchinolonen) sinnvoll. Pseudomonas aeruginosa sollte aufgrund schneller Resistenzentwicklungen unter Monotherapien zumindest initial mit einer Kombinationstherapie behandelt werden. Grampositive, aerobe Stäbchenbakterien╇ CoryneÂ�bakterien weisen häufig eine Multiresistenz auf und erfordern in diesen Fällen eine Therapie mit Glykopeptiden. Bacillusspezies, wie z.â•›B. Bacillus cereus, können ebenfalls multiple Resistenzen aufweisen. Anaerobier╇ Anaerobier sind in der Regel bei Mischinfektionen mit aerob wachsenden Erregern zu finden. Therapie der Wahl ist in diesen Fällen Clindamycin. Alternativ kommt eine Behandlung mit Betalaktam-Betalaktamase-Inhibitoren in Betracht. Eine Empfehlung zur erregeradaptierten Antibiotikatherapie gibt Abb.â•›15.2. 15.10.1.3 Antibiotische Lokaltherapie Neben der systemischen Gabe von Antibiotika ist ihre lokale Applikation mittels antibiotikabeladener Träger wie Polymethylmethacrylat oder Kollagenen eine häufig gewählte Vorgehensweise. Aminoglykoside und Glykopeptide gehören zu den am häufigsten eingesetzten Substanzen. Zur Anwendung stehen kommerzielle Darreichungsformen mit Gentamycin, auch in Kombination mit Clindamycin, zur Verfügung, jedoch können auch eigene Formulierungen durch Zumischung von Antibiotika in Pulverform zum Knochenzement oder zu kommerziellen Zement-Antibiotika-Kombinationen hergestellt werden.
Abb. 15.2.╇ Spezielle antimikrobielle Medikation mit bakterizider Bioverfügbarkeit
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15
Merke╇ Insbesondere die In-vitro-Induktion von „Small-colony-variants“-Phänotypen von Staphylococcus aureus durch Gentamycin wie auch Resistenzentwicklungen koagulasenegativer Staphylokokken sind Gründe, die für eine Kombination von Antibiotika (z.â•›B. Gentamycin-Clindamycin (Copal®â•›) + Vancomycin) auch in der Lokaltherapie sprechen.
S. Gravius et al. Tabelle 15.4.↜渀 Indikationen zum Débridement mit Prothesenerhalt •â•‡Zeitintervall zwischen Auftreten der Symptome und der Behandlung <3â•›Wochen •â•‡ Stabiles Implantat •â•‡ Wenig veränderte Weichteile (keine Fistelbildung) •â•‡Verfügbarkeit bakterizider Antibiotika mit Wirkung auf adhärierende Keime
Die therapeutischen Möglichkeiten in der Behandlung periprothetischer Infektionen ergeben sich aus den oben definierten Entscheidungskriterien: 1. Débridement mit Prothesenerhalt 2. Einzeitiger Wechsel 3. Zweizeitiger Wechsel: a) mit Spacer-Implantation, b) ohne Spacer-Implantation.
als 3â•›Wochen vergangen sind, d.â•›h. vor einer gesicherten Oberflächenbesiedlung des Implantates durch sessile Erreger gemäß den Untersuchungen von Costerton et al. (1978, 1999). Weitere Voraussetzungen für einen Prothesenerhalt sind ein stabiles Implantat, wenig veränderte Weichteile und die Verfügbarkeit bakterizider Antibiotika mit Wirkung auf adhärierende Keime. Bei bestehender Fistel ist ein Débridement nicht ausreichend, da die Infektion bereits zu lange besteht, oft eindringende Keime eine Superinfektion auslösen und der Wundverschluss erschwert ist. Indikationen zum Débridement mit Prothesenerhalt sind in Tab.â•›15.4 zusammengefasst. Da In-vitro-Studien zeigen, dass Erreger innerhalb von 48â•›h von der planktonischen in die sessile Phase übergehen und einen resistenten Biofilm bilden, ist ein Débridement nur erfolgversprechend anwendbar, wenn Antibiotika zur Verfügung stehen, die Bakterien im Biofilm eliminieren können (Zimmerli et al. 2004). Das operative Débridement mit ausgiebiger Synovektomie, der intraoperativen Überprüfung der Prothesenstabilität, einen Wechsel aller austauschbaren Prothesenkomponenten, eine intensive intraoperative Spülung und eine ausgiebige Wunddrainage für 3– 5â•›Tage gelten als anerkannter Standard (Fisman et al. 2001). Die antimikrobielle Therapie umfasst ein erregeradaptiertes Vorgehen, mit einer parenteralen Antibiotikatherapie während der ersten 2–4â•›Wochen und einer oralen Therapie bis 6â•›Monate postoperativ.
15.10.2.1 Débridement mit Prothesenerhalt
15.10.2.2 Einzeitiger Wechsel
Ein Débridement mit Prothesenerhalt ist erfolgversprechend, wenn zwischen dem Auftreten der ersten klinischen Symptome und der Behandlung nicht mehr
Der einzeitige Prothesenwechsel geht auf Arbeiten von Buchholz u. Engelbrecht (1970) zurück. Voraussetzungen für einen einzeitigen Prothesenwechsel sind:
Cave╇ Geeignete wasserlösliche Antibiotika sollten in Pulverform homogen dem verwendeten Knochenzement zugesetzt werden. Die Menge des Antibiotikums sollte 10â•›% der Polymermenge nicht überschreiten Bei der Beimengung der Antibiotika zum Knochenzement ändert ein Medizinprodukt seine Zusammensetzung mit den Konsequenzen für die Aufklärungspflicht und die Arzthaftung (der Arzt gilt als Hersteller des Knochenzementes). Aus rechtlichen Gründen ist die Verwendung von handelsüblichen Zementen (z.â•›B. Copal®) oder die Anmischung des Zementes durch einen Hersteller anzuraten (Wodtke u. Löhr 2008).
15.10.2 Therapiealgorithmus
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
●⊑ intakte Weichteilverhältnisse ohne Fistel und Abszessbildung, ●⊑ k urze Infektdauer, ●⊑ keine Rezidivinfekte, ●⊑ Patient in gutem Allgemeinzustand, ●⊑ Erreger, die trotz Anwesenheit von Implantaten mit bakteriziden Antibiotika mit guter Bioverfügbarkeit und Wirkung gegenüber oberflächenadhärenten Bakterien behandelt werden können (Zimmerli u. Ochsner 2003), ●⊑ schwierig zu behandelnde Keime (s. Abschn.â•›15.9) können mit dieser Methode nicht behandelt werden (Zimmerli et al. 2004). Die ENDO-Klinik in Hamburg wendet als großes Behandlungszentrum routinemäßig das einzeitige Vorgehen unter Einsatz von Knochenzementen mit hochdosierten Antibiotikabeimischungen an (Friesecke u. Wodtke 2006). Das einzeitige Behandlungskonzept der ENDOKlinik beruht auf folgenden therapeutischen Einzelschritten: 1.╇ verlässlicher präoperativer Erregernachweis, 2.╇radikales Débridement von Knochen und Weichteilen mit Entfernung der Prothese und allen Fremdmaterials, 3.╇Implantation einer neuen Prothese unter Benutzung von Knochenzementen mit hochdosierten Antibiotikabeimischungen (↜topische Antibiose), 4.╇einer gezielten systemischen antibiotischen Therapie für 10–14â•›Tage. Wenn bereits präoperativ ein Erregernachweis erfolgt ist und keine Zeichen einer Sepsis vorliegen, ist eine 2- bis 3-wöchige Vorbehandlung mit Antibiotika zur Reduktion der Gesamtkeimmenge und der Konsolidierung der Weichteilsituation sinnvoll (Maurer u. Ochsner 2006). Nach Ausbau der Prothese und radikalem Débridement allen infizierten Knochen- und Weichteilgewebes erfolgt nach temporärem Wundverschluss und Einlegen von antiseptikagetränkten Bauchtüchern der Wiedereinbau mit neuer Abdeckung und neuen Instrumenten. Die Kenntnis des verursachenden Keims ist essentiell, da dem Knochenzement für das zementierte Revisionsimplantat entsprechend der individuellen Resistenzlage geeignete Antibiotikabeimischungen in Pulverform erfolgen sollte (Wodtke u. Löhr 2008; s. Abschnitt Antibiotische Lokaltherapie). Neben dem
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radikal-chirurgischen Débridement mit dem Ziel der Reduktion der Keimlast um mehrere Zehnerpotenzen dient die topische Antibiose der Bekämpfung einer bestehenden Restkontamination und der Verhinderung der sofortigen Besiedlung der Prothesenoberfläche und der Biofilmbildung (Wodtke u. Löhr 2008). Nach dem einzeitigen Wechsel erfolgt in der Regel für 2â•›Wochen eine systemische adjuvante Antibiotikatherapie. Die Dauer richtet sich im Einzelfall in Absprache mit den klinischen Bakteriologen nach der Keimlage, den Wundverhältnissen und dem Verlauf der Entzündungswerte. Entgegen dem einzeitigen Behandlungskonzept der ENDO-Klinik, das die zementierte Prothesenverankerung unter Verwendung von Knochenzementen mit hochdosierten Antibiotikabeimischungen im einzeitigen Wechselfall als obligat ansieht, favorisieren andere Autoren unzementierte Stielverlängerungen, um im Falle eines Infektrezidivs noch therapeutische Optionen zur weiteren prothetischen Behandlung offen zu haben (Maurer u. Ochsner 2006). Hier erfolgt nur im Bereich des Tibiaplateaus und der Femurkondylen die Prothesenverankerung mit Zement. Eine hochdosierte topische Lokaltherapie ist hierbei als wesentlicher Behandlungsbaustein des einzeitigen Therapieregimes nicht berücksichtigt (Abb.â•›15.3).
15.10.2.3 Zweizeitiger Wechsel Der zweizeitige Prothesenwechsel beruht auf dem Prinzip der Infektberuhigung nach Entfernung der Prothese und chirurgischem Débridement im ersten Schritt, einer systemischen antibiotischen Interimstherapie in Abwesenheit des Fremdkörpers, gefolgt von einem zweiten Débridement und dem Prothesenwiedereinbau (Abb.â•›15.4, 15.5, 15.6, 15.7 und 15.8). Indikationen für ein zweizeitiges Vorgehen umfassen: ●⊑ Patient in reduziertem Allgemeinzustand, ●⊑ schlechte Weichteilverhältnisse (Narben, Fistelbildung, etc.), ●⊑ lang andauernder Infekt und/oder Rezidivinfekt, ●⊑ schwierig behandelbare Keime, ●⊑ präoperativ kein Erregernachweis, ●⊑ schlechte Knochenqualität, ●⊑ Möglichkeit der Implantation eines zementfreien Revisionsimplantates.
244
15
Abb. 15.3.↜渀 Einzeitiger Wechsel: Patientin L. E., weiblich, 73â•›Jahre. Präoperative Punktion positiv (Keimnachweis koagulasenegative Staphylokokken), intakte Weichteilverhältnisse. Einzeitiger Wechsel auf Genesis CC (Smith & Nephew), intraoperative Keimbestätigung nach 10â•›Tagen Bebrütung
S. Gravius et al.
In der 6-wöchigen prothesenlosen Periode zwischen Aus- und Einbau können sich die Weichteile erholen und bieten dann wieder Schutz für die neuimplantierte Prothese. In der Regel erfolgt eine systemische Antibiotikatherapie für 14â•›Tage, gefolgt von einer erregeradaptierten oralen Antibiose über einen Zeitraum von 4â•›Wochen. Nach einer 2-wöchigen Antibiotikakarenz erfolgt die Punktion des Gelenks unter sterilen Operationsbedingungen mit mikrobiologischer Untersuchung. Bei sterilem Punktat und normwertigen Entzündungsparametern kann der Wiedereinbau geplant werden. Bei erhöhten Entzündungsparametern ist eine erneute Punktion erforderlich, um einen persistierenden Infekt auszuschließen. Bei Infektnachweis muss ein erneutes Weichteildébridement durchgeführt werden. Wenn nötig werden im prothesenfreien Intervall weitere Revisionen zur Infektkonsolidierung durchgeführt. Zum Zeitpunkt des Wiedereinbaus kann zwischen der zementierten und der zementfreien Verankerung des Revisionsimplantats individuell gewählt werden. Zum Zeitpunkt der Reimplantation sollten analog zur Explantation Gewebeproben zur mikrobiologischen und histologischen Aufarbeitung asserviert werden. Eine Antibiose entsprechend dem präoperativ isolierten Keim sollte bei fehlendem Keimnachweis aus dem Reimplantationseingriff für 6â•›Wochen erfolgen. Bei intraoperativem Keimnachweis sollte gemäß dem Vorgehen oben („Débridement mit Prothesenerhalt“) eine 3-monatige Antibiotikatherapie erfolgen. Beim zweizeitigen Prothesenwechsel müssen entsprechend der vorliegenden Erreger zwei verschiedene Vorgehensweisen unterschieden werden: ●⊑ Mit Spacer-Implantation: Der zweizeitige Wechsel mit Spacer-Implantation ist nur in Abwesenheit schwierig zu behandelnder Keime indiziert (s. Abschn.â•›15.9). Dabei wird bei der ersten Operation nach sorgfältigem Débridement und Entfernung der Prothesenteile ein Zementspacer eingesetzt. Dieser wird durch Abdruck der Originalprothese hergestellt. Derzeit sind auch kommerziell erhältliche Komponenten aus antibiotikahaltigem Zement verfügbar (z.â•›B. Merete Interimsprothesen mit gentamycinhaltigem Knochenzement CEMEX®; s. Abb.â•›15.4, 15.5 und 15.6).
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
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Abb.╛╛15.4.╇╛Zweizeitiger Wechsel mit Spacer: Patient G. J., männlich, 73â•›Jahre. Geschädigte Weichteilsituation, lang andauernder Infekt >6â•›Monate. Intraoperativer Keimnachweis
Staphylococcus aureus. Interimsphase mit 6â•›Wochen Spacer. Reimplantation einer unconstrained Genesis II CR (Smith & Nephew), tibialer Schaft zementfrei
Vorteile der Spacer-Verwendung: − Längenerhalt mit verminderter Retraktion der Weichteile – vereinfachte Arthrolyse zum Zeitpunkt des Wiedereinbaus, −╇teilweise Erhalt der Beweglichkeit in der prothesenlosen Phase, −╇potentiell verbesserte postoperative Beweglichkeit, −╇ einfache Weichteilpflege. Nachteile der Spacer-Verwendung: −╇Spacer als Fremdkörper mit der Gefahr eines implantatgebundenen Infekts trotz Antibiotikazement.
●⊑ Ohne Spacer-Implantation: Bei dieser Methode wird anstelle eines Knochenzement-Spacers ein Fixateur externe benutzt. Hierbei wird beim Vorliegen schwer behandelbarer Keime (s. Abschn.â•›15.9) in der Infektzone auf jegliches Fremdmaterial verzichtet, auf dem sich die schwer behandelbaren Keime der Antibiotikawirkung entziehen könnten (s. Abb.â•›15.7 und 15.8). Vorteil der Verwendung eines Fixateur externe: Die Überbrückung des gesamten Infektbereiches ermöglicht eine plastische Deckung und eine bakterizide Antibiotikatherapie ohne FremdÂ�körper. Nachteil der Verwendung eines Fixateur externe: Gefahr von Bohrlochinfekten/-defekten
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Abb. 15.5.↜渀 Zweizeitiger Wechsel mit Spacer: Patient Z. A., männlich, 85â•›Jahre. Zweizeitiger Wechsel, Keimnachweis Staphylococcus aureus; „Merete“-Spacer für 6â•›Wochen, Re-
15.11 Implantate Nicht selten kann bei septischen Prothesenwechseloperationen die Implantation von Primärprothesen möglich sein.
implantation Rotating Hinge Nexgen mit zementfreien Stems (Fa. Zimmer)
Merke╇ Der Operateur sollte immer darauf vorbereitet sein, auch größere periprothetische Knochendefekte augmentieren zu müssen. Diese Substanzverluste können präoperativ bereits radiologisch dargestellt werden, deren Ausmaß kann sich aber intraoperativ durch die
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
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Abb. 15.6.╇ Intraoperative Anwendung kommerzieller Spacer
erforderliche Resektion infizierter nekrotischer Areale noch wesentlich vergrößern. Da die knöcherne Rekonstruktion mit homologem Knochen in der Infektsituation problematisch ist, kann dies mit Hilfe spezieller Revisionsimplantate gelingen („second line of defence“). Am Kniegelenk darf die Radikalität des Débridements nie wegen besorgter Rücksicht auf die Integrität des Kapselbandapparates weniger umfassend ausfallen. Dies würde die Infektsanierung gefährden. Aus diesem Grund sind gekoppelte Implantate, die abgesehen vom Streckapparat keine Restfunktion des Kapsel-Band-Apparates erfordern, unverzichtbar. Je nach Erfordernis und Knochensubstanzverlust sollten diese mit verlängerten femoralen und tibialen Stemverlängerungen kombiniert werden. Als Ultima Ratio können totale Femurersatzprothesen zum Einsatz kommen.
Bei Verlust des Streckapparates ist das Gelenk als Funktionseinheit verloren. Hier ist die Arthrodese indiziert (s. Abschn.â•›15.13.1).
15.12 Komplikationen Die Behandlung der Protheseninfektion ist komplikationsträchtig und risikoreich. Die Infektpersistenz nach der primären Wechseloperation wird in der Literatur mit bis zu 15â•›% angegeben (Buechel et al. 2004). Akute Protheseninfektionen können über eine generalisierte Keimaussaat zum präseptischen/septischen Krankheitsbild und bei verzögerter Behandlung sogar zum Tode führen. Merke╇ Ein schlechter Allgemeinzustand bei vermeintlicher Inoperabilität eines septischen
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S. Gravius et al.
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Abb. 15.7.╇ Zweizeitiger Wechsel mit Fixateur externe: Patient H. T., männlich, 70â•›Jahre. Zweite septische Wechseloperation nach vorhergehender einzeitiger, zementierter Wechselopera-
tion. Keimnachweis MRSA, massiv geschädigte Weichteilsituation, Fixateur externe für 8â•›Wochen bei schwierig behandelbarem Keim, Reimplantation mit KRI (Fa. Implantcast)
Patienten darf nicht zur Verzögerung oder gar der Ablehnung einer Operation führen, da nur die alleinige chirurgische Intervention eine Verbesserung der Situation verspricht. Operative
Maßnahmen sollten zumindest aus der Eröffnung, Spülung und Drainage, wenn vertretbar aus einem chirurgischen Débridement und der Prothesenentfernung bestehen.
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
249
Abb. 15.8.╇ Zweizeitiger Wechsel mit Fixateur externe und Arthrodesenagel: Patient R. G., männlich, 72â•›Jahre. Staphylococcus aureus mit Fistel-/Weichteildefekt, Monoblock-Spacer + Fixateur externe und plastisch-chirurgische Defektdeckung mit Gastrocnemnius-Lappen. Bei insuffizientem Streckapparat Reimplantation mit Kniearthrodesenagel (Fa. Brehm)
Bei meist nicht bekannter Keimlage wird eine Antibiotikatherapie mit Breitenwirkung begonnen, die nach Keimidentifizierung entsprechend adaptiert wird.
Die systemisch verabreichte Antibiotikatherapie muss den pathophysiologischen Bedingungen hinsichtlich der Dosierung und der Therapiedauer Rechnung tragen, so dass das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen nicht vernachlässigt werden darf. So ist eine therapiebegleitende Überwachung der Nie-
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15
ren- und Leberwerte und ggf. eine Dosisanpassung der Antibiotika notwendig. Eine kontinuierliche Kontrolle der Nierenretentionswerte und ggf. die Bestimmung der KreatininClearence und der Cholinesterase (CHE) als Indikator für die Lebersyntheseleistung sind zu empfehlen. Für einige Antibiotika besteht auch die Möglichkeit des Drug-Monitorings, so z.â•›B. Vancomycin und Gentamycin (Frommelt 2004). Ein weiteres Problem stellen Durchfallerkrankungen dar. Diese können entweder aus allgemeinen Einflüssen der Antibiotika auf die Darmflora resultieren oder toxininduziert sein, wie die pseudomembranöse Kolitis durch Clostridium difficile. Die Therapie besteht in der oralen Gabe von Vancomycin bzw. von Metronidazol (z.â•›B. Clont).
15.13 Sonderfälle 15.13.1 Arthrodese Bei Verlust des Streckapparates, bei Patienten mit massiver Immunsuppression, bei i.v.-Drogenabusus, bei massiven Veränderungen der Weichteilsituation oder nach mehreren erfolglosen Revisionsversuchen, bei denen kein funktionstüchtiges Kniegelenk oder aufgrund von Komorbiditäten durch eine neuerliche Prothesenimplantation kein funktioneller Vorteil für den Patienten durch eine neuerliche Prothesenimplantation zu erwarten ist, muss eine Arthrodese diskutiert werden. Nach erfolgreicher Infektsanierung stehen unterschiedliche Verfahren zur Arthrodese des Kniegelenks zur Verfügung:
15.13.1.1 Externe Fusionsverfahren Bei teilweise erhaltenem Kondylenmassiv und Tibiakopf bieten sich externe Fusionsverfahren mittels Fixateur externe (z.â•›B. Ilizarov-Ringfixateur) an. Dabei sollte aus dem knöchernen Defekt insgesamt eine Beinverkürzung von nicht mehr als 4–5â•›cm resultieren.
S. Gravius et al.
Der Vorteil der externen Fusionsverfahren liegt in der Schonung der Weichteile, seiner Korrigierbarkeit und der Vermeidung interner Fremdkörper nach Infekt.
15.13.1.2 Interne Fusionsverfahren Plattenosteosynthese╇ Abhängig von den Zugängen der Voroperationen kann bei der Plattenosteosynthese ein bilaterales Vorgehen oder die Versorgung mit winkelstabilen Implantaten gewählt werden. Vorteilig ist hierbei die exakte Repositionsmöglichkeit durch das offene Vorgehen, nachteilig eine erhöhte Zugangsmorbidität, Probleme mit dem Weichteilverschluss durch auftragende Platten und die möglicherweise spätere MetallentÂ�fernung.
Modulare Stielkopplungssysteme╇ Gerade nach der Entfernung gekoppelter Endoprothesen mit resultierendem ausgedehntem Knochenverlust bietet sich die Implantation modularer Stielkopplungssysteme (z.â•›B. Modulares Arthrodesesystem der Fa. Peter Brehm) an. Die Stielkopplungssysteme werden in der Regel zementfrei eingebracht. Der Vorteil dieser Systeme ist die sofortige Belastungsfähigkeit und durch die Modularität die problemlose Überbrückung großer knöcherner Defektstrecken. Des Weiteren folgen die Systeme den anatomischen Gegebenheiten, so dass die Länge des Knochendefektes exakt ausgeglichen werden kann. Nachteilig bergen die metallischen Implantate die Gefahr eines Infekts bzw. Reinfekts (s. Abb.â•›15.8).
15.13.2 Amputation An eine Amputation sollte gedacht werden, wenn eine Wechseloperation oder eine Arthrodese nicht möglich ist oder wenn Komorbiditäten (schwere Sepsis, schlechter Allgemeinzustand, starke Verwirrtheit) bei
15â•… Septische Knieendoprothesenlockerung
vorliegendem hohem OP-Risiko nur eine einfache und schnelle operative Lösung zulassen. Nach der Amputation sollte eine insgesamt 3-monatige Antibiotikatherapie erfolgen.
15.13.2.1 Suppressionstherapie Gelegentlich verbietet eine Multimorbidität einen operativen Eingriff, da die operative Intervention potentiell das Leben des Patienten beeinträchtigen würde. Hier übersteigen die Gefahren einer operativen Therapie, die alleinig kausal therapierend und lebensrettend sein kann, den zu erzielenden Nutzen. In diesen Fällen ist eine Langzeitantibiose lebenslang zur Suppression der periprothetischen Infektion indiziert. Dies gilt auch für Patienten, die hartnäckig eine operative Therapie ablehnen. Diese Therapie kann im Intervall freigesetzte planktonische Bakterienpopulationen abtöten, sie ist jedoch nicht gegen sessile, im Biofilm integrierte Bakterien wirksam. Eine Suppressionstherapie kann daher nicht zur Infektsanierung führen. Die Langzeitsuppressionstherapie birgt die Gefahr der schleichend verlaufenden Infektion mit ausgedehnter Destruktion der Weichteile und des Knochengewebes. Eine Langzeitantibiose muss aufgrund möglicher Nebenwirkungen sorgfältig abgewogen werden. Die z.â•›T. erheblichen Nebenwirkungen der Antibiotika können einen Abbruch der Therapie erzwingen.
15.13.2.2 Plastisch chirurgische Maßnahmen Die Notwendigkeit einer plastisch-chirurgischen Versorgung ist von der Vorschädigung der Weichteilsituation abhängig. Mehrere Narben in enger räumlicher Zuordnung, atrophe und verhärtete Narbenplatten oder Fistelgänge mit großen begleitenden Weichteildefekten erfordern in der Regel eine plastisch-chirurgische Deckung. Am Kniegelenk stehen hierfür zur Defektdeckung der mediale und laterale Gastrocnemiuslappen oder bei größeren Defekten vaskularisierte muskulokutane oder fasziokutane Lappenplastiken zur Verfügung (s. Abb.â•›15.8).
251
15.14 Ergebnisse und Diskussion Die individuell angepasste Revisionsstrategie bei periprothetischen Infektionen erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit und umfasst eine standardisierte Diagnostik sowie einen stadiengerechten Therapiealgorithmus in Abhängigkeit der Erregerund Resistenzlage des auslösenden Keims, zugrunde liegender Risikofaktoren und dem Infektbeginn in Abhängigkeit vom Implantationszeitpunkt. Es existieren nur wenige wissenschaftliche Arbeiten über die Anwendung verschiedener Therapieverfahren am infizierten Kniegelenk (Bengston u. Knutsen 1991; Segawa et al. 1999; Zimmerli u. Ochsner 2003). Stellvertretend für die verschiedenen therapeutischen Vorgehensweisen ist das einzeitige Vorgehen unter Einsatz von Knochenzementen mit hochdosierten Antibiotikabeimengungen der ENDO-Klinik in Hamburg wie auch das Liestaler Konzept mit abgestuftem, streng einem Algorithmus folgenden kombiniert konservativ-chirurgischen Vorgehen zu nennen. Der propagierte Vorteil des einzeitigen Vorgehens resultiert in der Vermeidung eines zweiten operativen Eingriffes gleicher Größenordnung. Hierin sehen die Inauguratoren des Verfahrens eine deutliche Entlastung der physischen und psychischen Situation der Patienten („quality of life in surgery“) sowie die Grundlage der Verminderung operationsbedingter Komplikationen. Ursächlich hierfür wird der operationstechnisch vereinfachte einzeitige Wiedereinbau der Prothese nach vorheriger Prothesenentfernung und Débridement gegensätzlich zum dem durch Narbengewebe und sekundären Kontrakturen veränderten anatomischen Situs beim zweizeitigen Vorgehen gesehen. Neben einem verbesserten funktionellen Ergebnis werden des Weiteren ökonomische Vorteile des einzeitigen Vorgehens beschrieben (Langlais et al. 2003). Limitiert wird das einzeitige Verfahren durch das Erfordernis einer validen präoperativen Keimidentifikation mit einem Resistenzmuster, das die Anwendung einer hochdosierten topischen Antibiotikatherapie zulässt. Ein präoperativ fehlerhaft geführter Keimnachweis (jede 5. Protheseninfektion bleibt durch die Gelenkpunktion undiagnostiziert; Steinbrink u. Frommelt 1995) kann eine Eradikation des auslösenden Erregers verhindern oder die Entstehung von „Small-colony-variants“-Phänotypen wie auch
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Resistenzentwicklungen induzieren, die bei Infektrezidiv bei fest einzementierten Prothesenkomponenten den Verlust der Extremität durch den erneuten Prothesenausbau bedingen können. Obwohl die Erfolgsraten bei einzeitigem Wechsel mit 83–100â•›% gegenüber mit 73–100â•›% bei zweizeitigem Wechsel vergleichbar sind, favorisieren die meisten Zentren, die sich auf die Behandlung von Protheseninfektionen des Kniegelenkes spezialisiert haben, das zweizeitige Vorgehen (Fehring et al. 2000; Haleem et al. 2004; Zimmerli 1984). Diese Methode wird nicht zuletzt aus forensischen Gründen in den USA fast ausnahmslos angewandt. Bei unklarer Erreger- und Resistenzlage ist eine gezielte topische Antibiotikatherapie nicht einsetzbar. Hier sollte wie auch bei lang andauernden Infekten und Rezidivinfekten sowie bei schwierig zu behandelbaren Keimen ein zweizeitiges Vorgehen bevorzugt werden. Der zweizeitige Prothesenwechsel bietet den entscheidenden Vorteil der Probegewinnung und Keimbestimmung während des Prothesenausbaus, so dass in der folgen prothesenlosen Zeit unter Sicherheit vorgegangen werden kann. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen wurde an unserer Klinik ein interdisziplinäres standardisiertes Diagnostik- und zweizeitiges Therapieregime in Zusammenarbeit mit der Klinischen Mikrobiologie und Infektiologie etabliert (s. Abb.â•›15.2). In einer wöchentlich einmalig stattfindenden „Infektvisite“ werden im interdisziplinären Konsens basierend auf der Erregercharakteristik und der Antibiotikaresistenz unter besonderer Berücksichtigung von Grunderkrankungen und Risikofaktoren von Seiten des Patienten individuelle Behandlungskonzepte festgelegt und im zeitlichen Verlauf modifiziert. Erste Ergebnisse werden in Kürze publiziert.
15.15 Fazit Die Behandlung der periprothetischen Infektion erfordert ein stadiengerechtes individualisiertes Therapieregime. Dies beinhaltet eine standardisierte Diagnostik aus laborchemischen, mikrobiologischen und histopathologischen Verfahren. Die periprothetische Infektion erfordert ein frühzeitiges und aggressives
S. Gravius et al.
kombiniert konservativ-chirurgisches Vorgehen. Hierbei hat sich in einer Vielzahl von Zentren der zweizeitige Prothesenwechsel als Standardverfahren etabliert. Dabei ist als wichtigster Operationsschritt das radikale chirurgische Débridement anzusehen. Eine begleitende Antibiotikatherapie muss mit dem chirurgischen Therapiekonzept abgestimmt und idealerweise im interdisziplinären Konsens zwischen den chirurgischen Fachdisziplinen und dem klinischem Infektiologen festgelegt werden. Antibiotika sollten gemäß dem geführten Erregernachweis sowie den Resistenztestungen und nach den pharmakologischen Eigenschaften bezogen auf die periprothetische Infektsituation ausgewählt werden. Die Elimination nicht wachsender, adhärierter, im Biofilm abgeschirmter sessiler Bakterienspezies ist das Hauptziel der antimikrobiellen Therapie.
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16
Revisionsendoprothetik im Kniegelenksbereich H. R. Merk und H. Spank
Der Wechsel einer Knieendoprothese bringt eine Vielzahl von Problemen mit sich. So sind von Fall zu Fall das Primärimplantat, die Integrität der Weichteile und das vorhandene Knochenlager unterschiedlich (Suarez et╯al. 2008). Um Fehler, die zum Scheitern des Primärimplantates geführt haben zu vermeiden, müssen die hierfür verantwortlichen Ursachen eruiert werden. Grundvoraussetzung für alle Patienten mit gelockerten Primärimplantaten ist das Überprüfen des Vorliegens einer Gelenkinfektion (BSG, CRP, Knochenszintigraphie, Funktion des Gelenks). Eine nicht schmerzhafte, schleichend verlaufende Entzündung manifestiert sich häufig nur in Form einer Implantatlockerung. Einen nicht unwesentlichen Einfluss auf das Ergebnis einer Revisionsoperation hat das Design des Primärimplantats. Sämtliche Gründe für ein nicht infektiöses Fehlschlagen von Knieendoprothesen sind aseptische Auslockerung im Knochenlager, Instabilität des Gelenks, schlechtes Beinalignment und schlechte Komponentenpositionierung (s. Abb.â•›16.5 und 16.6; Hakkalamani et╯al. 2008; Joshi u. Navarro-Quilis 2008; Mountney et╯al. 2008). Die Instabilitätstypen, die nach Knieendoprothesen beschrieben werden, sind folgende: ●⊑ Extensionsinstabilität, ●⊑ Flexionsinstabilität, ●⊑ Rotationsinstabilität, ●⊑ Translationsinstabilität, ●⊑ Genu recurvatum. Recht selten sind präoperative Instabilitätsursachen. Meistens handelt es sich dabei um hochgradige Varus- oder Valgusinstabilitäten aufgrund einer echten
Seitenbandinsuffizienz, knöcherner Deformitäten in hochgradiger AP-Instabilität nach Kreuzbandruptur ohne Degeneration sowie um eine hochgradige Beugekontraktur (Abb.â•›16.1). Intraoperativ verursachte Instabilitäten sind dagegen häufig. Als Ursachen dafür gelten in der Regel eine ungenügende Korrektur präoperativer Deformitäten
Abb. 16.1.╇ Instabile Varusgonarthrose
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_16, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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H. R. Merk und H. Spank Abb. 16.3.╇ Instabiles laterales Seitenband nach Knie-TEP
Abb. 16.2.╇ Subluxierter bikondylärer Oberflächenersatz
infolge eines insuffizienten Weichteilrelease oder einer ungenügenden Knochendefektauffüllung, einer Fehlpositionierung der Komponenten durch ungenügenden Beuge- und Streckspalt, eine femorale Fehlrotation oder die Wahl des falschen Prothesentyps (Hakkalamani et╯al. 2008; Malhotra et╯al. 2008). Selten liegen die Ursachen postoperativ in aufgetretenen KapselBand-Rupturen sowie in einer Lageveränderung des Implantats durch Lockerung oder PE-Abrieb. Als Instabilitätsindikationen zur Revision einer Knietotalendoprothese werden in aller Regel eine mediolaterale Instabilität und Streckung von über 5° sowie eine anteroposteriore Instabilität bei 90° Flexion von mehr als 10â•›mm angesehen (Abb.â•›16.2 und 16.3; Della Valle u. Sporer 2008; Kumar et╯al. 2008).
16.1 Präoperative Planung Beim Durchführen eines Knieprothesenwechsels müssen der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten, vorliegende Gelenkerkrankung sowie die individuellen Bewegungsbedürfnisse des Patienten sorgfältig erfasst werden. Aufgrund der erheblich verlängerten Operationsdauer müssen Patienten, die
für einen Prothesenwechsel in Betracht kommen, grundsätzlich einer umfassenden medizinischen Untersuchung unterzogen werden. Bei jungen aktiven Patienten sollte eher ein Prothesenwechsel als eine Arthrodese in Erwägung gezogen werden. Bei sehr starkem Übergewicht oder in Fällen, in denen empfohlene Aktivitätsbeschränkungen nicht befolgt werden, wird eine Austauschprothese wahrscheinlich wieder früh fehlschlagen. Genaue Beachtung bei der Beurteilung des Kniegelenks im Falle einer anstehenden Revision gilt dem noch verfügbaren Knochen sowie den Weichteilen und der Funktion des Extensionsapparates. Eine Patellasubluxation oder Dislokation in Verbindung mit einer Kontraktur des Streckapparates müssen im Rahmen des Revisionseingriffs ebenfalls angegangen werden. Bei Funktionsunfähigkeit des Extensionsapparats, sei es durch Patellasehnen- oder Quadrizepssehnenruptur oder nach früherer Patellaektomie, ist ein Erfolg einer Revision wenig wahrscheinlich. Beim Versuch, das Knie beim Gehen in Streckstellung zu stabilisieren, würde ein Patient mit insuffizientem Kniestreckapparat das Knie hyperextendieren. Die hierdurch bedingte wiederholte Belastung des Kniegelenks dehnt dann die hintere Kapsel, was zu einer weiteren Instabilität und schließlich zu einer Lockerung der Endoprothese führen würde.
16�╅ Revisionsendoprothetik im Kniegelenksbereich
Aus diesem Grunde kommt ein Patient mit einem insuffizienten Extensionsapparat für einen Totalendoprothesenwechsel grundsätzlich nicht in Frage (Bal et╯al. 2008; Nakasone et╯al. 2008). Schwierig kann es unter Umständen sein, klinisch sicher zwischen einer Insuffizienz der Kollateralbänder und einer durch eine chronische Implantatlockerung bedingten Instabilität zu unterscheiden (Abb. 16.3). In der Regel ist das vordere Kreuzband ja meistens entfernt, das hintere Kreuzband kann vorhanden oder ebenfalls reseziert sein. Die Tendenz zu einer posterioren Subluxation der Tibia in Relation zum Femur lässt eine Insuffizienz des hinteren Kreuzbandes vermuten. Beim Einsetzen einer Tibiakomponente mit einer höheren Dicke als 16â•›mm beim Primäreingriff ist in der Regel das hintere Kreuzband durch die Prothese substituiert worden. Von essentieller Bedeutung für Revisionsoperationen sind die Mobilität und die Qualität der das Kniegelenk bedeckenden Haut und Weichteile (Klein et╯al. 2008; Kumar et╯al. 2008). Frühere Schnittführung und Hauttransplantate oder Muskellappenplastiken können zu Schwierigkeiten bei der operativen Exposition des Kniegelenks und dann auch zu Wundheilungskomplikationen führen. Hier sollte in schwierigen Fällen evtl. ein plastischer Chirurg konsultiert werden. Knochendefizite stellen im Rahmen einer Revisionsoperation nicht selten ein Problem dar (Duffy u. Brodersen 2008; Malhotra et╯al. 2008; Malkani 2008). Um das Ausmaß der Rekonstruktion und auch den in Frage kommenden Prothesentyp festlegen zu können, sollte das vorhandene Knochenlager nach den präoperativen Röntgenbildern beurteilt werden. In der Regel stellt sich das Ausmaß des Knochenverlustes intraoperativ größer dar als auf den präoperativen Röntgenbildern zunächst vermutet werden konnte. Knochenfrakturen im Bereich der Metaphysen sind nicht ungewöhnlich und entstehen durch die ständige Belastung einer gelockerten Prothese bei mangelhaftem Knochenlager. In Fällen fragwürdiger Frakturheilung sollten präoperativ Computertomogramme des Bruchbereichs angefertigt werden. Um auf die unterschiedlichen intraoperativen Situationen vorbereitet zu sein, sollten entsprechende Prothesenmodelle vorhanden sein. Der modulare Aufbau moderner Systeme gestattet es, die meisten Infekt- und Instabilitätsprobleme sicher zu lösen (Malkani 2008; Sherman et╯al. 2008). Eine präoperative gründliche Planung ist zwingend notwendig.
257
Abb. 16.4.╇ Z. n. Explantation Knie-TEP mit Femurdefekt
Hierbei sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden (Abb.â•›16.4): ●⊑ Technik der Exposition, ●⊑ Entfernung der alten Prothese mit Zement und fibrösen Membranen, ●⊑ die Wiederherstellung des Knochenlagers und der Gelenklinie, ●⊑ das Weichteilbettdesign, ●⊑ die Implantatwahl, ●⊑ liegende Hüft-TEP oder Nagelung, ●⊑ Wundverschluss und die postoperative Rehabilitation.
16.2 Operative Exposition Der operative Zugang und das Erfordernis einer primären komplikationslosen Wundheilung spielen schon beim Ersteinsatz einer Knieendoprothese eine wichtige Rolle. Bei der Knierevision kann der Zugang sogar von entscheidender Bedeutung sein.
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16
16.2.1 Hautschnitt Es empfiehlt sich in nahezu allen Fällen die Wiederverwendung der primären Hautinzision. Bei Kniegelenken mit mehreren Hautnarben besteht die Gefahr einer postoperativen Beeinträchtigung der Durchblutung im verbleibenden Hautlappen. (s. Abb.â•›16.5) Prinzipiell erscheint es günstiger, vorhandene Narben in den Schnitt mit einzubeziehen als Weichteillappen zu unterminieren. Es ist jedoch auf eine exakte Präparation zu achten, sollte dies einmal zwingend erforderlich sein. Weichteillappen müssen in voller Stärke erhalten bleiben. Um die Hauptdurchblutung nicht zu kompromittieren, sollte die Muskelfaszie möglichst an der subkutanen Fettschicht verbleiben. Kurze Schnitte sind am Kniegelenk immer gefährlich. Der versierte Operateur zeichnet sich am Kniegelenk nicht durch kurze Schnitte aus. Dies gilt bei der Primäroperation und bei der Revision. Eine kurze Schnittführung provoziert Haut- und Weichteilprobleme durch eine vermehrte Hautspannung sowie durch unnötigen Hebeldruck und Hakenzug während des Eingriffs. Bei einer genügend langen Inzision gleiten die Weichteile im Zuge der Kniebeugung schon nach dorsal. Ist jedoch einmal eine neue Inzision angezeigt, muss der Abstand zum Hautschnitt der Primäroperation mindestens 10â•›cm betragen, um die Gefahr einer Hautnekrose zu mindern. Müssen Narben überquert werden, so reduziert ein Kreuzungswinkel von 60° und mehr die feine Wundrandnekrose. Eine genaue Beurteilung der Hautsituation und die bestmögliche Vermeidung von Wundproblemen sind im Rahmen einer Knierevision unerlässlich, da Wundprobleme unweigerlich zu
Abb. 16.5.↜╇ Hautdefekt nach Knie-TEP
H. R. Merk und H. Spank
einer Infektion führen und weitere Komplikationen nach sich ziehen können. Eine spannungsfreie Haut ist am Knie von besonderer Bedeutung und Entlastungsschnitte haben sich bewährt (Della Valle u. Sporer 2008).
16.2.2 Arthrotomie und Gelenkdarstellung Die anteromediale Arthrotomie bietet sich auch für die Revisionschirurgie als standardmäßiger Zugang an. Wurde dieser Zugang bereits bei der Primäroperation verwendet, sollte auch die Revisionsarthrotomie entlang dieser Erstschnittführung verlaufen, um keine weiteren Durchblutungsstörungen der Weichteile, der Quadrizeps- und der Patellasehne zu provozieren. Am medialen Patellarand sollte ein gut 5â•›m m breiter Kapselstreifen erhalten bleiben, um am Ende der Operation einen sicheren Wundverschluss zu gewährleisten. Die Rektussehne kann leicht lateral ihrer medialen Begrenzung indiziert werden. Dies erleichtert die spätere Naht. Zur Gelenkdarstellung hatte sich gerade bei der Sekundäroperation ein weites subperiostales Ablösen der Weichteile an der medialen proximalen Tibia mit weichen Anteilen des Pes anserinus bewährt. Hierdurch gewinnt man einen guten primären Überblick über das Gelenk. Danach erfolgt die Darstellung des lateralen Gelenkkompartiments nach dorsal. Der Hoffafettkörper bleibt dabei bestmöglich verschont. Je nach Situation wird anschließend eine Synovialektomie durchgeführt. Ist für den Prothesenwechsel eine posterior stabilisierende Komponente vorgesehen, so empfiehlt es sich, das hintere Kreuzband frühzeitig zu resezieren. Die Tibia kann so besser nach ventral subluxiert und die hintere Region des Kniegelenks besser eingesehen werden. Mit einem 90° gebogenen Raspartorium wird nun die dorsale Kapsel vom Tibiaplateau scharf abgelöst. Erforderlich im Hinblick auf die Subluxation von der Tibia und zur Behebung einer Kniebeugekontraktur ist jedoch das femorale Inzidieren der Weichteilnarbe. Diese wird dabei in ihrer Gesamtheit mit einem geraden oder 20° bis 30° gebogenen Raspartorium nach kranial abgeschoben. Die quere Inzision der dorsalen Narbenplatte muss nur ganz behutsam und unter dem Schutz einer gekrümmten Rinne erfolgen. Besonders hilfreich kann hierbei eine gebogene Overhold-Klemme sein. Noch
16�╅ Revisionsendoprothetik im Kniegelenksbereich
mehr als bei der Primäroperation muss beim Revisionseingriff auf die großen basalen Gefäße und Nerven, die Kniegefäße selbst und den Nervus peroneus Rücksicht genommen werden. Bei der dorsalen Manipulation empfiehlt sich die Beibehaltung der Beugestellung im Gelenk, da dabei die entsprechenden Strukturen weiter nach hinten ausweichen können (Joshi u. Navarro-Quilis 2008; Sah et╯al. 2009).
16.2.3 Eversion der Patella Die Eversion der Patella ohne Abriss der Patellasehne nach Durchführung der Arthrotomie ist oft schwierig. Das Knie ist nach der vorangegangenen Endoprothesenoperation oft mit Narbengewebe und verdickter Synovia mit zystozytärer Reaktion ausgefüllt. Die Exposition wird durch eine systematische Exzision des Narbengewebes mit Mobilisation der Gelenkkapsel möglich, ohne den Ansatzpunkt der Patellasehne einer zu starken Spannung auszusetzen. Ein sorgfältiger Schutz bei der Exzision des Granulationsgewebes gilt den Kollateralbändern und dem Extensionsapparat. Ist die Patella evertiert, kann das Gelenk gebeugt werden. Dabei ist auf die Insertionsstelle der Patellasehne an der Tuberositas tibiae sorgfältig zu achten. Lässt sich die Patella umklappen, jedoch das Kniegelenk anschließend nicht ausreichend beugen, so hilft in der Regel eine Verlängerung des Schnittes nach proximal in die Rektusmuskulatur. Ein weiteres Weichteilrelease ist erforderlich, wenn trotz dieser Maßnahme noch eine Tendenz der Patella zur Ablösung im Ansatzbereich festgestellt wird. Hierzu wird der tiefe Kapselanteil des medialen Kollateralbandes von der Tibia gelöst. Dieses Release beginnt in Höhe der anterioren Arthrotomie und wird nach posterior fortgesetzt. Bei Bedarf schließt es die Ansatzstelle des Muskulus semitendinosus an der Tibia mit ein. Dadurch werden die externe Rotation der Tibia sowie eine verminderte Spannung des Extensionsapparates ermöglicht. In der Regel reicht diese Kombination aus Extension des Narbengewebes und Weichteilrelease aus, um die Kniescheibe spannungsfrei zu evertieren. Sollte dies nicht gelingen, kann das Kniegelenk auch alternativ ohne Evertierung der Kniescheibe gebeugt werden und diese dabei soweit nach lateral luxiert werden, dass die Femurkomponente entfernt werden
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kann. Anschließend ist die Spannung des Extensionsapparates dann meist so verringert, dass die Patella mühelos evertiert werden kann. Andere Maßnahmen zur Evertion des Kniegelenks sind inadäquat und es sollten verschiedene Alternativen überlegt werden: Das laterale Release des Quadrizepssnip, ein proximales Turn down des Extensionsapparates sowie eine Osteotomie der Tuberositas tibiae mit der Ansatzstelle des Ligamentum patellae. Durch das laterale Release kommt es zu einer Befreiung der Kapseladhäsion von der Patella. Bei leichteren, weniger kontrakten Situationen genügt diese Maßnahme. Sie empfiehlt sich auch dann noch, wenn bei der Primäroperation schon ein laterales Release durchgeführt wurde. Beim Quadrizepssnip handelt es sich um eine quere Inzision der Rektussehne in ihrem proximalen Anteil. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme ist in der Regel jedoch begrenzt. Das Turn down des Extensionsapparates stellt eine Modifikation des Coons-AdamsZugangs dar. Dieses Release besteht in einer schrägen Inzision über die Sehne des Musculus rektus femoris nach distal zum Muskelbauch des Musculus vastus lateralis. Ist die Spannung proximal verringert, so kann die Patella sicher herausgedreht werden. Unter Umständen kann eine VY-Plastik durchgeführt und so der Extensionsapparat verlängert werden. Bei Anwendung dieses Zugangs sollte eine aktive Extension für einen Zeitraum von 8 postoperativen Wochen möglichst vermieden werden, um den Heilungsvorgang der Sehne nicht zu beeinträchtigen. Bei der Gewährleistung einer guten Übersicht einer Knierevisionsoperation liegt die größte Schwierigkeit jedoch meist nicht in der proximalen, sondern in erster Linie in der distalen Narbenbildung. Deshalb erscheint es logisch, vor allen Dingen ein distales Release vorzunehmen. Eine Osteotomie der Tuberositas tibiae ist in diesem Fall sehr zu empfehlen. Die Osteotomie erfolgt am innenseitigen Zugang von medial mit dem Osteotom und der oszillierenden Säge. Die Tuberositas tibiae sollte hierbei nur nach innen geklappt und keinesfalls vollständig abgelöst werden. Es ist darauf zu achten, dass das laterale Periost, die hier liegende Muskulatur und auch damit die vasale Versorgung intakt bleiben. Die spätere osteosynthetische Refixation erfolgt durch hinterdrehte Schrauben und Drahtcerclagen. Eine ausgedehnte Osteotomie der Tuberositas tibiae verringert die Spannung des Extensionsapparates. Diese Technik gewährleistet eine vorzügliche Exposition des Kniegelenks, schwächt aber den anterioren kortikalen Kno-
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chenrand als Tragstütze der Prothese. Im Falle einer deutlichen Ausdünnung des anterioren Tibiakortexes nach mehreren Revisionen kann eventuell nur wenig Knochen für die Fixation der Osteotomie übrig bleiben. Die Osteotomie der Tuberositas tibiae zur Gelenkexposition wird am besten bei Patienten angewendet, die eine zementfrei verankerte Tibiakomponente erhalten sollen (Duffy u. Brodersen 2008; Hakkalamani et╯al. 2008; Suarez et╯al. 2008).
16.3 Vorgehen bei ausgeprägter Valgusfehlstellung und kontraktem Kniegelenk (Abb.â•›16.5 und 16.6) Eine Valgusfehlstellung vor allen Dingen in Kombination mit einer erheblichen Kontraktur stellt ein besonderes Problem dar (Abb. 16.6). Hier sollte ein lateraler parapatellarer Zugang in Erwägung gezogen werden. Im Gegensatz zum Primäreingriff ist die Schnittführung im Revisionseingriff nicht erforderlich. Beim Zweiteingriff einer Kniegelenksendoprothese mit modularem Tibiaimplantat kann das Polyethylen häufig frühzeitig entfernt und dadurch ein guter Überblick erlangt werden. Es empfiehlt sich die Ablösung des iliotibialen Bandes vom Schienbeinkopf, bei Valgus-
Abb. 16.6.╇ Valgusfehlimplantation bikondylärer Oberflächenersatz
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fehlstellung kann das Abschieben des lateralen Seitenbandes vom Femurkondylus erforderlich werden. Bei vorbestehender Kontraktur muss das iliotibiale Band auch noch 2 bis 3 Querfinger oberhalb der Gelenkfläche durchtrennt bzw. verlängert werden. Bei starken Fehlstellungen und sehr kontraktem Kniegelenk wird mitunter auch eine Ablösung beider Kollateralbänder erforderlich, um die Fehlstellung genügend zu korrigieren und einen ausreichenden Zugang zum Gelenk zu ermöglichen. Vor allem bei recht alten Patienten hat sich in diesen Fällen das Einsetzen einer gekoppelten Prothese bewährt (Bal et╯al. 2008).
16.4 Explantation der Prothese Im Anschluss an die Exposition des Kniegelenks wird die alte Prothese entfernt, was bei bestehender Lockerung im Allgemeinen auch relativ leicht gelingt. Zuerst erfolgt der Ausbau der Femurkomponente, anschließend das Tibia- und Patellaimplantat. Weitaus schwieriger gestaltet sich hingegen der Ausbau einer nicht gelockerten, noch fest sitzenden Prothese. Beim Entfernen der Femurkomponente wird stets eine gute Darstellung der Tibia gewährleistet. Ist das Femurimplantat entlang der kondylären Oberflächen freigelegt, kann es in der Regel ohne Mühe ausgeschlagen werden. Es ist jedoch vor dem Versuch der Komponentenentfernung entscheidend, die Prothesen-KnochenGrenze soweit wie möglich freizulegen, ohne dabei auf der anderen Seite Knochensubstanz zu opfern. Elegant ist die Entfernung der Prothesen-ZementKnochengrenzschicht mit einer Gigli-Säge. Sie kann jedoch auch mit einem flachen Meißel erfolgen. Einige Prothesenfirmen bieten inzwischen auch Halteeinrichtungen an, die auf das Femurstück aufgespannt und dann eine Lösung des femoralen Implantats mit Hammerschlägen ermöglichen. Steht ein solches Instrument nicht zur Verfügung, so kann die metallische Stufe auch mit einem Stößel von kranial gelockert werden. Bei diesen Techniken ist jedoch unbedingt darauf zu achten, dass die Prothesenhinterfläche bereits vollständig am Knochen gelöst ist. Gerade im Fall einer zementfreien Prothese kann sonst bei ihrem Herausschlagen ein großer Teil der Femurkondylen mitgerissen werden (Della Valle u. Sporer 2008; Duffy u. Brodersen 2008; Sah et╯al. 2009). Weitaus
16�╅ Revisionsendoprothetik im Kniegelenksbereich
schwieriger gestaltet sich meistens der Ausbau einer gut sitzenden Tibiakomponente. Die Darstellung der gesamten proximalen Tibia ist notwendig, um einen optimalen Zugang zur Implantat-Zement-Grenze zu erlangen. Die Exzision des posterioren Kapselnarbengewebes mit der hypertrophen Synovia hilft bei der Mobilisation der Tibia. Ein mediales Kapselrelease ermöglicht eine Außenrotation des Unterschenkels und damit den Zugang zum medialen Anteil des Implantats. Anschließend kann das Tibiaplateau mit einem flexiblen Osteotom von medial in lateraler Richtung vor und hinter dem Verankerungsschaft freigelegt werden. Bei qualitativ guter Knochensubstanz und nicht porös beschichtetem Verankerungsschaft ist nun leicht ein Abhebeln der Komponente möglich. Lockert sich der Tibiaschaft jedoch nicht, so kann die Prothese nicht sicher ausgebaut werden. Es sei denn, der Schaft verjüngt sich nach kaudal und ist nicht porös beschichtet. Handelt es sich um einen Kunststoffschaft, kann dieser durchtrennt und das Tibiaplateau anschließend separat abgetrennt werden. Erst dann wird der Schaft freigelegt und ebenfalls entfernt. Besteht die Tibiakomponente samt Schaft aus Metall, so muss ein Zugang zum Schaft geschaffen werden. Im Falle eines Austauschs der tibialen Komponente für das hintere Kreuzband kann der Zugang durch diese Lücke versucht werden (Malhotra et╯al. 2008; Mountney et╯al. 2008; Sah et╯al. 2009). Sind die medialen, lateralen und posterioren Bereiche des Schaftes freigelegt, gelingt die Extraktion dann im Allgemeinen problemlos. Wenn die Tibiakomponente jedoch keinen Zugang zum Schaft erlaubt, sollte ihr medialer Anteil bis zum Schaft mit einer Diamantfräse abgetrennt und der Verankerungsstiel damit zugänglich gemacht werden. Bei langen zementierten Stielen sollten sowohl der mediale als auch laterale Bereich durch Abtrennen beider Frakturhälften freigelegt werden. Alternativ kann auch über ein Knochenfenster der Tibia der Versuch unternommen werden, mit einem Stößel das Tibiaplateau retrograd herauszuschlagen. Im Anschluss an die Entfernung der Femur- und Tibiakomponente sollten dann die Zementreste und die darunter liegende bindegewebige Membran sorgfältig auskürettiert werden. Bei Planung einer zementierten Austauschprothese können im Falle einer aseptischen Lockerung sicher fixierte Zementreste durchaus auch
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Abb. 16.7.↜╇ Femoral überdimensionierter bikondylärer Oberflächenersatz
in situ bleiben. Falls der alte Zement dabei angeraut wird, kann sich der neu eingebrachte Zement besser mit ihm verbinden. Schließlich erfolgt die Reinigung des Knochens mit einer Druckspülung (Jet-Lavage), um sämtliche Gewebetrümmer zu entfernen und verbliebene Zement- und Gewebereste erkennen zu können. Eine ähnliche Vorgehensweise besteht bei Scharnierprothesen. Hier ist jedoch entscheidend, dass sich der Operateur vor dem Eingriff über den Entkopplungsmechanismus der tibiofemoralen Verbindung die notwendigen Informationen verschafft. Ist der Zugang an der intramedullären Stielfixierung nicht möglich, sollte eine Deckelung des Knochens erfolgen. Hierbei ist darauf zu achten, dass der jeweilige Knochendeckel wenn irgend möglich auf einer Seite noch eine periostale Durchblutung erhält (Abb.â•›16.7; Duffy u. Brodersen 2008; Kurtz et╯al. 2009).
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Abb. 16.8.↜渕 a╇ Nex Gen LCCK a. p. b Nex Gen LCCK seitlich
16.5 Alignment und Jointline Ist die Entfernung der alten Prothese sowie des restlichen Zements erfolgt, wird die Implantation der Austauschprothese vorbereitet. Durch die Resektion des distalen Femur und der proximalen Tibia wird das spätere korrekte Bein-Alignment bestimmt. Hier sollte es das Ziel sein, über die Primärimplantation die mechanische Beinachse zu konstruieren. Ähnlich wie bei Ersteingriffen kann das ProthesenAlignment mit Hilfe intramedullärer Ausrichtungssysteme ermittelt werden. So können die femoralen Epikondylen dabei, wie bei Primäroperationen, als Rotationsreferenz dienen. Beim Revisionseingriff wird der Führungsstab so ausgerichtet, dass möglichst nur wenig zusätzlicher Knochen reseziert werden muss. Hierbei sollte am distalen Femur medial und lateral genügend stabiles Knochenmaterial stehen bleiben, so dass die Austauschprothese in korrekter Orientierung eingesetzt werden kann. Wenn das Ausmaß eines Knochenverlusts stark asymmetrisch ist, würde eine weitere Abtragung knöcherner Anteile auf der prominenten Seite unnötig gesunde Areale opfern, um schließlich beide Seiten aneinander anzupassen. In diesem Falle sollte entweder ein dickeres Implantat oder ein Knochen-
transplantat zur Anwendung kommen. Der proximale Tibiaschaft sollte senkrecht zur mechanischen Achse in der Frontallinie liegen (McLaughlin u. Lee 2008; Sim et╯al. 2009). So können intra- oder extramedulläre Führungssysteme verwendet werden. Ähnlich wie bei der Resektion des Femurteils bleibt es das Ziel, möglichst wenig zusätzlichen Knochen proximal abzutragen, so dass zur Unterstützung der Prothese ein gleichmäßiger kortikaler Rand medial und lateral erhalten bleibt. Die sagittale Orientierung der Resektionsebene an der Tibia hängt vom Implantat ab, das für den Austausch vorgesehen ist (s. Abb.â•›16.8a, b).
16.6 Defektsanierung bei Wechsel einer Operation (Abb.â•›16.8, 16.9, 16.10 und 16.11) Im Rahmen von Revisionsoperationen bei Knieendoprothesen sind fast immer zentrale Knochendefizite vorhanden (s. Abb.â•›16.9). Dieser Knochenverlust kann prinzipiell aufgefüllt werden durch homo- und heterogene Transplantate, alloplastische Transplantate, modulare Metallkeile sowie individuell maßangefertigte
16�╅ Revisionsendoprothetik im Kniegelenksbereich Abb. 16.9.↜╇ Z. n. Explantation Knie-TEP mit Femurdefekt
Implantate (Abb.â•›16.8a, b und 16.11a, b). Dabei hängt die Technik der Defektauffüllung vom Ausmaß der Knochenzerstörung und seiner Lokalisation, von der Lebenserwartung und den individuellen Ansprüchen der Patienten sowie den Erfahrungen des Operateurs ab. Gerade nach Hemischlittenoperationen liegen nicht selten massive knöcherne Defekte vor, die nur durch einen Aufbau zu überbrücken sind, der die Situation zufrieden stellend mit einem Metallkeil stabilisiert. Natürlich ist in ähnlicher Art und Weise ein Aufbau mit Bankknochen möglich (Malhotra et╯al. 2008). Hierbei bietet sich sogar der Vorteil, dass er individuell auf den Defekt zugeschnitten werden kann, wie es teilweise bei vorgefertigten Metallkeilen der Fall ist. Beginnend wird der Knochendefekt sorgfältig gesäubert und angefrischt, wobei darauf zu achten ist, dass auch der kortikale Bereich im Grund des Defekts mit einigen Bohrungen perforiert wird. Nun wird ein Allograft aus der Knochenbank zunächst grob zurechtgeschnitten und angepasst. Dieser Knochen wird in den Defekt eingebracht und mit Kirschnerdrähten zunächst temporär fixiert. Anschließend erfolgt die Zuschneidung des Allografts so, dass das tibiale Implantat plan aufliegt.
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Nach Einzementieren der Prothese und stabiler Verankerung des Allografts können die Kirschnerdrähte dann wieder entfernt werden. Überstehende Anteile werden mit der oszillierenden Säge abgetragen. Wenn eine klinisch relevante ligamentäre Instabilität vorliegt, muss nach dem knöchernen Aufbau eine stärker geführte Endoprothese eingesetzt werden. Falls im Rahmen eines Knieendoprothesenwechsels ein derartiges Vorgehen erforderlich wird, sollten immer zusätzlich intramedulläre Femurstiele verwendet werden. Auf eine Spezialprothese muss in Einzelfällen bei massiven knöchernen Destruktionen zurückgegriffen werden (Abb.â•›16.12). Gerade bei gelockerten Scharnierprothesen liegen intraoperativ oftmals erhebliche Knochendefekte vor. In solchen Fällen lassen sich längere Defektstrecken durch Spezialimplantate überbrücken. Bei gutem Restknochen sind diese unter Umständen sogar noch zementfrei einzubringen. Da bei derartigen Implantaten keine sichere Fixierung der Tuberositas tibiae erfolgen kann, wird der Schaftteil der Prothese mit einem Spezialschlauch überzogen. Nach Reposition wird der Streckapparat mit nicht resorbierbarem Fadenmaterial verankert. Der knöcherne Restanteil der Tuberositas tibiae kann so sicher refixiert werden. Sehr wichtig für die Restitution der Funktionalität ist die Bestimmung der Gelenkposition. Diese beeinflusst ebenfalls die Wahl der Implantatdicke. Bei der Wiederherstellung der Gelenke sind Frontal-, Transversal- und Sagittalebene zu beachten. Im Grunde muss jedes Kniegelenk individuell bewertet werden. Intraoperativ sind jedoch verschiedene Orientierungshilfen wichtig. In der Frontalebene sind für den distalen Schnitt am Femur in diesem Zusammenhang zu nennen: Bandansätze, Fibulaköpfchen, Patellaspitze (Hendrix et╯al. 2008; Joshi u. Navarro-Quilis 2008). Intraoperative anatomische Orientierungsrichtlinien in der Sagittalebene existieren nicht. Die einzige Möglichkeit der Eröffnung und der Ausrichtung bieten hier die präoperativen Röntgenaufnahmen. Intraoperative Orientierungshilfen in der Transversalebene sind am schwierigsten, da sie präoperativ nicht zu bestimmen sind. Hier handelt es sich um die epikondyläre Achse und die Whiteside-Linie. Es sind keinerlei Landmarks mehr vorhanden, so muss nach der Flexions-/Extensions-Intervalltechnik vorgegangen werden. Weichteildefekte dürfen knöchern nicht korrigiert werden. Letztlich sollte die Wahl der Komponentendicke von der Lage der Gelenklinie und der Weichteilspannung im Bewegungsbereich abhängen. Diese sollte in Ab- und Adduktion sowohl bei voller Streckung als auch bei 30°, 40° und 90° Flexion des Kniegelenks bestimmt werden.
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Abb. 16.10. a↜╇ Femurtotalersatz, distales Femur b Femurtotalersatz, distales Femur, seitlich c Femurtotalersatz, proximales Femur, a. p. d ACS SC Implantcast a. p. e ACS SC Implantcast seitlich
16�╅ Revisionsendoprothetik im Kniegelenksbereich
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Abb. 16.11. a↜╇ Femurtotalersatz, Tibia b Femurtotalersatz, Tibia seitlich
16.7 Weichteilbalancing
Abb. 16.12.↜╇ Mutars KRI a. p.
Implantatgröße und Herstellung einer adäquaten Weichteilspannung hängen voneinander ab und müssen somit auch aufeinander abgestimmt werden. Dabei sollte das gewählte Implantat soweit möglich die proximale Tibia mit ihrem kortikalen Rand bedecken. Eine Möglichkeit zur korrekten Bestimmung der Prothesengröße ist der Vergleich mit dem gegenüber liegenden Kniegelenk, wenn dies nicht bereits ersetzt wurde. Sollte dies nicht möglich sein, muss die Implantatgröße intraoperativ gestellt werden. Genutzt werden kann hierbei eine Messung des verbliebenen Knochens in frontaler, medialer und sagittaler AP-Ebene. Anschließend werden Femur und Tibia in voller Streckung auseinandergezogen, dann wird die Extensionslücke, anschließend die Flexionslücke in 90° Beugung des Kniegelenks bestimmt. Diese Prozedur hat zum Ziel, die Schaffung einer gleichen Flexions- und Extensionslücke zu erreichen, um die Korrektur der Gelenklinienposition sowohl die optimale Anpassung des Implantats an den noch vorhandenen Restknochen zu erzielen. Neuere modulare Implantatsysteme können intraoperativ entsprechend den Erfordernissen, zusammengesetzt Augmentation sowohl Desinseration, hinzugefügt werden (Kumar et╯al. 2008).
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Abb. 16.13a, b.↜╇ Deformierte Patella
16.8 Prothese – Stabilisierungsgrad und Verankerung (Abb.â•›16.12 und 16.13a, b) In entscheidendem Maße hängt die Wahl des erforderlichen Grades der Implantatkopplung vom Zustand der noch vorhandenen Weichteile und der Möglichkeit ab, wieder eine adäquate Weichteilspannung herstellen zu können. Hier sollte grundsätzlich ein möglichst gering gekoppelter Prothesentyp gewählt werden. Scharnierprothesen sollten nur noch bei sehr alten Patienten mit insuffizientem Bandapparat zum Einsatz kommen. Es sollten eher zentral geführte Kunstgelenke verwendet werden. Vor allem bei Kniegelenken mit starkem Knochenverlust muss zur Gewährleistung einer sicheren Verankerung ein intramedullärer Schaft im gesunden Knochen gewählt werden. Bei modularen Prothesensystemen besteht die Möglichkeit, auch im Zuge von Revisi-
onsendoprothesen die Prothesenschäfte im Press-fitVerfahren zu verankern. So ist die Belastung eines zementierten Schaftes jedoch im Bereich der gesamten Schaftlänge vergleichsweise geringer (Della Valle u. Sporer 2008; Duffy u. Brodersen 2008). Intraoperativ werden nach Lagekontrolle der Prothesenkomponenten und Entfernung des Polyethyleninlays Femur und Tibia soweit voneinander distrahiert, bis beide Seitenbänder gestrafft sind. In Streckung bei angespannten Bändern wird die Achsausrichtung geprüft. Danach sind die Kongruenz und Symmetrie zwischen Beugung und Streckung zu kontrollieren. Sollten Instabilitäten bestehen, wird durch entsprechendes Weichteilrelease versucht, den Kapsel-Band-Apparat in Beugung und Streckung auseinander auszubalancieren. Weichteilrelease bedeutet hier auf keinen Fall eine quere Durchtrennung der Kapsel-Band-Strukturen, sondern ein subperiostales Desinserieren, so dass längszugstabile Strukturen auf verändertem Spannungsniveau in ihren anatomischen Nachbarbeziehungen resultieren. Zum Konzept der schritt-
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weisen Prothesenkopplung ist zu sagen, von der intraoperativen Stabilitätsdiagnostik nach erfolgtem Weichteilrelease wird abhängig gemacht, welche Art von Prothese implantiert wird. Die Indikation für eine ungekoppelte Prothese ist dann gegeben, wenn das Gelenk nach Einbringen des Probeinlays mit oder ohne Wechsel von Teilkomponenten in AP-Richtung sowohl in Beugung als auch in Streckung stabil ist, wenn es in mediolateraler Richtung Stabilität und Streckung zeigt und in Beugung innenseitig stabil ist. Lateral ist ein erstgradiges Lift off als physiologisch anzusehen. Die Indikation für die Verwendung posterior stabilisierende Prothesen ist erst dann gegeben, wenn die AP-Stabilität deutlich größer als 5â•›m m ist und in mediolaterale Richtung zumindest das innere Seitenband weitgehend stabil imponiert. Lateral kann eine erstgradige Instabilität toleriert werden. Die interkondylär stabilisierenden Prothesen werden notwendig, wenn zusätzlich zu einer a.â•›p.- eine erhebliche mediolaterale Instabilität hinzukommt. Um eine ausreichende interkondyläre Führung des Polyethylenzapfens bei allen Gelenkstellungen sicherzustellen, sollte die Differenz zwischen Beuge- und Streckspalt nicht größer als 1,5â•›cm sein. Die Verwendung voll gekoppelter Prothesen halten wir dann für erforderlich, wenn neben einer hochgradigen Instabilität eine Differenz zwischen Beuge- und Streckspalt von über 1,5â•›cm vorliegt (Hauptmann et╯al. 2008; Klein et╯al. 2008).
16.9â•… Kniescheibe und Streckapparat (Abb.â•›16.14) Problematisch kann im Rahmen einer Revisionsoperation einer Knieendoprothese die Behandlung des Streckapparates und der Patella werden. Hier ist zunächst zu entscheiden, ob der Patellarückflächenersatz, sofern vorhanden, ausgetauscht werden muss. Ein gelockertes Patellaimplantat, das zudem unter Umständen auch Verschleißspuren auf dem Kunststoff aufweist, sollte ausgewechselt werden. Ferner hängt die Entscheidung zur Revision des Implantats davon ab, wie seine Kongruenz zur Femurkomponente geschaffen ist, von der Patellaführung, der Symmetrie des Patellarückflächenersatzes und dem noch vorhandenen Knochenlager der Kniescheibe.
267 Abb. 16.14.↜╇ Gelockerter unikondylärer medialer Schlitten
Die meisten Kniegelenke entwickeln im Laufe der Zeit eine bindegewebige Hülle um die Peripherie der kuppelförmigen Kniescheibe. Die Führung zwischen der Patella mit diesem Bindegewebssaum und der Femurrevisionskomponente ist in der Regel gut, so dass die ursprüngliche Kniescheibe nicht revidiert werden muss. Sollte eine Subluxationstendenz der Kniescheibe nach außen bestehen, kann ihre Führung durch ein laterales Release des Retinakulums und vereinzelt auch eine Verlagerung des Musculus vastus medialis korrigiert werden. Liegt hier auch eine deutliche Asymmetrie der Implantatposition auf der Patella vor, kann in der Regel keine zufrieden stellende Patellaführung mehr erzielt werden, was eine Revision auch dieses Implantats erforderlich macht (Joshi u. Navarro-Quilis 2008; Mountney et╯al. 2008). Die entscheidende Grundvoraussetzung für eine Revision der Patellaprothese ist in erster Linie eine genügend verbliebene gesunde Knochensubstanz. Bei der natürlichen Kniescheibe herrscht eine Zugbelastung auf der ventral, eine Kompressionsbelastung auf der dorsal artikulierenden Seite. Da nach Resektion der Patellarückfläche die Kompressionsseite fehlt, resultiert eine Biegebelastung der Restpatella. So ist insbesondere bei dem zentralen Verankerungszapfen eine Fraktur zu beobachten und zwar umso häufiger, je
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Abb. 16.15.↜╇ Materialbruch
dünner der Restknochen ist. Zusätzlich wird die Situation schwieriger, wenn Patellaimplantate als Inlay mit großem Zapfen verankert sind. In diesen Fällen erscheint die Patellaektomie häufig günstiger als das Belassen der Patella (Klein et╯al. 2008; Kumar et╯al. 2008). Aus all diesen Gründen ist die Schonung der Knochensubstanz während der Entfernung des Patellarückflächenersatzes sehr wichtig. Normalerweise bleibt ausschließlich ein zentraler konkaver Knochendefekt zurück. Dieser stellt dann häufig ein Problem für die Verankerung eines neuen Patellarückflächenersatzes mit zentralen Befestigungsstiften dar. Sollte der verbliebene Patellaknochen dicker als 20â•›m m sein, kann er nachreseziert werden, um eine flache Patellarückfläche zu erhalten. Bei konkaven Knochenaushöhlungen mit nur noch 10–15â•›m m dickem verbliebenem Restlager ist unter Umständen die Verwendung einer bikonvexen Patellakomponente möglich. Die Komponente wird mit Hilfe zahlreicher kleiner Bohrlöcher auf der Rückseite der Patella, in die der Zement eingebracht werden kann, befestigt. Besteht weniger als 10â•›m m Dicke an Knochensubstanz zur Verfügung, sollte möglichst keine bikonvexe Revisionskomponente verwendet werden, um einer Fraktur des Knochenlagers vorzubeugen. Die Patella passt sich in der Regel im Laufe der Zeit dem lateralen Femurkondylus an und wird auch in dieser Position sicher geführt. Besonders bei der Revisionsknieendoprothetik sollte bei der abschließenden Beurteilung des Patellatrackings die No-Thumb-Technik Beachtung finden (Bal et╯al. 2008; McLaughlin u. Lee 2008).
16.10â•… Implantation der Revisionsprothese Es sollten mit der Probeprothese das richtige Alignment, die Weichgewebespannung, die Stabilität und auch die Beweglichkeit überprüft werden. Danach erfolgen das Lösen der Blutsperre und eine sorgfältige Blutstillung. Die Exzision des vernarbten posterioren Kapselgewebes hinterlässt oft erheblich blutende Gefäße, die elektrokoaguliert werden müssen. Vor Implantation der Austauschprothese sollte eine weitgehende Blutstillung erreicht und eine gründliche Lavage des Gelenks zur Entfernung von Gewebetrümmern durchgeführt werden. Viele der Austauschprothesen werden zementiert eingesetzt. Hier werden zuerst die tibialen Komponenten und danach, wenn diese sicher fixiert sind, die Femur- und Patellakomponente eingesetzt. Sollte ein intramedulläres Pressfit-System verwendet werden, so muss der Marknagel bis zum Durchmesser bzw. um 1â•›m m weniger als der Schaftdurchmesser aufbereitet werden. Der Zement wird angemischt und als etwas flüssigere Phase zur Verankerung eines zementierbaren Schaftes erforderlich verwendet. Medialer und lateraler Metaphysenbereich werden gefüllt, ohne dass der Zement in den medullären Kanal gelangt. Anschließend wird das Implantat in die korrekte Position gedrückt. Revisionen mit zementfreien Knieendoprothesen sind technisch schwieriger, als jene mit zementierten Implantaten. Langzeitergebnisse mit diesen Endoprothesen liegen bisher noch nicht vor (Dalury et╯al. 2009; Hakkalamani et╯al. 2008; Joshi u. Navarro-Quilis 2008; Kurtz et╯al. 2009).
16�╅ Revisionsendoprothetik im Kniegelenksbereich
16.11â•… Weichteilverschluss Die Weichteildeckung in der Knieendoprothetik stellt unter Umständen ein großes Problem dar. Es ist eine bewährte Methode, mit vitalem Muskelgewebe Gewebe eine Implantatdeckung zu erzielen (Gastrocnemiuslappen). Je nach Ausmaß des Lappens kann dieser nur zur reinen Weichteildeckung oder auch zur Sicherstellung eines Ansatzbereiches für den Streckapparat dienen.
16.12â•… Zusammenfassung Als Gründe für das nicht infektiöse Fehlschlagen von Kniearthroplastiken sind aseptische Lockerung, Instabilität, schlechtes Beinalignment und eine ungünstige Komponentenpositionierung zu nennen. Instabilitätstypen nach Knie-TEP können differenziert werden in Extensions-, Flexions-, Rotations- und Translationsinstabilität sowie ein Genu recurvatum. Als Revisionsindikation einer Knietotalendoprothese werden eine mediolaterale Instabilität und Streckung von über 5° sowie eine a.-p.-Instabilität von 90° und Knieflexion vom mehr als 10â•›m m angesehen. Die Revision von Knieendoprothesen erfordert eine sorgfältige präoperative Planung, ein atraumatisches und exakt chirurgisches Vorgehen sowie die richtige Implantatwahl. Die Planung einer Revisionsoperation entspricht prinzipiell der einer Primär-Knie-TEP, verlangt jedoch eine detaillierte präoperative Überlegung. Es müssen vor der geplanten Austauschoperation die Weichteile und der noch verfügbare Knochen genau erfasst werden. Ein Patient mit insuffizientem Extensionsapparat kommt für einen Totalendoprothesenwechsel nicht in Frage. Geringe bis große Knochendefizite bedeuten im Rahmen einer Revisionsoperation häufig ein erhebliches Problem. In der Regel stellt sich das Ausmaß intraoperativ noch größer dar, als auf den präoperativen Röntgenbildern vermutet. Bei Knieendoprothesen ist die Restauration der durch das Zentrum des Kniegelenkes laufenden mechanischen Beinachse und der Gelenklinie anzustreben. Wie bei der Primärimplantation kann das Prothesenalignment mit Hilfe intramedullärer Ausrichtsysteme ermittelt werden. Bei Wech-
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seleingriffen ergeben sich aufgrund des Fehlens der posterioren Femurkondylen mehr Schwierigkeiten, als bei der Primärendoprothese. Die femoralen Epikondylen können dabei, wie beim Ersteingriff, als Rotationsreferenz dienen. Die Bestimmung der Gelenklinienposition ist wichtig für die Restitution der Funktionalität des Kniegelenks. Bei der Wiederherstellung der Gelenklinien sind Frontal-, Transversal- und Sagittalebenen zu beachten. Die korrekte Implantatgröße und die Herstellung einer adäquaten Weichgewebespannung hängen voneinander ab und müssen somit aufeinander abgestimmt werden. Hier können die beschriebenen Standardtechniken des Weichteilgeweberelease zum Ausgleich eventuell vorliegender Weichteilgewebekontrakturen vor Festigung der Implantatgröße durchgeführt werden. Die Wahl des erforderlichen Implantatkopplungsgrades hängt vom Zustand des vorhandenen Weichgewebes und der Möglichkeit ab, eine adäquate Weichgewebespannung herzustellen. Knieprothesen sollten nur noch selten verwendet werden bei sehr alten Patienten mit insuffizientem Bandapparat. Die Entscheidung für eine Revision des Patellaimplantats hängt ab von seiner Kongruenz mit der Femurkomponente der Austauschprothese, der Patellaführung, der Symmetrie des Patellarückflächenersatzes sowie von dem noch vorhandenen Knochenlager.
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Ergebnisse der Knieendoprothetik C. Lohmann, H. Meyer und W. Rüther
Die Ergebnisse der Knieendoprothetik sind von multiplen Faktoren abhängig und können durch verschiedene Verfahren gemessen werden. Entscheidend für den Patienten sind aber die Verbesserung der Lebensqualität und eine lange Standzeit der Endoprothesen, die über das Minimum von 10â•›Jahren weit hinausgehen sollte. In den letzten Jahren ist natürlich auch das „CostBenefit“-Verhältnis von bemerkenswerter Relevanz geworden, sodass durchaus unter heutigen DRG-Bedingungen und durch die Dominanz der Krankenhausverwaltungen bei der Einkaufsentscheidung auf die Qualität der Implantate geachtet werden muss. Ebenfalls ist die Qualität der technischen Durchführung der Operationen von entscheidender Bedeutung für das Ergebnis der Knieendoprothetik. In unserem Gesundheitssystem sind Mindestmengen eingeführt worden, die bereits messbar die Qualität der Versorgung verbessert haben sollen. Jedoch muss in der Zukunft auch diese Mindestmengenregelung hinterfragt werden, wenn diese Regelung nur für ganze Kliniken und nicht für einzelne Operateure gilt. Insbesondere stellt sich auch hier die Frage nach der Befunddokumentation (Scores). Frühere Scores berücksichtigen überwiegend objektive Kriterien, während später entwickelte Scores subjektive Kriterien beinhalteten. Da es daher schwierig ist, Scores miteinander zu vergleichen, werden subjektive (insbesondere das klinische Outcome) und objektive Ergebnisse getrennt betrachtet (Noyes et al. 1983). Hinsichtlich der Lebensqualität nach endoprothetischer Versorgung des Kniegelenks hat der Short-Form (SF-36)-Fragebogen Bedeutung erlangt (Ware u. Sherbourne 1992). In 8
Kategorien werden durch 36 Fragen der Gesundheit erfasst und bewertet (Briard et al. 2007): ●⊑ Einschränkungen der körperlichen Aktivität aufgrund gesundheitlicher Probleme, ●⊑ Einschränkungen der sozialen Aktivität, ●⊑ körperlicher Schmerz, ●⊑ Einschränkungen von Alltagsaktivitäten aufgrund gesundheitlicher Probleme, ●⊑ allgemeine psychische Verfassung, ●⊑ Einschränkung von Alltagsaktivitäten aufgrund psychischer Probleme, ●⊑ Vitalität und ●⊑ allgemeine Wahrnehmung. Die Reliabilität des Testes konnte in Studien belegt werden (Briard u. Hungerford 1989; Ruta et al. 1994). Die Validität des Hospital for Special Surgery (HSS) Knee Rating Scores zur Evaluation der Funktion ist von Gore et al. (1986) belegt worden. In seiner Studie untersuchte er 34 Patienten (39 Prothesen) vor und 2â•›Jahre nach endoprothetischer Versorgung. Die grundlegenden Daten der Standzeiten in der Knieendoprothetik basieren im Wesentlichen auf achsgeführten Modellen. Nach Jerosch (1997) wurden 1994 in Deutschland etwa 16â•›% achsgeführte Endoprothesen (2387 von 14374 Prothesen) implantiert. Blauth u. Hassenpflug (1990) berichten in einer Aufarbeitung des eigenen Patientengutes (497 Implantationen) mit einem Follow-up von 1 bis 15â•›Jahren (im Durchschnitt 45â•›Monate) von 89â•›% der Implantationen ohne Anzeichen von Lockerungszeichen bzw. einer tiefen Infektion. Die Rate an tiefen Infektionen wurde mit 3â•›%, von aseptischen Lockerungen mit
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_17, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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272
1,2â•›% und retropatellare Beschwerden mit 10â•›% angegeben. Aufgrund der eigenen Ergebnisse forderten beide Autoren die Effektivität der gekoppelten Prothesen nicht anhand der Frühergebnisse der Erstimplantationen in der Frühphase der Endoprothetik zu beurteilen. Über ähnliche Ergebnisse berichtet Böhm mit einer Standzeit von mehr als 90â•›% der gekoppelten Prothesen nach 10â•›Jahren in der Swedish Knee Study und sogar über 94,4â•›% nach 20â•›Jahren in einer eigenen Studie mit 422 Prothesen (Böhm 2003; Böhm u. Holy 1998). Ähnliche Ergebnisse konnten auch Steckel et al. (2005) mit 90,1â•›% nach 10â•›Jahren in einem Kollektiv mit 227 Patienten zeigen. In einem 5-Jahres-Followup nach Primär- und Revisionseingriffen mit Implantation von achsgeführten Prothesen berichten Hartford et al. (1998) in einem Kollektiv von 29 Patienten (8 Infektionen; 21 schwere Deformitäten) lediglich von 3 Therapieversagern. In 58â•›% lagen nach Hartford et al. (1998) exzellente, in 24â•›% gute, in 3â•›% befriedigende und in 6â•›% ausreichende Ergebnisse vor. Hinsichtlich ungekoppelter Prothesen können Ranawat et al. über Standzeiten von bis zu 94,1â•›% nach 15â•›Jahren (1993) sowie Pavone et al. (2001) von 91â•›% nach 23â•›Jahren berichten. Die Indikationen für eine Revision einer Knietotalendoprothese sind jedoch immer abhängig von der zugrunde liegenden Arthropathie und dem gewählten Primärimplantat (Abb.â•›17.1). Früh wurde bereits erkannt, dass die Lockerung der tibialen Komponente das besondere Problem der Knieendoprothetik ist (Böhm u. Holy 1998). Bei einer Standzeit von 94,6â•›% nach 15â•›Jahren mit guten klinischen Ergebnissen konnten Ranawat et al. (1993) nach 11â•›Jahren radiologisch einen tibialen Lysesaum in 72â•›% nachweisen, wovon 2 gesichert gelockert waren. Eine Abhängigkeit des Auftretens eines Lysesaumes vom Körpergewicht konnte dargestellt werden (Hamoui et al. 2006). Auch Ducheyne et al. (1978) weisen auf 7â•›% Revisionen aufgrund einer Lockerung der tibialen Komponente hin. Windsor et al. (1989) wiesen im eigenen Patientengut dagegen auf eine Lockerungsrate tibial von 0,53â•›% nach (femoral 0,35). Bei älteren Modellen wurde als Grund für die hohe Bruch-, Lockerungs- und Infektionsrate in einer unphysiologischen Kinematik bei nur einem Freiheitsgrad angesehen. Wie jedoch ist die Auslockerung insbesondere der tibialen Komponente bei Nachfolgemodellen mit wesentlichen mechanischen Vorteilen gegenüber den älteren Modellen zu sehen?
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C. Lohmann et al.
20 10 0
TKA–OA
TKA–RA
other
fracture
progress
wear
instability
loosening
patella
infection
UKA–OA
Abb. 17.1.╇ Indikationen für die Revision einer KnietotalendoÂ� prothese. (Quelle: Schwedisches Endoprothesenregister Annual Report 2007, S.â•›18)
Als Ursachen des Versagens der tibialen Komponente wurden nach Ducheyne et al. (1978) Wechselwirkungen am Knochen-Zement-Interface, Kollaps des trabekulären Knochens, Veränderungen des Alignments der unteren Extremität sowie Fehler in der Implantationstechnik der Prothesen (tibiofemorale Varusfehlstellung, Varusfehlstellung der tibialen Komponente, ausgedehnte tibiale Resektion) angesehen (Cameron u. Hunter 1982). Bourne u. Finlay (1986) zeigten in ihrer In-vitro Studie ein verstärktes Stress-Shielding in der Knochen-Kortikalis-Kontaktzone der proximalen Tibia bei Prothesen mit intramedullärem Stem als Ursache für eine aseptische Auslockerung. Bei zementierten Prothesen wiesen Ritter et al. (1994) den Einfluss der Zementiertechnik (Lavage vs. JetLavage und manuelles Einbringen des Zementes vs. Zementinjektion) auf eine Auslockerung der tibialen Komponente nach. Die niedrigeren Revisionsraten von zementierten Prothesen durch verbesserte Techniken spiegeln sich
17â•… Ergebnisse der Knieendoprothetik 12
OA
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Alle Revisionen bei zementierter TKA
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1986–1995
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CRR (%)
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1996–2005
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Jahre nach Primäreingriff
Abb. 17.2.╇ Cumulative Revision Rate (CRR). (Quelle: Annual Report 2007, Schwedisches Endoprothesenregister, S.╛31)
auch in der Cumulative Revision Rate (CRR) wider (Abb.â•›17.2). Die dezidierten Gründe für die Veränderungen sind nach Angaben der Autoren letztendlich nicht fassbar. Am ehesten spielen hier schon die besprochenen Faktoren wie Implantatauswahl, OP-Methode und die Erfahrung des Chirurgen eine Rolle. Insbesondere der Wert der Radio Lucency Line (RLL) für den Progress einer Lockerung wurde von Smith et al. (1999) untersucht. Sie schlussfolgerten, dass auf dem Boden einer fehlerhaften Zementiertechnik (z.â•›B. Injektion in sklerotischen Knochen) eine RLL auftritt und bei wenig belasteten Prothesen nicht progressiv ist, im Gegensatz zu stark belasteten Prothesen, in denen die RLLs als Eintrittsportal für 100 %
Knieprothesen (%)
80 %
Abb. 17.3.╇ Häufigste Fixationsformen in Kanada. (Quelle: Canadian Joint Replacement Registry, Canadian Institute for Health Information, 2003–2004 to 2005–2006)
83 % 85 %
Abrieb mit Progress der RLL und Lyse fungieren können. Auf die klinische Validität der Radiolucency weisen Lundberg-Jensen et al. (2002) hin, indem sie nachwiesen, dass RLLs mit einer Stärke von 2â•›m m, die normalerweise mit einer Lockerung assoziiert werden, klinisch nicht valide sind, da eine Abweichung des Zentralstrahls von der idealen Position bereits eine RLL von 0,5â•›m m Stärke „produziert“. Das Auftreten einer RLL mit einer Lockerung zu assoziieren muss im Einzelfall von einer vorhandenen bzw. nichtvorhandenen Klinik abhängig gemacht werden, hieraus ergibt sich entsprechend das weitere Vorgehen. Entscheidend bei der Problematik der Fixation der tibialen Komponenten ist die Struktur der proximalen Tibia: Die proximale Tibia besteht lediglich zu ca. 7â•›% aus kortikalem Knochen, zu ca. 35â•›% aus Spongiosa und zum Rest aus Fettmark bzw. blutbildendem Knochenmark. Dadurch ist die zementfreie Fixation der Tibia kritisch (Albrektsson et al. 1992). Gerade beim Oberflächenersatz des Kniegelenks hat sich die zementierte Verankerung der tibialen Komponente bewährt und wird von Lombardi et al. (2007) nach wie vor als „Goldstandard“ in der endoprothetischen Versorgung bezeichnet, da verschiedene Studien, die zementfreie Implantationen evaluierten, einzigartige Komplikationen wie die bereits zuvor behandelten Radio Lucent Lines, aseptische Lockerungen durch Stress-Shielding, Osteolysen etc. beschrieben. Abbildungâ•›17.3 zeigt, dass sich z.â•›B. in Kanada die Form der Fixation über den u.â•›g. zeitlichen Verlauf nicht verändert hat. Die häufigste Verankerungsform ist hier nach wie vor die zementierte Form.
89 %
60 % 40 % 20 %
14 % 2% 2%
0% zementiert 2003–2004
6%
zementfrei 2004–2005
2005–2006
N = 14.837, 18.989 und 17.591 Knieprothesen
11 % 9 %
Hybrid
2% 1% 4% nicht angegeben
274
17
Auch wenn verschiedene Studien über einen Beobachtungszeitraum von ca. 7â•›Jahren über das Auftreten von RLLs ohne Progress berichten (Aebli et al. 2004), können Carlsson et al. (2005) in ihrer Studie an 116 Patienten (146 Prothesen) einen stabileren Knochen-Implantat-Kontakt für zementierte Prothesen innerhalb der ersten 5â•›Jahre im Vergleich zu unzementierten Prothesen belegen. Selbst bei jüngeren Patienten konnten dauerhaft gute Ergebnisse nachgewiesen werden (Diduch et al. 1997). Auf der anderen Seite gibt es keine Vorteile für die zementfreie Verankerung oder die zementierte Verankerung der femoralen Komponenten bezüglich des klinischen Ergebnisses der Oberflächenersatzprothesen. Gill et al. (1999) berichten in ihrem 20-JahresFollow-up an 139 Patienten (159 Prothesen) über keine nachweisbare Lockerung der femoralen Komponente, ebenso Gacon et al. (1995) in einem 5-Jahres Followup an 58 Patienten, die mit 64 unzementierten Prothesen versorgt wurden. Von besonderer Bedeutung ist die Positionierung der Implantatkomponenten (Ecker et al. 1987; Fisher et al. 2007). Da die Kontaktspannungen, die im Rahmen der Lastübertragung auf die Prothese auftreten, im wesentlichen von der Form der Berührungsflächen abhängen, muss diese Geometrie der Kontaktflächen bei allen Gelenkbewegungen berücksichtigt werden. Bei Belastungen der Prothese mit einem Varus- und Flexionsmoment, erfolgt die Lastaufnahme ausschließlich auf dem medialen Kompartiment, im Extremfall kann ein lateraler Spalt von bis zu 5â•›m m entstehen (Burstein u. Wright 1997). Rousseau et al. (2008) schlugen aufgrund der eigenen Ergebnisse 6 mechanische „Fußangeln“ beim Vorliegen eines prothetischen Frühversagens vor: ●⊑ Malalignment in der Frontalebene, ●⊑ sagittale Malpositionierung, ●⊑ axiale Malrotation, ●⊑ schlechte Knochenfixation, ●⊑ unpassendes Ligament-Balancing und ●⊑ unpassendes Niveau des Gelenkspaltes. Auf die Problematik des Malalignments mit Achsfehlern in Valgus-/Varusstellung und dem Versagen der Prothesen schon bei niedrigen Belastungen durch eine exzentrische Lastaufnahme wiesen bereits Bargren et al. (1983) hin. Sie konnten ein Versagen des „Bonestocks“ auf der mehrbelasteten Seite in 34–51â•›% und
C. Lohmann et al.
in 9–18â•›% auf der unbelasteten Seite durch „Lift-off“ nachweisen. Hinsichtlich der Rotationsmalposition fanden Assor u. Aubaniac (2006) eine veränderte Translationsbewegung mit entsprechend veränderter Kontaktfläche, vermehrter PE-Abrasion und exzessiven Druckbelastungen auf dem medialen Plateau. In der Aufarbeitung des eigenen Patientengutes zeigten Bonnin et al. (2000) eine Prothesenversagen aufgrund technischer Fehler in 36â•›% der Fälle. Hinsichtlich der Knochenfixation zeigten Soininvaara et al. (2004) in ihren Messungen der tibialen Bone Mass Density (BMD) prä- und postoperativ eine Abnahme der medialen BMD, wenn a) präoperativ eine Varusdeformität bestand und b) postoperativ die physiologische Beinachse wiederhergestellt wurde. Hiermit unterstreichen die Autoren erneut die klinische Bedeutung, das physiologische Valgus wiederherzustellen mit der Konsequenz eines Remodellings des Knochens. Vergleichbare Ergebnisse zeigen Papaloucas et al. (2004) in ihrer Arbeit. Auf die Bedeutung der Korrektur der mechanischen Beinachse und die korrekte Positionierung der Prothesenkomponenten weisen auch Tingart et al. (2008) in ihrer Arbeit hin und untersuchen den Einfluss der Navigation auf die Implantation. Sie weisen eine Verbesserung der Implantationstechnik durch die Navigation hinsichtlich Outliern der Achsfehlstellung und der Komponentenpositionierung nach (Perlick et al. 2004); inwieweit sich jedoch die verbesserten Implantationstechniken auf das Outcome auswirken, bleibt abzuwarten, da bislang der Nachweis über eine Verbesserung des klinischen Ergebnisses im Vergleich zur konventionellen Implantationstechnik aussteht. Auch Bonutti et al. (2008), Seon et al. (2008) und Molfetta u. Caldo (2008) mit einem 5-Jahres-Followup fanden in einer vergleichenden Studie keine Vorteile der Navigation im klinischen Outcome und empfehlen weitere Untersuchungen hinsichtlich der „Langzeit-Prothesen-Überlebensrate“. Die klinischen Ergebnisse bei Verwendung von Mobile Bearings oder Fixed Bearings waren in vergleichenden Studien in Bezug auf Funktion, Schmerz und Komplikationen ähnlich (Bhan et al. 2005; Lädermann et al. 2008). Allerdings konnten Li et al. (2006) in einem 2-Jahres-Follow-up zeigen, dass aufgrund
17â•… Ergebnisse der Knieendoprothetik
einer geringeren Inzidenz von RLLs eine verbesserte Kinematik der Mobile Bearings im Vergleich gegenüber den Fixed Bearings vorliegt. Bei den Posterior-stabilized-Komponenten wird immer wieder die Bedeutung des hinteren Kreuzbandes betrachtet. In ihrem Review von 2006 beschreiben Grassmayr et al. (2007) bei Defizienz des hinteren Kreuzbandes eine vermehrte tibiale Translationsbewegung nach posterior, eine vermehrte Laxizität, erhöhte Drücke der Kontaktflächen sowie einen Verlust der Propriozeption. Allerdings war nach Studienlage ein Einfluss des Propriozeptionsverlustes auf Kraft und Kinematik sowie auf eine Aktivierung der kompensatorischen Muskelaktivität nicht evident. Nach Swanik et al. (2004) kommt es nach Implantation einer Endoprothese zu einer Verbesserung der Propriozeption, Kinesthesie und Balance, was auf den Erhalt der kapsulären Strukturen, Schmerz- und Entzündungsminderung zurückgeführt wird. Ausdrücklich weisen die Autoren darauf hin, dass ein Erhalt des hinteren Kreuzbandes die Propriozeption und Balance im Vergleich zur „Posterior-stabilized“-Gruppe nicht signifikant verbessert. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Sathappan et al. (2006) und Hofmann et al. (2000), die den propriozeptiven Einfluss im Vergleich zu einer Gruppe mit ultrakongruenten Inlays untersuchten. Von entscheidender Bedeutung in der Knieendoprothetik und gerade bei den nicht achsgeführten Endoprothesen des Kniegelenks ist das Management der Weichteile. Die Balancierung der Kollateralbänder ist essentiell bei den Endoprothesen ohne Hinges. Yu et al. (2007) sehen im Weichteil-Balancing die wichtigste Maßnahme, um Varusdeformitäten und Beugekontrakturen auszugleichen. Die Bedeutung des Weichteilmanagements für die korrekte Implantation eines bikondylären Oberflächenersatzes mit Herstellen eines gleich großen Beuge- und Streckspaltes unterstreichen Claus u. Scharf (2007) sowie Briard et al. (2007). Aber auch muskelschonende Zugänge sind in der klinischen Evaluation. Für die minimal-invasiven Zugänge werden insbesondere der „2-cm-limited“ Quadriceps-exposure- bzw. Quadriceps-sparing-Zugang im asiatischen Sprachraum sowie der Subvastus-Zugang im deutschsprachigen Raum genannt. Hinsichtlich der erstgenannten sehen verschiedene Autoren (Chen et al. 2006; Huang et al. 2007; Tanavalee et al. 2007) keine Vorteile in der mittel- und langfristigen
275
Rehabilitation, Chen et al. (2006) beschreiben sogar ein schlechteres radiologisches Outcome in ihrer Quadriceps-sparing-Group. Aglietti et al. (2006) vergleichen in ihrer Studie den Quadriceps-sparing-Zugang und den Mini-subvastus-Zugang und kommen wie die vorgenannten Autoren zu keinem nennenswerten Unterschied. Dasselbe Ergebnis wurde auch beim Vergleich des Subvastus- mit dem Midvastus-Zugang von Berth et al. (2007) vorgelegt. Für das funktionelle Outcome nach Endoprothesenimplantation sind aber nicht nur die vorgenannten Überlegungen von Bedeutung. Entscheidend auch für ein gutes postoperatives Ergebnis ist die präoperative Funktion hinsichtlich des Bewegungsausmaßes (ROM). Kawamura u. Bourne (2001) schlussfolgerten aus den Ergebnissen ihrer eigenen Studie, dass die wichtigsten Faktoren eines guten postoperativen Bewegungsausmaßes sowohl die präoperative ROM als auch eine Varus-Valgus-Fehlstellung sind. Auch verschiedene andere Autoren sehen die präoperative ROM als sehr wichtig (Gatha et al. 2004) für das postoperative Outcome an, vertreten aber den Standpunkt eines multifaktoriellen Geschehens, in das neben der ROM auch die Erfahrung des Chirurgen (Shi et al. 2006), Patellastärke, postoperativer Schmerz und die Höhe der postoperativen Gelenklinie (Ryu et al. 1993) hineinspielen. In einem 1-Jahres-Follow-up „matchten“ Fisher et al. (2007) 71 Kniegelenksprothesen mit einem schlechten Ergebnis von 1024 durchgeführten (6,9â•›%) mit einer Kontrollgruppe und konnten so umgekehrt signifikante negative prädiktive Faktoren wie weibliches Geschlecht, hoher BMI, Voroperationen des Kniegelenks, Diabetes mellitus, Lungenerkrankungen und Depressionen herausarbeiten. Die Entscheidung zur Verwendung des Patellarückflächenersatzes ist hinsichtlich des klinischen Ergebnisses nicht eindeutig geklärt (Burnett et al. 2007) und wird entsprechend kontrovers diskutiert. Während z.â•›B. Briard u. Hungerford (1989) einen Ersatz der retropatellaren Gleitfläche für nicht erforderlich halten, sind z.â•›B. Insall et al. (1979) der Überzeugung, dass ein Ersatz der retropatellaren Gleitfläche nötig ist, um ein patellofemorales Schmerzsyndrom zu vermeiden. Bei bestimmten speziellen Arthropathien wie z.â•›B. der Chondrokalzinose hat sich gezeigt, dass die Verwendung des Rückflächenersatz sinnvoll ist. Kürzlich wurde erkannt, dass es entscheidende interindividuelle, geschlechtsspezifische Unterschiede
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F/S MIII n = 6.163
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Abb. 17.4.╇ Revisionsraten für einzelne Implantate. (Quelle: Schwedisches Endoprothesenregister Annual Report 2007, S.â•›27–28)
in der Form der distalen Femora und der Tibiaplateaus gibt, die in vielen Prothesensystemen bislang nicht umgesetzt sind (Mahfouz et al. 2007). Diese Erkenntnisse können möglicherweise die Passform der Komponenten, die Beugefähigkeit der Gelenke und das Patellatracking verbessern. Neben den vorgenannten Faktoren zeigt das schwedische Endoprothesenregister Unterschiede der Revisionsraten für einzelne Implantate (Abb.â•›17.4). Die Unterschiede der Ergebnisse der einzelnen Implantate sind sicherlich nicht dem Implantat allein anzulasten. Zementart, Operateur, Indikationsstellung etc. tragen wesentlich zum Outcome mit bei. Die Gesamtrevisionsrate für alle Endoprothesen (nâ•›=â•›54.561) wird mit ca. 5â•›% angegeben. Ein neben dem bikondylären Oberflächenersatz genutztes Implantatsystem ist die unikondyläre Schlittenprothese, die jedoch seit langem kontrovers diskutiert wird. Der Grund für diese kontroverse Diskussion wird sicherlich bei Betrachtung der Revisionsergebnisse
des Schwedischen Endoprothesenregisters ersichtlich (Abb.â•›17.5). Im Vergleich zu den bikondylären Oberflächenersatzprothesen zeigen die unikondylären im gleichen Zeitraum wesentlich höhere Revisionsraten, beispielsweise Oxford ca. 9â•›% im Vergleich zu NexGen ca. 1,5â•›%. Die Gesamtrevisionsrate für alle Marken beträgt dem Register zufolge ca. 12â•›% (nâ•›=â•›9545). Gründe sind möglicherweise in einer zu großzügigen Indikationsstellung zum unikondylären Ersatz zu suchen. Liebau et al. (1998) weisen auf die strenge Indikationsstellung (Knorpelzustand, ligamentäre Führung) bei der Implantation von unikondylären Schlitten hin. Insbesondere ist hier das Augenmerk auf weitere betroffene Kompartimente wie das retropatellare Kompartiment zu richten. Bei einem weiteren betroffenen Kompartiment ist der Einsatz einer unikondylären Prothese als kritisch zu betrachten. In der Literatur finden sich zahlreiche Hinweise für gute klinische Ergebnisse (Kim et al. 2007; Lisowski et al. 2004;
17â•… Ergebnisse der Knieendoprothetik
15 10 5 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahre nach Primäreingriff
25
UKA
PFC n = 438
20
15 10 5 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahre nach Primäreingriff
OA
Alle Revisionen
UKA
Duracon n = 300
15 10
Copyright © 2007 SKAR
20
Alle Revisionen
Copyright © 2007 SKAR
Oxford n = 950
OA
CRR (%)
25
UKA
Copyright © 2007 SKAR
CRR (%)
20
OA Alle Revisionen
CRR (%)
25
277
5 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahre nach Primäreingriff
Abb. 17.5.╇ Revisionsergebnisse. (Quelle: Annual Report 2007 Schwedisches Endoprothesenregister, S.╛29)
Skowroński et al. 2005) wie auch eine beträchtliche Anzahl an früh versagenden Endoprothesen vor (Koskinen et al. 2007, 2009). Auch wenn bei Revisionen mit Wechsel auf bikondyläre Implantate trotz deutlichem Verlust des Bone-stock gute Ergebnisse erzielt werden können (Châtain et al. 2004), sollte aber klar sein, dass diese Art der Versorgung nicht als eine Interimsprothese zu sehen ist. Abschließend soll noch auf eine Prothesen- und Versorgungsform eingegangen werden, die derzeit international eine Renaissance erfährt: der isolierte Patellarückflächenersatz. Die degenerativen patellofemoralen Erkrankungen umfassen ein Spektrum des Gelenkverschleißes von schwerer Chondropathie bis zur fortgeschrittenen Arthrose. Obwohl die Prinzipien und die Wahl des Zeitpunkts für viele operative Verfahren, um die Symptome der isolierten patellofemoralen Degeneration zu lindern, Gegenstand intensiver chirurgischer Diskussionen sind, konnten in letzter Zeit zunehmend mehr Autoren über gute Ergebnisse bei isoliertem Patellarückflächenersatz berichten (Davidson u. Rivenburgh 2008; Leadbetter 2008; Sisto u. Sarin 2008). Entsprechend wird diese Möglichkeit der Versorgung für ein breites Spektrum an Indikationen, jüngere Patienten eingeschlossen, vorgeschlagen. Da es sich im Wesentlichen um Frühergebnisse handelt, sind die mittel- bis langfristigen Ergebnisse zunächst einmal abzuwarten. Vielfach wird heutzutage versucht, klare Richtlinien aufzuzeigen und „Goldstandards“ zu definieren. Anhand der vielfältigen Ergebnisse in den Untersuchungen lässt sich ersehen, dass die Definition eines
Goldstandards schwierig ist und die Grenzen zwischen „etabliert“ und „Innovation“ fließend sind. Für jeden Patienten müssen die individuellen Gegebenheiten des Gelenks und darüber hinaus allgemeine Situationen berücksichtigt werden, um ein exzellentes Ergebnis zu erzielen.
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18
Begutachtung H. Röhrig
18.1 Befunderhebung und Messmethode
18.1.2 Bandfestigkeit
18.1.1 Beweglichkeit
Die Bandfestigkeit des Kniegelenks wird in einen vorderen, einen hinteren, einen medialen und einen lateralen Komplex unterteilt. Kombinatorisch betrachtet man einen anteromediale, eine anterolaterale, eine posteromediale und eine posterolaterale Rotationsinstabilität. Bei der anteromedialen Instabilität sind vorderes Kreuzband, mediales Seitenband, posteromediale Gelenkkapsel und ggf. der mediale Meniskus betroffen. Die anterolaterale Rotationsinstabilität tritt nach Verletzungen des vorderen Kreuzbandes, des lateralen Seitenbandes und des Arkuatumkomplexes (bestehend aus Außenmeniskushinterhorn, Lig. arcuatum, M. gastrocnemius lateralis und M. popliteus) auf. Die posterolaterale Rotationsinstabilität tritt meist nach direkten frontalen Traumen gegen das Kniegelenk auf und wird durch eine Verletzung des Arkuatumkomplexes sowie des hinteren Kreuzbandes bedingt. Die seltene posteromediale Rotationsinstabilität wird durch eine Verletzung des hinteren Kreuzbandes in Verbindung mit medialem Seitenband und dorsomedialer Kapselzerreißung verursacht. Diese Stabilisationsmechanismen sind auch bei der Beurteilung eines endoprothetisch ersetzten Kniegelenks zu berücksichtigen. Jedoch sind durch
Die Untersuchung der Beweglichkeit des Kniegelenks umfasst die aktive und passive Beweglichkeit des Gelenks. Gemessen wird der Bewegungsumfang nach der Neutral-Null-Methode, wobei als Nullstellung der gesunde, aufrecht stehende Mensch ohne überstreckte Kniegelenke herangezogen wird. Ausgehend von dieser Stellung wird die Extension und Flexion in Grad angegeben. Die erreichbare Mittelstellung wird in der Mitte zwischen Extension und Flexion angegeben. Die normale Beweglichkeit eines gesunden Kniegelenkes beträgt Flexion/Extension 130/0/10 Grad. Eine Beweglichkeit von 90/0/0 sollte nach einem endoprothetischen Ersatz des Kniegelenks erreicht werden, um ausreichende Alltagsbeweglichkeit zu erzielen. Bei Patienten mit einer endoprothetischen Versorgung des Kniegelenks, ob nun als Schlittenprothese, Retropatellarersatz, Oberflächenersatzprothese oder achsgekoppelter Endoprothese (Hinge/Rotating-Hinge), unterscheidet sich die klinische Untersuchung nicht von einem nicht endoprothetisch ersetzten Kniegelenk. Jedoch gibt es auch einige Besonderheiten, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9_18, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
281
282
18
das operative Vorgehen einige der Stabilisatoren per se nicht mehr vorhanden (z.â•›B. vorderes Kreuzband), deren stabilisierende Wirkung durch das spezifische Design des verwendeten Prothesenmodells „ersetzt“ werden muss. Dabei müssen bei der Implantation einer Knieprothese Streck- und Beugespalt exakt aufeinander abgestimmt werden, um über den gesamten Bewegungsumfang ein ausgeglichenes „ligament balancing“ zu erzielen. Ursachen für eine implantat- bzw. implantationsbedingte Instabilität sind ein unausgeglichener knöcherner Beuge- und Streckspalt, die Rotationsfehlstellungen der Prothesenkomponenten, ein ungenügendes Weichteil-Release bzw. nicht ausgeglichenes Weichteil-Balancing, ein zu kleines Inlay mit mangelnder Vorspannung der Bänder und ein zu hoher tibialer Slope (Pietsch u. Hofmann 2007). 18.1.2.1 Klinische Testung Die klinische Testung der Bandfestigkeit des endoprothetisch versorgten Kniegelenks muss in Kenntnis der implantierten Prothese und deren Kopplungsgrad sein. Die mediolaterale Instabilität bei fehlendem Ligament-Balancing ist klinisch einfach über Varus-/ Valgusstress zu testen (Visé 2005). Bei allen bandgeführten Prothesen muss die Seitenbandstabilität in Streckung und Beugung (symmetrisch ausbalancierter Streck- und Beugespalt) getestet werden. Der Bandapparat darf weder in Streckung noch in Beugung zu locker oder zu straff sein (Chu et al. 2003). Eine Instabilität der Seitenbänder in Beugung und Streckung führt zu einer deutlichen Einschränkung der Belastbarkeit des Kniegelenks mit Schmerzen, Bewegungseinschränkung und Instabilitätsgefühl (Vince et al. 2006). Insbesondere bei Valgusarthrosen ist das mediolaterale Band-Balancing schwierig und kann bei kontraktem hinteren Kreuzband oft nur über einen höheren Kopplungsgrad prothesenseitig abgefangen werden. Klinisch führen ein zu lockeres sowie auch ein zu straff geführtes Gelenk zu Beschwerden. Die zu straffe Führung erkennt man leicht an dem damit verbundenen Streckdefizit bei zu engem Streckspalt. Nachfolgend kann der Patient die Schlussrotation des Kniegelenks nicht ausführen und klagt über Schmer-
H. Röhrig
zen im Bereich des ventralen Oberschenkels nach längerer Belastung. Bei Prothesentypen, die das hintere Kreuzband erhalten, muss die Funktion des hinteren Kreuzbandes getestet werden. Eine Insuffizienz führt einerseits zu einer hinteren Schublade und andererseits zu einer posterolateralen Rotationsinstabilität. Hier kann eine Lösung nur in einer posterior stabilisierten Prothese liegen. Die in der klinischen Untersuchung detektierte Instabilität muss aber nicht unbedingt in einer Bandproblematik oder einem nicht angepasstem Streck-/ Beugespalt liegen. Auch die Position der Gelenklinie und der tibiale Slope haben Einfluss auf die Stabilität (Vince et al. 2006; s.â•›unten). 18.1.2.2 Radiologische Diagnostik Der Standard der radiologischen Diagnostik des endoprothetisch versorgten Kniegelenks umfasst eine Röntgenuntersuchung in drei Ebenen (Kniegelenke in zwei senkrecht aufeinander stehenden Ebenen und Patella axial). Es wird neben der orthograden Stellung der Prothese auch als die wichtigste Diagnostik zur Lockerung (Lysesäume) gesehen. Eine biomechanisch inkorrekte Stellung, die zu einer Funktionsbeeinträchtigung führt, muss in die Beurteilung ebenso Eingang finden, wie eine Endoprothesenlockerung. Zur Kontrolle der postoperativen Beinachse kann eine Ganzbeinaufnahme im a.â•›p.-Strahlengang angefertigt werden. Eine Achsabweichung von 3 bis max. 5° ist hierbei tolerabel (Sparmann et al. 2003). Die Position der Gelenklinie hat Einfluss auf die Stabilität des Gelenks. Eine zu niedrige Gelenklinie führt zu einer Instabilität bei 60°. Eine zu hohe Gelenklinie führt zu einer mittleren Flexionskontraktur (Vince et al. 2006). Der vergrößerte tibiale Slope führt zu einer Instabilität insbesondere bei Prothesen, die das hintere Kreuzband erhalten (Waelchli u. Romero 2001). Zur Objektivierung einer Instabilität können gehaltene Aufnahmen, ausgehend von der wichtigeren klinischen Funktionsprüfung, eingesetzt werden. Hierbei müssen, um eine objektive Aussage treffen zu können, standardisierte Halteapparate eingesetzt werden. Nur diese gewährleisten einen definierten Flexionsgrad
18â•… Begutachtung
und einen reproduzierbaren Strahlengang (Rompe u. Erlenkämper 2004). Angaben in der Literatur, inwieweit im Rahmen von gutachterlichen Fragestellungen zur Quantifizierung von Instabilitäten solche Halteapparatuntersuchungen durchgeführt werden sollten, sind nicht vorhanden. Auch eine vorliegende Infektionsproblematik ist radiologischerseits zu werten. Oft fallen sog. Lowgrade-Infektionen mit niedrig virulenten Keimen erstmals durch radiologisch sichtbare Lysesäume auf. Als Zusatzuntersuchungen zum Nachweis/Ausschluss einer Lockerung kommen die Szintigraphie sowie in seltenen Fällen die PET zum Einsatz. Diese Untersuchungen sind dann indiziert, wenn eine Lockerungsproblematik aufgrund von Beschwerden im Raum steht, diese aber in den konventionellen Aufnahmen nicht sicher ausgeschlossen oder bewiesen werden kann. Hierbei wird zuerst die Szintigraphie eingesetzt. Nur in Ausnahmefällen bei Kontraindikation zur Szintigraphie kommt die PET zum Einsatz. Deren Ergebnis ist vergleichbar der Szinitgraphie (Gollwitzer et al. 2006). Sie führt bei der Knieprothese, im Gegensatz zum Einsatz bei der HTEP-Lockerung, zu keiner signifikanten Verbesserung der Lockerungs- oder Infektionsdiagnostik als die Szintigraphie (Reinartz et al. 2005).
18.1.3 Neurologische Diagnostik Die Hauptmuskelgruppen zur Funktion des Kniegelenks sind ventral des Oberschenkels der M. quadriceps, dorsal der M. biceps femoris. Die nervale Versorgung erfolgt für den M. quadriceps abgehend von den Wurzeln L2 bis L4 über den N. femoralis. Der M. biceps femoris wird durch den N. ischiadicus, der seine Impulse über die Wurzeln L5/S1 bezieht, versorgt. Neben der Krafttestung, die in 5 Graden angegeben wird, muss der Reflexstatus getestet werden. Hierzu sind der Patellarsehnenreflex und der Biceps-femorisReflex zu verwenden. Bei nerval bedingten Paresen sind die Regenerationszeiten sehr lang. Für Beinnerven werden im Allgemeinen bis zu 3â•›Jahre angegeben (Rompe u. Erlenkämper 2004). Ist jedoch nach einem Jahr keine
283
Funktionsverbesserung eingetreten, kann i.â•›d.â•›R. nicht mehr mit einer Besserung gerechnet werden (Rompe u. Erlenkämper 2004).
18.1.4 Belastbarkeit bei Endoprothesen Konsequenzen für die körperliche Belastbarkeit des Patienten ergeben sich im privaten und im beruflichen Bereich. Im privaten Bereich soll der Patient gelenkbelastende Tätigkeiten vermeiden, da diese vermehrten Stress auf das Interface Prothese/Knochen bzw. Knochen/Zement bringen und somit zu einer frühen Auslockerung führen. Hierzu zählen alle sog. High-Impact-Sportarten, die mit Auftreten von Scherkräften auf dem Interface einhergehen. Dies sind z.â•›B. Tennis, Squash, Fußball, Alpin-Ski sowie Laufsportarten aufgrund der Erschütterungen. Geeignet sein sollen Schwimmen, Gymnastik, Wandern, Radfahren. Es existieren keine evidenzbasierten Daten zu der Problematik der Prothesenbelastung. Daher handelt es sich bei den o.â•›g. Aussagen um Empfehlungen zum Verhalten der Patienten. Ein Nachweis, dass ein Patient eine Lockerung aufgrund der Belastung seiner Prothese provoziert hat, lässt sich derzeit nicht führen (Visé 2005). Im Berufsleben ergeben sich Konsequenzen nur unter dem Aspekt der konkreten Beeinträchtigung des Patienten und im Hinblick auf die vorher ausgeübte Tätigkeit. Bei bestehenden Beugekontrakturen können dauerhaft stehende Tätigkeiten nicht ausgeführt werden. Bei einer Einschränkung der Beugefähigkeit kann unter Umständen das dauerhaft notwendige Treppensteigen (z.â•›B. bei Lieferanten) nicht mehr möglich sein. Aber auch die Lockerungsprophylaxe muss im beruflichen Umfeld beachtet werden. Dies fällt unter den Begriff der zumutbaren Tätigkeiten. Hierzu zählen dann die Vermeidung der axialen Stauchungsbelastung (z.â•›B. dauerndes Heruntertreten eines Pedals), Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten (i.â•›d.â•›R. werden hier Lasten von 5–10â•›kg je nach Körpergewicht angesehen, vgl. Mouret u. Zichner 1992), das Einnehmen von Zwangshaltungen sowie aufgrund der Unfallgefahr das Besteigen von Leitern und Gerüsten (Visé 2005). Zumutbar wären somit Tätigkeiten, die mit leichter körperlicher Belastung einhergehen, die
284
18
wechselnd sitzend und stehende/laufende Tätigkeit bietet. In der Regel wird dann noch empfohlen, den Patienten nicht ungeschützt Witterungsbedingungen auszusetzen (Visé 2005).
18.2 Konsequenzen der Beurteilung bei einer Knieendoprothese 18.2.1 Gesetzliche Krankenversicherung In der Regel beträgt die Arbeitsunfähigkeit nach Implantation eines teilweisen oder vollständigen Gelenkersatzes 3╯Monate in Verbindung mit der Durchführung einer Anschlussheilbehandlung. Danach kann eine stufenweise Wiedereingliederung angestrebt werden. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Richtwert. Dieser kann je nach individuellem Heilungsverlauf unter- oder überschritten werden. Im Allgemeinen sollte jedoch nach 6╯Monaten eine Arbeitsfähigkeit erzielt worden sein (vgl. Casser 2003).
18.2.2 Pf↜legeversicherung Bei alleinigem Vorliegen einer endoprothetischen Versorgung am Kniegelenk ohne Begleiterkrankungen werden bei einem normalen Ausheilungsergebnis (Beweglichkeit 0/0/90 Grad, keine Instabilitäten, keine Paresen) die Voraussetzungen für die Erlangung der Pflegestufe 1 nicht erreicht. Bei bestehenden Begleiterkrankungen und nicht optimalem Ergebnis der Operation muss im Einzelfall entschieden werden. Hierbei hängt das Erreichen der Pflegestufe von der bestehenden Funktionseinschränkung ab und wird individuell entschieden (vgl. Ludolph 2001).
18.2.3 Gesetzliche Rentenversicherung Bei regelhaftem Verlauf nach Knie-TEP mit normaler Funktion wird im Bereich der Rentenversicherung
H. Röhrig
davon ausgegangen, dass leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig wieder aufgenommen werden können. Hierzu zählen Tätigkeiten, die ohne häufiges Bücken oder Tragen von schweren Lasten auszuüben sind. Die in der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde liegende Wegefähigkeit von 500â•›m in 20â•›min wird in der Regel erreicht. Daher erfordert der endoprothetische Ersatz des Kniegelenks, ob als Schlitten oder Oberflächenersatz, je nach vorher ausgeübtem Beruf, eventuell eine berufliche Rehamaßnahme. In der Regel erfüllt somit der Endoprothesenpatient mit guter Funktion nicht die Vorraussetzungen zur Erlangung der Rente aufgrund vollständiger oder teilweiser Erwerbsminderung, da keine Einschränkung der täglichen Arbeitszeit begründbar ist. Dies kann jedoch in Einzelfällen nach schwierigen Wechseloperationen, bei Instabilitäten, bei Infektionen oder anderen komplizierten Verläufen zu einer Rente auf Zeit umgewandelt werden (vgl. Visé 2005; Elsner 2003).
18.2.4 Gesetzliche Unfallversicherung Die Einstufung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§â•›56, Abs.â•›2, Satzâ•›1, SGBâ•›VII). Es gilt die abstrakte Schadensbemessung nach Anforderung des allgemeinen Arbeitsmarktes. Die MdE ist somit die Differenz aus der individuellen Erwerbsfähigkeit vor dem Unfall und der ihm nach dem Unfall verbliebenen Erwerbsfähigkeit. Im Bereich der Knieendoprothetik gelten in der Literatur folgende Empfehlungen: ●⊑ Endoprothese, beschwerdefrei (Oberfläche/Schlitten; Beweglichkeit mind. 0/0/90 Grad) → 10–20â•›% ●⊑ Endoprothese, bewegungseingeschränkt (mit StreÂ� ckdefizit mind. 10 Grad) → 20–30â•›% ●⊑ Endoprothese, instabil, unvollständig komplett → 20–30â•›% ●⊑ K nieversteifung in Funktionsstellung → 30â•›% ●⊑ Endoprothese, gelockert → 40–60â•›% ●⊑ Endoprothese, gelockert, septisch → 60–80â•›%
18â•… Begutachtung
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung können berufshelferische Maßnahmen zur Anwendung kommen, um den Endoprothesenträger auf einen angepassten Arbeitsplatz umzusetzen. Im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung ist der MdE-Bereich um 20â•›% besonders interessant, da erst ab 20â•›% eine Rentenleistung erfolgt (vgl. Visé 2005; Elsner 2003).
18.2.5 Private Unfallversicherung In der privaten Unfallversicherung ist die Invalidität versichert. Dies wird geregelt nach den allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen. Die Invalidität definiert sich als dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit aus Unfallfolgen. Die Höhe der Invalidität wird nach anatomisch-funktionellen Kriterien bestimmt und ist unabhängig von der tatsächlichen beruflichen Belastung und Alter des Versicherten. Die Invalidität wird in Zehnteln Beinwert im Bereich der unteren Extremität angegeben. Hierbei gelten nach obergerichtlicher Einschätzung bei der Beurteilung von Endoprothesen gewisse Besonderheiten. So ist laut Entscheidung des BGH eine Endoprothese kein Körperersatzstück, sondern ein „Gebrauchsmittel für die körpereigenen Strukturen“ (BGH, VersR 89, 353). Der unfallbedingte Bruch einer Prothese ist eine versicherte Schädigung, auch wenn es nicht gleichzeitig zu weiteren Verletzungen kommt (vgl. Ludolph 2001). Es gelten folgende Richtwerte: ●⊑ TEP gelockert mit Infektion → 8/10–9/10 ●⊑ K nieexartikulation → 6/10 ●⊑ Unterschenkelkurzstumpf → 5/7 ●⊑ TEP gelockert mit Funktionseinschränkung → 7/10 ●⊑ TEP mit Instabilität und Bewegungseinschränkung (0/30/90) → 6/10 ●⊑ Versteifung im Kniegelenk ohne TEP → 4/10–5/10 ●⊑ TEP stabil, geringe Bewegungseinschränkung (0/10/90) → 4/10–5/10 ●⊑ TEP leicht instabil, keine Bewegungseinschränkung → 4/10–5/10 ●⊑ TEP stabil, gute Funktion → 7/20
285
18.2.6 Schwerbehindertenrecht Ein Behinderung im Sinne des Gesetzes liegt dann vor, wenn die körperliche Funktion, die geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit eines Menschen für länger als 6â•›Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilnahme am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen werden als Grad der Behinderung (GdB) nach Zehnergraden festgestellt. Als schwerbehindert gilt ein Betroffener ab einer GdB von 50. Der Begriff der Behinderung ist definiert in §â•›2 Abs.â•›1 SGBâ•›IX. Besonderheit im Bereich der Begutachtung der Knieprothetik ist, dass in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit eine beidseitige Knie-TEP zur Erlangung der Schwerbehinderung führt, eine beidseitige Hüft-TEP jedoch nicht. Bei guter Funktion einer Knieendoprothese werden die Voraussetzungen zur Erlangung eines Nachteilsausgleiches („G“ = erheblich gehbehindert oder „aG“ = außergewöhnlich gehbehindert) nicht erreicht. Eine einseitige Knie-TEP wird bei guter Funktion mit einer GdB von 30, beidseitig mit einer GdB von 50 bewertet. Formal ist die Voraussetzung zur Erlangung des Nachteilsausgleiches „G“ dann erreicht, wenn der Grad der Behinderung alleine durch Beeinträchtigung der unteren Extremität GdB von 40 erreicht. Dies wäre formal nach beidseitiger Knie-TEP gegeben. Unter funktionellen Gesichtspunkten wird dann „G“ vergeben, wenn eine Situation wie bei in „ungünstiger Stellung versteiftem Kniegelenk“ vorliegt und der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, 2.000â•›m in 30â•›min zurückzulegen (Elsner 2003).
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Sachverzeichnis
A Abszess 231 Adhäsin 228 Adipositas 52 Agranulozytose 169 Akutschmerztherapie, systemische 170 Allergieimplantat 209 Allgemeinanästhesie 109 Medikamente 111 Allograft 145, 263 Aminoglykoside 240 Ampicillin 240 Amputation 144, 195, 250 Anaerobier 240 Analgesie intraartikuläre 117 intravenöse, patientenkontrollierte 120, 122 Analogskala, visuelle 171 Anästhesie 109 anästhesiologische Überwachung 111 intravenöse regionale (IVRA) 118 Antibiose 244 topische 243 Antibiotika-Knochenzement-Spacer 150 Antibiotikaprophylaxe 93 Antibiotikatherapie 171, 239 Antikoagulation 116, 171 Apex patellae 5 Area intercondylaris 4 anterior 7, 12 Arrhythmie 86 Arthritis, rheumatoide 49, 157, 214 Arthrodese 86, 250 Arthrodesenagel 249 Arthrofibrose 82, 208 Arthrolyse, Planung 107 Arthropathie 272 Arthrose 277 hämophile 40 Definition 34 Grading 37 Klassifikation 35
retropatellare 157 Staging 37 Arthrotomie 258 anteriore 259 anteromediale 258 Articulatio genus 1 Atemweg, schwieriger 110 Atrophie 176 Aufklärungsgespräch 129 Augmentation 199 Ausdauertraining 190 Außenmeniskus 13 Austauschprothese 262 Azidose, metabolische 118 B Baker-Zyste 95 Bakteriämie 150 Balance 275 Band-Balancing, mediolaterales 282 Bandapparat 7 hinterer 10 Bandfestigkeit, klinische Testung 282 Bandkomplex vorderer 7 zentraler 11 Beclard‘scher Kern 3 Befunddokumentation, objektive funktionelle 166 Begutachtung 281 Beinachse Korrektur 97 mechanische 97 Beinachsenstabilität 180, 182 bei der Kniebeuge 183 Beinpresstraining 187 Beinvenenthrombose 197 Belastung der Knochen 20 muskuloskelettale 19 In-vivo-Messung 21 Belastungsprofil 22 Benzodiazepin 119
D. C. Wirtz (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-12889-9, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2011
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288 Betalaktamantibiotika 240 Beugespalttechnik, balancierte 203 Bewegungsalgorithmus 173 Bewegungsanalyse bei der Kniebeuge 182 dreidimensionale 166, 181, 188 Bewegungseinschränkung 176 Bewegungsmassage nach Terrier 174 Bewegungsumkehrphase 183 Biceps-femoris-Reflex 283 Binnenbänder 11 Biofilm 228, 243 Biomechanik 19 des endoprothetisch versorgten Knies 71 orthopädische 76 Blauth-Prothese 215 Blumensaatlinie 2 Blutgasanalyse, arterielle 198 Blutsperre 118, 130 Bone Mass Density 274 Borgskala 190 Bursa intercruciata 12 ligamenti collateralis tibialis 9 Bursen 14 dorsale 14 seitliche 15 ventrale 14 Bursitis 95 C Cam-and-post geometry 63 Can‘t-ventilate-can‘t-intubate-Situation 111 Caput fibulae 8 Cavum articulare 7 Cement disease 219 Cephalosporine 150 Chirotherapie 176 Chondrokalzinose 275 Chondropathie 277 CoCrMo-Implantat 57, 58 Complex Regional Pain Syndrome 208, 209 Condylus lateralis 3, 12 medialis 3, 13 femoris 17 Constrained-Condylar-Knieprothese 63, 78 Contained defect 139 Continuous passive motion (CPM) 169 Corpus adiposum infrapatellare Hoffa 7 Cost-Benefit-Verhältnis 271 Coxiben 120 Cryotron 190 CT-Myelographie 117 D Daptomycin 240 Deep-dished-Polyethyleninlay 62 Defektsanierung 262 Deformität, angeborene 136
Sachverzeichnis Detritus-Synovialitis 37 reaktive 42 Detrituszyste 43 Dilatationstracheotomie 111 Doppelkatheterverfahren 122 Drogenabusus 250 Dynamik, inverse 20 E E-Technik nach Hanke 191 Eigenblutspende 86 Einbeinstand 20 Elektrolyte 90 Elektromyographie 26, 166 Elektrostimulation 115 Elektrotherapie 175, 190 Emargination 6 EMG-Bewegungsanalyse 173 Eminentia intercondylaris 2, 3 Endo-Modell 50 Endoprothese, Belastbarkeit 283 Energie 189 Enterokokken 240 Entrollfunktion 7 Epicondylus lateralis 9 medialis 2 Epikondylarlinie 133, 154, 203 Ermüdung 185, 186 Ersatz, retropatellarer biomechanische Aspekte 80 Escherichia coli 229, 240 Etenercept 222 Ethylengas 58 Etomidate 111 Euplasie 1 Evaluierungs-Score 81 Evolute 3 Evolvente 3 Ewing-Sarkom 149 Extension Gap First 203 F Fabella 6 Faktor-V-Leiden 171 Fallfuß 150, 195 Faradisation 177, 190 Faszlitation, propriozeptive neuromuskuläre 191 Fatigue strength 57 Femur 1 distales 146 Knochentumor 146 Femur-first-Technik 132 Femurdiaphyse 99 Femurkomponente, Hauptspannung 75 Femurkondylen, Osteophyten 102 Femuropatellararthrose 154 Femurtrochlea 1 Fentanyl 111 schnell freisetzende Zubereitungen 122
Sachverzeichnis Fettembolie 197 Fibroblasten 222 Fibroostose 4 Finite-Elemente-(FE-)Simulation 74, 75 Fistel 231 Fixateur externe 245, 249 Fixed-bearing-Knieendoprothese 82 Fixed-hinge-Implantat 64 Flat-on-flat-Design 59, 62 Flexions-Extensions-Intervalltechnik 263 Fließpressverfahren 58 Floating 203 Flucloxacillin 239 Fluorchinolone 240 Fluorsokopie 97 Fondaparinux 197 Foramina nutricia 2, 4 Fossa intercondylaris 2, 6, 153 Fraktur periprothetische 196, 198 suprakondyläre 198 Freeman-Swanson-Knieprothese 48 Frühinfekt 200 Funktions-Score 81 Funktionstest 88 Fusionsverfahren externe 250 interne 250 Fußheberschwäche 150 G Gabapentin 171 Ganganalyse 22, 26 Gastroknemius-Schwenklappenplastik 147, 149 Gefäßersatz 144 Gefäßfistel 195 Gefäßverletzung 195 Gelenk, patellofemorales 27 Gelenkbelastung 20 Gelenkbeurteilung, makroskopische 37 Gelenkbewegung 25 Gelenkbiomechanik 81 numerische Simulation 74 Gelenkdestruktion 35 Gelenkerguss 95, 169 Gelenkersatz, unikondyläre 48 Gelenkinfektion 93 integratives Modell 173 Gelenkinnervation 17 Gelenkkapsel 6 Gelenkkinematik 25, 29 Gelenkkinetik 21 Gelenkkontaktkraft, tibiofemorale 22 Gelenkkraft 21 Gelenkmechanik 22 Gelenkpunktion 93, 200, 234 Gender Knee 50 Genu flexum 88 recurvatum 88 varum 155
289 Geomedic-Prothese 61 Gerinnungsanalyse 198 Geröllzyste 37 Giving-way-Phänomen 154 Gleitlager, mobiles 66 Global Modular Replacement System 145 Gluck-Prothese 48 Gluck, Themistokles 47 Glykopeptide 239, 240 Gonalgie 85 Gonarthrose 20, 23, 214 Ätiologie 33, 38 Definition 33 Inzidenz 52 Klassifikation 33 histologische 35 radiologische 34 makroskopische Knorpelveränderungen 36 Pathogenese 33, 41 Prävalenz 41, 52 primäre 40, 85 radiologische Scoring-Scala 36 Risikofaktoren 40 sekundäre 40, 85 traumatische 40 Grad der Behinderung (GdB) 285 Grant‘s notch 12 Grinding-Test 90 GSB-Knieprothese 49 Gussverfahren 57 H Haglund‘sche Delle 5 Hämoglobin 90 Harmstring-Plastik 148 Hautdefekt nach Knie-TEP 258 Hautinnervation 16 Hautkeim 200 Hautnarbe 258 Hautnekrose 201 Hemischlittenoperation 263 Hemmkonzentration, minimale 240 Heparintherapie 171 Hiatus adductorius 15 High density polyethylene (HDPE) 58 High fluid pressure 219 High-flex-Knieendoprothese 82 High-Flexion-Design-Kniegelenkendoprothese 25 High-performance-Knieprothese 63 Hilton‘sches Gesetz 17 Hochvolt 191 Hochvolttherapie 177 Hoffa‘scher Fettkörper 7, 15, 132 Hospital for Special Surgery (HSS) Score 81 HSS-Score 157, 165 Hüftendoprothetik 53 Hüftkontaktkraft 21 Humphrey‘sches Band 13 Hydrocodon, orales 121 Hydromorphon, orales 122
290 Hyperkapnie 118 Hyperkompressionssyndrom 153 Hyperplasie, synoviale 37 Hypertonie 86 Hypomochlion 12 Hyposensibilität 195 I Ilizarov-Ringfixateur 250 Imperial-College-London-Hospital-Prothese (ICLH) 61 Implantat 57 korrekte Positionierung 128 zementfreies 67 Implantatallergie 209 Implantatbruch 205 Implantatdesign 59 Implantatversagen 214 In-vivo-Belastungsmessungen 22, 28 Infektion, siehe Protheseninfektion Inhalationsnarkotika 111 Inlay-Patella 160 Inlay, mobiles 50 Insall-Burstein-Knie 49 Insall-Burstein-posterior-stabilized-Prothese 62 Insall-Score 92 Insulin-Kalium-Glukose-Infusion 113 Interferenzstrom 190 Intubation endotracheale 110 schwierige 110 Inverted cruciform release 156 Iontophorese 190 Ischiadikuskatheter 170 Isoxazolypenicilline 239 J Jet-Lavage 134, 238, 261 K Kallus 43 Kälteanwendung 175 Kältetherapie 177 Kapsel-Band-Release 107 Kapselband, mediales 10 Kapselfibrose 37 Katheter-Periduralanästhesie 113 Kellgren-und-Lawrence-Score 51 Keramik 58 Kinästhesie 275 Kinematic Rotating Hinge 64 Kinematic-Condylar-Prothese 62 Kinematik 29 tibiofemorale 25 Kinetik 29 Klebsiella pneumoniae 240 Knee Rating Score 271 Knee Society Function Score 158 Knieabriebsimulator 76 Kniearthroskopie 110
Sachverzeichnis Knieendoprothesenlockerung, septische 227 Knieendoprothetik 58 Anamnese 86 Aufklärung 95 Ausrichtung der Femurkomponente 99 bei Tumoren 143 bildfreie Systeme 139 Biomechanik 73 computernavigierte Operation 139 historische Entwicklung 47 Indikation 85 Indikationskriterien 51 Instabilitätsfaktoren 207 instrumentierte 23 intraoperative Komplikationen 195 Konsequenzen der Beurteilung 284 Lagerung und Abdeckung 129 minimal-invasive 139 Mobile-bearing-Konzept 78 Navigationssystem 51 OP-Planung 127 OP-Zugänge 130 perioperative 197 periprothetische Frakturen 196 Planung des operativen Eingriffs 96 Planung des Weichteileingriffs 106 Polyethylen 58 postoperative Komplikationen 198 Resektionsebenen 99 teilgekoppelt biomechanische Aspekte 78 unikondyläre biomechanische Aspekte 77 Untersuchung 86 apparative 93 klinische 87 Laboruntersuchungen 90 vollgekoppelt biomechanische Aspekte 78 Wahl der Prothesengröße 104 Wahl des Prothesentyps 103 Worst-Case-Testung 74 zweiachsig geführt 79 Kniegelenk 1 Achsfehlstellung 23 Anatomie 1 Anpassungsreaktion 38 Arterien 15 Arthrographie 95 Bandapparat 10 Bandfestigkeit 281 Belastungen 28 Biomechanik 19 biomechanische Analyse 2 Gleiten 184 Kapsel-Band-Apparat 7 Kinematik 73 knöcherne Strukturen 1 kontraktes 260 Leitungsbahnen 15
Sachverzeichnis Nervenversorgung 16 Remodeling 39 Tumor 142 Untersuchung der Beweglichkeit 281 Kniegelenkendoprothetik 29 Kniegelenksarthrose 73 Kniegelenksstabilität 88 Knieoperation anatomische Besonderheiten 136 Blutsperre 118 Gleitlager 65 instabile 206 Revisionsoperation 267 schmerzhafte 202 gelockerte 206 nicht gelockerte 205 Diagnose 204 Stabilisierungsgrad 266 Standardsituationen 132 steife 208 teilgekoppelte 63 Tourniquets 118 unikondyläre 59 Verankerung 266 Knieprothesenlockerung, aseptische 213 Knierevision 257 Kniescheibenrückflächenersatz 158 Kniesimulator 74 Knochen-Implantat-Verbindung 67 Knochendefekt Größenbestimmung 100 Rekonstruktion 138 tibialer Stiele und Augmentate 105 Knochendefizit 257 Knocheneingriff 97 Knochenlager, mangelhaftes 257 Knochenmetastase 143 Knochenqualität, Beurteilung 103 Knochenresorption RANKL-vermittelte 221 TNFa-vermittelte 222 Knochentumor 143 distales Femur 146 proximale Tibia 147 Knochenzement 74 Knorpelabrieb 37 Knorpeldestruktion 42 Knorpelglatze 37 Knorpelnest 37 Knorpelusur 37 Kompartmentsyndrom 150, 195 Kondylenlinie 133 Koniotomie 111 Kontaktallergen 209 Kontraktion, isometrische 178 Koordinationsstörung 177 Koordinationstraining 190 Kopfschmerz, postspinaler 114 Korrekturosteotomie 29
291 Koxarthrose 52 Kraftgrad nach Kendall 191 Krafttestung 283 Krafttraining 186, 190 Krankengymnastik 176 Krankenversicherung, gesetzliche 284 Krankheitsfolgemodell der WHO 173 Kreuzband 12, 13 hinteres Verletzung 197 Kunstknochen 138 L Laborkontrolle 169 Lachmann-Test 89 Lagerungstechnik 168 Langzeitantibiose 251 LARS-Ligament 144 Larynxmaske 110 Lebensqualität 271 Leistungssteigerung 185, 189 Leitungsanästhesie periphere 170 selektive 114 Lequesne-Index 51 Lift-off-Effekt 77 Lift-off, tibiales 138 Ligament balancing 216, 282 Ligamentum collaterale laterale 8 mediale 9 cruciatum anterius 12 posterius 13 fabellofibulare Vallois 6 meniscofemorale 10 anterius 13 posterius 13 meniscotibiale 10 patellae Avulsion 196 Ruptur 201 patellofemorale 8 popliteum obliquum 10, 11 Linea intercondylaris 6 Linezolid 240 Links-rechts-Differenz 178 Lokalanästhetika 112, 113 Allergien 113 Lokaltherapie, antibiotische 240 Low friction Arthroplasty 48 Low-contact-stress-(LCS-)Knie 50, 66 Low-grade-Infektion 283 Lubricity 58 Ludloff‘scher Fleck 3 Luesarthropathie 93 Lungenembolie 197 Lymphdrainage 177 Lymphödem 169
292 M Maissiat‘scher Streifen 4 Malalignment 274 Maskennarkose 109, 110 Massage 174 Massagetherapie 191 Materialversagen 214 Mechanorezeptor 12 Mechanotherapie 176, 177 Medizinische Trainingstherapie (MTT) 176 Meniscus disciformis 14 lateralis 14 medialis 14 Meniskektomiemodell 43 Meniskus 13 Meniskuszeichen 89 Mesh-Graft 148–150 Metal-backed-Patellaimplantat, zementfreies 216 Metall-based-Patella-Design 158 Metallallergie 214 Metallback-Patella 161 Metamizol 120 Micromotion 219 Mid-Flexion 205 Midvastus-Zugang 131, 275 Mikrobiologie 233 Kultivierung von entnommenen Implantaten 235 periprothetischer Gewebeproben 235 Mikulicz-Linie 97, 128 Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 284 Miniarthroskopie 139 Mobile-bearing-Prothese 61, 82 Mobilisation 169 Modular Universal Tumor and Revision System, s. auch Mutars-System 145 Morbus Ahlbäck 40, 94 Morphin 120 orales 122 a-Motoneuron 43 Musculus popliteus 11 quadriceps femoris Atrophie 88 semimembranosus 11 Muskelaktivität 20, 21 Muskeleigenreflex 88 Muskelinhibition 43 arthrogene 43 Muskelkraft 20, 21 Muskelschwenklappen 144, 148 Muskelstimulation 177 Muskulatur, Ruhetonus 166 Mutars-System 145, 149 Myelographie 117 N Nachbehandlung, medikamentöse 170 Nachblutung, postoperative 198
Sachverzeichnis Navigation 139 Navigationssystem 216 Nerven 16 Nervenblockade 123 selektive 114 Nervenmobilisation 191 Nervenstimulator 115 Nervenverletzung 195, 201 Nervus cutaneus femoralis lateralis 16 saphenus 16 Nervus-femoralis-Katheter 123, 170 Nervus-peronaeus-Verletzung 195 Neuromuskuläre elektrische Stimulation 190 Neutral-Null-Methode 88, 165, 281 Nichtopioide 120 Notching 2, 105, 133, 198 NSAID 120 O Oberfläche, proadhäsive 228 Oberflächenelektromyographie 26 Oberflächenersatz bikompartimenteller 63 bikondylärer 74 subluxierter bikondylärer 256 Oberflächenersatzprothese 61 bikondyläre 276 biomechanische Aspekte 77 ungekoppelte 61 Oberflächenhärtung 57 Oberflächenprothese 50 kreuzbanderhaltende 127 Oberschenkelamputation 146 Odd-Facette 5 Ödem 169 interstitielles 239 Offset-Adapter 128 Onlay-Patella 160 Opioide 111, 117, 119, 121 orale Therapie 121 Orthopilot 140 Ossa Vesaliana 6 Osseointegration 57 Osteoarthritis 33 Osteoarthrose 33, 38 Entstehungsursachen 38 Risikofaktoren 40 Osteoblasten 220, 222 Osteochondrophyt 43 Osteochondrosis dissecans 94, 153 Osteoklasten 220 Osteoklastogenese 220 Osteolyse abriebbedingte 219 aseptische 219 partikelinduzierte 220, 221 periprothetische 221 abriebbedingte 216 Osteonekrose, aseptische 158
Sachverzeichnis Osteopenie 209 Osteophyten 43, 132, 158 inflammatorische 43 Osteosarkom 146, 149 Osteosynthese 139, 196 Osteotomie 97, 99, 133 Overstuffing des Femoropatellargelenks 208 patellofemorales 28 Oxazolidinone 240 Oxford Meniscal Bearing System 59 Oxid-Keramik-Schicht 58 Oxycodon-Naloxon 122 Oxycodon, orales 122 P Pangonarthrose 132 Paracetamol 120 Parästhesie 115 Partikelkrankheit 215, 216 Patchtest 209 Patella 4, 101 Alignment 154, 155 alta 28, 101, 155 baja 28, 101 Blutgefäßversorgung 16 Defilé-Aufnahmen 94 deformierte 266 Dysplasie 155 emarginata 6 Eversion 259 Frakturen 161 Implantat 27 Kinematik 29 Nekrose 156 avaskuläre 161 passive Stabilisatoren 153 Realignment 148 Resektion 101 Rückflächenersatz 158 Verkippung 161 Patella-clunk-Syndrom 158, 162 Patelladicke 160 Patellafraktur 199 Patellahochstand, s. auch Patella alta 28 Patellaprothesenrevision 267 Patellarsehnenreflex 283 Patellarückflächenersatz 267 Patellasehnenruptur 200, 256 Patellasubluxation 256 Patellatiefstand, auch Patella baja 28 Patellektomie 85, 256, 267 Patelloplastie 158 Patient Aufklärung 128 individuelles Medikamentenschema 172 nichtnüchterner 110 Anästhesie 110 Payr-Test 89 Penicillin G 240
293 Periduralanästhesie 112, 114, 123 Peronaeusirritation 195 Pflege 169 Pflegeversicherung 284 Phagozytose 220 Phonophorese 175 Physikalische Therapie 172 Physiotherapie, postoperative 165 Pie-Crust-Technik 195 Piritramid 120 Pitting 220 Pivot central 12 Pivot-Shift-Test 89 Plattenosteosynthese 250 Plexus-lumbalis-Blockade 123 Plica alaris 7 suprapatellaris 7 Plicasyndrom 7 Poliomyelitis 103 Polycentric-Prothese 61 Polyethylen 57 Inlay 50, 77 lineares 58 Verschleiß 151 Polyethylenabrieb 22, 77 Polyethylenkrankheit 202 Polymethylmetacrylat (PMMA) 48, 66 Allergie 127 Poplitealzyste 88 Popliteuseck 11 Popliteussehne 11 Posterior-stabilized-Prothese 63, 138 Press-fit-Verankerung 64, 66, 145 Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson 178, 192 Propofol 111, 113 Propriozeption 275 Protamin 197 Proteoglykanverlust 37 Prothese, bikondyläre 50 Prothesen-Alignment 262 Prothesenbelastung 283 Prothesenexplantation 260 Protheseninfektion 200, 227 Behandlungsleitfaden 237 bildgebende Verfahren 232 Diagnostik 232 Erreger 229 exogene 229 Frühinfekt 230 hämatogene 227, 229 implantatassoziierte 234 Komplikationen 247 periprothetische 236 Schmerzen 230 Spätinfekt 230 Therapiealgorithmus 242 tiefe 208 verzögerte 230 Prothesenversagen 213
294 Prothesenwechsel einzeitiger 242 zweizeitiger 243 Protonenpumpeninhibitor 120 Pseudo-Patella baja 28 Pseudoaneurysma 195 Pseudomonas aeruginosa 228, 229 Pseudozyste 43 Psoas-Kompartment-Blockade 170 Psoriasis 88 Q Q-Winkel 156 Quadrizeps Snip 196, 259 Quadrizepsatrophie 153 Quadrizepsdysplasie 153 Quadrizepssehnenruptur 256 Qualitätskontrolle 165 R Radio Lucency Line (RLL) 273 Rapid sequence induction (RSI) 110 Reaktion, synovialitische 42 Receptor activator of nuclear factor-kB ligand (RANKL) 221 Recessus suprapatellaris 7 Rechts-links-Symmetrie 173 Redon-Drainage 149, 150 Reflexstatus 283 Reflexzonentherapie 176 Regeneration 185, 187 Regeneratknorpel 38 Regionalanästhesie 110 neuroaxiales Verfahren 112, 113 Rehabilitation 169, 171 Remifentanil 111 Rentenversicherung, gesetzliche 284 Reservestreckapparat 8 Resistogramm 93 Rete articulare 16, 17 patellae 16 Retinaculum ligament arcuati 11 patellae 8 transversale 8 Retropatellararthrose 85, 153–155 Retropatellarersatz 155, 157 Retropatellarfibrose 214 Retropatellargelenk, Biomechanik 153 Retropositio 4 Retroversio tibiae 4 Revisionsarthrotomie 258 Revisionsendoprothetik 65 im Kniegelenksbereich 255 Revisionsprothese Implantation 268 stemaugmentierte 198 Rifampicin 239 Roll-Gleit-Bewegung 62, 74, 79, 166, 168, 177, 183
Sachverzeichnis Rollback 63 negatives 74 posteriorer 79 Rollen, negatives 168, 184 Roller-in-trough-Prinzip 61 Röntgenkontrolle 169 Rotating-hinge-Implantat 64, 65, 79, 146 Rotationsabweichung 154, 203 Round-in-round-Prinzip 61 Round-on-flat-Prinzip 62, 65 Round-on-round-Prothese 65 Rückflächenersatz 157 Ruhetonusmessung 178 S Salvage Procedure 202 Scharniermechanismus 79 Scharnierprothese 261, 263 Scheibenmeniskus 14 Schleimbeutel, s. auch Bursen 12 Schlittenprothese 214 Schmerzsyndrom chronifiziertes 119 femuropatellares 153, 154 patellofemorales 275 Schmerztherapie medikamentöse bei ligamentärem Schmerz 170 bei muskulärem Schmerz 170 bei neurogenem Schmerz 171 orale 120 Outcome 119 perioperative 118 postoperative 118 regionale Verfahren in der postoperativen Phase 122 systemische Verfahren 120 Schmerztropf 120 Schmiedeverfahren 57 Schrägband, hinteres 10 Schubladentest, hinterer 204 Schwäche, muskuläre 176 Schwellung 177 Schwerbehindertenrecht 285 Sealed interface 219 Seitenbandapparat 8 Seitenbandverletzung 196 Semimembranosuseck 11 Sesambein 4 Shaldon-Katheter 112 Sharpey‘sche Faser 4 Shelfpatella 202 Short-Form-(SF-)Fragebogen 271 Single Radius 50 Skip-Metastase 149 Sklerose 103 Sonikation 236 Spacer-Implantation 244 Spätinfekt 201 Spinal-Epiduralanästhesie, kombinierte 113
Sachverzeichnis Spinalanästhesie 112–114 hohe 114 St.-Georg-Rotationsknie 64 Stäbchenbakterien gramnegative 240 grampositive aerobe 240 Stabilität knöcherne 203 ligamentäre 203 Staffelstein-Score 166 Standphasenstörung 179 Standphasentraining 182 Staphylococcus aureus 228 epidermis 228 Staphylokokken 239 Steinmann-Nagel 133, 139 Stemaugmentation 196 Stielkopplungssystem, modulares 250 Stratum fibrosum 6, 11 synoviale 7, 11 Streckapparat 7 Rupturen 161 Streptokokken 240 Stress shielding 219, 272 Struktur, knöcherne 1 Strutgraft 138 Subvastuszugang 131 Superkompensation 189 Suppressionstherapie 251 Symmetrical Axis of Rotation Approach (SARA) 25 Sympathikusblockade 209 Syndrom, postthrombotisches 197 Synovialbiopsie 93 Synovialektomie 132, 258 Synovialflüssigkeit 43 Synovialitis 37, 154, 160 Synovialmembran 41 Synovitis 169 Szintigraphie 205 T Test, funktioneller 178 Therapie manuelle 191 physikalische 172 bei neurogenen Schmerzen 176 bei Schmerz am Kapselbandapparat 175 bei Schmerz an der Muskulatur 174 funktionelle 177 nach 3D-Bewegungsanalyse 178 nach Symptomen 176 Steuerung durch EMG 178 symptomatische 174 Thermotherapie 175–177 Thiopental 111 Thromboembolie 197 Thromboembolieprophylaxe 116 Thromboserisiko 116 Ti-6A1-4V-Mischung 57
295 Ti-6A1-7Nb-Mischung 57 Tibia 3 proximale Knochentumor 147 Tibia-first-Technik 132 Tibia-Onlay 105 Tibiakopf 3 Tibiaplateau 12 Osteophyten 102 Tibiofemoralgelenk, Axialkräfte 21 Tilidin-Naloxon, orales 121 Titanlegierung 57 Total Condylar Prothesis 48, 61 Totale intravenöse Anästhesie (TIVA) 111 Totales Knie 147 Tracker-Morbidität 140 Trainingstherapie, medizinische 186 Traktionsosteophyt 43 Tramadol 120 orales 121 Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) 176, 190 Tribologie 65 Triggerpunktbehandlung nach Marnitz 174 Triggerpunkttherapie 176 Trochleadysplasie 63, 94 Trochoginglymus 1 Tuberculum adductorium 2 intercondylicum 4 tractus iliotibialis Gerdy 4 Tuberositas tibiae 4, 16, 17, 101 Osteotomie 136, 259 Tug lesion 2 Tumor, kniegelenksnaher 143 Tumorchirurgie, extremitätenerhaltene 143 Tumorprothese 143 Implantatwahl 144 Komplikationen 150 Lokalrezidiv 150 peri- und postoperatives Management 149, 150 Weichteilrekonstruktion 148 Tumorresektion, extremitätenerhaltende 147 U Überbohrung 198 Überlastungssymptom 189 Ultra-high molecular weight polyethylene (UHMWPE) 58, 219 Ultraschall 175, 191 Topometer 167 Ultraschallimpuls 167 Umdrehplastik 144 Umkehrphasenstörung 182 Umkehrphasentraining 180, 185 Umstellungsosteotomie 156 Unfallversicherung gesetzliche 284 private 285 Untersuchung, nuklearmedizinische 233 Untersuchungsbogen Knie 91
296 V Valgus-Alignment 156 Valgusarthrose 131, 282 Valgusdeformität 85, 87, 155 OP-Technik 136 Weichteilkorrektur 107 Valgusfehlstellung 260 Valgusgonarthrose 154, 155 instabile 255 Valgusknie 156 Varus-valgus-Laxität 41 Varus-Valgus-Stress 137 Varus-Valgus-Stresstest 89 Varusdeformität 87, 155, 156 OP-Technik 137 Weichteilkorrektur 107 Varusgonarthrose 154 Varusknie 154 Verankerungsprinzip 66 Verbandstechnik 168 Verfahren, übende 192 Virchow-Trias 197 Viridans-Streptokokken 240 Vitallium 48 Vojta 192 W Wärmeanwendung 175 Wassertherapie 176
Sachverzeichnis Wear-and-tear-Theorie 38 Weichteil-Release 137, 207 Weichteilbalancierung 137, 265 Weichteilkorrektur von Deformitäten 106 Weichteilödem 239 Weichteilrekonstruktion, Tumorprothese 148 Weichteilverschluss 269 Whiteside-Linie 133, 154, 156, 203 Wolff‘sches Gesetz 20 WOMAC-Arthrose-Index 81, 82 Worst-Case-Testung 74 Wunddebridement, septisches 238 Wundheilungsstörung 201 oberflächliche 200 Wundhöhle 238 Wundinfektion 171 Wundrandnekrose 258 Wundverschluss 165, 238 Z Zellaktivierung, partikelinduzierte 220 Zellanalyse, synoviale 235 Zirkoniumlegierung 58 Zohlen-Zeichen 90 Zugschraubenosteosynthese 139 Zyklooxygenaseinhibitor 116 selektiver 120 Zytokine, osteoresorptive 221