AE-Manual der Endoprothetik
Markus Loew Herausgeber
AE-Manual der Endoprothetik Schulter
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Herausgeber Prof. Dr. med. Markus Loew Sektion Obere Extremität Schulter-, Ellenbogen- und Handchirurgie Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg Schlierbacher Landstraße 200a 69118 Heidelberg Deutschland
[email protected]
Projektkoordinator Prof. Dr. med. Ulrich Holz Don Carlosstr. 23 70563 Stuttgart Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-02853-3 e-ISBN 978-3-642-02854-0 DOI: 10.1007/978-3-642-02854-0 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra¿e; detaillierte bibliogra¿sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Geleitwort
Der endoprothetische Ersatz von Gelenken, insbesondere großer Gelenke, gilt heute zu Recht als eine der erfolgreichsten operativen Prozeduren des gesamten chirurgischen Fachgebiets. Dies gilt nicht nur für kurz- und mittelfristige Heilungsaussichten, sondern auch für mehr als 15-jährige Langzeitperspektiven unter dem Aspekt der gewonnenen Lebensqualität. Gesundheitsökonomen haben errechnet, dass die durch einen Gelenkersatz gewonnenen Jahre an Lebensqualität, verglichen mit anderen medizinischen Prozeduren besonders kostengünstig sind. Die Zahl der allein in der Bundesrepublik Deutschland jährlich implantierten Hüft- und Kniegelenksendoprothesen zeigt, dass die Behandlung von Verschleißerkrankungen und Verletzungen der Gelenke einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Faktor darstellt, dessen Bedeutung angesichts der demographischen Entwicklung weltweit ohne jeden Zweifel rasch zunehmen wird. Folgerichtig ist für viele Krankenhäuser inzwischen die Gelenkendoprothetik von herausragendem bis überlebensentscheidendem ökonomischem Gewicht. Die große Zahl von Anbietern wundert also nicht. Ebenso wenig wundern die Ergebnisse der kurz-, mittel- und langfristigen Ergebnisforschung, die zeigen, dass trotz der national und international enormen Erfahrung auf dem Gebiet der Gelenkendoprothetik eine Menge kleiner und großer Fehler mit kleinen und großen Konsequenzen gemacht werden können. Der auch von Patienten immer wieder geäußerten Einschätzung, bei Gelenkersatzoperationen handele es sich um „Routineeingriffe“, muss energisch widersprochen werden. Jeder dieser häu¿g durchgeführten Eingriffe hat seinen individuellen Aspekt, muss auf das Sorgfältigste vorgeplant und ebenso sorgfältig - in Kenntnis und unter potentieller Beherrschung sämtlicher denkbarer Komplikationen - durchgeführt werden. Kein Eingriff ohne gründliche Schulung, keine Verwendung von Implantaten ohne vorheriges Training. Selbstüberschätzung ist auch hier die Saat für viele Fehlschläge. Der endoprothetische Gelenkersatz duldet auch keine kleinen Fehler, auch sie können große Folgen für die Langzeitprognose haben. Präzision ist gefragt, der Patient erwartet zu Recht ein perfektes Ergebnis. Dies ist das Umfeld, in welchem nach mehr als 10 Jahren gegenseitigem Erfahrungsaustausch aus den Reihen der Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik die Idee eines AE-Manuals geboren wurde. Inspiriert durch das erfolgreiche Konzept des AO-Manuals haben sich aus dem Kreise der AE-Mitglieder Editoren und Autoren mit großem Enthusiasmus an die Arbeit gemacht, ein oder besser das
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Standardlehrbuch zu erstellen, welches auf alle Fragen aus dem Gebiet der Gelenkendoprothetik und dessen Umfeld erschöpfend auf aktuellem Stand Auskunft gibt, ohne die Praxisnähe zu verlieren und durch Theorielastigkeit für Operateure in Aus– und Weiterbildung „unlesbar“ zu werden. Nach ihrem Leitbild sieht die AE ihre Hauptaufgabe in der kontinuierlichen Gestaltung einer umfassenden Fortund Weiterbildung für Ärzte und OP-Personal, der Nachwuchsförderung, der klinischen Forschung, der Patienteninformation und dem internationalen Austausch. Als neutrale und unabhängige Vereinigung sieht sich die Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik geradezu prädestiniert, ein solches Standardwerk herauszugeben. Dass dies ein großes, ein schwieriges Werk werden würde, war allen klar. Umso mehr freuen wir uns, dass es nun tatsächlich Stück für Stück vollendet werden konnte. Zu danken ist dies der Energie und der Expertise aller aktiv Beteiligten, die ihren speziellen Erfahrungsschatz hier weitergeben. Das vorliegende Manual und die regelmäßigen Kurse und Kongresse der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik sind Teil eines sich stets aktualisierenden Gesamtkonzepts. AE-Manual und AE-Kurse ergänzen sich gegenseitig. Die Herausgabe eines solchen mehrbändigen Buchprojektes bedarf einer ganz besonderen Koordinationsleistung. Der AE stand in Professor Dr. Ulrich Holz ein Koordinator zur Verfügung, der mit Erfahrung, Weitblick und energischer Tatkraft für Fortgang und Abschluss des Projektes Sorge trug. Ihm sei an dieser Stelle besonders gedankt. Ebenso sei Klaus Hug als dem ursprünglichen Projektinitiator Dank gesagt. Ohne seinen Impuls wäre das AE-Manual nicht aus den Startblöcken gekommen. Viele geduldige und ungeduldige Autoren können nun aufatmen, nach langen Mühen dürfen sie jetzt ihr Werk in der Hand halten. Wesentlichen Anteil daran hatten die verantwortlichen Mitarbeiter des Springer Verlages, denen an dieser Stelle für ihre freundliche und sehr gute Zusammenarbeit gedankt sei. Unseren Lesern wünsche ich im Namen der AE eine Informationsquelle, die ihren Bedürfnissen entspricht. Eine große Gruppe von Experten hat sich bemüht, dieses Ziel zu erreichen. Professor Dr. med. V. Ewerbeck Präsident der AE 2009/2010
Geleitwort
Vorwort
Operative Eingriffe an dem beweglichsten Gelenk des menschlichen Körpers haben schon immer eine besondere chirurgische Herausforderung dargestellt. Insbesondere gegenüber der Schulterendoprothetik wurde lange Zeit äußerste Zurückhaltung geübt; die Schulterprothese galt lediglich als ein „Platzhalter“, mit dem eine ansprechende Funktion nicht erreicht werden könnte. Heute ist der endoprothetische Gelenkersatz der Schulter „en vogue“. In den letzten 10 Jahren hat sich die Zahl der in Deutschland implantierten künstlichen Schultergelenke etwa verfünffacht. Das von Charles Neer in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte Modell eines Humeruskopf- und Glenoidimplantates, das als Vorbild für die moderne Schulterprothetik diente, ist in der Zwischenzeit vielfach modi¿ziert und verändert worden. Für die unterschiedlichen Indikationen gibt es heute neben den „konventionellen“ modularen anatomischen Prothesen mit fast unzähligen Modi¿kationsmöglichkeiten den OberÀächenersatz in Form von „Cup“Prothesen, die inversen Prothesen und zuletzt auch schaftfreie Kalottenimplantate. Mit den Kenntnissen über die Kinematik und Biomechanik der Schulterprothese ist auch die Indikation zum Gelenkersatz erheblich ausgeweitet worden. Neben der Omarthrose werden heute posttraumatische Deformitäten, Defektarthropathien, Humeruskopfnekrosen und Tumore durch ein künstliches Schultergelenk versorgt. Parallel zu dieser Entwicklung steigt allerdings leider auch die Notwendigkeit zu Revisionseingriffen. In dem vorliegenden Band des AE-Manuals haben ausgewiesene Experten der Schulterchirurgie ihre Erfahrungen mit dem Gelenkersatz zusammengetragen. Neben den differenzierten Indikationen zu den unterschiedlichen Prothesentypen, der präoperativen Diagnostik und den Vorbereitungen zur Operation werden die chirurgischen Techniken mit all ihren Tricks und Fallstricken ebenso dargestellt wie das Komplikationsmanagement. Viele der beschriebenen Prothesen sind erst wenige Jahre auf dem Markt – es fehlen daher Langzeituntersuchungen, die deren Überlegenheit gegenüber den erprobten Systemen bezüglich Funktion und Haltbarkeit belegen können. Das abschließende Kapitel dieses Buchs zeichnet einen Überblick über die aktuell vorhandenen wissenschaftlichen Auswertungen. Wir sind allen Autoren für ihre Mitarbeit sehr dankbar, insbesondere dafür, dass sie diesen langen Weg bis zum Erscheinen des Werkes mit viel Geduld gegangen sind.
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Vorwort
Die Entwicklung der Schulterprothetik ist stets im Fluss. Bereits in der „vierten Prothesengeneration“ angekommen, werden in immer kürzen Abständen neue Implantate vorgestellt und es werden neue Erkenntnisse und Ergebnisse publiziert, die den Schulterchirurgen anregen sollten, stets am Ball zu bleiben. Das Buch stellt eine aktuelle Momentaufnahme dieser dynamischen Entwicklung dar, die in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch an Geschwindigkeit zunehmen wird.
Heidelberg, Juni 2009
Markus Loew
Inhalt
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Geschichte und Entwicklung der Schulterendoprothetik . . . . . . . . . . . M. Loew Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anatomie und Kinematik des Schultergelenkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Halder 2.1 Glenohumeralgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Knöcherne Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Kapsel und Bänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6 Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Skapulothorakalgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Knöcherne Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Kapsel und Bänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Technische Konzepte der Implantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Liem, B. Marquardt, K.A. Witt und J. Steinbeck 3.1 Humerusschaft, Kalotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Verankerungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 OberÀächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Glenoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Materialien und Verankerungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
3.3 OberÀächenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.3.1 Form, Materialien, OberÀäche, Verankerungsprinzipien . . . . . 41 3.3.2 Anwendungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.4 Inverse Prothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.4.1 Form, Material, OberÀäche, Verankerungsprinzipien . . . . . . . 47 3.4.2 Verwendungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4
Präoperative Planung und Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 S. Goebel, U. Schwemmer und F. Gohlke 4.1 Präoperative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.1.1 Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.1.2 Bildgebende Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4.2 Operationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.2.1 Implantatauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.2.2 Patientenaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.2.3 Medikamentöse Infektionsprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.3 Operationsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.3.1 Anästhesieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61 4.3.2 Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.3.3 Perioperative Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
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Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 T. Ambacher, M. Loew, U. Irlenbusch, O. Rolf und F. Gohlke 5.1 Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5.1.1 Deltopektoraler Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5.1.2 Oberer Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5.1.3 Transakromialer Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .81 5.2 Oberf lächenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5.2.1 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5.2.2 Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.2.3 OP-Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.2.4 OP-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 5.2.5 Spezielle Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 5.2.6 Tipps und Tricks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5.2.7 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.3 Humeruskopfprothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.3.1 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.3.2 Operationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.3.3 Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.3.4 Tipps und Tricks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.3.5 Komplikationen (s. auch Kap. 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.3.5 Ergebnisse (s auch Kap. 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 5.4 Glenoidersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5.4.1 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5.4.2 Glenoiddesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5.4.3 OP-Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Inhalt
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5.4.4 Spezielle Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.5 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.6 Tipps und Tricks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Inverse Prothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Prothesendesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Defektarthropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.5 Veraltete Luxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.6 Glenoiddefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.7 Posttraumatische Revisionen und Wechseloperationen . . . . . . 5.5.8 Spezielle Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
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Spezielle Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 T. Ambacher, F. Gohlke, E. Wiedemann, M. Loew und U. Holz 6.1 Primäre Omarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6.1.1 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6.1.2 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6.1.3 Radiologische Diagnostik und Klassi¿kationen . . . . . . . . . . . . 132 6.1.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6.1.5 Spezielle Operationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6.1.6 Spezielle Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 6.1.7 Tipps und Tricks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 6.1.8 Spezielle Komplikationen (s. auch Kap. 8 und 9) . . . . . . . . . . . 145 6.1.9 Ergebnisse (s. auch Kap. 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 6.2 Arthritis bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises . . . . . 147 6.2.1 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6.2.2 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6.2.3 Klassi¿kation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.2.4 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 6.2.5 Spezielle Operationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6.2.6 Spezielle Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6.2.7 Spezielle Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 6.2.8 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .159 6.3 Humeruskopfnekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6.3.1 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6.3.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6.3.3 Klassi¿kationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6.3.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6.3.5 Spezielle Operationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6.3.6 Spezielle Op-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 6.3.7 Tipps und Tricks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 6.3.8 Spezielle Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.3.9 Ergebnisse in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.4 Defektarthropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.4.1 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
xii
7
Inhalt
6.4.2 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Klassi¿kation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.5 Spezielle Operationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.6 Spezielle Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.7 Spezielle Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.8 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Proximale Humerusfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Klassi¿kationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.4 Operationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.5 Implantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.6 Spezielle Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.7 Tipps und Tricks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.8 Spezielle Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.9 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Posttraumatische Deformitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.1 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.2 Klassi¿kation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.3 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.4 Implantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.5 Operationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.6 Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.7 Tipps und Tricks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.8 Spezielle Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.9 Ergebnisse in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Tumoren und Defektsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.1 Tumorentitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.2 Operationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.3 Endoprothesentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.4 Spezielle Operationstaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.5 Spezielle Probleme und Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.6 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169 170 176 177 178 178 179 180 180 180 183 185 191 192 194 195 196 196 197 197 198 200 202 204 204 205 205 206 206 206 207 208 210 212 214 214 216
Postoperative Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T. Ambacher 7.1 Verband und Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Frakturprothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.2 Hemi- und Totalendoprothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3 Inverse Prothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Postoperative Schmerztherapie (s. auch Abschn. 4.3) . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Zervikale Schmerzkatheter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Intraoperative In¿ltration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Schmerzpumpe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4 In-situ-Schmerzkatheter mit Pumpe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.5 Intravenöse und orale postoperative Schmerztherapie . . . . . . 7.2.6 Zusätzliche analgetisch wirksame Maßnahmen . . . . . . . . . . .
217 217 217 218 218 219 219 221 221 221 222 222
Inhalt
xiii
7.3 Thromboseprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Physikalische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Medikamentöse Thromboseprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Klinische und laborchemische Kontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Klinische Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Laborchemische Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Perioperative Röntgendiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1 Intraoperative Durchleuchtung und Dokumentation . . . . . . . . 7.5.2 Postoperative Röntgenaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 PÀegerische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.1 Körperhygiene, An- und Ausziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.2 Hilfestellung beim Essen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.3 Überwachung der Lagerung, Mobilisation und Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.4 Dokumentation von Problemen und Komplikationen . . . . . . . 7.7 Ärztliche Dokumentation postoperativer Parameter . . . . . . . . . . . . . . 7.8 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.8.1 Physiotherapie nach Frakturprothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.8.2 Physiotherapie nach Hemi- und Totalendoprothese . . . . . . . . . 7.8.3 Physiotherapie nach inverser Prothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.8.4 Hilfsmittel zur postoperativen Mobilisierung des Armes . . . . 7.9 Komplikationsmanagement (s. auch Kap. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.1 Wundheilungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.2 Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.3 Nachblutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.4 Luxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222 223 223 223 223 224 225 225 226 227 227 228 228 228 228 229 229 229 230 230 231 231 231 231 232 232
8 Frühkomplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 M. Loew 8.1 De¿nition, Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 8.2 Einzelkomplikationen und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 8.2.1 Blutungskomplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233 8.2.2 Nervenläsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 8.2.3 Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 8.2.4 Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 8.2.5 Sehnenruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 8.2.6 Knöcherner Substanzverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 8.2.7 Implantationsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 8.2.8 Spezielle Komplikationen der inversen Prothese (Abschn. 5.5, 6.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 9 Spätkomplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Loew und J. Löhr 9.1 De¿nition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Einzelkomplikationen und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Periprothetische Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3 Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.4 Implantatlockerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241 241 242 242 243 245 248 250
xiv
Inhalt
10 Revisionen und Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 J. Löhr und M. Loew 10.1 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 10.2 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 10.3 Vorbereitung und Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 10.4 Weichteilbedingte Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 10.4.1 Kontraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 10.4.2 Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 10.5 Knöchern bedingte Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 10.5.1 Glenoiderosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 10.5.2 Humeraler Knochenverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 10.6 Implantatbedingte Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 10.6.1 Fehlimplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 10.6.2 Prothesendissoziation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 10.6.3 Prothesenlockerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 10.6.4 Periprothetische Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 11 Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Loew 11.1 Ausgangsbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Operationsbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Rehabilitation und Nachuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265 266 266 266 268
12 Ergebnisse im Literaturvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 U. Irlenbusch 12.1 Ergebnisse nach Prothesentyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 12.1.1 Vergleich Hemi-/Totalprothesen (s. Abschn. 5.3) . . . . . . . . . 270 12.1.2 OberÀächenersatz (s. Abschn. 5.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 12.1.3 Bipolare Prothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 12.1.4 Glenoidmodellation/„Ream-and-run“-Technik . . . . . . . . . . 272 12.1.5 Inverse Prothesen (s. Abschn. 5.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 12.2 Ergebnisse nach zugrunde liegender Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . 275 12.2.1 Primäre Omarthrose (s. Abschn. 6.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 12.2.2 Rheumatoide Arthritis (s. Abschn. 6.2) . . . . . . . . . . . . . . . 277 12.2.3 Rotatorenmanschettenruptur und Rotatorendefektarthropathie (s. Abschn. 6.4) . . . . . . . 278 12.2.4 Humeruskopfnekrose (s. Abschn. 6.3) . . . . . . . . . . . . . . . . 279 12.2.5 Omarthrose bei Schulterinstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 12.2.6 Operationshäu¿gkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 12.2.7 Proximale Humerusfraktur (s. Abschn. 6.5) . . . . . . . . . . . . 280 12.2.8 Posttraumatische Deformitäten(s. Abschn. 6.6) . . . . . . . . . 282 12.2.9 Revisionsoperationen (s. Kap. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 12.3 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 12.3.1 Intraoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 12.3.2 Postoperative Komplikationen (s. Kap. 8 und 9) . . . . . . . . 284 12.3.3 Aseptische Lockerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 12.4 Überlebensrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
Inhalt
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13 Begutachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Loew 13.1 Gesetzliche Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Private Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Gesetzliche Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Schwerbehindertenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
297 298 299 300 301 301
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
Mitarbeiterverzeichnis
Dr. med. Thomas Ambacher Schulterchirurgie, ARCUS Sportklinik, Rastatter Strasse 17–19, 75179 Pforzheim, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Sascha Goebel Orthopädische Klinik, König-Ludwig-Haus, Universität Würzburg, Brettreichstr. 11, 97074 Würzburg, Deutschland Prof. Dr. med. Frank Gohlke Orthopädische Klinik, König-Ludwig-Haus, Universität Würzburg, Brettreichstr. 11, 97074 Würzburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. med. habil. A. M. Halder Chefarzt, Klinik für Endoprothetik, Waldhausstrasse 1, 16766 Sommerfeld/Kremmen, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Ulrich Holz Ehm.Ärztlicher Direktor Katharinenhospital, Klinik f. Unfall- u. Wiederherstellungschirurgie, Don Carlosstr. 23, 70174 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] PD Dr. med. Ulrich Irlenbusch Orthopädische Klinik des Marienstifts Arnstadt, Wachsenburgallee 12, 99310 Arnstadt, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Dennis Liem Orthopädische Universitätsklinik Münster, Albert-Schweitzer-Straße 33, 48149 Münster, Deutschland Prof. Dr. med. Markus Loew Sektion Obere Extremität, Schulter-, Ellenbogen- und Handchirurgie, Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg, Schlierbacher Landstraße 200a, 69118 Heidelberg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Jochen F. Löhr† Ehm. Ärztlicher Direktor Orthopädie, Endo-Klinik, Holstenstr. 2, 22767 Hamburg, Deutschland
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Dr. med. Björn Marquardt Orthopädische Praxis/Praxisklinik, Von-Vincke-Str. 14, 48143 Münster, Deutschland Dr. med. Markus Rickert Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg, Schlierbacher Landstr. 200a, 69118 Heidelberg, Deutschland Dr. med. Olaf Rolf Orthopädische Klinik, König-Ludwig-Haus, Universität Würzburg, Brettreichstr. 11, 97074 Würzburg, Deutschland Dr. med. Ulrich Schwemmer Orthopädische Klinik, König-Ludwig-Haus, Universität Würzburg, Brettreichstr. 11, 97074 Würzburg, Deutschland Prof. Dr. med. Jörn Steinbeck Orthopädische Praxis/Praxisklinik, Von-Vincke-Str. 14, 48143 Münster, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Ernst Wiedemann OCM-Klinik München, Steinerstr. 6, 81369 München, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Kai Axel Witt Orthopädische Praxis/Praxisklinik, Von-Vincke-Str. 14, 48143 Münster, Deutschland
Mitarbeiterverzeichnis
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Geschichte und Entwicklung der Schulterendoprothetik M. Loew
Der in Rumänien geborene Arzt Themistocles Gluck (1853–1942) wird als der Pionier der Endoprothetik bezeichnet (Bankes u. Emery 1995). In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts entwarf und entwickelte er Prothesen aus verschiedenen Materialien wie Holz, Glas oder Leichenknochen als Gelenkersatz. 1890 implantierte er die erste Knieendoprothese aus Elfenbein bei einer 17-jährigen Frau mit Knochentuberkulose. Gluck entwarf 1891 auch eine erste Schulterprothese, die aus 2 Komponenten für Humerus und Glenoid aus Elfenbein bestand. Eine Implantation dieses Modells am Menschen ist in der Literatur jedoch nicht erwähnt. Der erste künstliche Schultergelenkersatz am Menschen wurde am 11. März 1893 von dem französischen Chirurgen Jules Emile Péan (1830–1998; Abb. 1.1) in Paris vorgenommen und im folgenden Jahr veröffentlicht (Péan 1894). Péan implantierte einem 37-jährigen Patienten mit einem tuberkulösen Prozess im Bereich des proximalen Humerus eine „gekoppelte“ Prothese, die von dem Dentisten J. Porter Michaels angefertigt worden war. Der Prothesenschaft bestand aus einem offenen Platinzylinder, der an die Kortikalis der Humerusdiaphyse angeschraubt wurde und mehrere Löcher hatte, um Periost und Muskulatur zu befestigen. Der Kopf bestand aus einer Kugel aus Hartgummi; diese wurde durch 2 Metallstreifen aus Platin umgriffen und einerseits am Prothesenschaft, andererseits am Skapulahals ¿xiert (Abb. 1.2). Angeblich war der Operationserfolg zunächst zufrieden stellend. Es gelang jedoch nicht, die tuberkulöse Infektion zur Ausheilung zu bringen, so dass eine chronische Fistelung nach 2 Jahren zur Explantation der Prothese zwang.
In den darauf folgenden 50 Jahren blieb der Schultergelenkersatz Einzelfällen vorbehalten. Die verwendeten Prothesen wurden aus unterschiedlichen Materialien individuell angefertigt und meistens als Ultima Ratio bei destruierenden Tumoren oder Infektionen implantiert. So berichtete 1914 der Marburger
Abb. 1.1. Zeichnung des Malers Henry de Toulouse Lautrec (1864–1901) mit Darstellung des Chirurgen J.E. Péan während einer Operation (1891)
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_1, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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Abb. 1.2. Original der Schulterprothese von J.E. Péan (National Museum of History and Technology, Washington DC)
Chirurg F. König über die Möglichkeit, den proximalen Humerus durch eine Prothese aus Elfenbein zu ersetzen (Abb. 1.3). Die Hauptprobleme des endoprothetischen Gelenkersatzes im Allgemeinen bestanden zu diesem Zeitpunkt einerseits in dem Risiko einer Infektion und andererseits in der frühzeitigen Lockerung der Implantate. Dies führte in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts zu der Entwicklung und Erprobung von Prothesen unterschiedlicher Formen, Materialien und Verankerungsprinzipien. R. Judet entwickelte 1952 zur Versorgung von Luxationsfrakturen des Schultergelenkes eine Humeruskopfprothese aus Plexiglas (Acrylharz). Diese konnte sich ebenso wenig durchsetzen wie die 1951 von F.J. Krueger zum Gelenkersatz bei einer aseptischen Humeruskopfnekrose vorgestellte Prothese aus Vitallium, deren Schaft gefenstert war und von Spongiosa durchwachsen werden sollte, um eine stabile Veran-
Abb. 1.3. Skizze einer Humeruskopfprothese aus Elfenbein von F. König. (Aus König 1913)
M. Loew
kerung zu erreichen. Bei den weiteren Entwicklungen wurden überwiegend metallische Materialien zur Implantatkonstruktion verwendet. Bereits 1953 veröffentlichte Charles Neer seine erste Publikation über den endoprothetischen Ersatz bei Humeruskopffrakturen (Neer et al. 1953). Sein erstes Modell eines „anatomischen“ Gelenkersatzes bestand aus einer Monoblockprothese aus Vitallium mit einer Kopfkalotte, deren Form im Prinzip dem Caput humeri entsprach, wobei jedoch der obere Rand etwas abgeÀacht war, um einen Anschlag am Akromion zu vermeiden. Der Schaft war dreieckförmig und besaß im metaphysären Bereich Finnen zur Sicherung der Rotationsstabilität und Löcher zur Fixation knöcherner Fragmente am Prothesenstiel (Abb. 1.4). Die Schäfte wurden zementfrei eingebracht. Es handelte sich dabei um die erste serielle Herstellung mit zunächst 3 und später 5 unterschiedlichen Größen. In den 70er Jahren kam es parallel zu den Fortschritten in der Hüftendoprothetik zu einer rasanten Veränderung des Schultergelenkersatzes durch verschiedene Entwickler. In Europa verbreitete sich eine Kunststoffprothese aus Polyazetalharz, die von R. Mathys 1970 entworfen und zum Ersatz des proximalen Humerusendes bei Frakturen und Tumoren vorgesehen war (Mathys 1973). Diese „isoelastischen“ Implantate bestanden aus einem rundlichen Kopf und einem zentral durch einen Metalldraht verstärkten,
Abb. 1.4. Monoblockprothese zur Versorgung von Humeruskopfprothesen, entwickelt von Charles Neer (Neer et al. 1953)
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Geschichte und Entwicklung der Schulterendoprothetik
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Abb. 1.5a, b. Schemazeichnung (a) einer isoelastischen Schulterprothese nach Mathys (1973), Implantate (b) zur aktuellen Verwendung in der Tumorendoprothetik
konisch zulaufenden Prothesenstiel (Abb. 1.5a,b), in dessen Vertiefungen Knochen einsprossen sollte. Diese Prothese wurde bis in die 90er Jahre verwendet, hatte aber wegen der fehlenden Integration der Rotatorenmanschette im Wesentlichen eine Platzhalterfunktion und die funktionellen Resultate waren unbefriedigend. Das Implantat ¿ndet bis heute noch vereinzelt in der Tumorendoprothetik Verwendung. Bis zu diesem Zeitpunkt war bei keiner der entwickelten Prothesen die Rotatorenmanschette berücksichtigt worden. Die Resektion des Gelenkes verlief peripher der Tuberkula und eine anatomische Rekonstruktion der Sehnenansätze war daher nicht möglich. Dadurch wurde die Biomechanik und der Kinematik des Schultergelenkes signi¿kant verändert, so dass eine schlechte Funktion und Beweglichkeit die zwangsläu¿ge Folge war. Im zeitlichen Verlauf kam es bei all diesen Implantaten zu einer Instabilität mit sukzessiver Dezentrierung und Kranialisierung des Oberarmkopfes. Diese Erkenntnis führte zu der Entwicklung formschlüssiger Prothesen. Die von Lettin u. Scales im Jahr 1969 entworfene Stanmore-Schulter (s. Abb. 1.5) mit einem Schaft aus einer Chrom-Kobalt-Legierung, der in den Markraum des Humerus einzementiert wurde und dessen taillierter Hals (Durchmesser 9 mm) in einen kleinen sphärischen Kopf (Durchmesser 21 mm) mündete, erinnerte im Prinzip an eine Hüftendopro-
these. Eine Pfannenkomponente, ebenfalls aus Cr-Co, wurde mit Metallzapfen im Glenoid befestigt. Die Krümmungsradien von Kopf und Pfanne waren identisch; später wurde ein Kunststoff-Inlay mit Schnappring ergänzt, um die Luxation des formschlüssigen Gelenkes zu verhindern. Diese Konstruktion führte zu einer ¿xierten Lateralisation des Rotationszentrums und damit zu einer schlechten Beweglichkeit. Die ungünstige Hebelwirkung führte zu einer erheblichen Scherbelastung der Glenoidkomponente und hatte hohe Lockerungsraten zur Folge. Lettin et al. (1982) berichteten erstmals über eine größere Anzahl von Patienten, in der Mehrzahl Rheumatiker, bei denen von 50 Stanmore-Prothesen in einem 8-Jahres-Zeitraum 9 bereits explantiert worden waren. Ebenfalls nach dem Prinzip eines Kugelgelenkes mit ¿xiertem Drehpunkt funktionierte die 1970 von Zippel entworfene „luxationssichere Schulterendoprothese Modell BME“. Eine Polyäthylenpfanne wurde mit Schrauben im Glenoid befestigt; der sphärische Kopf aus Metall (Durchmesser 30 mm) wurde mit einem Sprengring in der Pfanne gesichert. Der Schwachpunkt auch dieser Prothese war neben der Skapula¿xation ein geringer Halsdurchmesser mit relativ häu¿gen Materialbrüchen. Dennoch wurden ähnliche Designs, die formal an Hüftkopfprothesen erinnern, als Hemi- oder Totalendoprothesen bis in die 80er Jahre verwendet (Abb. 1.6, Abb. 1.7).
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Abb. 1.6. Von Lettin u. Scales 1969 entwickelte StanmoreProthese
In erster Linie, um die Fixation der gekoppelten Prothesen an der Skapula zu optimieren, wurden von Reeves (1971), Zippel (1972), Kölbel (1972) und Kessel (1973) erste „inverse“ Prothesensysteme entwickelt. Eine der frühsten Prothesen, bei denen das Kugelund Pfannenprinzip topographisch umgekehrt wurde, war die 1971 von Kölbel und Friedebold entwickelte inverse Schulterprothese (Abb. 1.8–1.10). Die Skapu-
Abb. 1.7. Humeruskopfprothese mit kugelförmiger Kalotte
M. Loew
lakomponente trug die Kugel und den Hals auf einem Bolzen, der in das Glenoid einzementiert wurde. Zwei gabelförmige Metallausläufer umfassten beiderseits die Spina scapulae und wurden mit einer Schraube bikortikal am Knochen verklammert. Der Humerusteil bestand aus PE und wurde in den Schaft einzementiert. Der Kopf der Prothese wurde durch einen Klemmring in der Pfanne gesichert. Das Gelenk erlaubte mechanisch einen Bewegungsumfang von 90 Grad bei möglicher Rotation des Humerus um die Längsachse. Der wesentliche Nachteil der Prothese bestand in ihrem ¿xierten Drehzentrum; trotz der aufwendigen Fixierung wurden relativ häu¿g Lockerungen und Ausbrüche der Skapulakomponente beobachtet. Die Prothese blieb daher speziellen Indikationen in der rekonstruktiven Chirurgie vorbehalten. Bei der von Kessel 1973 eingeführten inversen Prothese erfolgte die Verankerung der Skapulakomponente, eines gestielten Metallkopfes, mit einem Schraubgewinde im Zentrum der Schulterpfanne (Abb. 1.11). Die Humeruskomponente aus PE wurde in den proximalen Humerus einzementiert; an ihrem proximalen Ende befand sich eine Schnapppfanne zur gekoppelten Verbindung mit dem Prothesenkopf. Die funktionellen Resultate waren bescheiden; in einer schwedischen Publikation war die Revisionsrate nach 5 Jahren bei 6 von 23 Rheumatikern relativ hoch (Brostrom et al. 1992).
Abb. 1.8. Gekoppelte Prothese nach Kölbel und Friedebold (Schemazeichnung)
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Geschichte und Entwicklung der Schulterendoprothetik
Abb. 1.9. Gekoppelte Prothese nach Kölbel und Friedebold (Röntgenbild). (Mit freundlicher Genehmigung von R. Kölbel)
Abb. 1.10. Funktionelles Ergebnis bei gekoppelter Prothese nach Kölbel und Friedebold (operierte Schulter rechts). (Mit freundlicher Genehmigung von R. Kölbel)
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Eine Weiterführung der inversen Prothesensysteme stellt die 1985 von Paul Grammont entwickelte Delta–Prothese (Grammont et al. 1987) dar. Auch bei diesem Modell ist das Design von Kopf und Glenoid vertauscht; im Unterschied zu den Vorläufern ist bei dieser Prothese der Drehpunkt des Gelenkes jedoch nach medial und kaudal verlagert, so dass weniger Scherkräfte auf die Skapulakomponente einwirken (Abb. 1.12). Vor allem bei der RotatorenmanschettenDefektarthropathie hat dieses System in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt, da durch eine Optimierung des Hebelarmes der M. deltoideus auch bei fehlender Rotatorenmanschette als Motor für das Schultergelenk wirken kann. Günstige funktionelle Resultate und ermutigende Standzeiten haben zu einer zunehmenden Verbreitung dieses Prinzips und zu verschiedenen Weiterentwicklungen in technischen Details geführt. Der endgültige Durchbruch in der Schulterendoprothetik folgte auf die Arbeiten von Charles Neer, der die Indikationen zum Gelenkersatz auf die Arthrose ausdehnte (Neer 1974). Neer erkannte die entscheidende Bedeutung der Integrität der Rotatorenmanschette für Stabilität und Mobilität der Prothese. Es waren weniger die Veränderungen im Prothesendesign als das Konzept der anatomischen Rekonstruktion und die exakten operationstechnischen Vorgaben, die dazu führten, dass die Schulterprothetik mit der Entwicklung der Neer-II-Prothese 1973 in den folgenden Jahren rasch an
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Abb. 1.11. Inverses Prothesensystem nach Kessel (1973)
Verbreitung gewann. Als kraftschlüssige, ungekoppelte Humeruskopfprothese der ersten Generation besteht das System aus einer Monoblockprothese des Humerus mit verschiedenen Schaftdurchmessern und sphärischen Kalotten mit einem Radius von 44 mm und 2 verschiedenen Höhen (14 und 22 mm). Gegenüber dem ersten Modell ist die Kalotte abgerundet, ohne scharfe Kanten und mit einem kürzeren Hals (Abb. 1.13). Der Inklinationswinkel zwischen Kopf und Schaft beträgt 140°. Neer empfahl nach Osteotomie ausschließlich der GelenkÀäche („a surprisingly small amount of bone
Abb. 1.13. Neer-II-Monoblock-Prothese (Fa. Smith u. Nephew)
Abb. 1.12. Inverse Schulterprothese nach Grammont (DeltaProthese 1985)
is removed“) die Prothese mit einer Retroversion von 30–35 Grad zu implantieren und überstehende Osteophyten im Bereich des Kalkars abzutragen. Die wesentliche Bedeutung für die Funktion der Schulterprothese kommt nach seiner Ansicht der Erhaltung und der Rekonstruktion der Rotatorenmanschette zu. Für den totalen Gelenkersatz entwickelte Neer eine Glenoidkomponente aus PE, ausschließlich oder „metal-backed“ (Abb. 1.14), die in die Schulterpfanne zementiert wurde. Der Krümmungsradius der Pfanne war identisch mit dem der Kalotte. Bis heute ist die Neer-II-Prothese der am
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Geschichte und Entwicklung der Schulterendoprothetik
Abb. 1.14. Neer-II-Monoblock-Prothese mit zementiertem Metal-backed-Glenoid bei Omarthrose
häu¿gsten verwendete und publizierte Schultergelenkersatz. Die in den folgenden Jahren von Co¿eld, Fenlin und Engelbrecht entwickelten Monoblockprothesen der ersten Generation orientierten sich konzeptionell an diesem Modell. Die so genannte zweite Generation der Schulterprothesen basierte weiterhin auf der Geometrie der NeerII-Prothese, die durch das Prinzip der Modularität weiterentwickelt wurde. Der wesentliche Fortschritt war die Entwicklung mehrteiliger und frei kombinierbarer Schaft- und Kopfkomponenten. Die Schäfte wurden nach der GelenkÀächenresektion zementfrei („press-¿t“) oder zementiert in den Markraum des Humerus eingebracht und auf diesen wurden dann, den anatomischen Gegebenheiten angepasst, Kopfkalotten unterschiedlicher Durchmesser und Höhen über meist konische Steckverbindungen befestigt. Zusätzlich wurden verschiedene Glenoidkomponenten entwickelt, die vollständig aus PE mit Kiel oder Zapfen in der Schulterpfanne einzementiert oder als 2-Komponenten-System mit Metallbasis („metal-backed“)
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und PE-Inlay im Glenoid zementfrei verschraubt werden. Gleichzeitig wurden die Krümmungsradien von Kalotten und Pfannen derart modi¿ziert, dass bei der Totalprothese ein physiologisches Gelenkspiel mit Translation und Roll-Gleit-Bewegung zwischen den Gelenkpartnern ermöglicht wurde. Der Vorteil der Modularität besteht in den größeren Variationsmöglichkeiten und der Vereinfachung von Revisionseingriffen mit isoliertem Wechsel der Kalotte. Wesentliche Nachteile der zu diesem Zeitpunkt entwickelten Modelle waren der ¿xierte Neigungswinkel und die mittige Zentrierung der Kalotte auf dem Schaft, die bei stark veränderter Anatomie eine anatomische Rekonstruktion nicht zuließen. Parallel zu der Entwicklung unterschiedlicher Prothesen der zweiten Generation erschienen mehrere Publikationen (McCoy et al. 1989; Pollock et al. 1995; Torchia et al. 1997) mit größeren Fallzahlen und längeren Beobachtungszeiträumen. Die ansprechenden funktionellen Resultate, die gegenüber den verblockten Prothesen ausgesprochen niedrige Komplikationsund Revisionsrate sowie die Zunahme der beobachteten Standzeiten führte zu einer weiteren Verbreitung der Schulterendoprothetik und zu weiteren technischen Entwicklungen. Die Basis für den Prototyp der Schulterprothesen der so genannten dritten Generation waren umfangreiche anatomische Vermessungen normaler Humerusköpfe und Glenoide mit den daraus folgenden Rückschlüssen auf die Kinematik des Schultergelenkes (Boileau u. Walch 1999). Die von Walch und Boileau konzipierte Aequalis®-Prothese (Abb. 1.15) verfolgte mit einem dreifach modularen System das Ziel, mit der Prothese die individuelle Anatomie des Oberarmkopfes zu rekonstruieren und nicht durch eine vorgegebene Resektion den Humerus der Prothese anzupassen. Variable Inklinationswinkel des Prothesenhalses zwischen 125 und 140 Grad ermöglichen eine der Anatomie angepasste Resektion der GelenkÀäche im anatomischen Hals. Durch exzentrische Positionierung der Kalotte auf dem Schaftkonus ist es möglich, die epiphysäre ResektionsÀäche annähernd passgenau und vollständig abzudecken. Nach topographischen Vermessungen existieren 9 unterschiedliche Kalottengrößen mit einer an der normalen Anatomie orientierten Radius-Höhen-Relation. Dadurch wird das Drehzentrum entsprechend der normalen Kinematik rekonstruiert; eine exzentrische Pfannenbelastung wird vermieden und die
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Abb. 1.15. Schulterprothese der „dritten Generation“ (Aequalis®, Fa. Tornier)
Spannung der Rotatorenmanschette ist annähernd physiologisch. Die Erfolge in der Schulterendoprothetik, die im letzten Jahrzehnt in einer Fülle von Veröffentlichungen ihren Niederschlag fanden, führten zu einer technischen Weiterentwicklung und zu einer rasanten Zunahme der auf dem Markt verfügbaren Implantate. Humeruskopfprothesen der so genannten vierten Generation realisieren das Prinzip der anatomischen Rekonstruktion durch Modularität mit dreidimensional stufenlos einstellbarer Inklination und Retroversion. Daneben sind die Entwicklungen spezieller Traumaprothesen zur Versorgung von Humeruskopffrakturen mit unterschiedlichen Fixationsmöglichkeiten für die knöchernen Sehnenansätze der Rotatorenmanschette, unterschiedlicher OberÀächengestaltung der Schaftkomponenten zur zementfreien meta- und diaphysären Einheilung und Wechseloptionen zwischen anatomischen und inversen Prothesensystemen in ständigem Fluss. Gleiches gilt für die Fortentwicklung der Konzepte des Glenoidersatzes, wo zementfreie, hybride und zementierte Fixationstechniken modi¿ ziert werden, um
einerseits auch die Anatomie der Schulterpfanne zu rekonstruieren und durch eine natürlich Kinematik das Gelenkspiel zu normalisieren und andererseits die weiterhin ungelöste Lockerungsproblematik der Glenoidkomponenten zu überwinden. Bipolare Humeruskopfprothesen, bei denen sich, vergleichbar mit den Duokopfsystemen in der Hüftendoprothetik, ein Kopf mit kleinem Durchmesser in einer gekoppelten Schale bewegt, wurden entwickelt, um den Glenoidersatz zu umgehen (Worland et al. 1995). Eine weitere, zeitlich parallel verlaufende, Tendenz der Endoprothetik des Schultergelenkes ist der reine GelenkÀächenersatz in Form hemisphärischer Metallkappen, so genannter „Cup-Prothesen“, die nach Bearbeitung der OberÀäche auf den Oberarmkopf aufgebracht werden. Ursprünglich wurden dafür Hüftmodelle verwendet bevor Jónsson 1981 eine eigene 1,7 mm dicke Metallkappe entwickelte (Jónsson et al. 1986), die auf den Humeruskopf mit Knochenzement befestigt wurde (Abb. 1.16). Der Durchbruch des OberÀächenersatzes gelang Copeland (1990) mit der Einführung eines zementfrei implantierbaren Cups, der mit einem zentralen zylindrischen Konus im Hu-
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Geschichte und Entwicklung der Schulterendoprothetik
Abb. 1.16. Gelenkflächenersatz (Scan®, Fa. ScandiMed)
meruskopf verankert wird (Abb. 1.17). Die Indikation zu dieser Prothese wurde durch den Autor auf alle Indikationen mit einer Schädigung des Oberarmkopfes ausgedehnt, bei der noch etwa 60% des Knochens erhalten sind (Copeland 2006). Die aktuelle Situation in der Schulterendoprothetik ist durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Prothesentypen gekennzeichnet, die sich durch Form, Verankerungsprinzipien, OberÀächenbeschaffenheit, Materialien und Tribologie voneinander unterscheiden und die für die unterschiedlichen Indikationen, die mit einer Destruktion oder Gebrauchsunfähigkeit des Schultergelenkes einhergehen, empfohlen werden. Kurzschaftprothesen und schaftlose Kalotten sollen durch knochensparende Implantationstechnik bessere Revisionsmöglichkeiten erhalten; andererseits wurden
Abb. 1.17. GelenkÀächenersatz (Copeland-Shoulder®, Fa. Biomet/Merck), bei Defektarthropathie
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konvertierbare Schäfte eingeführt, die im Revisionsfall den Umstieg von einer konventionellen Schaftkomponente auf ein inverses Prothesensystem ermöglichen. Die Abstände zwischen den Neuentwicklungen werden immer kürzer; in der „Bone and Joint Decade“ ist auch die Schultergelenksendoprothese zu einem Objekt der Begierde zahlreicher Implantathersteller geworden. Noch fehlen allerdings für die meisten Neuerscheinungen von den Entwicklern unabhängige, mittelfristige oder gar Langzeituntersuchungen, die eine niedrigere Komplikationsrate, eine funktionelle Überlegenheit oder gar eine verlängerte Standzeit der modernen gegenüber den seit mehr als 30 Jahren bewährten Prothesen der „ersten Generation“ belegen könnten. Das Ziel multizentrischer Studien und eines einheitlichen Schulterprothesenregisters (s. Kap. 11) wird es sein, sinnvolle von verzichtbaren oder erfolglosen Entwicklungen des Schultergelenkersatzes abzugrenzen.
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Anatomie und Kinematik des Schultergelenkes A. Halder
Die Schulter hat das größte Bewegungsausmaß aller Gelenke des menschlichen Körpers. Einerseits ist diese Beweglichkeit auf die geringe knöcherne Kongruenz der GelenkÀächen zurückzuführen. Die Stabilität der Gelenke des Schulterkomplexes hängt mehr von den umgebenden Bändern, Sehnen und Muskeln ab. Folglich sind die Gelenke anfällig für Verletzung und Degeneration (Blasier et al. 1992). Andererseits besteht der Schulterkomplex aus zwei Gelenkstrukturen, die sich die Gesamtbewegung teilen und so das Bewegungsausmaß vergrößern: der skapulothorakalen Artikulation und dem Glenohumeralgelenk. Diese Zusammensetzung erlaubt den beteiligten Muskeln, im wirkungsvollsten Teil ihrer Längen-SpannungsKurve zu arbeiten (Perry 1988) und lässt zu, dass die Skapula in der Bewegung unter dem Humeruskopf platziert wird, um einen Teil des Armgewichtes zu tragen (Jobe 1998).
2.1 Glenohumeralgelenk 2.1.1 Knöcherne Strukturen 2.1.1.1 Humeruskopf Die GelenkoberÀäche des Humeruskopfes hat eine ovaläre Form, die nach medial, kranial und dorsal zeigt. Der Humeruskopf ist etwa 130 Grad nach kranial relativ zum Schaft gewinkelt und 30 Grad nach dorsal relativ zu den distalen Kondylen des Humerus (Iannotti
et al. 1992). Die GelenkoberÀäche des Humeruskopfes stellt nahezu eine Halbkreisform dar. Die Ränder sind etwa 45 Grad relativ zum Humerusschaft gekippt (Abb. 2.3). Im Gegensatz zum Glenoid ist der Knorpel im Zentrum des Humeruskopfes am dicksten. Die ventrale Grenze der GelenkoberÀäche ist das Tuberculum minus und seine laterale Begrenzung ist das Tuberculum majus mit dem Sulcus intertubercularis dazwischen. Zusammen mit der medialen OberÀäche des chirurgischen Halses stellt der Rand der GelenkoberÀäche das Ansatzareal für den Ring aus Sehnen und Bändern um das Glenohumeralgelenk herum dar. Dieser Ring stabilisiert das Gelenk, indem er den Humeruskopf durch Anspannung der Sehnen und Bänder auf dem Glenoid zentriert. Der Sulcus intertubercularis liegt 30 Grad medial (O’Brien et al. 1998) oder 9 mm ventral von der zentralen Achse der GelenkoberÀäche. Er ist ventral vom Tuberculum minus und dorsal vom Tuberculum majus begrenzt. Das Ligamentum transversum humeri überbrückt den Sulcus intertubercularis proximal und dient als Retinakulum für die lange Bizepssehne. Distal inseriert die Subskapularissehne am Tuberculum minus und bildet den Boden des Sulcus bicipitalis. Die Supraspinatussehne inseriert am Tuberculum majus und bildet das Dach des Sulcus bicipitalis. Die Tiefe des Sulcus intertubercularis scheint eine Rolle in der Pathogenese der Tendinitis der langen Bizepssehne zu spielen, indem diese mehr oder weniger einer subakromialen Einklemmung ausgesetzt ist. Das Tuberculum majus hat eine kraniale, eine mittlere und eine kaudale Facette (Soslowsky et al. 1992). Die Supraspinatussehne setzt an der kranialen Facette und an der kranialen Hälfte der mittleren Facette an.
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_2, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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A. Halder
Die ventralen Fasern der Supraspinatussehne sind mit den Fasern der Subskapularissehne vernetzt. Dorsal setzt die Infraspinatussehne an der mittleren Facette des Tuberculum majus an und bedeckt den dorsalen Rand der Supraspinatussehne. Der M. teres minor setzt an der kaudalen Facette an. 2.1.1.2 Glenoid Unterhalb des Akromions verdickt sich die Àache Skapula, um das Glenoid zu bilden (Abb. 2.1). Die Incisura spinoglenoidalis trennt die Basis des Akromions vom Glenoid. Seine leicht konkave OberÀäche ist wie ein umgekehrtes Komma geformt mit einer ventralen Inzisur und sein Krümmungsradius ist geringfügig größer als der des Humeruskopfes (Iannotti et al. 1992). Die GesamtoberÀäche des Glenoids ist drei- bis viermal kleiner als die des Humeruskopfes. Zentral auf dem Glenoid be¿ndet sich eine Region dünnen Knorpels. Die OberÀäche des Glenoids steht nahezu rechtwinklig zur Ebene der Skapula. Sie zeigt nach lateral und 10–15 Grad nach kranial relativ zum medialen Rand der Skapula. Saha (1971) beschrieb eine Retroversion des Glenoids von durchschnittlich 7,4 Grad in 75% der Fälle und eine Anteversion von durchschnittlich 2– 10 Grad in 25% der Fälle. An seiner kranialen Spitze ist das Tuberculum supraglenoidale, der Ursprung der langen Bizepssehne. An seinem kaudalen Pol ist das Tuberberculum infraglenoidale, der Ursprung der langen Trizepssehne.
3–5°
7°
2.1.2 Kapsel und Bänder 2.1.2.1 Gelenkkapsel Die Kapsel des Glenohumeralgelenkes hat ein Volumen von normalerweise 10–15 ml und die doppelte OberÀäche des Humeruskopfes (O’Brien et al. 1998). Sie ist innenseitig von Synovialis bedeckt. Auf der Außenseite überdecken und schützen die Sehnen der Rotatorenmanschette die Kapsel mit Ausnahme eines kaudalen Intervalls von allen Seiten. Die Sehnen des M. subscapularis und des M. supraspinatus sind ansatznah mit der Gelenkkapsel verwachsen. Die Kapsel geht vom Rand des Labrum glenoidale aus, mit dessen peripherem Rand sie verwachsen ist, und ist im Knochen des Glenoidhalses verankert. Sie reicht kranial bis zum Processus coracoideus und in unterschiedlicher Länge entlang der Bizepssehne in den Sulcus bicipitalis hinein. Sie setzt am anatomischen Hals des Humeruskopfes nahe am Knorpelknochenübergang an und bildet kaudal den Recessus axillaris. Abgesehen vom Ausgang der langen Bizepssehne hat die Gelenkkapsel eine Lücke ventral für den Recessus subscapularis. Histologisch ist die Kapsel aus drei Schichten aufgebaut: Eine äußere und eine innere Schicht aus Fasern, die direkt vom Glenoid zum Humuskopf laufen, und eine mittlere Schicht aus Fasern, die zirkulär in der Sagittalebene um das Glenohumeralgelenk herum verlaufen. Die glenohumeralen Bänder verstärken die Gelenkkapsel. Sie stellen eine Verdickung der inneren Schicht mit geordneten Kollagenfaserbündeln in der Frontalebene dar. Eine Verdickung der mittleren Schicht der Gelenkkapsel verstärkt den Recessus axillaris. Im Gegensatz zur ventralen Gelenkkapsel ist die dorsale Gelenkkapsel dünn.
2.1.2.2 Labrum glenoidale
Abb. 2.1. Die dreidimensionale Orientierung des Glenoids relativ zum medialen Rand und zur Ebene der Scapula. (Aus Morrey et al. 1998, S. 244)
Das Labrum glenoidale ist eine ringförmige Struktur mit einem dreieckigen Querschnitt, der die Peripherie der Fossa glenoidalis mit seinem freien Rand überdeckt. Es besteht aus dichten Kollagenfasern und ist vaskularisiert. Seine Basis ist mit dem Rand der Fossa glenoidalis durch Faserknorpel und Faserknochen verbunden.
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Anatomie und Kinematik des Schultergelenkes
Es ist mit den glenohumeralen Bändern verwachsen und geht kranial am Tuberculum supraglenoidale in die lange Bizepssehne über. Das Labrum glenoidale bildet zusammen mit den glenohumeralen Bändern einen periartikulären Faserring, der das Glenoid umschließt. Er ist kaudal fest mit dem Hals der Skapula verwachsen und unmittelbar mit der GelenkoberÀäche verbunden, während kranial ein Spalt zwischen GelenkoberÀäche und periartikulärem Faserring besteht. 2.1.2.3 Ligamente Das Lig. coracohumerale (Abb. 2.2) geht von der Basis und dem lateralen Rand des Processus coracoideus aus und zieht schräg zum Tuberculum majus. Sein ventraler Rand ist medial abgrenzbar und lateral verwachsen, während sein dorsaler Rand nicht abgrenzbar ist. Es
Tendo capitis longi mi. bicipitis hintere Kapsel
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bildet das Dach des Rotatorenmanschettenintervalls und verbindet sich ansatznah mit der Supraspinatusund Subskapularissehne. Es begrenzt lateral die lange Bizepssehne im Sulcus bicipitalis. Das Lig. humeri transversum bildet das Dach des proximalen Endes des Sulcus bicipitalis. Es besteht aus transversalen Fasern der Gelenkkapsel. Es wirkt als Retinaculum für die lange Bizepssehne. Obwohl stets vorhanden, ist das Lig. glenohumerale superius unterschiedlich in der Ausprägung und im Ursprung. Es geht vom ventralen Labrum aus, kranial nahe dem Ursprung der langen Bizepssehne oder kaudal nahe dem Lig. glenohumerale medius. Es zieht schräg über das Rotatorenmanschettenintervall, um kranial des Tuberculum minus anzusetzen. Das Lig. glenohumerale medius zeigt die größte Variabilität in der QuerschnittsÀäche. Es kann so dünn sein wie die Gelenkkapsel oder so dick wie die Subskapularissehne. Es geht vom ventralen Labrum oder vom Glenoidhals aus und setzt am Tuberculum minus unter der Subskapularissehne an, mit der es verwachsen ist. Das Lig. glenohumerale inferius ist stärker als die Gelenkkapsel, wobei es in Größe und Ursprung variabel ist. Seine Struktur ähnelt einer Hängematte, da es aus einem prominenten ventralen und dorsalen Band besteht mit dem Recessus axillaris dazwischen. Teilt man die OberÀäche des Glenoids wie eine Uhr ein, so entspringt das ventrale Band des Lig. glenohumerale
30–40°
45°
Lig. glenohumerale medium vorderes Band Lig. glenohumerale caudale
hinteres Band
Abb. 2.2. Bänder des Glenohumeralgelenkes. B lange Bizepssehne; SGHL Lig. glenohumerale superius; MGHL Lig. glenohumerale medius; IGHLC Lig.-glenohumerale-inferius-Komplex; AB anteriores Band; PB posteriores Band; AP Recessus axillaris; A ventral; P dorsal. (Aus O’Brien et al. 1998, S. 26)
Abb. 2.3. Die dreidimensionale Orientierung der GelenkoberÀäche des Humeruskopfes relativ zur Achse der Ellenbogenkondylen. (Aus Morrey et al. 1998, S. 244)
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inferius vom Glenoid oder Labrum glenoidale von der 2- bis 4-Uhr-Position und das dorsale Band von der 7bis 9-Uhr-Position. Es setzt am anatomischen Hals des Humerus unterhalb des Knorpelknochenüberganges u- oder v-förmig an (O’Brien et al. 1990, 1998).
2.1.3 Muskulatur 2.1.3.1 Musculus supraspinatus Der M. supraspinatus entspringt in der Fossa supraspinata und hat seinen sehnigen Ansatz am Tuberculum majus. Der Muskelbauch ist spindelförmig mit einem dicken sehnigen Kern, der intramuskulären Sehne, die im ventralen Drittel lokalisiert ist. Etwa 70% der Muskelfasern setzen an der intramuskulären Sehne an, während nur 30% direkt in die extramuskuläre Sehne übergehen. Dieser Muskel ist als ein mehrschichtiger Muskel charakterisiert. Während die oberÀächlichen Fasern in Sehnenrichtung längs verlaufen, ziehen die tiefen Fasern schräg ventral zum Rotatorenmanschettenintervall und dorsal zur Infraspinatussehne und formen somit einen sehnigen Ring (Jobe 1998). Der M. supraspinatus ist Teil eines Kräftepaares, durch das das Glenohumeralgelenk durch Kompression stabilisiert wird. Er startet die Abduktion (Howell et al. 1988). Im Falle einer Parese des M. supraspinatus wird zur Abduktion mehr Kraft des M. deltoideus notwendig, aber die anderen Rotatoren sind noch immer in der Lage, den Humeruskopf ausreichend im Glenoid zu zentrieren und zu stabilisieren, um eine freie Bewegung zu ermöglichen (Perry 1988). Der N. suprascapularis (C4–C6) innerviert den M. supraspinatus. 2.1.3.2 Musculus infraspinatus Der M. infraspinatus hat seinen Ursprung in der Fossa infraspinata und an der Spina scapulae, um mit einer Àachen Sehne an der mittleren Facette des Tuberculum majus zu inserieren. Er ist ebenfalls ein mehrschichtiger Muskel mit einer intramuskulären Sehne, die im Zentrum des Muskels liegt und diesen in eine kraniale und kaudale Hälfte teilt. Die Infraspinatussehne geht kranial ansatznah in die Supraspinatussehne und kaudal in die Sehne des M. teres minor über. Der M.
A. Halder
infraspinatus stabilisiert das Glenohumeralgelenk, indem er dorsaler und kranialer Translation des Humeruskopfes widersteht und er erzeugt 60% der gesamten Außenrotationskraft. Der N. suprascapularis (C4–C6) innerviert den M. infraspinatus. 2.1.3.3 Musculus teres minor Ursprung des M. teres minor ist die laterale Kante der Skapula und die Faszie des M. infraspinatus. Sein Àeischiger Ansatz ist unterhalb der Infraspinatussehne an der kaudalen Facette des Tuberculum majus und bis zu 2 cm weiter kaudal am chirurgischen Hals. Ähnlich wie der M. infraspinatus ist er ein mehrschichtiger Muskel mit einer einzigen intramuskulären Sehne im Zentrum des Muskelbauches. Der M. teres minor wirkt als ein Stabilisator des Glenohumeralgelenkes, indem er der dorsalen und kranialen Verschiebung des Humeruskopfes widersteht. Er erzeugt 40% der gesamten Außenrotationskraft. Der Ramus dorsalis des N. axillaris (C5–C6) innerviert den M.teres minor. 2.1.3.4 Musculus subscapularis Der M. subscapularis hat seinen Ursprung in der Fossa subscapularis und setzt am Tuberculum minus an. Seine sehnigen Bänder sind gleichmäßig im medialen Anteil des Muskels verteilt und verdichten sich lateral zu einer Àachen Sehne in den kranialen zwei Dritteln, während das kaudale Drittel muskulär bleibt. Kranial ist die Subskapularissehne über das Rotatorenmanschettenintervall mit der Supraspinatussehne verbunden und geht ansatznah in sie über. Der Muskel hat mehrere intramuskuläre Sehnen und wird ebenfalls als mehrschichtiger Muskel charakterisiert. Fasern der Subskapularissehne kreuzen den Sulcus intertubercularis, um den Boden des Sulcus bicipitalis zu bilden. Als einzige Komponente der ventralen Rotatorenmanschette stabilisiert er aktiv das Glenohumeralgelenk, indem er der ventralen und kaudalen Translation des Humeruskopfes widersteht (Inman et al. 1944) und wirkt als starker Innenrotator. Er wird ebenfalls als passiver Stabilisator des Glenohumeralgelenkes angesehen (Tillett et al. 1993; Urayama et al. 1998) aufgrund der dichten Kollagenstruktur seiner Sehne und ihrer engen Verbindung mit dem mittleren und inferioren glenohumeralen Band. Zwei Äste des N.
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Anatomie und Kinematik des Schultergelenkes
subscapularis innervieren den kranialen und kaudalen Anteil des M. subscapularis. 2.1.3.5 Musculus deltoideus Der M. deltoideus besteht aus einem klavikulären Anteil, der seinen Ursprung an der lateralen Klavikula hat, einem akromialen Anteil, der seinen Ursprung am Akromion hat und einem spinalen Anteil, der seinen Ursprung an der Spina scapulae hat. Der gemeinsame Ansatz ist das Tuberculum deltoideum am Humerus. Der M. deltoideus ist der wichtigste Abduktor des Glenohumeralgelenkes. Obwohl der akromiale Anteil der stärkste ist und die Bewegung beginnt, nehmen der klavikuläre und spinale Anteil in höheren Abduktionsgraden teil. Umgekehrt nehmen der klavikuläre und spinale Anteil des M. deltoideus bei geringgradiger Abduktion an der Adduktion des Armes teil (Kapandji 1982). Zusätzlich führt der ventrale Anteil die Flexion und der dorsale Anteil die Extension aus. Eine Lähmung des M. deltoideus führt zu einem Verlust von 50% der Abduktionskraft. Der N. axillaris (C4–C5) innerviert den M. deltoideus. 2.1.3.6 Musculus teres major Der M. teres major entspringt von der dorsalen OberÀäche des kaudalen Anteils der Skapula, um am medialen Rand des Sulcus intertubercularis sehnig anzusetzen. In seinem Verlauf rotiert er um 180 Grad, wodurch die dorsalen Fasern ventral ansetzen (Tillett et al. 1993). Seine Funktion ist die Innenrotation, Adduktion und Extension des Humerus. Der N. subscapularis (C5–C7) innerviert den M. teres major. 2.1.3.7 Musculus biceps brachii Der lange Kopf des M. biceps entspringt mit seiner Sehne am Tuberculum supraglenoidale. Von der Synovialmembran umhüllt, verläuft sie intraartikulär auf dem Humeruskopf, um die Gelenkkapsel durch den Sulcus bicipitalis zu verlassen. Der kurze Kopf des M. biceps entspringt vom Processus coracoideus. Beide Köpfe haben einen gemeinsamen Ansatz an der Tuberositas radii und an der ulnaren Unterarm-
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faszie. Obwohl er als Stabilisator des Humeruskopfes wirkt (Perry 1988), ist seine wesentliche Funktion die Flexion des Ellenbogengelenkes und die Supination des Unterarmes. Der M. biceps ist innerviert vom N. musculocutaneus (C5–C6). 2.1.3.8 Musculus triceps brachii Der lange Kopf des M. triceps entspringt vom Tuberculum infraglenoidale und vom kaudalen Labrum, um gemeinsam mit den beiden anderen Köpfen am Olekranon anzusetzen. Der lange Kopf nimmt an der Extension und an der Adduktion im Glenohumeralgelenk teil. Die Hauptfunktion des gesamten Muskels ist aber die Extension im Ellenbogengelenk. Der M. triceps (C6–C8) wird durch den N. radialis innerviert. 2.1.3.9 Musculus coracobrachialis Der M. coracobrachialis entspringt zusammen mit dem kurzen Kopf des M. biceps vom Processus coracoideus, um ventromedial am Humerus anzusetzen. Er nimmt an der Flexion und Adduktion im Glenohumeralgelenk teil. Der N. musculocutaneus tritt in den M. coracobrachialis 2–5 cm kaudal des Processus coracoideus ein, um ihn zu innervieren.
2.1.4 Bewegung Der Humeruskopf und das Glenoid sind weitgehend kongruent. Der Humeruskopf hat in ventrodorsaler Richtung einen kleineren Radius als in kraniokaudaler (Iannotti et al. 1992; McPherson et al. 1997). Soslowsky hat die Sphärizität des Humeruskopfes mittels Stereophotometrie gemessen und festgestellt, dass die GelenkoberÀäche des Humeruskopfes eine Halbkugelform hat mit Abweichungen von unter einem Prozent des Radius (Soslowsky et al. 1992). Nach Boileau u. Walch (1997) beträgt die Differenz der Durchmesser des Humeruskopfes in 88,2% der Fälle weniger als einen Millimeter. Das Glenohumeralgelenk zeigt im Wesentlichen die Kinematik eines Kugelgelenkes. Während der aktiven und passiven Abduktion beträgt die kraniokaudale Translation des Humeruskopfes in gesunden Schultergelenken nur 0,3–0,35 mm
16
2
(Chen et al. 1999; Harryman et al. 1990). Die ventrodorsale Translation ist wesentlich größer. Während der Flexion verschiebt sich der Humeruskopf durchschnittlich 3,8 mm nach ventral, während der Extension durchschnittlich 4,9 mm nach dorsal und während der horizontalen Extension durchschnittlich 4 mm nach ventral. In ventrodorsaler Richtung treten größere Translationen des Humeruskopfes als in kraniokaudaler Richtung auf, da das Glenoid einen kleineren Radius in kraniokaudaler Richtung (32,2 ± 7,6 mm) als in ventrodorsaler Richtung hat (40,6 ± 14 mm). Erkrankungen des Schultergelenkes verändern die Kinematik des Glenohumeralgelenkes. Inkomplette oder komplette Rotatorenmanschettenrupturen führten typischerweise zu einer kranialen Migration des Humeruskopfes während der Abduktion. Diese Migration wird durch das Ungleichgewicht zwischen dem M. deltoideus und den insuf¿zienten Rotatoren hervorgerufen (Abb. 2.4; Poppen u. Walker 1976). Auch bei intakter Rotatorenmanschette kann Muskelermüdung zu einer kranialen Migration des Humeruskopfes führen. Bei ventraler Instabilität des Glenohumeralgelenkes verschiebt sich der Humeruskopf bei horizontaler Extension und Außenrotation weiter nach ventral. Bei Schultersteife verschiebt sich der Humeruskopf schon zu Beginn der Abduktion nach kranial. Harryman zeigte, dass die Translation des Humeruskopfes auch passive Bewegungen des Glenohumeralgelenkes begleitet (Harryman et al. 1990). Der
A. Halder
Humeruskopf verschiebt sich nach ventral bei Flexion und nach dorsal bei Extension des Armes. Diese Verschiebung wird durch die Anspannung der Kapselbandbandstrukturen während der Bewegung bewirkt (Abb. 2.5). Eine übermäßige Anspannung der ventralen Kapsel nach ventraler Kapselplastik führt zur dorsalen Subluxation des Humeruskopfes. Browne stellte in der Bewegungsanalyse fest, dass die maximale glenohumerale Abduktion in einer Ebene 23 Grad ventral der Skapulaebene bei 35 Grad Außenrotation des Armes erreicht wird. Die maximale humerothorakale Abduktion wird in einer Ebene 4 Grad dorsal der Skapulaebene erreicht (Pearl et al. 1992). Dieser Widerspruch ergibt sich aus dem Unterschied zwischen der isolierten Bewegung des Glenohumeralgelenkes und der kombinierten Bewegung des Glenohumeral- und Skapulothorakalgelenkes. Die Außenrotation des Glenohumeralgelenkes während der Abduktion ist notwendig, um das Tuberculum majus
straffe vordere Kapsel
P
straffe vordere Kapsel
P
Außenrotation
Abb. 2.4. Inkomplette oder komplette Rotatorenmanschettenrupturen sind typischerweise mit einer kranialen Translation des Humeruskopfes bei Abduktion verbunden. (Aus Matsen et al. 1994)
Abb. 2.5. Die Translation des Humerus auf dem Glenoid begleitet aktive und passive Bewegungen des Glenohumeralgelenkes bedingt durch die Anspannung des Kapselbandapparates. (Aus Matsen et al. 1994)
2
Anatomie und Kinematik des Schultergelenkes
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Abb. 2.6 a–d Das Lig. glenohumerale inferius wirkt bei Abduktion wie eine Hängematte (a, b) Bei Abduktion und Außenrotation (c) spannt sich das ventrale Band des aus, um den Humeruskopf zu unterstützen, während sich das dorsale Band strangförmig verdickt. Das Gegenteil geschieht bei Innenrotation (d). (Aus O’Brien et al. 1998, S. 20)
a
c
vom korakoakromialen Bogen wegzudrehen und die retrovertierte GelenkÀäche am Humeruskopf in eine optimale Position zur GelenkÀäche des Glenoids zu bringen. Bei Außenrotation des Armes ist ein größerer Anteil der GelenkÀächen in Kontakt (Jobe 1998).
2.1.5 Stabilität Zur Stabilität des Glenohumeralgelenkes tragen neben dem knöchernen Formschluss der Labrum-KapselBand-Komplex und die skapulohumerale Muskulatur bei.
b
d
2.1.5.1 Knöcherne Strukturen Glenoid. Die Fossa glenoidalis hat eine Konkavität, die den Humeruskopf auf dem Glenoid zentriert. Sie ist in kraniokaudaler Richtung tiefer als in ventrodorsaler (McPherson et al. 1997). Der Humeruskopf ist deshalb in kraniokaudaler Richtung stabiler als in ventrodorsaler (Abb. 2.7). Wird der konvexe Humeruskopf auf das konkave Glenoid gepresst, ist 60% der Kompressionskraft nötig, um den Humeruskopf in kraniokaudaler Richtung zu luxieren und 35% der Kompressionskraft, um ihn in ventrodorsaler Richtung zu luxieren (Lippitt et al. 1993; Zobitz et al. 2001). Während die Knochen-
18
2
A. Halder
Abb. 2.7. Der konvexe Humeruskopf ist auf der konkaven Fossa glenoidalis zentriert und verlässt bei der Luxation diese Position. In superoinferiorer Richtung ist die Konkavität des Glenoids tiefer und der Humeruskopf ist stabiler zentriert als in ventrodorsaler Richtung. (Aus Matsen et al. 1994)
effektive Glenoidweite
laterale Dislokation (mm) 8 7 effektive 6 Glenoidtiefe 5 4
inferior
superior
posterior
anterior
3 2 1 0 20
a
b
10
10 0 Translation (mm)
20
dichte bei jüngeren Individuen ein Maximum ventral und dorsalseitig zeigt, liegt es bei älteren Individuen zentral (Müller-Gerbl et al. 1993). Das deutet darauf hin, dass die Kongruenz der Gelenkpartner im Alter zunimmt, wodurch sich die Kinematik des Glenohumeralgelenkes weiter einem Kugelgelenk nähert.
pula weniger abduziert bei Abduktion des Armes als bei Gesunden. Die kaudale Instabilität als Teil der multidirektionalen Instabilität kann deshalb mit der mangelnden Stabilisierung durch die Inklination der Skapula erklärt werden.
Inklination der Skapula. Basmajian u. Bazant (1959) berichtete, dass das Glenohumeralgelenk in Abduktion kaudal instabil und in Adduktion kaudal stabil wäre. In Adduktion würden sich die kranialen Kapselbandstrukturen anspannen aufgrund der Krümmung der Fossa glenoidalis, die die Kaudalverschiebung des Humeruskopfes verhindern würde (Abb. 2.8). Dies wurde durch Itoi et al. (1992) bestätigt. Er zeigte, dass das Glenohumeralgelenk durch die Inklination der Skapula bei hängendem Arm kaudal stabilisiert wird. Bei multidirektionaler Instabilität wird die Ska-
2.1.5.2 Labrum-Kapsel-Band-Komplex
a
b
Abb. 2.8 . Bei Adduktion spannen die kranialen Kapselbandstrukturen aufgrund der Krümmung der Fossa glenoidalis an und verhindern so die kaudale Translation des Humeruskopfes. (Aus Basmajian u. Banzat 1959)
Labrum glenoidale. Das Labrum glenoidale vergrößert die Stabilität des Glenohumeralgelenkes, indem es die Tiefe des Glenoid und Labrum gebildeten Sockels vergrößert und die Kongruenz des Gelenkes erhöht, wodurch ein Saugeffekt erzeugt wird. Nach Entfernung des Labrum glenoidale verringert sich der Stabilitätsquotient im Durchschnitt um 20% (Lippitt et al. 1993). Kapsel. Das Glenohumeralgelenk wird durch die Gelenkkapsel verschlossen und der intraartikuläre Druck ist bei hängendem Arm negativ. Bei Zug am Arm nimmt der negative intraartikuläre Druck weiter ab und verhindert die Kaudalverschiebung des Humeruskopfes (Itoi et al. 1993). Der negative intraartikuläre Druck gewährleistet kaudale Stabilität bei Abduktion des Armes. Bänder. Das Lig. glenohumerale superius ist ein ventraler Stabilisator bei abduziertem und ein kaudaler Stabilisator bei hängendem Arm (Warner et al. 1999). Die entscheidende Funktion des Lig. glenohumerale medius ist die ventrale Stabilisierung bei adduziertem Arm bis zu 30–35 Grad Abduktion. Diese Funktion wird bei 90 Grad Abduktion und Neutralrotation offensichtlich, jedoch nicht bei Außenrotation. Es ist ebenfalls ein kaudaler Stabilisator bei Adduktion des Armes. Das Lig. glenohumerale inferius ist der wichtigste vent-
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Anatomie und Kinematik des Schultergelenkes
rale Stabilisator bei Abduktion und Außenrotation des Armes, der Position der ventralen Luxation (Blasier et al. 1992). Diese Funktion wird durch sein ventrales Band und den Recessus axillaris, jedoch nicht durch sein dorsales Band ausgeübt (Warner et al. 1998). Das dorsale Band ist ein dorsaler Stabilisator bei Flexion und Innenrotation des Armes (Naggar et al. 1995) oder bei 90 Grad Abduktion (O’Brien et al. 1990). Bei Abduktion und Außenrotation spannt sich das ventrale Band aus, um den Humeruskopf zu unterstützen, während sich das dorsale Band strangförmig verdickt. Das Gegenteil geschieht bei Innenrotation (s. Abb. 2.6a-d; O’Brien et al. 1990, 1998). Das Lig. coracohumerale ist als kaudaler Stabilisator bei Adduktion des Armes bekannt und spannt sich bei Außenrotation an. Das Lig. coracohumerale stabilisiert den Humeruskopf auch in kranialer Richtung, jedoch in geringerem Ausmaß. Eine Läsion des Rotatorenmanschettenintervalls stellt sich klinisch als kaudale Instabilität bei Innenrotation des Armes, aber nicht bei Außenrotation, dar. Das Rotatorenintervall stabilisiert indirekt das Glenohumeralgelenk, indem es den negativen intraartikulären Druck aufrecht erhält (Itoi et al. 1993). Bei Außenrotation verhindert das Lig. coracohumerale die kaudale Instabilität auch bei Eröffnung des Rotatorenmanschettenintervalls. Das Rotatorenmanschettenintervall trägt auch zur dorsalen Stabilität bei. 2.1.5.3 Muskeln Muskeln stabilisieren das Glenohumeralgelenk durch die nachfolgenden fünf Mechanismen: Ɣ passive Spannung durch den Muskel selbst, Ɣ Kompression der GelenkÀächen durch Kontraktion, Ɣ Gelenkbewegung, die zur Anspannung des Kapselbandapparates führt (Dempster 1965), Ɣ Barriereneffekt des kontrahierten Muskels, Ɣ Umlenkung der Gelenkreaktionskraft in das Zentrum des Glenoid durch Koordination der Muskelaktivität (Lippitt et al. 1993). Musculus deltoideus. Der M. deltoideus ist ein großer, kräftiger Muskel und es wird angenommen, dass er ein effektiver Stabilisator sein kann. Bei hängendem Arm trägt der M. deltoideus allerdings wenig zur kaudalen Stabilität bei und bei Flexion des Armes nur wenig zur dorsalen Stabilität. Die Bedeutung des M. deltoideus für die ventrale und kaudale Gelenkstabilität wurde nicht abschließend untersucht.
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Rotatoren. Der M. subscapularis wird als wichtigster aktiver und passiver ventraler Stabilisator angesehen. Blasier zeigte, dass die Mm. subscapularis, supraspinatus, infraspinatus und teres minor gleichmäßig zur ventralen Stabilität beitragen bei Abduktion und Neutral- oder Außenrotation. Bei 90 Grad Flexion ist der M. subscapularis der wichtigste dorsale Stabilisator (Blasier et al. 1992). Die Rotatoren arbeiten normalerweise zusammen. Inman führte das Konzept des Kräftepaares in der Frontalebene ein, das aus dem M. deltoideus und M. supraspinatus als Elevatoren und den kaudalen Rotatoren als Depressoren besteht (Inman et al. 1944). Zusätzlich können der M. teres major und der M. latissimus dorsi eine Depression des Humeruskopfes bewirken (Halder 2001). Saha (1971, 1983) beschrieb das Kräftepaar in der Horizontalebene, das aus dem M. subscapularis ventral und den Mm. infraspinatus und teres minor dorsal besteht. Sind die Rotatoren gleichzeitig gespannt, ist der Humeruskopf in kraniokaudaler Richtung wie auch in ventrodorsaler Richtung stabil (Abb. 2.9). Musculus biceps. Klinischen Beobachtungen zufolge wird der M. biceps als Stabilisator des Glenohumeralgelenks angesehen. Bei Patienten mit einer Ruptur der langen Bizepssehne verschiebt sich der Humeruskopf nach kranial bei Abduktion des Armes (Pagnani et al. 1995). Bei ventraler Instabilität ist die Aktivität im M. biceps bei der Wurfbewegung vermehrt. In Kadaverstudien wurde die stabilisierende Wirkung des M. biceps in kranialer, kaudaler, ventraler und dorsaler Richtung nachgewiesen (Pagnani et al. 1995). Die stabilisierende Wirkung der langen Bizepssehne hängt von der Unversehrtheit des kranialen Labrum glenoidale ab. Bei einer Läsion des kranialen Labrum glenoidale ist die stabilisierende Wirkung der langen Bizepssehne als Folge des erschlafften Labrum glenoidale und der so verlängerten Sehne abgeschwächt.
2.1.6 Kraft 2.1.6.1 Physiologische Querschnittsfläche Die maximale Muskelkraft ist proportional zur physiologischen QuerschnittsÀäche des Muskels, die errechnet wird, indem man das Muskelvolumen durch
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A. Halder
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mediale Kraft inferiore Kraft resultierende Kraft M. deltoideus M. supraspinatus
ausgeglichene resultierende Kraft
M. infraspinatus
M. subscapularis
Abb. 2.9. Das Kräftepaar in der Vertikalebene besteht aus dem M. deltoideus als Elevator und den kaudalen Rotatoren als Depressoren. Das Kräftepaar in der Horizontalebene besteht aus dem M. subscapularis ventral und dem M. infraspinatus
und M. teres minor dorsal. Bei gleichzeitiger Anspannung der Rotatoren ist die Gelenkreaktionskraft zentriert. (Aus Matsen et al. 1994)
die Muskelfaserlänge teilt. Die absolute Maximalkraft des Muskels wird errechnet, indem man die physiologische QuerschnittsÀäche mit einem Umrechnungsfaktor multipliziert, der von der Muskelvorspannung abhängt, die von 4,7 kg/m 2 bei gebeugtem Ellenbogen über 6,3 kg/m2 bei gestrecktem Ellenbogen bis zu 9,2 kg/m2 reicht (Morrey et al. 1998; Morris 1948).
richtung des Muskels ist als Hebelarm de¿niert, der geometrisch berechnet werden kann über die Sehnenauslenkung und Rotation des Gelenkes oder über eine direkte Kraftmessung. Biomechanischen Studien zufolge ist der M. supraspinatus der effektivste Elevator und der M. teres minor der effektivste Depressor der Rotatoren während des gesamten Bewegungsumfanges. Der M. infraspinatus ist zunächst ein Elevator und dann ein Depressor. Der M. subscapularis ist zunächst ein Depressor und dann ein Elevator mit zunehmender Abduktion (Abb. 2.10). Kuechle (1993) beschrieb die Hebelarme von 10 Schultermuskeln. Er zeigte, dass der M. pectoralis major und der ventrale Anteil des M. deltoideus die ef¿zientesten
2.1.6.2 Hebelarm Der Wirkungsgrad eines Muskels hängt von seiner Wirkungsrichtung relativ zum Rotationszentrum ab. Die Entfernung vom Rotationszentrum zur Wirkungs-
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Anatomie und Kinematik des Schultergelenkes
Abb. 2.10. Die Hebelarme der Schultermuskeln bei Abduktion. (Aus Kuechle et al. 1993)
21
Moment Arm (cm) 6
Subscapularis Teres minor
5
Infraspinatus
4 3
Supraspinatus
2
Latissimus dorsi
1
vorderer Deltoideus
0
mittlerer Deltoideus
-1
Teres major
-2
Pectoralis major
-3 0
10
20
30
40
horizontalen Flexoren sind, während der dorsale Anteil des M. deltoideus zusammen mit den dorsalen Rotatoren die effektivsten horizontalen Extensoren sind. Bei hängendem Arm sind der M. infraspinatus und der M. teres minor die ef¿zientesten Außenrotatoren. Der M. subscapularis war der ef¿zienteste Innenrotator gefolgt vom M. pectoralis major, M. latissimus dorsi, M. teres major und vom ventralen Anteil des M. deltoideus. Bei Rotation mit hängendem Arm war der M. teres minor der ef¿zienteste Außenrotator, gefolgt vom M. infraspinatus, während der M. subscapularis der ef¿zienteste Innenrotator war, gefolgt vom M. pectoralis major, M. latissimus dorsi und M. teres major. 2.1.6.3 Muskelaktivität Die elektromyographische Studie von Inman et al. (1944) zeigte, dass der M. deltoideus, M. pectoralis major und M. supraspinatus Abduktoren sind, während der M. infraspinatus, M. teres minor und M. subscapularis Depressoren sind. Die Abduktoren und Depressoren wirken bei Abduktion zusammen. Die elektromyographische Aktivität des M. biceps ist bei einem Drittel der Patienten mit Rotatorenmanschettenruptur vermehrt. Da diese Patienten eine verminderte Kraft bei Abduktion und Außenrotation zeigen, ist es wahrscheinlich, dass der M. biceps als sekundär bewegender Muskel wirkt. 2.1.6.4 Drehmoment Das Drehmoment wird theoretisch aus der physiologischen QuerschnittsÀäche und einer Konstante,
50
60
90 80 70 Abduktion (Grad)
hinterer Deltoideus
einem Prozentsatz der maximalen willkürlichen Anspannung und dem Hebelarm, berechnet. Die größten Kräfte der Rotatoren treten während maximaler Innenrotation (M. subscapularis) und Außenrotation (M. infraspinatus, M. teres minor und M. supraspinatus) auf (Hughes u. An 1996). Dies führt dazu, dass die größte Spannung in der Supraspinatussehne nicht bei Abduktion des Armes auftritt. Klinisch werden die Drehmomente verschiedener Bewegungen der Schulter mit einem Dynamometer gemessen. Ivey legte Normwerte der isokinetischen Drehmomente der Schulter fest. Das Drehmoment der Innenrotation ist höher als das der Außenrotation (3:2), das der Extension größer als das der Flexion (5:4) und das Adduktions- ist größer als das Abduktionsdrehmoment (2:1). Insgesamt ist die Adduktionskraft am größten, gefolgt von der Extension, Flexion, Abduktion, Innenrotation und Außenrotation. Die Gesamtkraft der Schulter ist messbar, aber die Wirkung einzelner Schultermuskeln kann mit dieser Methode nicht isoliert untersucht werden. Um die Funktion des M. supraspinatus isoliert zu untersuchen, haben Itoi et al. (1997) die isokinetische Kraft von Schulterpatienten mit isolierten Rupturen der Supraspinatussehne gemessen. Die Abnahme des Drehmomentes um 19–33% bei Abduktion und 22–33% in Außenrotation scheint den Anteil des M. supraspinatus an der Gesamtkraft der Schulter darzustellen. Selektive Nervenblockaden werden benutzt, um einzelne Muskelfunktionen zu untersuchen, obwohl die Isolierung nur unvollständig möglich ist. Howell (Howell et al. 1988) hat die Reduktion des Drehmomentes durch eine Lähmung des N. suprascapularis und des N. axillaris gemessen. Jede dieser Nerven-
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A. Halder
lähmungen hat einen Rückgang des Drehmomentes um 55% bewirkt. Da der N. suprascapularis den M. supraspinatus und infraspinatus und der N. axillaris den M. deltoideus und den M. teres minor innervieren, ist es wahrscheinlich, dass die Einheit aus M. supraspinatus und M. infraspinatus sowie M. deltoideus und M. teres minor gleichermaßen verantwortlich sind für die Erzeugung des Drehmomentes im Schultergelenk.
2.2.1.2 Spina scapulae
2.1.6.5 Gelenkreaktionskraft
2.2.1.3 Acromion
Inman et al. (1944) haben die Reaktionskraft im Glenohumeralgelenk berechnet, wobei er lediglich den M. deltoideus und die Rotatoren berücksichtigt hat. Poppen u. Walker (1976) berechneten die Gelenkreaktionskraft mit der gleichen Methode, berücksichtigten aber alle während der Bewegung aktiven Muskeln. Dabei erreichte die Gelenkreaktionskraft ein Maximum vom 0,89fachen des Körpergewichtes bei 90 Grad Abduktion in der Skapulaebene, während die Scherkraftkomponente am Glenoid ein Maximum vom 0,42fachen des Körpergewichtes bei 60 Grad Abduktion erreichte. In einem dreidimensionalen biomechanischen Modell zur Analyse der Kraftverteilung zwischen den Muskeln, Knochen und Bändern erreicht die Gelenkreaktionskraft einen Spitzenwert 650 N bei 60 Grad Abduktion.
Das sich das Akromion ventrolateral in Verlängerung der Spina scapulae ausdehnt, um den Ursprung für den M. deltoideus zu bilden, ist es kranial der Rotatorenmanschette lokalisiert. Es begrenzt den Raum für die Supraspinatussehne, die dem Humeruskopf auÀiegt. Deshalb wird angenommen, dass die Form des Akromions eine wichtige Rolle in der Entstehung der Degeneration der Rotatorenmanschette spielt. Bigliani de¿nierte drei Akromiontypen: Àach, gekrümmt und hakenförmig. Eine gekrümmte UnterÀäche des Akromions sowie eine vermehrte kaudale Neigung scheinen mit Rotatorenmanschettenrupturen assoziiert zu sein. Ein Os acromiale führt zu funktioneller Deformierung und zu einem eingeengten subakromialen Raum. Abhängig von der Größe des Os acromiale und der Topographie der Apophysenfuge wird ein Präakromion, Mesoakromion, Metaakromion und Basisakromion de¿niert, von denen das Meso- und Metaakromion die höchste Inzidenz haben.
2.2 Skapulothorakalgelenk 2.2.1 Knöcherne Strukturen 2.2.1.1 Scapula Die Scapula (s. Abb. 2.1) dient zahlreichen Muskeln als Ursprung. Sie ist ein Àacher dreieckiger Knochen, der an seiner kranialen und kaudalen Spitze und an seiner lateralen Seite verdickt ist, um kräftigen Muskeln als Ursprung zu dienen. Die ventrale Fossa subscapularis ist Àach und leicht konkav, während die dorsale Fossa infraspinata leicht konvex ist und durch die Spina scapulae von der Fossa supraspinata getrennt wird.
Die Spina scapulae entspringt vom medialen Rand der Skapula mit einer dreieckigen Verdickung und verläuft auf der dorsalen Fläche der Skapula nach kraniolateral, um das trapezförmige Akromion zu bilden. Sie versteift den Körper der Skapula und trägt das Akromion als Hebelarm für den M. deltoideus.
2. 2.1.4 Processus coracoideus Ventral der Basis des Akromion entspringt der Processus coracoideus vom Hals den Glenoids. Der runde Processus ist hakenförmig nach ventrolateral gebogen und am Ende abgeÀacht. Bei einem Prozent der Bevölkerung besteht eine abnormale Verbindung wie eine knöcherne Brücke oder ein Gelenk zur Klavikula. Der Processus coracoideus ist Ursprung von Muskeln, und zwar dem M. pectoralis minor, dem kurzen Kopf des M. biceps und dem M. coracobrachialis. Zusätzlich entspringen von ihm das Lig. coracoclaviculare, coracoacromiale und coracohumerale. Die Incisura suprascapularis trennt ihn vom Àachen Körper der Skapula.
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Anatomie und Kinematik des Schultergelenkes
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2.2.1.5 Glenoid Das Glenoid ist unter dem Punkt Glenohumeralgelenk beschrieben.
2.2.2 Kapsel und Bänder
M. levator scapulae M. rhomboideus major
M. trapezius
M. infraspinatus
Neben den Bändern, die die Skapula mit der Klavikula und dem Humerus verbinden, gibt es Bänder, die die Processus scapulae verbinden. Das Lig. coracoacromiale hat eine breite Basis am Processus coracoideus und wird zum Akromion hin schmaler, um an dessen UnterÀäche anzusetzen. Zusammen mit dem Processus coracoideus und dem Akromion bildet es das Schulterdach. Das Lig. transversum scapulae superius verschließt die Incisura suprascapularis medial des Processus coracoideus. Das Lig. transversum scapulae inferius verbindet die Basis des Akromions mit dem kranialen Rand des Glenoid und überbrückt die Incisura spinoglenoidalis.
2.2.3 Muskulatur 2.2.3.1 Musculus latissimus dorsi Der breite M. latissimus dorsi (Abb. 2.11) entspringt von den Processus spinosi von Th7 bis Th12 mit seinem vertebralen Anteil, von der thorakolumbalen Faszie und dem Ilium mit seinem iliakalen Anteil und von der zehnten bis zwölften Rippe mit seinem kostalen Anteil. Häu¿g entspringt ein zusätzlicher skapulärer Anteil vom kaudalen Anteil der Skapula. Er ist der kräftigste Adduktor, ein Innenrotator und ein Extensor des Schultergelenkes. Er wird vom N. thoracodorsalis innerviert (C7–C8). 2.2.3.2 Musculus pectoralis major Der klavikuläre Anteil des M. pectoralis major entspringt von der ventromedialen Klavikula, der sternokostale Anteil vom Sternum und der zweiten bis vierten Rippe, und der abdominale Anteil von der
M. deltoideus
M. latissimus dorsi
Teil des M. latissimus dorsi, der am unteren Winkel der Scapula ansetzt
Abb. 2.11. Dorsale skapulothorakale Muskeln, der M. infraspinatus und der M. deltoideus. (Aus Butters 1998, S. 393)
fünften und sechsten Rippe und der Faszie des M. obliquus externus. Das gemeinsame Ansatzareal ist der laterale Rand des Sulcus intertubercularis. Die Muskelfasern sind um 180 Grad verdreht, so dass die kaudalen Fasern kranial ansetzen, um die Axillarfalte zu bilden. Der M. pectoralis ist ein starker Adduktor und Innenrotator und der klavikuläre Anteil ist aktiv bei Flexion im Schultergelenk. Der N. pectoralis lateralis innerviert den klavikulären Anteil (C5–C7), während der N. pectoralis medialis die übrigen Anteile innerviert (C8–Th1). 2.2.3.3 Musculus trapezius Der M. trapezius ist geformt wie ein Zelt und besteht aus einem deszendierenden, einem transversen und einem aszendierenden Anteil. Der deszendierende
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A. Halder
Anteil entspringt von der Protuberantia occipitalis und dem Lig. nuchale, um an der lateralen Klavikula anzusetzen. Der transverse Anteil entspringt von den Processus spinosi von C7 bis Th3 und setzt am medialen Akromion und an der lateralen Spina scapulae an. Der aszendierende Anteil entspringt von den Processus spinosi von Th3 bis Th12, um an der medialen Spina scapulae anzusetzen. Die wesentliche passive Aufgabe des M. trapezius ist, die Skapula zu ¿xieren. Seine aktiven Funktionen sind die Retraktion der Skapula und die Elevation ihres lateralen Anteils. Deshalb führt eine Lähmung des M. trapezius zur Protraktion und zur Depression des lateralen Anteiles der Skapula, wobei die Abduktion in der Ebene der Skapula auf 90 Grad begrenzt ist. Er ist vom N. accessorius, dem 11. Hirnnerven, innerviert.
führt zum Abstehen der Skapula und begrenzt die Flexion des Armes auf 90 Grad. Der N. thoracicus longus innerviert den M. serratus anterior (C5–C7).
2.2.3.4 Musculi rhomboidei
Der Ursprung des M. subclavius ist der mediale Anteil der 1. Rippe und sein Ansatzareal ist die Fossa subclavia an der UnterÀäche der Klavikula. In dem er die Klavikula deprimiert, stabilisiert der das sternoklavikuläre Gelenk. Der N. subclavius innerviert ihn (C5–C6).
Der M. rhomboideus minor entspringt von den Processus spinosi von C6 und C7 und der M. rhomboideus major von den Processus spinosi Th1–Th4. Das gemeinsame Ansatzareal ist der mediale Rand der Skapula kranial und kaudal der Spina. Ihre Funktion ist die Retraktion und Elevation der Skapula. Der N. dorsalis scapulae innerviert sie (C4–C5). 2.2.3.5 Musculus levator scapulae Der M. levator scapulae entspringt von den Processus transversi von C1–C4, um am kranialen Anteil der Skapula anzusetzen. Er eleviert und außenrotiert die Skapula. Der N. dorsalis scapulae innerviert ihn (C4–C5). 2.2.3.6 Musculus serratus anterior Der M. serratus anterior besteht aus einem kranialen, mittleren und kaudalen Anteil. Seine Ursprünge sind die ventralen Anteile der 1.–9. Rippe, wobei zwei Köpfe an der zweiten Rippe ansetzen. Das gemeinsame Ansatzareal ist der ventrale mediale Rand der Skapula von kranial nach kaudal. Seine Funktion ist die Fixation der Skapula am Thorax sowie deren Protraktion und Innenrotation. Eine Lähmung des M. serratus anterior
2.2.3.7 Musculus pectoralis minor Der M. pectoralis minor entspringt vom ventralen Anteil der 3.–5. Rippe, um am medialen Rand des Processus coracoideus anzusetzen. Er dient als Depressor des lateralen Teiles der Skapula und bewirkt deren Außenrotation und Protraktion. Er wird innerviert von den Nn. pectorales (C5–Th1). 2.2.3.8 Musculus subclavius
2.2.4 Bewegung Die Skapula ist auf dem Thorax in der Horizontalebene in 30 Grad Innenrotation positioniert, in der Frontalebene in 3 Grad Abduktion und ist in der Sagittalebene um 20 Grad nach ventral gekippt. Laumann (1987) hat die dreidimensionale Bewegung der Skapula stereometrisch gemessen und herausgefunden, dass sie in der ersten Hälfte der Abduktion um 60 Grad abduziert, 20 Grad dorsal kippt und 6 Grad innenrotiert und in der zweiten Hälfte um 16 Grad außenrotiert. Insgesamt wird die Skapula um 10 Grad außenrotiert. Zusätzlich zu diesen drei Drehbewegungen werden zwei Verschiebungen ausgeführt, die kraniokaudale Verschiebung und die Vor- und Zurückbewegung der Skapula. Diese Bewegungen sind gekoppelt. Als Protraktion wird die Kombinationsbewegung der Vorschiebung weg von der Wirbelsäule, der Rotation um das Akromioklavikulargelenk und der Innenrotation bezeichnet. Retraktion ist die Kombination der entgegengesetzten Bewegungen. Die Abduktion der Skapula ist vom biomechanischen Standpunkt aus ver-
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Anatomie und Kinematik des Schultergelenkes
schiedenen Gründen vorteilhaft. Sie vergrößert den Umfang der humerothorakalen Bewegung, erhält die Ef¿zienz der Muskeln, indem sie ihnen ermöglicht, im optimalen Anteil der Längen-Spannungs-Kurve zu arbeiten und sie ermöglicht außerdem, dass das Glenoid in der Bewegung unter den Arm geführt wird, um einen Teil seines Gewichtes zu tragen. Bei einer Fusion des skapulothorakalen Gelenkes ist die Extension und Außenrotation des Armes deutlich vermindert, während die Innenrotation unverändert ist (Harryman et al. 1993). Das ist darauf zurückzuführen, dass die Innenrotation im Wesentlichen im Glenohumeralgelenk abläuft. Gesunde Personen benötigen 15 Grad skapulothorakaler Innenrotation, um die KörperpÀege durchzuführen. Im Gegensatz dazu werden durchschnittlich 51 Grad skapulothorakaler Innenrotation benötigt, um diese Aktivitäten nach glenohumeraler Fusion durchzuführen. Im Gegensatz zur skapulothorakalen Fusion limitiert die glenohumerale Fusion die Fähigkeiten des Patienten, die KörperpÀege durchzuführen, da diese einer maximalen Innenrotation bedarf, die durch skapulothorakale Innenrotation nicht ausgeglichen werden kann. Skapulohumeraler Rhythmus. Die koordinierten Bewegungen des Glenohumeral- und Skapulothorakalgelenkes bei der Abduktion werden als skapulohumeraler Rhythmus bezeichnet. Inman hat das Verhältnis zwischen glenohumeraler und skapulothorakaler Bewegung auf 2:1 geschätzt (Abb. 2.12). Das Verhältnis ist in den ersten 30 Grad der Abduktion (Doody et al. 1970; Freedman u. Munro 1966) variabel, beträgt aber insgesamt etwa 2:1. Harryman hat das Verhältnis der Gelenkbewegungen in anderen als der Skapulaebene bestimmt und gefolgert, dass das Verhältnis einheitlich 2:1 ist. Paletta et al. (1997) haben berichtet, dass das Verhältnis in den ersten 45 Grad Abduktion 2:1 und anschließend während der übrigen Bewegung 3:2 beträgt. Obwohl das Verhältnis nicht linear ist, ist es durchschnittlich 2:1. Poppen u. Walker (1976) analysierten, dass der skapulothorakale Rhythmus bei Patienten mit Schulterschmerzen abnormal ist, brachten dies aber nicht mit einer klinischen Diagnose in Verbindung. Das Verhältnis von glenohumeraler zu skapulothorakaler Bewegung nimmt bei Patienten mit multidirektionaler Schulterinstabilität zu (Poppen u. Walker 1976) und nimmt bei Patienten mit Impingement und Rotatorenmanschettenrupturen ab. Paletta et al. (1997) führten
25 135°
3 6 2 4 1
90°
5 60°
0°
0°
60°
120°
180°
Abb. 2.12 . Die koordinierten Bewegungen des Glenohumeral- und Skapulothorakalgelenkes bei der Abduktion sind als skapulohumeraler Rhythmus bekannt. Die Winkeländerungen im glenohumeralen Gelenk im Verhältnis zu Abduktion des Armes wurden von verschiedenen Untersuchern gemessen: ( 1) Nobuhara 1977, ( 2) Poppen u. Walker 1976, ( 3) Inman et al. 1944, ( 4) Freedman u. Munro 1966, ( 5) Wallace 1982, ( 6 ) Reeves 1972. (Aus Bergmann 1987)
aus, dass bei ventral instabilen Schultern das Verhältnis während der ersten Hälfte der Abduktion zu- und in der zweiten Hälfte der Abduktion abnimmt. Eine relative Zunahme der Bewegung im Glenohumeralgelenk kann durch das Ungleichgewicht der die Skapula bewegenden Muskeln bedingt sein. Eine verminderte Bewegung im Glenohumeralgelenk kann Ergebnis einer schmerzbedingten Bewegungseinschränkung im Subakromialraum sein.
2.2.5 Stabilität Die Stabilität zwischen Thorax und Skapula hängt von den Muskeln und der Faszie des Schulterblattes ab. Die tiefe Halsfaszie umscheidet den M. trapezius und den M. sternocleidomastoideus und verbindet den Kopf mit der Klavikula und der Spina scapulae und bietet so passiven Halt. Die tiefe Rückenfaszie bietet ebenfalls statische Stabilität. Obwohl die vertikalen Muskeln, wie der M. trapezius, der M. levator scapulae und der M. serratus anterior wichtige dynamisch unterstützende Muskeln sind, werden sie darüber hinaus auch als passiv unterstützende Muskeln charakterisiert (Inman et al. 1944). Im Stand wurde keine elektromyographische Aktivität in diesen Muskeln
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registriert, während im M. trapezius beim Laufen kontinuierlich Aktivität festzustellen ist. Diese Aktivität zeigt die aktiv unterstützende Wirkung des M. trapezius beim Schwingen des Armes an. Die aktive Abduktion des Armes führt zur Kontraktion der vertikalen Muskeln sowie der paraskapulären Muskeln. Die Kontraktion des M. trapezius, des M. serratus anterior und der Mm. rhomboidei stabilisieren die Skapula und stellen einen stabilen und doch mobilen Sockel für die obere Extremität dar. Ein Verlust dieser Muskeln führt dazu, dass die Skapula das Gewicht des Armes während der Abduktion nicht mehr ausgleichen kann, was zum Abstehen der Skapula führt.
2.2.6 Kraft Die Abduktion der Skapula wird durch den M. trapezius und den M. serratus anterior bewirkt. Der M. serratus anterior und der M. pectoralis minor führen die Protraktion aus, während der M. trapezius und die Mm. rhomboidei die Retraktion bewirken. Inman et al. (1944) hat das Konzept der Kräftepaare um die Skapula entwickelt. Er beschrieb Innenrotation, mediale Kontraktion und Außenrotation als die drei Kraftrichtungen. Der kraniale Anteil des M. trapezius, der kraniale Anteil des M. serratus anterior und der M. levator scapulae bilden den kranialen Teil des Kräftepaares. Der kaudale Anteil des M. trapezius und der kaudale Anteil des M. serratus anterior bilden den kaudalen Teil des Kräftepaares. Diese Beobachtungen wurden durch eine elektromyographische Studie von Moseley et al. bestätigt (1992). Der M. pectoralis minor, der als wichtigster Muskel für die Protraktion beschrieben worden war, war bei Liegestützübungen weniger aktiv als der M. serratus anterior (Protraktion), aber bei Barrenstützübungen deutlich aktiver als andere Muskeln (Depression). Dieser Unterschied zeigt, dass der M. pectoralis minor wichtiger für die Depression als für die Protraktion der Skapula ist. Aufgrund seiner geringen Größe ist eine feinmotorische Kontrolle wahrscheinlicher als eine Kraftwirkung (Perry 1988).
A. Halder
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Technische Konzepte der Implantate D. Liem, B. Marquardt, K.A. Witt und J. Steinbeck
3.1 Humerusschaft, Kalotte D. Liem und J. Steinbeck Über 50 Jahre nach Einführung des Prototyps der Schulterprothese durch Charles Neer 1951 durchläuft die Schulterendoprothetik einen immer weiter fortschreitenden Entwicklungsprozess. Die Weiterentwicklung der verschiedenen Generationen von Schulterendoprothesen entsprang dem zunehmenden Verständnis der für die Schulterendoprothetik relevanten Anatomie (Boileau u. Walch 1999b; Williams et al. 2001; Wirth et al. 2007). Es wurde klar, dass eine exakte Rekonstruktion der ursprünglichen Anatomie die unabdingbare Voraussetzung dafür ist, die physiologischen glenohumeralen Bewegungsmuster des Glenohumeralgelenkes wieder herzustellen. Mit diesem Ziel zeichnet sich jede Generation durch zusätzliche Einstellungsmöglichkeiten der Prothese aus, die es erlauben, der ursprünglichen Anatomie so nah wie möglich zu kommen. Anatomische Studien des proximalen Humerus konnten nicht nur starke interindividuelle Differenzen, sondern auch signi¿ kante Unterschiede der Anatomie der rechten und linken Seite derselben Person nachweisen (Irlenbusch u. Irlenbusch 2007; Wirth et al. 2007). Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit einer individuellen Anpassung des Gelenkersatzes, die nur bei Verwendung modularer Schulterprothesensysteme möglich ist. Die Neer-II-Prothese repräsentiert die erste Generation von Schulterendoprothesen, die als Monoblockprothese mit nur 2 verschiedenen Kalottenhöhen
und einem festen Kopfradius zur Verfügung stand (Abb. 3.1). In der zweiten Generation von Schulterendoprothesen bestand mit der Einführung modularer Implantate die Möglichkeit, verschiedene Schaftgrößen mit unterschiedlichen Kalottenkalibern und -längen zu kombinieren und auf diese Weise der ursprünglichen Anatomie näher zu kommen. Zu Beginn der 90er Jahre führte eine zunehmende Anzahl anatomischer Studien zu einem besseren Verständnis der für die Schulterendoprothetik relevanten Anatomie der Schulter (Roberts et al. 1991; Wiedemann 2006). Es wurde deutlich, dass die bisher verwendeten Implantate die Anatomie und Kinematik der verformten oder destruierten GelenkÀächen nicht adäquat wiederherstellen konnte. Der wesentliche Grund hierfür war die Tatsache, dass zwar die Radius-Höhen-Relation der Humeruskalotte rela-
Abb. 3.1. Monoblockprothese (Neer II), mit 2 unterschiedlichen Glenoidkomponenten, voll Polyäthylen und „metal-backed“
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_3, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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D. Liem und J. Steinbeck
tiv konstant ist, dass jedoch große (inter)individuelle Unterschiede in der Ausrichtung, vor allem in der Retroversion und weniger stark ausgeprägt in der Inklination der GelenkÀäche gegenüber der Schaftachse, bestehen. Die Schulterprothesen der zweiten Generation konnten nur den unterschiedlichen Abmessungen der humeralen GelenkÀäche Rechnung tragen. Die Orientierung der Kalotte wurde dabei jedoch im Einzelfall nicht berücksichtigt, weil die Resektion der GelenkÀäche nicht individuell erfolgen konnte, sondern mit Hilfe einer Schablone mit festgelegtem Winkel durchgeführt werden musste. Zudem erfolgte die Fixation der Kalotte an der Metaphyse des Prothesenschaftes durch eine konische Steckverbindung mittig im Zentrum der Basis der Kalotte, so dass der physiologische posteromediale Offset des proximalen Humerus nicht anatomisch rekonstruiert werden konnte und die Gelenkkomponente der metaphysären ResektionsÀäche in vielen Fällen nicht exakt abdeckte (Abb. 3.2a, b). Bei der dritten Generation der Schulterprothesen sollten diese Parameter Berücksichtigung ¿nden und unter dem Begriff der „prosthetic adaptability“, der von den Entwicklern der Humeruskopfprothese Aequalis™ (Fa. Tornier) Walch und Boileau geprägt wurde, summiert werden. Für den Operateur bedeutet dies die Möglichkeit, die zu implantierende Prothese der gegebenen Anatomie anzupassen und nicht die Anatomie so zu verändern, dass
sie der Form der Prothese angepasst wird. Anhand der topographischen Vermessungen zahlreicher Humerusköpfe wurden die Maße der Kalottenkomponenten, und hierbei vor allem die Radius-Höhen-Relation verändert und eine größere Anzahl von Kalotten zur Verfügung gestellt. Dies führt durch eine anatomiegerechte Wiederherstellung der Rotationsachse des Humeruskopfes zu einer Normalisierung der Kinematik des Gelenkes und verhindert durch Normalisierung des Abstandes der Tuberkula zum Glenoid eine Über- oder Unterspannung der Rotatorenmanschette. Die aktuell erhältlichen Modelle verschiedener Anbieter repräsentieren die vierte Generation der bisher entwickelten Schulterendoprothesen. Diese haben gegenüber dem Vorläufer weiterführende, teilweise stufenlos einstellbare Orientierungsmöglichkeiten, die eine noch perfektere Nachahmung der anatomischen Vorgaben ermöglichen sollen. Moderne Humeruskopfprothesen zeichnen sich durch die folgenden Charakteristika aus: Ɣ Anatomisches Design Ɣ Modularität Ɣ Variables Offset Ɣ Variable Inklination
Abb. 3.2a, b. Kalotte eine Prothese der zweiten Generation. Die Kalotten existieren in unterschiedlichen, der individuellen Anatomie anzupassenden Größen. Die Konusverbindung mit dem metaphysären Teil der Schaftkomponente be¿ndet sich zentral (a); dadurch kann der posteromediale Offset des
proximalen Humerus nicht anatomisch korrekt rekonstruiert werden. Fehlerhafte Rekonstruktion der Anatomie (b), mit kranialem Überstand und kaudalem Unterstand der Kalotte gegenüber der ResektionsÀäche. Zustand nach sekundärer Instabilitätsarthrose
Im Folgenden werden die anatomischen Besonderheiten der humeralen GelenkÀäche der Schulter und ihre
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Technische Konzepte der Implantate
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Implikationen für das Prothesendesign dargestellt, um dem Anwender die Möglichkeiten und Grenzen der unterschiedlichen Prothesen aufzuzeigen. Um eine anatomische Rekonstruktion des Schultergelenkes zu erreichen, müssen verschiedene anatomische Parameter sowohl beim Prothesendesign als auch bei der späteren Implantation durch den Operateur berücksichtigt werden.
3.1.1 Form 3.1.1.1 Orientierung der Gelenkfläche Die Retroversion der humeralen GelenkÀäche zur transepikondylären Achse des Ellenbogens ist nicht nur interindividuell, sondern auch zwischen der rechten und linken Schulter derselben Person unterschiedlich und liegt im Mittel zwischen 0° und 55° (Irlenbusch u. Irlenbusch 2007; Wirth et al. 2007). Der Winkel der Inklination, der durch die Neigung des Collum anatomicum gegenüber dem Humerusschaft de¿niert ist, liegt im Durchschnitt zwischen 30° und 55°. Durch die Bestimmung des Retroversions- und
des Inklinationswinkels im Operationssitus wird die individuelle Resektionsebene der GelenkÀäche vor der Schulterprothesenimplantation festgelegt. 3.1.1.2 Offset Der Mittelpunkt des sphärischen Humeruskopfes nach Resektion der GelenkÀäche deckt sich im Querschnitt nicht exakt mit dem zylindrischen Zentrum der Humerusdiaphyse. Als Offset bezeichnet man den Abstand der beiden Mittelpunkte voneinander. Im Durchschnitt ist das Humeruskopfzentrum gegenüber dem Eingang in den Markraum der Diaphyse um 4–14 mm nach medial und um –2–10 mm nach posterior versetzt (Boileau u. Walch 1999a; Pearl u. Kurutz 1999; Williams et al. 2001; Abb. 3.3a, b). Diese anatomischen Vorgaben haben einen entscheidenden EinÀuss auf das Design der Humeruskopfprothesen der 3. und 4. Generation. Nach individueller Resektion der GelenkÀäche muss mit der Humerusahle der exakt senkrechte Eingang in den Markraum gefunden und eröffnet werden. Der Eintrittspunkt liegt entsprechend dem Offset nicht im Zentrum der ResektionsÀäche. Daraus folgt, dass die Kalottenkomponente nicht mittig auf
O
O
O’ O’
a
O: Zentrum der Kugel O’: Zentrum des Zylinders
b
Abb. 3.3a–c. Offset der Zentren von Humeruskopf und Diaphyse in frontaler Projektion (a). Der Mittelpunkt der Diaphysenachse liegt weiter lateral. Offset horizontaler Projektion (b).
c Der Eingang in die Diaphyse (spezieller Punkt) liegt nicht im Zentrum der ResektionsÀäche (c).
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das metaphysäre Ende des Prothesenschaftes aufgesteckt werden kann. Der Fixationspunkt der Kalotte muss exzentrisch liegen und es muss sich durch Drehen des Implantats eine Position ¿nden lassen, in der die Fläche von Metaphyse und Kalotte vollständig und optimal in Deckung gebracht werden können. Bei dem Modell Aequalis™ (Fa. Tornier), das den späteren Entwicklungen prinzipiell als Vorbild diente, wird diese Notwendigkeit durch ein Wählscheibenprinzip (Abb. 3.4a, b) realisiert, das ein Aufstecken des Kopfes in 8 unterschiedlichen Positionen und damit eine optimale Abdeckung der ResektionsÀäche ohne Über- oder Unterstand ermöglicht. Später weiterentwickelte Modelle ermöglichen eine stufenlose Befestigung durch Impaktieren oder Verschrauben in der gewünschten Position. Eine weitere Entwicklungsrichtung zielt darauf ab, über eine doppelt exzentrische Verstellbarkeit des Kopfes den originären Drehpunkt exakt zu rekonstruieren. Dies basiert auf der grundsätzlichen Überlegung, dass die OberÀäche des Humeruskopfes idealisiert als der Ausschnitt einer Kugel verstanden werden kann. Wenn ein Segment dieser Kugel entfernt wird (entsprechend der resezierten Kopfkalotte), so ist eine exakte Rekonstruktion des Drehpunktes nur möglich, wenn das Kalottenelement der Prothese nicht nur Durchmesser und Höhe des Resektats entspricht, sondern auch exakt an die Resektionslinien angepasst wird. Ersteres ist über eine abgestufte Auswahl an Kopfkomponenten zu erreichen, Letzteres nur über eine doppelt exzentrische Lagerung (Abb. 3.5). Ein Vorteil der doppelt exzentrischen Verstellbarkeit der Kopfkalotte in dem größeren Verstellbereich als bei einem einfachen
Abb. 3.4a, b. Ausgleich des posteromedialen Offset durch einen exzentrisch platzierten Fixationskonus. Durch ein Wählscheibenprinzip (a) lassen sich 8 Positionen einstellen, um die Resektionsfläche optimal abzudecken. In dem Modell (b) ist zur Verdeutlichung der Exzentrizität eine nicht passende Position eingestellt
D. Liem und J. Steinbeck
Exzenter zu sehen, so dass eine Anpassung an hochgradig deformierte Köpfe möglich ist. Die Inklination der nach den anatomischen Vorgaben ausgeführten Resektionsebene lässt sich durch Messinstrumente bestimmen, die in den Schaft eingeführt oder von außen angebracht werden. Die Originalimplantate verfügen über Schäfte mit unterschiedlicher Inklination oder über stufenlos einstellbare Inklinationsmodule (Abb. 3.6). Während bei der Aequalis™-Prothese die Retroversion ¿xiert ist und durch das orthograde Einbringen der Schaftkomponente senkrecht zur Resektionsebene realisiert wird, gibt es bei einigen Prothesen der vierten Generation auch für die Bestimmung der vorgegebenen Retroversion Messinstrumente und die Möglichkeit einer stufenlosen Einstellung durch Orientierung einer Basisplatte auf der Schaftkomponente. Durch Berücksichtigung und Einstellmöglichkeiten der vorgenannten Parameter ist es mit den aktuell entwickelten Schulterprothesen möglich, die Anatomie noch exakter zu rekonstruieren als mit Prothesen früherer Generationen. Bei einigen Modellen werden die individuellen Einstellmöglichkeiten durch eine Vielzahl von modularen Einzelkomponenten realisiert (Abb. 3.7), die nach der Implantation von Hand ¿xiert werden müssen. Ob sich die so optimierte Rekonstruktion der Anatomie in einer klinischen Überlegenheit widerspiegelt, wird noch zu beweisen sein. In wenigen Fällen sind durch Materialermüdung die Lockerung oder Dissoziation einzelner Komponenten beobachtet worden, so dass die Multimodularität möglicherweise als technischer Nachteil angesehen werden muss. Die
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Technische Konzepte der Implantate
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Abb. 3.5. Rekonstruktion des Offset durch ein Doppelexzentersystem (Epoca™, Fa. Synthes)
Abb. 3.7. Dreidimensionale Schulterprothese (Univers™, Fa. Arthrex). Humeruskomponente: (1) Prothesenschaft; (2) Kalottenträger; (3) Prothesenkopf. Glenoidkomponente; (4) PEInlay; (5) Hohlschraube; (6) Metall-Basisplatte
publizierte Lockerungsrate von Humerusschäften ist so gering, dass eine Entwicklung in Richtung individuell angepasster Prothesen („custom made“) wie in der Hüftendoprothetik bisher nicht beschritten wurde (Harryman et al. 1995).
3.1.2 Materialien Bei der Herstellung von Schulterendoprothesen werden verschiedene Biomaterialien verwendet. Die verschiedenen Prothesendesigns stellen unterschiedliche Anforderungen an die Prothesenkomponenten, so dass es nicht das eine für alle Anforderungen ideale Biomaterial gibt. Die verwendeten Materialien sollen
Abb. 3.6. Zementfrei implantierbarer Prothesenschaft mit stufenlos einstellbarer Inklination der Metaphyse (Univers™, Fa. Arthrex)
möglichst ähnliche physikalische Eigenschaften aufweisen, wie der Knochen, den sie ersetzen. Ein optimal ausgewogenes Verhältnis zwischen Stabilität und Flexibilität des Implantats ist wichtig, um das Phänomen des „stress shielding“, d. h. einen Knochensubstanzverlust in der Umgebung der Prothese, zu verhindern. Darüber hinaus müssen die biologische Verträglichkeit und Resistenz gegen Abnutzung und Korrosion gewährleistet sein. Häu¿g für die Prothesenschäfte verwendete Materialien sind Edelstahl, Kobalt Chrom Legierungen und Titan. Die Kalotten bestehen in der Regel ebenfalls aus entsprechenden Metalllegierungen, vereinzelt sind auch Gelenkköpfe aus Keramik im Einsatz Für die artikulierende Fläche der Glenoidkomponente wird in der Regel der Kunststoff Polyäthylen verwendet, so dass es zu einer Gelenkpaarung zwischen Metall und Polyäthylen kommt.
3.1.3 Verankerungsprinzipien Wie in der Endoprothetik anderer Gelenke, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, eine Schulterendoprothese zementiert oder zementfrei zu implantieren. Der Neer-II-Prothese der ersten Generation fehlte jegliche Form von OberÀächenstruktur und -bearbeitung, so dass eine zementierte Implantation obligat war. Der Zement wurde mit dem Finger nur so weit proximal eingebracht, dass eine Rotationsstabilität gewährleistet war. Heutzutage stehen moderne Vakuum-Zementiertechniken mit Markraumstoppern
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und retrograder Zementeinbringung unter Druck mit einem Spritzensystem zur Verfügung, deren Vorteil gegenüber der „klassischen“ Einbringung jedoch nicht unumstritten ist (Nyffeler et al. 2004). Potenzielle Nachteile der Verwendung von Knochenzement sind die Hitzentwicklung, mit der Möglichkeit von Knochennekrosen, die Inhomogenität der Zementschicht und die nachlassende Festigkeit des Zements. Aufgrund der geringeren axialen Belastung kommt im Bereich der Schulterendoprothetik der Frage der zementierten oder zementfreien Fixation eine geringere Bedeutung zu als beispielsweise in der Hüftendoprothetik, wo unter anderem die Frage nach einer postoperativ sofortigen Vollbelastung anhand der gewählten Verankerung entschieden werden muss. Demgegenüber hat in der Schulterendoprothetik in der Regel die Wahl des Verankerungsprinzips der Schaftund Glenoidkomponente keine Auswirkung auf die Nachbehandlung. Für Möglichkeit einer Schaftlockerung im Langzeitverlauf scheint die zementierte oder zementfreie Verankerung eine untergeordnete Rolle zu spielen. Während eine sekundäre Schaftsinterung bei zementfreien Implantaten häu¿ger zu sein scheint, ist im Revisionsfall die Explantation einer festen zementfreien Prothese ohne ausgedehnte Schaftfensterung oft nicht möglich. Aber auch der Wechsel einer zementierten Schulterprothese ist eine technisch anspruchsvolle Operation. Durch die Ausdünnung der Kortikalis kommt es bei der Entfernung des Zementmantels nicht selten zu Frakturen, die ebenfalls die Fixierung des Revisionsschaftes erschweren. Bei jüngeren Patienten mit guter Knochenqualität werden grundsätzlich eher zementfreie Prothesen verwendet, während bei Älteren mit osteoporotischem Knochen die Tendenz zur zementierten Implantation geht. Eine generelle Richtlinie auf der Basis evidenzbasierter wissenschaftlicher Daten existiert jedoch zurzeit nicht.
3.1.4 Oberflächen Die meisten aktuell verwendeten Prothesenmodelle bieten in der Regel sowohl die Möglichkeit zum zementierten als auch zum zementfreien Einsatz (Abb. 3.8). Als Material für zementierte Implantate kommen rostfreie Kobalt-Chrom-Legierungen in der Schulter-
D. Liem und J. Steinbeck
Abb. 3.8. Unterschiedliche OberÀächenstrukturierung von zementierten ( links) und zementfreien ( rechts) Implantaten am Beispiel der Anatomica™-Prothese (Fa. Zimmer)
endoprothetik zum Einsatz, jedoch zeigen im Gegensatz zur Hüftendoprothetik auch mit Knochenzement ¿xierte Schäfte aus Titan keine erhöhten Lockerungsraten. Eine formschlüssige, zementfreie, „Press-¿t“-Implantation des Prothesenschaftes hat bei gleicher Stabilität insbesondere bei jüngeren aktiven Patienten, bei denen eine Revision aufgrund des jungen Lebensalters absehbar ist, prinzipielle Vorteile. Bei einem zementfreien Implantat muss allerdings eine entsprechende Primärstabilität gewährleistet sein, um ein sicheres Einwachsen der Prothese zu erreichen. Aufgrund der in der Literatur relativ niedrigen Lockerungsraten der Schäfte wird der Formgebung der Schäfte weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt als beispielsweise in der Hüftendoprothetik. Die Stabilität der Prothese im Langzeitverlauf wird jedoch zum einen durch die Form des Implantats und zum anderen durch eine entsprechende OberÀächenbearbeitung gewährleistet.
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Technische Konzepte der Implantate
Bei unzementierten Schäften soll sich die Prothese wegen der besseren Osteointegration hauptsächlich metaphysär und im proximalen Humerus verankern; einige Modell weisen im diaphysären Bereich ein oberÀächenstrukturiertes Sternpro¿l auf, um hier ebenfalls ein knöchernes Einwachsen zu gewährleisten. Die Formgebung des Prothesenschaftes ist entscheidend für die Verleihung der primären Rotationsstabilität. Eine besondere Bedeutung kommt allerdings auch den Implantationsinstrumentarien zu. Die entscheidende Grundlage für die Rotationsstabilität wird nämlich bereits bei der Präparation des Markraums gelegt, die mit speziell auf die Prothese abgestimmten Markraumfräsen durchgeführt wird. Bei dem Prothesenschaft Univers™ (Fa. Arthrex), die für die zementfreie Implantation konzipiert wurde, wird beispielsweise bei der Markraumpräparation durch einen Raspelaufsatz eine Verkippung der Fräse verhindert und eine exakt auf die Prothese abgestimmte Markraumgeometrie erzeugt (Abb. 3.9) Diese Prothese verwendet einen konischen Geradstiel mit einer seitlich abgeÀachten Finne. Sie sorgt damit für eine hauptsächlich metaphysäre Press-¿t-Verankerung (Heers et al. 2001). Die Bearbeitung der OberÀächen der Implantate ist eine weitere wichtige Voraussetzung zur primären Press-¿t-Verankerung. Eine grobe Strukturierung der gesamten SchaftoberÀäche führt zwar zu einer festen Osteointegration, jedoch ist eine Explantation des Schaftes bei einer Revisionsoperation fast ebenso schwierig wie bei zementierten Implantaten. Die modernen Schulterprothesen setzen daher auf eine fein strukturierte OberÀäche oder auf eine rein proximale Strukturierung zur Verankerung, um die distale Krafteinleitung zu minimieren. Für die Bearbeitung der SchaftoberÀäche besteht die Möglichkeit einer Raubestrahlung des Schaftmaterials (z. B. Titan) in dem Bereich des Schaftes, in dem eine knöcherne Integration erwünscht ist. Eine Sonderform der strukturierten OberÀäche ist das so genannte Trabecular Metal™, ein aus Tantalum oder Carbon bestehendes Material mit dem Knochen ähnlicher poröser Struktur. Eine weitere Möglichkeit, die KontaktÀäche zwischen Prothese und Knochen zu vergrößern, ist die Beschichtung der Prothese mit Hydroxylapatit. Der letzte Stand der Entwicklung sind modulare Prothesen der fünften Generation die bei Bedarf eine Umwandlung einer konventionellen Schulterprothese mit oder ohne Schaft und Glenoid in eine inverse Schulterprothese ermöglichen. Bei fortge-
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Abb. 3.9. Individuelle Präparation des Markraums mit prothesenspezi¿scher Raspel und Raspelführung als Verkippungsschutz ( kleines Bild ) am Beispiel der Univers™-Prothese (Fa. Arthrex)
schrittener Degeneration der Rotatorenmanschette kann so eine Revisionsoperation deutlich erleichtert werden, da sowohl der Schaft, als auch die Glenoidplatte belassen werden kann.
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3.2 Glenoid D. Liem und J. Steinbeck Charles Neer hatte bei der Entwicklung der ersten Generation der Schulterendoprothese diese zunächst als Hemiprothese ohne Glenoidersatz konzipiert. Es wurde jedoch bald klar, dass unbefriedigende Ergebnisse bei Hemiprothesen aufgrund von persistierenden Schmerzen und zunehmender Bewe-
D. Liem und J. Steinbeck
gungseinschränkung unter anderem auch auf die nicht behandelte Glenoidarthrose zurückzuführen waren. So wurde bei der zweiten Generation der Neer-Prothese, die in den 70er Jahren eingeführt wurde, die Möglichkeit eines Glenoidersatzes ergänzt. Es handelte sich dabei um eine komplett aus Polyäthylen bestehende Glenoidkomponente mit zum Humeruskopf konformen Radius und Kielverankerung zur zementierten Implantation. Alternativ wurde ein „Metal-backed“-Glenoid zur zementierten Implantation angeboten. Die Glenoidkomponente ist bis heute der kritische Faktor in der Schultertotalendoprothetik. Glenoidlockerungen sind mit bis zu 12,5% der häu¿gste Grund für Revisionsoperationen bei der Schultertotalendoprothese (Boileau et al. 2002; Rodosky u. Bigliani 1996; Wirth u. Rockwood 1994). Schon Neer beschrieb das Problem der „radiolucent lines“, d. h. der radiologischen Saumbildung um den Zementmantel der Glenoidkomponente als Zeichen einer möglichen Lockerung (Neer 2000). Während Zusammenhänge zwischen diesen Lysesäumen und einer tatsächlichen Lockerung noch unklar sind, scheinen sie in einigen Studien mit klinisch schlechteren Ergebnissen zu korrelieren (Barrett et al. 1987; Co¿eld 1984; Lazarus et al. 2002). Um dieses Problem zu lösen, sind bis heute zahlreiche Modi¿kationen des ursprünglichen Neer-Glenoidersatzes entwickelt worden. Dabei wurden die Form, die Konformität zur Kalotte, die Verankerungsmethoden und das Material in verschiedensten Variationen verändert.
3.2.1 Form Bei der Form der Glenoidkomponente unterscheidet man zwischen der anatomischen und der ovalen Form. Die anatomischen Glenoide imitieren die ursprüngliche Birnenform der GelenkÀäche mit einem schmalerem oberem und einem breiterem unterem Anteil (Abb. 3.10). Im Rahmen des zunehmenden Glenoidverbrauchs bei der Glenoidarthrose kommt es zu einer Verformung des ursprünglich birnenförmigen Glenoids in eine ovale Form. Dies ermöglicht die Implantation von ovalen Komponenten, die mit größerer superiorer KontaktÀäche eine erhöhte Stabilität bieten können.
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Technische Konzepte der Implantate
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hängig von der Form der RückÀäche ist eine größtmögliche Kongruenz zwischen Pfannenlager und Glenoidkomponente zu fordern, um das Lockerungsrisiko zu minimieren (Habermeyer et al. 2004). 3.2.1.1 Konformität der Komponenten
Abb. 3.10. Natürliche Birnenform der Schulterpfanne (Zeichnung)
Vorteile der anatomischen Form des GelenkÀächenersatzes sind eine geringere Gefahr des internen Impingements mit den umliegenden Weichteilen. Potenzielle Nachteile sind die kleinere KontaktÀäche im schmaleren oberen Teil, wodurch zumindest in biomechanischen Studien eine höhere Subluxationenoder Luxationstendenz besteht. Eine weitere wichtige Variante ist die Form der RückÀäche der Glenoidkomponente. Dabei werden konvexe und plane RückÀächen unterschieden. Die konvexe RückÀäche entspricht eher der anatomischen Form der GelenkoberÀäche, so dass bei der Präparation der AuÀage weniger Knochensubstanz abgefräst werden muss. Potenzielle Vorteile gegenüber planen GlenoidÀächen ist außerdem die größere AuÀageÀäche, was zu einer gleichmäßigeren Verteilung der exzentrischen Randbelastungen führt und die Gefahr einer Lockerung reduzieren soll. In biomechanischen Arbeiten konnte eine erhöhte Stabilität von konvexen Glenoidkomponenten nachgewiesen werden (Anglin et al. 2001; Collins et al. 1992). Eine plane Glenoidkomponente bietet den theoretischen Vorteil, bei einem exzentrischen Glenoidverbrauch nur den höher stehenden Pfannenrand anpassen zu müssen. Unab-
Das Verhältnis der Krümmungsradien der GlenoidoberÀäche und der Kalottenkomponente zueinander ist ebenfalls Gegenstand der unterschiedlichen Designkonzepte (Karduna et al. 1996). Bei der ursprünglichen Neer-II-Prothese waren die Krümmungsradien identisch („matched“). Dies entspricht jedoch nicht den anatomischen Verhältnissen; durch ein geringes „mismatch“ der OberÀächen, mit einem um wenige Grade größeren Krümmungswinkel der Schulterpfanne, wird in der physiologischen Kinematik eine Translationsbewegung von 1,5–2 mm ermöglicht (Karduna et al. 1996). Durch eine völlig konforme Humeruskopf-Glenoidpaarung wird der Humeruskopf exakt zentralisiert und durch diese so genannte „concavity compression“ wird die physiologische Translation unterdrückt (Matsen et al. 1998). In den endgradigen glenohumeralen Bewegungsabläufen verstärkt sich die Translation zwischen Kopf und Pfanne, und es kommt zu Spitzenbelastungen im Randbereich der Glenoidkomponente. Da das Polyäthylen eine höhere Stei¿gkeit besitzt als der menschliche Knorpel und das Labrum glenoidale, ist bei solchen Spitzenbelastungen die Stoßdämpferfunktion eingeschränkt. Frühzeitiger einseitiger Polyäthylenverbrauch und Lockerung der Glenoidkomponente durch einseitige Belastung und korrespondierender Hubbelastung der Gegenseite, an der die Lockerung beginnt, können die Folge sein. Diesen Prozess bezeichnete Matsen als „Rocking-horse“-Phänomen (s. Abb. 3.11; Matsen et al. 1998). Eine nicht konforme Humeruskopf-Glenoid-Paarung mit größerem Glenoidradius („mismatch“) ist hier von Vorteil, da sie eine physiologischere Translation der Komponenten ermöglicht und die mechanische Belastung im stabileren Zentrum des Glenoids konzentriert (Karduna et al. 1997, 1998). Ein Ausmaß von 5–7 mm dieses Mismatch von Glenoid- und Kopfradius zugunsten des Glenoids wird als idealer Kompromiss zwischen Stabilität und Translation der Totalendoprothese angesehen (Walch et al. 2002). Ein zu großes Mismatch führt zu einer erhöhten Lockerungsrate und
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Abb. 3.11. Rocking-horse-Phänomen bei exzentrischer Belastung der Glenoidkomponente durch konforme GelenkÀächeradien (Zeichnung)
schlechteren klinischen Ergebnissen. Der Grund dafür liegt in der geringeren KontaktÀäche der Komponenten und einer erhöhten Druckbelastung der Glenoidkomponente, die die Belastbarkeit des Polyäthylens überschreiten und zu PE-Brüchen führen kann.
3.2.2 Materialien und Verankerungsprinzipien Die Möglichkeiten einer sicheren Verankerung der Glenoidkomponente werden durch die anatomischen
Abb. 3.12a, b. PolyäthylenGlenoidkomponente zur zementierten Implantation mit Kielverankerung und konkaver (a) bzw. planer (b) Rückfläche (Aequalis™, Fa Tornier)
D. Liem und J. Steinbeck
Gegebenheiten des Glenoids insbesondere bei fortgeschrittener Omarthrose im Vergleich zu anderen Gelenken deutlich erschwert. Die Breite des spongiösen Knochens beträgt bei normalem Glenoid ca. 26 mm und kann sich im Fall einer fortgeschrittenen Arthrose bis auf 10–15 mm und weniger reduzieren (Walch u. Boileau 1999). Das Ziel beim Design einer Glenoidkomponente ist es deshalb, möglichst wenig des bereits spärlich vorhandenen Knochens resezieren zu müssen und trotzdem eine sichere Fixation zu gewährleisten. Generell unterscheidet man zwischen zementierten und zementfreien Systemen, wobei die zementierten Systeme aktuell in der Überzahl sind und weiterhin den Goldstandard darstellen. Zementierte Glenoidkomponenten sind in der Regel vollständig aus Polyäthylen. Auch hier werden zwei große Gruppen voneinander unterschieden. Unterscheidungsmerkmal ist dabei die Form des prominenten Anteils der RückÀäche durch einen zentralen Kiel („Keel“) oder als mehrere Zapfen, so genannte. „Pegs“. Ein zentral positionierter Kiel, wie von Charles Neer ursprünglich entwickelt, ist noch heute die am häu¿gsten verwendete Designvariante (Abb. 3.12a, b). Eine Weiterentwicklung des Kielglenoids ist ein nach anterior versetzter Kiel unter der biomechanischen Vorstellung, dass dadurch die Fixation direkter unter dem Hauptansatzpunkt der Kraft auf das Glenohumeralgelenk positioniert wird. Des Weiteren kann auf durch diese anteriore Fixation die kompaktere posteriore Knochensubstanz des Glenoids erhalten bleiben, während der weichere anteriore Teil im Rahmen der Implantation reseziert wird (Murphy et al. 2001).
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Technische Konzepte der Implantate
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Abb. 3.13. PolyäthylenGlenoidkomponente zur zementierten Implantation mit Zapfenverankerung („pegs“)
Die Verwendung von mehreren Stiften oder Zapfen als Verankerung (Abb. 3.13) bietet den Vorteil eines geringeren Knochenverbrauchs bei der Präparation des Pfannenlagers. Eine ausreichenden Abstand zwischen den Pegs vorausgesetzt, werden so auch die Scherkräfte im Vergleich zu einer zentralen Fixation mit einem vergleichsweise großen Kiel reduziert (Giori et al. 1990). Der kritische Punkt bei der Verwendung der Zapfenglenoide ist die Präparation, also die Bohrung, der Löcher für die Pegs. Durch die Vielzahl der Löcher besteht die Gefahr, die ohnehin geringe Knochensubstanz des Glenoids an mehreren Stellen zu schwächen und im Extremfall eine Frakturierung der Schulterpfanne oder des Skapulahalses herbeizuführen. Der Ansatz, ein Glenoid zementfrei zu implantieren, bringt zwangsläu¿g eine Änderung des Materials mit sich. Nur mit Basisplatten aus Metall („Metal-back“Komponenten) ist die Möglichkeit eines tatsächlichen biologischen Einwachsens der Glenoidkomponente in den vorhandenen Knochen gegeben. Die primäre Verankerung wird dabei mit Schrauben oder Spreizdübeln (Abb. 3.14) erreicht. Eine aktuelle Variante ist die zentrale Hohlschraube (Abb. 3.15), die eine möglichst knochensparende Fixation ermöglicht, da der zentrale Knochenzylinder innerhalb der Hohlschraube erhalten bleibt. Zementfreie „Metal-backed“-Glenoide bestehen in der Regel aus 2 Komponenten, den Basisplatten selbst und einem aufgesteckten Polyäthyleninlay, das mit der Humeruskopfkomponente artikuliert. Dadurch entsteht eine weitere KontaktÀäche zwischen zwei unterschiedlichen Materialien mit möglichen Komplikationen, z. B. im Sinne von Dissoziationen der beiden Prothesenteile oder Abrieb der Komponenten. Weitere potenzielle Nachteile dieser zementfreien Glenoide sind die zwangsläu¿g vermehrte Höhe und Breite der beiden Komponenten, die zu einer Überdimensionierung des Schultergelenkes führen können,
Abb. 3.14. „Metal-back“-Glenoidkomponente mit Spreizschrauben zur zementfreien Implantation (Biomodular™, Fa. Biomet Merck)
und ein mögliches „stress shielding“ des darunter liegenden Knochens durch die primär stabile Fixation. Über die klinischen Ergebnisse, Komplikationen und Lockerungsraten zementfreier Glenoidkomponenten liegen in der Literatur noch keine aussagekräftigen Ergebnisse vor.
Abb. 3.15. „Metal-back“Glenoidkomponente mit zentraler Hohlschraube zur zementfreien Implantation (Univers™, Fa. Arthrex)
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3.3 Oberflächenersatz B. Marquardt und J. Steinbeck Das Konzept des endoprothetischen OberÀächenersatzes am Schultergelenk unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht von dem der herkömmlichen Schaftprothesen. Es beruht im Wesentlichen auf dem ausschließlichen Ersatz der zerstörten GelenkoberÀäche mit Wiederherstellung der normalen Anatomie bei minimaler Knochenresektion. Primäres Ziel bei der Entwicklung des OberÀächenersatzes für das Schultergelenk war die alleinige Rekonstruktion des Humeruskopfes, um das Ausmaß der Knochenresektion gering zu halten und somit unkomplizierte Rückzugswege, insbesondere bei jüngeren Patienten, zu sichern. Seit 1981 kommt dabei die für die rheumatische Schulter, in Schweden entwickelte Scan Shoulder® (Fa. MITAB) zum Einsatz (Abb. 3.16). Über erste, viel versprechende Ergebnisse mit einem Cup-System bei der rheumatoiden Arthritis des Schultergelenkes
Abb. 3.16. Erster für den Humeruskopf entwickelter Oberflächenersatz (Scan Shoulder®, Fa. MITAB) zur zementierten Implantation
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Technische Konzepte der Implantate
berichteten 1984 jedoch Steffee und Moore, bevor die schwedische Arbeitsgruppe um Rydholm et al. ihre Ergebnisse mit der Scan Shoulder 1986 bzw. die 10-Jahres-Ergebnisse 1993 veröffentlichte (Jonsson et al. 1986; Rydholm u. Sjögren 1993). Popularisiert wurde der humerale OberÀächenersatz durch Copeland in England, nachdem er die Indikationen auch auf Omarthrosen ausdehnte und mittlerweile über 8Jahres-Ergebnisse berichten kann (Levy u. Copeland 2004). In Deutschland ent¿elen 2006 von ca. 10.000 implantierten Schulterprothesen ungefähr 1500 auf OberÀächenersatzimplantate.
3.3.1 Form, Materialien, Oberfläche, Verankerungsprinzipien Nachdem in der 80er Jahren erste viel versprechende Ergebnisse mit OberÀächenersatzprothesen des Humeruskopfes publiziert worden waren, sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten verschiedene Formen von Cup-Prothesen für das Schultergelenk entwickelt worden, die sich hinsichtlich Form, Material, OberÀäche und Verankerungsprinzipien z. T. ganz wesentlich unterscheiden. Bei der so genannten Scan Shoulder™ (Fa. MITAB), die als eine der ersten OberÀächenersatztechniken seit der Einführung 1981 in Schweden regelmäßig zum Einsatz kam, handelt es sich um eine anfänglich 3 mm und später 1,7 mm dicke hemisphärische Kappe aus Edelstahl. Sowohl zirkumferent laufende als auch radiäre Rinnen auf der Kap-
Abb. 3.17. a Durom™Schulter-Cup (Fa. Zimmer); b Implantationsskizze
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peninnenseite sichern die Fixation der Prothese und erlauben die Verdrängung überschüssigen Zementes. Der Prothesenrand ist im Querschnitt konisch zulaufend (s. Abb. 3.16). Eine Weiterentwicklung des Konzepts einer zementierten Cup-Prothese stellte die 1996 eingeführte Durom™ Schulter Cup (Fa. Zimmer) dar. Dieser zu zementierende OberÀächenersatz wird momentan in 7 verschiedenen Größen (40–52 mm) angeboten und besteht aus warm geschmiedetem Protasul S-30 (FeCrNiMnMoNbN, ISO 5832-9). Die Kappeninnenseite ist zur besseren Verbindung mit dem Knochenzement grob gestrahlt. Zusätzlich wird eine gute Verankerung durch den zylindrischen Abschluss am Kappenäquator ermöglicht. Die am Prothesenrand radial vorstehenden Bereiche dienen der Prothesenzentrierung. Der zentral liegende, zylindrische Zapfen der Prothese zentriert das Implantat beim Einschlagen und verhindert ein Abkippen der Kappe auf dem sphärisch gefrästen Oberarmkopf (Abb. 3.17a, b). Neben der genannten Scan Shoulder ist die Copeland™-Schulter (Fa. Biomet) der OberÀächenersatz mit der längsten klinischen Erfahrung und den meisten publizierten Resultaten. Aktuell ist das zur zementfreien Verankerung entwickelte Implantat in 8 verschiedenen Größen verfügbar. Die Krümmungsradien dieser 8 Größen betragen 50 bzw. 54 mm. Durch unterschiedliche Kalottenhöhen werden jedoch variable anatomische Größen und Offsets abgedeckt. Der Cup selbst ist aus einer Kobaltchrommolybdänlegierung gefertigt und besitzt eine mit Hydroxylapatit beschichtete Innenseite für eine optimale Knochenhaftung sowie ein verbessertes Einwachsverhalten.
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Abb. 3.18. Zur zementfreien Implantation entwickelte Copeland™-Schulter (Fa. Biomet)
Der mit Verankerungsrippen versehene, konisch geformte „press ¿t“ eingebrachte Zapfen soll die Rotationsstabilität gewährleisten (Abb. 3.18). Ähnliche Konzeptionsmerkmale wie die CopelandProthese weist auch der Global C.A.P.™-OberÀächenersatz von Depuy auf (Abb. 3.19a). Dabei handelt es sich ebenfalls um ein zementfreies Implantat. Die knöcherne Integration wird durch eine so genannte Porocoat™-Beschichtung auf der Prothesenunterseite gefördert. Merkmal dieser Beschichtung sind zufällig verteilte Kügelchen mit geeigneter Porengröße (Abb. 3.19b). Durch eine zusätzliche Hydroxylapatitbeschichtung (DuoFix™) kann das knöcherne Einwachsen der Prothese weiter beschleunigt werden. Im Gegensatz zur Copeland-Prothese ist der ebenfalls mit Verankerungsrippen versehene Press-¿t-Zapfen kreuzförmig und vorne spitz zulaufend. Ein vollkommen anderes Verankerungsprinzip weist die EPOCARH™-OberÀächenersatzprothese (Fa. Synthes) auf. Die epiphysäre Fixation innerhalb des Oberarmkopfes wird durch eine mit Hydroxylapatit beschichtete, perforierte Krone erreicht. Durch die leicht konische Form der Krone und ihre dreiecksförmige OberÀächenvergrößerung kommt es zu einer guten primären Press-¿t-Stabilität (Abb. 3.20a, b).
Abb. 3.19. a Global C.A.P.™(Fa. Depuy) zur zementfreien Implantation. b Oberflächenbearbeitung durch Porocoat®- und Hydroxylapatit Beschichtung
B. Marquardt und J. Steinbeck
Das zuletzt eingeführte Modell eines GelenkÀächenersatzes stellt die Aequalis RH™-Prothese (Fa. Tornier) dar, die sich in ihren Abmessungen an den Kalotten des gleichnamigen Schaftimplantats orientiert. Die Verankerung im Knochen erfolgt zementfrei über einen sich zur Spitze hin verjüngenden Zapfen mit Dreieckspro¿l (Abb. 3.21). Das Einwachsen der Spongiosa soll über die rautenförmige OberÀächenstruktur mit einer Hydroxylapatitbeschichtung konditioniert werden. Einen partiellen GelenkÀächenersatz, insbesondere bei kleineren Knorpelschäden des Oberarmkopfes erlaubt der so genannte HemiCAP®-OberÀächenersatz (Fa. Arthrosurface) (Abb. 3.22). Dieser besteht aus zwei Teilen; einer aus Titan bestehenden Spongiosaschraube zur Implantatverankerung sowie einer aus Cobaltchrom bestehenden ArtikulationsÀäche, die in drei verschiedenen Größen erhältlich ist (25 mm, 30 mm, 35 mm). Verschiedene Offsetgrößen korrespondieren sowohl zum superoinferioren als auch zum mediolateralen Krümmungsradius an der Implantatseite. Dadurch wird intraoperativ eine exakte Wiederherstellung der ursprünglichen anatomischen GelenkÀäche möglich. Im Gegensatz zu den bisher genannten, klassischen Cup-Prothesen wird bei der Eclipse® -Prothese (Fa. Arthrex) nicht nur der Knorpel bis zum subchondralen Knochen abgetragen, sondern der ganze Humeruskopf entlang des anatomischen Halses reseziert. Es handelt sich somit um einen schaftfreien Gelenkersatz, der den Vorteil einer knochensparenden, zementfreien Implantation bietet, bei der der Markraum des Humerus nicht eröffnet werden muss. Das Implantat besteht aus einer Kalotte (Cobalt-Chrom-Molybdän-Legierung), einer Druckscheibe sowie einer Hohlschraube (beide Titanlegierung) (Abb. 3.23a, b). Die Kalotte wird über eine Konussteckverbindung auf die Druckscheibe, die
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Technische Konzepte der Implantate
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Abb. 3.20. a EPOCA® RH-Oberflächenersatzprothese (Fa. Synthes) mit kronenförmigem Hohlzapfen zur zementfreien Verankerung, b knöcherne Integration (histologischer Schnitt, mit freundlicher Genehmigung von Synthes, Schweiz)
in verschiedenen Durchmessern erhältlich ist, gesetzt. Durch insgesamt 6 Rippen auf der Knochenkontaktseite wird ein stabiles Fixieren der Druckscheibe ermöglicht. Die Verankerung im Humerus erfolgt durch die Hohlschraube. Schlitze entlang dem Gewinde der Hohlschraube erlauben das Einwachsen spongiösen Knochens und sollen zusammen mit einer korundgestrahlten OberÀäche zu einer anhaltenden Osteointegration und sicheren Verankerung führen. Eine weitere Neuentwicklung stellt die schaftlose Kalottenkomponente dar, bei der eine sternförmige „Corolla“ zementfrei in der Metaphyse implantiert wird, die bei Bedarf mit einem Schaft komplettiert werden kann (Abb. 3.24a, b).
3.3.2 Anwendungsoptionen Die Indikationen für einen GelenkÀächenersatz entsprechen prinzipiell denen für eine Humeruskopfprothese in der traditionellen Schulterendoprothetik. Dazu gehören die primäre Omarthrose, posttraumatische Deformitäten, rheumatoide Arthritis, Humeruskopfnekrosen, Instabilitätsarthrosen und auch
Abb. 3.21. Aequalis™ RH-Cup (Fa. Tornier) mit Hydroxylapatit beschichtetem Verankerungszapfen
Defektarthropathien (Copeland 2006). Generelle Voraussetzung für die Implantation einer Cup-Prothese am Schultergelenk ist der Erhalt von mindestens 2/3 der knöchernen Substanz der Humeruskalotte, da sonst die Prothese nicht mehr sicher verankert werden kann. Anfänglich wurde der OberÀächenersatz des Schultergelenkes in erster Linie für Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis konzipiert, um für diese Patienten den Eingriff am proximalen Humerus zu minimieren und die Anatomie weitgehend zu erhalten. Guten klinischen Ergebnissen standen bei den schwedischen Arbeitsgruppen nach Implantation der Scan Shoulder hohe Lockerungsraten von bis zu 25% gegenüber (Jonsson et al. 1986; Levy et al. 2004). Insbesondere Alund et al. (2000) wiesen auf Veränderungen der Cup-Position, eine kraniale Migration der Prothese sowie eine zunehmende Glenoiderosion als mögliche Nachteile eines OberÀächenersatzes bei Rheumatikern hin. Ähnlich gute klinische Ergebnisse konnten auch Fink et al. (2001) bei Patienten mit rheumatoider Arthritis nach Implantation des Durom™-Schulter-
Abb. 3.22. HemiCAP®-OberÀächenersatz (Fa. Arthrosurface) zur Überbrückung kleinerer Knorpeldefekte
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B. Marquardt und J. Steinbeck
Abb. 3.23a, b. Schaftfreier Kalottenersatz durch die Eclipse®-Prothese (Fa. Arthrex), bestehend aus 3 Einzelkomponenten (a) zur zementfreien, metaphysären Verankerung (b)
Cup vorweisen. Gleichzeitig wurden bei einem kurzen durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von lediglich 15 Monaten keine Lockerungszeichen beobachtet. Auch nach einem längerfristigen Nachuntersuchungszeitraum von durchschnittlich 45 Monaten konnten die gleichen Autoren mit dem Durom™Schulter-Cup ähnlich gute klinische und radiologische Ergebnisse vorlegen (Fink et al. 2004). Die umfassendsten klinischen Erfahrungen mit einem OberÀächenersatz bei rheumatoider Arthritis besitzt sicherlich Stephen Copeland. Mit dem zementfreien Copeland™-Schultersystem (CRSA) berichten Levy et al. (2004) über 96% gute bis sehr gute Ergebnisse nach einem Nachuntersuchungszeitraum von durchschnittlich 6,5 Jahren. Radiologisch zeigten sich bei
Abb. 3.24a, b. Schaftfreie Kalotte (T.E.S.S™, Fa. Biomet), die mit einem Hydroxylapatit beschichteten Gerüst in der Metaphyse verankert wird (a) Zustand nach Implantation bei Omarthrose (b)
lediglich 18% der implantierten OberÀächenersätze Lockerungszeichen. Für die zunehmende Popularität des humeralen OberÀächenersatzes zeichnet sich ebenfalls Copeland verantwortlich, nachdem er die Indikation auf Omarthrosen ausdehnte und nach durchschnittlich 8 Jahren bei 79 Patienten über 90% gute bis sehr gute Ergebnisse berichtete (Levy u. Copeland 2004). Über ähnlich gute klinische Ergebnisse mit dieser Cup-Prothese berichteten Thomas et al. (2005a, b) sowohl bei Patienten mit einer rheumatoider Arthritis als auch mit einer Omarthrose. Auch bei der Defektarthropathie können humerale OberÀächenersatzprothesen insbesondere zum Ziel der Schmerzlinderung eingesetzt werden (Levy u. Copeland 2001; Thomas et al. 2005b). Dabei wird
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Technische Konzepte der Implantate
Abb. 3.25. Nach kraniodorsal vergrößerte Oberfläche zur Abstützung unter dem Akromion (Copeland EAS™, Fa. Biomet)
empfohlen, eine vermehrt valgische Positionierung der Cup-Prothese vorzunehmen, um diese mit der UnterÀäche des Akromions artikulieren lassen zu können (Fink et al. 2001). Zur Vermeidung dieser individuellen operationstechnischen Anpassung modi¿zierte Copeland seinen ursprünglichen OberÀächenersatz, indem die ArtikulationsÀäche der Prothese an einer Seite verlängert wurde (Copeland EAS™, Fa. Biomet), so dass sowohl Oberarmkopf als auch die Region des Tuberculum majus durch ProthesenoberÀäche bedeckt sind (Abb. 3.25). Weitere Verwendungsoptionen der humeralen Cup-Prothesen sind avaskuläre Nekrosen, Instabilitätsarthrosen und posttraumatische Omarthrosen; sie entsprechen somit den Indikationen der klassischen Schulterendoprothetik (Fink et al. 2001; Levy u. Copeland 2001; Thomas et al. 2005b). Konzept und Vorteile von OberÀächenersatzprothesen am Glenohumeralgelenk beruhen auf dem Ersatz zerstörter GelenkoberÀächen und Rekonstruktion der normalen Anatomie mit nur minimalem Knochenverlust. Daraus resultiert ein wesentlich geringeres Risiko periprothetischer Frakturen, und die Rückzugsmöglichkeiten im Revisionsfall erscheinen weniger limitiert als mit herkömmlichen Schaftprothesen. Mögliche Nachteile der Cup-Prothesen beruhen auf einer schlechteren knöchernen Integration, einem schwierigeren Zugang zum Glenoid im Fall eines Glenoidersatzes sowie einer möglicherweise nicht anatomischen Rekonstruktion des Humeruskopfes und daraus resultierenden exzentrischen Glenoidbelastung mit entsprechend erhöhtem Glenoidverschleiß (Jonsson et al. 1986).Weitere vergleichende Studien mit längeren Nachuntersuchungszeiträumen werden in Zukunft nötig sein, um die unterschiedlichen Vor- und Nachteile zwischen
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Schaft- und Cup-Prothesen sowie deren Einsatzgebiete weiter zu de¿ nieren.
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3.4 Inverse Prothese K.A. Witt und J. Steinbeck Die inversen Schulterendoprothesen wurden für Problemfälle entwickelt, die mit einen konventionellen Gelenkersatz durch Hemi- oder Totalendoprothesen allenfalls im Sinne von Neers „limited goal procedures“ behandelt werden konnten. In dieser schwierigen biomechanischen Situation erreichen die modernen inversen Prothesen eine ausreichende Mobilität um
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3
K.A. Witt und J. Steinbeck
Abb. 3.26. a Verlagerung des Drehzentrums bei der Defektarthropathie nach kranial. b Das Grundprinzip der inversen Prothese: 1. fixiertes und medialisiertes Drehzentrum (Verlängerung des Deltahebelarmes (L2 > L1) und Verminderung des Drehmomentes auf die Glenoidkomponente, 2. Vergrößerung des akromiohumeralen Abstandes zur Wiederherstellung der Deltaspannung (F2 > F1)
F2
F1
L2 L1
C
C
a
ein stabiles Rotationszentrum ohne frühzeitige Prothesenlockerung. Die ursprüngliche Indikation für die inverse Prothese ist die Schultergelenksarthrose mit einer defekten Rotatorenmanschette, die Defektarthropathie. Das biomechanische Prinzip der Prothese beruht auf der Artikulation eines konvexen Glenoidkörpers mit einem konkaven Gelenkpartner im Humerus, die für den gesamten Bewegungsumfang ein stabiles Drehzentrum im Glenohumeralgelenk wiederherstellen. Dazu wird das anatomische Verhältnis zwischen Skapula- und Humeruskomponente umgekehrt, so dass das Drehzentrum nach medial und distal verlagert wird um den Hebelarm des M. deltoideus zu verlängern (Abb. 3.26a, b). Dazu wurde ein halb gekoppeltes („semi-constrained“) Prothesenmodell entwickelt, das mit zwei Innovationen das Problem der schlechten Beweglichkeit und der frühzeitigen Lockerung früherer Prothesensysteme löste. Der grundsätzliche Aufbau setzt sich aus einer großen glenoidalen Hemisphäre ohne Hals und einer kleineren humeralen Komponente mit einen nahezu horizontal ausgerichteten Polyäthylentrichter zusammen, der weniger als die Hälfte der Hemisphäre bedeckt (Abb. 3.27; Grammont et al. 1987). Das Drehzentrum liegt damit im Glenoidbasis-Knochen-Interface (Boileau et al. 2005). Dieses Design medialisiert das Drehzentrum, stabilisiert die Arti-
b
kulation und verringert das Drehmoment auf die glenoidale Komponente (Boileau et al. 2006). Da ab 45° Abduktion hauptsächlich kompressive Kräfte auf das Glenoid wirken, ist das Risiko der Glenoidlockerung vermindert. Die Kaudalisierung des Humerus führt zu einer Erhöhung der Vorspannung des M. deltoideus, zudem können mehr anteriore und posteriore Fasern des M. deltoideus als Abduktoren eingesetzt werden. Die geringe Luxationsneigung wird durch den auf die Pfanne zentrierten Kraftvektor des Deltoideus erreicht, was zu einem Kraftschluss führt (Wiedemann
Abb. 3.27. Modulares inverses Prothesensystem mit Schaft, Metaphyse, Verlängerungsadapter, PE-Inlay, Glenosphäre und Glenoidbasisplatte, Aequalis-reversed™ (Fa. Tornier, Frankreich)
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Technische Konzepte der Implantate
2006). Zur Stabilisierung der Prothese werden durch das Design die zentrifugalen Kräfte in zentripetale transformiert. Die Prinzipien der inversen (reversen) Prothesensysteme sind: 1. Fixes Rotationszentrum mit kongruenten GelenkÀächen a. zur Kompensation der insuf¿zienten Rotatorenmanschette, b. zur Erhöhung der Stabilität. 2. Medialisierung des Drehzentrum und des Humerus a. zur Verbesserung des Hebelarms des M. deltoideus, b. zur Verminderung der Drehmomentkräfte auf die Glenoidkomponente. 3. Kaudalisierung des Humerus im Verhältnis zum Glenoid a. zur Wiederherstellung der Spannung des M. Deltoideus.
Abb. 3.28.
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3.4.1 Form, Material, Oberfläche, Verankerungsprinzipien Die 1985 von Paul Grammont aus Dijon, Frankreich, entwickelte Delta-III™-Prothese (Fa. Depuy) gilt als der Prototyp der inversen Prothese und verdeutlicht das Konzept dieses Prothesentyps. Sie besteht aus einer zementfrei gegen die medialisierte PfannenÀäche verankerten Basisplatte, die Metaglene, auf die die Glenosphäre verschraubt wird. Die humerale Komponente besteht aus einem zirkulären Schaft mit einer modularen Halskomponente und einer konkaven Polyäthylenpfanne mit einer Inklination von 155° (Grammont u. Baulot 1993). Der Bewegungsumfang wird durch das OberÀächenverhältnis 1:3 zwischen der humeralen Gelenkpfanne und der Glenosphäre erreicht. Das Rotationszentrum ist weit medialisiert und liegt im Zentrum der Glenosphäre (Habermeyer u. Engel 2002). Mit dem modularen System moderner Prothesensysteme besteht die Möglichkeit, die Prothese individuell an die anatomischen Voraussetzungen anzupassen. Dazu werden Schäfte mit verschiedenen Längen und Durchmessern, sowohl zementiert als auch zementfrei verankerbar, verschiedene metaphysäre Komponenten, Polyäthyleninlays in verschiedenen Höhen und Durchmessern, die zusätzlich mit Adaptern verlängert werden können, und Glenosphären mit metaphysengerechten Durchmessern angeboten. Zwischen den Komponenten besteht in der Regel Größenkompatibilität. Die Schäfte bestehen in der Regel aus einer Cobaltchromlegierung (CoCr), sie sind distal poliert und durch die Konusgeometrie an die Anatomie des Humerusschaftes angepasst. Einige Hersteller beschichten die Schäfte proximal porös mit Ti6AI4V (Titanium 6 – Aluminium 4 – Vanadium). Diese Legierung besitzt hohe mechanische Festigkeitswerte, erlaubt eine Osteointegration durch direktes Anwachsen des Knochens auf den vergrößerten und aufgerauten OberÀächen und bietet einen geringen Verschleißwiderstand. Die Länge der Beschichtung variiert zwischen den verschiedenen Herstellern. Die Schäfte sind in verschiedenen Längen und Durchmessern erhältlich und können zementfrei und/oder zementiert eingebracht werden. Die Prothesenepiphyse besteht in Regel aus dem gleichen Material und wird über verschiedene
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3
Schraubsysteme am Schaft ¿xiert. Entsprechend der Technik für den Schaft muss eine Epiphyse für das zementierte oder zementfreie Verfahren gewählt werden. Die Designs bieten durch Finnen eine hohe Rotationsstabilität. Oftmals sind Löcher eingelassen, um z. B. die knöchernen Sehnenansätze des proximalen Humerus zu befestigen. Einige Hersteller haben zusätzliche Platzhalter im Programm, um Defekte der Metaphyse zu überbrücken oder um bei Instabilitäten die Lateralisation des Schaftes zu vergrößern. Vereinzelt wird die Epiphysenkomponente auch als schaftloses Design angeboten, so dass eine inverse Versorgung auch knochensparend ohne obligatorische Schaftkomponente möglich ist. Bei Bedarf, z. B. bei proximalen Humerusfrakturen oder schlechter Knochenqualität, kann dies aber auch mit einem Schaft implantiert werden, auf den die Epiphyse aufgesteckt werden kann (Abb. 3.29). Das auf die pfannenförmige Metaphyse aufgesetzte Inlay besteht meist aus einem speziellen Polyethylen UHMWPE („ultra-high-molecular-weight polyethylene“ nach ISO 5834-2). Dieses Material zeichnet sich durch eine hohe Verschleißfestigkeit, hohe Kerbschlagzähigkeit und eine geringe Gleitrei-
Abb. 3.29. Schaftloses T.E.S.S.™-Implantat (Fa. Biomet) mit optional mit Humerus-Invers-Corolla™ Schaftkomponente
K.A. Witt und J. Steinbeck
bung aus und hat sich als Werkstoff für artikulierende Flächen in künstlichen Gelenken seit über 20 Jahren klinisch bewährt. Die Hersteller haben verschiedene Produktvarianten, z. B. das ArCom®-Polyethylen (Fa. Biomet), im Programm, die in verschiedenen Größen, Durchmessern und Höhen zur Verfügung stehen und damit zahlreiche Versorgungsoptionen ermöglichen. Die Inlays werden mit einem Impaktor eingeschlagen und besitzen eine Rotationssicherung. In Revisionsfällen oder zur Korrektur von massiven Instabilitäten kann ein retentives Polyäthyleninlay mit erhöhtem Rand verwendet werden. Mit Verlängerungsadaptern kann bei Instabilitäten eine weitere Verlängerung und damit zusätzliche Weichteilspannung erreicht werden. Diese Adapter werden mittels einer Schraubenbefestigung auf der Metaphyse angebracht (Abb. 3.30). Die Glenosphären bestehen in der Regel aus Cobalt-Chromium-Molybdenum (CoCrMo)-Schmiedelegierung nach ISO 5832-12, einem bekannten und bewährten Material mit hoher Verschleißresistenz in der Werkstoffprüfung. Sie sind in verschiedenen Größen erhältlich, z. B. für das ursprüngliche Implantat Delta CTA™ (Fa. DePuy) mit Durchmessern von 36 und 42 mm. Das laterale Offset (Distanz von der Glenoidbasisplatte zum Zentrum des Gelenkkontakts zwischen Glenosphäre und dem Polyäthyleninlay) kann variieren. Die Glenosphäre wird meist mit einem Impaktor auf die Glenoidbasis gepresst und anschließend mit einer zentralen Verblockungsschraube gesichert. Die Glenoidbasis (Metaglenoid oder Metaglene) besteht in der Regel aus einer Metallscheibe, die zementfrei auf der vorgefrästen GelenkÀäche der Schulterpfanne verankert wird, wobei die verschiedenen Hersteller sehr unterschiedliche Form- und Befestigungskonzepte anbieten. Die Größen variieren je nach Hersteller und sind nonkonform, so dass die passende Kopfgröße gefunden werden muss. Bei der Delta CTA™ wird die Fixation der Basisplatte zementfrei durch einen zentralen Stift mit
Abb. 3.30. Metaphysärer Verlängerungsadapter Höhe 9 mm (Fa. Tornier)
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Technische Konzepte der Implantate
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Abb. 3.31. Zementfrei implantierbare CTA™-Metaglene (Fa. DePuy). Die Befestigung erfolgt über 2 neutrale, orthograde und 2 winkelstabile, schräge Schrauben mit festgelegtem Eintrittswinkel von 34 Grad Abb. 3.33.
16 mm Durchmesser und vier peripheren Schrauben erreicht. Die Glenoidbasis ist hydroxylapatitbeschichtet, eine superiore winkelstabile Schraube soll in die Basis des Processus coracoideus und eine in die inferiore Skapula für einen maximalen Halt eingebracht werden. Zusätzlich sichern 2 orthograd eingebrachte, anteroposteriore Neutralschrauben die Rotationsstabilität. Der Winkel zwischen den Schrauben ist nicht variabel und beträgt 34°, die obere und untere Schraube sind Flachkopfschrauben mit kopfseitigem Gewinde, die anteriore und posteriore Schraube jeweils eine Rundkopfschraube (Abb. 3.31). Ein ähnliches Verankerungsprinzip verfolgt die Aequalis Reversed™-Schulterprothese. Die Glenoidbasis ist bei diesem Implantat hydroxylapatitbeschichtet: Die Befestigung erfolgt ebenfalls mit vier Schrauben, wobei der Eintrittswinkel der beiden winkelstabilen superioren und inferioren Schrauben durch bewegliche, expandierbare Metallzylinder (Abb. 3.34a, b) in den Schraubenlöchern zwischen 0 und 30 Grad frei gewählt werden kann. Zwei anteroposteriore Kortika-
lisschrauben sorgen für eine bessere Kompression des Implantats an das Glenoid (Abb. 3.35a, b). Bei intraoperativen Frakturen oder Glenoidrevisionen besteht die Möglichkeit, die Prothese in eine Hemiprothese zu konvertieren (Abb. 3.33a, b). Dazu wurde ein Adapter zur Befestigung einer Kalottenkomponente der Aequalis™-Standardprothese entwickelt (Abb. 3.37a, b). Die Glenoidbasisplatte z. B. des T.E.S.S.™-Implantats ist aus einer Titanaluminiumlegierung (Ti6AI4V) gefertigt und mit einer Doppelbeschichtung versehen. In der Mitte liegt ein Hohlzapfen, der mit Knochen aufgefüllt werden kann. Die Verankerungsschrauben sind bidirektional um 20° einstellbar. Ein beweglicher Positionierungsring sichert die Schrauben in der winkelstabilen Position. Die Besonderheit dieses Implantats besteht darin, dass die Basisplatte sowohl für die anatomische als auch für die inverse Variante einsetzbar ist. Dies ermöglicht die Konvertierung von einer Totalendoprothese auf eine inverse Prothese bei liegendem Glenoid (Abb. 3.38). Neueste Entwicklungen wie das PROMOS Modulare Schultersystem bieten außerdem asymmetrische Glenosphären an, um das Phänomen des „glenoid-notching“ zu vermeiden. Die Glenosphäre wird auf die ovale Glenoidbasisplatte mit zwei winkelstabilen Verankerungsschrauben in 5 Längen aufgesetzt.
3.4.2 Verwendungsoptionen
Abb. 3.32.
Das Prothesendesign bietet eine Lösung für klinische Situationen mit zerstörter Rotatorenmanschette oder Defektsituationen des proximalen Humerus an, die bis dahin nur mit mäßigen bis schlechten Ergebnissen zu lösen war. Absolute Voraussetzung zum Einsatz einer inversen Prothese ist eine intakte Funktion des M. deltoideus, die im Zweifelsfall durch EMG-Unter-
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K.A. Witt und J. Steinbeck
Abb. 3.34. Glenoidbasisplatte der Aequalis-Reversed™ Schulterprothese (Tornier). Der Winkel der superioren und inferioren Schraube ist zwischen 0 und 30 Grad frei wählbar
suchung zu überprüfen ist. Darüber hinaus muss ein ausreichendes knöchernes Pfannenlager für die Befestigung der Glenosphäre vorliegen; die Befestigung des Schaftes ist bei Revisionsfällen und bei Zuständen nach Frakturen nicht unproblematisch. Die beste und häu¿gste Verwendungsoption der inversen Prothese ist die Defektarthropathie (Debuttet et al. 1997). Hier liegt ein massiver, nicht rekonstruierbarer Rotatorenmanschettenschaden mit einem ¿ xierten Humeruskopfhochstand vor. Dieses führt zu einem schmerzhaften subakromialen und glenohumeralen Gelenkverbrauch im Sinne der Omarthrose. Die Indikation ist in der letzten Zeit auch auf schmerzhafte Pseudoparalysen bei Massenrupturen der Rotatorenmanschette und Humeruskopfhochstand ohne arthritische Veränderungen ausgeweitet worden. Wenn die konservative Therapie und operative Interventionen wie arthroskopisches Debridement und Bizepssehnentenotomie erfolglos waren, kann bei kritischer Überprüfung auch bei fehlender
Abb. 3.35a, b. Multidirektional implantierbare, winkelstabile Schrauben und expandierbarer mobiler Ring. (a) Schemazeichnung, (b) Aufsicht
Arthrose die Indikation zur inversen Prothese gestellt werden. Die Ergebnisse bei dieser Indikation scheinen denen der Defektarthropathie zu entsprechen. Daher ist die massive, nicht rekonstruierbare Rotatorenmanschettenruptur mit erheblichem Funktionsverlust und nicht beherrschbaren Schmerzen eine gute Indikation für eine inverse Prothese (Molé et al. 2006). Auch nach fehlgeschlagener Rekonstruktion der Rotatorenmanschette kann die inverse Prothese eine Alternative sein. Die Indikation besteht dann bei einer weiter bestehenden schmerzhaften Pseudoparalyse beim älteren Patienten ohne andere konservative oder chirurgische Behandlungsmöglichkeiten. Wenn bei primärer Omarthrose eine erhebliche fettige In¿ltration der Subskapularis und des Infraspinatus vorliegt, können die Ergebnisse mit einer inversen Prothese denen einer anatomischen Prothese überlegen sein (Sirveaux et al. 2004). Die Rotation bleibt jedoch eingeschränkt. Die inverse Prothese kann zudem
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Technische Konzepte der Implantate
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Abb. 3.36a, b. Umwandlung einer instabilen inversen Schulterprothese in eine Hemiprothese (Radiologie Raphaelsklinik Münster)
das Problem eines massiven zentralen oder posterioren Aufbrauchs des Glenoids durch den zementfrei ¿xierbaren Zapfen der Metaglene unter Umständen lösen. Damit ist in einigen Fällen eine sichere Verankerung möglich, in denen ein herkömmliches Glenoid nicht stabil befestigt werden kann. Es scheint so zu sein, dass auch ein Knochentransplantat unter der Basisplatte stabiler halten und besser einheilen kann, da durch das Prothesendesign Kompressionskräfte wirken, Scherkräfte dagegen kaum (Walch et al. 2006). Bei der rheumatoiden Omarthritis ist die inverse Prothese als Reserveimplantat zu sehen, der Einsatz ist nur bedingt zu empfehlen (Habermeyer u. Engel 2002). Die Indikation ist allenfalls bei massivem Rot-
Abb. 3.37. Adapter und Kopf für die Konvertierung einer inversen in eine Hemiprothese (Fa. Tornier)
atorenmanschettendefekt mit fortgeschrittener fettiger In¿ltration der Rotatorenmuskulatur, bei komplett aufgehobenem Gelenkspalt ohne wesentliche Glenoiderosion und bei intaktem Akromion und Deltoideus zu stellen (Lévigne et al. 2006). Ein potenzielles Problem besteht in der Verankerung der Glenosphäre bei Destruktion der Schulterpfanne oder bei der häu¿g hochgradigen Osteoporose. Bei komplexen Frakturen beim älteren Menschen mit zu schlechter Knochenqualität für eine Re¿xierung/Osteosynthese und einem schlechten Status der Rotatorenmanschette ist die inverse Prothese eine Alternative. Hauptindikation sind die 4-Fragment-Frakturen, in besonderen Fällen auch 3-Fragment-Fraktu-
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K.A. Witt und J. Steinbeck
Prothese können die meisten dieser fehlgeschlagenen Fälle versorgt werden (Walch u. Wall 2006). Nach Resektion von Tumoren kann die inverse Prothese eine Alternative sein (De Wilde et al. 2002). Voraussetzung ist der Erhalt des Glenoide sowie des Abduktorensystems mit N. axillaris und Deltamuskel. Es kann durch die inverse Prothese eine gute Funktion nach Tumorresektion erreicht werden (De Wilde et al. 2005).
Literatur
Abb. 3.38. Glenoid-Inverskopf T.E.S.S. Modulares Schultersystem (Fa. Biomet). Die Basisplatte ist sowohl für ein konventionelles Glenoid als auch für die Glenosphäre verwendbar
ren und Luxationsfrakturen (Cazeneuve u. Cristofari 2006). Das System löst das Problem der Fixierung der Tuberkula. Zudem scheint die Rehabilitationszeit gegenüber konventionellen Schaft- und Traumaprothesen verkürzt. Bei den posttraumatischen Arthrosen nach fehlgeschlagener Behandlung ist der inversen Prothese bei schweren Fehlstellungen der Tuberkula [Typ 4 nach Boileau (Walch u. Boileau 1999)] der Frakturprothese Vorzug zu geben (Wiedemann 2006). Nach gescheiterter Osteosynthese mit Migration der Tuberkula, Pseudarthrosen und Osteolysen sowie Rotatorenmanschettendefekten kann die inverse Prothese eine Lösung sein (Boileau et al. 2001). Zu bedenken sind in diesen Fällen vor allem bei jüngeren Patienten die hohe Luxationsrate sowie nicht selten mäßige funktionelle Ergebnisse (Richard u. Sinnerton 2006). Zur Revision von fehlgeschlagenen Hemi- oder Totalendoprothesen kann die inverse Prothese eingesetzt werden. Die häu¿gsten Gründe für Fehler nach Schultertotalendoprothesen sind Komponentenlockerungen, Instabilitäten, periprothetische Frakturen, Infektionen, Implantatfehler und Deltoideusdysfunktionen (Wirth u. Rockwood 1996). Nach Schulterhemiprothese sind Probleme der Tuberositas, Glenoiderosion, Rotatorenmanschetteninsuf¿zienz, Instabilität und Infektion die häu¿gsten Revisionsgründe. Mit der inversen
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Präoperative Planung und Vorbereitung S. Goebel, U. Schwemmer und F. Gohlke
4.1 Präoperative Diagnostik 4.1.1 Klinische Untersuchung Die körperliche Untersuchung beinhaltet neben einer umfassenden Anamnese die sorgfältige klinische Inspektion und funktionelle Untersuchung. Außer den Bewegungsumfängen der Gelenke der oberen Extremitäten in alle Richtungen und der Stabilität des Schultergelenkes ist insbesondere der Status der Muskulatur zu beachten. Die Überprüfung der Neurologie und der Durchblutung der oberen Extremität komplettieren die Befunderhebung. Veränderungen der Haut wie z. B. ungewöhnliche Narben, Pigmentierung oder Infektionen von Schweißdrüsen in der Achselhöhle können die Indikationsstellung oder das operative Vorgehen ebenso beeinÀussen wie Residuen einer vorangegangenen Bestrahlung, ein Lymphödem oder eine vorbestehende Ablatio mammae an der betroffenen Extremität. Bei Niereninsuf¿ zienz stellt die Anlage eines Shunts an dem betroffenen Arm eine relative oder sogar absolute Kontraindikation für den Eingriff dar. Bei langjähriger rheumatoider Arthritis sollte präoperativ unter Berücksichtigung des röntgenologischen Befundes der Halswirbelsäule bei jeder Deformität (z. B. segmentale oder atlantodentale Instabilität), die eine Einschränkung der Extensionsfähigkeit bedingt, die Option einer ¿beroptischen Intubation geplant werden.
4.1.1.1 Gelenkfunktion Die Überprüfung der Funktion eines Gelenkes basiert auf der Neutral-Null-Methode, die erstmals von Cave und Roberts beschrieben wurde (Cave 1965). Es sollten immer sowohl die aktive als auch die passive Beweglichkeit des Schultergelenkes überprüft und dokumentiert werden, um die präoperative Funktionseinschränkung und eventuell vorhandene Paresen zu erkennen, auch wenn die Verwertbarkeit durch Schmerz und Steife meist eingeschränkt ist. Neben einer Atrophie der Rotatorenmanschette (M. supraspinatus und infraspinatus) oder fraglichen Paresen ist insbesondere bei Revisionen mit anterosuperiorer Schnittführung die Funktion aller drei Anteile des M. deltoideus (Pars clavicularis, Pars acromialis und Pars spinalis) im Einzelnen zu überprüfen. Bei unklarem klinischem Befund ist die Durchführung einer elektromyographischen Analyse anzuraten. 4.1.1.2 Rotatorenmanschette Für eine korrekte Indikationsstellung ist die Beurteilung der Restfunktion der Rotatorenmanschette von entscheidender Bedeutung – sowohl für die Auswahl eines geeigneten Designs als auch hinsichtlich der Aussichten auf eine befriedigende Wiederherstellung der Funktion. Dabei interessiert weniger die Frage, ob es sich um eine partielle oder komplette Ruptur handelt, sondern vielmehr die Ausdehnung des Sehnendefektes und der Grad der Atrophie sowie der fettigen In¿ltration der Muskulatur. Wie die Ergebnisse
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_4, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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der Multicenterstudie der französischen „AequalisGruppe“ (Walch et al. 2000) gezeigt haben, wird das funktionelle Ergebnis vom Zustand des M.supraspinatus kaum, dafür umso stärker durch die im MRT oder CT präoperativ erkennbaren Veränderungen des M. subscapularis und M. infraspinatus bestimmt. Die bei der primären Omarthrose häu¿g vorhandene kontrakte Verkürzung des M. subscapularis, kann in der Regel mit einem ausgiebigen Release ausreichend behandelt werden. Bei posttraumatischen Revisionen nach Frakturen, oder insbesondere nach vorangegangener unilateraler Kapselraffung (z. B. nach Putti-Platt) sollte die präoperative Evaluation Anhalte dafür liefern, ob eine ausreichende Mobilisierung des M. subscapularis möglich und sinnvoll ist oder eine Transposition des M. pectoralis erforderlich sein könnte, um eine fortgeschrittene Atrophie und Verkürzung auszugleichen. Die früher oft empfohlenen Verlängerungsplastiken (Neer et al. 1982) wurden weitgehend verlassen, da sie zu einer Schwächung der Sehne und zu einem erhöhtem Risiko einer postoperativen Ruptur führen. 4.1.1.3 Instabilität Die Lage des Humeruskopfes zum Glenoid ist für die präoperative Planung einer Operation ebenfalls von Bedeutung. Eine chronische anteriore oder superiore Dezentrierung kann die Implantation einer reversen Endoprothese notwendig machen. Frühere Stabilisierungsoperationen hinterlassen häu¿g deutliche Kontrakturen der Gelenkkapsel, Verkürzungen der Rotatorenmanschette oder periartikuläre Adhäsionen.
Abb. 4.1a–c. Präoperative Planung einer Hemiprothese nach fehlgeschlagener Frakturversorgung. Mehrfragmentfraktur des proximalen Humerus mit einer winkelstabilen Platte bei einem 57-jährigen Mann nach PKW-Unfall auf dem Weg zur Arbeit. Röntgendiagnostik in 3 Ebenen
S. Goebel, U. Schwemmer und F. Gohlke
4.1.1.4 Rheumatoide Arthritis Bei der rheumatoiden Arthritis ¿nden sich nicht nur häu¿g Destruktionen der Gelenkkörper und eine gelenknahe Osteoporose, sondern auch eine erhebliche Ausdünnung oder sogar Defektbildung der Rotatorenmanschette, die mit einer kranialen Migration und Medialisierung des Humeruskopfes durch Einschliff in das Glenoid einhergeht. Die Ausgangsbedingungen und das Ergebnis sind daher meist deutlich ungünstiger als bei der Omarthrose. Ein präoperatives MRT zur Beurteilung der Glenoidsubstanz (Verankerung einer Glenoidkomponente möglich?) und des Erhaltungszustandes der Rotatorenmanschette ist daher unbedingt zu empfehlen.
4.1.2 Bildgebende Diagnostik Als unverzichtbar zur Operationsplanung werden Röntgenaufnahmen in 3 Ebenen gefordert, die nicht älter als 6 Wochen alt sein sollten; die anteroposteriore („true a. p.“; s. Abb. 5.40), die axiale und die OutletProjektion. Anhand von Planungsschablonen können bereits damit die Implantatwahl und die Größenbestimmung der Prothese erfolgen. Bei Prothesenwechseln oder ausgeprägten Deformitäten des proximalen Humerus ist eine Röntgenaufnahme im a. p.-Strahlengang der Gegenseite erforderlich, um die korrekte Länge und Positionierung zu ¿nden. Im Kontext mit dem klinischen Befund kann damit auch die Frage einer symptomatischen AC-Gelenks-
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Präoperative Planung und Vorbereitung
Abb. 4.2 a–c. Gleicher Fall wie Abb. 4.1. Es erfolgte die Indikationsstellung zum Gelenkersatz. da eine erneute Rekonstruktion aufgrund der Teilung des Kopfes in mindestens drei Teile 6 Wochen nach der primären Operation nicht mehr aussichtsreich erschien. (a) Röntgenaufnahme des kontralateralen Humerus im Vergleich zur präoperativen Längenplanung, ( b) postoperative Kontrolle nach Versorgung mit einer Langschaft-Fraktur-Hemiprothese und Cerclage der Fragmente, (c) postoperative Humerus-Ganzaufnahme
arthrose, die eventuell eine zusätzliche AC-Resektion erfordert, beantwortet werden. Ein mobiles Os acromiale bedarf im Einzelfall der Fixation. Zur Beurteilung der Rotatorenmanschette ist mindestens eine Sonographie der Schulter zu fordern. Wegen der arthrotischen Verformung der knöchernen Konturen, Gelenkkontraktur und Fibrose ist deren Aussagekraft aber meistens begrenzt. Bei Vorliegen einer Fraktur ist eine erweiterte Röntgendiagnostik, z. B. im Sinne der so genannten
Abb. 4.3 a, b. Gleicher Fall wie Abb. 4.1. Es wurde ein Röntgen-Spiral-DünnschichtCT mit 3D-Rekonstruktion mit folgender Fragestellung veranlasst: Lage und Dislokation der Fragmente, Dislokation der Tuberkula, Zerstörung der humeralen GelenkÀäche
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„Traumaserie“ erforderlich (Abb. 4.1a, b). Eine Aufnahme des gesamten Humerus im anteroposterioren Strahlengang (Abb. 4.2a–c) ist für die präoperative Planung der Implantationshöhe insbesondere bei diaphysärer Ausdehnung der Frakturzone zu empfehlen (Horn et al. 1999). Mittels Röntgen-Computertomographie kann der Erhaltungszustand des Glenoids am besten beurteilt werden. Bei Humeruskopffrakturen lässt sich damit, eventuell ergänzt durch eine dreidimensionale („3D“) Rekonstruktion, eine bessere präoperative Orientierung und Planung ermöglichen (Abb. 4.3a, b). Zur Beurteilung der Rekonstruierbarkeit der Rotatorenmanschette ist die MRT am aussagekräftigsten. Insbesondere die Atrophie und fettige In¿ltration der Muskulatur (einer der wichtigsten prognostischen Ergebnisfaktoren für ein anatomisches Design des Implantates) lassen sich hiermit gut dargestellt.
4.2 Operationsplanung 4.2.1 Implantatauswahl 4.2.1.1 Anatomische Endoprothese Für die Auswahl des geeigneten Implantats sind die Funktion und der Zustand der Rotatorenmanschette, insbesondere des Infraspinatus und der Subscapularis, von entscheidender Bedeutung. Bei erhalte-
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Abb. 4.4 a, b. Präoperative Planung einer reversen Schultertotalendoprothese. Präoperatives Röntgenbild mit kranialer Dezentrierung und hochgradigem Glenoidabrieb. (a) Planung mittels digitaler Röntgenschablone unter pixelorientierter Berücksichtigung des Vergrößerungsfaktors: Hier zeigt sich, dass eine Verkürzung im Humerus sowie ein Aufbau mit Stellungskorrektur erforderlich ist, um ein späteres „inferior notching“ zu vermeiden. Wegen der erheblichen Distalisierung des proximalen Humerus und damit zu erwartenden, schwierige Reposition sollte eine stärkere Resektion und tiefere Einpassung der humeralen Komponente geplant werden. (b) postoperatives Ergebnis nach Spanplastik zum Glenoidaufbau
ner und funktionstüchtiger Rotatorenmanschette kann bei der Omarthrose meist eine Standardtotalendoprothese mit gutem Erfolg verwendet werden. Hierfür sind die besten funktionellen Ergebnisse in validen Langzeitstudien (Walch et al. 2000) dokumentiert. Bei asymmetrischem Abrieb oder Defekten des Glenoids (Klassi¿kation n. Walch, vgl. Abschn. 5.4), die sich im CT oder MRT-Befund ergeben, ist präoperativ der Glenoidaufbau oder die korrekte Position der Glenoidkomponente durch korrigierendes Fräsen oder knöchernen autologen Aufbau zu planen. Generell wird bei erhaltenem Glenoid ohne exzentrischen Abrieb, einem Lebensalter unter 50 Jahren oder exzessiver Medialisierung durch Abrieb eher auf den Glenoidersatz verzichtet.
4.2.1.2 Oberflächenersatz Auch für dieses Design stehen zwischenzeitlich unterschiedliche Fabrikate zur Verfügung, die sich nicht nur in der Anzahl der verfügbaren Größen, sondern auch in ihrer Geometrie (Tiefe des Kalottenfragmentes) unterscheiden. Ein MRT gibt bei Kopfnekrosen darüber Aufschluss, ob die verfügbare vitale Knochensubstanz das Minimum von 50% nicht unterschreitet bzw. das Implantat eine zu starke Verschiebung des Drehzentrums nach lateral mit konsekutivem „Overstuf¿ ng“ des Gelenkraumes verursacht.
4.2.1.3 Frakturprothese Das von Neer und Mitarbeitern 1953 erstmals publizierte Implantatdesign einer Hemiprothese bei 3- und 4-Fragment-Frakturen wurde seither mehrfach modi¿ziert. Zwischenzeitlich stehen jedoch weitere, auch modulare Prothesensysteme zur Verfügung, die eine bessere Anpassung an die individuelle Anatomie, notwendige Länge und mehr Optionen für eine Revision ermöglichen. Bei neueren Systemen soll eine spezielle Gestaltung und OberÀäche des proximalen Schaftes eine bessere Anheilung der Tuberkula ermöglichen. Eine Vergleichsaufnahme des gegenseitigen Humerus a. p. mit angelegtem Maßstab im Niveau des Knochens erlaubt die exakte Planung der Länge, Implantationstiefe und Orientierung an speziellen Landmarken (proximaler Diaphysenstachel, Fossa olecrani, Tuberositas deltoidea). Überlange Schäfte sind bei weit nach distal laufenden Frakturen erforderlich. Bei veralteten Mehrfragmentfrakturen gibt die präoperative Planung Aufschluss über die zu erwartenden intraoperativen Anforderungen (s. Abb. 4.1, 4.2). Handelt es sich um eine posttraumatische Arthrose oder Humeruskopfnekrose ohne wesentliche Dislokation der Tuberkula, so ist die Standardimplantation einer Hemi- oder Totalendoprothese ausreichend. Das Design des Implantats, die Länge und der Durchmesser des Schafts müssen bei Deformitäten den pathologischen topographischen Vorgaben angepasst werden.
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Präoperative Planung und Vorbereitung
Bei Dislokation der Tuberkula ist eine korrigierende Osteotomie zu erwägen, um einer Impingementsymptomatik oder einem glenoidalen Anschlag vorzubeugen. In der Regel verschlechtern sich jedoch durch derartige Maßnahmen die Aussichten auf eine Wiederherstellung der Funktion signi¿kant. Bei fortgeschrittener Glenoiddestruktion (z. B. durch Arrosion winkelstabiler Schrauben) ist die Implantation eines Glenoidersatzes zu überlegen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch die periartikuläre Fibrose, Schrumpfung des periartikulären Weichteilgewebes und der Rotatorenmanschette der Gelenkraum auch nach einem ausgiebigen Release nicht ausreichend Volumen für das Implantat mit dem Resultat eines „Overstuf¿ng“-Effekts bietet. Die MRT (ersatzweise auch das Röntgen-CT) kann Aufschluss über das Ausmaß der fettigen In¿ltration und Atrophie des Rotatorenmanschette und damit die Notwendigkeit der Implantation eines inversen Implantates geben.
4.2.1.4 Inverse Schulterprothese Da die Hauptindikation in der schmerzhaften sekundären Omarthrose mit Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette und Pseudoparalyse besteht, liegt das Augenmerk bei eindeutigem Röntgenbild (Hochstand des Humeruskopfes und charakteristischer Morphologie einer Defektarthropathie) auf dem Erhaltungszustand des Glenoids und Akromions. Eine exzessive Medialisierung, die z. B. beim Rheumatiker zu beobachten ist, kann aufgrund mangelnder Fixationsmöglichkeiten eine Kontraindikation für die primäre Implantation darstellen.
4.2.1.5 Wechseloperationen Für das Scheitern des vorhergehenden Eingriffes insbesondere bei Instabilitäten sind in der Regel mehrere Ursachen verantwortlich. Daher sollte in diesen Fällen möglichst umfassende Informationen über den bisherigen Verlauf vorliegen: Angaben zur Indikation, Verlauf der Operation (OP-Bericht), postoperative Komplikation und technische Angaben über das Implantat und die verfügbaren Instrumentarien. Für die Revision sollte ein klares Konzept bestehen und die notwendi-
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gen Zusatzinstrumente (s. Kap. 10) sowie anästhesiologischen Bedingungen zur Verfügung stehen. Falls ein Schaftwechsel erforderlich erscheint, ist grundsätzlich eine lange Aufnahme des Humerus a. p., gegebenenfalls sogar mit kontralateraler Vergleichsaufnahme zu empfehlen, um vorbestehende Längende¿zite, die Ausdehnung von Zementzapfen und die verbleibende Verankerungslänge ausreichend beurteilen zu können. Damit werden die Rekonstruktion der Länge und die Planung der notwendigen Humerusosteotomie zur Entfernung des Schaftes erleichtert.
4.2.2 Patientenaufklärung Die Patientenaufklärung ist nicht nur aus forensischen Gründen mindestens 24 Stunden vor dem geplanten Eingriff vorzunehmen. Das Gespräch sollte in einer ruhigen und persönlichen Umgebung statt¿nden, um so die Grundlage für Vertrauensbildung und den Schutz der Privatsphäre des Patienten zu gewährleisten. Lediglich bei Notfällen kann von dieser zeitlichen Vorgabe abgewichen werden. Wesentliche Komplikationen, über die der Patienten vor einer geplanten Operation aufgeklärt werden muss, sind Infektionen, Prothesenlockerungen, sowohl des Glenoids als auch des Schaftes, sekundäre Rotatorenmanschettendefekte, inklusive die des bei der Operation abgelösten M. subscapularis, Instabilität, sekundäre Glenoiderosionen bei der Implantation einer Hemiprothese oder OberÀächenersatzes und periprothetische Frakturen. In einer kürzlich durchgeführten Erhebung der eigenen Daten (Rayzacher 2006), wurde eine Serie von 449 konsekutiv zwischen 2003 und 2005 implantierten Schulterprothesen des KLH Würzburg durch einen unabhängigen Untersucher überprüft. Dieser fand eine Komplikationsrate von insgesamt 6,8%, wobei lediglich drei Probleme häu¿ger als 1% vorkamen: Luxationen 2% (nur bei inverser TEP), heterotope Ossi¿kationen 1,7% (nur bei frischen oder veralteten Frakturen) und periartikuläre Ermüdungsbrüche 1,1% (nur bei inverser TEP). Infektionen (0,8%), reversible Plexusläsionen (0,6%) und periphere Nervenläsionen (0,6%) lagen noch über der 0,5%-Grenze. Die Verteilung beinhaltete 355 primäre und 94 Revisionen, wobei unter den primären Endoprothesen 181
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inverse, 108 anatomische Totalendoprothesen und 40 Cup-Prothesen zu ¿nden waren. Bei den Revisionen waren mehr als die Hälfte (n = 50) inverse Implantate. Dieses Design zeigte mit 12,5% eine insgesamt deutlich höhere Komplikationsrate als die anatomischen Prothesen (HEP: 3,3% überwiegend posttraumatische Deformitäten, TEP: 0,8%, meist Omarthrose). Hiermit zeigte sich ebenso wie in einer retrospektiven Studie der Mayo-Klinik (Chin et al. 2006) in Rochester, dass die Versorgung der Omarthrose mit einer zementierten anatomischen TEP in Händen des spezialisierten Operateurs ein sicheres Verfahren darstellt. Chin et al. wiesen für diese Klientel in ihrem Krankengut eine Revisionsrate von 4% nach, wobei der Anteil an intraoperativen Frakturen des Humerus hier überdurchschnittlich hoch war und durch operationstechnische Besonderheiten zu erklären ist. 4.2.2.1 Infektion Die in der Literatur aufgeführten Zahlen für die Infektionsrate sind sehr unterschiedlich. Sie werden mit 0–15,4% angegeben. Insgesamt liegt jedoch die Wahrscheinlichkeit einer Infektion nach Implantation einer Schulterendoprothese derzeit unter Berücksichtigung moderner Hygienestandards und Antibiotikaprophylaxe bei unter 0,5%, wobei das Risiko bei Patienten mit rheumatoider Arthritis erhöht ist. Bei der Auswertung von 8 Publikationen durch Silliman u. Hawkins (1994) wird die Rate für die normale Population mit 2 von 590 Patienten und für Rheumatiker mit 1% angegeben. 4.2.2.2 Neurologische Komplikationen Neurologische Ausfälle, die mehrheitlich den oberen und mittleren Faszikel betreffen, sind innerhalb eines Jahres überwiegend reversibel und werden mit ca. 1–4% angegeben (Boardman u. Co¿eld 1999; Candido et al. 2005; Lynch et al. 1996; Walton et al. 2000). Die Einnahme von Zytostatika (z. B. Methotrexat) bei rheumatoider Arthritis soll nach Kelly (1994) zu einer signi¿kant erhöhten Rate neurologischer Komplikationen führen. Diese Daten können bei routinemäßiger Verwendung von Plexusblockaden zur perioperativen Schmerzbefreiung abhängig von deren Technik und Vorgehensweise noch zunehmen.
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4.2.2.3 Thromboembolie Über die Häu¿gkeit thrombembolischer Komplikationen gibt es spärliche Daten, die jedoch zeigen, dass diese deutlich seltener vorkommen als bei Knie- oder Hüftgelenksprothesen. Symptomatische thromboembolische Ereignisse treten danach zwischen 0,2 und 1% auf, wobei Lungenembolien (0,23%) nach Ansicht von Lyman et al. (2006) oft als „respiratorische Insuf¿zienz“ fehl interpretiert werden. Als Risikofaktoren können hohes Alter und Tumorerkrankungen angesehen werden. Daher sollte zumindest für die Dauer der ersten postoperativen Tage, solange mehr als die Hälfte des Tages Bettruhe eingehalten wird, eine medikamentöse Thromboseprophylaxe, z. B. mit einem niedermolekularen Heparinderivat durchgeführt werden (Lyman et al. 2006; Saleem u. Markel 2001; Silliman u. Hawkins 1994). 4.2.2.4 Implantatversagen Die aufklärungspÀichtigen Angaben bezüglich der Lockerung einer anatomischen Schultertotalendoprothese sind noch unklar. Die hohen Raten an radiologischen Lysezonen, insbesondere der Glenoidkomponente, die schon nach wenigen Jahren teilweise mit 100% angegeben werden (Barrett et al. 1987; Thomas et al. 1991), können nicht zugrunde gelegt werden, da eine beträchtliche Diskrepanz selbst für die eindeutigen Zeichen einer Implantatmigration oder -dislokation und der klinischen Notwendigkeit einer Revisionsoperation bestehen (Co¿eld u. Edgerton 1990; McCoy et al. 1989). Die Angaben im Langzeitverlauf von ca. 10–12 Jahren mit 5,6–49% für den Schaft und mit 5,6–44% für das Glenoid sind stark von dem Patientengut, dem verwendeten Design und der Verwendung zementfreier Implantate abhängig (Kelly 1994; Stewart u. Kelly 1997; Torchia et al. 1997. 4.2.2.5 Weichteilkomplikationen Sekundäre Rotatorenmanschettendefekte werden mit 1,6% ist für Rheumatiker und mit 2% für Patienten ohne rheumatische Erkrankungen angegeben (Silliman u. Hawkins 1994). Die Inzidenz einer zu-
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Präoperative Planung und Vorbereitung
nehmenden superioren Migration, Ausdruck einer Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette, wird in einigen Arbeiten mit 50% angegeben (Thomas et al. 1991). Eine Instabilität als Folge eines technischen Fehlers bei der Auswahl von Implantatgröße und -position sowie einer nicht ausbalancierten Weichteilsituation ist bei einigen Autoren die häu¿gste Komplikation und gehört sogar zu den häu¿gsten Gründen einer Revisionsoperation (Norris u. Lipson 1998; Schwyzer et al. 1998). Im Krankengut der Mayo-Clinic (Sanchez-Sotelo et al. 2003) wird die Häu¿gkeit mit 5,2% angegeben, was jedoch deutlich über der bei uns gefundenen Häu¿gkeit liegt. 4.2.2.6 Knöcherne Komplikationen Periprothetische Frakturen sind vor allem an der Spitze des Humerusschaftes lokalisiert und sind insbesondere bei zementierten Schäften zu ¿nden. Sie werden in der Literatur mit ca. 2% angegeben (Wright u. Co¿eld 1996). Heterotope Ossi¿kationen werden auch in der Schulterendoprothetik gesehen, sind jedoch in der Mehrzahl der Fälle gering ausgeprägt und haben selten EinÀuss auf das funktionelle Ergebnis der Operation (Sperling et al. 2000).
4.2.3 Medikamentöse Infektionsprophylaxe Verlässliche Untersuchungen zur Infektionsprophylaxe bei Schulterprothesen fehlen in der Literatur. Da jedoch davon auszugehen ist, dass sich die Implantation von Schulterprothesen bezüglich des Infektionsrisikos nicht wesentlich von denen von Hüftprothesen unterscheiden, kann man für die Empfehlung der Infektionsprophylaxe die Ergebnisse der Studie von Engesaeter et al. (2003) zugrunde legen. Hierin wurden die durch das Schwedische Prothesenregister erhobenen Daten von 22.170 Hüftprothesenimplantationen der Jahre 1987–2001 bezüglich des optimalen Regimes der Infektionsprophylaxe untersucht. Demnach war die 4-malige tägliche systemische Antibiotikagabe in Kombination mit der Verwendung eines antibiotikahaltigen Zements für die Implantatverankerung das Vorgehen mit dem besten Ergebnis.
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Die alleinige systemische Gabe zeigte gegenüber der kombinierten Gabe eine 1,8 fach höhere Revisionsrate bezüglich septischer Geschehen. Zudem ergab sich die Überlegenheit der 4-maligen Antibiotikagabe am Operationstag im Vergleich mit der 1- bis 3-maligen Gabe. Die Fortführung der Prophylaxe über den Operationstag hinaus brachte keine weitere Reduktion der Revisionsraten. Diese Daten bezogen sich ausschließlich auf die Gabe von Cephalosporin oder Penicillin. Beide Wirkstoffe werden auch in der Schulterendoprothetik als Mittel der ersten Wahl empfohlen. Der Nachweis von Infektionen mit so genannten Saprophyten (z. B. Corynebakterien und Proprioni-Spezies) hat verbreitet zu einer Umstellung der Prophylaxe auf Sultamicillin (Unacid) geführt. Acetylsalicylsäurehaltige Präparate sind wegen der dadurch verursachten Gerinnungsstörungen 10 Tage vor der Operation abzusetzen. Eine Eigenblutspende ist bei dem zu erwartenden perioperativen Blutverlust von unter 500 ml wegen der potentiellen Nebenwirkungen nicht zu empfehlen. Bezüglich einer medikamentösen Thromboseprophylaxe existieren bislang keine einheitlichen Empfehlungen, da thromboembolische Komplikationen nach Eingriffen an der oberen Gliedmaße außerordentlich selten beschrieben worden sind. Bei Vorliegen von Risikofaktoren (positive Anamnese, Hämochromatose etc.) emp¿ehlt sich eine Prophylaxe mit einem niedermolekularen Heparinpräparat in gewichtsangepasster Dosierung (z. B. Fraxiparin, Clexane etc.), Gleiches gilt bei polymorbiden Patienten bis zum Zeitpunkt der Mobilisierung über 6 Stunden am Tag.
4.3 Operationsvorbereitung 4.3.1 Anästhesieverfahren Für die anästhesiologische Versorgung bei Schultereingriffen müssen sowohl patientenspezi¿sche als auch operationsspezi¿sche Faktoren berücksichtigt werden. Die Gesamtstrategie zielt auf die Minimierung der perioperativen Risiken und eine lang anhaltender postoperative Analgesie. Durch die frühzeitige Mobilisierung der Patienten lassen sich Rehabilita-
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tionsziele schneller erreichen und bessere funktionelle Ergebnisse erzielen.
4.3.1.1 Anästhesiologische Vorbereitung Die anästhesiologische Vorbereitung muss zeitgerecht erfolgen. Patienten mit besonders schweren kardiovaskulären oder pulmonalen Vorerkrankungen sollten bereits bei der Indikationsstellung des operativen Eingriffes der anästhesiologischen Beurteilung zugeführt werden. So können fehlende Befunde rechtzeitig angefordert und eine bestmögliche Vorbereitung der Begleiterkrankungen bis zum OP-Tag erfolgen. Das Anästhesiegespräch beinhaltet Anamnese, Befunderhebung und Aufklärung über die geplanten Anästhesieverfahren und deren Nutzen und Risiken. Art und Dauer des Schmerzes in der Anamnese sind für eine quali¿zierte Schmerztherapie des Patienten von besonderer Bedeutung. Vorbestehende Bewegungseinschränkungen werden dokumentiert und sind bei der Durchführung der Anästhesie und der Lagerung zur Operation zu berücksichtigen. Neben dem Lokalbefund gilt das Interesse für die Beweglichkeit den daraus resultierenden möglichen Intubationsschwierigkeiten. Besonders bei Grundleiden des rheumatischen Formenkreises ist mit Einschränkung der Reklination und der Mundöffnung zu rechnen. Bei Gefährdung der Halswirbelsäule durch den Intubationsvorgang sind alternative Vorgehensweisen und eine Wachintubation über die Àexible Fiberoptik aufzuklären. Werden neurologische Ausfälle im Versorgungsgebiet einer geplanten peripheren Nervenblockade beschrieben, ist eine exakte Befunderhebung und Dokumentation, möglichst durch ein Fachkonsil, vor der Narkose durchzuführen. 4.3.1.2 Narkoseverfahren Für die Anästhesie während der Schulteroperation können die Allgemeinanästhesie, die Regionalanästhesie oder die Kombination beider Verfahren eingesetzt werden. Wie bei jedem anderen Eingriff gelten die etablierten Standards der Anästhesie. Als Gefäßzugang ist mindestens eine großlumige Kanüle, über die eine ad-
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äquate Volumensubstitution und gegebenenfalls auch Therapie erfolgen kann, notwendig. Hauptziel der Anästhesieführung ist die Aufrechterhaltung der Normovolämie und der Normothermie. Die Mindestüberwachung der Patienten besteht aus der kontinuierlichen EKG-Ableitung, einer automatisierten, regelmäßigen Blutdrucküberwachung und der Pulsoxymetrie. Bei entsprechenden Vorerkrankungen sind die für eine sichere Narkoseführung jeweils notwendigen weitergehenden Überwachungsverfahren zu etablieren. Die für die Schulterchirurgie notwendige Lagerung des Patienten erfordert von Seiten der Anästhesie besondere Aufmerksamkeit. Für den optimalen Zugang des Operateurs zur Schulter werden die Patienten oft sehr weit an den Rand des OP-Tisches verbracht. Zur Sicherung des Kopfes wird dieser dann besonders ¿xiert. Dabei ist auf eine adäquate Lagerung der Halswirbelsäule zu achten. Die Sicherung des Atemwegs ist bei der Durchführung einer Allgemeinanästhesie stark von der gewählten Patientenlagerung abhängig. Wenn der Kopf des Patienten abgedeckt ist und der Zugang zum Atemweg für den Anästhesisten nicht problemlos möglich ist, bietet die endotracheale Intubation die größtmögliche Patientensicherheit. Bei einem Fehlen von Kontraindikationen und einer Lagerung mit freiem Gesicht können alternativ supraglottische Verfahren wie beispielsweise die Larynxmaske zur Atemwegssicherung verwendet werden. Liegen die Augen des Patienten unter den Tüchern, müssen diese, zusätzlich zur Prophylaxe vor Austrocknung, durch Verwendung von Schutzklappen vor unbeabsichtigter Verletzung geschützt werden. Die Medikamentenwahl für eine Allgemeinanästhesie unterscheidet sich nicht von der für andere Eingriffe, so dass hier auf Lehrbücher verwiesen wird.
4.3.1.3 Interskalenäre Blockade des Plexus brachialis Die Schmerzen nach operativen Eingriffen an der Schulter zählen zu den stärksten in der gesamten perioperativen Medizin. Mögliche Ursachen sind die umfangreiche sensible Versorgung des Gelenkes und die hohe Dichte terminaler Nervenendigungen im periligamentären Fett- und lockeren Bindegewebe vor allem im Subakromialraum. Die alleinige Gabe von Opioiden und nichtsteroidalen Antiphlogistika sind
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Präoperative Planung und Vorbereitung
für die Therapie meist nicht ausreichend. Die Blockade afferenter Nerven bietet die Möglichkeit, nozizeptive Reize zu unterbinden und so für die Dauer der Blockade Schmerzfreiheit zu erzielen. In den letzten Jahren haben viele Studien den Vorteil der interskalenären Plexusanästhesie bei Schultereingriffen aufgezeigt. Das Verfahren gilt als etablierter anästhesiologischer Standard in der operativen Therapie von Schulter und Oberarm. Der interskalenäre Zugang ermöglicht die Blockade aller für eine Analgesie in der Schulterchirurgie wesentlichen Anteile des Plexus brachialis.
4.3.1.4 Anatomie des Plexus brachialis Der Plexus brachialis entsteht durch die Verknüpfung der ventralen Äste der Spinalnerven des fünften Halswirbels bis zum ersten Brustwirbel C5–Th1). Er gliedert sich in drei Primärstränge, die als Truncus superior, medius und inferior bezeichnet werden. Die drei Trunci sind zwischen dem M. scalenus anterior und medius lokalisiert (hintere Skalenuslücke) und werden von der Fascia praevertebralis bedeckt. Bereits supraklavikulär gruppieren sich die Faszikel in die anterioren und posterioren Divisionen um. Aus den Trunci und den Rami ventrales gehen die folgenden Nerven direkt hervor: N. dorsalis scapulae, N. thoracicus longus, N. suprascapularis und N. subclavius. Infraklavikulär liegt der Plexus nach erneuter Umformung als Fasciculus lateralis, medialis und posterior vor.
Abb. 4.5. Sonographische Anatomie des interskalenären Plexus brachialis. M. sternocleidomastoideus ( 1), M. scalenus anterior ( 2), M. scalenus medius ( 3), dazwischen sind die Trunci des Plexus dem Fasz. praevertebralis als bläschenförmige Struktur ( a, b, c) zu erkennen
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4.3.1.5 Identifikation des Plexus brachialis Zur Lokalisation von Nervenstrukturen für Plexusblockaden wurden ursprünglich bewusst Parästhesien mit der Kanüle ausgelöst. Die mechanische Irritation war für die Patienten unangenehm und beinhaltete die Gefahr einer Verletzung der Struktur. Mit der Entwicklung moderner Nervenstimulatoren hat sich die Sicherheit der Nervendetektion deutlich erhöht. Die Messung der verwendeten Stromstärke und die exakte Dosierbarkeit ermöglichen eine kontrollierte Annäherung zum Nerv. Heute gilt die Nervenstimulation als Standard bei der Anlage peripherer Nervenblockaden. Liegen keine die Funktion der Nerven beeinträchtigenden Erkrankungen vor, sollte für eine erfolgreiche Blockade des Plexus eine motorische Antwort des Truncus superior oder medius (M. deltoideus, M. biceps brachii, M. triceps brachii) bis zu einer minimalen Stimulationsstärke von 0,3–0,5 mA bei 0,1 ms Stimulationsbreite auszulösen sein. Neurologische Begleiterkrankungen erfordern eine Anpassung der Stimulationsparameter, um eine sichere und erfolgreiche Plexusblockade zu erzielen. Ohne Verwendung eines bildgebenden Verfahrens bleiben bei der Durchführung der interskalenären Blockade alle benachbarten Strukturen verborgen und das Gewebe wird mit der Punktionskanüle ohne Kontrollmöglichkeit durchquert. Verletzungen von Gefäßen oder die Punktion von Lungengewebe können so nicht sicher verhindert werden. Der Einsatz von hochfrequentem Ultraschall (Abb. 4.5) stellt eine zukunftsweisende
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Methode dar, mit der die Identi¿kation der Zielnerven und der Begleitstrukturen sicher gelingt. Darüber hinaus kann mit dieser Methode die Ausbreitung der injizierten Lokalanästhestika verfolgt werden. Liegt die Kanülenspitze nicht korrekt und breitet sich das Medikament nicht wie erwünscht aus, kann die Kanülenposition optimiert und damit der Blockadeerfolg gesichert werden. 4.3.1.6 Blockadetechniken für die interskalenäre Plexusblockade Die interskalenäre Blockade des Plexus brachialis kann sowohl als Single-shot-Verfahren als auch als kontinuierliches Anästhesieverfahren über einen eingebrachten Katheter erfolgen. Mit dem lateralen und dem posterioren Zugangsweg sind für die interskalenäre Plexusanästhesie zwei wesentliche Zugangswege möglich: Lateraler Zugang. In der Literatur wurden nach der Erstbeschreibung von Winnie (1970) verschiedene Modi¿kationen des Punktionsweges beschrieben. Die von verschiedenen Autoren empfohlene Ausrichtung der Kanüle nach distal und lateral verhindert ein Eindringen in den Bereich der Wirbelsäule und reduziert so das Risiko von Verletzungen des Halsmarks und der hirnversorgenden Gefäße. Zur Punktion wir der Patient auf dem Rücken gelagert, der Kopf ist leicht zur Gegenseite gedreht (Abb. 4.6). Als Landmarken werden die Incisura thy-
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roidea, der Ringknorpel und der laterale Rand des M. sternocleidomastoideus getastet. Meist kreuzt an dieser Stelle die V. jugularis externa. Die Punktion erfolgt auf Höhe des Ringknorpels unmittelbar lateral des M. sternocleidomastoideus, wobei die Vene zu schonen ist. Die Punktionsrichtung zeigt leicht nach lateral entlang der Linea anaesthetica zwischen die Mm. scalenus anterior und medius (hintere Skalenuslücke). Als Zielpunkt kann der VIB-Einstichpunkt genutzt werden, der die Linie vom Jugulum zum ventralen Akromionfortsatz halbiert. Die Perforation der Fascia praevertebralis, die die Skalenuslücke lateral begrenzt, ist mit stumpf geschliffenen Kanülen eindeutig detektierbar. Posteriorer Zugang. Die Punktion erfolgt von posterior. Der Patient wird sitzend gelagert und der Kopf auf die Brust gebeugt. Erfolgt die Lagerung in Seitenlage, ist unbedingt darauf zu achten, dass eine Seitwärtskippung der Wirbelsäule durch adäquate Unterpolsterung des Kopfes verhindert wird. Dann wird die Punktionskanüle unter Nervenstimulation etwa 3 cm lateral des Dornfortsatzes von im Zwischenraum von C6 und C7 (Vertebra prominens) eingestochen. Die Punktionsrichtung erfolgt nach ventral und dabei leicht lateral (5–10°)auf die Höhe des Ringknorpels (s. Abb. 4.6). Zielpunkt ist der Hinterrand des M. sternocleidomastoideus. Nach Perforation der Halsmuskulatur und Passage des Processus transversus werden nach Durchdringen des M. scalenus medius die Trunci des Plexus brachialis erreicht. Stimulationsziel ist die motorische Antwort des M. biceps brachii.
4.3.1.7 Medikamente
Abb. 4.6. Interskalenäre Plexusblockade mit Katheteranlage, hier: sonographisch gesteuerter, lateraler Zugang
Für die Durchführung der Plexusblockade können mittellang- und langwirksame Lokalanästhestika (LA) verwendet werden. Für eine Bolusgabe werden 20– 40 ml LA injiziert. Aufgrund der durch die hohen Volumina bei der Bolusapplikation bestehenden Risiken bei einer akzidentellen intravasalen Injektion sind bei diesem Vorgehen Substanzen mit einem günstigen Risikopro¿l zu wählen. Die Applikation muss zur Reduktion der Risiken immer fraktioniert erfolgen. Im Gegensatz zu den langwirksamen Substanzen Bupivacain und Ropivacain zeichnen sich Mepivacain und Prilocain neben dem günstigeren Risikopro¿l vor
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Präoperative Planung und Vorbereitung
allem durch schnelle Anschlagzeiten und exzellente motorische Blockaden aus. Die Maximaldosierungen der einzelnen Substanzen sind bei der Durchführung der Blockaden zu beachten. Soll zusätzlich ein langwirksames LA verwendet werden, werden dafür entsprechend weniger mittellang wirkende Substanzen verwendet.
4.3.2 Lagerung Bei sehr behaarten Patienten sollte eine Rasur des Operationsbereiches (Schulterkontur, Achselhöhle, Oberarm) erfolgen. Diese sollte kurz vor Beginn der Operation durchgeführt werden, um die Keimverschleppung so gering wie möglich zu halten. Fremdkörper im Operationsfeld, insbesondere in Form von Piercings sind zu entfernen; bei Verwendung der monopolaren Koagulation auch an anderen Körperregionen. Die Lagerung des Patienten erfolgt in einer „Beach-Chair-Position“ mit auf ca. 45° angehobenem Oberkörper. Eine spezielle Aussparung des Operationstisches oder die Lagerung des Patienten an den Tischrand müssen zulassen, damit der Arm in ausgeprägte Retroversion und Überstreckung gebracht werden kann. Der Kopf des Patienten ruht entweder auf einer neurochirurgischen Kopfstütze oder einem Kopfring, die an den OP-Tisch ¿xiert sind, damit unter der Manipulation des Armes keine Lageveränderung des Kopfes mit der Gefahr der Plexusschädigung entsteht. Hierfür können zirkulär angelegte Binden oder eine Klebefolie Verwendung ¿nden. Der zu operierende Arm des Patienten wird entweder auf einem steril abgedeckten Beistelltisch in verstellbarer Höhe gelagert oder er ruht auf dem Oberschenkel des Operateurs. Das Drehmoment, mit dem der Arm zur Durchführung des inferioren humeralen Release, nachfolgenden Luxationen sowie Schaftexposition gebracht wird, muss sorgfältig vom Operateur oder Assistenten dosiert werden, damit Spiralfrakturen des Humerus oder ein Abriss des Tuberculum majus vermieden werden. Damit der Oberkörper nicht nach kaudal rutscht, müssen die Beine entweder über einen für die Liegestuhlposition zweifach abklappbaren Tisch oder über
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ein spezielles Keilkissen, das unter die Knie platziert wird, gelagert werden. Der Haltegurt wird in Höhe beider Tibiae mit guter Unterpolsterung festgezogen. Eine bessere Exposition des Glenoids wird durch eine risikoarme Kippung zur Gegenseite des Operateurs ermöglicht. Hierzu muss eine Gegenstütze mit Polsterung angebracht sein (Abb. 4.7) Es sollte sowohl ein unipolarer, als auch, für die nervennahe Präparation, ein bipolarer Elektrokauter angeschlossen werden. Die Elektrode ist, wenn möglich, auf dem unilateralen Oberschenkel anzubringen. Für eine ausreichende Wahrung der Asepsis wird das OP-Feld mindestens 3-mal vollständig von zentral nach peripher mit einer Desinfektionslösung abgestrichen und anschließend mit einem geeigneten System abgedeckt. Zur Reduktion des postoperativen Infektionsrisikos hat sich optional die Verwendung einer jodhaltigen, selbstklebenden Abdeckfolie auf dem OP-Feld bewährt. Gegebenenfalls muss für Humeruskopffrakturen präoperativ die Röntgendarstellung mit Bildverstärker vorbereitet werden. Sämtliche Maßnahmen sind zu dokumentieren.
Abb. 4.7. Lagerung zur Schulterendoprothese in modi¿zierter Beach-chair-Position. Der Patient ist soweit an den Rand zu lagern, dass Hyperextension und Außenrotation des Armes problemlos möglich sind. Die Benutzung eines Armtisches kann die Einnahme dieser Position unnötig behindern und bei zu forcierter Drehung über dieses Hypomochlion die Entstehung intraartikulärer Frakturen induzieren. Das Durchhängen des Kopfes bei Verwendung einer separaten Kopfschale ohne Unterstützung des Skapulablattes und der HWS-BWS-Region kann die Entstehung von Plexusläsionen begünstigen
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4.3.3 Perioperative Schmerztherapie 4.3.3.1 Leitungsblockade N.-suprascapularis-Blockade: Eine mögliche Alternative zur interskalenären Plexusblockade stellt die Blockade des N. suprascapularis dar (Bruns u. Gruber 1989; Vecchio et al. 1993). Auch hierbei können die Lokalanästhetika nicht nur in der „Single-shotTechnik“, sondern auch als Katheterverfahren mit kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Infusionen über einen längeren Zeitraum zugeführt werden (Meier et al. 1997). Neben den allgemein bekannten Nebenwirkungen und Komplikationen hinsichtlich der Regionalanästhesie sind auch hier die möglichen Komplikationen der Regionalanästhesie, wie z. B. Fehllage des Katheters, zu berücksichtigen (Kefalianakis et al. 2003).
4.3.3.2 Lokale Blockade von Schmerzrezeptoren Das Vorhandensein von peripheren Opioidrezeptoren in entzündetem Gewebe (Keates et al. 1999; Sperling et al. 2000; Stein et al. 1989) und die Vermehrung von freien Nervenendigungen bei Entzündungen im Bereich des Subakromialraumes (Santavirta et al. 1992) lassen die Vermutung zu, dass intraartikulär oder subakromial injizierte Morphine und Lokalanästhetika (LA) zu einer Schmerzreduktion in der postoperativen Nachbehandlung führen. Bisher durchgeführte klinische Untersuchungen im Bereich der Schulter zeigen für die perioperative Applikation von Lokalanästhetika (z. B. Lidocain, Bupivacain) sowohl intraartikulär als auch intrabursal eine Verbesserung des postoperativen Schmerzniveaus (Niiyama et al. 2001). Die Kombination von LA und Morphin zeigt eine noch höhere Wirkung als LA alleine, wohingegen die Wirksamkeit einer alleinigen Gabe von Morphin noch nicht endgültig bewiesen ist (Henn et al. 2000; Tetzlaff et al. 2000). Diese Methode kann auch in Form einer patientenkontrollierten Analgesie mittels Dauerkatheter angewandt werden (Mallon u. Thomas 2000). Die subkutane In¿ltration und Wundspülung mittels Ropivacain stellt eine weitere Alternative in der peri- und postoperativen Schmerztherapie dar. Hierbei
S. Goebel, U. Schwemmer und F. Gohlke
ist die Wirksamkeit sowohl der einmaligen In¿ltration als auch der kontinuierlichen Applikation in das Subkutangewebe über 48 Stunden belegt. Dabei kommt es bei keinem der genannten Verfahren zu einer toxischen Konzentration des applizierten Lokalanästhetikums im Serum. Nicht nur die Schmerzintensität, sondern auch der postoperative Schmerzmittelverbrauch können deutlich gesenkt werden (Gottschalk et al. 2003; Horn et al. 1999). Als Nachteile gelten die mangelnde Steuerbarkeit, der schnelle Wirkungsverlust und die Gefahr einer Wundkontamination. Ob die beiden letztgenannten Verfahren, adjuvant zur Plexusanästhesie angewandt, eine zusätzliche Schmerzreduktion bewirken, muss noch gezeigt werden. Sicherlich stellen sie jedoch schon jetzt Alternativen dar. Für die Anwendung in der Schulterendoprothetik liegen jedoch keine Daten vor. 4.3.3.3 Analgetika Opioide allein sind in der akuten postoperativen Schmerztherapie in der Regel nicht ausreichend. Die Gabe von Piritramid führt nach größeren Schultereingriffen auch nach hohen Dosen im Aufwachraum nicht zur ausreichenden Schmerzreduktion. Bei der Verwendung von patientenkontrollierten Schmerzpumpen (PCA) muss die Bolusgröße und das Zeitintervall individuell festgelegt werden. In Verbindung mit Interskalenusblockaden ist jedoch der Einsatz von PCA insbesondere nach großen Schulteroperationen gut geeignet. Üblicherweise dauert die Phase der starken Schmerzen nach großen Schultereingriffen 2–3 Tage, so dass sich für diese Zeit die Schmerztherapie mit einem Lokalanästhetikum über den Interskalenuskatheter emp¿ehlt. Im weiteren postoperativen Verlauf hat sich die Gabe von NSAID etabliert. Neben der guten analgetischen Wirkung werden diese auch zur Prävention von heterotopen Ossi¿kationen empfohlen (Berg u. Ciullo 1995). Als Messinstrument des Schmerzverlaufs dient die visuelle Analogskala, welche ausreichend validiert, ein verlässliches und sensitives Instrument zur Erfassung des postoperativen Schmerzes darstellt (Gallagher et al. 2001). Die Anwendung ist einfach und es zeigt eine hohe Korrelation zwischen der Schmerzeinschätzung des Patienten und des Therapeuten (Salo
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Präoperative Planung und Vorbereitung
et al. 2003). Leitlinien zur postoperativen Schmerztherapie empfehlen den Beginn einer Therapie bei einem VAS-Wert von 3 (0 = kein Schmerz, 10 = der am stärksten vorstellbare Schmerz).
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Operationstechnik
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T. Ambacher, M. Loew, U. Irlenbusch, O. Rolf und F. Gohlke
5.1 Zugänge T. Ambacher In der Literatur wird bei den Beiträgen zur Schulterendoprothetik die Technik des Zugangsweges häu¿g nur beiläu¿g erwähnt. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man berücksichtigt, dass ein technisch korrekt ausgeführter Zugang zum Gelenk die entscheidende Voraussetzung zur vollständigen Darstellung des Humeruskopfes und des Glenoids sowie zur Beseitigung der meist vorhandenen Innenrotationskontraktur darstellt. Ohne einen vollständigen Überblick über die anatomischen Landmarken ist eine anatomische Kalottenresektion und achsgerechte Fräsung des Glenoids und somit eine anatomische Implantation einer modularen Prothese nicht möglich (Bauer et al. 1997; Habermeyer 2002). Ein Glenoidersatz kann ohne radikales humeralseitiges und glenoidalseitiges Kapsel-Release erheblich erschwert oder unmöglich sein. Die Technik des Zugangsweges zur Schulter erfordert aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Gefäßnervenstrang exakte Grundkenntnisse der regionalen Anatomie (Gardner et al. 2005; McFarland et al. 2001). Nachfolgend sollen Indikation, Technik und Besonderheiten des deltopektoralen, superioren sowie des transakromialen Zuganges dargestellt werden.
5.1.1 Deltopektoraler Zugang Der deltopektorale Zugang ist der am häu¿gsten verwendete Zugangsweg für die Arthroplastik des
Schultergelenkes. Er gilt trotz der in letzter Zeit zunehmenden Fallzahl superiorer und anterolateraler Zugangswege als Standardzugang für die Schulterendoprothetik (Bauer et al. 1997; Mackenzie 1993; Habermeyer 2002; Kadic et al. 1992; Kuz et al. 1998). Dies gilt insbesondere für den Fall, dass eine hemi- oder totalendoprothetische Versorgung bei intakter Rotatorenmanschette durchgeführt werden soll (Bauer et al. 1997; Habermeyer 2002; Kadic et al. 1992). Der konventionelle deltopektorale Zugang erfolgt über einen längeren, schräg verlaufenden Hautschnitt. Alternativ ist vor allem für den Fall einer Hemiendoprothetik ohne höhergradige Innenrotationskontraktur auch eine kürzere Hautinzision möglich, die vom Korakoidfortsatz zur Axillarfalte zieht (Bauer et al. 1997; Habermeyer 2002). 5.1.1.1 Anatomische Landmarken Zur optimalen Platzierung des Hautschnittes kann es für alle Zugangswege hilfreich sein, nach Desinfektion und steriler Abdeckung die anatomischen Landmarken und anschließend den vorgesehenen Hautschnitt mit einem sterilen Stift zu markieren. Für den deltopektoralen Zugang werden folgende knöchernen Landmarken markiert: Ɣ Processus coracoideus, Ɣ ventraler Rand der lateralen Klavikula, Ɣ AC-Gelenk, Ɣ ventraler und lateraler Rand des Akromions. Bei symptomatischer Arthrose des AC-Gelenkes kann zusätzlich zum glenohumeralen Gelenkersatz eine ACGelenksresektion indiziert sein. Die Markierung des
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_5, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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T. Ambacher
Hautschnittes sollte in diesen Fällen so durchgeführt werden, dass durch die Verlängerung der Hautinzision nach kranial die Resektion der lateralen Klavikula erfolgen kann. 5.1.1.2 Hautschnitt Der in früheren Jahren favorisierte geschwungene Hautschnitt (Abb. 5.1) ist zwischenzeitlich aus überwiegend kosmetischen Gründen weitgehend verlassen worden. Wir empfehlen eine gerade Schnittführung (Abb. 5.2). Es hat sich vor allem bei muskelkräftigen und adipösen Patienten bewährt, den Hautschnitt relativ weit lateral anzulegen. Dies erleichtert sowohl den Zugang zum proximalen Humerus als auch zum Glenoid erheblich, da die Weichteilspannung dadurch deutlich reduziert werden kann. Die Hautinzision sollte kranial daher nicht am Korakoidfortsatz beginnen, sondern zwei bis drei Quer¿nger (QF) lateral davon. Als weitere Landmarke für den kranialen Ausgangspunkt des Hautschnittes kann das AC-Gelenk herangezogen werden. Die Inzision beginnt direkt unterhalb des AC-Gelenkspaltes. Im Falle einer zu-
Abb. 5.1. Ausgedehnter geschwungener vorderer Hautschnitt. (aus kosmetischen Gründen nicht empfehlenswert)
Abb. 5.2. Konventioneller deltopektoraler Hautschnitt
sätzlich geplanten Resektion der lateralen Klavikula kann die Inzision nach kranial leicht schräg verlaufend über das AC-Gelenk verlängert werden. Nach distal verläuft die Hautinzision in gerader Schnittführung leicht nach lateral in Richtung auf den Ansatz des M. deltoideus am Humerusschaft. Die Länge der Hautinzision ist abhängig von den Weichteilverhältnissen, dem Ausmaß der Innenrotationskontraktur sowie der Erfahrung des Operateurs. Bei adipösen und muskelkräftigen Patienten sowie bei erheblicher Einschränkung der Außenrotation auf unter 10º ist ein längerstreckiger Hautschnitt nach distal bis auf Höhe der Deltainsertion zur vollständigen Darstellung des proximalen Humerus hilfreich (Bauer et al. 1997; Habermeyer 2002; Klepps et al. 2004). In den meisten Fällen beträgt die Länge der Inzision 12–15 cm. Es ist insbesondere für den weniger Erfahrenen nicht empfehlenswert, über eine möglichst kurzstreckige Hautinzision die Prothesenimplantation zu „erzwingen“. Alternativ kann der deltopektorale Zugang auch über eine kürzere Hautinzision, die etwa einen Quer¿nger (QF) lateral des Korakoidfortsatz beginnt und zur Axillarfalte zieht, erfolgen (Abb. 5.3). Dieser Zugang kann zur Exposition ausreichend sein, wenn
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Operationstechnik
Abb. 5.3. Hautinzision beim verkürzten deltopektoralen Zugang
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M. deltoideus
Pars clavicularis m. pectoralis majoris V. cephalica
lediglich ein Oberarmkopf- oder OberÀächenersatz vorgesehen ist und keine ausgeprägte Innenrotationskontraktur oder Verwachsungen infolge Voroperationen vorliegen (Bauer et al. 1997). 5.1.1.3 Präparation proximaler Humerus Nach Hautinzision und Durchtrennung der Subkutanschicht bis auf die Deltoideusfaszie wird bei lateraler Lage des Hautschnittes zur Lokalisation der V. cephalica auf der Faszie nach medial präpariert (Abb. 5.4). Die V. cephalica stellt die anatomische Leitstruktur zur Identi¿kation der Grenze zwischen M. deltoideus und M. pectoralis dar. Häu¿g liegt die Vene in einem deutlich sichtbaren Fettstreifen zwischen den beiden Muskeln eingebettet. Es sind allerdings verschiedene anatomische Normvarianten der Lokalisation und Ausprägung der V. cephalica beschrieben. In ca. 5% der Fälle ist die Vene nicht nachweisbar oder liegt in der Tiefe verborgen, was die Orientierung erschweren kann (Habermeyer 2002; Radkowski et al. 2006). In diesen Fällen kann der unterschiedliche Verlauf der Muskelfasern zur Identi¿kation des deltopektoralen
Abb. 5.4. Darstellen der V. cephalica im Sulcus deltopectoralis und Präparation medial, damit die Vene nach lateral abgehalten werden kann
Intervalls herangezogen werden. Als weitere Landmarke kann der Korakoidfortsatz dienen. In den meisten Fällen be¿ndet sich der kraniale Ausläufer der Lücke zwischen Delta- und Pektoralismuskulatur ca. 2 QF lateral des Korakoidfortsatzes. Nach Identi¿kation der V. cephalica wird die Vene nach lateral abpräpariert, so dass sie im Verbund zur Deltamuskulatur bleibt. Dieses Vorgehen hat sich bewährt und wird als Standard empfohlen, da die meisten Gefäßabgänge in die Deltamuskulatur münden (Radkowski et al. 2006). Anschließend kann die anatomische Lücke zwischen Delta- und Pektoralismuskulatur mit einer stumpfen Präparierschere in die Tiefe bis zur Fascia clavipectoralis aufgespreizt werden. Stumpf digital kann danach der M. deltoideus von der Pektoralismuskulatur getrennt werden. Bei sehr kontrakten Verhältnissen hat es sich bewährt, den medialen Rand der Deltamuskulatur bis auf Höhe des humeralen
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T. Ambacher
Ansatzes zu präparieren. Mögliche Verwachsungen zwischen proximalem Humerus und der Muskulatur, die nach Voroperationen nahezu immer vorhanden sind, werden gelöst. Dies erleichtert später die Exploration des Humeruskopfes und des Glenoids. Nach lateral wird anschließend ein großer Roux-Haken unter den M. deltoideus gesetzt, die Pektoralismuskulatur kann mit einem Langenbeck-Haken nach medial gehalten werden. Dadurch erhält man einen Überblick über die Fascia clavipectoralis, die den proximalen Humerus bedeckt (Abb. 5.5). Durch Palpation des Korakoidfortsatzes kann die korakohumerale Sehnengruppe identi¿ziert werden. Lateral davon wird die klavipektorale Faszie längs inzidiert, so dass ein Langenbeck-Retraktor unter die Sehnen geschoben werden kann (Abb. 5.6). Eine Inzision der korakohumeralen Sehnengruppe ist nur ausnahmsweise bei ausgeprägter Medialisierung des Humeruskopfes durch erhebliche Glenoiderosion erforderlich und wird ansonsten nicht empfohlen, da die Sehnen eine anatomische Schutzbarriere gegen Verletzungen des Gefäß- und Nervenbündels darstellen (Habermeyer 2002). Auf Höhe des chirurgischen Halses können die Vasa circumÀexa am Unterrand der Subskapularissehne dargestellt werden (Abb. 5.6). Diese werden mit einer Naht unterstochen und ligiert, Caput breve m. biceps brachii
(3) Processus coracoideus
(1) M. deltoideus
(2) M. pectoralis
(4) Fascia clavipectoralis
Caput longum m. biceps brachii
(5) M. coracobrachialis
V. cephalica
Abb. 5.5. Darstellen des Fascia clavipectoralis, (1) M. deltoideus, (2) M. pectoralis, (3) Processus coracoideus, (4) Fascia clavipectoralis, (5) gemeinsame Sehne M. biceps (caput breve) und M. coracobrachialis
M. deltoideus
coracobrachial Sehnengruppe
A. circumflexa anterior et Vv. comitantes
Abb. 5.6. Einsetzen eines Langenbeck-Hakens unter die korakobrachiale Sehnengruppe und eines Roux-Hakens unter die Deltamuskulatur. Darstellen der Vasa circumÀexa
um spätere Blutungen zu vermeiden. Der N. axillaris kann kaudal und medial der zirkumÀexen Gefäße palpiert werden (Abb. 5.7; Gardner et al. 2005; Habermeyer 2002). Eine Freilegung und Inspektion des Nervs ist bei eindeutiger und sicherer Palpation nicht zwingend erforderlich. Ein Anschlingen mit einem Zügel wird bei primärer und unkomplizierter Implantation nicht empfohlen, da es durch die Präparation selbst oder bei intraoperativer Manipulation am Zügel zu Läsionen des N. axillaris kommen kann. Ein Anschlingen des Nervs ist nur in sehr unübersichtlichen Situationen, insbesondere im Rahmen von Prothesenwechseln, zur dauerhaften Identi¿kation erforderlich. In diesem Fall sollten die Enden des Zügels frei bleiben und nicht mit einer Klemme ¿xiert werden. Als Landmarke wird anschließend die lange Bizepssehne im Sulcus bicipitalis palpiert. Sie verläuft direkt medial der Insertion der Sehne des M. pectoralis major. Die Ablösung der Subskapularissehne beginnt zentral im Bereich des Tuberculum minus und wird zunächst nach kranial fortgesetzt, bis man auf die lange Bizepssehne trifft. Bei Belassen eines etwa 5 mm breiten Sehnenstumpfes am Tuberculum minus kann
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Operationstechnik
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Subskapularissehne
N. axillaris
Abb. 5.7. Palpation des N. axillaris am Unterrand der Subskapularissehne
anschließend eine zweireihige Re¿xation transossär und Sehne-zu-Sehne erfolgen. Das Rotatorenintervall wird entlang der langen Bizepssehne nach medial bis auf Höhe des Glenoids eröffnet (Abb. 5.8). Nach distal wird die Subskapularissehne am kaudalen Abschnitt des Tuberculum minus abgelöst und die Inzision auf den proximalen Humerus erweitert bis auf eine Länge von etwa 2 cm unterhalb des chirurgischen Halses. Vom proximalen Humerus wird die Faszie mit dem
muskulären Anteil der Subskapularissehne subperiostal mit dem Skalpell oder dem Meisel abgelöst (Abb. 5.9, 5.10) Im Fall einer ausgeprägten Innenrotationskontraktur mit Limitierung der Außenrotation auf unter 10° kann die subperiostale Ablösung der Subskapularissehne möglichst weit lateral direkt neben der langen Bizepssehne (Abb. 5.11) einen Längengewinn ermöglichen. Alternativ kann die Subskapularissehne mitsamt einer Knochenschuppe vom Tuberculum minus abgelöst werden. Die Sehne wird anschließend zentral mit Haltefäden angeschlungen. Sie wird teils scharf, teils stumpf sowohl subkorakoidal als auch entlang des Skapulahalses mobilisiert. Das Lig. coracohumerale wird durchtrennt. Dadurch erreicht man eine maximale Mobilisierung der in der Regel kontrakten Subskapularissehne. Dies führt, eventuell in Kombination mit einer Medialisierung ihrer Insertion, postoperativ zu einer Bewegungserweiterung in die Außenrotation (Habermeyer 2002). Bei kontrakten Verhältnissen kann zusätzlich eine Einkerbung der oberen 2–3 cm der Pectoralis-majorSehne durchgeführt werden. Ein Hohmann-Retraktor kann dann unterhalb des chirurgischen Halses mit direktem Kontakt zum Knochen medial am Humerusschaft entlang vorgeschoben werden. Der Gefäßnervenstrang bleibt bei diesem Vorgehen medial des SubskapularisÀaps, so dass bei allen weiteren Inzisionen entlang des Humeruskopfes eine Verletzung dieser Strukturen verhindert werden kann (Habermeyer 2002). Subskapularissehne
intervall
Subskapularissehne
Abb. 5.8. Inzision des Rotatorenintervalls (eigene Aufnahme, anatomisches Präparat)
Abb. 5.9. Ablösung eines Periost-Faszien-Lappens mitsamt der Subskapularissehne (eigene Aufnahme, anatomisches Präparat)
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T. Ambacher
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Abb. 5.10. Die Ausdehnung der Inzision der Subskapularissehne wird in der Literatur unterschiedlich empfohlen. Bei geringer Kontraktur kann gelegentlich der untere muskuläre Anteil der Sehne am Humerusschaft belassen werden. In diesen Fällen kann die Sehne entweder mit einer Knochenschuppe, subperiostal (2) oder unter Belassung ein es Sehnenstumpfes (1) zur Re¿xation am Tuberculum minus abgelöst werden. Bei stärkerer Kontraktur emp¿ehlt es sich, die Sehne bis zum proximalen Humerus vollständig abzulösen (3)
Anschließend wird ein Kapsel-Release anterior und kaudal entlang des anatomischen Halses des Humeruskopf unter gleichzeitiger zunehmender Außenrotation des Humerus durchgeführt und schrittweise nach dorsal komplettiert. Zur vollständigen Exposition werden 1–2 Hohmann-Retraktoren dorsal am Humeruskopf eingesetzt. Dadurch gelingt die Exposition des Humeruskopfes in allen Abschnitten bei vorsichtiger Außenrotation des Armes von etwa 180° (Abb. 5.12). Dies ist die Voraussetzung zur vollständigen Darstellung des anatomischen Halses und zur Festlegung der anatomischen Kalottenresektion entlang der Insertionszonen der Rotatorenmanschette. Bei sehr kontrakten Verhältnissen können ein weites subperiostales Release am proximalen Humerus und eine juxtaglenoidale Ablösung der Kapsel vom Pfannenrand bereits zu diesem Operationszeitpunkt hilfreich sein (Abb. 5.13). Eine Tenotomie der langen Bizepssehne erleichtert die vollständige Luxation des Humeruskopfes und
Abb. 5.11. Inzision und subperiostale Ablösung der Subskapularissehne lateral am Tuberculum minus direkt medial der langen Bizepssehne
verbessert später die Exposition des Glenoids. Daher wird die Bizepssehne in der Regel mit ein oder zwei nicht resorbierbaren Fäden im Sulkus in den Weichteilen ¿xiert. Anschließend erfolgen die Tenotomie am Labrumansatz und die distale Absetzung auf Höhe des Eintrittes der Sehne in den Sulkus. Die Darstellung der Schulterpfanne erfolgt meist erst nach anatomischer Kalottenresektion. Zur Exposition werden zirkulär um das Glenoid vier HohmannRetraktoren eingesetzt. Alternativ kann posterokaudal ein Fukuda-Retraktor oder ein spezieller Humeruskopfretraktor verwendet werden, um den proximalen Humerus komplett nach posterior zu halten. Um eine vollständige Darstellung mit frontaler Aufsicht auf die GlenoidÀäche zu erreichen, ist in der Regel auch glenoidseitig ein vollständiges Kapsel-Release von anterosuperior unterhalb der Korakoidbasis beginnend bis nach posterosuperior erforderlich (Abb. 5.14; Habermeyer 2002). Hierzu wird das Labrum mitsamt der inserierenden Gelenkkapsel zirkulär vollständig reseziert. Die Exzision mit dem Skalpell erfolgt dabei immer in Richtung auf das Glenoid, um Gefäßnervenverletzungen auszuschließen (McFarland et al. 2001).
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Operationstechnik
Abb. 5.12. Schrittweises Hervorluxieren des Oberarmkopfs durch zunehmende Außenrotation des Armes nach humeralem Kapsel-Release (eigene Aufnahme, anatomisches Präparat)
5.1.1.4 Indikationen, Vor- und Nachteile Über einen deltopektoralen Zugang können sämtliche Prothesentypen (OberÀächenersatz, Oberarmkopfprothese, Totalendoprothese, inverse Prothese) implantiert werden. Darüber hinaus sind auch Wechseloperationen uneingeschränkt über diesen Zugang möglich, da er im Falle von Problemen im Bereich des Prothesenschafts beliebig nach distal erweitert werden kann (Habermeyer 2002). Der deltopektorale Zugang ist ein anatomischer Zugang in der Grenzschicht zwischen Delta- und Pektoralismuskulatur mit folgenden Vorteilen (Bauer et al. 1997; Gill et al. 2004; Habermeyer 2002; Kadic et al. 1992; Levy et al. 1999): Ɣ Respektierung der anatomischen Grenzschicht zwischen Delta- und Pektoralismuskulatur. Es müssen keine Muskeln oder Sehnenansätze durchtrennt werden. Der M. deltoideus wird geschont. Ɣ Der distale Ast des N. axillaris ist nicht verletzungsgefährdet. Ɣ Die Implantation sämtlicher Prothesentypen ist möglich.
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Abb. 5.13. Weites subperiostales Release am proximalen Humerus und eine juxtaglenoidale Ablösung der Kapsel vom Pfannenrand
Ɣ Der deltopektorale Zugang erlaubt jede Form der Revision. Es kann als nachteilig kann empfunden werden, dass der Zugang zum Glenoid im Vergleich zum superioren und transakromialen Zugang beim Einbau einer inversen Prothese etwas erschwert ist (Kuz et al. 1998; Rittmeister u. Kerschbaumer 2001). Im Vergleich zum superioren Zugang ist auch eine etwas längere Hautinzision erforderlich. Bei sehr muskelkräftigen oder adipösen Patienten kann es durch Hakendruck zu Kontusionsschäden am ventralen Deltaanteil kommen.
5.1.1.5 Fallstricke und Gefahren Ɣ Bei Normvarianten der V. cephalica kann die Lokalisation des deltopektoralen Intervalls erschwert sein Ɣ Beim Einsetzen längerer Haken nach dorsal kann es zur Verletzung des N. axillaris in der lateralen Achsellücke kommen.
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T. Ambacher
Rotatorenmanschettendefekt verwendet werden. Über einen anterolateralen Deltasplit ist in diesen Fällen ein direkter Zugang sowohl zum Humeruskopf als auch zum Glenoid möglich (Bauer et al. 1997; Codman 1934; Co¿eld 1982; Mackenzie 1993; Habermeyer 2002). 5.1.2.1 Anatomische Landmarken Zur korrekten Platzierung des Hautschnittes werden folgende anatomische Landmarken mit einem sterilen Stift markiert: Ɣ Spina scapulae, Ɣ Margo lateralis und Margo anterior des Akromion, Ɣ AC-Gelenk, Ɣ laterales Klavikulaende, Ɣ Processus coracoideus. Nach Palpation und Markierung der knöchernen Landmarken kann der geplante Hautschnitt angezeichnet werden. Abb. 5.14. Exploration des Glenoids nach Kapsel-Release, zirkuläres Einsetzen von Hohmann-Retraktoren
Ɣ Starker Hakenzug an der korakobrachialen Muskelgruppe kann zu Läsionen des N. musculocutaneus führen. Ɣ Einrisse der V. cephalica initial bei der Präparation oder im Operationsverlauf durch Hakendruck sind relativ häu¿g. Ɣ Eine zu weit mediale Schnittführung der Hautinzision kann beim muskelkräftigen und adipösen Patienten die Darstellung von Oberarmkopf und Glenoid erheblich erschweren. Ɣ Ein gewaltsamer Druck über längere Zeit über den Humeruskopfretraktor infolge insuf¿zientem Kapselrelease und/oder zu weit medial angelegtem Hautschnitt kann zu Kontusionsschäden am M. deltoideus und zu Einrissen an der ventralen Insertionszone führen.
5.1.2 Oberer Zugang Obere Zugangswege zur Implantation einer Schulterendoprothese können vor allem für Patienten mit Omarthrose und gleichzeitigem ausgedehntem superioren
5.1.2.2 Hautschnitt Der Hautschnitt beginnt am AC-Gelenk und verläuft in schräg absteigender Richtung ca. 2 Quer¿nger lateral dem Korakoidfortsatzes nach ventral-lateral auf einer Strecke von ca. 8 cm (Gardner et al. 2005). Nach Inzision der Haut und Subkutis wird die Deltafaszie präpariert. Eine Verletzung der Deltamuskulatur ist zu vermeiden. Bei symptomatischer AC-Gelenksarthrose wird der Hautschnitt über das AC-Gelenk hinaus erweitert, so dass im Bedarfsfall die Resektion der lateralen Klavikula durchgeführt werden kann (Abb. 5.15). 5.1.2.3 Präparation proximaler Humerus Unter Vermeidung einer Ablösung vom Akromionvorderrand wird der M. deltoideus parallel zum Faserverlauf gespalten. Der Deltasplit kann vom Vorderrand des AC-Gelenkes auf eine Länge von bis zu 8 cm nach distal erweitert werden. Am distalen Inzisionsende kann eine Sicherungsnaht angelegt werden, um ein weiteres Aufreißen des Muskels nach distal mit dem Risiko der Verletzung des ventralen Ausläufers des N. axillaris zu vermeiden (Abb. 5.16; Gardner et al. 2005). Durch Roux-Retraktoren kann die Deltamuskulatur zur Seite gehalten werden. Bei
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Operationstechnik
superioren Massendefekten der Rotatorenmanschette erhält man einen Überblick über die kranialen Anteile des Humeruskopfes. Eine vollständige Exploration des Humeruskopfes erfordert die Ablösung der noch intakten Anteile der Subskapularissehne und das Hervorluxieren des Oberarmkopfes durch Außenrotation und Adduktion des Armes. Nach Resektion der Kalotte ist ein direkter Zugang zum Glenoid möglich, wenn der proximale Humerus mit einem Retraktor nach dorsokaudal luxiert wird. 5.1.2.4 Indikationen, Vor- und Nachteile Der anterosuperiore Zugang erlaubt bei den typischen superioren Massendefekten der Rotatorenmanschette eine hervorragende Übersicht über den Humeruskopf.
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Der weitere Zugang zum Schaft ist jedoch erschwert. Dies sollte bei Revisionseingriffen berücksichtigt werden (Mackenzie 1993; Habermeyer 2002). Im Vergleich zum deltopektoralen Zugang ist die Darstellung des Glenoids häu¿g erleichtert, da das dorsale Weichteil-Release einfacher und vollständiger möglich ist und sich der Humeruskopf dadurch mit einem Retraktor meist problemlos nach dorsal und kaudal luxieren lässt. Allerdings ist die Exploration der inferioren Glenoidkante und der Margo lateralis scapulae durch die Limitierung des Zuganges nach distal gelegentlich nur eingeschränkt möglich. 5.1.2.5 Fallstricke Beim superioren Zugang können folgende Probleme auftreten: Ɣ Kontusionierung oder Einriss der Deltamuskulatur bei zu starkem Hakendruck oder zu kleiner Inzision, Ɣ Einriss des Deltasplit nach distal bei Exploration der inferioren, Glenoidabschnitte mit Gefährdung des N. axillaris, Ɣ eingeschränkter Zugang zum proximalen Humerusschaft (z. B. bei intraoperativen Schaftfrakturen oder bei Revisions- und Wechseloperationen), Ɣ Gelenkexploration bei Fehleinschätzung der Ausdehnung der Rotatorenmanschettenläsion eingeschränkt, ggf. müssen dann intakte Rotatorenmanschettenanteile abgelöst werden. laterale clavicula Supraspinatussehne
M. deltoideus
Subskapularissehne
Sicherungsnaht
Abb. 5.15. Oberer, anterosuperiorer Zugang
Abb. 5.16. Exploration des proximalen Humerus über einen anterosuperioren Zugang
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5.1.3 Transakromialer Zugang Der transakromiale Zugang wurde früher zur Implantation von inversen Schulterprothesen favorisiert. In den letzten Jahren wurde dieser Zugang allerdings überwiegend durch den anterosuperioren oder deltopektoralen Zugang verdrängt, deren Risiken geringer sind und die eine schnellere postoperative Rehabilitation ermöglichen. Beim transakromialen Zugang sind 2 Modi¿kationen möglich. Die von Grammont bevorzugte Form beinhaltet eine Akromionosteotomie mit abschließender Osteosynthese zur Wiederherstellung des Schulterdaches. Eine reine Weichteiltechnik stellt der transakromiale Zugang in der Technik nach Gerber dar, der allerdings überwiegend für den Latissimus-dorsi-Transfer empfohlen wird (Bauer et al. 1997; Habermeyer 2002; Kuz et al. 1998; Rittmeister u. Kerschbaumer 2001).
5.1.3.1 Anatomische Landmarken Zur korrekten Platzierung des Hautschnittes werden folgende anatomische Landmarken mit einem sterilen Stift markiert: Ɣ Spina scapulae, Ɣ Margo lateralis und Margo anterior des Akromion, Ɣ AC-Gelenk, Ɣ laterales Klavikulaende, Ɣ Processus coracoideus. Nach Palpation und Markierung der. knöchernen Landmarken kann der geplante Hautschnitt angezeichnet werden.
5.1.3.2 Hautschnitt Für den transakromialen Zugang wird der Patient in einer fast aufrechten Sitzposition mit einer Knickung des Operationstisches von 70–80° gelagert. Der Hautschnitt von 10–15 cm Länge verläuft in gerader Richtung säbelhiebartig über das Akromion ca. 1–1,5 cm medial des lateralen Akromionrandes in der von Codman (1934) beschriebenen Technik. Er beginnt dorsal auf Höhe der Spina scapulae und
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endet ventral auf Höhe des Korakoids. In Abhängigkeit vom Zustand der Rotatorenmanschette und vom Prothesentyp kann der Zugang nach ventral nahezu beliebig nach distal verlängert werden und das deltopektorale Intervall, falls erforderlich, eröffnet werden (Abb. 5.17). 5.1.3.3 Präparation des Musculus deltoideus Zunächst werden die Haut und das Subkutangewebe inzidiert. Die Inzision endet auf Höhe der Deltoideusfaszie, die nicht eröffnet werden soll. Die Deltoideusfaszie wird auf einer Strecke von ca. 4–5 cm nach lateral dargestellt. Mit dem elektrischen Messer kann dann etwa 1–1,5 cm medial der lateralen Akromionkante die Deltoideusaponeurose bis auf den Knochen inzidiert werden. Es sind nun zwei Varianten des transakromialen Zuganges möglich. Beim Zugang durch die Weichteile ohne Akromionosteotomie wird die akromiale Deltainsertion nach lateral subperiostal mit dem Meisel oder dem Skalpell vom Akromion abpräpariert (Abb. 5.18; Bauer et al. 1997; Habermeyer 2002). Alternativ zur reinen Weichteilpräparation kann mit dem Meisel die Deltainsertion mit einer Knochenschuppe abgelöst werden. Der abgelöste laterale Deltalappen kann mit nicht resorbierbaren Fäden angeschlungen werden, die am Operationsende zur transakromialen Re¿xation verwendet werden können. Beim knöchernen transakromialen Zugang erfolgt die Akromionosteotomie von ventral nach dorsal in einem Abstand von etwa 1 cm parallel zum lateralen Akromionrand. In der geplanten Osteotomieebene wird die Deltainsertion bis auf das Akromion mit dem elektrischen Messer inzidiert. Die Osteotomie kann mit der oszillierenden Säge begonnen und mit dem Meisel komplettiert werden, um Hitzenekrosen in der Ostetomiezone zu vermeiden, die die knöcherne Konsolidierung beeinträchtigen könnten (Abb. 5.19; Bauer et al. 1997; Habermeyer 2002; Kuz et al. 1998; Rittmeister u. Kerschbaumer 2001). 5.1.3.4 Präparation proximaler Humerus Zur Erweiterung der Übersicht auf den proximalen Humerus wird der abpräparierte Deltalappen vollständig nach lateral weggehalten, indem am ventralen und dorsalen Ausläufer der Akromionosteotomie
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Operationstechnik
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Abb. 5.18. Transakromialer Zugang über eine Ablösung der akromialen Deltainsertion in der Technik nach Gerber
5.1.3.6 Indikationen, Vor- und Nachteile Abb. 5.17. Hautschnitt zum transakromialen Zugang
ein Muskelsplit entlang des Faserverlaufs auf einer Länge von jeweils ca. 4 cm durchgeführt wird. Sofern dies die intraoperative Situation erfordert, kann eine erweiterte Darstellung nach ventral durch Eröffnung des deltopektoralen Intervalls erfolgen. Dies kann im Einzelfall erforderlich sein, um die Subskapularissehne abzulösen (Abb. 5.20).
Der transakromiale Zugang ermöglicht eine hervorragende Übersicht über die superioren Anteile der Rotatorenmanschette und des Oberarmkopfes. Er ist im Rahmen der Schulterendoprothetik geeignet bei Patienten mit Omarthrose und gleichzeitigem Massendefekt der Rotatorenmanschette (Bauer et al. 1997; Kuz et al. 1998; Rittmeister u. Kerschbaumer 2001). Der Zugang erlaubt bei diesen Patienten die Implan-
5.1.3.5 Technik der Refixation des Musculus deltoideus Zur Vermeidung einer postoperativen Deltainsuf¿zienz muss bei der muskulofaszialen Ablösung eine sichere transakromiale Re¿xation des Deltalappens durchgeführt werden. Hierzu werden ca. 5 Bohrkanäle im Bereich der sagittalen Längsinzision über dem Akromion angelegt und der Muskellappen in MasonAllen-Technik durchstochen. Der Abstand zwischen den einzelnen Fixationspunkten in sagittaler Richtung sollte dabei etwa 1,5 cm betragen. Nach Akromionosteotomie kann eine Osteosynthese über eine spezielle 4-Loch-Mini-Platte erfolgen die am lateralen Akromionrand angelegt wird (Abb. 5.21).
Abb. 5.19. Transakromialer Zugang über eine Akromionosteotomie
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Abb. 5.20. Erweiterte Darstellung des proximalen Humerus durch Deltasplit nach ventral und dorsal über jeweils etwa 4 cm
tation einer inversen Schulterendoprothese, eines Oberarmkopfersatzes oder eines OberÀächenersatzes. Falls erforderlich, kann in der gleichen Sitzung bei intakter Subskapularissehne und ausgeprägtem Außenrotationsde¿zit ein Latissimus-dorsi-Transfer durchgeführt werden. Hierzu wäre zur Präparation und Ablösung des Latissimus-Sehnenspiegels eine zusätzliche dorsale Inzision notwendig (Bauer et al. 1997). Die Übersicht nach ventral ist allerdings eingeschränkt. Zur Darstellung und Ablösung der Subskapularissehne ist eine erweiterte Inzision nach ventral erforderlich. Im Falle eines Prothesenwechsels ist die Darstellung des proximalen Humerusschaftes nur eingeschränkt möglich und mit einer erheblichen Gefährdung der Durchblutung der ventralen Deltaanteile behaftet. Die Darstellung der inferioren Glenoidanteile und der Margo lateralis scapulae kann beim reinen Weichteilzugang erschwert sein. Nach Akromionosteotomie erhält man problemlos eine hervorragende Übersicht über das gesamte Glenoid (Abb. 5.22). Bei den meisten Patienten besteht über 3–6 Monate bis zur belastungsstabilen vollständigen Wiedereinheilung des abgelösten Deltalappens eine schmerzhafte Abduktion und Flexion mit teilweise erheblichem Kraftde¿zit.
Abb. 5.21. Osteosynthese der Akromionosteotomie über laterale Mini-Platte
Ɣ Insuf¿zienz des N. deltoideus infolge instabiler Re¿xationstechnik, Ɣ Muskelnekrose infolge Fadenstrangulation bei zu engmaschiger Re¿xation, Ɣ N.-axillaris-Läsion bei zu langstreckigem dorsalen oder ventralem Muskelsplit, Ɣ sekundäres knöchernes Impingement nach Akromionosteotomie bei nichtanatomischer Verschraubung,
Akromionosteotomie
5.1.3.7 Fallstricke und Gefahren Folgende Probleme und Komplikationen können beim transakromialen Zugang auftreten:
Abb. 5.22. Darstellung des Glenoids über den transakromialen Zugang mit Akromionosteotomie
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Operationstechnik
Ɣ subakromiale Fehlplatzierung der Schrauben, Implantatbruch oder Implantatlockerung nach Osteosynthese der Akromionosteotomie, Ɣ Pseudarthrose der Akromionosteotomie (Kuz et al. 1998; Rittmeister u. Kerschbaumer 2001).
Literatur Bauer R, Kerschbaumer R, Poisel S (1997) Orthopädische Operationslehre. Schulter und obere Extremität. Thieme, Stuttgart, S 2–7, 152–163 Codman EA (1934) The shoulder, 2nd edn. Thomas Todd, Boston Co¿eld RH (1982) Rotator cuff disease of the shoulder. Surg Gynecol Obstet 154:667–672 Gardner MJ, Grif¿th MH, Dines JS, Briggs SM, Weiland AJ, Lorich DG (2005) The extended anterolateral akromial approach allows minimally invasive access to the proximal humerus. Clin Orthop Relat Res 434:123–129 Gill DR, Co¿eld RH, Rowland C (2004) The anteromedial approach for shoulder arthroplasty: the importance of the anterior deltoid. J Shoulder Elbow Surg 13:532–537 Habermeyer P (2002) Schulterchirurgie. Urban & Schwarzenberg, München, S 273–284, 531–544 Kadic MA, Rozing PM, Obermann WR, Bloem JL (1992) A surgical approach in total shoulder arthroplasty. Arch Orthop Trauma Surg 111:192–194 Klepps S, Auerbach J, Calhon O, Lin J, Cleeman E, Flatow E (2004) A cadaveric study on the anatomy of the deltoid insertion and its relationship to the deltopectoral approach to the proximal humerus. J Shoulder Elbow Surg 13:322–327 Kuz JE, Pierce TD, Braunhohler WM (1998) Coronal transacromial osteotomy surgical approach for shoulder arthroplasty. Orthopedics 21:155–162 Levy O, Pritsch M, Oran A, Greental A (1999) A wide and versatile comibined surgical approach to the shoulder. J Shoulder Elbow Surg 8:658–659 Mackenzie DB (1993) The antero-superior exposure for total shoulder replacement. Orthop Traumatol 2:71–77 McFarland EG, Caicedo JC, Guitterez MI, Sherbondy PS, Kim TK (2001) The anatomic relationship of the brachial plexus and axillary artery to the glenoid. Implications for anterior shoulder surgery. Am J Sports Med 29:729–733 Radkowski CA, Richards RS, Pietrobon R, Moorman CT (2006) An anatomic study of the cephalic vein in the deltopectoral shoulder approach. Clin Orthop Relat Res 442:139–142 Rittmeister M, Kerschbaumer F (2001) Grammont reverse total shoulder arthroplasty in patients with rheumatoid arthritis and nonreconstructible rotator cuff lesions. J Shoulder Elbow Surg 10:17–22
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5.2 Oberf lächenersatz M. Loew
5.2.1 Indikationen Das Prinzip des OberÀächenersatzes durch so genannte Cup-Prothesen besteht in der Wiederherstellung der Kontur der GelenkÀäche eines deformierten Humeruskopfes ohne Resektion der Epiphyse. Durch die Restauration der anatomischen Form wird die Kongruenz des Gelenkes wiederhergestellt und damit das Rotationszentrum rekonstruiert und die Kinematik und Biomechanik des Schultergelenkes normalisiert. Die Indikation zum OberÀächenersatz besteht bei allen deformierenden und destruierenden Prozessen des Humeruskopfes mit ausreichend erhaltener epi- und metaphysärer knöcherner Substanz des Humeruskopfes. Da die Exposition der Schulterpfanne ohne Resektion der humeralen GelenkÀäche technisch sehr anspruchsvoll ist und in vielen Fällen die Übersicht für eine korrekte Implantation einer Glenoidkomponente nicht ausreichend ist, wird die Indikation zu einer Cup-Prothese verbreitet dann gesehen, wenn eine Hemiendoprothese ohne Glenoidersatz ausreichend erscheint. Dies trifft bei den folgenden Indikationen zu: Ɣ posttraumatische Deformitäten des Humeruskopfes ohne Beteiligung der Schulterpfanne, Ɣ idiopathische oder sekundäre Humeruskopfnekrosen mit ausreichend erhaltener knöcherner Substanz/Stadien 2–4 nach Cruess (1976), Ɣ primäre Omarthrose ohne ausgeprägte exzentrische Glenoiddeformität [Typ A1 und A2 nach Walch et al. (1999)], Ɣ stabile Formen der Rotatorendefektarthropathie (Loew et al. 2007), Ɣ rheumatoide Arthritis ohne oder mit geringer Destruktion des Glenoids. Darüber hinaus kann ein OberÀächenersatz implantiert werden, wenn die Destruktion der Schulterpfanne so weit fortgeschritten ist, dass ein Glenoidersatz nicht mehr möglich ist. Dies ist bei den destruierenden Formen der rheumatoiden Arthritis und der Defektar-
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thropathie der Fall. Bei der rheumatoiden Arthritis ist eine schaftfreie Humeruskopfprothese vorteilhaft, weil relativ häu¿g auch eine Ellenbogenprothese einliegt oder in der Zukunft erforderlich sein wird. Einerseits kann es bei zwei Schaftkomponenten zu einem Platzproblem in der Humerusdiaphyse kommen, andererseits besteht bei den beiden starren Schäften im Zwischenraum das Phänomen des „stress rising“ mit der erhöhten Gefahr einer periprothetischen Fraktur. Der Vorteil eines OberÀächenersatzes gegenüber einer konventionelle Schaftprothese mit Resektion der Kalotte besteht einerseits in der möglicherweise einfacheren anatomischen Ausrichtung der GelenkÀäche mit geringerem Risiko einer Fehlpositionierung, da der mediale und posteriore Offset, die Retroversion und die Inklination am originären Humeruskopf nicht verändert werden (Werner u. Hedtmann 2007). Auch kommt es bei der Cup-Prothese nicht zu den gelegentlich nach konventioneller Prothetik beschriebenen postoperativen Schaftschmerzen. Vor allem besteht die Überlegenheit jedoch in den günstigeren Revisionsoptionen. Wenn nach einer Cup-Prothese z. B. beim Auftreten einer sekundären Glenoidarthrose oder -erosion auf eine Totalendoprothese oder inverses System übergegangen werden muss, ist die Humeruskomponente relativ einfach zu entfernen. Da kein metaphysärer Substanzverlust besteht, lässt sich nach dem Ausbau meistens ohne Schwierigkeit eine konventionelle Schaft- und Kalottenkomponente implantieren. Kontraindikationen gegen einen OberÀächenersatz bestehen bei unzureichender knöcherner Substanz in der Epi- und Metaphyse des Humeruskopfes. Mindestens 60% des „bone-stock“ müssen erhalten sein (Copeland 2006), da sonst die ossäre Einheilung der Cup-Prothese gefährdet ist und das physiologische Offset des Rotationszentrums nicht rekonstruiert werden kann. Bei einem größeren knöchernen Substanzverlust der Epi- und Metaphyse ist einer konventionellen Schaftkomponente der Vorzug zu geben. Bei endoprothetisch rekonstruierbarer Schulterpfannendeformierung hat der Glenoidersatz Priorität vor einer knochensparenden Cup-Prothese. Bei leichter Glenoiddeformität (Typ B1 nach Walch) sowie bei wenig muskelkräftigen Individuen mit gut erhaltener Ausgangsbeweglichkeit kann auch ohne Resektion der humeralen GelenkÀäche ein Glenoid implantiert werden, so dass in diesen Fällen eine Totalendoprothese als „Hybridkonstellation“ (Cup-Prothese mit Glenoidersatz) möglich ist.
M. Loew
5.2.2 Design Die frühesten am Oberarmkopf verwendeten Cup-Prothesen waren eigentlich für das Hüftgelenk hergestellt worden. Das erste speziell für den Humeruskopf entwickelte Implantat war eine 1,7 mm dicke Metallkappe (Scan™-Prothese, Fa. MITAB), die in der Epi- und Metaphyse mit Knochenzement befestigt wurde. Die Cup-Prothese, die als erste eine weite Verbreitung fand, war der von Copeland entwickelte OberÀächenersatz, der mit einem zentralen zylindrischen Konus zementfrei im Humeruskopf verankert wird (Copeland 2006). Die innere OberÀäche der Prothese ist mit Hydroxylapatit beschichtet. Die Copeland™-Schulter (Fa. Biomet) existierte ursprünglich in drei, später in acht unterschiedlichen Größen. Im Gegensatz dazu wird der Durom™-Schulter-Cup (Fa. Zimmer) zementiert implantiert. Neuere Modelle berücksichtigen in ihren Abmessungen, vor allem in einer festen Radius-HöhenRelation, die Ergebnisse aktueller anatomischer Studien (Hertel et al. 2002). Die Epoca™-Cup (Fa. Synthes) wird über einen HA-beschichteten, sphärischen Hohlzylinder in der Epiphyse des Humeruskopfes befestigt. Die Aequalis RH™-Prothese (Fa. Tornier), die ebenfalls zementfrei implantiert wird, verankert sich über einen Zapfen mit Sternpro¿l zentral in der Metaphyse.
5.2.3 OP-Planung Zur Operationsplanung wird neben Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen („true a. p.“ und axial) ein Schnittbildverfahren, bevorzugt eine Computertomographie, benötigt, um die Form der Pfanne beurteilen und die Indikation zu einem Glenoidersatz abwägen zu können. Darüber hinaus kann im CT das Ausmaß der Deformierung der Kalotte bei posttraumatischen Arthrosen und der eventuelle epiphysäre Substanzverlust bei Humeruskopfnekrosen beurteilt werden. Da der Blutverlust bei ausschließlichem OberÀächenersatz in der Regel gering ist, ist eine Eigenblutspende nicht erforderlich. Im Rahmen der präoperativen Untersuchung ist klinisch eine Insuf¿zienz oder Schädigung der Rotatorenmanschette auszuschließen: Das verbliebene Bewegungsausmaß muss erfasst werden um das erforderliche Kapsel-Release einschätzen zu können. Von allen verbreiteten
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Operationstechnik
Cup-Prothesen existieren Röntgenschablonen. Eine präoperative Planungsskizze (Abb. 5.23a, b) ist unbedingt zu empfehlen, weil intraoperativ auch bei ausreichender Exposition der erforderliche Radius der Cup-Prothese nicht selten zu groß eingeschätzt wird.
5.2.4 OP-Technik In der Regel wird der deltoideopektorale Zugang zum Schultergelenk gewählt. Nach Ablösung der Kapsel und der Subskapularissehne, bevorzugt unter Belassung eines 3 mm breiten Sehnenstumpfes zur Re¿xation, wird das kraniale Drittel der Sehne des M. pectoralis major eingekerbt und mit dem Rasparatorium ein vorsichtiges subperiostales Release im Bereich des Collum chirurgicum, falls erforderlich mit partieller Ablösung der Latissimus dorsi- und der Teres major Sehne, durchgeführt. Anschließend wird der Oberarmkopf durch Außenrotation vollständig exponiert (Abb. 5.24); dazu können zwei HohmannRetraktoren dorsal zwischen Glenoid und Kalotte als Hebel verwendet werden. Der anteriore, inferiore und posteriore Osteophytenkranz am Collum anatomicum ist mit dem Luer oder Meisel vollständig zu entfernen, damit der dorsale Kapselansatz unverdeckt eingesehen werden kann. Mit einem prothesenspezi¿schen Messinstrument wird der Durchmesser der Metaphyse
Abb. 5.23a, b. OP-Planung mit Röntgenschablone in anteroposteriorer (a) axialer Projektion (b) (AequalisRH™, Fa. Tornier)
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in anteroposteriorer und in kraniokaudaler Richtung bestimmt (Abb. 5.25). Für die Auswahl des passenden Implantats ist bei Abweichungen, die jedoch allenfalls eine Größe ausmachen, der anteroposteriore Durchmesser relevant. Die gebräuchlichen Cup-Systeme verfügen über Frässchablonen, die anschließend auf die Kalotte aufgebracht werden können. Bei diesem Operationsschritt ist die anatomiegerechte Ausrichtung der Schablone hinsichtlich der korrekten Inklination und Reklination zu beachten. Zur Kontrolle der Inklination der Kalotte gegenüber der Diaphyse, die im Regelfall 130 Grad beträgt, kann neben den topographischen Vorgaben des Collum anatomicum ein Winkelmesser verwendet werden. Die Retroversion von 20–30 Grad kann durch den rechtwinklig im Ellenbogengelenk gebeugten Unterarm kontrolliert werden (Abb. 5.26). Bei den meisten verfügbaren CupModellen wird über die Schablone ein Draht zentral in die GelenkÀäche und durch die Metaphyse in die Gegenkortikalis eingebracht, der zur Zielausrichtung für die ausgewählte Fräse dient (Abb. 5.27). Diese wird über den Draht geschoben und so weit vorgetrieben, bis der Knorpel vollständig entfernt und der subchondrale Knochen freigelegt ist (Abb. 5.28). Es ist beim Fräsvorgang jedoch auch darauf zu achten, dass der Kapsel- und Sehnenansatz der Rotatorenmanschette nicht beschädigt wird. Vor allem bei einem partiellen Kollaps der GelenkÀäche im Rahmen einer Humeruskopfnekrose kann es möglich sein, dass nicht die
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Abb. 5.24. Vollständige Exposition des Humeruskopfes bis zum dorsalen Kapsel- und Sehnenansatz durch maximale Außenrotation
gesamte Hemisphäre der Kalotte vollständig von der Fräse erfasst wird. In diesem Fall müssen der noch verbleibende zentrale Knorpelanteil oder nekrotische Gewebsreste mit dem Luer vollständig entfernt werden. Wichtig ist, dass der vollständige innere Umfang des Cups dem subchondralen Knochen auÀiegt und dass der zentrale Verankerungszapfen zu mehr als 60% von gesundem Knochen umgeben ist. Eventuell verbleibende knöcherne Substanzdefekte im Polbereich der Kalotte können durch eine Spongiosaplastik ausgeglichen werden. Nachdem die äußere Kontur der Epiphyse aufgefräst ist, wird mit unterschiedlichen, von der Form des Verankerungszapfens abhängigen Instrumenten der spongiöse Knochen in der gewünschten
Abb. 5.26. Der rechtwinklig gebeugte Unterarm dient zur Kontrolle der Retroversion
Abb. 5.25. Bestimmung des Kalottendurchmessers mit einer Messschablone
Form (Hohlzylinder, Dreieckszapfen o. Ä.) eröffnet (Abb. 5.29, Abb. 5.30). Freihändig oder über den Zieldraht können anschließend die Probekomponenten in der gefrästen Größe aufgesetzt werden. Bei diesen ist wiederum sorgfältig der Abstand zum Kapsel- und Sehnenansatz am anatomischen Hals zu überprüfen – die Sehnen dürfen in ihrem Insertionsbereich nicht über eine prominente Kante der Cup-Prothese ziehen. Wenn eine transossäre Re¿xation der Subskapularissehne vorgenommen wird, können jetzt durch die spongiöse KnochenÀäche kräftige, nicht resorbierbare Fäden u-förmig über das Tuberculum minus nach außen geführt werden. Anschließend wird die Originalprothese mit ihrem Verankerungszapfen exakt auf
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Operationstechnik
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Abb. 5.29. Vollständiges Freilegen der subchondralen Spongiosa, zentraler Schlitz zur Aufnahme des Zapfens
Abb. 5.27. Ausrichtung der Fräse über einen zentralen Zieldraht
Abb. 5.28. Ausrichtung der Fräse über einen zentralen Zieldraht
den vorbereiteten Schlitz aufgesetzt und über einen Impaktor mit einigen Hammerschlägen in die Tiefe eingeschlagen. Bei diesem Manöver muss die axiale Einschlagrichtung permanent überprüft werden, da es sonst auch nach korrektem Vorfräsen zu einer Verkippung der Cup gegenüber der geplanten und gefrästen Richtung kommen kann. Der Verankerungsstiel und die Kappe müssen Press-¿t in und auf dem Knochen sitzen und dürfen mit der Hand nicht zu lösen sein (Abb. 5.31). Der anatomische Sitz des OberÀächenersatzes wird intraoperativ mit Röntgenbildverstärker überprüft und dokumentiert. Nach der Reposition mit Überprüfung des Gelenkspiels unter den gleichen Kriterien wie bei der konventionellen Humerus-
Abb. 5.30. Sternförmiges Pro¿l des zentralen Verankerungszapfens (Aequalis RH™-Prothese, Fa. Tornier)
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Abb. 5.31. Cup-Prothese nach Implantation mit transossär geführten Fäden zur Re¿xation der distalen Anteile der Subskapularissehne
kopf- oder Totalendoprothese erfolgt die Re¿xation der Subskapularissehne anatomisch, bevorzugt durch Flaschenzugnähte, an ihrem Sehnenstumpf. Falls eine Doppelreihennaht gewünscht ist, müssen die vorgelegten Fäden anschließend in Mason-Allen-Technik durch den freien Sehnenrand gestochen werden. Wenn zusätzlich zu der Cup- eine Glenoidkomponente eingebracht werden soll, so ist dies nach Abtragen der Kranzosteophyten und Auffräsen der Epiphyse, aber vor dem Einschlagen der Originalkomponente vorzunehmen.
5.2.5 Spezielle Komplikationen Um den Humeruskopf vollständig zu exponieren, ist eine starke Außenrotation des Armes durch den Assistenten erforderlich. Bei nicht ausreichendem Weichteil-Release vor allem am proximalen Humerus kann dadurch eine Spiralfraktur des proximalen Humerusschaftes verursacht werden. In diesem Fall ist eine Plattenosteosynthese oder die Verwendung
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einer Langschaftkomponente als Humeruskopfprothese erforderlich. Mindestens 60% des „bone-stock“ müssen erhalten sein, da sonst die Einheilung der Cup-Prothese gefährdet ist und das physiologische Offset des Rotationszentrums nicht rekonstruiert werden kann. Wenn das knöcherne Lager nicht ausreichend ist, besteht die Gefahr, dass das Implantat nicht einheilt oder frühzeitig lockert und disloziert. Wenn die Osteophyten unvollständig entfernt werden, besteht die Gefahr einer Überdimensionierung der Cup-Komponente mit der Folge eines „Overstuf¿ng“ mit Lateralisation des Rotationszentrums. Eine Überdimensionierung des GelenkÀächenersatzes führt zu einer veränderten Kinematik des Glenohumeralgelenkes. Wenn das Originalimplantat nicht exakt in der Richtung des vorpräparierten Schlitzes eingeschlagen wird, kann es bei der relativ weichen spongiösen OberÀäche zu einer Fehlpositionierung der Cups mit Verkippung und überstehenden Prothesenrändern kommen. (Abb. 5.32). Die korrekte Dimensionierung und Ausrichtung der Cup-Prothese sind nicht einfach. Bei unvollständiger Exposition des Humeruskopfes wird der OberÀächenersatz nicht selten zu weit ventral positioniert. Es kommt dann zu dorsal überstehenden Osteophyten und/oder zu einer scharfen Implantatkante, über die ventral die Subskapularissehne reibt. Diese Fehlpositionierung des Implantats ist bei den Röntgenkontrollen in der anteroposterioren Projektion häu¿g nicht erkennbar, wird jedoch in der axialen Aufnahme offensichtlich. Da der Querschnitt der Humerusmetaphyse im Zentrum nicht rund, sondern eher ovalär bzw. birnenförmig ist, stimmen die Ränder der CupProthese, wie auch von konventionellen Kalotten, nur selten vollständig mit den anatomischen Begrenzungen oder mit dem Resektionsrand überein. Zwangsläu¿g steht daher der Rand der Implantate in einigen Fällen, vor allem bei posttraumatischen Arthrosen, in irgendeinem Bereich über, so dass Friktionen der nahe ansetzenden Sehnen am Prothesenrand auftreten, die bis zu sekundären und funktionell relevanten Rotatorenmanschettendefekten führen können. Bei manchen Prothesen ist die Radius-HöhenRelation der Implantate im Vergleich zu der normalen Anatomie der Kalotte niedrig, so dass eine eher zylindrische, bulbusförmige Gestalt des Humerus-
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und zu einer erhöhten Revisionsrate führt, ist bisher nicht erwiesen. Bezüglich neurovaskulären Komplikationen und Wundinfekten sind keine Unterschiede zu der konventionellen Schulterprothese bekannt.
5.2.6 Tipps und Tricks
Abb. 5.32. Fehlpositionierung des OberÀächenersatzes durch Verkippen beim Einschlagen
kopfes resultiert (Abb. 5.33a, b). Durch ein solches „Overstuf¿ ng“ wird das Rotationszentrum lateralisiert und die Kinematik des Gelenkes verändert. Zudem erhöht sich der Druck auf dem Glenoid, so dass, vor allem bei exzentrischen Pfannentypen, mit einer frühzeitigen Erosion gerechnet werden muss. Ob dies aber tatsächlich zu funktionellen Einbußen
Abb. 5.33a, b. Bulbusförmige Gestalt des Humeruskopfes mit „overstuf¿ng“ des Gelenkes. Verlagerung des Rotationszentrums
Eine Tenotomie der langen Bizepssehne mit oder ohne anschließende Tenodese im Sulkus ist zu empfehlen. Einerseits lässt sich dadurch der Humeruskopf intraoperativ besser exponieren, andererseits postoperativ ein mögliches Springen der Sehne über den Prothesenrand vermeiden. Eine Osteotomie des Tuberculum minus zur Ablösung der Subskapularissehne mit anschließender Re¿xation durch Schraubenosteosynthese oder Cerclagen ist nicht empfehlenswert, da dadurch die Epiphyse des proximalen Humerus zusätzlich destabilisiert wird. Es gibt posttraumatische Veränderungen des Humeruskopfes, bei denen eine konventionelle Prothese wegen der Deformierung der proximalen Diaphyse nicht implantiert werden kann. In diesen Fällen stellt die Cup-Prothese einen akzeptablen Kompromiss dar, auch wenn der metaphysäre „bone-stock“ nicht ausreichend erscheint oder wenn keine exakt anatomische Rekonstruktion der GelenkÀäche erreicht werden kann (Abb. 5.34a, b). Alternativ ist in diesen Fällen
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Abb. 5.34a, b. Nichtanatomische Rekonstruktion der humeralen GelenkÀäche bei posttraumatischer Deformität
die Implantation einer schaftlosen Kalottenprothese in Erwägung zu ziehen. Wenn sich durch die pathologischanatomischen Vorgaben ein Überstehen des Implantats über die metaphysäre Kortikalis nicht vermeiden lässt, so sollte dieser Überstand im anteroinferioren Bereich des Humeruskopfes, wo keine sehnigen Strukturen am Knochen inserieren, lokalisiert sein. Bei grenzwertiger Glenoidarthrose vor allem mit beginnender Bikonkavität (Typ B1 nach Walch) ist zusätzlich ein glenoidaler GelenkÀächenersatz zu empfehlen. Dies kann bei schlanken und wenig muskelkräftigen Patienten in frühen Arthrosestadien mit geringer Gelenkkontraktur und einigermaßen erhaltener Rotationsfähigkeit auch in Form einer Hybridkonstellation mit einer Cup-Prothese kombiniert werden (Abb. 5.35a, b). Nach vollständigem Abtragen der humeralen Osteophyten vor allem auch dorsal, einem zirkulären Kapsel-Release und nach sparsamem subperiostalen Ablösen der Latissimusdorsi- und der Teres-major-Sehne von der proximalen Humerusdiaphyse lässt sich der Kopf auch bei erhaltener GelenkÀäche nach dem Fräsvorgang mit einem Fukuda-Retraktor so weit nach dorsal zurückhalten, dass das Glenoid ausreichend exponiert und für die Implantation vorbereitet werden kann. Diese Kombination ist allerdings nur zu empfehlen, wenn die Glenoidkomponente ohne Kompromisse an die Ausrichtung wirklich korrekt einzubringen ist. Falls dies
nicht möglich ist, ist in dieser Operationsphase eine Resektion der Kalotte und der Übergang auf eine konventionelle Totalendoprothese zu empfehlen.
5.2.7 Ergebnisse Die Resultate der Cup-Prothesen wurden bisher in erster Linie indikationsabhängig überprüft und publiziert. Autoren dieser Veröffentlichungen sind überwiegend Entwickler der Implantate oder gehören deren Arbeitsgruppen an. Unabhängige Publikationen mit ausreichender Fallzahl und Beobachtungszeitraum sind bisher selten. Levy u. Copeland (2004) publizierten 5- bis 10Jahres-Ergebnisse ihrer Copeland-Mark-2™-Prothese bei primärer Omarthrose. Der Nachuntersuchungszeitraum betrug 7,6 Jahre. Dabei konnte für die Patienten mit Hemiprothese eine Verbesserung im Constant-Score um 51 auf 91% und für die Patienten mit Totalprothese eine Steigerung von 33 auf 94% erzielt werden. Die durchschnittliche aktive Flexion betrug nach Hemiprothese etwa 130°Grad und die Außenrotation wurde um etwa 40°Grad verbessert. Vier Patienten mussten wegen einer Glenoidlockerung revidiert werden, keiner wegen einer Komplika-
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Abb. 5.35a, b. Hybridkonstellation einer Cup-Prothese mit Glenoidersatz
tion der Cup-Prothese. Von insgesamt 79 Prothesen zeigten drei Glenoid- und eine Humeruskomponente radiologische Lockerungszeichen. Es fehlen allerdings Untersuchungen, die die Ergebnisse nach Hemiendoprothetik mit Cup-Prothesen denen nach konventionellen Schaftimplantaten gegenüberstellen. Vergleichende Studien sind bisher lediglich zu der Fragestellung Hemi- versus Totalendoprothese publiziert. Buchner et al. (2008) verglichen zwei statistisch gematchte Gruppen von Patienten mit idiopathischer Omarthrose ohne ausgeprägte Glenoiderosion nach ausschließlicher Cup- und konventioneller Totalendoprothese. Bei 20 Patienten mit isoliertem OberÀächenersatz kam es nach einem Beobachtungszeitraum von 2 Jahren in 10% der Fälle zu einer sekundären Glenoiderosion, die eine Revision mit Prothesenwechsel auf eine TEP nach sich zog (Abb. 5.36a–c). Auch bei den unrevidierten Gelenken waren die Totalendoprothesen den Cups hinsichtlich Beweglichkeit und Constant-Score überlegen. Über erste Erfahrungen bei der rheumatoiden Arthritis berichteten Rydholm u. Sjögren bereits im Jahre 1993: Sie untersuchten 72 Scan-Prothesen nach durchschnittlich 4,2 Jahren nach und fanden bei 94% der Patienten eine Schmerzverbesserung, 82% waren hinsichtlich der Bewegungsverbesserung zufrieden. Allerdings war die radiologische Lockerungsrate mit 25% hoch, wobei hier hauptsächlich Patienten mit einem Stadium V nach Larsen betroffen waren. Daraus folgerten die Autoren, dass in diesem Sta-
dium auf eine Stielprothese zurückgegriffen werden sollte. Levy et al. (2004) untersuchten 75 Patienten mit rheumatoider Arthritis durchschnittlich 6,5 Jahre nach Implantation eines GelenkÀächenersatzes. 33 Hemiprothesen erreichten im Constant-Score durchschnittlich 71% des alters- und geschlechtsadaptierten Normalwertes, die 42 Totalprothesen waren mit 76% geringfügig besser. 96% der Patienten bewerteten den Zustand der Schulter subjektiv besser als präoperativ. 57% der Prothesen zeigten eine superiore Migration als Hinweis auf eine Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette. Fink et al. (2004) publizierten Ergebnisse von 39 Patienten, durchschnittlich 45 Monate nach Versorgung mit einer Durom-Cup™. Der Constant-Score verbesserte sich in Abhängigkeit vom Zustand der Rotatorenmanschette von präoperativ durchschnittlich 22 Punkten bei intakter Manschette auf 66 Punkte postoperativ und bei rekonstruierter Sehnenmanschette von 20 Punkten auf postoperativ 65 Punkte. Bei massiven, irreparablen Sehnendefekten wurden bei einem Ausgangswert von 18 Punkten postoperativ 57 Punkte erreicht. Alle Schultern waren schmerzfrei, Lockerungen wurden von den Autoren nicht beobachtet. Für die weiteren Indikationen wurden bisher nur Berichte mit kleiner Fallzahl und relativ kurzem Beobachtungszeitraum veröffentlicht Bei der Humeruskopfnekrose wurden gute subjektive und funktionelle Resultate in 80 % der Fälle beschrieben (Raiß et al2009).
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Abb. 5.36a–c. Cup-Prothese nach Instabilitätsarthropathie. (a) 6 Wochen postoperativ, (b) 6 Monate postoperative, zunehmende dorsale Dezentrierung mit Glenoiderosion, (c) Rezentrierung nach Revision, konventionelle TEP
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5.3 Humeruskopfprothese U. Irlenbusch Bei den ersten von Charles Neer (Neer et al. 1982) entwickelten Humeruskopfprothesen handelte es sich um Monoblockimplantate, die zur Versorgung von Humeruskopffrakturen entwickelt worden waren. Später dehnte Neer die Indikationen auf die Omarthrose aus und ermöglichte dadurch eine weite Verbreitung seiner Implantate. Wegen der hohen Variabilität von Form, Größe und Ausrichtung der GelenkÀäche des proximalen Humerus stießen diese aber rasch an ihre
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Grenzen, so dass in der Folge modulare Prothesen (s. Kap. 1 und 3.1) entwickelt wurden. Diese ermöglichten eine bessere Anpassung an die Anatomie. Neben der Retrotorsion konnte in gewissen Grenzen das mediale Offset variiert werden. Mileti et al. (2005) stellten aber keine signi¿kante Überlegenheit der Ergebnisse gegenüber den Prothesen der ersten Generation fest. Eine grundsätzliche Verbesserung wurde erst mit den Prothesen der 3. Generation erreicht, deren erster Vertreter die Aequalis™-Prothese (Fa. Tornier) war. Dieses Implantat erlaubt eine stufenweise Einstellung der Inklination über unterschiedliche Adapter sowie des medialen und dorsalen Offsets über eine exzentrische Positionierung der Kopfkalotte (Boileau u. Walch 1999). Die Notwendigkeit einer individuell verstellbaren Prothese ergibt sich aus den variablen anatomischen Verhältnissen des proximalen Humerus. So weist der Oberarmkopf in Bezug auf die Schaftachse und die Achse des Ellenbogengelenks eine individuell unterschiedliche Inklination und Retrotorsion sowie eine Versetzung des Drehzentrums (kombiniertes mediales und dorsales Offset) nach medial und dorsal auf (Boileau u. Walch 1997; 1999; Heers et al. 2001; Hertel et al. 2002; Irlenbusch et al. 2008b; Irlenbusch u. Irlenbusch 2007; McPherson et al. 1997; Pearl u. Kurutz 1999; Roberts et al. 1991). Die Angaben in den einzelnen Studien variieren erheblich. Von Bedeutung für die Rekonstruktion des Gelenkes ist auch die Tatsache, dass das Schultergelenk ein vorwiegend kraftschlüssig und nicht formschlüssig geführtes Gelenk darstellt. Ein großer Humeruskopf steht einer kleinen und Àachen Gelenkpfanne gegenüber, im Gegensatz z. B. zum Hüftgelenk, bei dem eine große Gelenkpfanne den Hüftkopf umfasst. Insbesondere die Muskeln der Rotatorenmanschette haben deshalb die Aufgabe, den Humeruskopf vor dem Glenoid zu zentrieren, d. h. alle bei der Bewegung des Armes auftretenden Scherkräfte zu neutralisieren und die Resultierende zentral in die Gelenkpfanne einzuleiten. Den passiven Stabilisatoren wie Gelenkkapsel, Bändern und Labrum kommt demgegenüber nur eine relativ untergeordnete Bedeutung zu. Die dynamische Stabilisierung wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sich die Stellung der Gelenkpfanne bei praktisch jeder größeren Bewegung infolge der Rotation der Skapula ändert. Es ist deshalb davon auszugehen, dass nur ein exaktes Zusammenspiel aller Muskeln des Schultergürtels eine optimale Zentrierung des Gelenks und damit die erforderliche
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Stabilität ermöglicht. Das gilt auch nach Implantation einer Schulterendoprothese. Eine suf¿ziente Rotatorenmanschette ist eine unabdingbare Voraussetzung für ein gutes funktionelles Ergebnis. Kleinere Rupturen und reparable Rupturen können allerdings toleriert werden, solange der Kopf zentriert steht und eine Verschmälerung des Subakromialraumes noch nicht eingetreten ist (Edwards et al. 2002; Hedtmann u. Heers 2001). Es ist deshalb anzunehmen, dass beim endoprothetischen Ersatz eines derart komplizierten Gelenks die optimale Beweglichkeit nur erreicht werden kann, wenn es gelingt, die anatomischen Verhältnisse möglichst exakt wieder herzustellen (Hedtmann u. Heers 2001; Irlenbusch et al. 2008a; Irlenbusch u. Irlenbusch 2007). Mit den früher üblichen starren Prothesenmodellen der 1. und 2. Generation konnte es nur zufällig gelingen, die anatomischen Verhältnisse zu rekonstruieren. Häu¿g waren deshalb postoperativ die so genannten „Champignonköpfe“ (Abb. 5.37) zu beobachten, mit allen daraus resultierenden funktionellen Nachteilen. Schlechte funktionelle Ergebnisse sind entweder auf eine Malposition der Komponenten oder auf die Verwendung nichtanatomischer Prothesen zurückzuführen (Harryman et al. 1995; Pearl u. Kurutz 1999). So können eine zu hohe Kopfposition eine Rotatorenmanschettentendinopathie und nachfolgend eine superiore Migration des Kopfes bewirken, die ihrerseits wieder die Lockerung des Glenoids begünstigen. Nyffeler et al. (2004) wiesen gleichfalls auf die Notwendigkeit einer anatomischen Rekonstruktion der Gelenkverhältnisse hin. Ein zu hohes Drehzentrum vermindere den Hebelarm und damit die Kraftentwicklung der Muskeln der Rotatorenmanschette, was wiederum zu einem verminderten Abduktionswinkel führe. Andererseits kann ein zu niedrig implantierter Kopf zu einem Impingement zwischen Tuberculum majus und Akromion führen. Bei einem zu klein gewählten Kopf dagegen können die nicht bedeckten überstehenden Ränder der ResektionsÀäche gegen das Glenoid stoßen und damit eine Lockerung bewirken. Die Implantation ohne Berücksichtigung des posterioren Offsets führt zu einer Verlagerung des Rotationszentrums nach ventral und stört damit das Verhältnis der Hebelarme für die Außenund Innenrotatoren. Außerdem kann die frei liegende dorsale OsteotomieÀäche gegen das Glenoid stoßen und dieses auslockern. Durch einen valgischen oder varischen Sitz der Prothese können ähnliche Effekte und Störungen der Kinematik hervorgerufen werden. Williams et al. (2001) kamen nach Kadaveruntersu-
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Abb. 5.37. Überdimensionierte modulare Humeruskopfprothese der zweiten Generation (Champignonkopf)
chungen zu dem Ergebnis, dass die Rekonstruktion des Offsets in jeder Richtung innerhalb eines Bereichs von 4 mm wünschenswert ist, um funktionelle Einschränkungen zu vermeiden. Die Wiederherstellung des originären Rotationszentrums schafft die Voraussetzungen für eine anatomische Kinematik, verhindert eine erhöhte Spannung der Rotatorenmanschette und vermindert eine exzentrische Pfannenbelastung (Gerber et al. 2001; Nyffeler et al. 2004). In den zurückliegenden Jahren wurden aufgrund dieser Probleme verschiedene Prothesen entwickelt, die sich durch ihre Verstellbarkeit den anatomischen Verhältnissen anpassen lassen. Zwei grundsätzlich unterschiedliche Richtungen sind dabei zu verzeichnen. Bei dem ersten Designkonzept der dritten Prothesengeneration wird über eine exzentrische Rotationsfähigkeit und gleichzeitig dreidimensionale Verstellbarkeit des Kopfes gegenüber dem Schaft
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Operationstechnik
eine Anpassung an die vorgefundenen pathologischanatomischen Verhältnisse angestrebt (Abb. 5.38a, b). Die Resektion der Kopfkalotte erfolgt entlang des anatomischen Halses, soweit die pathologischen Veränderungen eine Identi¿zierung zulassen. Häu¿g erschwert eine AbÀachung/Deformierung des Humeruskopfes das Auf¿nden der Resektionslinie. Eine Wiederherstellung des originären Drehpunktes ist nicht das primäre Ziel dieser Technik, sondern sie erfolgt nur zufällig, da jede Veränderung der Inklination eine Verschiebung des Drehpunktes bewirkt (Abb. 5.39). Einige Hersteller bieten Resektionslehren mit feststehender Inklination an, so dass in diesen Fällen die freie Einstellbarkeit des Kopf-Hals-Winkels lediglich dem „Feintuning“ dient, d. h. der Anpassung an geringfügige Abweichungen der Schnittebene (z. B. durch das Abwandern des Sägeblattes oder die nicht ganz korrekte Ausrichtung der Sägelehre). Die zweite Entwicklungsrichtung zielt darauf ab, über eine doppelt exzentrische Verstellbarkeit des Kopfes den originären Drehpunkt exakt zu rekonstruieren. Dies basiert auf der grundsätzlichen Überlegung, dass eine exakte Rekonstruktion des Drehpunktes nur möglich ist, wenn dem Kalottenelement der Prothese nicht nur Durchmesser und Höhe des Resektats entspricht, sondern auch exakt an die Resektionslinien angepasst wird (Abb. 5.40a, b). Ersteres ist über eine abgestufte Auswahl an Kopfkomponenten zu erreichen, Letzteres nur über eine doppelt exzentrische Lagerung, da dann die Kopfposition in Relation zum Schaft frei Abb. 5.38a, b. Exzentrizität der Kalotte auf dem Schaft durch dreidimensionale Ausrichtung bei unterschiedlichen Prothesenmodellen. (a) Anatomical™, Fa. Zimmer, (b) Univers™, Fa. Arthrex
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wählbar ist (Abb. 5.41). Der Inklinationswinkel dieser Prothesen ist in der Regel nicht variabel, sondern richtet sich nach den anatomischen Mittelwerten. Einschränkend ist allerdings festzustellen, dass die Vor- oder Nachteile des einen oder anderen Prothesensystems zwar theoretisch überzeugend sind, sich aber bisher nicht de¿nitiv durch klinische Ergebnisse bestätigen lassen. Es ist nicht erwiesen, ob die Wiederherstellung des originären Drehzentrums, wie sie eine Prothese mit Doppelexzenter anstrebt, von Vorteil ist oder ob eine einfach exzentrische Verstellmöglichkeit ausreicht. Auch ist nicht entschieden, ob die Anpassung an die pathologische Anatomie (Rekonstruktion des pathologischen Drehpunktes), wie sie mit einer 3DProthese möglich ist, günstigere Resultate ergibt oder nicht. Die Vorliebe bzw. die Überzeugung des Operateurs spielen bei der Auswahl daher eine große Rolle.
5.3.1 Indikationen Die Indikation zur Endoprothesenimplantation besteht bei irreparabler Schädigung der GelenkÀächen durch degenerative, traumatische oder metabolische Ursachen sowie bei Tumoren. Zusätzlich ist der Zustand der Rotatorenmanschette, der schulterführenden Muskulatur insgesamt und der Knochensubstanz in die Entscheidungs¿ndung einzubeziehen (Tab. 5.1).
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serung günstigere Ergebnisse als Hemiprothesen, so dass ihnen der Vorzug zu geben ist. Es sollte deshalb das primäre Ziel sein, eine Totalprothese zu implantieren, wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen (Tab. 5.2). Dies können auch operationstechnische Probleme sein. Es ist im Zweifelsfall besser, eine gute Kopfprothese als eine schlechte Totalprothese zu implantieren!
5.3.2 Operationsplanung
Abb. 5.39. Die Veränderung der Inklination führt zu einer Verlagerung des Drehzentrums, da die Drehpunkte der Prothese und des Humeruskopfes bei den meisten 3D-Prothesen nicht übereinstimmen
Nicht die röntgenologisch sichtbaren Veränderungen, sondern der hoch schmerzhafte Funktionsverlust des Gelenks ist für die Implantation einer Schulterendoprothese entscheidend. Bei degenerativer und rheumatischer Grunderkrankung sollte nicht abgewartet werden, bis neben den arthrotischen Veränderungen der Gelenkkomponenten auch Kontrakturen, Rupturen der Rotatorenmanschette oder eine fettige In¿ltration der Rotatorenmanschettenmuskulatur eingetreten sind. Generell erzielen Totalprothesen sowohl bezüglich der Schmerzlinderung als auch der Funktionsverbes-
Zur Operationsplanung wird eine maßstabgerechte Röntgenaufnahme benötigt. Das Gelenk sollte sich dabei in mittlerer Rotationsstellung be¿nden und die linke Körperseite um 30° angehoben werden (Abb. 5.42). Auf diese Weise wird der im Mittel 25–30° retrograd torquierte Humeruskopf orthograd abgebildet und lässt sich optimal ausmessen. Durch den Abstand zwischen Objekt (Gelenk) und dem Film ergibt sich de facto eine Vergrößerung von etwa 1:1,1. Diese ist in den Planungsschablonen enthalten. Es emp¿ehlt sich, die Konturen des Gelenkes vom Röntgenbild zunächst auf transparentes Papier zu übertragen und erst dort Schaft- und Kopfgröße zu bestimmen. Bei zu starker Kopfdeformation erfolgt die Bestimmung der Kopfgröße anhand einer Röntgenaufnahme der Gegenseite, die aber nur als grobe Orientierung dienen kann. Aufgrund einer kontrakten Weichteilsituation kann es möglich sein, dass von dieser Größe abgewichen werden muss. Die Planung mittels einer Axialaufnahme ist optional zusätzlich möglich und insbesondere bei starken posttraumatischen Kopfdeformierungen sinnvoll, um zu überprüfen, ob die Verstellmöglichkeiten des Systems eine ausreichende Anpassung erlauben. Für die Implantation einer Glenoidkomponente ist diese Aufnahme unerlässlich. Falls sie technisch bedingt nicht durchführbar ist, sollte ein CT angefertigt werden.
5.3.3 Operationstechnik Als Hautschnitt ist eine Inzision vom Processus coracoideus in Richtung vordere Achselfalte, die bei Bedarf in die Axilla hinein verlängert werden kann,
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Abb. 5.40a, b. Doppelexzenterprothese (Af¿nis™, Fa. Mathys): (a) zementfreie Kopfprothese nach Humeruskopfnekrose; (b) zementierte Totalprothese nach primärer Omarthrose
zu empfehlen (s. Kap. 5.1). Dieser Zugang ist etwas größer, als wenn er direkt über dem Sulcus deltoideopectoralis liegen würde. Er führt aber zu zarteren Narben und er liegt kosmetisch günstiger, so dass er häu¿g sogar unter ärmellosen Kleidungsstücken verborgen werden kann. Die Durchtrennung der Muskulatur erfolgt vorwiegend stumpf im Sulkus unter
Abb. 5.41. Projektion der Rotationszentren in die Osteotomieebene (Af¿ nis-Multicenterstudie; n = 121; die Berechnung erfolgte aus der Position des Prothesenkonus und des Kopfexzenters; Zeichnung nicht maßstabgerecht): Im Mittelpunkt liegt das Rotationszentrum einer Prothese der 1. oder 2. Generation ohne Einstellmöglichkeit. Die Rotationszentren einer Prothese mit einem einfachen Exzenter be¿nden sich auf einer Kreisbahn, hier beispielhaft mit einem Radius von 3 mm. Die Drehpunkte innerhalb und außerhalb des Kreises sind nur mit einem doppelexzentrischen Einstellmechanismus rekonstruierbar
Schonung der V. cephalica, die nach medial mobilisiert wird. Anschließend ist eine Mobilisation des gesamten subakromialen Gleitraums erforderlich, anderenfalls kann eine unzureichende postoperative Beweglichkeit resultieren. Bei stärkeren Verwachsungen, insbesondere bei voroperierten Patienten, ist dies vielfach nur scharf möglich. Durch unterschiedliche Rotationsstel-
lateral
mm +6
n=6–10 n=5
+5 +4 +3 +2 +1
ventral
dorsal
Anzahl der effektiven Rotationszentren
0 -1 -2 -3 -4 -5 -6
n=4 n=3 n=2 n=1
Kreisbahn einstellbarer Kopfmittelpunkte einer Prothese mit einfachem Exzenter (±3mm)
Prothesenmittelpunkt mm +3
0 medial
-3
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Tabelle 5.1. Indikationen zum Gelenkersatz Ɣ Primäre Omarthrose Ɣ Rheumatische Grunderkrankung – Instabilitätsarthrose/„dislocation arthropathy“, „capsulorrhaphy-arthropathy“ – Rotatorendefektarthropathie/„cuff tear arthritis“ – Postinfektiös (hämatogen, posttraumatisch, iatrogen) – Chondromatose – Metabolische Erkrankungen Ɣ Humeruskopfnekrose – Primär – Sekundär (z. B. posttraumatisch, nach Zytostatikatherapie) Ɣ Frakturen und Frakturfolgen: „chronische Traumaschulter“ = „fracture sequelae“ Ɣ Tumoren
lungen des Armes gelingt es, alle relevanten Bereiche darzustellen und zu mobilisieren. Eine Akromioplastik mit Durchtrennung des Lig. coracoacromiale ist nicht erforderlich und sollte im Hinblick auf das Langzeitergebnis wegen der Gefahr des sekundären Versagens der Rotatorenmanschette mit Migration des Kopfes nach anterosuperior unterbleiben. Als nächster Schritt werden die korakobrachiale Muskelgruppe mobilisiert und die Subskapularissehne freipräpariert. Hierbei erfolgt regelmäßig eine Identi¿zierung des N. axillaris. Nach ihrer Ablösung (s. Kap. 5.1) wird die Subskapularissehne mit kräftigen Haltefäden armiert (Abb. 5.43). Durch deren Anspannung können spätere Repositionsmanöver oder auch das
U. Irlenbusch
Einsetzen von Pfannenrandhaken erleichtert werden. Bei kontrakten Verhältnissen kann zusätzlich eine juxtaglenoidale Kapsulotomie mit Resektion der degenerativ veränderten Labrumreste erforderlich werden. Anschließend wird die Mobilisation des M. subscapularis in seiner gesamten Zirkumferenz fortgeführt, die auch eine Durchtrennung der korakohumeralen Bänder umfasst. Falls dies noch nicht ausreichend ist, z. B. bei Implantation einer Gelenkpfanne, können jetzt oder zu einem späteren Operationszeitpunkt eine Tenotomie der langen Bizepssehne (bei jüngeren Erwachsenen sollte eine Fixation der Sehne im Sulcus intertubercularis durchgeführt werden), humerale Kapsulotomie, eine Tenotomie der Pectoralis-major-Sehne und eine partielle Ablösung des Deltoideus von seinem klavikulären Ursprung (ggf. mit Knochenlamelle) erfolgen. Jetzt erfolgt die Luxation des Gelenkes, wobei ein stumpfer Hohmann-Hebel axillär und ein zweiter hinter den Humeruskopf gesetzt wird. Mit diesen Hebeln wird der Kopf bei gleichzeitiger Außenrotation des Armes über den hinteren Pfannenrand „gehoben“, falls dort Verhakungen bestehen sollten. Anschließend wird der Arm retrovertiert, bis eine senkrechte Position erreicht ist. Die Exposition des Humeruskopfes wird durch einen spitzen Hohmann-Hebel erleichtert, der am Tuberculum majus um den anatomischen Hals geführt wird und die Supraspinatussehne beiseite hält. Zum Abschluss der Exposition sollte der Humeruskopf frei zugänglich sein. Hierzu muss der Oberarm senkrecht in 30° Außenrotationsstellung gebracht werden können. Durch die Benutzung von Lagerungs-
Tabelle 5.2. Indikation zur Hemi-/Totalendoprothese Humeruskopfendoprothese
Totalendoprothese
Schlechte Knochensubstanz
Ɣ Gute Knochensubstanz
Ɣ Intakter Knorpelbelag
Ɣ Knorpelverlust
Ɣ Irreparable Rotatorenmanschettenruptur mit ¿xierter Migration
Ɣ Intakte Rotatorenmanschette oder reparable Ruptur
Ɣ Retrotorsion über 25 Grad
Ɣ Retrotorsion unter 25 Grad
Ɣ Konzentrisches Glenoid Ɣ Straffes Gelenk mit Gefahr des „overstuf¿ng“ Vorteile: Ɣ Einfaches Verfahren
Ɣ Bessere Schmerzlinderung
Ɣ Vermeidung der Risiken, die mit Glenoidlockerung verbunden sind
Ɣ Bessere Beweglichkeit
Cave: Ɣ Gefahr der sekundären Glenoidarrosion/-arthrose
Ɣ Gefahr der Lockerung der Glenoidkomponente
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Abb. 5.42. Korrekte Röntgeneinstellung zur Planung einer Humeruskopfprothese („True-a. p.“-Projektion)
Abb. 5.43. Juxtaglenoidales Kapsel-Release und 360°-GradTenolyse der Subskapularissehne zur Mobilisation des Schaftes bei kontrakten Verhältnissen
hilfen oder eines so genannten Schultertisches wird dies sehr erleichtert. Die folgende Darstellung der Operationstechnik erfolgt exemplarisch am Beispiel einer Humeruskopfprothese der 3. Generation (Variante 1), der Aequalis™-Prothese (Fa. Tornier) und eines Implantates der 4. Generation (Variante 2), der Af¿nis™-Prothese (Fa. Mathys).
dargestellt werden kann. Ansonsten besteht bei der nur zweidimensional orientierten Resektion die Gefahr, dass die Retroversion vernachlässigt oder der dorsale Ansatz der Rotatorenmanschette durch die Osteotomie beschädigt wird. In der Regel erfolgt die Resektion bei Beachtung der anatomischen Landmarken mit einer Inklination von 130 Grad und einer Retroversion von 20–30 Grad. Die Problematik besteht darin, dass die anatomischen Grenzen nicht in jedem Fall eindeutig bestimmt werden können. Die Festlegung der Resektionsebene erfolgt dann mehr oder weniger willkürlich, wobei der Erfahrung des Operateurs eine große Rolle zukommt. Bei starker Deformierung des Humeruskopfes kann der im Ellenbogengelenk rechtwinklig gebeugte Unterarm als Hilfsebene und Zeiger für die Retroversion der Osteotomie dienen (Abb. 5.45). An der resezierten Kopfkalotte kann jetzt die präoperativ ausgemessene Implantatgröße kontrolliert werden. Nach der GelenkÀächenosteotomie erfolgt die Eröffnung des Markraumes mit einem Pfriem über den „speziellen Eintrittspunkt“. Dieser Punkt markiert den Eintritt in den Markraum des Humerusschaftes und
5.3.3.1 Variante 1 Bei der anatomischen GelenkÀächenresektion müssen zunächst die Kranzosteophyten mit Meißel und Luer vollständig ventral, kaudal und dorsal abgetragen werden, damit das Collum anatomicum eindeutig identi¿ziert werden kann. Als nächster Schritt erfolgt die GelenkÀächenresektion mit einer oszillierenden Säge, „freihändig“ exakt im Collum anatomicum mit einem Abstand von 3–5 mm von den Kapselansätzen (Abb. 5.44). Dabei ist darauf zu achten, dass der Humeruskopf vollständig luxiert wird, damit der dorsale Kapselansatz exakt
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Abb. 5.44. Freihändige Resektion der GelenkÀäche nach Abtragen der Kranzosteophyten exakt im Collum anatomicum
liegt ventral und lateral vom Mittelpunkt der epiphysären ResektionsÀäche. Anschließend wird die Präparation des Markraums mit unterschiedlich großen Ahlen entsprechend der im Röntgenbild ausgemessenen Weite ausgeführt. Danach wird ein Messinstrument in den Markraum eingeführt (Abb. 5.46), mit dem die Inklination der Osteotomie gegenüber der Schaftachse abgemessen werden kann, um den entsprechenden Probeschaft zu bestimmen. Anschließend erfolgt die weitere Präparation des Markraums mit den prothesenspezi¿schen Raspeln. Beim Einschlagen der Schaftraspel muss sowohl die
Abb. 5.45. Der im Ellenbogengelenk rechtwinklig gebeugte Unterarm dient als Hilfsebene für die Retroversion der GelenkÀächenresektion
U. Irlenbusch
Ausrichtung parallel zur Markraumachse als auch die Retrotorsion beachtet werden. Dazu wird zunächst freihändig, oder falls vorhanden mit einer Retrotorsionslehre eine Markierung auf der OsteotomieÀäche angebracht, an der der Operateur die Rotation der Raspel während des Einschlagens kontrollieren kann. Bei einigen Modellen kann der Retrotorsionswinkel zusätzlich über die Stellung eines Peilstabes am Einschlaginstrument im Verhältnis zur Unterarmachse kontrolliert werden. Die Raspel wird bis zu der für die jeweilige Inklination spezi¿schen Markierung eingeschlagen und anschließend entfernt. Es erfolgt das Zusammenstecken des Probeschafts mit dem Inklinationsadapter (Abb. 5.47) und das Einbringen des Implantats in den Markraum. Auf den Konus wird jetzt die passende Kalottenkomponente aufgebracht und nach dem Wählscheibenprinzip so lange gedreht, bis die passende Position gefunden ist, in der die Kalotte der ResektionsÀäche optimal aufsitzt. 5.3.3.2 Variante 2 Bei anderen Prothesentypen, u. a. bei der dargestellten Af¿ nis™-Prothese, erfolgt die zentrale Eröffnung der Markhöhle vor Resektion der Kopfkalotte unter Berücksichtigung des medialen und dorsalen Offsets mit Pfriem oder Bohrer (Abb. 5.48). Hierzu kontrolliert man die Lage des Humerusschafts durch Palpation und, sofern möglich, visuell in zwei senk-
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Operationstechnik
Abb. 5.46. Messgerät zur Bestimmung der Inklination. Dieses muss orthograd (nicht varisch oder valgisch) in den präparierten Markraum eingebracht werden
recht zueinander stehenden Ebenen. Hilfsweise wählt man einen Punkt leicht lateral und ventral der höchsten Kopferhebung oder etwa 0,5–1 cm lateral und dorsal des Sulcus bicipitalis. Anschließend werden Markraumbohrer aufsteigenden Durchmessers eingeführt, bis der letzte schlüssig und zentral in der Markhöhle sitzt. Ein Anfräsen der Kortikalis sollte unterbleiben. Jetzt kann noch einmal kontrolliert werden, ob die Achse des Markraumbohrers parallel zur Schaftachse verläuft oder z. B. varisch abweicht. Danach wird die Resektionslehre am Markraumbohrer befestigt. Die Retrotorsion wird entsprechend der anatomischen Verhältnisse eingestellt. Dazu wird ein
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Abb. 5.47. Probeschaft und Inklinationsadapter werden zusammengesteckt und in den Markraum eingebracht
bogenförmiger Tastfühler durch den Schlitz der Sägelehre kranial um den Humeruskopf herumgeführt und an den anatomischen Hals angelegt (Abb. 5.49). In dieser Stellung wird der Sägeblock mit zwei Pins befestigt. Zusätzlich dient der Kontrolle der Retrotorsion ein Peilstab, der zum rechtwinklig gebeugten Unterarm einen Winkel von 30° und zur Epikondylenachse von ca. 20° aufweist. Die Pins werden zunächst in die distale Lochreihe eingebohrt. Falls erforderlich, kann so später eine Nachresektion im Abstand von 2 mm erfolgen. Nach Entfernung des Markraumbohrers und der Halterung erfolgt die Osteotomie.
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Abb. 5.48. Eröffnung der Markhöhle unter Beachtung des dorsomedialen Offset des Humeruskopfes. Das Zentrum des Humeruskopfes ist gegenüber der Schaftachse nach dorsal und medial verlagert
Abb. 5.49. Befestigung der Resektionslehre an dem zentral in den Humerusschaft eingebrachten Markraumbohrer. Tastfühler zur Bestimmung der Retrotorsion kranial um den anatomischen Hals herumgeführt
Danach wird die Markhöhle schrittweise mit Raspeln steigender Größe aufgeraspelt, bis, entsprechend der präoperativen Planung, die richtige Größe und ein schlüssiger Sitz err eicht sind. Die letzte Raspel dient als Probeschaft (Abb. 5.50). Ihre Größe entspricht derjenigen des zu implantierenden Prothesenschafts. Falls die letzte Raspel um mehr als eine Größe von der präoperativen Planung abweicht, sollte die Achsausrichtung überprüft werden. Die Dimensionierung der Prothesenschäfte berücksichtigt bei der zementfreien Variante das notwendige Press-¿t und bei der zementierten Variante den Zementmantel. Falls eine Pfannenimplantation beabsichtigt ist, wird jetzt das Einschlaginstrument von dem Probeschaft entfernt und eine in zwei Größen vorhandene und exzentrisch einstellbare Schutzplatte aufgesetzt. Im Falle der ausschließlichen Implantation einer Kopfprothese wird nach dem Entfernen des Ein-
schlaginstruments die Schnittebene kontrolliert und gegebenenfalls eine geringfügige Nachresektion über der liegenden Probeprothese vorgenommen. Im Anschluss wird der Schaft mit dem verschiebbaren Konus komplettiert (Abb. 5.51). Jetzt wird die anatomische Kopfposition unter Zuhilfenahme einer transparenten Einstellscheibe bestimmt. Dazu muss die Schraubverbindung des Konus gelöst und die exzentrisch verstellbare Scheibe so weit verschoben und gedreht werden, bis eine optimale Abdeckung der ResektionsÀäche erreicht ist (Abb. 5.52a). In dieser Stellung wird der Konus mittels der Schraubverbindung ¿xiert und die gefundene Winkelposition notiert (Angabe erfolgt von 1–12 Uhr). Die ermittelte Position sollte durch das Aufsetzen einer Probekalotte kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden (Abb. 5.52b). Dabei erfolgt auch die de¿nitive Bestimmung der Kopfgröße. Bei korrektem Vorgehen stellt sich die angestrebte Höhendiffe-
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Abb. 5.51. Komplettierung des Probeschaftes mit dem verschiebbaren Konus
Abb. 5.50. Markraumraspel mit Peilstab zur Orientierung und Kontrolle der Retrotorsion. Die letzte Raspel dient gleichzeitig als Probeschaft
renz zischen Kalotte und Tuberculum majus von ca. 5 mm automatisch ein. Der große Verstellbereich der Prothese und die Möglichkeit zur völlig freien Positionierung der Kopfkalotte erleichtern die Anpassung. 5.3.3.3 Varianten 1 und 2 Jetzt ist eine Probereposition zu empfehlen, wobei die Zentrierung des Kopfes, die Beweglichkeit (bis 90° Abduktion) und die Verschieblichkeit des Kopfes gegenüber der Pfanne überprüft werden. In kraniokaudaler Richtung sollte bei leichtem Zug ein Finger zwischen Kopf und Akromion passen. Bei provisorisch ¿xiertem M. subskapularis sollte eine ventrodorsale Translation von ca. 15 mm ohne Luxationsgefahr möglich sein. Für eine optimale Spannung der Weichteile spricht auch, wenn der Kopf nach dem Verschieben zum Pfannen-
rand von selbst in das Zentrum zurück gleitet. Auch eine Verschieblichkeit von 1/3 Kopfdurchmesser nach dorsal, ventral und kaudal ist als optimal anzusehen. Falls die beschriebenen Parameter nicht erreicht werden, muss das Weichteil-Release fortgesetzt werden. Eine Prothese luxiert nicht weil zu viel, sondern weil zu wenig mobilisiert wurde! Im Anschluss wird das Gelenk luxiert, der Probekopf entfernt, das Einschlaginstrument aufgeschraubt und der Schaft entfernt. Am Tuberculum minus werden transossäre Verankerungsfäden vorgelegt und im spongiösen Knochenlager versenkt, damit sie beim Einschlagen der Prothese nicht beschädigt werden (Abb. 5.53). Die an der Probeprothese bestimmte Position der Kalotte, die Retroversion bzw. die Exzenterwerte für die Kopfkalotte und den Konus werden anschließend auf das Originalimplantat übertragen. Bei verschiedenen Prothesenmodellen wird die Originalkalotte einfach in der entsprechenden Position auf den Originalschaft aufgesteckt und mit einem dosierten Hammerschlag impaktiert. Bei anderen Modellen existieren Schrauboder Klemmverbindungen, die entsprechend den Montageanleitungen ¿xiert werden müssen. Die zementfreie Prothese wird von Hand in den Schaft eingeführt und danach durch leichte Schläge auf den Kopfeinschläger so weit versenkt, bis der Kopf der Osteotomieebene auÀiegt. Bei Verwendung einer zementierten Prothese sind die üblichen Kriterien der modernen Zementiertechnik, einschließlich der Verwendung eines Markraumstoppers zu beachten. Im Hinblick auf später evtl. erforderliche Revisionen ist be-
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Abb. 5.52a, b. Bestimmung der exzentrischen Kopfposition: (a) Verdrehen der Einstellscheibe und Verschieben des Konus bis eine optimale Abdeckung der ResektionsÀäche erreicht ist; (b) Kontrolle mittels Probekopf in passender Größe und Position
sonderer Wert darauf zu legen, dass das Verschiebestück und die Gewindelöcher zur Aufnahme des Setz- bzw. Entfernungsinstrumentes nicht von Zement bedeckt werden. Bei zementfreier Implantationstechnik ist bei
guten knöchernen Verhältnissen eine Abkürzung der Operation durch Umgehung der Probeimplantate möglich. Die Bestimmung der exzentrischen Kopfposition erfolgt in situ an den Originalimplantaten. Nach Reposition des Gelenks und sorgfältiger Wundspülung erfolgt die Reinsertion der Subskapularissehne mittels der vorgelegten Fäden (Abb. 5.54a, b). Der beschriebene Zugang erlaubt eine großÀächige Anlagerung mittels „double-row repair“ und damit optimale Einheilung der Sehne. Zusätzliche Adaptionsnähte, besonders am Übergang zur Supraspinatussehne und zum Verschluss des Rotatorenintervalls, sind erforderlich. Nach der Reinsertion sollte die Außenrotation des Armes über die Neutralstellung hinaus möglich sein. Bei kontrakten Verhältnissen ist eine Verlängerung der Subskapularissehne bis zu einem Zentimeter möglich (entsprechend einem Außenrotationsgewinn von etwa 20°). Allerdings besteht dann durch die ausgedünnte Sehne die Gefahr einer sekundären Sehnenruptur.
5.3.4 Tipps und Tricks
Abb. 5.53. Vorlegen der transossären Fäden durch das Tuberculum minus zur Re¿xation der Subskapularissehne in Zweireihentechnik
Die Schilderung der Implantationstechnik einer modernen Prothese der 3. und 4. Generation erscheint zunächst verwirrend und kompliziert. Tatsächlich ist die Implantation aber einfacher als bei einem modularen System der 2. Generation, da sich durch die fast fugenlose Anpassung an die komplizierte Anatomie des proximalen Humerus die einführend genannten Kriterien zur optimalen Positionierung des Implan-
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Abb. 5.54a, b. Reinsertion der Subskapularissehne mittels „double row repair“: (a) Die transossär vorgelegten Fäden wurden bereits medial der Armierungsfäden des Sehnenrandes durch die Subskapularissehne geführt ( links); (b) Die transos-
sären Fäden sind bereits geknüpft. Für die laterale Knotenreihe werden die Armierungsfäden der Subskapularissehne benutzt, die durch den Sehnenansatz, das Periost, das Dach des Sulkus intertuberkularis und die lange Bizepssehne geführt werden
tats und zum Weichteil-Balancing fast mühelos einhalten lassen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch ein unerfahrener Operateur mit einer niedrigen jährlichen Operationsfrequenz mit den modernen Prothesen bessere Ergebnisse erzielen kann, als mit einem konventionellen modularen System der 1. oder 2. Generation. Wirth et al. (2007) implantierten bei 25 Leichenpräparaten eine Schulterprothese der dritten Generation und fanden eine exaktere Rekonstruktion des Humeruskopfdrehpunktes mit diesem Prothesenmodell als in früheren Untersuchungen. Weiter ist zu beachten, dass die sekundäre Frakturversorgung durch die Verstellmöglichkeiten wesentlich erleichtert wird (Irlenbusch et al. 2008b). Die Anpassung des Implantates an die in Fehlstellung verheilten Fragmente ermöglicht es oft, dass das Tuberculum majus und minus nicht mobilisiert werden müssen (Abb. 5.55a–c). Damit wird die Funktionsfähigkeit der Rotatorenmanschette nicht gefährdet, so dass auch in diesen Fällen leichter günstigere Resultate zu erreichen sind, als beim klassischen Vorgehen. Als Hinweis ist zu beachten, dass generell die Tendenz besteht, die Kopfkalotte eher zu groß als zu klein auszuwählen. Bei Implantation einer Totalendoprothese sollte die Kopfgröße nach der Implantation des Glenoids nochmals überprüft werden, um ein „overstuf¿ng“ zu vermeiden. Bei regulärem Vorgehen besteht diese Gefahr kaum, da man nach der Implantation
des Probeschaftes zunächst die Pfanne präparieren und implantieren wird und erst danach die Bestimmung der Kopfgröße und der Exzenterposition erfolgt.
5.3.5 Komplikationen (s. auch Kap. 12) 5.3.5.1 Frühkomplikationen Intraoperative Komplikationen werden mit einer Rate bis zu 12% angegeben, darunter periprothetische Frakturen mit 1,4% und neurogene Störungen mit 4%. Gefäßverletzungen sind sehr selten und meist temporär. Postoperative Luxationen werden zwischen 4 und 38% beschrieben. Subluxationen infolge einer Atonie des Deltamuskels und der Muskeln der Rotatorenmanschette würden 2 Wochen postoperativ in 60% der Fälle bestehen, sich aber im weiteren Verlauf meist spontan normalisieren (aus eigener Erfahrung kann dieser hohe Wert nicht bestätigt werden). Generell besteht bei der Exposition des Humeruskopfes durch Außenrotation am Unterarm, infolge der langen Hebelverhältnisse, das Risiko einer Spiralfraktur des Humerusschaftes. Die Gefahr lässt sich aber durch ein ausgiebiges primäres Kapsel-Release, vorsichtige Manipulationen und den gezielten Einsatz
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Abb. 5.55a–c. Demonstration der Kopfverschieblichkeit nach (a) lateral, (b) medial, (c) sekundäre Frakturversorgung mit einer zementierten Kopfprothese ohne Mobilisation der in Fehlstellung verheilten Tuberkula
von Hohmann-Hebeln in der beschriebenen Weise reduzieren. 5.3.5.2 Spätkomplikationen Die wichtigste Komplikation stellt die aseptische Glenoidlockerung dar. Diese ist derzeit als der limitierende Faktor in der Schulterendoprothetik anzusehen. Sowohl die Häu¿gkeit als auch der Zeitpunkt des Auftretens radiologischer Lysesäume („radiolucent lines“) hängt von der Emp¿ndlichkeit der angewandten Untersuchungsmethode ab (konventionelles Röntgen, CT, Stereophotogrammetrie). Sie sind in bis zu 94% der Fälle zu beobachten. Klinisch manifest, d. h. revisionspÀichtig, sind dagegen wesentlich weniger Pfannenlockerungen. Die Angaben schwanken hierzu in der Literatur zwischen 5 und 15%. Auch klinische Tests würden sich zum Nachweis eignen, da nach einer anfänglichen postoperativen Verbesserung ein Abfall in verschiedenen Scores zu beobachten sei. Die Schaftlockerung ist dagegen von untergeordneter Bedeutung. Allerdings wird ein Knochenabbau im Bereich des proximalen Humerusschaftes infolge Stress Shielding zwischen 9 und 56% beschrieben. Diese Angaben können aber nicht verallgemeinert werden, da sie in starkem Maße implantatabhängig sind. Die Gefahr der sekundären Glenoidarthrose/-arrosion nach Implantation einer Kopfprothese ist im Langzeitverlauf gegen die drohende Glenoidlockerung nach Implantation einer Totalprothese abzuwä-
gen. In Abhängigkeit von der Nachuntersuchungszeit wird die Häu¿gkeit zwischen 42 und 72% angegeben. Eine sekundäre Glenoidimplantation wird dagegen nur in 5,1% der Fälle erforderlich. Sekundäre Rupturen der Rotatorenmanschette werden mit 4,6% angegeben. Häu¿ger sind Dezentrierungen des Gelenkes mit anterosuperiorer Migration des Humeruskopfes infolge eines Versagens der Rotatorenmanschette mit 22%. Dieser Zustand führt zu einem deutlichen Funktionsverlust. Tiefe Infektionen seien mit einer Häu¿gkeit bis zu 3,9% und heterotope Ossi¿kationen bis zu 15% zu erwarten.
5.3.5 Ergebnisse (s. auch Kap. 12) Die Überlebensrate von Hemiprothesen (KaplanMeier-Kurve) wird nach 7,5 Jahren mit ca. 96%, die der Totalprothesen mit 70% angegeben. In einer anderen Arbeit betrug die Überlebensrate nach 6,5 Jahren für das Kriterium „Prothesenrevision“ 91%, für „Lockerung“ 84% und für das Kriterium „Constant-Score unter 30 Punkte“ 58%. Die Operationstechnik, Ergebnisse und Standzeit moderner Prothesensysteme haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, so dass die früher gängigen Vorbehalte als überholt anzusehen sind. Allerdings muss eindeutig darauf hingewiesen
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Operationstechnik
werden, dass die erzielbaren Ergebnisse in starkem Maße von der Operationsindikation und dem pathologisch-anatomischen Ausgangsbefund abhängen. Die Darstellung der Resultate erfolgt im Einzelnen in Kap. 13. Während bei primärer Arthrose und Humeruskopfnekrose oftmals eine über dem Altersdurchschnitt liegende Funktion erreicht werden kann, lässt die Implantation bei Rheumatoidarthritis, Rotatorenmanschettendefekten, Frakturen und posttraumatischen Zuständen von vornherein lediglich ein begrenztes Ergebnis erwarten. In diesen Fällen kann oft eine absolut nur geringe, für den einzelnen Patienten aber umso bedeutendere Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung erreicht werden. Die Indikation zu dem Eingriff ist deshalb sehr individuell zu stellen und kann auch bei einer voraussichtlich nur relativ geringen Verbesserung sinnvoll sein. Charles Neer prägte bereits 1982 für diese Gruppe den Begriff der „limited goal group of rehabilitation“.
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5.4 Glenoidersatz M. Loew
5.4.1 Indikationen Die Differentialindikation zwischen Humeruskopfersatz (Hemiendoprothese, HEP) und Totalendoprothese (TEP) des Glenohumeralgelenkes wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Nach Angaben der Hersteller¿rmen kommen in Deutschland auf zehn implantierte Humeruskopfprothesen lediglich zwei bis drei Glenoidkomponenten. In den USA wurden demgegenüber im Jahre 2004 nach Angaben der AAOS (Setter et al. 2005) von etwa 20.000 Schulterendoprothesen etwa 50% mit Glenoidersatz vorgenommen. In verschiedenen Publikationen ist postuliert worden, dass bei degenerativen
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Schultererkrankungen, vor allem bei der Omarthrose mit Glenoiderosion, Totalendoprothesen bezüglich Schmerzbefreiung und Funktion zu besseren Ergebnissen führen als Hemiendoprothesen (Bishop u. Flatow 2005; Buchner et al. 2008; Gartsman et al. 2005; Walch et al. 1999). Es gibt bisher jedoch noch keine umfangreichen, prospektiven und multizentrischen Studien, die statistisch signi¿kante Unterschiede belegen konnten. Ungeklärt ist auch weiterhin die qualitative und quantitative Bedeutung von Lysesäumen und Lockerungsraten der Glenoidkomponenten im Langzeitverlauf. Die Entscheidung für oder gegen die Implantation einer TEP mit Humeruskopf- und Glenoidersatz richtet sich in erster Linie nach der Betroffenheit der glenoidalen GelenkÀäche, an deren Ausrichtung und an der Beschaffenheit des knöchernen Lagers im Bereich des Skapulahalses. Bei der Omarthrose kommt es durch die Deformierung der GelenkÀächen und die Weichteilkontraktur zu einer Dezentrierung des Humeruskopfes nach dorsal und im Verlauf zu einer exzentrischen Glenoiderosion, die sich in einer verstärkten Retroversion und/oder Bikonkavität der glenoidalen GelenkÀäche äußert. Walch et al. (1999) führten eine Klassi¿kation der charakteristischen Glenoiddeformitäten ein (Abb. 5.56), bei denen die Typen A1 und A2 einem konzentrischen Glenoidaufbrauch, die Typen B1 und B2 einer exzentrischen Glenoiderosion mit Bikonkavität und TypC einer kongenitalen Glenoiddysplasie entsprechen. Vor allem bei den Typen B2 und C kommt es zwangsläu¿g zu einer Dezentrierung des Humeruskopfes nach dorsal aus der Schulterpfanne. Nach der derzeitigen Datenlage führt der alleinige Humerus-
Abb. 5.56. Klassi¿ kation der Glenoidarthrose nach Walch. Bei den Typen A1 und A2 ist der Humeruskopf im Glenoid zentriert, die Erosion erfolgt zentral. Zunehmend exzentrischer Abrieb der Schulterpfanne nach dorsal mit Bikonkavität bei Typ B2. TypC stellt eine relativ seltene dysplastische Variante mit primärer Retroversion des Glenoids dar. (Aus Walch 1999a)
M. Loew
kopfersatz bei den Typen B und C zu schlechteren Ergebnissen, so dass in diesen Fällen eine Korrektur der Deformität oder der Ausrichtung durch Implantation einer Glenoidkomponente empfohlen wird (Bishop u. Flatow 2005; Edwards et al. 2003; Nyfeller et al. 2006a; Walch et al. 1999). Aber auch bei A2-Glenoiden sind die Resultate nach einem einfachen GelenkÀächenersatz des Humeruskopfes denen nach Implantation einer TEP unterlegen (Buchner et al. 2008). Von wesentlicher Bedeutung für die Kinematik des Gelenkes ist die korrekte Ausrichtung der Schulterpfanne in Neutral- oder leichter Anteversion. Biomechanische Arbeiten von Shapiro et al. (2007) haben gezeigt, dass das Einbringen der Glenoidkomponente in Retroversion zu einer erheblichen Fehlbelastung des Gelenkes führt, so dass ein exzentrischer Glenoidabrieb, eine Dezentrierung des Humeruskopfes und eine frühzeitige Lockerung der Glenoidkomponente zu erwarten sind. Als alternatives Verfahren wird vor allem bei jüngeren Patienten mit bikonkaver Glenoidform in Einzelfällen in Erwägung gezogen, die Schulterpfanne konzentrisch zu fräsen und auf die Implantation einer Glenoidkomponente zu verzichten („Ream and Run“). Lynch et al. (2007) verglichen in einem kleinen Kollektiv die Resultate nach entsprechend modi¿zierter Hemiarthroplastik mit Ergebnissen nach Totalendoprothesen und berichteten über vergleichbare funktionelle Ergebnisse. Bei präoperativ exzentrischer Glenoiderosion wurde allerdings in einem Drittel der Fälle postoperativ im Verlauf das gleiche Röntgenphänomen beobachtet; bei diesen Patienten war die Funktion signi¿kant schlechter als bei konzentrischen Glenoiden.
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Aber auch bei physiologischer Ausrichtung der Schulterpfanne ist bei stärkerer Osteoporose oder ausgeprägten subchondralen Glenoidzysten (Abb. 5.57) nach Humeruskopfprothese ein frühzeitiger Glenoidabrieb mit Verschlechterung der initialen Gelenkfunktion zu befürchten. Auch in diesen Fällen ist ein GelenkÀächenersatz der Schulterpfanne empfehlenswert. Limitierend für den Glenoidersatz ist die Beschaffenheit des knöchernen Lagers („bone stock“) im Skapulahals. Bei ausgeprägten erosiven Veränderungen mit Substanzverlust oder bei dysplastischen Glenoidformen kann das Verankern der Pfanne im Skapulahals schwierig und in Ausnahmefällen sogar unmöglich sein (Abb. 5.58). Der am häu¿gsten limitierende Faktor in der Entscheidungs¿ndung ist jedoch die fehlende Erfahrung des Operateurs und die damit verbundene Sorge vor der prolongierten Operationsdauer, einer möglichen Fehlimplantation, dem Risiko implantationsbedingter Komplikationen und einer frühzeitigen Lockerung. Der detaillierten Planung und Ausführung der Operation kommt für Ergebnis und Haltbarkeit der Glenoidkomponente eine überragende Bedeutung zu.
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Abb. 5.58. Dysplastische Glenoidform (Typ C) mit sekundärer Arthrose. Eine Glenoidimplantation in physiologischer Ausrichtung ist nicht möglich
Die Indikation zum Glenoidersatz wird daher zusammenfassend in erster Linie anhand der Pathologie des Glenoids gestellt. Dafür gibt die Einteilung nach Walch wichtige Entscheidungshilfen. Aktuell ist die in Tab. 5.3 genannte Differentialindikation empfehlenswert. Darüber hinaus ergibt die Betrachtung der biomechanischen Verhältnisse und der knöchernen und knorpeligen Situation der Schulterpfanne die Indikation zum Glenoidersatz aus folgenden Gründen Ɣ Knorpeldefekt im Glenoidbereich mit subchondraler Zystenbildung, Ɣ Verlust der posterioren Glenoidkonkavität, Ɣ posteriore Subluxationsstellung des Humeruskopfes, Ɣ Sekundärpfannenbildung infolge chronischer posteriorer Subluxation des Humeruskopfes.
Tabelle 5.3. Indikation zum Glenoidersatz auf der Basis des Glenoidtyps nach Walch. HEP Hemiendoprothese; TEP Totalendoprothese
Abb. 5.57. Glenoidarthrose mit ausgeprägten subchondralen Zysten, Typ A1 (Walch). Es besteht eine Indikation zum Glenoidersatz
Pfannentyp
Implantat
A1
HEP
A2
TEP
B1, B2
TEP
C
TEP mit Korrektur der Glenoidversion oder HEP als „limited goal procedure“
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Damit ergibt sich bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten mit primärer Omarthrose die Indikation zum Glenoidersatz, während bei anderen Indikationen, vor allem bei der posttraumatischen Deformität, der Humeruskopfnekrose und bei der Frakturversorgung, bei denen das Glenoid von der Pathologie nicht betroffen ist, ein GelenkÀächenersatz des Humeruskopfes ausreichend ist. Es ergeben sich jedoch in der alltäglichen Praxis Einschränkungen durch weitere Parameter die die Indikation zum Glenoidersatz beeinÀussen. So ist ein Glenoidersatz ist in vielen Fällen unter folgenden Umständen nicht möglich: Ɣ massive Osteoporose, die eine stabile Glenoidverankerung nicht erlaubt, Ɣ größerer Substanzdefekt des Glenoids, Ɣ ausgedehnter, nicht rekonstruierbarer Rotatorenmanschettendefekt mit instabiler Gelenkführung mit dem Risiko einer frühzeitigen Glenoidlockerung („Rocking-horse-Phänomen“), Ɣ Typ-C-Glenoid mit posteriorer Dysplasie und posteriorer Inklination >25°. Ɣ Weitere Einschränkungen ergeben sich aus folgenden Parametern: Ɣ Patientenalter unter 50 Jahren (Lockerungsgefahr), Ɣ Patienten mit erheblicher sportlicher und beruÀicher Schultergelenksbelastung, Ɣ fehlende Erfahrung des Operateurs bei schwerer Gelenkkontraktur.
5.4.2 Glenoiddesign Die ersten von Neer (1974) eingeführten Glenoidmodelle bestanden aus einer konkaven Schale in 3 verschiedenen Größen und Krümmungsradien, die über einen Kiel mit Knochenzement im Skapulahals befestigt wurden. Dieses Implantat gab es als Voll-Polyäthylenversion oder mit einem Metallkern („metal backed“). Die Modelle aus der dritten und vierten Prothesengeneration unterscheiden sich in der Form ihrer AuÀageÀäche (plan oder konvex), ihren Krümmungsradien im Verhältnis zu den korrespondierenden Kalotten („matched“ oder „mismatched“) und der Art ihrer Befestigung im Markraum des Skapulahalses. Aktuell wird die Mehrzahl der Glenoide zementiert implantiert, wobei der Kontakt
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zum Skapulahals in einem Kiel (Abb. 5.59) oder drei bis fünf Zapfen besteht. Es werden im europäischen Raum zementierte hochvernetzte Polyäthylen-Zapfenglenoide („peg design“) favorisiert, da die primäre Ausrissfestigkeit höher und das Auftreten von Lysesäumen seltener zu sein scheint als bei Glenoiden mit „keel design“ (Edwards et al. 2003; Gartsman et al. 2005; Nyfeller et al. 2006b). Die Frage, ob gleiche oder ungleiche Krümmungsradien der Humerus- und Glenoidkomponenten biomechanisch und kinematisch günstiger zu bewerten sind, ist noch nicht endgültig geklärt. Während bei gleichen Radien („matched“) die KontaktÀäche der Gelenkpartner größer und das Gelenk dadurch primär stabiler ist (Abb. 5.60a), könnte die randständige Belastung in der Abduktion zu einer ungünstigen exzentrischen Krafteinleitung in die Schulterpfanne führen. Demgegenüber wird der Konstellation bei ungleichen Krümmungsradien („mismatched“) durch den mehr punktförmigen GelenkÀächenkontakt ein ausgeprägter Roll-Gleit-Verhalten und damit eine günstiger Druckverteilung zugeschrieben (Abb. 5.60b). Entsprechend der Implantatform erfolgt die Präparation der GelenkÀächen mit unterschiedlichen Instrumentarien. Bei den sehr viel seltener verwendeten zementfreien Implantaten wird die Metallbasis mit Pfahlschrauben, Spreizdübeln oder Hohlzylinderschrauben befestigt (s. Abb. 5.59); anschließend wird zumeist über Schnappverbindungen ein PE-Inlay unterschiedlicher Dicke aufgebracht. Relativ neu ist die Entwicklung von so genannten Hybridglenoiden, bei denen die PE-Schalen über einem Metallgitter in den Markraum einzementiert werden. Allen Glenoidmodellen sind jedoch die komplexen Präparationsschritte gemeinsam, die in einer sorgfältigen Exposition der Schulterpfanne, einer Fräsung entsprechend der AuflageÀäche und der Markraumpräparation zur Aufnahme der Befestigungsvorrichtungen bestehen.
5.4.3 OP-Planung Auf den Röntgenaufnahmen in anteroposteriorer („true a. p.“) und axialer Projektion können die Deformität der Schulterpfanne, ihre Ausrichtung und die Beschaffenheit des knöchernen Lagers grob eingeschätzt werden. Zu einer detaillierten Operationsplanung ist jedoch ein
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Abb. 5.59. Glenoidkomponenten: Voll-Polyäthylen-Glenoid mit Kielverankerung ( links), zementfreies Glenoid mit Fixation über eine Hohlzylinderschraube ( rechts)
Schnittbildverfahren erforderlich, wobei die Computertomographie eine sicherere Beurteilung der Version der GelenkÀäche gegenüber dem Corpus scapulae und vor allem der Tiefe des Skapulahalses ermöglicht als die Kernspintomographie. Es ist zu empfehlen, eine Planungsskizze anzufertigen, in die die pathologische Orientierung der glenoidalen GelenkÀäche ebenso eingezeichnet wird wie die angestrebte Korrekturebene (Abb. 5.61). Nur auf diese Weise lässt sich zuverlässig vorausplanen, ob die korrekte Ausrichtung durch Fräsen zu erreichen ist oder ob in Einzelfällen ein additiver Glenoidaufbau durch ein Knochentransplantat
Abb. 5.60a, b. Gelenkpartner mit (a) gleichen („matched“) und (b) ungleichen („mismatched“) Krümmungsradien. Bei a ist die Druckverteilung Àächig und das Gelenk primär stabil; bei b ist ein Roll-Gleit-Mechanismus möglich. Dadurch wird eine exzentrische randständige Druckbelastung der Glenoidkomponente theoretisch vermieden
erforderlich ist. Bezüglich der allgemeinen Vorbereitung und Patientenaufklärung etc. gelten die in Kap. 4 ausgeführten Grundsätze.
5.4.4 Spezielle Operationstechnik Die Lagerung erfolgt wie in Kap. 4 beschrieben, wobei eine Unterstützung des Schulterblatts durch ein Polster vorteilhaft ist, um dem Ausweichen der Skapula bei der Exposition entgegenzuwirken. Wenn zusätzlich zu
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Abb. 5.61. Orientierende Planung der Glenoidimplantation am CT. Pathologische Retroversion ( durchgezogene Linie), Korrektur durch asymmetrische Fräsen in Neutralversion ( gestrichelte Linie)
der Humeruskopfprothese ein Glenoid implantiert werden soll, emp¿ehlt es sich, den Hautschnitt etwa einen Zentimeter lateral des Sulcus deltoideopectoralis zu legen und nach kranial etwas über die Korakoidspitze hinaus zu verlängern, damit die Haut die Exposition der Schulterpfanne nicht limitiert. In den meisten Fällen wird jedoch vor der Präparation des Glenoids die Resektion der GelenkÀäche des Humeruskopfes entsprechend den Vorgaben für das verwendete Implantat durchgeführt. Anschließend wird der Probeschaft, bei einigen Modellen mit einer metaphysären Protektionsscheibe eingebracht, um den proximalen Humerus vor den Retraktoren zu schützen. Wenn ein GelenkÀächenersatz durch eine Cup-Prothese in Kombination mit einer Glenoidimplantation geplant ist, ist die Exposition der Schulterpfanne vor allem bei gleichzeitiger Weichteilkontraktur besonders schwierig. Ein Fukuda-Retraktor wird an den hinteren Pfannenrand eingesetzt, das Einbringen des Retraktors ist in leichter Flexion, Abduktion und Innenrotation des Armes einfacher zu bewerkstelligen. Mit dem Retraktor wird der Humeruskopf nach dorsal gedrückt; dies führt zu einer Exposition des Glenoids bis zum hinteren Rand (Abb. 5.62). Es gibt unterschiedlich gekrümmte
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und breite Retraktoren, die probeweise eingesetzt und nach der individuellen Anatomie ausgewählt werden können. Der Oberrand der Schulterpfanne kann mit einem kleinen Hohmann-Hebel oder durch Einbringen eines K-Drahtes exponiert werden. Zunächst werden hypertrophes Synovialgewebe und die Reste des Labrums von der gesamten Zirkumferenz des Glenoids entfernt. Im Bereich des unteren Glenoidpols wird die häu¿g hypertrophe Kapsel mit einem stumpfen Rasparatorium von dem umgebenden Gewebe abgelöst. Bei diesem Operationsschritt muss der N. axillaris dargestellt oder zumindest getastet werden und es ist zu empfehlen, während der Kapselexzision einen kleinen spitzen Hohmann-Hebel an den Ansatz der Trizepssehne einzusetzen, um den Nerv zu schützen. Anschließend kann bei besonders kontrakter Situation die Resektion der vorderen Gelenkkapsel erfolgen, wobei eine Beschädigung der Subskapularissehne vermieden werden muss. Mit einem breiten Rasparatorium wird der Kapsel-Ligament-Komplex vom vorderen Pfannenrand abgeschoben und der Skapulahals wird exponiert. Dort kann ein angespitzter Retraktor eingesetzt werden, der die Subskapularissehne aus dem Operationsgebiet zurückhält. Am dorsalen Pfannenrand erfolgt ebenfalls ein Abschieben der Kapsel, wobei eine exzessive Kapsulotomie oder
Abb. 5.62. Vollständige Exposition des Glenoids mit FukudaRetraktor. Zustand nach zirkulärer Resektion des Labrum glenoidale
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-resektion zu vermeiden ist, um keine dorsale Instabilität zu verursachen. Zum Abschluss des Release ist eine 360-Grad-Umschneidung des Glenoids mit Lösung sämtlicher paraglenoidalen Verwachsungen erfolgt (Abb. 5.63). Auf den vorliegenden horizontalen Schnittbildern kann die Größe etwaiger Osteophyten abgeschätzt werden, die die Pfanne in ihrer gesamten Zirkumferenz verbreitern. Ausgedehnte Osteophyten sind mit einem Meißel oder Luer abzutragen. Am besten geschieht dies nach AuÀage der ausgewählten Glenoidschablone und Bestimmung des Mittelpunktes der GelenkÀäche. Die den Rand der Schablone überragenden Exophyten können so mit einem Elektrokauter markiert und anschließend abgetragen werden. Der komplexeste Operationsschritt ist das Vorbohren und Einbringen des Zentrierzapfens für die Glenoidfräsen in der korrekten Achse des Skapulahalses. Bei manchen Instrumentarien wird dies über einen Kirschner-Draht bewerkstelligt, der unter Sicht in den Gelenkmittelpunkt eingebracht wird. Mit dem Finger kann dabei der vordere Rand des Skapulahalses getastet und so der Draht in der Achse entsprechend dirigiert werden. Bei anderen Instrumentarien erfolgt die
Bohrung für den Zentrierzapfen „freihändig“ über die zentrale Öffnung der Glenoidschablone (Abb. 5.64). Die Bohrtiefe wird bei den meisten Instrumentarien durch eine Stoppvorrichtung des Bohraufsatzes limitiert. Durch Anlegen der Schablone in der geplanten Anteversion wird über die Zentrierbohrung die Eingangsebene für die Fräsung festgelegt. Einzelne Instrumentarien bieten eine Ausrichtungshilfe für die Version der Eingangsebene an, die sich am vorderen Skapulahals orientiert. Zunächst erfolgt die Entfernung der auf der GelenkÀäche verbliebenen Knorpelreste mit einer Kürette. Dann werden die Glenoidfräsen, beginnend mit der kleinsten bis zu der ausgewählten Größe über die Zentrierbohrung eingesetzt und der Pfannenboden wird konkav oder plan gefräst (Abb. 5.66). Anschließend wird bei einigen Instrumentarien die Schablone erneut aufgesetzt und mit einem Stift im zentralen Loch ¿xiert, das je nach dem Substanzverlust durch den Fräsvorgang durch Nachbohren vertieft werden muss. Danach werden über die übrigen Öffnungen in der Glenoidschablone die Löcher für die Aufnahme des Kiels oder der verschiedenen Zapfen gebohrt (Abb. 5.67). Bei Kielglenoiden erfolgt dies über 2 weitere Bohrungen in der Längsachse kranial
Abb. 5.63. 360-Grad-Release der Gelenkkapsel.
Abb. 5.64. Einsetzen der Glenoidschablone und Markieren des Pfannenmittelpunktes und der eventuell überstehenden Osteophyten. Anschließend Bohren über die zentrale Öffnung der Schablone
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Abb. 5.65. Tasten des Skapulahalses bei freihändiger Bohrung.
und kaudal des zentralen Bohrlochs. Die 3 Öffnungen werden anschließend durch Abtragen der Knochenbrücken mit dem Luer miteinander verbunden (Abb. 5.68) und die Tiefe des Schachtes wird mit Küretten oder speziellen Schachtraspeln präpariert. Bei Verwendung von Motorkugelfräsen besteht die Gefahr einer Perforation der Kortikalis im Skapulahals. Wenn der Schacht ausreichend tief ist, wird das Probeglenoid (Abb. 5.69) eingebracht und die vollständige zirkuläre AuÀage seiner RückÀäche überprüft. Falls diese nicht
Abb. 5.66. Konkaves Fräsen des Pfannenbodens über den Zentrierzapfen bis zu der ausgemessenen Glenoidgröße
Abb. 5.67. Bohren der kranialen und kaudalen Begrenzung des Kielschachts über die Glenoidschablone
komplett auÀiegt, muss der Schacht vertieft und verbreitert werden, bis der Kiel vollständig eingebracht werden kann. Die Glenoidkomponente sollte nicht über den Pfannenrand überstehen. Nach der vollständigen Präparation wird die Schachtöffnung mit einer pulsierenden Drucklavage gereinigt. Bei Verwendung eines zementierten Implantates können mit H2O2 oder Thrombin getränkte Schwämmchen in den Schacht eingebracht werden, um die Blutung aus der Spongiosa zu reduzieren. Anschließend wird der Zement nach Vakuumanrührung in eine spezielle 5-ccm-Zementspritze eingefüllt und bei Bluttrockenheit unter Druck in die Schachtöffnung eingespritzt. Mit speziellen Impaktoren oder mit dem Finger der Druck auf den Zement im Schacht noch verstärkt werden. Es ist darauf zu achten, dass der Zement nur in den Schacht oder in die Zapfenlöcher eingebracht wird und nicht die GlenoidoberÀäche bedeckt. Die Originalkomponente wird jetzt eingebracht und mit dem Kiel unter Verwendung eines Impaktors zentral in den Schacht hineingepresst. Dazu ist ein kontinuierlicher Druck bis zur Aushärtung des Zementes wichtig; dieser kann durch manuelles Anpressen aufrechterhalten werden (Abb. 5.70) und soll nicht durch Hammerschläge verstärkt werden, um Mikrofrakturen im Zementmantel zu verhindern. Der seitlich und inferior unter dem Implantat herausgepresste Zement wird mit einer Kürette entfernt, solange er weich ist. Nach dem Aushärten werden eventuell in den Weichteilen verblieben Zementreste entfernt und die plane AuÀage des Implantates vor allem dorsal noch einmal überprüft.
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Abb. 5.68a, b. a Verbinden der vorgebohrten Löcher mit Meißel, Luer oder Hochgeschwindigkeitsfräse. b Situs nach Präparation des Kielschachts
Nach Implantation der Pfanne wird noch einmal die Probe Schaft-Kopf-Komponente in den Humerus eingebracht und es erfolgt eine Reposition des Gelenkes. Durch Zug am Arm und durch Druck des Oberarmkopfes nach dorsal wird das Gelenkspiel überprüft. Die Kalotte sollte um ihre halbe Breite nach dorsal und kaudal subluxierbar sein, nach Loslassen aber spontan rezentrieren. Anschließend werden die Spannungsverhältnisse nach Re¿xation der Subskapularissehne überprüft. Da meistens eine Kontraktur der anterioren Weichteile vorliegt, muss die Sehne aus ihren Verwachsungen mit der Umgebung gelöst werden. An der OberÀäche ist diese Adhäsiolyse sehr vorsichtig vor-
zunehmen um eine Schädigung des N. musculocutaneus zu vermeiden; hier emp¿ehlt es sich, die Lösung stumpf mit dem Finger vorzunehmen. Zur Skapula hin ist die Ablösung mit dem Rasparatorium bereits bei der Glenoidexposition erfolgt; diese kann vorsichtig nach kranial und nach kaudal erweitert werden. Nach distal bestehen häu¿g Verwachsungen mit dem M. latissimus dorsi, die unter Schonung des N. axillaris mit einem kleinen Stieltupfer oder einem stumpfen Rasparatorium gelöst werden können. Nach kranial erfolgt die scharfe Ablösung des Gewebes im Rotatorenintervall mit Durchtrennung des Lig. coracohumerale. Die Re¿xation der Subskapularissehne erfolgt entsprechend
Abb. 5.69. Einbringen der Probekomponente. Diese muss zirkulär vollständig stabil auÀiegen und darf bei exzentrischem Anpressen nicht verkippen
Abb. 5.70. Bis zum vollständigen Aushärten des Zements wird mit einem Impaktor oder besser manuell ein zentraler Druck auf das Implantat aufrechterhalten
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ihrer Ablösung nach Implantation der Kopfkomponente durch transossär vorgelegte nichtresorbierbare Fäden, Sehne zu Sehne Nähte oder Osteosynthese des Tuberculum minus. Noch in Narkose sollte eine Dokumentation des korrekten Prothesensitzes eine Durchleuchtung oder Röntgenaufnahme erfolgen (Abb. 5.71).
5.4.5 Komplikationen Durch insuf¿ziente Exposition oder ungeschickten Einsatz der Retraktoren können Dehnungsschäden an den N. axillaris und musculocutaneus verursacht werden. Bei erosiven Formen der Omarthrose, v. a. bei rheumatoider Arthritis (s. Kap. 6.2) kann die knöcherne Substanz des Skapulahalses so weit zerstört sein, dass eine Glenoidimplantation nicht möglich ist. In diesem Fall ist eine Hemiendoprothese die einzige verbleibende Möglichkeit und als „limited goal procedure“ anzusehen.
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Bei der Präparation der Schulterpfanne kann es vor allem bei ungenügender Exposition zu Frakturen des vorderen oder hinteren Glenoidrandes kommen. Diese sind durch Anlagerung und Verschraubung eines trikortikalen Beckenkammspanes zu stabilisieren. Bei unvollständiger AuÀage der Glenoidkomponente vor allem dorsal kann, gelegentlich auch unbemerkt, ein Aufbau des Glenoidlagers durch den austretenden Zement erfolgen¸ in diesen Fällen sind Zementfrakturen mit einer frühzeitigen Lockerung des Implantates zu befürchten. Wenn bei exzentrischer Erosion der Schulterpfanne die Glenoidschablone nicht zentral oder in korrigierter Ausrichtung auf die GelenkÀäche aufgesetzt wird, erfolgt die Bohrung in unkorrekter Richtung nicht in der Achse des Skapulahalses, sondern kann frühzeitig die seitliche Kortikalis perforieren (Abb. 5.72). Es gibt diverse Möglichkeiten der Fehlplatzierung der Glenoidkomponente (Abb. 5.73). Implantationen in unkorrekter Inklination, verstärkter Ante- oder Retroversion oder in Abweichung von der kraniodorsalen Glenoidachse führen zu einer exzentrischen Belastung des Implantates (Nyfeller et al. 2006a) mit der Gefahr einer frühzeitigen Auslockerung durch das so genannte „Rocking-horse-Phänomen“ (Abb. 5.74). Bei umgekehrter Inklination kommt es zu einer kranialen Dezentrierung des Humeruskopfes (Abb. 5.75) mit sekundärem Impingement und konsekutiver Rotatorenmanschettenläsion.
5.4.6 Tipps und Tricks Bei schwieriger Exposition der Schulterpfanne ist es häu¿g hilfreich, die Hautinzision nach kranial
Abb. 5.71. Postoperative Röntgendokumentation des korrekten Prothesensitzes
Abb. 5.72. Perforation der seitlichen Kortikalis des Skapulahalses bei unkorrekter Ausrichtung der zentralen Bohrung
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Abb. 5.73. Möglichkeiten der Fehlplatzierung der Glenoidkomponente unkorrekter Inklination, verstärkter Ante- und Retroversion
Abb. 5.74. „Rocking-horse-Phänomen“ mit Lockerung der Glenoidkomponente durch exzentrische, randständige Belastung des Implantates
und kaudal um jeweils einen Zentimeter zu verlängern. Routinemäßig wird der Sehnenansatz des M. pectoralis major kranial etwa einen Zentimeter weit eingekerbt; bei sehr ausgeprägter Innenrotationskontraktur kann diese Einkerbung weiter nach distal fortgeführt werden, wobei anschließend eine anatomische Re¿ xation erforderlich ist. In gleicher Weise kann auch die Sehne des M. latissimus dorsi von kranial eingekerbt oder subperiostal abgeschoben werden. Wenn die lange Bizepssehne nicht bereits bei der Exposition des Humeruskopfes durchtrennt wurde, kann die Tenotomie mit anschließender Tenodese die Einsicht in die Schulterpfanne weiter optimieren. Die schwierigste intraoperative Entscheidung ist der Ausgleich einer bikonkaven Deformität oder verstärkten Retroversion der glenoidalen GelenkÀäche durch subtraktives Fräsen des vorderen Pfannenrandes oder seltener durch das dorsale Einbringen eines passgerechten kortikospongiösen Knochenspanes. Im letzten Fall ist die Verwendung
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kann nach dem Fräsen mit impaktierter Spongiosa aus dem resezierten Humeruskopf aufgefüllt werden; ob sich dadurch tatsächlich langfristig eine korrekte Zentrierung der Kalotte erreichen lässt, ist allerdings ungeklärt.
Literatur
Abb. 5.75. Kraniale Dezentrierung des Humeruskopfes bei unkorrekter Inklination
einer zementfreien Glenoidkomponente zu bevorzugen, um Hitzeschäden und eine Resorption des Transplantats zu vermeiden. Die Fixation des Spanes auf der hinteren GlenoidÀäche ist schwierig, vor allem durch die Orientierung der kanülierten 2,7-mmSchrauben, die nicht mit der Fixationsvorrichtung des Implantates interferieren darf. In der Mehrzahl der Fälle lässt sich eine korrekte Ausrichtung der Pfannenebene durch Abfräsen des vorderen Randes erreichen. Hierbei ist das Abtragen der anterioren Osteophyten und ein Vorfräsen mit einer motorisierten Kugelfräse zu empfehlen, da damit das Einbringen der Glenoidfräse erleichtert wird. Ein kritischer Substanzverlust im Bereich des Skapulahalses muss vermieden werden damit die Tiefe für die Aufnahme des Glenoidkiels oder der -zapfen und die Breite der AuÀageÀäche erhalten bleibt. Sollte dies nicht möglich sein, wird empfohlen, das Glenoid in die korrekte Anteversion zu fräsen, ohne anschließend eine Komponente zu implantieren. Das Zentrierloch
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5.5 Inverse Prothese O. Rolf und F. Gohlke
5.5.1 Indikationen Aufgrund der bisher bekannten Langzeitergebnisse und Komplikationsraten sollte die inverse Prothese in erster Linie für die funktionseinschränkende Arthropathie bei irreparablen Rotatorenmanschettendefekten (RM-Defekten) im höheren Lebensalter verwendet werden (Favard et al. 2006). Patienten unter 60 Jahre sollten nicht oder allenfalls nur in begründeten Ausnahmefällen mit diesem Implantat versorgt werden. Grundsätzlich sind alternative Behandlungsmethoden (z. B. konservativ, arthroskopisches Debridement, RM-Rekonstruktion, Muskelersatzplastiken, OberÀächenersatz oder Hemiprothese bei fehlender Pseudoparalyse) zu prüfen und auszuschöpfen. Die klassische Indikation für die Implantation einer inversen Prothese ist die (Sekundär-)Arthrose des Humeruskopfes bei nicht rekonstruierbarem RM-Defekt und schmerzhafter Pseudoparalyse. Weitere Indikationen sind primäre oder sekundäre glenohumerale Arthrosen bei intakter, aber funktionell insuf¿zienter Rotatorenmanschette. In jüngster Literatur wird ebenfalls über die Ergeb-
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nisse bei frischen (Sirveaux et al. 2006), aber auch veralteten proximalen Humerusfrakturen (Richard u. Sinnerton 2006), bei nichtrekonstruierbaren RM-Defekten ohne Arthrose (Molé et al. 2006), bei primärer Omarthrose mit schwerer Glenoiddysplasie TypC nach Walch et al. (2006), bei rheumatoider Arthritis (Ekelund et al. 2006) und bei Tumoren berichtet (De Wilde 2006). Eine weitere, wichtige Indikation ist die Implantation als Revisionsimplantat nach fehlgeschlagenen endoprothetischen oder osteosynthetischen Primärversorgungen (Gohlke et al. 2004, 2006). Kontraindikationen sind Àoride Infektionen sowie insbesondere Paresen des M. deltoideus. In unklaren Fällen ist daher vor Implantation einer inversen Prothese eine dezidierte neurologische Untersuchung aller drei Anteile des M. deltoideus zu fordern (Pars spinalis, Pars clavicularis, Pars acromialis). Ein paretischer Deltamuskel führt bei insuf¿zienter RM zur Funktionslosigkeit und Luxation der inversen Prothese. Ebenso ist eine Funktionsprüfung der Schultergürtelmuskulatur unter besonderer Beachtung der muskulären Kontrolle der Skapula sowie funktioneller Insuf¿zienzen bei Scapula alata oder hochgradiger Kyphose und Muskeldystrophie anzuraten. Eine relative Kontraindikation ist eine Glenoiddestruktion, die zur Beeinträchtigung der Basisplattenverankerung (Metaglene) führen kann. In derartigen Fällen ist unter Umständen ein zweizeitiges Vorgehen mit vorausgehender knöcherner Rekonstruktion des Glenoids anzuraten. Bei geeigneten Defekten kann eine Metaglene mit Rekonstruktionslasche oder verlängertem Kiel verwendet werden. Als weitere relative Kontraindikation gilt ein Lebensalter jünger als 60 Jahre.
5.5.2 Prothesendesigns Die ursprünglich von Grammont eingeführte inverse Delta-III®-Prothese (Fa. DePuy) bestand aus 5 Komponenten: der Basisplatte (Metaglene), die mittels winkelstabiler Schrauben auf der GlenoidoberÀäche befestigt wird, der Glenosphäre in Form einer Halbkugel, der Metaphyse, die auf dem Schaft befestigt wird und einem Inlay aus Polyäthylen, das auf die Metaphysenkomponente aufgesteckt wird (s. Kap. 3.4, Abb. 3.27). Aufgrund der guten Erfolgsraten der inversen Prothese (Grammont et al. 1987) im Mittel- bis Lang-
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zeitverlauf wird diese mittlerweile von nahezu allen namhaften Prothesenherstellern angeboten, im Design modi¿ziert und optimiert. Die bisherigen Erfahrungen hatten mechanische, kinematische und biologische Schwachpunkte der Prothese gezeigt. Es waren mechanische Entkoppelungen bei Verlust der Knochensubstanz am proximalen Humerus, eine Luxationsneigung oder ein exzessiver Knochenverlust am Unterrand des Glenoids („inferior notching“, Einteilung nach Sirveaux et al. 2004) festgestellt worden, die Modi¿kationen im Design der originären „Deltaschulter“ notwendig erscheinen ließen. Weitere Veränderungen zur Verbesserung der Primärstabilität, zur Vermeidung mechanischer Komplikationen und des so genannten „inferioren notching“ sind zu erwarten. Als viel versprechende Möglichkeiten zur Verbesserung der Langlebigkeit der Prothese gelten: 1. die Verschraubung der Basisplatte mit polyaxial einzubringenden, winkelstabilen Schrauben, 2. eine der Anatomie angepasste VerankerungsÀäche der Basisplatte (Metaglene), 3. ein Schaft im Monoblock-Design für Revisionen und Frakturen zur Verhinderung von Entkopplungen, 4. eine Glenosphäre mit Überkragen („overlap“) der Basisplatte in verschiedenen Größen zur individuellen Distalisierung und Lateralisierung des Implantates. Einige dieser Modi¿kationen sind bei der letzten Entwicklung Delta Extend® (Fa. DePuy) bereits realisiert.
O. Rolf und F. Gohlke
porotischer Knochensubstanz, statt der vom Hersteller gelieferten, häu¿g aggressiven und überdimensionierten Fräsen, kleinere Standardfräsen zur Implantation einer anatomischen Prothese zu verwenden (z. B. Fa. Tornier). Diese sind in aufsteigenden Größen erhältlich und verzichten auf den oft aggressiven „Fräskranz“ an der äußeren Zirkumferenz. 5.5.3.2 Zugang – anterosuperior oder deltopektoral? Die Implantation einer inversen Prothese ist sowohl über einen oberen, anterosuperioren Zugang mit „Split“ des M. deltoideus (Abb. 5.76) als auch über einen deltopektoralen Zugang (Abb. 5.77) möglich. Der obere Zugang bietet eine gute Übersicht über das Glenoid und die dorsalen Anteile der Rotatorenmanschette. Er bietet zudem eine direkte Visualisierung des häu¿g ausgedünnten Akromions und erlaubt in derartigen Fällen, falls erforderlich und möglich, eine Augmentation des Knochens (Burkhead 2006). Als wesentlicher Nachteil ist jedoch die Ablösung und anschließende Reinserierung des für die Funktion der inversen Prothese essenziell wichtigen M. deltoideus zu sehen, dessen Schwächung unbedingt zu vermeiden ist. Darüber hinaus kann ein zu ausgedehnter Muskelsplit eine Läsion der umlaufenden Äste des N. axillaris verursachen. Die Darstellung der inferioren Anteile
5.5.3 Operationstechnik 5.5.3.1 Standardinstrumentation und nützliche Zusatzinstrumente Zur Implantation ist ein Standardschultersieb erforderlich. Zusätzlich empfehlen sich Roux-Haken, Wundspreizer, Muskelretraktoren nach Rowe, Valvenretraktoren nach Kölbel (Fa. Link) sowie FukudaRetraktoren in verschiedenen Größen zur Retraktion des proximalen Humerus nach der Kopfresektion. Prothesenspezi¿sches Instrumentarium und Probeimplantate werden jeweils vom Hersteller bezogen (z. B. Fa. Tornier oder Fa. DePuy). Zur Bearbeitung des Glenoids emp¿ehlt sich, insbesondere bei osteo-
Abb. 5.76. Darstellung des Humeruskopfes über den anterosuperioren Zugang durch Luxation nach vorn oben
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Der deltopektorale Zugang bietet dahingegen eine weitestgehende Schonung des M. deltoideus unter Verwendung einer intermuskulären und internervalen Zugangsebene (Bradley-Edwards 2006). Er erlaubt eine gute Exposition des Humerus mit Erweiterungsmöglichkeit nach distal bei auftretenden Komplikationen wie Schaftfrakturen. Darüber hinaus ist eine sparsame proximale Humerusresektion mit gleichzeitig guter Expositionsmöglichkeit des Glenoids möglich, was zur Dosierung der Weichteilspannung im Vergleich zum superioren Zugang von Vorteil sein kann. Die Positionierung der Basisplatte mit leicht inferiorer Neigung unter Visualisierung der Margo lateralis der Skapula, nicht zuletzt auch zur sicheren Verankerung der inferioren Schrauben, ist mit entsprechenden Retraktoren problemlos möglich. Nicht zuletzt müssen präexistente Zugänge in die Operationsplanung mit einbezogen werden. Die Autoren bevorzugen die Implantation über den deltoideopectoralen Zugang.
5.5.3.3 Implantation über einen deltopektoralen Zugang
Abb. 5.77. Resektion der GelenkÀäche und Verwendung eines Zielinstrumentariums in 0–10° Retroversion
des Glenoids ist erschwert, aber begrenzt möglich. Ein inferiores Release lässt sich vom oberen Zugang aus nur unter Gefährdung des N. axillaris durchführen. Das Belassen der inferioren Kapselinsertion am Humerus ist bezüglich der Vermeidung von Luxationen von Vorteil, die inferiore Kapselkontraktur und Osteophyten bleiben jedoch bestehen. Nachteilig ist, dass das Metaglene nur erschwert in eine leicht nach inferior geneigte Position gebracht werden kann. Eine nach kranial geneigte Positionierung induziert u. U. ein vermehrtes Anschlagen am unteren Glenoidrand und damit Knochenverlust und eine evtl. vorzeitige Revisionsbedürftigkeit der Prothese durch Aufbrauch der PE-Komponente und partikelinduzierte Osteolyse am Schaft und an der Pfanne.
Der Hautschnitt wird über dem Sulcus deltoideopectoralis angelegt, beginnend über der Klavikula, dann medial vom Processus coracoideus und nach distal auf den ventralen Oberarm auslaufend. Die Subkutis wird durchtrennt und der Sulcus deltoideopectoralis sowie die V. cephalica aufgesucht. Letztere wird präpariert und unter Schutz eines Roux-Hakens zusammen mit dem M. deltoideus nach lateral beiseite gehalten. Ein weiterer Roux-Haken hält den M. pectoralis nach medial. In der Tiefe kommen die Ursprungssehnen des M. biceps (Caput brevis), des M. coracobrachialis und des M. pectoralis minor am Processus coracoideus zur Darstellung. Lateral davon wird die Faszie durchtrennt und der Humerus mit Resten der Rotatorenmanschette, insbesondere des inferioren M. subscapularis, dargestellt. Es erfolgt ein subperiostales Abschieben der Gelenkkapsel mit inferiorem humeralen Release unter Erhalt der umlaufenden Äste des N. axillaris. Falls nötig, wird eine sorgfältige subakromiale Arthrolyse durchgeführt. Sofern noch vorhanden, wird der M. subscapularis mit Haltefäden angeschlungen und medial vom Sulcus intertubercularis subperiostal abgelöst und so der Humerus nach distal unter Erhalt
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der Insertion des M. pectoralis major dargestellt. Die A. circumÀexa anterior wird dabei mitsamt Begleitgefäßen ligiert. Die lange Bizepssehne wird, sofern noch vorhanden, im Sulkus mit kräftigen, resorbierbaren Fäden tenodesiert und der verbliebene intraartikuläre Anteil reseziert.
5.5.3.4 Präparation des Humerus Unter Außenrotation des Armes wird der Humerus nach ventral luxiert (s. Abb. 5.76). Der M. deltoideus wird z. B. mit stumpfen Hohmann-Hebeln beiseite gehalten und so der Humeruskopf dargestellt. Etwa 1 cm dorsal des Sulcus intertubercularis und medial des Tuberculum majus liegt in Verlängerung der Humerusschaftachse der Eintrittspunkt der Resektionslehre. Nach Eröffnen des Knochens mit dem Pfriem wird die Resektionslehre eingebracht und damit auch die Retroversion der Prothese eingestellt. Hierbei muss eine Balance zwischen den Erfordernissen eines stabilen Gelenkschlusses (mindestens 10° Retroversion zur Längsachse des Unterarmes – entspricht ca. 0° anatomischer Retroversion), dem Anschlagen am vorderen/unteren oder hinteren/unteren Glenoidrand bei endgradigen Rotationsbewegungen und den Funktionsansprüchen des Patienten (mehr Innenrotation auf Kosten der Außenrotation z. B. bei zusätzlichen Schäden benachbarter Gelenke) gefunden werden. Bei Gefahr der Luxation durch Kontrakturen und Muskeldefekte sollte im Zweifelsfall eine höhere Weichteilspannung und Retroversion eingestellt werden, bei dem Wunsch nach besserer Innenrotation eher eine Neutralstellung. Nach Impaktierung der Resektionslehre wird der Humeruskopf mit der oszillierenden Säge reseziert (s. Abb. 5.77). Aus dem Resektat und dem proximalen Humerus kann Spongiosa gewonnen und zur späteren Anlagerung (z. B. am Glenoid) asserviert werden. Die weitere Präparation des Humerusschaftes bis zum Einbringen der Probeprothese kann entweder anschließend oder erst nach Befestigung der Basisplatte an der glenoidalen GelenkÀäche erfolgen. Ein Vorteil der unmittelbaren Humeruspräparation ist es, dass vor der schwierigen Exposition des Glenoids der Humerusmeta- und diaphyse durch den Probeschaft vor Frakturen oder knöcherne Impressionen durch die Retraktionshebel geschützt werden können.
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Zur Verankerung des Implantates wird die Humerusdiaphyse zunächst distal mit Fräsen aufsteigender Größe erweitert, bis ein Kortikaliskontakt erreicht wird (Abb. 5.78). Nach dem Auffräsen wird die Länge des Implantates gewählt. In der Standardsituation ist eine Schaftlänge von 100 mm ausreichend, in Revisionssituationen wird in der Regel eine Schaftlänge von 150–210 mm erforderlich. Nach Präparation der Humerusdiaphyse wird der diaphysäre Stiel auf das Führungsinstrument montiert, eingebracht und entsprechend der zu erwartenden Epiphysengröße der proximale Humerus aufgefräst (Abb. 5.79). Im Anschluss kann eine entsprechende Probeprothese montiert und eingebracht werden (Abb. 5.80). Zum Schutz des verbliebenen Humerus wird diese bei der weiteren Präparation des Glenoids belassen und unter Umständen mit einem Polyethylenaufsatz, z. B. als „Spacer“ oder als Option zur Hemiarthroplastik erhältlich, abgedeckt.
5.5.3.5 Präparation des Glenoids und Implantation von Basisplatte und Glenosphäre Ein Humeruskopfretraktor wird dorsal am Glenoidrand eingesetzt. Ventral werden die Weichteile zunächst subperiostal mit dem Rasparatorium entlang des Glenoidhalses gelöst, bis ein Rowe-Retraktor auf den Glenoidhals eingesetzt werden kann. Sukzessive wird nun ein subperiostales, periglenoidales Release durchgeführt. Inferior wird zum Schutz des N. axillaris ein Hohmann-Hebel, alternativ ein gabelförmiger Retraktor, eingesetzt (Abb. 5.81). Nur in seltenen Fällen, z. B. bei ausgeprägten Verwachsungen, ist eine komplette Revision der Gelenkkapsel sowie das Aufsuchen des N. axillaris mit entsprechender Neurolyse indiziert. Nach Ablösung des Labrum glenoidale und Resektion von Narbengewebe wird das Glenoid zirkumferentiell dargestellt und die Knochensubstanz sowie der Einschliff werden beurteilt. Bei intakter Glenoidsubstanz wird der Führungsdraht für die zentrale Bohrung so eingebracht, dass er sicher zentral im Glenoidhals platziert ist und eine leichte Deklination von 5–10° nach inferior nicht übersteigt (Abb. 5.82). Eine Ausrichtung der Kontur der Basisplatte an der kaudalen Glenoidkurvatur (Abb. 5.83) verhindert ein übermäßiges inferiores Notching (Anschlagen der Humeruskomponente am unteren Glenoidrand mit konsekutiven Osteolysen
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Abb. 5.78. Präparation des Markraums mit aufsteigenden Fräsen bis zu Kortikaliskontakt
Abb. 5.79. Auffräsen des proximalen Humerus entsprechend dem ausgemessenen Metaphysendurchmesser
und Abrieb des Polyäthylen-Inlays, Einteilung nach Sirveaux et al. (2004). Über eine zentrale Bohrung wird nun mittels einer meist planen Fräse die AuÀageÀäche für die Basisplatte (Metaglene) vorbereitet (Abb. 5.84). Das bei der Fräsung gewonnene Bohrmehl wird in das zentrale Bohrloch für den Führungszapfen eingebracht und verdichtet, zusätzlich kann die RückÀäche der zementfrei zu implantierenden Basisplatte mit Knochenmehl beschichtet werden. Nach Fräsung wird die Basisplatte mit dem Setzinstrumentarium impaktiert und mit vier Spongiosaschrauben gesichert (Abb. 5.85), wobei die kraniale und die kaudale Schraube winkelstabil verzahnt werden. Die Ausrichtung der vorderen
und hinteren Schrauben orientiert sich an der vorhandenen Knochensubstanz. Gute Verankerung ¿nden die Schrauben in der Regel ventral an der Korakoidbasis (Bohrrichtung nach kranial und hinten vom vorderen, ca. 20° nach kranial auf die 12°-Uhr-Position gerichtet vom oberen Bohrloch aus) sowie in der Margo lateralis der Scapula (vom inferioren Bohrloch auf die 6°Uhr-Position unter Palpationskontrolle der inferioren Skapula; Abb. 5.86a, b). Grundsätzlich sollten alle 4 Bohrlöcher der Basisplatte nach Messung der Schraubenlänge besetzt werden. Im Anschluss wird die Glenosphäre impaktiert bzw. verschraubt (Abb. 5.87). Bei dem ursprünglichen Design (zentrale Verriegelungsschraube) muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Glenosphäre orthograd einläuft und sicher verankert ist. In den ersten Serien wurden Dissoziationen der Komponenten beschrieben.
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Abb. 5.81. Darstellen der Schulterpfanne mit 3 Retraktoren am vorderen, hinteren und unteren Glenoidrand Abb. 5.80. Einbringen des Probeschaftes mit der Metaphyse zum Schutz des Knochens vor Exposition der Schulterpfanne
5.5.3.6 Implantation der Humeruskomponente Der Humerusschaft wird nun erneut dargestellt und ein entsprechendes Probeimplantat eingebracht. Dieses sollte eine ausreichende Länge des Humerus herstellen. Bei Humerusdefekten kann die Länge anhand der gesunden Gegenseite abgeschätzt werden. Hierzu sind Messaufnahmen des gesunden Humerus mit Messlatte auf Höhe des Knochenniveaus sowie einem Hüftkopf bekannten Durchmessers zur Skalierung erforderlich. Nach Probereposition des Gelenks sollte die erneute Luxation nur unter mittlerer Zuganwendung über den Humerus gelingen. Als grober Anhalt gilt, dass bei 40° Abduktion unter axialem Zug keine Distraktion der Komponenten von mehr als Klein¿ ngerbreite möglich sein sollte. Grundsätzlich gilt: Je größer der Weichteildefekt und Verlust der knöchernen Metaphyse und je ausgeprägter die Dysbalance der Weichteile (z. B. nach veralteter vorderer Luxation) ist, desto straffer sollte die Weichteilspannung eingestellt werden. Ist eine stabile Position erreicht, werden die notwen-
dige Retroversion sowie die Verankerungshöhe an der Probeprothese markiert und, falls erforderlich, der Abstand zwischen dem kranialen Ende der zuletzt eingesetzten humeralen Komponente und dem verbliebenen Knochen gemessen.
Abb. 5.82. Zentrale Bohrung über einen Zieldraht etwa in der Mitte der GelenkÀäche
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Abb. 5.84. Planfräsen der glenoidalen GelenkÀäche
Abb. 5.83. Positionierung der Basisplatte auf dem Glenoid. Damit die Basisplatte bei den meisten auf dem Markt be¿ ndlichen Systemen mit der inferioren Kurvatur des Glenoids genau abschließt, emp¿ehlt es sich, nicht den zentralen Zapfen in den geometrischen Mittelpunkt des Glenoids zu setzen ( rot). Im Falle, dass die darauf montierte Glenosphäre zu weit nach kranial positioniert wird, droht ein progressives, ausgeprägtes „inferior notching“. Vom anterosuperioren Zugang ist diese Position mit einem 90°-Winkel bzw. leichter Neigung von höchstens 5–10° nach kaudal schwerer zu erreichen. Daher wurden in den ersten Langzeitergebnissen der französischen Multicenter-Studie (Nizza 2006) häu¿ger die Schweregrade 3° und 4° nach anterosuperiorem Zugang beobachtet
Um ein zu tiefes Eindringen von Knochenzement im Humerus zu verhindern, sollte unbedingt ein resorbierbarer Markraumstopper in den distalen Humerus eingebracht werden. Das humerale Implantat wird entsprechend der Länge der Probekomponente montiert und mittels Knochenzement in den Humerus implantiert. Alternativ ist eine zementfreie Implantation möglich. Aufgrund der häu¿g osteoporotischen Knochensubstanz bietet diese jedoch insbesondere im Hinblick auf eine frühfunktionelle, aktiv assistierte Nachbehandlung keine wesentlichen Vorteile. Ein Belegen der Humeruskomponente mit Knochenzement ist insbesondere bei Revisionen und langen Schäften hilfreich, um eine gleichmäßige Ver-
teilung des Zementes im meist sehr engen Markraum zu erzielen. Bei Revisionsimplantaten der ersten Generation ohne Blockierung der Entkopplung kann diese durch Anmodellieren von Knochenzement an die proximalen Anteile der Humeruskomponenten verhindert werden.
Abb. 5.85. Darstellung und Präparation der Basisplatte auf dem Glenoid. Schutz des Humerus durch eingebrachten Probeschaft mit Spacer. Am hinteren Pfannenrand ist ein FukudaRetraktor und am vorderen Pfannenrand ein Rowe-Retraktor eingebracht (deltopektoraler Standardzugang)
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Abb. 5.86a, b. Ausrichtung der kranialen (a) und kaudalen (b) Spongiosaschraube im Skapulahals
Das humerale Implantat wird in der kalkulierten Höhe und Retroversion eingebracht. Das Aushärten des Zementes im Humerus sollte ohne Reposition des Gelenkes abgewartet werden, um ein Einsinken des Implantates zu verhindern. Im Anschluss erfolgt eine erneute Probereposition mit den entsprechenden Inlays (3–12 mm, je nach Hersteller) unter Prüfung der Weichteilspannung (Abb. 5.88). Sollte das Gelenk auch mit dem größtmöglich verfügbaren Inlay zu locker sein, ist bei einigen Herstellern eine Verlängerung der proximalen Humeruskomponente um ca. 1 cm mit entsprechendem Aufsatz möglich. Nach endgültiger Reposition des Gelenks werden die verbliebenen Anteile der Rotatorenmanschette über vorgelegte, nicht resorbierbare Fäden hoher Reißfestigkeit (z. B. Fiber-wire #2/Fa. Arthrex, Orthocord/ Fa. Mitek oder #3–5 Ethibond/Fa. Ethicon) re¿xiert. Um eine möglichst suf¿ziente muskuläre Führung
der Prothese zu erzielen, sollten sämtliche rekonstruktionsfähige Anteile der Rotatorenmanschette re¿xiert werden. Im Anschluss werden die intraoperative Beweglichkeit und Stabilität des Implantates nochmals überprüft. Es erfolgt eine Röntgenkontrolle des korrekten Prothesensitzes Nach Einlage einer Redondrainage erfolgt der schichtweise Wundverschluss.
5.5.4 Defektarthropathie Bei RM-Massendefekten kommt es durch Zug des M. deltoideus zu einer zunehmenden kranialen Dezentrierung des Humeruskopfes. Abhängig von den einwirkenden Kraftvektoren resultiert eine so genannte Azetabularisierung des Humeruskopfes mit Einschliff
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Abb. 5.87. Verschraubung der aufgesteckten Glenosphäre. Nach Implantation der Metaglene wird die Glenosphäre aufgebracht und mit der zentralen Arretierungsschraube verankert
Abb. 5.88. Reposition mit dem Original-Inlay und Überprüfen der Weichteilspannung
am Processus coracoideus, am Glenoid als auch am Akromion. Der superiore Abschliff des Akromions muss bei Implantation einer inversen Prothese besonders sorgfältig beachtet und gegebenenfalls behandelt werden. Durch Implantation der inversen Prothese resultiert eine Verlagerung des Drehzentrums (Medialisierung und Kaudalisierung) gegenüber der zuvor kranialisierten Position (Abb. 5.89a, b). Dadurch erhält der M. deltoideus deutlich mehr Vorspannung und es kommt zu einer relevanten Verbesserung der Schulterfunktion (Abb. 5.90). Allerdings können bei ausgedünntem Schulterdach sekundäre Ermüdungsfrakturen des Akromions oder der Spina scapulae resultieren. Bei starker Ausdünnung ist daher intraoperativ eine Augmentation des Akromions unter Korrektur der Weichteilspannung zu erwägen. Diese kann mit einer aus dem resezierten Humeruskopf gewonnenen Knochenscheibe durchgeführt werden, die z. B. mit starken, nicht resorbierbaren Fäden oder Drähten unter dem Akromiondach ¿xiert wird. Beim Os acromiale kann ein Abkippen des Akromions durch erhöhte Spannung des M. deltoideus resultieren, so dass auch hier intraoperativ eine Re¿xation mittels Zuggurtung und gegebenenfalls eine knöcherne Augmentation erforderlich ist. Bei instabilem Os acromiale kann ein zweizeitiges Vorgehen mit zunächst arthroskopischem Debridement und Stabilisierung und späterer, endoprothetischer Versorgung erwogen werden. Besteht
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Abb. 5.89a, b. Radiologisches Ergebnis nach inverser Schulterprothese. (a) Röntgenverlauf bei Defektarthropathie. Kaudalisierung und Medialisierung des Rotationszentrums. (b) Röntgenkontrolle 1 Jahr postoperativ
noch ausreichend feste, ¿bröse Verbindung des Os acromiale mit der Skapula, ist im postoperativen Verlauf mit einem Abkippen zu rechnen. Dieses muss sich jedoch nicht signi¿kant negativ auf die Schulterfunktion auswirken (Mottier et al. 2006). Bei Defektarthropathien sollten die noch vorhandenen Reste der Rotatorenmanschette (vor allem der Außenrotatoren) soweit wie möglich erhalten werden, um das funktionelle Resultat der Prothese zu verbessern. Bei ausgeprägter Kontraktur des M. triceps muss ein ausreichendes Release des Ansatzes am unteren Skapulahals durchgeführt werden. Bei vollständigem Verlust der Außenrotation ist eine Transposition des
M. latissimus dorsi auf die RückÀäche des Tuberculum majus möglich.
5.5.5 Veraltete Luxationen Bei veralteten, verhakten Luxationen ist abhängig von der Luxationsrichtung ein Release der Weichteile erforderlich, um eine Rezentrierung des Kopfes auf das Glenoid zu erzielen. Bei intakter, funktionell noch suf¿zienter Rotatorenmanschette muss alternativ die Implantation einer anatomischen Prothese erwogen
Abb. 5.90. Hervorragende Funktion ein Jahr postoperativ bei inverser Prothese nach Defektarthropathie. Röntgenresultat s. Abb. 5.89
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werden. Besondere Beachtung verdient die Darstellung der neurovaskulären Strukturen. Durch lang andauernde Fehlstellung des Gelenkes mit Narbenbildung resultieren Verziehungen und Kontrakturen der Weichteile, wodurch insbesondere aberrante Verläufe des N. axillaris und des Plexus brachialis resultieren können. Hier ist unter Umständen eine Präparation der Nerven mit entsprechender Neurolyse notwendig. Größere Glenoiddefekte erfordern evtl. zusätzliche rekonstruktive Maßnahmen (s. unten).
5.5.6 Glenoiddefekte Deuten sich bereits auf der präoperativen, nativen Röntgendiagnostik größere Glenoiddefekte an, ist die Anfertigung einer CT-Aufnahme unbedingt anzuraten. Bei größeren Substanzdefekten des Glenoids kann ein kortikospongiöser Aufbau unter Verwendung des aus dem proximalen Humerus gewonnenen Knochens, gegebenenfalls auch mit Knochenentnahme vom Beckenkamm, vorgenommen werden. Die Verwendung einer Basisplatte (Metaglene) mit Rekonstruktionslasche (z. B. Fa. DePuy) bringt selten, z. B. bei randständigen Defekten, Vorteile. Oft ist die knöcherne Substanz am Glenoid durch die vorbestehende Osteoporose und fehlende Druckbelastung der GelenkÀäche bei anterokranialer Dezentrierung so reduziert, dass äußerst vorsichtig vorgegangen werden muss. Ein zweizeitiges Vorgehen muss erwogen werden, wenn sich der Glenoiddefekt in einer Sitzung nicht stabil rekonstruieren lässt oder aus anderen Gründen ein mehrzeitiges Vorgehen empfehlenswert scheint (z. B. Metallentfernung und Implantation eines Platzhalters bei V. a. LowGrade-Infekt). In erster Sitzung kann dann das Glenoid durch Verschraubung eines kortikospongiösen Spans aus dem Beckenkamm augmentiert und rekonstruiert werden. Etwa 8 Wochen später kann dann die de¿nitive Versorgung mit einer inversen Prothese erfolgen.
5.5.7 Posttraumatische Revisionen und Wechseloperationen Vor allem bei instabilen Traumaprothesen mit resultierendem Funktionsverlust des Schultergelenkes ist
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die inverse Prothese eine sehr erfolgreiche „Salvage“Operation (Abb. 5.91). Bei posttraumatischen Revisionen und insbesondere nach Voroperationen sind bei Wahl des Zugangs alte Hautschnitte zu berücksichtigen. Es ¿nden sich häu¿g erhebliche Veränderungen der Anatomie, so dass bezüglich der neurovaskulären Strukturen vorsichtig präpariert werden muss. Die gewohnten anatomischen Landmarken fehlen häu¿g bereits bei der Präparation des Gelenkes. Für eine ausreichende Darstellung von Knochen- und Weichteilen ist in der Regel ein sorgfältiges periartikuläres sowie subdeltoidales Release notwendig. Grundsätzlich gilt, dass die Anatomie soweit wie möglich wiederhergestellt werden sollte. Dazu ist es erforderlich, in falscher Position verheilte oder luxierte Tuberkula mit der anhängigen Rotatorenmanschette darzustellen und soweit wie möglich zu rekonstruieren und zu re¿xieren. Bei erheblichen Achsabweichungen des Humerus müssen Korrekturosteotomien in die Operationsplanung einbezogen werden. Der Patient sollte vor Operation darauf hingewiesen werden, dass im Vergleich zur Primärimplantation funktionell schlechtere Ergebnisse zu erwarten sind. Bei Wechseloperationen besteht häu¿g zusätzlich die Schwierigkeit, das vorhandene, oft noch gut ¿xierte, aber funktionell insuf¿ziente Implantat unter Schonung der Knochen und Weichteile zu entfernen. Neben der oben erläuterten Vorgehensweise ist daher bei bereits implantierten Schulterprothesen regelhaft die Fensterung des Humerus unter Verwendung eines an dem M. pectoralis gestielten Knochenfensters (transhumeraler Zugang; Gohlke u. Rolf 2007) notwendig. Das Knochenfenster muss sich von der Länge her am vorhandenen Implantat orientieren und sollte ca. 1–2 cm proximal des Implantates oder des Zementsockels enden. Häu¿g wird in solchen Fällen die Darstellung des N. radialis erforderlich. Für das Revisionsimplantat sollte die unterhalb des Fensters verbleibende Verankerungsstrecke nach Möglichkeit mindestens 5 cm betragen. Die Entfernung von Knochenzementresten ist schwierig und erfordert neben besonderer Sorgfalt häu¿g spezielles Instrumentarium wie kleine Extraktionshaken, Surgairtome®Fräsen oder Ultraschallgeräte. Nach Einstellung der Länge des Revisionsimplantates sollte der Knochenzement unbedingt im luxierten Zustand aushärten, um ein Einsinken der Prothese unter das geplante Niveau zu verhindern. Die Re¿xierung des Knochenfensters kann mit Draht- oder Fadenzerklagen erfolgen.
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Abb. 5.91. Inverse Prothese als Revisionsimplantat nach instabiler, nach kranial dislozierter Traumaprothese
5.5.8 Spezielle Komplikationen Die Komplikationsraten bei Implantation einer reversen Endoprothese sind bei Verwendung als Revisionsimplantat deutlich höher als bei Primärimplantationen (Boileau et al. 2006). Die Medialisierung und Distalisierung des proximalen Humerus führt unvermeidlich zu einer Veränderung der Schulterkontur (Abb. 5.92). Eine Multicenterstudie analysiert die Komplikationsraten von 457 implantierten inversen Schulterprothesen in der Zeit von 1992–2002 (Walch et al. 2006a). 25,6% aller Fälle erlitten intra- oder postoperative Komplikationen, davon zeigten sich 39 (8,5%) intraoperative und 80 postoperative Komplikationen. Die
Abb. 5.92. Kosmetisch störendes „Sulkusphänomen“ bei einer schlanken Patientin durch die Medialisierung und Distalisierung des proximalen Humerus
Komplikationsrate war größer bei Revisionen (30,9%) als bei Primärimplantationen (2,7%). An intraoperativen Komplikationen fanden sich 28 Humerusfrakturen und 11 Glenoidfrakturen, die in 26 Fällen bei Revisionen auftraten. Weitere intraoperative Komplikationen sind in dieser Studie nicht beschrieben, da sie vermutlich nicht zur kompletten Prothesenimplantation geführt haben. Sämtliche Frakturen konnten in gleicher Sitzung versorgt werden. Im Langzeitverlauf sind in Einzelfällen mechanische Komplikationen im Sinne von Dissoziationen einzelner Prothesenkomponenten beschrieben worden (Abb. 5.93) Im eigenen Krankengut wurden die Daten von 449 konsekutiv implantierten Schulterprothesen im Zeitraum von Mai 2002 bis Dezember 2005 ausgewertet.
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Abb. 5.93. Dissoziation der Glenosphäre von der Basisplatte 8 Monate postoperativ bei inverser Prothese nach Defektarthropathie.
Hiervon wurden insgesamt 231 inverse Schulterprothesen implantiert, davon 50 in Revisionsfällen. In
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der gesamten Serie (n = 449) fanden sich 6,8% Komplikationen. Die implantatspezi¿sche Auswertung zeigte, dass inverse Prothesen (n = 231) mit 12,5% die höchsten Komplikationsraten zeigten, gefolgt vom OberÀächenersatz (n = 40) mit 5%, von Hemiprothesen als anatomische Prothesen (n = 30) mit 3,3% und schlussendlich von anatomischen Totalprothesen (n = 117) mit 0,8%. Im gesamten Kollektiv fanden sich als Frühkomplikation Plexusläsionen in 3 Fällen (0,6%), die sich sämtlich reversibel zeigten. Darüber hinaus zeigten sich 3 periphere Nervenläsionen am operierten Arm (1 N. ulnaris, 2 N. radialis, 0,6%). In 8 posttraumatischen Fällen zeigten sich im Verlauf heterotope Ossi¿kationen (1,7%). Ausschließlich bei den inversen Prothesen fanden sich 9 Dislokationen (2%), 6 Ermüdungsfrakturen (1,1%) und 4 Infektionen (0,8%). Im Langzeitverlauf zeigten sich 2 periprothetische Frakturen (nach 1 bzw. 1,2 Jahren). Intraoperative Frakturen wurden nicht beobachtet. Eine spezi¿sche Spätkomplikation der inversen Prothese stellt das inferiore Notching am Skapulahals dar. Dabei handelt es sich um eine häu¿g progrediente Osteolyse am unteren Glenoidpol, die von Sirveaux et. al. (2004) in 4 Schweregrade eingeteilt wird, wobei bei Grad 4 die kaudale Verankerungsschraube frei liegt (Abb. 5.94). Die Häu¿gkeit wird nach 4 Jahren mit über 50% angegeben. Ob die Osteolyse im Langzeitverlauf zu einer Lockerung der Glenosphäre führt, ist noch nicht gesichert. Zur Prävention des GlenoidNotching wird empfohlen, die Glenosphäre um etwa 1–2 mm den kaudalen Glenoidrand überragen zu implantieren (Abb. 5.95).
Abb. 5.94. „Inferior scapula notching“ nach Sirveaux. Einteilung in 4 Schweregrade. (Aus Sirveaux et al. 2004)
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Abb. 5.95. Empfohlene Kaudalisierung der Glenosphäre 1–2 mm unter den Skapularand zur Prävention des „inferior notching“
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Spezielle Indikationen
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T. Ambacher, F. Gohlke, E. Wiedemann, M. Loew, M. Rickert und U. Holz
6.1 Primäre Omarthrose T. Ambacher
6.1.1 Ätiologie Die Omarthrose ist eine degenerative Gelenkerkrankung, die in eine primäre, idiopathische und eine sekundäre, z. B. posttraumatische Form, unterteilt wird. Die primäre Omarthrose weist mit 3% im Vergleich zu den gewichtbelasteten Gelenken der unteren Extremität eine niedrige Prävalenz auf. Da der Erkrankungsbeginn nicht eindeutig bestimmt werden kann, gibt es keine verlässlichen Angaben zur Inzidenz der Omarthrose. Im Vergleich zu den Arthrosen des Hüftoder Kniegelenkes sind Patienten, die an einer Arthrose des Schultergelenkes leiden, zum Zeitpunkt der Diagnosestellung mit einem Durchschnittsalter von rund 60 Jahren relativ jung (Jerosch u. Heisel 2002; Williams u. Rockwood 1996).
6.1.2 Pathogenese Die primäre Omarthrose ist eine Erkrankung, die am Gelenkknorpel des Humeruskopfes beginnt, die jedoch im Verlauf alle Gelenkpartner und -strukturen betrifft. Von Co¿eld (1990) wurden bei primärer Omarthrose u. a. folgende pathoanatomische Veränderungen an den verschiedenen Gelenkanteilen beschrieben.
Humeruskopf: Ɣ häu¿g zentraler Knorpelverlust, Ɣ inferiorer Osteophytenkranz, Ɣ zunehmende Kopfgröße, Ɣ Erosion mit zentraler AbÀachung, Ɣ subchondrale Zysten. Glenoid: Ɣ posteriorer und zentraler Knorpeldefekt, Ɣ Aufhebung der Gelenkkonkavität durch posteriore Glenoiderosion, Ɣ Sklerosezone posterior und zentral, Ɣ inferiorer Osteophytenkranz, Ɣ subchondrale Zysten. Gelenkposition: Ɣ posteriore Subluxation infolge Glenoiderosion und anteriorer Kapselkontraktur, Ɣ zentralisierte Form bei fehlendem Glenoiddefekt. Gelenkkapsel: Ɣ anteriore Kapselkontraktur (Innenrotationskontraktur). Rotatorenmanschette: Ɣ begleitende Defekte in bis zu 10%, Ɣ Degeneration mit Partialläsionen oder Fibrosierung. Leitsymptom der primären Omarthrose ist die progrediente schmerzhafte Funktionseinschränkung des Schssultergelenkes. In der frühen Phase der Erkrankung geben die Patienten gelegentlich Beschwerden an – nächtliche Schmerzen, Schmerzen bei Über-
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_6, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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kopf belastung –, die bei oberÀächlicher Betrachtung an ein subakromiales Impingement denken lassen. Die Arthroskopie zeigt in diesen Fällen aber bereits einen II- bis III-gradigen Knorpelschaden, der sich in dieser Phase häu¿g noch der röntgenologischen und kernspintomographischen Diagnostik entzieht. Die Bewegungseinschränkung ist auf die zunehmende AbÀachung der GelenkÀäche des Oberarmkopfes und die resultierende Inkongruenz zurückzuführen. Die Diagnose wird allerdings in vielen Fällen erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung gestellt, da die Schulter ein nicht belastetes Gelenk ist und durch mehrere Nebengelenke zunächst ausreichende Kompensationsmöglichkeiten für die Globalbeweglichkeit bestehen. Bei Fortschreiten der Erkrankung klagen die Betroffenen dann in erster Linie über eine Einschränkung der Außenrotation und Abduktion sowie über Schmerzen beim Liegen auf der Schulter, bei Gewichtsbelastung und beim Anheben des Armes. Häu¿g wird auch ein Reibegeräusch oder Krachen im Gelenk angegeben. Im weiteren Verlauf tritt eine zunehmende Einsteifung der Schulter mit ausgeprägter Innenrotationskontraktur ein, die schließlich zu einer Atrophie der Schultergürtelmuskulatur führt.
6.1.3 Radiologische Diagnostik und Klassifikationen In der Frühphase kann die Omarthrose auf dem konventionellen Röntgenbild schwer zu erkennen sein. Andererseits geben viele Patienten trotz fortgeschrittener radiologischer Arthrosezeichen kaum Beschwer-
Abb. 6.1a, b. Charakteristische Zeichen der primären (idiopathischen) Omarthrose in der konventionellen Röntgendiagnostik im „true a.p.“ (a) und axialen (b) Strahlengang
T. Ambacher
den an, so dass eine eindeutige Korrelation zwischen klinischen Beschwerden und radiologischem Befund nicht gegeben ist. Dies muss bei der Röntgendiagnostik und bei der Indikationsstellung zu operativen Behandlungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Primäres Standardverfahren der Bildgebung zum Nachweis und zur Klassi¿kation der Omarthrose ist die konventionelle Röntgendiagnostik der Schulter im „true a. p.“ und axialen Strahlengang. Bei arthrotischer Gelenkdestruktion der Schulter lassen sich auf diesen Aufnahmen in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung folgende Zeichen nachweisen (Abb. 6.1a, b): Ɣ Verschmälerung des Gelenkspaltes, Ɣ subchondrale Sklerosierungszonen im Bereich der Knorpeldefekte am Humeruskopf und am Glenoid, Ɣ Osteophyten besonders an den inferioren Abschnitten des Glenoids und des Humeruskopfes, Ɣ subchondrale Zysten am Humeruskopf und Glenoid mit unregelmäßiger Berandung der GelenkÀächen, Ɣ Erosion oder Defekt im posterioren Glenoidabschnitt infolge anteriorer Kapselkontraktur mit posteriorer Subluxation des Humeruskopfes. Ist die arthrotische Gelenkdestruktion Folge einer Instabilität, hat sich hinsichtlich der Beurteilung des Schweregrades die Klassi¿kation nach Samilson bewährt (Samilson u. Prieto 1983), die sich überwiegend an der Ausprägung des inferioren Osteophytenkranzes orientiert (Tab. 6.1). Anhand der konventionellen Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen werden in Abhängigkeit vom Ausmaß der glenoidalen und humeralen Osteophyten folgende Schweregrade der Instabilitätsarthrose differenziert: Es ist sinnvoll, anhand der Röntgendiagnostik eine Klassi¿zierung der Glenoidarthrose vorzunehmen,
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Spezielle Indikationen
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Tabelle 6.1. Schweregrade der Instabilitätsarthropathie (nach Samilson) Grad
Qualität
Ausmaß des kaudalen Osteophyten
I
Mild
0–3 mm
II
Moderat
3–6 mm
III
Massiv
>6 mm
da sich die Indikation zum Glenoidersatz nach dem Typ der Glenoidarthrose richtet. Die Bestimmung der Pfannendeformität kann allerdings exakter in einem Schnittbildverfahren (CT oder MRT) erfolgen. Ausmaß und Typ der arthrotischen Destruktion des Glenoids werden nach Walch et al. (1999) in 3 unterschiedliche Typen eingeteilt (s. Abb. 5.56). Bei Glenoiden vom Typ A ist die Konkavität noch erhalten. Typ-B-Pfannen weisen eine posteriore Glenoiderosion auf, die zur posterioren Subluxation des Humeruskopfes führen kann. Bei Typ-C-Pfannen liegt eine posteriore Glenoiddysplasie vor mit posteriorer Inklination von mehr als 25 Grad (vgl. Abschn. 5.4).
6.1.4 Therapie Die Indikation zur Versorgung mit einer Schulterendoprothese ergibt sich bei unter konservativer Behandlung resistenter schmerzhafter Funktionseinschränkung mit radiologisch gesicherten Arthrosezeichen des Gelenkes unter folgenden klinisch-radiologischen Kriterien: Ɣ intolerable Schmerzen in Ruhe und/oder bei Belastung, Ɣ regelmäßiger Bedarf an Analgetika, Ɣ Bewegungseinschränkung auf unter 90 Abduktion und 20 Außenrotation, Ɣ Gelenkspaltverschmälerung auf unter 5 mm, Ɣ posteriorer Glenoidabrieb, Ɣ posteriore Subluxation des Humeruskopfes. Bei jüngeren Patienten unterhalb des 50. Lebensjahres mit sportlicher oder beruÀicher Schulterbelastung und noch nicht komplett aufgehobenem Gelenkspalt kann es im Einzelfall sinnvoll sein, durch eine arthroskopische Gelenktoilette, die eine Synovektomie, Entfernung freier Gelenkkörper, Knorpelglättung, evtl. eine subchondrale Anbohrung und eine Abtragung von osteophytären Anbauten umfasst, eine Schmerz-
reduktion zu erreichen. Ein therapeutischer Effekt ist nur von vorübergehender Dauer über 2–5 Jahre zu erwarten, stellt jedoch beim jüngeren Patienten gelegentlich einen relevanten Zeitgewinn dar. Sofern infolge von kardiopulmonalen oder sonstigen Begleiterkrankungen aktuell die Operations- und Narkosefähigkeit nicht gegeben ist, kann es hilfreich sein, durch eine Röntgentiefenbestrahlung kurzfristig eine Schmerzreduktion zu erreichen und die Endoprothesenimplantation dann zu einem späteren Zeitpunkt nach Behandlung der Begleiterkrankung durchzuführen.
6.1.5 Spezielle Operationsplanung Zur präoperativen Planung und sicheren Beurteilung der knöchernen Verhältnisse am Glenoid sowie zur Darstellung der Rotatorenmanschette ist routinemäßig ein Schnittbildverfahren zu empfehlen. Die Sonographie ist bei der Omarthrose von untergeordneter Bedeutung. Infolge der Medialisierung des Rotationszentrums mit Verlagerung des Humeruskopfes unter das Schulterdach ist die Rotatorenmanschette häu¿g größtenteils unter dem Schallschatten des Akromions verborgen, so dass deren Beurteilung nur eingeschränkt möglich ist. Gelegentlich lässt sich eine unregelmäßige Berandung des HumeruskopfreÀexes oder ein Gelenkerguss darstellen. Bei den meisten Patienten erlaubt die Kernspintomographie sowohl eine exakte Beurteilung der Rotatorenmanschette als auch der knöchernen Deformierung von Humeruskopf und Glenoid. Zur Operationsplanung und zu einer differenzierten Auswahl der indizierten Implantate sind folgende morphologische Parameter von Bedeutung: Ɣ Zustand der Rotatorenmanschette: Sehnendefekt, Lokalisation, Retraktionsgrad, Breitenausdehnung, Ausmaß der Muskelatrophie, Ɣ Position und Ausrichtung des Humeruskopfes, Osteophytenlokalisation und -größe, Deformierung und knöcherne Defekte, Ɣ Lokalisation und Ausmaß von knöchernen Defekten am Glenoid: Retroversion, Sekundärpfannenbildung, Aufhebung der Glenoidkonkavität. Sofern eine spezielle Fragestellung hinsichtlich der knöchernen Verhältnisse besteht, sollte zusätzlich eine CT-Diagnostik erfolgen, da diese im Vergleich zur MRT-Untersuchung eine exaktere Darstellung
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ermöglicht. Die Kernspintomographie führt tendenziell zu einer Überbewertung knöcherner Defekte. Bei zusammenfassender Betrachtung der Befunde der klinischen Untersuchung, der konventionellen Radiologie sowie der MRT- und/oder CT-Diagnostik sollte es in der Regel möglich sein, bereits präoperativ festzulegen, welcher Prothesentyp im individuellen Fall der geeignete ist und ob ein Glenoidersatz indiziert ist.
6.1.5.1 Planung in Abhängigkeit vom Zustand der Rotatorenmanschette Der Zustand der Rotatorenmanschette kann präoperativ mit einer MRT-Untersuchung beurteilt werden (Abb. 6.2). Häu¿g vorhandene Partialläsionen sowie kleinere, rekonstruierbare Rotatorenmanschettendefekte ohne höhergradige Muskelatrophie beeinÀussen das Ergebnis nach einer Endoprothesenversorgung nicht (Ianotti u. Norris 2003). Nur rund 10% der Patienten mit einer Omarthrose weisen einen kompletten Rotatorenmanschettendefekt auf. Sofern es sich um eine kleine, nahtfähige Läsionen handelt, kann eine konventionelle Totalendopro-
T. Ambacher
these implantiert werden, wobei darauf zu achten ist, dass der Prothesenkopf nicht zu groß gewählt wird, um eine Überspannung der vorgeschädigten Manschette zu vermeiden. Die Literaturdaten belegen keinen Effekt einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion auf das Ausheilungsergebnis nach Schulterprothesenimplantation, so dass der Defekt nicht grundsätzlich verschlossen werden muss (Torchia u. Co¿eld 1994; Wiedemann 2006; Williams u. Rockwood 1996). Darüber hinaus existieren keine Daten hinsichtlich der Reruptur- bzw. Heilungsrate nach Naht der Rotatorenmanschette für den Fall einer Prothesenversorgung, so dass nach derzeitigem Kenntnisstand die Rotatorenmanschettenrekonstruktion in dieser Situation nicht empfohlen wird. Bei größeren Rotatorenmanschettenläsionen, die nur noch partiell rekonstruiert werden können, sollte ein Glenoidersatz nicht durchgeführt werden, da in der Regel von einer instabilen Gelenkführung und exzentrischen Belastung der Glenoidkomponente auszugehen ist, die zu einer frühzeitigen Auslockerung der Glenoidkomponente durch einen so genannten „Rocking-horse-Mechanismus“ führt (Williams u. Rockwood 1996). Bei großen Rotatorenmanschettendefekten mit radiologisch dezentriertem Humeruskopf ist die Indikation zur inversen Endoprothese gegeben. 6.1.5.2 Planung des Oberarmkopfersatzes
Abb. 6.2. Ausgedehnter posterosuperiorer Manschettendefekt mit nahezu kompletter Atrophie der Supraspinatusmuskulatur in der sagittalen Schnittführung. Kontraindikation zum Glenoidersatz. Versorgung mit Oberarmkopfprothese bei noch zentrierter Gelenkstellung oder inverser Prothese bei Dezentrierung des Humeruskopfes und ausgeprägter Funktionseinschränkung
Anhand der konventionellen Röntgenaufnahmen kann der Durchmesser des Oberarmkopfes ausgemessen werden wobei zu beachten ist, dass der anteroposteriore Durchmesser, der in der axialen Projektion bestimmt wird, üblicherweise kleiner ist als der kraniokaudale Durchmesser in der a.p.-Aufnahme, da der Oberarmkopf meistens eine längsovale Kon¿guration aufweist. Zur Bestimmung der Kopfgröße können Schablonen verwendet werden, die üblicherweise im Instrumentenset ebenso wie die spezi¿sche Operationsanleitung enthalten sind (Abb. 6.3). Es wird empfohlen, sich bei der Auswahl der Kopfgröße am kleineren anteroposterioren Durchmesser zu orientieren. Zusätzlich sind osteophytäre Anbauten zu berücksichtigen, deren Ausmaß und Lokalisation ebenfalls bereits präoperativ erfasst werden können. Zur Planung des Prothesenschaftes werden Schablonen verwendet, die der a.p.- und axialen Röntgenaufnahme aufgelegt werden. Die Schaft-
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.4. Bestimmung der Glenoidbeschaffenheit im präoperativen CT. Im vorliegenden Fall besteht eine Retroversion von 33°. Damit besteht die Indikation zu einer Glenoidimplantation in korrigierter Ausrichtung. In dieser Situation ist ein additiver dorsaler Aufbau der Schulterpfanne zu empfehlen, da bei einem ventralen Abfräsen des Glenoids keine ausreichende Knochensubstanz zur Befestigung der Komponente im Skapulahals verbleibt (s. Abschn. 5.4)
Abb. 6.3 . Präoperative Planung der Kopf- und Schaftgröße mit Schablonen in der a.p.-Röntgenaufnahme
schablone soll dabei der Innenseite des kortikalen Rahmens des Humerus anliegen. Bei der Planung des Prothesenschaftes müssen Achsabweichungen und unterschiedliche Durchmesser in der a.p.-und axialen Ebene beachtet werden.
6.1.5.3 Planung des Glenoidersatzes Zur Beurteilung der knöchernen Verhältnisse am Glenoid ist in der Regel ein Schnittbildverfahren erforderlich. Bei knöchernen Defektsituationen emp¿ehlt sich eine Computertomographie, da mit diesem Verfahren die knöcherne Situation am exaktesten beurteilt werden kann. Ansonsten ist eine MRT-Diagnostik das
Verfahren der Wahl. Auf den Schichtaufnahmen lassen sich knöcherne Integrität, Ausmaß und Lokalisation von Defekten, Volumen des Skapulahals sowie die Glenoidversion in der axialen und frontalen Ebene beurteilen. Nach Auswertung des Schnittbildverfahrens kann entschieden werden, ob die Indikation zum Glenoidersatz gegeben ist und ob die knöcherne Situation dies erlaubt (s. Abschn. 5.4 und 6.1). Darüber hinaus ist die Glenoidversion in der axialen und frontalen Ebene zu bestimmen, um eine möglichst achsengerechte Implantation der Glenoidkomponente erreichen zu können (Abb. 6.4). Meistens liegt infolge der Innenrotationskontraktur ein posteriorer Pfannenabrieb mit erhöhter Retroversion vor. Anhand der CT- oder MRT Untersuchung kann das Ausmaß der eventuell erforderlichen Korrekturfräsung der Pfanneneingangsebene bestimmt werden. 6.1.5.4 Differentialindikation der Implantate Noch bis vor wenigen Jahren wurden ausschließlich Monoblockprothesen oder nichtanatomische modulare Prothesen zur Versorgung der Omarthrose eingesetzt. Eine Wiederherstellung des proximalen Humerus in
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seiner ursprünglichen Form und damit eine Rekonstruktion des Drehpunktes konnte dadurch in vielen Fällen nicht gewährleistet werden. Durch die Weiterentwicklung der Implantate stehen dem Operateur heute unterschiedliche modulare Prothesenmodelle zur Verfügung, die eine nahezu stufenlose eine Anpassung des Implantates an die individuelle knöcherne Situation erlauben. Darüber hinaus wurden Implantate entwickelt, die auf eine Verankerung im Schaft verzichten, sodass bei einem eventuell erforderlichen Prothesenwechsel der komplikationsträchtige Schaftausbau vermieden werden kann. In dieser Kategorie sind OberÀächenersatz und schaftlose Kalottenkomponenten voneinander zu unterscheiden. Der aktuelle Trend besteht in der Konstruktion von Prothesen, die über ein Adaptersystem einen Umbau von einer konventionellen Hemi- oder Totalprothese zum inversen System ohne Schaftwechsel erlauben. Neben der Vermeidung des Schaftwechsel und logistischer Probleme hat dies den Vorteil, dass bei einer Revision erst intraoperativ entschieden werden muss, welcher Implantattyp tatsächlich eingesetzt wird. 6.1.5.5 Oberflächenersatz Der OberÀächenersatz stellt ein knochenerhaltendes Verfahren dar. Nach Fräsung des Oberarmkopfes bis in die subchondrale Zone wird der Humeruskopf mit einer dünnen Metallschale überzogen. Es sind verschiedene Implantate unterschiedlicher Hersteller zur zementierten und zementfreien Implantation
Abb. 6.5. a Indikation zum OberÀächenersatz bei posttraumatischer Arthrose. b Die Implantation einer Schaftprothese ist wegen der metaphysären Deformität nicht möglich
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verfügbar, die sich in ihrer Geometrie und Verankerungstechnik voneinander unterscheiden. Die CupProthesen werden vor allem für Patienten favorisiert, bei denen Lokalisation und Ausmaß der Gelenkdestruktion noch eine stabile Verankerung am Humeruskopf erlaubt und ein OberÀächenersatz des Glenoids nicht erforderlich ist. Eine ausreichende Exposition der Schulterpfanne für die Präparation zum Glenoidersatz ist ohne Kalottenresektion bei ausgeprägter Weichteilkontraktur und knöcherner Deformierung nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich, so dass in diesen Fällen der OberÀächenersatz nicht zu empfehlen ist. Hier ist es günstiger, einen konventionellen Oberarmkopfersatz mit einer Schaftkomponente durchzuführen, da die anatomisch korrekte Implantation einer Glenoidkomponente in der Regel nur nach Resektion der Kalotte möglich ist. Voraussetzung für die Verwendung eines OberÀächenersatzes ist ein ausreichender epiphysärer „bone stock“ bei dem mindestens 60% der Knochensubstanz zur Verankerung erhalten sein müssen. Bei primärer oder sekundärer, posttraumatischer Omarthrose ist die Implantation einer OberÀächenersatzprothese unter den folgenden Bedingungen indiziert: Ɣ Eine Schaftprothese mit Verankerung im proximalen Humerusschaft ist infolge der anatomischen Verhältnisse nicht möglich, z. B. bei posttraumatische Deformierung der Humerusmetaphyse (Abb. 6.5a, b). Ɣ Die Schaftverankerung ist aufgrund distaler Implantate nicht möglich, z. B. bei Einliegen einer
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Spezielle Indikationen
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Tabelle 6.2. Differentialindikation nach Walch Pfannentyp
Implantat
A1
HEP
A2
HEP / TEP
B1 und B2
TEP
C
TEP (wenn möglich)
Ellenbogenprothese mit langem Stil oder nach retrograder Humerusnagelung). Ɣ Ein Glenoidersatz ist nicht möglich, z. B. bei Rotatorenmanschettendefekt, Glenoiddysplasie oder höhergradigen Glenoiddefekten, die nicht aufgebaut werden können). Ɣ Der Glenoidknorpel ist intakt bei humeruskopfbetonter Omarthrose ohne exzentrische Glenoiderosion. Ɣ Der Patient ist jünger als 50 Jahre alt (Tab. 6.2). Als Vorteil des OberÀächenersatzes gilt, dass die Knochensubstanz am Oberarmkopf weitgehend erhalten und die Diaphyse unberührt bleibt und alle Rückzugsmöglichkeiten auf ein anderes Implantat bestehen. Der Prothesenwechsel auf eine Oberarmkopfprothese mit Verankerung im Schaft oder eine Totalendoprothese ist unproblematisch. Der OberÀächenersatz lässt sich sowohl nach zementierter als auch nach zementfreier Implantation problemlos entfernen (Levy u. Copeland 2004). Als Nachteil muss erwähnt werden, dass ein Glenoidersatz ohne Resektion des Humeruskopfes in der Regel nicht möglich ist. Die exakt anatomische Implantation einer OberÀächenersatzprothese ist schwierig und gelingt in vielen Fällen nicht. Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko zur Überdimensionierung des Implantates, das zusätzlich infolge ungenügender Abfräsung der Kalotte auch eine Erhöhung des lateralen Offset erzeugen kann. Dies kann zur Entwicklung einer frühzeitigen Glenoidarthrose und sekundären Läsionen der Rotatorenmanschette führen. 6.1.5.6 Kalottenersatz Es handelt es sich um einen schaftfreien Humeruskopfersatz mit metaphysärer Verankerung (Abb. 6.6a, b). Der Unterschied zum OberÀächenersatz besteht darin, dass die GelenkÀäche des Humeruskopfes vollständig reseziert wird und dennoch auf eine Schaftimplanta-
Abb. 6.6a, b. Schaftfreie Humeruskopfprothese. Schematischer Aufbau (a) mit 3 Komponenten und im Röntgenbild nach Implantation bei primärer Omarthrose (b)
tion verzichtet werden kann, so dass ein Glenoidersatz problemlos möglich ist. Der Kalottenersatz kann auch bei primärer Omarthrose dann implantiert werden, wenn metaphysär eine ausreichend solide Spongiosastruktur besteht, die eine primär stabile Verankerung der metaphysären Hohlschraube ermöglicht. Kontraindikationen bestehen bei schwerer Osteoporose oder ausgeprägten Osteopathien. 6.1.5.7 Oberarmkopfprothese Eine konventionelle Oberarmkopfprothese ohne Glenoidersatz (Hemiendoprothese = HEP), mit zementierter oder zementfreier Verankerung des Prothesenschaftes (Abb. 6.7), ist bei primärer oder sekundärer Omarthrose in folgenden Fällen indiziert: Ɣ Ein Glenoidersatz ist nicht möglich z. B bei Glenoiddysplasie (Typ C nach Walch), höhergradigen Glenoiddefekten, die nicht aufgebaut werden können oder bei einer Rotatorenmanschettenläsion. Ɣ Der Glenoidknorpel ist intakt bei humeruskopfbetonte Omarthrose ohne exzentrische Glenoiderosion (Typ A1 oder A2 nach Walch). Ɣ Der Patient ist jünger als 50 Jahre. Durch die Oberarmkopfprothese kann in den meisten Fällen eine Schmerzreduktion erreicht werden. Da die primäre Omarthrose nicht nur auf den Humeruskopf beschränkt ist, sondern auch den glenoidalen Gelenkpartner betrifft, erreichen die Patienten ohne Glenoidersatz in vielen Fällen jedoch keine schmerzfreie Situation. Im Vergleich zur Totalendoprothese sind auch die funktionellen Resultate ungünstiger. Bei stärkerer Belastung des Armes im Beruf oder bei sportlichen Aktivitäten
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Abb. 6.7a, b. Primäre Omarthrose ohne wesentliche Glenoidbeteiligung bei einem 54jährigen Patienten präoperativ (a) und 6 Jahre postoperativ (b) nach Humeruskopfprothese. Im Verlauf unveränderter Erhalt der Schulterpfanne ohne sekundäre Erosion
ist vor allem bei jüngeren Patienten frühzeitig eine sekundäre Glenoidarthrose zu befürchten. 6.1.5.8 Totalendoprothese Die primäre Omarthrose betrifft das gesamte Gelenk, so dass bei hemiprothetischer Versorgung in vielen
Abb. 6.8a, b. Primäre Omarthrose bei einem 58-jährigen Patienten präoperativ (a) und 3 Jahre postoperativ (b) nach Totalendoprothese
Fällen Restbeschwerden verbleiben. Eine schmerzfreie Schultergelenksfunktion kann daher meistens nur durch eine Totalendoprothese (TEP) gewährleistet werden (Abb. 6.8a, b). Die Resultate nach Totalendoprothese sind den Resultaten nach hemiprothetischer Versorgung hinsichtlich Schmerzreduktion und Funktion überlegen. Bei der Indikationsstellung zum Glenoidersatz gilt es andererseits allerdings auch zu
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Spezielle Indikationen
bedenken dass längerfristige radiologische Verlaufskontrollen über 10 Jahre erhebliche Lockerungsraten von bis zu 80% zeigen und der Wechsel einer Glenoidkomponente schwierig oder gar unmöglich sein kann, sodass die Glenoidkomponente nach wie vor als Schwachstelle der Schulterendoprothetik betrachtet werden muss. Die Indikation zum Glenoidersatz wird zunächst anhand der Destruktion der Knorpel-Knochensubstanz des Glenoids gestellt. Zur präoperativen Planung und sicheren Beurteilung der Glenoidsituation sollte routinemäßig eine MRT- oder CT-Untersuchung durchgeführt werden (Walch et al. 1999). Zur Entscheidung, ob ein Glenoidersatz indiziert ist, hat sich die Klassi¿kation der Glenoidarthrose nach der Einteilung von Walch etabliert. Aktuell wird, orientiert an der Einteilung nach Walch folgende Differentialindikation empfohlen: Bei zusammenfassender Betrachtung der biomechanischen Verhältnisse und der knöchernen Situation anhand der CT/MRT Diagnostik ergibt sich die Indikation zum Glenoidersatz bei folgenden Voraussetzungen: Ɣ Knorpeldefekt im Glenoidbereich mit Sklerosierung und/oder Zystenbildung, Ɣ Verlust der posterioren Glenoidkonkavität, Ɣ posteriore Subluxationsstellung des Humeruskopfes, Ɣ Sekundärpfannenbildung infolge chronischer posteriorer Subluxation des Humeruskopfes. Mit Ausnahme der erhaltenen anatomischen Pfannenkonkavität (Glenoid Typ A1 und A2) mit noch erhaltenem Knorpel besteht bei isolierter Betrachtung der knöchernen Verhältnisse bei allen Patienten mit primärer Omarthrose die Indikation zum Glenoidersatz. Es ergeben sich jedoch in der alltäglichen Praxis Einschränkungen durch weitere Parameter, die die Indikation zum Glenoidersatz beeinÀussen, so dass derzeit bei Betrachtung der Verkaufszahlen der Industrie nur bei etwa 30–40% der Patienten mit Omarthrose tatsächlich ein Glenoidersatz durchgeführt wird. Ein Glenoidersatz ist in den meisten Fällen unter folgenden Umständen nicht möglich: Ɣ massive Osteoporose, die eine stabile Glenoidverankerung nicht erlaubt, Ɣ größerer Substanzdefekt des Glenoids, Ɣ ausgedehnter, nicht rekonstruierbarer Rotatorenmanschettendefekt mit instabiler Gelenkführung mit
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dem Risiko einer frühzeitigen Glenoidlockerung („Rocking-horse-Phänomen“), Ɣ Typ-C-Glenoid mit posteriorer Dysplasie und posteriorer Inklination >25°. Weitere Einschränkungen ergeben sich durch folgende Parameter: Ɣ Patientenalter unter 50 Jahren, Ɣ Patient mit sportlicher und beruÀicher Schultergelenksbelastung und unsicherer Compliance, Ɣ Erfahrung und Technik des Operateurs erlauben keine ausreichende Exploration des Glenoids.
6.1.5.10 Inverse Prothese Bei der primären Omarthrose treten komplette Rotatorenmanschettendefekte mit einer Häu¿gkeit von etwa 10% eher selten auf und sind in den meisten Fällen von geringer Ausdehnung (Ianotti u. Norris 2003). In der Regel weisen die Gelenke eine stabile Gelenkführung auf. Daher ergibt sich üblicherweise bei der primären Omarthrose keine Indikation für das inverse Implantat.
6.1.5.10 Bipolare Prothese Die bipolare Prothese kann für den Fall einer hochgradigen Glenoiddestruktion mit nicht rekonstruierbarem Rotatorenmanschettendefekt verwendet werden. Diese Konstellation stellt bei der primären Omarthrose eine Rarität dar, so dass das bipolare System bei dieser Erkrankung eine Ausnahmeindikation darstellt.
6.1.6 Spezielle Operationstechnik 6.1.6.1 Zugang Die Standardexposition bei der primären Omarthrose erfolgt über den deltopektoralen Zugang. Der etwa 15 cm lange Hautschnitt erfolgt in gerader Linie neben der Korakoidspitze beginnend schräg nach lateral absteigend in Richtung der humeralen Deltainsertion (Abschn. 5.1).
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6.1.6.2 Technik der Präparation und Mobilisation der Subskapularissehne Bei den meisten Patienten, die an einer primären Omarthrose leiden, besteht eine erhebliche Innenrotationskontraktur mit Schrumpfung der vorderen Kapsel und Verkürzung der Subskapularissehne. In der Regel ist daher eine spezielle Präparationstechnik der Subskapularissehne erforderlich, um einerseits eine vollständige Exploration des Oberarmkopfes und des Glenoids zu erreichen und andererseits die Voraussetzungen für die postoperative Wiederherstellung einer zufrieden stellenden Außenrotation. Dazu werden in Abhängigkeit vom Ausmaß der Innenrotationskontraktur die folgenden drei Prinzipien empfohlen (Abb. 6.9): Ɣ Für den eher seltenen Fall, dass noch eine Außenrotation über 20° möglich ist, kann die Subskapularissehne mitsamt der Kapsel ca. 1 cm medial der Tuberculum-minus-Insertion inzidiert werden. Die abgetrennte Subskapularissehne kann zum Verschluss
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des Gelenkes wieder am lateral verbliebenen Sehnenstumpf des Tuberkulum minus mit nicht resorbierbaren Fäden re¿xiert werden. Ɣ Bei den meisten Patienten besteht eine Einschränkung der Außenrotation auf 0–20°. In dieser Situation wird die Sehne ganz lateral am Tuberculum minus subperiostal oder mit einer dünnen Knochenschuppe abgelöst. Das Rotatorenintervall wird inzidiert und das kontrakte Lig. coracohumerale durchtrennt. Nach distal verläuft die Inzision bis zu den Vasa circumÀexa am Unterrand der Subskapularissehne, die geschont wird. Weiterführung der Inzision rechtwinklig zur vorherigen Längsinzision am Oberrand der zirkumÀexen Gefäße nach medial. Ɣ Bei massiver Innenrotationskontraktur mit einer Außenrotation von maximal 0° wird die ganz laterale Ablösung der Subskapularissehne vom Tuberculum minus nach distal auf den proximalen Humerus bis zur Pektoralisinsertion erweitert. Gegebenenfalls zusätzliche Einkerbung der oberen 2–3 cm der Pectoralis-major-Sehne. Mobilisierung der Subskapularissehne subkorakoidal sowie in der Fossa subscapularis, so dass abschließend ein 360° -Release der Subskapularissehne resultiert. 6.1.6.3 Exploration des Humeruskopfes, Kapsel-Release Um eine Übersicht über die gesamte Zirkumferenz des Humeruskopfes zu erhalten, ist ein vollständiges humeralseitiges Kapsel-Release erforderlich. Dies ist die Voraussetzung zur Bestimmung der Ebene für die anatomische Kalottenresektion. Hierzu sind in halbsitzender Lagerung eine freie Adduktion sowie etwa 20–30° Extension und 180° Außenrotation des Humerus notwendig. Der Humeruskopf kann in dieser Stellung zwischen M. deltoideus und M. pectoralis hervorluxiert und mit Hohmann-Hebeln zirkulär eingestellt werden. Zum humeralseitigen kompletten Kapsel-Release wird die inferior-posteriore Kapsel schrittweise unter zunehmender Außenrotation scharf auf den Knochen inzidiert (s. Abb. 5.18).
Abb. 6.9. Verschiedene Techniken der Ablösung der Subskapularissehne. Belassung eines 1 cm breiten Sehnenstumpfes am Tuberculum minus (1). Ubperiostales Ablösen, evtl. mit einer Kortikalisschuppe (2). Extensive Ablösung bis zum proximalen Humerusschaft (3)
6.1.6.4 Anatomische Kalottenresektion Die Landmarken zur anatomischen Kalottenresektion sind ventral und kranial eindeutig de¿niert. Hier
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Spezielle Indikationen
verläuft die Resektion exakt entlang der Insertion der Subskapularis- und Supraspinatussehne. Im posterioren Abschnitt des Humeruskopfes be¿ ndet sich ein etwa 5 mm breites, knorpelfreies Areal zwischen der Insertion der Infraspinatussehne und dem knorpeltragenden Anteil des Humeruskopfes. Einige Operateure respektieren diese knorpelfreie Zone, andere resezieren direkt entlang der Kapsel- und Sehneninsertion. In diesem Fall resultiert eine vermehrte Retroversion von etwa 10°. Im inferioren Abschnitt des Humeruskopfes ¿ ndet sich häu¿g ein Osteophytenkranz, der vor Festlegung der Resektion mit dem Luer oder Meisel komplett abgetragen werden muss. Unterbleibt die Resektion des Osteophytenkranzes, resultiert eine zu steile Resektion mit zu kleinem Inklinationswinkel. Gelegentlich kann es schwierig sein, den ursprünglichen Knorpel-Knochen-Übergang zu identi¿zieren. Sobald in allen Abschnitten des Humeruskopfes die Landmarken zur Kalottenresektion identi¿ziert worden sind, können diese mit dem elektrischen Messer markiert werden. Die Resektion mit einer oszillierenden Säge kann vom Geübten entlang der Markierungen in Freihandtechnik durchgeführt werden. Um eine grobe Fehleinschätzung der Inklination zu vermeiden, wird allerdings bei den meisten Instrumentarien die Verwendung einer Resektionslehre oder einer Schablone mit einem Winkel von 130°–135° empfohlen.
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Abb. 6.10. Ausmessen der korrekten Kalottengröße durch Anlegen an das Resektat
sind. An der inferioren Zirkumferenz wird dann in der Regel ein Knochenüberstand von einigen Millimetern verbleiben, der mit dem Luer oder dem Meisel abgetragen werden soll. Wenn man sich bei der Größenbestimmung am kraniokaudalen Durchmesser orientiert, resultiert ein zu großer Prothesenkopf.
6.1.6.5 Bestimmung der Kalottengröße Intraoperativ besteht verbreitet die Tendenz zur Auswahl einer überdimensionierten Kalottenkomponente. Es bestehen zwei Möglichkeiten zur Bestimmung der anatomisch korrekten Kopfgröße: 1. Bei primär korrekter Kalottenresektion kann nach Abtrennung der Osteophyten von der resezierten Kalotte der Testkopf auf das Resektat gelegt werden und so ein Größenabgleich erfolgen. Der Testkopf sollte die Ränder der resezierten Kalotte nicht überragen (Abb. 6.10). 2. Der Testkopf wird nach Resektion des Osteophytenkranzes auf die Resektionsebene gelegt und so ausgerichtet, dass er diese abdeckt (Abb. 6.11). Da die Resektionsebene nicht kreisrund, sondern eher längsoval ist, ist die Größe des Testkopfes dann richtig gewählt, wenn superior, anterior und posterior die Resektionsränder kongruent abgedeckt
Abb. 6.11. Ausmessen der korrekten Kalottengröße durch Ausrichtung an der ResektionsÀäche
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6.1.6.6 Technik der Glenoidexposition Die Exposition und Exploration des Glenoids kann bei der primären Omarthrose mit kontrakten Weichteilverhältnissen sehr schwierig sein. Zur sicheren und vollständigen Darstellung des Glenoids hat sich ein systematisches Vorgehen nach folgenden Prinzipien bewährt: 1. Der M. deltoideus wird vollständig vom akromialen Ursprung bis zum humeralen Insertionspunkt präpariert und so mobilisiert, dass ein großer RouxHaken problemlos zwischen Muskulatur und proximalen Humerus eingesetzt werden kann. Dadurch wird die muskuläre Spannung reduziert und der Humeruskopf lässt sich später mit einem Retraktor leichter nach dorsal luxieren. 2. Der Oberarmkopf wird zum glenoidalen KapselRelease in etwa 30° Abduktion und Außenrotation eingestellt. 3. Zur Darstellung des Glenoids werden am oberen, vorderen und unteren Pfannenrand Hohmann-Hebel eingesetzt. Posteroinferior wird dann ein Humeruskopfretraktor am Glenoidrand eingesetzt, um eine Luxation des proximalen Humerus nach dorsoinferior zu erreichen. 4. In Abhängigkeit von den individuellen anatomischen Verhältnissen muss die Position des Retraktors hinsichtlich Höhe und Abstand vom Glenoidrand variiert werden, um eine optimale Darstellung des Glenoids zu erreichen. 5. Es erfolgt ein komplettes glenoidales KapselRelease von ventrokranial bei etwa 1 Uhr beginnend bis nach posterokranial 11 Uhr. Zum KapselRelease wird das Labrum im Abstand von ca. 5 mm vom Glenoidrand mitsamt der anheftenden Kapsel reseziert.
6.1.6.7 Technik des Glenoidersatzes (s. auch Abschn. 5.4.4) Nach zirkulärer Einstellung des Glenoids werden Osteophyten mit dem Luer oder dem Meisel abgetragen und das Pfannenzentrum entweder mittels einer Glenoidbohrlehre oder visuell bestimmt und mit dem Elektrokauter markiert. Der zentrale Draht, über den anschließend die Pfannenfräsung erfolgt, sollte knapp
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unterhalb des geometrischen Zentrums der Pfanne positioniert sein. Zur Ausrichtung und Positionierung des zentralen Kirschner-Drahtes ist eine Orientierung anhand der präoperativen CT- oder MRT-Aufnahmen unerlässlich, da intraoperativ die Bestimmung der Glenoidinklination, die Beurteilung des Verankerungsvolumens im Skapulahals und die Einschätzung des posterioren Pfannenverbrauchs nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sind. Das Korrekturfräsen der bei primärer Omarthrose meist vorhandenen posteroinferioren Glenoiderosion wird kontrovers diskutiert. Korrekturen von mehr als 5° erscheinen in den meisten Fällen unrealistisch, da sie mit einem zu hohen knöchernen Substanzverlust am Glenoid einhergehen und die stabile Verankerung des Implantates gefährden können. Für den Fall der posterioren Subluxation des Humeruskopfes, die mit einer Sekundärpfannenbildung (Typ-B2-Glenoid nach Walch) und vermehrter posteriorer Inklination des Glenoids einhergehen kann, wird eine Korrekturfräsung von 5° in Kombination mit einem vollständigen humeralen und glenoidalen Kapsel-Release empfohlen, um eine Rezentrierung des Humeruskopfes erreichen zu können, die jedoch auch bei technisch korrekter Ausführung nicht immer gelingt. Die Rezentrierung des Gelenkes verhindert eine asymmetrische Glenoidbelastung, die zu einer frühzeitigen Lockerung des Implantates führen kann (Abb. 6.12). Die Tiefe der Pfannenfräsung ist auf das notwendige Maß bis zur Ausbildung eines glatten konkaven Pfannenlagers mit Resektion der Sklerosezone zu begrenzen, um die stabile Implantatverankerung nicht zu gefährden. Die Pfannenschablone muss absolut plan und stabil im Pfannenlager liegen. Die weitere Präparation erfolgt in Abhängigkeit von der verwendeten Form des Glenoidimplantates (Kiel- oder Zapfendesign) über spezielle Schablonen. Die Größe des Implantates wird so gewählt, dass das Implantat möglichst die GlenoidoberÀäche vollständig und kongruent abdeckt. Außerdem muss die Korrelation mit dem Radius des Humeruskopfes beachtet werden. Die möglichen Kombinationen zwischen den unterschiedlichen Größen von Humeruskopf- und Glenoidersatz können den entsprechenden Tabellen des Herstellers entnommen werden.
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.12a, b. Omarthrose mit exzentrischem dorsalen Glenoidabrieb (a). Rezentrierung nach Korrekturfräsung und Glenoidimplantation
6.1.6.8 Technik des Humeruskopfersatz (s. auch Abschn. 5.3.4) Nach der Kalottenresektion bestehen bei der Totalendoprothese zwei Optionen hinsichtlich des weiteren Vorgehens: 1. Die epiphysäre ResektionsÀäche wird mit einem Metallschild geschützt, das Glenoid dargestellt, präpariert und das Glenoidimplantat eingesetzt. Der Humeruskopfersatz erfolgt anschließend. 2. Der Markraum wird präpariert und die Testprothese für den Humeruskopf eingesetzt und anatomisch ausgerichtet. Der Testkopf wird dann entfernt, der Testschaft in der Regel belassen und die Resektionsebene mit einem Metallschild geschützt. Anschließend wird der Glenoidersatz implantiert und im Anschluss daran die bereits vorbereitete Oberarmkopfprothese. Aus nachfolgenden Gründen nach der Kalottenresektion kann es günstiger sein, zunächst das Glenoidimplantat einzusetzen und erst im Anschluss daran den Humeruskopfersatz durchzuführen: Ɣ Der Humerusschaft bleibt zunächst intakt. Dadurch wird das Risiko von Torsionsfrakturen des Humerus bei einer gewaltsamen Glenoiddarstellung reduziert. Ɣ Die noch intakte ResektionsÀäche wird durch den Druck der Retraktoren, die zur Glenoiddarstellung eingesetzt werden, nicht impaktiert. Ɣ Geringerer intraoperativer Blutverlust aus dem Markraum des Humerus, der erst im zweiten Teil des Eingriffs eröffnet wird. Zum Humeruskopfersatz wird der Markraum mit einer dünnen Rundraspel eröffnet. Es ist darauf zu achten,
dass der Eintrittspunkt der Raspel auf der ResektionsÀäche möglichst weit lateral und etwas posterior versetzt gewählt wird. Zur Markraumpräparation soll der Humerusschaft bei vollständiger Adduktion senkrecht zum Boden zeigen, um eine Angulation zwischen Raspel und Schaftachse zu vermeiden. Die dünnste Rundraspel muss problemlos mit geringem Druck in die Markhöhle vorgeschoben werden können. Der Humerusschaft wird zunächst mit Rundraspeln mit ansteigendem Durchmesser bis zum vollen kortikalen Kontakt eröffnet. Danach wird der Markraum mit Formraspeln für die Aufnahme des Testimplantates präpariert. Danach kann der Testschaft mit dem zuvor ausgemessenen Testkopf zur Probe eingesetzt werden. Die exzentrische Einstellung der Kalotte auf dem Konus des Prothesenschaftes wird bei den verschiedenen Modellen der dritten und vierten Generation unterschiedlich realisiert; hier muss den Implantationsanweisungen der Hersteller gefolgt werden (s. Abschn. 5.3). Abschließend werden die anatomische Positionierung sowie die korrekte Größe des Testkopfes und vor allem die vollständige Abdeckung der ResektionsÀäche ohne kranialen, posterioren oder anterioren Überstand der Kalotte überprüft. Es kann dann auch de¿nitiv entschieden werden, ob eine zementfreie Press-¿t-Verankerung möglich ist oder ob ein zementierter Schaft eingesetzt wird.
6.1.6.9 Technik der Subskapularisrefixation Die Technik der Subskapularisre¿xation ist vom ausgewählten Zugang und den individuellen Erfahrungen und Vorlieben des Operateurs abhängig. Ob eine Medialisierung der Subskapularissehne durchgeführt
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6
werden soll, wird kontrovers diskutiert (Cleeman et al. 2003; Gerber et al. 2006). Allgemein wird bei primärer Omarthrose mit Einschränkungen der präoperativen Außenrotation auf unter 20° eine Medialisierung der Insertion aus folgenden Gründen empfohlen: Ɣ Die Gelenkspannung wird reduziert mit konsekutiver Stressreduktion für die GlenoidoberÀäche und die Rotatorenmanschette. Ɣ Die Verlängerung der ventralen Strukturen ist ein wesentlicher Bestandteil des Weichteil-Balancing zur Rezentrierung des Humeruskopfes. Ɣ Die postoperative Außenrotation wird verbessert. Unabhängig davon, ob die Re¿xation der Subskapularissehne medialisiert vorgenommen werden soll oder nicht, wird zunächst das Rotatorenintervall durch zwei bis drei nichtresorbierbare Fäden verschlossen (Abb. 6.13). Die Autoren führen im Rahmen dieses Arbeitsschrittes in allen Fällen eine Tenotomie der langen Bizepssehne mit Weichteiltenodese im Sulkus mit zwei nichtresorbierbaren Fäden durch. Die Indikation zur Tenotomie der langen Bizepssehne wird
T. Ambacher
allerdings ebenso kontrovers diskutiert wie die Medialisierung der Subskapularissehne. Für die Re¿xation der Subskapularissehne bestehen folgende Optionen: Ɣ Wurde infolge einer nur gering eingeschränkten Außenrotation beim Zugang ein Sehnenstumpf am Tuberculum minus belassen, kann eine anatomische Re¿xation durch 3–4 Nähte in Mason-Allen-Technik durchgeführt werden. Ɣ Bei kompletter Ablösung der Subskapularissehne mitsamt einer Knochenschuppe und nur geringer Außenrotationseinschränkung kann eine transossäre Re¿xation in anatomischer Position ohne Medialisierung erfolgen. Ɣ Bei kompletter subperiostaler Ablösung der Subskapularissehne und Außenrotationslimitierung auf unter 20° kann eine Medialisierung der Sehneninsertion um ca. 1–1,5 cm erfolgen. Zur Re¿xation emp¿ehlt sich nach der Markraumpräparation das Vorlegen von 4 transossären Fäden durch die ventrale Kortikalis (Abb. 6.14a, b). Zur stabilen und sicheren Re¿xation der Sehne wird in allen Fällen das Durchstechen des Sehnenstumpfes in Mason-Allen-Technik sowie die Verwendung nicht resorbierbarer Fäden der Stärke 3 empfohlen.
6.1.7 Tipps und Tricks
Abb. 6.13. Verschluss des Rotatorenintervalls durch Flaschenzugnähte
Die Hautinzision kann relativ weit lateral etwa 2 cm neben der Korakoidspitze beginnen zur Reduktion der Weichteilspannung bei der Exploration von Humeruskopf und Pfanne. Zur Kalottenresektion sollte ein nicht zu Àexibles Sägeblatt verwendet werden. Zu dünne Sägeblätter können sich bei der Resektion verbiegen, so dass sich in den posterioren Abschnitten eine Fehlresektion ergibt. Die Resektionsebene ist dann nicht plan und es resultiert ein Retroversionsfehler. Wenn die Markraumpräparation in zeitlicher Abfolge nach der Implantation der Glenoidkomponente erfolgt, reduzieren sich der Blutverlust und das Risiko einer intraoperativen Humerusschaftfraktur. Die Glenoidexploration wird durch leichte Flexion, Abduktion und Außenrotation des Oberarmes erleichtert. Der Humeruskopfretraktor sollte posteroinferior an der Glenoidkante eingesetzt werden. Es ist günstig,
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.14a, b. Re¿xation der Subskapularissehne über transossär vorgelegte (a) nichtresorbierbare Nähte. Bei ausgeprägter Kontraktur kann eine Medialiserung des Sehnenansatzes um 1 cm erfolgen (a)
2–3 unterschiedliche Typen von Retraktoren zur Verfügung zu haben, da das Ausmaß der Luxierbarkeit des Humeruskopfes nach dorsal u. a. von der Form des Retraktors beeinÀusst wird. Die Größe des Humeruskop¿mplantates sollte im Zweifelsfall zur Vermeidung einer Überdimensionierung und damit eines „overstuf¿ng“ eine Nummer kleiner gewählt werden. Eventuell überstehende Knochenkanten können mit dem Luer oder Meisel abgetragen werden. Bei geplanter transossärer Re¿xation der Subskapularissehne sollten die Fäden vor Einbringen des Prothesenschaftes über Bohrlöcher vorgelegt werden.
6.1.8 Spezielle Komplikationen (s. auch Kap. 8 und 9) Die Komplikationsrate nach endoprothetischer Versorgung bei primärer Omarthrose ist abhängig vom implantierten Prothesentyp, der individuellen anatomischen Situation, Technik und Erfahrung des Operateurs sowie von der Compliance des Patienten und der postoperativen Belastung des Implantates durch den Patienten. Zu unterscheiden sind intra- und postoperative Komplikationen sowie allgemeine und prothesenspezi¿sche Operationsrisiken. Die allgemeinen Operationsrisiken (Infektion, Blutung, Nachblutung, Gefäß-Nerven-Verletzung, Thrombose, Embolie) entsprechen denen bei der Endoprothetik anderer großer Gelenke. Intraoperativ kann beim Einschlagen der Schaftraspel oder des Implantates eine Humerusfraktur auftreten. Riskant ist auch die gewaltsame Rotation des Armes zur Ex-
ploration des Humeruskopfes im Rahmen der Markraumpräparation. Dies kann zu Torsionsfrakturen des proximalen Humerus führen. Die Häu¿gkeit intraoperativer Humerusfrakturen wird mit bis zu 2% angegeben (Gerber et al. 2006). Postoperative Paresen nach Implantation einer Schulterendoprothese werden mit einer Häu¿gkeit bis zu 4% beschrieben, wobei es sich meistens um Plexusüberdehnungen handelt. Bei etwa 70% der Patienten sind die neurologischen Ausfälle innerhalb einiger Wochen vollständig reversibel (Wiedemann 2006). Postoperativ kann es zur Luxation der Prothese infolge einer Rotatorenmanschettenruptur kommen. Bevorzugt treten durch einen Sturz oder chronische Überdehnung der Manschette infolge eines implantatinduzierten „overstuf¿ng“ anterosuperiore Manschettenrupturen auf. Die Instabilität kann aber auch neurogen, kapsulär oder implantatbedingt sein. Die Literaturangaben über eine Instabilität von Schultertotalendoprothesen reichen von 0–29% (Torchia u. Co¿eld 1994). Die Patienten sind vor der Operation darüber zu informieren, dass ein Sturz auf den betroffenen Arm zu einer periprothetischen Fraktur führen kann. Sportarten, die mit einem hohen Sturzrisiko verbunden sind, sollten nur eingeschränkt ausgeübt werden. Implantatlockerungen sind humeralseitig auch über längere Nachuntersuchungszeiträume selten. Zementierte Humerusschäfte weisen im 10-Jahres-Verlauf Lockerungsraten um 1% auf (Torchia u. Co¿eld 1994). Glenoidseitig sind in radiologischen Kontrollen über 10-Jahres-Zeiträume Lysesäume um das Implantat von bis zu 80% beschrieben, wobei jedoch nur ein Teil der betroffenen Patienten dadurch Symptome ent-
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wickelt. In 5–10% der Fälle treten klinisch relevante Beschwerden auf, die eine operative Revision mit Entfernung oder Wechsel der Glenoidkomponente erforderlich machen (Klepps et al. 2005; Nyfeller et al. 2003; Rickert et al. 2006).
6.1.9 Ergebnisse (s. auch Kap. 12) Durch die Weiterentwicklung der Implantate und Verfeinerungen der Operationstechnik führt die endoprothetische Versorgung bei den meisten Patienten mit primärer Omarthrose zu guten bis sehr guten Ergebnissen. Die Endoprothesenversorgung führt zu einer signi¿kanten Schmerzreduktion und Verbesserung der Funktion. Nachuntersuchungen nach den Kriterien des Constant-Scores zeigen postoperativ einen Anstieg um 25–30 Punkte (Rickert et al. 2006). Die Patienten erreichen nach Abschluss der Rehabilitation 6–12 Monate nach dem Eingriff durchschnittlich Werte im ConstantScore zwischen 65 und 70 Punkten (Bishop u. Flatow 2005; Edwards et al. 2003; Martin et al. 2005; Rickert et al. 2006). Die aktuell vorliegenden aussagekräftigen Studien erlauben einen Überblick Zeiträume von 5–10 Jahren. Über diese Nachuntersuchungsintervalle bleiben die Ergebnisse konstant. Zusammenfassend sind nach derzeitiger Datenlage folgende Aussagen möglich: Ɣ Bei korrekter Indikation und Operationstechnik ergibt die endoprothetische Versorgung bei primärer Omarthrose überwiegend gute bis sehr gute Ergebnisse mit signi¿kanter Schmerzreduktion und Verbesserung der Funktion. Ɣ Realistisch ist ein postoperativer Anstieg im Constant-Score um 25–30 Punkte und eine Verbesserung der Funktion in der Flexionsebene um rund 40°. Ɣ Schwachpunkt der Totalendoprothese ist der Glenoidersatz mit radiologisch nachweisbaren Lysesäumen bei bis zu 80% und operativen Revision bis zu 10% in 10-Jahres-Kontrollen. Ɣ Der Humeruskopfersatz mit zementiertem Schaft weist eine sehr geringe Komplikationsrate auf. Die Lockerungsraten in 10-Jahres-Kontrollen liegen teilweise unter 1%. Ɣ Die Standzeiten der Neer-Totalendoprothese sind aufgrund der längsten Marktpräsenz am aussagekräftigsten. Torchia et al. (Wülker 2000) konnten bei einem 12-Jahres-Follow-up eine 93%ige 10-
T. Ambacher
Jahres-Überlebensrate und eine 15-Jahres-Rate von 87% erheben. Ɣ Verschiedene Untersuchungen haben in den letzten Jahren übereinstimmend nachgewiesen, dass bei der primären Omarthrose die Totalendoprothese der Hemiendoprothese hinsichtlich Schmerzreduktion und Funktion überlegen ist.
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Spezielle Indikationen
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jährigen immunsuppressiven Therapie bewirken im Spätstadium zusammen mit einer Muskelatrophie, Insuf¿ zienz der Rotatorenmanschette sowie dem Verlust der knöchernen Substanz durch Erosion und Osteoporose ungünstige Voraussetzungen für einen funktionell befriedigenden Ersatz des Schultergelenkes. Neer (1993) stellte daher fest: „The secret of an easier and more successful arthroplasty in patients with rheumatoid arthritis is to perform it before there is severe loss of bone and rotator cuff“. Diese Feststellung geht konform mit der Schlussfolgerung von Hettrich et al. (2004), die nach einer Analyse der prädikativen Outcome-Faktoren konstatiert, dass Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis im Vergleich z. B. mit primären Omarthrosen aufgrund ihrer präoperativ ungünstigen Ausgangsbedingungen relativ wenig von dem Eingriff pro¿tieren.
6.2.1 Ätiologie 6.2 Arthritis bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises F. Gohlke Bei der rheumatoiden Arthritis (chronische Polyarthritis, c. P.) ist das Schultergelenk nach mehrjährigem Verlauf zu 90% (Stegers et al. 1989). Berücksichtigt man die Angaben zur Prävalenz dieser häu¿gsten rheumatischen Erkrankung mit 2–5% bei über 50Jährigen und den kontinuierlichen Anstieg im Alter (Inoue et al. 1987; van de Sande et al. 2006), so ist bei einem erheblichen Anteil der Gesamtbevölkerung mit strukturellen Schäden rheumatischer Genese an der Schulter zu rechnen. Mit der Einführung von Methotrexat und später den „Biologics“ in die medikamentöse Behandlung der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist die Anzahl der Verläufe mit rasch progressiven Gelenkzerstörungen merklich zurückgegangen. Dennoch verbleiben außer den Spätstadien auch heutzutage noch ca. 20% der Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf eine eingeleitete Basistherapie, was dazu führt, dass immer noch rekonstruktive Eingriffe bei weit fortgeschrittenen strukturellen Schäden durchgeführt werden müssen. Der reduzierte Allgemeinzustand und die Folgen der lang-
Obwohl die Ursache der häu¿gsten und wichtigsten chronischen Gelenkerkrankung, der rheumatoiden Arthritis, immer noch nicht bekannt ist, spricht doch eine Reihe von Indizien dafür, dass eine Fehlsteuerung des körpereigenen Immunsystems hier, ebenso wie bei den meisten anderen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, eine wichtige Rolle spielt. Trotz intensiver Suche ist es jedoch bisher nicht gelungen, ein Autoantigen oder einen bakteriellen oder viralen Erreger, der eine immunologische Kreuzreaktion auslösen könnte, als alleinige Ursache zu identi¿zieren. Obwohl das pathologisch-histologische Bild bei den meisten rheumatischen Arthritiden ähnlich erscheint, lassen sich nicht nur aus dem klinischen Verlauf, sondern auch aus einer Reihe von immunologischen Parametern, wie z. B. der Assoziation zu bestimmten Histokompatibilitätsantigenen (z. B. HLA-B 27 bei Spondylarthropathien mit Achsenskelettbeteiligung) Unterschiede ableiten, die auf eine unterschiedliche Pathogenese hinweisen. Bei den infektassoziierten Arthritiden (z. B. LymeArthritis, rheumatisches Fieber und reaktive Arthritis) ist, im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis, eine Induktion durch bestimmte virale oder bakterielle Antigene bereits nachgewiesen worden. Aber auch hier gilt, dass die Persistenz dieser Erreger weniger entscheidend ist als die genetisch ¿xierte Disposition.
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6
Das pathologische Substrat besteht in einer Hyperplasie des synovialen Gewebes, das von inÀammatorisch wirksamen Zellen (Lymphozyten, Makrophagen und Plasmazellen) in¿ltriert wird, und in der Bildung von aggressiv vorwachsendem Pannus, einem gefäßreichen Bindegewebe, das reichlich aktivierte Makrophagen und Fibroblasten enthält. Die intensive Vaskularisation der Synovialis erlaubt einen ständigen Nachschub neuer Zellen des Immunsystems aus dem Kreislauf, wodurch die fehlgeleitete Immunreaktion chronisch aufrechterhalten werden kann. Die Wechselwirkung der lokal angehäuften TLymphozyten mit den aktivierten Makrophagen führt zur Freisetzung großer Mengen von Entzündungsmediatoren und proinÀammatorischen Zytokinen. Diese veranlassen in erster Linie die Synovialzellen, Chondrozyten und Fibroblasten zur Produktion von Matrix abbauenden Enzymen. Wachstumsfaktoren, die unter dem EinÀuss dieser Zytokine aus den Synovialzellen in die GelenkÀüssigkeit abgegeben werden, erhöhen die Fähigkeit der angehäuften Granulozyten, Knorpelproteoglykane abzubauen. Diese lokal produzierten Wachstumsfaktoren veranlassen zudem die Einwanderung zellulärer Elemente in den Knorpel und die Bildung von Pannus, was zusätzlich zur Zerstörung von Knorpel und Knochen beiträgt. Als weiterer Hinweis für das Vorliegen einer Autoimmunerkrankung gilt die Produktion von Autoantikörpern (serologisch als „Rheumafaktor“ nachgewiesen) durch Plasmazellen in der Synovialis. Diese können, in Immunkomplexen gebunden, entweder im Kreislauf zirkulieren oder in die Synovia abgegeben werden. Diese Immunkomplexe können zur Vaskulitis führen und im Gelenk als Folge der Komplementaktivierung und Phagozytose durch Granulozyten und Makrophagen die entzündliche Aktivität weiter ankurbeln.
6.2.2 Pathogenese Obwohl die Zerstörung des Gelenkknorpels zunächst im Mittelpunkt des Interesses steht, ist am Schultergelenk der Befall der periartikulären Weichteile von besonderer Bedeutung. Makroskopisch lässt sich feststellen, dass die Synovialitis nicht auf das Glenohumeralgelenk beschränkt bleibt, sondern sich auch auf den Subakromialraum, das AC-Gelenk und die lange Bizepssehne im Sulcus intertubercularis ausdehnt.
F. Gohlke
Die Pannusbildung geht von den sog. Gelenknischen an den Kapselumschlagsfalten aus und lässt ein unterminierendes, erosives Wachstum in die Tiefe oder ein Überwuchern der GelenkÀächen erkennen. Bereits vor diesem makroskopisch sichtbaren Prozess kommt es jedoch schon durch die freigesetzten Enzyme und Sauerstoffradikale zur mikroskopisch nachweisbaren Zerstörung der GelenkÀächen. Da die Erkrankung auf unterschiedlichem Niveau der entzündlichen Aktivität voranschreitet und jederzeit unter medikamentöser Behandlung zeitweilig in Remission geraten kann, bietet sich ein weites Spektrum der Gelenkschädigung, die von der osteoproliferativen Sekundärarthrose bis zur rasch progredienten Destruktion mit Kollaps des Humeruskopfes und mutilierenden Arthritis reicht. Unter Immunsuppression wird zudem das Auftreten zusätzlicher Schädigungen, wie z. B. von avaskulären Osteonekrosen oder Infektionen begünstigt.
6.2.2.1 Befall der Rotatorenmanschette Die Häu¿gkeit struktureller Läsionen der Rotatorenmanschette bei Patienten, bei denen aufgrund fortgeschrittener destruktiver Veränderungen die Implantation einer Schulterprothese erforderlich ist, liegt in älteren Arbeiten bei etwa 80% (Barrett 1989; Kelly 1987). Darüber, wie häu¿g und ausgedehnt die Schäden an der Rotatorenmanschette auch bei wenig auffälligem klinischen Befund sein können, haben uns erst prospektive Studien unter Verwendung von Sonographie und MRT Auskunft gegeben. Schwyzer et al. (1994) haben prospektiv an 62 überwiegend seropositiven Patienten mit rheumatoider Arthritis in einem Alter von 57 Jahren und nach einer Dauer der Erkrankung von durchschnittlich 16 Jahren bei etwa der Hälfte der Patienten Defekte der Rotatorenmanschette nachgewiesen. Jantsch et al. (1990) fanden sonographisch bei 69% komplette Defekte und nur bei 4% eine unauffällige Rotatorenmanschette. Klinisch korrelierte damit in 50% eine Minderung der Kraft, während immerhin noch 42% Beschwerdefreiheit angaben. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung besteht der charakteristische Befund in einer erheblichen Ausdünnung oder auch schon massiven kompletten Defekten der Rotatorenmanschette, die mit einer Atrophie und fettiger In¿ltration der beteiligten Muskulatur einhergeht.
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Spezielle Indikationen
Aswad et al. (2001) fanden bei 98 Fällen, bei denen vor Implantation einer Schulterprothese ein CT vorlag, eine deutliche Assoziation zwischen der kranialen Dezentrierung des Humeruskopfes im Röntgenbild („ascending form“), Defekten der Rotatorenmanschette sowie einer fettigen In¿ltration des M. infraspinatus (größer 3–4°); Letztere korrelierte hochsigni¿kant mit einem deutlichen Funktionsverlust. Stellte sich das Glenohumeralgelenk in der anteroposterioren Röntgenprojektion dagegen zentriert dar, ließen sich nur bei 3% Defekte der Rotatorenmanschette nachweisen. 6.2.2.2 Verlaufsformen
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zur Erstlokalisation an der Schulter. Diese Gruppe hat hinsichtlich der Progredienz der Gelenkdestruktionen sogar eine ungünstigere Prognose als die klassische Verlaufsform, was sich auch in den stark erhöhten serologischen Zeichen einer Entzündung (z. B. BSR, CRP) ausdrückt. Innerhalb der Spondylarthropathien ist vor allem bei der Spondylitis ankylosans neben dem Befall des Achsenskeletts auch mit einem Übergreifen auf die großen Gelenke zu rechnen. Das Glenohumeralgelenk ist hier jedoch seltener betroffen als Hüfte oder Knie. Ein Befall des AC-Gelenkes sowie eine frühzeitige, ausgeprägte Bewegungseinschränkung sind hier häu¿ger zu erwarten als bei der rheumatoiden Arthritis (Emery et al. 1991).
Innerhalb der Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises ist das Schultergelenk am häu¿gsten bei der rheumatoiden Arthritis befallen. Den Angaben rheumaorthopädisch orientierter Abteilungen über die Anzahl durchgeführter Schulteroperationen bei rheumatischen Erkrankungen lässt sich entnehmen, dass der Anteil von Patienten mit Spondylitis ankylosans und Arthritis psoriatica lediglich ca. 5–10% beträgt (Jantsch et al. 1990; Schwyzer et al. 1994). Dennoch ist ein initialer Befall der Schulter auch bei der klassischen c.P. (Fehr u. Böni 1989; van de Sande et al. 2006) mit 7–10% eher selten. Bei der so genannten Alters-c.P. kommt es jedoch in mindestens 25%
Die Einteilung der Veränderungen orientiert sich vielfach an dem radiologischen Verlauf der Erkrankung, bei der es in den meisten Fällen zu einer fortschreitenden Destruktion im Glenohumeralgelenk mit zunehmender Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette und Hochstand des Humeruskopfes kommt (Abb. 6.15).
Abb. 6.15. Charakteristische Zunahme der Destruktion im Glenohumeralgelenk bei rheumatoider Arthritis mit progredienter Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette und Hochstand des Humeruskopfes. Im Langzeitverlauf entwickelt sich der
charakteristische kraniomediale Einschliff des Humeruskopfes und Substanzverlust des Glenoids (s. auch Verschiebung der Tangente an der lateralen Akromionkante gegenüber der Glenoidebene und der lateralen Kortikalis des Humerus
6.2.3 Klassifikation 6.2.3.1 Röntgenologische Einteilungen
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Die Klassi¿kation nach Larsen et al. (1977) hat sich für Verlaufsbeobachtungen als günstiger als die ältere Klassi¿kation nach Steinbrocker erwiesen und wird daher allgemein aufgrund der besseren Reproduzierbarkeit zur Beurteilung einer Progredienz insbesondere auch an anderen Gelenken, wie z. B. der Hand verwendet. Eine enge Korrelation zur Situation der Weichteile, insbesondere des Zustandes der Rotatorenmanschette, besteht jedoch nicht (Schwyzer et al. 1994). Mit der Dauer und Aktivität der Erkrankung soll diese Einteilung jedoch gut korrelieren (Stegers et al. 1989) (Tab. 6.3). Von Crossan u. Vallance (1982) wurde eine eigene Einteilung in 5 Schweregrade vorgenommen, die auch die Höhe des subakromialen Raumes als Zeichen eines Defektes oder einer Ausdünnung der Rotatorenmanschette berücksichtigte. Sie fanden, dass eine Ver-
F. Gohlke
schlechterung der Funktion eng an das Ausmaß der radiologischen Destruktion gekoppelt ist und diese wiederum erst im Endstadium regelmäßig mit einer kranialen Dezentrierung einhergeht. Diese Dezentrierung verlief nur in wenigen Fällen akut und schmerzhaft, in der Mehrzahl jedoch eher unbemerkt und schleichend. Von Neer wurden charakteristische röntgenologische Befunde bei der rheumatoiden Arthritis, denen er auch prognostische Bedeutung beimisst, beschrieben. Ɣ Eine „feuchte“ Form zeigt die progrediente Zunahme von Erosionen als Ausdruck einer aggressiven Synovialitis, die rasch zur Zerstörung der periartikulären Weichteile und der Gelenkkörper führt. Ɣ Die „trockene“ Form, bei der sich als Folge einer Sekundärarthrose eher eine osteoproliferative Reaktion und Einsteifung des Gelenkes zeigt und die
Tabelle 6.3. Einteilung der röntgenologischen Veränderungen an der Schulter in Anlehnung an die Stadien nach Larsen et al. (1977). Wie Lehtinen et al. (2001) gezeigt haben, geht das Stadium 3–4° meistens mit einer Migration des Kopfes nach kranial einher
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klinisch über Jahre hinweg lange zentriert bleibt und zu keiner wesentlichen Zunahme der Beschwerden führt, ähnelt vom radiologischen Erscheinungsbild am ehesten den primären Omarthrosen. Ɣ Die „resorptive“ Verlaufsform dagegen ist ebenfalls durch einen raschen Verlust an knöcherner Substanz gekennzeichnet. Diese hat eine AbÀachung der Kopfkalotte, weniger eine Vertiefung der zentralen Glenoidanteile zur Folge. Ebenso wie die „feuchte“ Form kann diese progredient zum „Endstadium“, der vollständigen Destruktion der Gelenkkörper führen. Der prognostische Wert dieser Einteilung wurde von Kelly (1994), der den Verlauf von 53 Schultern über einen längeren Zeitraum bis zum endoprothetischen Gelenkersatz beobachtete, bestätigt. Dennoch folgt die Gelenkzerstörung bei der rheumatoiden Arthritis keinem einheitlichen Schema. Sie kann im Röntgenbild sowohl einer primären Omarthrose als auch einer Defektarthropathie bei Polyarthrose ähneln, je nach entzündlicher Aktivität und zeitlichem Verlauf der Erkrankung. Wakitani et al. (1999) orientierten sich in ihrer Einteilung in ähnlicher Weise an therapeutischen oder prognostischen Gesichtspunkten. Sie unterscheiden zwischen einer nichtprogressiven, arthroseähnlichen, erosiven, kollabierenden oder mutilierenden Form. Levigne u. Francesci (1999) haben dagegen in Anlehnung an Neer sowie Crossan und Vallance eine Einteilung in drei von der Morphologie unterscheidbare Formen vorgeschlagen (Abb. 6.16), die auch die zuneh-
Abb. 6.16. Klassi¿ kation der Verlaufsformen einer rheumatoiden Arthritis im anteroposterioren Röntgenbild nach Levigne u. Franceschi (1999): „konzentrische (C), aufsteigende (A) und destruktive Form (D)“, je nach Einschliff bzw. Glenoiderosion unterteilt in 1 oder 2. Die Angaben über die Häu¿gkeit bezie-
Abb. 6.17. Charakteristischer Befund einer rheumatischen Arthritis im Spätstadium mit erheblicher Medialisierung und leichter Kranialisierung (hier Psoriasis-Arthritis), entsprechend dem Typ A2 nach Levigne. Dieser Befund in der a.p.-Projektion lässt in der Regel einen beträchtlichen Substanzverlust der Pfanne und Problem für die Glenoidverankerung erwarten. Mittel- bis langfristig ist entweder eine frühzeitige Lockerung der Glenoidkomponente oder eine superiore Glenoiderosion der Hemiprothese mit Funktionsverlust zu erwarten
mende Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette und den Hochstand des Humeruskopfes, der mit einer Verminderung des akromiohumeralen Abstandes („ascendant form“) einhergeht, berücksichtigt (Abb. 6.17).
hen sich auf die Daten der Europäischen Aequalis®-Multicenterstudie: C2: „Concentric“ + zentrale Glenoiderosion (27,5%), A2: „Ascendant“ + kraniale Glenoiderosion (43,9%), D2: „Destructive“, destruierend an Glenoid + Humerus (28,6%)
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6.2.4 Indikationen Die frühzeitig einsetzende Beteiligung der periartikulären Strukturen mit Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette erfordert eine gegenüber den primären Omarthrosen differenziertere und individuell begründete Vorgehensweise. In der Regel ist die Indikation zum Gelenkersatz durch die schmerzhafte Bewegungseinschränkung, im Spätstadium auch Pseudoparalyse bei röntgenologisch erkennbarer Gelenkzerstörung gegeben. Je nach individuellem Befund und Lebensalter ist ein geeignetes Implantat auszuwählen. Bei erheblich reduziertem Allgemeinzustand muss der Eingriff mit dem betreuenden internistischen Rheumatologen und dem vorgegebenen Therapieplan (z. B. endoprothetische Versorgung anderer Gelenke, vorübergehende oder dauernde Verwendung von Gehhilfen) abgestimmt werden (s. Abschn. 6.2.5). Unter immunsuppressiver Behandlung dürfen kein Àoriden Infektionen oder Eintrittspforten für Keime vorliegen (z. B. ulzerierte Rheumaknoten, Hautläsionen). Diese sind gegebenenfalls vorher zu sanieren, evtl. sogar eine Umstellung oder Pause der Basistherapie zu erwägen. 6.2.4.1 Oberflächenersatz Bei juvenilen Verlaufsformen und konzentrischem Abrieb der Gelenkpfanne wird derzeit bei Patienten
Abb. 6.18a, b. Langzeitverlauf einer Hemiprothese (9 Jahre) bei einer juvenilen rheumatoiden Arthritis. Nach vorausgegangener offener Synovektomie und schmerzhafter Einsteifung wegen fortgeschrittenen Knorpelschäden (Grad IV) humeral und glenoidal (a, 1998) wurde eine konventionelle Schaftprothese implantiert (b, 2007)
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unter dem 40. Lebensjahr der OberÀächenersatz oder die Hemiendoprothese favorisiert. Wenn in erster Linie der Gelenkknorpel verloren gegangen und die knöcherne Substanz – insbesondere der Pfanne – noch erhalten ist, kann der OberÀächenersatz als zementierte Kopfschale oder zementfreie Version erfolgen. Aufgrund der günstigen Erfahrungen mit der dritten Generation zementierter und zementfreier Cup-Prothesen werden diese Implantate derzeit bei jüngeren Patienten bevorzugt verwendet (Fink et al. 2004; Levy et al. 2004; Thomas et al. 2005). Dennoch können bereits auch bei sehr jungen Patienten erhebliche Deformierungen vorliegen, die einen Kalottenersatz bzw. eine Schaftprothese oder die zusätzliche Implantation eines Glenoidersatzes erfordern. Bei juvenilen Formen ist zudem mit sehr kleinen Dimensionen der Gelenkkörper und kontrakten Weichteilen zu rechnen, so dass häu¿ger Sonderanfertigungen mit besonders kleinen Komponenten erforderlich sind.
6.2.4.2 Humeruskopfprothese Vor der verbreiteten Verwendung der Cup-Prothesen wurden vor allem bei jüngeren Patienten mit c.P. konventionelle Schaftprothesen favorisiert (Abb. 6.18 und 6.19). Vor allem bei ausgeprägter Defektbildung der Rotatorenmanschette (mehr als die Sehne des Supraspinatus) ist die Hemiprothese generell gegenüber einer Totalendoprothese zu bevorzugen, um die frühzeitige
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.19a, b. Klinischer Befund der Patientin von Abb. 6.18 sechs Monate nach der Operation 1998 (a) und 9 Jahre postoperativ 2007 (b)
Lockerung durch kraniale Dezentrierung des Humeruskopfes und exzentrische Belastung der Glenoidkomponente zu vermeiden. Nach primär durchgeführter Rekonstruktion soll beim Rheumatiker die Rate einer sekundären Dezentrierung durch erneut auftretende Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette häu¿ger als bei Arthrosen vorkommen. Trail u. Nuttall (2002) fanden als Folge bei Hemiprothesen eine signi¿kante Migration des Humeruskopfes nach kranial und medial, die sich auch signi¿kant ungünstig auf die Funktion auswirkte. Die Verwendung von formschlüssigen oder verblockten Endoprothesen hat sich bei diesen Problemfällen aber ebenso wenig bewährt wie der Ersatz der Rotatorenmanschette durch künstliche Materialien, wie z. B. Dacron. Von Neer wurden bereits Glenoidkomponenten mit kranialer Erweiterung für derartige Fälle versucht, jedoch wegen frühzeitiger Auslockerung wieder verlassen. Von Hertel wurde eine verbesserte Glenoidschale mit zementfreier Abstützung am Akromion entwickelt,
Abb. 6.20a, b. Inverse Schulterprothese (b) bei einer 74 Jahre alten Patientin mit hochgradigem kraniomedialem Einschliff und Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette (a) entsprechend dem Typ 2C einer Defektarthropathie n. Huguet
für die jedoch noch keine ausreichenden klinischen Daten, insbesondere nicht für rheumatische Schultern, vorliegen. Bei fehlender Rotatorenmanschette kann es als Folge einer vorausgegangenen Akromioplastik oder bereits primär arrodiertem bzw. weggeschmolzenem Akromion zu schwer behebbaren anterosuperioren Dislokationen kommen. Der knöcherne Aufbau des Fornix humeri ist wegen der oft geringen Weichteildeckung komplikationsträchtig. 6.2.4.3 Inverse Prothese Reverse Implantate sind bei älteren Patienten (über dem 65. Lebensjahr) mit irreparablen Defekten der Rotatorenmanschette oder fortgeschrittener fettiger In¿ltration der Muskulatur prinzipiell günstiger, um die Funktion wieder herzustellen (Abb. 6.20 und 6.21),
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dere die Fähigkeit, den Arm über Kopf zu heben, bleibt auf Dauer beeinträchtigt und zeigt damit gegenüber der reinen Hemiprothese keine Vorteil (Boyer et al. 2006). Bipolare Implantate sollten daher aufgrund der unbefriedigenden Resultate nur noch im Ausnahmefällen (z. B. ständiger Gebrauch von Gehstützen) oder zerstörtem Glenoid verwendet werden. Damit lässt sich zwar meistens eine Schmerzlinderung, aber entgegen den Angaben von Worland et al. (1997) nur selten eine Verbesserung der aktiven Elevation erreichen. Bei chronischer Dezentrierung besteht zudem die Gefahr einer Kippung oder Dislokation der Kopfschale.
6.2.5 Spezielle Operationsplanung
können aber wegen mangelnder Glenoidsubstanz als Folge eines fortgeschrittenen kraniomedialen Abriebs und zystischer Erosionen häu¿g kaum noch verankert werden. Wegen den ungünstigen Ausgangsbedingungen (Osteoporose und Destruktion der Gelenkkörper, Immunsuppression) ist eine gewisse Zurückhaltung bei der Indikationsstellung angebracht. Oft sind bereits die unteren Extremitäten mit Endoprothesen versorgt und der Patient dadurch auf den Gebrauch von Gehstützen und den Rollstuhl angewiesen, was die Indikation für inverse Implantate noch weiter einschränkt.
Das native a.p.-Röntgenbild ergibt bereits gute Hinweise für einen fortgeschrittenen Glenoidabrieb und Medialisierung, wenn der Abstand der Tangenten vom lateralen Akromionrand zur Glenoidkante und zur lateralen Kortikalis des Humerus beachtet wird (s. Abb. 6.15). Zur Operationsplanung ist jedoch präoperativ zusätzlich eine Computertomographie unbedingt anzuraten, um die Knochensubstanz vor allem im Bereich des Skapulahalses qualitativ und quantitativ einschätzen zu können. Bei erheblich destruiertem oder ausgedünntem Glenoid ist entweder nur die Hemiprothese oder eine bipolare Prothese möglich. Der Zustand der Rotatorenmanschette und die Ausdehnung der entzündlichen Weichteilveränderungen können demgegenüber besser im MRT beurteilt werden (Abb. 6.22)
6.2.4.4 Bipolare Prothese
6.2.6 Spezielle Operationstechnik
Unter den bipolaren Systemen werden momentan modulare Systeme bevorzugt, die, je nach intraoperativem Befund, einen optimalen Kompromiss zwischen der verbleibenden Beweglichkeit im Glenohumeralgelenk und größtmöglicher Abstützung am Fornix erlauben. Anhand von Manipulierprothesen kann zwischen einem überdimensionierten Humeruskopf oder einer bipolaren Komponente (Metall-Polyäthylen oder Keramik-Keramik-Gleitpaarung) gewählt werden. Der Vorteil einer längeren Haltbarkeit der Implantate geht jedoch auf Kosten der erzielbaren Funktion. Insbeson-
Obwohl die endoprothetische Versorgung des Rheumatikers ähnlichen Prinzipien wie bei der Omarthrose oder avaskulären Kopfnekrose folgt, sind einige Besonderheiten zu beachten. Der charakteristische kraniomediale Abrieb und die AbÀachung des Humeruskopfes erfordern unterschiedliche Lösungsansätze. Die knöcherne Substanz ist bei einem rheumatischen Gelenk meistens reduziert. Dadurch wird die Verankerung der Implantate an Glenoid und Humerus beeinträchtigt. Intraoperative Frakturen des Hume-
Abb. 6.21. Klinisches Ergebnis zwei Jahre postoperativ
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.22. Charakteristischer Befund eines präoperativ angefertigten MRT in transversaler und parakoronarer Schnittebene. Zystisch-erosive Verlaufsform trotz Einstellung auf Immunsuppressiva und TNF-alpha-Antikörper mit ausgeprägter Erguss-
bildung, Gelenkzerstörung, Muskelatrophie und erheblicher Ausdünnung der Rotatorenmanschette sowie Ansammlung von Fibrinkörper-Konglomeraten in den periartikulären Rezessus. Hier droht der frühzeitige Kollaps des Humeruskopfes
russchaftes (in gemischten Kollektiven in 1,5–5%) entstehen durch verminderte Resistenz der Kortikalis beim Aufraspeln oder dem Einbringen zementfreier Press-¿t-Schäfte. Bei Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette und exzentrischem Glenoidabrieb ist die Indikation für einen Glenoidersatz auch wegen der Gefahr einer frühzeitigen Auslockerung mit Zurückhaltung zu stellen. Als Alternative zum Glenoidersatz kann auch eine Überkleidung der angefrischten und geglätteten GlenoidÀäche mit Fascia lata, einem homologen Achillessehnentranslantat (Krishnan et al. 2007) oder einer der neu auf dem Markt be¿ndlichen Membranen, die zur Knorpelregeneration aus Kollagenmatrix hergestellt werden, erwogen werden. Ausgedehnte Erosionen und zystische Defekte der Randzone des Glenoids erfordern ebenso wie bei veralteten Luxationen oft einen knöchernen Wiederaufbau. Dieser lässt sich am besten durch Reste des resezierten Humeruskopfes bewerkstelligen. Falls dieser nicht verwertbar sein sollte bzw. nicht mehr zur Verfügung steht, kann autologe Spongiosa oder ein kortikospongiöser Span aus dem Beckenkamm verwendet werden. Dieser wird entweder randständig verschraubt oder in der Sandwich-Technik auf den Glenoidrest aufgebracht und trans¿xiert. Da homologe Transplantate das Risiko einer vorzeitigen Resorption und Auslockerung beinhalten, sollte man darauf besser verzichten.
Meist ist die Glenoidsubstanz deutlich reduziert und wenig Substanz für eine Verankerung von Kiel oder Zapfen vorhanden. Eine zementfreie Verankerung mit autologem Aufbau beinhaltet die Gefahr einer Überdimensionierung („overstuf¿ng“), d. h., die implantierten Komponenten führen zu einer übermäßigen Lateralisation des Drehzentrums und Vorspannung der verkürzten Rotatorenmanschette, was entweder zur sekundären Ruptur des Subskapularis in der Nachbehandlungsphase oder Einsteifung sowie vorzeitiger Lockerung durch exzentrische Belastung des Glenoids führt. Daher wird meistens versucht, durch Fräsen prominenter Anteile eine ausreichend plane AuÀage in korrigierte Version für eine stabile Verankerung zu erreichen. Auch bei Verwendung einer Glenoidkomponente mit kurzen Zapfen lässt sich eine Perforation des ausgedünnten Glenoids nicht immer vermeiden (Abb. 6.23). Als Alternative bietet sich die gezielte Eröffnung des erheblich ausgedünnten Glenoids unter dem Kiel im vorderen Halsbereich mit Einfüttern und Verdichten von Eigenspongiosa aus dem resezierten Kopf und/oder zusätzlicher Anlagerung der zerkleinerten Kopfes an. Damit lässt sich auf medialisiertem Niveau das Glenoid mit autologem Knochen aufbauen. Bei dem älteren Patienten mit ausreichender Glenoidsubstanz, irreparablen 2-Sehnen-Defekten der Rotatorenmanschette bzw. hochgradiger Ausdünnung der
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F. Gohlke
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Abb. 6.23a–d. Optionen der Fixation einer Glenoidkomponente bei erheblicher Glenoiderosion. (a) Schüsselförmig ausgedünnte, medialisierte Pfanne, deren osteophytäre Randzonen zunächst reduziert werden müssen um ein Impingement bei Rotation des Humerus zu verhindern. (b) Aufbau mit einer zementierten Glenoidkomponente, die mit Zapfen („Pegs“) gesichert wird. (c) Aufbau mit einer Kiel-Glenoidkomponente und
Spongiosa aus dem Kopf, die durch eine zentrale Perforation oder um die vordere Kortikalis herum angelagert wird („aktive Glenoidstabilisierung“). (d) Aufbau mit einer zementfreien, verschraubten Glenoidkomponente und Eigenspongiosa. Hiermit wird allerdings durch die vorgegebene Höhe der Komponenten meist zu weit lateralisiert, was zu vermehrter Vorspannung der kontrakten und verkürzten Rotatorenmanschette führt
Sehne und fettiger In¿ltration der Muskulatur [mehr als Grad 2 nach Goutallier (1994)] mit Pseudoparalyse wird daher bevorzugt ein inverses Implantat verwendet, um ein befriedigendes funktionelles Ergebnis zu erzielen.
und Kortikoiden soll die Häu¿gkeit von Frühinfekten bei Endoprothesen signi¿kant erhöht sein (Doran et al. 2002). Gerade bei immunsupprimierten Rheumatikern sind Mischinfektionen und protrahierte Verläufe bis hin zu letalem Ausgang beschrieben, so dass hier eine konsequente chirurgische Sanierung, möglichst mit zweizeitig implantierten artikulierenden Spacern bei chronischen Infekten den Vorrang hat (Rolf et al. 2007). Die Einnahme von Methotrexat korrelierte bei Sjoebjerg et al. (1999) zudem mit einer erhöhten Rate von Nervenläsionen. Revisionen nach Lockerung der Glenoidkomponente (Abb. 6.24) sind wegen der meist bestehenden Knochendefekte, häu¿g insuf¿zienten Rotatoren-
6.2.7 Spezielle Komplikationen Die Häu¿gkeit von Frühkomplikationen nach Implantation einer anatomischen Schulterendoprothese werden in Metaanalysen an einem gemischten Krankengut zwischen 5 und 10% angegeben (s. Kap. 8). Bei gleichzeitiger Einnahme von Immunsuppressiva
Abb. 6.24. Progressive Lysesäume im Röntgenverlauf nach Schulter-TEP. 51 Jahre alte Frau mit rheumatoider Arthritis (Methotrexat + Etanercept als Basistherapie) und „Champagner-Korken“Deformität des proximalen Humerus durch Erosionen (Mischtyp A2 bis D)
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Spezielle Indikationen
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höhten Rate an Luxationen und Infektionen sowie im Langzeitverlauf mit einem progredienten inferioren Notching (s. Abschn. 5.5) und einer frühzeitigen Lockerung der Glenoidkomponente gerechnet werden. Schäden des M. deltoideus, sei es als Folge von ausgedehnten Vernarbungen oder von Nervenläsionen, senken die Erfolgschancen einer Revision beträchtlich.
6.2.8 Ergebnisse
Abb. 6.25. Patientin zu Abb. 6.24. Leicht zunehmende, aktivitätsabhängige Beschwerden 7 Jahre postoperativ nach anatomischer Schulter-TEP im Verlauf
manschette und den Adhäsionen der periartikulären Gleitschichten in der Regel technisch schwierig und zeitaufwändig. Bei rheumatischer Grunderkrankung werden diese Probleme in der Regel durch die bereits initial vorhandene und im Laufe der Jahre akzentuierte Reduktion von Knochenmasse und Muskulatur verschärft. Ein besonderes Problem der rheumatischen Arthritis stellt die statische anterosuperiore Migration nach Implantation einer anatomischen Prothese dar, die in der Regel wenigstens eine irreparable Insuf¿zienz der Subskapularis und des Supraspinatus beinhaltet. Bei erhaltener knöcherner Substanz am Glenoid und intaktem Deltamuskel kann bei älteren Patienten der Wechsel auf eine gekoppelte, inverse Prothese nach Grammont erfolgen. Obwohl damit auch bei fehlender Rotatorenmanschette eine deutliche Verbesserung der aktiven Elevation möglich ist, handelt es sich dabei um komplikationsträchtige Eingriffe. Es muss einer er-
Einer AuÀistung von Gschwend (1977) und van der Sande et al. (2006) zufolge sind in der Weltliteratur bisher ca. 3.600 Fälle von TEP-Implantation an der Schulter bei Arthrose und rheumatoider Arthritis beschrieben. Auch wenn zunächst zwischen beiden Gruppen keine deutlichen Unterschiede gefunden wurden, zeigten sich doch mit steigender Fallzahl, neuen Designs und genauerer Evaluation hinsichtlich der Outcome-Parameter klare diagnosespezi¿sche Unterschiede. Die ungünstigeren präoperativen Voraussetzungen hinsichtlich Knochenqualität, Destruktion der Rotatorenmanschette und Infektneigung werden demnach wenigstens teilweise durch reduzierte körperliche Aktivität und geringere Ansprüche an die funktionelle Leistungsfähigkeit der Schulter bei rheumatischen Patienten ausgeglichen. Im Vordergrund stehe für den Rheumakranken die Schmerzbefreiung, die auch zu mehr als 90% erreicht werden kann. In den 40 ausgewerteten Studien in der Metaanalyse von van der Sande et al. mit einer Fallzahl von mehr als 15 Patienten und einem Nachuntersuchungszeitraum von über zwei Jahren konnte zudem auch die Beweglichkeit gesteigert werden. Die Patientenzufriedenheit war hoch und die Komplikationsrate mit durchschnittlich 8% noch akzeptabel. Totalendoprothesen schnitten signi¿kant besser ab als Hemiprothesen. Auch wenn in dieser Hinsicht das Schultergelenk einem Vergleich mit den Resultaten nach Ersatz des Hüft- und Kniegelenkes standhält, ist festzustellen, dass eine ausreichende Anzahl von Nachuntersuchungen mit einem beobachteten Langzeitverlauf von mehr als 10 Jahren für Prothesen neuerer Bauart noch nicht vorliegt und sich zwischenzeitlich sowohl die Möglichkeiten als auch die funktionellen Ansprüche seitens der Patienten an einen Gelenkersatz gewandelt haben.
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Die bisher publizierten Arbeiten mit Endoprothesen unterschiedlichen Designs sind nur eingeschränkt vergleichbar, da meistens gemischte Kollektive untersucht wurden, selten Angaben über den Status der Rotatorenmanschette, den Aktivitätsgrad der Erkrankung und die Anzahl anderer involvierter Gelenke gemacht werden. Lebensalter, Zeitdauer der Erkrankung sowie Invaliditätsgrad sind jedoch gerade bei diesem Klientel wichtige EinÀussgrößen, die zusätzlich mit einem geeigneten, subjektiven Be¿ndlichkeits-Score erfasst werden sollten (Angst et al. 2004). Hinsichtlich des OberÀächenersatzes, der die Indikation zur konventionellen HEP weitgehend abgelöst hat, haben Levy et al. (2004) mit dem zementfreien Design nach Copeland die bisher umfangreichsten Erfahrungen publiziert. Sie fanden bei insgesamt 75 Schultern mit einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 6,5 Jahren einen durchschnittlichen Wert im Constant-Score von 47,9 Punkten (71% alters- und geschlechtsadaptiert), die bei gleichzeitigem Glenoidersatz sogar 53,4 Punkte (76%) betrug. Damit ¿elen auch mit diesem System die Ergebnisse weniger günstiger aus als bei der primären Omarthrose. Für die anatomischen Hemi- bzw. Totalendoprothesen neuerer Bauart (3. bis 4. Generation) sind die Daten der Europäischen Sammelstudie mit der Aequalis®-Prothese (Gohlke 2001) bisher am besten von allen Studien dokumentiert und analysiert. In einem prospektiven Design wurden Patienten mit einem Follow-up von mindestens zwei Jahren klinisch und radiologisch beurteilt. Es konnten 172 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 56 Jahren (15–85 J.) nach durchschnittlich 46 Monaten (24–100) erfasst werden – die bisher größte Serie an rheumatischen Schulterprothesen. Die beträchtliche Rate an früh (insgesamt 10%: Infektionen und Nervenschäden) sowie spät auftretenden Komplikationen (9%) und insgesamt 13 Revisionen spiegelt die hohe Morbidität dieser Patienten wider. Dennoch war die subjektive Zufriedenheit wegen der guten Schmerzbefreiung mit 90% hoch. Im Constant-Score verbesserte sich der präoperative Status von 26 auf 56 Punkte (73% alters- und geschlechtsadaptiert), was einen deutlich niedrigeren Wert im Vergleich zu den Omarthrosen ergab. Auch wenn die aktive Beweglichkeit einen Zugewinn der aktiven Elevation von 79° auf 120° ergab, blieb dennoch insbesondere die Funktion hinsichtlich Muskelkraft und Überkopfaktivität mit 5 von 25 Punkten unbefriedigend. Die Insuf¿zienz der Rotato-
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renmanschette drückte sich auch darin aus, dass 27% der Patienten immer noch nicht den Arm über Kopf einsetzen konnten. Auch Sjoebjerg et al. (1999) fanden mit einer anatomischen Totalendoprothese der ersten Generation zwar zu 92% eine Schmerzreduktion, jedoch war die aktive Beweglichkeit wenig verbessert. Die statistische Analyse der Aequalis®-Multicenterstudie identi¿zierte folgende Outcome-Faktoren: Alter (p < 0,01), präoperativer Status der Rotatorenmanschette (p < 0,0001) und Nachweis eines Defektes von Supra- und Infraspinatus (p < 0,007) sowie die fettige In¿ltration dieser Muskeln (p < 0,0001). Die Länge der Anamnese und das Destruktionsmuster ließen dagegen, ebenso wie bei Collins et al. (2004), keinen Zusammenhang erkennen. Die beobachtete Verminderung des akromiohumeralen Abstandes kann auch durch eine unkorrekte Platzierung des Humeruskopfersatzes zu einem sekundären subakromialen Impingement (ca. 1,5%) und später zu einer sekundären Migration der Prothese führen, ist jedoch in der Regel durch die bereits präoperativ vorhandene Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette bedingt. Im Langzeitverlauf ist gerade bei rheumatischen Patienten trotz Rekonstruktion der Rotatorenmanschette in mindestens der Hälfte der Patienten mit einer erneuten Ausdünnung oder Defektbildung zu rechnen. Die verminderte Knochenfestigkeit bei dem rheumatischen Schultergelenk soll auch die Ursache für die Progredienz der sekundären Glenoiderosion nach medial und kranial nach Implantation einer Hemiprothese sein. Die zementfreie Verankerung des Humerusschaftes führt nach Kelly (1994) beim Rheumatiker ebenso häu¿g zu frühzeitigen Revisionen wie eine Lockerung der Glenoidkomponenten. Allerdings wurde hier die erste Generation von Monoblock-Endoprothesen verwendet, ohne Anpassung an das individuelle Offset des Humeruskopfes und ohne Beschichtung des Schaftes. Trail u. Nuttall (2002) dagegen fanden mit einer modularen Prothese der 2. Generation im Langzeitverlauf keine eindeutigen Lockerungen oder Revisionen des Schaftes. Als häu¿gste und bedeutendste Spätkomplikation gilt die klinisch symptomatische Lockerung der Glenoidkomponente bei ca. 5–10%, wobei das Auftreten von progressiven Saumbildungen im Röntgenbild jedoch mit 30–955 je nach Autor angegeben wird. Sjoebjerg et al. (1999) fanden im Langzeitverlauf mit einer anatomischen Totalendoprothese der ersten Generation bei 42% eine aseptische Lockerung der Glenoidkomponente.
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Spezielle Indikationen
Die Aequalis®-Multicenterstudie ergab Saumbildungen der Glenoidkomponenten im a.p.-Röntgenbild bei 70%, progressive Veränderungen bei 53% und eine erkennbare Migration bei 5%. Diese Veränderungen ¿elen signi¿kant deutlicher als bei den primären Omarthrosen aus. Die klinischen Ergebnisse verschlechterten sich signi¿kant nach 5,5 Jahren. Die Zunahme der Lysesäume korrelierte ebenfalls mit dem Status der Rotatorenmanschette. Bei Trail u. Nuttall (2002) waren die röntgenologischen Zeichen einer Lockerung der Glenoidkomponente signi¿kant häu¿ger bei dem älteren Kiel-Design feststellbar. Hier spielen jedoch möglicherweise projektionsbedingte Fehler eine Rolle bei der Auswertung. Genauere Aussagen sind entweder mit der Computertomographie oder der Radiostereometrie möglich. Inverse Schulterprothesen werden bei Patienten mit rheumatoider Arthritis immer noch mit Zurückhaltung verwendet, da erste Arbeiten im mittelfristigen Verlauf über erhöhte Lockerungs- und Komplikationsraten berichteten (Rittmeister u. Kerschbaumer 2001; Woodruff et al. 2003). Insbesondere die Rate an Ermüdungsbrüchen der Spina scapulae (Levigne et al. 2006) und frühzeitige Lockerungen der Basisplatte scheinen durch die meist stark ausgeprägte Osteoporose häu¿ger vorzukommen und zu einer erhöhten Revisionsrate mit ungünstigen Endresultaten zu führen. Auffällig ist die im Vergleich zur Defektarthropathie geringe Anzahl im Material der aktuellen Multicenter-Studie in Frankreich von 2006 (Levigne et al. 2006), die auf eine auffällige Zurückhaltung bei dieser Indikation hinweist.
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6.3 Humeruskopfnekrose E. Wiedemann
6.3.1 Ätiologie Unter einer Humeruskopfnekrose versteht man den Untergang von Knochengewebe im Humeruskopf als Folge einer anhaltenden oder wiederkehrenden Störung der Blutzirkulation. Zu unterscheiden ist dabei eine idiopathische Form, bei der die Ursache der Durchblutungsstörung letztlich ungeklärt bleibt, von den sekundären Formen. Diese stellen eine große heterogene
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Spezielle Indikationen
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Tabelle 6.4. Einteilungen der Humeruskopfnekrosen Mankin (1992)
Hungerford (1981)
Unterbrechung der Gefäße
Intraossär – extravaskulär (intraossärer Druck)
Thrombose und Embolie
Intraossär – arteriell
Schaden der Gefäßwand
Extraossär – arteriell
Venöse Stauung
Venös
Gruppe dar. Mankin (1992) de¿nierte vier Mechanismen, die für die Humeruskopfnekrose verantwortlich sind, Hungerford (1981) unterschied vier Gruppen nach dem Ort der Durchblutungsstörung (Tab. 6.4). Unabhängig von der Ursache der Durchblutungsstörung kommt es zu einzelnen abgegrenzten oder ausgedehnten subchondralen Osteonekrosen, die unter der mechanischen Belastung einbrechen können. Die GelenkÀäche kann dann lokal kollabieren. Zusätzlich können osteochondrale Fragmente ausbrechen. Selbst wenn sich der subchondrale Knochen im weiteren Verlauf wieder stabilisiert, verbleibt eine Inkongruenz der GelenkÀäche, die zur sekundären Glenohumeralarthrose führen kann.
6.3.1.1 Posttraumatische Humeruskopfnekrose Die posttraumatische Humeruskopfnekrose entsteht, weil die Blutgefäße, die den Humeruskopf ernähren, durch die Fraktur unterbrochen werden. Die Vaskularität des Humeruskopfes geht von den Aa. circumÀexa anterior und posterior aus, die den Humeruskopf auf Höhe des chirurgischen Halses umgeben. Der anterolaterale, wesentliche Teil der Durchblutung stammt aus einer aszendierenden Arterie, die lateral des Sulcus bicipitalis aufsteigt und beide Tuberkula und einen großen Teil des Humeruskopfes ernährt (Gerber et al. 1990). Zusätzliche posteromediale Gefäße aus der A. circumÀexa posterior versorgen den posterokranialen Anteil des Humeruskopfes. Bei einer Humeruskopffraktur werden in Abhängigkeit vom Verlauf der Frakturlinien und dem Ausmaß der Dislokation mehr oder weniger große Anteile der beschriebenen Gefäße durchtrennt. Die Gefahr einer Minderperfusion der Humeruskopfkalotte nimmt dabei zu, je mehr sich die Fraktur dem anatomischen Hals des Humeruskopfes und damit der Kalotte nähert. Die meisten Humeruskopfnekrosen entstehen deshalb
nach 4-Fragment-Frakturen, bei denen beide Tuberkula von der Kalotte getrennt werden. Ein zusätzlicher Schaden kann entstehen, falls durch die Reposition oder die Osteosynthese die Gefäße weiter geschädigt, unterbrochen oder unterbunden werden. Brooks et al. (1993) konnten zeigen, dass das Ausmaß der Restperfusion der Kalotte über posteromediale Gefäße davon abhängt, ob das Kalottenfragment mit einem kleinen metaphysären Keil verbunden bleibt. Sobald die Fraktur genau auf der Höhe des anatomischen Halses verläuft und die Kalotte von der Metaphyse vollständig isoliert wird, sind auch die posteromedialen Gefäße durchtrennt. Das Risiko einer posttraumatischen Nekrose steigt dann erheblich an.
6.3.1.2 Thrombose und Embolie Den größten Anteil dieser zweiten Gruppe in der Einteilung nach Mankin (1992) bilden die Humeruskopfnekrosen nach lange dauernder Steroideinnahme. Nach den Ergebnissen tierexperimenteller Studien wird angenommen, dass der erhöhte Cortisonspiegel den lokalen Fettstoffwechsel verändert, was zu fettinduzierten Mikroembolien führt. Eine ähnliche Pathogenese wird bei angeborenen Störungen des Fettstoffwechsels und bei chronischem Alkoholabusus angenommen. Auch bei vielen anderen Formen der sekundären Humeruskopfnekrosen wird die Durchblutung durch Mikroembolien beeinträchtigt. Diese gehen von den unterschiedlichsten Mechanismen aus. Bei der Gicht sind es Uratkristalle, bei der Sichelzellanämie die pathologisch verformten Erythrozyten, und bei der Dekompressionserkrankung der Taucher (Caisson-Erkankung) Stickstoffbläschen, die sich aufgrund des plötzlich verminderten Umgebungsdrucks im Blut bilden.
6.3.1.1 Schaden der Gefäßwand Sekundäre Humeruskopfnekrosen können auch von einer direkten Schädigung der Gefäßwand ausgehen, wie sie von einer Vaskulitis, einer Bestrahlung oder durch Chemotherapeutika verursacht wird. Beim M. Gaucher wird durch die Gaucher-Zellen der intraossäre Druck erhöht, weshalb die kapillare Durchblutung abnimmt.
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6
6.3.1.4 Venöse Stauung Eine Zunahme des venösen Drucks kann zu einer Minderperfusion führen, sofern sie den Druck in den Arteriolen übertrifft. Auch dies kann zu einer Humeruskopfnekrose führen.
6.3.2 Epidemiologie Die Häu¿gkeit der verschiedenen Formen der Humeruskopfnekrose schwankt in Abhängigkeit vom behandelten Patientengut. Deshalb werden sie von jedem Autor unterschiedlich gewichtet. Nach 4-Fragment-Frakturen muss in Abhängigkeit von der eingeschlagenen Therapie mit einem hohen Anteil an Humeruskopfnekrosen gerechnet werden. Diese werden erst nach einigen Jahren offensichtlich. Zudem ist der Knochen durch die Fraktur und eine eventuelle Osteosynthese verändert und häu¿g sklerosiert. Der Übergang zwischen einer intakten Kalotte, einer Teilnekrose und einer Totalnekrose ist deshalb Àießend und manchmal schwer einzuschätzen. Bis zu 100% der Kalotten weisen nach einer 4-FragmentFraktur eine Teilnekrose auf, 20–30% der Patienten entwickeln eine Totalnekrose. Die häu¿gste Ursache der toxischen Humeruskopfnekrosen ist sicher die kurzfristig hochdosierte oder langdauernde Einnahme von Kortisonpräparaten. Hattrup und Co¿eld (1999) fanden bei 127 Humeruskopfnekrosen einen Anteil von 41% für die kortisoninduzierten und 36% für die posttraumatischen Formen. Bei 16% der Humeruskopfnekrosen konnte keine Ursache gefunden werden, sodass sie als idiopathisch angesehen wurden. Die Sichelzellanämie ist in Deutschland selten, weltweit aber möglicherweise die häu¿gste Ursache für Humeruskopfnekrosen (L’Insalata et al. 1996). Die betroffenen Patienten entwickeln zu 6% eine Humeruskopfnekrose, wobei zwei Drittel beidseitig auftreten. Der beidseitige Befall ist allen systemischen Formen der Humeruskopfnekrose gemeinsam, weil die Minderdurchblutung beide Humerusköpfe betrifft. Häu¿g kommt es bei den betroffenen Patienten auch zu Osteonekrosen an anderer Stelle, beispielsweise am Femurkopf.
E. Wiedemann
6.3.3 Klassifikationen Nach der klassischen Arbeit von Cruess (1985) wird die Humeruskopfnekrose in Anlehnung an die Klassi¿kation von Femurkopfnekrosen von Arlet und Ficat in fünf Gruppen eingeteilt. Diese Einteilung erfolgt nach radiologischen Kriterien (Abb. 6.26). Stadium 1. In diesem Stadium zeigen sich in konventionellen Röntgenbildern keine Veränderungen. Die Diagnose ist deshalb nur szintigraphisch oder kernspintomographisch zu stellen. Im Szintigramm ist in Abhängigkeit vom Stoffwechsel eine Mehr- oder Minderanreicherung zu sehen, im Kernspintomogramm ist in der T1-Wichtung das Knochenmarksignal vermindert (Abb. 6.27). Stadium 2. Im Röntgenbild zeigt sich eine Mischung aus lokal verminderten und sklerosierten Knochenbälkchen, typischerweise ein sklerotischer Randsaum um eine subchondrale Lysezone. Die Form der GelenkÀäche bleibt dabei erhalten. Im Kernspintomogramm ¿ndet sich neben dem in der T1-Wichtung verminderten Knochenmarksignal eine durch das begleitende Spongiosaödem verursachte Signalverstärkung in der T2-Wichtung. Stadium 3. Im Stadium 3 bricht der Knochen im Nekrosebezirk lokal ein. Die GelenkÀäche kann deshalb etwas abgeÀacht sein, die KnorpeloberÀäche bleibt aber normalerweise intakt (Abb. 6.28). Im Röntgen zeigt sich deshalb ein so genanntes „Sichelphänomen“. Im Kernspintomogramm ist das Signal im Nekrosebezirk in der T1-Wichtung vermindert und in der T2-Wichtung vermehrt. Nach Mitchell et al. (1987) ¿ndet sich typischerweise eine „Doppellinie“ im Bereich des Nekrosebezirks. Stadium 4. In den Röntgenbildern stellt sich die von der Nekrose ausgehende AbÀachung und Entrundung des Humeruskopfes dar, wobei die unter der Nekrose liegenden Bezirke sklerosiert sind. Osteochondrale Fragment können ausbrechen. Die Pfanne ist noch nicht betroffen (s. Abb. 6.30a) Stadium 5. Die Humeruskopfnekrose hat zur sekundären Mitbeteiligung der Pfanne geführt, so dass beide Gelenkpartner von der nekroseinduzierten Glenohumeralarthrose betroffen sind.
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.26a–e. Klassi¿kation der Humeruskopfnekrosen nach Cruess (1985). (a–e) Stadium 1 bis 5
6.3.4 Therapie
Abb. 6.27. Humeruskopfnekrose Stadium 1 ohne Veränderungen im konventionellen Röntgenbild. Subchondrale Signalminderung im MRT an Humeruskopf und Glenoid. Z.n. Zytostatikatherapie bei Lymphom
Die Indikation zum Gelenkersatz ergibt sich in Abhängigkeit von den Beschwerden des Patienten ab dem Stadium 3 bis 4 nach Cruess. In den Stadien 1 bis 3 werden alternative Operationsverfahren diskutiert, sobald die Humeruskopfnekrose erkannt wird. Beispielsweise wird empfohlen, den Nekroseherd anzubohren, um den intraossären Druck zu entlasten und die Einsprossung neuer Gefäße zu konditionieren. Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Anbohrung ist, dass der eigentliche Nekroseherd mechanisch noch stabil ist. In Einzelfällen wurde auch versucht, einen vaskularisierten Knochenspan einzupÀanzen. Die Ergebnisse sind trotz des großen operativen Aufwands uneinheitlich. Häu¿g wird später doch ein Gelenkersatz notwendig. Dies gilt auch für konservative Maßnahmen, die neben der Schmerz-
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Abb. 6.28a, b. Cortisoninduzierte Humeruskopfnekrose Stadium 3 bei einem 30-jährigen Patienten mit schwerer Colitis ulcerosa (a). Zementfreie Titan-Schaftprothese (b) bei multiplen Allergien
behandlung auf einer medikamentösen, durchblutungsfördernden oder das Sauerstoffangebot im Blut erhöhenden Therapie beruhen. In den Stadien 3 und 4 nach Cruess genügt grundsätzlich die Implantation einer Hemiprothese. Ab dem Stadium 5 ist in Abhängigkeit vom Patientenalter und dem Zustand der Rotatorenmanschette einer Totalprothese der Vorzug zu geben, sofern sich eine Pfanne implantieren lässt und die Rotatorenmanschette intakt ist.
6.3.4.1 Gelenkersatz Im Stadium 4 nach Cruess muss nur die kollabierte Humeruskopfkalotte ersetzt werden. Deshalb ist zwischen einem OberÀächenersatz (Abb. 6.29) und einer klassischen Schaftprothese (Abb. 6.30b) zu wählen. Bei einem reinen GelenkÀächenersatz ist zu bedenken, dass einerseits mindestens 60% der Knochensubstanz erhalten sein sollten und dass das Implantat andererseits meistens zementfrei in einem Humeruskopf verankert werden und knöchern einheilen soll, dessen Vaskularität gestört ist. Bei postoperativ anhaltenden Beschwerden ist es sehr schwierig, radiologisch den Zustand des Knochens innerhalb der OberÀächenprothese abzuklären, die
für die radiologische Untersuchung wie ein Deckel wirkt. Es wurde über Fälle mit einer schmerzhaften OberÀächenprothese berichtet, die bei der Revision in einem vollständig nekrotischen Knochen gelockert war, ohne dass dies präoperativ klinisch, röntgenologisch oder szintigraphisch nachgewiesen werden konnte. Bei nicht eindeutig ausreichend Knochensubstanz der Kalotte ist daher im Zweifelsfall einer konventionellen Humeruskopfprothese der Vorzug zu geben. Bei einer posttraumatischen Humeruskopfnekrose ist die Auswahl des Implantates ebenfalls von der Quantität und Qualität es vorhandenen epiphysären Knochens abhängig. Auch hier ist im Zweifelsfall die Implantation einer Schaftprothese indiziert (Abb. 6.31). Allerdings kann es bei starker meta- und diaphysärer Deformierung sehr schwierig bis unmöglich sein, einen Schaft in den verformten proximalen Humerus einzubringen. Selbst wenn es gelingt, einen Schaft in die Diaphyse zu implantieren, ist es gelegentlich trotz der ausgefeilten Modularität moderner Prothesen unmöglich, den Prothesenkopf mit der Resektionsebene zur Deckung zu bringen. In diesen Fällen besteht die einzige Möglichkeit im OberÀächenersatz, wobei auch dann gelegentlich Kompromisse in der Ausrichtung und Passgenauigkeit des Implantates nicht zu vermeiden sind. Alternativ ist eine schaftlose Humeruskopfprothese in Erwägung zu ziehen.
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.29a–c. Cortisoninduzierte Humeruskopfnekrose Stadium 4 (a, b); GelenkÀächenersatz durch Cup-Prothese (c, d)
6.3.5 Spezielle Operationsplanung Für die Planung der Operation ist es wichtig, durch eine sorgfältige klinische Untersuchung den aktuellen Bewegungsumfang der betroffenen Schulter zu
Abb. 6.30a, b. Idiopathische HKN Stadium 4. Der Humeruskopf ist vollständig kollabiert, das Glenoid weitgehend unverändert (a). Gelenkersatz durch eine konventionelle Humeruskopfprothese. Intraoperative Schaftfraktur, mit Cerclagen versorgt (b)
ermitteln. Sofern dieser stark eingeschränkt ist, was häu¿g bei posttraumatischen Humeruskopfnekrosen vorkommt, ist ein ausgedehnter deltopektoraler Zugang obligatorisch. Nur so gelingt eine intraoperative Arthrolyse als essentielle Voraussetzung für die gute postoperative Funktion. Ein transdeltoidaler Zugang
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E. Wiedemann
Abb. 6.31. Posttraumatische Deformität mit vollständiger HKN Stadium 4. Versorgung mit einer zementierten Schaftprothese
kommt allenfalls bei einer passiv nicht bewegungseingeschränkten Schulter in Betracht. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Planung der Operation sind sehr gute Röntgenbilder, um vorab die Größe der Implantate abschätzen zu können. Von den Herstellern werden hierzu transparente Schablonen zur Verfügung gestellt. Zu beachten ist, dass der ventrodorsale Durchmesser des Humeruskopfes kleiner ist als der kraniokaudale, weshalb auch axiale Röntgenbilder vorliegen sollten (s. Abschn. 5.2, Abb. 5.23). Die dritte Voraussetzung ist ein CT der Schulter, um den Zustand der Pfanne beurteilen zu können. Dies betrifft sowohl die Stärke des Knorpels als auch die Neigung der Pfanne. Die Qualität des Knorpels ist mit dem freien Auge intraoperativ kaum einzuschätzen, weshalb die Entscheidung für oder gegen eine Pfanne vor dem Eingriff fallen sollte, wenn man sich nicht auf eine Arthroskopie zu Beginn des Eingriffs verlassen will. Die Retroversion der Pfanne weicht bei einer Humeruskopfnekrose nur bei Voroperationen von der Norm ab. Dennoch ist es wichtig, dies sicher zu wissen. Ein MRT der Schulter kann das CT in dieser Hinsicht nur teilweise ersetzen.
6.3.6 Spezielle Op-Technik Spezielle Probleme ergeben sich aus dem sklerosierten und durchblutungsgestörten Humeruskopf und aus einer posttraumatischen Fehlstellung. Die Implantation einer OberÀächenprothese unterscheidet sich dabei nur wenig vom standardisierten Vorgehen.
Allerdings müssen die posttraumatisch häu¿g vernarbte Bursa und die mit dem Humeruskopf verbackene UnterÀäche des M. deltoideus sorgfältig und schrittweise, teils stumpf digital, teils scharf mit einem Rasparatorium gelöst werden, um den Humeruskopf exponieren zu können. Das korakohumerale Band ist häu¿g verkürzt und muss durchtrennt werden, um die Außenrotation zu verbessern. Die zur Verbesserung der Beweglichkeit wichtige Durchtrennung bzw. Resektion der inferioren Kapsel, die oft ausgeprägt verdickt und vernarbt ist, kann technisch sehr schwierig sein. Sicherheit gewinnt man erst durch die Identi¿kation des N. axillaris, der außerhalb und unterhalb der Muskelfasern des M. subscapularis verläuft. Der Nerv muss geschont und hierzu aus seiner Umgebung befreit werden, wenn er narbig verbacken ist. Zu Details der Zugangswege und der Exposition des Humeruskopfes siehe Abschn. 5.1 und 5.2.
6.3.7 Tipps und Tricks Bei einer OberÀächenprothese wird der Humeruskopf mit einer konkaven Fräse präpariert, die sich axial auf einem Führungsdraht dreht. Bei einer posttraumatisch veränderten Anatomie wird die Sicherheit der Implantation erhöht, wenn man die Lage des Führungsdrahts mit intraoperativer Durchleuchtung kontrolliert, bevor die Fräse angesetzt wird, um nicht in die Irre zu gehen. Bei der Implantation einer Schaftprothese muss der Schaft häu¿g dünn gewählt werden, um die auf
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Spezielle Indikationen
Höhe des chirurgischen Halses enge und sklerosierte Markhöhle zu überwinden. Der Schaft ist dann für den proximalen Humerus eigentlich zu dünn und muss in jedem Fall zementiert werden. Intraoperativ kann es schwierig sein, den Eingang in den Markkanal zu ¿nden. Dann sondiert man am besten zunächst mit einem kräftigen Kirschner-Draht, bevor man mit der Raspel große Löcher macht, aus denen später der
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Zement unkontrolliert austreten kann. Die Lage des Kirschner-Drahts hilft auch abzuschätzen, wo der proximale Schaft zu liegen kommt und ob dies erlaubt, die Kalotte mit der Resektion zur Deckung zu bringen. Die Modularität moderner Prothesen gestattet jedoch in vielen Fällen die Implantation eine Schaftprothese selbst bei erheblichen meta- und diaphysären Fehlstellungen (Abb. 6.32a–e).
Abb. 6.32a-e. Posttraumatische Totalnekrose nach einer operativ versorgten Humeruskopf- und Schaftfraktur bei einem 61jährigen Patienten (a, b). Versorgung mit einer zementfreien Humeruskopfprothese (c–e)
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6.3.8 Spezielle Komplikationen Die Außenrotation des Armes ohne eine ausreichende Arthrolyse mit zirkulärem Kapsel-Release und die Präparation des sklerosierten und verengten Humerusschaftes können leicht zu einer Schädigung der Kortikalis oder zu einer Fraktur des Humerusschaftes führen (s. Abb. 6.30). In diesem Fall ist eine Langschaftprothese mit Cerclagen zu implantieren oder eine Plattenosteosynthese vorzunehmen (s. Kap. 8 und 9). Wenn das Glenoid von der Nekrose betroffen ist und daher ein Stadium 5 der Erkrankung vorliegt, kann die unkritische Implantation einer Hemiprothese zu einer rasch progredienten sekundären Glenoidarthrose führen (Parsch et al. 2003). Die Qualität des im Stadium 4 auf der Pfanne verbliebenen Knorpels muss deshalb präoperativ oder arthroskopisch eindeutig abgeklärt werden. Bei einer sekundären Glenoiderosion ist ein frühzeitiger Wechsel auf eine Totalendoprothese vorzunehmen, bevor es zu einem vollständigen Substanzverlust der Schulterpfanne kommt.
6.3.9 Ergebnisse in der Literatur Unter allen Indikationen führte die Humeruskopfnekrose bei der AequalisTM-Multicenterstudie (Walch et al. 2001) zu den besten Ergebnissen. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 57 Jahre, Frauen waren zu 64% betroffen. Insgesamt wurden 80 Prothesen implantiert, davon 26 Totalprothesen (32%) und 54 Humeruskopfprothesen. Nach durchschnittlich 47 Monaten ergaben sich im Constant-Score Resultate von 71 bzw. 68 Punkten. Der Unterschied zwischen Hemi- und Totalendoprothesen war nicht signi¿kant. Dies lässt darauf schließen, dass tatsächlich bei der Humeruskopfnekrose die Implantation einer Hemiprothese zu bevorzugen ist, sofern die Pfanne intakt ist. Über die Ergebnisse nach Versorgung mit einem GelenkÀächenersatz liegen noch keine Studien mit ausreichenden Patientenzahlen und Beobachtungszeitraum vor.
M. Loew
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6.4 Defektarthropathie M. Loew Bei der idiopathischen Omarthrose betreffen die pathologischen Veränderungen in erster Linie den Gelenkknorpel und den subchondralen Knochen, während substantielle Defekte der Gelenkkapsel und der Rotatorenmanschette relativ selten sind. Von dieser primären Omarthrose ist eine Form der destruierenden Arthropathie zu unterscheiden, die mit einer speziellen Pathologie ausschließlich am Schultergelenk zu beobachten ist. Diese Gelenkdestruktion ist durch einen Massendefekt der Rotatorenmanschette charakterisiert, der zu einer Migration des Oberarmkopfes nach kranial und zu einer unterschiedlich ausgeprägten Instabilität des Schultergelenkes mit charakteristischen Sekundärveränderungen am Gelenkknorpel sowie an den knöchernen Strukturen des Oberarmkopfes, der Schulterpfanne und des Schulterdaches führt.
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Spezielle Indikationen
E.A. Codman beschrieb 1934 erstmalig die Koinzidenz zwischen Rotatorenmanschettenläsionen und dem Auftreten von arthrotischen Veränderungen des Schultergelenkes, Erosionen der Tuberkula, Sklerosierung und Ausdünnung des Akromions und einem Hochstand des Oberarmkopfes. Ohne die Möglichkeiten moderner bildgebender und serologischer Diagnostik beobachtete er rezidivierende Schwellungen der Schulterweichteile bei vollständigem Defekt der Rotatorenmanschette, an der Synovialis adhärente Knorpelpartikel und eine erheblich destruierende Arthrose des Glenohumeralgelenkes. 1981 wurde der Begriff der „Milwaukee-Schulter“ eingeführt (Garancis et al. 1981; McCarty et al. 1981), um kasuistisch die pathologischen Veränderungen bei vier älteren Frauen zu beschreiben, die beiderseits rezidivierende paraartikuläre Ergüsse mit röntgenologisch schwersten arthrotisch erosiven Veränderungen der Schultergelenke und massive Defekte der Rotatorenmanschette aufwiesen. Charles Neer bezeichnete diese Veränderungen als „Cuff-Tear-Arthropathy“ (Neer et al. 1983) und de¿nierte damit eine eigenständige Krankheitsentität. Gleichzeitig mit und nach Neers Auffassung als Folge eines massiven Rotatorenmanschettendefektes beobachtete er eine Atrophie des glenohumeralen Gelenkknorpels und eine subchondrale Osteoporose, die im Endstadium zu einem Kollaps des atrophierten Humeruskopfes führte und bei gleichzeitiger Kranialisierung das Vollbild des „Syndroms der cuff-tear arthropathy“ darstellte.
6.4.1 Ätiologie Nach der Theorie von McCarthy et al. (1981) beginnt diese destruktive Arthritis des Schultergelenkes mit der Bildung von Hydroxyl-Apatit-Kristallen in einer veränderten Gelenkkapsel, im Synovialgewebe oder in dem degenerativen Gelenkknorpel und mit der Abgabe von Calcium-Phosphat-Partikeln in die GelenkÀüssigkeit. Diese Kristalle werden von Synovialzellen phagozytiert und induzierten dort die Synthese aktivierter proteolytischer Enzyme wie Kollagenase und Stromelysin, die interstitielles Kollagen degradieren und damit das periartikuläre Gewebe und die GelenkÀächen zerstören (Garancis et al. 1981). Tatsächlich
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ließen sich im Synovialgewebe bei der MilwaukeeSchulter vermehrt Calcium-Phosphat-Kristalle nachweisen. Die Herkunft dieser Partikel ist aber bis heute nicht geklärt und es wird kontrovers diskutiert, ob diese als Ursache oder als Folge der destruktiven Arthritis anzusehen sind. Im Gegensatz zu dieser Theorie postulierte Neer die chronische Massenruptur der Rotatorenmanschette als eigentliche Ursache für die Destruktion des Schultergelenkes (Neer et al. 1983; Neer 1990). Als Folgen des Sehnendefektes erkannte er Inaktivität und mechanische Fehlbelastung, eine Instabilität des Oberarmkopfes und das Austreten von SynovialÀüssigkeit in die periartikulären Gewebe. Diese Umstände führten durch den Druckverlust der GelenkÀüssigkeit im Gelenkinnenraum einerseits zu einer Beeinträchtigung der Mikrozirkulation und der Perfusion des Gelenkknorpels und andererseits zu mechanisch induzierten Veränderungen, in deren Folge sich eine chondralen Atrophie mit subchondraler Osteoporose entwickelt. Durch den massiven Sehnendefekt kommt es zu einem Höhertreten des Oberarmkopfes und zu einem subakromialen Impingement mit konsekutiver Erosion der vorderen Anteile des Akromions und des AC-Gelenkes. Folge der Instabilität und der Inkongruenz ist eine fortschreitende Glenoiderosion, die im Extremfall zu einer Zerstörung der Korakoidwurzel führt. Aus Operationspräparaten beschrieb Neer histologisch einen sich über dem Gelenkknorpel ausbreitenden entzündlichen Pannus wie bei einer rheumatoiden Arthritis. An Stellen mit permanentem Kontakt zwischen Oberarmkopf und Akromion sei der subchondrale Knochen sklerotisch, vergleichbar einer Osteoarthrose.
6.4.2 Pathogenese Über die Häu¿gkeit des Auftretens einer Rotatorenmanschettenläsion und ihre Altersverteilung liegen widersprüchliche Literaturangaben vor. Komplette Rupturen sind nach autoptischen Untersuchungen von Zuckerman et al. (1992) jenseits des 60. Lebensjahres in 295, nach Radas et al. (1996) lediglich in etwa 10% der Fälle zu beobachten. Weitgehend unklar ist bisher, in welchen Fällen und unter welchen prognostischen Voraussetzungen die Sehnenschädigung im Verlauf zu einer Defektarthropathie führt. Auf der Basis seiner
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Longitudinalstudien beschrieb Neer, dass lediglich 4% der Patienten mit einer Rotatorenmanschettenruptur im Verlauf von 8 Jahren eine Cuff-tear-Arthropathy entwickelten (Neer et al. 1983). Hamada et al. (1990) beobachteten im gleichen Zeitraum bei 22 Patienten mit massiven Rotatorenmanschettendefekten die Ausbildung einer Defektarthropathie in einem einzigen Fall und bewerteten die regelmäßige Überkopfbelastung, eine Ruptur der langen Bizepssehne, das Anstoßen des Oberarmkopfes gegen das Schulterdach und eine Schwäche der Außenrotation als prognostisch ungünstige Faktoren. Nach Burkhart (1992) ist unter biomechanischen Gesichtspunkten ein asymmetrischer Defekt mit Störung des Kräftegleichgewichtes zwischen den vorderen und hinteren Anteilen der Rotatorenmanschette, die zu einer Destabilisierung des Drehpunktes der Schulter führt, ein prognostischer Faktor für die Entwicklung einer Defektarthropathie. Bei chronischen und ausgedehnten Rotatorenmanschettendefekten kommt es im Verlauf zu einer Atrophie der zugehörigen Muskelbäuche, die im CT und MRT nach Goutallier klassi¿ziert werden kann (Goutallier et al. 1994). Bei fortgeschrittener Muskelatrophie ist eine Erholung auch nach einer (selten realisierbaren) Sehnenrekonstruktion nicht möglich.
6.4.3 Klassifikation Nach Neer liegt eine „Cuff-tear-Arthropathy“ bei dem gemeinsamen Vorkommen der folgenden Charakteristika vor (Abb. 6.33): Ɣ Massendefekt der Rotatorenmanschette, Ɣ Instabilität des Glenohumeralgelenkes, Ɣ Hochstand des Oberarmkopfes, Ɣ Erosion von Akromion und AC-Gelenk, Ɣ GelenkÀächenkollaps des Humeruskopfes. In der Folge sind verschiedene Versuche unternommen worden, die Defektarthropathie nach morphologischen, radiologischen und biomechanischen Gesichtspunkten zu klassi¿ zieren. Hamada et al. (1990) unterschied bei massiven Rotatorenmanschettendefekten unter röntgenologischen Gesichtspunkten 5 Schweregrade. Ein wesentliches Kriterium dieser Klassi¿ kation stellte der akromiohumerale Abstand dar, der bei den Patienten mit Rotatorenmanschet-
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Abb. 6.33. Cuff-tear Arthropathy (Neer 1981). (Aus: McCarty et al. 1981)
tenläsionen durchschnittlich 4,4 mm betrug. Daneben wurden in diese Einteilung auch unspezi¿sche Veränderungen wie Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale Sklerose und Zysten, Akromionsporn und AC-Gelenksarthrose einbezogen. Im zeitlichen Verlauf wurden in einigen Fällen nach Jahren Übergänge in höhergradige Veränderungen beschrieben. Sirveaux et al. (2004) nahm eine morphologische Einteilung der Veränderungen an Humeruskopf, Glenoid und Akromion vor und unterschied 10 Typen, um daraus prognostische Rückschlüsse abzuleiten. Die Autoren beurteilten die unterschiedlichen exzentrischen Deformitäten des Glenoids (Abb. 6.34) als maßgeblich für die chirurgische Behandlungsstrategie und für das Operationsresultat. Visotsky et al. (2004) schlugen eine komplexe Klassi¿ kation unter biomechanischen Gesichtspunkten vor, in der die Defektarthropathie nach dem Ausmaß der Dezentrierung und Kranialisation des Humeruskopfes, der Verlagerung und Stabilität des Rotationszentrums und der Deformitäten der Gelenkpartner in 4 radiologisch unterscheidbare Typen zusammengefasst werden sollte. Ein Problem all dieser Einteilungen ist ihre überwiegende Fokussierung auf die Röntgenmorphologie, während die Klassi¿kationen das korrespondierende Beschwerdebild und das funktionelle De¿zit nicht berücksichtigen. Die Symptomatik bei Defektarthro-
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.34 . Deformierung des Glenoids bei der Defektarthropathie nach Sirveaux (2004)
pathie ist jedoch extrem unterschiedlich und variiert zwischen tolerablen Belastungsschmerzen und einer annähernden Gebrauchsunfähigkeit des betroffenen Armes durch Schmerzen, Instabilität und Bewegungsverlust. Grundsätzlich scheint daher für die klinische Anwendung eine einfachere Differenzierung vorwiegend unter funktionellen und erst in zweiter Linie unter radiologischen Kriterien sinnvoll (Loew et al. 2007a,b). Unter diesen Gesichtspunkten lassen sich drei unterschiedliche Haupttypen unterscheiden, die klinisch zu ähnlichen subjektiven Symptomen
Tabelle 6.5 .
führen (Tab. 6.5) und verschiedene chirurgische Behandlungskonsequenzen nach sich ziehen können (Abb. 6.35 –Abb. 6.37).
6.4.3.1 Der stabile, arthrotische Typ I (s. Abb. 6.35) Er ist klinisch durch starke Belastungsschmerzen und geringe Ruheschmerzen gekennzeichnet und betrifft überwiegend Männer. Die aktive Beweglichkeit ist funktionell noch ausreichend, nicht selten sind
Symptombasierte Klassi¿ kation der Defektarthropathie
Typ
Morphologie
Charakter
Symptomatik
Radiologische Pathologie
I
arthrotisch
stabil
• Bewegungs- und Belastungsschmerzen
• Mäßiger Hochstand des Oberarmkopfes • Azetabularisierung • Gelenkspalt aufgehoben • arthrotische Deformierung • Inkongruenz
II
areaktiv
instabil
• Hochgradige aktive Bewegungseinschränkung
• Hochstand und Dezentrierung des Oberarmkopfes • Gelenkspalt erhalten • geringe arthrotische Deformierung • Kongruenz • evtl. permanente Dislokation
• evtl. rezidivierende oder permanente Luxationen
III
nekrotisch
destruktiv
• Ruheschmerz • Aktiver Bewegungsverlust
• Hochstand und Kollaps des Oberarmkopfes • Glenoiderosion • Inkongruenz
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Abb. 6.35. Typ I (arthrotische Typ, stabil). Kranzosteophyten am Humeruskopf wie bei einer idiopathischen Omarthrose. Das Rotationszentrum des Gelenkes ist stabil
Flexion und Abduktion bis 90 Grad möglich (Goldberg et al. 2008). Die Kraftminderung ist tolerabel. Das passive Bewegungsausmaß ist eingeschränkt und entspricht annähernd dem aktiven. Radiolo-
Abb. 6.37a, b. Typ III (destruktiver, nekrotisch). Radiologisch ausgeprägter Substanzverlust des Humeruskopfes (a). Im MRT Bursitis, Synovialitis und Rückbildung der Muskulatur (b)
Abb. 6.36. Typ II (areaktiver Typ, instabil). Im Röntgenbild nur geringe Deformität der GelenkÀächen
gisch bestehen eine Vergrößerung der KontaktÀäche zwischen Oberarmkopf und „Azetabulum“, eine verstärkte subchondrale Sklerose und Ebonisierung des Knochens im Kontaktbereich und osteophytäre
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Spezielle Indikationen
Ausziehungen am Humeruskopf. Das Rotationszentrum des Humeruskopfes ist stabil und dezentriert im Bewegungsablauf nicht. 6.4.3.2 Der instabile, areaktive Typ II (s. Abb. 6.36a) Er ist durch wiederholte oder selten durch permanente Luxationen gekennzeichnet. Bei der aktiven Abduktion dezentriert der Humeruskopf nach anterokranial. Die aktive Beweglichkeit ist stark eingeschränkt und kraftlos, das passive Bewegungsausmaß ist weitgehend frei (außer bei permanenter Luxation). Bei meist geringen Ruheschmerzen steht die Gebrauchsbeeinträchtigung im Vordergrund der Beschwerden. Radiologisch sind Humeruskopf und Glenoid relativ unauffällig, ohne arthrotische Deformierung. Bei hängendem Arm ist der Humeruskopf nicht selten zentriert, häu¿ger ist jedoch eine permanente Kranialisation. Charakteristische Weichteilveränderungen sind Synovialitis, Bursitis und rezidivierende Ergussbildungen.
6.4.3.3 Der nekrotische, destruktive Typ III (s. Abb. 6.37a) Er ist durch permanente Ruhe- und Bewegungsschmerzen gekennzeichnet und betrifft überwiegend Frauen. Die aktive Beweglichkeit ist annähernd aufgehoben, das passive Bewegungsausmaß hochgradig eingeschränkt. Radiologisch bestehen eine ausgeprägte destruktive Deformierung des Humeruskopfes mit Kollaps der GelenkÀäche und erosive Veränderungen des Glenoids, die bis zur Basis des Processus coracoideus reichen können. Synovialitis, Bursitis und rezidivierende Ergussbildungen sind ebenfalls charakteristisch (s. Abb. 6.37b). Bei den Typen II und III kann zusätzlich fakultativ eine Ermüdungsfraktur des Akromions bestehen. Exzentrische Glenoiderosionen kommen gelegentlich bei den Typen II und III vor. Erosive Veränderungen ¿nden sich vor allem bei Typ III auch an Akromion, lateralem Schlüsselbeinende und an der Basis des Processus coracoideus. Insbesondere bei den Typen II und III sind Übergänge häu¿g; möglicherweise handelt es sich um eine stadienartigen Verlauf, an dessen Ende der nekrotische Typ der Defektarthropathie stehen kann.
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6.4.4 Therapie Die adäquate Behandlung eines irreparablen Rotatorenmanschettendefektes stellt eine schwierige therapeutische Herausforderung dar. Die Therapie orientiert sich an dem Beschwerdebild, dem Funktionsde¿zit und dem morphologischen Zustand der betroffenen Schulter; das Behandlungsspektrum umfasst konservative Behandlungsmaßnahmen, subakromiales Debridement und Muskelersatzplastiken. Erst bei einer Defektarthropathie mit schwerwiegender Beschwerdesymptomatik ist der GelenkÀächenersatz durch eine Schulterendoprothese in Erwägung zu ziehen. Wie bei der Endoprothetik im Allgemeinen steht im Vordergrund der Behandlungsziele der Ruhe- und Bewegungsschmerz. Vor allem bei den Typen II und III kann jedoch insbesondere bei beidseitiger Betroffenheit auch bei erträglichem Schmerzniveau das therapeutische Ziel in einer Wiederherstellung der Beweglichkeit des Schultergelenkes und damit der Gebrauchsfähigkeit des betroffenen Armes bestehen. Neer empfahl bereits 1983 die Implantation von Humeruskopf- oder Totalendoprothesen bei der Cuff-tear-Arthropathy. Inverse (¿xed-fulcrum) Prothesen hielt er nicht für praktikabel wegen der erosiven Veränderungen und der schlechten Knochenqualität an der Skapula. Er implantierte in einigen Fällen, bei denen das Knochenlager an der Schulterpfanne ausreichend war, überdimensionierte Glenoidkomponenten. Wegen der später häu¿g beobachteten frühzeitigen Lockerung (Goldberg et al. 2008; Jensen et al. 1999; Löhr et al. 1991; Neer et al. 1983), bedingt durch die exzentrische Belastung der Glenoidkomponente mit vermehrtem Stress auf dem Knochen-Zement-Interface (Nicholson 2005) gilt heute bei der Defektarthropathie der konventionelle Glenoidersatz jedoch als obsolet. Der GelenkÀächenersatz des Humeruskopfes führt in der Regel aber nicht zu einer Verbesserung der Beweglichkeit. Wegen der häu¿g unbefriedigenden Resultate wird die Schulterendoprothetik bei der Defektarthropathie daher verbreitet als „Limited-goal“-Chirurgie bezeichnet. In den letzten Jahren sind zahlreiche Versuche unternommen worden, durch Veränderungen des Designs der Humeruskopfprothesen, Entwicklung von stabilen glenoidalen Widerlagern und durch Modi¿kation von Operationsindikation und -technik zufrieden stellende endoprothetische Lösungen für die Cuff-tear-Arthropathy zu ¿nden. In der modernen Schulterendoprothetik stehen
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Abb. 6.38. Cup-Prothese bei Defektarthropathie. Flache Einstellung des OberÀächenersatzes zur Abstützung unter der Fornix humeri
dafür heute Cup-Prothesen, (modi¿zierte) Kopfprothesen, bipolare Prothesen, skapuläre Rekonstruktionsschalen und inverse Prothesensysteme zur Verfügung. Die Entscheidung für eines der vorhandenen Konzepte muss sich an dem morphologischen Arthrosetyp und dem angestrebten Operationsziel orientieren. 6.4.4.1 Typ I Durch knöcherne Abstützungsreaktionen des Oberarmkopfes unter dem Schulterdach ist bei meistens kräftig ausgeprägtem M. deltoideus die Bewegungseinschränkung relativ gut kompensiert. Im Vordergrund der Beschwerden bestehen Schmerzen bei Bewegung und weniger in Ruhe. Hauptziel der Behandlung stellt die Schmerzlinderung dar; diese kann durch die Wiederherstellung einer Gelenkkongruenz durch Restauration der Form des Oberarmkopfes und Anpassung der artikulierenden Flächen erreicht werden. Der GelenkÀächenersatz kann durch eine Cup-Prothese realisiert werden (Abb. 6.38), die nach entsprechendem Vorfräsen des Humeruskopfes mit einem Inklinationswinkel von 140 Grad aufgebracht wird, um eine größere KontaktÀäche mit der sekundären Pfanne unter dem Schulterdach herzustellen. Alternativ können konventionelle Kopfprothesen mit einem gegenüber der normalen Anatomie etwas vergrößertem Durchmesser und entsprechend Àacher In- Abb. 6.39. Kopfprothese bei Typ I (gleicher Patient wie Abb. klination implantiert werden (Abb. 6.39). Spezielle, 6.35)
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Spezielle Indikationen
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für die Defektarthropathie entwickelte Kalottendesigns führen zu einer Vergrößerung der GelenkÀäche nach kraniolateral und dorsal. Um das Rotationszentrum etwas nach kaudal zu verlagern und damit die Vorspannung des M. deltoideus zu verbessern, können auch bipolare Prothesensysteme verwendet werden (Worland et al. 1995), bei denen sich die überdimensionierte Schale unter dem Schulterdach einstellen und die Bewegung hauptsächlich zwischen Kopf und Schale statt¿nden soll.
6.4.4.2 Typ II Bei noch kongruenten GelenkÀächen kommt es durch das vollständige Fehlen der Rotatorenmanschette oder durch eine erhebliche Störung des Kräftegleichgewichtes zu einem Zentrierungsde¿zit des Oberarmkopfes mit der Folge einer Instabilität des Gelenkes mit Bewegungsschmerzen, mit rezidivierenden Subluxationen bevorzugt nach kranial und ventral, oder mit wiederholten bis hin zu permanenten Dislokationen des Humeruskopfes. In vielen Fällen resultiert aus dieser Imbalance eine hochgradige aktive Bewegungseinschränkung. Hauptziel der endoprothetischen Versorgung ist in diesen Fällen eine stabile Zentrierung des Schultergelenkes und damit einhergehend eine Funktionsverbesserung. Dieses Ziel kann mit einem einfachen GelenkÀächenersatz durch eine Kopfprothese nicht erreicht werden, da die Ursache der Beschwerden nicht in einer Deformität der GelenkÀächen liegt. Eine Vergrößerung der skapulären KontaktÀäche ist durch die Implantation einer vergrößerten und bis unter das Schulterdach erweiterten Pfannenschale erreichbar (Abb. 6.40). Bei gleichzeitigem Ersatz des Humeruskopfes kann dadurch die Gelenkluxation verhindert werden; allerdings wird damit nur eine der möglichen Ursachen für die Bewegungseinschränkung behoben. Sowohl eine Stabilisierung als auch eine in der Regel relevante Funktionsverbesserung des Schultergelenkes wird durch die Implantation einer inversen Prothese erreicht (Abb. 6.41). Die partielle Formschlüssigkeit der „umgetauschten“ Gelenkpartner gewährleistet die Stabilität des Gelenkes: Durch Verlagerung des Drehpunktes nach kaudal und medial kommt es zu einer Optimierung des Hebelarmes für den M. deltoideus, so dass funktionell eine erhebliche Verbesserung der Globalbeweglichkeit des Schultergelenkes erreicht
Abb. 6.40. Rekonstruktionsschale der Schulterpfanne
werden kann (Garancis et al. 1981). Bei sekundärer, asymmetrischer Glenoiderosion (Typ E2 und E3 nach Sirveaux) kann eventuell ein plastischer Aufbau der kranialen Anteile der Schulterpfanne durch Anschrauben eines kortikospongiösen Knochenspans, der aus dem Resektat des Oberarmkopfes gewonnen werden kann, erforderlich sein.
6.4.4.3 Typ III Bei Inkongruenz der GelenkÀächen durch den Kollaps des Humeruskopfes ist die aktive und passive Beweglichkeit weitgehend aufgehoben. Zusätzlich ist durch den knöchernen Substanzverlust der Humeruskopf stark medialisiert. Im Vordergrund der Beschwerden stehen jedoch die Ruhe- und Bewegungsschmerzen, die auf die ausgeprägten entzündlichen Veränderungen der Synovialmembran und der das Gelenk umgebenden Schleimbeutel und auf die Inkongruenz
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Abb. 6.42a, b. Bipolare Prothese in Neutralposition (a) und Abduktion (b). Verlagerung des Rotationszentrums nach lateral und kaudal. Stabile Zentrierung der äußeren Schale. Die Relativbewegung zwischen Kopf und Schale ist deutlich zu erkennen
6.4.5 Spezielle Operationsplanung
Abb. 6.41. Inverse Prothese bei Defektarthropathie
zurückzuführen sind. Ziel der Operation ist daher sowohl die Schmerzlinderung als auch eine Besserung der Beweglichkeit und der Gebrauchsfähigkeit des Armes. Durch eine komplette Synovektomie und Bursektomie kann eine Ursache der Schmerzen beseitigt werden. Zur Verbesserung des Bewegungsausmaßes ist wie bei dem Typ II die Implantation einer inversen Schulterprothese die erste Wahl. Allerdings ist es bei dem häu¿g ausgeprägten Substanzverlust des Glenoids, das bis zur Basis des Processus coracoideus aufgebraucht sein kann, in einigen Fällen nicht möglich, die Glenosphäre stabil zu befestigen. Auch ist bei Erosionen und Ermüdungsfrakturen des Akromions der M. deltoideus zusätzlich geschwächt. In dieser Situation führt die Implantation einer bipolaren Humeruskopfprothese (Abb. 6.42a, b) als „Limited-goal“-Operation zu einer Stabilisierung des Schultergelenkes und zu einer Erhöhung der muskulären Vorspannung. In vielen Fällen kann so eine relevante Verbesserung der schmerzfreien Beweglichkeit erreicht werden.
Bei der klinischen Untersuchung ist auf muskuläre Atrophien der Mm. supra- und infraspinatus, aber auch des M. deltoideus zu achten. Der Deltoideus erscheint bei der Defektarthropathie durch die Medialisierung des Humeruskopfes häu¿g verschmächtigt. Bei hochgradiger Atrophie muss aber auch eine Lähmung des N. axillaris ausgeschlossen werden, da diese eine Kontraindikation für eine Schulterprothese darstellt. Das aktive Bewegungsausmaß ist zu erfassen und insbesondere die muskuläre Insuf¿ zienz der Außen- und Innenrotatoren. Eine anterosuperiore Instabilität des Schultergelenkes zeigt sich bei dem Versuch der aktiven Elevation in einem sichtbaren Hervortreten des Humeruskopfes mit Konturveränderung und Krepitation unter dem Schulterdach. Die glenohumerale Instabilität ist ein prognostisch ungünstiger Faktor für den GelenkÀächenersatz und eher eine Indikation zur inversen Totalprothese. Auch das passive Bewegungsausmaß muss vorsichtig untersucht werden, um eine relevante Kontraktur auszuschließen. Röntgenaufnahmen des Schultergelenkes mit proximalem Oberarm in 2 Ebenen („true a.p. und axiale Projektion“) sind erforderlich, um Deformitäten der Gelenkpartner zu erkennen, aber auch, um Achsenveränderungen des Humerus und das Ausmaß der Osteoporose einschätzen zu können. Eine Schnittbilduntersuchung ist unverzichtbar; dabei ist die Computertomographie zu bevorzugen, weil damit die
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Spezielle Indikationen
Form und der mögliche Substanzverlust im Bereich des Glenoids und des Skapulahalses besser beurteilt werden kann als mit der MRT. Andererseits stellt die Kernspintomographie die Begleitpathologie der Weichteile und vor allem das Ausmaß der Bursitiden deutlicher dar. Das Operationsziel muss mit dem Patienten im Detail besprochen werden. Nicht selten ist für den betagten Patienten mit reduziertem Aktivitätsanspruch das erhaltene Bewegungsausmaß akzeptabel und der Schmerz steht im Vordergrund der Beschwerden. In diesem Fall stellt der GelenkÀächenersatz des Oberarmkopfes die technisch einfachere, weniger belastende und komplikationsärmere endoprothetische Option dar. Die zwingende Indikation zu einer formschlüssigen Prothese ergibt sich bei Pseudoparalyse oder bei grober Instabilität des Schultergelenkes.
6.4.6 Spezielle Operationstechnik Der Eingriff kann in Vollnarkose oder in Regionalanästhesie ausgeführt werden; ein Infraskalenuskatheter zur peri- und postoperativen Analgesie ist vor allem bei älteren und multimorbiden Patienten sinnvoll, um systemische Analgetika einzusparen. Die Lagerung in Beach-chair-Position entspricht dem Standardvorgehen. Prominente Körperpartien sind zu unterpolstern, auf eine schonende Lagerung der Halswirbelsäule und des Kopfes ist zu achten. Die Hautschnittführung erfolgt zum deltoideopektoralen Zugang. Da der M. deltoideus einer der wenigen noch funktionierenden Muskeln des Schultergelenkes ist, muss er auch beim Einsatz der Retraktoren sorgfältig geschont werden. Unter dem Muskel und der klavipektoralen Faszie ¿ndet sich meistens eine ausgedehnte, entzündlich veränderte Bursa, die möglichst komplett entfernt werden muss, um spätere Gelenkergüsse zu verhindern. Wenn Anteile der Subskapularissehne erhalten sind, wird diese ansatznah und senkrecht zum Faserverlauf abgelöst und am Ende der Operation soweit möglich readaptiert. Ausnahme ist die schwere Kontraktur in Innenrotation bei vollständigem Verlust der Außenrotatoren; in diesem Fall kann eine Ablösung der Sehne die Funktion verbessern. Die Luxation des Gelenkes durch Außenrotation und Überstreckung gelingt bei dem Verlust der Rotatorenmanschette relativ leicht; bei der häu¿g schweren Osteoporose sind hebelnde Luxationsmanöver wegen der Frakturgefahr zu vermeiden.
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Bei ¿xiertem Hochstand des Humeruskopfes kann die inferiore Kapsel stark ¿brosiert und verdickt sein; in diesen Fällen muss sie unter Schutz des N. axillaris vollständig vom anatomischen Hals abgelöst werden. Da die Sehnenansätze häu¿g vollständig fehlen und die eboniserte KontaktÀäche des Humeruskopfes nach lateral und dorsal vergrößert ist, ist für die GelenkÀächenresektion eine Orientierung an den anatomischen Landmarken oft nicht möglich. In diesen Fällen muss, falls vorhanden, eine Resektionsschablone verwendet werden. Die Osteotomie wird mit einer Inklination von 130–140 Grad und einer Retroversion von 20–30 Grad ausgeführt. Bei erhaltener Form und guter Knochensubstanz kann auch ein GelenkÀächenersatz durch eine Cup-Prothese vorgenommen werden, die ebenfalls mit einem relativ Àachen Inklinationswinkel aufgebracht wird, um die KontaktÀäche mit der Sekundärpfanne zu vergrößern. Nach der GelenkÀächenresektion wird zunächst das Glenoid inspiziert. Anschließend erfolgt eine möglichst vollständige Entfernung der entzündlich veränderten Gelenkinnenhaut und der dorsal gelegenen Schleimbeutel. Bei einer dorsalen Kapselkontraktur wird diese glenoidnah inzidiert. Bei Verwendung eines Prothesenschaftes wird dieser wegen der Osteoporose bevorzugt zementiert. Die Kalotte kann gegenüber der individuellen Anatomie um 2–4 mm Durchmesser größer gewählt werden, um die KontaktÀäche zu vergrößern. Bei der Probereposition wird die Stabilität des Gelenkes überprüft; die Kalotte kann sich unter Druck und Zug hälftig dislozieren lassen, sollte sich beim Loslassen jedoch wieder spontan reponieren. Bei sehr ausgeprägter ventraler Instabilität kann eine bis auf 40 Grad verstärkte Retroversion die Luxationstendenz verringern. Nach der Reposition erfolgt, falls vorhanden, die Re¿xierung der Subskapularissehne. Dabei ist nach Möglichkeit auf ein strukturelles Gleichgewicht zwischen den Außen- und Innenrotatoren zu achten. Bei starker Medialisierung des Drehpunktes durch eine ausgeprägte Glenoiderosion oder bei einer sekundären Exkavation des Glenoids unter dem Schulterdach ist eine bipolare Prothese in Erwägung zu ziehen. Die Implantation einer inversen Schulterprothese folgt der in Abschn. 5.5 beschriebenen Technik. Bei der Hautschnittführung ist grundsätzlich auch der deltoideopektorale Zugang zu bevorzugen, um eine zusätzliche iatrogene Schädigung des M. deltoideus zu vermeiden. Andererseits bestehen nach Voroperationen, zumeist frustranen Sehnenrekonstruktionen, häu¿g anterosuperiore Hautnarben. In diesem Fall ist
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auch ein Deltasplit nach vorsichtigem Ablösen von der Akromionspitze unter Ausbildung eines myoperiostalen Flaps akzeptabel. Es ist jedoch darauf zu achten, dass der Split nicht zu weit nach distal geführt wird, um den anterioren Endast des N. axillaris nicht zu verletzen. Bei der Präparation des Glenoids für die Befestigung der Basisplatte, die bei dem superioren Zugang etwas einfacher durchführbar ist, ist äußerst behutsam vorzugehen, um ein Ausbrechen des Pfannenrandes oder eine Fraktur im Skapulahals zu vermeiden. Vor allem nach länger bestehender Pseudoparalyse oder einem permanenten Hochstand des Humeruskopfes kann es durch den Druckverlust zu einer ausgeprägten Inaktivitätsatrophie mit schwerer Osteoporose der Schulterpfanne gekommen sein. In diesem Fall ist eine stabile Fixation durch die winkelstabilen Schrauben in Skapulahals und in der Korakoidbasis essentiell.
6.4.7 Spezielle Komplikationen Die Gefahr intra- und postoperative Frakturen ist bei der häu¿g alters-, geschlechts- und inaktivitätsbedingten Osteoporose im Vergleich zur Endoprothetik bei der idiopathischen Omarthrose erhöht. Diese betreffen am häu¿gsten den Humerusschaft; bei der Präparation des Glenoids für die Glenosphäre kann es aber auch zu Frakturen des Skapulahalses kommen. Die Häu¿gkeit von Wundhämatomen und Frühinfekten ist bei der inversen Prothese wegen des relativ voluminösen paraprothetischen Hohlraums erhöht. Nach Implantation eines GelenkÀächenersatzes oder einer Humeruskopfprothese kann es im Verlauf zu einer. Andererseits führt die Implantation einer Glenoidkomponente zu einer erhöhte Lockerungs- und Dislokationsrate. Bei einer progredienten Migration des Humeruskopfes kann es zu einer Ermüdungsfraktur des Akromions kommen, die durch die Schwächung des M. deltoideus zu einer Verschlechterung der Funktion und zu einer Schmerzzunahme führt. Eine relativ häu¿ge Komplikation der inversen Schulterprothese bei Defektarthropathie, deren Bedeutung im Langzeitverlauf bis heute nicht endgültig geklärt ist, stellt das so genannte „scapula notching“ dar. Dieses Phänomen bezeichnet eine Osteolyse im Bereich den inferioren Anteile der Schulterpfanne und des Skapulahalses als Folge eines Impingements der Metaglene und/oder eines progressiven Polyäthy-
Abb. 6.43. Im CT progrediente Glenoiderosion bei Humeruskopfprothese
lenabriebs mit konsekutiver Entzündungsreaktion und Granulombildung. Nerot (zitiert nach Sirveaux et al. 2004) schlug eine Klassi¿kation des Scapula Notching vor, die sich an dem Ausmaß des Knochenverlustes orientiert (s. Abb. 5.94). Die Gefahr dieser Osteolyse besteht in einer Lockerung und in dem Ausbruch der Glenosphäre aus der Schulterpfanne.
6.4.8 Ergebnisse Nach publizierten und eigenen Erfahrungen kommt es bei der Typ-I-Defektarthropathie nach dem GelenkÀächenersatz zu einer deutlichen und anhaltenden Rückbildung der Schmerzen, während meist eine nur geringfügig verbesserte Beweglichkeit gegenüber dem Ausgangsbefund erreicht werden kann. Es gibt allerdings keine kontrollierten Studien, die eine differenzierte Erfassung der Resultate nach dem Ausgangsbefund und den verwendeten Implantaten vornehmen. Lediglich in einer retrospektiven Studie von Goldberg et al. (2008) wurde festgestellt, dass sich bei einer präoperativen Flexionsfähigkeit von über 90 Grad durch eine Hemiarthroplastik bezüglich Schmerz
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Spezielle Indikationen
und postoperativem Bewegungsausmaß signi¿kant bessere Ergebnisse erzielen ließen als bei schlechterer Ausgangsbeweglichkeit. Die sehr unterschiedlichen funktionellen Ergebnisse (Neer et al. 1983; Nicholson 2005; Oudet et al. 2001) der Kopfprothesen sind daher in erster Linie auf die inhomogenen strukturellen und funktionellen Vorbefunde zurückzuführen. Die Verbesserung betrifft auch im Gesamtkollektiv der Defektarthropathien vor allem das Schmerzniveau und weniger das Bewegungsausmaß; bei einer Humeruskopfprothese wird die durchschnittliche Flexion in der Literatur mit 90 Grad angegeben. Nach durchschnittlich 44 Monaten klagten 18 von 66 Patienten (28%) nach Hemiprothese noch über relevante Schmerzen, die funktionelle Untersuchung nach dem Constant Score ergab jedoch eine signi¿kante Verbesserung im Gesamtkollektiv (Oudet et al. 2001). Im Gegensatz dazu betrug 40 Monate postoperativ nach inverser Prothese die durchschnittliche aktive Elevation des Armes 143 Grad (Boileau et al. 2006), die überwiegende Mehrzahl der Patienten dieses Kollektivs gaben keine oder minimale Schmerzen an. Die Tatsache, dass nur wenige Langzeitergebnisse der Endoprothetik nach Defektarthropathie existieren, ist vor allem auf das hohe Alter der an diesem Krankheitsbild operierten Patienten zurückzuführen. In der umfangreichen Studie von Sirveaux et al. (2004) betrug das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Operation 72,8 Jahre (60–86 Jahre). Verläufe mit einem Follow-up von über 5 Jahren publizierten Valenti et al. (2001) für die inverse Prothese. Nach durchschnittlich 7 Jahren waren bei 6 von 39 Patienten revisionspÀichtige Komplikationen eingetreten. Die mittlere Flexion betrug zu diesem Zeitpunkt 140 Grad; die überwiegende Mehrzahl der Patienten war weiterhin schmerzfrei.
Literatur Boileau P, Watkinson D, Hatzidakis A, Hovorka I (2006) Neer Award: the Grammont reverse shoulder prosthesis: results in cuff tear arthritis, fracture sequelae and revision arthroplasty. J Shoulder Elbow Surg 15:527–540 Burkhart SS (1992) Fluoroscopic comparison of kinematic patterns in massive rotator cuff tears. A suspension bridge model. Clin Orthop 284:144–152 Codman EA (1934) The shoulder: rupture of the supraspinatus tendon and other lesions in or about the subacromial bursa. T. Todd (Eigenverlag), Boston, pp 478–480 Franklin J, Barret W, Jackins S, Matsen F (1988) Glenoid loosening in total shoulder arthroplasty: association with rotator cuff de¿ciency. J Arthroplasty 3:39–46
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180
6
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6.5 Proximale Humerusfraktur U. Holz Proximale Humerusfrakturen sind mit ca. 5% aller Frakturen relativ häu¿g (Neer 1970a,b). Diese Frakturen sind besonders Alters- und Osteoporose-assoziiert. Sie sind im Alter die dritthäu¿gste Fraktur (Palvanen et al. 2006). Die nicht dislozierten Frakturen, die ca. 80% aller proximalen Humerusfrakturen ausmachen, werden konservativ frühfunktionell behandelt. Darin besteht wegen der überwiegend guten Ergebnisse Übereinstimmung In der Behandlung dislozierter proximaler Humerusfrakturen werden konservative Therapie (CourtBrown et al. 2002; Wiedemann et al. 2004) und verschiedene operative Methoden nach wie vor diskutiert. Bei der operativen Therapie ¿ndet, wie bei anderen Frakturen, ein Trend zu minimal-invasiven Operationstechniken statt (Resch et al. 1997). Zum neuen Trend zählt auch die winkelstabile Plattenosteosynthese mit angepassten und besser verankernden Implantaten (Plecko u. Kraus 2005). Wegen der Schwierigkeiten sowohl bei der Rekonstruktion als auch der Fixation dislozierter Humeruskopffrakturen hat Neer (1970a,b) bei Impressionsfrakturen mit Gelenkzerstörung und bei Spaltungsfrakturen des Humeruskopfes als „logische“ Primärbehandlung die Endoprothese empfohlen. Eine überlegene Behandlung – konservativ, Osteosynthese, Endoprothese – kann aber nach Bewertung der publizierten Arbeiten nicht herausgestellt werden (Bhandari et al. 2004; Tingart et al. 2001). Es gibt nicht genügend randomisierte Studien, die Fälle sind selektioniert, die Fallzahlen gering, die Klassi¿kationen und Scores sind uneinheitlich und die Nachuntersuchungszeiträume sind oftmals zu kurz. Eine Erkenntnis ist vielen Untersuchungen gemein: Sowohl bei der Osteosynthese als auch bei der Endo-
U. Holz
prothese wird der soliden, möglichst anatomischen Einheilung der Tuberkula eine Schlüsselposition für das funktionelle Ergebnis eingeräumt.
6.5.1 Ätiologie Der Frakturtyp am proximalen Humerus hängt von Schwere und Richtung der einwirkenden Kraft, von der Qualität des Knochens und der Position der Schulter ab. Die Prognose dieser Fraktur wird aber nicht nur von Dislokation und Reposition der Fragmente und der Integrität der Weichteile, sondern auch vom Risiko der avaskulären Nekrose bestimmt (Hertel et al. 2004; Tamai et al. 2002). Wenn das Humeruskopfsegment durch die Verletzung seine Gefäßversorgung vollständig verloren hat, kommt es zur Nekrose, unabhängig vom Behandlungskonzept und der gewählten Operationstechnik. Andererseits kann durch die Operation eine noch intakte Vaskularisation zerstört werden. Hauptversorgungsgefäße für den Humeruskopf sind der anterolateral aufsteigende Ast der Arteria circumÀexa humeri anterior und ihr Endast, die Arteria arcuata (Gerber et al. 1990; Laing 1956). Anastomosen zur Arteria circumÀexa humeri posterior sind wirksam, wenn das Kalottenfragment einen längeren, meist posteromedialen metaphysären Anteil beinhaltet („Collum Segment“, „Calcar Segment“; Hertel et al. 2004). Alle intraartikulären Frakturtypen mit freiem Kopffragment können zur avaskulären Nekrose führen, auch die Zweifragmentfraktur am anatomischen Hals.
6.5.2 Klassifikationen Codman (1934) hat bei den Humeruskopffrakturen die wichtige Beobachtung gemacht, dass die Frakturen hauptsächlich zwischen vier Hauptfragmenten verlaufen: Ɣ Tuberculum majus, Ɣ Tuberculum minus, Ɣ Kalottenfragment, Ɣ Humerusschaftfragment. Die Tuberkula sind segmentartig zwischen Humeruskopf und Schaft eingefügt (Abb. 6.44).
6
Spezielle Indikationen
Die genaue Analyse der Fraktur ist von größerer Bedeutung als die einfache Einordnung in existierende Klassi¿kationen. Es hat sich gezeigt, dass die Beurteilung zwischen einzelnen Untersuchern stärker variiert (Siebenrock u. Gerber 1993). Für die Indikationsstellung sind verlässliche Informationen über die Beschaffenheit und Lokalisation der Fragmente und ihrer Vitalität zu gewinnen. Zum diagnostischen Standard gehören die „wahre a.p.“ und axiale Röntgenaufnahme, eventuell ergänzt durch die Skapula-Y-Aufnahme. Nur technisch gute Bilder erlauben eine sichere Beurteilung. Bei komplexen Frakturen haben die computertomographischen 3D-Rekonstruktionen und die Magnetresonanztomographie die Übersicht und die „inter-observer reliability“ verbessert (Edelson et al. 2004). Basierend auf dem Vier-Fragment-Konzept Codmans hat Neer 1970 eine bis heute weit verbreitete Klassi¿kation für die dislozierten Zwei-, Drei- und Vier-Fragment-Frakturen eingeführt. Als Kriterium der Dislokation gilt die Verschiebung um 1 cm oder die Verkippung um mehr als 45 (Neer 1970a,b, 2002).
Abb. 6.44a–d. Die vier Fragmente der proximalen Humerusfraktur. (a) Tuberculum majus, (b) Tuberculum minus, (c) Kalotte des Humeruskopfes, (d) Humerusschaft
181
Gesondert klassi¿ziert werden die Luxationsfrakturen mit zwei bis vier Fragmenten und ihre Luxationsrichtung nach vorn oder hinten sowie die Impressions- oder Spaltfrakturen der Kalotte („head split“; Abb. 6.45). Müller et al. (1990) haben ihre allgemeine Frakturklassi¿kation ABC auch für die Humeruskopffrakturen angewandt: Ɣ Typ A: extrakapsuläre Zwei-Fragment-Frakturen, Ɣ Typ B: partiell intrakapsuläre Drei-Fragment-Frakturen, Ɣ Typ C: vollständig intrakapsuläre Vier-FragmentFrakturen mit hohem Nekroserisiko. Die Hauptgruppen sind nach der Morphologie der Fragmente jeweils in neun Untergruppen aufgeteilt. Für die Indikationsstellung und prognostische Beurteilung bringt diese Klassi¿kation keinen Vorteil. Beide morphologischen Klassi¿kationen ermöglichen auf der Grundlage guter bildgebender Diagnostik und mitunter ergänzt durch den intraoperativen Befund ein gutes Verständnis der Pathoanatomie. Es werden allerdings nicht alle Frakturmuster berücksichtigt, die auch für die prognostische Beurteilung einer avaskulären Nekrose von Bedeutung sind. Tamai et al. (2002) haben Drei-Fragment-Frakturen beschrieben, bei denen der Humeruskopf keinerlei Gefäßverbindung mehr aufwies. Diese Frakturen sind prognostisch wie intraartikuläre Vier-Fragment-Frakturen zu beurteilen (Abb. 6.46a–c). Die Fragmentposition und die Größe des mit dem Humeruskopf noch verbundenen metaphysären Fragments (Abb. 6.47) haben über die reine Frakturmorphologie hinaus eine Bedeutung für die prognostische Einschätzung der Perfusion des Humeruskopfes bei intrakapsulären Frakturen. Hertel et al. (2004) haben zur Beschreibung und Beurteilung der Humeruskopffraktur einen Fragenkatalog formuliert, der auf dem Vier-Fragment-Konzept Codmans basiert (Tab. 6.6) und eine Klassi¿kation in zwölf Frakturtypen vorgestellt. In ihrer Untersuchung haben sie die Durchblutung der Fragmente intraoperativ durch Bohrungen und LaserdopplerÀowmetrie geprüft. Für die Vaskularität des Humeruskopfes nach intraartikulärer Fraktur sind die wichtigsten prognostisch günstigen Faktoren der möglichst große posteromediale metaphysäre Anteil am Kalottenfragment und eine fehlende oder geringe Verschiebung
182
U. Holz
6
2 Fragmente
3 Fragmente
4 Fragmente
anatomischer Hals
chirurgischer Hals
Tuberculum maius
Tuberculum minus Gelenkoberfläche
Luxationsfrakturen
nach vorne nach hinten
Abb. 6.45. Klassi¿ kation nach Neer
6
Spezielle Indikationen
Abb. 6.46. a Drei-Fragment-Fraktur des Humeruskopfes. Tuberculum majus und minus hängen zusammen. Fissuren am Sulcus intertubercularis. Kalotte ohne jede Gefäßverbindung und nach dorsolateral abgekippt. b Drei-Fragment-Fraktur. Die Kalotte ist ohne jede Gefäßverbindung. Das Tuberculum
183
minus ist mit dem Humerusschaft verbunden beblieben. Der in Valgusfehlstellung impaktierte Kopf verschiebt sich nach lateral. c Vier-Fragment-Fraktur. Die Kalotte ist ohne Gefäßverbindung. (Aus: Tamai et al. 2002)
zwischen Schaft und Kopf bei valgusimpaktierten Frakturen.
6.5.3 Therapie
Abb. 6.47. Drei-Fragment-Fraktur. Die Kalotte ist mit dem Tuberculum minus verbunden und hat damit eine Gefäßverbindung. (Aus: Tamai et al. 2002)
Für die Therapie gilt grundsätzlich, dass Operationen, die den Humeruskopf erhalten, der Vorzug eingeräumt wird. Instabile und dislozierte extraartikuläre Frakturen werden heute zumeist operativ reponiert und stabilisiert. Der Vorteil der Osteosynthese wird in der Chance zur anatomischen Reposition und Stabilität bei frühfunktioneller Behandlung gesehen (Plecko u. Kraus 2005; Stedtfeld et al. 2003; Szyskovicz 2000). Bei Vier-Fragment-Frakturen haben die Studien zwar keine hinreichende Evidenz für ein optimales Verfahren ausgewiesen (Bhandari et al. 2004; Tingart et al. 2001), aber die vergleichenden funktionellen Ergebnisse (Tab. 6.7, Tab. 6.8, 6.9) stellen sich für die Rekonstruktion und Osteosynthese günstiger dar. Die Indikationsstellung bei komplexen Humeruskopffrakturen basiert im Einzelfall weiterhin auf der individuellen Erfahrung und Neigung. Lediglich für Humeruskopffrakturen mit Zertrümmerung der Kalotte und/oder Impression von > 40% der GelenkÀäche wird eine absolute Indika-
184
6
U. Holz
Tabelle 6.6. Fragenkatalog zur Beschreibung der Humeruskopffraktur I Fragen zum Frakturverlauf 1. Fraktur zwischen Tuberculum majus und Humeruskopf?
Ja/nein
2. Fraktur zwischen Tuberculum majus und Schaft?
Ja/nein
3. Fraktur zwischen Tuberculum minus und Humeruskopf?
Ja/nein
4. Fraktur zwischen Tuberculum minus und Schaft?
Ja/nein
5. Fraktur zwischen Tuberculum majus und Tuberculum minus?
Ja/nein
II Zusätzliche Fragen 6. Wie weit reicht das Kalottenfragment in die posteromediale Metaphyse hinein?
Mm
7. Wie groß ist die Dislokation des Schaftes zum Humeruskopf?
Mm
8. Wie groß ist die Dislokation der Tubercula zum Humeruskopf?
Mm
9. Wieviel Grad (Varus/Valgus) beträgt die Kippung der Humeruskopffragmente?
°varus °valgus
10. Liegt eine glenohumerale Luxation nach anterior oder posterior vor?
Ja/nein
11. Liegt eine Humeruskop¿mpression vor, anterior oder posterior?
Ja/nein
12. Liegt eine Spaltung des Humeruskopfes > 20% der Kalotte vor?
Ja/nein
Mit zwei intraartikulären Frakturen?
Ja/nein
Mit einer intraartikulären Fraktur?
Ja/nein
tion zur Endoprothese gesehen (Wiedemann et al. 2004). Argumente, die im Einzelfall bei Drei- und Vier-Fragment-Frakturen für eine Endoprothese sprechen, sind: Osteoporose, kleines, vor allem luxiertes Kalottenfragment, starke Horizontalverschiebung des Schaftes, fehlende Blutung beim Anbohren der Kalotte und die unzureichende Reposition und Fixation nach versuchter Rekonstruktion. Die Endoprothese sollte vorrätig sein, wenn solche Frakturen operiert werden. Zur Rekonstruktion werden zahlreiche Techniken der Osteosynthese vorgeschlagen: Ɣ Verschraubung (Resch et al. 1997), Ɣ Kirschner-Draht-Fixation, Ɣ Plattenosteosynthese (Plecko u. Kraus 2005), Ɣ Zuggurtungsosteosynthese, Ɣ Verriegelungsnagelung (Stedtfeld et al. 2003), Ɣ Spiralnagelung und Ɣ Kombinationen dieser Verfahren. Die Defektauffüllung mit autogenem Knochentransplantat ist gelegentlich indiziert. Zur Verminderung des operativen Weichteilschadens und in der Hoffnung, damit auch die Vaskularität der Fragmente nicht zusätzlich zu gefährden, wurden zuletzt die weniger invasiven perkutanen Techniken
der Verschraubung und Kirschner-Draht-Fixation (Resch et al. 1997) sowie die Verriegelungsnagelung in den Vordergrund gestellt. Entscheidend bei Operationstechniken über kleine Inzisionen ist, wie bei der offenen Reposition, die Vermeidung grober Fragmentmanipulation, Devastierung des Periostes und der Kapsel sowie die Zerreißung noch intakter Gefäßverbindungen. Ungenügende Reposition und Stabilität, besonders beim osteoporotischen Knochen, sind mögliche Schwächen der perkutanen Verfahren, die zu Komplikationen wie sekundäre Dislokation, verzögerte Heilung und Pseudarthrose führen. Mangelnde Stabilität bedingt eine postoperative Ruhigstellung, die eine Funktionseinschränkung der Schulter begünstigt. Die konventionellen L- oder T-förmigen Platten konnten im osteoporotischen Knochen der meist älteren Patienten nicht solide verankert werden. Oft fand die Platte nur Halt durch eine darüber gespannte Zuggurtung, die unter dem Ansatz der Supraspinatussehne ihre proximale Verankerung und in einem Bohrloch oder an einer Schraube am metadiaphysären Übergang ihre distale Verankerung fand. Heute stehen winkelstabile, anatomisch geformte Platten zur Verfügung, die über uni- und multidirektionale Schrauben besser in den Fragmenten des pro-
6
Spezielle Indikationen
185
Tabelle 6.7. Ergebnisse nach Rekonstruktion von Drei- und Vier-Fragment-Frakturen Autor
Publikation
Nach der 4- u. 3-Fragment-Frakturen
Operationsmethode
Funktionelles Ergebnis
Resch
1997, JBJS 79-B
15 × 4 Fragm.
Perkutan, Schraube, Kirschner-Drähte
87 Pkt*
Jakob
1991, JBJS 73-B
19 × 4 Fragm.
Schrauben, Kirschner-Drähte, Zuggurt.
81 Pkt*
Hockings
2003, Injury 34
11 × 4 Fragm.
Zuggurtung Vicryl
82 Pkt*
Darder
1993, J.Orth.Trauma 7
33 × 4 Fragm.
Ki-Draht + Zuggurtung
82 Pkt*
Eigene
2002, DGU
I. 14 × 4 Fragm. II. 11 × 4 Fragm.
Zuggurtung (+ Schraube) Zuggurtung (+ Schraube)
78 Pkt* 74 Pkt*
Speck
1997, Unfallchir 100
18 × 4 Fragm.
Zuggurtung + resorbierbare Kordel
72% gut/sehr gut 28% schlecht**
Hintermann
2000, JBJS 82-B
7 × 4 Fragm, 31 × 3 Fragm.
Klingenplatte
69 Pkt*
Robinson
2003, JBJS 85-A
20 × 4 Fragm, 5 × 3 Fragm
Schrauben und/oder T-Platte, Knochenzement
80 Pkt*
Trupka
1997, Unfallchir 100
32 × 4 Fragm, 35 × 3 Fragm
Cerclage-Zuggurtung, Schrauben, Kirschner-Drähte, Plattenosteosynthese
57 Pkt*
Wanner
2003, J Trauma 54
17 × 4 Fragm, 10 × 2 Fragm, 41 × 3 Fragm.
zweifache orthograde DrittelrohrPlattenosteosynthese
57 Pkt*
Qidwai
2001, J Trauma 50
12 × 4 Fragm, 18 × 2 Fragm, 11 × 3 Fragm.
Intramedulläre retrograde Kirschner-Draht-Osteosyntheses
2 x sehr gut 7 x befriedigend 2 x unbefried.**
Wijgmann
2002, JBJS 84-A
20 × 4 Fragm, 40 × 3 Fragm
Cerclage-Zuggurtung oder T-Platte
17 × gut/sehr gut 3 x schlecht*
Gerber
2004, JBJS 86-B
16 × 4 Fragm, 2 × 2 Fragm, 16 × 3 Fragm.
Pins, Schrauben, Platte 8x (3 geschloss., 31 x offene Reposition)
83 Pkt* 66 Pkt *mit Teil- oder Vollnekrose
Hente
2004, Unfallchir 9
12 × 4 Fragm, 23 × 3 Fragm.
Winkelstabile Platte
70 Pkt * 74 Pkt *
Plecko
2005, OOT 17, 1
19 × 4 Fragm, 9 × 3 Fragm
Winkelstabile Platte
53–77 Pkt * 61–75 Pkt *
*Bewertung nach Constant, **Kriterien nach Neer
ximalen Humerus verankert werden können. Systeme mit multidirektionaler Schraubenausrichtung haben den Vorteil, dass die Schrauben in den dorsomedialen Teil des Humeruskopfes gerichtet werden können. In diesem Bereich ist die Trabekelstruktur besonders dicht und damit die Knochenqualität besser (Hepp et al. 2003). Außerdem können solche Implantate etwas unterhalb des Tuberculum majus liegen. Damit wird einem Impingement vorgebeugt (Abb. 6.48).
6.5.4 Operationstechniken 6.5.4.1 Offene Reposition und Plattenosteosynthese Beach-chair-Lagerung und Intubationsnarkose. Deltopektoraler Zugang. Die Deltavene wird lateral vom Sulkus zwischen den beiden Muskeln belassen. Ab-
186
6
U. Holz
Tabelle 6.8. Europäische Studien zur Hemiarthroplastik nach Drei- und Vier-Fragment-Frakturen Autor
Publikation
n
Mittlere aktive Elevation nach vorn in Grad (Constant-Score)
Anhaltend schmerzhafte Schulter [%]
Huten
1986, Rev Chir Orthop Repar Appar Mot 72
34
90
9 (26)
Pidhorz
1988, Ann Orthop Quest 20
10
80
5 (50)
Frich
1988, Arch Orthop Traum Surg 107
15
77
–
Pietu
1992, Acta Orthop Belg 58
21
109
14 (66)
Huten
1996, Conf d’Enseignement de la SOFCOT
188
90
56 (30)
Boileau
1999, Rev Chir Orthop Repar Appar Mot 85
43
96
16 (37)
Boss
1997, Unfallchirurg 100
15
25–76
–
Bosch
1998, J Shoulder Elbow Surg 7
39
65
–
Zyto
1998, J Shoulder Elbow Surg 7
10
46
–
Wiedemann
2004, Operat Orthop Traumatol 1
13
45
–
duktion des Oberarms zur Entspannung des Deltamuskels. Orientierung entlang der Bizepssehne nach proximal bis zur Fraktur des Tuberculum majus. Zur Verbesserung der Übersicht kann mitunter die temporäre Abtrennung der Spitze des Processus coracoideus mit dem ansetzenden M. coracobrachialis notwendig werden. Über kräftige Haltefäden am Ansatz der Supraspinatussehne wird das Tuberculum majus nach vorn und unten gezogen. Ein weiterer Haltefaden fasst den Ansatz der Infraspinatussehne. Ist das Tuberculum minus mit dem Ansatz der Subskapularissehne ebenfalls frakturiert, wird auch dort ein Ankerfaden gelegt. Unter Zug an den Ankern der Tuberkula und Zug am Arm gewinnt man einen Einblick auf das Kalottenfragment, das nun schonend in seine korrekte Position manipuliert werden kann (Abb. 6.49). Bei dieser Fragmentmanipulation darf keinesfalls der etwa vorhandene, kapselverbundene metaphysäre Anteil
des Kalottenfragmentes durch Hakeneinsatz zerstört werden, denn aus diesem Teil des Fragments ist noch eine restliche Blutversorgung des Kopfes möglich. Durch Anbohrung der Kalotte kann die Durchblutung überprüft werden. Das Kalottenfragment und die Tuberkula werden mit Kirschner-Drähten temporär ¿xiert. Nach richtiger Rotationseinstellung des Armes stabilisieren weitere Kirschner-Drähte den Schaft am proximalen Fragment. Manchmal, bei größerem dorsomedialen Kalottenfragment, ¿xieren zuerst Kirschner-Drähte den Schaft und die Kalotte, um danach die Tuberkula in die verbleibende Lücke einzupassen. Schließlich wird bei innenrotiertem Arm die winkelstabile Platte lateral unterhalb des Tuberculum majus angelegt. Durch konventionelle Schraubenverankerungen können leichte Schaftverschiebungen beim Anziehen der Schrauben korrigiert werden
Tabelle 6.9. Amerikanische Studien zur Hemiarthroplastik nach Drei- und Vier-Fragment-Frakturen Autor
Publikation
n
Mittlere aktive Elevation nach vorn in Grad
Anhaltend schmerzhafte Schulter [%]
Tanner
1983, Clin Orthop 179
16
101
12 (75)
Moeckel
1992, JBJS Am 74-A
22
119
5 (23)
Green
1993, J Shoulder Elbow Surg 2
20
110
7 (35)
Hawkins
1993, Clin Orthop 289
19
72
11 (58)
Compito
1994, Clin Orthop 307
64
127
17 (26)
Goldman
1995, J Shoulder Elbow Surg 4
26
107
7 (27)
6
Spezielle Indikationen
187
Abb. 6.48. Polyaxiale Schraube bei winkelstabiler Platte. Dadurch kann die Platte tiefer am Tuberculum majus platziert werden. Ein Impingement wird vermieden
(Abb. 6.50). Erst nach de¿nitivem Sitz der Platte werden die winkelstabilen Schrauben, zumeist über Zielbüchsen, verankert. Da es sich häu¿g um osteoporotische Knochen handelt, sollen längere Platten zur Anwendung kommen, um einem Ausreißen auch der winkelstabilen Implantate vorzubeugen. Große Sorgfalt ist geboten. Ist die metaphysäre Übergangszone zwischen den Tuberkula und der Humerusdiaphyse zertrümmert, so emp¿ehlt sich eine primäre autogene Knochentransplantation, am besten aus dem Beckenkamm. In Ausnahmefällen wird die Plattenosteosynthese am proximalen Humerus mit zwei kleinen Platten ausgeführt. Abschließend hat sich eine solide Verankerung der Tuberkula mit Zuggurtungsnähten aus spätresorbierbaren Fäden oder, zur besseren Beobachtung im Heilverlauf, durch Drähte bewährt (Abb. 6.51a, b) Diese Art der Osteosynthese stabilisiert auch den osteoporotischen Humerus so, dass eine frühfunktionelle Behandlung möglich ist. Bei guter Rekonstruktion ist auch beim Eintreten einer partiellen oder totalen Humeruskopfnekrose mit befriedigender Funktion und allenfalls geringen Beschwerden zu rechnen (s. Tab. 6.7) Anstatt durch den deltopektoralen Zugang können proximale Humerusfrakturen auch durch Längsspal-
Abb. 6.49. Repositionstechnik der proximalen Humerusfraktur
188
6
U. Holz
Abb. 6.50. Reposition der Fraktur mit Hilfe der Schraube, die anschließend verblockt wird zum winkelstabilen Implantat
tung des Deltamuskels reponiert und ¿xiert werden. Der Hautschnitt verläuft entweder säbelhiebartig über die Mitte des Akromions oder längs über der Mitte des Deltamuskels. Die Exposition der Tuberkula und der Kalotte gelingen sehr gut, aber bei der Manipulation durch diesen Zugang, insbesondere beim Montieren der Plattenosteosynthese, ist der Nervus axillaris gefährdet (Abb. 6.52).
Abb. 6.51a, b. Vier-Fragment-Fraktur (a), Rekonstruktion und Stabilisierung mit winkelstabiler Platte und Zuggurtung am Tuberculum majus (b). plattenosteosynthese
Auch eine „Two-incision“-Technik für die winkelstabile Plattenosteosynthese der Humeruskopffrakturen wurde beschrieben. Ein Zugang entspricht dem deltopektoralen, der andere ist kürzer und verläuft von der hintern äußeren Begrenzung des Akromions 4–5 cm nach lateral. Durch Spaltung des Deltamuskels kann von diesem Zugang das Tuberculum majus leichter gefasst und reponiert werden.
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Spezielle Indikationen
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M. supraspinatus Acromion Caput humeri M. deltoideus M. subscapularis M. infraspinatus Tuberculum minus
M. teres minor Tuberculum maius
Hautlappen
a
Abb. 6.53. Ausrichtung der Zuggurtung am Tuberculum majus und minus
b Abb. 6.52. (a) Exposition der Tuberkula und der Kalotte vom „Delta-split“-Zugang. (b) plattenosteosynthese Der N. axillaris ist gefährdet
6.5.4.2 Zuggurtungsosteosynthese Diese Methode eignet sich als alleinige Stabilisierung, besonders bei valgusimpaktierten Frakturen älterer Patienten, bei denen die Knochenqualität keine si-
chere perkutane Verschraubung und/oder KirschnerDraht-Fixation zulässt. Die Zuggurtungsnähte oder -drähte ¿nden stets eine verlässliche Verankerung am Ansatz des Musculus supraspinatus zur Reposition und Fixation des Tuberculum majus und am Musculus subscapularis zur Fixation des Tuberculum minus. Die Reposition gelingt gut vom deltopektoralen Zugang her. Selten ist eine Hilfsinzision kraniolateral und eine Spaltung des Deltamuskels zum Auf¿nden und Reponieren des Tuberculum majus notwendig. Nach Positionierung der Kalotte werden die Tuberkula über ihre Ankerfäden oder -drähte in den Defekt zwischen Kalotte und Humerusmetaphyse eingepasst. Die Zuggurtungen werden über ein Bohrloch oder eine Schraube an der Diaphyse verankert (Abb. 6.53–6.55). Die Osteosynthese ist funktionsstabil. Nicht geeignet ist diese Technik bei metaphysärer Trümmerzone.
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U. Holz
Abb. 6.54. Valgisch impaktierte Fraktur. Zuggurtung. Radiologisches Ergebnis nach 18 Monaten
6.5.4.3 Anterograde Marknagelung Analog zur extramedullären Stabilisierung mit winkelstabilen Platten soll der Marknagel als intramedullärer Kraftträger zusammen mit Verriegelungsschrauben ein „Stellgerüst“ (Stedtfeld et al. 2003) besonders für die osteoporotische Fraktur des proximalen Humerus garantieren, das eine funktionelle Behandlung erlaubt. Die Vorteile dieses intramedullären Kraftträgers sind die kürzeren Hebelarme und die Möglichkeit, über radiär angeordnete Verriegelungsschrauben die
Tuberkula aus verschiedenen Richtungen zu ¿xieren (Abb. 6.56 und Abb. 6.57). Die kritische Region des N. axillaris bleibt außerhalb der Stellschrauben. Der Nagel wird über einen kraniolateralen Zugang durch Spaltung des Deltamuskels und der Supraspinatussehne in den Apex der im Glenoid richtig eingestellten Kalotte eingebracht. Die Tuberkula werden reponiert und mit wenigstens drei sternförmig angeordneten gleit- und winkelstabilen Verriegelungsschrauben über ein Zielgerät ¿xiert. Zusätzliche Zuggurtungsnähte sind öfters erforderlich, weil die Tuberkula bei Drei-
Abb. 6.55. Vier-Fragment-Fraktur mit vorderer Luxation des Humeruskopfes und ventrokaudaler Fraktur des Glenoids. Zuggurtung am Humerus und Verschraubung der Glenoidfraktur. Radiologisches Ergebnis nach 2 Jahren. Elevation nach vorn 150°
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.57. Drei-Fragment-Fraktur, stabilisiert mit Verriegelungsnagel
Abb. 6.56. Verriegelungsnagel für den proximalen Humerus. Die Tuberkula können mit Zuggurtungsnähten gesichert werden
und Vier-Fragment-Frakturen oft zertrümmert sind. Ein eingerissenes Rotatorenintervall wird genäht. Spezi¿sche Gefahren dieser Methode sind Sprengung der Kalotte, überstehender oder zu weit versenkter Marknagel mit Verlust der Stabilität und sekundäre Dislokation der Tuberkula. 6.5.4.4 Hemiarthroplastik bei proximaler Humerusfraktur Die weniger befriedigenden Langzeitergebnisse der primären Endoprothese hängen überwiegend mit der mangelnden Heilung der Tuberkula am anatomischen Ort zusammen. Die schalenförmigen Fragmente des osteoporotischen Knochens können mit speziellen Nahttechniken zwar initial gut am Prothesenkragen
direkt unter der Metallkalotte adaptiert werden, sie heilen aber auf den MetalloberÀächen eines massiven Implantates nicht ein und ¿nden auch keine sichere Einheilung an der dünnen Wand der Schaftkortikalis. Sekundäre Dislokationen und Resorptionen der Tuberkula aufgrund von Instabilität sind nicht selten.
6.5.5 Implantate Die ursprünglich von Neer für die Humeruskopffraktur entwickelte Prothese war ein Monoblock-Implantat aus Vitallium zur zementfreien Implantation mit einer Finne im metaphysären Bereich, die die Rotation sichern sollte und Löcher zur Befestigung der Tuberkula aufwies. Bereits in seinen frühen Arbeiten berichtete Neer (Loew et al. 2006; Neer 1970) über eine hohe Resorptionsrate der re¿xierten Knochenansätze. Moderne Prothesendesigns mit großer Fensterung des metaphysären Prothesenabschnittes – analog der Moore-Prothese am proximalen Femur – haben
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die Verankerungsmodalitäten der Tuberkula verbessert (Boileau et al. 2006; Wiedemann et al. 2004). In das Fenster wird ein solider Knochenblock, gewonnen aus der restlichen Kalotte, eingefügt. An diesem Knochenblock und an der Schaftkortikalis werden die Tuberkula verankert (Abb. 6.58 und 6.59). Andere neue Implantatdesigns verfügen über Schraubenlöcher in der Metaphyse und eine OberÀächenstrukturierung, die die Re¿xation und Integration der Tuberkula ebenfalls verbessern sollen. Bei anderen Traumamodellen sind die Schäfte höhenverstellbar und können nach Einbringung in den Humerus entsprechend der anatomisch erforderlichen Position eingestellt werden. Gelingt keine solide Rekonstruktion und verankerung der Tubercula so kommt als Alternative die Implantation einer Inversen Schulterprothese in Betracht (vgl 3.4).
6.5.6 Spezielle Operationstechnik Die Operation geschieht in halbsitzender Lagerung (Beach-chair-Position). Durch einen deltopektoralen Zugang wird die Fraktur entlang der Bizepssehne kranial freigelegt. Der Sulcus bicipitalis hängt oft am Tuberculum minus. Tenotomie der Bizepssehne. Die Tuberkula werden wie bei der Frakturrekonstruktion mit Haltefäden angeschlungen. Die nicht mehr durchblutete Kalotte wird mit einer Fasszange aus dem Gelenk oder aus der Luxationshöhle geborgen (Abb. 6.60). Der Durchmesser der Kalotte wird gemessen, um die Prothesengröße auszuwählen. Eine gleiche Größe oder eine Nummer kleiner sind passend. In starker Adduktion und Retroversion sowie einer Außenrotation von circa 20 wird der Eingang in die Markhöhle des proximalen Humerus aufgesucht. Weichteilhaken schützen die Muskulatur. Ausarbeitung des Prothesenlagers mit den Raspeln (Abb. 6.61) und Einsetzen der Probeprothese (Schaftdurchmesser zwischen 6,5 und 12 mm), die mit der ausgewählten, leicht exzentrisch sitzenden Kalotte, jeweils für rechts und links, versehen ist. Kritisch ist die richtige Retrotorsion und Höhe des Prothesensitzes. Nicht das routinierte Augenmaß, sondern eine instrumentelle Hilfe sichert den korrekten Sitz. Mit einem Bügel, der an der Prothese und am Humerus befestigt wird, lässt sich eine Retrotorsion von 20–30° zur Epikondylenachse und die Höhe der Prothese (Einsinktiefe in die Markhöhle) bestimmen.
Abb. 6.58. Offener Metallrahmen im oberen Abschnitt der Humerusprothese. In diesen Rahmen wird ein großer spongiöser Knochenblock aus dem restlichen Humeruskopf eingefügt. Später werden dort die Tuberkula verankert. (Aus: OOT)
Abb. 6.59. Vier-Fragment-Luxationsfraktur mit primärer Schulterprothese, die eine gute Verankerung der Tuberkula ermöglicht. Patient 70 Jahre, Osteoporose
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Spezielle Indikationen
Abb. 6.60. Extraktion des Humeruskopffragmentes zwischen Tuberculum majus und minus. Die Tuberkula sind angeschlungen. (Aus: OOT)
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Die Tuberkula werden probatorisch adaptiert. Der obere Rand des Tuberculum majus soll ca. 5 mm tiefer als der Zenit des Prothesenkopfes stehen und der untere Rand des Prothesenkopfes soll die Schaftkortikalis um 1–2 mm überragen. Überprüfung der Funktion, besonders der Stabilität gegen eine Luxation. Der Sitz des Prothesenstiels und die Prothesenkopfgröße werden im Bildwandler kontrolliert! Entfernung der Probeprothese und Montage der zu implantierenden nach dem Modell des Probeimplantates. In den metaphysären Prothesenanteil wird der Spongiosablock eingefügt. Der Ansatz der Rotatorenmanschette am Tuberculum majus wird mit vier nicht resorbierbaren starken Fäden armiert. Zwei Fäden gleicher Stärke werden durch kleine Bohrlöcher am Rand der Diaphyse lateral vom Sulcus bicipitalis verankert (Abb. 6.62). Nach Einbringen eines Zementstoppers wird die Prothese am besten wieder mit Hilfe des Distanz- und Rotationsbügels einzementiert. Erst nach vollständiger Aushärtung des Zementes und Entfernung des Bügels dürfen Prothese und Tuberkula reponiert werden. Die Verankerungsfäden werden hinter dem Prothesenhals zum Tuberculum minus geführt und dort am Ansatz des M. subscapularis nach ventral durchgestochen. Vor dem Knüpfen der Fäden sind die Tuberkula mit verbleibender Spongiosa aus dem Humeruskopf zu unterfüttern, damit sie ein möglichst anatomisches Pro¿l mit funktionell günstigen Kraftarmen für die Rotatorenmanschette erhalten (Abb. 6.63a). Die Fäden am Rand der Diaphyse sichern als Zuggurtung die Verbindung zwischen den Rotatoren und dem Humerus (Abb. 6.63b) und ¿xieren die initial abgetrennte Bizepssehne. In seltenen Fällen liegt eine begleitende Glenoidfraktur vor. Das Glenoid muss dann vorgängig rekonstruiert werden durch Schraubenosteosynthesen bei solidem Randfragment oder durch ein Knochentransplantat. 6.5.6.1 Postoperative Therapie
Abb. 6.61. Eröffnung der Markhöhle des Humerus mit Raspeln. (Aus: OOT)
Zur Einheilung der Tuberkula ist eine Ruhigstellung im Gilchrist-Verband für vier Wochen ratsam. In den ersten postoperativen Tagen haben sich Skalenusblockaden zur Schmerzlinderung bewährt. Röntgenkontrollen ¿nden postoperativ und nach 2, 6 und 12 Wochen statt. Ab der 5. Woche assistierte aktive Bewegung der Schulter nach vorn und zur Seite.
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Abb. 6.62. Solide Verankerung des Tuberculum majus am Knochenblock unterhalb des Prothesenkopfes und an der Diaphyse
Rotationsübungen ab der 7. Woche. Stationäre Rehabilitationsmaßnahmen sind erst in dieser Phase sinnvoll, in der auch ein Kraftaufbau möglich ist.
6.5.7 Tipps und Tricks
oder von innen an der proximalen Diaphyse befestigt werden können. Auch zur Einstellung der Retrotorsion gibt es in den verschiedenen Instrumentarien unterschiedlich praktikable Hilfsmittel. Eine relative einfache Orientierung an der individuellen Anatomie erlaubt die Ausrichtung der GelenkÀäche an dem im
Eine Schwierigkeit der Frakturprothetik besteht in der Implantation der Prothese in der korrekten Höhe und in der Ausrichtung des Humeruskopfes in anatomischer Retrotorsion. Um die erforderliche Höhe zu bestimmen, ist eine Planungsskizze unter Verwendung einer maßstabgleichen Röntgenaufnahme des gegenseitigen Humerus hilfreich. Einige Implantathersteller bieten Ausrichtungshilfen für die Längenorientierung an, die von außen an den Epikondylen (Abb. 6.64)
Abb. 6.63a, b. Abschließend wird das Tuberculum minus samt M. subscapularis mit zirkulären Nähten fest adaptiert (b). (Aus: OOT)
Abb. 6.64. Externe Ausrichtungshilfe („fracture jig“) zur Einstellung der Prothesenhöhe und der Retroversion
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Spezielle Indikationen
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Ellenbogengelenk rechtwinklig gebeugten und supinierten Unterarm (Abb. 6.65). Zur Befestigung der Tuberkula sind kräftige, nicht resorbierbare Fäden oder Àexible Drahtcerclagen zu verwenden.
6.5.8 Spezielle Komplikationen
Abb. 6.65. Der um 20 Grad nach außen rotierte, im Ellenbogengelenk rechtwinklig gebeugte und supinierte Unterarm dient als „Zeiger“ für die Implantation der Prothese. (aus Habermeyer P, Engel G (2002))
Abb. 6.66. Bei zu starker Retroversion kommt es bei der Außenrotation zu einer Abscherung des Tuberkulum majus. (aus Habermeyer P, Engel G (2002))
Die häu¿gsten spezi¿schen Früh- und Spätkomplikationen ergeben sich aus einer anatomisch nicht korrekten Implantation. Bei zu tiefer Implantation des Humeruskopfes kommt es zu einer Dezentrierung des Gelenkes nach kaudal. Wird die Prothese zu hoch implantiert, kommt es zu einem „overstuf¿ng“ mit Kranialisation des Kopfes und Schädigung der oberen Anteile der Rotatorenmanschette. Einer der häu¿gsten Fehler ist die Ausrichtung der humeralen GelenkÀäche in Neutralstellung oder in Anteversion. Bei ausbleibender Einheilung des Tuberculum minus und daraus folgender Desinsertion der Subskapularissehne führt eine anteriore oder anterosuperiore Instabilität der Prothese zu rezidivierenden Luxationen im Bewegungsablauf. Umgekehrt führt eine zu starke Retrotorsion zu einer Abscherung des Tuberculum majus (Abb. 6.66) und damit zu einer Insuf¿zienz der Außenrotation. Es wird daher
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empfohlen, die Retrotorsion zwischen 20 und 30 Grad einzustellen. Bei insuf¿zienter Fixation der Tuberkula oder bei zu forcierter Rehabilitation kann es im frühzeitigen Verlauf zu einer Dislokation der Tuberkula kommen (Abb. 6.67). Das größte, bisher nicht zufrieden stellend gelöste Problem der Traumaprothetik besteht in der Resorption der Tuberkula (Abb. 6.68a, b) mit resultierender Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette und Bewegungsverlust.
6.5.9 Ergebnisse In seinen frühen klinischen Serien berichtete Neer (1970a,b) über eine Schmerzfreiheit in 90% der Fällen nach einer Traumaprothese und bei zwei Dritteln über eine „virtually free range of motion“. Spätere Studien beobachteten allerdings deutlich schlechtere funktionelle und subjektive Resultate der Hemiendoprothetik nach Drei- und Vier-Fragment-Frakturen (s. Tab. 6.8 und 6.9). Kralinger et al. (2004) verglichen die Resultate verschiedener Prothesen in der Literatur miteinander und stellte fest, dass die Integration der Tuberkula von der Prothesenbauart abhängig ist und die Zahl der jährlich implantierten Traumaprothesen offensichtlich einen EinÀuss auf die Resultate hat. Die Prothesen mit offener Metaphyse führten in einer vergleichenden Studie von Loew et al. (2006) zu einem besseren Einwachsen der Tuberkula und zu einem größeren Bewegungsausmaß gegen-
Abb. 6.67. Sekundäre Dislokation des Tuberculum majus 5 Wochen nach Traumaprothese bei Vier-Fragment-Fraktur
Abb. 6.68a, b. Re¿xation des Tuberkulum majus (a). Vollständige Resorption 1 Jahr postoperativ
über den konventionellen Standardprothesen (Boileau et al. 2006). Dennoch sind die Resultate hinsichtlich Funktion und Schmerzfreiheit denen bei den elektiven Indikationen zur Schulterendoprothetik deutlich unterlegen.
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Spezielle Indikationen
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6.6 Posttraumatische Deformitäten E. Wiedemann
6.6.1 Ätiologie Unter einer posttraumatischen Deformität versteht man die erheblichen Veränderungen von Form und Bin-
197
nenstruktur des Knochens, die an Humeruskopf und Schulterpfanne nach einem unfallbedingten Schaden eintreten können. Sie sind typischerweise schmerzhaft und beeinträchtigen die Beweglichkeit und Kraft der Schulter. Meistens handelt es sich um die Folgen einer dislozierten Mehrfragment- oder Luxationsfraktur von Humeruskopf oder Pfanne mit unterschiedlichen Kombinationen aus Defekten der GelenkÀäche, einer Fehlstellung der Tuberkula, eines Defekts der Rotatorenmanschette und eines Pfannendefekts. Über diese knöchernen Verletzungen hinaus können die umgebende Schultermuskulatur, die Weichteile, die Nerven und sogar die Gefäße betroffen sein. Aus posttraumatischen Deformitäten können sich im Verlauf typische arthrotische Sekundärveränderungen des Schultergelenkes, d. h. eine sekundäre Omarthrose, entwickeln. Die Inzidenz posttraumatischer Deformitäten steigt an, weil auch die Häu¿gkeit von Humeruskopffrakturen zunimmt und sich beispielsweise in Finnland in den letzten 30 Jahren verfünffacht hat (Palvanen et al. 2006). Trotz der zunehmenden Erfahrung mit den osteoporotischen Frakturen älterer Patienten, die nicht immer operiert werden müssen, und der Verbesserung der Osteosynthesetechnik seit der Einführung winkelstabiler Implantate bleiben die Behandlungsergebnisse dieser Verletzungen manchmal enttäuschend. Bei der konservativen Behandlung muss häu¿g eine gewisse Fehlstellung von vornherein in Kauf genommen werden. Bei der operativen Behandlung stört vor allem die hohe Komplikations- und Revisionsrate, die sowohl bei winkelstabilen Nägeln als auch bei winkelstabilen Platten im Durchschnitt bei 30% liegt. Besonders gefürchtet sind dabei die sekundären Schäden an der Schulterpfanne, sobald die winkelstabilen Schrauben einen zunehmend nekrotischen Humeruskopf in den Gelenkspalt überragen. Bei Osteosynthesen mit konventionellen Platten bzw. Kirschner-Drähten kommt es wegen deren geringerem Halt eher zur Fehlstellung oder zur Pseudarthrose des proximalen Humerus (Brunner u. Köhler 2007). Knochenverluste und Fehlstellungen führen zur Verkürzung der Metaphyse und damit auch zur Insuf¿zienz des M. deltoideus. Hinzu kommen Axillaris- und Plexusschäden und die Folgen von Infektionen. Jede posttraumatische Fehlstellung kann prinzipiell auch mit einer sekundären Rekonstruktion, einem knöchernen Aufbau, einer arthroskopischen oder offenen Arthrolyse oder mit einer Korrekturosteotomie behandelt werden, solange die GelenkÀächen intakt
198
6
E. Wiedemann
sind. Kommt aber zur Fehlstellung ein bedeutsamer Knorpelschaden bzw. eine Inkongruenz der GelenkÀächen hinzu, muss genau überlegt werden, ob nicht besser eine Hemi- oder Totalprothese implantiert werden sollte.
6.6.2 Klassifikation Posttraumatische Deformitäten kommen, je nach Ursache der Fehlheilung, in sehr unterschiedlichen Formen vor, die sich bezüglich ihrer klinischen Relevanz sowie der Behandlungsoptionen und -ergebnisse erheblich unterscheiden. Vor einer Operationsempfehlung und Planung müssen daher ihre Charakteristika de¿niert und erkannt werden. Die derzeit gängigste Klassi¿kation geht auf Boileau et al. (2006) zurück, die die posttraumatischen Fehlstellungen aufgrund ihrer Ätiologie und Morphologie in vier Typen einteilten (Abb. 6.69) und daraus Behandlungsempfehlungen ableitete (Boileau et al. 2001):
intrakapsuläre impaktierte Frakturfolgen
Ɣ Typ 1: Intrakapsulärer GelenkÀächenkollaps oder Nekrose der Kopfkalotte Ɣ Typ 2: Intrakapsulär verhakte Luxation oder Luxationsfraktur Ɣ Typ 3: Extrakapsuläre Pseudarthrose im chirurgischen Hals Ɣ Typ 4: Extrakapsuläre schwere Fehlstellung der Tuberkula Bei den ersten beiden Typen ist das Tuberculum majus mit dem Schaft fest verbunden und steht in anatomisch korrekter Position oder lediglich in mäßiger Fehlstellung. Deshalb kann in diesen Fällen meistens eine Prothese implantiert werden, ohne dass das Tuberculum majus osteotomiert und versetzt werden muss. Ein möglicher Grund für eine Osteotomie der Tuberkula kann sein, dass eine Schaftprothese technisch anders nicht implantiert werden kann, weil der Eingang in den Markraum des Humerus deformiert ist (Abb. 6.70a, b). In anderen Fällen soll der Humeruskopf durch die Osteotomie wieder seine anatomische
Typ 1:
Typ 2:
Kollaps oder Nekrose der Kopfkalotte
verhakte Luxation oder Luxationsfraktur
keine Osteotomie des Tuberkulum majus
gute und vorhersehbare Ergebnisse
extrakapsuläre nicht impaktierte Frakturfolgen
Osteotomie des Tuberkulum majus
Abb. 6.69. Klassi¿ kation der posttraumatischen Deformitäten nach Boileau (1999). (Aus: Wiedemann 2006)
schlechte und nicht vorhersehbare Ergebnisse
Typ 3:
Typ 4:
Pseudarthrose im chirurgischen Hals
schwere Fehlstellung der Tuberkula
6
Spezielle Indikationen
Abb. 6.70a, b. Posttraumatische Deformität vom Typ 1 mit Teilnekrose der GelenkÀäche und Verlagerung der Tuberkula. Ein orthogrades Einbringen des Prothesenschaftes in den Markraum ist erschwert (a). Versorgung durch eine Schaftprothese mit überdimensionierter Kalotte, um die deformierte GelenkÀäche vollständig zu rekonstruieren (b)
Form erhalten, um den Drehpunkt zu normalisieren und die Funktion zu verbessern. Die bisherigen Ergebnisse nach der Implantation einer Prothese bei posttraumatischen Deformitäten haben allerdings gezeigt, dass eine Osteotomie zur Stellungskorrektur des Tuberculum majus einen sehr
Abb. 6.71a, b. Bevorzugte Prothesenposition bei einer posttraumatischen Deformität nach a valgisch impaktierter Humeruskopf-4-Fragment-Fraktur und b chronisch verhakter Luxationsfraktur. A: Keine Osteotomie des Tuberculum majus, sondern B: Implantation einer etwas größeren Prothesenkalotte. (Aus: Boileau et al. 2001)
199
ungünstigen EinÀuss auf das Operationsergebnis hat (Boileau et al. 2001). Unabhängig davon, welcher dieser Gründe vorlag, traten nach 13 von 22 Korrekturosteotomien des Tuberculum majus Komplikationen auf und die funktionellen Ergebnisse waren überwiegend schlecht. Bei einer Fehlstellung des Tuberculum majus wird daher dessen Position besser belassen und als Kompromiss ein etwas größerer Prothesenkopf eingesetzt, der die Resektion so gut als möglich abdeckt (Abb. 6.71a, b). Verhindert die Fehlstellung des Tuberculum majus, dass eine Schaftprothese implantiert werden kann, ist es besser, einen OberÀächenersatz vorzunehmen als das Tuberculum majus zu osteotomieren. Wie bei der primären Omarthrose so ist bei der posttraumatischen Arthrose bevorzugt eine Totalendoprothese zu implantieren, sofern die Schulterpfanne vor der Verformung primär oder sekundär mitbetroffen und der Glenoidersatz technisch machbar und bei ausreichender Funktion der Rotatorenmanschette sinnvoll ist. Bei extrakapsulären Pseudarthrosen, meistens in Höhe des Collum chirurgicum (Typ 3) wird empfohlen, keine Prothese zu implantieren, sondern die Pseudarthrose auszuräumen, zu dekortizieren und eine Osteosynthese mit einer Auffüllung des Knochendefekts vom Beckenkamm vorzunehmen (Walch et al. 2001). In dieser Situation eignen sich zur stabilen Fixation besonders gut speziell geformte winkelstabile Implantate, insbesondere Platten. Eine Frakturprothese kommt in diesen Fällen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn trotz winkelstabiler Implantate mit den Schrauben wegen der Osteoporose oder der Dünne der subchondralen Knochenschicht kein Halt im Humeruskopf zu ¿nden ist. Die Endoprothetik
200
6
führt bei diesen Voraussetzungen im Durchschnitt im Vergleich aller vier Typen zu den schlechtesten funktionellen Ergebnissen. Bei posttraumatischen Deformitäten von Typ 4 ist es technisch unmöglich, eine anatomische Prothese zu implantieren, ohne das Tuberculum majus zu osteotomieren, weil es durch seine Dislokation nach dorsal oder kaudal nach prothetischer Rekonstruktion der GelenkÀäche die Rotation oder Abduktion blockieren würde. In diesen Fällen ist der Implantation einer inversen Prothese der Vorzug zu geben, sofern die sonstigen Voraussetzungen für dieses Implantat erfüllt sind, also vor allem die Innervation und Funktion des M. deltoideus erhalten ist. Die Tuberkula werden dann, soweit sie mechanisch stören, reseziert und die Subskapularissehne, wenn möglich, an der Metaphyse re¿xiert.
6.6.3 Indikationen Die Indikation zum endoprothetischen Gelenkersatz ergibt sich durch die pathomorphologischen Voraussetzungen des Schultergelenkes in Abhängigkeit von den Beschwerden des Patienten. Bei den Typen 1, 2 und 4 nach Boileau lassen sich der Knorpelverlust und die Inkongruenz der GelenkÀächen nur im Ausnahmefall ohne Gelenkersatz behandeln (Abb. 6.72). Eine relativ häu¿ge Indikation zur Endopro-
Abb. 6.72a, b. Chronische vordere Luxation bei einer 54-jährigen Patientin (Typ 2). Nach mehr als 5 Jahren Knorpelverlust am Humeruskopf und Glenoiddefekt (a). Der Knochendefekt wurde mit dem resezierten Anteil des Humeruskopfes
E. Wiedemann
these stellt die übersehene und verhakte hintere Luxation der Schulter dar, bei der es zu einer Knorpelschädigung des Humeruskopfes im Sinne einer umgekehrten Hill-Sachs-Delle kommt, die bereits nach wenigen Wochen zu einem massiven knöchernen Defekt mit sekundärer Panarthrose führen kann (Abb. 6.73). Grundsätzlich ist jedoch in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Gelenkersatz zwingend erforderlich ist oder ob gelenkerhaltende Alternativen bestehen. Bei subkapitalen Pseudarthrosen (Typ 3) ist eine Osteosynthese mit oder ohne Spongiosaplastik nach Möglichkeit zu bevorzugen, nicht zuletzt, weil in diesen Situationen die Endoprothetik ein komplikationsträchtiges und prognostisch unsicheres Verfahren darstellt (Abb. 6.74). Allerdings ist auch bei posttraumatischen Deformitäten der Typen 1 und 2 und manchmal sogar bei Typ 4 abzuwägen, ob der Humeruskopf nicht gelenkerhaltend rekonstruiert werden kann. Diese Entscheidung ist schwierig und hängt sehr von der persönlichen Erfahrung des Operateurs ab. Für die Rekonstruktion sprechen ein Alter des Patienten unterhalb des 50. Lebensjahres und intakte GelenkÀächen. Bei Inklinations- oder Rotationsfehlern der GelenkÀäche können Korrekturosteotomien der Tuberkula oder auf Höhe des chirurgischen Halses der prothetischen Versorgung überlegen sein (Habermeyer u. Schweiberer 1992). Dabei muss die Varusoder Valgusdeformität und die Torsionsfehlstellung
aufgebaut und eine zementfreie Prothese implantiert (b). Nach zwei Jahren stabiler Prothesensitz und sehr gute Funktion (Constant-Score 79 Punkte)
6
Spezielle Indikationen
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Abb. 6.73a, b. Veraltete dorsale Schulterluxation mit großer osteochondraler Läsion des Humeruskopfes (umgekehrte Hill-SachsDelle) und konsekutiver Omarthrose (a). Implantation einer zementfreien Humeruskopfprothese
Abb. 6.74a–c. Subkapitale Pseudarthrose des Humeruskopfes bei einer 76-jährigen Patientin (a). Die implantierte Humeruskopfprothese bleibt trotz Revisionsoperation instabil (b).
Wechsel auf eine inverse Prothese (c) mit mäßiger Funktion (Constant-Score 37 Punkte)
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Abb. 6.75a, b. Chronische dorsale Luxation mit Zerstörung von mehr als 1/3 der GelenkÀäche (a). GelenkÀächenersatz durch eine Cup-Prothese
präoperativ am besten mit einem CT bestimmt und intraoperativ korrigiert werden. Eine Korrekturosteotomie im anatomischen Hals ist dagegen problematisch, weil mit einer durchblutungsbedingten Nekrose der GelenkÀäche gerechnet werden muss. Bei geringen Fehlstellungen der Tuberkula unter 5 mm kommt auch eine alleinige Akromioplastik oder ein Abtragen der Korakoidspitze zur Dekompression in Betracht, die zudem den häu¿g vernarbten Gleitraum wieder eröffnet. Bei Deformitäten vom Typ 2 liegen bei den im Durchschnitt jüngeren Patienten häu¿g Impressionsdefekte (Hill-Sachs-Läsionen) der Kalotte vor. Bei kleineren Defekten kann dorsal die Infraspinatussehne und ventral sie Subskapularissehne an deren Rand in offener oder arthroskopischer Technik eingenäht oder mit ihrem knöchernen Ansatz versetzt werden. Aber auch kann bei jungen Patienten auch ein Aufbau des Defektes mit einem kortikospongiösen Spann in Erwägung gezogen werden. Größere Defekte können bei jungen Patienten mit einem autologen Transplantat aufgefüllt (Gerber 1997) werden, wenn bei einer veralteten Luxation der GelenkÀächenverlust weniger als ein Viertel der Kalotte betrifft. Eine Rotationsosteotomie ist dagegen zur Behandlung eines Hill-Sachs-Defekts nur selten und bei sehr jungen Patienten angezeigt. Bei älteren Patienten stellt der große (umgekehrte) osteochondrale Gelenkdefekt Defekt eine Indikation zum GelenkÀächener-
satz durch eine konventionelle Humeruskopfprothese oder einen GelenkÀächenersatz (Raiss et al. 2008) dar (Abb. 6.75).
6.6.4 Implantate Trotz der ausgefeilten Modularität moderner Schulterprothesen kann es schwierig oder gar unmöglich sein, den Schaft so einzubringen, dass die Kalotte die Resektion auf Höhe des anatomischen Halses abdeckt. In diesen Fällen besteht die einzige Möglichkeit in der Implantation eines OberÀächenersatzes. Bei posttraumatischen Deformitäten haben deshalb Cup-Prothesen einen großen Stellenwert, besonders solange das Glenoid nicht ersetzt werden muss. Nicht selten müssen dabei bezüglich der Position und Ausrichtung der Cup-Prothese Kompromisse eingegangen werden, um zumindest eine partielle Kongruenz des Gelenkes wiederherzustellen (Abb. 6.76). Zu bedenken ist allerdings, ob der OberÀächenersatz auf dem durchblutungsgestörten und gesinterten Humeruskopf sicher verankert werden kann. Konventionelle Schaftprothesen sind zu bevorzugen, falls die Schulterpfanne ersetzt werden muss und der Schaft gut zu implantieren ist. Eine Sonderstellung nimmt die schaftlose Kalottenprothese (Eclipse™, Fa. Arthrex) ein, bei der
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.76a, b. Schwere Deformität der GelenkÀäche Typ 1 und der proximalen Humerusmetaphyse (a). Kompromissversorgung mit einer Cup-Prothese als „Limited-goal“-Operation, um die Kongruenz des Gelenkes wiederherzustellen
es sich um einen OberÀächenersatz handelt, bei dem die Resektion der humeralen GelenkÀäche wie zur Implantation einer Schaftprothese erfolgt, so dass das Glenoid gut exponiert und falls erforderlich #####werden kann. Ob eine Glenoidkomponente implantiert werden soll, hängt in erster Linie davon ab, ob die Pfanne von der Deformität oder Arthrose mitbetroffen ist. Allerdings muss die Rotatorenmanschette intakt oder rekonstruierbar sein. Entscheidend ist, ob die Kalotte in der Schulterpfanne stabil zentriert werden kann. Dabei muss die Weichteilspannung so niedrig bleiben, dass die Prothese ausreichend Spiel hat. Bei den schweren posttraumatischen Deformitäten vom Typ 4 mit Einheilung der erheblich dislozierten Tuberkula müsste das Tuberculum majus osteotomiert werden, um eine anatomische Prothese zu implantieren. Um dies zu vermeiden, wird empfohlen,
eine inverse Prothese zu verwenden, die auch ohne Tuberkula und ohne die Muskelansätze der Rotatorenmanschette eine ausreichende Schulterfunktion gewährleistet. Die gegenwärtige Tendenz, inverse Prothesen bei allen Folgezuständen an der Schulter einzusetzen, die anders nicht zu behandeln sind, überschreitet das ursprüngliche Einsatzgebiet für diesen Prothesentyp. Wie die mittelfristigen Ergebnisse einer französischen Multicenterstudie zeigen (Walch et al. 2006), hat dies seinen Preis in Form von ganz erheblichen Komplikationen und einer kürzeren Lebensdauer der Prothese. Ein Rückzug ist nur in Richtung einer Hemiprothese möglich, die bei dann bei fehlenden Tuberkula zu einer eingeschränkten Funktion führt. Deshalb wird empfohlen, eine inverse Prothese nur nach ausreichender Überprüfung alternativer Optionen und bevorzugt bei Patienten über 70 Jahren einzusetzen.
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6.6.5 Operationsplanung Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Operation ist eine sorgfältige klinische Untersuchung. Der aktuelle passive und aktive Bewegungsumfang der betroffenen Schulter muss ermittelt werden. Vernarbungen und Atrophien des Supra- und Infraspinatus beeinträchtigen die Funktion einer anatomischen Prothese, Atrophien des Deltoideus die Funktion einer inversen Prothese. Die Funktion der Rotatorenmanschette wird mit isometrischer Kraftprüfung und Lag-Tests eingeschätzt. Eine abgelaufene Infektion zwingt zu einem besonders vorsichtigen Vorgehen. Neurologische Schäden müssen erkannt und ggf. mittels elektrophysiologischen Untersuchungen abgeklärt werden. Es werden technisch einwandfreie Röntgenbilder der betroffenen Schulter und in vielen Fällen auch der Gegenschulter benötigt, um vorab die Größe der Implantate abschätzen zu können. Von den meisten Herstellern werden hierzu Planungsschablonen zur Verfügung gestellt, deren Verwendung unbedingt zu empfehlen ist. Will man eine Schaftprothese implantieren, ist es besonders wichtig, sich darüber klar zu werden, ob der Schaft so einzubringen ist, dass die Resektionsebene mit der Prothesenkalotte abgedeckt werden kann, ohne das Tuberculum majus zu osteotomieren. Die Osteotomieebene muss sich dann eher am Machbaren als an der optimalen Funktion orientieren. Ein kleiner und kurzer Prothesenschaft, der zementiert werden muss, kann eine varische oder valgische Fehlstellung im chirurgischen Hals in gewissen Grenzen ausgleichen. Eine weitere Voraussetzung ist ein CT der betroffenen Schulter, um das Ausmaß der Zerstörung der GelenkÀäche und die Ausrichtung des Humeruskopfes, aber auch eine eventuelle Mitbetroffenheit der Schulterpfanne beurteilen zu können. Dies betrifft sowohl die Stärke des Knorpels als auch ihre Größe und Neigung. Die Qualität des Knorpels ist mit dem freien Auge intraoperativ kaum einzuschätzen, weshalb die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen eine Pfanne vor dem Eingriff fallen sollte. In der 3DRekonstruktion kann man sich darüber hinaus eine Vorstellung von den Größen- und Stellungsverhältnissen am Humeruskopf machen, was die intraoperative Orientierung sehr erleichtert.
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Ein MRT der Schulter kann das CT in dieser Hinsicht nur teilweise ersetzen. Seine Stärke liegt in der Beurteilung der Muskulatur und der Rotatorenmanschette. Beispielsweise führt eine Atrophie des Teres minor in der zentralen parasagittalen Schnittführung nach der Implantation einer inversen Prothese zu einer erheblichen Einschränkung der aktiven Außenrotation. Dies ist bereits bei einem positiven Hornblower-Zeichen zu vermuten, was die Bedeutung der klinischen Untersuchung hervorhebt.
6.6.6 Operationstechnik Häu¿g wurden im Vorfeld der Prothesenimplantation bereits mehrere Eingriffe ausgeführt, um die zugrunde liegende Fraktur oder Luxation und deren Folgen zu behandeln. Dies hat einen erheblichen EinÀuss auf das weitere Vorgehen, weil die Anzahl der Voroperationen und der damit verbundene Weichteilschaden Komplikationen begünstigen und das langfristige funktionelle Ergebnis verschlechtern (Walch et al. 2001, 2006). Zudem müssen die Fehlstellung und die Voroperationen bei der Wahl des Zugangswegs berücksichtigt werden. Die Implantation einer Schulterprothese ist deshalb in dieser Situation schwierig und sollte dem Erfahrenen überlassen werden. Ist die passive Beweglichkeit präoperativ stark eingeschränkt, was für posttraumatische Deformitäten typisch ist, sollte ein deltopektoraler Zugang bevorzugt werden. Nur so gelingt eine intraoperative Arthrolyse als essentielle Voraussetzung für die gute postoperative Funktion. Dies gilt auch dann, wenn bei einer Voroperation schon einmal ein transdeltoidaler Zugang verwendet wurde, weil Kompromisse im Zugang während der Operation nicht auszugleichen sind. Nach der Mobilisation des Deltoideus auf dem Humeruskopf, der Ablösung des Subskapularis und der Durchtrennung der inferioren Kapsel muss die häu¿g kleine und verformte Restkalotte reseziert werden. Anzustreben ist eine Resektionsebene in der Ausrichtung, die der normalen Anatomie nahe kommt. Dabei muss meistens ein Kompromiss gemacht werden, um nicht intakte Ansätze der Rotatorenmanschette zu durchtrennen. Mit der oszillierenden Säge wird nur
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Spezielle Indikationen
die Kalotte reseziert. Nach medial überstehende Anteile des Tuberculum majus werden vorsichtig von innen mit dem Luer abgetragen („innere Osteotomie“). Am Tuberculum minus werden überstehende Anteile ohne Nachteil entfernt. Die lange Bizepssehne ist häu¿g im Sulcus bicipitalis verwachsen, ihr intraartikulärer Anteil wird reseziert. Nach der Resektion der Kalotte kommt man besser an die inferiore Kapsel. Deshalb wird erst jetzt die Arthrolyse komplettiert und der Schaft implantiert. Die Kalottengröße muss so gewählt werden, dass sie einerseits die Resektionsebene abdeckt und andererseits die Bewegungsamplitude der Rotatorenmanschette nicht überstrapaziert, die durch Narben und Atrophie der Muskulatur vermindert ist. Im Zweifel wird empfohlen, die Kalotte nach den Röntgenabmessungen der gegenseitigen Schulter auszuwählen. Reicht dies nicht aus, um die Resektion abzudecken, wird die Kalotte eher am Oberrand des Tuberculum majus ausgerichtet und der inferior überstehende Anteil der Resektion abgetragen, soweit dies möglich ist.
6.6.7 Tipps und Tricks Die intraoperative Orientierung ist bei einer posttraumatischen Fehlstellung schwierig. Bei jeder Unsicherheit wird deshalb die Resektionsebene mit Kirschner-Drähten markiert und ihre Lage im Verhältnis zum Schaft mit einer intraoperativen Durchleuchtung kontrolliert. Eine ungünstige Resektion kann bei einer Schaftprothese noch mit einem Spongiosaaufbau aus der resezierten Kalotte oder aus dem gleichseitigen Beckenkamm ausgeglichen werden; bei einer OberÀächenprothese ist dies unmöglich. Sofern man bei einer Pseudarthrose im chirurgischen Hals ausnahmsweise eine Prothese implantieren muss, verbleibt nach der Resektion der Kalotte im anatomischen Hals nur ein kleiner, ring- oder C-förmiger Knochenblock, der aus den beiden Tuberkula besteht. Er ist schlecht beweglich, weil die Bewegung in der Pseudarthrose erfolgte und die Rotatorenmanschette eingesteift ist. Nach Lin et al. (2006) erfolgt keinesfalls eine Osteotomie dieses Rings, sondern er wird mit dem Prothesenschaft aufgefädelt, mit Knochen unterfüttert und umgeben und mit Fäden an der Prothese befestigt.
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Überstehende Schrauben winkelstabiler Implantate führen zu Erosionen und einem raschen Verbrauch der glenoidalen GelenkÀäche, sei es nach primärer Fehllage oder nach einer posttraumatischen Humeruskopfnekrose. Dies führt zu größeren Pfannendefekten, die auch bei chronischen Luxationsstellungen (Typ 2 nach Boileau) und bei Glenoidfrakturen entstehen können. Sie müssen aufgebaut werden, um ein Glenoid verankern zu können. Manchmal kann man dazu resezierte Anteile des Humeruskopfes verwenden (s. Abb. 6.72), alternativ ist separat ein trikortikaler Beckenkammspan zu entnehmen. Das Transplantat wird mit Zugschrauben befestigt. Danach muss man beim Präparieren des Pfannenlagers sehr vorsichtig sein, damit das Transplantat nicht ausbricht. Eine zementierte Pfanne ist ungünstig, weil der Zement in den Spalt zwischen Restpfanne und Transplantat gelangen kann und dann dessen Einheilung verhindert. Steht kein zementfreies Glenoidimplantat zur Verfügung, ist ein zweizeitiges Vorgehen zu bevorzugen.
6.6.8 Spezielle Komplikationen Besonders bei der Implantation einer inversen Prothese, aber auch bei anatomischen Prothesen, muss mit erheblichen Komplikationsraten gerechnet werden. In der französischen Multicenterstudie (Walch et al. 2001) waren dies bei anatomischen Prothesen 16% in Typ 1 und 32%, 31% und 32% bei den Typen 2 bis 4 nach Boileau. Führend waren dabei intra- und postoperative Humerusfrakturen (7%) und Prothesenluxationen (5%; siehe auch Abb. 6.72) und postoperative Infektionen (2,5%). Nach der Implantation einer inversen Prothese traten bei der „Aequalis™-Gruppe“ (Walch et al. 2006) zu 23% Komplikationen auf, vor allem beim Typ 3 nach Boileau. Am häu¿gsten waren dies tiefe Infektionen (9%) und eine Instabilität der Prothese (5%). Wegen der hohen Infektionsrate sollten besonders nach Voroperationen unbedingt intraoperative Abstriche entnommen werden. Je nach Einschätzung des Operateurs kann es sinnvoll sein, eine kalkulierte Antibiotikatherapie bis zum Ergebnis dieser Abstriche fortzuführen, wobei typische Keime (Propionibakterien) bis zu zwei Wochen Bebrütung benötigen, um ihr Wachstum auszuschließen.
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6.6.9 Ergebnisse in der Literatur Die Ergebnisse der Implantation einer Schulterprothese bei einer posttraumatischen Deformität sind weniger gut als bei anderen Indikationen, wobei sich die Ergebnisse bei den Typen 1 und 2 bzw. 3 und 4 nach Boileau drastisch unterscheiden. In der „Aequalis™Multicenterstudie“ (Walch et al. 2001) wurden mit anatomischen Prothesen nach mindestens zwei Jahren bei den Typen 1 (n = 137) bzw. 2 (n = 25) ein nicht gewichteter Constant-Score von 62 bzw. 61 erreicht, bei den Typen 3 (n = 22) bzw. 4 (n = 19) von nur 36 bzw. 42. Bei den Typen 3 und 4 konnte kein Patient den Arm über die Horizontale heben. Dabei hatten der Frakturtyp oder dessen konservative oder operative Behandlung keinen statistischen EinÀuss auf das Ergebnis. Totalprothesen hatten nur bei Typ 1 signi¿kant bessere Ergebnisse als Hemiprothesen. Mit der inversen Prothese wurden nach ebenfalls mindestens zwei Jahren bei den Typen 1 (n = 8), 2 (n = 5) und 4 (n = 20) ein nicht gewichteter ConstantScore von 60, 57 und 55 erreicht; bei Typ 4 also deutlich mehr als mit einer anatomischen Prothese (Walch et al. 2006). Bei Typ 3 (n = 7) führte die Implantation einer inversen Prothese dagegen nur zu 41 Punkten im Constant-Score und damit nur unwesentlich mehr als mit einer anatomischen Prothese. Dies bestätigt, dass bei Typ 3 eine Osteosynthese gegenüber jeder Prothese zu bevorzugen ist.
Literatur Boileau P, Walch G, Trojani C, Veneau B, Sinnerton R (2001) Sequelae of fractures of the proximal humerus: results of shoulder arthroplasty without greater tuberosity osteotomy. In: Walch G, Boileau P (eds) Shoulder arthroplasty. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 359–369 Boileau P, Chuinard C, Le Huec JC, Walch G, Trojani C (2006) Proximale humerus fracture sequelae: impact of a new radiographic classi¿cation on arthroplasty. Clin Orthop Relat Res; 442:121–130 Brunner U, Köhler S (2007) Schulterendoprothetik bei posttraumatischen Deformitäten durch Frakturfolgen. Orthopäde 36:1037–1049 Gerber C (1997) Chronic, locked anterior and posterior dislocations. In: Warner JJP, Iannotti JP, Gerber C (eds) Complex and revision problems in shoulder surgery. LippincottRaven, Philadelphia, pp 99–116 Habermeyer P, Schweiberer L (1992) Korrektureingriffe infolge von Humeruskopffrakturen. Orthopäde 21:1148–1157
M. Loew und M. Rickert Lin JS, Klepps S, Miller S, Cleeman E, Flatow EL (2006) Effectiveness of replacement arthroplasty with calcar grafting and avoidance of greater tuberosity osteotomy for the treatment of humeral surgical neck nonunions. JSES 15:12–18 Palvanen M, Kannus P, Niemi S, Parkkari J (2006) Update in the epidemiology of proximal humeral fractures. CORR 442:87–92 Raiss P, Aldinger P, Kasten P, Rickert M, Loew M (2008) Humeral head resurfacing for ¿xed anterior glenohumeral dislocation. Int Orthop (in press) Walch G, Boileau P, Molé D (Hrsg) (2001) 2000 Prothèses d’Epaule … recul de 2 à 10 ans. 2000 Shoulder Prostheses … two to ten year follow-up. Sauramps Medical, Montpellier Walch G, Boileau P, Molé D, Favard L, Lévigne C, Sirveaux F (Hrsg) (2006) Reverse shoulder arthroplasty. Clinical results – complications – revision. Sauramps Medical, Montpellier Wiedemann E (2006) Schulterendoprothetik. Unfallchirurg 1009:1073–1084
6.7 Tumoren und Defektsituationen M. Loew und M. Rickert Der proximale Humerus ist der dritthäu¿gste Manifestationsort von primären Knochensarkomen und eine relativ häu¿ge Region für Skelettmetastasen (Ewerbeck u. Rickert 2002). In den letzten Jahrzehnten hat sich das Behandlungskonzept primärer maligner Knochentumoren von ablativen chirurgischen Maßnahmen hin zu Extremitäten erhaltenden Operationen entwickelt. Die Behandlungsoptionen nach Tumorresektion beinhalten neben Auto- und Allografts, vaskulär gestielten Knochentransplantionen und Arthrodesen die Implantation von Standardoder speziellen Tumorendoprothesen des proximalen Humerus. Tumorendoprothesen wurden lange Zeit als funktionslose Platzhalter angesehen; andererseits sind sie häu¿g die technisch einfachste Form der Ersatzoperationen nach proximaler Humerusresektion. Die Indikation zum endoprothetischen Gelenkersatz ergibt sich bei Tumoren aus den folgenden Indikationen: Ɣ kurative Resektion eines malignen Knochentumors oder einer Solitärmetastase, Ɣ Schmerzen und Funktionsstörungen der Schulter durch Deformität oder Destruktion des Gelenkes, Ɣ pathologische Fraktur.
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Spezielle Indikationen
Vor der Planung des Eingriffes ist die eindeutige Diagnose und die histopathologische Einordnung der tumorösen Veränderung erforderlich. Unter den Tumorentitäten sind primäre benigne von primären malignen Knochentumoren, Weichteiltumoren und sekundäre Knochentumoren, d.h. Metastasen, zu unterscheiden.
6.7.1 Tumorentitäten 6.7.1.1 Primäre benigne Knochentumoren Osteochondrom (kartilaginäre Exostose). Bei kartilaginären Exostosen handelt es sich um einen oder multiple, mit Knorpelgewebe kappenartig überzogene, knöcherne Vorsprünge von der AußenÀäche der Knochen. Mit einem Anteil von etwa 50% ist das Osteochondrom der häu¿gste gutartige Knochentumor. In etwa 18% der Fälle ist die proximale Humerusmetaphyse betroffen (Ewerbeck u. Rickert 2002). Die Exostosen können durch ihre Größenausdehnung zur Verdrängung von Weichteilen, Nerven und Gefäßen führen. Wenn die Knochenvorsprünge nahe am anatomischen Hals des Humeruskopfes liegen, kann dies zu Einschränkungen der Beweglichkeit des Schultergelenkes führen. Gelegentlich kommt es auch zu einer Verformung der GelenkÀäche, die als präarthrotische Deformität zu betrachten ist. Bei stammnaher Lokalisation besteht ein Entartungsrisiko von unter 1%. Die Indikation zum endoprothetischen Gelenkersatz stellt eine Rarität dar, kann sich aber bei einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung oder einer sekundären Omarthrose ergeben. Die Auswahl des Implantates orientiert sich an dem morphologischen Ausgangsbefund des proximalen Humerus und an der Betroffenheit der Schulterpfanne. Chondrom (Enchondrom). Dieser knorpelbildende Tumor kommt nur in etwa 5% der Fälle im Bereich des Schultergürtels und davon überwiegend der proximalen Humerusmetaphyse vor. Meist handelt es sich um einen röntgenologischen Zufallsbefund im Rahmen der Abklärung unspezi¿scher Schulterschmerzen oder nach einem Trauma. Bei einem Größendurchmesser von mehr als 5 cm, bei expansivem intraossärem Wachstum und einer Verdünnung der Kortikalisdicke von über zwei Dritteln (Enneking
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et al. 1993) besteht ein abklärungsbedürftiger Malignitätsverdacht. Differentialdiagnostisch ist dann ein niedrig malignes Chondrosarkom durch Biopsie abzugrenzen. Die Indikation zum Gelenkersatz besteht bei Enchondromen selten und ist allenfalls nach einer pathologischen Fraktur oder bei maligner Entartung denkbar. Im letzten Fall entspricht das operative Vorgehen dem bei anderen bösartigen Knochentumoren des proximalen Humerusendes. Juvenile Knochenzyste (solitäre Knochenzyste). Etwa 60% dieser meist einkammerigen Hohlräume im Knocheninneren, die mit einer unterschiedlich dicken Membran ausgekleidet und mit klarer oder sanguilenter Flüssigkeit gefüllt sind, werden im Bereich des proximalen Humerus gefunden. Eine klinische Bedeutung kommt den Zysten nur dann zu, wenn es durch ihre Nähe zur KnochenoberÀäche zu einer Infraktion der Kortikalis oder der GelenkÀäche des Humeruskopfes kommt. Die Indikationen zu einem Gelenkersatz ergeben sich außerordentlich selten bei pathologischen Frakturen mit Destruktion der KnorpeloberÀäche. Aneurysmatische Knochenzyste (AKZ). Etwa 6% dieser osteolytischen Läsionen im Knocheninneren, die aus blutgefüllten, durch Bindegewebssepten unterteilten Hohlräumen unterschiedlicher Größe bestehen und unter anderem osteoklastische Riesenzellen enthalten, werden im meta- und diaphysären Bereich des proximalen Humerus beschrieben. Eine Abgrenzung von malignen Knochentumoren, vor allem dem teleangiektatischen Osteosarkom, ist wegen des nicht selten aggressiven Wachstums dieser an sich benignen Knochentumoren gelegentlich schwierig. Nur in Einzelfällen ergibt sich bei Destruktionen des proximalen Humerus die Indikation zu einem Gelenkersatz oder zu einer Tumorendoprothese.
6.7.1.2 Primäre maligne Knochentumoren Osteosarkom. Der häu¿gste primäre maligne Knochentumor ist das Osteosarkom, das bevorzugt im jugendlichen Alter zwischen dem 1. und 3. Lebensjahrzehnt auftritt und am häu¿gsten kniegelenksnah im distalen Femur oder in der proximalen Tibia entsteht. An dritter Stelle folgt der Schultergürtel mit Skapula und proximalem Humerus. Es werden nach histopathologischer Differenzierung und der topogra-
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phischen Lage des Tumors im Knochen verschiedene Subtypen des Osteosarkoms unterschieden. Die Therapie besteht in einer Kombination aus neoadjuvanter Chemotherapie und chirurgischer Tumorresektion nach Studienprotokoll (COSS, EURAMOS, EUROBOSS). Im Rahmen der Behandlung nach den Protokollen der Cooperativen Osteosarkomstudiengruppe (COSS) besteht eine metastasenfreie Überlebensrate von etwa 70%. Bei den operativen Behandlungsmaßnahmen konkurrieren Extremitäten erhaltende und ablative Resektionsverfahren, biologische Rekonstruktionen durch freie oder gefäßgestielte Knochentransplantate und Tumorendoprothesen miteinander. Chondrosarkom. Das klassische zentrale Chondrosarkom betrifft in 15–20% den Schultergürtel und dort bevorzugt das proximale Humerusende (Abb. 6.77). Es tritt gehäuft im mittleren Lebensalter ab dem 5. Lebensjahrzehnt auf. Chondrosarkome wachsen in der Regel wenig aggressiv, eher verdrängend als in¿ltrierend. Neben dem zentralen Chondrosarkom werden weitere Formen wie das Klarzell-Chondrosarkom, das dedifferenzierte und das mesenchymale Chondrosarkom voneinander unterschieden. Chirurgische Behandlungsmaßnahmen müssen wie beim Osteosarkom eine onkologisch radikale Entfernung des Tumors anstreben; bei einer Resektion des proximalen Humerus ergibt sich die Indikation zur Rekonstruktion; z. B. mittels Tumorendoprothese. Metastasen. Die häu¿gsten Knochentumoren im Bereich des Schultergürtels sind Metastasen von Nierenzell-, Mamma-, Bronchial- oder Prostata-
M. Loew und M. Rickert
karzinomen (Abb. 6.78a). Sie treten im mittleren bis höheren Lebensalter auf und führen je nach Wachstumscharakter durch Spontanfrakturen, ausgedehnten Osteolysen und Gelenkdestruktionen zu Schmerzen bis hin zu einer Gebrauchsunfähigkeit des betroffenen Armes. Außer bei Solitärmetastasen tritt für chirurgische Behandlungsoptionen die onkologische Radikalität der Tumorresektion in den Hintergrund. Aufgrund der Grunderkrankung und dem häu¿g fortgeschrittenen Lebensalter dieser Patienten stellen Tumorprothesen in der Regel die Versorgung der Wahl dar.
6.7.1.3 Weichteiltumoren Von den paraartikulären Weichteilen ausgehende Primärtumoren (Liposarkome, Myosarkome, Lymphome u. a.) oder Metastasen von anderen Primärtumoren spielen im Bereich des Schultergürtels eine zahlenmäßig geringe Rolle. Die Behandlungsstrategie orientiert sich in diesen Fällen am Befall und der Grunderkrankung; ein Gelenkersatz ist selten indiziert.
6.7.2 Operationsplanung Vor der de¿ nitiven Resektion eines primären oder sekundären Knochentumors am proximalen Humerusende oder, viel seltener, im Bereich der Schul-
Abb. 6.77a–c. Chondrosarkom des proximalen Humerus (a). Maßstabgerechte Längenplanung (b) vor dem Ersatz durch eine inverse Tumorprothese (c) MUTARS® (Fa. Implantcast). (Orthopädische Universitätsklinik Münster)
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Spezielle Indikationen
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Abb. 6.78. a Metastase eines Mamakarzinoms im proximalen Humerus. b Resektion und Ersatz durch eine modulare Tumorprothese
terpfanne müssen die histopathologische Diagnose gesichert und die lokale Tumorausdehnung, der Lymphknotenbefall sowie eine eventuelle Fernmetastasierung im Rahmen eines Staging festgestellt werden. Dazu ist eine Biopsie der entscheidende Schritt der Diagnosesicherung. 6.7.2.2 Probeentnahme Es muss sichergestellt sein, dass eine ausreichende Gewebemenge aus einem repräsentativen Bereich des Tumors gewonnen wird, damit die histologische Diagnose durch den Pathologen eindeutig gestellt werden kann. Der operative Zugang für die Probeentnahme muss vor allem vor einer geplanten onkologisch radikalen Tumorresektion die Zugangswege für den de¿nitiven Eingriff und das weitere geplante Vorgehen berücksichtigen. Daher sollte zum Zeitpunkt der Biopsie der weitere chirurgische Behandlungsplan bereits erstellt sein. Der Zugangsweg für die Probeentnahme ist de¿nitionsgemäß mit Tumorzellen kontaminiert und muss daher bei dem endgültigen Eingriff in die Resektion einbezogen werden. Er sollte daher durch möglichst wenige anatomische Kompartimente verlaufen, d. h. eher transmuskulär als in einem Septum intermuskulare gewählt werden, da ansonsten alle angrenzenden Muskeln in die Resektion einbezogen werden müssten, ohne direkt von dem Tumor in¿ltriert zu sein. Diese Grundregeln gelten sowohl für die offen-chirurgische Probeentnahme durch Inzisionsbiopsie als auch für eine perkutane CT- oder bildwandlergestützte Stanzbiopsie. Bei der palliativen Resektion von Kno-
chenmetastasen erübrigt sich in der Regel eine präoperative histologische Klassi¿zierung, es sei denn, die Primärerkrankung war bis zum Zeitpunkt der pathologischen Fraktur oder Osteolyse unbekannt. 6.7.2.2 Staging und Resektionsplanung Vor der Durchführung einer onkologisch radikalen Tumorentfernung müssen anhand der Bildgebung die Lokalisation, die Größenausdehnung des Tumors im Knochen und die Beziehung zu den angrenzenden Gelenk- oder Weichteilstrukturen durch eine Kernspintomographie und/oder Computertomographie sicher beurteilt werden können. Darüber hinaus ist eine Röntgenaufnahme des ganzen Humerus erforderlich, um die Beschaffenheit des Knochens jenseits der Tumorgrenzen beurteilen und um, ggf. im Seitenvergleich, eine maßstabgerechte Längenplanung für eine Tumorersatzprothese vornehmen zu können (Abb. 6.78b). Die Kategorisierung der Knochentumoren erfolgt verbreitet nach der „Enneking-Klassi¿kation“ (Tabelle 6.10; Enneking 1986) unter Berücksichtigung von Malignitätsgrad und Tumorausdehnung. Liegt der Tumor innerhalb eines anatomisch klar abgrenzbaren Raumes (z. B. Knochen, Muskulatur), wird die Ausdehnung als intrakompartimental bezeichnet. Durchbricht der Tumor die Grenzen eines Kompartiments aufgrund seines aggressiven Wachstums, gilt er als extrakompartimental. Eine allgemeinere Klassi¿kation beruht auf der Basis der „TNM-Einteilung“ (Malawer et al. 1991), die neben der histologischen Graduierung das Vorhandensein von regionalen Lymphknoten- und Fernmetastasen mit einbezieht. Die Planung des kon-
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6
M. Loew und M. Rickert
Tabelle 6.10. Enneking-Klassi¿kation zur Einteilung von Knochentumoren (Enneking 1986) Stadium
Malignitätsgrad
Ausdehnung
Metastasierung
IA
niedrig
intrakompartimental
keine
IB
niedrig
extrakompartimental
keine
II A
hoch
intrakompartimental
keine
II B
hoch
extrakompartimental
keine
III
niedrig oder hoch
–
vorhanden
kreten chirurgischen Vorgehens orientiert sich an diesen Voraussetzungen und den Erfordernissen der onkologischen Resektionsgrundlagen. Nach der „Enneking-Klassi¿kation“ (Enneking 1986) beinhaltet eine radikale Resektion die komplette Entfernung des oder der anatomischen Kompartimente, in denen sich der Tumor be¿ndet. Bei einer weiten Resektion wird der Tumor en bloc einschließlich der reaktiven Zone und einer umgebenden gesunden Gewebsschicht entfernt, wobei die Grenzen des Resektionspräparates makroskopisch und mikroskopisch tumorfrei sind. Bei palliativen Eingriffen, z. B. in der Metastasenchirurgie, kann häu¿g lediglich eine marginale Resektion vorgenommen werden, bei der mikroskopisch Tumorreste oder -zellen in den Absetzungsrändern verbleiben. Bei einer intraläsionalen Resektion wird der Tumor intraoperativ eröffnet und daher verbleiben auch makroskopische Tumoranteile in situ. Von wesentlicher Bedeutung für die Resektionsgrenzen und damit auch für den möglichen Tumorersatz ist es, ob die nach distal führenden Gefäß- und Nervenstrukturen erhalten werden können. Im Zweifel ist daher für die Operationsplanung neben einem Schnittbildverfahren eine Angiographie sinnvoll.
6.7.2.3 Ersatz des proximalen Humerus nach Tumorresektion Bereits im Vorfeld der Operation muss entschieden werden, ob nach der Tumorresektion ein Ersatz des entfernten Knochens und/oder Gelenkes vorgenommen werden soll und ob dies in Form eines biologischen Verfahrens z. B. durch ein freies oder mikrovaskulär gestieltes Knochentransplantat oder durch Implantation einer Tumorendoprothese realisiert werden kann. Die Entscheidung hierüber orientiert sich an der Dignität des Tumors, der verbleibenden Lebenserwartung des Patienten, der Ausdehnung des
Resektates, der erhaltenen Muskelansätze und an der zu erwartenden oder angestrebten postoperativen Funktion des Schultergelenkes. Wenn nach der Tumorresektion die Ansätze des M. deltoideus und der extrinsischen Schultermuskulatur am Humerus (M. pectoralis major, M. latissimus dorsi, Mm. teres major und minor) erhalten werden können, kann nach Implantation einer Endoprothese mit einem akzeptablen funktionellen Ergebnis gerechnet werden (Kiss et al. 2007). Bei einer weiter distal gelegenen Resektion des proximalen Humerus hingegen dient der Ersatz lediglich als Platzhalter und verhindert damit eine massive Instabilität des Schultergelenkes bzw. der gesamten oberen Extremität. In diesem Fall handelt es sich um einen Eingriff mit eingeschränkten funktionellen Erfolgserwartungen („Limited-goal“-Operation). Demgegenüber können bei weiter proximaler Resektion durch Implantation einer Humeruskopfprothese oder eines inversen Prothesensystems unter günstigen Umständen auch funktionell akzeptable Resultate erzielt werden. Oberste Priorität hat jedoch auch unter diesen Gesichtspunkten die radikale Tumorentfernung, die für das Überleben der Patienten entscheidend ist.
6.7.3 Endoprothesentypen 6.7.3.1 Konventionelle Schulterprothesen Konventionelle Schulterendoprothesen in Form eines OberÀächenersatzes (CUP-Prothesen), Schaftprothesen des Humeruskopfes (Hemiprothesen) oder Totalendoprothesen mit anatomischem Design und Ersatz des Glenoids sind als Tumorersatzimplantate selten indiziert. Sie können bei weit proximal gelegener epiphysärer Tumorlokalisation in Betracht gezogen werden. Da ihr Design und das Maß der knöchernen Resektion auf eine intakte Rotatorenmanschette aus-
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Spezielle Indikationen
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gelegt sind, kommen sie für die Rekonstruktion weiter distal gelegener Tumoren nicht in Frage. Alternativ ¿nden Hemiprothesen in Kombination mit Allografts in der Rekonstruktion metaphysärer Tumoren durchaus ihre Berechtigung (Alloprosthesis) und führen zu onkologischen sowie funktionellen Ergebnissen, die mit denen der Tumorendoprothesen vergleichbar sind (Black et al. 2007). Bei primären malignen Knochentumoren der Humerusmetaphyse und -diaphyse oder bei Metastasen im proximalen Humerus können in der Regel die Ansätze der Rotatorenmanschette nicht erhalten werden. In diesen Fällen stellt eine konventionelle Endoprothese weder unter den Kriterien der onkologischen Radikalität noch unter den funktionellen Aspekten der Schulterendoprothetik ein adäquates Implantat dar. In diesen Fällen ist die Implantation einer modularen Tumorprothese oder eines inversen Prothesensystems zu bevorzugen.
6.7.3.2 Isoelastische Humeruskopfprothese In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde zum Tumorersatz des proximalen Humerus häu¿g die so genannte isoelastische Schulterprothese verwendet (Abb. 6.79). Sie besteht aus einem Implantatmantel aus Polyacetalharz mit einem dünnen Metallkern. Der Kopf ist sphärisch geformt und mit mehreren Löchern zur Fixierung der abgelösten Sehnen versehen. Das Implantat existiert in unterschiedlichen Längen, so dass die Resektion an der onkologisch erforderlichen Höhe der Humerusdiaphyse erfolgen kann. Da ein Anheilen der Sehnen kaum erreicht werden kann, hat dieses Implantat im Wesentlichen eine Platzhalterfunktion. Eine aktive Beweglichkeit des Schultergelenkes ist nur in wenigen Fällen zu erreichen. Wegen der nichtanatomischen Kon¿guration des Humeruskopfes kann eine Zentrierung im Glenoid nicht erreicht werden, so dass zusammen mit der fehlenden muskulären Kontrolle häu¿g instabile Gelenksituationen resultieren.
6.7.3.3 Modulare Tumorprothesen In den letzten Jahren sind verschiedene modulare Prothesensysteme für den proximalen Humerus ent-
Abb. 6.79 . Isoelastische Tumorprothese aus Polyacetalharz. (Aus: Prospekt Fa. Mathys)
wickelt worden, die aus der Anatomie angepassten Kalotten in unterschiedlichen Größen, metaphysären Aufsätzen in variabler Höhe und diaphysären Komponenten verschiedener Längen bestehen (s. Abb. 6.79). Die Systeme ermöglichen einen Ersatz der proximalen Humerus nach individueller, der Pathologie angepassten Resektion (Abb. 6.80). Durch eine spezielle OberÀächenkon¿guration und -beschichtung soll die Re¿xation der Sehnen erleichtert und deren Einheilung konditioniert werden. Externe Hilfs-systeme ermöglichen eine zuverlässigere Ausrichtung der GelenkÀäche in der erforderlichen Retroversion. Eine verbesserte Stabilität kann durch Verwendung eines Àexiblen Kunststoffschlauches über die Prothese mit zentraler Fixierung am Labrum glenoidale der
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Schulterpfanne gewährleistet werden. Eine akzeptable Funktion kann allerdings auch bei diesen Systemen nur erreicht werden, wenn die Sehnenansätze erhalten werden können und an die Prothese anheilen.
6.7.3.4 Inverse Prothesensysteme Bei der inversen Schultertotalendoprothese (Abschn. 3.4 und 5.5) wird durch Vertauschen der Kopf- und
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Pfannenkomponente eine Distalisierung und Medialisierung des Rotationszentrums der Schulter erreicht und durch eine teilweise Koppelung der Gelenkpartner eine Instabilität verhindert. Bei erhaltenem Sehnenansatz an der Humerusdiaphyse kann der M. deltoideus auch ohne Rotatorenmanschette als Motor des Schultergelenkes funktionieren und eine gute Globalbeweglichkeit, vor allem der Flexion, Abduktion und Adduktion erhalten. Außen- und Innenrotation können allerdings nur mit den Ansätzen der Rotatorenmanschette und der extrinsischen Schultermuskulatur erhalten werden. In letzter Zeit ist in Einzelfällen bei inverser Prothetik nach Tumorresektion über ansprechende Ergebnisse berichtet worden (De Wilde u. Plasschaert 2004; De Wilde et al. 2005; Sirveaux et al. 2006). Für den Tumorersatz können bei metaphysärer Lokalisation die gebräuchlichen Standardsysteme inverser Prothesen eingesetzt werden; bei weiter nach distal ausgedehntem Turmorbefall sind spezielle modulare Tumorimplantate (s. Abb. 6.79) oder speziell angefertigte („custom-made“) Prothesen zu verwenden.
6.7.4 Spezielle Operationstaktik
Abb. 6.80 . Modulare Tumorprothese nach Resektion eines Chondrosarkoms des proximalen Humerus
Für die individuelle Operationstaktik von herausragender Bedeutung ist die erreichbare und angestrebte Radikalität der Tumorresektion. Für die radikale oder weite Resektion eines Knochentumors ist ein Sicherheitsabstand von 3–5 cm im gesunden Gewebe erforderlich. Gegenüber dem paraossären Bindegewebe muss der Tumor allseits von einer möglichst 1–2 cm dicken tumorfreien Gewebsschicht umgeben sein (Enneking et al. 1993). Nicht die Unversehrtheit funktionell relevanter Weichteilstrukturen, sondern die Vollständigkeit der Tumorresektion unter onkologischen Gesetzmäßigkeiten bestimmt den mittel- und langfristigen Erfolg der Tumoroperation. Der Erhalt für die Stabilität und Beweglichkeit des Schultergelenkes notwendiger Kapselbandstrukturen oder Sehnenansätze ist von sekundärem Interesse, muss aber vor allem für die Planung eines Tumorersatzes in die differentialtherapeutischen Erwägungen einbezogen werden. Für einen endoprothetischen Ersatz ist es von herausragender Bedeutung, ob das Glenohumeralgelenk, die Gelenkkapsel und die Rotatorenmanschette von Tumorgewebe in¿ltriert sind,
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Spezielle Indikationen
ob der M. deltoideus als wichtigster Abduktor und der N. axillaris erhalten werden können und wie lang die Defektstrecke nach der erforderlichen knöchernen Resektion ist. Für die Versorgung mit einer Tumorprothese sind intraartikuläre proximale Humerusresektionen (Typ I nach Malawer et al. 1991) und extraartikuläre Resektionen (Typ V) oberhalb des Deltoideusansatzes geeignet. Diese Voraussetzungen treffen vor allem im Rahmen der Behandlung drohender oder manifester pathologischer Frakturen infolge metastasierender Grunderkrankungen und weniger bei primären malignen Knochentumoren zu. Bei extraartikulärem Befall des Schulterblattes und des Gefäßnervenbündels ist ein Gelenkersatz durch eine Tumorendoprothese nicht möglich. In diesen Fällen müssen in der Regel ablative Resektionsverfahren, z. B. modi¿ziert in der Technik nach Tikhoff-Linberg, angewendet werden. Bei primären benignen Knochentumoren mit Verformung der humeralen GelenkÀäche entspricht die Operationstaktik dem Vorgehen bei anderen sekundären Omarthrosen. Bei Resektion des proximalen Humerus über die GelenkÀäche hinaus bestimmt ebenfalls der Erhalt der Sehnenansätze die Auswahl des Implantates. Schnittführung und individuelles Vorgehen richten sich nach Dignität und Ausdehnung des Tumors – allgemeingültige Empfehlungen sind daher nicht möglich. In der Regel wird ein deltopektoraler Zugang favorisiert, da dieser im Grenzbereich verschiedener Muskelkompartimente verläuft. Bei malignen Tumoren müssen die äußeren und inneren Narben des Biopsiezugangs mit ausreichendem Sicherheitsabstand exzidiert werden. Bei benignen Knochentumoren wird die Subskapularissehne wie bei dem Standardzugang zum Schultergelenk abgelöst. Wenn eine ausgedehntere Resektion im metaphysären Bereich erforderlich ist, ist eine Osteotomie der Tuberkula zusammen mit den Sehnenansätzen sinnvoll, um diese anschließend an einer Standardtrauma- oder Tumorprothese mit einer knöchernen Schuppe re¿ xieren zu können. Bei extraartikulärem Vorgehen bleiben Subskapularissehnen- und Kapselansatz unberührt. Je nach Absetzungshöhe müssen die Ansätze der Sehnen des M. pectoralis major und des M. latissimus dorsi vom Knochen abgelöst und eventuell später am Prothesenschaft re¿ xiert werden. Wenn der Deltoideusansatz erhalten werden kann, ist es empfehlenswert, den N. axillaris darzustellen und vor einer Schädigung während der Operation zu
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schützen. Die Resektion erfolgt mit dem erforderlichen Sicherheitsabstand mit einer oszillierenden Säge. Die Durchtrennung der Rotatorenmanschette wird bei radikaler Tumorresektion im muskulären Bereich in Höhe des Glenoidrandes durchgeführt; hierdurch bleibt das Gelenk geschlossen und in der Regel kann so der erforderliche Weichteilmantel um den Tumor unversehrt verbleiben. Wenn eine Re¿ xation der Sehnen an der Prothese möglich ist, erfolgt diese mit oder ohne knöcherne Schuppe durch Nähte mit mindestens 1 mm dicken, nicht resorbierbaren Fäden (Abb. 6.81). Wenn dies nicht möglich ist, kann ein spezieller, nicht resorbierbarer Polyesterschlauch über den Prothesenkopf gezogen und am Schaft sowie am Labrum glenoidale durch Nähte befestigt werden, um eine Prothesenluxation zu verhindern.
Abb. 6.81. Re¿xation einer Knochenschuppe mit den Ansätzen der Rotatorenmanschette an eine modulare Tumorprothese
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6.7.5 Spezielle Probleme und Komplikationen Intraoperative Probleme ergeben sich aus der erforderlichen Radikalität des Eingriffs. Da nach der Tumorresektion häu¿g eine relativ große Wundhöhle verbleibt, ist die Gefahr postoperativer Wundhämatome und infekte erhöht. Nach Möglichkeit ist daher auf einen guten Weichteilverschluss zu achten. Wunddrainagen sind mit Sog über 48 Stunden zu belassen. Wenn die Sehnenansätze nicht erhalten oder re¿xiert werden können, wirkt eine konventionelle Schaftprothese lediglich als ein Platzhalter ohne Funktionalität. Die Stabilität ist in diesen Fällen nur bei einer anatomisch korrekten Ausrichtung der Kalotte, oder besser mit verstärkter Retroversion zwischen 30 und 40 Grad zu erreichen. Die Einstellung ist relativ schwierig, da die anatomischen Landmarken der Metaphyse meistens nicht erhalten werden können. Zusätzlich sollte bei Resektion der Sehnenansätze großzügig auf die angesprochenen Kunststoffschläuche zur Weichteilre¿xation zurückgegriffen werden. Verschiedene konventionelle- und Traumaprothesen verfügen über externe Ausrichtungshilfen (s. Abschn. 6.5), falls nicht, kann der im Ellenbogengelenk rechtwinklig gebeugte Unterarm zur Orientierung verwendet werden (Abb. 6.82). Wird die Prothese in 0 Grad Retro- oder sogar in Anteversion eingebracht, resultiert häu¿g eine instabile Situation, bei der der Humeruskopf bei Abduktion oder Elevation nach anterokranial luxiert (Abb. 6.83). Bei erhaltenem Deltoideusansatz werden die besten funktionellen Ergebnisse nach Implantation einer inversen Prothese er-
Abb. 6.82 . Orientierung der Retroversion an dem im Ellenbogengelenk rechtwinklig gebeugten Unterarm
M. Loew und M. Rickert
reicht. Je tiefer die Resektion verläuft, desto höher ist jedoch auch bei den inversen Prothesensystemen das Risiko einer postoperativen Implantatluxation. Bei der Implantation einer inversen Prothese müssen vor allem bei jungen Patienten das höhere Lockerungsrisiko im zeitlichen Verlauf (s. Abschn. 5.5) und die schlechteren Rückzugsmöglichkeiten gegenüber konventionellen Schaftprothesen berücksichtigt werden. Dieser Problematik kann unter Umständen durch die Verwendung einer höheren Metaphyse oder eines höheren Inlays begegnet werden. Weder über das Infektionsrisiko noch über die Häu¿gkeit einer postoperativen Instabilität liegen in der Literatur belastbare Zahlen an größeren Patientenkollektiven vor.
6.7.6 Ergebnisse Ziel der Operation ist bei primären malignen Knochentumoren in der Regel die kurative Behandlung, d.h. die vollständige Entfernung des Tumors. Das funktionelle Resultat ist in diesen Fällen von untergeordneter Bedeutung. Kumar et al. (2003) untersuchten ein Kollektiv von ursprünglich 100 Patienten, bei denen 10 Jahre zuvor bei einem malignen Knochentumor eine jeweils individuell angefertigte „Custom-made“Tumorprothese aus einer Titanlegierung implantiert worden war. Die Überlebensrate nach diesem Zeitraum betrug 47%. Um die Funktion zu überprüfen, wurde der speziell für Tumorresektionen entwickelte MSTS-Score (Enneking 1986) verwendet, der bei etwa der Hälfte der Patienten ein exzellentes Resultat ergab.
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Spezielle Indikationen
Abb. 6.83. Instabilität einer modularen Tumorprothese mit Luxation des Humeruskopfes nach kranial und ventral
Die mittlere Flexion betrug 55 Grad, die mittlere Abduktionsfähigkeit 44 Grad. Ob der M. deltoideus und der N. axillaris erhalten werden konnten, hatte für das funktionelle Ergebnis keine Bedeutung. Bei Ersatz des Humeruskopfes mit erhaltenen Sehnenansätzen kann postoperativ in vielen Fällen eine ansprechende Funktion erreicht werden. Ansonsten sind die Resultate der Tumorendoprothesen nicht mit denen nach konventioneller elektiver Schulterendoprothetik zu vergleichen. Bessere funktionelle Resultate sind nach inverser Schulterprothetik beschrieben worden (Sirveaux et al. 2006). In dieser französischen Multizenterstudie wurden 10 Patienten mit primär malignen Knochentumoren des proximalen Humerus mit inversen Prothesen ver-
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sorgt. In 4 Fällen kam es zu relevanten Komplikationen, von denen 3 revidiert werden mussten. Bei 7 nachuntersuchten Patienten betrug der alters- und geschlechtskorrelierte Constant-Score 64%, in 4 Fällen konnte die aktive Elevation „wiederhergestellt“ werden. De Wilde berichtete 2004 kasuistisch über einen Patienten, bei dem 10 Jahre nach Resektion des proximalen Humerus eine inverse Prothese implantiert wurde mit postoperativ hervorragender Funktion und einem Constant-Score von 84%. Die Arbeitsgruppe um H. Mankin publizierte kürzlich einen Vergleich zwischen Allografts (n = 31) und Tumorprothesen (n = 26) in der Behandlung von Chondrosarkomen des proximalen Humerus. Sie kommen zu dem Schluss, dass beide Verfahren ihre typischen Komplikationen in sich bergen (z. B. Infekt, Fraktur, Pseudarthrose), dass sie jedoch in Sachen Häu¿gkeit dieser Ereignisse und dem funktionellen Ergebnis miteinander vergleichbar sind. Verglichen mit anderen Lokalisationen (Femur, Tibia, Becken), stellen Chondrosarkome des Schultergürtels eher eine Seltenheit dar (64 von 499 Fällen) und scheinen zudem eine bessere Prognose zu haben (Mourikis et al. 2007). Die Arbeitsgruppe um Szendroi berichtete über ihre Ergebnisse nach Resektion von primären und sekundären Tumoren des Schultergürtels (Ewerbeck u. Rickert 2002). Es wurden aus der Zeit 1981–2001 91 Patienten eingeschlossen, bei denen es sich um 64 primäre und 27 sekundäre Knochentumore handelte. Es wurden 66 Resektionen des proximalen Humerus, 20 Skapulektomien und 5 Resektionen in der Technik nach Tikhoff-Linberg vorgenommen. Die Rekonstruktion des proximalen Humerus erfolgte mittels Tumorprothese (n = 41), Fibulatransplantat (n = 19) oder mittels Allograft (n = 4). Die besten funktionellen Ergebnisse fanden sich nach partieller Skapularesektion mit Erhalt der glenoidalen GelenkÀäche (durchschnittlich 4,42 von 5 Punkten im MSTS-Score; 88%) und die schlechtesten Resultate fanden sich nach TikhoffLinberg-Resektionen unter Verwendung einer Tumorprothese zur Defektüberbrückung (durchschnittlich 3,17 von 5 Punkten im MSTS-Score; 63%). Interessant ist der Vergleich der Fibulatransplantate [n = 10 in der Nachuntersuchung (NU)] mit den Tumorprothesen (n = 14 in der NU) nach Resektion des proximalen Humerus. Hier schnitten die Fibulatransplantate mit einem durchschnittlichen MSTS-Score von 4,14 (83%) deutlich besser ab als die Prothesen mit einem Wert von 3,29 (66%). Die Erklärung hierfür liegt darin
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begründet, dass es sich bei den Patienten mit Fibulatransplantaten in der Mehrzahl um gutartige Tumoren handelte, die keine allzu radikale Resektion erforderlich machten und bei denen die Rotatorenmanschette an das Transplantat re¿xiert werden konnte. Hierdurch kam es zu einer akzeptablen und schmerzfreien Schulterfunktion mit guter Verwendbarkeit der Hand. Die Befunde der Patienten, die mit einer Tumorprothese versorgt wurden, waren ausschließlich maligner Natur und machten eine Resektion der Sehnenansätze erforderlich. Hieraus resultierte bei weitestgehender Schmerzfreiheit eine eingeschränkte Elevation (1,07 von 5,0) mit Einschränkungen bei täglichen Verrichtungen und damit herabgesetzter Zufriedenheit (Prothese 4,07 von 5,0; Fibula 4,67 von 5,0). Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass alle genannten Verfahren in der Lage sind, die Schmerzen der Patienten nennenswert zu lindern und eine gute feinmotorische Verwendbarkeit der Hand zu gewährleisten. Die Lebensqualität und die Zufriedenheit der Patienten werden jedoch auch maßgeblich von der aktiven Verwendbarkeit der Gliedmaße bestimmt, die nur mit Einschränkungen in Aussicht gestellt werden kann.
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Postoperative Maßnahmen
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T. Ambacher
Im Gegensatz zum weitgehend standardisierten Vorgehen bei der präoperativen Diagnostik und der Operationstechnik bestehen bei den postoperativen Maßnahmen noch keine einheitlichen Empfehlungen. Diese Thematik wird sowohl in der Literatur als auch auf Tagungen nicht oder wenn überhaupt, dann meist nur beiläu¿g erwähnt. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man berücksichtigt, dass die Schulterendoprothetik im Vergleich zur Prothesenversorgung an peripherer gelegenen Gelenken in der Regel mit erheblich stärkeren perioperativen Schmerzen behaftet ist und dass meist eine längerfristige Nachbehandlung erforderlich ist, deren Quantität und Qualität das Endergebnis maßgeblich beeinÀussen. Bei der postoperativen Schmerztherapie wird häu¿g nicht die gesamte Bandbreite der zur Verfügung stehenden Maßnahmen genutzt. Die Notwendigkeit und Dosierung einer Thromboseprophylaxe nach Endoprothesenimplantation am Schultergelenk wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Hinsichtlich der physiotherapeutischen Nachbehandlung besteht eine erhebliche Variabilität der Konzepte zwischen unterschiedlichen Operateuren. Die Optimierung der postoperativen Maßnahmen könnte in Zukunft zu einer schnelleren Wiedererlangung einer schmerzarmen Schulterfunktion beitragen.
7.1 Verband und Lagerung Der erforderliche Verband und die Lagerungsmaßnahmen sollten vom Operateur bereits vor dem Eingriff mit dem Patienten besprochen werden, damit sich die-
ser auf Art und Dauer der Ruhigstellung der Schulter einstellen kann. Es hat sich bewährt, dem Patienten bereits am Aufnahmetag die für ihn vorgesehene Schulterorthese zu demonstrieren und anzupassen sowie den Patienten in den Gebrauch einzuweisen. Während der ersten Tage nach dem Eingriff sollte bei der Visite die korrekte Lage der Orthese überprüft werden. Meistens ist es zweckmäßig, dass durch die Physiotherapeuten kontrolliert wird, ob der Patient selbstständig in der Lage ist, die Orthese an- und abzulegen. Sofern dies dem Patienten nicht möglich ist, sollte der Lebenspartner oder das weiterversorgende PÀegepersonal entsprechend eingewiesen werden. Neben der Orthesenversorgung ist vor allem in den ersten postoperativen Tagen auch eine an die Prothesenversorgung angepasste Lagerung des Armes im Bett hilfreich, um das Gelenk zu entlasten und zu einer Schmerzreduktion beizutragen. Günstig ist in den meisten Fällen eine Hochlagerung des Oberkörpers in einem Winkel von 30–50°. Diese Lagerung sollte in der ersten postoperativen Woche auch nachts beibehalten werden. Der Oberarm kann zusätzlich mit einem Kissen unterlagert werden, um eine schmerzhafte Extension mit Spannung auf die ventral durchtrennten und re¿xierten Strukturen zu verhindern.
7.1.1 Frakturprothese Limitierender Faktor der Nachbehandlung von Frakturprothesen ist die Stabilität der re¿xierten Tuberkula. Üblicherweise wird ein Zuggurtungssystem über nichtresorbierbare Fäden verwendet, um eine
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_7, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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möglichst stabile Fixation der Tuberkula untereinander, an die Prothese und an den Schaft zu erreichen. Eine sofortige aktive funktionelle Nachbehandlung erscheint in den meisten Fällen zu riskant, so dass eine temporäre Immobilisierung in einer Schulterschlinge oder in einem Abduktionskissen empfohlen wird. Wir favorisieren eine Ruhigstellung über 4 Wochen in einer Abduktionsschlinge von ca. 15°, um die Tuberkula¿xation bis zur stabilen Weichteilüberbrückung zu entlasten (Abb. 7.1). Aus der Schlinge heraus erfolgt ab dem 2. postoperativen Tag die Gelenkmobilisierung. Die Schlinge wird in der 5. Woche abtrainiert und nach 6 Wochen nicht mehr getragen.
7.1.2 Hemi- und Totalendoprothese Hemi- und Totalendoprothesen werden in der Mehrzahl der Fälle über einen deltoideopektoralen Zugang
T. Ambacher
mit Durchtrennung der Subskapularissehne implantiert. Die Nachbehandlung wird im Wesentlichen von der Dauer der Re¿xation bis zur stabilen Wiedereinheilung der Subskapularissehne bestimmt. Es wird daher empfohlen, dass zum Schutz der Subskapularissehne nachts über 6 Wochen eine Immobilisierung in einem Gilchrist-Verband oder einer Abduktionsschlinge erfolgt. Tagsüber sollte für 2–3 Wochen eine Abduktionsschlinge mit etwa 10–20° Abduktionsstellung des Armes getragen werden, die beim kooperativen Patienten danach tagsüber abgelegt werden kann. Bei mangelhafter Compliance ist im Einzelfall zu entscheiden, ob ggf. auch tagsüber eine längerfristige Sicherung des Gelenkes in einer Orthese sinnvoll ist. Das ständige Tragen eines Gilchrist-Verbandes ist nicht zu empfehlen, da die dabei eingenommene starke Innenrotation das Auftreten einer erneuten Innenrotationskontraktur begünstigt und zu einer vermehrten Translation des Oberarmkopfes in die bereits präoperativ vorhandene posteriore Subluxationsstellung führen kann. Die Orthese sollte so angelegt werden, dass sich das Schultergelenk bezüglich der Rotation in Neutralstellung oder leichter Innenrotation von 10° be¿ndet.
7.1.3 Inverse Prothese
Abb. 7.1. Postoperative Lagerung des operierten Armes in einer Orthese mit leichter Abduktion und Innenrotation im Schultergelenk
Bei inversen Prothesensystemen führt die Prothesenimplantation zu einer deutlichen Spannungserhöhung in der Deltamuskulatur. Diese kann so hoch sei, dass eine Stressfraktur des Akromions provoziert werden kann. Um die Deltamuskulatur an die Vorspannung zu gewöhnen, wird von den meisten Operateuren eine temporäre Entlastung in einer Schulterschlinge oder einem Abduktionskissen für einen Zeitraum von 3–4 Wochen empfohlen. Die Nachbehandlung wird ab dem 2. postoperativen Tag aus der Schlinge heraus aktiv funktionell durchgeführt. In Rückenlage des Patienten auf dem Kopfkissen kann der Oberarm über eine größere Strecke nach hinten absinken. Bei nicht ausreichender Vorspannung der Muskulatur und bei Weichteildefekten nach Voroperationen kann diese Position eine Luxation der Prothese nach ventral provozieren. Um dieses Risiko zu minimieren, sollte der Oberarm durch ein zusätzliches Kissen unterlagert werden.
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Postoperative Maßnahmen
Sofern die inverse Prothese im Rahmen eines Prothesenwechsels eingesetzt wird, besteht infolge des häu¿g erweiterten Zuganges und der ausgedehnten Weichteildefekte ein erhöhtes Luxationsrisiko. In diesen Fällen kann es sinnvoll sein, die Prothese über einen Zeitraum von 2–3 Wochen in einer Abduktionsschlinge vollständig bis zur Ausbildung einer Pseudokapsel zu immobilisieren, die einen zusätzlichen Luxationsschutz gewährt.
7.2 Postoperative Schmerztherapie (s. auch Abschn. 4.3) Eingriffe am Schultergelenk sind, insbesondere wenn sie die Rotatorenmanschette und den Subakromialraum tangieren, häu¿g hochgradig schmerzhaft. In den ersten Tagen nach der Operation wird von den Patienten im Vergleich zur Hüft- und Kniegelenksendoprothetik der Wundschmerz nach Implantation einer Schulterprothese häu¿g als deutlich schmerzhafter empfunden. Die Patienten beklagen vor allem erhebliche nächtliche Schmerzen. Daher ist es wichtig, die Patienten bereits im Rahmen der Operationsvorbereitung über die Notwendigkeit und die verschiedenen Möglichkeiten der Schmerztherapie zu informieren. Eine alleinige intravenöse Schmerztherapie führt häu¿g unmittelbar postoperativ im Aufwachraum zu massiven Schmerzen, die nur durch grenzwertig hohe Dosen von Opiaten beherrschbar sind. Eine akzeptable Schmerzreduktion ist dadurch meistens nicht möglich. Die Emp¿ndung des Patienten, dass durch die verabreichten Analgetika keine zufriedenstellende Schmerzreduktion eintritt, führt im weiteren Verlauf zu einer subjektiven Verstärkung der Schmerzemp¿ndung mit erhöhtem Verbrauch von Analgetika und verzögerter Rehabilitation. Daher ist es sinnvoll, bereits intraoperativ durch direkte In¿ltrationen in das Operationsgebiet oder über spezielle Plexuskatheter die Voraussetzungen für eine schmerzarme Situation in der Aufwachphase des Patienten zu schaffen. Diese Maßnahmen senken erheblich den Verbrauch von oralen und intravenösen Analgetika, vermeiden deren Nebenwirkungen und ermöglichen eine schnellere postoperative Mobilisation (Dorman et al. 1994).
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7.2.1 Zervikale Schmerzkatheter Zervikale Schmerzkatheter werden häu¿g routinemäßig für Eingriffe am Schultergelenk eingesetzt (Büttner u. Meier 2006; Chao et al. 2006; Delaunay et al. 2005; Dorman et al. 1994; Faryniarz et al. 2006; Kean et al. 2006; Lathipalo et al. 1999; Singelyn et al. 1999). Voraussetzung ist die Zusammenarbeit mit einem auf diesem Gebiet erfahrenen Anästhesisten. Bei korrekter Platzierung der Katheterspitze entlang des Plexus führt die Katheterin¿ltration mit einem Lokalanästhetikum zu einer weitgehenden Schmerzbefreiung. Üblicherweise wird der Katheter vom Anästhesisten unmittelbar präoperativ im Rahmen der Narkoseeinleitung im Vorbereitungsraum angelegt. Nach In¿ltration von 30 ml eines Lokalanästhetikums kann die Wirksamkeit überprüft werden. Die präoperative Katheterin¿ltration hat darüber hinaus den Vorteil, dass der Verbrauch von Narkotika reduziert ist. Dies führt zu einer beschleunigten Aufwachphase mit Reduktion der möglichen Nebenwirkungen der Anästhesiemedikamente (Übelkeit, Erbrechen, Hypotonie u. Ä.). Prospektive Studien haben nachgewiesen, dass Plexuskatheter zu einer erheblichen Verminderung der postoperativen Schmerzen mit reduziertem Verbrauch von oralen und intravenösen Analgetika führen (Chao et al. 2006; Delaunay et al. 2005; Dorman et al. 1994; Faryniarz et al. 2006; Ilfeld et al. 2005; Kean et al. 2006; Lathipalo et al. 1999). Sofern man sich zur Anlage eines zervikalen Schmerzkatheters entschließt, sollte – wenn immer möglich – ein Winnie-Katheter favorisiert werden. Dieser kann bei idealer Platzierung der Katheterspitze zu einer nahezu schmerzfreien postoperativen Situation führen, da die Anästhesie den gesamten Schultergürtel umfasst (Chao et al. 2006; Delaunay et al. 2005; Dorman et al. 1994; Faryniarz et al. 2006; Ilfeld et al. 2005; Abb. 7.2a, b). Sofern ein supraklavikulärer Katheter infolge von zervikalen Voroperationen oder anatomischen Varianten nicht möglich ist, besteht noch die Option der Anlage eines infraklavikulären Katheters, der jedoch nicht den gesamten kranialen Abschnitt des Schultergürtels mit erfasst, sodass zwar eine deutliche Schmerzreduktion erreicht werden kann, jedoch keine vollständig schmerzfreie Situation (Büttner u. Meier 2006; Abb. 7.3).
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T. Ambacher
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Abb. 7.2a, b. Supraklavikuläre Plexusblockade durch Interskalenuskatheter (Winnie-Katheter)
Abb. 7.3. Vertikale infraklavikuläre Plexusblockade (VIP).
Postoperativ werden über die Katheter in regelmäßigen Abständen oder auf Verlangen des Patienten 30 ml eines Lokalanästhetikums in¿ltriert. Möglich ist auch eine kontinuierliche Infusion des Lokalanästhetikums über eine Pumpe. Signi¿kante Differenzen hinsichtlich der Wirksamkeit zwischen Bolusapplikation und kontinuierlicher Infusion lassen sich nicht nachweisen (Chao et al. 2006; Kean et al. 2006; Lathipalo et al. 1999; Singelyn et al. 1999). Sofern aus unterschiedlichen Gründen eine zervikale Katheteranlage nicht gewünscht oder nicht möglich ist, kann präoperativ nach Intubation eine supra- oder infraklavikuläre Plexusblockade durch lokale In¿ltration mit 30–40 ml eines langsam resor-
bierbaren Lokalanästhetikums erfolgen. Dies führt je nach Halbwertszeit des Lokalanästhetikums und Lokalisation der In¿ltration zu einer Schmerzreduzierung über 12–18 Stunden. Bei Verwendung zervikaler Katheter und In¿ltrationen muss allerdings darauf geachtet werden, dass sowohl die ärztlichen Mitarbeiter als auch das PÀegepersonal über die Risiken und Nebenwirkungen sowie die erforderlichen therapeutischen Maßnahmen im Falle einer Komplikation informiert und geschult sind. Überdosierungen können zu einer kompletten Lähmung der betroffenen Extremität führen. Die Symptome sind nach Resorption des Lokalanästhetikums reversibel. In Abhängigkeit von der Lage der Katheterspitze können eine vorübergehende Heiserkeit und ein Horner Syndrom (Lidschluss, enge Pupille) auftreten, die ebenfalls nach Resorption des Lokalanästhetikums voll reversibel sind. Die Patienten müssen entsprechend informiert und beruhigt werden. Fehlplatzierungen des Katheters können bei intraspinaler Lage zu intubationspÀichtigen Atemlähmungen führen. Nach Befüllung des Katheters tritt innerhalb von 1–2 min eine zunehmende Dyspnoe auf. In leichteren Fällen mit noch ausreichender Atemkapazität ist eine Überwachung auf der Intensivstation in Intubationsbereitschaft ausreichend. Bei Ausbildung einer kompletten Atemlähmung ist die Intubation und temporäre Beatmung bis zur Resorption des Lokalanästhetikums unvermeidlich. In jedem Fall ist bei derartigen Zwischenfällen umgehend der Anästhesist
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Postoperative Maßnahmen
zu benachrichtigen. Weitere Komplikationen einer Fehlpunktion sind Gefäßverletzung mit Ausbildung größerer Hämatome, die in der Regel allerdings keine operative Intervention erfordern, sowie die Verletzung der Pleurakuppel mit Ausbildung eines Pneumothorax. Postoperative Dyspnoe und/oder Thoraxschmerzen bei zervikalen Punktionen und Kathetern erfordern daher die Röntgen-Thorax-Kontrolle. In den meisten Fällen kann die Spontanresorption des Pneumothorax abgewartet und die Anlage einer Thoraxdrainage vermieden werden. Lokale Katheterinfektionen sind selten und treten nur bei längerer Liegezeit des Katheters auf. Bei Vorliegen einer Katheterfehllage oder sonstigen Komplikationen darf dieser nicht mehr befüllt werden. Der Katheter ist dann zu entfernen (Chao et al. 2006; Delaunay et al. 2005; Dorman et al. 1994; Faryniarz et al. 2006). Üblicherweise werden die Katheter für mindestens 2–3 Tage belassen. Infolge lokaler Manipulationen tritt meist nach einigen Tagen eine Verschiebung der Katheterspitze auf, so dass die Katheterin¿ltration nur noch eine eingeschränkte oder im Extremfall keine Wirkung mehr hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der Katheter zu entfernen.
7.2.2 Intraoperative Infiltration Bei zervikalen Voroperationen oder Verletzungen, anatomischen Varianten, bei Ablehnung durch den Patienten oder wenn der zuständige Anästhesist mit zervikalen Kathetern nicht vertraut ist, können diese Verfahren nicht eingesetzt werden. Um die massiven postoperativen Schmerzen in den ersten Stunden nach Beendigung der Anästhesie in Grenzen zu halten, kann als Alternative die In¿ltration von 30 ml eines Lokalanästhetikums mit möglichst langer Halbwertszeit (z. B. Naropin) subkutan und fächerförmig in die Tiefe direkt in das Operationsgebiet empfohlen werden. Die In¿ltration erfolgt zum Ende der Operation nach der Hautnaht. Diese Methode ist einfach, zeit- und kostensparend sowie nahezu komplikationsfrei. Die eigenen Erfahrungen mit dieser Methode an über 100 Patienten, die mit einer Schulterendoprothese versorgt wurden, zeigen eine so hochgradige Verminderung der postoperativen Schmerzen, dass die Situation problemlos durch die üblichen intravenösen und oralen Analgetika beherrscht werden kann.
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7.2.3 Schmerzpumpe Für den Fall, dass ein Plexuskatheter zur Schmerztherapie nicht angelegt werden kann, stellt die Schmerzpumpe eine sinnvolle Alternative zur postoperativen Schmerztherapie dar. Die derzeit gebräuchlichen Pumpen beinhalten üblicherweise eine für 24 Stunden berechnete Höchstdosis eines Morphinpräparates. Vom Patienten kann in Abhängigkeit von der subjektiven Schmerzemp¿ndung auf Knopfdruck ein Bolus des Analgetikums über einen intravenösen Katheter verabreicht werden. Eine Überdosierung ist durch entsprechende Regler in der Pumpe ausgeschlossen. Der Vorteil der Pumpe liegt darin, dass der Patient die Schmerzmittelgabe eigenständig steuern kann, so dass die analgetische Wirkung sofort bei zunehmenden Schmerzen einsetzt. Diese Methode wird daher auch als patientenkontrollierte Analgesie (PCA) bezeichnet. Dadurch erhält der Patient das Gefühl, dass er die Schmerzen jederzeit beherrschen kann; dies führt normalerweise zu einer Reduzierung der Gesamtdosis an Analgetika und hohe Schmerzintensitäten werden vermieden (Chao et al. 2006). Ohne Schmerzpumpe sind die Patienten zumindest für die intravenöse Schmerztherapie auf das PÀegepersonal angewiesen. Häu¿g führt dies zu einer verzögerten Applikation des Analgetikums, wobei dann über längere Zeiträume massive Schmerzspitzen für die Patienten entstehen können, die dann nur durch erhöhte Dosierungen zu beherrschen sind. Alternativ zur intravenösen Injektion können die Schmerzpumpen wie unter 7.2.1 beschrieben auch zur kontinuierlichen Infusion eines Lokalanästhetikums über den Plexuskatheter verwendet werden (Delaunay et al. 2005; Kean et al. 2006; Lathipalo et al. 1999; Singelyn et al. 1999).
7.2.4 In-situ-Schmerzkatheter mit Pumpe Eine noch neuere Alternative zu den intravenösen Schmerzpumpen stellen Pumpensysteme dar, bei denen bereits intraoperativ unter sterilen Bedingungen ein Katheter in das Operationsgebiet eingelegt wird. Der Katheter ist mit einer Pumpe verbunden, die mit einem Lokalanästhetikum gefüllt ist. Die
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Pumpe appliziert über 24 Stunden kontinuierlich eine zuvor berechnete Menge eines Lokalanästhetikums. Dadurch kann eine anhaltende Anästhesie des Operationsgebietes erreicht werden. Die Wirkung ist allerdings stark von der Katheterlage abhängig. Aktuell wird die Honorierung dieser Schmerzpumpen nur für ambulant behandelte Patienten übernommen, so dass bei Verwendung für Patienten mit Schulterendoprothesen die Kosten in die DRG-Kalkulation mit einbezogen werden müssen (Chao et al. 2006; Delaunay et al. 2005).
7.2.5 Intravenöse und orale postoperative Schmerztherapie Zur postoperativen Schmerztherapie nach Endoprothesenimplantation am Schultergelenk hat sich die Angabe eines „Standards“ zur Schmerztherapie bewährt. Dadurch kann ohne Zeitverzögerung auf der Station vom PÀegepersonal mit der medikamentösen Schmerztherapie begonnen werden. Üblicherweise wird vom Operateur nach Beendigung des Eingriffs entweder am PC oder als Schriftstück ein Bogen mit postoperativen Anweisungen angelegt. Hier sollte neben den Angaben zur Operation, Besonderheiten, Mobilisierung auch eine Angabe zur Schmerztherapie erscheinen. Sofern Abweichungen vom „Standard“ erforderlich sind, müssen diese hier vermerkt sein. Patienten mit einem Plexuskatheter erhalten 3- bis 4-mal täglich in regelmäßigen Abständen eine Applikation von 30 ml eines Lokalanästhetikums über den Katheter. Bei korrekter Platzierung der Katheterspitze ist eine zusätzliche intravenöse Schmerzmittelgabe in der Regel nicht erforderlich. Auf Verlangen des Patienten können zusätzlich nichtsteroidale Antirheumatika mit guter analgetischer Wirkung und/oder peripher wirksame Analgetika gegeben werden. Für endoprothetisch versorgte Patienten ohne Plexuskatheter wird als Schmerzmittelstandard in der Regel eine Kombination verschiedener Analgetika angewendet. In den ersten 2–3 Tagen ist neben der oralen Analgetikagabe in der Regel eine zusätzliche intravenöse Schmerztherapie notwendig, um eine schmerzarme Situation zu erreichen. Folgende 3 Analgetika sind als Basismedikation zu empfehlen:
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1. Nichtsteroidale Antirheumatika: Ibuprofen bis 4-mal 400 mg/Tag oder Diclofenac bis 3-mal 50 mg/Tag 2. Peripher wirksame Analgetika: Metamizol bis 3-mal 1000 mg/Tag 3. Opioide: Tramadol bis 3-mal 100 mg/Tag oder Valoron bis 3-mal 100 mg/Tag Zusätzlich nach Bedarf bis zu 3-mal 1 g Paracetamol, bei starken Schmerzen insbesondere zur Nacht während der ersten 2–3 postoperativen Tage, Dipidolor i. v. als Kurzinfusion bis zu 1 Ampulle im Abstand von etwa 8 Stunden.
7.2.6 Zusätzliche analgetisch wirksame Maßnahmen Neben der medikamentösen Therapie können zusätzlich lokale physikalische Maßnahmen zur Schmerztherapie angewendet werden. Von einigen Patienten werden lokale Kälteanwendungen als angenehm empfunden. Hierzu können lokale Kälte-Gelkissen oder ein Kryo-Cuff angelegt werden. Schmerzhafte postoperative Schwellungen des Armes können durch entsprechende Lagerung, Lymphdrainage, Kompressionsverbände und Aktivierung der Muskelpumpe durch einen Handschwamm behandelt werden. Auch die Lagerung des Armes hat einen wesentlichen EinÀuss auf die Schmerzsituation. Die Position des Armes in der Orthese sollte so gewählt werden, dass sie vom Patienten möglichst angenehm empfunden wird. Im Bett sollte der betroffene Arm mit einem Lagerungskissen unterstützt sein. Es ist empfehlenswert, mehrmals täglich den Arm aus der Orthese zu nehmen, damit das Ellenbogengelenk vorübergehend gestreckt gelagert und aktive Bewegungen im Ellbogen erfolgen können. Bei ständiger Immobilisierung in gebeugter Stellung des Ellenbogens entwickelt ein Teil der Patienten Schmerzen im Bereich des Ellenbogens und Oberarmes.
7.3 Thromboseprophylaxe Nach Implantation einer Schulterendoprothese sind Thrombosen der Armvenen, die zu klinischen Symptomen führen, außerordentlich seltene Ereignisse.
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Postoperative Maßnahmen
In der Literatur ¿nden sich nur Einzelfallberichte (Bernardi et al. 2006; Hingorani et al. 2006; Lyman et al. 2006; Saleem u. Markel 2001; Sperling u. Co¿eld 2002). Dementsprechend bestehen bislang auch keine einheitlichen Empfehlungen zur postoperativen Thromboseprophylaxe. Teilweise wird eine medikamentöse Thromboseprophylaxe in Anlehnung an die Endoprothesenversorgung an den unteren Extremitäten mit niedermolekularen Heparinen durchgeführt. Einige Operateure verzichten vollständig darauf. Der Nutzen einer medikamentösen Thromboseprophylaxe muss den Risiken und Nebenwirkungen der Behandlung gegenübergestellt werden. Anhand der Datenlage erscheint keine absolute Indikation für eine routinemäßige postoperative Heparintherapie zu bestehen (Hingorani et al. 2006; Lyman et al. 2006; Sperling u. Co¿eld 2002).
7.3.1 Physikalische Maßnahmen Unter dem Gesichtspunkt der Thromboseprophylaxe sollte ab dem 1. postoperativen Tag mit aktiven Übungen der Unterarm- und Oberarmmuskulatur zur Aktivierung der Muskelpumpe begonnen werden. Die Patienten sollten hierzu einen Handschwamm erhalten und das Ellenbogengelenk sollte mehrmals täglich aktiv bewegt werden. Zur Vermeidung peripherer Schwellungen können Kompressionsverbände angelegt oder ein Kompressionsstrumpf getragen werden. Eine längerfristige rechtwinklige Abwinkelung im Ellenbogengelenk sollte vermieden werden. Der Arm sollte mehrmals täglich aus der Orthese herausgenommen und in gestreckter Position gelagert werden. Lokale Eisanwendungen können den Blutumlauf beschleunigen und wirken zusätzlich abschwellend und analgetisch.
7.3.2 Medikamentöse Thromboseprophylaxe An den unteren Extremitäten existieren eindeutige Vorgaben zur medikamentösen Thromboseprophylaxe. Wie bereits eingangs erwähnt, bestehen hinsichtlich einer medikamentösen Thromboseprophylaxe nach Endoprothesenversorgung der Schulter keine verbindlichen Empfehlungen. Diese Fragestellung ist bislang
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weder in der Literatur noch auf Tagungen Gegenstand der Diskussion. In der täglichen Praxis wird nach den Vorgaben des Operateurs verfahren oder die sonst in der Abteilung übliche Thromboseprophylaxe durchgeführt. Die Frage, ob eine medikamentöse Thromboseprophylaxe nach Schulterprothesenimplantation tatsächlich sinnvoll und erforderlich ist, kann derzeit nicht eindeutig beantwortet werden, da objektive Daten zum Thromboserisiko nach Schulterprothesenimplantation nicht vorliegen. Eine niedermolekulare prophylaktische Heparinisierung für die Dauer des stationären Aufenthaltes würden wir bei internistischen Vorerkrankungen mit generell erhöhtem Thromboserisiko empfehlen (z. B. schwere Herzinsuf¿zienz, stattgehabter Apoplex, Herzrhythmusstörungen) sowie bei allen Patienten, die bereits präoperativ gerinnungshemmende Medikamente infolge unterschiedlichster Vorerkrankungen einnehmen (Lyman et al. 2006). Für Patienten, bei denen sich aufgrund von Vorerkrankungen kein erhöhtes Thromboserisiko ergibt, können nach derzeitiger Datenlage keine eindeutigen Empfehlungen gegeben werden. Wir verfahren so, dass in diesen Fällen bis zum 2. postoperativen Tag eine Low-dose-Heparinisierung mit einem niedermolekularen Heparin durchgeführt wird. Mit diesem Konzept wurde im eigenen Patientengut in den vergangenen 5 Jahren keinen Fall einer symptomatischen Armvenenthrombose oder einer Lungenembolie beobachtet.
7.4 Klinische und laborchemische Kontrollen Um postoperative Probleme und Komplikationen rechtzeitig zu erkennen, ist die postoperative routinemäßige Kontrolle verschiedener klinischer und laborchemischer Parameter empfehlenswert. Zur Beurteilung des Verlaufs und auch aus forensischen Gründen sollten diese Daten in der Patientenakte dokumentiert werden.
7.4.1 Klinische Parameter Postoperativ emp¿ehlt sich, bei Schulterendoprothesen folgende klinische Parameter zu kontrollieren
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und die Befunde in der Patientenakte zu dokumentieren: Ɣ Durchblutungsverhältnisse, Ɣ Motorik Hand, Ellbogen, Deltamuskulatur, Ɣ Sensibilität peripher und im Dermatom des N. axillaris, Ɣ Trockenheit des Verbandes, Ɣ Fördermenge der Redondrainagen, Ɣ Wundstatus: Sekretion, Dehiszenz, Hautschäden, Ɣ subjektive Schmerzangaben, Ɣ Besonderheiten im Rahmen der Mobilisierung. Am Operationstag sollten bei der ersten Visite die Durchblutungssituation, die Sensibilität und die Motorik am betroffenen Arm kontrolliert und der erhobene Befund dokumentiert werden. Die Überprüfung der Funktion des M. deltoideus zum Ausschluss einer N.-axillaris-Läsion ist am frisch operierten Schultergelenk in den ersten Tagen nicht oder nur eingeschränkt möglich. Es kann jedoch die Sensibilität im zugehörigen Dermatom untersucht werden. Plexusschäden, die gelegentlich auftreten, sind meistens Folge von Überdehnungen durch starken Hakenzug oder Hebeldruck der zur posterioren Luxation des Humeruskopfes bei der Implantation der Glenoidkomponente erforderlich sein kann. In der Regel bilden sich die Paresen innerhalb weniger Wochen wieder vollständig zurück. Aus forensischen Gründen emp¿ehlt sich die konsiliarische Vorstellung bei einem neurologischen Facharzt noch während des stationären Aufenthaltes. Bei der Visite ist das subjektive Schmerzemp¿nden des Patienten zu erfragen. Gegebenenfalls muss im Einzelfall bei starken Schmerzen die Schmerztherapie in Zusammenarbeit mit dem Anästhesisten/Schmerztherapeuten individuell angepasst werden. In den ersten beiden postoperativen Tagen sind engmaschige Kontrollen des Verbandes und der Fördermenge der Redondrainagen erforderlich, um relevante Nachblutungen rechtzeitig zu erkennen. Die Drainagen werden bei problemlosem Verlauf am 2. oder 3. Tag entfernt. Bis dahin sollte der im Operationssaal angelegte Verband belassen werden. Beim ersten Verbandswechsel ist der Wundstatus zu dokumentieren. Geachtet werden muss auf Rötungen, Schwellungszustände und Sekretion aus dem Wundbereich. Bei den Visiten sollte auf die vom PÀegepersonal morgens und abends gemessene Körpertemperatur
T. Ambacher
geachtet werden. Richtungsweisend auf eine Infektion sind insbesondere abendliche Fieberzacken über 38°C.
7.4.2 Laborchemische Parameter 7.4.2.1 Infektkontrolle Auch wenn sich anhand des klinischen Befundes kein Anhalt für eine postoperative Infektion ergibt, sollte während des stationären Aufenthaltes mindestens einmalig eine Kontrolle der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und des c-reaktiven Proteins (CRP) durchgeführt werden. Diese Werte können, wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt klinische Symptome für eine Protheseninfektion ergeben, als Referenzparameter herangezogen werden. Richtungsweisend ist immer ein weiterer Anstieg des CRP-Wertes im Verlauf (Ambacher et al. 2001; Schwyzer et al. 1995). Sofern sich klinische Anzeichen für einen postoperativen Frühinfekt ergeben oder ein übermäßig hoher erster postoperativer CRP-Wert vorliegt, sollte dieser in jedem Fall nach 2–3 Tagen nochmals überprüft werden. Bei einem weiteren CRP-Anstieg bei der Verlaufskontrolle ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer Infektion auszugehen und im Zweifelsfall die operative Revision gerechtfertigt, auch wenn die klinischen Parameter nicht eindeutig sind. Bei einem akuten postoperativen Frühinfekt ist mit einer erhöhten Senkungsgeschwindigkeit zu rechnen. Die BSG-Werte sind allerdings im Vergleich zu den CRP-Werten bei akut verlaufenden Infektionen weniger aussagekräftig, da ein Anstieg häu¿g erst verzögert eintritt. Die BSG-Werte können allerdings bei Spätinfektionen und chronischen Infektzuständen sehr hilfreich sein (Ince et al. 2004; Schwyzer et al. 1995). 7.4.2.2 Kontrolle von Blutbild-, Gerinnungsund Elektrolytwerten Die Kontrolle von Blutbild-, Gerinnungs- und Elektrolytwerten ist abhängig vom Verlauf der En-
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Postoperative Maßnahmen
doprothesenimplantation, den Vorerkrankungen, eingenommenen Medikamenten und dem Allgemeinzustand des Patienten. Multimorbide Patienten verbringen in der Regel die erste postoperative Nacht auf einer Intensivstation mit Monitorüberwachung. In diesen Fällen erfolgt routinemäßig eine engmaschige Kontrolle sämtlicher Blutwerte unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen und eingenommenen Medikamenten, die sich z. B. auf die Blutgerinnung und die Elektrolyte auswirken können. Patienten ohne oder mit nur leichteren Vorerkrankungen in gutem Allgemeinzustand werden nach einer kurzen Überwachungsphase im Aufwachraum auf die periphere Station verlegt. Üblicherweise wird in diesen Fällen während und zum Ende des Eingriffs vom Anästhesisten eine Kontrolle des Hämoglobinwertes über eine Blutgasanalyse vorgenommen. Die Werte sind ausreichend exakt, um relevante Abfälle des Hämoglobinwertes, die ggf. weitere Kontrollen oder eine Transfusion erfordern, zu erfassen. Eine erste postoperative Kontrolle der Blutbild- und Elektrolytwerte sollte bei komplikationslosem Verlauf des Eingriffs am Abend des Operationstages oder spätestens am nächsten Morgen erfolgen. Bei Patienten, die aufgrund von Vorerkrankungen gerinnungshemmende Medikamente eingenommen haben, ist darüber hinaus auch eine Kontrolle der Gerinnungswerte (INR, Quick, PTT) erforderlich. Sofern die erste Kontrolle dieser Werte keine Auffälligkeiten ergibt, ist bei problemlosem Verlauf eine weitere laborchemische Blutuntersuchung nicht zwingend erforderlich, wird jedoch häu¿g auch unter Berücksichtigung forensischer Gesichtspunkte am Tag vor der geplanten Entlassung nochmals durchgeführt.
7.5 Perioperative Röntgendiagnostik Die Dokumentation des Operationsresultates nach Endoprothesenimplantation am Schultergelenk erfordert zwingend eine Röntgenkontrolle des Schultergelenkes in 2 Ebenen, bevor der Patient aus der stationären Behandlung entlassen wird. Dadurch können intraoperative Frakturen, Fehlstellungen und Luxationen ausgeschlossen werden. Das erste postoperative Röntgenbild dient als Referenz für weitere Kontrolluntersuchungen.
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Abb. 7.4 . Intraoperative Durchleuchtung zur Bestimmung der korrekten Höhe einer Frakturprothese. Die Tuberkula müssen stufenlos zwischen dem Unterrand des Prothesenkopfes und der subkapitalen Frakturzone eingepasst werden
7.5.1 Intraoperative Durchleuchtung und Dokumentation Bei der Frakturendoprothetik sollte routinemäßig nach Einsetzen des Testimplantates eine intraoperative Durchleuchtung erfolgen, um die korrekte Höhe der Prothese zu dokumentieren (Abb. 7.4). Die Tuberkula müssen im Idealfall stufenlos zwischen dem Unterrand des Prothesenkopfes und der subkapitalen Frakturlinie eingepasst werden. Ohne Durchleuchtungskontrolle kann es leicht zu Fehleinschätzungen der Prothesenlage kommen. Häu¿g werden Frakturprothesen zu hoch implantiert. Am Operationsende ist dann zusätzlich das Ergebnis mit dem de¿nitiven Implantat unter Durchleuchtung oder durch konventionelle Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen zu dokumentieren (Abb. 7.5a, b). Die elektive Endoprothetik beim Omarthrose-Patienten erfordert nicht zwingend eine intraoperative
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Abb. 7.5a, b. Postoperative Kontrolle der anatomisch korrekten Prothesenhöhe in anteroposteriorer (a) und axialer Projektion (b)
Durchleuchtung, wenn sich im Verlauf des Eingriffs keine Besonderheiten ergeben. Sofern Unsicherheiten bei der Platzierung des Prothesenschaftes bestehen oder sich der Verdacht auf eine iatrogene Humerusschaftfraktur ergibt, kann auf die Kontrolle und Dokumentation der Situation mit dem Bildverstärker nicht verzichtet werden. Zur Überprüfung der Glenoidverankerung ist die Durchleuchtungskontrolle meist wenig hilfreich, da sich das knöcherne Glenoid normalerweise nicht überlagerungsfrei darstellen lässt und Projektionsphänomene eine eindeutige Beurteilung der Implantatlage häu¿g nicht erlauben. Zum Abschluss der Operation sollte auf alle Fälle auch aus forensischen Gründen entweder eine Dokumentation des Operationsergebnisses mit dem Bildverstärker oder eine konventionelle Röntgendiagnostik in 2 Ebenen erfolgen, bevor der Patient den Operationstrakt verlässt. Diese Aufnahmen müssen das komplette Implantat bis unterhalb der Prothesenspitze abbilden. Die Aufnahmen müssen eine Beurteilung der Implantatlage, der korrekten Artikulation und den Ausschluss einer intraoperativen Fraktur erlauben. Hierzu sind eine True-a. p.-Projektion und eine axiale Projektion erforderlich. Der Vorteil der Röntgendiagnostik unter Anästhesie ist, dass auch beim frisch operierten Patienten eine axiale Projektion problemlos möglich ist (Abb. 7.6a, b). Dies ge-
lingt frühpostoperativ aus Schmerzgründen meist nicht, so dass man sich dann mit einer Y-Aufnahme als zweiter Ebene behelfen muss. Diese Projektion erlaubt keine eindeutige Beurteilung der Glenoidverankerung.
7.5.2 Postoperative Röntgenaufnahmen Sofern zum Operationsende bereits korrekt eingestellte Röntgenaufnahmen des Schultergelenkes in 2 Ebenen angefertigt wurden, auf denen keine Besonderheiten zu erkennen sind, ist bei problemlosem klinischem Verlauf mit Ausnahme von Frakturprothesen eine weitere radiologische Kontrolle nach etwa 6 Wochen ausreichend. Bei Frakturprothesen empfehlen wir eine nochmalige Röntgenkontrolle nach etwa 3 Wochen, um eventuelle Dislokationen der Tuberkula frühzeitig zu erkennen, da dann gegebenenfalls noch eine Revision mit Korrektur der Tuberkuladislokation möglich ist. Wenn im Operationssaal lediglich Aufnahmen unter Bildverstärker angefertigt wurden, emp¿ehlt es sich, die erste postoperative Röntgenkontrolle nach Entfernung der Redondrainagen durchzuführen. Aufgrund der Schmerzsituation ist normalerweise die
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Abb. 7.6a, b. Röntgenkontrolle einer Totalendoprothese in a. p.-Projektion (a) zum Abschluss der Operation. Axiale Projektion mit zentrierter Stellung im Glenoid (b)
Einstellung einer axialen Projektion nicht möglich, da der Patient zu diesem Zeitpunkt die erforderliche Abduktion des Gelenkes nicht toleriert. Neben der Truea. p.-Projektion sollte dann als zweite Ebene eine Y-Aufnahme durchgeführt werden. Diese Projektion erlaubt die eindeutige Dokumentation der anatomischen Artikulation und der Lage des Prothesenschaftes. Die Glenoidverankerung kann nicht zweifelsfrei beurteilt werden. Die axiale Projektion muss bei der nächsten radiologischen Kontrolluntersuchung nachgeholt werden.
7.6 Pflegerische Maßnahmen Patienten mit Schulterendoprothesen sind in den meisten Fällen bereits am ersten postoperativen Tag so weit mobil, dass sie sich selbstständig auf der Station bewegen können und sollen. Infolge der vorübergehenden Lagerung des operierten Armes in einer Orthese und der Limitierung der Schulterfunktion benötigen sie jedoch Hilfe beim An- und Ausziehen, bei der Körperhygiene und beim Essen.
7.6.1 Körperhygiene, An- und Ausziehen Anfangs besteht bei vielen Patienten die Angst, mit der Immobilisierung des Armes in der Schulterschlinge nicht zurecht zu kommen. Es ist eine Anleitung zum An- und Ablegen der Schlinge erforderlich. Dies erfolgt meist durch die Physiotherapeuten, aber auch das PÀegepersonal muss in der Lage sein, den Patienten dabei zu unterstützen und die korrekte Lage der Schlinge zu überprüfen. In der Regel sind die Patienten innerhalb von 2–3 Tagen in der Lage, die Orthese selbstständig zu gebrauchen. Bei der Körperhygiene benötigt ein Teil der Patienten anfangs Unterstützung beim Waschen und bei der Toilettenbenutzung. Dies hängt auch vom Allgemeinzustand des Patienten und eventuell vorhandener zusätzlicher Funktionseinschränkungen auf der Gegenseite oder an den unteren Extremitäten ab. Beim An- und Ausziehen der Kleidung benötigen die Patienten in den ersten Tagen Hilfe durch das PÀegepersonal. Zum Zeitpunkt der Entlassung gelingt auch dies meist selbstständig. Hilfreich kann die Verwendung älterer Kleidungsstücke sein, die auf der Seite des operierten Gelenkes längs aufgeschnitten
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werden. Dies erleichtert das Ankleiden erheblich, da die Schlinge dann meist belassen werden kann.
7.6.2 Hilfestellung beim Essen Beim Essen ist es den Patienten anfangs nicht möglich, Brot, Fleisch u. Ä. zu zerkleinern. Das Essen muss daher vom PÀegepersonal so zubereitet werden, dass der Verzehr mit einer Hand mit einer Gabel oder einem Löffel möglich ist.
7.6.3 Überwachung der Lagerung, Mobilisation und Schmerztherapie Die Lagerung von Patienten mit einer Schulterendoprothese kann weitgehend standardisiert werden. Empfehlenswert ist die Unterstützung des operierten Armes durch ein Lagerungskissen. Der Oberkörper sollte in den ersten Tagen, insbesondere nachts, in einem Winkel von 30–50° hochgelagert werden. Dies führt zu einer deutlichen Reduzierung der Schmerzen im Vergleich zur Àachen Rückenlagerung. Die Mobilisation sollte durch das PÀegepersonal mit überwacht werden. Sofern seitens des Allgemeinzustandes keine Besonderheiten vorliegen, sollten die Patienten nach einer Schulterprothesenoperation innerhalb von 1–2 Tagen vollständig mobilisiert und nicht mehr bettlägerig sein. In einigen Kliniken stehen auf der Station CPM-Schienen zur Gelenkmobilisierung zur Verfügung. Einweisung und Einstellung erfolgen in der Regel durch die Physiotherapeuten. Die Bedienung sollte jedoch auch durch das PÀegepersonal möglich sein. Das PÀegepersonal sollte im Rahmen der üblichen Routinekontrollen überprüfen, ob die Schmerztherapie ausreichend ist. Bei den Visiten müssen die Intensität der Schmerzen und mögliche Nebenwirkungen erfragt werden, da nicht alle Patienten eine entsprechende Rückmeldung bei Problemen geben. Bei Problemen ist umgehend der zuständige Stationsarzt zu informieren, damit eine Anpassung der Schmerztherapie erfolgen kann. Sollten zervikale Schmerzkatheter verwendet werden, muss das PÀegepersonal über die möglichen Probleme und Nebenwirkungen (Pneumothorax, Blutung, Atemlähmung, Horner-Syndrom u. a.) aufgeklärt
T. Ambacher
sein und die erforderlichen Sofortmaßnahmen einleiten können. Hierzu sind regelmäßige Unterweisungen durch die zuständigen Anästhesisten notwendig.
7.6.4 Dokumentation von Problemen und Komplikationen Vom PÀegepersonal werden üblicherweise die Fördermengen der Redondrainagen, Status des Verbandes, Blutdruck, Puls, Körpertemperatur sowie die subjektiven Beschwerdeangaben des Patienten dokumentiert. Bei Auffälligkeiten, die einen akuten Handlungsbedarf erfordern (z. B. durchgebluteter Verband infolge Nachblutung), wird in den meisten Fällen der Stationsarzt informiert. Es ist hilfreich, einmal täglich mit dem PÀegepersonal eine Kurvenvisite durchzuführen, da gelegentlich auffällige Befunde zwar dokumentiert, aber nicht an den Arzt weitergeleitet werden. So können Informationsverluste und sich daraus eventuell ergebende weitere Probleme vermieden werden.
7.7 Ärztliche Dokumentation postoperativer Parameter Infolge des zunehmenden bürokratischen Aufwandes und der Personalreduzierung verbleibt immer weniger Zeit zur vollständigen Dokumentation der relevanten medizinischen Befunde. Üblicherweise ist die Dokumentation des PÀegepersonals im Vergleich zum ärztlichen Personal exakter und ausführlicher. Für den Fall einer Komplikation mit nachfolgendem Rechtsstreit kann dies verhängnisvoll sein. Es sollte darauf geachtet werden, dass die bei der Visite überprüften Befunde auch dokumentiert werden, ebenso wie die Angaben des Patienten zu seinen Beschwerden. Spätestens zum Entlassungszeitpunkt sollte im Rahmen der Erstellung des Entlassungsbriefes die Vollständigkeit der Dokumentation folgender Parameter überprüft und ggf. komplettiert werden (s. auch 7.4): Ɣ Durchblutungsverhältnisse, Ɣ Funktion der Hand, des Ellbogens und der Deltamuskulatur,
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Ɣ Sensibilität peripher und im Dermatom des N. axillaris, Ɣ Status des Verbandes bei den Visiten, Ɣ Fördermenge der Redondrainagen bei den Visiten, Ɣ Wundstatus im Verlauf und bei Entlassung: Sekretion, Dehiszenz, Hautschäden, Ɣ subjektive Schmerz- und Beschwerdeangaben, Ɣ Besonderheiten im Rahmen der Mobilisierung, Ɣ Befund der Röntgenkontrolle: Implantatlage, regelrechte Artikulation, keine intraoperative Fraktur, Ɣ Vollständigkeit der PÀegedokumentation: Temperatur, Blutdruck, Puls, Ɣ Laborparameter postoperativ und bei eventuell durchgeführten weiteren Verlaufskontrollen, insbesondere: Hb, INR, BSG, CRP, Kalium.
7.8 Rehabilitation Die Nachbehandlung beeinÀusst entscheidend das Behandlungsergebnis nach Schulterprothesenversorgung. Die Richtlinien zur Rehabilitation differieren zwischen unterschiedlichen Operateuren teilweise erheblich. In Verbindung mit den relativ geringen Fallzahlen unterschiedlicher Prothesensysteme erschweren diese Umstände die Verbreitung allgemeingültiger Leitlinien zur Nachbehandlung von Schulterendoprothesen. Schulterendoprothesen erfordern erfahrungsgemäß im Vergleich zu Knie- und Hüftgelenksprothesen eine deutlich längere Nachbehandlungszeit. Häu¿g ist erst nach einem Jahr das Ausheilungsergebnis erreicht. Um Probleme infolge einer inadäquaten Nachbehandlung zu vermeiden, ist die Festlegung von prothesenspezi¿schen Prinzipien zur Rehabilitation von großer Bedeutung.
7.8.1 Physiotherapie nach Frakturprothesen Ein Teil der Frakturprothesen wird bei sehr alten Patienten mit reduzierter Compliance implantiert, so dass die Rehabilitation bei dieser Patientengruppe nur sehr eingeschränkt möglich sein kann. Häu¿g kann von diesen Patienten eine vorgegebene dosierte Belastung und Funktion nicht eingehalten werden, so dass
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dann der betroffene Arm temporär komplett immobilisiert werden muss, um das Risiko einer frühzeitigen Tuberkuladislokation zu minimieren. Unter funktionellen Gesichtspunkten entspricht die Situation bei der Frakturprothese mit den re¿xierten Tuberkula einem stattgehabten knöchernen Abriss der gesamten Rotatorenmanschette. Die Re¿xation der Tuberkula ist bei optimaler Technik und stabilem Fadenmaterial im günstigsten Fall übungsstabil. Dies bedeutet, dass das betroffene Schultergelenk für einen Zeitraum von 6 Wochen aktiv ohne Widerstand und Gewichtsbelastung mobilisiert werden kann. Um das Risiko der Redislokation der Tuberkula zu minimieren, emp¿ehlt sich die Entlastung in einer Schulterschlinge in leichter Abduktion für 4–6 Wochen sowie in den ersten 6 Wochen lediglich eine assistive Mobilisierung. In den ersten 6 Wochen soll keine forcierte Mobilisierung in die Innenrotation erfolgen, da diese zu einer Maximalbelastung der Tuberculum-majusFixation führt. In diesem Zeitraum ist es ausreichend, die Innenrotation bis zum AuÀiegen des Unterarmes und der Hand auf dem Bauch zu beüben. Die peripheren Gelenke können frei bewegt werden. Sofern die Röntgenkontrolle nach 6 Wochen eine unveränderte Stellung der Tuberkula zeigt, kann ab diesem Zeitpunkt die aktive funktionelle Mobilisierung der Schulter erfolgen. Eine Entlastung in einer Schlinge ist spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.
7.8.2 Physiotherapie nach Hemiund Totalendoprothese Bei Implantation einer Hemi- oder Totalendoprothese liegt meistens noch eine intakte Subskapularissehne vor, die abgelöst und zum Operationsende wieder re¿ xiert wird. Die Nachbehandlung wird im Wesentlichen durch die Einheilungszeit der re¿ xierten Subskapularissehne bestimmt. Ein Glenoidersatz hat in der Regel keinen EinÀuss auf das Nachbehandlungskonzept. Um die re¿ xierte Subskapularissehne zu schützen, sollte tagsüber für etwa 3 Wochen und nachts für 6 Wochen eine Orthese getragen werden, die eine Außenrotation über die 0- bis 10°-Stellung verhindert. Die Gelenkmobilisierung beginnt meistens ab
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dem 2. postoperativen Tag aus der Schlinge heraus, zunächst passiv-assistiv, nach 2 Wochen zunehmend aktiv. Die Funktion wird für 6 Wochen auf die Horizontalebene und 10°-Außenrotation limitiert. Wenn sich bei der Funktionsüberprüfung am Operationsende zeigt, dass die Außenrotation problemlos auf höhere Winkelgrade spannungsfrei möglich ist, kann auch ein größeres Ausmaß der Außenrotation toleriert werden. Dies muss im Einzelfall vom Operateur geprüft werden und der weiterbehandelnde Physiotherapeut muss darüber informiert werden. Ab der 7. Woche kann die Orthese auch nachts abgelegt werden und die Nachbehandlung erfolgt dann aktiv funktionell.
7.8.3 Physiotherapie nach inverser Prothese Aufgrund der in der Regel größtenteils nicht mehr vorhandenen Rotatorenmanschette wird ein Teil der inversen Prothesensysteme über einen superioren Zugang mit Deltasplit ohne Ablösung von Sehnen und Muskelgewebe implantiert. Dies erlaubt eine frühfunktionelle Nachbehandlung, da eine Sehnennaht, die eine vorübergehende Immobilisierung und Bewegungslimitierung erforderlich machen würde, nicht durchgeführt wird. Das Schultergelenk kann nach Entfernung der Redondrainagen im schmerzarmen Bereich aktiv-assistiv mobilisiert werden. Zur vorübergehenden Entlastung der durch das Implantat vorgespannten Deltamuskulatur kann die Anlage einer einfachen Schlinge für einen Zeitraum von 3–4 Wochen, ggf. in leichter Abduktionsstellung von etwa 20°, empfohlen werden. Für den Fall, dass die eventuell noch intakte Subskapularissehne über einen vorderen Zugang abgelöst und abschließend wieder re¿xiert wird, ist ggf. eine vorübergehende Limitierung der Außenrotation für etwa 6 Wochen notwendig. Die peripheren Gelenke sind ab dem 1. postoperativen Tag funktionell mobilisierbar. Gewichtsbelastungen und Widerstandsübungen sollten in den ersten 6 Wochen nicht durchgeführt werden, um eine Überlastung der Deltamuskulatur zu vermeiden. Eine aggressive Mobilisierung mit forcierter Aufdehnung in die Abduktion, Flexion und Rotation sollte nicht erfolgen. Üblicherweise erreicht die Mehrzahl der mit inverser Prothese primär ver-
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sorgten Patienten problemlos eine gute Funktion über der Horizontalebene alleine durch den Einsatz des Armes während der üblichen Alltagsbelastungen. Für den Fall, dass die inverse Prothese als Revisionsimplantat eingesetzt wird, kann aufgrund des erhöhten Luxationsrisikos eine vorübergehende vollständige Immobilisierung für 2–3 Wochen in Betracht gezogen werden. Gesicherte Daten, dass dadurch das Luxationsrisiko reduziert werden kann, existieren nicht.
7.8.4 Hilfsmittel zur postoperativen Mobilisierung des Armes Die ausschließliche Mobilisierung der Schulter im Rahmen der physiotherapeutischen Behandlungseinheiten mit einer Frequenz von 2–3 Behandlungseinheiten pro Woche ist nicht ausreichend, um ein optimales funktionelles Behandlungsresultat zu erreichen. Im Rahmen der physiotherapeutischen Behandlung muss der Patient zu mobilisierenden Übungen angeleitet werden, die er mehrmals täglich in Eigenregie durchführt. Hierzu kann die Gegenhand eingesetzt werden. Die korrekte Übungsausführung sowie der Behandlungsfortschritt muss vom Physiotherapeuten überprüft und dokumentiert werden. Hilfreich kann insbesondere in den ersten Wochen eine zusätzliche passiv-assistive Mobilisierung der Schulter auf einer motorisierten Bewegungsschiene (CPM Schiene) sein. Die Gelenkmobilisierung kann dabei mehrmals täglich in einem genau de¿nierten Bewegungsausmaß erfolgen. Zur Vermeidung postoperativer Schwellungszustände und Reduktion des Thromboserisikos sollte eine Aktivierung der Unter- und Oberarmmuskulatur durchgeführt werden. Hierzu kann ein Handschwamm verwendet und die EllbogenÀexion z. B. mit einem geringen Gewicht von 1 kg als Führungswiderstand trainiert werden. Nach etwa 4–6 Wochen ist die zusätzliche Gelenkmobilisierung im Bewegungsbad empfehlenswert. Nach entsprechender Anleitung können die Übungen vom Patienten auch in Eigenregie durchgeführt werden. Der Auftrieb des Wassers erleichtert die Gelenkmobilisierung erheblich, gleichzeitig verhindert der Wasserwiderstand ruckartige Bewegungen und trainiert die Muskulatur mit dosiertem Widerstand.
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Postoperative Maßnahmen
7.9 Komplikationsmanagement (s. auch Kap. 8) In Abhängigkeit vom Prothesentyp muss postoperativ auf unterschiedliche klinische Symptome geachtet werden, die auf eine Frühkomplikation hinweisen können. Darüber hinaus sind eine konventionelle Röntgenkontrolle sowie eine Kontrolle der Routinelaborparameter vor der Entlassung des Patienten routinemäßig erforderlich. Die erhobenen Befunde sind in den Patientenunterlagen und im Entlassbrief zu dokumentieren. Angesichts der zunehmenden Verkürzung der stationären Aufenthaltsdauer können Probleme und Komplikationen, die nach einer Schulterendoprothese auftreten, teilweise nicht mehr in der Klinik beobachtet und behandelt werden. Daher ist es wichtig, die Patienten über Leitsymptome zu informieren, die eine umgehende Wiedervorstellung beim Operateur erfordern.
7.9.1 Wundheilungsstörungen Wundheilungsstörungen können infolge lang anhaltenden Hakendruckes und lokalen Verbrennungen bei Verwendung der Koagulation auftreten. Meistens ist aufgrund der sehr guten Durchblutungsverhältnisse am Humerus bei rechtzeitiger Behandlung trotzdem eine problemlose Abheilung der Operationswunde zu erwarten. Im Einzelfall kann die Wundheilungsstörung aber auch der Wegbereiter für eine bis in die Tiefe reichende Infektion, im Extremfall mit Beteiligung des Implantates, sein. Die ersten Anzeichen mit livider Verfärbung der Wundränder sind meistens schon beim ersten Verbandswechsel am 2. oder 3. postoperativen Tag zu erkennen. Häu¿g demarkiert sich innerhalb einer Woche eine Nekrose der betroffenen Hautareale. Erst dann zeigt sich das komplette Ausmaß der Wundheilungsstörung. Die Wundheilungsstörung kann zur Dehiszenz der Wunde mit Sekretion führen. Im Falle einer bakteriellen Superinfektion der geschädigten Wundbezirke tritt eine lokale Rötung und Schwellung auf. Laborchemisch ist dann in der Regel ein Anstieg des CRP-Wertes zu beobachten. Bei einem Teil der Patienten tritt eine Erhöhung der Körpertemperatur
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auf über 38°C auf. Die Patienten beklagen häu¿g zunehmende lokale Schmerzen und ein Spannungsgefühl im Wundbereich.
7.9.2 Infektion Postoperative Infektionen lassen sich in Früh- und Spätinfektionen unterteilen. Frühinfektionen treten innerhalb der ersten 6 Wochen nach dem Eingriff auf und verlaufen meistens akut mit erheblichen Schmerzen, Fieber und Anstieg der CRP-Werte (Schwyzer et al. 1995; Sperling et al. 2001). Erkennbare Hautveränderungen wie Rötung und Schwellung sind nicht zwingend vorhanden. Konventionell-radiologisch lassen sich frühpostoperativ normalerweise keine typischen Befunde nachweisen. Leitsymptom des chronischen Protheseninfektes ist der chronische Schmerzzustand. Die Patienten sind nach der Operation üblicherweise zu keinem Zeitpunkt beschwerdefrei. Häu¿g fehlen ¿ebrige Temperaturanstiege. Der CRP-Wert ist meistens nur gering oder mäßig erhöht. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit weist im Vergleich zum präoperativen und unmittelbar postoperativen Referenzwert eine deutliche Erhöhung auf. Es kann sich im Bereich der Operationswunde eine sezernierende Fistel ausbilden. Die Röntgenaufnahmen der betroffenen Schulter können die Zeichen des chronischen Protheseninfektes mit lokalen Osteolysesäumen aufweisen.
7.9.3 Nachblutung Nachblutungen nach Implantation einer Schulterendoprothese treten in den meisten Fällen innerhalb der ersten 48 Stunden nach dem Eingriff auf. Bei noch liegenden Drainagen kann eine außergewöhnlich hohe Fördermenge, die im Verlauf nicht rückläu¿g ist, auffällig sein. Im Bereich des Operationsgebietes kann sich eine erhebliche Schwellung bis zur Dehiszenz der Operationswunde ausbilden. Der Verband ist häu¿g trotz Wechsel mit Kompressenabdeckung und lokaler Kompression innerhalb kurzer Zeit wieder durchgeblutet. Die Patienten klagen über zunehmende Schmerzen und über ein Spannungsgefühl im Opera-
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tionsgebiet. Laborchemisch kann die Nachblutung zu einem Abfall des Hämoglobinwertes führen.
7.9.4 Luxation Vollständige Luxationen und Subluxationen des Oberarmkopfes sind selten. Die Luxationen treten meistens nach ventral auf. Frühpostoperativ fällt die Luxationsstellung häu¿g nur in der Röntgenkontrolle auf, da das Gelenk in der Regel noch immobilisiert oder noch kaum beweglich ist. Im weiteren Verlauf können eine Bewegungsunfähigkeit im Schultergelenk oder eine plötzlich aufgetretene schmerzhafte Funktionseinschränkung wegweisend sein.
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Frühkomplikationen
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M. Loew
8.1 Definition, Epidemiologie Als Frühkomplikationen werden in der folgenden Aufstellung die allgemeinen Gesundheitsstörungen und die regionalen, strukturellen oder funktionellen Schäden bezeichnet, die in ursächlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Implantation einer Schulterendoprothese eintreten können und die unmittelbar nach der Operation bis zu einem Zeitpunkt 3 Monate nach dem Eingriff auftreten oder diagnostiziert werden. Dabei ist für die Beurteilung relevant, ob es sich um therapieoder revisionspÀichtige Komplikationen handelt und ob eine Restitutio ad integrum erreicht werden kann oder ob bleibende Schäden als Folge verbleiben. Nach Wirth u. Rockwood (1996) beträgt die Inzidenz von Komplikationen nach Schulterendoprothetik etwa 14%; diese Arbeit enthält allerdings keine Hinweise auf den Zeitpunkt des Auftretens der Ereignisse. Bohsali et al. (2006) analysierte retrospektiv alle Publikationen zur Schulterendoprothetik der Jahre 1996 bis 2005 und kam bei 2.810 Fällen ebenfalls auf eine Komplikationsrate von 14,7%, ohne dezidiert Frühvon Spätkomplikationen zu differenzieren. In einer Studie von Edwards et al. (2003) wurde festgestellt, dass Infektionen, Luxationen und Frakturen als Komplikationen überwiegend in den ersten 3 Wochen nach der Prothesenimplantation auftreten. In eine Multicenterstudie von Mestdagh et al. (1999) wurde bei etwa 250 Schulterprothesen eine Rate an Frühkomplikationen von 6,6% berichtet, wobei das zeitliche Auftreten nicht eindeutig de¿niert wurde. Die Komplikationen betrafen Wundhämatome, Infektionen, Nervenläsionen und die Instabilität des Schul-
tergelenkes. In der Aufstellung wurden aktive oder passive Bewegungseinschränkungen nicht berücksichtigt; dies ist wahrscheinlich auf die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen der Annahme eines schlechten funktionellen Resultates und einer vermeid- oder korrigierbaren Komplikation zurückzuführen. Nach inverser Schulterprothetik sind Komplikationen relativ häu¿g. In einer französischen Multicenterstudie wurden bei 452 Patienten innerhalb von 3 Monaten in 29 Fällen (6,4%) revisionspÀichtige Ereignisse beschrieben (Favard et al. 2006). Die häu¿gste Komplikation stellte die Dislokation der Prothese dar. Nach einem durchschnittlichen Follow-up von 44 Monaten waren in 20,2% der nachuntersuchten 370 Patienten prothesenbedingte, relevante Komplikationen eingetreten.
8.2 Einzelkomplikationen und Management 8.2.1 Blutungskomplikationen Wund- und Weichteilhämatome werden häu¿g nicht konsequent erfasst, die Revisionsrate liegt unter einem Prozent. Die pathogenetische Bedeutung einer Nachblutung nach Entfernung der Wunddrainagen liegt in der Beeinträchtigung der Gewebeperfusion mit der Gefahr einer postoperativen Wundinfektion. Dies trifft vor allem bei inversen Prothesen zu, wo es häu¿g zu Einblutungen in den erweiterten Hohlraum
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_8, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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über dem Implantat kommt. Es wird empfohlen, die Drainagen in diesen Fällen über 48 Stunden zu belassen und ein Àuktuierendes Hämatom frühzeitig durch Aspiration oder Ausräumung zu entlasten. Postoperative Venenthrombosen oder Embolien werden in der Literatur nur in Einzelfällen erwähnt. Nicht selten kommt es während der Operation zu einer Verletzung und Unterbindung der V. cephalica; der venöse AbÀuss scheint in diesen Fällen jedoch durch Kollateralen nicht wesentlich beeinträchtigt. Als peri- und postoperative Thromboseprophylaxe wird, vor allem bei vorhandenen Risikofaktoren, die Verabreichung eines niedermolekularen Heparinpräparates bis zur vollständigen Mobilisation des Patienten empfohlen.
8.2.2 Nervenläsion Mittels intraoperativer Elektromyographie wurden durch Hakenzug, Traktion oder chirurgische Manipulation bei über der Hälfte der Patienten Dysfunktionen des Plexus brachialis oder einzelner peripherer Nerven, davon überwiegend des N. musculocutaneus, entdeckt (Nagada et al. 2007). Risikofaktoren für das Auftreten einer Nervenläsion sind nach dieser Studie eine höhergradige präoperative Bewegungseinschränkung und Weichteilkontrakturen sowie offene Voroperationen an der betroffenen Schulter. In der Mehrzahl der Fälle bildeten sich die Veränderungen im EMG unmittelbar nach der Operation zurück; bei etwa 10% wurde postoperativ eine Teilläsion des N. axillaris festgestellt, die aber in allen Fällen 6 Monate nach der Operation völlig verschwunden war. In einer retrospektiven Literaturanalyse wurden nach 2.540 Schulterendoprothesen 20 Nervenverletzungen (0,7%) beschrieben (Bohsali et al. 2006). Die Schäden betrafen unterschiedliche Anteile des Plexus brachialis; unter den peripheren Nerven war der N. axillaris in 13 Fällen am häu¿gsten betroffen. Bei einem einzigen Patienten wurde eine intraoperative Durchtrennung des Nervs beschrieben (Torchia et al. 1997). In 10 Fällen bildete sich die Lähmung innerhalb von Monaten spontan zurück. Lynch et al. (1996) berichtet von 18 Nervenläsionen bei 368 Patienten mit Schultertotalendoprothesen (4,9%), wovon sich 11 innerhalb eines Jahres vollständig zurückbildeten. Als Risikofaktor wertete diese Studie den ausgedehnten deltoideopektoralen Zugang ohne Ablösung des M. del-
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toideus vom Akromion. Der Autor fand außerdem einen signi¿kanten Zusammenhang mit der Operationsdauer in dem Sinn, dass kürzere Operationszeiten mit einem höheren Risiko einer Nervenschädigung vergesellschaftet waren. Bei der inversen Schulterprothese sind transitorische Nervenirritationen und -läsionen häu¿ger, weil es durch die Kaudalisierung des proximalen Humerus um mehrere Zentimeter zu einem verstärkten Zug auf die neurovaskulären Strukturen kommt. Im postoperativen Verlauf wird die Diagnose einer Nervenläsion häu¿g verzögert gestellt, da Bewegungsstörungen wegen der zurückhaltenden und anfangs ausschließlich passiven Mobilisierung durch den Patienten oder den Physiotherapeuten erst nach Tagen bemerkt werden. Es wird auch eine wesentlich höhere Rate unvollständiger und vorübergehender Nervenläsionen vermutet. Daher muss postoperativ eine konsequente Überprüfung der Hautsensibilität im Autonomgebiet des N. axillaris, der aktiven Kontraktionsfähigkeit des Bizepsmuskels und der Feinmotorik der Hand durch den Operateur erfolgen. Wenn der Verdacht auf eine Nervenläsion besteht, emp¿ehlt sich eine unmittelbare, differenzierte neurologische Untersuchung mit elektromyographischer Kontrolle nach etwa 14 Tagen, da erst zu diesem Zeitpunkt Denervierungspotentiale festgestellt werden können. Bei frühzeitiger Diagnose einer neurogenen Läsion wird allerdings nur in Ausnahmefällen eine operative Revision zu empfehlen sein. Bei ausgedehnten Weichteilhämatomen ist eine frühzeitige Druckentlastung sinnvoll; eine Exploration des betroffenen Nervs ist nur dann zu erwägen, wenn ein begründeter Verdacht auf eine intraoperative strukturelle Schädigung durch den Operateur besteht. Bei inversen Prothesen muss die Spannung auf dem M. deltoideus überprüft werden. Bei ausgeprägter und schmerzhafter Muskelspannung und bei stark eingeschränkter passiver Beweglichkeit ist eine frühzeitige Revision mit Wechsel des Inlays auf eine niedrigere Höhe in Erwägung zu ziehen.
8.2.3 Infektion Nach elektiver Schulterendoprothetik sind Weichteilinfektionen relativ selten; in einer umfangreichen Multicenterstudie betrug die Infektionsrate innerhalb eines Jahres postoperativ 0,08% (20 Infektionen bei
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Frühkomplikationen
2.387 Fällen; Coste et al. 2001). In Revisionsfällen und nach inversen Schulterprothesen ist die Rate etwa doppelt so hoch (Favard et al. 2006). Sperling et al. (2001) beschrieben retrospektiv unter 2.736 Schulterimplantaten im Langzeitverlauf insgesamt 32 Protheseninfektionen, entsprechend einer Rate von 1,2%; vier davon traten innerhalb der ersten 3 Monate nach der Indexoperation auf. 8.2.3.1 Symptomatik Während bei normalem Heilverlauf der Wundschmerz nach der Operation gering ist und nach wenigen Tagen abklingt, ist vor allem ein ausgeprägter Ruheschmerz in der postoperativen Phase bei gleichzeitigem Auftreten von (sub)febrilen Temperaturen, verbunden mit Nachtschweiß und Schüttelfrost, ein verdächtiges Symptom, das auf eine Wundheilungsstörung oder Infektion hinweisen kann. Bei einer frühen periprothetischen Infektion sind Weichteilveränderungen, wie Rötung und Schwellung, relativ spät erkennbar. Noch seltener kommt es in der Frühphase zu offenen Wundheilungsstörungen oder Fistelbildungen. Laborveränderungen mit einer CRP von mehr als 50 mg/l, BSG-Erhöhung auf über 50 mm n. W. und eine Leukozytose sind weitere unspezi¿sche Verdachtsmomente. Mit der Sonographie kann ein periprothetischer Flüssigkeitsverhalt dargestellt werden; bei entsprechendem Nachweis ist eine frühzeitige Punktion des Ergusses unter sterilen Bedingungen zu empfehlen. Ein Keimnachweis gelingt allerdings nicht immer und auch nur vor dem ungezielten Einsatz einer Antibiotikatherapie. Die durch Punktion oder im Rahmen einer Revision gewonnenen Erreger einer Infektion nach Schulterendoprothetik sind in absteigender Häu¿gkeit das anaerobe, besonders auf der Haut der Achselhöhle vorkommende Propionibacterium acnes, vor Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus, koagulasenegativen Staphylokokken, Corynebacterium und Streptokokken (Spangehl et al. 1999; Topolski et al. 2006; Zimmerli et al. 2004). 8.2.3.2 Therapie Zur Vermeidung einer Weichteilinfektion wird eine perioperative Antibiotikaprophylaxe durch die ein-
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malige Gabe eines Breitspektrumantibiotikums, z. B. eines Cephalosporins, empfohlen. Drei Tage nach der Operation sollte eine routinemäßige Kontrolle des Blutbildes und der Entzündungswerte erfolgen. Bei gleichzeitigem Vorliegen von zwei oder mehr Symptomen, die auf eine drohende Infektion hinweisen, ist, in Analogie zur Hüftendoprothetik, eine frühzeitige Revision vorzunehmen (Spangehl et al. 1999), um das Wundhämatom auszuspülen, einen Keimnachweis zu erbringen und eventuell einen resorbierbaren Antibiotikaträger einbringen zu können. Es ist zu empfehlen, die Wundrevision in offener Technik auszuführen. Bei einer endoskopischen Lavage ist eine ausreichende Exposition und Spülung der einzelnen Wundschichten nicht zu erreichen und die de¿ nitive Sanierung des Infektes wird dadurch verzögert. Bei einer verzögerten Revision ist eine Ausbreitung der Infektion in die umgebenden Weichteile mit irreversibeler Zerstörung der Rotatorenmanschette zu befürchten. In diesen Fällen kann auch nach der Infektheilung eine zufrieden stellende Beweglichkeit des Gelenkes nicht mehr erreicht werden. Demgegenüber ist es im Rahmen einer frühzeitigen Revision häu¿g möglich, die Rotatorenmanschette zu erhalten; in vielen Fällen kann sogar die Subskapularissehne am Ende des Eingriffs mit adaptierenden Nähten re¿xiert werden. Bei einer erstmaligen Revision innerhalb der ersten 3 Monate nach Implantation ist ein Erhalt der Prothese in situ gerechtfertigt. Das operative Debridement umfasst das Wundhämatom, ¿bröse Membranen, eventuelle Fistelgänge und sämtliches avitales Weichteil- und Knochengewebe. Bei Erhalt der Prothese ist eine postoperative Therapie mit einem knochengängigen Antibiotikum (z. B. Clindamycin 3-mal 600 mg) nach Erreger- und Resistenzbestimmung für mindestens 6 Wochen nach Normalisierung der Entzündungswerte indiziert. Bei Infektrezidiv oder bei Infektionen, die später als 3 Monate nach der Indexoperation auftreten, muss die Prothese entfernt werden, weil der mikrobielle Bio¿lm an der OberÀäche des Implantats mechanisch nicht entfernt werden kann und eine ausreichende Penetration der Antibiotika verhindert (Zimmerli et al. 2004). Der Wiedereinbau erfolgt in der Regel nach Normalisierung der Entzündungswerte nach 6–8 Wochen; in Einzelfällen wird auch über einzeitige Wechseloperationen mit guten Erfolgen berichtet.
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8.2.4 Instabilität Die Instabilität stellt sowohl als Früh- als auch als Spätkomplikation einer der häu¿gsten Probleme in der Schulterendoprothetik dar. Postoperative Luxationen werden bei anatomischen Hemi- oder Totalendoprothesen relativ selten beobachtet; im Langzeitverlauf beträgt die Prävalenz etwa 4% oder 30% der Komplikationen insgesamt (Wirth u. Rockwood 1996). Während im Langzeitverlauf eine allmähliche Dezentrierung des Humeruskopfes röntgenologischer Ausdruck der Instabilität ist, stellt diese sich in der Frühphase als Luxation oder Dislokation der Prothese klinisch und röntgenologisch dar (Abb. 8.1). Relativ häu¿g ist die postoperative Luxation bei inversen Prothesen (Nové-Josserand et al. 2006). Verschiedene Ursachen können zu einer Instabilität der Prothese in der Frühphase führen: Ɣ unphysiologische Weichteilbalance, Ɣ Sehnenruptur, Ɣ knöcherner Substanzverlust, Ɣ Implantationsfehler. 8.2.4.1 Weichteilbalance Bei der Omarthrose bedingen knöcherne Deformität und Innenrotationskontraktur eine erhebliche Verkürzung der anterioren Weichteilstrukturen und
Abb. 8.1. Luxation einer Traumaprothese 4 Tage postoperativ. Ursache: Fehlimplantation in Anteversion
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insbesondere der Subskapularissehne. Es ist ein konsequentes Weichteil-Release erforderlich, um nach Implantation der Prothese ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Außen- und Innenrotation herzustellen. Bei ausgeprägter Verkürzung der Subskapularissehne kann es in der Frühphase der Rehabilitation zu einer kritischen Überdehnung und Zerreißung der anterioren Strukturen kommen; langfristig folgt daraus eine ventrale Dezentrierung des Gelenkes. Bei Omarthrose mit Rotatorenmanschettenläsion ist, wenn möglich, eine Rekonstruktion durchzuführen, um Stabilität und Beweglichkeit wiederherzustellen; wenn dies nicht möglich ist, sollte zumindest ein Kräftegleichgewicht der Außen- und Innenrotatoren hergestellt werden.
8.2.5 Sehnenruptur Bei insuf¿zienter Fixierung oder ¿brotischer Umwandlung der Subskapularissehne kann es bei forcierter Außenrotation in der Frühphase der Rehabilitation oder bei einem Sturz zu einer Ruptur der Subskapularissehne mit der Folge einer anterioren Schulterluxation kommen (Abb. 8.2). Die Diagnose ist in vielen Fällen schwierig zu stellen, vor allem, wenn ein traumatisches Ereignis nicht stattgefunden hat. In diesen Fällen weist eine ventrale Dezentrierung der Kalotte in der routinemäßig nach etwa 10 Tage durchgeführten
Abb. 8.2. Luxation einer TEP 2 Wochen postoperativ nach Sturz, Ursache: Subskapularisruptur
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Frühkomplikationen
Kontrolle auf eine Insuf¿zienz der anterioren Strukturen hin. Klinisch imponiert eine Abschwächung im Innenrotationsstress und im Lift-off-Test, wobei diese funktionellen Untersuchungen in der Frühphase der Heilung häu¿g wenig eindeutig sind.
8.2.6 Knöcherner Substanzverlust Bei posttraumatischen Arthrosen mit Deformität der Schulterpfanne, bei sekundärer Instabilitätsarthropathie mit großem anterioren oder posterioren Glenoidranddefekt, bei konstitutionellen Glenoiddeformitäten (Typ C der Klassi¿kation nach Walch) oder bei destruktiven Formen der Defektarthropathie kann es zu einem Zentrierungsde¿zit mit Subluxation oder vollständiger Dislokation des Humeruskopfes kommen. Häu¿g besteht dabei eine Kombination mit einer gestörten Weichteilbalance.
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tation der Prothesenkomponenten oder eine falsche Implantatwahl dar. Wird der Humeruskopf in neutraler oder Anteversion implantiert, kommt es bei Außenrotation zu einer ventralen Dislokation (Abb. 8.1.) und primär oder sekundär zu einer Subskapularisruptur. Gleiches gilt bei einer inkorrekten Implantation der Glenoidkomponente in Anteversion. Speziell in der Traumaprothetik besteht die Gefahr einer zu tiefen Implantation der Schaftkomponente, die dann zu einer inferioren Instabilität des Humeruskopfes führt. Allerdings darf dies nicht mit einer Depression des Humeruskopfes bei Axillarisparese oder bei einer temporären posttraumatischen Relaxation des M. deltoideus verwechselt werden (Abb. 8.3a–c).
8.2.8 Spezielle Komplikationen der inversen Prothese (Abschn. 5.5, 6.4)
Die häu¿gste Ursache postoperativer Instabilitäten stellt die fehlerhafte oder unphysiologische Implan-
Bei der inversen Schulterprothese beträgt die Rate postoperativer Luxationen in den ersten zwei Jahren etwa 5% (Nové-Josserand et al. 2006). Die Ursache für diese häu¿ge Komplikation wird einerseits in der präoperativen Weichteilsituation mit weitgehendem oder vollständigem Fehlen der das Gelenk stabilisierenden
Abb. 8.3. a Posttraumatische Deformität (Typ 4 nach Boileau, s. Abschn. 6.6). b Kaudale Dezentrierung der Kalotte durch eine postoperative Relaxierung des M. deltoideus.
c Spontane Rezentrierung. Röntgenkontrolle 6 Monate postoperativ. Nebenbefund: ausgeprägte Lysesäume um den glenoidalen Zementmantel
8.2.7 Implantationsfehler
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Abb. 8.4. a inverse Prothese nach Defektarthropathie. b Luxation 3 Tage postoperativ. c Stabilisierung durch Erhöhung des Inlays
Kapsel- und Sehnenstrukturen sowie in Kontrakturen und Narben bei Revisionen gesehen. Andererseits scheint auch der operative Zugang eine Rolle zu spielen, da bei deltoideopektoraler Exposition Luxationen häu¿ger sind als bei dem oberen transdeltoidalen Zugang. Wegen der unphysiologischen Verlagerung der Rotationsachse und der Relaxierung des M. deltoideus ist bei der Primärimplantation die Einschätzung der Weichteilspannung erschwert; allerdings besteht in der Regel eher die Tendenz zu einer zu straffen als zu lockeren Einstellung durch Auswahl der Höhe des Inlays. Bei sehr osteoporotischem Knochen ist in Einzelfällen auch ein Ausbrechen der Glenosphäre aus dem Skapulahals mit der Folge einer Prothesendislokation beschrieben. Die Diagnostik bei postoperativer Prothesenluxation ist relativ unkompliziert. Bei plötzlich auftretenden Schmerzen mit gleichzeitiger Verschlechterung der Gelenkfunktion und bei Konturveränderungen der Schulterweichteile führt die Röntgendiagnostik in anteroposteriorer Projektion in der Regel zu einer eindeutigen Diagnose (Abb. 8.4a, b). Schwieriger ist hingegen die sichere Feststellung der zugrunde liegenden Ursache; hier sind Aufnahmen in axialer Projektion, Schaftaufnahmen des Humerus im Seitenvergleich und unter Umständen auch eine Computertomographie (allerdings mit eingeschränkter Beurteilbarkeit
durch Überstrahlungsartefakte) erforderlich, um die zugrunde liegende Fehlimplantation zu erkennen. 8.2.8.1 Therapie Grundsätzlich ist eine offene Reposition zu empfehlen, um eine Beschädigung der Implantate zu vermeiden und die Ursache der Luxation erkennen und korrigieren zu können. Bei sekundärer Ruptur der Rotatorenmanschette und vor allem bei Ausriss der Subskapularissehne ist eine sichere Re¿xation mit zweireihiger Nahttechnik erforderlich. Bei Fehlen oder extremer Vernarbung des M. subscapularis ist eine weichteilige Stabilisierung durch einen Transfer der Sehne des M. pectoralis major in Erwägung zu ziehen. Bei eindeutiger Fehlimplantation ist ein Prothesenwechsel bereits in der Frühphase vorzunehmen. Bei der inversen Schulterprothese kann die erneute Luxation durch ein konsequentes periglenoidales Weichteil-Release und/oder durch Implantation eines höheren Inlays (Abb. 8.4c) oder die Verwendung eines Retentiv-Inlays verhindert werden. Nach weichteilbedingter Luxation ist gelegentlich eine Immobilisierung der Schulter in einem Abduktionsgips für 3–6 Wochen unvermeidlich.
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Frühkomplikationen
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Spätkomplikationen M. Loew und J. Löhr
9.1 Definition und Epidemiologie Die meisten Publikationen über die kurz- und mittelfristigen Resultate der Schulterendoprothetik berichten über Erfolgsraten von über 90% (Sperling et al. 2004). Die Angaben über revisionspÀichtige Komplikationen nach Schulterarthroplastik schwanken in der Literatur zwischen 10 und 16%; je nach De¿ nition werden in einzelnen Arbeiten bis zu 62% an Komplikationen aufgeführt. Nach einer profunden Analyse der Veröffentlichungen der 90er Jahre publizierte Wirth u. Rockwood (1994) eine Quote von 14% und beschrieb die einzelnen Komplikationsentitäten im Detail. In neueren Arbeiten (Bohsali et al. 2006; Chin et al. 2006) wird darüber hinaus auch die Revisionshäu¿gkeit analysiert, die sich von der Inzidenz postoperativer Komplikationen wesentlich unterscheidet. Chin et al. (2006) fanden bei der Analyse eigener Patienten unter 431 Schulterprothesen im Verlauf in 53 Fällen Komplikationen und errechnete daraus eine kumulative Komplikationswahrscheinlichkeit von etwa 12%. 60% davon wurden qualitativ als wesentlich eingestuft, 3,9% des gesamten Kollektivs mussten sich einer Revisionsoperation unterziehen. 32 Fälle (60%) wurden als Frühkomplikationen, 21 Fälle (40%) als Spätkomplikationen bezeichnet. Bohsali et al. (2006) fanden in einer aktuellen Metaanalyse von etwa 2.800 Schulterendoprothesen Komplikationen in 414 Fällen, entsprechend einer Quote von 14,7%. Die durchschnittliche Nachunter-
suchungszeit in diesen Serien betrug 3,5 Jahre. Nur ein Viertel der untersuchten Fälle konnten ein Follow-up von mehr als fünf Jahren aufweisen und nur 10% der untersuchten Schultern einen Nachuntersuchungszeitraum von mehr als 10 Jahren, so dass wirkliche Langzeitstudien heute noch sehr selten sind. In der Analyse von Bohsali wurde festgestellt, dass die Prävalenz von Komplikation im Vergleich zu den früheren Berichten mit durchschnittlich etwa 15% konstant geblieben ist, wohingegen die Häu¿gkeit von Revisionen von 7 auf 60% erheblich anstieg. Eine wesentliche Differenzierung der Spätkomplikationen liegt daher in ihrer Bewertung bezüglich der Schwere und der Revisionserfordernis. Als Spätkomplikationen werden in der Literatur bereits Fehlschläge bezeichnet, die mehr als drei Monate nach der Implantation der Prothese auftreten oder diagnostiziert werden. Das Komplikationsspektrum ändert sich jedoch im längeren Verlauf erheblich. Während in den ersten drei Jahren Spätinfekte und Weichteilkomplikationen wie Rotatorenmanschettenrupturen, periprothetische Frakturen und Dislokationen im Vordergrund stehen, gewinnen im längeren Beobachtungsverlauf implantatbedingte Komplikationen, vor allem Lockerungen der glenoidalen und humeralen Prothesenkomponenten mit ihren Sekundärfolgen, quantitativ an Bedeutung. Je nach verwendeter Prothese gibt es auch implantatspezi¿sche Früh- und Spätkomplikationen, denen spezielle Aufmerksamkeit entgegengebracht werden sollte. Diese sind in den speziellen Kapiteln über die einzelnen Prothesentypen abgehandelt.
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_9, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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9.2 Einzelkomplikationen und Management 9.2.1 Infektion Spätinfekte werden in der Regel mehr als 12 Monate nach der Implantation der Prothese diagnostiziert. Es handelt sich im Gegensatz zu den Frühinfekten, die von den periartikulären Weichteilen ausgehen, um Keimbesiedlungen in dem so genannten Bio¿lm, der die Implantate unmittelbar umgibt. Bei einer akuten Exazerbation des Infektes kann es aber auch zu einem Durchbruch der Entzündung in die Weichteile kommen. Unterschiede in der Inzidenz von Spätinfekten bei zementierten oder zementfreien Schulterprothesen sind nicht bekannt. Der Infektionsweg ist häu¿g hämatogen und wird vermehrt bei allgemein reduzierter Immunsituation, z. B. bei Diabetes mellitus, chronischer Polyarthritis oder anderen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und auch bei Tumoren beobachtet. Systemische Steroidtherapie, vor allem aber auch intraartikuläre In¿ltrationen, können als Ursachen identi¿ ziert werden. Die Gesamtinzidenz für Früh-, oder Spätinfekte beträgt etwa 1%. Bei Patienten mit Hemi- oder Totalendoprothesen, bei denen nach der Operation permanent Beschwerden, insbesondere Schmerzen auftreten, die sich im Verlauf nicht bessern, muss dem Verdacht auf einen Spätinfekt nachgegangen werden. Dies trifft vor allem bei therapieresistenten Nacht- und Ruheschmerzen zu, für die keine andere Ursache wie Fehlplatzierung, Glenoiderosion oder eine Pathologie der Rotatorenmanschette, festgestellt werden kann. 9.2.1.1 Diagnostik Die Sicherung der Verdachtsdiagnose eines Protheseninfekts kann schwierig sein. Bei der klinischen Untersuchung imponiert häu¿g neben der schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit ein lokaler Druck-, Klopf- oder Stauchungsschmerz. Allgemeinsymptome wie Fieber, Schüttelfrost oder ein Krankheitsgefühl fehlen. Die Bestimmung der unspezi¿schen Entzündungsparameter im Blut (Leukozytenzahl,
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BSG, CRP) ergibt häu¿g Werte im leicht erhöhten oder im Normalbereich. Im Röntgenbild sind das frühzeitige Auftreten von Lysesäumen um den Zementmantel und/oder Osteolysen im Bereich des Schaftes und Skapulahalses, vor allem bei Progredienz innerhalb weniger Monate, verdächtig auf einen periprothetischen Infekt (Abb. 9.1a, b). Bei zementierten Prothesen kann eine Knochenoder Leukozytenszintigraphie mit Tc99 bei einer Mehrspeicherung des Radionuklids um den Zementmantel einen Hinweis auf einen Protheseninfekt ergeben. Bei einem zementfreien Implantat ist die Skelettszintigraphie hingegen auch ein Jahr nach der Operation nicht selten noch positiv. Die Gelenkpunktion ist meistens trocken, und auch nach Anspülung, Aspiration und Kultur ist der bakteriologische Befund häu¿g negativ. Im Erregerspektrum überwiegen Staphylococcus aureus, koagulasennegative Staphylokokken, Streptokokken und Propionibacterium acnes (s. Kap. 8).
9.2.1.2 Therapie Die Indikation zu einer operativen Revision ergibt sich, wenn mindestens 3 der folgenden Symptome bestehen: Ɣ chronische, therapieresistente Ruheschmerzen ohne sonstig erkennbare Ursachen, Ɣ progredienter Lysesaum um Zementmantel oder Implantat, Ɣ lokale Mehrspeicherung in der Skelett- oder Leukozytenszintigraphie, Ɣ deutliche Erhöhung der serologischen Entzündungsparameter. Bei einem Keimnachweis nach Punktion im Nativausstrich oder in der Kultur besteht eine zwingende Indikation zur Revision, um zunehmende lokale Destruktionen oder eine Sepsis zu verhindern. Die chirurgische Intervention beinhaltet die Abnahme eines Abstrichs aus der GelenkÀüssigkeit sowie die bakteriologische Untersuchung und histologische Aufarbeitung einer Gewebeprobe aus der Gelenkinnenhaut und dem makroskopisch entzündeten Operationsgebiet. Anschließend erfolgt ein konsequentes Debridement der paraartikulären Weichteile mit voll-
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Abb. 9.1. a Totalendoprothese nach idiopathischer Omarthrose. b Ausgedehnter Lysesaum (Grad 5 n. Lazarus) um den Zementmantel der Glenoidkomponente und c Einsintern des
Schaftes im weiteren Verlauf. Die Revision ergab einen Spätinfekt mit Staphylococcus aureus
ständiger Entfernung des avitalen und entzündlich veränderten Gewebes. Eine ausschließliche Weichteilrevision unter Belassung der Prothesenkomponenten ist nicht zulässig. Die Implantate müssen ausgebaut und der Zement aus dem Markraum und der glenoidalen Höhle muss vollständig ausgeräumt werden. Mit einer Kürette sind die entzündlichen Membranen von den inneren KnochenoberÀächen vollständig zu entfernen. In der Regel erfolgt der Wiedereinbau eines neuen Implantats zweizeitig. In diesem Fall ist das Einbringen eines Platzhalters in den humeralen Markraum erforderlich, bestehend aus einem zentralen Kirschner-Draht, der mit einem Antibiotikum-Knochenzement-Gemisch ummantelt wird. Die Gelenkhöhle wird mit einer aus Zement geformten Kopfkomponente offen gehalten (Abb. 9.2a), der, falls die Resistenzbestimmung des Erregers vorliegt, mit einem wirksamen Antibiotikum vermischt werden kann. In die Glenoidhöhle werden zusätzlich resorbierbare Antibiotikaträger in Form von Schwämmen eingebracht. Eine resistenzgerechte orale Antibiotikatherapie ist für mindestens 6 Wochen zu empfehlen. Die Reimplantation ist bei zweizeitigem Vorgehen für
einen Zeitpunkt 4–6 Wochen nach Normalisierung der Entzündungswerte, jedoch frühestens 6 Wochen nach dem Prothesenausbau zu planen (Abb. 9.2b). In jüngeren Publikationen werden jedoch auch günstige Resultate nach einzeitigem Prothesenwechsel beschrieben (Ince et al. 2004).
9.2.2 Periprothetische Frakturen Frakturen treten in den meisten Fällen als intraoperativ oder Frühkomplikationen auf und sind dann auf eine Schwächung der Kortikalis durch die Implantation der Schaftkomponente zurückzuführen. Als Spätkomplikation können periprothetische Frakturen nach adäquatem Trauma jederzeit auftreten. Eine Sollbruchstelle besteht durch das „stress rising“ unterhalb der Schaftspitze vor allem bei osteoporotischem Knochen und, überwiegend bei Rheumatikern, mit gleichzeitig einliegender humeraler Komponente einer Ellenbogenprothese zwischen den beiden Komponenten. Es handelt sich häu¿g um Quer- oder kurze Schrägfrakturen und seltener um Spiralfrakturen (Abb. 9.3a, b).
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Abb. 9.2a, b. Gleicher Fall wie Abb. 9.1. Nach Ausbau der Prothese Einbringen eines Platzhalters (a) aus einem Knochenzement-Antibiotikum-Gemisch; falls bekannt nach Resistenzbestimmung des Erregers. Wiedereinbau 6 Wochen nach Normalisierung der Entzündungswerte und keimfreier Punktion (b)
Abb. 9.3a, b. Torsionsfraktur des Humerusschaftes direkt distal des Zementmantels (a) bei einliegender Schultertotalendoprothese. Bei festen Komponenten Osteosynthese mit Platte und Zugschrauben (b)
9.2.2.1 Diagnostik Beim Auftreten periprothetischer Frakturen ist durch den Vergleich mit Röntgenvoraufnahmen und durch eine vollständige radiologische Abbildung des Schul-
tergelenkes auszuschließen, dass es sich um eine pathologische Fraktur im Rahmen einer Lockerung der Schaftkomponente mit paraprothetischen Osteolysen handelt. Auch ein Protheseninfekt muss ausgeschlossen werden.
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9.2.2.2 Therapie Bei eindeutig noch fest verankerter Prothese mit periprothetischer Spiralfraktur ohne ausgeprägte Dislokation kann ein konservativer Behandlungsversuch unternommen werden. Nach kurzfristiger Ruhigstellung des Armes im Gilchrist-Verband kann die Mobilisation unter Verwendung eines Oberarm-Brace vorgenommen werden. Häu¿ger, vor allem bei Quer- und kurzen Schrägfrakturen besteht eine Indikation zur operativen Reposition und internen Fixation durch eine Plattenosteosynthese, die bei eindeutig fester Schaftkomponente bevorzugt über den dorsalen, transtrizipitalen Zugang vorgenommen wird (Abb 9.3b). Wenn die Festigkeit des Prothesenschaftes nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, ist ein anterolateraler Zugang zum Humerus zu bevorzugen, da sich darüber gegebenenfalls ein die Prothese ebenfalls revidieren und wechseln lässt. Bei lockerer Prothese ist ein Schaftwechsel auf eine Langstielkomponente mit intramedullärer Schienung der Fraktur, eventuell mit zusätzlichen Cerclagen (Abb. 9.4), vorzunehmen.
9.2.3 Instabilität Nach Implantation einer Schulterendoprothese werden im Verlauf akute und chronische Instabilitäten beobachtet, ihre Inzidenz wird in der Literatur mit etwa 5 Prozent angegeben (Bohsali et al. 2006; Wirth u. Rockwood 1994). Bei der akuten Instabilität handelt es sich um Luxationen oder Dislokationen des Humeruskopfes aus dem Glenoid, die häu¿g auf eine
Abb. 9.4. Nach periprothetischer Fraktur mit Lockerung der Schaftkomponente Wechsel auf ein Langschaftimplantat und Cerclagen
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äußere Gewalteinwirkung zurückzuführen sind und bei denen strukturell eine Rotatorenmanschettenruptur, v. a. ein Abriss der Subskapularissehne im Vordergrund steht. Die Luxation einer Schulterprothese wird häu¿ger in der Frühphase nach der Operation beobachtet; Diagnostik und Therapie sind daher bei den Frühkomplikationen beschrieben (s. Kap. 8). Unter einer chronischen Instabilität versteht man eine im zeitlichen Verlauf zunehmende Dezentrierung des Humeruskopfes aus der Schulterpfanne (Loew et al. 2005). Dieses Phänomen wird sowohl bei Total- als auch bei Hemiendoprothesen beobachtet (Abb. 9.5a, b) und kann auf eine vorbestehende Deformität des Glenoids, auf eine operative Fehlausrichtung einer der Prothesenkomponenten und auf eine primäre oder sekundäre Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette zurückzuführen sein. 9.2.3.1 Glenoiddeformität In der Pathogenese der Omarthrose kommt es relativ häu¿g zu einer exzentrischen Glenoiderosion mit Bikonkavität oder dorsaler AbÀachung der GelenkÀäche und konsekutiver Dezentrierung des Humeruskopfes nach dorsal (s. Abschn. 6.1). Wird bei der Versorgung v. a. mit einer Hemiprothese diese Deformität nicht korrigiert, kommt es in vielen Fällen zu einem Fortschreiten der Migration der Kopfkalotte in posteriorer Richtung und in der Folge, durch die Metall-Knochen-Interaktion, zu einem exzentrischen dorsalen Abrieb der Pfanne (Edwards et al. 2004). Bei bereits frühzeitig häu¿g unbefriedigendem Operationsergebnis klagen die Patienten im zeitlichen Verlauf über zunehmende Schmerzen und einen Verlust an Beweglichkeit. Die Röntgenaufnahme in True-a. p.Projektion zeigt eine Aufhebung des Gelenkspaltes; axial imponiert eine Dezentrierung der Kalotte mit konsekutiver Verformung der Pfanne (Abb. 9.6a, b). Bei unsicherer Darstellung im Nativröntgenbild kann ein CT die Diagnose sicher (Abb. 9.7). Diese nicht selten beobachtet Komplikation führt zu der präventiven Empfehlung, bei der Omarthrose bevorzugt auch eine Glenoidkomponente zu implantieren und die Fehlstellung durch exzentrisches Fräsen oder einen dorsalen Aufbau auszugleichen (s. Abschn. 5.4). Dadurch lässt sich in den meisten Fällen eine korrekte Zentrierung des Gelenkes erreichen (Habermeyer et al. 2007). Bei der Diagnose einer sekundären Glenoiderosion im Verlauf emp¿ehlt sich
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Abb. 9.5a, b. Kraniale Instabilität einer SchulterTEP (a) nach Omarthrose 7 Jahre postoperativ (b) Die Ursache war ein Defekt der Supraspinatussehne
eine frühzeitige Revision mit Implantation einer Glenoidkomponente nach Korrektur der Retroversion, da in Spätfällen durch den Knochenverlust im Bereich des Skapulahalses eine Befestigung des Implantats sehr schwierig oder unmöglich sein kann. 9.2.3.2 Operative Fehlausrichtung Auch bei Totalendoprothesen mit Glenoidkomponenten werden dorsale Instabilitäten beobachtet, wenn die Pfanne in der präformierten Fehlstellung eingebracht oder, allerdings seltener, die Kalotte in zu starker Retrotorsion implantiert wurde. Bei der Schaftkomponente wird, v. a. bei primären Trauma-
Abb. 9.6a, b. Zunehmende dorsale Dezentrierung nach Humeruskopfprothese bei primärer Glenoiddeformität (a). Rezentrierung des Gelenkes nach Implantation einer Glenoidkomponente in korrigierter Ausrichtung (b)
prothesen, häu¿ger eine Fehlrotation in verstärkter Antetorsion beobachtet, die dann zu einer ventralen Instabilität mit Dislokationen nach ventrokranial oder ventrokaudal führt. Bei klinisch relevanten Befunden ist in diesen Fällen eine frühzeitige Revision mit Korrektur der Implantatorientierung zu empfehlen. 9.2.3.3 Insuffizienz der Rotatorenmanschette Bei vorbestehender Rotatorenmanschettenläsion, die sich bei der Implantation der Schulterprothese nicht rekonstruieren lässt, wie z. B. bei einer Defektarthropathie vom instabilen Typ (s. Abschn. 6.4) oder bei
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Abb. 9.7. Chronische anteriore Instabilität bei Subskapularisinsuf¿zienz 8 Jahre nach Schulter-TEP bei Omarthrose. Ausgeprägte Lysesäume um die Glenoidkomponente
einer rheumatoiden Arthritis (s. Abschn. 6.2), ist mit einer Dezentrierung des Gelenkes, in den meisten Fällen nach kranial, zu rechnen (Edwards et al. 2002). Die funktionellen Erwartungen an eine Hemiprothese sind in diesen Fällen limitiert („limited goal procedure“). Auch der vorbestehende Verlust des korakoakromialen Bogens oder dessen Zerstörung durch Resektion des Lig. coracoacromiale im Rahmen der Implantation kann zu einer ventrokranialen Instabilität mit chronischer Subluxation führen. Eine Migration der Kalotte aus den vorgenannten Gründen ist in der Regel in den ersten Monaten erkennbar. Demgegenüber stellt die chronische, im Verlauf allmählich zunehmende, Dezentrierung bei primär intakter Rotatorenmanschette eine typische Spätkomplikation dar. Sie ist durch eine sekundäre Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette verursacht, die schicksalhaft oder implantatbedingt eintreten kann. Bei über die knöcherne Begrenzung überstehenden Rändern der Kopfkalotte reibt der Sehnenansatz über die Prothesenkante wie über ein Hypomochlion. Dies führt zu einer chronischen Friktion und kann ein Durchscheuern oder Abreißen der Sehne zur Folge haben. Eine weitere Ursache für eine sekundäre Seh-
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nenläsion ist das „overstuf¿ng“ des Gelenkes durch Überdimensionierung der Kalotte. Diese führt zu einer chronischen Überdehnung und Überlastung der Rotatorenmanschette und im Verlauf möglicherweise zu einer Sehnenruptur. Die Konsequenz ist ein Verlust der Funktion des betroffenen Muskels und der Stabilität des Gelenkes. Ist die Supraspinatussehne betroffen, kommt es zu einer Migration der Prothese nach kranial (s. Abb. 9.5a, b), bei Insuf¿zienz der Subskapularissehne nach ventral und bei kombinierter Läsion nach kranioventral. Eine weitere seltene Ursache für eine schmerzhafte Funktionsverschlechterung bei einer Schulterprothese sind sekundäre Rupturen oder eine Dislokation der langen Bizepssehne vor ihrem Eintritt in den Sulkus (Tuckman u. Dines 2006). Insgesamt stellen in der Metaanalyse von Bohsali et al. (2006) sekundäre Schädigungen der Rotatorenmanschette mit einer Prävalenz von 1,3% bei etwa 2.500 ausgewerteten Schulterprothesen die vierthäu¿gste Komplikation dar. Die chronische Dezentrierung des Gelenkes bleibt in vielen Fällen asymptomatisch (Loew et al. 2005), bei einigen kommt es nach einigen Jahren zu einem zunehmenden Funktionsverlust des Gelenkes. Bei der klinischen Untersuchung fallen eine Verschlechterung des aktiven Bewegungsausmaßes, einen Außen- oder Innenrotationsschwäche, bei Betroffenheit der Supraspinatussehne ein positives Drop-Arm-Zeichen und bei Insuf¿zienz des M. subscapularis ein positiver Lift-off-Test (Miller et al. 2005) auf. Röntgenaufnahmen in anteroposteriorer (Aufhebung des Gelenkspaltes, Dislokation nach kranial) und in axialer Projektion (Dezentrierung nach ventral) sichern die Diagnose. Bei akut symptomatischen Schultern und nachgewiesener Sehnenschädigung ist eine frühzeitige Revision empfehlenswert, um möglicherweise eine anatomische Rekonstruktion vornehmen zu können. Dies ist allerdings nur in seltenen Fällen möglich. Bei irreparablem Subskapularisdefekt ergibt sich die Möglichkeit zu einem Transfer der Sehne des M. pectoralis major an das Tuberculum minus (s. Kap. 10; Resch et al. 2000). In einigen Fällen kann das Gelenk dadurch passiv nach ventral stabilisiert werden; ein relevanter Funktionsgewinn ergibt sich durch diese Operation nach eigenen Erfahrungen häu¿g nicht. Rekonstruktion oder Ersatz der Supraspinatussehne sind in den wenigsten Fällen Erfolg versprechend. Bei gravierender Symptomatik besteht in diesen Fällen als Ultima ratio die Indikation zum Wechsel auf ein inverses Prothesensystem.
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9.2.3.4 Implantatdislokation Vor allem bei der inversen Schulterprothese ist eine Instabilität im Langzeitverlauf nicht selten auf eine Implantatdislokation oder -dissoziation zurückzuführen. Die Luxation des Gelenkes ist gelegentlich Folge der nachlassenden Spannung des M. deltoideus durch Abrieb des Polyäthylen-Inlays, der vor allem durch den Anschlag des medialen Randes der Metaphyse an den Skapularand asymmetrisch erfolgen kann (Abb. 9.8). Es kommt dann zu einer Dislokation der Humerusschaftes nach lateral. Wegen der Torsionskräfte auf den Humerusschaft kann es bei der teilweise gekoppelten Prothese zu einer Lösung der Schraubverbindung zwischen Schaft und Metaphyse kommen. Es resultiert ebenfalls eine Instabilität des Gelenkes.
9.2.4 Implantatlockerung Wie in der Endoprothetik im Allgemeinen so stellt die Implantatlockerung auch beim Schultergelenkersatz eine kalkulierbare und gefürchtete Spätkomplikation dar. Die Ursachen liegen in Problemen der Implantatverankerung, einem Polyäthylenabrieb, und in Er-
Grad 0
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Grad 1
Grad 4
Grad 2
Grad 5
Abb. 9.8. Einteilung der Lysesäume um den Zementmantel der Glenoidkomponente in 5 Schweregrade. (Nach Lazarus et al. 2002)
müdungsphänomenen im Knochen-Zement-Interface begründet. Da wirkliche Langzeituntersuchungen mit Beobachtungszeiträumen von 10 oder mehr Jahren und für eine statistische Auswertung ausreichender Fallzahl bisher nur vereinzelt existieren (Deshmukh et al. 2005; Sanchez-Sotelo et al. 2001; Torchia et al. 1997) gibt es bisher wenig belastbare Daten zur Prognose der Implantatlockerung. In der Metaanalyse von Bohsali et al. (2006), mit Langzeitverläufen über 10 Jahren, aber einem durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von lediglich 3,5 Jahren, wurde eine Lockerung von Schulterprothesen in 6,3% der Fälle beschrieben. Davon betrafen etwa 85% das Glenoid und 15% den Prothesenschaft.
9.2.4.1 Glenoidlockerung Bei zementiert eingebrachten Glenoidkomponenten werden bereits nach wenigen Monaten häu¿g radiologische Aufhellungslinien, so genannte Lysesäume, um den Zementmantel beobachtet. Nach Wirth u. Rockwood (1994) betrug die Inzidenz bei den Prothesen der ersten Generation nach 3 Jahren bis zu 96%. In einer Langzeituntersuchung von Torchia et al. (1997) lag die Häu¿gkeit nach 9,3 Jahren bei 75%, eine nachweisbare Lockerung der Glenoidkomponenten mit klinischen Symptomen fanden sie in 44%. Lazarus et al. (2002) fanden sogar unter 328 zementierten Glenoiden, unabhängig davon, ob mit Kiel- oder Zapfendesign, lediglich 20 Fälle ohne Lysesäume. Sie schlugen je nach Ausdehnung und Weite eine Einteilung in 5 Schweregrade vor, um daraus das Risiko einer Glenoidlockerung und -dislokation ableiten zu können (s. Abb. 9.8). Das morphologische Korrelat und die prognostische Bedeutung dieser Aufhellungslinien sind bis heute nicht gesichert. Nur ein relativ geringer Prozentsatz der Lysesäume zeigt im Verlauf eine Größenzunahme oder sonstige Progredienz, nur wenige Glenoide lockern nachweisbar oder dislozieren (Antuna et al. 2001). Unterschiede zwischen der Zapfen- oder Kielverankerung (s. Abschn. 5.4) sind nicht bekannt. Eine Ursache für das Auftreten der Lysesäume ist scheinbar in der Zementiertechnik begründet; bei sorgfältiger Reinigung des Kielschlitzes und Einbringen der Komponente in Vakuumtechnik scheinen periprothetische Spaltbildungen seltener aufzutreten. Eine weitere Ursache für eine frühzeitige Glenoidlockerung liegt in einer exzentrischen Belastung,
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Spätkomplikationen
z. B. durch Fehlorientierung in verstärkter Anteversion, Retroversion oder Inklination. Auch bei der Instabilität einer Totalendoprothese kommt es zu einer verstärkten Belastung an den Rändern der Glenoidkomponenten und dadurch zu dem so genannten „Rocking-Horse-Phänomen“. Diesem Mechanismus wird eine Bedeutung für die mechanische Auslockerung des Pfannenimplantats zugeschrieben. Bei zementfrei befestigten Glenoiden mit einer Metallbasis und Verankerung durch Hohl- oder Pfahlschrauben in kasuistischen Publikationen in geringerer Häu¿gkeit Spaltbildungen unter der Metallplatte beschrieben (Boileau et al. 2002). Dafür sind Implantatversagen durch Bruch der Verankerungsschrauben, Dissoziation der Teilkomponenten, frühzeitigem Polyäthylen- und sekundärem Metallabrieb deutlich häu¿ger als bei zementierten Glenoiden. Bei der radiologischen Entdeckung eines Lysesaumes ohne klinische Beschwerdesymptomatik sind jährliche Röntgenkontrollen zu empfehlen; wenn innerhalb von 2 Jahren keine Progredienz festzustellen ist, scheint die Gefahr einer Lockerung gering und die Kontrollabstände können verlängert werden. Bei eindeutiger Zunahme der Spaltbildung oder bei erkennbarer Lageveränderung der Implantatmarker ist auch bei tolerablen Beschwerden eine frühzeitige Revision
Abb. 9.9a–d. Lysesäume und progrediente Lockerung einer zementierten Schaftkomponente durch Polyäthylenabrieb. 1 Jahr postoperativ (a, b), 7 Jahre postoperativ. Ausgeprägte knöcherne, epiphysäre Resorption (c), Lysesaum auch an der Schaftspitze (d)
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empfehlenswert, um Sekundärschäden der knöchernen Basis am Skapulahals zuvorzukommen und sich die Möglichkeit einer primären Reimplantation zu erhalten. Bei einer Destruktion des knöchernen Lagers sind Aufbauplastiken durch Anschrauben von kortikospongiösen Beckenkammspänen als ausschließliche Maßnahme oder zweizeitig mit Reimplantation einer Prothesenkomponente beschrieben (Phipatanakul u. Norris 2006). Ergebnisse dieser Revisionsoperationen liegen jedoch bisher nur in Einzelfällen vor. 9.2.4.2 Schaftlockerung Die Lockerung von modernen Prothesenschäften wird wesentlich seltener beobachtet als von den Glenoidkomponenten. Bei den zementfrei „press ¿t“ eingebrachten Prothesen der ersten Generation wurden nach 12 Jahren allerdings auch in 49% der Fälle manifeste Lockerungen beschrieben (Verborgt et al. 2007), während bei zementierten Schäften keine Lageveränderungen festzustellen waren. Andere Studien berichten jedoch ebenfalls über Lysesäume bei zementierten Prothesen, in vielen Fällen im Rahmen eines Spätinfektes (Abb. 9.9a–d). Nur in Einzelfällen führt dies jedoch zu einer nachweisbaren Verände-
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rung der Implantatlage und zu klinischen Symptomen (Sanchez-Sotelo et al. 2001). Die Lockerungsrate nach zementfreier Implantation scheint auch bei den moderneren Prothesenschäften etwas höher. Bei ausbleibender Osteointegration kann es zu einem Sintern und Einsinken des Schaftes in den Markraum kommen. In einer aktuellen Langzeitanalyse durchschnittlich 9,2 Jahre nach Implantation (Verborgt et al. 2007) wurden endostale Reaktionen in 30% und Lageveränderungen der Prothese in 15% der Fälle beschrieben; 19% der Implantate wurden radiologisch bezüglich einer Lockerung als „at risk“ beurteilt. Eine Ursache der Schaftlockerung liegt möglicherweise, analog zur Hüftendoprothese, in einem Polyäthylenabrieb aus der Glenoidkomponente mit der Ausbildung aggressiver Weichteilgranulome. Auch bei Auftreten von Lysesäumen oder sonstigen Lockerungszeichen der humeralen Schaftkomponente ohne damit einhergehende Symptomatik sind jährliche Röntgenkontrollen zu empfehlen. Die Indikation zu einem Schaftwechsel besteht bei Beschwerden, bei kritischer Ausdünnung der Kortikalis und bei Gefahr einer Schaftperforation.
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Revisionen und Wechsel
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10.1 Ätiologie In der aktuellen Literatur wird nach Schulterarthroplastik über Revisionsraten zwischen 5% und 42% berichtet (Bishop et al. 2005, Bohsali et al. 2006; Neer u. Kirby 1982; Petersen u. Hawkins 1998). Grundsätzlich kann man die Ursachen, die zu einer Revision einer Schulterendoprothese führen, in fünf Untergruppen unterteilen: 1. Weichteilbedingte Ursachen können zu Instabilitäten oder Kontrakturen führen. Die Ursache für eine Instabilität liegt in vielen Fällen nach Hemi- oder Totalendoprothesen in einem Verlust der oberen und vorderen Anteile der Rotatorenmanschette mit resultierender anteriorer Dezentrierung oder Kranialisation der humeralen Komponente. Nach primärer Traumaprothetik kann ein Verlust der Tuberkula ebenfalls eine Instabilität auslösen. Hochgradige Bewegungseinschränkungen können auf Weichteilkontrakturen und Vernarbungen zurückzuführen sein. 2. Knöchern bedingte Ursachen sind Defekte aufgrund einer arthrotischen, posttraumatischen oder kongenitalen Veränderung des Glenoids. Auf Seite des proximalen Humerus kann es bei in Fehlstellung konsolidierten Tuberkula sekundär zu Deformierungen kommen, die eine Funktion der humeralen Komponente nur eingeschränkt möglich machen. Polyätylenabrieb und Implantatlockerung können ebenfalls zu ausgeprägten Knochendefekten führen. 3. Implantatbedingte Ursachen: Dabei handelt es sich häu¿g um Fehlorientierung und -implantation von Komponenten, z. B. in Form von Rotations- oder
Inklinationsfehlern, die sekundär zu Instabilitäten führen können und so die Komponenten sekundär auslockern lassen. Selten, aber wiederholt beschrieben, ist eine Diskonnektion einzelner Implantatkomponenten, entweder durch den Verlust des glenoidalen Inlays oder auch der Kopfaufsätze bzw. durch eine Derotation zwischen einer proximalen und distalen modularen humeralen Komponente. 4. Periprothetische Frakturen mit oder ohne Lockerung der Schaftkomponente sind die häu¿gsten Ursachen ungeplanter Prothesenrevisionen. 5. Infektionen: Relativ häu¿ge Revisionsursachen sind lokale periprothetische Früh- und Spätinfekte, wobei Infektionen, die nach einem Jahr oder später beobachtet werden, auch als metastatische Streuungen eines topographisch entfernten Fokus auftreten können. Revisionseingriffe nach fehlgeschlagener Schulterendoprothese, unabhängig davon, ob sie nach Frühoder Spätkomplikationen durchgeführt werden, sind außerordentlich komplexe Operationen, die einer umfangreichen Erfahrung, gewissenhaften Planung und gründlichen Vorbereitung bedürfen und daher in Schwerpunktzentren vorgenommen werden sollten. Voraussetzung ist eine differenzierte Analyse der Ursachen, die zu dem Fehlschlag geführt haben. Die Indikation zu einem Revisionseingriff kann sich einerseits aus dem unbefriedigenden subjektiven und funktionellen Zustand der Schulter des Patienten ergeben, vor allem beim Vorliegen einer hochgradigen schmerzhaften Bewegungseinschränkung. Andererseits ist es auch möglich, dass aufgrund von ausschließlich radiologisch feststellbaren Verände-
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_10, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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rungen, vor allem bei der Lockerung von Implantatkomponenten, eine Revision in Erwägung gezogen werden muss, ohne dass ein subjektiver Leidensdruck besteht. In beiden Fällen müssen verschiedene Fragen und Erwägungen in die Indikationsentscheidung einbezogen werden. Ɣ Besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Beschwerden des Patienten und einer objektivierbaren Komplikation von Seiten der Implantate oder der periprothetischen Weichteile? Ɣ Gibt es eine realistische Möglichkeit, durch den Revisionseingriff die subjektiven Beschwerden oder die Funktion des Gelenkes zu verbessern? Ɣ Führt die Unterlassung einer Revision möglicherweise zu einem irreversiblen Schaden? Ɣ Kann die Situation durch den Revisionseingriff verschlimmert werden?
10.2 Indikationen Unter den vorgenannten Voraussetzungen können zwingende von optionalen Indikationen zu einem Revisionseingriff mit oder ohne Prothesenwechsel unterschieden werden. Zwingende Indikationen sind: Ɣ Nachweis oder Verdacht auf einen periprothetischen oder Weichteilinfekt, Ɣ periprothetische Frakturen bei gleichzeitiger Implantatlockerung, Ɣ Prothesenlockerung mit bestehender oder drohender Dislokation, Ɣ hochgradige und therapieresistente Schmerzen mit drohender Invalidität. Optionale Indikationen bestehen bei Ɣ radiologischem Nachweis einer Implantatlockerung ohne Dislokation oder Progredienz, Ɣ zunehmender Funktionsverschlechterung bei Implantatverschleiß, Ɣ ungünstigem primärem Operationsergebnis bei Fehlimplantation, Ɣ progredienten Beschwerden und Bewegungseinschränkung bei sekundärer Glenoiderosion nach Hemiendoprothese. Vor allem bei den optionalen Indikationen ist es zwingend notwendig, die Kardinalsymptome des Patienten
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zu de¿nieren und seine Erwartungen an den Revisionseingriff kritisch zu überprüfen.
10.3 Vorbereitung und Planung Eine ausführliche und lückenlose Erhebung der Vorgeschichte und vor allem der Indikation zur Primärimplantation sowie der präoperativen Gegebenheiten, der Röntgenbefunde und nach Möglichkeit auch der klinischen Situation vor dem Ersteingriff ist zwingend erforderlich. Der primäre Operations- und etwaige Revisionsberichte müssen herangezogen werden, um Informationen über die knöchernen Voraussetzungen von Humeruskopf und Schulterpfanne, die Weichteilsituation und insbesondere über den Zustand der Rotatorenmanschette zu erhalten. Schwierigkeiten und Komplikationen bei der Primärimplantation müssen bekannt sein. Möglicherweise war eine scheinbare Fehlorientierung des Implantats zwingende Folge einer vorbestehenden knöchernen Deformität. Von Bedeutung ist auch die Kenntnis über das primäre funktionelle Resultat und seine Veränderungen im zeitlichen Verlauf. War es nach der Primärimplantation zunächst zu einer funktionell zufrieden stellenden schmerzfreien Situation und im Verlauf anschließend zu einer zunehmenden Verschlechterung gekommenen, sind Weichteilkomplikationen oder Lockerungsprobleme als wahrscheinliche Ursachen anzunehmen. Bei primär unbefriedigendem Ergebnis sind wahrscheinlich ungünstige präoperative Voraussetzungen oder Implantationsfehler für den Fehlschlag verantwortlich. Zur Planung des Revisionseingriffs sind nach Möglichkeit sämtliche im Verlauf nach der Primärimplantation angefertigten Röntgenaufnahmen zu analysieren, um eine Lageveränderung der Implantate, Sinterung des Prothesenschaftes, progrediente Lysesäume oder einen zunehmenden knöchernen Substanzverlust zu erkennen. Hersteller¿rma, Modell und Größe der Implantate sowie deren spezi¿schen Koppelungs- und Fixationsmechanismen müssen bekannt sein. Im Vordergrund der Diagnostik für die Revisionsvorbereitung steht zunächst die klinische Untersuchung. Lokale Druck-, Klopf- oder Stauchungsschmerzen können auf eine periprothetische oder Weichteilinfektion oder auch auf eine Implantatlockerung hinweisen. Die aktive Mobilität und das passive
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Bewegungsausmaß sind zu differenzieren, um muskuläre Insuf¿zienz und Kontraktur differenzieren zu können. Die Stabilität des Gelenkes in sämtlichen Richtungen ist mit den üblichen klinischen Tests zu überprüfen. Bei Verdacht auf eine neurogene oder muskuläre Läsion des M. deltoideus ist eine neurologische Untersuchung mit EMG empfehlenswert. Zum präoperativen Routinelabor gehört neben dem Blutbild die Bestimmung des C-reaktiven Proteins und anderer unspezi¿scher Infektparameter. Da ein Prothesenwechsel mit stärkeren Blutverlusten verbunden sein kann, muss die Blutgruppe bekannt sein und es sollten 2–4 Erythrozytenkonzentrate bereitgestellt werden. Während der Operation ist eine Autotransfusion des Blutverlustes zu empfehlen. Aktuelle, unmittelbar vor der Operation angefertigte Röntgenaufnahmen in True-a. p.- und axialer Projektion, die das Implantat vollständig und auch die angrenzenden knöchernen Strukturen abbilden, sind unverzichtbar. Um die Ausrichtung der Komponenten, mögliche Knochensubstanzverluste und die Verankerungsmöglichkeiten genauer beurteilen zu können kann eine Dünnschicht-Computertomographie zur Operationsplanung weitere Informationen bieten. Ist ein Prothesenwechsel geplant, ist, falls vorhanden, ein Ausbauinstrumentarium für das Primärimplantat von der Hersteller¿rma zu besorgen. Instrumente zur Entfernung des Knochenzements, Osteosynthesematerialien (Zerklagen, Platten etc.), Wechselimplantate mit Langschaftkomponenten in allen verfügbaren Durchmessern und Längen, autologe Knochentransplantate und Allografts müssen vor der Operation bereitgestellt werden oder im Notfall verfügbar sein. Falls der vollständige Ausbau der Prothese nicht erforderlich oder möglich ist, sollten Einzelkomponenten dieses Implantattyps, d. h. Kalotten und passende Glenoide, zum Austausch zur Verfügung stehen. Vor dem Revisionseingriff muss der Operateur alle denkbaren intraoperativen Probleme und Komplikationen in Erwägung ziehen. Der Patient muss vor der Operation umfassend und schonungslos über Chancen und Risiken der Operation und über das ganze Spektrum möglicher Fehlschläge aufgeklärt werden. Die speziellen, aufklärungspÀichtigen Komplikationen schließen den ersatzlosen Ausbau der Prothese, potentiell instabile Rekonstruktionen und gravierende neurovaskuläre Schäden ein. Insbesondere muss der Patient über das im Einzelfall nur unverbindlich vorhersehbare Resultat des Revisionseingriffs informiert sein.
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10.4 Weichteilbedingte Ursachen 10.4.1 Kontraktur Eine weichteilbedingte Schultersteife bei Hemi- oder Totalendoprothese ist entweder auf ein unzureichendes Weichteil-Release während der Primäroperation, auf eine Vernachlässigung der postoperativen Rehabilitation oder auf eine extensive Narbenbildung im Rahmen einer inÀammatorischen Wundheilungsantwort zurückzuführen. In der Regel bestehen ausgeprägte Verklebungen zwischen den muskulotendinösen Anteilen der Rotatorenmanschette und der UnterÀäche des M. deltoideus neben intraartikulären Verwachsungen; sekundär kommt es zu einer Kontraktur überwiegend der vorderen Anteile der Rotatorenmanschette. Ob ein arthroskopisches Release weniger traumatisch ist oder andere Vorteile gegenüber einer offenen Arthrolyse hat, ist nicht bekannt. Wenn intraartikuläre Ursachen, z. B. eine Komponentenlockerung oder eine Instabilität der langen Bizepssehne, für die Schultersteife ausgeschlossen werden soll, ist eine Arthroskopie grundsätzlich indiziert. Ein periartikuläre Release an der OberÀäche der Rotatorenmanschette bei leichterer Bewegungseinschränkung kann ebenfalls arthroskopisch ausgeführt werden. In Einzelfällen konnten sogar gelockerte Glenoidkomponenten arthroskopisch entfernt werden (Neer u. Kirby 1982). Prinzipiell ist bei einer schweren weichteilbedingten Prothesenkontraktur jedoch ein offenes Vorgehen eher Erfolg versprechend, zumal dadurch auch oberÀächliche, subkutane Verwachsungen im Narbenbereich gelöst werden können.
10.4.1.1 Operationstechnik Der Eingriff erfolgt unter Antibiotikaprophylaxe. In der Regel ist ein deltoideopektoraler Zugang vorgegeben, der für die Revision nach kranial oder kaudal ausgedehnt werden kann. Zunächst erfolgt digital, mit einem Rasparatorium oder spreizend mit der Präparierschere das Lösen der Verwachsungen zwischen der OberÀäche der Rotatorenmanschette und der UnterÀäche des M. deltoideus. Anterokranial wird das meist
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erheblich vernarbte korakohumerale Band durchtrennt. Die Subskapularissehne wird bis zu ihrem Unterrand dargestellt und die Topographie der A. brachialis und des N. axillaris identi¿ziert. Der Nerv ist bei Revisionseingriffen wegen der Vernarbungen häu¿g schwer darstellbar, sollte aber wegen der Verletzungsgefahr unbedingt zumindest getastet und während des Eingriffs sorgfältig geschützt werden. In Innenrotation können die dorsokranialen Verklebungen meist mit dem Finger oder stumpf mit dem Rasparatorium gelöst werden, wobei auch dorsal der N. axillaris berücksichtigt und geschont werden muss. In den meisten Fällen besteht bei der Schulterkontraktur eine erhebliche Verkürzung der Subskapularissehne mit Kontraktur des Muskels. Eine Verlängerung der Sehne um einen Zentimeter bei gleichzeitiger Lösung der periartikulären Verwachsungen führt bei kongruenten GelenkÀächen zu einer Zunahme der Außenrotationsfähigkeit um 20 Grad. Häu¿g ist es daher erforderlich, die Sehne ansatznah abzulösen, um die Verwachsungen zwischen dem Muskel und dem vorderen Skapulahals lösen zu können. Die meisten Autoren empfehlen die Ablösung transtendinös unter Belassen eines Stumpfes am Tuberculum minus zur Re¿xation. Alternativ kann eine Osteotomie gemeinsam mit dem Sehnenansatz vorgenommen werden, wobei die Osteosynthese mit transossären Nähten, Schrauben oder Zerklagen zur frühzeitigen Rehabilitation ausreichend belastbar sein muss. Beim Abschieben des Muskels muss die neurovaskuläre Versorgung berücksichtigt werden; ein stumpfes Abschieben mit dem Finger oder dem Rasparatorium ist daher einem scharfen Durchtrennen mit der Präparierschere vorzuziehen. Die Sehne muss von ihrem Ober- bis zum Unterrand dargestellt und in vollem Umfang (360 Grad) aus ihren Verklebungen gelöst werden. Unter Umständen muss die Kapsel vollständig von der InnenÀäche der Subskapularissehne abgelöst werden. Eine z-förmige Verlängerung der Sehne ist wegen der möglichen Schwächung der Innenrotation nicht zu empfehlen. Ein Ablösen der kranialen und dorsalen Anteile der Rotatorenmanschette soll wegen der problematischen Re¿xation und Heilung nicht vorgenommen werden; in der Regel ist ein periartikuläres Weichteil-Release ausreichend. Nach der Lösung der Verwachsungen zwischen der Rotatorenmanschette und dem M. deltoideus muss der Gelenkinnenraum sorgfältig inspiziert werden, um vor allem potentielle Lockerungen einzelner
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Abb. 10.1. Humerale Ablösung der Subskapularissehne, subperiostale Mobilisation und zirkuläres Kapsel-Release bei schwerer Schulterkontraktur bei Schulterprothese
Prothesenkomponenten festzustellen. Unter Umständen kann ungeplant ein partieller oder vollständiger Endoprothesenwechsel erforderlich sein. Bei stabilem Implantat wird anschließend ein semizirkuläres Release der hinteren Gelenkkapsel vom unteren bis zum oberen Glenoidpol vorgenommen (Abb. 10.1). Dazu ist es hilfreich, bei modularen Systemen die Kalotte abzunehmen und anschließend, falls ein „overstuf¿ng“ vorliegt, gegen eine kleinere oder niedrigere Komponente auszutauschen. Die Inzision der Gelenkkapsel erfolgt bevorzugt mit dem Rasparatorium direkt neben dem Glenoidrand. Im Bereich des Rezessus axillaris ist wiederum der Nerv zu beachten und zu schützen, das Release sollte dazu bevorzugt in Adduktion und Außenrotation ausgeführt werden. Der Gelenkverschluss erfolgt schließlich ausreichend stabil durch Re¿xation des M. subscapularis mit nichtresorbierbaren Sehne-zu-Sehne-Nähten in Mason-Allen- oder Flaschenzugtechnik. Zusätzlich sollten transossäre Nähte durch das Tuberculum minus die Sehnennaht sichern (Abb. 10.2).
10 Revisionen und Wechsel
Abb. 10.2. Transossäre Re¿xation der Subskapularissehne, eventuell mit Medialisierung um 1 cm
10.4.1.2 Rehabilitation Direkt im Anschluss an die Revision muss das postoperative Behandlungsprotokoll festgelegt werden. Da die anschließende Phase meistens sehr schmerzhaft, eine frühzeitige Rehabilitation für den Behandlungserfolg jedoch unverzichtbar ist, wird eine kontinuierliche Regionalanästhesie z. B. über einen Infraskalenuskatheter empfohlen. Eine hochdosierte orale oder intravenöse Schmerztherapie führt wegen der Nebenwirkungen nicht selten zu einer eingeschränkten allgemeinen Belastbarkeit des Patienten. Die zur Krankengymnastik freigegebenen Bewegungsumfänge orientieren sich an den intraoperativ dokumentierten, spannungsfreien Ausmaßen. In den meisten Fällen ist neben einer individuellen physiotherapeutischen Behandlung die Mobilisation mit einer motorisierten Bewegungsschiene zu empfehlen.
10.4.2 Instabilität Die weichteilbedingte Instabilität einer Schulterprothese ist meistens auf einen vorbestehenden Verlust
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der Rotatorenmanschette, z. B. bei einer Defektarthropathie, oder auf eine Rotatorenmanschettenruptur im postoperativen Verlauf zurückzuführen. Letztere kann alterungs- und verschleißbedingt in den dorsokranialen Anteilen, d. h. der Supra- und Infraspinatussehne eintreten oder nach insuf¿zienter Re¿xation und unterschiedlicher Gewalteinwirkung die Subskapularissehne betreffen. Nur innerhalb weniger Wochen nach einer traumatischen Sehnenruptur kann mit der Möglichkeit einer anatomischen Rekonstruktion gerechnet werden. Weitaus häu¿ger sind jedoch chronische Instabilitäten aufgrund degenerativer Veränderung oder Sehnenläsionen im Rahmen einer chronischen Polyarthritis oder von Kollagenosen. Handelt es sich bei der Instabilität um einen kraniodorsalen Defekt, also einen Verlust des M. supraoder/und des M. infraspinatus, so wird die weitere Planung sich nach den Bedürfnissen und Erwartungen des Patienten richten müssen. Klinisch, radiologisch und sonographisch muss evaluiert werden, ob noch ausreichend Rotatorenmanschette vorhanden ist und diese in ihrer Qualität eine Rekonstruktion zulässt. Da die Aussagefähigkeit einer Kernspintomographie durch die implantatbedingten Überlagerungsartefakte nur sehr eingeschränkt beurteilbar ist, kommt der Sonographie zur Operationsplanung eine besondere Bedeutung zu. Ist bei vorhergehenden Eingriffen das korakohumerale Ligament reseziert und damit der Fornix humeri zerstört worden, so dass es zu einem ventrokranialen Aufsteigen des Kopfes bis unter die Haut kommt, sind die Revisionsmöglichkeiten eingeschränkt. Bei einem akromiohumeralen Abstand von unter 6 mm in der a. p.-Röntgenaufnahme ist eine anatomische Sehnennaht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr möglich. In dieser Situation sind sekundäre Rekonstruktionen, einschließlich des M.-latissimus-dorsi-Transfers, in einzelnen Fällen beschrieben worden (Voloshin et al. 2005), ihre Resultate sind allerdings nicht bekannt. Bei einem irreparablen Verlust der Subskapularissehne kann ein Ersatz durch einen Transfer der oberen zwei Drittel der Pectoralis-major-Sehne auf das Tuberculum minus in der Technik nach Resch et al. (2000; Abb. 10.3) zumindest eine Stabilisierung der Prothese bewirken. Ein Funktions- oder Kraftgewinn ist durch diese Maßnahme jedoch nicht in allen Fällen zu erwarten (Miller et al. 2005).
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der im Gelenk verbliebene proximale Stumpf zwischen den Prothesenkomponenten einklemmen. Die Diagnose kann häu¿g erst im Rahmen einer (arthroskopischen) Lokalrevision gesichert werden, bei der dann gleichzeitig therapeutisch eine Tenotomie mit Resektion ihres intraartikulären Anteils vorgenommen wird.
10.5 Knöchern bedingte Ursachen
Abb. 10.3. Transfer der kranialen zwei Drittel der Pectoralis-major-Sehne zur Stabilisierung einer Schulterprothese bei Subskapularisläsion. Die Sehne wird unter den gemeinsamen Sehnen kaudal des Processus coracoideus hindurch gezogen und am Tuberculum minus ¿xiert
Als Ultima ratio kommt bei chronischer Instabilität mit Verlust der Rotatorenmanschette allenfalls der Wechsel auf ein inverses Prothesensystem in Frage. 10.4.2.1 Bizepssehnenluxation Eine relativ häu¿ge Ursache weichteilbedingter Komplikationen ist die Dislokation der langen Bizepssehne aus ihrem Sulkus oder eine chronische, schmerzhafte Friktion der Sehne beim Gleiten über den Rand einer fehlplatzierten oder überdimensionierten Prothesenkalotte (Tuckman and Dines 2006). Klinisch bestehen in diesen Fällen Rotationsschmerzen und häu¿g eine zunehmende Bewegungseinschränkung. Die Untersuchungsbefunde sind unspezi¿sch; meistens imponieren lokale Druckschmerzen über dem Sulkus, unregelmäßig sind schmerzhafte klinische Provokationszeichen (Yergason-Test, Palm-up-Test) auffällig. Gelegentlich kann auch nach einer Bizepstenotomie
Häu¿ge Ursache für, nicht selten aber auch Folge von Prothesenrevisionen und -wechseln sind knöcherne Substanzverluste am proximalen Humerus und häu¿ger an der Schulterpfanne. Knochenverlust am Glenoid ist in der Regel durch eine exzentrische Erosion bei Humeruskopfprothesen, periprothetische Infekte und Implantatinstabilitäten bedingt oder tritt nach mechanischem Versagen beim Ausbau fehlplatzierter Glenoidkomponenten auf. Die Ursachen für einen knöchernen Verlust am proximalen Humerus können in einem Polyäthylenabrieb der Glenoidkomponente, ausbleibender Integration zementfreier Schaftimplantate oder in chronischen (a)septischen Lockerungen liegen.
10.5.1 Glenoiderosion Die Häu¿gkeit von Revisionen wegen einer sekundären Glenoiderosion betrug nach einer aktuellen Metaanalyse (Radnay et al. 2007) nach Humeruskopfprothesen infolge einer primären Omarthrose 10,2%. Eine Revision ist bei klinisch relevantem exzentrischen Glenoidabrieb möglichst frühzeitig vorzunehmen, damit noch ausreichend Knochensubstanz für die Verankerung einer Glenoidkomponente im Skapulahals vorhanden ist. Wenn eine Glenoidrevision oder eine sekundäre Implantation geplant ist, muss bei modularen Prothesen die Kalotte entfernt, bei Cupoder Schaftprothesen in der Regel das Implantat ganz ausgebaut werden, um eine ausreichende Exposition der Schulterpfanne zu ermöglichen. Ein zirkuläres glenoidales Kapsel-Release ist erforderlich, um den proximalen Humerus mit einem Fukuda-Retraktor hinter den dorsalen Pfannenrand verlagern zu können. Eine sorgfältige präoperative Planung mit einem
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Abb. 10.4a–c. Exzentrische dorsale Erosion der Schulterpfanne (a), korrigierendes Vorfräsen der konkaven GelenkÀäche (b) und Implantation einer zementierten Glenoidkomponente (c). Gleicher Patient wie Abb. 9.6
Dünnschicht-CT ermöglicht die Einschätzung, ob die GelenkÀäche in die korrekte Version gefräst werden kann (subtraktive Korrektur) oder ob ein dorsaler Aufbau der GelenkÀäche durch einen kortikospongiösen Span erforderlich ist (additive Korrektur). Limitierend ist das Volumen der knöchernen Substanz des Skapulahalses zur Aufnahme der Kiels oder Zapfen bei zementierten oder der Befestigungsschrauben bei zementfrei befestigten Metal-backed-Glenoidkomponenten. Relativ günstig ist die Situation, wenn die Version der GelenkÀäche den Fräsvorgang korrigiert werden kann. In der Regel kann dann ein zementiertes Glenoid in der korrekten Position eingebracht werden (Abb. 10.4a–c). Sehr viel schwieriger ist ein dorsaler Pfannenaufbau, weil einerseits für die Befestigung des Knochenspans mit kanülierten Schrauben häu¿g ein zusätzlicher dorsaler Zugang erforderlich ist und die Schrauben dann nicht selten mit dem Verankerungssystem der Schulterpfanne kollidieren. Ein einfaches Unterschieben einer passenden Knochenscheibe birgt das Risiko einer Dislokation. In beiden Fällen ist die Implantation einer zementfreien Glenoidkomponente zu bevorzugen. Bedingt durch die Resorption der auto- oder homologen Knochentransplantate sind häu¿ge Frühlockerungen der Implantate beschrieben worden. Langzeitbeobachtungen und funktionelle Resultate sind nicht bekannt. Wenn weder eine additive Korrektur noch eine Implantation nach subtraktiver Korrektur möglich ist, besteht als Ultima ratio die Möglichkeit, die Schulterpfanne in die korrekte Version zu fräsen, ohne eine Glenoidkomponente einzubringen („ream and run“).
10.5.2 Humeraler Knochenverlust Ein knöcherner Substanzverlust bei einer Standardprothese ist häu¿g mit einer Lockerung der humeralen Komponente verbunden. Problematisch ist der Knochendefekt dadurch, dass in der Regel die Tuberkula, d. h. die knöchernen Ansätze der Rotatorenmanschette, betroffen sind, so dass ein Bewegungsverlust des Gelenks und eine Instabilität der Schulterprothese daraus resultieren. Einen häu¿gen Sonderfall des Knochenverlusts stellt die Resorption oder Dislokation der Tuberkula im Rahmen der primären Frakturprothetik dar. Die sekundäre Re¿xation der Tuberkula an die Prothese mit oder ohne Spongiosaplastik führt selten zu ihrer Einheilung. Ein knöcherner Aufbau durch auto- oder homologe Knochentransplantate ist wenig Erfolg versprechend, da dadurch ein Funktionsgewinn nicht erreicht werden kann. Eine Behandlungsoption mit eingeschränkter Funktionserwartung stellt der Ausbau des Prothesenschaftes mit Ersatz durch eine Tumorprothese mit metaphysären Fixationsmöglichkeiten für die Rotatorenmanschette durch entsprechende OberÀächenkon¿guration oder -beschichtung oder die Befestigung mit einem Kunststoffschlauch dar. Wesentlich günstiger ist jedoch in diesen Fällen der Wechsel auf ein reverses Implantatsystem (s. Abschn. 5.5). In extremen Fällen kann nach mehrfachen Prothesenlockerungen, vor allem beim Rheumatiker, ein kompletter prothetischer Humerusersatz vorgenommen werden. Probleme mit diesen so genannten
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Megaimplantaten sind neben vielen anderen ihre Verankerung im Ellengelenk und die aufgrund der großen Rotationskräfte möglichen Implantatbrüche.
10.6 Implantatbedingte Ursachen 10.6.1 Fehlimplantation Die häu¿gsten Ursachen von unmittelbar nach der Primäroperation auftretenden Fehlschlägen sind Implantationsfehler, vor allem die Auswahl eines unangemessenen Prothesentyps oder eine inkorrekte Orientierung oder Fehldimensionierung einzelner oder sämtlicher Implantatkomponenten. Eine verstärkte Anteversion von Kalotte oder Glenoid kann zu einer anterioren Instabilität, eine Überdimensionierung der Kalotte zu einer Schultersteife und ein ausschließlicher Ersatz der humeralen GelenkÀäche zu einer sekundären Glenoiderosion führen. Häu¿g ist die einzige Erfolg versprechende Konsequenz aus einer Fehlimplantation ein partieller oder vollständiger Wechsel der Schulterendoprothese.
10.6.1.1 Wechsel der humeralen Komponenten Im einfachsten Fall einer bloßen Über- oder Unterdimensionierung der GelenkÀäche einer modularen Humeruskomponente ist der Wechsel der Kalotte auf ein größeres oder kleineres Implantat unter Belassung des Prothesenschaftes in situ. Verschiedene
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implantatspezi¿sche Instrumentarien erleichtern das Abschieben, -schlagen oder -stößeln der GelenkÀäche. Bei einigen Prothesentypen sind die Kalotten mit Madenschrauben am Schaft befestigt. Diese müssen dann unter Umständen durch Abtragen von Verknöcherungen exponiert und entfernt werden. Nach Wechsel der Kalotte muss sichergestellt werden, dass es nicht zu einem knöchernen Impingement durch zu hoch stehende Tuberkula oder zu einer Instabilität des Gelenkes kommt. In diesem Fall muss ein vollständiger Wechsel und auch der Übergang auf ein anderes Prothesensystem in Erwägung gezogen und vorbereitet worden sein. Der Ausbau einer Cup-Prothese gestaltet sich in den meisten Fällen unkompliziert. Mit der oszillierenden Säge wird die Metaphyse in der Ebene der Kalottenbasis unmittelbar angrenzend an den Rand des Implantats durchtrennt. Bei korrekter Implantation ergibt sich aus der ResektionsÀäche ein regulärer Zugang zum Prothesenschaft; andernfalls muss eine Nachresektion unter Umständen unter Verwendung der Resektionshilfe für den geplanten Wechselschaft vorgenommen werde. Demgegenüber kann der Ausbau und Wechsel einer festen, zementfrei eingebrachten Schaftkomponente außerordentlich kompliziert und schwierig sein (Tauber et al. 2006). Die Planung und das konkrete Vorgehen bei der Wechseloperation folgen den Prinzipien, wie sie von anderen Gelenken der unteren Extremität hinlänglich bekannt sind. Für die meisten Prothesenmodelle existieren spezi¿sche Ausschlaginstrumentarien (Abb. 10.5a–c), die auf den Konus der Metaphyse gesteckt, verschraubt oder verklemmt werden können und so die Extraktion erheblich erleichtern. Neben diesen zur Ex- und Reimplantation vorgesehenen speziellen
Abb. 10.5a–c. Universal-Ausschlaginstrumentarium für Prothesenschäfte (Fa. Tornier) mit unterschiedlichen Fixationsmodulen (a, b) und Schlitzhammer (c)
10 Revisionen und Wechsel
Protheseninstrumentarien sollte auch ein universelles Wechselsieb mit Instrumenten zum Ausbau zementierter Schäfte zur Verfügung stehen. Die Möglichkeit der intraoperativen Bildwandlerkontrolle muss gegeben sein: Osteosynthesematerialien müssen ebenso zur Verfügung stehen wie Wechselimplantate mit allen existierenden Schaftlängen und -durchmessern. 10.6.1.2 Operationstechnik In der Regel erfolgt der Zugang über die vorgegebene Narbe, die bei Bedarf großzügig nach kranial und kaudal verlängert werden soll. Nach Lösen und Durchtrennen der para- und intraartikulären Verwachsungen erfolgt die Luxation des Humeruskopfes in zunehmender Außenrotation. Sorgfalt muss aufgebracht werden, dass keine zu großen Drehmomente aufgebracht werden, da es dadurch leicht zu Spiralfrakturen des Humerus an der Prothesenspitze kommen kann. Nach Exposition der Kalotte wird diese bei modularen Systemen vom Schaft gelöst. Um das spezielle Ausschlaginstrumentarium anzubringen, muss die Metaphyse des Prothesenschaftes meistens aus narbigen Verwachsungen gelöst und aus Verknöcherungen gemeißelt werden. Das Instrument wird dann auf das Prothesenende gesteckt, geschraubt oder verklemmt und der Schaft wird mit einem Schlitzhammer streng in der Richtung der Humerusachse aus dem Markraum geschlagen, während der Assistent bei rechtwinklig gebeugten Ellenbogen gegenhält. Bei lockeren Schäften ist grundsätzlich ein Abstrich aus dem Markraum zu entnehmen, um einen Spätinfekt ausschließen zu können (Ince et al. 2004, Topolski et al. 2006). Unter Umständen müssen zum Ausschlagen allerdings erhebliche Kräfte und zahlreiche Schläge ausgeübt werden. In der Regel gelingt es auf diese Weise, den Schaft zu entfernen; im Gegensatz zu zementfreien Implantaten ist eine Spaltung oder Fensterung des Humerusschaftes nur selten erforderlich. Der im Markraum verbleibende Knochenzement sollte nach Möglichkeit mit den üblichen langen Klingenmeißeln, Küretten, Fasszangen und sonstigen Instrumenten entfernt werden. Im Gegensatz zum Femur ist die Kortikalis am proximalen Humerus allerdings gelegentlich sehr dünn. In diesen Fällen kann ein stabiler Zementmantel ausnahmsweise im Markraum belassen werden, um eine Fraktur zu vermeiden. Vor der Reimplan-
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tation muss dann der Markraum stufenweise bis zu dem Durchmesser des Wechselschafts aufgebohrt werden. Bei zementfreien Schäften, vor allem mit Sternpro¿l und grober diaphysärer OberÀächenstrukturierung, gelingt das Ausschlagen des Implantats auch mit dem spezi¿schen Instrumentarium häu¿g nicht. In dieser Situation ist eine frühzeitige Längsspaltung des proximalen Humerusschaftes in Erwägung zu ziehen, um eine unkontrollierbare Fraktur, die häu¿g mit der Absprengung der Tuberkula einhergeht und weit nach distal in die Diaphyse fortschreiten kann, zu vermeiden (Gohlke und Rolf 2007, Sperling und Co¿eld 2005). Zu der Schaftspaltung oder Fensterung ist der Hautschnitt großzügig nach distal zu verlängern. Der Humerusschaft wird in der Längsachse medioventral zwischen dem Ansatz der Sehnen des M. pectoralis major und des M. deltoideus, bevorzugt mit einer oszillierenden Säge, bis auf den Zementmantel oder den metallischen Prothesenschaft osteotomiert (Abb. 10.6a–e; Gohlke u. Rolf 2007). Bei zementierten Implantaten genügt meistens eine Spaltung in etwa 5 cm Länge, um das Implantat aus dem Knochen-ZementInterface zu lösen. Bei zementfreien Schäften ist die Fensterung bis in Höhe der Prothesenspitze zu empfehlen, da ansonsten bei dem späteren Ausschlagen trotzdem eine distale Quer- oder Spiralfraktur zu befürchten ist. Nach der Schaftfensterung emp¿ehlt es sich, präventiv 2–3 Cerclagen um den proximalen Schaft locker zu vorzulegen. Dabei ist darauf zu achten, dass der Draht direkt an der Kortikalis der Humerusdiaphyse entlang geführt wird, da in diesem Bereich der N. radialis in unmittelbarer Nähe des Schaftes verläuft. Mit einem schmalen Osteotom kann dann der Humerusdeckel in dem Spalt gegenüber dem Prothesenschaft oder dem Zementmantel vorsichtig etwas aufgedehnt werden. Mit einem schmalen Meisel wird anschließend der Zementmantel längs gespalten, der zementfreie Schaft wird vorsichtig nach proximal und distal aus dem Interface gelöst. Bei spürbarer Lockerung werden die Zerklagen angezogen und das Ausschlaginstrument wird erneut aufgesetzt. In der Regel lässt sich das Implantat auf diese Weise entfernen. Bei der Reimplantation nach Spaltung des Humerus muss eine vorzugsweise zementierte Langschaftkomponente verwendet werden, die intramedullär mindestens 5 cm über die ehemalige Schaftspitze geführt wird. Damit der Knochenzement ausreichend weit nach distal gelangt, sind lange Einbringsysteme und
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Abb. 10.6 a–e. Kontrollierte Fensterung des Humerusschaftes zum Ausbau eines festen zementierten oder zementfreien Humerusschaftes. Mit der oszillierenden Säge Längsspaltung medial und lateral des Pectoralis-major-Sehnenansatzes (a), vorsichtiges Aufklappen des Fensters (b), Herausmeißeln des
Implantats mit einem schmalen Osteotom (c), Vorlegen von 2–3 Cerclagen direkt über der diaphysären Kortikalis (d) unter Beachtung des N. radialis und Anziehen der Cerclage vor Einzementieren des Revisionsschaftes (e). (Zeichnungen aus: Gohlke u. Rolf 2007)
ein niedrig visköser Zement zu verwenden; andererseits muss darauf geachtet werden, dass keine Zement durch die Osteotomie austritt, da dieser auch thermonekrotisch auf die umgebenden Strukturen wirken
kann. Alternativ können auch großkalibrige, zementfreie Revisionsschäfte eingesetzt werden, deren Passage durch den osteotomierten proximalen Humerus jedoch ebenfalls schwierig sein kann.
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Abb. 10.7 a, b. Nach großem anterioren Glenoiddefekt Anschrauben eines trikortikalen Beckenkammspanes und Schutz der Gelenkfläche mit einem Fascia-lata-Streifen (a), Röntgenkontrolle in a. p.-Projektion (b)
10.6.1.3 Wechsel der Glenoidkomponente Der Ausbau einer fehlimplantierten Schulterpfanne kann ebenfalls ausgeprägte Schwierigkeiten bereiten (O´Dr¿scoll et al. 1999). Grundvoraussetzung ist ihre ausreichende Exposition durch großzügiges paraglenoidales Release. Eine feste, zementierte Polyäthylenpfanne kann selten in toto entfernt werden. Meistens muss sie mit einem breiten Osteotom in der Schicht zwischen Kunststoff und Knochen unter Durchtrennung des Kiels oder der Zapfen herausgeschlagen werden. Die intraossären Überreste müssen dann mit schmalen Meißeln, Bohrern oder Fräsen herausgearbeitet werden. Der Ausbau fester zementfreier Glenoide, vor allem der zur Befestigung verwendeten Schrauben oder Hohlzylinder, kann sich noch wesentlich schwieriger gestalteten. Nicht selten müssen diese Komponenten unter Inkaufnahme eines erheblichen knöchernen Substanzverlustes herausgemeißelt, -gesägt oder ausgebohrt werden. Wenn der knöcherne Rahmen der Schulterpfanne erhalten werden konnte, ist es meistens möglich, in den Hohlraum eine neue Kunststoffpfanne in korrigierter Position zu zementieren. Bei zu großen Defekten oder weitgehendem Verlust des kortikalen Rahmens kann der Hohlraum durch eine Spongiosaplastik aufgefüllt oder die Form und das Gegenlager für den Kopf durch Anschrauben eines trikortikalen Beckenkammspans rekonstruiert werden (Abb. 10.7a, b) (Phipatanakul und Norris TR 2006). Vereinzelt wird auch in solchen Fällen eine primäre oder zweizeitige Reimplantation einer Glenoidkomponente vorgenommen (Hill u. Norris 2001).
10.6.2 Prothesendissoziation Die meisten in der Literatur beschriebenen Probleme mit Implantaten betreffen eine Diskonnektion zwischen dem Kopf einer Prothese und dem Schaft. Oft liegen diesen Komplikationen iatrogen Ursachen, z. B. Interponate zwischen Kopf und Metaphyse, zugrunde, die zu einer sekundären Lockerung und Diskonnektion führen. Humerale Komponenten, die aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden, können aufgrund der hohen Drehkräfte ebenfalls diskonnektieren (s. Abb. 9.9), so dass der Humeruskopf und der metaphysäre Anteil gegenüber dem humeralen Schaftanteil frei rotieren. Wesentlich seltener sind Implantatbrüche, die dann auf Materialfehler oder eine extreme Gewalteinwirkung zurückzuführen sind. Fehlimplantationen im Bereich des Glenoids können zu einer hohen exzentrischen Belastung der Implantatränder führen. Relativ seltene Folge ist eine Dislokation des Inlays, wesentlich häu¿ger jedoch ein exzentrischer Abrieb mit resultierendem MetallMetall-Kontakt und sekundärer Metallose. Bei mehrteiligen zementfreien Glenoiden wurden ebenfalls Diskonnektionen einzelner Komponenten beobachtet. Die operative Revision erfolgt individuell und situationsangepasst, bevorzugt unter Erhalt oder Wechsel der Prothese (Abb. 10.8a–c).
262
J. Löhr und M. Loew
10
Abb. 10.8a–c. Inverse Prothese bei Defektarthropathie (a). Ausbruch von Basisplatte und Glenosphäre (b). Erneutes Verschrauben der Basisplatte mit längeren Fixationsschrauben und Spongiosaplastik (c)
10.6.3 Prothesenlockerung
10.6.4 Periprothetische Frakturen
Nach einer aktuellen Metaanalyse (Radnay et al. 2007) wurden bei Schultertotalendoprothesen infolge einer primären Omarthrose 80 von 1.238 Patienten wegen einer Glenoidlockerung revidiert, entsprechend einer Revisionsrate von 6,5%. Die meisten Revisionen waren bei zementfreien („metal-backed“) Implantaten erforderlich; bei den zementiert eingebrachten Glenoiden aus Polyäthylen betrug die Quote nach durchschnittlich 42 Monaten 1,7%. Aseptische Lockerungen des Glenoids sind vielfach beschrieben und können, wenn sie alle Zonen des Glenoids betreffen, zu einem progressiven Knochenverlust führen. Da die Patienten in dieser Situation oft nur über geringe Beschwerden klagen, ist es wichtig, den radiologischen Verlauf zu kontrollieren, um den Zeitpunkt einer erfolgreichen Wechseloperation durch einen zu großen Substanzverlust nicht zu verpassen. Kommt es zu einer Subluxation oder Dislokation des Implantates, wird eine Revision zwingend notwendig. Ob eine neue glenoidale Komponente verankert werden kann oder ob lediglich ein knöcherner Aufbau möglich ist, richtet sich nach den knöchernen Voraussetzungen.
Periprothetische Frakturen des Humerus können im Bereich der Tuberkula, proximal im Höhe des Prothesenschaftes als Schräg- oder Torsionsfrakturen und distal der Prothesenspitze außerdem als Querfrakturen auftreten. Bei einer aseptischen oder septischen Implantatlockerung kann es durch die Instabilität es Schaftes zu einer Ausdünnung der Kortikalis und damit auch zu pathologischen Frakturen ohne adäquate Gewalteinwirkung kommen. Bei langstreckigen Frakturen in Schaftmitte mit festem Implantat ist die konservative Therapie mit einem Brace oder durch kurzfristige Ruhigstellung im Gilchrist-Verband Erfolg versprechend. Bei Querfrakturen ist in diesem Fall wegen der hohen Pseudarthroserate eine Plattenosteosynthese über den dorsalen, transtrizipitalen Zugang zu bevorzugen. Bei lockerem Implantat müssen Schaft und Zement von proximal und distal entfernt und durch eine Langschaftkomponente ersetzt werden. Dazu ist der deltoideopektorale Zugang nach distal zu verlängern und eine ausreichend Platte von lateral an die Diaphyse des Oberarms anzubringen. Bei extremer knöcherner Ausdünnung oder einem kortikalen Substanzverlust
10 Revisionen und Wechsel
muss eventuell auch eine lokale Spongiosaplastik oder eine kortikale Verstärkung durch ein Strut-Graft, das mit zusätzlichen Zerklagen befestigt wird, in Erwägung gezogen werden. Bei den relativ seltenen Frakturen im Bereich der Tuberkula ist bei frühzeitiger Intervention eine Befestigung mit kräftigen Knochennähten oder Zerklagen vorzunehmen, um eine Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette zu vermeiden. 10.6.4.1 Infektionen Siehe Abschn. 9.2.1. 10.6.4.2 Arthrodese Die Möglichkeit der Arthrodese als letzte Rückzugsmöglichkeit nach einem Implantatversagen wird vielfach diskutiert, jedoch nur selten ausgeführt. Sie ist, abhängig vom Verlust des Knochens durch die vorhergehende Arthroplastik, nicht immer eine einfache Alternative. Eine knöcherne Konsolidierung kann, wenn überhaupt, häu¿g erst nach längerer Ruhigstellung erreicht werden. Wenn erfolgreich, resultiert regelmäßig eine funktionell wenig relevante Verkürzung des Armes. Durch die ungünstige Hebelwirkung bei einer Arthrodese besteht eine erhöhte Gefahr proximaler Humerusfrakturen. Alternativ besteht als Ultima ratio allenfalls die Möglichkeit eines ersatzlosen Ausbaus der Prothese mit einem Weichteilinterponat aus dem M. deltoideus. Es resultiert daraus in den meisten Fällen eine instabile Situation mit Aufhebung der aktiven Beweglichkeit im Schultergelenk. Selten sind durch spontane, ¿bröse Stabilisierung der Gelenknarbe auch ansprechende funktionelle Resultate zu erreichen.
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Qualitätssicherung
11
M. Loew
Der endoprothetische Ersatz des Schultergelenkes hat in den letzten 10 Jahren quantitativ außerordentlich an Bedeutung gewonnen. Nach Industrieangaben ist die Zahl der in Deutschland jährlich implantierten Schulterprothesen zwischen 1997 und 2007 um den Faktor 8, von etwas mehr als 1.500 auf annähernd 12.000 Implantate pro Jahr, gestiegen. Zwangsläu¿g hat sich in dieser Zeit das Indikationsspektrum erheblich gewandelt. Waren es vor mehr als 10 Jahren überwiegend tumoröse, entzündliche und traumatische Gelenkdestruktionen, so stehen heute im Vordergrund der Schulterendoprothetik primäre und sekundär posttraumatische Deformitäten. Stellte damals der Gelenkersatz noch die Ultima ratio bei unerträglichen Schmerzen mit Gebrauchsunfähigkeit des betroffenen Armes dar, so werden heute unter elektiven Indikationen immer jüngere Patienten operiert, um die Funktion und Belastbarkeit des geschädigten Gelenkes und damit die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Individuums wieder herzustellen. In der Versorgung dislozierter Mehrfragmentfrakturen des Humeruskopfes besteht ebenfalls eine Tendenz von der Osteosynthese zum primären GelenkÀächenersatz. Gleichzeitig wurden in den vergangen Jahren verschiedene grundsätzliche Innovationen in der Schulterendoprothetik nach relativ kurzen Erprobungszeiten eingeführt und sehr frühzeitig zum „Standard“ erhoben. Einzelne Neuentwicklungen, insbesondere im zementfreien Glenoiddesign, wurden allerdings bereits nach kurzer Zeit wieder verlassen. Der kontinuierlich steigenden Menge an Implantationen steht noch immer eine nur geringe Zahl an publizierten Langzeitbeobachtungen gegenüber. Die
wenigsten veröffentlichten Studien übersteigen einen Beobachtungszeitraum von 2 Jahren; nicht selten wurden die Untersuchungen von den Entwicklern der Implantate selbst oder ihren Arbeitsgruppen durchgeführt und unterliegen damit einer wissenschaftlichen Bias. Nur wenige Zentren im deutschsprachigen Raum verfügen über die Erfahrung von mehr als 100 implantierten Schulterendoprothesen. In kaum einer Klinik übersteigt die Implantationsquote 50 Prothesen im Jahr. Diese im Vergleich zur Hüft- und Knieendoprothetik relativ geringen und überschaubaren Zahlen bringen die Chance, aber auch die Notwendigkeit zu einer konsequenten Qualitätssicherung mit sich. Die führenden Zentren der Schulterchirurgie und die mit der Implantatherstellung befasste Industrie stehen in der PÀicht, eine von Entwicklerinteressen unabhängige klinische Forschung zu gewährleisten und zu fördern, an deren Ende verlässliche Zahlen und prognostische Daten verfügbar sein werden. Noch können unter vielen anderen die folgenden Fragen der Schulterprothetik nicht valide beantwortet werden. Ɣ Welches Implantat ist bei welcher Indikation zu favorisieren? Ɣ Wann sind Hemi-, wann Totalendoprothesen indiziert? Ɣ Sind zementierte oder zementfreie Prothesen haltbarer? Ɣ Welche Faktoren sind prognostisch relevant für Funktion und Standzeit? Ɣ Komplikationsvermeidung und -management. Ɣ Welche Rolle spielen die Lysesäume bei zementierten Glenoiden langfristig?
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_11, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
265
266
11
Grundlage einer nachhaltigen Qualitätssicherung und Basis für eine prospektive Auswertung im Sinne evidenzbasierter Medizin sind: 1. die umfassende Dokumentation der relevanten klinischen, funktionellen und mit Hilfe der Bildgebung erfassten Ausgangsbefunde, 2. die Erfassung der wesentlichen strukturellen Operationsbefunde, intraoperativer Komplikationen und Dokumentation der technischen Details der verwendeten Implantate, 3. zeitlich festgelegte Nachuntersuchungen mit standardisierten klinischen und radiologischen Kontrollen.
M. Loew
liche Simple-Shoulder-Test (Matsen et al. 1995) im deutschen Sprachbereich weniger verbreitet. Aus der Bildgebung sind die Befunde der Röntgenaufnahmen in anteroposteriorer und axialer Projektion zu dokumentieren. Ein Schnittbildverfahren mit horizontaler Darstellung der Schulterpfanne ist unverzichtbar zur Klassi¿kation der Glenoiddeformität gemäß der Einteilung nach Walch (s. Abschn. 6.1). Falls ein MRT vorhanden ist, ist der Zustand der Rotatorenmanschette zu beschreiben (Sehnendefekt, Ausmaß der Rückbildung, sekundäre Muskeldegeneration nach Goutallier et al. 1994; s. Abschn. 6.4).
11.2 Operationsbefunde 11.1 Ausgangsbefunde Die wesentliche Information für die präoperative Erfassung betrifft die Ausgangsdiagnose. Diese ist, falls möglich, in Untergruppen und -typen zu spezi¿zieren (Humeruskopffraktur – Typ, posttraumatische Deformität – Klassi¿kation, rheumatoide Arthritis – Stadium u .a.). Art und Anzahl der vorausgegangen Operationen sind zu erfassen. Wichtig ist auch die Dokumentation wesentlicher Begleiterkrankungen, v. a. Alkoholismus, M. Parkinson oder sonstige neurologischer Krankheitsbilder. Der dokumentierte klinische Untersuchungsbefund beinhaltet Schmerzcharakter und -intensität (Visuelle Analogskala), das aktive und passive Bewegungsausmaß nach der Neutral-Null-Methode und den in der Europäischen Gesellschaft für Schulter- und Ellenbogenchirurgie (ESSSE/SECEC) als Bewertungsstandard de¿nierten funktionellen Score nach Constant u. Murley (1987). Dieser beinhaltet als Subkategorien das subjektive Schmerzemp¿nden, die Beeinträchtigung täglicher Aktivitäten, die schmerzfreie aktive Beweglichkeit und die Kraftentfaltung (Tab. 11.1). Das Ergebnis wird in Punkten zwischen 1 und 100 oder alters- und geschlechtsadaptiert in Prozent (Tab. 11.2) angegeben (Katolik et al. 2005). Die American Shoulder and Elbow Surgeons implementierten die nach ihrer Vereinigung benannte Bewertungsskala (ASES-Score; Richards et al. 1994), die überwiegend auf Fragen nach der subjektiven Leistungsfähigkeit und Einschränkungen im täglichen Leben basiert. Diese ist, ebenso wie der in den USA sehr gebräuch-
Die wesentlichen pathomorphologischen Befunde und die technischen Details der Operation sind zu dokumentieren. Dazu gehören der Operationszugang, die Ausrichtung der GelenkÀächenresektion und Zusatzeingriffe wie Sehnennaht und -verlängerung der Rotatorenmanschette, Tenotomie oder -dese der langen Bizepssehne, ein eventueller Knochenaufbau an Humerus und Glenoid oder zusätzliche Osteosynthesen. Pathomorphologische Besonderheiten, die das Operationsergebnis beeinÀussen können, wie Rotatorenmanschettenläsionen (s. oben), Synovialitis und knöcherne Deformitäten und Knochendefekte müssen ebenso erfasst werden wie relevante intraoperative Komplikationen (substitutionspÀichtige Blutung, Humerus- oder Glenoidfraktur). Zum Abschluss der Operation ist eine Röntgenkontrolle unter dem Bildwandler erforderlich, um die korrekte Prothesenlage nachzuweisen. Von den verwendeten Implantaten sind folgende Daten zu dokumentieren: Fabrikat, Bezeichnung, falls vorhanden Seriennummer, Größe, Ausrichtung und eventuelle implantattypische Spezi¿kationen, die für mögliche Revisions- und Wechseleingriffe von Bedeutung sein könnten.
11.3 Rehabilitation und Nachuntersuchungen Die Nachbehandlung soll nach einem standardisierten physiotherapeutischen Konzept erfolgen, das den intraoperativen Voraussetzungen und dabei vor allem
11 Qualitätssicherung
267
Tabelle 11.1. Score nach Constant und Murley Schmerzen (0–15 Punkte) 1 Haben Sie bei Tätigkeiten des täglichen Lebens Schmerzen? (keine = 15, gelegentlich, gering = 10, mäßig = 5, immer, stark = 0) 2 Wenn „15“ überhaupt keine Schmerzen und 0 „permanente unerträgliche Schmerzen“ darstellt, wie viele Punkte würden Sie geben? Schmerzen total = (1 + 2) / 2 Aktivitäten (0–20 Punkte) 1 Beruf Beeinträchtigt die Schulter Ihre täglichen oder beruÀichen Aktivitäten? (nein = 4, geringfügig = 3, mäßig = 2, stark = 1, nicht gebrauchsfähig = 0) 2 Sport oder Freizeitaktivitäten Beeinträchtigt die Schulter Ihre täglichen oder beruÀichen Aktivitäten? (nein = 4, geringfügig = 3, mäßig = 2, stark = 1, nicht gebrauchsfähig = 0) 3 Beeinträchtigen Schulterschmerzen Ihren Schlaf? (nein = 2, manchmal = 1, schwere Schlafstörungen = 0) 4 Bis zu welcher Höhe können Sie Ihren Arm im täglichen Leben einsetzen? (Gürtelhöhe = 1, Brustkorbhöhe = 4, Schulterhöhe = 6, Kopfhöhe = 8, über Kopfhöhe = 10) Aktivitäten total = 1 + 2 + 3 + 4 Aktive schmerzfreie Beweglichkeit (0–40 Punkte) 1 Flexion: 0–30°= 0; 31–60°= 2; 61–90°= 4; 91–120°= 6; 121–150°= 8; > 150° = 10 2 Abduktion: 0–30°= 0; 31–60°= 2; 61–90°= 4; 91–120°= 6; 121–150°= 8; > 150° = 10 3 Außenrotation: Hand im Nacken, Ellenbogen vorn = 2; Hand im Nacken, Ellenbogen seitlich = 4; Hand auf dem Kopf, Ellenbogen vorn = 6; Hand auf dem Kopf, Ellenbogen seitlich = 8; HandÀächen über Kopf zusammen = 10 4 Innenrotation:Handrücken bis Gesäß = 2; Sacrum = 4; L3 = 6; TH12 = 8; TH7 = 10 Aktive Beweglichkeit total = 1 + 2 + 3 + 4 D Kraft (0–25 Punkte) Kilopond (Gegenseite, nicht gewertet): Kraft (= Kp × 2) Total (Punkte): Total (Prozent)
der Weichteilsituation Rechnung trägt (s. Kap. 7). Abweichungen von diesem Standardschema wie postoperative Ruhigstellung, limitierte Mobilisation oder zusätzliche Maßnahmen z. B. mittels motorisierten Bewegungsschienen („continuous passive motion“, CPM) müssen begründet und dokumentiert werden, um eventuelle Auswirkungen auf das funktionelle Resultat feststellen zu können. Postoperative Röntgenaufnahmen in True-a. p.- und axialer Projektion stellen einen Ausgangsbefund für die späteren Nachuntersuchungen dar. Normabweichungen im postoperativen Röntgenbefund oder Diskrepanzen gegenüber der präoperativen Planung müssen ebenso erkannt und dokumentiert werden wie relevante Komplikationen in der Frühphase, v. a. Nervenläsionen und Wundhei-
Tabelle 11. 2. Alters- und geschlechtskorrelierter ConstantScore Männer
Frauen
Alter [Jahre]
Mittelwerte [Punkte]
SD
Mittelwerte [Punkte]
SD
21–30
98
4,2
97
4,7
31–40
98
3,4
90
4,1
41–50
92
3,6
80
3,8
51–60
90
3,1
73
2,8
61–70
83
4,2
70
4,0
71–80
75
3,6
69
3,9
81–90
66
3,1
64
2,9
91–100
56
4,3
52
5,1
268
11
lungsstörungen. Bei normalem Rehabilitationsverlauf sind Nachuntersuchungen nach 6 Monaten, einem Jahr und anschließend in zweijährigen Abständen zu empfehlen. Die klinischen Follow-ups umfassen die subjektive Zufriedenheit und Beurteilung durch die Patienten, Schmerzanamnese (VAS) und den funktionellen Befund unter Verwendung des Constant-Scores. Zu jeder Nachuntersuchung sind Röntgenkontrollen in den zwei Standardprojektionen anzufertigen. Darin sind alle radiologisch erkennbaren Veränderungen gegenüber dem Ausgangsbefund (periprothetische Lysesäume, Osteolysen, Lageveränderungen, Implantatlockerungen und -dislokationen, Dezentrierung der Gelenkpartner und periartikuläre Ossi¿kationen) zu dokumentieren. Um die Maßnahmen der Qualitätssicherung zu vereinheitlichen und klinische Verlaufs- und Langzeitstudien zu erleichtern, haben mehrere Fachgesellschaften und wissenschaftliche Vereine [Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC), Deutsche Gesellschaft für Unfallheilkunde (DGU), Deutsche Vereinigung für Schulter- und El-
M. Loew
lenbogenchirurgie (DVSE) und Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO)] ein Schulterprothesenregister online eingerichtet, in das sämtliche relevanten Daten eingegeben und damit einer statistischen Auswertung zugeführt werden können. Informationen und Zugangsmodalitäten sind unter der Internetseite www.memdoc.com zu erhalten.
Literatur Constant C, Murley A (1987) A clinical method of functional assessment of the shoulder. Clin Orthop 214:160–164 Goutallier D, Postel J, Bernageau J, Lavau J, Voisin M (1994) Fatty muscle degeneration in cuff ruptures. Clin Orthop 304:78–83 Katolik L, Romeo A, Cole B, Verma M, Hayden J, Bach B (2005) Normalization of the constant score. J Shoulder Elbow Surg 14:279–285 Matsen F, Ziegler D, DeBartolo S (1995) Patient self-assessment of health status and function in glenohumeral degenerative joint disease. J Shoulder Elbow Surg 4:345–351 Richards R, An K, Bigliani L (1994) A standardized method for assessment of shoulder function. J Shoulder Elbow Surg 3:347–353
Ergebnisse im Literaturvergleich
12
U. Irlenbusch
Die Beurteilung der Ergebnisse nach der Implantation von Schulterendoprothesen ist problematisch. Erst aus den letzten Jahren existieren Studien, die sowohl aufgrund des Studiendesigns als auch der verwendeten Scores einen Vergleich zulassen. Bisher können jedoch nur kurz- und mittelfristige Ergebnisse überblickt werden. Ein Vergleich von modernen und älteren Prothesentypen, verschiedenen Operationsmethoden sowie Nachbehandlungskonzepten ist kaum möglich. Nur indirekte Rückschlüsse erlauben gewisse Erkenntnisse. Die Problematik wird u. a. daran deutlich, dass selbst in den ersten Arbeiten zur Schulterendoprothetik die postoperative Funktion, Schmerzreduzierung und Zufriedenheit der Patienten mit Werten ausgewiesen werden, die auch aus heutiger Sicht völlig zufrieden stellend sind. Neer (1982) beurteilte 199 Schulterendoprothesen bis zu 99 Monate postoperativ nach dem nach ihm benannten „Neer rating system“, das u. a. von Co¿eld (1979) modi¿ziert wurde. Nach seinen Angaben erreichten 86% ein exzellentes oder befriedigendes Ergebnis. Für 24 Patienten mit einer primären Omarthrose gibt er 24 Monate postoperativ 77° aktive Elevation und 51° Außenrotation an. 36 Gelenke hätten ein exzellentes, 3 ein befriedigendes und keines ein unbefriedigendes Ergebnis erzielt. Neue Erkenntnisse in der Schulterendoprothetik resultieren deshalb vor allem aus den Daten in sich geschlossener Sammelstudien und weniger aus dem Vergleich einzelner Publikationen. Es bleibt zu hoffen, dass das jetzt eingerichtete europäische Endoprothesenregister (www.memdoc.com) zu einer Verbesserung führt.
Auch Jerosch et al. (2002) bemängeln in ihrer Untersuchung die Existenz von vergleichbaren Langzeitergebnissen. In 43 Verlaufsstudien aus den Jahren 1975–1995 ergab sich eine durchschnittliche Nachuntersuchungszeit von nur 3,5 Jahren. In einer Evaluierung der Studien mit einem Scoring-System, das u. a. die Vollständigkeit der demogra¿schen Daten, Anzahl der Patienten, den Nachbeobachtungszeitraum, Komplikationen, statistische Auswertungen, Maskierung und Randomisierung bewertete, erreichte keine Studie die Maximalpunktzahl. Nur vier der 28 retrospektiven Veröffentlichungen erzielten 8 von 9 erreichbaren Punkten. Der Durchschnittswert lag bei 5,3 Punkten. Noch gravierender stellt sich die Problematik in einer Metaanalyse von Bryant et al. (2005) dar. Untersucht wurden 311 Publikationen aus den Jahren 1966–2004 sowie die Abstracts von fünf großen orthopädischen Tagungen in den Jahren 1995–2003. Aufgrund strenger Ausschlusskriterien verblieben lediglich vier Arbeiten, die zu weiteren Untersuchungen herangezogen werden konnten. Ein systematischer Vergleich der objektiven und subjektiven Ergebnisse, der Komplikationen sowie Lockerungs- und Revisionsraten ist kaum möglich, da diese Angaben niemals komplex bzw. vergleichbar vorhanden sind. Außerdem werden verschiedene Scores verwendet und diese wiederum unterschiedlich bewertet. So existiert z. B. kein international einheitliches Graduierungsschema für den Constant-Score. Die Verwendung der von Böhm (2002) oder Gonzales et al. (2006) angegebenen Einteilungen, die allerdings erheblich voneinander abweichen, ist deshalb zukünftig zu empfehlen.
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_12, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
269
270
12
Große Studien mit langer Nachuntersuchungszeit sind oft nur scheinbar von Vorteil. Häu¿g umfassen sie verschiedene Diagnosen und Implantate mit unterschiedlicher Beobachtungszeit. In den folgenden Abschnitten wurden deshalb nur einzelne Parameter aus derartigen Arbeiten berücksichtigt, z. B. nur Patienten mit einer primären Omarthrose, um einen Vergleich zu ermöglichen. Ähnliches gilt für die verwendeten Implantate, speziell die Unterscheidung von Kopf- und Totalprothesen oder die Verwendung unterschiedlicher Glenoidtypen. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Grunderkrankung erreicht man sehr schnell Gruppengrößen und Nachuntersuchungszeiten, die eine sinnvolle Bearbeitung nicht mehr ermöglichen, so dass Zugeständnisse an die Homogenität der Gruppen gemacht werden müssen. Der Leser ist deshalb aufgefordert, sich aus den aufgeführten Daten ein eigenes Bild zu machen, da nicht alle Variabilitäten diskutiert werden können. Wie bereits erwähnt, ist ein Vergleich unterschiedlicher Prothesentypen nur eingeschränkt möglich. Einerseits weisen die Prothesen der 2. Generation in den Studien von Haines et al. (2006) und Matsen et al. (2000) mit 60% bzw. 61% im korrigierten ConstantScore deutlich niedrigere postoperative Werte auf, als die der 4. Generation in den Arbeiten von Habermeyer (2004) und Irlenbusch (2007, 2008) mit 93% bzw. 94% sowie in der Aequalis-Multicenter-Studie (Godeneche et al. 2002) über 268 Endoprothesen mit 97% im korrigierten Constant-Score. Andererseits ermittelte Mansat (2002) für eine inhomogene Gruppe aus Prothesen der 1. und 2. Generation postoperativ 91% im korrigierten Constant-Score und liegt damit auf dem gleichen Niveau wie die oben genannten Prothesen der 4. Generation.
12.1 Ergebnisse nach Prothesentyp 12.1.1 Vergleich Hemi-/Totalprothesen (s. Abschn. 5.3) Bryant et al. (2005) untersuchten in der bereits erwähnten Metaanalyse die Ergebnisse von 311 Publikationen aus den Jahren 1966–2004 sowie von vier Arbeiten von fünf großen orthopädischen Tagungen
U. Irlenbusch
der Jahre 1995–2003. Verglichen wurden die Ergebnisse nach Total- und Hemiarthroplastik bei primärer Omarthrose. Aufgrund strenger Ausschlusskriterien verblieben lediglich vier Arbeiten, die zur weiteren Untersuchung herangezogen werden konnten. Von den Autoren wurden die Originalpatientendaten angefordert, da auch diese Arbeiten aufgrund methodischer Schwächen nicht in vollem Umfang vergleichbar waren. Im Ergebnis wurden die Ergebnisse von 112 Patienten (50 Kopf- und 62 Totalprothesen) ausgewertet. Es zeigte sich, dass bis zu einem postoperativen Verlauf von 2 Jahren die Totalprothesen bessere funktionelle Ergebnisse und eine stärkere Schmerzlinderung erzielten. Da im weiteren Verlauf die Ergebnisse auf der einen Seite durch die sekundäre Glenoidarthrose der Hemiprothesen und auf der anderen Seite durch die Lockerung der Glenoidkomponenten der Totalprothesen beeinÀusst werden, fordern die Autoren Langzeituntersuchungen (über 5 Jahre). Erst dann könne eine Aussage darüber getroffen werden, ob der Vorteil der Totalprothesen auch über einen längeren Zeitraum Bestand hat. In einer aktuellen Metaanalyse recherchierten Radney et al. (2007) die von 1966–2004 publizierten Studien zur primären Omarthrose. Es konnten 23 Studien mit 1952 Patienten und einer mittleren Nachuntersuchungszeit von 43,5 Monaten identi¿ziert werden. Verglichen mit den Humeruskopfprothesen wurden nach Totalendoprothesenimplantation eine signi¿kant bessere Schmerzlinderung (p 0,001), Flexion (p 0,001), Außenrotation (p 0,002) und Patientenzufriedenheit (p 0,001) festgestellt. Nur 6,5% der Totalprothesen erforderten einen Revisionseingriff gegenüber 10,2% der Kopfprothesen (p 0,025). Nur 1,7% der „All-polyethylene“-Glenoidkomponenten mussten revidiert werden. Zu gegensätzlichen Aussagen kamen Clinton et al. (2007). Sie verglichen die subjektiven Ergebnisse von 35 konsekutiven Patienten mit einer Hemiprothese, bei denen zusätzlich eine Fräsung der GlenoidoberÀäche vorgenommen worden war („ream and run“) mit einer vergleichbaren Gruppe Totalprothesen. Im Simple-Shoulder-Test wurden bei gleicher Ausgangslage nach 12, 18, 24 und 30 Monaten annähernd dieselben Ergebnisse erzielt. Edwards et al. (2003) untersuchten in einer Multicenterstudie die Ergebnisse von 601 Total- und 89 Hemiprothesen bei der primären Omarthrose. Die minimale Nachuntersuchungszeit betrug 2 Jahre. Sie fanden deut-
12 Ergebnisse im Literaturvergleich
lich bessere Ergebnisse für die Totalendoprothesen. So betrug der postoperative korrigierte Constant-Score 86% gegenüber 70%, die Anteversion 144,5° gegenüber 129,6°, die aktive Außenrotation 41,5° gegenüber 35,50 und die Schmerzlinderung 12,9 Punkte bei den Total- sowie 12,5 Punkte bei den Hemiprothesen. Gartsman et al. (2000) ordneten in einer randomisierten Studie 47 Patienten (51 Schultern) mit einer primären Omarthrose per Zufall zwei Gruppen zu: 27 Patienten erhielten eine Totalendoprothese und 24 Patienten eine Hemiendoprothese implantiert. Die Nachuntersuchung erfolgte nach durchschnittlich 35 Monaten. Bei präoperativ gleichen Ausgangswerten (22,7 bzw. 22,6 Punkte) erreichten die Totalendoprothesen postoperativ im ASES-Score 77,3 Punkte und die Hemiprothesen 65,2 Punkte. Auch die Innenrotation, die Schmerzlinderung und die subjektive Patientenzufriedenheit waren bei den Totalprothesen besser. Trotz der deutlichen Unterschiede waren die Ergebnisse nicht signi¿kant. Zu analogen Aussagen kamen Lo et al. (2005). Auch sie wählten unter 42 Patienten diejenigen per Zufall aus, die entweder eine Total- oder Hemiprothese implantiert erhielten. Die Unterschiede in verschiedenen Scores waren deutlich geringer als bei Gartsman et al. (2000) und waren gleichfalls nicht signi¿kant. Sperling et al. (2004) fanden keinen Unterschied zwischen den Kopf- und Totalprothesen bezüglich der Schmerzlinderung, Abduktion und Außenrotation in einer Gruppe von 62 Hemi- und 29 Totalprothesen, die prospektiv über mindestens 15 Jahre (im Durchschnitt 16,8 Jahre) verfolgt wurde. Pfahler et al. (2006) dagegen fanden eine deutliche Überlegenheit der funktionellen Ergebnisse von 705 Totalprothesen mit 65,7 Punkten im Constant-Score gegenüber 469 Hemiendoprothesen mit 56,3 Punkten bei einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 43 Monaten. Einer Publikation von Jain et al. (2005) zufolge ist die Indikationen zur Implantation einer Kopfprothese mehr von der Vorliebe des Operateurs abhängig als von objektiven Kriterien. Dem nationalen Prothesenregister zufolge wurden bei Omarthose in 8.743 Fällen eine Total- und in 4.998 Fällen eine Hemiprothese implantiert. Die Arbeitsgruppe stellte fest, dass Operateure mit einer hohen und mittleren Operationsfrequenz häu¿ger eine Totalendoprothese implantieren, als solche mit einer niedrigen Operationshäu¿gkeit (hoch = über 10, mittel = 5–10, niedrig = unter 5 Operationen pro
271
Jahr). Baumgarten et al. (2004) sehen die Indikation zur Kopfprothese nur bei ausgedehnter Rotatorenmanschettenruptur, Instabilität, Verlust an Knochensubstanz und bei der Humeruskopfnekrose gegeben.
12.1.2 Oberflächenersatz (s. Abschn. 5.2) Die besten Resultate werden nach Implantation bei primärer Omarthrose erzielt, wobei die Totalprothesen nochmals günstiger abschneiden als die Hemiprothesen. Levy u. Copeland (2001) geben für die Totalprothese eine Verbesserung im alters- und geschlechtskorrigierten Constant-Score von 34% auf 94% und für die Hemiprothese von 40% auf 74% an. Die Werte anderer Autoren liegen in ähnlichen Bereichen, wobei z. T. nicht eindeutig angegeben wird, ob es sich um alterskorrigierte Werte handelt oder nicht. Nach Implantation bei Rheumatoidarthritis unterscheiden sich die postoperativen Werte nur marginal (Fink et al. 2004; Levy u. Copeland 2004; Thomas et al. 2005). Deutlich niedriger liegen die Werte für die Rotatorendefektarthropathie, wohingegen die Ergebnisse nach Humeruskopfnekrose und Instabilitätsarthrose besser sind. Übereinstimmend berichten alle Autoren von einem hohen Grad der Schmerzreduzierung. Thomas et al. (2005) führen aus, dass die Ergebnisse vergleichbar mit denen seien, die mit modernen Schaftprothesen erreichbar wären und entsprächen den von Copeland selbst angegebenen Werten. Bailie et al. (2008) erreichten bei 36 Patienten mit einer mittleren Nachuntersuchungszeit von 38,1 Monaten im ASES-Score eine Verbesserung von 30 auf 88 Punkte und empfehlen das Verfahren für jüngere aktive Patienten unter dem 55. Lebensjahr. Werner u. Hedtmann (2007) weisen sowohl auf die Schwierigkeiten bei der Glenoidimplantation als auch auf die Vorteile beim Wechsel auf eine Schaftprothese hin. Der humerale Knochenverlust sollte nicht mehr als 40% betragen.
12.1.3 Bipolare Prothesen Dieser Prothesentyp ist heute als Reserveimplantat bei Rotatorenmanschettenrupturen zu sehen. Auch
272
12
U. Irlenbusch
bei hochgradigen Pfannendefekten, wie sie bei Wechseloperationen oder Rheumatoidarthritis vorgefunden werden können, ist der Einsatz zu erwägen. Aufgrund der ungünstigen Ausgangssituation können die Ergebnisse nicht mit denjenigen verglichen werden, die z. B. bei primärer Omarthrose oder Humeruskopfnekrose erreicht werden. Trotzdem werden die Resultate in der Literatur widersprüchlich dargestellt. Duranthon et al. (2002) führen an, dass nach Implantation im Constant-Score lediglich eine Verbesserung um 14 Punkte möglich ist, Sarris et al. (2003) dagegen geben eine Steigerung um 55 Punkte im ASES-Score an. Swanson et al. (1989) berichten über 35 Gelenke mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 63 Monaten (24–140 Monate). Die Schmerzlinderung war bei 31 Schultern gut und ausgezeichnet. Die Abduktion betrug im Mittel 71°, die Flexion 79° und die Außenrotation 28°. Erosive Veränderungen des korakoakromialen Bogens seien nicht beobachtet worden. Die Dezentrierung des Kopfes gegenüber der Pfanne vergrößerte sich im Untersuchungszeitraum von 3,3 auf 8,7 mm. Hing et al. (2005) haben in einer radiologischen Studie herausgearbeitet, dass zwischen der Bewegung im intraprothetischen Gelenk sowie zwischen Prothese und Glenoid kein signi¿kanter Unterschied bestehe. Bei einigen Prothesen war sogar eine paradoxe Bewegung festzustellen. Bei einer Kontrolluntersuchung nach 3 Jahren musste festgestellt werden, dass die intraprothetische Beweglichkeit im Verlauf abnimmt. Zu analogen Ergebnissen kamen Stavrou et al. (2006) durch Untersuchung von 11 Prothesen mit einer Nachuntersuchungszeit von über 22 Monaten. Die Hauptbewegung fand nicht zwischen den zwei Komponenten der Prothese, sondern skapulothorakal statt, so dass die Autoren schlussfolgern, dass die Prothese als unipolares und nicht als bipolares Implantat wirkt.
fräsen. Nach 12 und 24 Wochen fanden sie eine zunehmende Dicke lebenden Faserknorpels mit glatter OberÀäche, der fest mit dem Knochen verbunden war. In einer weiteren Studie an 110 Patienten befürworten Matsen et al. (2007) die „nichtprothetische Glenoidarthroplastie“ in Kombination mit der Interposition von Fascia lata oder anderen biologischen Materialien. Laut Clinton et al. (2007) sei das Ergebnis nach „Ream-andrun“-Technik dem Resultat nach Totalprothesen vergleichbar. Burkhead et al. (2007) empfehlen aufgrund einer Literaturrecherche und eigener Ergebnisse die biologische OberÀächenformung in Kombination mit einer Interpositionsplastik vor allem für junge Patienten. Nicholson et al. (2007) berichten über die Verwendung eines Meniskusallografts bei 30 Patienten. Sie konnten sowohl eine deutliche Schmerzlinderung als auch Verbesserung der Beweglichkeit verzeichnen. Allerdings mussten 17% der Fälle innerhalb des ersten Jahres revidiert werden. Weldon et al. (2004) empfehlen gleichfalls die konkave Fräsung des Glenoids, in Anbetracht von bis zu 94% Lysesäumen in der Literatur nach Glenoidimplantation. Falls eine ausreichende Knochensubstanz vorhanden ist, sei das Verfahren auch für Jugendliche und sportliche Patienten geeignet. Eigene Ergebnisse werden nicht angegeben. Krishnan et al. (2007) berichten über 36 Humeruskopfendoprothesen, bei denen die GlenoidoberÀäche nach Fräsung mit einem Teilen der vorderen Gelenkkapsel, Fascia lata oder einem Achillesehnentransplantat bedeckt wurde. Sie empfehlen das Verfahren speziell für jüngere Patienten, um die Implantation eines Glenoids zu vermeiden. Adams et al. (2007) beschreiben eine arthroskopische Technik der Glenoidbearbeitung und Interpositionsplastik, allerdings ohne endoprothetischen Kopfersatz. Sie weisen aber daraufhin, dass verlässliche Daten bisher fehlen, um die Technik allgemein empfehlen zu können.
12.1.4 Glenoidmodellation/ „Ream-and-run“-Technik
12.1.5 Inverse Prothesen (s. Abschn. 5.5)
Matsen et al. (2005) untersuchten am Kaninchenmodell das Verhalten des plastisch geformten Glenoids („reamed glenoid“) bei Kopfprothesen. Sie empfehlen, das Glenoid bis zur blutenden Spongiosa konkav zu
Für die klassische Indikation der Defektarthropathie werden für die inverse Prothese erstaunlich gute Resultate angegeben. Aus biomechanischer Sicht liegt dies an der Medialisierung des Rotationszentrums, der Verlängerung des Deltamuskels und der Vergrö-
12 Ergebnisse im Literaturvergleich
ßerung des Hebelarms, was zu einer kraftvolleren Abduktion trotz des Totalverlustes der Rotatorenmanschette führt, wie De Wilde et al. (2004) in einer experimentellen Untersuchung mittels eines 3D-Computermodells zeigen konnten. Die Arbeitsgruppe um Sirveaux u. Walch (2004) berichtet über Ergebnisse von 80 Endoprothesen mit einer mittleren Nachuntersuchungszeit von 3,7 Jahren (Tab. 12.1). Sie fanden im Constant-Score eine Verbesserung von 23 auf 66 Punkte. 96% der Patienten waren schmerzfrei. Eine fast identische Verbesserung stellte die Arbeitsgruppe um Werner und Gerber 2005 bei 58 Patienten fest, mit einer Verbesserung von 29 auf 64 Punkte. Der Schmerzscore stieg von 5,2 auf 10,5 Punkte (bei maximal 15 erreichbaren Punkten). Seebauer (2005) dagegen berichtet über 98% zufriedene Patienten mit einem korrigierten Constant-Score von 94%. Frankle et al. (2006) fanden bei 60 Patienten mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 2,8 Jahren einem Anstieg im ASES-Score von 34 auf 68 Punkte. Von ähnlichen Ergebnissen bei längerer Nachuntersuchungszeit berichten auch Favard et al. (2006) und Molé et al. (2006). In beiden Arbeiten wird auf die Abhängigkeit der Ergebnisse vom Erkrankungsstadium, von der Subskapularis- oder Teres-minor-Beteiligung, dem Alter und der Tenotomie der langen Bizepssehne hingewiesen. Gonzales et al. (2006) fanden in ihrer Untersuchung etwas schlechtere Ergebnisse im Falle der Sekundäroperation bei Versagen einer Rotatorenmanschettennaht. Die Ergebnisse zeigen auch, dass eine Verbesserung der aktiven Außenrotation kaum möglich ist. Sie hängt im starken Maße von Zustand und Funktion der Mm. infraspinatus und teres minor ab. Lediglich Frankle 2006 gibt erstaunlicherweise eine Verbesserung von 12° auf 41° an. In anderen Arbeiten werden 8°/11°, 10°/13°, gleich bleibende Werte oder gar eine Verschlechterung beschrieben. Der Zustand der verbliebenen Außenrotatoren, speziell des M. teres minor, ist für die Außenrotationsfähigkleit entscheidend (Simovitch et al. 2007). Boileau et al. (2007) empfehlen deshalb die zusätzliche Transposition der Mm. teres major und latissimus dorsi. Die Schmerzlinderung wird dagegen in allen Arbeiten sehr positiv bewertet. Für andere Indikationen als die Defektarthropathie fallen die Ergebnisse in der Regel nicht so günstig aus. Gohlke at al. (2006) berichten nach dem Wechsel von 20 Kopfprothesen (Frakturprothesen) über
273
eine Verbesserung des Constant-Scores von 13 auf 45 Punkte, Paladini et al. (2005) erzielten in 7 Fällen eine Verbesserung von 23 auf 49 Punkte und Levy et al. (2007) bei 29 Patienten eine Steigerung des funktionellen ASES-Score von 10,1 auf 17,7 Punkte. Trotz der wesentlich komplizierteren Verhältnisse bei Wechsel einer Totalprothese fanden Wall et al. (2006) dagegen nur geringfügig schlechtere Resultate als bei der Defektarthropathie. Jouve et al. (2006) berichten über eine gemischte Gruppe von 65 Patienten. Mit 54 Punkten im Constant-Score schnitten die Frakturfolgen am ungünstigsten ab, gefolgt von den primären Frakturen mit 68 Punkten, der Rotatorendefektarthropathie mit 73,1 Punkten und der Osteoarthrose mit 74,4 Punkten. Boileau et al. (2006) fanden bei 45 Prothesen mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 40 Monaten für die Gesamtgruppe eine Verbesserung im Constant-Score von 17 auf 58 Punkte und der aktiven Anteversion von 55° auf 121°. Die aktive Außenrotation dagegen verbesserte sich nur von 7° auf 11°. Es handelte sich 21-mal um eine Defektarthropathie, 5-mal um Frakturfolgen und 19-mal um Revisionen nach Schulterendoprothesenimplantation. Bei 10 Patienten (22%) wurde eine Re-Operation erforderlich, davon 2-mal eine Prothesenentfernung. Die Revisionsrate war bei den Revisionsoperationen mit 47% deutlich höher als bei der Defektarthropathie. In gleicher Weise fanden Wall et al. (2007) sowie Klein et al. (2006) die besten Ergebnisse bei der Rotatorendefektarthropathie, aber weniger günstige Resultate bei fehlverheilten Frakturen und Endoprothesenwechsel. Auch Irlenbusch et al. (2008) fanden eine Abhängigkeit der Ergebnisse vom Ausgangsbefund. Sie untersuchten 44 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 70,1 (60–81) Jahren nach durchschnittlich 18,3 (8–56) Monaten und fanden im Constant-Score für die Gesamtgruppe einen Anstieg von 10,0 Punkten auf 49,0 Punkte, für die RDA von 15,0 auf 67,0, die Frakturfolgen/CTS von 9,0 auf 47,5 sowie für den Prothesenwechsel von 7,0 auf 40,0 Punkte (Abb. 12.1). Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in einer Verbesserung der aktiven Anteversion von 41,0° auf 90,9° und der Abduktion von 36,4° auf 86,4° wider (Gesamtgruppe). Die Außenrotation mit 90° abduziertem Oberarm stieg dagegen nur von –2,8° auf 23,6°. Bufquin 2007 berichten über den Einsatz bei Drei- und Vier-Fragment-Frakturen des proximalen Humerus bei älteren Patienten. Im korrigierten Cons-
RDA
RDA
RDA
Gemischt
RDA
Wechsel Frakturpr. RDA, Re-OP
Gemischt
Gemischt
RMR
Wechsel Kopfpr.
Wechsel Totalpr
RDA
Gemischt
Sirveaux 2004
Frankle 2005
Seebauer 2005
Boileau 2006
Favard 2006
Gohlke 2006
Gonzales 2006
Jouve 2006
Klein 2006
Molé 2006
Paladini 2005
Wall 2006
Werner 2006
Irlenbusch 2007
44
58
24
7
47
46
65
42
20
127
45
57
60
80
N
18
38
38
36
30
13
46
50
18
49
40
18
36
44
NU Mon.
41
42
61
-
80
-
49
82
-
70
55
-
55
91
100
114
-
133
-
116
123
-
135
121
-
105
Anteversion in Grad Prä/post 73 138
-3*****
18**** 51***** 17****
-
10
2**** 12***** -
5
8**** 24***** -
7
-
24*****
11**** 46***** 12****
-
13
2,5**** 27***** -
7
11**** 46***** -
11
-
Außenrotation in Grad Prä/post 4**** 11P**** 17***** 40***** 12 41
10 P.
29%
33%
23 P.
40%
-
17 P.
25 P.
18%
23 P.
17 P.
26-43%
-
-
49 P.
64%
71%
49 P.
90%
86%
49 P.
56 P.
63%
65 P.
58 P.
94%
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
34
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
68
-
-
23 P.
66 P.
ASES Prä/post
Constant Prä/post
2,2*
13,4**
13**
3,2*
1,5**
5,2**
5,3**
-
4**
-
3,2**
11,8**
10,5**
11,1**
-
12,7**
-
10,5**
88% gut oder ausgezeichnet 3,3** 11,1**
3**
-
98% zufrieden
6,3*
2,7**
Schmerz Prä/post
12
(RDA = Rotatorendefektarthropathie; RMR = Rotatorenmanschettenruptur; * max. 10 Punkte/VAS, ** max. 15 Punkte, *** max. 100 Punkte; P= Punkte Constant-Score, % = korrigierter Constant-Score; ****Arm 0° abduziert, *****Arm 90° abduziert)
Diagnose
Autoren
Tabelle 12.1 . Ergebnisse nach Implantation einer inversen Schulterendoprothese
274 U. Irlenbusch
12 Ergebnisse im Literaturvergleich Abb. 12.1. Diagnoseabhängige Entwicklung des Constant-Score (Medianwerte; RDA Rotatorendefektarthropathie, n = 14; CTS chronische Traumaschulter/„fracture sequelae“, n = 19; Wechsel Wechsel anatomische auf inverse Endoprothese, n = 11)
275
70 60 50 40 30 20 10 0 Total, n=44
RDA, n=14 Präoperativ
tant-Score wurden 66% erreicht. Im Vergleich zu konventionellen Frakturprothesen seien die Resultate befriedigender gewesen. Ein zentrales Problem der inversen Prothese stellt das Skapula-Notching dar (Roberts et al. (2007). Die Ausdehnung wird meist mittels der Klassi¿kationen nach Sirveaux et al. (2004) oder Nerot (Valenti et al. 2001) beschrieben. Favard et al. (2006) beobachteten ein Notching in 76% bei 91 kontrollierten Prothesen durchschnittlich 49,7 Monate postoperativ. In 29 Fällen reichte es bis zum Skapulahals (Grad 1), 29-mal bis zur unteren Schraube (Grad 2), 22-mal über die untere Schraube hinaus (Grad 3) und 11-mal bis unter die Grundplatte (Grad 4). Um den Prothesenschaft wurden Lysesäume in 25% registriert. Vanhove et al. (2004) registrierten bei 32 Patienten eine Notching-Rate von 50%. Molé et al. (2006) fanden bei 47 Patienten mit einer mittleren Nachuntersuchungszeit von 43 Monaten ein Notching in 47%. Bei den Patienten, die ein Notching aufwiesen, war der Constant-Score mit 92,6% höher als bei denen ohne Notch mit 88,5%. Ein Resorptionssaum um die untere Schraube wurde in 24% festgestellt, ohne dass ein EinÀuss auf den Constant-Score bestand. Gonzales et al. (2006) stellten eine Abhängigkeit des Notching vom operativen Zugang fest. Sie untersuchten 46 Prothesen nach durchschnittlich 50 Monaten. Ein Skapula-Notching wurde in 74% verzeichnet. Insgesamt reichte es in 24% bis zur inferioren Schraube. Bei den Patienten, die mittels kranialem Zugang operiert worden waren, war dies in 64%, bei denjenigen, bei denen die Prothese über den deltoideo-
CTS, n=19
Wechsel, n=11
Postoperativ
pektoralen Zugang implantiert wurde, in 10% der Fall. Ein negativer Effekt der Größe des Defektes auf den Constant-Score war nicht nachweisbar. Eine Glenoidlockerung lag nicht vor. Frankle (2005) gibt für die von ihm entwickelte Prothese unter 60 Fällen nach 33 Monaten lediglich 3-mal radiologische Lysesäume an. Ein Skapula-Notching sei nicht aufgetreten. Allerdings führt die Lateralisierung des Drehpunktes zu einer Erhöhung des Drehmomentes an der Basisplatte um 69% (Harman et al. 2005). Gutierrez et al. (2007) empfehlen zur Reduzierung des Notching einen inferioren Tilt des Glenoids von 15°. Andere Autoren dagegen fordern eine distale Platzierung der Glenoidkomponente (Irlenbusch 2008; Nyffeler 2005; Simovitch et al. 2007).
12.2 Ergebnisse nach zugrunde liegender Pathologie 12.2.1 Primäre Omarthrose (s. Abschn. 6.1) Bei primärer Omarthrose und intakter Rotatorenmanschette können durch Implantation einer Schulterendoprothese überwiegend gute und sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Dies belegen zahlreichen Studien (Tab. 12.2). Für den korrigierten Constant-Score werden postoperativ z. T. Werte über 90% angegeben (Gode-
Neer
Global
Neer Monoblock 27x Neer Modular 24x
Global
Aequalis
Global
-
-
Univers Gesamt 197
Global
Af¿nis esamt 126
Neer 1982
Matsen 2000
Mansat 2002
Norris 2002
Godeneche 2002
Ianotti 2003
Orfaly 2003
Edwards 2003
Habermeyer 2004
Haines 2006
Irlenbusch 2007
59
95
97
15
65
128
268
176
51
134
40
N
24
61
31
37
52
46
30
46
60
41
39
NU Mon.
18 41
64 31
115 82
11 4
37 28
95 33
251 17
133 43
43 8
134 0
40
Total/ Hemi
90
-
-
89
100
-
94
102
73
-
150
114 106
-
146
147
-
145
138
140
-
51° Verbesserung
Anteversion in Grad Prä/post
-
-
-
7
7
-
6****
14
9
-
-
42 30
-
45
39
-
40****
45
40
-
77° Verbesserung
Außenrotation in Grad Prä/post
ASES Prä/post
35%
-
46%
32 P.
-
-
38%
-
-
39 P.
94%
60 P. 52 P.
93%
71 P.
-
-
97%
-
91%
61 P.
27
-
-
-
37 42
33 35
-
33 35
-
-
Neer rating system: 90% ausgez., 8%ausreichend
Constant Prä/post
69
71 55
-
-
91 84
86 79
-
85 79
-
-
2,0**
-
5,3**
-
68*** 56***
74*** 73***
3,6**
74*** 73***
1,5**
-
-
Schmerz Prä/post
11,8**
1,8* 2,5*
13,3**
-
8*** 16***
14*** 20***
12,5**
14*** 20***
12**
-
-
12
(* max. 10 Punkte/VAS, ** max. 15 Punkte, *** max. 100 Punkte; P= Punkte Constant-Score, %=korrigierter Constant-Score; ****Arm 0° abduziert)
Implantat
Autoren
Tabelle 12.2. Ergebnisse nach Implantation einer Schulterendoprothese bei primärer Omarthrose
276 U. Irlenbusch
12 Ergebnisse im Literaturvergleich
277
neche et al. 2002; Habermeyer et al. 2004; Irlenbusch et al. 2007, 2008). Die nicht korrigierten Werte liegen auf adäquatem Niveau. Irlenbusch et al. (2007, 2008) beobachteten sehr gute Ergebnisse bei der primären Omarthrose (Abb. 12.2). Zahlreiche dieser Patienten erreichten nach 24 Monaten im korrigierten Constant-Score Werte über 100%, der Durchschnittswert lag bei 94% (s. Tab. 12.2). In den anderen Diagnosegruppen liegen die Ergebnisse erwartungsgemäß ungünstiger, außer in der Gruppe „Verschiedenes“, in der überwiegend Patienten mit aseptischen Humeruskopfnekrosen vertreten waren (s. dort). Mansat et al. (2002) erzielten bei einer inhomogene Gruppe aus Prothesen der 1. und 2. Generation postoperativ 91% im korrigierten Constant-Score und liegen damit auf gleichem Niveau wie die oben genannten Prothesen der 4. Generation. Haines et al. (2006) und Matsen et al. (2000) geben dagegen niedrigere postoperative Werte an. Die Verbesserung der AnteÀexion schwankt in den einzelnen Studien zwischen 36° und 73°, die der Außenrotation zwischen 31° und 38°. Neer (1982) gibt eine Steigerung um 51° an. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Werte ist zu vermuten, dass z. T. die passive und z. T. die aktive Beweglichkeit gemessen wurde. Auch die Schmerzlinderung erreicht ein hohes Maß, ist aber aufgrund unterschiedlicher Scores nur schlecht zwischen den einzelnen Studien vergleichbar. Parsons et al. (2005) fanden bei primärer Omarthrose und Instabilitätsarthropathie bessere Ergebnisse als bei rheumatoider Arthritis und sekundärer Arthrose.
12.2.2 Rheumatoide Arthritis (s. Abschn. 6.2) Auch bei diesem Krankheitsbild sind die Ergebnisse der Totalendoprothese in zahlreichen Studien im Durchschnitt um etwa 10 Punkte im Constant-Score besser, als die der Hemiprothese (Boyd et al. 1990; Godeneche et al. 1999). Sperling et al. (2007) fanden allerdings bei 303 Patienten keinen signi¿kanten Unterschied zwischen beiden Gruppen. Lediglich bei intakter Rotatorenmanschette waren bei den Totalprothesen eine bessere Schmerzlinderung, Verbesserung der Abduktion und ein niedrigeres Revisionsrisiko zu verzeichnen. Auch Trail et al. (2002) fanden bei der Nachuntersuchung von 105 Endoprothesen nach durchschnittlich 8,8 Jahren, dass die Ergebnisse von Hemi- und Totalprothese gleich seien. Sie berichten über eine Verbesserung im Constant-Score um 21 und im ASES-Score um 35 Punkte gegenüber dem präoperativen Ausgangsbefund. Problematisch ist die Lockerungsgefahr des Glenoids aufgrund der schlechten Knochenqualität und der drohenden sekundären Rotatorenmanschettenruptur zu sehen. Exakte Zahlen existieren hierzu in der neueren Literatur jedoch nicht. Sojbjerg et al. (1999) beobachteten langfristig eine Verminderung des akromiohumeralen Abstandes als Folge einer sekundären Rotatorenmanschettenruptur. Die daraus resultierende exzentrische Glenoidbelastung führe zu einer progressiven Lockerung, die in
90 80 70 60
Abb. 12.2. Diagnoseabhängige Entwicklung des Constant-Score bei 113 Af¿ nis-Endoprothesen (Medianwerte; Total = Gesamtgruppe, n = 113; Prim. OA Primäre Omarthrose, n = 51; RA/MB Rheumatoidarthritis/M. Bechterew, n = 15; Posttr. OA posttraumatische Omarthrose, n = 20; Chron. TS chronische Traumaschulter/„fracture sequelae“, n = 16; Verschied. Verschiedenes, n = 11)
50 40 30 20 10 0 Total n= 113
Prim. OA n= 51
RA, MB n= 15
Posttr. OA n= 20
Präoperativ, n= 113
3 Monate p.o., n= 73
12 Monate p.o., n= 90
24 Monate p.o., n= 57
Chron. TS n= 16
Verschied. n= 11
6 Monate p.o., n= 82
278
12
einer Serie von über 500 Schulterendoprothesen aus den Jahren 1983–1996 mit 42% die häu¿gste Komplikation darstellte. Diese Problematik führte zu einem vermehrten Einsatz inverser Prothesen in den letzten Jahren. Woodruff et al. (2003) stellten bei 17 Patienten mit einer Delta-Endoprothese durchschnittlich 7,3 Jahre nach der Implantation einen Constant-Score von 59 Punkten fest.
12.2.3 Rotatorenmanschettenruptur und Rotatorendefektarthropathie (s. Abschn. 6.4) Edwards et al. (2002) untersuchten in einer Multicenterstudie an 555 Schulterendoprothesen, mit durchschnittlicher Nachuntersuchungszeit von 43,1 Monaten, den EinÀuss der Rotatorenmanschettenruptur bzw. der fettigen In¿ltration der Rotatorenmuskulatur auf das Ergebnis bei primärer Omarthrose. In 41 Fällen bestand eine Partial-, in 42 Fällen eine komplette Ruptur. 90-mal lag eine fettige In¿ltration Grad II und 19-mal Grad III–IV des M. infraspinatus vor. Der M. subscapularis wies 48-mal Grad II sowie 15-mal Grad III und IV auf. Die Autoren fanden heraus, dass isolierte Supraspinatussehnenrupturen das Ergebnis nicht oder nur unwesentlich beeinÀussen. Rupturen oder eine muskuläre Insuf¿zienz des M. subscapularis, besonders aber des M. infraspinatus führen dagegen zu einem erheblichen Abfall im Constant-Score, der aktiven Beweglichkeit und subjektiven Zufriedenheit sowie zu einer Zunahme der radiologischen Veränderungen und der Komplikationen. Zahlreiche Autoren weisen darauf hin, dass die Kranialisation des Humeruskopfes infolge der Rotatorenmanschettenruptur zu einer exzentrischen Glenoidbelastung und damit zu einer vorzeitigen Auslockerung führe (Arntz et al. 1993; Krishnan 2004; Loew et al. 2005; Nyffeler u. Gerber 2004; Pearl u. Kurutz 1999). Matsen et al. (1998) prägten hierfür den Begriff des „Rocking-horse-Phänomen“. Sanchez-Sotelo et al. (2001) berichten über massive Rotatorenmanschettenrupturen in 33 Fällen, 5 Jahre nach Hemiarthoplastik. Entsprechend den „Limited-goal-Kriterien“ nach Neer (1982) erreichten 22 Patienten (67%) ein befriedigendes Ergebnis, 75% der
U. Irlenbusch
Patienten waren schmerzfrei. Das Verfahren erzielte langlebige Ergebnisse, die aber durch einen zunehmenden Knochenverlust, insbesondere des superioren Glenoids, und in 7 Fällen durch eine Instabilität unterschiedlichen Grades kompliziert wurden. Postel et al. (1999) rechnen die Implantation einer Kopfendoprothese bei massiver Rotatorenmanschettenruptur den „limited goal prosthesis“ mit dem vorrangigen Ziel der Schmerzlinderung zu. Der Constat-Score habe sich von 15,8 auf 43,3 Punkte verbessert (23 Fälle). Die Knochenarrosion erreichte nicht das Ausmaß wie in der oben zitierten Studie. Die Autoren diskutieren weiterhin den Zusammenhang zwischen Glenoidlockerung und Rotatorenmanschettenruptur, beziehen sich dabei aber auf Sekundärliteratur. Zu analogen Aussagen kamen Hettrich et al. (2004). Sie fanden außerdem einen ungünstigen EinÀuss einer präoperativ bestehenden Glenoiderosion und von vorausgegangenen Operationen. Krishnan et al. (2004) empfehlen wegen der bekannten Probleme bei Rotatorendefektarthropathie mit gehäufter Glenoidlockerung und wegen der ungelösten Probleme der inversen Prothese bezüglich der Standzeit ein biologisches „resurfacing“ des Glenoids und der AkromionunterÀäche. Dazu werden Glenoid und Akromion angefrischt und anschließend ein mehrfach gelegtes Achillessehnentransplantat eingenäht. Bei 14 Patienten aus den Jahren 1997 bis 2001 ergab sich durchschnittlich 3 Jahre postoperativ eine Verbesserung der aktiven Elevation von 35 auf 95° und der Außenrotation von 15 auf 30°. Der ASES-Score stieg von 25 auf 75 Punkte. Die akromiohumerale Distanz vergrößerte sich von 1 auf 5,2 mm. Alle Patienten würden die Operation wiederholen lassen, 92% waren schmerzfrei. Nwakama et al. (2000) berichten über 7 Schultergelenke, bei denen wegen einer massiven Rotatorenmanschettenruptur eine „semiconstrained“ Endoprothese implantiert wurde. Es handelte sich um eine Neer-Prothese in Kombination mit einem „hooded glenoid“. Das Implantat entspricht funktionell in etwa der Pfannendachschale der Epoca-Prothese (Fa. Argomedical), bei allerdings völlig anderen Verankerungsprinzipien. 6 Patienten waren unzufrieden, 5-mal bestand eine anteriore Subluxation, 4 Pfannen waren locker, 2 Patienten mussten bereits reoperiert werden, so dass die Autoren das Verfahren nicht empfehlen können. Die Mehrzahl aller Autoren sieht heute bei der Rotatorendefektarthropathie unter Beachtung der
12 Ergebnisse im Literaturvergleich
entsprechenden Altersgrenzen die Indikation zur inversen Prothese. Loew et al. (2007) empfehlen ein differenziertes Vorgehen. Unter Beachtung einer symptombasierten Unterscheidung von 3 Typen der Defektarthropathie werden die Kriterien zur Implantation einer OberÀächen- oder Kopfprothese, einer Hemiprothese in Kombination mit einer Pfannenrekonstruktionsschale und einer inversen Endoprothese dargestellt.
12.2.4 Humeruskopfnekrose (s. Abschn. 6.3) Nach Implantation einer Endoprothese bei avaskulärer Nekrose werden in der Literatur in der Regel sehr gute Ergebnisse angegeben. Mansat et al. (2005) fanden bei 19 Schultern mit einer Nachbeobachtungszeit von 7 Jahren (zwischen 2 und 12) einen korrigierten Constant-Score von 82% für die Kopf- und von 66% für die Totalprothesen. Die Parameter Aktivität, Beweglichkeit und Kraft waren bei der Kopfprothese, die Schmerzlinderung hingegen bei der Totalprothese besser. Nach Kortisontherapie und bei M. Gaucher wurden bessere Werte erzielt (Constant-Score 75% bzw. 78%) als bei idiopathischer Nekrose und nach Bestrahlung (68% und 50%). Im Langzeitverlauf ist aufgrund des jugendlichen Alters zahlreicher Patienten mit wiederholten Revisionen zu rechnen (Sperling 1998). Basso et al. (1999) fanden eine Abhängigkeit der Ergebnisse vom Erkrankungsstadium, dem Grad der Glenoidbeteiligung und dem Zustand der Rotatorenmanschette. Bei reparablen Rotatorendefekten wurden die gleichen Resultate wie bei einer intakten Rotatorenmanschette erzielt.
12.2.5 Omarthrose bei Schulterinstabilität Eine posttraumatische Arthrose nach Schulterluxation kann sich nach einmaliger oder mehrfacher Luxation sowie mit oder ohne vorausgegangener Stabilisierungsoperation entwickeln (Bigliani et al. 1995; Cameron et al. 2003; Hawkins u. Angelo 1990; Hovelius et al. 2001; Neer et al. 1982; Ogawa et al. 2006). Samilson u. Prieteo (1983) führten den Begriff der
279
„dislocation arthropathy“ ein. Andere Autoren sprechen von einer „capsulorhaphy arthropathy“ (Collins et al. 1999; Lazarus et al. 1999; Lusardi et al. 1993; Matsen et al. 1998) und führen die Arthrose pathogenetisch auf eine zu straffe ventrale Kapselplastik zurück. Es resultiere ein erhöhter intraartikulärer Druck mit Translation des Kopfes nach dorsal, was zu einer exzentrischen Pfannenabnutzung führe (Werner 2004). Die Arthroserate sei bei nichtanatomischen Stabilisierungsverfahren höher und hänge von der Zeit ab. Koenig (1997) beobachtete nach durchschnittlich 26,9 Jahren eine Arthroserate nach Putti-Platt-OP von 58% und nach Eden-Hybinnette-OP von 89%. Die Arbeitsgruppe um Walch (Matsoukis 2003) stellt das Krankheitsbild der „dislocation arthropathy“ in Frage, da sie unter 55 Patienten, die wegen einer sekundären Omarthrose nach Schulterluxation eine Endoprothese erhielten, etwa in gleicher Häu¿gkeit operativ stabilisierte und nichtoperierte Patienten zu verzeichnen hatten. Weder prä- noch postoperativ hätten sich zwischen beiden Gruppen wesentliche Unterschiede feststellen lassen. Auch die Art der Operation habe keine Rolle gespielt. Irlenbusch et al. (2007) weisen auf die Bedeutung der Hill-Sachs-Läsion (HSL) als präarthrotische Deformität hin. Sie bestimmten arthroskopisch bei 25 Patienten die Ausdehnung und Häu¿gkeit des Kontaktes zwischen HSL und Glenoid. Bei Außenrotation in 0° Abduktion betrug der Anteil der Kontaktzone am gesamten Bewegungsumfang 19%, bei Außenrotation in 90° Abduktion dagegen 30%. Zusätzlich war die Häu¿gkeit des Kontaktes wesentlich häu¿ger, als bisher angenommen. Nach Endoprothesenimplantation werden gute und sehr gute Ergebnisse bezüglich der Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung erreicht (Bigliani et al. 1995; Green u. Norris 2001; Matsoukis et al. 2003; Sperling et al. 2002, 2004). Allerdings muss bei dem jungen Patientengut mit einer relativ hohen Revisionsrate infolge Instabilität, Implantatversagen und Glenoiderosion nach Hemiendoprothesenimplantation gerechnet werden (Sperling et al. 2002).
12.2.6 Operationshäufigkeit Die Abhängigkeit des Operationsergebnisses von der Operationsfrequenz der Operateure wird in verschie-
280
12
denen Arbeiten untersucht. Lyman et al. (2005) geben nach Untersuchung von 1.307 Operationen erstaunlicherweise an, dass sich die funktionellen Ergebnisse nicht unterscheiden würden, dass aber die Wiederaufnahmehäu¿gkeit und die Verweildauer bei niedriger OP-Rate höher seien. Jain et al. (2004) untersuchten 12.594 Totalprothesen- und 17.452 Hemiprothesenimplantationen aus den Jahren 1988–2000. Sie fanden eine Mortalitätsrate für Totalendoprothesenimplantationen von 0,36% bei einer Operationsrate unter 5 Operationen pro Jahr, von 0,29% und 0,08% bei 5–10 bzw. über 10 Operationen pro Jahr. Die Komplikationsrate betrug für die gleichen Gruppen 1,44%, 1,45% und 0,64%. Die Verweildauer schwankte insgesamt nur zwischen 3,3 und 5,4 Tagen, war aber gleichfalls von der OP-Frequenz abhängig. Hammond et al. (2003) beurteilten 1868 Endoprothesenimplantationen in den Jahren 1994–2000. Sie klassi¿zieren die Operateure in 3 Gruppen: niedrige OP-Rate = 1–5 Operationen, mittlere OP-Rate 6–30 Operationen, hohe OP-Rate über 30 Operationen. Für diese Gruppen fanden sie mit zunehmender OP-Häu¿gkeit eine Komplikationsrate von 14,5%, 9,0% und 9,3% und eine Verweildauer von 4,2 Tagen sowie von 2,9 und 2,8 Tagen. Angaben zum funktionellen Ergebnis erfolgen nicht.
12.2.7 Proximale Humerusfraktur (s. Abschn. 6.5) Die kanadische „Evidence-based Orthopaedic Trauma Group“ (Bhandari et al. 2004) kommt zu dem Schluss, dass gegenwärtig immer noch kein Konsensus bezüglich der optimalen Therapie der 4-Fragment-Frakturen des proximalen Humerus besteht. Zu analogen Aussagen gelangen Handoll et al. (2003) mittels einer umfangreichen Recherche im Cochrane-Review. Anhand der vorliegenden Studien könne nicht einmal gesagt werden, ob die operative Behandlung langfristig bessere Resultate garantiere als die konservative Therapie. Resch (2003) sieht die Indikation für eine primäre Frakturprothese in der 4-Fragment-Fraktur mit Horizontalverschiebung des Kopfes gegenüber dem Schaft beim alten Menschen, der 4-Fragment-Luxa-
U. Irlenbusch
tionsfraktur des alten Menschen, der Head-splittingFraktur (wenn der mittlere Anteil der GelenkÀäche betroffen ist), der hinteren Luxationsfraktur (wenn über 50% der GelenkÀäche zerstört sind) und der nicht rekonstruierbaren Fraktur des alten Menschen. Habermeyer u. Magosch (2006) führen analoge Kriterien an. Sie zitieren verschiedene Literaturstellen, wonach die konservative Behandlung der dislozierten 4-Fragment-Fraktur nur in 5–15% der Fälle, die kopferhaltende Operation in 59–76%, der primäre Humeruskopfersatz dagegen in 80% ein zufrieden stellendes Ergebnis aufweist. Diese positiven Ergebnisse des amerikanischen Schrifttums könnten insbesondere bei einem geriatrischen Krankengut nicht erreicht werden. In zahlreichen Arbeiten wird auf die Abhängigkeit des klinischen Ergebnisses von der korrekten Position und der Einheilungsrate der Tuberkula hingewiesen. Boileau et al. (2002) fanden bereits primär eine Fehlposition in 27% der Fälle. In 23% waren sekundäre Dislokationen mit Migration zu verzeichnen. Dies führe zu unbefriedigenden Ergebnissen, superiorer Migration der Prothese, Kontrakturen, Kraftlosigkeit und persistierenden Schmerzen. Schmal et al. (2004) berichten über 17 Fälle mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 14 Monaten, die in 82,4% einen Tuberculum-majus-Defekt aufwiesen. Sie erreichten postoperativ einen Constant-Score von durchschnittlich 52 Punkten. Voigt u. Lill (2007) fanden eine Einheilungsrate der Tuberkula mit einer Dislokation unter 5 mm von 37,1%, über 5 mm von 16,8% und eine Fehlpositionierung oder Osteolyse der Tuberkula in 46,1%. 91,9% der Patienten mit einem eingeheilten Tuberkulum (Distanz unter 5 mm) waren mit dem erreichten Ergebnis zufrieden. Grönhagen et al. (2007) beobachteten bei 46 Patienten mit einer primären Frakturprothese nach durchschnittlich 4,4 Jahren einen mittleren Constant-Score von 42 Punkten. Bei 24 Patienten mit einer Migration der Prothese war ein signi¿kanter Abfall des Constant-Scores zu festzustellen. Reuther et al. (2007) konnten 154 primäre Frakturprothesen nachuntersuchen. Im Mittel wurden im Constant-Score nach 3 Jahren 46 Punkte (64%) verzeichnet. Bei Integration der Tuberkula fanden die Autoren einen Constant-Score von 51,4 Punkten, bei nekrotischen Tuberkula dagegen von 39,3 Punkten (p 0,0003). Eine niedrige Einheilungsrate spiegelte sich auch in einer schlechteren Beweglichkeit und
12 Ergebnisse im Literaturvergleich
höheren kranialen Migration der Prothese wider (kraniale Migration = 80% Osteolyse der Tuberkula, keine Migration = 39% Osteolyse der Tuberkula, p 0,0001). Die Einheilungsrate war sowohl vom Alter der Patienten als auch der Operationsfrequenz abhängig. So erzielten Krankenhäuser mit mehr als 70 Operationen eine Einheilungsrate von 42%, Krakenhäuser mit weniger als 23 Operationen dagegen nur von 6%. Frankle et al. (2002) untersuchten fünf Fixationstechniken für die Tuberkula an acht Kadaverschultern. Die interfragmentäre Dislokation war in den Fällen am geringsten, in denen in Kombination mit anderen Nähten eine zirkumferente mediale Cerclage benutzt wurde. Christoforakis et al. (2003) weisen auf die Bedeutung der Wiederherstellung der anatomischen Länge und Retrotorsion hin. Loebenberg et al. (2005) fanden einen statistisch gesicherten Zusammenhang zwischen der postoperativen aktiven Beweglichkeit und der Position der eingeheilten Tuberkula. Nach ihren Ergebnissen ist die Höhe des Apex des Tuberculum majus zwischen 10 und 16 mm unter dem Humeruskopf als optimal anzusehen. Loew et al. (2006) untersuchten, ob Vorteile bei Verwendung einer speziellen Frakturprothese (Aequalis, n = 18) gegenüber einer modernen anatomischen Prothese des gleichen Herstellers (n = 39) bestehen. Die Einheilung der Tuberkula war mit 50% gegenüber 29% in der Frakturprothesengruppe zwar besser, allerdings zeigten die klinischen Ergebnisse (ConstantScore 52,4 zu 51,5 Punkte) erstaunlicherweise keinen signi¿kanten Unterschied. Kralinger et al. (2004) berichten dagegen in einer Multicenterstudie an 167 Patienten, dass sowohl der Prothesentyp als auch das Patientenalter die Einheilung der Tuberkula beeinÀussen würden. Der Constant-Score und die subjektive Einschätzung des Ergebnisses durch die Patienten waren signi¿kant höher, wenn die Tuberkula knöchern eingeheilt waren als in den Fällen, in denen sie keinen Anschluss gefunden hatten oder eine Dehiszenz über 0,5 cm vorlag. Nho et al. (2007) weisen in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Fixationstechnik der Tuberkula für das postoperative Ergebnis hin. Anjum und Butt 2005 fanden bei einer Nachuntersuchungszeit von 33 Monaten bei 20 Patienten postoperativ einen Constant-Score von 47,5 Punkten, die Beweglichkeit sei schlecht gewesen. Christoforakis et al. (2004) berichten über 70,4 Punkte bei einer Nach-
281
untersuchungszeit zwischen 2 und 7 Jahren. Die mittlere Anteversion betrug 150°, die Abduktion 145° und die Außenrotation 10°. Mighell et al. (2003) erzielten bei 66 Patienten im ASES-Score 76,6 Punkte; die Anteversion betrug 128° und die Außenrotation 43°. In 21% der Fälle sei eine unzureichende Einheilung der Tuberkula zu verzeichnen gewesen. Kollig et al. (2003) erzielten bei 38 Patienten 5 Jahre p. o. durchschnittlich 66,2 Punkte im Constant-Score. Quian et al. (2005) berichten über 97,8% schmerzfreie und zufriedene Patienten. Robinson et al. (2003) beobachteten 138 Patienten. Sie fanden eine Überlebensrate nach einem Jahr von 96,9%, nach fünf Jahren von 95,3% und nach 10 Jahren von 93,9%. Der durchschnittliche Constant-Score lag nach einem Jahr bei 64 Punkten. Brunner et al. (2006) berichten über die Ergebnisse der seit 1991 laufenden Aequalis-Multicenter-Studie. In 491 Fällen wurde primär eine Frakturprothese implantiert. Bei ihnen konnte statistisch gesichert ein EinÀuss der nachfolgend aufgeführten Faktoren auf das Ergebnis festgestellt werden: Ɣ Fehlstellung, Dislokation oder ausbleibende Heilung der Tuberkula, Ɣ Rekonstruktion der Höhe und Retrotorsion, Ɣ Rehabilitation in einer spezialisierten Einrichtung und Ruhigstellung. Kein Zusammenhang bestand dagegen mit dem Alter der Patienten, dem Operationszeitpunkt, dem Frakturtyp, der Tenodese der langen Bizepssehne, einer gleichzeitigen Rotatorenmanschettenrekonstruktion und internistischen Begleiterkrankungen. Über den Einsatz der inversen Prothese zur primären Frakturversorgung liegen bisher kaum Angaben in der Literatur vor. Sirveaux et al. (2006) fanden in einer Multicenterstudie unter 457 inversen Prothesen lediglich 15 Fälle, bei denen die Implantation wegen einer primären Fraktur erfolgt war. Nach einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 46 Monaten betrug der Constant-Score im Mittel 81%, die Anteversion erreichte 107° und die aktive Außenrotation 10°. Jouve et al. (2006) berichten über eine gemischte Gruppe von 65 Patienten. Mit 54 Punkten im Constant-Score schnitten die Frakturfolgen am ungünstigsten ab, gefolgt von den primären Frakturen mit 68 Punkten, der Rotatorendefektarthropathie mit 73,7 Punkten und der Osteoarthrose mit 74,7 Punkten.
282
12
U. Irlenbusch
12.2.8 Posttraumatische Deformitäten (s. Abschn. 6.6) Habermeyer u. Magosch (2006) berichten anhand einer Literaturrecherche, dass die Ergebnisse der sekundären Frakturprothetik besser seien als bei primärer Prothesenimplantation. Eine Ursache sei das um etwa 10 Jahre jüngere Patientengut. Insgesamt lasse sich in 62–85% Schmerzlinderung bis Schmerzfreiheit erzielen. Das funktionelle Ergebnis hänge in starkem Maße vom Zustand der Rotatorenmanschette ab. Boileau u. Walch et al. (2006, 2001, 1999) stellten 1999 eine Klassi¿kation vor, in der 4 verschiedene Typen von Frakturfolgen unterschieden werden (Abb. 12.3). Als wesentliches prognostisches Kriterium wird angeführt, ob bei der Prothesenimplantation eine Osteotomie der Tuberkula erforderlich ist oder nicht. So fanden sie bei 203 Patienten mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 42 Monaten für die Typen 1 und 2 erwartungsgemäß überwiegend gute und bei den Typen 3 und 4
Frakturfolgen (intrakapsulär, eingestaucht)
schlechte Ergebnisse. Beim Typ 4 wurden lediglich 42 Punkte, beim Typ 1 dagegen 62 Punkte im ConstantScore erreicht. Analog sind die Ergebnisse der aktiven Beweglichkeit: Anteversion Typ 4 = 81°, Typ 1 = 125°; Außenrotation Typ 4 = 12°, Typ 1 = 32°. Irlenbusch et al. (2008) erzielten ähnliche Ergebnisse. Sie konnten aber durch den differenzierten Einsatz von Kopfprothesen bei den Frakturfolgetypen I und II und von inversen Prothesen bei den Typen III und IV eine Verbesserung um etwa 10 Punkte erreichen (unter Berücksichtigung eines niedrigeren Ausgangsniveaus). So wurde bei den anatomischen Typen eine Steigerung von 19 auf 68 Punkte und bei den inversen Prothesen eine Steigerung von 9,0 auf 47,5 Punkte erreicht. Auch Brunner et al. (2006) konnten die Ergebnisse von Boileau und Walch in einer eigenen Untersuchungsserie bestätigen. Bei der Typ-1-Fehlstellung erzielte er einen relativen Constant-Score von 72% und eine Elevation von 105°, bei der Typ-4-Fehlstellung dagegen nur von 69% und 55°. Mansat et al. (2004) berichten über 28 sekundäre Prothesen mit einer durchschnittlichen Nachunter-
Typ 1: eingestauchte intrakapsuläre Humerusfraktur und Humerusnekrose mit relativ geringer Dislokation der tuberkula
Typ 2: persistierende verhakte Luxationen und Luxationsfrakturen
Typ 3: extrakapsuläre Fraktur im chirurgischen Hals, Pseudarthrosen
Typ 4: extrakapsuläre Humeruskopffraktur mit hochgradiger Fehlstellung der Tuberkula und eingestauchter Kalotte
keine Osteotomie der fehlverheilten Tuberkula erforderlich
gute voraussagbare Ergebnisse Frakturfolgen (extrakapsulär, nicht eingestaucht)
Osteotomie der fehlverheilten Tuberkula erforderlich
Abb. 12.3. Klassi¿ kation der Frakturfolgen des proximalen Humerus nach Boileau u. Walch (1999). (Aus: Irlenbusch u. Irlenbusch 2007)
schlechte und nicht voraussagbare Ergebnisse
12 Ergebnisse im Literaturvergleich
suchungszeit von 47 Monaten. 10-mal war eine unzureichende oder fehlende Integration der Tuberkula, 7-mal eine Kopfnekrose und 15-mal eine anterosuperiore Migration zu verzeichnen. Nach den Neer-Kriterien wurden deshalb lediglich 64% befriedigende Resultate erzielt.
12.2.9 Revisionsoperationen (s. Kap. 10) Dines et al. (2006) beschreiben als Hauptgründe für die Revision von 78 Totalendoprothesen Weichteilprobleme, knöcherne Defekte, Komponentenversagen und Infektionen. In 22 Fällen musste eine Revision der Glenoidkomponente vorgenommen werden, 16-mal erfolgte eine sekundäre Glenoidimplantation wegen einer sekundären Glenoidarthrose nach Hemiarthroplastik, in 8 Fällen erfolgte eine Schaftrevision, 4 Patienten erlitten eine periprothetische Fraktur und 10 eine sekundäre Rotatorenmanschettenruptur, 4 eine Nekrose der Tuberkula, 5-mal lag eine Instabilität vor und 5-mal eine Infektion. Die Ergebnisse differieren in Abhängigkeit von der der Revision zugrunde liegenden Diagnose in starkem Maße. Generell führt die Revision von knöchernen oder Implantatproblemen zu besseren Ergebnissen als sekundäre Weichteilrekonstruktionen. Parsons et al. (2004) weisen daraufhin, dass bei jungen aktiven Patienten mit einem zunehmenden Glenoidabrieb mit Entwicklung arthrotischer Veränderungen zu rechnen ist, der zur Reoperation mit Glenoidimplantation zwinge. Bei 8 Patienten fanden sie nach 43 Monaten in allen Fällen eine deutliche Gelenkspaltverschmälerung zwischen 1,3 und 2,8 mm (68% des Gelenkspaltes). Die Abnahme des Gelenkspaltes war dabei mit einer Reduzierung des Constant-Scores korreliert. Carroll et al. (2004) berichten über eine Serie von 16 konsekutiv operierten Patienten, bei denen wegen intolerabler Schmerzen nach Hemiarthorplastik sekundär ein Glenoid implantiert werden musste. Zwischen der Primäroperation und der Umwandlung in eine Totalprothese vergingen durchschnittlich 3,5 Jahre (11 Monate bis 10,5 Jahre). Die Nachuntersuchung nach der Revisionsoperation fand nach durchschnittlich 5,5 Jahren statt. Lediglich 47% der Patienten wiesen ein befriedigendes Ergebnis auf.
283
Antuna et al. (2001) berichten über 48 Patienten, die sie durchschnittlich 4,9 Jahre nach Glenoidrevision untersuchten. Bei 30 konnte eine Reimplantation durchgeführt werden, 18-mal war nur eine Entfernung und Knochentransplantation möglich. Die Patienten mit einem neu implantierten Glenoid wiesen in allen klinischen Parametern bessere Werte auf. Bei Patienten mit persistierenden Schmerzen nach alleiniger Knochentransplantation sollte deshalb nach Konsolidierung eine sekundäre Glenoidimplantation erwogen werden. An anderer Stelle berichten die gleichen Autoren (Steinmann et al. 2000) über 28 autologe Pfannenaufbauplastiken im Rahmen einer Totalendoprothesenimplantation. Alle Komponenten wiesen „radiolucent lines“ in unterschiedlicher Form auf, aber nur zwei waren klinisch symptomatisch. Neyton et al. (2006) berichten über die alleinige Transplantation von 9 kortikospongiösen Beckenkammspänen nach Glenoidentfernung. Nach durchschnittlich 30 Monaten fanden sie 5-mal ein befriedigendes und 4-mal ein unbefriedigendes Ergebnis. Zwei Fälle zeigten einen deutlichen Knochenabrieb. Einmal dagegen war das Transplantat so gut integriert, dass sekundär die Implantation einer inversen Prothese möglich war. Die Arbeitsgruppe um Ianotti (Scalise et al. 2008) berichtet über 7 Patienten, bei denen nach Entfernung einer Schulterprothese eine Arthrodese durchgeführt wurde. Zwar konnte im Constant-Score eine Verbesserung von 17 auf 58 Punkte erreicht werden, es handle sich aber um eine komplikationsträchtige Methode mit der Notwendigkeit zum Teil mehrfacher Nachoperationen, um eine knöcherne Fusion zu erreichen.
12.3 Komplikationen 12.3.1 Intraoperative Komplikationen 12.3.1.2 Periprothetische Frakturen Chin et al. (2006) fanden bei 431 Schulterendoprothesen mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 4,2 Jahren eine Komplikationsrate von
284
12
insgesamt 12% (53 Patienten). Darunter fanden sich 6 intraoperative Frakturen (1,4%). Intraoperative Frakturen sind häu¿g auf ein Anfräsen der Kortikalis bei der Präparation des Markraumes zurückzuführen (Jerosch u. Heisel 2002). Es entstehen dann, begünstigt durch eine gleichzeitig vorliegende Osteoporose, bei Exposition des Gelenkes durch Außenrotation sehr leicht Spiralfrakturen. Die Gefahr lasse sich durch ein ausgiebiges primäres Kapselrelease reduzieren. 12.3.1.2 Nervenverletzungen Die Angaben von Gefäß- und Nervenverletzungen erfolgt in der neueren Literatur sehr selten. Gefäßverletzungen werden überhaupt nicht beschrieben. Chin et al. (2006) fanden Plexusläsionen in einer Häu¿gkeit von 1,8%. Wallace (1998) gab unter 1% an. Lynch et al. (1996) dagegen beobachteten über 4% neurogene Störungen, wovon über zwei Drittel der Fälle reversibel waren.
12.3.2 Postoperative Komplikationen (s. Kap. 8 und 9) 12.3.2.1 Einfluss von Begleiterkrankungen Jain et al. (2005) untersuchten die Auswirkung von Begleiterkrankungen auf die Häu¿gkeit postoperativer Komplikationen. Bei gleichzeitig bestehender Hypertonie, Diabetes mellitus und Adipositas war eine höhere Komplikationsrate zu verzeichnen. White et al. (2003) untersuchten die Mortalität nach Schulterendoprothesenimplantation bei 2.953 Patienten, die zwischen 1970 und 2000 operiert worden waren. Die perioperative Mortalität sei niedrig. Innerhalb der ersten 90 Tage fanden sie aber eine Rate von 0,58% und eine enge Korrelation zu verschiedenen Risikofaktoren. 12.3.2.2 Instabilität/Luxation Nach Löhr et al. (1998) werden in älteren Studien bis zu 38% postoperative Luxationen angegeben. Im
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eigenen Krankengut fanden sie unter 44 Prothesen 8 Luxationen und 7 Subluxationen. Damit handelte es sich um die häu¿gste Komplikation in dieser Gruppe. Sowohl eine Fehlpositionierung des Glenoids, eine humerale Malrotation, Subskapularis- und Deltainsuf¿ zienzen können neben weiteren Faktoren zur Luxation führen. Der Constant-Score lag mit 41,9 Punkten deutlich unter dem Durchschnitt. Dies zeige, dass auch nach Behandlung der Instabilität nur ein eingeschränktes Ergebnis erwartet werden kann. Hasan et al. (2002) beschreiben 35% Instabilitäten unter 139 konsekutiv operierten Patienten. Auch Hennigan u. Ianotti (2001) gehen davon aus, dass es sich um eine gängige Komplikation handle. Sie berichten über eine Häu¿gkeit von durchschnittlich 4–5% Luxationen für ihre Gruppe und geben eine Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Diagnose, anatomischen Varianten und anderen Risikofaktoren an. Sanchez-Sotelo et al. (2003) berichten über 33 Fälle (26 Totalprothesen und 7 Hemiprothesen), die wegen einer Instabilität revidiert werden mussten. Es handelte sich um 19 vordere und 14 hintere Luxationen. Als Ursache fanden sie vor allem eine Imbalance der Kapsel- und Rotatorenmanschettenverhältnisse. So bestand 21-mal eine Läsion bzw. Dysfunktion der Rotatorenmanschette, einmal eine Malposition der Komponenten und 11-mal eine Kombination beider Faktoren. In 32 Fällen war die Luxation auf Versäumnisse während der Primäroperation zurückzuführen. Lediglich in 14 Fällen ließ sich durch den Revisionseingriff eine bleibende Stabilität erzielen. Warren et al. (2002) empfehlen zur Vermeidung einer Instabilität die optimale Ausrichtung der Komponenten (Glenoid nahezu rechtwinklig zur Achse der Spina scapulae, Retrotorsion des Schaftes ca. 30°), die Beseitigung von Kontrakturen oder einer Kapsellaxität sowie die Wiederherstellung der Integrität der Rotatorenmanschette. Pritchett (1997) berichtet über die inferiore Subluxation des Humeruskopfes nach Humeruskopffrakturen, Implantation einer Kopfprothese und Naht einer Rotatorenmanschettenruptur. Pathophysiologisch handele es sich um eine Atonie des Deltamuskels und der Muskeln der Rotatorenmanschette. Nach Implantation einer Endoprothese sei sie nach 2 Wochen in 60% der Fälle, nach 6 Wochen nur noch in 4% zu verzeichnen gewesen. Nach 2 Jahren habe keine Subluxation mehr bestanden.
12 Ergebnisse im Literaturvergleich
12.3.2.3 Dezentrierung des Schultergelenkes/Migration Hockman et al. (2004) weisen anhand von Leichenversuchen auf die stabilisierende Bedeutung des Lig. coracoacromiale nach der Implantation von Humeruskopfprothesen hin. Nach Durchtrennung des Bandes war die anterosuperiore Migration des Humeruskopfes um 3,44 mm höher als in der Vergleichsgruppe. Loew et al. (2005) fanden bei 107 Patienten in 16% der Fälle nach durchschnittlich 37 Monaten eine sekundäre Dezentrierung. Diese führte zu einer deutlichen Verschlechterung des Constant-Score um ca. 10 Punkte. Bei Totalprothesen war die Dezentrierung mit 13% seltener zu verzeichnen als bei Hemiprothesen mit 22%.
12.3.2.4 Sekundäre Rotatorenmanschettenruptur Die Entwicklung einer Rotatorenmanschettenruptur nach Implantation einer Schulterendoprothese beeinträchtigt in starkem Maße das Ergebnis. Hattrup et al. (2006) untersuchten 19 Patienten mit 20 Schultergelenken, die sich einer Revisionsoperation unterziehen mussten. Die Nachuntersuchung erfolgte durchschnittlich 9,1 Jahre nach der Rotatorenmanschettennaht. Der Subskapularis war 7-mal allein oder in Kombination betroffen. In lediglich 4 Fällen fand sich eine intakte Manschette. Entsprechend waren die Ergebnisse bezüglich Schmerzlinderung und Funktion unbefriedigend. Walch u. Boileau (2004) berichten über 4,6% sekundäre Rotatorenmanschettenrupturen unter 1.842 Endoprothesen. Pfahler et al. (2006) stellten bei 566 Total- und 287 Hemiendoprothesen mit intakter Rotatorenmanschette postoperativ einen Constant-Score von 66,3 bzw. 60,1 Punkten fest. Bei Rotatorenmanschettenruptur sanken die Werte auf 56,8 bzw. 49,7 Punkte ab (58 Total- und 135 Hemiendoprothesen). Miller et al. (2005) berichten über 7 Patienten mit einer klinisch auffälligen Subskapularissehnenruptur nach Implantation einer Schulterendoprothese. Alle Patienten wurden operativ versorgt, in 4 Fällen war eine Pectoralis-major-Plastik erforderlich. Trotzdem bestand bei 2 Patienten eine Instabilität fort. Nach durchschnittlich 2,3 Jahren lag der ASES-Score bei 63,2 Punkten. Die operative Versorgung der Rupturen
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sei in Kombination mit einem verzögerten Rehabilitationsprogramm dringend erforderlich. Werner et al. (2003) untersuchten die diagnostische Sicherheit der sonographischen Untersuchung der Rotatorenmanschette nach Schulterendoprothesenimplantation und empfehlen diese Methode.
12.3.2.5 Heterotope Ossifikationen Boehm at al. (2005) fanden unter 126 Schulterendoprothesen in 15% heterotope Ossi¿kationen. Bei gleichzeitig bestehender Rotatorenmanschettenruptur betrug die Rate 36,4%. Ein therapeutischer Effekt von NSAR konnte nicht nachgewiesen werden.
12.3.2.6 Infektion/Infektarthropathie Nach Ince et al. (2005) sei der einzeitige Wechsel mindestens genauso erfolgreich wie der zweizeitige Wechsel. Sie berichten über ihre Erfahrungen mit dem einzeitigen Endoprothesenwechsel bei 16 Patienten (2 Frühinfekte, 14 Spätinfekte). Zur Nachuntersuchung nach durchschnittlich 5,8 Jahren, waren 3 Patienten verstorben, 3 hatten sich einer Revisionschirurgie unterziehen müssen. Der durchschnittliche ConstantScore betrug 33,6 Punkte. Mileti et al. (2004) berichten über 4 Patienten mit einer Reimplantation nach Entfernung einer in¿zierten Schulterendoprothese. Das Intervall zwischen Entfernung und Reimplantation lag zwischen 7 Monaten und 5,5 Jahren. Eine Reinfektion trat nicht auf. Alle Patienten waren schmerzfrei oder schmerzarm. Auch die Beweglichkeit hatte sich deutlich verbessert und erreichte für die Abduktion Werte bis zu 120°. Laut Topolski et al. (2006) wird in der Literatur die Rate tiefer periprothetischer Infektionen zwischen 0% und 3,9% angegeben. Sie weisen auf die Beachtung präoperativer und postoperativer Entzündungsparamater sowie mikrobiologischer und histologischer Untersuchungen bei subklinischen Infektionen hin, da bei klinisch unauffälligen Patienten die weitere Behandlung und damit das Schicksal des Gelenkes davon abhängen. Magosch et al. (2002) berichten über die endoprothetische Versorgung der Infektarthropathie, die als Alternative zur Arthrodese nach Ausheilung des
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Infektes möglich sei. Eine Karenz von mindestens 6 Monaten sei einzuhalten. Insgesamt wurden 17 Patienten versorgt. Der relative Gewinn sei erheblich (insbesondere die Schmerzlinderung), auch wenn der Constant-Score postoperativ mit 48,4 Punkten für die Hemiprothesen und 46,8 Punkten für die Totalprothesen deutlich unter dem Durchschnitt liege. Mileti et al. (2003) implantierten bei 13 Patienten mit einer postinfektiösen Omarthrose eine Schulterendoprothese. Nach einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 9,7 Jahren war keine Reinfektion aufgetreten. Sowohl der Schmerzscore als auch die Beweglichkeit hatten sich deutlich verbessert.
12.3.2.7 Periprothetische Frakturen Kumar et al. (2004) fanden unter 3.091 Fällen 16 Patienten, die durchschnittlich 49 Monate nach der Endoprothesenimplantation eine Fraktur erlitten hatten. Sechs Frakturen wurden konservativ behandelt. Fünf Patienten wurden sekundär, nach erfolgloser konservativer Behandlung und fünf Patienten primär operativ versorgt. Die Autoren plädieren dafür, dass bei einem nicht gelockerten Implantat und einer geeigneten Frakturform die konservative Behandlung versucht werden sollte. Walch u. Boileau (2004) fanden lediglich 0,9% postoperative Frakturen unter 1.842 Endoprothesen. Groh et al. (2008) berichten über 15 periprothetische Frakturen, die sie mit periprothetischen Cerclagen, Plattenosteosynthesen, dem Wechsel auf eine Langschaftprothese oder einem kombinierten Vorgehen behandelten. Alle Frakturen seien innerhalb von 11 Wochen ausgeheilt. Knochentransplantationen seien nicht erforderlich gewesen. 12.3.2.8 Sekundäre Glenoidarthrose/-erosion Sperling et al. (1998) mussten bei 18 von 1.018 Humeruskopfendoprothesen wegen zunehmender Schmerzen nach durchschnittlich 4,4 Jahren eine sekundäre Glenoidimplantation vornehmen. Die gleiche Arbeitsgruppe (Sperling et al. 2004) berichtet über sekundäre Glenoiderosionen in 72% (38 von 53 Kopfendoprothesen), bei einer Nachuntersuchungszeit von durchschnittlich 16,8 Jahren. Hasan et al. (2002) geben bei 64 Hemiendoprothesen mit einem
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schlechten Ergebnis 27 sekundäre Glenoiderosionen an (42%). Walch u. Boileau (2004) fanden in einer Multicenterstudie mit 1.842 Schulterendoprothesen 32 Patienten (5,1%) mit einer Glenoiderosion. In 27 Fällen wurde auf eine Totalprothese gewechselt, 3-mal auf eine inverse Prothese und 2-mal erfolgte eine Resektionsplastik. 12.3.2.9 Dissoziation der Komponenten Hierbei handelt es sich um eine sehr selten Komplikation, die in der aktuellen Literatur nicht beschrieben wird. Nach Lee u. Niemann (1994) traten sie bei bipolaren Endoprothesen etwas häu¿ger auf als bei den heutigen Systemen.
12.3.3 Aseptische Lockerung 12.3.3.1 Glenoidlockerung Die langfristige Glenoidlockerung stellt das Hauptproblem der Totalendoprothese dar. Buckingham et al. (2005) führten durchschnittlich 7 Jahre nach Implantation bei 11 von 115 implantierten Endoprothesen einen Glenoidwechsel durch. Sie empfehlen die Lockerung mittels des Simple-shoulder-Tests (SST) als Screening-Methode zu kontrollieren, da sie nach einem präoprativen Ausgangswert von 4,4 nach Endoprothesenimplantation eine Vebesserung auf 11,3 Punkte und nach Lockerung (vor der Glenoidrevision) einen Abfall auf 4,6 Punkte fanden. Nagels et al. (2002) weisen daraufhin, dass die Lockerungsrate in erheblichem Maße von der Untersuchungsmethode abhängt. Sie fanden mittels stereophotogrammmetrischer Untersuchungen, dass schon nach 2 Jahren praktisch alle Pfannen gelockert waren, während konventionell röntgenologisch noch keine Auffälligkeiten bestanden. Auch Rahme et al. (2004) untersuchten die Migration von implantierten Pfannen mittels dieser Methode und fanden schon nach 4 Monaten bei 10 von 16 implantierten Gelenkpfannen mit Keel eine deutliche Migration und radiologische Resorptionssäume („radiolucent lines“) in 13 von 16 Fällen. Ein Zusammenhang zwischen der Lockerung
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und dem Phänomen der Resorptionssäume konnte nicht nachgewiesen werden. In verschiedenen Studien wurden Faktoren herausgearbeitet, die die Pfannenlockerung beeinÀussen. Sie ¿nden sich auch in einer experimentellen Untersuchung von Anglin et al. (2001) wieder. Danach hat ein Glenoid mit einer strukturierten RückÀäche eine bessere Standfestigkeit als eines mit einer glatten OberÀäche. Eine gekrümmte RückÀäche ist einem geraden Design überlegen, ein Mismatch zwischen Kopf- und Pfannenradius ist besser als konforme Radien, Pegs sind einem Kiel überlegen, strukturierte Pegs sind besser als glatte und ein All-Polyäthylen-Glenoid hat eine geringere Lockerungsrate als eines mit „metal back“. Walch et al. (2002) fanden bei der Untersuchung von 319 Totalendoprothesen eine lineare Abhängigkeit zwischen der Ausprägung der „radiolucent lines“ und dem Mismatch der Kopf- und Pfannenradien. Oberhalb eines Mismatch von 5,5 mm waren die „radiolucent lines“ signi¿kant geringer ausgeprägt. Im Gegensatz dazu geben Terrier et al. (2006) an, dass mit zunehmendem Mismatch sowohl die Belastung der Pfanne selbst als auch des Zementlagers ansteigen würden. Die gleiche Arbeitsgruppe (Terrier et al. 2005) weist darauf hin, dass sowohl eine zu dünne als auch zu starke Zementschicht die Festigkeit schwächen würde und emp¿ehlt eine optimale Schichtstärke zwischen 1 und 1,5 mm. Loew et al. (2005) beobachteten bei zentrierten Gelenken Lysesäume um das Glenoid in 52% und bei dezentrierten Gelenken in 55% der Fälle. Murphy et al. (2001) fanden mittels einer FiniteElement-Analyse in einem Computermodell, dass ein exzentrisch positionierter Keel („offset keel“) zu einer Verminderung der Belastung des Zementlagers führt. Klepps et al. (2005) verglichen zwei Gruppen (Gesamt n = 68) mit unterschiedlicher Zementiertechnik und beobachteten bei moderner Instrumentation und Vakuumtechnik (n = 40) eine niedrigere Inzidenz der radiologischen Lysesäume. Auch Nyffeler et al. (2006) konnten den gleichen Effekt im Versuch an 6 Leichenpräparaten nachweisen. Szabo et al. (2005) untersuchten die radiologischen Ergebnisse von 66 Totalendoprothesen. Alle Patienten erhielten ein zementiertes Glenoid mit Keel des gleichen Typs, aber 35-mal mit Àacher und 31-mal mit gekrümmter RückÀäche. Zur Nachuntersuchung nach
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2 Jahren stellte sich eine signi¿kante Überlegenheit der Gruppe mit konvexer RückÀäche heraus. Mileti et al. (2004) fanden bei der Untersuchung von 66 Patienten nach durchschnittlich 3,9 Jahren in 59 Fällen inkomplette und in 3 Fällen komplette Lysesäume. 10-mal (14%) hatte die Lockerung ein Ausmaß erreicht, dass klinische Probleme zu erwarten waren. Yian et al. (2005) fanden bei 47 Endoprothesen nach durchschnittlich 36 Monaten 2 symptomatische Glenoidlockerungen, die eine Revision erforderten. Konventionell radiologisch stellten sie 21-mal (45%) und mittels CT 36-mal (77%) Lysesäume fest. Verschiedene Autoren fanden eine geringere Rate radiologischer Lockerungen bei Pfannen mit Pegs als mit einem Keel. So beobachteten Gartsman et al. (2005) nach durchschnittlich 2 Jahren eine Rate von 5% für Pegs und von 39% für Pfannen mit einem Keel. Lazarus et al. (2002) untersuchten 328 Patienten, die durch 17 verschiedene Operateure operiert worden waren. Nur in 20 Fällen waren keine Resorptionssäume zu ¿nden. In einem Score von 0–5 Punkten schnitten die Pegs mit 1,3 deutlich besser ab als die Pfannen mit Keel mit 1,8 Punkten. Zusätzlich fanden die Autoren bessere Ergebnisse bei guter Zementierung durch einen erfahrenen Operateur. Martin et al. (2005) berichten über eine höhere Versagensrate zementfreier gegenüber zementierten Pfannen. Die Ursache liege in Schraubenbrüchen und exzessivem Polyäthylenabrieb. Sie untersuchten 140 Gelenke nach durchschnittlich 7,5 Jahren und fanden Lysesäume bei 53 Pfannen. 85 Patienten waren schmerzfrei. 15 Pfannen waren klinisch revisionspÀichtig. Weitere 11 Pfannen waren radiologisch revisionspÀichtig, wiesen aber keine klinischen Symptome auf. Boileau et al. (2002) wiesen eine höhere Rate an Lysesäumen bei PE- als bei Metal-backed-Pfannen nach (40 Gelenke, 85% gegenüber 25%). Bei den PEPfannen bestand kein Zusammenhang zwischen dem funktionellen Resultat und dem Vorhandensein der Lysesäume, bei den Metal-backed-Pfannen dagegen waren eine Verschlechterung der Funktion und zunehmende Schmerzen zu verzeichnen. Die Säume traten bei den Metal-backed-Pfannen zwar seltener auf, vergrößerten sich aber progredient, wenn sie vorhanden waren. Auch war die Lockerungsrate signi¿kant höher als bei den PE-Pfannen. Farron et al. (2006) weisen daraufhin, dass eine zu starke Retrotorversion zu einer erhöhten Belastung
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des Zementmantels führt. Sie empfehlen, die Retrotoversion intraoperativ auf 10° zu reduzieren. Falls dies nicht möglich sei, sollte ein Glenoid möglichst nicht implantiert werden. Wallace et al. (1999) dagegen fanden an 86 Gelenken bei einer Nachuntersuchungszeit von 4–7 Jahren bei den zementfreien Pfannen zwar eine höhere Rate an Frühkomplikationen, die mittelfristigen Ergebnisse waren dagegen vergleichbar. Edwards et al. (2007) und Nyffeler et al. (2006) weisen auf die Bedeutung einer korrekten Zementiertechnik für die Stabilität der Pfannenkomponenten hin. Nguyen et al. (2007) geben anhand von Kadaveruntersuchungen an, dass eine navigierte Operationstechnik zu einer höheren Genauigkeit der Glenoidimplantation führt. Cheung et al. (2007) untersuchten die Ergebnisse von 7 Patienten nach Reimplantation eines Glenoids in Kombination mit einer allogenen Knochentransplantation. Zwei Patienten wiesen zum Zeitpunkt der Revision eine Infektion mit Proprionibakterien auf. Die durchschnittliche Nachuntersuchungszeit betrug 79 Monate. Die Autoren konnten zwar eine deutliche Schmerzlinderung, aber keine Verbesserung der Beweglichkeit feststellen. Co¿eld (2007) fand 2,6 Jahre nach Pfannenaufbau mit einem Knochenspan und Reimplantation einer Glenoidkomponente bei 3 Patienten keine Anzeichen für eine Lockerung der Komponenten. Von 35 Patienten, bei denen nach Glenoidentfernung eine Knochentransplantation, aber keine erneute Glenoidimplantation vorgenommen wurde, waren nach durchschnittlich 6,2 Jahren noch 19 mit dem Ergebnis zufrieden. Deutsch et al. (2007) fanden bei 32 Patienten, bei denen eine Revisions des Glenoids vorgenommen werden musste, eine Abhängigkeit des Ergebnisses von einer persistierenden glenohumeralen Instabilität, Rotatorenmanschettenruptur und Pseudarthrose der Tuberkula. In den anderen Fällen wurden nach Glenoidreimplantation bessere Ergebnisse erzielt als nach Glenoidentfernung.
12.3.3.2 Schaftlockerung Bei 70 Patienten mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 5,3 Jahren fanden Nagels et al. (2003) in 9% der Fälle einen Knochenabbau im Bereich des Humerusschaftes infolge Stress Shielding. In
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diesen Fällen war die relative Schaftstärke größer als bei den nicht betroffenen Patienten. Über die nachfolgende Gefahr der Lockerung oder periprothetischen Frakturen konnte keine Aussage gemacht werden. Sanchez-Sotelo et al. (2001) untersuchten 72 zementfreie Neer-II-Totalendoprothesen durchschnittlich 4,1 Jahre postoperativ (2,0–7,8 Jahre) auf Lockerungszeichen im Bereich des Schaftes. Wenn in 3 oder mehr Zonen die radilogischen Resorptionslinien 2 mm oder stärker waren, wurde der Schaft als risikobehaftet eingestuft. Dies war erstaunlicherweise in 56% der Fall. Tauber et al. (2007) weisen daraufhin, dass nach Revisionseingriffen bei implantatbezogenen Ursachen gute Ergebnisse zu erwarten sind. Bei knöchernen sowie weichteilbezogenen Ursachen sind dagegen die Ergebnisse aufgrund der vorliegenden Rotatorenmanschetteninsuf¿zienz in der Regel nur mäßig.
12.4 Überlebensrate Sperling et al. (2004) berichten über 78 Hemi- und 36 Totalprothesen, die in die Survival-Analyse eingeschlossen wurden. Aus dieser Gruppe konnten 62 Hemi- und 29 Totalprothesen prospektiv über mindestens 15 Jahre (im Durchschnitt 16,8 Jahre) verfolgt werden. Sie fanden ein signi¿kant höheres Revisionsrisiko für die Hemiprothesen. Aus den Kaplan-Meier-Kurven ergab sich eine Überlebensrate für die Kopfendoprothesen nach 10 Jahren von 82% und nach 20 Jahren von 75%. Für die Totalprothesen lagen die Werte bei 97% und 84%. Deshmukh et al. (2005) verfolgten 320 Schultertotalendoprothesen über mindestens 10 Jahre. In 6,9% wurde eine Revision erforderlich, meist wegen Lockerung einer der beiden Komponenten. Die Kaplan-Meier-Überlebensrate betrug nach 5 Jahren 98%, nach 10 Jahren 93%, nach 15 Jahren 88% und nach 20 Jahren 85%. Edwards et al. (2003) fanden bei 601 Total- und 89 Hemiprothesen eine wesentlich höhere Revisionsrate bei den Totalprothesen, die sie auf einen hohen Anteil an Metal-backed-Pfannen zurückführen. In der Kaplan-Meier-Kurve betrug die Überlebensrate der Hemiprothesen nach 7,5 Jahren ca. 96%, die der Totalprothesen nur 70%. Wirth et al. (2006) implantierten
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64 Hemiprothesen bei Omarthrose und fanden nach 8 Jahren eine Überlebensrate von 98,4%. Guery et al. (2006) berichten über 80 inverse Endoprothesen in einer Multicenterstudie, von denen 57 nach durchschnittlich 69,6 Monaten nachuntersucht werden konnten. Die Kaplan-Meier-Überlebensrate betrug 91% für das Kriterium „Prothesenrevision“, 84% für die „Lockerung“ und 58% für das Kriterium „Constant-Score unter 30 Punkte“. Patienten, bei denen die Implantation wegen einer Rotatorendefektarthropathie erfolgte, wiesen signi¿kant bessere Werte auf, als diejenigen, bei denen die Operation aus anderer Indikation vorgenommen worden war. Aufgrund der Ergebnisse plädieren die Autoren dafür, die Implantation nur bei über 70-Jährigen mit niedrigen funktionellen Ansprüchen vorzunehmen. Sirveaux et al. (2004) fanden bei 80 inversen Grammont-Prothesen ähnliche Werte nach 44 Monaten. Danach ist für die Kriterien „Glenoidlockerung“ und „Constant-Score unter 10 Punkten“ ein starker Abfall bis zum Endpunkt der Untersuchung nach 95 Monaten festzustellen. Die Überlebensrate liegt dann nur noch bei ca. 30%. Für das Kriterium „Revision/Prothesenversagen“ dagegen betragen die Werte immer noch ca. 95%.
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Begutachtung
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M. Loew
Eine Begutachtung von Patienten mit einer Schulterendoprothese kann nach Arbeits- und Privatunfällen von den gesetzlichen und privaten Unfallversicherungen, zur Einschätzung der beruÀichen Leistungsfähigkeit von den Rentenversicherungsträgern sowie zur Festlegung des Behinderungsgrades von den Versorgungsämtern in Auftrag gegeben werden. Der funktionelle Zustand des Armes bei einliegender Schulterprothese ist hinsichtlich der aktiven Globalbeweglichkeit, der Feinmotorik, der Kraftentfaltung und der Schmerzen individuell sehr unterschiedlich. Die Funktion der betroffenen Gliedmaße ist unter anderem von der Indikation und den pathologisch-anatomischen Voraussetzungen, die zu der Implantation der Prothese geführt haben, abhängig. Das Bewegungsausmaß im Glenohumeralgelenk ist nach primären Traumaprothesen im Durchschnitt deutlich schlechter als nach der prothetischen Versorgung posttraumatischer Deformitäten (s. Abb. 13.2a–c). Die beste Funktion ist bei einem Gelenkersatz nach idiopathischer Omarthrose zu erwarten (Abb. 13.1a–c). Der Zustand der Rotatorenmanschette spielt für die Beweglichkeit bei Schulterprothesen die entscheidende Rolle. Darüber hinaus können der Typ und das Design des ausgewählten Implantats einen wesentlich limitierenden Faktor für das funktionelle Resultat darstellen. Es ist daher nicht möglich, aus der Diagnose einer Schulterendoprothese einen Standardkatalog für die Begutachtung abzuleiten, nach dem sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), der Grad der Behinderung (GdB), die Gebrauchsbeeinträchtigung nach der Gliedertaxe und die konkrete Belastbarkeit im beruÀichen Alltag für den zuständigen Versicherungsträger ableiten lässt. In den Standardwerken der Gutachtenliteratur (Rompe u. Erlenkämper
2004; Schiltenwolf u. Loew 2008, Wiedemann 2002) orientiert sich die gutachterliche Bewertung in erster Linie an dem messbaren aktiven und passiven Bewegungsumfang und dabei vor allem an der aktiven Flexion und Abduktion. Wenn der zu Begutachtende den Arm mehr als 120 Grad nach vorn führen oder seitlich abspreizen kann, resultiert nach den gängigen Tabellen keine MdE in einem rentenberechtigenden Ausmaß und eine relativ niedrige Bewertung von Invalidität und Behinderungsgrad (Loew 2002; Schönberger et al. 2003). Diese eindimensionale Betrachtungsweise wird den Anforderungen an eine differenzierte gutachterliche Beurteilung nach einer Schulterprothese jedoch nicht gerecht. Einerseits spielt für die im Alltagsleben und unter spezieller beruÀicher Belastung erforderliche Funktion im Schultergürtel die Rotationsfähigkeit im Glenohumeralgelenk eine ebenso wichtige Rolle wie die Kraftentfaltung des Armes aus und oberhalb der Schulterhöhe. Vor allem für die Außenrotation im Glenohumeralgelenk gibt es, im Gegensatz zu Flexion und Abduktion, nur begrenzte Kompensationsmöglichkeiten (Abb. 13.2a–c). Andererseits ist eine Schulterprothese wegen der Gefahr eines frühzeitigen Materialverschleißes, einer Prothesendislokation oder -dissoziation sowie der Verletzung periprothetischer Strukturen grundsätzlich weniger belastbar als ein normales Schultergelenk, so dass auch bei einer optimalen Funktion durch die empfehlenswerte Schonung des Armes eine Grundinvalidität anzuerkennen ist (Schiltenwolf u. Loew 2008). Für eine sachkundige Begutachtung ist darüber hinaus die differenzierte Kenntnis der unterschiedlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erforderlich, durch die sich die Bewertung je nach Assekuranz erheblich unterscheidet. Es ist daher
M. Loew (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-02854-0_13, © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2010
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M. Loew
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Abb. 13.1a–c. a Idiopathische Omarthrose mit intakter Rotatorenmanschette, 1992 versorgt mit einer Schultertotalendoprothese. b Klinisches 10-Jahres-Resultat mit annähernd freier Beweglichkeit. c Röntgenologischer Befund 2002 mit diskretem Lysesaum um das Glenoid
sinnvoll, die Empfehlungen zur Begutachtung zunächst an den verschiedenen Prämissen der einzelnen Versicherungsarten zu orientieren.
13.1 Gesetzliche Unfallversicherung In der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) werden Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten durch die Berufsgenossenschaften entschädigt. Bei
der Begutachtung muss die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der individuellen Berufstätigkeit beurteilt werden; die Einschätzung erfolgt in Prozentsätzen (z. B. 10 von Hundert). Die Begutachtung von Versicherten mit einer Schulterendoprothese ist relativ selten vorzunehmen. Es handelt sich dann meistens um Folgezustände nach einer direkten endoprothetischen Frakturversorgung, eines Gelenkersatzes nach posttraumatischer Deformität oder, sehr
Abb. 13.2a–c. a Vier-FragmentFraktur des Humeruskopfes. b Erhebliches klinisches Außenrotationsde¿zit nach Versorgung mit einer Traumaprothese und nur teilweiser Integration der Tuberkula (c)
13 Begutachtung
299
Tabelle 13.1. Empfehlungen zur Einschätzung der MdE für die gesetzliche Unfallversicherung. (MdE Minderung der Erwerbsfähigkeit, BWE Bewegungseinschränkung) Befunde
Basis-MdE
Funktionelle MdE
Gesamt-MdE
Flexion/Abduktion aktiv > 120 Grad Passive BWE < 10%
10 v. H.
10 v. H.
20 v. H.
Flexion/Abduktion aktiv 80–120 Grad Passive BWE > 20%
10 v. H.
20 v. H.
30 v. H.
Flexion/Abduktion aktiv < 80 Grad Passive BWE < 50% Gebrauchsminderungsspuren
10 v. H.
30 v. H.
40 v. H.
viel seltener, nach unfallbedingter Ruptur der Rotatorenmanschette mit der Folge einer Defektarthropathie. Daher kommen mit speziellen Traumaprothese, CupProthesen, konventionellen Schaft- oder Totalendoprothesen und inversen Systemen unterschiedliche Implantattypen zur Begutachtung. Das Bewegungsausmaß variiert zwischen annähernd freier Beweglichkeit bei einer gut funktionierenden TEP bis zu einer Abduktions- und Flexionsfähigkeit unterhalb der Brustkorbhöhe bei einer Traumaprothese mit Resorption der Tuberkula und damit einer Insuf¿zienz der Rotatorenmanschette. Die Einschätzung der MdE orientiert sich in erster Linie an dem erreichbaren aktiven Bewegungsausmaß, das allerdings von der Kooperation des Untersuchten abhängig ist. Daher sind auch das passive Bewegungsausmaß und die Dokumentation von Gebrauchsminderungsspuren in die Bewertung mit einzubeziehen. Wie in der aktuellen Gutachtenliteratur vorgeschlagen (Loew et al. 2000; Rompe u. Erlenkämper 2004; Schönberger et al. 2003) ist eine MdE in Höhe von 10 von Hundert (10 v. H.) anzunehmen, wenn das aktive Bewegungsausmaß in Flexion und Abduktion 120 Grad übertrifft und die passive Bewegungseinschränkung im Vergleich mit der gesunden Gegenseite oder den Normalwerten in der Außenrotation maximal 20% beträgt. Dies ist bei einliegender Schulterprothese relativ selten der Fall. Die MdE bei einem aktiven Bewegungsausmaß zwischen 80 und 120 Grad in Abduktion und Flexion und einer passiven Bewegungseinschränkung von mehr als 20% ist mit 20 v. H einzuschätzen. Wenn die Schulterhöhe beim Anheben oder Abspreizen des Armes nicht erreicht wird und die passive Beweglichkeit global ebenfalls mehr als zur Hälfte eingeschränkt ist, ist die MdE mit 30 v. H. zu bewerten. In diesem Fall sind als Zeichen der tatsächlichen erzwungenen Gebrauchsminderung des Armes eine Asymmetrie der Schultergürtelmuskulatur, eine Umfangsminderung
des Oberarmes im Seitenvergleich und eine deutliche Verringerung der Hohlhandbeschwielung zu erwarten. Grundsätzlich wird aus Gründen der Prävention von implantatbedingten Komplikationen empfohlen, die generelle Gesundheitsstörung durch eine einliegende Schulterprothese zusätzlich mit einer BasisMdE von 10 v. H. zu bewerten. Diese Basis MdE ist allerdings bei der seltenen Situation einer beidseitigen Schulterprothese nur einmal anzurechnen. Nach diesen Empfehlungen beträgt die maximale MdE, die aus einer Schulterprothese als Unfallfolge ohne gravierende weitere Komplikationen eintreten kann, zwischen minimal 15 und maximal 40 von Hundert. Die Einschätzung im Einzelfall kann sich an der Tab. 13.1 orientieren.
13.2 Private Unfallversicherung In der individuell abzuschließenden privaten Unfallversicherung (PUV) sind Folgen von häuslichen-, Freizeit- und Sportunfällen durch die privaten Versicherungsträger vertragsgemäß zu entschädigen. Gründe für die Prothesenversorgung sind wie bei der GUV die primäre Traumaversorgung, Folgen von Humeruskopffrakturen und Defektarthropathien nach einer Rotatorenmanschettenruptur. Die Höhe der Einschätzung der Invalidität bedient sich der so genannten Gliedertaxe (Tab. 13.2). In dieser wird festgelegt, zu welchem Bruchteil die verletzte Gliedmaße gegenüber einer gesunden in ihrer Gebrauchsfähigkeit gemindert ist. Bei Verletzungsfolgen am Schultergelenk wird dazu der Armwert bestimmt. Eine Gebrauchsminderung in Höhe von 1/1 Armwert hat bei üblicher Vertragsgestaltung nach den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) die Auszahlung von 70% der Gesamtversicherungssumme zur Folge. Im Gegensatz zur GUV muss der
300
13
M. Loew
Tabelle 13.2. Empfehlungen zur Einschätzung der Gebrauchsminderung der verletzten Gliedmaße nach der Gliedertaxe für die private Unfallversicherung ( BWE Bewegungseinschränkung) Befunde
Basis-Taxe
Funktionelle Taxe
Gesamt-Gliedertaxe
Flexion/Abduktion aktiv > 120 Grad Passive BWE < 10%
1/7 Armwert
1/7 Armwert
2/7 Armwert
Flexion/Abduktion aktiv 80–120 Grad Passive BWE > 20%
1/7 Armwert
2/10–2/7 Armwert
2/10–3/7 Armwert
Flexion/Abduktion aktiv < 80 Grad Passive BWE < 50% Gebrauchsminderungsspuren
1/7 Armwert
3/10–3/7 Armwert
3/10–4/7 Armwert
Dauerschaden für die private Unfallversicherung spätestens 3 Jahre nach dem Schadensereignis festgelegt werden; eine spätere Neubewertung bei Verschlimmerung z. B. durch eine Prothesenlockerung oder einen Spätinfekt ist nicht möglich. Wie in der GUV ist zu empfehlen, die Gesundheitsstörung durch eine einliegende Schulterprothese zusätzlich zu der individuellen, konkreten Funktionseinschränkung mit einem Basiswert in Höhe von 1/10 Armwert zu entschädigen. Darüber hinaus sind, orientiert an der verbliebenen aktiven und passiven Beweglichkeit, der Muskelatrophie und sonstigen Gebrauchsminderungsspuren der GUV vergleichbare Bewertungsmaßstäbe anzulegen, so dass die Gebrauchsminderung bei einer Schulterendoprothese ohne zusätzliche Komplikation mit minimal 2/7 bis maximal 4/7 Armwert einzuschätzen ist.
13.3 Gesetzliche Rentenversicherung Vor Vollendung des 65. Lebensjahres kann aus der gesetzlichen Rentenversicherung Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und bei Berufsunfähigkeit beansprucht werden. In den Gutachten zur Einschätzung der Erwerbs- und Berufsfähigkeit nach dem Sozialgesetzbuch (SGB VI) sollen die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit durch Gesundheitsstörungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes festgestellt werden. Dabei geht es um die grundsätzliche, konkrete Belastbarkeit ohne die Gefahr, gesundheitliche Schäden zu erleiden oder zu verschlimmern, sowie um etwaige Vorbehalte hinsichtlich der Schwere der verrichtbaren Tätigkeiten, mögliche Einschränkungen gegenüber konkreten Arbeitsumständen und -bedingungen, der Dauer der
täglichen Arbeitsschichten und der Länge des Arbeitsweges. Die Schwierigkeit einer zuverlässigen Einschätzung dieser Parameter bei Patienten mit einer Schulterprothese ist es, dass keine gesicherten und evidenzbasierten Daten über die Belastbarkeit eines Schultergelenkersatzes ohne das Risiko eines vorzeitigen Materialverschleißes oder einer Lockerung der Implantate vorliegen. Daher sind keine Grenzwerte bekannt über die hinaus eine Schädigung des Kunstgelenkes oder der umgebenden knöchernen oder Weichteilstrukturen zu befürchten wären. Insofern basiert die Einschätzung der grundsätzlichen Leistungsfähigkeit mit einer Schulterprothese in der Regel ausschließlich auf individuellen Einschätzungen und empirischen Erfahrungen sowie im Einzelfall auf der Beurteilung der Funktion des betroffenen Armes. Grundsätzlich lassen sich Einschränkungen der zumutbaren täglichen Arbeitszeit und des Arbeitsweges durch die Funktionsstörungen durch einen Schultergelenkersatz nicht begründen. Ohne Gesundheitsgefährdung sind einem Arbeitnehmer mit einer Schulterprothese leichte körperliche Tätigkeiten zumutbar, die auch das gelegentliche beidarmige Anheben von Lasten bis maximal 5 kg bis zur Höhe der Körpermitte beinhalten. Die durchschnittliche Haltekraft aus der Schulterhöhe beträgt bei Patienten mit einer TEP nach Omarthrose etwa 4 Kilopond (Lafosse u. Kempf 2001). Daher ist dem Betroffenen das regelmäßige Anheben oder Tragen von Lasten über dieses Gewicht hinaus nicht zuzumuten. Mittelschwere oder schwere körperliche Tätigkeiten sind nicht durchführbar. Regelmäßige Tätigkeiten oberhalb der Schulterhöhe mit, aber auch ohne Belastung sind in der Regel ebenfalls nicht zumutbar, selbst wenn das individuelle Bewegungsausmaß es zuließe. Wegen der erhöhten Unfallgefahr durch die gestörte Propiozeption und die
13 Begutachtung
bestehende Kraftminderung sind Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie in Zwangshaltungen nicht empfehlenswert und zumutbar. Weitere Einschränkungen der Leistungsfähigkeit sind im Einzelfall durch die besonderen funktionellen Befund und Ausfälle zu begründen.
13.4 Schwerbehindertenrecht Nach dem Schwerbehindertenrecht (SchwbR) werden Gesundheitsstörungen bewertet, die zu einer allgemeinen Beeinträchtigung der Teilhabe des Betroffenen am beruÀichen und sozialen Leben in der Gesellschaft führen. Die Auswirkungen der Behinderung werden als Grad der Behinderung (GdB) nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Zuständig für die Feststellung und damit Auftrageber der Gutachten sind die Versorgungsämter. Die Behinderungen in verschiedenen Bereichen (internistisches, neurologisches, orthopädisches Fachgebiet etc.) werden unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zu dem Gesamt-Grad der Behinderung (Gesamt-GdB) zusammengefasst. Aus der Höhe des Behinderungsgrades ergeben sich für den Betroffenen Erleichterungen durch die (kostenlose) Nutzungsberechtigung verschiedener öffentlicher und sozialer Einrichtungen sowie eventuell steuerliche Vorteile. Die Beurteilung des Einzel-GdB durch eine Schulterendoprothese orientiert sich überwiegend an der damit verbundenen funktionellen Einschränkung. Ein Basis-Behinderungsgrad, wie dies analog für die GUV und PUV vorgeschlagen wurde, ist in dieser Begutachtungsmodalität nicht sinnvoll, da die Einschätzung keine präventiven Ziele verfolgt und im Gegensatz zur PUV bei einer etwaigen funktionellen Verschlechterung jederzeit eine Neufeststellung des
301 Tabelle 13.3. Empfehlungen zur Bewertung des Behinderungsgrades nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) ( GdB Grad der Behinderung, BWE Bewegungseinschränkung) Befunde
GdB
Flexion/Abduktion aktiv > 120 Grad Passive BWE < 10%
20
Flexion/Abduktion aktiv 80–120 Grad Passive BWE >20%
30
Flexion/Abduktion aktiv < 80 Grad Passive BWE < 50% Gebrauchsminderungsspuren
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GdB beantragt werden kann. Für die Bewertung der Funktionsstörungen, der Bewegungsseinschränkung und der Gebrauchsbeeinträchtigung durch eine Schulterprothese gelten die für die Unfallversicherungen vorgeschlagenen Kriterien. Im Einzelfall kann sich die Einschätzung des Behinderungsgrades an den Empfehlungen aus Tab. 13.3 orientieren.
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Sachverzeichnis
A Abduktion 21 der Skapula 26 glenohumerale 16 humerothorakale 16 Abduktionskissen 218 AC-Gelenkresektion 69 AC-Gelenksarthrose 57 Achillessehnentransplantat 155, 278 Adhäsiolyse 113 Adipositas 284 Aequalis®-Prothese 7, 32, 42, 49, 82 Af¿nis®-Prothese 98 Akromioklavikulargelenk 23 Akromion 12, 22, 76, 101, 118, 125, 173 Akromionosteotomie 78, 79 Akromioplastik 96, 153, 202 Allograft 215 Alloprosthesis 211 All-polyethylene-Glenoidkomponente 270, 287 Analgesie, patientenkontrollierte 66, 221 Analgetika 66 Anästhesie 61 Anästhesiegespräch 62 Anatomica®-Prothese 34 Antibiotika 61 Antibiotikaprophylaxe 235, 253 Antibiotikum 243 ArCom-Polyäthylen 48 Armvenenthrombose 223 Arthritis psoriatica 149 reaktive 147 rheumatoide 39, 43, 55, 56, 81, 89, 117, 147, 247, 277 Arthrodese 263 Arthrolyse 168, 197 intraoperative 165 subakromiale 119 Arthropathie, destruierende 168 Arthroplastik 263 Arthrose siehe Omarthrose posttraumatische 52, 58, 86, 199 Arthroskopie 132
Artikulation, skapulothorakale 11 ASES-Score 266, 271, 272 Atrophie 176 der Schultergürtelmuskulatur 132 Außenrotation 21, 26 Axillarisparese 237 Aztabulum 172 B Basis-Behinderungsgrad 301 Beach-chair-Position 65, 185, 192 Be¿ndlichkeits-Score, subjektiver 158 Begutachtung 297 Beweglichkeit, aktive 171 Bewegungseinschränkung 233 Bewegungsschiene, motorisierte 267 Bizepssehne 73 Bizepssehnenluxation 256 Bizepssehnentenodese 281 Bizepssehnentenotomie 50, 74, 87, 96, 144, 256 Blutgasanalyse 225 Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) 224 Bone stock 107, 136 Breitspektrumantibiotikum 235 Bupivacain® 64 Bursektomie 176 Bursitis 173, 177 C Caisson-Erkrankung 161 Calcar-Segment 180 Cephalosporin 235 Champagner-Korken 156 Champignonkopf 92 Chondrom 207 Chondrosarkom 208 Chondrozyten 148 Clindamycin® 235 Cobalt-Chromium-Molybdänum 48 Collum anatomicum 31, 83, 97 chirurgicum 83, 199 Collum-Segment 180
303
304 Concavity compression 37 Continuous passive motion (CPM) 267 Copeland®-Schulter 41, 44, 82, 88 CPM-Schiene 230 C-reaktives Protein (CRP) 224, 253 Cuff-tear-Arthropathie 169, 170 Cup-Prothese 8, 41, 43, 45, 81, 82, 152, 174, 177, 202, 258 D Dacron 153 Debridement, subakromiales 173 Defektarthropathie 43, 44, 46, 50, 59, 82, 124, 151, 168, 238 Deformität, posttraumatische 43, 197, 204, 282 Deltafaszie 76 Delta-III®-Prothese 47, 117 Deltainsertion 78 Deltamuskulatur 71, 76 Delta-Prothese 5 Deltaschulter 118 Deltasplit 178 Delta-split-Zugang 189 Deltoideusfaszie 78 Denervierungspotential 234 Depression 26 Diabetes mellitus 284 Diagnostik, präoperative 55 Diaphyse 259 Dokumentation, ärztliche 228 Doppellinie 162 Double-row repair 102 Drahtcerclage 195 Drei-Fragment-Fraktur 181, 183 Drop-Arm-Zeichen 247 Durom®-Schulter-Cup 41, 43, 82, 89 Dynamometer 21 E Eclipse®-Prothese 42 Eden-Hybinette-Operation 279 Elektromyographie 234 Embolie 234 Enchondrom 207 Endoprothese 180 Enneking-Klassi¿ kation 209, 210 Epikondyle 194 Epoca®-Prothese 82, 278 Ergussbildung 173 Erythrozytenkonzentrat 253 Exostose, kartilaginäre 207 F Fascia clavipectoralis 72 praevertebralis 63 Faszie, klavipektorale 177 Fehlimplantation 258 Femurkopfnekrose 162 Fibroblasten 148 Fibulatransplantat 215
Sachverzeichnis Fieber, rheumatisches 147 Flap, myoperiostaler 178 Flaschenzugtechnik 254 Formraspel 143 Fossa glenoidalis 12, 17 infraspinata 14 subscapularis 14 Fraktur, periprothetische 61, 243, 262, 283, 286 Frakturprothese 58, 199, 217, 225, 229, 273, 281 Frässchablone 83 Fukuda-Retraktor 74, 110 G Gaucher-Zellen 161 Gelenkdestruktion, arthrotische 132 GelenkÀäche, Orientierung 31 Gelenkfunktion 55 Gelenkkapsel 12, 18 Gelenknische 148 Gelenkpfanne, humerale 47 Gelenkreaktionskraft 22 gesetzliche Rentenversicherung 300 gesetzliche Unfallversicherung (GUV) 298 Gicht 161 Gilchrist-Verband 193, 218, 245, 262 Glenohumeralarthrose 161 nekroseinduzierte 162 Glenohumeralgelenk 11–14, 16, 149 Reaktionskraft 22 Stabilität 17 Glenoid 12, 15, 17, 36, 58 Notching 49, 129 Glenoidarthroplastie, nichtprothetische 272 Glenoidarthrose 36, 88, 104, 106, 132, 137, 139, 283, 286 GlenoidauÀockerung, aseptische 104 Glenoidbasis-Knochen-Interface 46 Glenoidbasisplatte 49 Glenoidbohrlehre 142 Glenoiddefekt 127 Glenoiddeformität 82, 245 Glenoiddesign 108 Glenoiddestruktion 59 Glenoiddysplasie 117, 133 Glenoiderosion 158, 168, 256, 286 Glenoidersatz 8, 105 Planung 135 Technik 142 Glenoidexposition 142 Glenoidfraktur 128 Glenoidfräse 111, 116 Glenoidkomponentenwechsel 261 Glenoidlockerung 248, 286 Glenoidschablone 111 Glenoidzyste, subchondrale 107 Glenosphäre 47, 48, 51, 123, 125, 178, 238 Gliedertaxe 299 Gluck, Themistocles 1 Grad der Behinderung (GdB) 297, 301
Sachverzeichnis H Hämoglobin 225 Hautschnitt siehe Zugang Head split 181 Hebelarm 20, 21 Hemiarthroplastik 106, 178, 186, 191, 283 HemiCAP-OberÀächenersatz 42 Hemiendoprothese 69, 81, 106, 114, 137, 146, 152, 218, 229, 271 Hemiprothese 58, 104, 153 Hill-Sachs-Delle 200, 201 Hill-Sachs-Läsion 202, 279 Histokompatibilitätsantigen 147 Hohlschraube 39, 43 Hohmann-Hebel 104, 110, 120 Hohmann-Retraktor 74, 76, 96 Hornblower-Zeichen 204 Horner-Syndrom 220 Humerus 145 proximaler 71, 78 Humerusdiaphyse 120, 187, 211 Humerusfraktur 117, 128, 145 proximale 180, 280 Humeruskalotte, Radius-Höhen-Relation 29 Humeruskomponente, Implantation 122 Humeruskopf 11, 15–17, 30, 32, 77, 94, 285 Azetabularisierung 124 kraniale Dezentrierung 124 Humeruskopfersatz 105, 146 Technik 143 Humeruskopffraktur 65, 184, 284 Humeruskopfkalotte 164 Humeruskopfnekrose 43, 58, 83, 89, 91, 95, 110, 152, 160, 271, 279 posttraumatische 161 Humeruskopfprothese 2 bipolare 8 isoelastische 211 HumeruskopfreÀex 133 Humerusmetaphyse 189 posttraumatische Deformierung 136 Humeruspräparation 120 Humerusresektion, intraartikuläre proximale 213 Humerusschaft iatrogene Fraktur 226 Spiralfraktur 103 Hydroxylapatit 35, 41, 82 Kristall 169 Hypertonie 284 Hypomochlion 247 I Implantat isoelastisches 2 technische Konzepte 29 Implantatdislokation 248 Implantationsfehler 237 Implantatlockerung 248, 251 Implantatversagen 60
305 Infektarthropathie 285 Infektion 60, 234, 242, 285 postoperative 231 Infektionsprophylaxe, medikamentöse 61 Infektkontrolle 224 Inferior notching 118, 123, 129, 157 Infraspinatus 57 Infraspinatussehne 14, 141, 186 Inklination 31 Innenrotation 21, 26 skapulothorakale 25 Innenrotationskontraktur 73 Innenrotationsstress 237 In-Situ-Schmerzkatheter 221 Instabilität 245 Instabilitätsarthropathie 133 Instabilitätsarthrose 43, 45, 90, 271 Insuf¿zienz, respiratorische 60 Interskalenusblockade 66 Interskalenuskatheter 220 Intubationsnarkose 185 Inzisionsbiopsie 209 J Judet, R. 2 K Kalotte, schaftlose 9 Kalottenersatz 137 Kalottengröße 141 Kalottenkomponente, schaftlose 43 Kalottenprothese, schaftlose 88, 202 Kalottenresektion 141 Kaplan-Meier-Kurve 104, 288 Kapselraffung, unilaterale 56 Kapsel-Release 69, 74, 75, 82, 103, 140 Kapsulotomie 110 juxtaglenoidale 96 Katheterin¿ltration, präoperative 219 Keel-Design 38, 108 Keramik-Keramik-Gleitpaarung 154 Kieldesign 142, 159 Kielglenoid 38, 111 Kielverankerung 109 Kirschner-Draht 110, 111, 142, 167, 184, 186, 197 Klarzell-Chondrosarkom 208 Klavikula 70 ventromediale 23 Knochensarkom 206 Knochenspan, kortikospongiöser 115 Knochensubstanzverlust 33 Knochenszintigraphie 242 Knochentransplantat 193 Knochentumor primär benigner 207 primär maligner 207 Knochenverlust, humeraler 257 Knochenzement 123 Knochen-Zement-Interface 173, 259
306 Knochenzyste aneurysmatische 207 juvenile 207 solitäre 207 Kobal-Chrom-Molybdän-Legierung 41 Kobalt-Chrom-Legierung 34 Kollagenase 169 Kontraktion, mediale 26 Kontraktur 253 Kopf-Hals-Winkel 93 Kopfkalotte 32, 93 Kopfnekrose 58, 283 Kopfprothese 94, 100 Körperhygiene 227 Korrekturosteotomie 127 Kraftprüfung, isometrische 204 Kranzosteophyten 97 Krümmungsradius 37 Kryo-Cuff 222 Kugelfräse 116 Kunststoffprothese 2 Kurzschaftprothese 9 Kyphose 117 L Labrum glenoidale 12, 18, 19 Labrum-Kapsel-Band-Komplex 17 Lagerung des Patienten 228 Lag-Test 204 Langenbeck-Haken 72 Latissimus-dorsi-Sehne 88 Latissimus-dorsi-Transfer 78, 80 Leukozytenszintigraphie 242 Liegestuhlposition 65 Lift-off-Test 237, 247 Ligamentum coracoacromiale 23 coracohumerale 13, 19, 113 glenohumerale superius 13, 18 humeri transversum 11, 13 Limited-goal-Operation 173, 176, 203, 278, 286 Lockerung, aseptische 286 Low-dose-Heparinisierung 223 Lungenembolie 223 Luxation 232 veraltete 126 Lyme-Arthritis 147 M Makrophagen 148 Manschettenruptur 145 Margo lateralis 119 Marknagelung, anterograde 190 Markraumbohrer 99 Markraumfräse 35 Markraumstopper 33, 101 Mason-Allen-Technik 79, 86, 144, 254 Megaimplantat 258 Mehrfragmentfraktur 58 Mepivacain® 64 Metaglene 47, 48, 118, 121, 125, 127
Sachverzeichnis Metaglenoid 48 Metal-backed-Glenoid 7, 36, 39, 257 Metal-backed-Pfanne 287 Metall-Knochen-Interaktion 245 Metallose 261 Metall-Polyäthylen 154 Metastase 208 Metastasenchirurgie 210 Methotrexat® 156 Migration, anterosuperiore 285 Mikroembolie 161 Mikrofraktur 112 Milwaukee-Schulter 169 Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 297 Mismatch 37 Monoblock-Endoprothese 158 Monoblockimplantat 91, 191 Monoblockprothese 2, 29, 135 Moore-Prothese 191 Morbus Gaucher 161 Musculi rhomboidei 24 Musculus biceps 19 brachii 15 coracobrachialis 15 deltoideus 15, 19, 46, 78, 79, 166 infraspinatus 14 latissimus dorsi 23 levator scapulae 24 pectoralis major 83 pectoralis minor 24 serratus anterior 24 sternocleidomastoideus 64 subclavius 24 subscapularis 14, 101 supraspinatus 14 teres major 15 teres minor 14 trapezius 23 triceps brachii 15 Muskel Maximalkraft, absolute 20 Muskelaktivität 21 Muskelatrophie 134 Muskeldystrophie 117 Muskelersatzplastik 173 Muskelfaserlänge 20 Muskelkraft, maximale 19 N Nachblutung 231 Nachuntersuchung 266 Narkoseverfahren 62 Neer rating system 269 Neer, Charles 2, 5, 91 Neer-II®-Prothese 5, 6, 29, 33, 37 Neer ®-Totalendoprothese 146, 288 Nekrose avaskuläre 45 posttraumatische 161 Nekroseherd 163
Sachverzeichnis Nervenblockade, periphere 62 Nervenläsion 234 Nervenverletzung 284 Nervus axillaris 188 Läsion 224 Nervus-suprascapularis-Blockade 66 Neurologie 60 Neurolyse 127 Neutral-Null-Methode 5, 266 Niereninsuf¿zienz 55 Normothermie 62 Normovolämie 62 NSAID 66 O Oberarm-Brace 245 Oberarmkopfersatz 134 Oberarmkopfprothese 137, 143 OberÀächenersatz 8, 58, 136, 271 endoprothetischer 40 Indikationen 81 OberÀächenersatzprothese 137, 164 Offset keel 287 Omarthritis, rheumatoide 51 Omarthrose 38, 41, 43, 44, 56, 58, 59, 76, 79, 89, 95, 106, 114, 131, 38, 158, 225, 275, 277 bei Schulterinstabilität 279 idiopathische 297 posttraumatische 45 Opioidrezeptor, peripherer 66 Orthese 217, 222, 230 Os acomiale 22, 125 Ossi¿ kation, heterotope 61, 285 Osteochondrom 207 Osteointegration 35, 43 Osteolyse paraprothetische 244 partikelinduzierte 119 Osteophyten 6, 86, 111, 119, 132 Osteophytenkranz 141 Osteoporose 51, 56, 154, 176, 177 subchondrale 169 Osteoprothese 107 Osteosarkom 207 Osteosynthese 52, 78, 180, 183, 187, 189, 254 Osteotomie 6, 59, 98, 177, 213 innere 205 Overlap 118 Overstuf¿ ng 58, 59, 86, 870 145, 155, 195, 254 P Palm-up-Test 256 Pannus 148 Patientenaufklärung 59 Péan, Jules Emile 1 Pectoralis-major-Plastik 285 Pectoralis-major-Sehne 73, 140 Tenotomie 96 Peg-Design 38, 108 Pektoralismuskulatur 71
307 Pfannenrandhaken 96 Physiotherapie 229, 230 Plattenosteosynthese 86, 168, 180, 185, 188 Plexus brachialis 63 interskalenäre Blockade 62, 64 Plexusanästhesie 66 Plexusblockade 63 infraklavikuläre 220 interskalenäre 64 supraklavikuläre 220 vertikale infraklavikuläre 220 Plexuskatheter 221, 222 Plexusläsion 129 Pneumothorax 221 Polyacetalharz 211 Polyarthritis, chronische 147 Polyarthrose 151 Polyäthylen 33, 38, 48 Polyäthylenabrieb 248, 251 Polyäthylen-Inlay 39 Porocoat®-Beschichtung 42 Press-¿t-Verankerung 7, 34, 35, 143 Press-¿t-Zapfen 42 Prilocain 64 private Unfallversicherung (PUV) 299 Processus coracoideus 12, 22, 23, 94, 176 PROMOS® Modulares Schultersystem 49 Proprionibakterien 205, 288 Prothese bipolare 139, 154, 271 Entwicklung 2 formschlüssige 3 halb gekoppelte 46 inverse 4, 45, 50, 117, 139, 153, 173, 177, 212, 218, 219 Physiotherapie 230 Stabilisierung 47 Prothesendesign 33 Prothesendissoziation 261 Protheseninfekt 231 Prothesenlockerung 262 prothetic adaptability 30 Protraktion 26 Pseudarthrose 184, 199, 205 subkapitale 200, 201 Pseudokapsel 219 Pseudoparalyse 50, 59, 152, 156, 177, 178 Psoriasis-Arthritis 151 Putti-Platt-Operation 279 Q Qualitätssicherung 265 R Radiolucent lines 36, 104, 287 Radius-Höhen-Relation 7, 30, 86 der Humeruskalotte 29 Rasparatorium 166, 254 Ream and run 106, 272 Recessus axillaris 19 subscapularis 12
308 Redondrainage 124, 230 Rehabilitation 229, 255, 266 Release, arthroskopisches 253 Retrotorsion 246 Retroversion 120, 144 Revisionseingriff 251, 253 Revisionsoperation 283 Rheumafaktor 148 Rheumaknoten, ulzerierter 152 Rheumatoidarthritis 271, 272 Rhythmus, skapulohumeraler 24 Rocking-horse-Phänomen 37, 38, 108, 114, 115, 134, 249, 278 Roll-Gleit-Verfahren 108, 109 Röntgenaufnahme 56 Röntgen-Computertomographie 57 Ropivacain® 64, 66 Rotationsosteotomie 202 Rotatoren 19 Rotatorendefektarthropathie 271 Rotatorenintervall 19 Rotatorenmanschette 3, 55, 91, 126, 148 Defektarthropathie 5 Insuf¿zienz 155, 246 Rotatorenmanschettendefekt 76, 134 irreparabler 117 Rotatorenmanschettenläsion 169 Rotatorenmanschettenruptur 241 sekundäre 285 Rotatorenmanschettentendinopathie 92 Roux-Haken 72, 76, 119 Rowe-Retraktor 120, 123 Rundraspel 143 S Saprophyten 61 Sauerstoffangebot im Blut 164 Scan® Shoulder 41 Scapula notching 178 Schaftlockerung 249, 288 Scherzkatheter, zervikaler 219 Schmerzpumpe 221 patientenkontrollierte 66 Schmerzrezeptor, lokale Blockade 66 Schmerztherapie intravenöse 219 postoperative 219, 222 Schnapppfanne 4 Schraubenosteosynthese 87, 193 Schulterdach siehe Akromion Schulterendoprothese 212, 227, 245 inverse 45 konventionelle 210 luxationssichere 3 Materialien 33 Schulterendoprothetik Entwicklung 1 Geschichte 1 Schultergelenk Anatomie 11 Funktionseinschränkung 131
Sachverzeichnis Funktionsverbesserung 175 Kinematik 7, 11 Schultergelenksarthrose 131 Schultergürtelmuskulatur, Atrophie 132 Schulterkontraktur 254 Schultermobilisierung 230 Schulterpfanne 168 Schulterprothese inverse 4, 6, 237 isoelastische 3 Schultertisch 97 Schwerbehindertenrecht 301 Sehnenruptur 236 Sichelphänomen 162 Sichelzellanämie 162 Simple-shoulder-Test 266, 270, 286 Skapula 22 Abduktion 26 Inklination 18 Skapulahals 238 Skapula-Notching 275 Skapula-Y-Aufnahme 181 Skapulothorakalgelenk 22 Skelettmetastase 206 Sklerose, subchondrale 170 Spacer 120 Spätinfekt 239 Spina scapulae 14, 22, 125 Ermüdungsbruch 159 Spiralfraktur des Humerusschafts 103 Spondylarthropathie 147, 149 Spondylitis ankylosans 149 Spongiosa 155 Spongiosablock 193 Spongiosaödem 162 Spongiosaplastik 84, 261, 263 Spongiosaschraube 121 Stabilität, statische 24 Standardschultersieb 118 Stauung, venöse 162 Stellgerüst 190 Stereophotometrie 15 Stielprothese 89 Stress Rising 82, 243 Stress Shielding 33, 39 Stromelysin 169 Strut-Graft 263 Subakromialraum 92 Subskapularis 57 Subskapularisre¿xation 143 Subskapularissehne 72, 73, 102, 113, 140 Substanzverlust, knöcherner 237 Sulcus bicipitalis 192 deltoideopaectoralis 119 intertubercularis 11 Sulkusphänomen 128 Supraspinatussehne 11, 21 Supraspinatussehnenruptur 278 Synovektomie 176 SynovialÀüssigkeit 169
Sachverzeichnis Synovialitis 150, 173, 266 Synovialmembran 175 T Tenodese 87, 266 Tenotomie 74, 115, 266 Teres-major-Sehne 88 Thromboembolie 60 Thromboseprophylaxe 217, 222, 223 medikamentöse 223 Tilchoff-Linberg-Resektion 215 Titan-Aluminium-Legierung 49 Titanlegierung 42 T-Lymphozyten 148 Torsionsfraktur 145 Totalendoprothese 105, 138, 218, 229 Totalnekrose, posttraumatische 167 Trabecular Metal 35 Traumaprothese 8, 127, 196 Luxation 236 Traumaserie 57 Truncus superior 63 Tuberculum 52, 190 infraglenoidale 12 majus 11, 186 minus 11, 14 Osteotomie 198 supraglenoidale 12 Tuberculum-majus-Defekt 280 Tuberculum-minus-Insertion 140 Tuberkula¿xation 218 Tumor 206 Tumorendoprothese 206, 213 Tumorentfernung 209 Tumorimplantat 212 Tumorprothese 213–215 modulare 211 Tumorresektion 210, 212 Two-incision-Technik 188 U Überstrahlungsartefakt 238 Ultraschall 63 Untersuchung 266
309 V Vakuum-Zementiertechnik 33 Vasa circumÀexa 72 Vena cephalica 71 Venenthrombose, postoperative 234 Verankerungsprinzipien 33 Verankerungsschraube 129 Verankerungszapfen 84, 85 Verriegelungsnagel 191 Verriegelungsschraube 121 Vier-Fragment-Fraktur 161, 181, 183 W Wechseloperation 59 Weichteilbalance 236 Weichteil-Balancing 103, 144 Weichteilhämatom 233 Weichteilinfektion 235, 252 Weichteilkomplikation 60 Weichteil-Release 86, 101, 236, 253 Weichteiltenodese 144 Weichteiltumor 208 Winnie-Katheter 219, 220 Wundhämatom 214, 233, 235 Wundheilungsstörung 231 Wundinfektion, postoperative 233 Wundschmerz 219, 235 Y Yergason-Test 256 Z Zapfendesign 142 Zapfenglenoid 39 Zugang anterosuperiorer 77 deltopektoraler 119, 139 anatomische Landmarken 69 Indikationen 75 oberer 76 trasakromialer 78 Zuggurtungsosteosynthese 189 Zytostatika 60