Martin Andree
Archäologie der Medienwirkung Faszinationstypen von der Antike bis heute (Simulation, Spannung, Fiktionalität, Authentizität, Unmittelbarkeit, Geheimnis, Ursprung)
Wilhelm Fink Verlag
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2. Auflage 2006 ISBN 10: 3~7705 ·4160~ X ISBN 13: 978 ~J - 7705 -4160·7
e 2005 Wilhe1m Fink Verlag, München wwwJink.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Herstellung: Ferdina nd Schö ni ngh GmbH , Paderborn
Inhalt
I. Einführung: Die Wirkungs mac ht der Medien
I. Fragestellung ( I): Warum wirke n Medien? ...... .. ...... ..................................... ..... ... ... ............. 7 2. Fo rsch ungssland ........................................................................................................... _........ 15 3. Fragcstellung (2): Ähnlichkeit, Geheimnis, Unminclbarkeit, Ursprung. Authentizität ... 20 4. !\ Ic lhodik .................................................................................................................................. 26
5. Von den drei Ancn, dieses Blich zu lesen ........ .................................................................. 3 1
11 . Ähnlichkeit: Der Reiz der Simulation
I. Der r.,'lythos der Ahnlichkeit: Rezeptionsweisen der T äuschung (llms) .................... 33 2. Theorien des Bildes (PEiRCE / GOMBRJCH / Eco) ........................................................... 41 3. PrOtotypen der Simulacionsthcor1e (PLATON / ARiSTOTELES) ...................................... 57 4. Lektüren der Bctrachlllng (psEUDO-ßoNAVENnJRI\ / NIIOI'O JmlSollll1lfllt) ................. 85 5. Rezeprions\Veisen der Illusion (Lessing / Mendc1ssohn) ............................................... 10 1 6. Schlechte und gUle Ahnlichkeir: Kopie und Ideal (\VINCKEI.J.IANN) .......................... 11 7 7. Die Nachahmung des Subjekts (~'I O RI IL / SCJ.ILEGUJ.) .................................................. 135 8. Fazit und Ausblick: VinucUe Realitäten (pkfJStation) ...................................................... 151
Ill. Geheimnis: Der Reiz des M ysteriösen
1. Der Mythos des Geheimnisses: Von Schleiern und SchweUen (E....,odIIS) ••••.......•..•.. ... 156
2. Der Reiz der Tiefe (AUGUSTINUS) .................................................................................... 173
3. E.·d:llf'J: Der sprechende Kosmos. 1 (Ü HLY / FOUG\ ULT) ........................................... 203 4. Die El1Istehung der Neugierde und der Fikcionalitäl (DAMPIER / D EFOE) .............. 209 5. . her Spannung und Lcsesucht (l...A ROCHE / WALPOLE / HOI'RIANN) .................... 251 6. Die Wiedergebun des Geheimnisses im Geiste der Kunst (GOETHE) ....................... 281
7. E.yk/m: Der sprechende Kosmos. 2 (Novt\u s) ............................................................. 314 8. Fazit und Ausblick: Vom Tod der Tiefe (Monieo UM ins":!) ............................................ 31 7
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IV. U nmittelbarkeit: D e r Reiz des E rlebens
I. Unmittelbarkeit zwischen Ähnlichkeit und Geheimnis ........... ......... ... ........ ..... ............. 335
2. Gottunminelbarkeit: Von Gesichten und Visionen (Seuse I ßre mano) .................... 339 3. HCr'.lensunmine.lbarkeil: Empathie und Rührung (H ERD ER) ...... .......................... ........ 365
4. Ausblick (EU/tl!]) ................................................................................................................. 380
V. Ursprung: D e r Reiz des Arc h aischen
I. Ursprung zwischen Ähnlichkeit, Geheimnis, Unminelbarkcit (Gmuü I PLATON) ...... 392
2. Die Wiederkunft des Sinns (NOVALlS) .............. .. .................................. ........................... .406 •
3. Ausblick (HITLER I Cmftlm/(~ ........................................................................................... 423
VI . Authe ntizitä t: D e r Rdz d es Echten
1. Echt oder gefi lsdlt? (\,\IOI.FRAM VON EsCIIEN BACI I) .............................. .. ................... 432 2. D ie Entstehung des Ori&';nals (YOUNG) ..................................................... .. ... .. .............. 461 3. Ausblick (lJig IJroJlxr I l-lillrr·Ttlgebiirlxr I M jrhllf/jfldeson) ............................................. 486
VII . F azit (PASCI-JASIUS RADBERTUS) ................................................................................... 50 1
VIII . Lite ra turverzeic hni s I. Quellen .......... .............................................. .. ..................................................... .. ................. 5 16 2. Darstellungen ........................................................................................................................ 525
IX. Abbildungsnachweise .................................................................................................. 577
X. N ac hbemerkung .............................................................................................................. . 58 1
XI . Registe r ...................................................................... .. ............ ... ........................ ..... ............ 582 I. Personenregistcr ... ................ ......... .............. ........ ................................................ ...................... 582 2. Saclucgistc r ..... ............................................... ..... ....... ....................................... ..................... 588
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I. Einführung: Die Wirkungsmacht der Medien
Sokraler. Laßt uns dann zuschen, weshalb wohl. O der gibTer [HorneT] uns selbst das Warum am besten in die Hand? E r sagt nämlich: (...1 H tmlOj,tner. D as leuchter mir ein.
Sokraler. Wieso denn? Ich selbst verstehe es ja jetzt noch nicht recht, und du verstehst es?
Hemlogtnts: Nein, beim Zeus, ich auch nicht.I
I. Fragestellung (1): Warum wirken Medien? Medien JIIirken -
J\lleditn k önnen Menschen in den Se/bi/Illord treiben. So soll Gocmes ll7erther angcb ~ lieh ei ne ,Epidemie von Selbstmorden' ausgelöst haben. Schon bei Wenhers Tod im Ro man spielt eine Selbstmordgeschichrc aus der fede r Lessings eine Ro Ue: " WeITher läßt ElI/i/j(J Ga/olli als Wegweiser auf seinem Pulte aufgeschlagen zurück, Christine von Laßberg soUdie Geste aufgenommen und sich mit IVtrlher in der T asche ertriinkt haben. Ein anderer erhängte sich mit dem Buch als zweifelh aftem Freund und WCb,",veiser, und in London beging cin Mädchen mir IfVerlher unter ihrem Kopfkisscn Selbstmo rd." z A'/edien können Menschen in Killer venwndeln. Wayne 1...0 tötete 1992 bei seinem Amoklauf zwei Menschen, nachdem er zuvor immer und immer wieder die johannes-ApokA!Jpse durchgelesen harrc und das Projekt der endzeiclichen gÖrtlichen R.'lche dann als seine persö nliche r-.1ission auffaßte.] Roben Sreinhäuser !'tATON: IP",tt. Griechisch und deutsch. I-I rsg. \'on Günther Eigler, übers. \,on rriedrich D. E. Schleiennacher. Bd. 1-8. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 3, S. 4271Kro~IoJ 392e]. 2
WANIEK, Erdmann: " If/trthtr lesen und Werthcr 21s Leser ." In: Gotll)t· YtariJoole I (1982), S. 5 1.92, hier S. 78.
J
Vgl. BAR'n., Alexander. " E r spielte einwandfrei Violine. Gcorg Stefan T roller sucht die Wahrheit eines Mö rders: ,Amok'." In: FAZ (164) 2001, S. 42.
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Abb. I; ,Nur ein Bild'? Bildervc.rehrung auf dem Athos.
•
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erschoß am 16. April 2001 in Erfurr 16 Menschen, danach sich selbst in der Kosrümierung eines Kämpfers nach ausuferndem Konsum des Computerspiels Coltnters/rike. In einem anderen Fall benutzten jugendliche Serienmörder Oliver Stones Film Na/lIml Bom Killers als Vorlage für ihre Schlächtereien: .. Sie mordeten nach Drehbuch. Sie stammelten Dialogfetzen, als sie abdrückten":' D as Muster selbst ist nicht neu; 1785 berichtet eine Zeitschrift: .. In der Gegend von Baiem und Srhu'aben ro neten sich [... ] gef.ihrlich schwännende Jünglinge zusammen und wollten nichts geringeres ausfUhren, als sich durch Mord, und Mordbrennerei auszuzeichnen [... [. ,Sie wollten Schiller's Räuber realisieren."'s Solche spektakulären, ,direkten' Folgen von Medienkonsum sind sicherlich die radikal sten Beispiele einer Medienu1irkJmg. die oft im Bild eines gewaltsamen Einflusses besc hrieben wird , weswegen es dann Sinn macht, von Wirkungsmach/ zu sprechen: Rezipienten, die sich im ,Bann' solcher Texte oder Filme beflflden, fühlen sich ,übermächtigen Kräften willenlos ausgesetzt' und werden zu den Instrumenten ei ner ,höheren Gewalt'.6 Diese Reaktionen stehen in einer direkten Beziehung zu der Sligges/ioltskmji, welche Bilder, Texte, Filme ausüben können, und die seit Jahrtausenden bezeugt sind. Seit Urzeiten werden bestimmten Büchern, Ikonen, Skulpturen im Kult geheimnisvolle, magische Kräfte zugeschrieben, man sagt, sie seien götdicher Herkunft, etwa ,vom Himmel gefallen', man fü rchtet sie, kniet vor ihnen, betet sie an, verehrt sie wie Götter, pilgert hin zu ihnen , man küßt und liebkost sie, spricht mit ihnen, umarmt sie. Umgekehrt können Medien auch durch Verfolgung heimgesucht werden, als handelte es sich um feindliche Personen: Im Ikonoklasmus werden Bilder zertrümme n , Darstellungen feindlicher Kräfte werden geci1gt, Bücher werden verbranlll. Es gibt demnach eine Parallelität zweier Umganb'Sweisen mit Medien, von denen die eine eher neutral, alltäglich ist ~Ze itllngsartike1 ~, die andere dagegen intensiv, tIItphatisch. In e",phatischen Rezeptionsprozessen kann dann sogar die ganze Bandbreite emotionaler Reaktionen hervorgerufen werden, welche auch rur das ,wirkliche Leben ' bezeugt sind, sie erzeugen Angst und Schauder, Vergnügen und Freude, körperliche Reak tionen wie Zittern , erhöhte Aremfrequenz, innere E rhitzung (.. mein Kopf wurde immer heißer und heißer", oder
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WEFING, Heinrich: " Noch kann OÜ"er SlOne ruhig schlafen." In: FAZ 100 (2002), S. 53. S Die ano nyme Rezension aus dem MIJ!!.a~ln Mr Phikmphie und IdJiinen U ltralIIr von 1785 ist abgedruckl in GRAWE, Christian: Fritdn'rh Schi/Irr ,Die RiilllNr. ' Erliillltnlnlfn lind Dolt.umtnlt. Sru[tgan: Reclam 1976, S. 182-164. hier 183. , Ludwig Pielsch beschreibt 1893 den Effekl seiner Lektüre von Gottfried Kellers Dtrgrine Htinrich wie fo lgt: "Eine neue Welt ging mir darin auf. Es nahm mich zunächsl vollständig gefangen, ergritf Iksitz von meiner Phantasie, meinem Denken und Empfinden;'; zitien in ZACH, Alfrcd (H rsg.): GOIf/ritd Ktlltr illl Spitf.t/ stinrr Ztit. Urttik lind Btrirhlt von Ztilgtnosltn iibu dtn Mtnsrhen lind D/rhler. Zürich: Scicnria 1952, S. 23 .
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Abb. 2 und 3: Die Kulrurkritik verOrtel die ,Gefahren' der l>.kdienwirkung in der Verwec hslung von Medium und Wirklichkeit. Eine harmlose Variante ist etwa Don Quixo te, der in einer ,Traumweh' lebt (A. Schrocdlcr, Don Qllichollt. Stahlstich aus Urania. T tlJ(htnblich ollf dtlJ Jahr 1838); gefährlicher ist die ,Verführung' durch r.,·lcdien, etwa zu Kriminalität oder hier zur Unzucht (F. R. Ingouf Leu Jcunc nach S. Frcudenbergcr, Lu IIItrllrs du Itlllps. Kupferstich vor 1783).
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der Rezipient hat ein "warmes Geftih) im Bauch" erc.7) - und, als Kardinalreaktion einer emphatischen Medienrezeption, die immer wieder erwähnten
Tränen. Den Rekord der Tränen hält bis heute der rrühneuzeitliche Medienkon sument Ignatius von Loyola. In seinem Geistlichen Tagebuch erwähnt er allein in der kurzen Periode "vom 2. Februar bis zum 12. März PS44J allein hundertftinfundsechzigmal ,Tränen', und in den lerzren neun Monaren befaßt sich das Tagebuch überhaupr nur mit dem Vorhanden sein oder Nicht-Vo rhandensein von Tränen."s Das liesr sich dann etwa so (Eintrag vom 13. Mai 1544): " Vor und nach der Messe Tränen; in der Messe eine große Fülle davon und die wunderbare innere Stimme, noch viel mehr als sonst."9 Nach den Tränenexzessen, welche bereits die Romane von Richardson hervorgerufen harren, erfordern auch IWerlher-Lektüren das Accessoire des Taschenruch s: " Da sitz' ich mir zer[)oßnem Herzen, mir klopfender Brust und mir Augen, aus welchen wollüstiger Schmerz tröpfel t, und sag Dir, Leser, daß ich eben ,Die Leiden des jungen Werthers' von meinem lieben Goethe - gelesen? - nein , verschlungen habe."lo Bis heute zeigt das Hydrometer der Tränen an, ob etwa ein Film oder ein Buch in der Lage ist, den Rezipienten ,mitzureißen': .. I er)', [00, T acrually sob. Once at the movies my husband got up :tnd walked our and pretended he didn't know who I was because 1 was still crying when the film en dcd and I was making such a noise ir was the mOSt em-barrassing."11 AJle diese Rezeptionsmuster sind äußerliche IndiktJloren für die geradezu banale Tatsache, daß Medien wirken und ihre Rezipienten ,überwältigen' diese Evidenz ist unbestreitbar, offensichclich, zweifels frei. Zugleich ist der Befund jedoch zutiefst rätselhaft, denn im Falle sämdicher dieser tlllphalisrhm Medienerlebnisse handelt es sich ja eben immer ,bloß' um Medien. Aus sprach- oder kognitionstheoretischer Sicht ist die linguisti sche Materialität eines Texts wie Goethes Il7erlherprinzipieU von derselben Beschaffenheit \vie , Sdbsuussagen von ~sem, zitien in SCHÖN, Erich: " r-.-Iem:alilätsgcschichtc des ~scglücks." In: u.stgliide. Eint IlfrgtSStnl Erfohnmg? H rsg. "on Alfrcd Bellcbawn und Ludwig 1\lmh. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, S. 151-175, hier S. 163.
Das gtistlidN T(l§bllrh. H rsg. von Adolf Haas und )leIer Knauer. Freiburg u. a.: Herder 196 1, S. 233. , Ebd. , S.217.
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I GNA'n us VON 1..0 YOI.J\ :
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Chrisrian Danicl Schuba" in: Dtillsrht Chronik. 5. Dezember 1774; abgedruckt in GOETHE, J ohann Wolfgang: Il7rrkt. Hombllrgtr Allsgabt. ßd. 1- 14. H rsg. " o n Erich Trum. München: Beck 1988. Bd. 6, S. 528f.
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Aus einem Inre n~cw, do kwnentien in NE.LL. Viclor: Li)!1 in 0 lJook. TOt PsyrholoKf oJ &odingfor Pltasllrt. Ncw Ha"en , Landon: Yale U1' 1988, S. 287-299, hier S. 294. VgL auch folgendes Proto ko U: "Sehr o ft ist es mir passien , daß die Bücher so U'llurig waren, daß ich ständig weinen mußte. 1... 1 Die Situationen fessdn mich meistens so, cbß mir die Personen real vorkommen"; zitie" in GR.""-F, Wemer: "Die Erfahrung des Leseglücks. Zur lesegcschichllichen Entwlcldung der Lesemo tivation." In: uJt!/ikk. Eine I'"!!SJtnt E,fohnmg? Hrsg. von Alfred BcUebatun und Ludwig MUlh. O pladen: WesldcUlscher Verlag 1996, S. 181-212, hier S. 189.
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diejenige eines no nnalen Zeirungsartikel s l ! - und doch hat man den Eindruck, als sei die An und \'(Ieise des Verstehens gänzlich umerschiedlich.l l D enn in Berichten über solche emphatisrhen Rezeprionserlebni sse gibt es eine erstaunliche Ko nstante, in der auf immer neue Weise eine immer ähnliche Aussage über eine ganz spezi fi sche Erscheinungsweise der MedialiMI ge troffen wird. Tatsächlich wird immer wieder behauptet, daß in solchen intensiven Rezeprio nsprozessen nicht ,bloß' eine Zcichenano rdnung dechiffriert worden ist, sondern daß man es mit ,mehr' als ,nur' Zeich en zu tun hatte: " things happen there (hat become as !"tal as if they were happening in your own life", beschreibt es eine Lesenn. l " Die geradezu halluzinatüri sche Überschreitung der Medialität im Rezepcion sprozeß kann sogar so weit ge hen, daß man Rezipienten geradezu erinnern muß: "Es ist doch nur ein Film." Immer wieder begegnet man dem Phantasma, daß Z uschauer oder I...eser berichten, das Rezeprion serlebnis habe nicht mehr in der Sphäre des Mediums stattgefunden, sondern sei ,wie wirklich ' oder sogar ,wirklicher' al s die Realität selbst gewesen: In den Büchern steckte e ine Welt, in die man eintre te n kon nte, wann immer man wolhe. Ich las die Bücher - u nd kriegte nic ht mehr mit, was ringsum geschah. r<.hnchmal war mir die gelesene Welt nähe r als die wirkJiche - einmal habe ich sogar d as Buch zugeklappt, um mich besser auf d e n Ablauf d e r H andlung ko n zentrieren zu kön ne n ... und habe d ann "au fwa che nd" gem e rkt, daß d iese ja im Buch stanfand, also m ußte ich e rst e inmal die Seite wied e r s uchc n. 15
Die Übetschreitung der Mcdialüät hin zu einem Rr.alitiitserlebnis ist eine immer wiederkehrende Ko nstante in der Beschreibung der Medienwirk ung, welc he geradezu ein ßeurteilungskriterium für die Qualität von Büchern , Bildern , Filmen ist: " Wenn Bildh(merri den Anblick einer lebendigen Na tur gewähn , wenn ich im Gefühl meiner Einbildungskraft endlich keine ßildsäule mehr, sondern als ein zweiter P)'gmalion eine Elise zu umannen glaube: wie heißt
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Die über vlck J a hr~ehnte fo n gcfiihnen, immer neuen theoretischen Versuche, o bjektive Kriterien von Urerarizitiil zu definieren, dürfe n als gescheiten angesehen werden. D ie Geschichte dieser vergeblichen Bemühungen rcko nsuuiert EAGLETON, Ten y Einfiihnmg in dit U ltr(lIMrt!Hont. Obers. von Elfi Bcninger und Elkc Hcntschel. Srungan. Weimar: i\ letzlcr 199 4 119831.
Il
Ungeachtet des gigantischen Fortschritts, welche die Linguistik während des 20. J ahrhunderts in die Geisteswissenschaften einbrachte, bleibt ihre TIlcorie des ltichtnJ naturgemäß in einem Erklärungsno tstand in bezug auf Zeichen, die "uhr zu sein ,·orgcbcn als ,bloß' Zeichcn. Todorov stdlte fest, daß es scho n \'on der Grundanlage der Semio logie bei Saussure her " keinen PlatZ" rür die "Srmbo1c" gibt; TQOOROV, Tzvetan: Symbolllmn·rn. Übers. von Beale Gyger. Tübingen: Nicme)'er 1995 (= Konzepte der Sprach- und UtcraturWisscnschaft, 54).
S. 268. 14
Dokumentiert in NEU ... Victor. ull in (1 Book. Tht /}1J(bolbgy oj&(ldi"g/or PltaJMfl. New Haven. Landon: YaJe UP 1988. S. 297. meine HcryorhebWlg.
n Aussage eines u sers, ziDen in SCHON, Erich: "Mentaliriitsgeschichtc dcs u seglücks." In: Lntgliidt.. Eint ,1t1!fSJtnt Erf(lhrMng? Hng. von Alfrcd Bcllebaum Wld Ludwig i\·tuth. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996. S. t 5 t . 175, hier S. t 66f.
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Abb. 4: ,Nur ein Roman'? Heinrich Beck, FÜllf Mädcbtn im Wald, ill , 1V'eT1bm uidtn' lutnd. Aquarell über Federzeichnung.
Abb. 5: ,N ur ein rilm'?'
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diese Täuschung besser als Geftihl einer lebendigen Gegenwart?"l6 Solche Aussagen markieren das Gravitationszentrum der von Medien ausgelösten Faszination, und zugleich treffen sie eine erstaunliche, durchaus paradoxe Aussage. Denn es ist ja nicht nur fraglich, ob man in Medien überhaup t das Wirkliche finden kann. 17 Aber selbst wenn man an diese Möglichkeit glaubt: Wenn es Rezipientcn um das ,\Xlirklichc' geht, warum greifen sie dann ausgerechnet zu Medien, zu einer im allgemeinen als ,sekundär' aufgefaßten Sphäre aus bloßen Zeichen und Texten? Bereits Sokrates fragte im Kra!JlosDialog: Wenn man also zwar auch wirklich dic Dinge durch die Wörter kan n kennen lernen, man kann es aber auch durch sie selbst, welches wäre dann wohl die schönere und sichere Art, zur Erkenntnis zu gelangen? Aus dem Bilde erst dieses selbst kennen zu lernen, ob es gut gearbeitet ist, und dann auch das Wesen selbst, dessen Bild es war, oder aus dem Wesen erst dieses selbst, und dann auch sein Bild, ob es ihm angemessen gearbeitet ist?l'
Natürlich wäre das ,Objekt' dem ,Zeichen' oder ,Abbild' immer vorzuziehen. Tatsächlch markiert Sokrates einen Gemeinplatz: J eder Leser oder Zuschauer weiß um den sekundären, abgeleiteten Charakter von Texten und Bildern und ist in der Lage, sie von der Sphäre einer ,Wirklichkeit' zu unterscheiden. In der Poli/eia heißt es: ,.Mein st du nun wohl, wenn einer beides machen lPoieinl könnte, das Nachzubildende [mime/hesomeno»J und das Scharren bild [eid% nl , daß er sich gestatten würde, viel Mühe auf die Verfertigung der Schattenbilder [eidoloJ zu verwenden 1... 1. [Er würde eherJ seine Mühe an die Werke selbst wenden als an die Nachbildungen".l? Seit der Antike wi sse n Rezipienten darum, daß die Zeichen weh der Medien bloß ,Schattenbilder' liefert. Genau dieser Tatbestand macht aber das Phänomen der Medienwirkung zu einer beunruhigenden Angelegenheit. Woher rührt die universale Faszination an Medien , die sich gegen die ganz offenkundige Evidenz durch se rzt, daß Bilder, Texte, Filme nie mehr sein können als bloße Zeichen?
I' HERDER, Jo hann Gonfried: A lIsgtll·iihllt IVtrkt in Ein~IuIlJgabtn. Srhriflrn ~r [iltra/ur. Bd. 2, 1: Kn·tisdn IVaM". Errln biJ drifttJ IValtkhtn. Vürlu IVii!d(htn. Poro/ipouJwJ. Hrsg. von Regine
Ono. Berlin: Aufbau 1990, S. 633 ["Viertes Wäldchen, Nachahmung und Illusion'l 11
Aus Sicht poststrukturalisrischer und konstruktivistischer Theorien ist die Frage weitgehend sinnlos (,il ny a pas dthon IrXlt') . Diskurse bzw. Systeme erzeugen ihre ,Wirklichkeit' aus ihren eigenen Operationen, so daß etwa die Frage nach einer ,Wirklichkeit' jrnJtitJ der Sphäre kommunikativer E reignisse obsolet ist. Das änden jedoch nichts daran, daß Systeme die Unterscheidung z....ischcn einer ,Wirklichkeit' und einer ,medialen Sphäre' !eonJlniirrrn können und dann etwa Kommunikationen nach Maßgabe dieser Unterscheidung bcuneilen können, z. B.: Hatte Monica Lcwinsky ,wirklich' Scx mit Präsident Clinton?
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PLt\TON: IVrrkt. G riechisch und deutsch. Hrsg. von Günther Eigler, übers. von Friedrich D. E. Schleiennacher. Bd. 1-8. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 3, S. 569 [Kra!)'loJ 439 al.
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PLt\TON: IVtrkt. G riechisch und deursch. Hrsg. von Günther Eigler, übers. \'on Fricdrich D. E. Schlciennacher. ßd. 1-8. Dannstadt: \Viss. Buchgcs. 1990. Bd. 4, S. S05 [Poh·ltia, 599al.
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Exakt aus dieser Irritation heraus ergibt sich die einfac he Frage, der diese Untersuchung nachgeht: IVit utirktn Medien? Dabei geht es weniger um die DarstclJung der Effekte, die Medien bei den Rezipienten, etwa als Affekte, erzielen, und welche äußerliche lndiktltortn diese r Wirkung sind. Die Frage setzt noch eine Ebene tiefer an, sie lautet: IVom", wirken Medien überhaupt? \'{Iarum gelingt es bloßen Schattenbildern, sich zur Suggestionskraft des Wirklichen aufzuschwingen? Wie ist es möglich, daß Texte ihre eigene Texrualität durchstreichen und das Phantasma eines ,Mehrwerts' erzeugen, so daß man, anstarr nut Zeichen zu decodieren, sich plötzlich in Landschaften versetzt sicht, Stimmen hört, an Geftihlen partizipiert? Oder: IVie er.de/tfI Medien den Effek/, ihrt eigene Media/i/al if' iiberschrti/en? In diesem Sinne behandelt die Arrhd%gie der Medienwirleung ein Ph änome n~ das jedem vertraut ist, der die Faszination von Bildern, T exten, Filmen am eigenen Leibe erlebt hat, der etwa atemlos einen Text " die ganze Nacht hindurch" liest und " nicht aufhören'<20 kann, der in Filmen schon geschluchzt hat oder sich die Augen zuhalten mußte, oder aber im ,Bannkreis' eines ,großen Kunstwerks' einmal überwältigt fests tellen mußte, " wie viel mehr in solchen Texten steckt al s beim ersten Lesen angenommen".21 Es wendet sich zugleich an jeden, der sich aus privaten oder professionellen Gründen daftir imeressiert, warum und wie solche Wirkungen überhaupt zustandekommen. Denn das Interesse an der durch Medien erzeugten IWirkung ist ja die Hauptmotivatio n, warum sich Rezipienten lehensweIdich ,sinn losen' Medien wie Ro manen, Kinofilincn, Computerspielen iiberhllllj>l zuwendcn. 22
2. Forschungsstand Die Skizzierung des Forschungssrands zu der beschriebenen Fragestellung beginnt mit einem ungewöhnlichen Befund. Die Problemstellung dieser Arbeit ist die Frage: Auf welche \'{Ieise gelingt es vor allem Texten, aber auch Bildern, Filmen etc., beim Rezipienten Effekte der Faszinatio n, der Überwältigu ng, der Begeisterung oder Bezauberung auszulösen. Für diesen Themenkomplex weiß ich keine treffendere Bezeichnung als den der Medienwirkung. Nun existiert ein liG
Aus einem Leseprorokoll, zirien in GMI', Wemer: " Die Erfahrung des l...eseglücks. Zur lesegeschichtlichen Ennlo'lcklung der Lesemoovarion." In: u/(gliir/e. Eille l't'l!//tIIt Eifah,.,,,,/,? Hrsg. \'on AJfred Ikllebaum und Ludwig Murh. Opladen: Wesrdeurscher Verlag 1996, S. 18 1-212, hier S. 202.
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Zirien in GRAF, Wcmcr: " Die E rfahrung des Lcseglücks. Z ur lescgeschichdichen Entwicklung der Lescmoovauo n." In: Lmglik/e. Eint t'"!P/(nt Er/ah"''''g? H rsg. von Alfred BeUebaWß und Ludwig Muth. Opladen: Westdeutscher Vedag 1996. $. 18 1-212. hier $. 205.
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Vgl. ANZ, Tho mas: Li/tm/NT lind LI/I. Gliide IIlId UllulIl btim WtII. München: B«k 1998,
S.7-' O.
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umfassender Wissenschaftzweig, welcher den Titel MeditnutirklingsjOrsrl}/lng trägt.2l Der ebenso erstaunliche wie unzwcidcuDb'C Befund ist jedoch, daß die zu Tausenden zähJenden Veröffentlichungen dieser Disziplin der hier skizzierten Fragest.ellung nicht nachgehen.24 Dafür gibr es mehrere G rü nde: (1) Z unächst einmal befaßt sich die Medienwukungs fo rschung mir der gesamten Bandbreite der durch Medien er7.ielten Effekte (Z ustimmung, Ab· lehnung, Zeitve,r treib, Infonnarionsaufnahme, Über.leugungskrnft, Kaufbereitschaft, \'(lahl verhaltcn, Langeweile, Einstell ungsveränderung, e lc.), wohingegen Mediemtirkllng hier im engeren, emphatischen Sinne verstanden wird, aJso im Kontext von Rezeptionsweisen der Fasi!fltltiofl, der Übem'ii/tiglfflg und der SI.:ggestion. Schon aus diesem G rund fallt der weimus größte Teil der Medienwirkungs forschung im Kontext unserer Frage aus. • (2) Unbefriedigend ist ferner das eingeschränkte historische Gesichtsfeld der Medienwirkungsforschung,25 die ihren Gegenscandsbcrcich auf A1assenm cdien beschränk t und sich weitestgehend auf dic kommunikati ven Felde r von Politik, Presse und \Xlerbung fokussiert. Zwar gibt es umfangreiche Studien zur Geschichte der Medicn,26 der historische Ho rizont der McdienJllirkiOlgsforschung umfaßt jedoch all enfalls die ler,a en 150 J ahre (Oe f leur / BaU-Roke· ach lokali sieren den Beginn auf das E rschei nen der pen'!] press in New York im Jahre 1834)21, einen Zeitraum also, der nicht einmal die le tzte große, un s nach wie VO f prägende Epoc henzäsur ,um 1800' umschließt. 28 Es ist daher kaum verwunderlich, daß das weite feld der jahrrause ndcJangen Evo lutio n der l~l1tJ nation an empbatischen KO""lJIlllikiltionen, vo r all em in der Sph äre von Religion, n Vgl. u. a. Ik>NFADELLI . Helnz: Mftlitf/J~ iThngJfof1(h~"g. ßd. I: G"tndkWn N"tI t!xorrhidH PtTIfHhil,'tn. ßd. 2: A nM'tntlllnyn in Politile, IVirfJrhujillnd Kx/IIIT. Ko nstanz: UV K Medien 1999/2000; JACKE!.. ~lic hacl: Aftditnuirhny ". Ein SI"dirnbNrh ~r EitifiiJ)I"Nng. 2., neu bearb. Auf1. O pladen: \X'estdeurscher Verlag 2002. !4
Die annotlen c Bibliograp hie ,'o n Schenk zur Medicnwlrkungsfo rschung emhäh beispielsweise keinen einzigen ßcitn.g, welcher der hier slcizzienen Fragestellung nachgeht: ,"gi. ScHENK, Michael: MtflitnlliThngtn. KDmmtnh'trlt AIISIJ'fliJ/-Bih/iogTophit b T ong/Q-IJmtnJuJ1tlirhtn FOl'1rhNng. T iibingen: ~ l o h r 1987_
n Vgl. zu einer Problemarisierung diescs Tatbestands etwa WILKE., J ürgen: " Ansätze zu einer
\X' irkUllb>5geschichte der Massenmedien." In: umg nitil/ MtditnNiThngrn. I-I ng. von Walter A. Mahle. Bed.in: Spiess 1986. S. 21-26; Wilke erkJän den T atbestand wiedenun durch den Vef\\'eis auf die eingesetzten em pirischen Erhebungs\'erfa hren (s. u., Punkt J). Z6
Umfasscnd fiir den Zeimwn seit der E rfmdung der D ruckerprcsse ist die neue Mo nographie \X' ILKE, J fugcn: Gntndifgt dir Mtdi",- Nnd KDmmNRiJwhimsgumithlt. VOR di" ARjiiJIgtR bis i"s 20. JohrhNndtrt. Kö ln et al: Böhlau 2000, mit wnfangreichem bibliograp hischem l\ nhang. Dagegen berücksichtigt: Inmg Fang immcrhin die E rfmdung der Schrift als erste ,Mcdicruevolurio n' ser.lt aber ebenfalls den Schwerpunkt au f die Neuzeit; vgl. FANG, Inring: A l-liJlory of Mass COHl",,,,,iral;on. Six Rt''O /Ntions. Boston CI al.: Focal 1997.
v D EFLEUR. Mekin L und Sandra BALL-Ro KEACH: Thronn N ~w York : 21
of Mau
COmllJNniratiON. 3. Au f] .
Longman 1977,S. 11.
"Unsere Anal)'scn haben keinerlei Anhaltspunkte darm gegeben, daß irgendwann in diesem J ahrhunden I... ) eine Epochenzäsur zu beobachten wäre"; LUHMANN, N ikJas: Dit Gur/hrboft dtrGtnlhdwft. &I. 1-2. Fn.nkfun / M.: Suhrkam p 1997. S. 1143 L,Die sogenannte Posunode r-
nc'l
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Kunst und Literatur, unberücksichtigt bleibt. (3) Der letzte und wichtigste Einwand ist ko mplexerer N atur. Er liege im Forsc hungsprogramm der Wirkungs fo rschung begründet, das sich als dezidiert empirisch, experimentell oder statistisch verstehr"'l: und auf einer Verschränkung von psychologischen und sozio, logischen Methoden fundiert ist. Aus der G rundanlage dieser Beobachtungsapparatur folgen die Stärken der Medienwirkungsfo rschung, die vor allem in der gegenwartsbezogenen, empirischstati stischen Analyse von Effekten der Medien auf die individuelle P!Jche oder die Gesellschtifi liegen und daraus entweder politische oder pragmatische Schlußfolgerungen zieht ~ ß ee influ ss ung durch Pro paganda', ,Wie kommuniziere ich erfolgreich?', ,Ist Videoko nsum schädlich?' etc.). Kerngebiete wären dann etwa Medien-Sozialisation, Meinungsklima, D emographie, Distribution von Aufmerksamkeit, persuasives Potential, Einstellungsveränderungen, Publikumsprä ferenze[\ und so fo rt. Problemati sch daran ist (vor allem im Umfeld neuerer ko nstruk tivistischer Theoriebildungen), daß die Analyse kommunikationsimmanenter Mechanism en immer wieder auf ko mmunikationsexterne Erklärungsgrößen (Menschen, Psychen, G e fühle, Wirklichkeit etc.) zurückgreift. D as sei an ein em kurzen Beispiel illustriert. Ein typisches Anrwortmusrer fur die Frage nach Medienwirkungen ist beispielsweise die beliebte Erzählung, daß Rezipienten in Medien das suchen, was ihnen die Wirklichkeit vorenthält. Die Fabel ist immer wieder diejenige des Eskapismlls: 30 Menschen (o ft: ,aus pro blematischen sozialen Verhältnissen') fl üchten aus der (o ft: ,kalten und feindlichen') ,Wirklichkeit' in eine narko ti sierende Traumwelt der Medien, welche sie für die erlittenen Mängel entschädigt (compensation) und ihnen die versagte Be (riedibrung zuteil werden läßt (grotijimtion).31 An solchen symp tomatisc hen Antwo rten zeigen sich jedoch die G renzen eines sozial-psychologischen Ansatzes, denn es wird stets stillschweigend genau das als selbsrverständlich vorausgese tzt, was eigentlich erklärt werden soll. Die Anschlußfrage auf solche E rklärungen müßte ja so fo rt lauten (wenn man die solchen Argumentationen zugrundegelegte Unterscheidung zwischen ,\Virklichkeit' und ,Medien' vorläufig gelten läß2~: Wie kommen Rezipienten dann überhaupt auf die absurde Idee, sie kö nnten mit ,Medien' (Schattenbildern!) Mängel aus ihrer lebensweltlichen ,Wirklichkeir' ko mpensieren? Und dann müßte man weiterfragen (weil solche Ko mpensatio nen ja tatsächlich stattfin-
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D ies erklärt wiederum rue Restriktion auf AlaJstmlledien, rechtfe rtigt sie aber nich t.
J(I
Vgl. KLApPER, Joseph T.: TIN Effirls of M ass Comnllmirahon. New York: The Free Press 1960,
S.204. II
In sehr kompakter Form finden sich alle beschriebenen Ko mponenten scho n in }(ATZ, E lihu und D avid FO UJ.KES: "On the Uses o f {he Mass Media as ,Escapc'. Clarification of a Concept." In: Puhhc Opinion Quarttr!! 26 (1962), S. 377-388.
32
Es ließe sich ja auch einwenden, daß Rezipienten durch M rdirn darüber instruiert werden, was ihnen die Wirklichkeit vorenthält, so daß es sich bei solchcn Mustcrn von ,Kompensationstheorien' letzten Endes stets wn Z irkelfigurcn handelt.
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den): Wie gelingt es Medien, ihren Status der Medialität zu überschreite n und das Ph amasma des ,Wirklichen' oder zumindest eines ,Mehrwerts' be'Z!fstellefl, so daß sie sich dann überhaupt erst als Substitute für eine defizitäre Wirklichkeit qualifizieren? - womit wir wieder bei der Fragestellung dieser Untersuchung .. waren. Die Medienwirkungsforschung bietet fü r solche Fragen keine Antworten; dabei muß man fairerweise einräumen, daß im Falle eines In teresses an solchen Fragen nur in eingeschränktem Maße Vorarbeiten aus den angrenzenden Disziplinen zur Verfugung gestanden hätten. Der letzte um fasse nde An aJyseansatz aus den Philologien stammt noch aus der ~zeplioflStbeorie der siebz iger Jahre, \Xfolfga ng Isers Pionierarbeit bezeichnet sich im Untertitel immerhin al s Theorie ästhetischer Wirkrmg. 33 Isers Verdienst besteht vor allem darin , ein Problembewußtsein fü r das Thema der TextwirkJmg und der Virtualität des , IVerks' zu schaffen und für einen opemlioflalen Lösungsansatz zu plädieren. Dagegen wurde schon kurz nach Erscheinen der Arbeit zu Recht bemängelt, daß die von Ise r vorgelebTten Lösungsangebote " hinter seiner eigenen Konzeption zurückbleiben";34 tatsächIkh reformulieren sie weitgehend Topoi aus der ästhetischen Traclition. Sei tdem wurden jedoch keine grundlegend neuen theoretische n Ansätze zur Analyse der Medienwirkung vorgelegt. Für den Bereich der Literarurwissenschaft monierte neuerlich Anz diese Vern achl ässigung und schlug durch seine Monographie U leralur und ufsl (1998) eine weitere Schneise in das Thema, welche aUcrclings ebe nfalls (wie auc h die Medienwir kungsforsch ung) durch Psychologismen in ft.ltriert ist. 3s Für Bi.ldmedien liegt immerhin David Freedbergs umfa ngreiche histOrische Unrersuchung Tbc POII_'fr rf IlIIages (1989) vor. 36 Man sollte nun annehmen können, daß das Thema Medienwirkuflg zumindes t in den Fundamemaltheorien be.rücksichtigt word en ist, welche den aktueUen Medien- und Kommunikacionswissenschaften zugrunde liegen. Erstaun licherweise ist auch dies nicht der Fall. Die ,Klassiker' der modernen Medi entheorie haben zwar in imme r neuen Schüben das Paradigma der Kommunikation erschlossen. Sie haben etwa die Korrelierbarkeit von T ex t- und WeJrverstehen erkannt und ideologiekricisc h aufgearbeitet (ßarmcs), sie haben cr-
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ISER, Wolfgang: Dtr Akt du LutnJ. Thront äslhrliJdHT lf'irkNng. 4. Auf!. München: Fink 1994 [1976}. VgL ferner als ebenfalls zentralen Text der Rezeptio nsthcocie JAUß, H ans Roben : AJlhr!ischt E!fo}JI7lng lind lifrranscht I-Itmitntlllik. 4. Auf!. Frankfurtll\t : Suhrkamp 1984 [19771; vgL als Handbuch GRIMM, Gunter: R.t~fionsgmhicblf. CrundlrgllngtinrTTJHonr. München: Fink 1977; vgL zur Vorgeschichtc dcr Rezeptionsgeschichte STÜCKRATII, J örn: HiJlon'scht R.t?!PhonsJorrchllng. Ein /uihJchtT VtTJllch '{!I ihm CtJcbichle lind Thtont. Snmgart: Metzler 1979.
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GROEBEN, Norbcn : RLr!plionsJonchllng als tmpinscht UttraIUfll7JStnscbaji. PaTtlmgma- dtlrrb MelhodtndisleNssion tllI UnltTJlIChunglbtispititn. 2., übcrarb. Auf!. Narr: Tübingen 1980, S. 50.
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VgL A.NZ, Thomas: U ttra/IIT und U sf. Cliick und Unlust btinl Lutn. München: Beck 1998, S. 7- 10, S. 20-25.
J(>
FREEDBERG, D a\'id: Tht POlJ-'tT oJ lnlagn. S",diu in Ibe HiJ/ory anti Thtory Londo n: Thc Universit)' of Chicago Press 1989.
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oJ Response. Chicago,
kannt, daß nicht der Mensch den Diskurs erzeugt. sondern umgekehn die di skursiven Systeme selbst die beherrschende Größen der Kommunikation sind (Foucaulr), sie haben die Arbitrarität des Zeichens analysiert und auf Bildver stehen ausgeweitet (Eco), sie haben die Relativität des individueUen Verstehens durch schaut (Derrida) und dabei Theo rien des Texrverstehens mit dcko nstruktivisti scher Färbung enrwickelt (de Man), sie haben schon früh die Bedeutung der Apparatur im medialen Geschehen erkannr (Benjamin), Medien dann als Verlängerungen der menschlichen Sinnesorgane interpretiert (McLuhan) und weieer al s medicmechnologisches Apriori dargestellt (Kitder), sie haben den Ersatz des Realen durch die Schwemme der Repräsentationen in der Gestalt des Hyp errealen beschrieben (Baudrillard) und schließlich erkannt, daß die mediale Realitätskonstruktion per se unhinre,rgehbar ist: Es gibt keine Alternative einer ,wirklichen Wirklichkeit' zur medialen \Wirklichkeit (Luhmann).l7 Dagegen ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das Thema Mediemvirklfflg im Kielwasser dieser genannten ,nicht-empirischen'38 Theorieentwürfe entweder stiefmütterlich oder brar nicht behandelt worden. Roland Banhes hat in seiner Apho rismensammlung Die Lmt allJ Text unsere FragesteUung immerhin anskizziert: " der Leser lkannJ ständig sagen: ich weiß wohl, daß das nur IVörter sind, Iwd dennoch ... (ich bin bewegt, als wenn diese \Wörter eine Realität aussagten)"; an späterer Stelle emp fie hlt er das Projekt einer "T ypologie der Lekrurelust - oder der Lustleser",J? mit diesen frabrtl1cntarischen Hinweisen läßt er es dann auch bewenden. Das Phäno men der Medienwirkung ist also einerseits das alltäglichste und selbstverständlichste der Welt - denn warum sonsr lies t man Romane, geht
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l'l
VgL u. a. BARniES, Roland: AlyJlxn du AIIJags. Frankfurt/ ~t : Suhrlump 1981 [1964); FOUCJ\ULT. Mich el: Dit OrdnNng dtr Dingt. Eint Arrhäologit der Hllman. iSStnsrhafttn. Frankfurl/ M.: Suhrkamp 1966; &0. Umbeno: Eirifiihmng in die 5tmiodle. Üben. von Jürgen Trabam. München: Fink 1972; D ERRIDt\,Jaques: " D ie Suuktur. das Zeichen und das Spiel im Diskurs der Wissenschaften vo m Menschen." In: J. 0 .: Dit S(hrijt lind dit DiJlrrtnz. Obers. von Rodolphe Gaschc. Frankfun/ M.: Suhrkamp 1976 11 966]. S. 422-442; ISER. Wolfgang: Drr AleJdts Lmn!. TlxoritäslhldsdJtr IWirkRng. 4. Aufl. München: Fink 1994 [1976]; O E MAN, Paul: AIlt%fJrin oJ JV(I(ling. Figllml U:lngua,gt in RoII!ltall, NitvdJt, RiIJet, and ProIlSJ. New H avcn, Londo n: Yalc Universiry Press 1979; Br:..'\IjAM1 N, \X' alter: " D as Kunstwerk im Zeital ter seincr lechnischen Reproduzicrbarkeit:' In: W. B.: Da! }(unSIIl'trje i", ZtiJalür !tintr Jtrhnisd)tn RJplTJ(llI~trbarJui/. Dm' 5/uditn !{!Ir 1Vtn!lso~ologit. Frankfun / M.: Suhrkamp 1963, S. 7-44; r.,'lcLutlt\N. Marshall: UndmJanding Mema. Tbt ExJtlfsions oJ Man. Londo n, New Yo rk: Routledge 2001 (1964); KlTn.ER. Friedlich 1\.: Alljs(hrti«qSJtflll 1800 / 1900.3., übenrb. Auf!. München: Fink 1995 (1 9851; ders.: Grammophon, Film, Tjpt'Ariur. Bcdin: Brinkmann & Base 1986; BAUDR1U.ARD, J ean: A!fJnir du R!altlf. Berlin: Merve 1978; LUBMANN. N iklas: Dit JVah'/(iJ drr Masstnmtmtn. 2.. erw. Aufl. O pladen: Westdeutscher Verlag 1996.
"Das Dtn/een dieses hiJlonirhtn GrgrnsnJ~p ~i!d)tn dtr Philosophie Nnd dtm Empirismus isf nkhl tmpirisrh lind kann nurjiilsrhlirhtfJj,y:üt und in Un/eennJnis dtr Sa(ht so be~irhnfl IIm" n." D ERRIDA, Jacqucs: GronmlllJologit. Übers. von Hans-Jö rg Rhcinbcrgcr und H anns Zischler. Frankfun / M.: Suhrkamp 1994 [1967]. S. 280. BAItTHES, Roland: Die u sJ am TexJ. übers. von Traugott König. Frankfun/ M.: Suhrkamp
1996 (1 9731, S. 70, S. 93.
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Lns Kino, schaut Fernsehen, als um sich zu begeistern, faszinieren, überwältigen oder bezaubern zu lassen? Zugleich liegt es aber in einem rätselhaften Dunkel. Aus welcher Perspektive man sich auch immer diesem unwahrscheinlich· sten aller Ereignisse nähert - daß Rezipienten nämlich für ,bloße Schanenbilder' ins Schwärmen geraten - , das Thema verbleibt in einem geheimnisvol len Nebel - als etwas, von dem man eigentlich fast nichts weiß und das man zugleich unhimerfragt voraussetzt. Diesen blinden Fleck zu erschließen ist Ziel der folgenden Untersuchung.
3. Fragesrellung (2) : Ahnlichkeit, Geheimnis, Unmirrelbarkeit, Ursprung, Authentizität Eine Vertiefung des Problems, um das es in dieser Studie geht, sowie die Struktur der folgenden Argumentation lassen sich jedoch durch den Rekurs auf eine Arbeit gewinnen, die zwar nicht als Theorie der MediemJ1irkJmg auftritt, die ich in Ermangelung an Alternativen für einen Augenblick so überinrerpretieren möchte, als wäre sie eine Antwort auf un sere Frage: Warum wirken Medien überhaupt? Oder: Wie erzeugen Medien das Phantasma ihrer Selbstüberschreitung? In Derridas Gra",,,,alologie (1967) wird die Figur der Jelbsliiberschreitllng /JO" Mediali/äl analysiert: Konstituti ves Merkmal alle r Medialität (hier: der Je/m]!) ist die A bwt!Jenhei/ des Signifikats, welche zugleich den Wun schtraum nach seiner l'(7iederhers/elhmg erzeugt. Derrida bezeichnet diese Utopie der Medialität mit dem Begriff der Priisenz. Dieser trägt theologische Implikationen an sich , denn er führt auf direktem Wege zum möglicherweise wirkungsvollsten Zeichen der abendländischen Tradition überhaupt: Er verweist auf die RealpriJsenz Gottes im heiligen Zeichen der Hos/ie in der Eucharistiefeier. Auch hier erzeugt ein ,bloßes Ze ichen' die Suggestion, nicht bloß zeichenhaft auf einen Referenten zu verweisen, sondern der Referent selbst zu sein: Gemäß dieser Logik ist die Hostie kein Zeichen, sie isl der Leib Christi.40 Die Grommalologie zeigt nun, daß im Kommunikation sgeschehen zwischen '{!Pti SprachZlls/änden unrerschieden wird. Im Hinblick auf das zugrundeliegende Zeichenmodell möchte ich das präzisieren und fortan {enninologisch zwischen enlphalischen (,Präsenz') und ins/millen/eilen Zeichen beziehungsweise Zei-
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Ich konune auf die Eucharistie in der Schlußbemerkung dieser Arbeit zurück (VII) .
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chengebrauch (,A bsenz') umerscheiden:H In dieser Terminologie soll ,insfnI~1 D iese fUr die folgen de Untersuchung zentrale Opposicio n anndl im übrigen Luhmanns
Modell der !JmbonHh gtneralisitrttn KDmnllmikolionfnftdien. Dabei handelt es sich um Katalysatoren, mit denen sich Systeme selbst strukturieren und El'Wanbarkeit erzeugen. "Was im System zirkuliert, ist mithin die explizite oder implizite Referenz auf besondere Erfolgsbedingungen der Kommunikatio n." LUHMANN, Niklas: Dil IV'isstnfrhq/i der CmllHhaji. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1992, S. 191. Siehe zu diesem Theorem den.: Die Cudlsrhaji dir Cesellschaji. Bd. 1-2. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1997, S. 316-41 2; den.: So~ale Sysleme. Cnmdriß linu allgtnftinrn Tbeon·e. Frankfun/ M.: Suhrkamp 1984, S. 222ff.; ders.: .. Einfllhrende Bemerkungen zu einer Theorie symbolisch generalisierter Ko mmunikationsmedien." In: N.L : SOifologische Auf leliinmg. ßd. 1-6. Opladen: Westdeutscher Verlag 1973. Bd. 2, S. 172- 192; ders.: Die WiJftnfrhaft du Cesellfrhaji (wie oben), S. 172-208. Solche rru'artungsbildtndtn StmJets/ftn sind in der Lage, höch st komplexe Verhältnisse auf ein fach e binäre Unterscheidungen herunterzurechnen, so daß sich das System vorrangig durch Bezug auf diese Unterscheidung (Annahme/ Ablehnung) fo n schreiben ka nn. So geht es dann in der Binnenkommunikacion der Wissenschaft erwa vorrangig um dic Differenz ,wahr' / ,unwahr' (und weniger um Astherik odcr Ethik und dergleichen). Prinzipiell gilt dasselbe für alle Beispiele von Bildern, Texten, Filmen, die mit dem Anspruch auftreten, ,mehr' zu sein als bloß ein ,Zeichen' oder ein ,T ext', ob es sich da bei nun um ein Goldcnes Kalb, steinerne Geserzestafeln, die Hostie, Romane und dergleichen mehr handelt. Auch hier kann man Kommunikacionsangebote ablehnen, erwa behaupten, ein Goldenes Kalb sei ,bloß' ein hergestellter Götze, oder aber annehmen, erwa durch die kulcische Verehrung der ,von Gott selbst' stammenden Gesetzestafeln. Die Unterscheidung rmpbatisrh / nirb/~mpbatifd) ist dabei ein Präfe renzcode, der im Falle seines Funktionierens ebensowenig thematisiert wird wie der Preis beim Kauf einer Ware. Die positi\'e Seite en:eugt Anschlußfahigkeit (,Kauf'), dagegen \'erläuft die Reflexion weitestgehend über die Negacivseiu: des Codes (,zu teuer'). Hinsichtlich der Frage, ob die Unterscheidung rmpbalisrh / nirh/~mpbahJrh ein symbolisch generalisiertes Ko mmunikationsmedium ift, bin ich skepcisch, da sie nicht alle geforden en Kri terien erfüllt und bisherige Ansätze nicht unbedingt üben:eugen; gHicklicherweise liegt diese Frage jenseits der Fragestellwlg dieser Arbeit. Es sei immerhin angemerkt: Ein sym bolisch generalisiertes Ko mmunikatio nsmedium wäre zunächst auf die Zeit mICh der AusdiffercnzienlOg von Spczialsysrcmen beschränkt. Hier wurden mit mäßigem Erfolg bereits mehrere ,Codes' vorgeschlagen, von ,schö n' / ,häßlich' über .literarisch' / ,nichrliterarisch' bis hin zu ,interessant' / .langweilig'; vgl. u. a. LU HMAJ~N, Niklas: Die Kunsl der Cmlls(baJt. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1997; SOIMIDT, Siegfried J .: Dil J'elbslo18anifah'on du SOif0l.ryfttmf Lilrro/~r im 18. Jahrhundlrt. f-ra nkfun / M.: Suhrkamp 1989; FUCHS, Pe.ler: Moderne Komm~nikotion. Z~r 1korie du ofNraliven Difplartmen/f. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1993, S. 164f[.; PLUr-.IPE, Gerhard und Niels WERBER: " Literatur ist codierbar. Aspekte einer systemtheo recischen üteraturwissenschaft." In: Lileraillruimnsrhajismd SyJlemtbeorie. Pofitiontn, KDnlrrJ/'trJtn, PmptletilJtn. Hrsg. \'on Siegfri ed J. Schmidt. O p laden: Westdeutscher Verlag 1993, S. 9-43; PLUMPE, Gerhard: ..ü te ratur als System." In: U ltra/urui.mnfrhaji. Hrsg. von Jürgen Fo hrmann und Harro Müller. München: Fink 1995, S. 103- 11 6. Die Fragen gehen d ann weiter: Welche ,Funkcion' würde dieses ,System' erfiillen? Hjer ist bereits Luhmanns Anrwort wlbefriedigend (die "KonJrontitnmg der (irdmnann grlililftgrn) &alilö/ mil liner andrrtn Vemon dmelbm Rian/öl'; LUHMANN, Niklas: " Das Kunsrwerk und die Sclbstrep rodukcion de r Kuns!." In: Stil. CudJirhltn lind Flln!etiOflen fines hll/u1lnJftl/srhq/ilirbtn Difhmtlemmlf. Hrsg. vo n Hans Ulrich Gwnbrecht und K. Ludwig Pfeiffer. Fra nkfun / ~I. 1986, S. 620-672, hier S. 624; "g!. ausführlicher ders.: Die JVmJl der Cmllsrbq/i, wie oben , S. 21 5-242). Baecker merkt zu diesem Problem an: " Es gibt in der Sozio log1e keine unumstrittene An rwo n auf die Frage nach der Funktion der Kunst" (BAECKER, Dirk: " Die Adresse der Kunst." In: SytltmIbton'e der Li/tra/u f'. Hrsg. von Jücgen Fohnnann und Harro Müller. München: Fink 1996, S. 82- 106, hier S. 92). Seine eigene Alternative ist ebenfalls wenig überzeugend ("Die Funkcion der Kunst besteht darin, Fonnen d er Kommunikacion zu entwickeln und zu erproben, in denen der in aller Kommunikacion mitlaufende Ausschluß bcwußtseinsmäßiger Opcracionen als dieser Ausschluß mitkommuniziert werden kann", ebd., S. 96). Es gibt sogar gute G ründe, daran zu zweifeln, daß Kunst, üteratur iilNrha/~PI autonome Subsysteme im strengen Sinne sind, denn aufgrund ihres ,interdiskursiven' C harakters reproduzieren sie ihre eigenen Opcracio nen dezidiert niebl ausschließlich aus ihren eigenen Elementen (vgl. U N K, J ürgen:
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",enteil die gängige Vorstell ung der sprachphilosophischen Tradition von der Sprache als Werkzeug zitieren. Der Begriff der Elllphase wird hier um fassender (gewi ssennaßen ,emphatischer') als in der Rhetorik verwendet, wo er Fih1Uren sprachlicher Hervorhebung bzw. der Redegewalt bezeichnet."2 Wichtiger ist mir die etymologische Verwandtschaft zu griechisch phainein [- sichtbar machen, sehen lassen], dem Wort, von dem sich ,Phänomen' herleitet, sowie zu griec hisch elllph(Jinein [- aufzeigen, sichtbar machen]."3 Ein elllphtilisches Zeichen ist demnach im engeren Sinne ein Zeichen, das in sich das Phänomen siebtbar m(lcht, im weiteren Sinne jedoch jedes Zeichen, welches vorgibt, ,mehr' zu sein als ,bloß' ein Zeichen.« In diesem Sinne wäre die Vorstellung der Prdse!1Z des Leibs Christi im sakmllle!1ltJlen Zeichen der Hostie ein Paradebeispiel für ein emphatisches Zeichen. Aber nicht nur isolierte Zeichen können die Zeichenh aftigkeit übe rschreiten, man kann auch zwi schen iJPCi Spmchzmländen unterscheiden, und auch hier rekurriert Derrida auf originär biblische O ppositionen."; Im ,emphati schen Zus tand ' der Präsmz ist die Sprache demnach lebmdig, erfiillt, ursprünglich, im Herze!1 bzw. illnm und voller Alem46 . 1m Z ustand der Absenz wäre die Spra"Von der Nicht-Spezialität der U teratur und ihren Folgen für die Jjtcraturwissenschafl." In: Pmp~ktil!tn ,Irr CmmJllistik. Nt/mIt Anstehlln ~ tinmJ alt~1I Prob1m,. H rsg. von Aone ß emfeld und Walter Oelabar. O pladeo: Westdeutscher Verlag 1997, S. 144- 156). Ein noch wichtigerer Einwand ist zuletZt, daß die Emschcidung darüber, was K unsl, Utcrarur Ctc. ist, nicht einmal vom "Systcm" selbst gefaUt wird, sondern stets kunste.xltm, vo n Lesern, Journalisten, Zuschauern etc. in Fo rm von kunstextem en Mitteilungsfonnen (zlUn ß eispiel Rezensio nen) . •2
Siehe dazu SCH1RRE.,"l, TIlOmas: " Emphase." In: l-liJlon'sdm Il7iirtuvu(h dtr IUJtlorile. Ud. 1ff. I-I rsg. von Gerd Ueding. Oarmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft I992ff. ßd. 2, Sp. 11 2 1- 1123, sowie MlCHEt , Georg: " Emphase." In: & alk.xikoll der drllfsdNII Ülrralll~1JStn · HhaJt. Neubearbeirung des Reallexikons der deutschen ütcra rurgeschichtc. Bd. 1-3. Hrsg. von Kla us Weimar et al. Herhn, New Yo rk: O e Gmrtcr 1997ff. Bd. I, S. 441 -443 .
• 1 Siehe dazu KLUGE, Fried rich:
Erym%gis(hu Il7iirtrrbu(h dtr drllls(hen Sprache. 22. Aufl., unter
r-.1ithilfc \'on Max ßürgisser und Bemd Gregor \'öllig neu bearbeitet von E lmar Scebold. Bcrlin, Ncw York: de Gm}'ter 1989, S. 177 J'Emphase'J. ... 1m übrigen wcist die E tymologie von ,Zeic hen' selbst die D ichotomie in strumentell/emphatisch auf. Germanisch "Iaikna- bedeutet sowohl ,Zeichen' als auch ,Erschcinung'. Siehe dazu KLUGE, Friedrich: ErymologiJ(hes IfTiirlerbu(h ,Itr dmluhrn Spmtbt. 22. Aufl .• unter Mithilfe von Max Bürgisser und Bemd G regor vö llig neu bearbeitet von Elmar Scebold. ß erlin, New Yo rk: de Gmrter 1989, S. 807 LZeichcnl D as ko rrespondiert mit dcm Gcbrauch des lateinischen Begriffs signum, der in dcr Vulgata stCtS fiir die ,Wunder' steht, die J csus vollbringt; vgl. LUC K, Georg: Magit lind antlm Ctbrimltbrrn in dtr Anlike. Srungart: Kröner 1990, S. 172. 4~ Die folgenden Begriffe sind extrahicrt aus D ERR1Dt\, Jacques:
Crommal%git. Übers. von
Hans-J örg Rhcinberger und Hanns Zischler. Frankfurt/r-.t: Suhrkamp 1994 [1967}, S. 33-34 . .06
Lebendig. Vgl. erwa fo lgende Stellen:Joh, I, 1-4 [Biblia Samt, Bd. 3. S. 2951: " In principio erat verbum, ef vcrbum erat apud Deum, et Deus erat vcrbum. [... J in ipso vita erat" ~, I m Anfange war das Wort, und das Won war bei Galt, und GOIt war das WOrt. [... 1 In ihm war das Leben"). - 2 Kor 3, 6 [ebd., Bd. 3, S. 646]: " liltera enim oceidit, SpriNS autem vivifical." ~,denn dcr Buchstabe tOOtet, der Geist aber macht lebendig.") Hebr 4, 12 [ebd., Bd. 3, S. 8 18J: " Vivus est erum senuo Dei, et effi cax" G,D enn lebendig ist das WOrt G o n es und wirksam'1j Vgl. zur D ichotomie ,erfüllt' \'ersus )ecr' im Altcn Testament; J os 23, 15 [Biblia Samt, Bd. 1, S. 625J: "Sicut ergo iN/plnil opere quod promisit [...J" G,Wie er also seine Verhei-
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che dagegen das exakte GegenteiJ: Tot, leer und unwirksam, abgeleitet, äußerlich und oberflächlich, also ,bloß Sprache'. Schon die Bibel kennt also zwei grundlegend verschiedene Fonnen von Kommunikation. Die göttliche Sprache überschreitet als lebendig-erfüll te Präsenz die Medialität, sie ist mehr als nur ein Zeichen; dagegen steht der andere Sprachzustand, in dem die Zeichen bloß tOt und abgelei tet sind:n Obwohl es sich also auf beiden Seiten um dieselbe Medialitär handelt, wird diese Polarität in den Kosmos der Texte hineinkOI1Ilntierl, die Differenz zwischen einer ins/nime!1/ellm und einer emphatischen Verwendungsweise der Zeichen und Texte muß diskursiv he'l,estellt werden ßung durch die T at erfüllt hat I... ]'') - Jes 55, II lebd., Bd. 2, $. 673]: "Sie erit verbum meum, quod egredienlf de are meo: non reven etur ad me l!aC1lUm , sed fa eiet quaecumque volui, et prosperabirur in bis, ad quae misi illud." ~ ,So wird mein Wort sein, das aus meinem ~.'Iunde ausgeht. Es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern alles vollbringen, was ich will, und G elingen haben in allem, wozu ich es sende.'') Die Stellen, welche die 1f7;rk!o",krit des göttlichen Wortes beschreiben, sind weit häufiger, und sie werden mitunter mit dem Vokabular der Etjiillimg ins Deutsche überser-I.t: vgl. Ez 12,25 lebd., Bd. 2, S. 954J "Quia ego Dominus IOCJuar: et quodewnque locurus fuero verbum, fIet, et non prolongabitur ampüus: sed in diebus vestris domus exasperans IOCJuar verbum, et fa eiam illud, dicit Do minus Deus" ~, De nn ich, der Herr, werde reden und jedes Wort, das ich spreche, soll in Erfüllung gehen und nicht weiter hinausgeschoben werden; sondern in euren T agen, widerspenstiges Haus! will ich ein WOrt reden und es auch aus fUhren, spricht der Herr, Gon.'') - vgl. fern er J es 46, 10; Dm 18,22. Weil das Neue T estament das ,Wort Gottes' oft mit Jesus' gleichsetzt (vgl. neben dem J o hannese,'angelium Lk 1,2; I-Iebr. 1,2-3; Offb 19, 13 u. ö.), wird J esus als das sich er füllen de Wort Gones aufge faßt. Vgl. u. a. ~'It 5, 17f.lelxl., Bd. 3, S. 11]: "Nolite pUlare quo niam veni solvere legern, aut prophctas: non veni solvere, sed (l(Jimpltrt. Amen q ui ppc dico vobis, donec transeat caclum CI terra, iota unum, aut unus apex no n praeleribit alege, donec omnia fiant ." ~, Glaube r nicht, daß ich geko mmen sei. das Gesetz oder die Pro pheten aufzuheben. Ich bin nicht geko mmen, sie aufzuheben. sondern zu etrullen. Denn wahrlich. ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht ein Strichlein oder Punkt vom Gesetze ,·ergehen, bis alles geschieht.''); Die Ursprii"g!;rbkfü des görtlichen Wortes ist evident. Vgl. neben der Sch öpfungsgeschichte narürlich J oh, 1, 1-4 IBib/ia SarTtl, Bd. 3, S. 295]: .. In principio erat verbum, et verbum erat apud D eum, et Deus eroll ,'erbum." ~, Im Anfange war das WOrt, und das Wort war bei G o tt, und G Ott war das Won.''); ,'gI. zum Wort im I-ltrzt" folge nde Stellen: Dm 6, 6 (B;bh"a S OlTO, Bd. I, S. 4801: " Erumque verba haet, quae ego prat.'ci pio tibi hodie, in corde IUO" ~,U nd diese Wane, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem I-Ierzen bleiben''); - J er 31, 33 (ebd., Bd. 2, S. 809]: ,,$cd hoc erit pacrum, quod fcnam eum dOlno Israel: post dies illos dieit Dominus: Dabo legern meam in visceribus eorum, et in corde eorum scribam earn: et ero eis in Deum, et ipsi erum mihi in populwn." ~ ,So nde rn dies ist der Bund, den ich mit dem Hause Israel nach jener Zeit schließen werde, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Inneres Iwönlich: in ihr FleischJ legen und es in ihr Her;; schreiben und ich will ihr Gott sein und sie soUen mein Volk sein." _ 2 Kor 3, 2 lebel., Bd. J, S. 6461: " Epistola nosu-a vos estis, seripta in cordibus nostris, quae sdrur, et legirur ab o mnibus hominibus: I\bnifestati quod episruJa esos Christi, ministrata a nobis, et scripta non au-amemo, scd spiritu Dei vi,>i: no n in tabulis lapideis, sed in tabulis cordis carnalibus." ~,U n ser Brief seid ihr, W1 S in die Her;;en geschrieben, gekannt und gelesen von allen Menschen. Ihr seid o ffenbar ein Brief Christi, ausgefertigt von uns, und geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geiste des lebendigen G on es, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne T afeln des Herzens.''); Das Wo rt Gones isr wirksam durch den ,Heiligen G eist', also P"fUf1JO bzw. JfJirifNJ. Vgl. etwa das Pfingstwunder, vgl. das letzte Zitat. ~1 Derridas I ns[[Umentalisierung der in der Bibel impliziten Medientheorie ist insofern im
Komext seine r Argumentation nicht ganz srimmig, als die göttliche Sprache in der Bibel ganz oft eine Srbrift ist - vermutlich der G rund, warum er den Rekurs auf die Bibel nicht explizit macht.
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so daß Rezipienten dann unterscheiden können zwischen ,bloßen Zeichen' und den ,besonderen Zeichen', welche eigentlich gar keine Zeichen mehr sind. Die alles entscheidende Frage ist dabei: AJif welche (Weise wird im System diese Unterscheidung el"'{fllgp48 Derrida analysiert das Zustande kommen dieser Polarität an der Leirunterscheidung zwischen der (,lebendigen,) Still//lJe (phone) und der Gtoten') SchriJi (grolH/lJa). Der ,S timme' wird im System die Seele, der Geist, das Natürliche und das (Wahrhaftige zugewiesen, der Sphäre der ,roten Sc hri ft' wiederum die Gegenpole dieser Begriffe, also der Körper, die Materie, das Kün stliche und das Unwahre:'9 Die GraflJllJat%gie eignet sich dabei in zweierlei Hinsicht als Ausgangspunkt dieser Untersuchung. Zunächst einmal dokumentiert sie sehr genau, vor allem in einer umfangreichen Rousseau-Lekrüre, wie im Feld der Sprache die Utopie einer Überschreitung dcr Sprache erzeugt wird, und wie in Konzepten der na/ürlich-see/isch-/ebendig-lIrspning/ichen Stimll/e der Traum eines emphatischen Sprachzustands entsteht. Zugleich ,dekonstruiert' Derrida diese Utopie, indem er zuglcich zeigt, daß das \'\Iesen aUer Sprache, aUer Zeichenhaftigkcit in ihrem Abgeleitet-Sein bes teht. Zeichen verweisen immer nur auf andere Zeichen,so die Signifikanten flottieren in einer ständigen Bewegung der Ableitung, der diffirance. Die Präsenz ist demgemäß der parado xale Wunschtraum der Sprache, sich selbst zu entkommen, ihre Media/ität zu überschreiten. Die Präsenz markiert die Se/bs/überschreitung der Media/iMt in der Media/iMt. Diese Grunderkenntnis aus der Gra/IJmat%gie markiert den Ausgangsp unkt der fol genden Unte rsuchung. 51 D as Erkenmnisziel ist die konstruktivistische Analyse der frage, mif welche Weise es Medien gelingt, das Phantasma ihrer Selbstübcrschreirung zu er.l.eugen, so daß beim Rezipienten gegt!1 alle E ,Jidel1Z die besc hriebenen suggestiven, mitunter sogar halluzinatorischen Faszinationen hervorgerufen werden. Die Untersuchung arbeitet dabei fUnf Blöcke ab (A)m/ichkeit, Geheimnis, Unmittelbarkeit, Urspnmg, A llthenti'{jtät;, deren Titel nicht "11
Die entscheide nde Bedeurung dieser Frage erkannte bereits Warburg, der sie in anderer Begrifflichkeit steU!: "Logik, die den Denkraum - zwischen Mensch und Objekt - durch begrifflich sondernde BezeichnWlg schafft und ~Iagie , die eben diesen Denkrawn durch abergläubisch zusammenziehende - ideelle oder praktische - Verknüpfung von Men sch und Objekt wieder zerstö rt. beobachten wir im weissagenden Objekt der Astrologie noch als einheitliches primiri,'es G erät, mit dem der Asu ologe messen und zugleich zaubern kann. Die Epoche, wo Logik und Magie \I.
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Diese Oppositionen sind exuaruen aus DERRIDA, Jacques: Grammol%git. Übers. von HansJ örg Rheinberger Wld Hanns Z ischler. Frankfun1M.: Suhrkamp 1994 [1967], S. 62.
~ Derrida greift hier vor allem zurück auf Peirces Auffassungen einer unbegren zten Semiose. 51
Die Arbeit versteht sich jedoch "i(hl als ,D ekonsrrukrion' emphatischer Kommunikationsweisen im Sinne Derridas.
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selbsrerkJ ärend sind, deren innerer Zusammenhang sich jedoch sofort erweisen wird. Es handelt sich hier um fünf Programme,52 welche emphatische Kolllllllmikationen generieren, und von denen sich jedes einzelne als eine Ableitllng des Basistheorems (der paradoxalen Se/bstiiberschreillmg /Jon MedialiM!) erweisen wird. J edes Programm erzeugt ein eigenes Phantasma der Überschreitung: •
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• •
Ahnliehe Zeichen bzw. Texte durch streichen die Medialität durch die Simulation des Gege nstands (so daß sie am Ende keine Zeichen mehr sind, sondern die ,Jl1usion' der Präsenz erzeugen). Geheimnisse werden kommuniziert und ,sprengen' zugleich die Kommunikatio n, weil sie die Möglichkeiren der DarsteUung ,überschreiten'; sie werden ausgesprochen und sind zugleich ,unaussprechlich'. Unmillelbare Kommunikatio nen kommunizieren ,direkt" also ohne Zuhilfenahme eines Mediums (- ,un-mittelbarj. Das flrSpnfngliche Zeichen überschreitet die Kommunikation in zeitliehet Hinsicht. Weil es /Jor all en Ableitungen plaziert ist, ist es al s einziges nicht den'Iierl. Normale Zeichen sind bloß gemac ht oder gar gefälschr; dagegen profiliert sich das (lllthentische Zeichen als nicht ,gemacht', nicht ,hergeste Ur', als echt.
Wie aus der fo lgenden Untersuchung ersichtlich werden wird, läßr sich aus diesen fünf Programmen der emphatischen Kommunikation die gesamte Bandbreite der von Barthes angeregten ,T ypologien' intensiver Rezeptionsweisen ableiten, angefangen bei der Illusion, der Spannung, der Fiktionalität, über den Rei;.: des Mysteriösen, Dun kJen oder gar Unverständlichen, der Suggestion unmittelbarer Stimmen und Visionen, der Rührung durch empathische Teilhabe bis hin zur Faszination des Authentischen und des O riginahverks. In diesem Sinne versteht sich die A rchäologie der Medienwirh mg als um fasse ndes Theorieangebot, welches im Hinblick auf alle Spielarten der emphatischen Kommunikation Beschreibungs fahigkeit anstrebt.
51 Der Begriff des ,Programms' iSI entlehnl aus Luhmanns Theorie der symbolisch generalisier[en Konununikacionsrnedien (siehe oben). Es handelt sich wn Kriterien, die festlegen, unter welchen Bedingungen man einer Ko nununikatio n die positive bzw. negative Seite zugnmdelegt.
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4. Methodik Eine Darlegung der zugrundegelegten Melbodologit möchte ich kurz fassen, zumaJ sie sich weitgehend aus der Untersuchung selbst ergibt [siche vor allem 11.2]. Gegenstand der Arbeit werden vorwiegend Tex/wirkungen sein, wobei jedoch auch Seitenblicke vor allem auf Bildmedien mitlaufen werden. Fast alle Ergebnisse dieser Arbeit sind aber auf ande re Medien wie Theater, Kino, Fernsehen und dergleichen übertragbar. In der Methode folge ich weitgehend den Dispositionen des Konstruktivismus im Sinne Luhmanns. \'\feil ein G roßteil der Arbeit mit Tex ten und Lektüren zu tun hat, war es jedoch notwendig, diesen Ansatz durch parallele Erkenntnisse etwa aus der Rezeptionstheorie, der Kogni tionstheorie, der Leserpsychologie sowie der Leseforschung und dergleichen mehr anzureichern.53 Die wichtigsten Basisannahmen und ihr Nie~ derschJ ag in der folgenden Argumentation seien kurz referiert: •
Mediemvirklfng verschließt sich einem direkten analytischen Z ugriff, da sie in der Block Box des Rezipiemenbewußtseins stattfindet (s. Abb. 6). Aufgrund der In transparenz von ßewußtseinen kann die Reko nstruktion des Phäno-
II Die berücksichtigte Literatur kann hier nur in Auszügen angegeben werden. Vgl. zu fa st allen Aspekten des Lcsens zunächst die wnfangreichen Handbücher FRANZMANN, ßodo (H rsg.): Handblllh Lmn. München: SaUf 1999 sowie B,\ UI>IGÄR·INER. Alfred Clemcns: Lmn. Ein Handbuch. Lemtoff, LeHr ,md l...~m'trh(llttn, Lesru.irkungtn, Lemri,/thllnj?; u srkultllr. H amburg: Verlag rur Buchmarkt -Forsch ung 1973. Einschlägig fUr die Leserpsyehologic is t JUST, i\hrccl Adam und Patricia A. Ct\ RI' ENTER: Tm P!J(bclofU o/lVading and l...otl,gNage Cont/mINnsion. 80510n et al.: Allyn & Baco n 1987; vgl. auch KFN NEDY. AJan: Tb, P!J(bology o/lVading. London. Ncw Yo rk: i\Icrnucn 1984; GROEBE..~, Norbert: Lutrp!Jlhologie. Ttxll:~rrtiindmJ, Ttxh,'trJ/iindlifhkd/. Münster: Asc hendorff 1982; GROSS, Sabine: Lese·Zri(hen. Kognition, Mrdillm und Maltrialiliit illl LeHPro'{!ß. Darmstadt: W issenschaftliche Buc hgesellschaft 1994. Siehe zu historischen Aspekten BICKFNBACII. Manruas: Von dtn Mögli(hkri/tn rintr ,/nnnrn' Gmhi(hlt du LeJtnJ. Tübingen: N iemeycr 1999; OMRTlER, Roger (Hng.) Vit IlVdl du LestnJ. VOll du SdmJtrollt bü ~m BiklJ(hirlll. Frankfurt/ M. et al.: Campus 1999; to-IANGUEI" A1bcn o: Eint GUlbi(btt du Leu nJ. Reinbek: Rowohlt 2000; ScHÖN, Erich: V fr VtrlllJI dtr Sinnlicbktit oder Vie Vmj.·undIlIngtn du LeHn. Mtn/aIi/(i"IJu"(lndtl um '800. Srungart: KJen-Corra 1987; ALTICK. Richard 0 .: Tbe English Co",mon lVad". A Soda/His/ory 0/ tIN MaJS PJuding Publir (1800-1900). Chicago. London: The Uni" crsiry of Chicago Press 1957; CHART1ER, Roger: Tbt On/" o/"Books. PJadrrr, AutmrJ and Libradu in Ellropt btlu-rtn tlH Fourtunth and tm Eightunlb Ctntlln·u. Slanford: SUP 1992; ENGEtSING. Rolf: A nalphabtttntu", und Lek/üre. Zur SOifalgurhirbtt da UJtnJ in DeulJlbwnd iJl7JdNn Jturklltr und induJIn'tlltr GmllJ(haji. Stuttgan: Metzler 1973; KREU ZER, Helmul (H ng.): LeStn, bÜlonJrb. Görungen: Vandenhocc k & Ruprecht 1985 (= ZritJ(hnJt fir LiUratllruiJJtnJ(haji lind Lingllistik 15 (1985»); einen Überblick über die historische Ikonographie der Lektüre gibt NIEs, Fritz: Babn Nnd Btll und Blüttnduft. Eint lVlit dllrch dit IIVtl1 der um-viMtr. Dannstad t: \X' iss. Buc hges. 1991. Hilfreiche Quellensammlungcn sind WUNDERLICH, Hcinkc und Giscla K!J!l>n'-KOZ1NO\'('SKl (H rsg.): u u r und Lrktiire. BiMtr lind Tt..-.:!t OffS iJlri jabrhll~dtrftn. D omnund: !1arenberg 1985; N IBBRIG. Christiaan L H a~ (H.ng.): [f/um", Lrsrn? Ein SpUI'{!ffg ~m LeJtn. han kfun / M: Suhrkamp 1983; UNSELD, Slegfned (H rsg.): Erste LtstErltbnÜst. Frankfurt/to-L Suhrkamp 1975; PLETICHA. H einrich (Hrsg.): LeJt-Erltbnisu. Frnnkfun /~1.: Suhrkamp 1978. H ilfreich fur die Recherche älterer Literarur iSI die annotienc Bibliographie STEINBERG, Heinz und Konrad H . TECKENTRUP: Bibliograpbit BUlh lind u ltn. Gürersloh: Verlag fur Buchmarkt- und Medienforschung 1979.
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mens allenfalls durch eine Analyse des rezipierten Textes selbst (lnpu!) sowie durch den Z ugriff auf Anschlußkommunikationen (Oulpu!) , etwa Rezeptionsprotokolle, Rezensionen, Briefe, statisti sche Erhebungen und dergleichen mehr eingekreist werden. Dies stellt eine besondere Herausford erung für vergangene Epochen dar, weil Äußerungen zum Rezeptionsverhalten hier allenfalls marginal vorliegen. Daher wird die folgende Untersuchung Berichte über elllphatische Rezeptionsmuster aufspüren. Zugleich wird versucht, sowohl die ,Input'- als auch die ,Output'-Seite zu berücksichtigen, um auf diese \X'eise zu einer möglichst umfassenden Rekonstruktion des gesamten Kommunikationsprozesses zu gelangen, die ,Black Box' des Rezipienten also von beiden Seiten ,einzukreisen '.
0"
Abb. 6: Die Ulack-Box des Rezipienten im Kommunikatio nsprozeß5-I
•
Rezipienten, also Leser, Zuschauer, Betrachter werden als ,text'-verarbeitende Sys teme zugleich von den rezipierten Texten verändert, denn jede neue Infonnation ändert " den Z ustand des sie prozessierenden Systems".ss Aus diesem Grunde sind vor allem linguisti sche Verstehensmodelle nur bedingt beschreibungsEihig, da sie den Rezipienten als statisc he, ,triviale' Maschine modulieren.56 Dagegen gilt, daß Rezipienten ,nicht-triviale' Maschinen sind.
~ Die Abbildung ist vcrcinfacht nach einem Schema in KLA US, Georg: IlYörtUVNCh der Kylnmetile.
Bd. 1-2. Frankfun/ M.: Fischer 1969. Bd. 1,5. 108 L,Black-Box-Mcthode"S.107-11 2J. ~~ LU HMru~N, N iklas:
s. 86.
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Die Gmll.trhaji der Gmll.trhaft. Bd. 1-2. Frankfun 1M.: Suhrkamp 1997,
Vgl. als ryp isches Beispiel EcO, Umbeno: 1m Hok of Im Rrmkr. &plorationJ in Ihe Srmiotia of T rxtJ. Bloomington, London: Indiana Universit)' Press 1979, auszugsweise übersetzt verfügbar, vgl. ders.: " Die RoUe des Lesers" (Auszug] . In: U. E.: Im UJo/rinlh drr VrmNnfi. Leipzig: Reclam 1995, S. 190-245. O cr T ext ist als Ausweirung von Ecos linguistischer Theorie auf das
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D as heißt, daß ihr Eigenzustand durch die von ihnen durchgeführten Operationen fortlaufend veränderr wird: Sie sind "synthetisch determiniert; analytisch unbestimmbar; vergangenheitsabhängig; unvoraussagbar."s7 In unserem Kontext sind dabei In formationen besonders bedeutsam, welche den Rezeptionsprozeßseibst zu beeinflussen suchen, also die in Texte (r"ilme, Bilder ...) eingebauten, expliziten oder impliziten ,Leseanweisungen '. Dabei greife ich - unter weitgehenden Vorbehalten - auf das in der Rezep tionstheorie entwickelte Konzept des ,impliziten Lesers' als in den Text eingeschriebenes Rezeptionsmodell zuriick. 58 Es werden in der Analyse also vor allem Tex tpassagen berücksich tigt, die RezeptionsmodeUe und Feld des Lescns zu sehen; vgl. ders.: A ThlO1Y oJ StmiotiCJ. Bloomington: Indiana Universit)" Press 1976 sowie den.: Einftihmng in die Semioti/e. Übers. von J Ü!gen T rabant. t-,'fünchen: Fink 1972. S7
FOERSTER, I-Ieinz von: " Entdecken oder E rfinden. Wie läßt sich Verstehen verstehen?" In: Eirifiihmng in den 10JnJIm/etiI7J11IUJ. München, Zürich: Piper 1992, $. 41 -88, hier $. 66. Nach wie ,'o r gilt also: "Um aber zu verstehen: IVaJ geschrieben steht I... ] kommt es allerdings auf die Frage an: IVit liesest du?" I-IAMA NN, J ohann Georg: Sämtliche IVer/et. Historisch ·kritische Ausgabe. Bd. 1-6. H rsg. von Josef Nadler. Wien: Herder 1949 ff. Bd. 3, S. 362 L,Fliegender Brier', I].
~ Vgl. ursprünglich ISER, Wolfgang:
Dtr implhjft Lestr. K011l11lunikolion!Jim mn du RtJ11Ians I.'()n BU'!Jan bü Buhl. München: Fink 1972, dann vor allem ders.: Dtr Akt dn I__mn!. Tlmm'r lisl/müchtr IVirkung. 4. AufL München: Fink 1994 Jl 976], S. SOff.; vgl. fe rner die Zusammenfassung in LIN K, I-I annelore: Rr'?!fJtioniforrrhung. Eint Eirifiihrung in Mn/}()(Itn und Probl,"'t.
Srungan et aL: Kohl halruller 1976, S. 26ff. Isers Modell ist insofern nur untcr Vo rbehalt akzcptabel, als sein ,impliziter Leser' ein ,idealer Leser' ist, der dann (dem ,hermeneutischen Paradigma' gemäß) die ,richtige' LektÜre durch füh rt. D agegen faßte bereits die Rezcp tionstheorie nach Iser den ,impliziten Leser' o ffener auf: Die in Texten miLiaufenden Modelle ihrer eigenen Rezeptio nen sind allenfalls Anffoott, welchc vom Leser angenommen oder abgelehnt werde n können. Insgesamt er~eugc n sie die Amplitude der jeweils vorherrschenden Rezeptionsweisen. Die Gretchenfrage ist dabei selbstverständlich die Frage nach dcr Homoffniliit dcr akrualisien en Rezeptionsweisen, also die SdJu-'f1nhmgsbrrite de r D ifferenzen. Insgesam t läßt sich dazu ko nstatieren, daß (erwartungsgemäß) das basale Verständnis bei verschiedenen Rezipienten relativ homogen ist. Abweichungen treten jedoch bei zunehmender Unterbestimmtheit des T extinhalts, bei projekti,'en Fragen (,wie geht die Geschichte aus?') und zuletzt bei demographischcn Unterschieden (Geschlecht, Bildung etc.) auf - die empirische Rezeptionstheorie hat diese Differenzen (vennutlich aufgrund ihrer Gegnersduft zum hcnneneutischen Paradigma des ,ric htigen Sinns') aber o ft übe rbewenet. VgL als Ausschnitt der Fo rschung GROEßEN, Norben: ~~ptionsforschung als empinJ{he U ttraluruüstns,htifi. Paradigma- durr/) Melhodtn(lishmion an Unlmu{hungsbtüpitlrn. 2., überarb. Auf!. Narr: T üb ingen 1980; ders.: "Zur Relevanz empirischer Konkretisationserhebungen fUr die üterarurwissenschaft." In: Empirit in Lileralur- und Kunsmisunsroajt. I-Irsg. von Siegfried J. Schmidt. München: Fink 1979, S. 43-81; FAUlSI1CH, Wemer: " D ie Relevanz der Cloze-Procedure als Methode wissenschaftlicher Texrumersuchung. E in Beitrag zur üterarurwissenschaft als Sozialwissenschaft." In: ZeilschnJtftir Uieraluru.imnHlJojt und Linguüli/e 6 (1976), S. 8 1-95; ders.: Domiinm dtr ~~tionsana!Jsr. Probleme, UisultgSJlra/egim, E7,tbnim. Kronberg: Athenäum 1977; vg!. die Beiträge von Wemer FAULS'IlCH, Walter H O;-"IBERG / Karlheinz ROSSßACHER, I-I anmut H EUERMANN und Marianne WÜNSCH in dem instruktiven Sammelband KREUZER, H elmut und Reinho ld VIEHOFF (H rsg.): U ttraluruimns{htifi und tIl,piristht Mtthoden. Eine Eirifiihrung ift a/elutllt Proje/ele. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 198 1 (= ZtifschriJiftir U trraluruisstnsrhaji und Linguistik, Beiheft 12); KARMASIN, I-Ielene, Walter SCHMIlZ und Mariannc W ÜNSCH: " Kritiker und Leser. Eine empirische Untersuchung zur ,stiller'-Rezcption." In: Mattrialien ~ M(LY FriHh ,SMltr'. H rsg. von W. S. Frankfun/ M.: Suhrka mp 1978, S. 493-537.
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Wirkungsvorsrcllungen thematisieren und denen damit Sreuerungs funkcio neo für das zeitgenössische Rezeprionsverhalten zukommen. • Ebenso wie für den Rezipienten gil t auch für das Kommunikationssys tem als Totalität aUer rekursiv miteinander vernetzten Einzeloperationen, daß es vergaflgenheilsdelerlJlinieri ist. Demgemäß sind die ,selbstverständlichen' Rezepcio nsmusrer aus unseren T agen die fortlaufenden Reproduktionen uralter Modelle (weswegen E rklärungsmuster, welche nur die J etztzeit berücksichtigen, zu kurz greifen). Dementsprechend versteht sich die folgende geschichtliche Analyse der Medienwirkung zugleich als Freilegung einer lAlt!ni.J59 und zwar des verdeckten ,Unterbcwußtseins' unseres jetzigen Medienkonsums. Ein tieferes Verständnis von Rezeptionsmustern, die unsjetz/ bewtgen und fasifnieren, läßt sich erst durch die Analyse ihrer historischen Evolution gewinnen ~, I s t eure ganze Menschenvefflunfl erwas anders als Überliifenmg und Tradi/ion?"~, ein Aspekt, der durch den zunehmenden Gegenwansbezug neuer Medien wie erwa des Inrernet immer mehr verschüttet zu werden droht. Aus diesem Grunde versteht sich die A rchäologie der MedienuJirhmg als Versuch, aus der historischen E/JOllltion heraus eine Theorie der medialen Wirkung zu entwickeln (wobei ich von den ,Anfangen' ausgehe und bis in die Hälfte des 19. Jahrhunden s fortschreite, also genau den Zei traum erfasse, welcher in der Medienwirkungs forschung unberücksichtigt bleibt). Dabei werden die einzelnen Kapitel in den feuilletOnistisch gehaltenen ,A usblicken' in die Gegenwan und Z ukunft auslaufen, um den Bezug der Analyse zur J etztzeit herzusteUen (zugleich werden die histOrischen Analysen durch mitlaufende Verweise auf dje Gegenwart rückgekoppelt). • Die folgende Untersuchung verläuft entlang einer Reihe his/arischer Falls/lidien. Dabei sei kurz angemerkt, daß es weniger um eine Rekonstruktion von ,Ursprungspunkten' im engeren Sinne geht. Die Auffassung eines punktueUen ,Auftauchens' des ,Neuen' ist sicherlich naiv, so daß es insgesamt höchst fragwürdig ist, ob sich die Emergenz von Paradigmen überhallpt theoretisch erfassen läßt.61 Der Rekurs auf histOrische ,Schwellenzeiten' versteht sich also als heuristisches Mittel: Weil erwartungs- und erfahrungsgemäß die Thematisierung vo n Rezeptionsmustern vor aUem in den Phasen ihrer Enrstehung auf besonders pointierte Weise stattfindet und diese dann zunehmend zu unhinterfragten ,Selbstverständlichkeiten' ge-
S?
" D er Begriff ['Latenz'] bezeichnel die Möglichkeit, zu beobachten und zu beschreiben, was andere nichl beo bachten können." LUI·IMANN, N iklas: Oft WimnHhaft dir Gtstllschaft. Frankfurt / r-.t: Suhrkamp 1992, S. 89.
ro HAMANN, Jo hann Georg: Sämtliche Werke. H islOrisch-kricische Ausgabe. Bd. 1-6. H rsg. von J osef N adler. Wien: H erder 1949ff. Bd. 3, S. 107 L,Neue Apologie des Buchstaben h, von ihm selbsr'l 61
VgL die Ergebnisse eines akrueUen KoUoquiwns in Slanfo rd, dessen Berichtsband noch nicht erschienen ist; ein Vorabbericht flOdeI sich in GUMBRECHT, Hans Ulrich: " Die Emergenz der Emergenz." In: FAZ (92) 2003, S. 38.
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rinnen,62 versuche ich, aus solchen Phasen des Übergangs besonders prägnante Fälle herauszuschälen. Das Darstellungsmittel der Fallstudie soll zudem sicherstellen, daß das Fortschreiten der Iheorelischm Argumentation durchgängig durch die Rückkoppl ung mit der HistOrizität der T ex te gedeckt bleibe • Bei den besprochenen Texten handelt es sich um Beispiele, welche ich nach der Sichtung von weitaus um fangreic herem Material für besonders repräsentativ halte. Dabei handelt es sich einerseits o ft um Kerntexte der europäischen Tradition, die schon allein aufgru nd ihrer Kanonizität modellbildend für spätere Epochen waren; ein Tex t wie die Confessiones von Augustinus hat sicherlich Jahrtausende der Medienrezepcion nachhaltig beeinflußt und steuert Rezipienten bis heute (ob sie das wissen ode r ni cht). Ab der Neuzeit berucksichdge ich dann in erster Linie deutsche T exte. E ine wichdge Ausnahme bilde t das Kapitel zur Entsteh ung der Fiklionnliliil, welches eine FaUstudie aus der englischen Literarur beinhaltet. D ie Erklärung ist einfach. Plakadv gesprochen , entw ickeln sich Vorfo rmen der Fiktio nalität im ro manischen Raum , der wirkungsmächtige fikti o nale Roman entsreht jedoch in England; aus diesem G rund war es notwendig, auf das ursprüngliche diskursive Umfeld zurückzugreifen. • Eine beso ndere Herausfo rderung war die DarJle/lung. Wie sic h zeigen wird, interagieren die Programme vo n A hnlichkeil, Geheimnis, Unmillelbarkeil, Urspnlllg und A Jllhenli:d1ti1 wie Zahnräder einer größeren Maschine. Zugleich war es nicht möglich, diesen Gesamtko nrext vo n Beginn an vo llständig in de n Blick zu bringen, weswegen ich die Programme einzeln darstelle . D abei werden Ahnlichkeit und Geheimnis ausfü hrlicher behandeh und wcitestgehend vo neinander isoliert, was sich insofern an bot, als beide in vielerlci Hin sicht ko mplementär zueinander steh en. Um Wiederholungen zu ve rmeiden, werden Un",illelbarkeil, Urspnmg und A lIlhenliifläl dat,TCgen kompaher beschrieben. Zugleich wird es hier zunehmend unmöglich werden, mi t der Argumentation fo rtzuschreiten, o hn e die Interaktio n der P rogramm e in den Blick zu bekommen. Vo n daher wird die SJrnltlX der Programme in späteren Teilen der Arbeit zunehmend an Bedeutung gewinnen Ivgl. vo r allem IV. 1 und V. 1].
62
Ein rypisches histo risches Beisp iel rur das Auftrclcn einer ,ncuen' T cxtgattung sei gcnannl: Als sich im 18. Jahrhundert der ,bürgcrliche Roman' allmählich durchscrzl, fmdcn sich schI' deutlich konrurierre Lesermodelle in den T cxTen , ein deutliches Zeichen dafür, daß die Leser dieser ,neuen' T extganung noch der Le nkung bedürfen, die Rezeption also bti dir uktiirr e rle rnt wird ; solch e Ro llen zu sch reibu ngen und ,Lese mo d elle' sind wäh ren d d es 19. J ahrhunderTS slark riickJäufig und werden weitaus verdeckler voUzogen; vgl. ISER, Wo lfgang: Dfr impli!{jlt U /tr. KommunikoHonJjonmn du Rom(ln! ,.'()n BU'!Y(lN bis Buk,l. t-oIünchen: Fink 1972. S. 9f.
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5. Von den drei Arten, dieses Buch zu lesen Die Archäologie der Medienwirkl(flg verfolgt aufgrund des f,rtößeren Umfangs eine benutzerfreundliche Konzeption. Zielsetzung ist dabei, eine effiziente Lektüre auch für Leser mit Spezialioteressen und limitiertem Zeitbudget zu ermögli chen. D emgemäß gestattet dieses Buch drei Lescwcisen: (1) Als allgemeines Theorieangebot zur Mectienwirkung empfiehlt sich sicherlich die Lektüre in der vorliegenden, systematischen Reihenfolge. (2) Durch Einhalrung einer chronologischen Kapitclreihenfolge kann das Buch auch als umfangreiches Kompendium zur Geschiehe der Medienll'irkJmg benutzt werden: Antike 11. 1 111.1 IV. 1 V. 1 11. 3
Dcr ~'l)'thos der Ahnlichkeit: Rezeptionsweisen der T äuschung (2 rl/>''1I) .............. 33 O cr Mythos des Geheimnisses: Von Schleiern und Schwellen (ExodIlJ) ............. 156 Unmin clbarkcit zwischen Ahnlichkeit und Geheimnis .......................................... 335 Ursprung zw. Ahnlichkeit, Geheimnis, Unmittelbarkeit (Gmuü / Platon) ....... 392 ProtOtypen der Simulationstheorie (P L.r\TON / ARISTOTELES) ............................... 57
Sp ätantike - Mittelalte r 111 .2 11 1. 3 VI. I 11. 4 IV.2
DerReizderTiefe (A uGUSTINUS) ............................................................................. 173 ExklllJ": D er sprechende Kosmos, 1 (O HLY / FOUC,\ ULT) .......................... ..... ..... 203 Echt ode r gefalscht? (\'VOLfRAM VON E.scHENBACH) ............................................ 432 Lektüren der Berr:l.chrung (PSEUDO-BON/\ VENTURA / N,IO/!() jmfJalltHlHu) ...... .. .. 85 Gottunmittclbarkcir: Von Gesichten und Visio nen (Seuse / Bremano) ........... .. 339
Ne uzeit 111 .4 11.5 V I. 2 11.6 11. 7 IV. 3 11 I. 5 11 1. 6 11 1. 7 V.2
D ie Entstehung der Neugierde und der Fiktio nalität (D/\MPIER / D EFOE) ...... . 209 Rezeptio nsweisen der Illusio n (Lessing / Mendclssohn) ...................................... 101 Die Entstehung des Originals (YOUNG) ................................................................... 46 1 Schlechte und gute Ahnlichkeit: Kopie und Ideal (\'VINCKELMru'SN) .................... 117 Die Nachahmung des Subjekts (MORITZ / SCHLEGEL) ......................................... 135 H cn~cnsu nminclbarkeit: Empathie und Rührung (H ERDER) ............................... 365 Über Spannung und Lcsesuchr (LA ROCHE / WALPOLE / HOFFMANN) ........... 25 1 Die Wiedergeburt des Geheimnisses im Geiste der Kunst (GOETHE) ...... ... .. ... 280 ExkJm: Der sprechende Kosmos, 2 (NOVALlS) ...................................... ............... 314 Die Wiederkunft des Sinns (NOVAU S) ............... ...................................... .. .............. ..406
Au sb lick 11.8 111 . 8 IV.4 V.3 V1. 3
Fazit und Ausblick: Virtuelle Realitäten (PIqySlalion) ...................................... ........ . 15 1 Fazit und Ausblick: Va m Tod der Tie fe (Monira LtuinJkg) ..... ....... .... .. ... ....... ....... . 317 Ausblick (Ea/a!}) ......................................................................... .. ........ ........................ 380 Ausblick (HITLER / Gmftkmd) ..................................................................................... 423 Ausblick (Btg Brotbtr / Hitler- T agtbiitbt r / MithatlJack.ron) .. .................................... 486
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(3) Außerd em richtet sich das Buch aber auch an Personen, die sich beruflich mit dem Thema MedienwirkJmg auseinanderse tzen, an Werber, Regisseure, Journalisten, Medienmanager und so fort~ die sich für die Vorgeschichte der medialen Wirkungsmach t in teressieren. Solche Leser sollten sich durch Vorablektüre des Fa::(jts einen Überblick über die Gesamtkonzeption der Untersuchung verschaffen. Sie können dann über die dort eingearbeireten Hyperlinks (z. B. [11. 3]) nac h Lust und Laune weirerlesen. Vor allem fü r Leser oh ne philologisch -philosophische Spezialkenntnisse sind als Ankerpunkte auch die akruell und feuilletonistisch gehaltenen Ausblicke von N utzen, denn sie gewähren einen Einblick in die jeweilige Problemstellung ,aus heutiger Sicht', erl auben so einen schnelleren Einstieg in die ,archäologischen' Fallstudien und machen die übergreife nden Traditionslin ien sofort sichtbar. Auch in den Ausblicken und in den gesamten Tex t sind Hyperlinks eingearbeitet, die erlauben, die jeweils relevanten Themenbereiche geziel t anzusteuern. So kann jeder Leser nach eigenem GuSto durch den Text ,surfe n'. Zuletzt gestattet das Register eine schnelle Ansteuerung spezifisc her Aspekte. Vor allem Leser ohne um fangreiche kommunikationstheoretische oder philologische Vorkennmi sse können im Sachregister auch Fachbegriffe gezielt nachschlagen. Wenn ein Begriff auf einer Seite definiert oder für die folgende Argumentation zugrunde gelegt wird, dann ist die Seitenzahl im Register fe n hervorgehoben.
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11. Ähnlichkeit: Der Reiz der Simulation
Die Frage der Chinesen beim Anblick engländischcr Bildnisse, ob die Personen denn wirklich so fl eckig wären, als sie durch Licht und Schatten erschienen, kann uns darauf aufmerksam machen. daß GemäJdc nicht eigentlich täuschen, daß Einsicht und Gewöhnung dazugehön , um die \X'ahrhcit des Scheins in ihnen zu find cn. 63
1. D er Mythos der Ähnlichkeit: Rezeptionsweisen der Täuschung (Zeuxis) Ahnlicbktit ist hier Überschrift eines Kapitel s über Silllllllll;Ol1 und die mediale Erzeugung IJirlllfd/er IIVe/len. Z ugleich ist der Begriff jedoch keineswegs selbstcrklärcml, sogar in ve rschiedener Hinsicht irrcftihrend, und bedarf daher einer kurzen Klärung. Zunäc hst einmal gibt es keine überkommene Theorie mit dem Titel A hnljehkeil. 64 O cr T cnninus Ahnlichkeil spielt eine wichtige, aber dennoch sekundäre Bedeuwng in drei miteinander verwandten Themenseellungen, und zwar innerhalb (1) de,r Theorie der N achahmung (lIIilllesis) und des ~olis"'Jls, (2) de r Theorie des Bildes bzw. des ikonischen Zeirhem, und (3) der Theorie der JI/lfsion. Diese drei Theoriescränge la ssen sich locker den G rundelemenren der kom~J ScIll.I!GEt . August Wilhelm:
Nitbtbt- Sthrifttn und Britft. Bd. 1·6. 1·ln g. \·on Edgar Lohncr. Snutgart: Ko hlhammer 1962ff. Bel. 2: Dli Kunstuhrt, S. 87.
boI
Wie stets gibt es eine gewichtige Ausnahme. Bei Fo ucault ist der Begriff der Ahnlichkeit ein zentraler T enninus zur C haraktcrisicrung des \'onnodernen Spraehversti ndnisses; vgl. FOUCAU LT, Mich el: Dir Ordnung drr Dingt. Eint Arrhöologif Jfr HlIl1IanM-üstnsrhlljten. Frankfun/ M.: Suhrkamp 1966. Diese ein flußreiche Arbeit hat zahlreiche Fo lgepublikatio nen auch zum Aspekt der Ähnlichkeit angeregt. ,:gl. crwa n ~!-Icdic h FUNK. G erhard. Gen ~L\TrE..'1 KtOTr und Michael PA UE.N (Hrsg.): Astlxh'k du A bnlitbtn. Frankfun/ f'.L Fischer 2001 . Bei Fo ucault wird der Begriff jedoch nitht aus Dispositio nen der Simulation und dcr "';"'tlis aufgebaut. sondern aus J cr llnfllogia als Vcrhälmisentsp rcchung; dementsprechend läßt sich sein Ansatz hier nur bedingt intcgrieren. Ich werde die Problematik gesondert aufgreifen (111. 3/7(.
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munikativen Urszene, in der eine ,virtuelle Reali tät' entsteh t, zuo rdnen: (1) Ein Sender ahmt nach beziehungsweise stellt dar, (2) das mediale Substrat seiner nac hahmenden Mitteilung iM das Bild-Zeichtn (lkon), durch welches (3) der Empfanger ,getäuscht' beziehungsweise illudierl wird. D as Verbindungsglied, das aUe drei Stränge miteinander teilen, ist der Aspek t der Ahlllichkeit (der Begri ff Simulation, abgeleite t aus similis, ,ähnlich', weist dieses fund ament noch aus6~ ; und um es scho n einmal zuzuspitzen: D ie Ähnlic hkeit ist geradezu die Bedingung der Möglichkeit von Nachahmung, Bild, Reali smus und lllusioll. In der di skursiven Konfiguration von D arstellung, Ikonizität und Illusion erzeugt die Ahnlichktit dann das Phantasma einer Übtrschreitung der Medialität. D em Modell nac h akkumuliert das Zeichen Ähnlichkeiten und nähert sich dabei dem Referenten so lange, bis es idealerweise mit diesem ko nvergiert, seine eigene Zeichenhaftigkeit durchstreicht und die /lblJioll der Präsenz hervorruft. Wie noch ersieh dich werden wird [11. 3], ist die Programmatik der Ähnlic hkeit unauflöslic h mit Konzepten des Bildes verknüpft (auch wenn sie gleichwohl el'\va Sprache, Musik, Gestik und vieles mehr umfaßt). So verstan· den, mach t ein Kapitel ,Ä hnlichkeit' im Z usammenhang ,emphatischer Kommunikationen' Sinn - aus Sicht unserer Zeit, in der mediale \Virkunbrs macht tatsächlich innerhalb einer ,Bilderflut' erzeugt wird, in der ,Illusion' vorwiegend in der Sphäre der visuellen Wahrnehmung stattfinde t, in der medial er· zeugte Faszination in erster Linie in den virruellen Bildweiten von Film, Kino, Computerspielen und Cyberspace erlebt wird. Dagegen steh t vor allem der geschriebene Texl im I,'okus dieser Untersuchu ng. Es wird also auch zu zeigen sein , inwiewei t Bild und Text im Rezep tionsprozeß vergleichba r sind , eine Pragc, der ich mich gesondert zuwende (lI. 2]. Im abendländi schen Kulrurraum liegt di e Urszcne der Programmatik der Ähnlichkeit und der Erl.eugung t'irtllt/ler IY/elten in der griechi schen Antike. D as hat seine Erklärung vor allem in der zemraJen Bedeutung der An schauung und der visuellen Wahrnehm ung in der griechischen Diskursökonomie. Schon de r griechische tVlythos sah die göttlichen Kräfte al s sichtbare Gestalten und faß t sie in anschauliche Vorgänge. Nicht von ungef.ihr bedeutet Plarolls Idee, idell bzw. eidos "eigentlich" ,A ussehen. Gestalr'66, und die platOnische Erken ntnis wird stets im metaphorischen Peld der visucUen Wahrnehmung cntfahct. 67 In der griechischen Kosmogonie wird, im Gege nsatz zu dem heb räischen Pendant, nie gesprochen. 6S Vgl. KLUGE, Friedrich:
E!Jmolot!ioo lf/örlmJluh d" dtMISfhtn Sprutht. 22. Auflage. neu be·
arbeitet von Elm:,u Seebold. ß cdin, New York: de Gru)'ter 1989. S. 673 ["simulieren" l; bereits die Ancike kenn! die nmMlntio als ,Vo rspiegelung'. 66
Vgl. dazu BoRMANN, K2rJ: PI(l/on. 3., übcrarb. Aufl. Frdburg/ Br., ~'I ünch en : Alber 1993.
S.49. 61
Vgl. u. a. PLIITON: If/tr,tt. Griechisch und dCUlsch. H rsg. von Günther Eigler, übers. \'o n Friedrich D. E. Schlciermachcr. ßd. 1-8. Darmsradt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 7, S. 8 1 ITimaioJ, 47al; \'gl. auch HAGSTRUM. Jean H.: The Sültr Anl. TIN Tradition oJ Li/"a'Y Pir/onolüm und En&lilh Potlry from Da'dm /0 Gf'l!]. Chicago: Universiry of C hicago Press 1958. S. 5.
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Die griechische Kulrur ist spätestens seit dem 5. Jahrhundert auf eine hervorstechende \Veise von einer Faszination an Sillllflolionsmedien von der Skulptur über das Bild bis hin zum Theater geprägt. Das rief schon in der Antike im Rückblick Erstaunen hervor. Plinius berichtet in seiner Hisloria NaIlfralis [17 n. e hr.) über die Frühzeit der griechischen Kunst: ..ein Bild des Malers ßularchos [wurde] l... ] mit Gold aufgewogen ]... ]. So groß war bereits die Wertschätzung der Malerei l'(lIIla itWI dignolio piclJ(me emll. Dies muß wohl zur Zeit des Romulus der Fall gewesen sein l...]; wenn ich nicht irre, hat die Kunst bereits damals einen solchen Ruhm, eine solche Vollendung erreicht [lIIoniftsla ia", Ilfne c!,m·ltlle arlis, ardto absollllione]."6a Bularchos soLI in der zweiten Hälfte des 8. J ahrhunderts vor unserer Zeitrechnung tätig gewesen sein.69 Eine andere, bei Plinius überlieferte ,historische' Begebenheit eines \Vetrstreits zwischen den beiden Malern Zeuxis und Parrhasios, soll sich Ende des 5. Jahrhunderts zugetragen haben. Aufgrund ihrer durchschJagenden Wirkung läßt sich die Episode durch aus als Ursprungsmythos der bildenden Kunst bezeichnen:70 D ieser [ZeuxisJ habe so erfo lgreich [Ionlo mamo} gemalte Trauben ausges tellt, daß die Vögel zwn Schaupla tz herbeiflogen; Parrhasios aber habe einen so narurgetreu gemalten Iilo t'tnlole rrprmnlolol lcinenen Vorhang aufgestellt, daß der auf das Urteil der Vögel stolze Zeuxis verlangte, man solle doch endlich den Vorhang wegnehmen und das Bild zeigen; als er seinen Irrrum einsah, habe er ihm in aufrichtiger Beschämung den Preis zuerkann t, weil er selbst zwar die Vögel , Parrhasios aber ihn als Künstler habe täuschen lfifeliJJt~ kö nnen .71
Die ungeheure Bedeutung dieser kJcinen Erzählung in der abendländischen Tradition läßt sich daran ablesen, daß durch die gesamte Kunstgeschichte eine Vielzahl vergleichbarer Geschichten erzählt werden , die in ihrem theoretischen Kern exakt wie der antike Mythos funktionieren. Beispiele aus der Antike wäre n erwa: "E in Hengst sucht die von Apelles gemalte Srute zu bespringen; Wachteln fliegen auf ein Bild zu, auf dem, als Narurgegenstand, ProtOgenes eine Wachtcl gemalt hat; das gemalte Bild einer Schlange bringt das Zwitschern der Vögel zum Verstummen"; aus der Zeit der Renaissance: " Das Lamm, das der heilige Täufer J ohannes auf einem Bilde des Tizian im Annc
608 PLiNIUS SECUNDUS der Altere:
Nalllrlumd,. L:ncinisch-dcutsch . H rsg. und übers. vo n Rode-
rich Kö nig. Dannsudt: Wiss. Buchges. 1978, Bd. 35, S. 49 [XXXV, 55-561. 6'J
Vgl. T I·U8.IE, Uleich und Felix BECKER (H rsg.): Allgtmrinu Ltx;kon der bildtndtn KiinJlltr. Bd. 1-37. Leipzig. Engelmann 1907ff. Bd. 5, S. 213f.["Bularchos"J.
70 Vgl. zur Bcdcurung dieses M)'lhos im Kontexi der Asthetik auch KOR......'ER. Hans el al. (H rsg.): Die Trollbtn du Z'II..\"iJ. Formen kiinJtlmidx r UYirkJirhleriIJ,!nrignllng. Hildeshcim el a1. : Olms I 990, so~e SCHLÜTER. Renale: Zm:,:iJ lind PromtfbtllJ. Die Oberuindllng du j\ larhahmlingJ' Jeon~pfJ in tftr A JfhttiJe der FriihromanfiJe. Frankfun/ r-.·I. CI al. : Lang 1995. 71
N alllrlumdt. Lateinisch-deutsch. Hrsg. und übers. von Rodeeich König. Dannstad t: Wiss. Buchges. 1978, Bd. 35 , S. 55 [XXXV, 64-6 51.
PUNIUS SECUNDUS der Ältere:
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trägt. soll ein Murrerschaf zum freudigen Blöken veranJaßr haben" , von einem "Bildnis Dürers" wird berichtet, daß "ein Hund es für den Herrn selbst hielt". " Dem Bildnis Paul I I I. von Tizian wird, als es zum Trocknen im Fenster steht. von Passanten, die das Bild für den Papst selbst halten, Reverenz erwiesen [... 1. ähn(jch etgeht es mit Rembrandts Bildnis seiner Dienerin"; "Philipp II. soll das Bild seines Va ters, das Tizian eben vollendet hatte. für die Erscheinung seines VaAbb. 7: Die Ents tehung des ,Realismus' in der lers selbst gehalten hagriechischen Malerei läßt sich vo r allem durch erhaltene ben und dem auf dem Mosaike erahnen. I-lier ein Detail alls A ll xrmdm Jirg iilm Bildnis des RaffacI darD ruillS aus Pompeji. gestellten Papst Leo X. reicht ein Kurienkardinal Time und Feder zur Unterschrift"; im viktorianischen England lassen sich Bienen an den von Mallais gemalten Blumensträußen nieder. 72 Solche Variationen zum Thema belegen. daß der Zeuxis-Mythos und seine implizite Kunstmeorie Prorotyp des Programms ist. welches Rezipienten von der Antike bis hin zum Kinobesucher oder Computerspieler unserer Tage so steuert, daß sie sich durch ein mediales Artefakt als Simulation einer Wirklichkeit, als ,virtuelle Realitä t' faszinieren lassen. Tatsächlich ist die kurze Geschichte eine Mikrotheorie der Ähnlichkeit; ihre wichtigsten impliziten Aussagen sind: (I) Entscheidend für den Wen einer medialen Darstellung ist die I l'7irklif~ bei dem Re~itnft1l, seine Bewertung ist die allein gültige. Das entspricht der Grundsiruation jeder emphatischen Kommunikation: Man kann das Angebot annehmen oder ablehnen. Dabei spielt es keine RoUe. daß es hier T iere sein 72
Alle Beispiele sind zusammengestellt aus KRI S, Ernst und OHO K URZ: Die Lryndl IIO HI j(ibutllr. EingtJrhirhtlir/xr Vmllth. Frankfurt / ~l : Suhrkamp 1995, S. 89-92; hier fmd en sich die bibliographischen Hinweise.
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kö nnen, die auf die Darsrellung ,hereinfallen' und sie mit dem Gegenstand ve rwechseln; ganz im Gegenteil erfüllen sie hier die Punktion eines ,objektiven Maßstabs,.n (2) Der Bewenungsmaßstab beläuft sich hier allcin auf den Aspekt der Ahnlirbktil: D er hervorragendste Künstler ist zugleich derjenige, dessen Kunstwerke den Referenten am gc nauesten reproduziert und den Rezipienten ,täuscht'. (3) Das täuschend ech te Kunstwerk er.leugt eine virtuelle Wirklichkeit, weIche zugleich in ein sekJmdäreJ Verhältnis zu einer primären Wirklichkeit74 gestellt wird (et\.va ,echten T rauben'). Im geschilderten Extremfall einer TällIchung des Rezipienten muß dabei zwischen einem Beobachter erster und zweiter O rdnung unterschieden werden [11 . 5] . D as Radikal der ,Täuschung' betrifft nur den Beobachter erster Ordnung, der (so die Geschichte) kein Bild, sondern etwa ,Trauben' oder einen ,Schleier' wahrnimmt. E in Beobachter zweiter Ordnung kann die Täuschung durch schauen und auf Ähnlichkeit zurückführen (Beobachter wie Zeuxis können so auch retrospektiv ihre eigenen Beobachrungen beobachten und im nachhincin ihren eigenen Irrtum crkcnnen).75 E rst die BeobachTUng einer Diffrrenz zwischen Signifikant (,Zeichen') und Signifikat (,Bezeich netem') führt zur Diagnose der Ähnlichkeit, in den Wo rren Sonessons: "u sign can be apprchended as being similar tO whar ie stand s for, onIr to the ex tcm [hat is has been recognizcd as being different from ic. lconiciry is si",i11m"!] 0" tbe baclegrormd oJ disJimil",ity."76 Das Ähnlichkeitsuneil des Rezipicnten basiert also auf einer latent midaufenden Wirklichkeitsreferenz.n (4) Damit steht dem Rezipienten ein Binärcode zur Verfügung, ,ähn lich / unähnlich', mit dem man Ko mmunikationen cntweder den posidven oder den negativen Wert zuweisen kann. Die Unterscheidung der Ähnlichkeit wird als ,analog', nicht als ,digital' beschrieben: Ein Bild kann ,ähnlicher' als ein andcres sein. 78 Dennoch ist der Code in seiner Z weiwertigkeit kategorisch:
13 So auch GOMBRICH, Ernst H.: .. ~1cditations o n a Hobby Horsc." In: E. H. G.: Mtdüalion! on o l-lobi?J HorJt and olmr w'!!! on Iln tlHory aft. London: Phaido n 1994 [1963), S. I- l i , mer S. 5:
of
"ror thc birds tO fl)' at the painring is a sign of a complcle ,objecrivc' illusion." .~ Auch hier gih: Wie fragwürdig die Unlerscheidung aus theoretischer Sicht auch immer sein
mag -
dies ändert zunächst nichts an der Faktizität ihrer Verwendung. Vgl. auch FElD MANN, Harald: Mimw ,md lf/irkJjlhIuiJ. lI.Iüochcn: rink 1988, S. 17.
1~ Vgl. dazu bereits PAP, Julius: Ivm!J ""d IIbllio". Leipzig: Vcit 19 14, S. 4-6. 7~
SONESSON, Göran: Pifton"aICo"«pIJ. Lund: UP 1989, S. 22 1.
n An anderer Stelle f1iegen bei Plinius Ra~n an "täuschend ähnJich gemalte D achziegel" heran (ad /tg"hru", si",ilil"r!i"tm 10m· dtrrpli imagi"e adl/()km"t;. PUNIUS SECUNDUS der Altere: Na/"r· leII"dt. Lateinisch -deutsch . H rsg. und übers. von Roderich König. D annstadr: Wiss. Buchges. 711
1978. Bd. 3S. S. 27 1XXXV. 231 . Vgl. auch SOIOLZ, O liver R.: Bild, Danltlhm& Zarm". P!Ji/osophiJrhe T lHorien bildhaft" Darsttll",,/,. Frciburg/Br., München:
t\l~r
199 1, S. 20.
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Er ist kanon, krilenon, regJ(li 9 , fungi ert hier gar als Spiel regelin einem \Ve ttstreit. Die Rezipienten des Zcuxis·Mythos führen ihre Beurteilung vo n Kunstwerken ausschließlich auf Grundlage dieser einzigen Binäropposirion, ,ähnlich / un ~ ähnlich', durch, und entscheiden daraufhin, ob sie annehmen oder ableh nen beziehungsweise welchen Wert sie dem Bild beimessen. Die Ähnlichkeit determiniert hier den Wert und die Wirkung des Kunstwerk s, und tatsächlich gilt: " illusio nism was the ideal and the goal of ancient art".80 Die Anwendung dieses Kriteriums von Z euxis und Parrhasios ist in unserem Beispiel insofern obsessiv, als es gemäß der Logik der Geschichte gänzlich irrelevant ist, /IltiS nachgeahmt wird, es ist die Ähnlichkeit selbst und ihr Effekt, die ,T äuschung', welche Vergnügen bereiten: "D enn von Dingen, die wir in der Wirklichkeit nur ungern erblicken, sehen wir mit Freude möglichst getreue Abbildungen [eikonal], zum Beispiel D arstellungen von äußerst unansehnlichen Tieren und von Leichen"sl, wird AristoteIes das fo nnulieren. Das rechtfertigt Parrh asios' kurioses Pro jekt, ein G emälde herzustellen, welches bloß einen Schleier abbildet. Derselbe Absol uti smus der Ähnlichkeit findet sich auch in einer weiteren Anekdo te über Zeuxis. Dieser "soll auch später einen Knaben gemalt haben, der Trauben trug; als Vögel hinzuflogen, trat er erzürnt 1... 1 vor sein Werk und sagr,e: ,Die Trauben habe ich besser gem alt al s den Knaben, denn hätte ich auch mit ihm Vollko mmenes geschaffen, hätten sich dic Vögel fürchten müssen. " 'S2 Bis hierhin ist der Zcuxis· Mythos lesbar als Prototyp eines Faszinatio nsmus ters, welches bis zu den ,täuschend echtcn' Simulatione n des Cyberspace Gültigkeit besitzt. D abei ist bemerkenswert, daß sic h die Aktuali tä t der G eschichte bis in die unerkannte n Vorausse tzungen und Inko härenzen dieser Rezeptio nsweise hinein fo rtsetzt. Der T ext installiert zwar ko nse'luem das Kriterium der Ahnlichkeit des abbildenden Gemäldes mir seinem O riginal als Steuerungsgröße. Aber bei näherem Hinsehen gerät scho n der mitlaufende U7irklichkeilsbeZllg der Ähnlichkeitsbeziehung ins Wanken. Die Rel atio n der Ähnlichkeit soUja zwischen dem Bild und der If/irklirhkeit bestehen - erst ein Iso mo rphismus zwischen dem Bild -Zeichen und seinem Gege nstand würde di e Zeichenrelatio n motivieren. N un find et im Falle des Zeuxis· M)'thos gar kei· ne Prüfung Statt, inwieweit die G emälde den ,wirklichen' Trauben beziehungs. weise SchJeiern ähneln - Vögel und Parrhanios erkennen die Gegenstände
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So fo nnuliert Luh mann im Zusammenhang de r Theorie symbolisch generalisierter Ko m m uni ka tionsmedien im Falle der Rclig1on; LUHMANN, N ilu as: Oft Rrligioll drr Cmlurhrifi. Frankfurt / M.: Sulukamp 2002, S. 93.
110
D 'OTMNGE MASTA I, r-.brie-Louise: 1II11non in An'. Trompe l'Otil A /-/üIOry mI",. London: Seckcr & Warburg 1976, S. 46.
81
ARISTOTELE$: Potlile. G riechisch-D eutsch. Übers. und hrsg. \'o n Manfred Puhrrnan n. Stuttgart: Reclams 1994, S. 11 P 448bJ.
I!.Z
PUNIUS SECUNDUS der Ältere: Nalur/eNndt. Lateinisch-deutsch. H rsg. und übers. \'on Roderich König. D annstadt: Wiss. Buchges. 1978, Bd. 35 , S. 55 / 57 1'XXXV, 66].
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oJ Pirlorial llhmo-
einzig und allein aufgrund ihres VonvisJtnI der dargestellten Gegenstände. Dieses Detail bringt tatsächlich die gesamte Lehre des ,natürlichen Zeichens und der mimtsis ins Wanken. Denn es ist ein kategorialer Unterschied, ob die Ähnlichkeit der ,natürlichen Zeichen' in der Na/llr, in der Wirklichkeit verankert ist, oder ob sie auf die Erkennungsmuster des Rezipienten zurückgeht. Denn das ,natürliche Zeichen' soU sich ja gerade dadurch privilegie ren, daß es nicht ,bloß' auf einer erlernten Konvention beruht, sondern ,mehr' ist, es soll in den Dingen selbst begründet sein. Die Implikationen erscheinen im Falle des Zeuxis-Mythos banal, aber was sie bedeuten, kann man sich eigentlich nur verdeutlichen, indem man die ,natürlichen Zeichen' unserer Zeit, die Photographien, die Filme, herbeinimmt: Sind sie denn gar nicht ,in den Dingen selbst' fundiert, beruht ihre Darstellung, wie die der Schriftzeichen, einzig und allein auf ,Konvention', aJ so auf erltrnten Vorstellungsbildtm, sind sie letztlich auch nur ,abstrakt' wie ein Tex t? Der daraus resultierende Verdacht, daß es sich bei dem venneintlichen Wirklichkeitsbezug des ähnlichen Zeichens um eine Sc himäre handelt, die ta tsächlich nur auf erlernten Mustern der Wiedererkennung fundiert ist, wurde in zeichentheorecischen Kontexten schon früh artikuliert. Eine besonders prägnante Passage bei Auguscinus lautet: j
Es suchen alle nach einer Beziehung, bei der sich der bezeichnende Ausdruck und das zu beschreibende D ing runlichst ähnlich sind Inblls q"(Jt signiji((Jnlllr similio sin~. Weil aber ein Ding einem anderen in viel fac her Beziehung ähnlich Isimiltl sein kann, so haben solche Zeichen unter Menschen keine allgemeine Geltung, sofern man sich darüber nicht eigens verständigt Inisi rollStllSliS (Jcre· dOII·' 3
Diese Passage fUhrt auf direktem \'(Iege zu der zweiten, noch gewichtigeren Leerstelle innerhaJb de,r impliziten Ähnlichkeitstheorie des Zeuxis-Mythos. D enn tatsächlich fehlt jegliche Aussage darüber, Oll! wtkbt l17rist sich ein BildZeichen als ähnlich qualifiziert. T atsächlich war bereits in der griechischen Antike das Konzepr der Ähnlichkeit im Kontext kriti scher Prüfunge n umstrittener, als man annehm en möc hte. Pro tagoras antwortet einmal Sokrates, der, wie sich später zeigen wird [11. 3), ebenfalls ein Verfechte r der Ähnlichkeit ist: jedes Ding ist jedem Dinge gewissermaßen ähnlich. Sogar ist auf eine Art das Weiße dem Schwarzen ähnlich und das Harte dem Weichen, und was sonst einander am meisten eIlIgegengesetzt zu sein scheint I... ). Eins ist wie das
!I)
AUGUSnN US, Aurelius: AlIsgtuvihl/t S{hnfttn. Bd. 1- 10. München: Köse! & Puslel 1911 ff. (= Bibliothek der Kirchenväter). Bd. 8: AlIsgtu'öhl/t proluisdx S{hnltt" homilthsdx" lind ktJ/uJxh.f(Jx" J"haIJs, $. 85f. lOt domina Chns/jana H, 25].
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andere, so daß du auf diese Art auch das beweisen könntest, wcnn du woll tcsT, daß alles einander ähnlich ist. 6oI
Dieser Einwand von Protagoras ist kaum zu entkräften, und Sokrares nU[zc daraufhin nicht die Gelegenheit, den Begri ff der ,Ähnlichkeit' näher zu erläutern. Tatsächlich schweigen die Texte seit der Antike, wenn es um die Klärung dessen geht, was als ,ähnlich' zu gel ten hat, oder aber die Ausführungen werden ungelenk: D er Begriff der Ähnlichkeit ist notorisch umerbestimm r.85 Wie gehr der Zeuxis-Mythos mit dem Thema um? Tatsächlich umgeht er das Problem auf dieselbe Weise, wie das im Rezeptionsprozeß bis heure geschieht. Denn es bleibt unausgesprochen, was das ,Ähnliche' ist, ebenso, wel che Aspekte der Darstellung ,ähnlich ' zu sein haben, die Geschichte fokussiert sich f,ranz auf die Rezipientenperspektive. Der einzige \Veg, das Funktionieren des Programms zu prüfen, ist hier per trial und error - durch Testläufe mit Versuchspersonen also, die auf die Darstellung ,hereinfallen' soll en. Es ist nicht bekannt, weshalb die Bilder erst von den Vögeln, dann von Parrhasios als ähnlich decodierr wurden. E ntscheidend ist, daß es geschehen ist, und vielmehr: Daß die Logik der kJeinen Geschichte das als Selbsrve rständlichkeic präsentiert. Es muß darüber also nicht gesprochen werden , es ist doch kJar. Und genau dies ist der Grund, warum Ähnlichkeit nie zum Gegenstand einer eigenständigen Theorieb ildung geworden ist: Weil Ähnlich keit stets als das Vorausgesetzte in den ze ntralen Theorien medialer Repräsentation fu ngie rt hatte, so selbstverständlich, daß man es nicht noch einmal zu erklären hatte. So gesehen, vollzog sich die Selbstreprod uktion der Simulation auf der Basis einer Leerstelle, und sie lief nur durch den perfekt gerarnten blinden Fleck in ihrem Zentrum so geschmiert: dem Begriff der Ähnlichkeit - verborgen womöglich hinter dem Schleier des Parrhasios.
800
PUTON: IWrrkt. Griechisch und deutsch. H rsg. von Günther Eigler, übers. von Friedrich D . E. Schleiermacher. Bd. 1-8. Damm adt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 1, S. 141 WrolagoraJ, 331 d].
85
Plawn schweigt sich zu diesem TIlema aus; Aristoreles eTWa definien teils taulOlogisch, teils offen: ,,Ähnlich heißen Dinge, die voUständig vom Identischen affizien werden, ferner Dinge, die mehr vom Identischen als vom Verschiedenen affizien werden, und Dinge, deren Qualität fine ist; auch das nennt man einem anderen Dinge ähnlich, was mit ilun die meisten oder wichtigsten Gegenteile gemein hat, innerhalb deren es sich verändern kann"; ARISTOTEW S: A'lllapl!Jn·k.. Hrsg. und übers. von Friedrich Bassenge. Berlin: Aufbau 1960. S. 119 [10 18a]. In diesem Sinne hätte Protagoras recht: Schwan und Weiß ließen sich durchaus als ähnlich beschreiben . Offen bleibl auch, welche Eigenschaften d er ,Wirklichkeit' relevant sind. um im r.,·tedi um ,nachgeahmt' zuwerden, und welche sich der Künstler sparen kann. Man könnte eine Reihung aus Platons Kratylos extrapolieren, und zwar die ,Eigenschaften' anführen, in denen die Laute dem Sein ,ähnlich' sein sollen; da die Sprache das ganze Sein abbildet, müßte der IoGtalog der Eigenschaften ebenso vollständig sein; diese ergeben dann aber folgende malerische Reihung: Bewegung Ir], D urchdringung [i], unruhige Bewegung [ph. ps, s, z] , Stillstand Id, I], Glätte [11, Schlüpfrigkeit IgII, Innerlichkeit Inl, Größe la. cl. Rundheit 101. PUTON: IWtrke. Griechisch und deutsch. H rsg. von Günther Eigler , übers. von Friedrich D. E. Schleiennachc.r. Bd. 1-8. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 3, S. 529-53 1 IKra~/os, 426a-427dl ; "gI. GENbTrE, Gcrard: Mi!1lolo§ktn. Rtisl nach Kratl/irn. Übers. von M. von Killisch-Ho m. München: Fink 1996 (1976], S. 38.
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2. Theo rien des Bildes (PEIRCE/ GmmRlCH / Eco / A UERBA CH)
Jn
den letzten Jahrzehnten ist da s Paradigma des Bild·Zcichens durch ex tensive Anstrengu ngen th eo retisch erschJossen word en. Umfangreiche Arbeiten aus einer Reihe von Disziplinen, ange fan ge n von der Kunstgeschichte über die Psychologie und Kognicionstheorie bis hin zur Semiotik sowie der neu entstandenen ßildscmiocik haben die Theorie des natürlichen ZeidJtNs einer fundamentalen Revisio n unterzogen. Die Ergebnisse soUen kurz referiert werden und die folgenden Anal)'sen in den Kontext der akrueUcn Theorien der Iko nizität steUen. Prinzipiell bestand seit der Antike kein Zweifel an der Ztichenhqfiigkeit des Bildes und seiner inhärenren VtnlJeisllngss/nlkfllr, fraglich war allenfalls die Na rur der Rela/ion zwischen Signifikat und Signifikant. Für die kJassische, referentielJe Zeichentheone steUre sich hier kein gravierendes Problem, denn sie konnte die abstrakten, sprachlichen Zeichen auf Konvenlion zurückführen, die ikonischen Zeichen dagegen durch Ahnlichkeit mit dem bezeichneten Oo/eh mo tivieren. Das Bild-Zeichen würde dann ,Eigenschaften' mit dem Gegenstand teilen, die Motivation des Zeichens würde garantiert durch seine Fundierung in der Sph äre der Gegenstandswelt. Dieses Modell wurde jedoch durch die Z urückweisung des referentiellen Zeichenmodell s ins Wanken gebracht und letztlich zertrümmert. Bereits die früh e Semio tik entdeckt die "exrensio na1 fallacy".116 Schon Peirce erkennt im letzten Viertel des 19. J ahrhunderts zumindest ansatzweise, daß die Objek tseite des ,semiotischen Dreiecks' Ge nach T erminolobrie Ausdruck, Inha1t, fVJertnl, bei Peirce Representamen, Interpretant, Objeh, bei Ogdon / Richards Symbo l, Re ferenz, Rrftrtnl) obsoler ist: Tatsächlich lassen sich Zeichen nicht durch den Rekurs auf den bezeichneten ,Gegenstand' definieren, sondern ausschließlich durch den Verweis auf andere Zcichen87 (eine Erkenntnis, zu der 86 117
Eco, Umbcrto: A Thtory 0/ Stln;onrJ. Bloomingron: Indiana Univcrsity Prcss 1976, $. 62. Symptomatisch ist dabei, daß das Ob jekt zwar noch einen Platz in Pcirccs triaruschem ZeichenmodeUerhält ~,A sign stands for something 10 the idea which il produccs o r modifies. [••. 1That for which ir stands is caUed is objtrl); dieses wird jedoch zugleich ,deko nstruiert': ,,111Co bject of represcmation can bc nothing bur a reprcsemacion fo which the first representation is the interpretam. But an endlcss sen es of represcmations. cach rcprescnting the o ne bchind it. may bc conecivcd tO ha\·c an absolute objcct as its limit. TIN 1I1tall;nl. of Q rrj>rrJtl,/alion ((In bt nOlhilll. bill (I rrprmlllalioll. In fact, it is no ming but the rcpresemacion itsclf conceived as strippcd of irrele"ant d o thing. Rut this dmhing ne"er can bc completdy strippcd off; il is o nl)' changed for something more diaphanous. So there is an infinite regression herc. Finally, the intcrprctant is no thing but another rep rescmation tO which thc torch of tTUth is handed alo ng; and as rcprcsenl3tion, it has its interpretant agam. Lo, anm her infinite sen cs." P EIRCE, Charles Sanders: Colltrltd PafNrr. Ud. 1-8. Hrsg. von Chades Hamtone und raul Weiss. Cambridgc: Harvard UP 193Iff., 1.339; "gI. erwa Fo nn ulierungen wie: "thc Sign and thc Explanation togethcr make up another Sign, and since the explanatio n wiU bc a sign, it will probably require an additional explanatio n, which taken together with the already enla.rged Sign will make up a still larger Sign; and proceeding in thc same way, we shall. o r sho uld.
41
auch N ierzsche auf anderem Wege gelangt~ - Eco nennt diesen Sac hverhalt einer rein binnensys remischen Verweisungss rrukrur das Prinzip der IInend!;rhen SelJliose.89 Aus dieser fun damentalen Einsicht speiste sich letztlich der /ingllislir Iltm in den G eisteswissenschaften, sie inspirierte den Strukturalismus, den Konstruktivismus und poststrukturalistische Theoriebildungen, welche all esamt das Band zwischen Zeichen und Gegenstand kappten und das Augenmerk fortan auf die Bif1llellfunktionalität der Zeichenmarrizen legten - vo n Interesse sind sei tdem Symbo/.rysleme, DiskJ(rse, KOlllflllmika/ions!Jsleme, (JI(lopoielisehe Sysleme. E s versteht sich, daß das Leitparadigma dieser Epistemo logie der Texl ist, fast möchte man zuspitzen: die Tex lur. Dagegen mußte das IkO!1 und seine per se emphatische Verbindung zum Gegenstand (Ähnlichkeit) eine Herausfo rderung, ja geradezu eine Provo katio n sein für Theo rien, welche erfolgreich darlegen ko nnten, daß Systeme ihre Rationalität aus sich selbst heraus, nicht jedoch durch den Rekurs auf eine außersys temi sche ,Wirklichkeit' ko nstruieren. Dami t wird das Bild un d seine Ähnlichkeitsrelatio n aber zum T estfall für epistemologische Fundamem alprobleme: ..What is at stake here are issues such as the l...] debHe between reali sm and no minalism , and th e concepts of nature and culture, rheir bo rderlines and im errelatio ns."90 Ganz symp tomatisch für die Schwierigkeiten, we lche das Bild-Zeichen den neuen theoreti schen Basisannahmen bereitete, ist die frü he Erschließ ung des T hemas durch Peirce.9 1 Ik o nische Zeic hen im hergebrach ten Sinne - Pcircc nennt sie auch H)'P0ikons (ep 2.276) - werden (erstaunlic herweise) im Rückgriff auf die klassische T heorie d urch ihre / fhn/ichkeil mit dem O bjekt definiert uhjmatcl)' reach a Sign of itsclf, containing ics own explanation and t.h ose of all its signifying pans; and according 10 this explanatio n each such part has some other pan s as its Obiect.·'
Ebd., 2.230. 81!
89
N ierJ:sche beschreibt das Sprachsyslem als "bewegliches Heer vo n r-,·Ietaphem. Metonymien. Anthropomo rp hismen kurz eine Swrunc von m enschlichen Relatio nen"; und : " alle diese Relationen IvclWeiscnJ immer nur wieder auf einander" (N 1E·17..Sc/-IE, Friedcich : Saintlirbr If/trkt. KritiJrhe SllIditnaJlJgobe. !-I rsg. vo n Gio rgio CoUi und Mazzino r..-Io ntinari. ßd. 1-15. München ct a1: drv,dc G ru}'lcr 1988. ß d. I, S. 880 und S. 885); dieser IJIffaphorologiJdx Ansatz \.vird dann später \·0 11 der D cko nsrruktion aufgeno mmen und präzisiert; "gI. D ERRID1', Jagues: " D ie weiße ~·f ythologie. Die r-.k ra pher im philosop hischen Text." In: J. D.: Ivmdgiingr d(rPhilosophie. H rsg. von Peler E ngclm ann. W ien: Passagen 1988, S. 205-258, S. 344-355.
Eco, Um berto : A TbfOry of Srmio!irs. ßloomington: Indiana Universiry Press 1976, S. 68; vgl. DE r..-L\N, Pau!: A lltgonu ofPJading. Figllral u mglloge in RouJJrou, NitZ1rht, Rillet, lind Pro/lif. New H ave n, La ndo n: Yale Universic}' Press 1979, S. 9: "The interp retatio n o f lhe sign is no t, fo r Peirce, a meaning but anothcr sign; it is a reading, not a decodage, aod Ihis reading has. in its rum, 10 bc inrcrp rcled into ano ther sign, and so o n (ld infini/IIN1."
'XI
91
) OHA,,/Srr...,', Jo rgcn D ines: D;ologir SrmiosÜ. An E!!try on Signs m,d Mraning. ß loomington , Indianapolis: Indiana UP 1993, S. 90. PEIRCE, Charles Sanders: Collrrlrd Popm. Bd. 1-8. Hrsg. von Ch arles H anstone und Paul Weiss. Cambridge: H arvard UP 193 Iff., im Fließtext zitiert als C P und der anfolgendcn Stellenangabe nac h der N otierung dicscr Ausgabe; vgl. zur Theorie der Iko ruzirät bei Pcirce RANSDEu ... Joseph: "The Epistcmic Functio n o f Iconid ry in Perception." In: Pt;rre-Sflldin t
(1979),5. 51-66.
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(hier bleibt I>eirce hinter seinen eigenen Ko nzeptio nen zurück): " the relatio n berween the sign and its ob ject [... 1consists in a mere resemblance between them. I call a sign which stands fo r so mething merd }' because it resembles it, an ironH (C I> 3.362); und: "a sign ma)' be ironie, th at is, ma)' represem its o bject 2.276). Z ugleich wird der Begriff der Ähnlichkeit mainl y b y irs similarity" jedoch deko nsrruiert; .. alles listl mit allem anderen sowo hl ähnlich als auch unähnlich" ,?2 heißt es etwa , und: "An)'thing whatevcr [... 1 is an !co n o f an)'thing, in so far as it is like that thing" (C P 2.247). Peirce übernimmt also zwar die Vo r!:,Yaben der Traditio n ftir d ie D efmiti o n der Iko nizität, registriert aber zug leich die vö llige Unbes timmtheit des definirori schen Begri ffs d er Ähnlichkeit. D ieser innere \Viderspruch in Peirce's Theorie des Iko ns wird aber nur noch verstärkt d urch seine These vom Universalismus des Semantischen. Wenn nämlich nach I>eirce nicht nur die Sprache, so ndern auch alle Wahrnehmungsprozesse einen semantisch en Charakter haben, dann liegt das Fo lgepro blem auf d er Hand : D as gesamte Feld der visuellen \'\fahrnehmung hätte es nich t mit ,Dingen', so ndern mit ikonischen Zeichen zu tun.'}} In diesem Sinne verschwimmt dann Peirces zweite Ko nzeptio n des lko n, das reine lk on, mit der Imllliltelb(/ren OlyekiuJ(/hmehlllllng. .. in contemplating a painting, there is a mo me nt w hen 'we loose the conscio usness that it is not the thing, the distinction o f the real and thc cop)' disappears, and ir is fo r the mo mem a pure dream 1...[. At that mo mcnr wc are conremplating an iron." (CP 3.362). Die beschriebene Suggestio n d er Illusio n weckt Reminiszen zen an den Z euxis-M)'tho s. Zugleich ha I Peirce an diesem Punkr, möglicherweise o hne d ies zu durch schauen, das Iko n bereits zertrümmert, denn es verwandelt sich in eine reine Paradoxie: E inerseits so ll das gesamte Feld der Wirklichkeitswahrnehmung zeichtnhaft sein - zugleich überschreitet aber d ie lk onii}liit der Kognitio n die Zeichenha ftigkcit und verwandelt sich in IInmillelbore If/ahmehtmmg. Dieser fundamentale Widerspruch läßt sich noch weiter entfalten:
(er
To eharaercnzc an icon as a sign which dcsignates merely bccausc of a Iikcness is to impl)' that similarity is a sufficicnt ground of iconic rcprcscmation. This implieation leads [Q absurd eonsequenecs. Ir would rcquirc
9l P I!IRCE, Ch arIes Sanders: "über die Einheit kategorischer und h)'J>Othcrischer Propositionen ." In: C. S. P.: StmiIJliJdN Sfhriften. Bd. 1-3. H rsg. und übers. von Christian Kloescl und
H elmut Pape. Frankfun / M.: Suhrkamp 1986 11 8961. Bd. 1, S. 230-269, hier S. 253. 91
VgJ. NOTli, Winfried: Handbuch dtr Stmio/i!t.. 2., neu bearb. Aufl . Srun gan. Weimar: Metzler
2000, S. 193-196.
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objcct available as known o r rcmembcrcd, sincc an)' rwo or ",ore objects resemble each other in somc respect_94
Peirce gelangt noch nicht zu der einzig möglichen logischen Konsequenz aus seiner Umkreisung des Problems: ,,A convention or mle 0/ interpretation /JIUst fSMblish thegrollnd ot the representation (and accordingfy signification) 0/ the icon" - so fo rmuliert es Greenlee_95 Damit zerr,illt jedoch der Unterschied zwischen dem ikonischen und dem normalen Zeichen Qetzteres nennt Peirce S)'f!lbo~, der ja in der unterschiedlichen Zeicheruelation begründet sein soUte (das lkon repräsentierte qua Ahnlichkeit, das Symbol qua Konvention): Wenn das lkon ebenfalls auf Basis einer Konvention repräsentien, dann ist es ,eigentlich' ein Symbol. D as heißt: Es gibt keine Ikons, sondern nur Symbole. Genau diese Schlußfolgerung wird dann auch in der Erforschung des ikonischen Zeichens vor allem in den sechz iger und siebziger Jahren gezogen. Der Titel eines Aufsatzes von Biennan , 1962 veröffentlicht, ist diesbezüglich eindeutig: ThaI there (Ire no Iconie Signs.% Einflußreich war vor allem Umberto Ecos Kritik der Ikonizität. Morris hatte noch an dem referentiell en Modell und einer gradueUen Skala von lkoni zitätssrufen festgehalten: "Ein Zeichen ist in dem Maße ikonisch, wie es selbst die Eigenschaften seiner D eno tate hat l...j. Das Porträt einer Person ist in hohem Maße ikoni sch, aber es ist nicht völlig ikonisch, da die bemalte Leinwand nicht die Beschaffenheit der Haut oder die Fähigkeir zu sprechen oder sich zu bewegen hat, wie es die po rträtierte Person aufweist. Ein Film ist ikonischer, aber auch er ist nicht völlig iko nisch."97 Dagegen wendet Eco ein: Was bedeutet es denn, wenn man sagt, daß das Po rträt, das Annigoni von der Königin Elisabcth gemalt hat, dieselbcn Eigen schaften wie die Königi n Elisabeth hat? Der gesunde Menschenverstand antwortet: Weil es dieselbe Foml dcr Augen, der N ase [... 1 hat. Aber was heißt d enn ,dieselbe Form der N ase'? Die Nase ist dreidimensional, während das Bild der N ase nur zweidimensional ist. D ie Nase hat, aus der Nähe bctrach tet, Po ren und kleine Unebenheiten [...1.'"
,. GREENLEE, Douglas: Prim 's Conctpl ojSign. The Hague: Mouto n 1973. S. 75f. 95 Ebd., S. 78. ?6
ßIERMAN,
Anhur K.: "That [here are no iconic signs." In: Pbilosoplry und PIJeIlOHlrR% §ca/
Rmarrh 23 (1962), S. 243-249.
Zeichm, Sproche lind Vtrho/fen. ~·tit einer Einfü hrung von Karl-O no Apel. D üsseldorf: Schwann 1973, S. 99; die vic1zitienc Passage finde r sich irn Original (dm.: SJgns, Language und Behaliollr. Ncw York: Prcntice Hall 1946) auf S. 23.
97 M O RRI S, Charles William:
?8
Eco, Umbcrlo: Ei'!fohnmg in dü Semiotik. Obers. von JÜfgen Trabant. München: Fink 1972, S. 200. VgL zu dem Thema auch BtACK, Max: "Wie stellen Bilder dar?" In: KlInsI, lf1ahrnthnl1m& Wirklichkdl. Hrsg. vo n Erns[ H. G ombrich, Julian Hochbcrg und M. ß . Frankfun / M.: Suhrkamp 1977, S. 115-154, hier S. l36ff.
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Wenn man so will , hat das Porträt keine Eigenschaft mir der realen Königin gemein. 99 Eco betont darüber hinaus eine Einsicht, die sich ebenfalls schon bei Peirce find et. Dieser hatte (im Widerspruch zu seinen Formulierungen, welche die Ähnlichkeit auf das ikonisch dargestellte Oo/tkt bezogen) bereits festges tellt, daß sich die Ähnlichkeitsrelatio n nicht auf Gegenstände, sondern nur auf das "Vorsrellungsbild im Bewußtsein " bezieht. lOo Aus diesem Grunde können auch Darstellungen von nicht-existenten Gegenständen, etwa Zentauren, Kobo lden , Einhörnern ,illusioni stisch' dargestellt und al s ,ähnlich' rezipief[ werden: 1ol Die Ähnlichkeitsbeziehung erfaßt auch Fälle der " zero-denotation",\02 also Abbildungen von Dingen, die es ,in Wirklichkeit' nicht gibt. 10J Die Ähnlichkeitsrelation besteht also zwisc hen dem Iko n und dem Perzepliomlllodell des Rezipiem en - so einer der tragenden Pfeiler von Umberto Ecos Kritik der Ikonizität.104 Mit Eco kann man die Ähnlichkeit des ikonischen Zeichens dann wie fo lgt reformulieren: D as ikonische Zeichen reproduzien nicht die Eigenschaften eines Gegenstandes, sondern das erlernte und konventio nelle lJIental seI seiner \'Vahrnehmungsmuster. Dadurch, daß sich die \Xlahrnehmung an distinkten, erlermen Mustern orientiert,105 besitzt die visuelle Kognitio n also eine selJlantische Basis. In diesem ')') Vgl. zu diesem Problem auch SCHOtZ, Oliver R.: Bild, D(lNlei/llng, ZtidJtn. Phi/()f()phisdJt TINorien bildhafltr DflrJltllllng. Freiburg/ Br. , München: i\lber 1991, S. 44ff. '00
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So die Formuliemng vo n Peirce in I'EIRCE, Chades Sanders: " K.1tegoriale Strukturen und graphische Logik." In: C. S. P.: Stmiolü(he S(briften. Bd. 1-3. Hrsg. und übers. \'o n Chcistian Kloesd und Helmut Pape. Frankfurt / i\t : Suhrkamp 1986 [1903 1. Bd. 2, S. 98-166, hier S. 113 . Peirce vcrv.'eist etwa auf das Iko n einer ..Srarue eines Zentauren" ; wenn diese "einen Zentauren darstellt, dann aufgrund seiner Gestalt, und diese Gestalt wird es gleichennaßen aufweisen, o b ein Zentaur cxistien oder nicht." PEIRCE, Charlcs Sanders: " Dritte Vorlesung über den Pragmatismus. Die Veneidigung der Kategorien .. " In: C. S. P.: StmiohHhe S(hriften. Ud. 1-3. HIsg. und übers. \'o n Chrisrian Klocscl wld Helmut Pape. Frankfun/ r..t: Suhrkamp 1986 (1 896). Bd. 1, S. 431-462, hier S. 435. Bei Good.man heißt es: " picrures o f goblins and unieom s are quite easily gradcd as mo re or less realistic or naruralistic or fanta stic, though dus cannot depend upon degrcc of resemblancc to goblins and unicoms." G OODMAN, Nelson: "Seven Stricmres o n Similarity." In: N. G.: Prob/mlI ad ProjutI. Indianapolis: Uo bbs-MerrillI 972 [1 970) , S. 437-447, hier S. 438. SONESSON, Göran: Pirlon'a/ Con«pII. Lund: UP 1989, S. 227 . Was wiederum bedeutet, daß die Rezeprionsweisen der lI/'uion per se nichts mit derjenigen der FileJiona/iliil zu run haben muß (lU. 4] : " Für die Bildung ästhetischer Illusion und dam.it die Illusionstheorie ist die Frage nach der Fikrionalität weitgehend unerheblich, da lllusio n ebenso bei do minant fikrionalen wie vo rwiegend niehtfikcionalen Werken gebildet werden kann und allgemein im Zustand ästhetischer Illusion die Frage nach der ,Wahrheit' der Fiktion in den Hintergrund Irin." WOLF, Weroer: A.ilhthIdN lIIufion lind IIII1!io1lIdurth-
bruhung in der Erzäh/1eNnsl. Th«;rit und CeJ(bichle mit S(hu~rpllnkJ aiif engliHhtm illunonsstiirmdfm Erztih/tn. Tübingen: N iemeyer 1993, S. 43. Vgl. ruerl.u Eco, Umbcno: Einftihmng in dir SemiOlile. Übers. von Jiirgen Trabant. München: Fink 1972, S. 197·249. Vgl. dazu auch Gombrichs ,minimwn image': "Our whole percept:ual appararus is somehow hypcrsensitized in this direetion of phys iognomic visio n and the merest hint suffiees for us to create an expressive physiogno my that ,looks' at llS with surprising intcnsity. [... 1
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Sinne sind aber ikonische Zeichen (und damit aUe Fonnen der Bildkommunikation bis hin zum Film) auf dieselbe Weise wie sprachliche Zeichen konventionell und erlernt - so die These Ecos und Goodmans. I06 Auch Goodman weist die Konzepte von Ähnlichkeit und Ikoniziüt als unbrauchbar zurück: "similarity [ends under analysis either to vanish enrirely or to require for its explanation jusr wh at it purpOrts to explain. «107 Aus der Optik solcher Theoriebildungen entspricht das Bildverste hen weitgehend dem Texrverstehen: "eine Trennung von Sehen und Lesen, Wahrnehmen und Dekodieren [istJ nicht möglich ... 108 Diese ,Dekonstruktion' von Ähnlichkeit und lkonizität wurde durch Er· geb nisse aus anderen Wissenschaften sehr weitgehend untermauert. So wurde etwa Peirces Postulat der Semantizität der Wahrnehmung bestätigt. Tatsächlich ließ sich nachweisen, daß die Sinne nicht (wie eine passive Kamera) unmjrre1bare Reize wahrnehmen, welche erst durch höhere kognitive Ebenen des Gehirns in Informatione n umgerechnet werden, sondern daß schon die Ebene der Sinneswahrnehmung einen semantisc hen Charakter aufweist. Bereits in den sechziger und siebzigerjahren wurde in der Neurophysiologie nachgewiesen, daß die Sinneswahrnehmung nur Inputs registriert, die im Rahmen eines exi stierenden Vorwissens inlerprelier!JtJr sind. Reize existieren auf der neuronalen Ebene solange nicht, wie sie keine BedeJ(IIIng für den Rezipienren besitzen, auch dann nicht, wenn sie nachweislich innerhalb des WahrnehmungsfeJd s liegen - die ,Realität' ist also nu.r ein Ausschnitt der vom System verstehbaren Strukturen, der Rest wird nicht registriert. 109 the group o f shapes thaI can bc read as phrsiogno my has priorjl}' over all mher readings." GOMJIR1CII, Ernst H.: ,.Meditations on a Hobby Horse." In: E. H. G.: A-!"Jit(Jlions Ol l u Hobly Hol"Jt und olbiT mqys on t!Je Ibtory oJ ort. London: Phaidon 1994 [1 963]. S. 1- 11 , hier
S. 6. ,~
Vgl. G OODMAN. Nelson: Sprorhrn dir I&nsl. Enfll'llif riner Symbollbtont . Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1997 [1968]. G OODMAt'l, Nelson: "Seven Srricrures on Similarity." In: N. G.: Prob/nllS und Projrels.
Indianapolis: Bobbs-r-.krrill 1972 [1970J, S. 437-447, hier S. 446. ,~
GROSS, Sabine: Ust·Zdrhen. Kognition, Midi"", lind Maltn'o/iMI im usrproi!ß Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgcscllschaft 1994, S. 4. ,~
46
Eine Versuchsanordnung prüft erwa, ob das Nervens)'5tem als Um erbau des Be\\tußtseins auch dann Aktivität zeigt, wenn der Input des ,Sinnenreizes' zwar im Wahmehmungsfeld liegt, aber nicht verstanden wird. Ein schönes empirisches Beispiel zu diesem Thema bringt von Focrster in dem Aufsatz "über das Konstruieren von Wirklichkeiten" (vgl. r O ERSt"ER, Heinz vo n: "über das Konstruieren von Wirklichkeiten." In: H. \'. F.: IWllsen lind Ceu.lmn. übers. von Wolfram Kar! Köck. Frankfurt / r..-t.: Suhrkamp 1993 [1973], S. 25·49). E s geht hier wn das Beispiel eines Elektrocnzcphalogramm-Experimems an einer Katze. Versuchsanordnung ist, daß eine Kar..:e in einem Käfig nur dann Futter durch Niede rdriic~en eines Hebels erhält, wenn parallel ein wiederholt ertö nender Einzelton ,x' auftritt. Uber den gesamten Zeitraum werden die Aktivitäten der Nervenbahnen registriert, und zwar sowo hl von den unminclbar an das O hr anschließenden, die Hörsignale übenninelnden Nerven bis hin zu den höheren Ebenen des Verstehens im auditorischen Cortex. D as E rgebnis ist verblüffend; denn zunächst kann bei dem E rtönen des Piepton s keine korrespondierende neUlonaie Aktivität beobachtet werden, und zwar (erwartungsgemäß) nicht im Cortex, aber
\'\fahrnehmung muß a1 so im Sinne einer zielgerichteten Abtastbewegung verstanden werden, bei der etwa das Gesichtsfeld auf bekannte Erkennungsmuster durchgescannr wird. D emgemäß erzeugen Systeme ihre Realitätskonstruktion auf der Grundlage präcxistenrer Interpretierbarkeiten (darüber hinaus besitzen neurona1e Systeme ohnehin keine Ein-und Ausgänge, reproduzieren demgemäß ausschließlich binnensystemische Z ustands veränderungen. Ne uronale Sys teme können also nichr, was Bewußtseinssysteme können: Erst diese können zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz unterscheiden und dann die fordaufende Wahrnehmung als \'\felt konsrituieren).lIo G anz ähnliche Befun de liefe rn kognirionspsychologische Srudien zur Bilderkennung. Auch hier erwiesen sich VorsteUungen einer ,unmittelbaren Sinnes"vahrnehmung' a1s irrig. Tatsächlich operiert das Auge nie ,unschuldig', im G eb'Cnteii ist es ein infonnationsverarbeitendes O rgan, welches die Umwelt au f Basis kognitiver Rahmen entziffert, ganz ähnlich wie bei der Lektüre schrifdicher Texte; \'\fahrnehmung ist " aktive Sinnkonstruktion".lll So konstatiert eine früh e russische Pioruerstudie über clie Abtastbewegungen des Auges bei der Bilderkennung: "The human eyes voluntaril y aod iovolunrarily fLxate on mose elements o f an object which carry or may carry essential and useful infonnatioo. The more infonnacion is comained in an element, the longe r the eyes Stay on it."112 Die Spurbahnen der visuellen Abtastbewe-
crslaunlicherweisc !lichI einmll.l in de n unmi uclbar an das G ehö r angrenzenden Nervenbahnen. Erst nachdem die Kal'l.C das Signal ed en u haI, also l'trr/mllien haI: ,Piep IOn bedculet Nahnmg'. wird der T o n überha upt wahrgenommen; solange der Ton nichl imerpredcrbar ist, gibt es für diesen T o n auf der Ebene des neuro nalen Syslems (/Hrh in dtr IlnmittdbIJrtn Näht ~m Ohr keine Entsprechung - auf Srs lcmebcne cxistierl das Signal nichl. Wie, so m iißlc man daran anschließend fragen , kö nnen Sr slcme dann lernen ? So richtig auch iSI, daß Sr slcme ihrc Wirklichkcilcn selbst erzeugen, so falsch iSI in der T al die Annahme eines ,solipsistischen Konstruktivism us'. Ein solches System würde nur wissen. was es weiß, und wäre in bezug auf nichl imerpretierbare Inputs (pieprä ne) nicht lem fahig. SYSleme bleiben also anfallig fiir ,Noise' von ,außen', auch wenn nichr beobachlbar ist, wie. lntcrcssanterweise kann diese systemische Afflzierbarkeit über den Begriff der EntrOpie errechnel werden; und zwar gih für alle S)'Sleme, die ihre innere O rd nung \'ergrößem , daß sie d urc h ihre Umwelt irritierbar sein mNllrn. Vo n Focrster bezeichnel diesen Sachverhalt als Prinzip der Ordnung dNtrh Slömng. vgl. f OERSTI! R, H einz von: "Über selbst-organisiercnde Sr stcm c und ihrc Umwelten." In: H. v. F : IPissrn lind G t U7JSfn . Übers. von Wolfram Kar! Köck. Frankfun 1 M.: Suhrkamp 1993[ 1960], S. 21 7ff.
'"
Berühmt gewo rden sind in diesem Z usammenhang die Untersuchungen von r..b tura na und Varela zwn Sehvennögen beim Frosch. die wesentliche Anregungen im Hinblick auf die E ntwicklung von Konstruk ti vism us und Syslemtheorie gelieren hll.ben; vgt. Mt\TU RA.t~ A , Hwnben o R. und Francisco J. VAREI.A: A J/lopoiuiJ and Cognition. TIx &nlizntion oflht Liting. D ordrecht CI aI.: Reidel 1980; ferner dies.: Dtr Ballm tkr ErlunnlniJ. Dit biolo,giselxn lf/ Nrzrln du mrnsrhh·rhtn E rA!tnnrns. München: G o ldmann 1990; sowie M AH .lRANA. Humbcrto S.:
Erktnlfm. J)it Org/milnlion und Vtrleii'pmln!. l'On If/irleliehkdl. AlIsgtlvähllt Jrhrif tm biologisrhm Epislfmologir. Braunschweig er al.: Vieweg 1982.
'"
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GROSS, Sabinc: Lm-Ztirhen. KPgllition, MtdiHHI lind Mairrilllitiil im Lurprotrß. D annstadt: Wissenschaftliche Buc hgesellschaft 1994, S. I ; vgl. SoNESSON. G ö ra n: Pirlorinl Conrrpls.
Lund: ur 1989, S. 265.
'"
YARß US, Alfred L: EJt Mo/'tmtnls nnd Vision. New Yo rk: Plenum 1967, S. 2 1 I.
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gung dokumentieren dabei eindrücklich die semantische O peration der visuel len Sinn-Suche . Ebenso ist erwiesen, daß die Fähigkeit zur D ecodierung komplexerer Bilder von Kindern erst erlernt werden muß. 1I3 Daher kann man festhalren, daß Peirces Basisannahme einer Universalität des Semanti schen mirtierweiJe umfassend bestätit-,rt ist. Die In fo rmationsverarbeirung beginnt nicht auf hö heren kognitiven Ebenen, im Gegenteil steuert sie be reits die Sinneswahrnehmung: geometrieal element and feature analrsis is basiealJy independent of thc higher order eognitive processes. Thc seqllcncc of fiX ation points is, however, relared [0 scmantic interpretation of the fonns and represents thus manipulation wirh the memo ry eontcm . The semantic level of perceprllal-cognitive process seems [0 control eye scanning. Eye movemem control is reflectcd in thc non-random (Markov) sequence of fiXation s. The target point sclection is probably a hier. archical onc. h s highest level is rcprcscm cd b y the semantic o nc. A ny visual o b ject (fonn) known ro the subjcet is rep resented by an organizcd strueture in which each semantie featurc has its locatio n, weight and sys tem o f relationships wirh other feature s 1... 1. The input pa ttern, if imcrprcred p sycho logieall)', is probabl)' automatically bro kcn into meaningful, less complcx sub-p arr.erns the meanings and interrelatio n of which correspo nd to a cenain scmantic Strucrur c.! !~
Die visuelle Wahrnehmung von Bildern basiert also auf ähnliche Weise auf Mustererkennung wie ein Leseakt; im üb rigen ist auch der Blic k auf Bild und Welt ähnlich gerichtet wie beim Lesevorgang (was in dem sehr reduzie rten Gesichtsfeld der Fovea begründet ist), und wie beim Lesen springt der Blick auch hier zwischen den als semantisch bedeutsam aufgefaßten Punkten in Porm von S(J(c(Jden. Eine weitere, bemerkenswerte Analogie zwischen Se hen und Lesen ergibt sich aus der Oszillation zwischen Input und Vorwissen; denn die Zielgerichrethei r des Blicks ergibt sich bereirs aus der Anlage des Gesichtssinns, der - schon au f der Ebene seiner Mechanik! - zwischen einem nur diffus wahrgenommenen Feld in der Peripherie der Retina und dem klaren Ausschnirr der Fovea differenziert, wobei jedoch das weire Feld verminderter Sehschärfe einen Kontext erzeugt, nämlich entsprechende Hinweise liefert auf das, was erst dann klar gesehen wird, wenn man den Blick darau f ,richter'. 115
'"
Vgl. GROSS, Sabine: Lm-Z,irben. Kognitioll, Mtdimll lind M lllrrialiliil im Lmpro~ß. Dam"lSladt: Wisscnschafcl..ichc Buchgesellschaft 1994, S. 102; t\'lACKWO RTH. N. H. und] . S. BR UNNE. R: "How Adults and Chrildren Search and Recognize Picturcs." In: Hlllllal/ D twlopmml 13 (1970),5. 149-177.
'"
V. CI aL: "Role of the Physical and Scmantic Componems of Fonn D uring Ere Scanning." In: Cognilon mld E.Jt M OI!tlllmIJ. Hrsg. von Rudolf Groner und Paul Fraissc. Amsrerdam er aL: North HoUand Pubtishing 1982, S. 24-33, hier S. 32 f.
'"
Vgl: HOCHBERG, ]ulian: "Die Darstellung von Dingen und Menschen." In: Kunsl, If/ohrnthmllllll If/irk}irbletil. Hrsg. von Ernst H. Gombcich,J. H. wld Max Black. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1977, S. 61·114.
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BOZ KOV,
\V/eitere Bestätigungen aus der Kognitionstheorie wären anzuschließen. So wie sen Ryan /Schwartz bereits 1956 nach, daß in Abbildungen ein Zuwachs an Ähnlichkeit keine Verbesserung der Erkennbarkeit erzeugt, diese sogar reduziert. Versuchspersonen wurde derselbe Gegenstand (1) als Foto, (2) als reali sti sche, schattierte Zeichnung, (3) als Scrichzeichnung und (4) als Comic gezeigt. Klares Ergebnis war, daß die Comiczeichnungen am schnellsten und am besten wiedererkannt wurden, weil sie offenbar die relevanten In fonnationen einer prototypischen Mustererkennung deutlicher reproduzieren.116 Ein ähnlicher Befund liefert ein Seitenblick auf das Erlernen von Malfertigkeiten bei Kindern: Diese beginnen gerade nicht mit der konkreten Wahrnehmung, im Gegenteil reproduzieren sie abstrakte Konzepte. Das Kind beginnt also mit ideogrammatischen Zeichen, dagegen muß eine anschauliche, realistische Darstellung erst mühsam erlernt werden. 117 Eine der wirkungsmächtigsten Bestätigungen der Konventionalitär des Bild-Zeichens lieferte jedoch die Kunstgeschichte, insbesondere die Arbeiten Panofskys und Gombrichs. ll8 Eine besonders prägnante Fallstudie schildert letzterer in Art lind 1lllIIion: \Vhen Dürer publishcd hi s famou s woodcut of a rhinoceros, hc had [0 rcly on secondhand e"idence which he ftll ed in (rom his own imagination, coloured, no doubt, by whar he had leamed (ro m the most exotic of beasrs, the dragon with its armoured bod)'. Yer ir has bccn shown that this half-invcnted creature served as a model for all rcnderings of the rhinoccros, cven in narural-history books, up to the eightecmh ccntury. \'(!hen, in 1790, James Bruce published a drawing of the beasr in his Trot'tls Jo DilCOt'tr Jbe SOIIrrt of !be Ni/e, hc pro udly showed that hc was awarc of this fact: "TI1C anima! reprcscntcd in this drawing is a native of Tchcrkin, ncar Ras el Fcell ... ] and this is thc first drawing of thc rhinoceros with a double ho rn that has ever )'et becn prcsentcd to thc public. The first figure of rhe Asiatic rhinoccros, thc spccics ha"ing but one horn, was painted b}' Albert Durer, from the life [...J. It was wonderfull}' ill-executed in all its parts, and was the o rigin of all the monstrous fonns under which rhat anima! has been paintcd, evcr since [...]. Several modem philosophcrs ha"c made amends for this in our dars; t-.1r. Parsons, Mr. Edwards, and the Counr de Buffon, have given good figure s of ir from life; thcy ha"c indeed somc faults,
". '" ".
RYAN, T. und C. SCHWARTZ: Speed of Pcrcepoon as a Ftmcoon of ~·I ode o f Represcmaoon." In: Amtri{all Journal of P!J{hololJ 69 (1956), S. 60-69. Vgl. HER.Io,IERE.'J. Göran: AJjXrtl of AlJllNtia. Lund: Gleerup 1983, S. 11 9ff. ; ARNHElM, Rudolf: AnlmaNli{hU Dmktn. ZN, Einhril t't)fl Bild Nnd Brgrilf. Köln: Dtm-Iont 1966, S. 239ff.; VOLKELT, Hans: "Zur Psychologie der Kinderkunst." In: SANDER, Friedrich, und H. V.: GanzhtilJf>!Jrhologie. München: ßeck 1962, S. 29 1-299. Vgl. u. a. PANOFS"-, ', Erwin: Mtaning in Iht ViJNal ArlJ. New Yo rk: Doubleday 1955: ders.: SINdim~, lIeonolo§·e. HumaniJtis{ht Thtmtn in de, I&nl1 du JVnaissana. Köln: Dtm-Iom 1980 [19621; GOMBRJCH, Ernst H.: Arl and I11Nlion. A Sllidy in Iht P!Jrholog) ofPirlorial RrprrstnlaliM. Landon: Phaidon 1995 p 9601; ders.: Symbohdmagtl. Landon: Phaidon 1972: ders.: The Image and Iht Eye. Furlht, Sludiu in Iht P!J(holog, oJ Pir!orial JVpmtnfaJion. Oxford: Phaidon 1982.
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O U~;H,,''-'"-'<-''' ''V'l' D'j...' r---=;;;;\if::::====l~:;::-~.".
owing chiefI}' [0 preconceived prejudices and inattention. 1...1 This l... 1 is the first that has been published with two horns, ir is designed from the life, and is an African."1L9
F.
Die Geschichte ist ebenso erheiternd wie erhellend. Ein erfahrener Künstler verfertigt hier ,nach der Natur' eine realistische und ,."-.' derailfreudige Darstellung Abb. 8: Dürer: Nasbom. Holzschnitt 151 5. eines Nashorns, die für uns ganz befremdlich erscheint und zugleich wird sichtbar, wie sehr diese ,reaü stische' Zeichnung von dem bereits zuvor exi stierenden, stilistischen Idio m mitgeprä!:,rt: ist (Dürcrs Holzschnitt), o bwo hl sich die Zeichnung nach Auffassung des Kün stlers ja gerade du rch ihre Realisrik Abb. 9: Heath, NlIsbom, Kupferstich 1789. davo n absetzen soll. Wieder wird ersichtlich, daß visuelle \Vahrnehmung analog dem sprachlichen Vers tehen verfahrt, indem au s dem be obachteten ,Gegenstand' vertraute distinkte Merkma le (Gombrich nennt sie ,Vorurteile'), also zeichenhafre _ .~ -... Untersch eidungen, herau s-,• • • gescannt und decodiert •• Abb. 10: Afn'ko"isdm Nasbom. werden. Ferner ist das, was in der visuelJen \'V'ahrneh mung als ,semantischer Prororyp' eines Gegenstandes dient, hisrorischem Wandel ausgesetzt. Und zuletzt werden Merkmale, die im Erwarrungshorizonr des Beobachters nicht vorkommen, nicht wahrgeno mmen. Noch fasz inieren-
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..
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G O:'IßRtCH, Ernst H.: Arl tlnd IIIl1sion. A 5/1141 in IM PJy(hology
of Pi(/orial
Rrpmenlatioll. Landon: Phaidon 1995 [1960] , S. 70f.; die Abbildungen sind don entnommen (5. 7 1).
der isr aber, daß Merkmale, die von dem Beobachter erwarrer werden, aber ,in \'\firkJichkeir' nicht vorhanden sind, schlicht halluzinien werden - denn das abgebildete Nashorn ist ja realistisch und ,nach der Narur' darges teUt. I20 Aus alldem ergibr sich, daß das " ÄhnJichkeirskriterium" aus logischer Sicht ein "leeres Prädikat"UI ist. D emgemäß häue Eco recht und es wäre sinnlos, davon zu sp rechen, Annigoni s Porträt sei Königin Elisabe th iibnlicb. Dennoch iSI genau das Gegenteil der Pall , denn das Bild ist dem Vorbild ja unbes treitbar ähnlich. \'\fie ist das zu verstehen? D cr D estruktion des Ähnlichkeitsbegriffs durch Eco und Goodman ist zwar zuz ustinunen, zugleich reflektieren diese Theorien jedoch nicht, daß ihre Analysen nicht die Eigensicht von Beobachtern nachzeichnen. Vielmeh r wird aus Sicht einer Beobac hrung dritter O rdnung " mehr Komplexität sichtbar gemacht, als dem beobachteren System zugänglich iSt." 122 Auf der Systemebene dagegen ist die Angelegenheit viel einfacher. Hier ist ja völlig hin f.-illig, ob die Unterscheidung ,ähnlich versus unähnlich' ftktiv ist oder nich r. Ähnlichkeit, Ikonizirät und Realismus sind vielmehr diskJlrsiverzeugte Großen, und entscheidend ist dabei, daß nach Maßga-
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Bis hierhin lassen sich die E rgebnisse dcr einzelnen D isziplinen weitgehend harmonisieren ; kontro\'Crs wird dagegen bis heule wskuticn, wic es um den erslen KOOlakr (\-on Kleinkindern bzw. ,Eingeborenen1 mir Bildern übc.[haupl besleUI isl. D ie widersprüchlichen Ergcbnisse lassen sich auf die EinSlchlen zusanunenfUhrcn, daß die rähigkeit einer reinen IfItntijikAfion \'on bereits bekannlen Gcgenständen höher iSI. als zu erwanen war. daß zugleich icd?Ch Abbildungsko ll"cnrio nen (Perspektive, $chnill elc.) erlcrnt werden m üssen. Einen Überblick über die Forsch ung bieten vor allem J ONES, Rebecca und r-,'Iargaret HAGE.N: "A Perspecti"e o n C ross-Culrural Picrure Perception." In : Tht Ptrrtption oJ Pirful'tl. Ud. 1-2. H rsg. \'o n M. I-I. New Vork: Academic Press 1980. Bd. 2, S. 193-226 sowie KENNEDY. John M.: A l'syrbologJ 0/ Pirftll't Ptmption. San Fr.tncisco: J ossey-Bass 1974, S. 47-84; die klassische entwicklungspsychologische Smdie iSI H OCHHERG, J ulian E. und Virginia BROOKS: " Piclorial Recognirio n as an unleamed Ability. t\ Smdy o f one Child's Pe.rfomuncc." In: Anmirun Journal 0/ Pqrhology 75 ( 1962), S. 624-628: \'g!. auch SIGEL, Irvi.ng E.: ..The D e"clopmem of PiclOrial Comprt:hensio n." In : Vüuol Lu min}} ThinA:in!, anti u",,,,uniroh·on. Hrsg. \'on Bikkar S. Randhawa und William E. Coffman. Ncw Vo rk et al.: Academic Press 1978, S. 93- 112. VgL zu der Bildc[kennung bei ,Eingeborenen' die Arbeilen D eregowskis: D EREGO\'('SKI, J an: " IUusion and Culture." In: Illusion in N ufu,., um/ ;nArt. Hrsg. von Ric hard L. Gregory und ErnSI H. Gombrich. Londo n: D uckwonh 1980, S. 160- 19 1; ders.: " Picrure Recognitio n in Subjects fro m l Rclati\'cly Picmreless En\'ironmem." In: Ajriran Sodal Rt.starrb 5 (1968). S. 356-364; dcrs.: " Piclorial Represemarion and Culture." In: Sritntijir Anltn'run 227, 5 (No\'. 1(72), S. 82-88; den.: " O n seeing a Picrure for the first Time." In: uonarr!o 9 (1976), S. 19-23. Vg!. ferner McLUIIAN, MarshaU: Die C Uftnbt'l.-Calu:.:ü. Das Endt du ßurhztifa/ttn. Düsscldorf: Econ 1968, S. 53-57; PICK. Anne D. und H erben L P ICK: "Culture and Pcrceprion." In : 1-IandbooA: o/ Ptrrtption. ßd. 1-10. Hrsg. \'on Edward C Canerelte, und M. rriedman. New York. London: Acadcmic Press 1974ff. ßd. 10: Ptrrtpfual Erology, S. 19-39; \'g!. auch GROSS, Sabine: U st-Ztirhtn. Kognih'01t, Mtdiumlind AJaftn'alifiif im Leltpro~f Darmsl.adt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1994, S. l 09ff. ; KE.!\'NEDY, J ohn M. und Nathan Fo x: .. Picrurcs 10 see and PiclUres tO louc h." In: Tht Artl and Cognition. H rsg. \'o n D avid Pcrkins und Barbara Lco ndar. Baltimo rc, London:Johns H op kins UP 1977, S. 118- 135.
'"
NOTH, Winfricd : Handblich dtr St",iolile. 2., neu bearb. AuO. St\lttgan, Weimar: Metzler 2000, S. 196. LUHMANN , Niklas: SOi!olt Sysftme. Gnmdnf tintrol/gtmtintn T/JrOnt. Frankfun 1 M.: Suhrkam p
1984, S. 88.
51
be solcher Unterscheidungen beobachtet wird. Goodman mag zwar im letzten Satz seines Manifests "Seve n Stricrures again st Similariry" veräc htlich fes tste\~ len: "statements o f similarity [...1 are still serviceable in [he screets«t23, aber Sonesson hat darauf zu Recht erwidert: " But mat is where [he pierures are."1 24 Für die Rezipienten aber ist die Korrelation von Ikonizi tät und Ähnlichkeit real "to {he extent mat it does nm involve any i",prt!sion of similariry, it will not be called a pierure. «125 Dies gilt mmatis mutandis auch für die Unterscheidung der medialen Wirklichkeit von einer als ,primär' aufgefaßten \Xfelt. Wie fragwürdig die Unterscheidung zwischen ,Medium ' und ,Welt' einem B eob ~ achter dritter O rdnung erscheinen muß, entscheidend ist, daß das System un ~ terscheidet. Der Beobachter kann Ko mmunikationen dann als ähnlich annehmen oder als unähnlich ablehnen - und au f diese Art und \Xfeise erzeugt sich innerhalb des Ko mmunikationssys rem s eine Amplitude der jeweil s kulrurell gültigen Erkennungsmuster dessen, was eine Mehrzahl von Beobachtern als ,ähnlich' auffaß t. Das erscheint einem Beobachter zweiter Ordnung al s ,Kon sens', ist aber auf Systemebene keiner. Wenn .,mehrere Beobachtcr eine bestimmte Unterscheid ung wählen, operieren sie gleichsinnig. Die Gemeinsamkeit wird außerhaJb der Form, also undcfiniert crzcugt. «126 Daher wäre es verfehlt, bei der D ekonsrruktion der Iko nizitär und der Ähnlichkeit stehenzubleiben. Im Gegenteil harrt die Faktizität dieser Kategorien bei den Rezipienten der E rklärung: "Taking (he point o f vicw of the users, and trying tO explain their particular use, we cannot, lik c the philosopher Nel son Goodman, reject r.he folk no tion of pierure bccause of its in coherence; rather, we must dicove r its sys tematicity." 127 Die Frages tell ung muß nicht lauten: IWas ist Ähnlichkeit? sondern vielmehr: IPie wird Ähnlichkeit diskursiv erzeugt? Ein möglicher Anknüpfungspunkt zur Erforschung dieser Faktiij/ät der Ähnlichkeit und ihrer historischen Evolutio n bietet dabei der Begriff des Stils (und dies ist im wesentlichen der Ansatz Gombrichs). Stil bezeichnete ursprünglich das Schreibgerät, dann aber in der Rhetorik die spezi fische Schreib Jveise.,r28 die Rhetorik erfüllt dabei die Aufgabe, einer noch als techne verstandenen Kunst Regeln und Mittel zur Verfügung zu stellen, wn zu ,wohlgeordne(en' oder ,wohlklingenden' Ergebnissen zu gelangen - was in der T at nichts IZl
GOODMAN, Nelson: "Seven Srrictures on Similarit)'." In: N. G.: ProblemJ I1nd ProjerlJ. Indlanapolis: Bobbs-1\lerriIl1 972 11 970], S. 437-447, hier S. 446.
I:!-I
SONESSON, Göran: Pie/on«1 UJnetPls. Lund: UP 1989, S. 229.
IZS
Ebd., S. 227.
126
LUHMANN. Niklas: Die NmJI der GndlJ(htlji. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1997, S. 92.
IV
SONESSON, Göran: "Pictorial Semiotics, Gestalt thcory, and the ecology of Perception." In: Stmioke(l 99 (1993), S. 3 19-399, bier S. 330.
128
Vgl. zur Herkunft des Begriffs CASH.. E-WIEN, Eduard: "Zur E ntwicklungsgeschichte des Wonbegriffes Stil." In: Gmn(lnueh-RDm(lnlJeht Mona!JJ(hnjt 6 (1914), S. 153-160.
52
anderes ist, als einen jeweils vorherrschende Auffassung eines al s angeH/eisen aufgcfaßten Stils zu rreffen. D er Stilbegriff wird dann ausgeweitet und umfaßt die sp ez ifi schen " Fo rmen der Kopplung vo n E lemente n der Kun stwerke" !29 - in diesem Sinne läßt sich Stil definieren als rypiscbe For1lJ. llo PrinzipieU weiß man zwar sei t der Antike um die Zeitgebundenheit der Stile, aber man interpretierte diese vergangenen Stilsprachen immer aus einem Absolutismus der Gegenwart. Entweder wurde der alte Stil als vergangene Unzulänglichkeit bedauert oder gar belächelt, als immerhin sinnvoUe Vorstufe auf dem Wege zur Perfektion der jeweiJ s gegenwärtigen Formensprache (wie zum Beispiel die mittelalterliche Malerei in den Augen der Renaissance), oder, wenn sich vergangene Stilmerkmale noch als brauchbar erwiesen, über die Figur des ,normativen Ursprungs' autorisiert und damit kanonisiert (wie zum Beispiel Homer bei den Griechen oder die Antike in der Renaissance). Immer wurde dabei der zeitgenössische Stil selbst verabsolutiert, so daß es aus Sicht der Vormoderne immer nur einen möglichen ,Realismus' geben kann. Erst das 18. Jahrhundert gelangt zu einem histOri sch-relativen Stilbegriff (Winckelmann).131 Übertragen auf unser Thema der ikoniscben Darstellungen würde Stil die über rekursive Operatio nen erzeugte Amplitude einer visueUen For1lJenspracbe bezeichnen, welche innerhalb eines hi storischen und kultureUen Kontexts ilhnlicbe beziehungsweise rea/istiscbe Darstellungen erzielt. m Stilgeschichte erweist sich dann als G eschichte aufeinanderfolgender JVa/ismen - wofür Gombrichs N asho rn Pate stehen kann. Tatsächlich giJl, daß viele Epochen ihre jeweilige Stilversio n des iko nischen Realismus ko nsequent als ,Perfektio n' auffassen - schon vo n Parrhasios wird berichtet, cr habe seinerzeit geglaubt, die Kun st " zur VoUendung" geb racht zu haben (rolli ab se COIISllII"flalJlIIl) ,m ganz ähnlich urteilt Va sari über die Errunge nschaften des perspektivischen Stils im 16. Jahrhundert, t14 und dasselbe gilt rur unsere heutige Einschätzung von Film und Cyberspace. ,~
LUHMANN, Niklas: Die !VlnsJ dtr Guttllrhofi. Frankfun / M.: Suhrkamp 1997, S. 2 tOf. Vgl. G UMBRECHT, Hans Ulrich : "Sm." In: [Volk;"1"kon dIr dnllJrhtll UleroJJm~ illtnlfhafi. Ncubcarbcinmg dcs Rcallcxikons de r dCUfschen Uferamrgesehichlc. ß d. 1-3. Hng. vo n Klaus Weimar Cf al. Berlin, New Yo rk: D e G ruyrcr 1997 ff. ßd. 3, S. 509-51 3.
'"
Vgl. LUHMANN, Niklas: Oit K.NI/II dff Gestlls(hofi. Fr:mkfurt/ M.: Suhrkamp 1997. S. 210f. In diesem Sinne avaneie" d er Stil zu einer zentralen Kategorie, welche die histo rische Rekonstruktion " unterschiedlicher Publikumsreaktionen" gestan et; vgl. ß LANCHARO, ~brc Eli: "SriJ und Kunstgeschichte." In : Stil Gtlfhirhttll Imd F~l/leJiontll tintl 1eJt11~nlilltlllrhoJilirhtn DiJleJtrsdtmtnll. Hrsg. von Hans Ulrich Gumbrccht und K. Ludwig Pfc iffcr. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1986, S. 559-573, hicr S. 563.
'"
PUNIUS SECUNDUS der Ältere: N Olllrhndt. Lateinisch-deutsch. Hrsg. und übers. vo n Rodcrich Kö nig. Dannsudr: Wiss. ßuchgcs. 1978, ßd. 35 , $. 59 [XXXV, 7 1).
'"
D iese Imerpreutio n des Stilbegriffs entspricht weitgchend derjenigen G o mbrichs; vg!. dazu das Kapitel " Psycho log)' and the Riddle o f Style" in GOMBRICH, Ernst H.: Art and II/lIlioll. A Stut!J i" Iht P!J(/)()IOKf oJ l'irloriol RrpmmtoJion. London: Phaido n 1995 [1960), zu Vasari S. 9.
53
Gombrichs Nashorn belegt indessen, daß diese Auffassung falsch ist. Jede Zeit hat ihten eigenen Realismus, gcfaßt als Konsens hinsichtlich det \'(feise, in der virtuelle Realitäten t)'pischetweise erscheinen müssen, um als solche durch das Programm der Ähnlichkeit decodierbar zu sein. Das leuchtct für die G eschichte der visuellen Kommunikation ein; der Konsen s hin sichtli ch der M..ittel, welche die Ähnlichkeit en~eugen, wird ständig neu konstruiert, und diese Evolution der visuellen ,Sprache' kann niemals transzendien ...verden, besitzt eine Eigenrationalität und läßt sich nicht als Annäherung an eine ,\'(firklichkeit' erfassen. Wir verstehen heute das JliI-Millel des Schnitts im Film, obwohl er ursprünglich eine regelrechte Vergewaltigung der Sehgewohnheiten bedeutete und im übrigen einer ,wirklichen Zeitabbildung' im Film geradezu entgegenarbeitet, da unser Filmverstehen so programmiert ist, daß Schnitte mit zeidiehen Überschneidungen oder Lücken ,natürlicher' aufgefaßt werden als der "ehrliche Schnitt" - obwohl ,in Wirklichk eit' das Gegenteil de r Fall ist. 135 Diese Sc hnitt-Technik ist ein Teil des filmischen Stil s, den wir unbewußt verstehen - ein Stil-Mittel, mit dem Cutter und Regisseure ve rtraut sind, das aber kein Rezipient jemals hinterfragt. Erst bei Mißlingen der filmisc hen Ähnlichkeit wird bewußt, daß die virtuelle Wirklichkeit nicht erwartungsgemäß erscheint. Rezipienten führen also Ikoniifkil auf r fhn/ichkeil zuri.ick. Äh nlichkeit erweist sich dabei zwar al s norori sch unrerbestilmmes, leercs Prädikat, zugleich ist die Faktizitä t des Ähnlichkeitseindrucks jedoch zurückführbar auf eine erlernte Formensprache von J/i/-l\1itte!n - aus dieser Ausgangslage avancie rt der J/ilzu einer zentralen Kategorie bei der Erforschung der Ikonizität, denn er stellt die sichtbaren typischen Fonnen dar, die durch die Programmatik der Ähnlichkeit erzeugt werden Geder versteht den ,Schnift', ohne theoretische Lehrbücher für Cuner gelesen zu haben). '36 D er Stil ist auf der Ebene der kommunikativen Realität dann eine zentrale Möglichkeit. wie man sich der Programmatik des Ähnlichen überhaupt annähern kann . Vor dieser Erkenntnis gewinnt eine Monof,/'faphie neues Gewicht, die vor mehr als fünfzig Jahren die Erforschung der Ähnlichkeit (hier auf dem Gebiel der sprachlichen Kommunikation) ganz wesentlich mit begründete, und zwar Erich Aucrbachs Mimesis. Auerbach s Vorgehen in dieser Untersuchung isr insofern erstaunlich, als theoretische Auslassungen völlig unterbleiben - der Titel hätte zumindest eine einleitende D arstellung von achahmungstheorien erwarten lassen. Starr dessen geht Auerbach direkt in medias rtS und legt eine m
Vgl. dazu G ROSS, Sabine: Lm-Zri(hm. Kognition, Mrdillm lind Malmaliltit im LtJrpf'()~ß DannSladt: Wissenschaftliche BuchgeseUschaft 1994, S. 112.
U6
Um mil Herder zu sprechen: " weil S!)'/ im hä hern Sinne des Worts. d . i. Gmills drr Dtn/elind Jrh,.,ibart ganz ein andres Ding ist, als einzelne Worte und Wonfonncln." HERDER. Johann Goufried: Stimmt/irbe Ir'tr/e:e. Bel. 1-3 1. Hrsg. \'on Bcmhard Suphan. Bcrlin: Weidmannsehe Buchhandlung 1877ff. Bd. 19, S. 195 [Chn'slhdu Jrhriftrn, zweite Sammlung (1796)1·
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grandiose Darstellung der Scilgeschichte über drei Jahrtausende vor. Ist das geheimnisvolJe fehlen von Ausführungen zur mimesis innerhalb eines mehr als fünfhu ndert Seiten starken T ex tes mit dem Titel Mimesis nicht Reflex einer (zur damaligen Zeit geradezu prophetischen) Intuitio n Auerbachs, daß es im Grnvitationszentrum seines Themas möglicherweise nichts zu holen gab "denn nicht einmal der Ausdruck ,realistisch' ist eindeutig" l37? Erscheint das ,A usweichen' seiner Untersuchung, weg von dem Theoriekontext der mimesis in Richtung einer allgemeinen Sti,geschichte der abendländischen literatur jetz t nicht geradezu als der direk tere \Xfeg? So strukturiert sich die Arbeit al s eine Genealogie des modernen Realismus, was verwirklicht wird durch einen geschichtÜchen Überblick über die vielen Rto/ismen - ein Plural, der zur Zeit der T extentsteh ung in den vierziger J ahren ebenso zukunftsweisend ist wie das weitgehende Absehen von einer ,Wirklichkeit' zugunsten einer Analyse, die sich nur auf die Fo nnen sprache der dargestellten Wirklichkeit fo ku ssiert (so die Formulierung des Unterritels).138 Auerbach zeigt dabei , wie stark die Realismen der abendländischen Überlieferung voneinander abweichen , und wie Stil-Mittel über Jahrhunderte hinweg entstehen, bis sie so ,selbstverständliche' Fo rmen der medialen \Xfirklichkeitsdarstellung werden, daß Rezipienten sie nicht mehr bemerken. Beispiele wären etwa die antike Ko nvention, tragische Begebnisse im ho hen Scil, komische dagegen in einer alltäglichen Sprache wiederi!ugeben. Als das Neue Testament, eine cieftragische Geschiclue in einem alJräglichen Ko ntex t, in den rö mischhl'fiechischen Kulturkreis eindrin&rt, wird der T ext zunächst als Skandalon wahrgeno mmen - das in der Antik e vorherrschende fonn cnrepertOire häne die Geschichte von Jesus nur al s Ko mödie erzählen kö nnen; ähnliches gilt rur die Passagen, welche Zwiegespräche in direkter Rede wiedergeben (im Gegensar-/. zu den langen, rhetOrisch ausge feilten Reden, welche in die antiken E rzählun!:,ren eingefügt wurden). Die dargestellte Wirklichkeit des Mittelalters beschreibt Auerbach als ,figu ralen Realismus', in dem Zeichen immer zugleich auch auf den unverrückbaren , göttlichen ordo ve.f\\'eisen , und dabei entsprechende Darstellungsmittel
,.
AUElI.nACIi. Erleh: Mimrns. Dnrgnlrllfe lflirle/jrhkrit in du n/Jtndliindisrhrn Littmluf. 9. Auf] . T libingen. Basel: Fmncke 1994 119461, S. 517. Vor allem im Hinblick auf die Enlstehungszeit der Piomcrarbeit wirkt die Pflichrubung poststruk turalistischer Kritik 2n Aucrbaeh befrcmdlich. zWß21 der T ext, wie oben dugdegt, Wcit2US diskursbcwußlC~r ist, a.ls es den Inlcrprcte.n deutlich zu sein scheint. Gehauer/ Wulf werfen ihm im wesen tlichen ,Ge.isthermencutik' vor (vgl. GEBt\UER, Gunler und Christoph Wuu:: Mimesis. KM/tNr, KM"sl, Cut/hrhafl. Reinbek: Rowohlt 1992. S. 18-36); Mclbcrg kritisiert eine unzulässige ,Simplifizierung' (MEl.ßERG, Ame: Thton'u oJ Mi"ltns. Cambridgc: CUP 1995, S. 2); Gahriel hält Auerb2chs Anal)'se rur ,nai,,' (Gt\BRIEt, Gottfried: " F2cl, Fiction and r icuonalism. Erich Auerbach's ,l\.funesis' in Perspective." In: Minltns. Sludirn iJlf Iiltmnsrhtn Rrpriise"to!ion. H rsg. von ß emhard F. Scholz. Tübingcn, Basel: Francke 1998, S. 33-45, hicr S. 33); Larsen untersteUt Aucrbac h, seine Auffassung von jj tcrntuf sei eingcschriinkt durch einen Primat dcr ,historischen Wirklichkeit' (LAII.SEN . S\'cnd Erik: " Historica.l and ü lernry Sources. A Complemcntary Vie.w." In: Mimens. H rsg. \'o n B. Scho lz, wie oben, S. 15-32) - und so fort.
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entwic keln. Die neue franziskanische Religiosität fUhrt dann zu neuen Ausdrucksfonnen der Innerlichkeit. Im SpätmincJalrer und der Renaissance erfolgt {parallel zur Erfindung der Perspektive in der Malerei!) eine zunehmende Ausmalung des ,Hintergrunds' in narrativen Texten. In Verlängerung daz u erfmdet das 18. Jahrhundert we Darstellung des Milieus und der (oft intimen) lnlentlm bürgerlicher Sitrenbilder und Farnilienszenen. Solche Räume werden dann zunehmend mit ,typischen' Accessoirs ausgestattet (Balzac), zugleich wendet man sich erstmals den niederen Ständen zu (Zola). Alle diese Beispiele belegen, daß die narrativen Stilmittel, welche zum Teil bis heute konstirutive Bestandteile unserer VorsteIJungen einer realishschen Darstellung sind und al s solche gar nicht mehr bemerkt werden (Milieu, Interieur, Accessoirs, Innerlichkeit etc. werden auch von Zuschauern der Lindenslraße verstanden), tatsächlich eine Fonnensprache ist, die historisch evoluiert wurde und die erlernt werden muß. Auch hier gilt, was bereits we Neurophysiologie erwies und die Kun stgeschic hte bestätigte: (1) Nur Inhalte, die durch die Formensprache des Kommunikatio nssystems darstelJbar und interpretierbar sind , finden Eingang in das System; (2) Inhalte, die nicht durch das Fonnenarsenal des Systems darstellbar und interpretierbar sind, existie ren nicht (z. B. das ,Milieu' in der Antike) - wie ,wirklich' auch immer wese Inhalte im Nachhinein erscheinen mögen . Die Sliiguchichle erweist sich also als Möglichkeit, die Fonnensprache der historisch aufeinanderfolgenden Realismen darzustellen und auf die se Weise die spezifischen Etscheinungsweisen des Ähnlichen nachzuzeic hnen. Daher haben philologische Snldien wie we von Auerbach oder Curtiu s, aber auch kunsthi storische Arbeiten von Warburg, Panofsky oder G o mbrich in diesem Gebiet nichts von ihrer ßeschreibungsf.1higkeit verloren. Der im folgenden gewählte Ansatz ist jedoch ein anderer: In einer Reihe von Fallstudien soll versucht werden, zu rekonstruieren, wie in verschiedenen diskursiven Umfeldem spezifische implizite Theorien ausgebildet werden, auf deren Basis Rezipienten dann operieren. D ie Geschichte der Simulatio n erzeugt eine Reihe von MiHlologiktn, um einen vo n Genette geprägten Begriff zu verallgemeinern. LJ9 Solche impliziten Theorien steuern bis heute Rezeptionsweisen der Simul ation, welche Zuschauer oder Leser anwenden, ohne um ihre Existenz zu wissen - sie konstiruieren das Arsenal von SelbsrverstäncUichkeiten, welche das Abspulen von Rezeptionsweisen überhaupt erst ermöglicht. Genau um diese inneren Logiken als Bedingung der Möglichkeit von Simulation wird es im folgenden gehen.
1.VI
56
Ocr Begriff bezieht sich bei Genette nur auf das histo rische Feld von (Sprach -)Thcoricn natürlicher Signiflkatio n; vgl. G ENElTE, Gcrard: Mim%gilt.m. IVüt "ach KratJlirn. Übers. von M. vo n Killisch-Hom . München: Fink 1996 11 976).
3. Prorotypen der Simulatio nstheorie (PLATON / ARISTOT ELES) O cr bei Plinius wiedergegebene Zeuxis-Mychos überliefert inso fern einen wahren hisrorischen Kern, als die Innovationen der griec hischen Antike im Feld der W'irklichkeirsdarsreUung eine mediengeschichdiche Revolutio n darstellen. D ie Geb urt der griechischen Skulprur und Malerei, welche in den Zeitraum von etwa 600 bis 400 vor Christus anzusiedeln ist, stellt sich der Kunstgesc hichte nach wie vor wie ein ,Wunde r' dar, wenn man sie mü den schem atischen Darstellungen der Vorzeit ~gyp[en ') verglcichr.l40 Die ,naturalistische Revolmion
uo
Auch dies gilt unter Vorbehalt, da Vorfonnen des lUusionismus bereits in ägyptischen Stamen nachweisbar sind; "g!. D 'OTRANGE M.ASTAI, Marie-Louisc: 1IIusion in AI1. Trom/N I'Oril A His/ory ojPitlorial IIUI$;onism. l..ondon: Sccker & ''(' :uburg 1976, S. 27ff.
'"
GOMBRICH, Ernst 1-1 .: Art and 1IIusion. A SIU4J in Im PIJrhology London: Phaido n 1995 [19601, S. 104.
'"
D er ß egriff selbst entsteht in Fran kreich erst zu Beginn des 19. J ahrh undcn s; "trompe l'reil, i. e. ,that which deceives the eyc" stri vcs relentlcssly to ac hieve I>crfcc! du plication o f realiry 10 the point of dtlusion"; ,.it rep resents the culminatio n o f pictorial realism", heißt es in D 'OTRANG E MASTAI, Marie-Louise: 1IIusion in Art. T rom~ I'Otil A His/ory oJ Pirlorial 1IIusionism. Landon: Sccker & Warburg 1976, $.8, S. 15; ich benutze die Bezeichn ung in diesem Sinne. Im engeren Sinne wird er in der Kunstgeschichte definicn durch weitere stilistische Kennzeichen; beispielsweise darf kein Teil des abgebildeten Gegenstandes außerhalb des gezeigten Rahmens liegen etc.
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,.
oJ Pitlorial
IVprtJtn/ahon.
D 'OrRA.t~GE
MASTAI, Marie-Lauise: 1IIusion in Art. Tmmflt l'Ot;l A I-liJlOry IIbmonjs",. Landon: Scckcr & Warb urg 1976, S. 27.
oJ Pir/on·(11
D 'ÜTRANGE MAs rAI, Marie-Louise: 1IIusion in Art. Trom/N IOtii A Hislory /lllIs;onjsm. J..ondon; Scckcr & Warburg 1976, S. 38.
oJ Pir/orial
Dieser Übergang spiegelt SIch auch In der Geschichte des mimesis-Begriffs wieder; vg!. WILI ..EMS, Goufried: AnHhaulirhletil. Zu Throrit lind Gurhirhle dtr lt7ort-BiId-ßt-!(jthllngtn lind du IiltroriHhtn Damtllungssfils. Tübingen: Niemerer 1989, $. 22 1.
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eine Skenographie für den Hintergrund eines Stücks von Aischylos. I~ Auch die in der Tragödie verwendcten Masken dienen zunächst der Verstärkung solcher Effekte: ..The overall impression is one of ancmpted naruralism."1 4· Auch hier wird die reali stische \Virkung durch Kombination der Medien am· plifiziert: " Das neue Medium Theater, nac hdem es um 400 v. e hr. unwider· ruflich ctabliert und verbreitet war, war ein ,Kultursc hock'''.'48 Das Hereinbrech en dieser I/irluellen IPellen über die hlfiechische Kultur ist demnach eine mediengeschichtliche Revolution, gegen die sich da s Neue un serer ,Neuen Medien' (vom Fernseher bis zum Internet) geradezu traditionell ausmacht. Diese unerhörten DarsteUungsminel wurden dann auch Gegen stand der philosophischen Reflexion, und tatsächlich ist die antike Theorie der Ahnlichkeil, der Ikoni~liil und des RetlliSHlIiS bis heure über weite Strecke n das Fundament von Rezeptionsweisen der Simulation. Dabei lassen sich drei Stufen ausmachen: Die Auseinandersetzung mir den neuen Medien begi nnr bei den Sophisten (1) , wird dann durch P laton aufgegriffen (2) und schließlich von Aristoteles fon gesetzt (3).
(1) Eine frühe Behandlung erfuhr das Thema bereits bei den Sophisten , jenen Protophilosophen, welche ihre Tätigkeit noch unter dem pragmatischen Aspek t der Ausbildung von Schwern verstehen (der soplJisles ist einer, der kundig isr),14? sich daher vor allem anwendungsbezogenen Gebicten wie etwa der Bcredsamkeit und dem ,ko rrekten Sprachgebrauc h' zuwenden und - wie etwa Protagoras und im Gegensatz zum Platoni smus - Wahrh eit (tllelbeitl) noc h eher im Sinne einer Rich tigkeit (o rlhoepeia) auffassen. Das ,\Vissen', das sie auf der Basis von Beobachtung und Erfahrung erzeugten, war elllpeiritl, und es war immer Minel zum Zweck.ISO Dementsprechend konnte ein Sophist wie Gorgias unideologisch und pragmatisch die machtvoUe \Virkung des logos auf
VgJ. D'ÜT'R.J\NGE to.1ASTAI. Marie-Lowse: J/IJlJion in Art. "frompe I'On·l A History of Picton"ul lIIuPOnlim. London: Secker & Warburg 1976, S. 34. Vgl. zur Weiterentwicklung der nühnendekorarion KI NDERMAN N, Hcinz: 7kafrtgeJchichtt ElITOpas. Ud. 1-5. Salzburg: Müller 1957ff. Bd. 1: Das Tmatrr (/tr Anklet und du MifftlaltrrJ. S. 45ff. Bei den frühen gemalten Uühnenbildern gibt es allerdings Einschränkungen reclmischer Narur. Beispielsweise konnte man sie noch nicht effizielll auswechseln; ,.demnach blieb die Bemalung rur eine ganze Tetralogie die gleiche." BLUME, HOTSf-Dieter. Einfohnmg in das antike "flxatrrultstn. Dannst::adt: Wiss. Buchges. 1984, S. 62.
'"
,.
PICKARD-CAMßRIIx:;E, Sir Anhur. "fix Dromakc Feskl'tJlsojAtlxns. 2. Übcrarb. j\ ull Oxford: Clarendon 1968 (19531 , S. 192; ,"g!. KINDERMAt~N, Heinz: "flxaJ"l!schichJe Ellropas. Bcl. 1-5. Salzburg; Müller 1957ff Bd. I: Das "flxattr dtr Antike und du MifftlolJtr1, S. S7ff. FAUJsnCH, Werner. Die Geschichte dtr MN/im. Bd. 1-2. Gömngcn: Vandenhocck & Rup. recht 199M. Bd. 1: Das Mtdium als lVtll. S. 208ff., hier S. 220.
'"
VgJ. auch EISENHUT, Wemer: Einflihnmg in die alltike RhtJonle lind ihn Geschiehtt. Dannstadt: Wissenschaftliche Buehgesellschaft 1974, S. 16.
ISO
Vgl. PFElFFER, Rudolf: Geschichte der leJaJS'lir!xn Philologie. Von Mn Anfongrn bü ZMm Ende (It.s Htlknismlls. Reinbck: Rowohh 1970 (19681, S. 33-80.
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den Hörer beschreiben und - in seiner " Rede über Helena" Z iel einer jeden Rede rue Täuschung (apole) herausstellen:
als positives
D ie göttlichen Beschwörungen d urch [den Logos, M. A.IISI näm lich werde n zu Freudebringcm und Entführe rn von Leid; denn vereinigt sich die Wirkkraft der Beschwörung mit der A nsic ht der Seelc, so betört und bekehrt und gestaltet sie dic Seele um d urch Zauberei 19ot/tial. Für Zauberei und Magie lnJagtlol aber sind zwei A nwend ungen [Im/mi/all der Ku nst [/echne] aus fi ndig gemacht worden, wclche Fehlleirungen der Seele [p.ryches homorlemolol und Täuschungen de r Ansicht [doxoi 0pflle1Jlala] sind. l s2
Dort wo im Zeuxis-Mymos Gemälde den Rezipienten täuschen, ist es bei dem Sophisten Gorgias rue Mach t des sprachlichen logos (ein Beleg für rue Gelrung der Simulation nicht nur im visuellen Bereich, sondern auch in der Sphäre der sprachlichen Kommunikation). Für die Er.delung der Wirkung stehen dem Rhetor oder Schriftsteller ,techni sche Mittel ' (Iechnai heurenltlJ) zur Verfügung, die man bei den Sophisten erlernen kann. Mit Wahrheit hat das ganze nichts zu run, ganz im Gegenteil: D iejenige Rede wirkt beim Rezipienten, die " nach Regel n der Kunsr verfaßt, nichr etwa im Blick auf Wahrheit [alelheia] gesprochen ist".IS3 D iese illusionäre ,Täuschung' des Rezipienren hat (ebenso wie im Zeuxis-Mythos) aJ so noch nichts mit einem ,Betrug' zu tun, ,T äuschung' bezeichnet vielmehr clie positiv verstandene persuasive Wirk ungsmachr. der Sprache. Plurarch beschreibt aus de r Retrospektive das positi ve Verhältnis der attischen Tragödie zu r Täuschung mit dem expliz iten Verweis auf Gorgias: In voller Blüte jcdoch stand die Tragödie (in Athen) und w ar in aller M unde; sie geriet zum wunderbaren H ö r- und Schauspiel fur die ~'1 e n sc hen danu ls und bot durch ihre Myt he n und Leidenschaften eine Täuschung (opale), bei der, wie Gorgias sagt, derjenige, der täuscht, m eh r Rech t hat als der, der nicht täuscht, und das Getäuschte andererscits mehr versteht als der, der nicht getäusch t wird. Wc r täusc ht, hat nämlic h mchr Recht, weil e r ausgefü hrt hat, w as er ver-
'"
Go rgias spricht durchweg und, wie es scheint, in allgtmrinrm Sinne von der Gewah des logoI als Gcwah der Sprache, die in der Rede wirksam wird. Nur einen Absatz vor der zitiertcn Passage bezieht er etwa die D ichtkunst in seine Erwägungen mit ein. Buchheim übersetzt zwar "durch die Rede", relativiert diese Entscheidung fur den engeren Begriff aber, indem er in seinem Kommentar betOnt, daß die Rede "gerade durch ihre sprachliche Form einen göttlich wirkenden Charakter" erhahe. Vgl. GORGlAS: Rrden, Fr(lgmente und Tesb'monien. Griechisch-Deutsch. Hrsg. u. übers. vo n Thomas Buchheim. Hamburg: Meiner 1989, S. 166.
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GORGlAS: Redm, Fr(lgmente lind Testimonien. Griechisch-Deutsch. Hrsg. u. übers. von Tho~ mas Buchheim. Hamburg: ~" einer 1989, S. 9 L,Lobprcis der He1ena", Fragment 11, IOJ.
m
GORGlAS: Rtden, Fragmente lind Tesb'nJonien. Griechisch-Deutsch. Hrsg. u. übers. von Thomas Buchheim. Hamburg: Meiner 1989, S. 1t ["Lobpreis der HcJena", Fragment 11, 131.
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sprach; der Gcciiuschtc aber versteht mehr. denn schön läßt sich hinreißen von der Lust der Worte, was nicht empfindungslos ist.lSo!
\Xlie im Zeuxis-Mythos ist auch hier die ,Täuschung' das \Xlirkungsziel der Kunse Die Aufgabe des Sophisten ist es dann, seinen Schülern die /uhnisrhen Mille! und Wege aufzuzeigen, wie die opale und die dadurch eintretende \'?irkung - bei Gorgias plm·ke (Schauder), deos Gammer), po/hos (Sehnsuchr)t 55 erzeugt werden. (2) Auf dieser Grundlage fo nnulien Platon dann die erste Theorie der Simulation, in der die positiv verstandene ,Täuschung' dann zu einem negativen ,Betrug' wird. Tatsächlich lassen sich Platons AusfUhrungen zur lUusionsmacht der [\'Iedien in einem doppelten Sinne als Antagonismus verstehen. Z unächst einmal setzt sich Platon ab vom pra.x.i sorientien en und ,nur' auf Effekt kalku Lierten Wissen der Sophi sten, der efllpeiritl, und verkündet das Konzept ein er reinen, apodiktischen Erkenntnis, der epis/eflle beziehungsweise Jophia. l S6 Die Rhetorik als ,klassische' Disziplin der Sophisten fü hrt laut Platon ihre Beweise nur auf dem Feld des \VahrscheinLichen durch, nicht auf demjenigen des Otwendigen. Die sokratisch-plato ni sche Philosophie löst die ell/peiria ab durch das ,reine \Vissen', die rpis/ellle, das \Vahrschcinliche wird dagegen ausgelagert in den Bereich der bloßen Meinung, der doxa. Da s sophi stische Wissen erscheiß( jetzr als Hal bwissen, und die Bereiche von 10ms/ und Rhe/orik geraten in einen Strudel der Ablehnung. Tatsächlich werden CfWa im Sophis/u- Dialog Sop histen und Kün stler gleichermaßen als (bloß!) täuschende Bildermac her (eidolopoiol) charakterisie rt .m Genau für diese se kundäre Sphären ist abe r in der platonischen Evidenz des Wahren-Schö nen-Guten kein Platz m ehr. Z ugleich sreUen sich Sokrafes und Pl aton kategori sch gegen die aUgemeine Faszination an der Wirkungsmachr der neuen virrueUen Welten, die man im-
'"
!)UITARCH: Dt g/oria Alhrni"'Slim 5, Moralia 34&, zitiert in GORGlAS: RLd"" Frag"''''lt lind Ttsbmonim. Griechisch-Deutsch. H rsg. u. übers. von Thomas ßuchhcim. Hamburg: Meiner 1989.5.93.
,.
Vgl. GORGI.AS: !Vdm, Frogmfnlf lind l tslimonirn. Griechisch -Deutsch. H rsg. u. übers. \·on Thomas Buchheim. Hamburg: Meiner 1989,5. 9 [,.Lobpreis der I-Iclena", Fragment 11 .91.
'"
Vgl. PLATON: ljrrrkr. Griechisch und deutsch. H ng. "on Günther Eigler, über5. von Friedrich D. E. Schlcicnnachcr. ßd. 1-8. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1990. ßd. 6. 5. 279~287; S. 299-305; S. 387-401 [Sophislu 233d-236c; 239c-241b; 264b-268dJ; vgl. CANTO, Mo nique: ,,Acu of Fake. Thc Ico n in P!atonic Thought." In: Rrprolflrations 10 (1985),5. 124- 145; ROSEN, Sranlcy: PllIto'; Sophist. TIN Drump ojOri/jna/ and J",agt. New Haycn. London: Yalc Ui> 1983. 5. 145ff.
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Der " Antagonismus "on soprustischer Herausforderung und philosophischer Reaktion ist ungefalu ein Jahrhunden lang, in der Zeit von 430 bis 330 "o r Chrisrus, die bewegende Kraft der griechischen Bildungsgcschichtc gewcsen". FU IIR.MIu~N, Manfrcd: Dit antikr Rhtlorik. Eine EinfUhrung. München et al.: An:cmis 1984, S. 36. Vgl. dazu auch PFEIFFER. Rudolf: GtHhkhlt drr /e1I1uisrhtn Philo/ogtt. Von dtn Anjängm In; '{!Im Emu du I-Itll",ismlls. Reinbek: Rowohlt 1970 11 968[. 5. 8 1fr.
mer wieder in den Quellen spürt. Die Theorie der Simulation tritt also dezidiert kulrurkritisch auf: For us, who have lived with (he herüage of Greek and posr-Grcck art throug~ hout our Iives, ir may nced a good deal of historical imagination [0 recapture the thrill and the shock which the first illusionist images must have caused when shown on the stage or on the walls of Grcek houses. There is reason to bclieve mat this did nOt happen before Plato's Iifetime and [hat his outburst agamst the triekcries o f painting was an outburst against ,modern art' 158
Nur vor dem sozialgeschichtlichen Hintergrund dieser griechischen Medienrevolution erklärt sich die kritische Haltung von Sokrates und Plawn gegenüber der Kunst. Wie die Kulturkritik heute gegen Fernsehkonsum und VideospieJe vorgeht., stellt sich auch PlatOn gegen die ,neuen Medien ' seiner Zeit, er will die Dichter und Künstler, welche neuerdings virtuelle \'(Ielten herstellen, aus seinem utopischen Philosophen staat verbannen. Sokrates und PlatOn haben den triumphalen Vormarsch der neuen Form theatralischer Illusion selbst erlebt, und auch die ,täuschend echten' Simulationen des Zeuxis markieren diesen Punkt, denn dieser war ein Zeitgenosse von Sokrates und Platon und vor allem im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts tätig l 59 (Xenophon berichtet von einem Besuch des Sokrates bei Parrhasios).I60 Das erklärt auch den Kern der platonischen Kritik an der Simulation, wcl ~ ehe erwa die Virtualität der Tragödie als Bedrohung sieht. In ihr tritt die offensichtliche Vermittlung durch ei nen Erzähler gänzlich zurück, alles wird so gezeigt, als ob es tatsächlich ,real' geschehe - erst da s theatralische Schauspiel, so Platon, bestehe nämlich ausschließlich aus mimesis, .DarsteUung'!61
,.
GO)o.IBRICH, Ernst H.: Art ond IIINRM. A SI1I9 in Jht PlJrJxJIog Lo ndo n: Phaido n 1995 11 9(0), S. 108.
oJ Pifforiol Rrpfr.JtnJoJion.
Vgl. zur Datierung ThIl!ME, Umch und Felix BECKER (Hrsg.): Allgtmtinu Lt....ikon der bildrndtn KiinJJItr. Bd. 1-37. Leipzig: Engelmann 1907ff. Bd. 36, S. 472 b,Zeuxis'l Im genauere:n bezieht sich Platons Kritik am Thcucr möglicherweise auch auf den ,Niedergang' des attischen Theaters in zunehmend sensationsoricntienen Darstellungen (,'gI. auch BOYD,John 0.: The r"Nnrtion of Mimui! ond ill Duline. Cambridge/ Mass.: I-Iarvard U)l 1968, S. 7). Die Korn:lation mit den Innovationen der ,realistischen Malerei' wurde schon von der älteren Forschung hervorgehoben ("gi. bereits COLLINGWOOD, Ro hin G.: TIN Pn'ndplu ofArt. Oxford: Clarendon 1938. S. 49; SclIWEIT.lER., Bcmhard: PklJon lind die bikltnde KIInsJ d"Criuhtn. Tübingen: Niemc)'cr 1953. S. 83; WEBSTER., Tho mas B. L : " PIaIO and Aristocle as Critics of Greek An." In: SJmbokle 01htnm 29 (1952), S. 8-23, hier S. 9). D as trifft im wesentlichen den Sachn'.rhalt; man soUte jedoch mit Keuls differenzieren, daß zentrale Neuerungen in der !\la1e:rei scho n etwa eine Generation " or Platon , also bereits zur Lebenszeit des Sakrales stllttgdunden haben; vgl. KEULS, Eva c.: PklJo od Cruk PoinJ;ng. Leiden: Brill 1978, S. 60 und S. 87. Vgl. XENOPHON: Erinnmtngtn on SoJuaJu. Übers. von J ohannes ImlScher. Bedin: Akademie
'"
1955, S. 133 f. [H!, 10[. Vgl. PLATON: W"kt. Griechisch und deutsch. H rsg. von Günther Eigler. übers. von Priedrich D. E. Sc.hleiermacher. Bd. 1 ~8. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1990. Bd 4, S. 205 [Poultio. 394b): Im Theater werde ,.das dem Dichter Angehö rige zwischen den Reden"
61
Damit wendet er sic h gegen die TiiflSchllllg, welche bei Gorgias noch einen positiv verstandenen \'\firkungseffekt dargesteUt haue, und wandelt diese um in einen moralisch verwerflichen ,ß errug'. Zur Kennzeichnung dieser sekundären Sphäre verwendet Plawn neben apate typischerweise Begri ffe wie phantnsma (Trugbild) oder thallllJ(Jtopoios (Gaukler). 1m Umfeld de r ,neuen Medien' dia gnostiziert Plaron dann die Gefahren solcher ,Scheinwelten', '.velche er am Beispiel von ,Bett' oder ,Tisch' enrwirft: Das reine Sein gehö re der Sphäre der unwandelbaren Idee an, wo hingegen bereits die vom Tischler herges tellten Gegenstände bloß Abbilder dieser ewigen Ideen seien. D er Maler (zograpbos) erzeuge dagegen nur ,Abbilder von Abbildern', also bloße Schattenbilder (eido10), welche " um das Dreifache von der Wahrheit abstehen" l6.2 - so die Kern aussage der berühmten Passage aus dem zehnten Buch der Politeill. Oie ähnlichen DarsteUungen der Kunst ersch einen als o ntologisch minderwertige Schattenbilder.1(oJ Wenn ein Kün stler etwa "ein guter Maler !zographos] [istJ und zeigt, wenn er einen Tischler gem al t hat, ihn nur hübsch vo n fern , so wird er doch Kinder wenigstens und unkluge Leute anführen, daß sie das Gemälde für einen wirklichen Tischler halten"l64 - die Kun st ist allenfall s etwas für die Dummen, die darauf hereinfallen. Die Täuschung ist aus ethischen Gründen nicht vertretbar, was mutatis mutandis für die RhetOrik gilt; Rhetorik und D ich tkunst erscheinen hier als verwandte techntli der Herstellung virtuelle r Welten. Bemerkenswert ist, daß diese Passage , in der es ,e ige ntlich' um eine Ablehnung der sprachlichen Darstellung (mimesis) gehen soll , gänzlich von der ßild lichkeit des Bildes unterwandert wird,l r.~ denn im Tex t ist über wei te Strecken nur vom Maler (zogmphos) die Rede, erst später wird dann ,wie selbsrversrändlieh ' der Schwenk zurüc k zu.r sprachlichen mimesis voUzogen (" Dieses lein mimeles, ,Nach bildner'] wird auch der Tragödiendichrer sein l...j" l~ . D ie Anschaulichkeit des Bildes scheint das stets als selbsrve rständlich und unhimerherausgeworfen und " nur noch die Wechselreden" übriggclassen. ,~
PLATON: U7tr~.
Griechisch und deutsch. Hrsg. \·on G ünther Eiglcr, übers. von Friedrich D. E. Schleiennachcr. Bd. 1-8. DanllStadt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 4, S. SOS !poU"fr;(I, 599a].
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Vgl. CANTO, Monique: "Ans of rake. 11Ie Icon in PlalOnic 1110Ughl." In: Rrpmrnfa/;ons 10 (1985), S. 124-145, hier S. 126f.
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1l7trkr. Griechisch und deutsch. Hrsg. von G ünther Eigler, übers. \'o n Friedrich D. E. Schlcicnnacher. Bd. 1-8. Dannstadt: Wiss. Buchgcs. 1990. Bd. 4, S. S03 tpou/ritl 598c]; vgl. die fa st gleichlautende Fonnulierung in SophiJltJ 234b (Bd. 6, S. 281 ), wo bezeichnenderweise de r Sophist als Nachbildner denunziert wird; dieser sei " durch Verfertigung gleichnamiger Nachbildungen ]m;mtmala] des wirklichen vermittelst der ~hle r kunst 19roph;ke luhne]imstandei... ], unnachdenkliche junge Knaben. wenn er ihnen VO ll fern das Gemalte zeigt. zu täuschen".
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PLATON:
Dies bctOIll auch H AU .I\"I:'ELL, Slephen: A rislollt's Portiu. London: Duckwo nh 1986, S. 53.
Il7tr..u. Griechisch und deUisch. Hrsg. von Günther EigJcr, übers. von Friedrich D. E. Schleic.nnacher. Ud. 1-8. Dannstadt: Wiss. Buchgcs. 1990. Bd. 4, S. SO l tpou·Wo, 597eJ.
PLATON:
fragt Vorausgesetzte zu sein ,167 welches aUes Reden über ,virtuelle Welten' überhaupt erst ermöglicht, ganz unabhängig davon, ob es sich um Bild· oder Te..Yhnedien handelt. In diesem Sinne ist das Konzept des Bildes eineflmdalllellla/e Meltlpher,l68 welche der Programmatik der Ähnlichkeit vo rausgeht: Seit der griechischen Antike ist das Bild das Medium der Ähnlichkeit schlechthin. Die Implementierung des Bildes al s Lcirmcdium der Ähnlichkeit und als O rientierungsgrö ße für andere Medien geht jedoch nicht auf Plawn zurück. D as Ideal einer Sprache, welche sich durch die Kunstfertigkeit des Dichters zur Suggestionskraft des Bildes aufschwinge, fin det sich bereits in einem Ausspruch des Lyrik ers Simo nides von Keos, der an der Wende vom 6. zum 5. Jahrhundert vo r unserer Zeitrechnung lebte. N ach der Überlieferung bei Plutarch hat dieser " die Malerei lzographi(Jl eine stumme Poesie !poiesis sioposaJ und die Poesie !poiesisJ eine redende Malerei [zogmphia /alollsa]" genannt. G anz symptOmatisch ist auch Plutarchs anfolgende Erläuterung: D ie T ate n nämlich, welche die Maler lzographo/l als gesche he nde darstelle n, beschre iben die (sprachliche n) Erzählunge n Ilogoll als vergangcne E reignisse. Und wenn die einen dies zwar mit Farben und Fo nnen , die ander en dagegen mit Wone n und Redewendunge n de ud ich m ache n und sich in bezug auf Material und Method e der N ac hahmung [/lj'le Ieoi lropoi! nllilleseoS] unterscheiden, so liegt ihnen do ch be iden ein und de rselbe Z weck zugm nde, lind von den HislO· rike rn lbi!lodkon] is t de rjenige der beste, welcher seine D arstellung [ditgesi.r] wie ein G em älde ijrapbe] mil G e m ütsbewegunge n und Miene n gem al t hat [eidolopoitin] . D em e ntsprechend s trebt Thuk)'dides in seiner E r..:ählung 1/0 logo] ste ts nach diese r Anschaulichkeit [UUlIgtit/], wie er bem üht ist, den Z uhö re r lakrotllesJ zu e inem Z usc hauer [lbMles] zu m ache n, und den Lese rn I (,"(~~noskonles] d ie E reignisse so ersc hreckend lind au früttelnd beiz ubringen, als ob sie dire kt zusc ha uen würde n IPtd JOIIS boronlasl. 1... 1 D urc h de n Vortrag [diuJbtsüJ und die
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" Was nun G emälde, Staruen und die anderen nachbildenden Werke I... J betrifft, so befin det sich niemand im Irrrum, wenn er aus der i\hnlichkeit [similiaJ des Bildes die diesem Bild ähnlichen D inge [,.,.bus similiaJ erkennen will"; t\ UGUS'I1 NUS, t\ urd ius: A usgtll!iiblle S(hrijlm. ß d. 1- t O. München: Kösel & Pustel 1911ff. (= Biblio thek der Kirchenväter). lkI. 8: Ausge-
II-iiblu praktisrJu Sd"iftm IJqmilnisdJtn und /ealtfhttisdJtn Inhalls, S. 86 IDe dotlrina Chrishtma I I,
-,'-I .
Zur Unhintergehbarkeit diskursbcgriindcnder ~'I etap hern siehe BLUME.....mERG, H ans: " Paradigmen zu einer Metap ho ro logie." In: 'fmorie der Mllaphlr. H rsg. von Anselm H a"erkamp. 2., erg. Aufl. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1996 11960J, S. 285-315; dcrs.: " Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen Bcgri ffsbildung." In: Studium Gmfralf 10 (1957), S. 432-447; D ERRlDA, Jaq ues: " D ie weiße i\ t},thologie. Die r-.ktap her im philosoph.ischen T ext." In: J . D.: IVlndgänge dtr Philosophie. H rsg. \'o n Peter Engelmann. Wien: Passagen 1988, S. 205-258, S. 344-355; eine gute Übersicht biete! D E.BA·n N. ßem hard: Die Rohonolitiil dtr Ml/ap/Nr. Eine sprochphilosophiseht und /eJJmnluniJegtionslhto,.,.tisem Un/m uchung. Bedm, Ncw Yo rk: de G ru}'ter 1995, S. 214-222.
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Ausgestaltung [diaO'poJis] der Ereigrusse besitzen sie [die Erzählungenl die Anschaulichkeit eines Gemäldes [mO/EnD graphiktJ. 169
E s gilt also auch für sprachliche Texte das Ideal einer bildlirhen AnschalllirhhiJ, welches Zuhörer und Leser durch die Kraft ihrer Suggestion in Zilscholier verwandelt (ein kühner Anspruch!). Nach dieser Auffassung muß der sprachlich vorliegende Text in den Z ustand der ,A nschaulichkeit' (uUJrgeia)I7O treten, er muß verfahren ,wie die Malerci' und ihre Erzeugnisse dem Gege nstand ähl1lirh machen (wie auch immer man sich das vorzustellen hat), wobei das Bild als Arc hetyp der Ähnlichkeit stets mitgedacht wird - was dann bei Horaz zu der berühmten Fonnulierung 111 pie/um poiesiJ gerinnen wird: E ine Dichtung solle sein wie ein Gemälde. l7I Von nun an ist das Paradigma des visuell wahrgenomme nen Bildes (der Malerei, der Skulprur etc.) unauslöschlich mir jeder Thematisierung von ,sprachlicher Anschaulichkeit' verbunden. Die Ähnlichkeit des ,Bildes' ist seither die zentrale Leirvorstellung bei der Genese auch der ,sprachlichen' Ähnlichkeit, sei es, um die Ebenbürtigkeit der ,redenden Malerei' zu beweisen, sei es, um die ,Ü berlegenheit' der synästhetischen visuellen Wahrnehmung zu betOnen, sei es, um die ,unmittelbare Zugänglichkeit' des Bildes hervorzuheben oder aber sogar eine Überlegenheit anderer Medien wie etwa Sprac he odet sogat der Musik aus dem Vergleich zu emwik kern - diskurskon stituietender Vergleichsmaßstab bleibt das Bild, welches die Konstruktion der Anschaulichkeit überhaupt erst ennöglichl, ganz unabhängig davo n, um welches Medium es sich handelt. So wird man seil dem in immer neuen Formul.icrungcn etwa von der " Malerey eines Poetcn "l12, von ,sprachlichen Bildern ' und dergleichen mehr sprechen: EI iJl die Bildlirhkei/ des BildtJ, Jl-'tlrhe die Progra"'''J(,tik der Almlichkeit erzt11gI. Plaron indessen greift nicht nur die Leirvo rstellung der bildJichen Anschaulichkeit auf und fügt sie in seine Theorie der ",i",esiJ ein (weitere Belege werden auf den nächsten Seiten folgen). Wie immer kritisch seine Ablehnung der
11>9
Aus dem Griechischen nach PJ.UTARCH: OtNlTtJ Mora/tI. Griechisch - Französisch. ßd. 1- 11. Paris: BeUes Letttes 1984. Bd. 5, I, S. 189/ 191 [Potmm Athtnoioi Endoluolrroi 346 f347c]. Der Begriff elltstarrunt wiederum der Rhetorik und ist hier verbunden mit dem ,vorAugen-steUen'; \'gl. HAGSTRUM, J ean H.: Tb, SÜltr ArtJ. Tbt Tradition oJ litera? P;rlon·{I/iJHI ond EngliJh Pothy from Dryd," 10 Crf!J. Chicago: Unh'ersity of C hicago Press 1958, S. 11 f.
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HORAZ: An" PottiC4. Die DichllulnJI. Lateinisch·deutsch. Übers. von Eckard Sch äfer. Srun:garr. Reclam 1972, S. 26f. [V. 361]. Im eigentlichen Zusammenhang handel! es sich bloß um einen beiläufigen Vergleich, der nicht .im geringsten als ,Theorem' lesbar ist; dennoch \'crselbständigte sich die Rezeption des Satzes als Instruktio n über die ,Anschaulichkeit' der Sprache schon in der Antike; \'gl. l\lARKIE\1:'1CZ, Henryk: ",U t picrura poiesis.. .' A H istory of the T opos and the Problem." In: New ü/rra!J HislOry 18 (1986/ 87), S. 535-558; W IU.F_I\IS, Gottfried: AnJ(houlichktit. ZN Throne und Guchichlt dtr lt7ort-BiM· Bt:rjthungtn und du IiltronJ(htn DorsltllungJJti/s. T übingc.n: N icmeye.r 1989, S. 21 7ff.
112
GOTrscHED, Johann Christoph: Versuch tin,r mhirhtn DithllulnJI. Faks. Nachdruck der 5. Auf!. Lcipzig 1751 . Dannstadt: Wiss. Buchges. 1962, S. 142.
64
Simulation auch sein mag, zugleich liefert er die erste Theorie einer Signifikation kraft Ähnlichkeit überhaupt, deren Grundpfeiler ausnahmslos bis heute das Sprechen über Simulation tragen. Die Urszene der Ähnlichkeit nach Plawn entfaltet sich in einem denkbar ein fac hen begrifflichen Raum; es gibt ein Abbild (tik on) von einem Vorbild, das zu jenem im Verhälmis der Ähnlichkeit (homoioles) steht; das menschlich verfertigte Abbild wird mimesis des Originals genann t; die alte Frage, ob man diesen Begriff durch ,Nac hahmung' odet ,Darstellung' übersetzen soll, ist in unserem Kontext nicht entscheidend, da es sich stets um eine Darste ll ung dllrch Ahnlichkeil handcJt. 173 All e drei BeD as ü bersetzungsp roblem stellte sich bereits mit den flÜhe n Platon-Übersetzungen elWa von Schleiermacher (d cr vorwiegend mir ,Nach ahmung' übersetzt, aber ebenfalls ,D ars tellung', ,Abbild', ,Nachbildung' und dergleichen einsetzt) oder Zeller (der tro tz seinem o ffiziellen Verweis auf ,Nachahmung' fast stets ,darstellen' oder ,ausdrücken' verwendet). Das 111ema wurde vo n philologischer Seite scho n flÜh in einer lexikologischen Srudie thematisiert durch KOLLER, Hennann: Die Mimesis in der Anfikr. N arhahmNng, DarslrllNIIg, A NsdfJIr!e. Bem: Francke 1954, Vor allem aus vorklassischen Quellen lo kalisiert Koller den Urspnmg der mimesis in der tänzerisch-musikalischen Darstellung. Das Wo n sei abgeleitet vo m mimos, dem Schauspieler des o rgiastischen Kultes (dieses Detail ist mittlerweile um stritten), und bezeichne vielleic ht sogar die Dio nysosmaske des Schauspielers selbst (ebd. S. 11 9 und 37 ff.). Daraus ergebe sich, daß die " traditio nelle Deunmg als ,Nachahmung' (...1 trre fiihrend" sei und " nur einen kJeinen Ausschnitt des griechischen ß edeun mgsfcldes" wnfasse (ebd., S. 210). D ie \-iclen Srationcn der von ihm ausgelösten Debane können hier nielli nachgezeichnct werden; dennoch möchte ich zwei Ei n wä n de aufne hmen : (1 ) Z un äc h st einm al sc heim d er Beg riff in sich de n Paradigmawechscl vom lVI/I zur Si"mullioll abzubildcn; d amit hätte Koller im Hinblick auf den Ursprung des Begriffs recht, zugleich würdc dieser dann jedoch zunehmend eingeengt auf die Sphäre der l/hlSio" (vgl. WIUJ1\ IS, Gottfried: AIIJth(l{dirbluiJ. ZII Tlm)n't IIl1d Gurhirhle dfr 1/7ort·ßild- ßt~fhNlIgtll I /nd des Iilmmlrmll DOrslrllllllgsslils. T iibingcn: Niemeyer 1989, S. 22 1). (2) Erstaunlich ist ferner, daß die Debanc selbst die Unbestimmt heit des Ähnlichkeitsko llzcprs im Zenrrum des ",imuI/- Begriffs fon schreibt. Im Kontext unserer Argumentation möchte ich zuspirl.end behaupt~n, daß sich zwar alle Philo logen darüber einig sind. daß sich ",imtsis im Modus der A hlllitlJluil auf eine ,Wirklichkeit' beziehe Uneinigkeit herrscht lediglich in bezug auf den Grad der Ähnlichkeit; Hat die DarsteUung ,Eigenwert' oder ist sie bloß ein ,mechanischer Abdruck'? O der: j17it ähnlich ist die mimesis? Genau diese Frage spielt aber in den griechischen Q uellen keine entscheidende Rolle; daher beein fl ußt die Entscheidung zwischen ,Nachahmung' und ,DarsteUung' meine Argumentation in keiner Weise. Aus Sicht der vicldiskutien en Belegstellen aus dem 5. Jahrhunden ist es weitgehend unerheblich, ob, wie in einem Fragment des Äschylus, ein ,bestimmter' Wo lf narhl/abml oder ,irgendein' Wolf dargeSltllt ",oird (vgl. zu dieser Stelle SÖRBOM, Göran: MimUlI olld Art. Sflldiu ill Im Onglll and EarIJ Dm/op",ml of Oll Aulhrtir V ()(ohll/my. Bo nniers: Svenska 1966, S. 28f.). Entscheidend ist einerseits der Aspekt der A hlllithJuil und andererseits der Kot?-tcxt, der klar die Stoß tichtung vo rgibt: Das DargesteUte soll vom Rezipienten qua Ähnlichkeit ,,,,.je auch inuncr' für den G egenstand gehalien werden können. Exakt dieselbe Logik erklän die Verwendung des Begriffs bei Aristo teIes, bei dem auch mimests durchaus vom O riginal abweichen darf. solange sie den Zweck der lebendigen Darstellung nicht verfehlt; vgl. elWa: " Da die Tragödie Nachahmung von t-,·tenschen ist, die besser sind als wir, muß man ebenso verfahren wie die guten Portrännaler. Denn auch diese geben die indivldueUen Z üge wieder und bilden sie ähnlich und zugleich schöner ab." (ARlsrOTELES: Potli!e. G riechisch-Deutsch. Übers. und hrsg. von t.bnfred Fuhnnann. Sruttgan: Reelams 1994, S. 49 [1454bJ). Auch Halliwell betOnt die G efahr "of overimerprering pre-Plato nic occurences of mimesis terminology in o rder fO make them conccprually richer (han their comexts warum", und konstatiert: " the no tio n o f resemblance remains ceOlral" (H ALLlWELL, Stephen: AnSIOflt's POtflu. Londo n: Duckwonh 1986, S. 11 0, 112). Vgl. zu dem Thema eben falls WElmE, \\fIadimir: " Vom
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griffe stellen dabei wechselseitig ihre eigene Evidenz her und können mitunrer sogar in fast synonymem Verhältnis zueinander stehen. 174 Der wohl weitgehendste Versuch Pl aton s in Richtung einer Theorie der Signifikation durch Ähnlichkeit ist wohl der Krarylos-Dialog; hier ge ht es um nichts weniger als die Frage, ob das Medium der Sprache motiviert ist, also etwa das \'\fO rt ,Nashorn ' in einem abbildend-ähnlichen VerhäJmis zu seinem Gegenstand steht, oder ob es durch Konvention (.!J f1lheke) festgelegt sei. Daß dies für die Antike bereits ein ausge fallener Gedanke war, beweist die ironisierte Rahmenhandlung. D enn Kratylos, Vertreter der Abbildtheorie, sagt seinem Gegenspieler Hermogenes, sein Name sei nicht Hermogenes - eine Anspielung auf die Tatsache, daß Hennoge nes ann ist, eine ,etymologische Analyse' jedoch zeigt, daß sein Name ,reich' bedeutet (,von Hermes, dem GOrt des Reichrums, absrammend').175 \Vie immer skurril Platons Argumentation 1n aus heutiger Sicht erscheinen mag, die ungeheure Wirkungsmacht des Kral)'los belegt dagegen, daß die Ulopie von einer transparenren, die Dinge gleich sam zeigenden, ,malenden' Sprache über Jahrtausende ungebrochen ist,177 und das,
~'limesis." In: EranoJ-johrllllrh 31 (1962). S. 249-273; KARDJ\ UN, ;"hria: D~/" Minmisbt,griJ! in d~r griubisdJtn Alllik~. NtNbtlrafbllmgtn ~ineJ NRlJlrillrnrn &,grif fu als AnJ(Jj'z Zu
Sinn der
tintr ntNtn InltrprtlOlion dtr pIoIOlliJfhttlMnJloNJ!oJJNng. t\ m sterdam ct 1'11.: Nort h HoUaml 1993.
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VgL zum syno nymen Gebrauch vo n miRluis und IJORloiofi u. a. fo lgende Beisp iele PI..ATON: Il7trkt. Griechisch und deutsch. H rsg. von Günther Eigler, übers. \'on Friedrich D. C. Schleiennacher. Bd. 1-8. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 3. S. 5 1 8 IKro~/oJ, 423a l oder z. 11. Bo. 4, S. 203 Woh'ltia 393cl; zu rikon und mimWJetwa Bd. 3, S. 547f. IKroD'loJ 432b-dl ; zu tiJeoll und /JO",oion z. Il ebd, Ud. 7, S. 34-39 I""RllIios, 28b-3OcI.
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Vgl. G ENET m, G erare!: A1imolo,giJern. RtiJt noth Kru!Jlirn. Übers. \'on M. \'on Kj](isch-I-lo rn . r-,'Iünchen: Fink 1996 119761. S. 28.
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Die mimetischen Bezeichn ungstechniken des Kro!JloJ sind, ähnlich wie im vorgestcUen Fall des ,I-lermogenes', einerseits eine Ko mbination aus epon)'mischer und etymologischer Motivatio n (denn aUe von Sakrales untersuchten Etymo logien behandeln das entsprechen. de WOrt als Eigennamen). andercrseits bemhen sie auf der Onomatopocsie des L1utcS, wobei bei Plato n das erste Tableau eines phonetischen Symbolismus überhau pt vorgestellt wird. Vgl. PJ..ATON: ]J7trJee. Griechisch und deutsch. I-Irsg. \'on Günther Eigler, übers. vo n Friedrich D . E. Schlciermacher. Bd. 1-8. Darmsradt: \X' iss. Buchges. 1990. Ud . 3, S. 529-533 IKra!JloJ, 426c-427e], und GENETTE, Gerard: Mi",ologiJern. IVi.rt I/(uh Kra!Jkrn. Übers. \'on M. \'on KilJisch-Ho m . München: Fink 1996119761. S. 13-45. Eine Vielzahl \'o n Folgctheorien prominenleSter Auraren belegt, wie wirkungs":lächcig der G edanke oder d cr Wunsch war, dic gesamte Sprache könne im Verhältnis de r Ahnlichkcit zu ihrem Gegenstand stehen. G rob gerastert durc hläuft der Gedanke folgcnde geschichtliche Enrwicklung: Beispielsweise widmen sich Augustinus oder J ohn \'?allis (1616- 1703) der Expressivität der Laute (,Stimme'), analog zu Soknu es. Dagegen gilt die Aufmerksamkeit etwa Leibniz' und seiner Zeitgenossen den Hieroglyphen, also der Schrift. Die Schrift wird dabei entweder in eine natürliche Verkn üpfung zu Lauten gerückt, wie in der Pho nomimographie Jo hann Georg Wachtcrs (1673- 1757), der das Alphabet als graphisch e Nachahmung der Sprechwedaeuge versteht, oder es führen ldeomimograph.ien im Stil von Rowland J ones (1722- 1774) symbolische Lektüren des Alphabets und dessen natürlicher Nachahmung der Ideen durch. Oft gehen pho netische und graphische Mimesis Hand in Hand. wie etwa bei de Brosses oder de Gebelin (zweit~ Hälfte des 18. Jahrh underts). Vg l. GENE1TE, Gerard: Mimologilun. Reist no(h Krll!Jlirn. Ubers. \'on M. \'o n Killisch-Ho m. München: Fink 1996 ]l976}.
obwohl sich die figur der ,Ähnlichkeir' aus einer paradoxalen Disposition gegen alle Evidenz enrfaltel. Denn der Kerngedanke ist ja, daß das Zeichen (A bbild) dem Bezeichneren (U rbild) so ähnlich lvii lIIöglich sein soll. Auch im Zeuxis-Mythos soUte ein Hergestellres, dort ein Bild, die Natur ,nachahmen' - wodurch sich in letzter Konse'luenz das Bild selbst auflöst, da es nicht mehr von seinem ,Gegen stand', von der ,N atur', unterschieden werden kann , so daß Rezipienten ,getäuscht' werden. Gerade also in ihrem vollständigen Gelingen löscht sich die Semantik der Ähnlichkeit selbst aus, was erstaunlicherwei se von PlatOn durchaus erwähnt wird, ohne daß jedoch eine nähere Erläuterung folgen würde - auch hier wird Ähnlichkeit wieder zum blinden Fleck des Vorausgesetzten. Denn die Kommunikation der Ähnlichkeit als Kommunikation ist gleichzeitig keine Kommunikation mehr. Man denkt, man kommuniziert, und finder sich dann plötzlich - in der Gegensmndswelt, der plij'sis, wieder: [Sokrates:J Wären dies wohl noch so zwei verschiedene Dinge wie Krarylos und des Kraty los Bild Itikon], wenn einer von den Göttern nicht nur deine Farbe und Gestalt Idmmld kill' srht1!w] nachbildete laptikastin], wie die Maler [zogmpholl, sondern auch alles Innere ebenso machte wie das deinige, mit denselben Absmfungen der Weichheit und der Wärme, und dann auch Bewegung, Seele und Vernunft, wie dies alles bei dir ist, hineinlegte und mit einem Worte alles, wie du es hast, noch einmal neben dir aufstellte; wären dies dann Kratylos und ein Bild des Kral)'los oder zwei Kral)'los? [Kratylos: ] Das, dünkt mich, wären zwei Krat)'los. 111
Bemerkenswert ist erneut, wie diese arration über die Möglichkeiten sprtJrhlirher Simulation wieder durch die Bildlichkeir des Bildes getragen wird. 11? Eine ideale, ähnliche Sprache wäre eigentlich gar keine Sprache, sondern wie ein von Görrern gemaltes Bild, das Farbe und Gestalt perfekt darstellen würde. Auch hier ist das Bild die aUem Sprechen vorausgesetzte Selbstverständlichkeit. Zugleich dekonsrruien Platon das Ko nzept eines ,absoluten Bildes' als ko mmunikationstheoretische Aporie. Eine Überschreitllng der Medialiläl durch eine Akkumulation von r fhnlichkeilen ist eine reine Paradoxie, denn dann hätte man es bloß mit einer Verdoppelung des Gegenstandes zu tun. Hinzu kommt, daß die Totalsimulatio n das Funktio nieren der Kommunikation untergräbt: " man würde von keinem von beiden [Original und Bildl mehr angeben kö n-
.-.
Pr.ATON: lf7rrlu. Gricchisch und deutsch. H rsg. von Günthcr Eiglcr, übers. \'On Fcicdrich D . E. Schleicrrn3chcr. Bd. 1-8. DannSladt: Wiss. Buchgcs. 1990. Bd. 3, S. 547 [Kra!rlos,
432b-cJ. Eine Vielzahl weiterer, ähnlicher Nachweise aus Platon finden sich in KEULS. Eva c.: PlaiD arid GrrrJe Painh·"g. Leidcn: Brill 1978, S. 36-47; vgl. ELSE, Gerald F.: PlaID ami An'Jlollt on Porlry. Hrsg. von Pctcr Burian. Chapcl Hill, London: Univcrsiry of North Carolina Prcss 1986, S. 15f. ; WIUEMS, Gottfricd: A"srhalih"thluil. ZN Thtt;n't Nm' Gmhi(hlt,ur If/orl- ßildß~tI)I,"!!" lind diS IilrranJ(IN" Darsldlli"gJJlils. Tübingcn: Nicmc)'cr 1989, S. 224.
67
oeo, welches das Ding selbst wäre und welches das Wort": 80 Dennoch - und das ist im Zusammenhang mit dem obigen Zitat erstaunlich - bleibt eine möglichst naturgetreue Simulation IrolZ ihres paradoxen Charaklers stets Z ieJpunkr der milllesis nach Plaron - wie auch immer kritisch er sie dann beurteilen mag_ So wird eine ,natürliche Sprache' im Km!Jlos wieder durch den Vergleich mi t einem Bild(!) geken nzeichnet, welches " Farben" und "Z üge" des Gegensmnds nachahmt: ,,\'(ler nun aUe Warben und Z ügeJ darsteUt [apodidollsJ, der wird auch sc hö ne Zeichnungen und Bilder [eikonasl darsteUen [opodidosinJ , wer aber etwas hinzusctzt oder wegnimmt, der macht zwar auch Bilder und Zeichnungen, abcr schlcchte_"181 Idealerweise, so die innere Logik auch hier, würde eine auf die Dinge hin durchsichtige Sprache zum Bild werden. An anderer SreIJe, in der Polileia, implementiert PlatOn die Metapher des Spiegels: 182 Am schneUslen aber wirst du wohl, wenn du nur einen Spiegel (kPloplf'OlIl nehmen und den überall herumtragen willst, bald die Sonne machen und was am Himmel ist, bald die Erde, bald auch dich selbst und die übrigen lebendigen Wesen und Geräte und Gewächse und aUes, wovon nur soeben die Rede war. / Ja, scheinbar, sagte er, jedoch nicht in Wahrheit seiend. / Schön, sprach ich, und wie es sic h gebührt, triffst du die Rede. Nämlich einer von diesen Meistern, meine ich, ist auch der Maler (zogmpl)()s).I83
Die figur des Spiegels ist in sofe rn das Radikal der Ähnlic hkeit, al s sie den Code im Code selbst dupüzierr: D er Code unterscheidet zwischen ,ähnlich / unähnlich'; auf der Seite des Ähnlichen wird dann noch einmal unterschieden, und zwar zwischen einem natürlichen Abbild 1S4 (als Spiegelbild) und PL>\TON: II7,rkt. Griechisch und deutsch. !-Irsg. \'o n Günther Eigler, übers. von Friedrich D. E. Schleiennacher. Bd. 1-8. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 3, S. 549 IKru!'YIOJ. 432d]; die Absurdität einer solchen VorsteUung hat Swift durch die ,Gelehrten von Balnibarbi' karikien , welche nicht mehr durch Sprache kommu nizieren, sondern die Gegenstände selbst mit sich herumtragen; siehe SWIFT, Jo nathan: Clllli/irls Tm/!tlJ. H rsg. \'on Petcr Dixon und Jo hn Chalker. London u.a.: Penguin 1985, S. 230.
'"
PI..ATON: Il7trkt. Griechisch und deutsch. Hrsg. von Günthcr Eiglcr, übers. von Fricdrich D. E. Schleiennacher. Bd. 1-8. Darmstadr. Wiss. Buchges. 1990. ßd. 3. S. 545 lKru!'YIOJ. 431c].
'"
Vgl. zur Kulrurgeschichte des Sp iegels HARn.AUS, Gusta \' Friedrich: 2allbtr du Spirgtls. r-,'Iünchen: Piper 195 1.
'"
PI..ATON: Il7trkt. Griechisch und deutsch. Hrsg. von Günther Eiglcr, übers. von Friedrich D. E. Schlciennacher. ßd. 1-8. Dannstadr: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 4, S. 797 !J>oh'ltill, 596c-e]
,. 68
Dabei kann es sich auch um d ie Metapher des ,Schattcns' handeln (allerdings nicht bei Plato n, wo er ,bloß' die fit/ola bezeichnet); so gibt Plinius eine allgemeine antike Aufassung wieder, wenn er den Ursprung de r r-,'Ialerd im Schattenriß lokalisicn: "alle icd och sagen. ~an habe den Scharten eines Men schen mit Linien nachgezogen" ; PUNJUS SECUN DUS der Altere: Naillr/eundt. Latcinisch-deutsch. Hrsg. und übers. von Rodcrich Kö nig. Dan n stadt: Wiss. Buchges. 1978, Bd. 35 • S. 21 [XXXV, 15]; \'gl. ganz ähnlich zur Entstehung der Plastik ebd., S. 109 [XXXV, 151].
einem hergesteUten Abbild (erwa einem Gemälde). Durch diese Wendung wird der Spiegel zur Ähnlichkeit par exceUence aufgebaut - das Ähnliche wird dabei so ähnlich , daß es hinter einer Verdoppelung der Welt verschwinder. Plawns berühmter Spiegel-Vergleich, ironischerweise ursprünglich abwertend gemeine, wird dann zum Archetyp einer Metapher, die bis heute alles Kommunizieren über (künstlerische) \XlirklichkeitsdarsteJlung ermöglicht. ISS Es läßt sich also zusammenfassen: Platon liefert die erste umfassende Theorie der Simulation, implementiert im Anschluß an Simonidcs das Bild als fundameneale Metapher der Ähnlichkeit und definiert das Spiegelbild als Radikal einer quasi-vollkommenen mimesis. Zugleich enclarvt er das ,absolme Bild' als Paradoxie, weil es nur eine Verdoppelung des Gegenstands bewirkt. Aber auch unabhängig von dieser Aporie ist die mimesis der \Xlirklichkeit nach Platon abzulehnen , da sie einen bloß sekundären, innerhalb der platonischen Ontologie sogar nur tertiären Status besitzt. Die Simulation ist dabei in sofern gefilirlieh, al s der erzeugte Effekt der Illusion eine - hier negative verstandene Täuschung hervorruft. Vor dem Hintergrund dieser Leitlinien ist dagegen bemerkenswert, daß Plaron die im Feld der Kunst kritisierten Kategorien, vor allem diejenige der A hnlirhkeil, dann zu tragenden Pfeilern seiner eigenen E rkenntni slehre macht. Z wischen der platonischen Idee und der bloßen Erscheinung spannt sich das Band der A hnlichkeil, 186 auf dem man durch die Erscheinung hindurch zur
,.
186
Vgl. zu einer Geschichte der Spiegd -r-,-Ietapher im Z usammenhang künstlerischer Wirklichkd tsdarsteUung nach wie vo r ABRAMS, Meycr Howard: Tin Mirror and tbe ump. Romanti( Thmy anti 1!Je Cnhrtll TrodJhon. New Yo rk: O xfo rd UP 1953; vgl. zur Ik:griindung der Metapher bei Platon HAGSTR uM,Jean H.: 1m Sillrr Arts. Tbe Trodition ojU frrary Pitlonunsm and E wgiiJh Pomy f roR! Drydew /0 er'!!. Chicago: University of Chicago Press 1958, S. 5; vgl. zur Bedeutung des Spiegels als Leitgrößc realistischer ßildlichkeit, eTWa im antiken 1\-loti" des ,geraubten Spiegelbildes' KOPPEN, Erwin: Li/rra/ur ,md Phclogrophir. Obtr Gesrhirhte und Thtmlltil:. rin" Alrditntn/duhng. Stungart: Metzler 1987. S. 16ff. In immer neuen Kontexten dient die Spiegelmetapher als Ideal einer realistischen Darstellung und überflUiet dann das ästhetische Schrifttum der Neuzeit; "gi. als Beisp iel aus ,>iden das folgende Lescpro lOkoll aus dem 18. J ahrhunden, welches Richardson der zweiten Auflage seiner Pamrla (1741 ) vorschickte; es handelt sich wn einen Brief vo n Aaron Hili: .JThe low scenesl are absolute Na/lire htrrrif or, if they must be confess'd her Rntmblann, at least, as our /n(t Fan gives our rörr in thc Loohng-glau," R.!CHARDSON, Samuel: Pamrla or, Virtut RLIl-·arr/rd. In a S m 'es of Lrflm from a &auhJul )'oung Damsrlto her Paren/s [.. .j . Bd. 1-4. N eudruck Oxford: Basil Blackwell 1929 (:::: Sh akespcare H ead Edition), Bd. I, S. xviii. Zwar ist die wirkliche Welt ,bloß Abbild', wie man es aus dem Höhlengleichnis kennt, wo vor allem von ,Schatten' (shas) und - ebenfalls pejorativ - von rMola die Rede ist (PI..ATON: IWrrkt. Griechisch und deutsch. Hrsg. von Günther Eigler, übers. von Friedrich D . E. Schleiennacher. ßd. 1-8. Dannsudt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 4, S. 554-559 Woh'trlo, 5 14a-5 16aJ). Aber andererseits wissen wir aus dem Timaios, daß der welrerzeugende Schöpfer (drR!iou'lfJs) die Welt als Abbild des ewig Seienden hervorgebracht hai ~, Denn indem diese unsere Welt sterbliche und unsterbliche Lebewesen erhielt und deran mit ihnen erfu1lt ward, ist sie ein sichtbares Lebewesen, das die sichtbaren Lebewesen wngibt, als Abbild [tikon] des nur denkbaren Lebewesens"; vgl. schon vorher. E s ist "durchaus notwendig, daß diese Weil von eTWas ein Abbild sei"; ebd" Bd. 7, S. 209, S. 35 ITimaiol, 92c, 29b1; "gI. ferner die kurze Passage in der Pon,ria, die einen mimrIes beschreibt, der alle Dinge als Nachahmungen der Ideen geschaffen hat: Bd. 4, S. 795/797 [596c] ; vg!.
69
\Xlahrheir der Idee fortschreiten kann, und zwar - so die Logik des Vergleichs von Plawn - ausgerechnet so, wie man von der Ähnlichkeit des Gemäldes auf das O bjekt schließen würde: Auch wcnn man den Sinunias gemalt 1ge9ro"""mon] sieht, [kann man] sich dcs Sinu nias sclbst crinnern? - Das kann man frcilich, sagtc cr. - Und nicht wahr, in allen diesen Fällcn enureht uns Erinnerung, d as einmal aus ähnlichen [bOlllOioll] Dingen, das anderemal aus unähnlichen [atlbomotlln] l... ]. Abcr wenn nun einer bei ähnlichen Dingen sich etwas crinnert, muß ihm nicht auch das noch dazu begegnen, dass er innewird, ob diese ctwas zurückbleiben in der Ähnlichkeit [Jmflloiofn] oder nicht hinter dem, d essen cr sich erinnert? - Notwcndig .187
\Xlährend die Simulation zuvor nur ein ,bloßes' Abbild war, ge langt Platon hier immerhin imp lizit zu der Einsicht, daß gerade die Ähnlichkeitsbeziehung auch ein Erkennrnisminel sein konnte - ein Gedanke, der von späteren Theorien einer idealisierenden Nachahmung aufgegriffen werden wird [11.6]. Derselbe Pla· ton, der die Kunst aus seinem Ideal sraa t verbannen will, formulierr diesen Gedan ken ausgerechnet wieder in der ßildlichkeit der Kunst, des Bildes und der medialen Wirklichkeit. Daher scheim man seine Absage an die mimesis der Kunst zumindes t noch einmal in ein anderes Licht rücken zu müssen. D enn auch Plaron verfügt über einen emphatisc hen BChrriff des Künstle rs, auch in der kunstkritischen Politeitl. Durch solche Künstler werde nämli ch der ideale
MEI. IlE.RG, Arne:
Tb/on"eI oJMimflli. Cambridge: CU P 1995, S. 22f.). Das 13and zwischen
dcr Wch und dcm c....oig Scicnden wird dann, .... oie stets bei Plalon z....oischen Urbild und Abbild, ausgercchnct durch dic Ähnlichkcit konstiruien (\'gl. u. a. cbd., Bel. 7, S. 41. S. 45, S. 53 und so fon in der Begrifflichkcit von b011l0;01l [Timaiol 3 1b, 33b, 37c]). Auch im Aspek t der ,Proportio nalität' tritt der As pekt auf, allerdings im Begriff dcr allolog;lr. Vgl. ebd. S. 41 [3 Ic]. Dcmgemäß läßt sich das Abbild (un Kontcxt dcr platonischen Ontologie) auch aufwen en: Da es im Vcrhälmis zur Ahnlichkcit zum cwig Scicndcn steht, kann man den \X/eg der Schöpfung im Mcdium der Ähnlichkeit zurücklaufen - da nn wird die Sonne erwa zu einem positi\, verstandenen rikon des Guten (ebd., Bd. 4, S. 545 JPolilria 509a]). Vgl. zu dieser aporetischen Verwendung der Ähnlichkcit bei Platon auch CANTO, l\ lonigue: "Acts of Fake. The Icou in Platonic l1\Ouglu." In: IVpmrnlalionl lO( 1985), S. 124- 145, hicr S. I 36ff., sowie t-,·t EJ.BE.RG (wie oben), S. 30f. P UTQN: l17rrh. Griechisch und deu tsch. Hrsg. von Günther Eiglcr, übers. \'on Friedrich
D. E. Schleiennacher. Bd. 1· 8. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1990, Bd. 3, S. 57 iPhaiJofl, 73e-74a ]. Die Stelle steht im Zusarrunenhang mit der ananlllllis-Lchre, nach der die Seele das ,Urbild' im ,Abbild' (der Wirklichkeit) erkenncn kann, indem sic sich an dic vor ihrer Inkarnation unmittelbar geschauten Ideen erinncn. So wird die Ähnlichkcit zur Vorausset zung der anOllllltnr. Da das Abbild zum Urbild im Verhältnis d er Ahnlichkcit stcht, kann die p.ryr!Jt die Idecn durch ,u-anszendicrende' Anschau ung dcr Wirklichkeit erblickcn sofern sie über das LcklÜreprogramm der Ahnlichkeit verfUgt. Hier tauch t üb rigens ebenfalls die Aporie auf, daß das ,absolut Ahnlichc' nielli mehr ,ähnlich' ist, da es nicht ,zurückbleibt' in bezug auf das Urbild: Im Vcrlauf der Arg1.lffiemanOn geh t es dann nur noch um "das Gleichc [Ioiolllon]"; ebd., Bd. 3, S. 57 [PhaidoIl 74a]. Das ist dann dic Idtt, dcr B.egriff der Ahnlichkeit dagegen verschwindct gänzlich, dic Diffcre nz zwischen dem .Ähnlichen' und dem .Gleichen' ist aufgelöst (ohne daß die Aporic hicr allcrdings von Plaron themarisien wird).
70
Staat entworfen , durch "diese des göttlichen Urbildes lParade{glllaJ sich bedienenden Zeichner [chrollltfloi zogmpholl"!88; sie werden ..wie eine Tafel [pinllXj" Staat und Menschen herbeinehmen, die Tafel reinigen und dann den ideaJen Staat ,maJen', dabei Maß nehmend an der IdeenweJt: wenn sie sich an die Arbeit geben, werden sie woh1 häufig auf beides hinsehen, auf das in der Narur Gerechte, Schöne, Besonnene und alles dergleichen und dann auch wieder auf jenes bei den ~'lenschen Vorhandene, und werden mischend und zusammensetzend aus ihren Bestrebungen das Mannhafte hereinbilden nach Maßgabe dessen, was Homeros schon, wo er sich unter den Men schen fmdet, das Göttliche und Gottgleiche genannt hat. 189
Wenn man bedenkt, wer die großen Künstler sind , die das vollbringen - es sind natürlich die Philosophen - dann wird auch Platon s Ablehnung der künstlerischen Nachahmung verständlich, und zwar im Rahmen einer DiskuskO!lkJlmni; Plaron verdammt die Ähnlichkeit der Kunstsimulation und ihrer ,virruellen \'\Ielren ', um sie im gleichen Augenblick!90 seiner eigenen Philosophie einzuverleiben.!?! Ga nz ähnlich , wie die Kulrurkritik vor den Verlockunge n des Fernsehers warm, um stan dessen die Lektüre eines ,gu ten Buches' zu empfehlen, diskreditiert PlatOn die Verlockungen der Kun st, um desto emphaa scher die Verheißungen der Philosophenkunst und ihren ewigen Wahrheiten zu plaz iere n. (3) Gerade darin lieb"" aber vermudich b ereirs der Stein des AnstOßes, welcher zu einer erneuten Revision der Sitnulatio n stheorie durch Ans/oIe/es fü hrt. PlatOns Rigorismus überfordert Philosophie und Wirklichkeit zugleich 192 - der Philosophen staat wurde nie verwirklich t, und die Leure gingen weiter ins
II!lI
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1'10
I't ......TON: IVtrkt. Griechisch und dcutsch. Hrsg. "on Gümher Eigler, übers. \·on Friedrich D. E. SchJciennacher. ßd. 1-8. Dannstadr: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 4, S. 5 19 [Polittia, SOOcj. PI..ATQN: IlVtrkt. G riechisch und dCUlsc h. H rsg. von Günther E igler, übers. von Friedrich D. E. Schlciemucher. Ud. 1-8. Dannsladt: \'(/iss. Buchgcs. 1990. ß d. 4, S. 5 19 JPolitria, 50 1bJ; \'gl. zu dieser Passage auch P i\NOFSKY, Erwin: Idlo. Ei" &ilrag Zl'r Brgriffig!frhkhtt dtr liltlr", /&,,/lIhton·r. Leipzig, ße.rlin: Teubne r 1924, S. I f. Und zwar dem Augenblick der Ausdifferenzierung eines philosophischen Wissens, das sich aber, wie. die Politda zeigt, noch als eine universale Epistemologie durchzusetzen sucht, und zwar hier gegen eine ,KwlSt'; Ergebnis wird sein, d aß die Kunst ihre ehemalige Funktio n - dic Vermittlung von Wissen - \'cclien; vgl. dazu ausftihrlich SOIl..AFFER, Hemz:
Pot/ie ,md IlViJsm. Dit E"wthllng du ästhttisrbtn BfU.'IIßlJti"s lind dtr philologisrht" Erkt""lnis. Frankfun/1-.-I.: Suhrkamp 1990.
'" In
Vgl. auch E I.5E, Gcrald P.: P/oIO (md An/lollt on Potlry. Hrsg. \'on Petcr Burian. Chapcl Hili, London: Uni"crsiry of Nonh Carolina Press 1986, S. 43f., der auch die erstaunliche Referenz auf Horner bespricht. Vgl. ß LUl\I.E...~BE.RG, Hans: "Anthropologische Annäherung an die Aktualität der Rhetorik". In: H. S.: llYir/dirhktiltn in dmtn ",ir Itbt". Aufsätze und eine Rede. Snmgan: Redam 1981, S. 104· 136.
71
Theater oder lauschten den \Xfo rten des Rherors, die mimeJis in Ge mälde und Skulprur blühte trotz ihrer Verurteilung durch Plaron fort. Genau an di eser Stelle setzt AristoteIes an, dessen Rehabilitierung der milllesis in Literarur und Kunsr man als eine Synthese zwischen dem sophistisch-pragmatischem Standpunkt (1) und Plarons theoretischem Rigorismus (2) begreifen kann. Nach der plakativ vereinfachten Formulierung aus der späteren Tradition de finierr AristoteIes ,Kun st' als Nachahmung der Natur. Dabei bedarf es mindestens zweier Präzisierungen. Zunächst einmal bezeichnet der griechi sch e Begriff für Kun st, teehne, die Kun stfemgkeit in einem sehr weiten Sinne,\93 er umgreift "alle Fähigkeiten des Menschen, wcrksetzend und gestaltend wirk sam zu werden", also sowohl das " Künstliche" als auch das " Künstlerische". ]94 Terhm verknüpft theoretische Kenntnis mit praktischer Anwendung und Fertigkeit, und sowohl Rhetorik als auch Dichtkunst sind al s solch e technai zu verstehen. Zugleich verankert Aristoteles die /edme der lIIimesis dadurch in seiner Metaphysik, daß er die Narut (p1!}Jis) als schaffend-produzierendes Prinzip auffaßt. D adurch wird aber die teehne der Narurnachahmung (lIIilllcsis) zu einem naturanalogen Proze ß. Die Definition der Kunst als Nachahmung der Natur in der Pf!JJik lauter vollständig: "die Kun stfertigkeit lteehne] bringt teils zu t Volle ndung fopngaJaJlhtl/l , was die Natur nicht zu Ende bringen kann, teil s eifert sie ihr (der Natur) nach rmillleiltl/l".195 Die !/,imu is der Natut im Kunstwerk voUziehr also die Verwirklichung (enlelerheia) des Vorhandenen auf iihnliche We ise wie die Na mr selbst: " In ähnlicher Iho1!loioJJ Wei se ve rhält es sich auch bei dem, das von Natur aus entsteht. D enn der Same bringt erwas wie durch Kunst hcrvor. "]% Daher gilt, so ßlumcnbcrg:
,.
Vg!. 1·1.A1...L1WELL, Stephen: Anstotlt'f POttiu. Lo ndo n: D uckwonh 1986, S. 44ff. B L U~IE,'mERG,
Hans: "Nachahm ung dcr Narur." In: H. B.: Wirk/ichktittn in amm Mir Itbtn. Aufsätzc und cine Rcdc. Sruttgan: Rcdam 198 1, S. 55-103, hier S. 55. t\usgchend \'o n solchen Formulierungen war das Konzcp t dcr mimui! d ann Ausgangspunkt \·crschicdcncr a/~l1ItilftrTheorie bildungen , welche sie als MOla r menschlicher Sinn bildungen (Benjamin), amhropologische Ko nstante (Lukacs/ Ho lzl Adomo), als s):mbolischer Gcncra to r der menschlichen Lcbenswelt (Rica:ur) erc. interpretieren (eine Ubcrsicht bictct r..-IhlSCHER, Thomas: Mimui!. Bielefeld: tu sthcsis 200 1, S. tOff.; ders.: "Asthcrik und r..-limcsis." In: Mimui! IIna Alm/niCk. H rsg. von T. M. Köln: D imer 1999, S. 42ff.); d agcgcn berücksichtige ich hier nur den Bereich der mimui! im engeren, ästhetischcn Sinnc.
'"
ARls roTEI.ES: Pl!Jfllr:: Vo rlcsung über Narur. Bd. 1-2. H amburg: Meiner 1987, Bd. 1, S. 89f. [199al. Zur Verwendung des mimmi· Begriffs kann man vereinfac hend sagen, d aß Platon den Ausdruck unschärfe r und allgemeiner benutzt, Aristotcles dagegen mimui! vorwiegend als genuin ästhetischen Begriff gcbraucht; dennoch bem üht sich auch AristOlcies l:l Ient um eine allgemeine Begründ ung des Begriffs, wcnn cr etwa mimui! als eine An ,anthro pologische Konstantc' zu Beginn der Poetik beschreibt; vg!. dazu auch GEBA UER, Gum er und Chrisloph \'VUI.F: Mimui!. KM/lllr, KNifft, Gut/Ischaft. Reinbek: Rowohlt 1992, S. 81 und RlcrnuR, Paul: Die Itbtlfdigt Mttaphtr. Übers. von Rainer Rochlitz. 2. Aufl. Münc hen: Fink
,.
1991 [1 975[. S. 48. ARlSTOTFl ES: M ttapl!Jfik. H rsg. und übers. \'on Friedrich ßassenge. Berlin: Aufbau 1960,
S. 169 [1034.[.
72
"Natur und ,Kun st' sind strukturgleich". t97 So wird die Dich tung in der Poetik wie ein Organismus besch rieben,198 und die Geschichte der dramatischen Gartungen erweist sich als zielgerichrete Selbsrentfaltung der Natur (pl!}sis) im Sinne einer Verwirklichung (enlelecheia): Die Enrwicklung der Tragödie " hörte auf, sobald sie ihre eigentliche Natur verwirklicht hatte", und "als der gesprochene Dialog au fkam, wies die Natur selbst auf das geeignete Versmaß."I99 Indem AristoteIes also die Poetik in das allgemeine System seiner Metaphysik einbettet, schließt er sie wieder an die episleme der Philosophie an, aus der Platon sie vertrieben hatte. Durch diese Wendung macht AristoteIes die Kunst nach Pl aton wieder theoriefahig. Z ugleich bleiben auch hie r Poetik und Rh etorik (immerhin:) sekundäre Sphären des \'Vi ssens: lOO " Philosophische Anerkennung ist nur die Kehrseite der Behandlung von Kun st als bloßer Technik.'<201 Ein geradezu sophistischer Z ug ist auch die positive Neubewerrung der Kategorie der If/ irkm-:g sowohl in der Rhetorik als auch in der Poetik: Die Antithese von Wahrheit und Wirkung (und auch in der Poetik geht es um Wirkung!1 ist oberfl ächlich, denn die rhetorische Wirkung ist nicht die wählbare Alternative zu einer Einsicht, die man auch haben kö nnte, sondern zu der Evidenz, die man flieht oder noch nicht, jedenfalls hier und jetzt nicht, haben kann. Dabei ist Rhetorik nicht nur die Techni k, solche Wirkung zu erzielen, sondern immer auch, sie durchschaubar zu halten: sie macht \Virkungsmittcl bewußt,
ß I.UME..'IßE.RG, H ans: ,.Nachahmung der Narur." In: H . B.: IVirküchkriftn in dtntn Mir Itbm. Aufsätze und eine Rede. Stutlgart: Redam 198 1, S. 55- 103. hier S. 56; \'gl. BoYD, John D .: He Funrtion oJ MimuiJ and ifi Dtcünt. Cambridge / Mass.: Harvard VI' 1968, S. 18ff.; HAU..I\"(lELL., Stephen : A ,jsfotles Pom·C!. London: Duckwonh 1986, S. 47f. !?8
Vgl. folge nde bekannte Stelle: Die Fabeln ("!JfhOl) müsse man so " zusammenfiigen, daß sie dramatisch sind und sich auf eine einzige, ganze und in sich geschlossene Handlung mit Anfang, Mitte und Ende beziehen, damit diese, in iluer Einheit und Ganzheit einem Lebewesen vergleichbar, das ilu eigentümliche Vergnügen bewirken kann." ARISTOTFlI1S: Poeh·J:.. Griechisch-D eutsch. Übers. und hrsg. von l-.1anfrcd Fuhrmann. Stutlgarr. Reclams 1994. S. 77 [1459a[; vgI. Fo nnulierungen wie: " als aber der gesprochene Dialog aufkam, wies die Narursclbst auf das geeignetc Versmaß", ebd., S. 15 [1449a[ .
199
Beide Stellen ARISTOTEl.ES: Poetik. Grie<:hisch-D cUlsch. Übers. und hrsg. \'on r-.-lanfred Fuhnnann. Srungart: Reclams 1994, S. 15 [1449aJ.
200
So ist die Rhetorik im aristotelischen \X/issensgebäude ein Gegensriick zur Dialektik (vgl. das erstc Kapitel der Rllt/on"k.). Sie bezieht sich wic diese mcht auf apodei.>.1J, au f das wahre Wissen, sondern, als empirische Wissenschaft., auf die Erfahrung (ptira). D ementsprechend leitet Aristoteles seine RhetOrik über die logischc Kategorie des IVahrHMi"üfht" (ri/eos) her; vgl. dazu auch RlCCEUR, Pau!: Die Itbindige Mtlaphrr. Obers. vo n lUiner Rochlitz. 2. Aun. München: Fink 1991 [1975J, S. 17f. Auch die Poetik wird immer wieder auf den Begriff des (,nur,) Wahrscheinlichen zurückgreifen. LEHMANN, Hans-11Ues: Thtoffr und M.Jthos. Die Konstitution des Suo/e/eJJ im DiJkurr der anli/un Tragjidit. Stuttgan: Metzler 1991, S. 148.
73
deren Gebrauch nicht eigens verordnet zu werden braucht, indem sie expli. zien , was ohnehin sc hon getan wird.2lI2
In bezug auf ihre pragmatische Fokussierung - auf die E rzeugung einer kalkulierte n Wirk ung im Rezipienten durch kalkulierte Mittel - hat die Poetik des Ariswteles dann auch regelrecht sophistisch-rhetOrische Züge. Ganz im Gegensatz zum Rigorismus PIatons in bezug auf pistellle und ethos wird die E rzielung einer bestimmten lf'irklll1g zur Letztbegründung der Dichtkunst, und diesem höchsten Ziel wird letz tlich sogar die Wahrheit geopfert. So hatte Platon noch rigoros die homerische Episode, nach der Achill HektOrs Leiche um Patroklos' Grab geschJeift haben soU, als 11II1l!ohr bezeic hnet. D agegen fo rmuliert Aristoteles: ..\'(/enn ein Dich ter Unmögliches darstellt, dann liegt ein FehJer vor. D oc h hat es hiermit gleichwohl seine Richtigkeit, wenn die Dichrung au f diese Weise den ihr eigentümli chen Zweck ldie Wirkung von Sc hauder und Jammer1 erreicht" .2Qj Der Zweck heiligt also jetzt die Mittel. Es gibt kaum eine Stelle, die den Clash zwischen AristoteIes und Platon besser beschreibt. D enn A.ristotele s rechtfertigt hier nicht nur eine bloße Unwahrheit, sondern geradezu das Gegenteil von der Wahrheit (das UnmögJiehe), wenn es aJ s Mittel zum Zweck dienen kann - der lf'irklO-:g der Dichtung. Von ,wa hr' wird auch nicht gesprochen, sondern von orthos, ,richtig'; und auch diese Richtigkeit ist eine bloß relative: .. Auße rdem ist die Richtigkeit lor. tholesl in der Dichtkunst nicht ebenso besc haffen wie in der Sraatskunst";201 das erinnen wieder an Pro t.agoras und den sophistischen Bebrriff der orlhoept:ia als ,Richtigkei t'. Im Gege nsatz zu Platon rehabilitien A.ristotcles al so di e kunstfertige Herstellung virtueller Welten, deren Zweck in der Erzielung einer suggest.i ve n If'irklfng beim Rezipienten liegt. Diese \'(/irkung hatte der Zeuxis-Mythos ebe n· so wie Gorgias als IIllIsion, als TiillSchll1-:g des Rezipienten beschrieben, wora n auch Plawn fes thält, wenngleich er diese Täuschung als Betrug ablehm. \'(/enn alle Kun st lIIilllesis der Natur ist, wäre ihr Endzweck dann nicht notwendig ebenfalls Tämchllng?
BLUMENBERG, Hans: "Amhropologische Annähemng an die Akmalität der Rhetorik". In: H. B.: IlYirklirhktitm in dmm uir It/"n. Aufsätze und eine Rede. Snmgan: Reclam 198 1. S. 104· 136, hier S. 111f. 1lI3
ARI$TQTELES: Potfile. Gricchisch·Deutsch. Übers. und hrsg. \'o n t-.-lanfred Fuhmlann. Smttgart: Reclams 1994, S. 87 [1 460bl. Vgl. ferner. " Das Unmögliche, das glaubwürdig ist, (verruem] den Vorwg vor dem Möglichen. d as unglaubwürdig isr". ebd. S. 93 [146Ibl ; in den erhaltenen Fragmemen seiner ,philologischen' Schriflen &>1bt es ebenfalls eine Replik zu genau diesem Punkt; \'g1. zu der Auseinandcrser-.mng mit Plato n PFEIFFER. Rudolf: Gmhirhtt dtr kkmi!(htn Philologir. Von firn Anfongm bis i!'1J1 Etldt du NtlltnisHlIlS. Rcinbek: Rowohlt 1970 (19681. S. 95. Die platonische Kritik an Homer fllldet sich in PI.J\TON: IlYtrkt. G riechisch und deutsch. Hrsg. von Günther Eiglcr, übers. von Friedrich D. E. Schleiermacher. Bd. 1-8. D armstadt: Wiss. Buchgcs. 1990. Bd. 4, S. 195 [Pobtd(l 390bJ. ARJSTOTELES: Pothk.. G ricchisch· Deutsch. Übers. und hrsg. von Manfrcd Fuhrmann. Smttgan: Rcclarns 1994, S. 87 (1460bl
74
Aristote!es zieht diese naheliegende Schlußfolgerung nicht. Statt de ssen defmierr er das \Virkungsziel der ",i",esis mit dem Begri ff der katharsis (wobei Jammer und Schauder, eleos und phobos, aber wieder auf Gorgias' deos und phrike als Effikt der Täuschung zu verweisen scheinen). Diese Volte ist wohl auch ein Ablenkungsmanöver. D enn der Begriff der Täuschung war nach seiner Ablehnung durch Plawn nicht mehr salonf.1.hig: " Heute dürfte es als gesicherr gelten, daß AristoreIes auf die Katharsis zurückgriff, um die Tragödie gegen die po litische Verurteilu ng durch Plawn zu verteidigen".205 Daß katharsis beziehungsweise eleos und phobos nur über eine Täuschung durch Nachahmung erreicht werden können, scheim an verschiedenen SreUen durch. So betont Arisw re!es: "Man muß die Handlungen zusammenfügen und sprachlich ausarbeiten, indem man sie nach Möglichkeit vor Augen stellt IPro O""'UJtOfl fithe",enonj. D enn wenn man sie so ",it großter Dmllichkeit erblickt ltUl (!f1(Jfgestaltl horonJ, oIJ ob ",an bei den Ereignissen, wie sie sich /JOII~ehen, selbst iJtgegen li/öre, dann fin de r man das Passende {Ioprepon] und sieht am wenigsten das dem Passenden Widersprcchcnde.«206 D er Kün stler muß es also ,geschickt anstellen', denn je besser die N achahmung verfertigt ist, desto weniger ,ertappt' einen der Rezipient an weniger gelungenen Stellen, und die Täuschung gelingt am besten: Es erscheint alles exakt so, wie es in \VirkJichkeir wäre - dies isr exakt die Illusion swirkung, welche im Zeuxis- Mythos, bei Gorgias und auch bei Platon beschrieben wird. In das Feld der ,Täuschung' gehört aber auch die immer wiederkehrende Kategorie des Wahrscheinlich en (eikos) .207 D iese wird von Interpreten immer wieder al s Beleg für eine ari stotelische Theorie der Fiktionolilät ausgclegt,208 aber dies gilt nur in einem äußerst eingeschränkten Sinne. Bei AristoteIes etwa ~ lrrrENZ\\;'E I , Wemer: " Katharsis". In: AJ/mhJeht CnmdlNgnffi. His/onsebts [f/(jrltrllllth.
&I. 1-7. H rsg. von Karlheinz Barck u. a. Stungan, Weimar: Metzler 2000ff. Bd. 3, S. 245-272, hier S. 247. ZIl6
ARISTOTELE.S: Porhk. G riechisch-D eutsch. Übers. und hrsg. von Manfred Puhnnann. Stungart: Redalns 1994. S. 53/ 55 [14 S5al. Vgl. zu der schwierigen D eurung des 9. Kapitels der Porh'k auch den Ko nunenlar H alliwclls in ARlrroTELE.S: Tb, Porties. Hrsg. von Stephen Halliwell. London: Duckwo rth 1987; dieser versteht die Wahrscheinlichkeit und No twendigkeit als eine apologetisch gegenüber dem Platonismus konzipierte " undcrl}'i ng correspondence to the general concepls and lru.ths which we deri"e from the experience of the wo dd" (S. 109).
208
Vgl. zu Arislotcles etwa HAI..IJ WEIJ.., Stephen: AnJ/o/k's Porhu. Lo ndon: Duckwo rt h 1986, S. I33ff. ; G Eßt\UER, Gunrer und Chriswph WULI': Mimesis. M I/uf, Kunst, Cmllsrhgft. Reinbck Rowohlt 1992, S. 84; RlC<EUR, Pau!: bil und E f'{ählung. Bd . 1-3. Übers. von Rainer Rochlitz. München: Fink 1988. Bd. I : bil und his/onseht E rzählung, S. 104. Diese Gleichsetzung vo n Illusion und Fiktionaliräl ist ein G emeinplatz der Forschung; "gI. T ARa r, Rolf: " Mimesis. Z ur G eschichte eines Piktionsbcgriffs." In: ,Das SrMnt 1011 Hin '. A is/mns in dir diu/scmn U ltra/ur. Festschrift ftir Wo lfgang B. Bender. H rsg. \'on Peler H eßclmann. Bielefeld: Aislhesis 200 1, S. 11 -33; die Beif!iige von Bemhard WALDENFELS und Ada B. N ESCHKE in OE.L:.'IÜLI,ER, Willi (Hrsg.): A s/mh·schtr Seoon. Paderbom CI al.: Schö ningh 1982; HAßEI.ßECK, Ono: Illusion lind I-' k/ion. u ssinl!l Brilrag '{!Ir potlischen Dü!eNssion über das V trbiillnis I!on K.uns/ lind lY/irleJiehJeril. München: Fink 1979; LQßSIEN, Eckhard: Thront liltronschtr IllllsionsbiMling. Sruttgart: Metzler 1975.
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gibr es keinen sp ezifischen Fiktionsbegriff; das Kriterium der Wahrscheinli ch· keir ist durchgängig dem Prinzip d er minltsis subordiniert. Z ieJpun kr der Argu. mema tion isr srets die Suggestionskraft der D arstellung, den Rezipicmen zu ,täuschen' - nur aus diesem Grund braucht die Dichrung nicht das \'VirkJiche darzustellen, es genügt vielme hr, daß m an das DargesreIhe für wirklich h(ll/en kiil/I/te (und das ist auf seiten d es Rezipie m en d as genaue Gegen/eil dessen, was in der Modernc einejik/iol/a/e Lek/üre a usmachen wird [III. 4]). Es ist " nic h t Aufgabe d es Dichters l... 1 mitzuteilen, was wirklich gesche hen ist, sondern vielmehr, was gesc hehen könnte, das heißt das nach den Regeln der \Vahr· scheinlichkeit leikosl und otwendigkeit [al/agkaiosl 1öglic he.«209 Gemäß dieser l...ogik ist es zumindest in bezug auf die Dichtkunst völtig gleichgültig, was der Dic h ter darstellt,210 entscheidend ist uie er es darstellt (das war in noch radikalere r Weise bereits im Zeuxis. M ythos der Fall). Aristoteles betOm unzweideutig: N llr die /echne der mi/llesis /IIach/ den Dichter ':(filII Dich/er, di e Frage nach der Fiktionalirär seines Gegenstandes ist d agegen gän z lic h irrcle· vanr. 211 Dieses wie d e r Darstellung nun wird ganz wcsentlich vom Kriterium des Wahrscheinliche n bestimmt. \Vahrsche inlich ist aber etwas, das g laubwür dig ist. Die Größe d er Wahrscheinlichkeit ist also von der W ahrnehmung des Rezipienten abhängig, der auf die dargestellte Realität ,he re infallen' soll : Bei der Tragödie halt.en sich die D ichter an die amen "on Personen, die wirklich geleb t haben. Der G nmd ist, daß das t\'lögLichc auch glaubwürdig iSI; nun g lauben wir von dem, was nicht wirklich geschehen ist, nicht ohne weite res, daß es möglich sei, während im ralle des wirklich Geschehenen offen kund ig ist, daß es möglich ist - es wäre ja nicht geschehen, wenn es unmöglich .. " , ware.· Acistore!es gehr es also gar nicht um Fiktionalität (und, das sei hinzugefügt, e r verfUgt ebenfalls noch nicht über ein Konzept des Künstlers als ,genialischem
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Griechisch· Deutsch. Übers. und hrsg. \'on J\bnfred Fuhnn:mn. Srurtgarr. Reclams 1994, S. 29 [l45la-bJ . Zu diesem Schluß gelangl auch ZORAN, Gabciel: " Hislory and Fiction in the Aristotclian Theory of Mimesis." In: M imtnJ. Sfllditn '(Fr /iltmnJf!Hn RrpräJtnl(ltion. Hrsg. von ßernhard F. Scholz. Tübingen, Hasel: Francke 1998, S. 133-147. "Denn wenn sich ein Dichter etwas richtig ,"orgesteUI hat. wn es nachzuahmen, und er es aus Unf:ihigkeit nicht richtig nachahmt, dann liegt ein Fehler der Dichdmnsl selber \'0 ( '; ARISTOTEl.ES: POltile. Griechisch-Deutsch. Obers. und hrsg. "on Manfred Fuhnnann. Snmgart: Redams 1994, S. 87 I1460bl· VgL ebd. S. 31 11451 b): "er ist ja im Hinblick auf die Nachahmung Dichter". Der Tenor ist immer: Ahme lieber etwas ,Falsches' gut nach, anstatt etwas ,Wahres' schlecht: "Der Fehler ist nämlich geringer, wenn jemand nicht wußte, daß die Hirschkuh kein Geweih hat, als wenn er ein Gemälde angefertigt hai. das seinen Gegenstand schlecht nachahmt", ebd. S. 87/89 11460bJ. Der Dichter (als poit/tl, ,Macher') muß daher keine neuen Geschichten ,machen'. Das Kriterium der Wahl des Stoffes ist wieder die Wahrscheinlichkeit. ARISTOTELES: Potlile. Griechisch-Deutsch. Übers. und hrsg. \'on Manfred Fuhmunn. Sruttgart: Rcclams 1994. S. 31 11451b). ARlSTOTEI.ES: P()(tile.
Schö pfer').2D Im Gegenteil weist er lediglich darau f hin, daß die Illusio nskra ft der virtuellen Welt dann Schaden nehmen kann, wenn der Rezipient Hand· lunge n und Stoffe anders präsentiert beko mmt, als er sie kennt. D eshalb soU der Hersteller virtueller Welten bei wirklich bekannten Sto ffen die Handlung besser so belassen, wie sie ist. \'\Ienn man einen Film mit dem T itel ,T itanic' d reh t, dann soUte das Boot scho n untergehen: " E s ist nun nicht gestattet, die überlieferten Geschich ten zu verändern; ich meine z. B., daß Klytaimes tra Is icl von O res res getötet werden muß und Eriphyle von Alkmeon. Man muß derartiges selbst erflOden oder das Überlieferte wirkungsvoll verwenden.'<21 4 D ie G röße des Wahrscheinlichen figuriert bei Ari sto teles also kaum im Sinne eines entwickelten Fiktionalitätsko nzepts, vielmehr ist sie "the prima!)' characteristic of a successfullie" .215 Als Sreuerungsgröße ist sie ausschließlich an die T extproduzenlen gerichtet,216 beschreibt jedoch keinesfalls die allgemeine Rezeptio nssituatio n. Der Dichter kann also durchaus von der Wahrheit abweichen, wenn es d ie Rezipienten nurflir wahr ha/lell. In bezug auf die erziel te lf7irkUflg erlisc ht dann nämlich der Unterschied zwischen dem Wahren und dem Wahrscheinlichen. D ies, so AristoteIes, sei bewiesen durch die T atsache, daß Srucke mit ,wahrem Inhalt' selbst dann noch ihre volle Wirkung entfal ten, wenn die Rezipienten sie nicht kenn en. Ein anderes Beispiel - in dem Stück Ant/)eJlS des Agathon sind die Namen in derselben Weise frei erfunden wie die Geschehnisse, und es bereitel gleichwohl Vefb'Tlügen. Demzufolge muß man nicht unbedingt bestrebt sein, sich an die überlieferten Sto ffe, auf denen die T ragödien bemhen , zu halDer poirlrJ ist zwar in wö rtlicher ÜbersclZung ein ,Macher', so daß im mer wieder dic Nähc z\un " Produktiven. Konstruktiven und D ynamischen" ko nstatien wurde (R1C(EUR, Paul: Ztitllnd Erziiblllng. Bd. 1-3. Übers. von Rainer RochlilZ. München: Fink 1988. Bd. I: bit lind biJlonJr!J, Erzählung. S. 56. vgL S. 82); der Begri ff hatte sich als gebräuchlichc Bezeichnung für den Verfasser literarischer T cxtc jcdoch scho n vor Aristotc!es cingebürgert; vgl. HALUWEIJ ... Stephen: A nslolles Pot!ics. London: Duckworth 1986. S. 56. ZH
ARISTOTELES: PoehK:.. Griechisch-D eutsch. Übers. und hrsg. vo n Manfred Fuhrman n. Srungan : RecJams 1994, S. 43/45 [1453 bl.
11S
NELSON, William: Focl or Firtion. TIN V i/m'lll(1of the FJnoiJsonre Sloryltl"r. Cambridge/ Mass.: H arvard UP 1973, S. 3f.
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Auch ru r Journalisten oder etwa Werbetexter der heurigen Zeit kö nnte man die Regel aufstcllen: Produziere entweder Wahres oder Wahrscheinliches - entscheidend ist am Ende, daß die Rezipienten es for Ii'ohr hollrn. Und selbstverständlich lassen sich nicht nur in de r Werbung, sondern auch im Journalism us Fiktionalität nachweisen. So gerict ~-line der Neunziger Jahre der Fernsehrepon c.r M..ichael Born in die Kritik, weil sich seine Rcpon agen als ,fIktional' erwiesen: "griechisches Kctchup, wn das Blut erschossener Albaner darzustellen, Holzkreuze. die fUr einc Ku-Klux-Klan-Session bei r-.·tendig in dcr Eifcl gebraucht wurden, aber nicht b rennen wollten. Pude rl.ucker als Ko kain" (HANFELD. ~-lichac l : " Ketchup." In: FAZ 218 (1996), S. 39). Sprichwönlich ge,"\!orden ist in der J ournalistenbranc he de r Fit't DollarShol, also die üblicherweise gegen Bezahlung inszenierte und gefilmte ,Attacke' in Kriegsgebicren. D as bedeutct jedoch nicht, daß Journalismus oder \,\/erbekommunikation fiktional rezipien werdcn wie etwa ein Roman, denn cs stcht zweifel sfrei fest, " daß die Wirkung d es Medi ums auf dem G lauben der Zuschauer beruht, was sie sehen. sei realistisch" (ebd.).
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ten. Ein solches Bestreben wäre ja auch lächerlich, da das Be kannte nur wenigen bekannt ist und gleichwo hl allen Vergnügen be reitet. 211
Das Kriterium fur das Gelingen der N achahmung - und damit das Gelingen der Dichtkunst überhaupt - wird damit aber aus der Theorie ausgelagert und in den Rezipienren gelegt. In Ermangelung der platOnischen Evidenz wird die Wahrheit damit gewissermaßen zur Abstimmung freigegeben, auf comCflJJI! begrunder l8 (an anderer Srelle formuliert AristoteIes: "einer Überzeugung, die alle Menschen teilen, entspricht wirkliche s Sein'j.219 Dementsprechend kann sich AristoteIes in bezug auf die Mille! der Nachahm ung zur Wirkungserzeugung auf das berufen, was für ,üblich' gehalten wird; dazu ein Beispiel aus vielen: wenn der Vorwurf erho ben wird, es sei etwas nicht wirklichkeitsgetreu d arges tellt, dann kann man vielleicht e inwenden, es sei dargeste llt, wie es sein soll te 1... 1. Wenn abe r keines von beiden zmrifft, dann kann m an e inwende n, man stelle e t\vas so dar. wie es der allgem einen Auffass ung entspricht, zum Beisp iel bei den G eschichte n von de n Götte rn 1... 1- so, wie X enophanes m eint: m an sagt eben 50. 2..'0
Damit befindet sich die aristo telische Poetik eigentlich nicht mehr auf dcm Boden de r Theo rie, sondern - äh nlich der sophisti schen Rh etOrik - in der Domäne der e",pein'tI, indem M.inc! zu Erzeugung von Ähnlichkeit ein fach aus dem abgeleitct werden, was eben üblich ist und die erwün schten Wirkungen erzielt. Aber auc h wenn sich also die aristOtelische PoetIk an ihrer Oberfläche ,e igentlich' empirisch emf:t1te r, wird die Rück bindung an die Theo rie doch immer wieder punktuell ve rsucht. Ein schö nes Beispiel ist das folgende: D as heroisc he Versmaß hat sich Jbeim Epos] auf Grund der E r fahrung lPeim] als angem essen erwiesen. Wenn nämlich jemand in e ine m andere n od er gar in verschiedenen Versm aßen eine Nachahmung durc h Erzählung zus tandcbrin-
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ARISTOTELES; Portik. Grieehisch-Deursch. Übers. und hrsg. von r-.bnfred Fuhnnann . Snmgan: RecJams 1994. S. 31 11451 bl.
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Eine Verklanunerung der Kategorien des Wahrscheinlichen (tiklJ!) und des Üblichen (10 Prt~1/) läßt sich schon bei den Sophisten belegen; ,'gI. ßAUMHAUER, 0[10 t\.; Die sophisti;cht Rhrlonk. Eine Thtorir sprorhlidnr KtJm11lllnileotion. Stungart; i\'letzler 1986, S. 135f.; vgl. zu dieser Do minanz des allgemein Üblichen auch R1CCEUR. PauJ: Zril ~1/(J E'Ziih/~1/g. ßd. 1-3. Übers. \'on Raine,r Rochlir-.I.. München: Fink 1988. Bd. 1: bi/lind hiJlonJrm E'Ziih/~1/g. S. 84.
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ARISTOTllt ES; NiJeom(l(hiJdH ethik. Übers. \'on Pranz Dirlmeier, Anmerkungen \'on Ernst t\. Schmidt. Srungatt; RecJams 1992, S. 273 /1I 72b]
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AR1STO'n :1ES; Portik.. Griechisch-DeUisch. Übers. und hrsg. von Manfred Fuhttnann. Stuttgatt: Reclams 1994, S. 89/1 460b- l46la]
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gen wollte, dann würde sich das als unpassend erweisen. 1...1 die Natur tplL1Jül selbst lehrt, das hierfür Angemessene Ihl1nJloJon] zu wählen. 221 Der comcnSlli ist das Maß der Dinge. Aber das, was üblich ist, ist dadurch üblich, daß ,die Narur selbst' die teleologische Selbstentfaltung der nachahmenden Gattungen bewirkt. D eshalb o ffenbart die ell/peintl als Rückgriff auf Erfahrungen (peim) die Mittel der pl!J'sis selbst. Zencral ist aber, daß AristoteIes über diese m etaphysische Rückversic herung den Begriff des Angemessenen (AristoteIes verwendet synonym 10 prepon und hanlloson) zu einer zentralen Kategorie aufbauen kann,222 die er auch in der Rhetorik zur Kennzeichnung des jeweil s angemessenen Stils verwenden wird; an einer zencralen SteUe heißt es: " der höchs te Vorzug des Stils (ist] dessen Klarheit [sophesl I, weder niedrig, noch allzu würdevoU, sondern angemessen [prepOltStlJ"223; das ,Angemessene' wird später in der rö mi sch-rhetorischen Tradition mit Begri ffen wie tlplJ(m, deeens, deeomlll, eonveniens, fleeoll/odal1f1l/ bezeichnet werden.224 Das Angemessene überdeckt nämlich paßgenau das Zentralproblem der Programmatik der Ähnlichkeit [11 . 2]. \'(!eil niemand weiß, was ,ähnlich' bedeutet, die ,Ä hnlichkeü' aber zugleich allen selbstverständlich ist, so daß man eigentlich gar nicht mehr darüber zu reden braucht, liegt nichts näher, als die Ähnlichkeit auf CO!lStltSllS zu bTfÜnden und zu sagen: ,Äh nli ch' ist das, was alle für ,ähnlich' halten, und: Bei der Nachahmung halte man sich an die technischen Minel, d ie sich als dafür ,angemessen' erwiesen haben. Gemäß dieser Logik ist aber die angemessene Phänotypie des Ähnlichen (oben Stil genannt) die jeweils richtige - und ebenso wie Pa.rrhasios meinte, die Malerei zu ihrer Vo llendung gebrach t zu haben , glaubte auch Aristotelcs, die Simulationstechnik ,Tragödie' könne man nich t mehr verbessern.ru N un ist (wie schon für Sokratcs) auch für AristOteJes die Anschaulichkeir
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ARJSTOTELE.$: P(}(h/e. Griechisch-D eutsch. Übers. und hrsg. von !\·Ianfred Fuhnnann. Srungarr: Redam s 1994, S. 81 (145%1. Vgl. zur Angemesscnhcit insgesamt ASMUTI·I, Bernhard: "Angemessenheit." In: Hislorisdm IlYörtfrVlI{h drr Rhtlorik. Bd. 1 ff. H rsg. vo n Gcrd Ueding. Dannstadt: Wissenscha ftliche BlIchgesellschaft 1992ff. Bd. I. Sp. 579-604; zur Angemesscnheit der Metapher bei Aristotdes siehe SINNREICH. Jo hannes: Die (lnJlolf/iHM Throne der Mtlaphir. Ein Vmll{h ihnr lVieo"slf"ll/ehon. Phil. Diss. München 1969, S. 244ff. ARISTOTEI.E.$: Rhrlorile. Obers. und hrsg. von Gemot Krapinger. Stungart: Rcclams 1999, S. 154 [1404b[. Vgl. EISENHlH. Wemer: Einjiihf"llng i" die a"tiJu Rhtlorik ""d 111rt Gmhirhlt. Dannstadr: Wissenschaftliche BuchgeseUschaft 1974, S. 35; vgL zu prropo" und aplllm ClZEK, Alcxandru
N.: {milaho rl Ira{laho. Die littrariHh·rhrloriHht" Gf"IIndlagrn dfr Na{hahmllng in Antike lind Mifltlaller. T übingen: N ieme)"er 1994, S.72ff. VgL ARISt"O"rELES: Porh"k. G riechisch-Deutsch. Obers. und Img. \'on !\-lanfred Fuhnnann. Stungan: Reclams 1994, S. 15 [1449al: "Ihre Ider T ragödieJ Entwicklung hörte auf, sobald sie ihre eigene Natur vcrwirklicht ha ne."
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des Bi/dtJ die Leirvorstellung einer lIIilllesis durch Ähnlichkeir,226 auch dann, wenn es um sprachliche Darstellung geht. Es gibt in der POtlik insgesamt acht ParaUelisierungen sprachlicher und bildlicher lIIimesis; so heißt es etwa: Ocr Dichter ist ..ein Nachahmer [...J, wie ein l\hler [ ZOgrt~hos] oder ein anderer bildender Künstler ltikonopoios - Bildennacherl".227 Zwar unterlegte auch Plaron seine Simulatio nsrneorie mir der Leirvo rsrel· lung der bildlichm Al1sd}(lIfl;chkeil, aber er ließ zugleic h offen, auf welche Weise man sprachliche Zeichen in ,Bilder' transformieren könne. Diese Lücke schließt Aristote1es. Weil niemand weiß, was das Ähnliche ist, weil es Zugang zum Ähnlichen nur über per consel1SlfS ermittelte, ,angemessene' und ,übliche' Slil.Millelgi.bt, schlägt Arisroteles ein Verfahren vor, mit dem sich ,Sprach-Zei. ehen' in anschauliche ,Bilder' verwandeln lassen. Zwar hat Arisrote!es der ,kratylischen Sehnsucht<228 Platons, die noch von einer allgellleinen Ähnlichkeit der Sprache mit dem durch sie Bezeichneten träu· men konnte, eine klare und unmißverständliche Absage erteilt: " Die Bestimmung ,konventionell' (auf Grund einer Übereinkunft) will sagen, daß kein Nomen von Natur aus ein solches ist, sondern erst wenn es zum Zeic hen geworden ist"; sprachliche Kommunikation ist für AristoteJes per se auf Kon· vention beruhend und info lgedessen ihrem Gegenstand nicht ähnlich.!.."? Dem· nac h wäre die Vorstellung einer IlIIillUis durch Sprache eigentlich blanker Unsinn, da sprachliche Eleme",e zunächst über keinen ,ähnlichen' Aspekt verfUgen, durch den sie in einen ,direkten' Kontakt mü dem D argestdhen treten könnten. Ari stotelcs verschafft dem Problem abe r Abhilfe, indem er neben den nor· malen Sprachgeb rauch einen zwei ten Mod us des sprachlichen Au sdnlCk s n.
So auch HAUIWELL. Stephcn: AnJlollt's POltifS. Lo ndo n: Duckwonh 1986, S. 53f.; dagcgcn differenziert Aristote.!es die verschiedcnen Medien der mimtsis in dcr Po/iltin; "gl. AIUSTOTELES: Politik. Hrsg. und übers. von Eugen Ra lfes. Hamburg: ~ I ei ner 198 1. S. 290f. (134001· ARISfOTELES: Pottik. Griechisch-Deutsch. Übers. und hrsg. von Manfred Fuhnnann. Stuttgart: Reclams 1994, $. 85 1146Obl; Vgl. femer: " Demzufolge werden Handelndenachgeahmt, die entweder besser oder schlechter sind, als wir zu sein pnegen. oder auch ebenso wie wir. So halten es auch die Maler lV(~hti.rl", ebel. S. 7 [1448a]; " Da die Trngödie Nachahmung \'o n ~ I en schell iSl, die besser sind als wir, muß man ebenso "erfahren wie die guten Portriiunaler [tikonographtll]. Denn auch diesc geben dic individuellen Züge wieder und bilden sie ähnlich [hol1loionl wld zugleich schöner ab", ebd. S. 49 (1454bl: vgl. ferner 1448b ( 10- 19). 14SOa (26.9), 14SOa (39-b3); 1461b ( 12f.) sowie metapho risch 1336b (16). Ikbnntlich sind die Interpreten uneins über den .eigentlichen' Sundpunkt dieser Schnft: dazu hat Genette überzeugend henusgesteUt, daß zumindest an de,!' ,krat)'lischen Sehnsucht' "on Sokrales/ Platon kein Zweifel beslehen kann; eine auf Ahnli{hletil begründeie Signifibtion wäre der kom'emionellcn ,'orzuziehen. VgL dazu G E.,"E I I E.. Gcrnrd: Alimologi/un. RriSt na(h Kra!Jlitn. Übers. von M. von Killisch· Hom. München: Fink 1996 [19761. S. 43. ARISfOTEI..ES: O'!flnoll. Übers. und erl. von Eugen Ra lfes . Ud. 1-6. Meiner: Leipzig 1948. Bd. I, T eil 2, $. 2 [Pm' lJmlltn';(1J, 16a]; "gI. zur Zeichenauffassung des Aristo tcJes auch TOOOROV, TZ" cun: SymboltlHOritn. Übers. "on Bcare G)·gcr. Tübingcn: Niemeyer 1995 (= Konzcpte der Sprnch- und LiteraturwissenschafI. 54), S. 6ff.
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stellt, in dem dieselben Elememe, die zuvor auf Konvention beruhende Werkzeuge waren, plötzlich in Beziehung zu ihrem Gegenstand treten, und zwar durc h das Mittel der Ähnlichkei t. Die Rede ist nariirlich von der M etapber,2Jf) für Arisroteles das wichtigste Mittel der sprachlichen II/imesis: E s ist wichtig, daß man alle die genannten Arten (der unüblichen Wörter, einschließlich der MetapherJ passend verwendet fpreponlolJ chmlhm], auch die zwiefac hen Wörter und Glossen [DialektausdrückeJ ; es ist aber bei weitem das Wichtigste, daß man tvletaphern zu finden weiß. D enn dies ist das Einzige, das man nicht von einem anderen lernen kann, und ein Zeichen von Begab ung. D enn gute l\
Die Ähnlichkeit erscheint hier klar als Voraussetzung und Wesen der Metapher. 232 Aber ein wichtiges D etail muß man dabei scharfstellen; denn strenggenommen liegt der Ausgangspunkt der metaphorischen Ähnlichkeit auf der Gegenstandseben e, (noch) nicht dagegen zwischen dem Medium und dem Gegenstand. Die Bewegung der metaphorischen Übertragung (epiphora) in " Achill ist ein Löwe« find et zunächst in der ähnlichen Eigenscha ft des Mutes zwischen AchilI und dem Löwen Start. Ein Seitenblick auf die aristotelische Rbetorik, in der die Metapher eine ähnLich wichtige Rolle spielt, bestätigt die zentrale Bedeurung der Äh nlichkeit in der D efinition der Metapher. Es soll an dieser Stel le nicht den äußerst komplexe n Verzweigungen der ari stotelischen Meraphe.rnrheorie nachgegangen werden;233 weitestgehend lau fen die meisten ari stotelischen Äußerungen zur Metapher auf das Prinzip der Ähnlichkei t hinaus. Dazu zwei Beispiele:
2)0
VgL zu der recht schwierigen r.,·tetapho ro logie des ArislOfe.le s nach wie vor R1C(EUR, I'aul: Die Itbtndigt Mt/ophtr. Übers. von Rainer Rochlirz. 2. Aufl. München: Fink 1991 [1 975J. AIlISTOTEtES: P()tHIc. Griechisch-Deutsch. Übers. lind hrsg. vo n t-.1anfre.d Fuhrmann. Srungan: Redarns 1994, S. 75/ 77 [1459aJ Im übrigen sei schon hier vennerkt, daß es eine zweite Voraussetz ung gibt, diejenige der AbM-'tirhuIlg. auf dje ich an späterer Stelle 111I. 2J zurückkommen werde.
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ArislOtcles verwendet den Begriff der Metapher einmal auf allgemeinerer Ebene, dann aber im engeren Sinne, und dies mit unt ~rschi edlicher Tennino logie. Vor allem die Metapher im engeren Sinne beruht explizit auf A h"lirhluit, diese Meupher durch Analogie (analogo,,) wird wie folgt charakterisien: " Das Alter verhält sich zum Leben, wie der Abend zum Tag; der Dichter nennt also den Abend ,Alter des Tages' oder [... J das Alter ,Abend des Lebens"'; das heißt. daß sich "die zweite G rö ße zur erste n ähnlich [homoiol uhul verhält wie die \'1ene zur dritten" . ARISTOTELE$: PO/file. Griechisch ·Deutsch. Übers. und hrsg. von l\.1anfred Puhrmann. Stuttgan: Reclams 1994, S. 69 [1457bj. (I nteressant ist auch hier wieder, wie analogm und homoion verschwinunen .) Diese D efinition durch Ähnlichkei t wird jedoch für d en O berbegriff rucht explizit wiederholt. Eine zweite Irritation ergibt sich daraus. daß die Kategorie der Ähnlichkeit teils im Sinne logischer Verhältnisse beschrieben wird - hier ste ht meist der Begriff der analo§o oder Tennini de r VerwandtschaftsbezIehung - , teils aber mit dem herkö mmlichen Begriff homoion als Ähnlichkeit auf der Gegenstandsebene bezeichnet wird.
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Mctaphern sollen [... J aus vcrwandten [oiktion], nicht offenkundigen Dingen gebildet werden, wie es ja auch in der Philosophie Scharfsinn vcrrät, Ähnlichcs [froH/oion] auch in weiT auseinanderliegendcn Dingcn zu crkennen. Arch)'ras beispielswcisc sagte, ein Richter und ein Ahar seien dasselbc [lolflonJ.l.W [~hn sollJ l\ktaphcrn, dic Dingc ohnc Namen bildlich ausdrücken sollen, nicht \'on weit her holen, sondern \'on Verwandtem 1:!Y'~tflOn l und Gleichartigem ]!Jollloitdon] ausgehen, indem man etwas zur Sprache bringt, durch dessen Nennung die Vcrwandtschaft der Begriffe [!Jol; .ryngmtSJ deu tlich wird. 23S
Von zentraler Bedeutung is t nun, daß die Metapher nicht nur die Ähnlichkeit auf der Gegenstandsebene beläßt, sondern auch auf der Ebene der Sprache einen eigenrümlichen Mehrwert erzeugt. Sie bezeichnet nicht nur die Ähnlich keit zwischen Achill und dem Löwen, sondern ,bringr sie zur Erscheinung', macht sie ,sichtbar'. Betrachten wir noch einmal die bereits zitierte, zentrale Stelle zur Metapher, diesmal nach Ricreur sehr wörtlich ,übertragen': "es ist aber bei 'weitem das Wichtigste, metaphorisch zu sein Vo mtlaplJoriko!1 ei!1m].l...J Denn gu t zu metapho risieren !elf melaplJerein] bedeutet das Ähnliche sehen [!Jomoion Iheorein].,,2}(, H.ier klingt an, daß der Metapher eine eigentümliche allgemeine Seinsweise zukommt, die vermutlich nicht nur den (hier gemeinten) Dichter. sondern auch den Rezipienten betrifft: Man muß ,metaphorisch sein'. Wenn das gelingt, wird etwas anschaulich und sichtbar: Man erblickt die Ähnlichkeit. Das wütde bedeuten , daß die Metapher die Kraft besitzt, die Ähnlichkeit det Gegens tände in die Sprache hineinzurragen, weshalb ihr die ihr eige nrümJiche Anschaulichkeit zukommt. Die Sprac he würde sich zur Ähnlichke it des Bildes aufzuschwingen. Genau dies wird aber bei Atistotcles bemerkenswenerwcise wiederum in der ßildlichkeir des Bildes beschrieben. Bekan nt iST ja seine Auffassung der Metapher als ,verkürzter Vergleich'; vergessen wird hingegen oft, daß Arisrotcles hier nicht ,eindeu tig' von einem Vergleich spricht (etwa von p(lmbole)2l7, sondern von ein em eiko!1 (Bild, Ve rgleich): Aber auch Idas tikon M. A.] ist eine Metapher, denn der Unterschied zwisc hen beiden isr gering: \'(fenn man nämlich (von AchilI) sagt. ,wie ein Löwe !,>Tiff cr
ARtSTOTEJ_ES: R!nlon'k.. Übers. und hrsg. von Gemot Krapinger. Stuttgan : Red ams 1999, S. II7[1412al· m
ARISTOTELES: Rlnforik.. Übers. und hrsg. \'on GemOf Krapinger. Snlttgart: Reclalns 1999. s. 157 [1450b[. Vgl. zu dieser Überser.l.Ung von ARtSTOTELES: P()(lik.. Griechisch-Deutsch. Übers. und hrsg. \'on Manfred Fuhrmann. Stuttgart: Reclams 1994, S. 75/77 [1459al: RlcmuR, Paul: Dieltbtndigt Mtlophtr. Übers. \'on Rainer Rochlitz. 2. Aun. München: Fink 199 1 [1975[, S. 29f.
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Zwar ist rikon zur Zeü des AristoteIes in der Neben bedeurung durchaus eine gebräuchliche Bezeichn ung fiir einen Vergleich; Aristotdes benutzt jedoch in aUen Schriften sonst durchgängig und ausschließlich den Begriff pambak für ,Vergleich'; vgl. i\1Ac CALI.., Marsh H.: Ann'tnl Rlnlon'cal Thront! 0/ Sil1lile and COl1lparison. Camb ridge/Mass.: Harvard UP 1969, S. 24ff., hier S. 31.
an', so ist das ein [rikon M. A.] , sagt m an aber ,der Löwe griff an', e ine ~k ta4 pher. W eil beide mutig sind, n ennt man Achill m e mphorisc h einen Löwen. 2l8
Durch die Metap her findet Sprache also einen Ausweg aus ihrer Abstraktio n, sie wird ,konkret', ,anschaulich', sie träge d ie Ähnlichkeit der Gegen stände wie ein Bild in die Sprache hinein und fühn vor Augen - wodurch sie eine Täuschung der ,lebendigen Gegenwart' beim Rezipienten bewi.rkt. Die Formulierung aus der Poelik sei noch einmal zitiert: Man muß die H andlungen zusanunenfügen und sprachlich aus arbeiten, ind em man sie nach Möglichkeit vor Augen ste Ut [pro omma/on h'thtmenonJ. D enn wenn man sie so mit größter D eutlichkeit e rblickt lan tnatges/al(1 hOl'On], als ob man bei den Ereignissen , wie sie sich vo llziehen, selb st zugegen wäre, dann findet m an das Passende l/o prtponJ u nd sieht am wenigsten das dem Passende n Widersprechende.:m>
Das Ideal, das Ari sroteles hier vor Augen hat, ist die ,A nschaulichkeit'. Der Begriff, den Aristo teles ansonsten für diese ,Klarheit' verwendet, ist saphes bzw. sapheneür,240 die lateinische Rhetorik wird das später peupiflli/ns nennen. 241 I n der aristotelischen Rhetorik wird dieses sogenannte VergegClllllörligllngspn'nzip,242 das ,Vor-A ugen-Führen', an das Mittel der Metapher gebunden. D em "Vor-Augen-Führen" (pro o"''''alon poiein) der rV1etapher ko mmt eine eigentüm liche Wirksamkeit (energeia) zu (wodurch sie wieder naruranalog ist); wenig später sind Metaphern, die ,vor Augen führen' (Iego fllenoi pro O"""(llon) d ie jenigen, welche die Dinge in ihrer Verwirklichung zeigen (hostl energolfnltl Sell/ailltl).w Deshalb kann die Metapher das Tore lebendig machen, etwa wenn " der Dichte r in seinen berühmten Bildern bei unbelebten Dingen" durch die Kraft der Metapher "das alles bewehr[ rkilloJlnJtlltI! und lebend [zon/tI!"Z44 darsteUt. 2lB
lYJ
2010
ARJs rOTEI.ES: Rhrlorile. übers. und hrsg. von Gernot Krapinger. Srungan : Red ams 1999 S. 161 [1406b[. Im übrigen wird auch in der an diese Stelle anfolgenden D iskussion das Vergleichsparrikcl, oos (etwas ist uir), synonym mit /x;moion verwendet. ARISTOTELES: P~hk. G riechisch-Deutsch. übers. wld hcsg. von ~h n f.red Fuhnnann. Stungan: Redams 1994, S. 53/ 55 [1455a). Vgl. ARJSTOTEi..ES: RbloriJe. übers. und hrsg. \'o n Gemot Krapinger. Stuttgart: Redams 1999, S. 154 [1404b}: "der höchste Vo r.wg des Stils [ist} dessen Klarheit [saphesl"; vgl. auch ElsENI-H.rr, Werner: Einjiihl7lng in dir antike Rhrforik und ihn Cu{hi{hlr. Darmsraclt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1974, S. 35. Vgl. zum Thema pmpiru;IIJS LAUSßERG, Heinrich: Eltmtntr dtr liltranJrht" Rb/on·Je. Eine EinfUhrung für Studierende der klassischen, ro manischen, englischen und deutschen Philologie. Ismaning. Huebcr 1990 [19631 , S. SOff.
~~!
Vgl. METSCI-IER, Thomas: Mimesis. Bidefdd: Aisthesis 2001, S. 15.
2.4}
Nach 1410b 32-33 so\\;e 141 1b24-26.
244
ARISTOTEI.ES: Rhr/orile. ü bers. und hrsg. von Gem o t Krapinger. Sruttgart: Redams 1999,
S. 176f. [1 41231.
83
Damit ist die Metapher ein Jt'lillel, mir dem die sprachliche mimesis die Wirkung der Anschaubchkeit, Lebendigkeit, der sinnlichen Vergegenwärtigung erzielt; im Vorgriff auf spätere Traditionen könme man sagen, sie erwecke die ,toten Buchstaben' der Medialität zum ,Leben' [IV. 1] . \'(fie die nachahmende ,Dichtkunst' selbst stets rückgebunden wurde an die Natur aJ s allgemeines Prinzip, so gilt das auch fill die Metapher: Sie ist in der pqysis verankert, denn als einziges Mittel ist sie nicht erlernbar - die Fähigkei t, Metaphern zu finden, wird man später Genie nennen. Dennoch lassen Poetik und Rhetorik zu keiner Zeit Zweifel daran aufkommen, daß die Verwendung des Mirrel s auf consensm beruht, daß man das l'vlinel also auf ,angemessene' und ,übliche' Weise anwenden muß. 245 Und so erfahrt die Figur der Metapher eine paradoxe Wendung: Die Metapher ist das Mittel , welches aus der Konventionalität der qua consensus festgelegte Sprache ausbricht. D urch die Metapher ist Sprache nicht mehr abstrakt (tot), sondern sie wird ähnlich Oebendig). Und zugleich ist die Metapher als Mittel dem consensus ImtemlO!ftn, da man sie so zu verwenden hat, wie es üblic h und angemessen ist. D ie Ähnlichkeit, mir der die Metapher aus dem consensus ausbricht, ist also ihrerseits wieder ein consenSlis - und das ist exakt dieselbe Schlußfolgerung, zu der die Lektüre der ,konstruktivistischen' Texte von Foersters, Gombrichs und Ecos uns bereits schon einmal gefü hrt haben [11. 2]. Zusammenfassend kann man sagen, daß erst die Sophisten (1), dann PlatOn (2), aber vor alJem AristOteJes (3) die Neuerungen dcr griechi sc hcn Simulationskulrur in eine beschreibungsfahigc T heorie übe rfüht{ haben. Ab jetzt stehen die fund amentalen Begriffe zur Ve rfügung, auf de.ren Basis bis heute das Sprechen über virruelJe Wehen ennöglicht wird: Das Konstrukt einer Nachahmung oder Darstellung (mimesis) einer Primärwirklichkei t im Medium qua Ahn/ichkeit, das Ideal einer ,täuschenden Nachahmung' und ihrem Effe kt der l//usion, die Pro filierung des Bildmediums zur Erzeugung dieser Effekte, da s daraus resultierende Dilemma eines Ähnlichkei tsde fizits der Sprache sowie die aristotebsche Theorie der Metapher, welche bis heute Konzepte einer Bildlichkeit der Sprache fundicn.
Im deinen Buch der Rhetorik, das sich mil dem sprachlichen Ausdmck befaßt und hierunter auch die r.letapher behandelt, ist das ,Angemessene' stets die Leitvorstellung der richtig eingesetzten Mittel; schon zu Anfang wird gesagt, de r " höchste Vo rzug des Stils" sei "dessen Klarheit 1... 1, weder niedrig, noch würdevoll, sondern angemessen", ARISTcrtELES: Rhrlorik. Übers. und hng. von Gemot Krapinger. Srungan: Reclams 1999, S. 154. Man könnte einwenden, daß tendenziell die ,Angemessenheit' \'o r allem der Metapher nach Aristotcles eher in ihrer Richtigkeit auf Gegenstandsebene als im Konsens liegt; dennoch schwingt die Kategorie des (()1I!tIlJIIJ immer mit: Das Bild etwa "fmdet weniger Gefallen, weil es länger ist", oder: ..,wenig tiefgründig' nenne ich, was jedem einleuchtet und wo riiber man nicht weiter nachdenken muß", ebd. S. 173 (141ObI .
84
4. Lektüren der Betrachtung (PSEUDO-BoNA VENTURA / CAIMI)
D er früh e Höhepunkt der Simulation in der antiken Kunst erfuhr einen deutlichen Niedergang durch das Einbrechen neuer religiöser Ideen aus dem Orbit Israel s. Die neue BetOnung der Transzendenz lähmt das Interesse an naturali stischen Darstellungen einer bloß irdischen Wirklichkei[. \Vährend die Metapher in der Antike ein Mittel gewesen war, die abstrakte Sprache in anschauliche Bildlichkeir zu verwandeln, wandelt sie sich im christlichen Kontext zur Allegorie - aus dem anschaulichen sprachlichen Bild wird ein Gefäß für Heilswahrheiten [lI]. 2]. Wo zuvor der SpiegeJ 246 der Inbegriff einer anschaulichen Simulation war, gibt jetzt eine .ipeCIIIIIIIJ-Literarur die Gedanken Gottes wieder, welche im Spiegel der Welt lesbar sein sollen [111. 3 / 7] :247 Ich heize sptc/t/tllio Cl. sprichcr Sante Pauls also: wir sehen durch einen spiegel hie mit vollen ougen dort immer mc. !pügt/ ist nun tiuscher nam. An der crcanrrc rarn würk ich undc ruon bekant wie schoen es si in engeliant.
Di e Belmrhl/mg dieses Spiegels führt in diesem anonym überlieferten Ged icht aus dem 14. Jaluhunderr "von dem bilde zcm bild(le~ / von dem geschrpfde zem srhepfoere."248 Während sich die Antike an der virtuellen Obetjliiche von Gemälden und Skulpturen berauscht harte, verschiebt sich das Interesse der Rezipiemen jetzt in Richtung ihrer spirituellen Tieftn. Weil es auf die Oberfläche nicht ankommt. sondern auf die dahinter liegende Bedeulung, schwindet der illusio näre Charakter der Kunstwerke , Bilder und Skulpturen werden im Ausdruck schematisc h und hieratisch. Über einen Zeitraum von mindestens 700 Jahren liegt der Fokus bildlieher Darstellungen vor allem auf ihrem ideogrammatischen Gehalt, das heißt, sie bilden zwar noch eine Wirklichkeit ab. aber entscheidend ist nicht die simulierte Oberfläche - das wäre bloße Augenlusr (coNmpiscenlio oculom",) -, son-
:.06
Vgl. zur Kulrurgeschiduc dcs Spiegels HARTLAUB, Guslav Fricdrich: Zoubtr du Spie!!/s. f\.-Iünchcn: Piper 195 t. Vgl. zu dcr ,Lirerarurgarrung' dcs sptfu/um BRADu!y, Riumary: " Backgrounds of the Tide ,Spcculwn' in MedicvaJ Lileraturc." In: Sptfu/um 29 (1954), S. 100-11 5; GRABES, Hcrben: SpUN/UIII, mirror ond fqqJeing-gl(Jss. Knntin/(itiJ~ und Originalildl lltr Spirgtl.MtlaplNr in den Bu(htiteln (lu .Mitttloltm lind der tngli.uhen ültralur du 13. bis 17. jahrhundert;. Tübi..,gen: Nicme}"cr 1973.
U3
Ziticn in BENZ, Emsl: "Christlichc Mystik und christlichc Kunsl." In: DeNIHIN Vitrte!JohnHhrifl fir LjlerolufJJ.is!tfUfhofl und GdslugtSfhifhlt 12 (1934), S. 22-48, hier S. 26.
85
dern die hin/er ihnen verborgene Wahrheit. 249 Das Bild des Mittelalters ist in erster Linie Bedell/ungsbi/d, und demgemäß wird es fa st immer von der Schrift begleitet, umstellt oder gar dominiert. 250 Tatsächlich ist die Schrift das unangefochtene Leiunedium des J\1irrelalters,25\ denn man besitzt man im Buch der Bücher, der Heiligen Schrift, die absolur.e Wahrheit des gätilichen \'(fons. Das Christentum ist eine Schriftreligion, und zu keiner Zeit wird der Vorrang dieser Schrift in irgendeiner Form in Frage gestcUr. 252 Wichtig ist jedoch, daß trOtz der Dominan z des Schriftmediums auch fur das christliche J\1irrelalrer die Programmatik der Ahnlichkei/ ein (wenn auch: untergeo rdnetes) Hilfsmirrel in der medialen Bemühung um die Transzendenz darsteUt,253 und daß dabei auch Bildmedien eine Rolle spielen. Ohne die Demils des christlichen Bilderstrei ts im einzelnen nachzuzeichnen, ist doch der Ausgang bekannt. Zwar hatte die Frii hkirche - im Rückgriff auf jüdische Vorstellungen - noch starke Vorbehalte hinsichilich des Kultbildes. Das Christentum setzt sich von heidnischen Vorstellungen ein er Realpräse nz des Bezeichneten im Bild ab, was eine Anbetung der Bildoberf1äc he selbst bedeutet hätte (wie immer sind auch hier die Medienkritiker diejenigen , die Vorstellungen der medialen Macht am prägna ntesten formulieren). Andererseits erweist sich die Wirkungsmacht des Bildes al s so groß, daß man auf dieses Medium nich t verzichte[. So werd en Bilder sc hließlich nach Beendigung des Bilderscreits erlaubt, zu dem Zweck der Belehru ng der Lcseunkundigen, der ständigen Erinnerung an das Heil sgesc hehen und zur der Verstärkung der (nicht zuletzt emotionalen) Wirkung, dies alles natürlich unter
'"
Vgl. D 'Onv.NGE t-.1ASTAI. Maric-Louise: IlIlInon in Af1. T rompt IOriL A History 1IIl1sionism. London: Seckcr & \,\/arburg 1976, S. 53f.
oJ Pirton"al
Gonfried: Af/uhallh"rhluit. ZII Thton", lind CtHhirblr du I/YOrl-Bild-Be:jrhllngt1/ lind ,It! IilmlnJ,htn Darslrllunguhls. Tübingcn: Nicm cyer 1989, S. 110 (,Bed cunmgsbild'), S. 114. Vgl.
WIIJJ~MS.
Vgl. zur BeziehUJ1g von Won und Bild STAl\h\U. E.R, Wolfgang: "Schrifnum und Bildkunst im deutschen Minclalrcr:' ln: Drlllsrht PhilologitimAIljriß. Bd. 1·3. Hrsg. von W. S. Ikdin: Schmidt 1966ff. Bd. 3, Sp. 6 13-698; ders.: l/Yof1 und Bild. Sillditn ':(!I dm IWtrhselbr:jrbllngtn ~iJrI)tn Srbriftillm lind Bi/dhmst im Mi/trlallrr. Bedin: Schnndt t 962. Vgl. zum mindalterlichen ,Absolutismus' der Bibel auch MUI-II_ACK, Ulrich: Gt!rhirht~iJsm srbaji im Humanismus und in dtr Allfk.liinmg. Die Vorgtsrbirhtr du Historismus. München: Beck 1991 ,S. 348f. Aufgrund der Tatsache. daß die Theorie der Ähnlichkeit im [o.'linelalrer weder do minant ist noch in wesentlichen Aspekten weiterenrwickelt wird. beschränke ich mich darauf, an prägnanten Ausfonnungen der kommunikativen ,Praxis' Formen von ,Lckrüren der Ähnlichkeit' zu demonstrieren. Vgl. zu der tmorrhuhtn Tradierung der antiken Vorgaben im Mittelalter FI.ASCH, Kurt: "Ars imitarur naturam. Platonischer Narurbegriff und minelalterliche Philosophie der Kunst. " In: PafJIsia. Stu,lien ':(!Ir PbiloJophit Pklfons und ':(!Ir Probltm· gtsrbirblt du PlatolllJmllJ. H rsg. von K. F. Frankfun1 M.: Minen 'a 1965, S. 265-307. Anregend ist ferner EcO, Umbeno: MI/Jl llnd JrhCnhtit im A/ittrlaltrr. München: dr" 1993.
86
dem Vorbehalt, daß man die Bilder nicht selbst anbeten dürfe.254 D amit wird die obsessive mittelalterliche D arstellung von J esus, Maria, den Heiligen und dem Heilsgeschehen überhaupt eingeleitet. D ie D arstellung der heiligen Geschichten dient dabei vor allem der Unterstützung der lIIedi/a/io,m welche im Verlau f von Hoch- und Spärmittclalter zu einer immer anschaulicheren Belracb/ung wird.2Sti Ein Kulmin ationspunkt der Darstellung des Heiligen ist die gotische Kathedrale als Panop tikum des Göttlichen, als gigantischer BildkolTunenrar der Heiligen Schri ft. Als solche ist die Kathedrale eine "J/lusiolJsk;O/st' genannt worden, man sollte sie jedoch vielleicht besser "Offenbarungskunst" nennen, da das Mittelalter über keinen (positiven) Begriff der lUusion verfugt [11. 51 . Der Gegenstand, den die Kathedrale darstellt, läßt sich gcnau identifizieren: "Die lV1lbedrale slell/ ",il (Illen Milleln aller Kiins/e den Himmel, das Hilllmlische j emsalelJ/ dar - mrd '{!11(lr ",il denselben Zügen, die das Him",elsbild der geis/lichen Dicb/ung des 12. jahrbulJderts besli",,,,en. ,,257 Besonders der Vergleich mit dem offenen, die Natur nll reinbeziehenden Tempel der Antike zeigt die radikale Verschiedenheit des christlichen Kathedralraums, der auf geradezu totalitäre Weise den Zeichenraum hermetisch vor der Weh versiegelt. Innerhalb des Kathedralraums ist nur noc h die symbolische \Xlirklichkeir des Göttlichen präsent, der Blick nach außen ist versperrt: D ie Kathedrale verbindet eine völlige Abschirmung der Immanenz mit einer totalen Transparenz auf die Transzendenz. " Der Kirchenbau ist sinnbildlich und liturgisch ein Abbild des Himmels. [...1 Di e maßgeblichen Formeln des \'(/cihc ri tuals eine r Kirche weise n ausdrücklich auf die Verwandtschaft zwi· sehen der Vision der Himmcl ssradt, wie sie in der Apokalyp se geschildert
'"
VgL zu dem Zusauullcnhang auch ß ELTING. Hans: Bild lind /ViII. Eine Guroirhle du Bildts I.'or dtm Zril(llltr der Mnsl. München: Heck 1990, sowie ß ARASCH, Mosche: lron. SINdin in Iht Hisl(}'Y of(ln /dta. New York, Landon: Ney York ur 1992; KCrrnNG, ßemhard: "Von der Bildlosigkeit zwn Kuilbild." In: ß. K.: Ert!ui(l pmgrinans. D(ls GOI/tM/ir. UnltflJlfl!,s. Grsam!m/lt Alljsiit::!. ivlünSICr: Aschendorff 1988. Ud. 2, S. 167- 177. D abei liegt der ursprüngliche Akzenl dcr frühchristlichen (und zumeiSI monastischcn) mfdil(ltio zunächsl fa sl ausschließlich auf seilen der lJkJiin [111. 2) ; erSI im Vcrlauf von Hoch- und Spärnutlelah er gewinn! die Ansrh(llllirh/uil der bildgesrutzlell ß emchrung an Kontur. Vg]. zur Rezeptionsweise der medüatio auc h RUPPERT, Fidelis: .. ~·I edilacio Ruminacio. Zu einem Grundbegriff christlichcr Medilation." 1n: Erbe lind Atiftr(lg 53 (1977), S. 83-93; vg]. zur Fundierung dieser Lcsewcise in de r Bibel SEVERUS, Emmanuel von: " D as WOrt ,Mcdilari' im Sprnchgebrauch der Heiligcn Schrift." In: Grisl lind lJbm 26 (1953), S. 365-375; \'g]. zur mo nastischcn Rczepcionspraxis 5ANDOR, Monica: " Lcccio Divina and the Monascic Spiritualit}' of Reading." In: Tht Anmir(ln Btnrdictine RrtielP 40 (1989), 5.82- 114.
ZS(,
Vgl. z. B. ß AXANDAU., Mjchael: P(lil/fing (lnd E.. . :puitnrt in Fiflu nlh Cllllury II(ltJ. A Prinltr in Ilx Sodal His/ory of Pi(/cri(ll Sr)'lt. Oxford: C1arendon Press 1972, S. 45-49. SEDI.MAYER, Hans: Die Enlslehllng der Kolhtdralt. Zürich: Arlancis 1950, crst 5. 92, dann S.95.
87
wird, und dem Gebäude hin, das crrichtet wcrdcn sollH.2S8 Aus diesem G rund wird während der mittelalterlichen Einweihungsriruale feierlich der T ext aus der j ohannesapokalypse (21 ,2-5) verlesen: .,Vnd ich Jo hannes sahe die heilige Stad I das newe J erusalem I von GOtt aus dem Hirne! her ab faren [... J Vnd hörer eine grosse stirn von dem Sruel / die sprach I Sihe da I eine hütte GOttes bey den Menschen I vnd er wird bey jnen wonen [...1".259 Z um Streit um die Frage nach ,Realismus' und ,Illusionismus' sollte man al so refonnulieren: Tatsächlich weist die Kunst der Kathcdralc ,über sich hinaus' und ist als solche immer vor allem ideogrammatisch. Dies beeinträchtigt jedoch keines falls ihren Realismus, ganz im Gegenteil: Die mittelalterliche Kathedrale ist in sofern realistisch, als sie die Transzendenz als absolute RealiMt nicht nur ideogrammatisch, sondern eben (llich anschaulich darsteUrro - und genau dies ist die Erscheinungsweise des spezifisch mittelalterlichen, ,figuralen Realismus', in dem, so Aucrbach, "sich Figur und E rfüllung zwar gegcnsei tig ,bedeuten''', wobei aber der "Bedeutungsgehalt keineswegs ihre Wirklichkeit ausschließt".U.l Daß die mittelaherlichen Darstellungen des Görtlichen keineswegs nur allegorisch rezipiert wurden, sondern durchaus die Suggestion virtuell er D arsteUungen entfaltet haben, läßt sich durch die Vielzahl von Legenden belegen, die christlichen Bildwerken zusprechen, sie seien ,lebendig' geworden, sie hätten Augen oder G liedmaßen bewegt oder gar gesprochen. Ein berühmtes Beispiel ist die in der Dreigefährtmlrgende übe rlie ferte Ansprache des f- ranziskus durch ein Bild J esu: Er betrat die Kirche und begann innig vor ei nem BiJd des G e kreuzig ten zu beten, das ihn liebevoll und gütig au f folgende Weise ansprac h: " Franziskus, siehst d u nic ht, daß m e in H aus in Verfall gerät? Geh also hin und stelle es wieder herr" Zitternd und staune nd sprac h Franziskus: " Gerne, Herr, will ich e s run." (... 1J e ne Anrede abe r er füllte ihn mit so großer Freude und e rleuchTc Te ihn m it so lchem Lic h t, daß er C hrisrus den Gckreuzigten, der zu ihm gesp roc he n, wah.rhaft in seincm H erzen fiihJtc. 262
253
SIMSON, O r(O vo n: Die gphJrhr I<.ti,htd"ale. IUifräge ZU ihrrr Enlslehllng, lind BedrNlllIIg. D arm sTad,: Wiss. Buchges. 1992, S. 2 1.
Biblio Gmllollico. Übers. \'on ~bItin Luther. Faks. Nachdruck dcr Ausgabe Wincnberg 1545. Srungart: Wüntcmbergischc Bibelanstalt 1967, J ohannesapo ka1ypse 2 1 [2-51_ Dabei iSTvöllig unerheblich, ob cs ein real existierendes Vorbild gibt, welches dcr Künstler ,nachahmT'. Entscheidend ist, daß ein Rezipiem das Bild als anschauliche D arsteUung dechiffrieren kann: t-ob n kann auch ein Einho rn täuschend echt simulieren.
"'-timws. Da'l/sldtle IVirle1ichluil in der ahtndliilldischen U ltralllr. 9. Aufl. Tübingen, Basel: Francke 1994 p 9461, S. 187. A UERßAC H, Ecich:
Uo IASSISlASj, R UFl NUS, ANGELUS: Die Drriufiihrlmk,gende des heiliUn Fran~shs. Die Briider l...eo, Rlijin 1111(1 AngdllJ rrziihlm /JOm An/ang srines Onlms. Werl / Westf.: Coelde 1972, S. 193f.
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Das kann dann so weit gehen, daß Kruzi ftxe den Gläubigen mit dem Blute Chri sti tränken, wie Margaretha Ebner es in einer Vision berichter: Der große Kruzi fixus sei ihr im Schlaf erschienen und habe sich zu ihr niedergeneigr: so ich also vor im staun, so naigt sich nun herr Jhesus Christus her ab von dem criucz und liezz mich küzzen in sin offen hercz und trankt mich mit sinem bluor dar usse, und enphieng ich da als grozze creftig gnaud und süezkait, diu an mir lang wert. 263
Ähnliche Fälle sind übrigens für die Spendung von Milch durch Maria belegt. " Vom 13. bis zum 18. Jahrhundert häufig dargestellt wurde auch das verwandte Wunder des legendär konkretisierten Gnadenerweises der Milchspendung aus der Brust Marias nach der Überlieferung von der ,Maria lactam', nach welcher die Gottesmutter mit einem auf ihn gelenkten Milch strahl aus ihrer Brust den hl. Bernhard von C1airvaux begnadete, für Sünder ihre Milch auch sonst vergoß."264 Dementsprechend sind Bilder erhalten, die wiederum Marienbildrusse zeigen, welche dem G läubigen Betrac hter mit ,Milch' aus Marias Brust tränken. in allen diesen Fällen wird die Medialität des Bildes überschritten: Das Bild-Zeichen wird dem Rezipienten zur o ffen barten Wirklichkeit. Ein zunehmendes interesse an ,anschaulichen' Darstellungen läßt sich an einer kontinuierlichen Steigerung der Bildrealistik seit dem 13. J ahrhunden beobachten. 265 Dasselbe gilt fur das Leianedium der Schrift. Zwar bleibt die l....ek/üre der Tiefe [li]. 2] die dominante Rezeptionsweise des gesamte n Mittelalters, aber berei ts bei Bernhard von Clairvaux zeichnen sich Vetschiebungen ab, man konzentriert sich zunehmend auf die Menschwetdung Christi und die Passion: j eSJflll, el I)lmc m,:djixlflll Oesus und ihn als Gekreuzigten) lautet die Fonne!.26/) Und auch die franzi skarusche Frömmigkeit erbringt eine weitere ,Vcrsinnlichung' der Rezeption der Evangelien. Bei dem prominentesten Beispiel handelt es sich um einen der populärsten T ex te des Späaninelalters. Es sind es die Mediltlliones vi/oe Chrisli, welche um 1300 im diskursiven Umfeld des fran ziskanischen Ordens entstanden. Der Text wurde lange Zeit Bonavenrura zugeschrieben, die Forschung geht heute von einem roskaruschen Anonymus aus. Das Buch ist wohl das erfolgreichste Erbauungsbuc h des lvUrreialters, wurde schon früh in zahlreiche Sprachen übertragen, man zählt heute mehr als 200 Handschriften, mehr als die Hälfte UJ
STRAUCH, Philipp (Hrsg.): Morgartlha Ebner lind Hanrieh ,·'()n Nönllingtn. Ein &ilTog iJlr Cmhichlt dtr delltuhfn MYltik. Frciburg/ Br., Tübingcn: Mohr 1882. Faks. Nachdruck 1966, S. 21 . Fricdrich: GtIf'Z find E ,,(.mgtlillm. ZlIr Typologie bti Lulher lind LuCilI Cronach. ZlIm BlllfJlrohl dir GI/Oflt in dir KHnrl. Münster: Aschcndo rff 1985, S. 66.
OH1.Y,
us Z6(,
Vg l. D ' O TRAo'lGE ~1ASTA I , Marie-Louise: IIIlInon in A rt. T rompt I'()til A Hislory lI/'mortism. London: Secker & Warburg 1976, S. 54ff.
oJ Piclorio/
Vgl. ANGEN ENDT, Amold: GNehiehlt dt r FJligioJilii l im Milltloller. Darmstadt: Wiss. Buchges.
1997, S. 537.
89
sind volk ssprachig: "ein einzigartiger Befund" .267 Der Text ist dabei geradezu beispielhaft rur das Erfo lgsrezepr der franziskani schen Frömmigkeitsbewe. gung: " Ir is l...j this marriage o f the spiritual with the ph)'sical, o r the lJIilllttir, mat proved so appealing to laypersons in its simpLified fonn s."268 In insgesamt 99 Betrachtungen werden hier in an schaulich ster Bildlichkeit die Stationen des Leben Jesu nachgezeichnet. Dabei wird auch und vor allem die Passio n bis ins D etail ausmalt; ein Exzerpt aus der Geißelung mag genügen: Die Blume alles Fleisches und der ganzen Menschheit ist bedeckt mit Wunden und Striemen. Aus allen Teilen seines Leibes fließt das königliche Blut. Man schlägt, man schlägt aufs neue und immer wieder zu, man häuft Wunde auf Wunde, Striemen auf Striemen, und bindet ihn nicht eher los, als bis die Henker und die Umstehenden des Schauspiels müde sind.2M
Tatsäc hlich scheint die Anschaulichkeit der ErzähJung das innere Auge de Rezipienten ,näher und näher' an das Heil sgeschehen heranzuführen. Der T ext wiederholt immer wieder das Rezeptionsprinzip der IIIedilationes, welches darin besteht, das G eschehen wie in einer Vision zu sehm. " Beachte lallendei hier und erinnere dich [... 1, daß du dich nämlich befleißigen soll st, bei allem , was gesprochen wird oder geschieht, wie gegenwärtig zu sein [/e exhibere presentem]. Stelle dir also hier Gon den Herrn vor, und blicke ihn an , so gut du es vermabtSt [ilJlagilleris et tlspiritlsj", heißt es etwa (9 / lat. 19). Di e erfolgreiche, ,imaginati ve' BetrachtJ(ng übersetzt das Gelesene in ein sinnlich-ko nkretes Bild, in ein il!Jago.270 Auch im Ko nte xt der Passionsbetrac htung wird ständig an das Vergegenwärcigungsprinzip erinnert: " I-labe also auf aUcs acht ltJl/mdeJ, a.ls o b du dabei gegenwärtig wärest Isi prau ms essesi. Betrachte aufmerk sam lceme al/ente] den Herrn, wie er vo m Abendmahle sich wegbegiebt" (182 / lat. 256). Oder: " Betrac hte das alles I(onsidera igitur es intllere ist di/igellte~. denn es rebJ"f gar sehr zum Mitleide an IflllI/tllfll SIIIII (olJlp assi,ml. l... j Du siehst lsi( /lidesJ, wie man ihn nicht nur als einen Uebcl thäter, sondern auch als einen Thoren behandelt I... J. BeRUH, Kun: Guehir!Jlt dtr abrndliindiJ(hm lHysli/r.. Bd. 1-3. f\.·IÜnchen: Beck 1993. Bd. 2. 5.440. Denise: GhoSI!J Sighls. [/iSllllt Mtditolion in ullt-Mtditl·llt Clltlllrr. Norman: Pilgrim 1989, S. 32, meine Hervorhebung.
D ES PRES.
Der lateinische Text ist durch eine neue kritische Ausgabe vcrfügbar: PSEu[X)- BONAVEN TURA [IOHANN JS DE C,\ UI.JBUS]: Mtrülllnonts [/ilt ChrisfI~ !-I rsg. von t-.l Stallings-Tane)'. Tumholri: Brepols 1997 (= Corpvs Christi.naorvm, Continuatio r-.·lediaeualis, 153) . Ich zitiere aus PSEu[X)-BONAVENTURA: Die ßtIT"llehlllngtn Nb,r &/1 Ltbtn ChnJli. Übers. von Johann Jako b Hansen. Paderborn: Bonifacius 1896, hier S. 19 1 (im folgenden im Aießtext zitien. ~uerst die deutsche, dann die lateinische Ausgabe). Als Vcrglcichslexl habe ich einc ältere Übersetzung herangezogen: PSEUDO·80NAVENTURA: Das Ltbtn Christi. Wien: r-.·lechitariS!Cn-Congregations-Buchhandlung 1836. eine Vorsrufe der modemen Ill/aginaJion, welcher jedoch allenfalls Anschaulichkeit, nicht hingegen der Srarus des Fikr:iv- Imaginärcn zuko nunr; vgl. D ESPRES, Denise: GhoSI!J Sighls. VÜllilt AltdiJation in u lt-Mtdittvl Cllhllrt. Nomlan: Pilgrim 1989, S. 29. In diesem Sinne handelt es sich
90
tun
trachte ihn [intuenJ al so, wie man ihn hin- und zurückführt" (190 / lat. 264); o d er: ,,[...J betrachte [uidebisJ, wie die kö nigliche 1... 1 Majestät [...} sich demütig beugt [...J. Bewundere auch seine tie fe Demut und sreUe in ähnlicher Weise, wie hier angegeben, Erwägungen über die entsetzlichen Schmerzen der Geißelung an [inIllerei. [... 1 Beuachte [cente] ihn jetzt, wie er, gekrümm t unrer der LaSt d es Kreuzes, einherge ht, wie er aUe seine Kraft zusammennehmen muß, um es zu rragen" (194 / lat. 268f.). Die ",edilalio gelingt also erst dann , wenn die Anschaulichk eit des T extes durch den Rezipienten in eine bildliche Vorstellung überführt wird, wenn die Belmrhlung mit dem imunn Auge er fo lgt, wenn der Text zur Vision wird. Das K apitel im Mittelpunk t der Betrachtungen der Passio n Christi, also das Zentrum d es Zentrums, b eginm: "Sei geistigerweise mit ge spanntester Aufmerksamkeit zugegen; betrachte alles, was gegen deinen H errn gesagt und an ihm verübt wird, oder was vo n ihm geschieht und gesagt wird IHiis (lllte", toto ",entis inlllilJl /e pnsenletJI exhiIJeas el in/lien diligenler cl/ne/tll. Sieh mit den Augen des G eistes I Videtls igi/lfr omlis lIIenlisl, wie einige mit der Aufpflanzung des Kreuzes sich beschäftigen" (196 / IaL 270). Auch im Epilog wird d as Prinzip der anschaulichen Vergegenwärtigung betont: \X/isse, daß es für dich hinreicht, wenn du bloß die Handlung, die der Herr verrichtete, oder das, was um ihn vor sich ging, oder das, was das Evangelium über seine Worte berichtet, bet.rachtest [tJltditilnl , indem du dich bei dem betreffenden Ereignisse als anwesend denkst, wie wenn es vor deinen Augen sich zugetragen hätte, und zwar so, wie es sich einfach deinem Geiste vorSlc!h Itt ibidefll p rtsenlt txbibendo, fU si ;'1 IIIr! prtmldfl fit rtnl prollt simplidltr ilnilJle rogilillldi
ocrtlrill. (258 / laI. 350). 1n diesem wirkungsmächtige n Text wird die kontemplative Lektüre zu einer Form d er ,Betrachtung', welche die Anschaulichkeit des Textes in eine quasisinnliche \V/ahrnehmung ,übersetzt' . D er Rezipient betrin dabei den T ex t " like an actor assuming a role in a drama cc • 21I Viele T exre werden diesem Ko nsrruktio nsprinzip fo lgen ; da s belegt etwa ein Seitenblick auf die Vita Jesll Christi des Ludo lphus vo n Sachsen aus derselben Tradition (entstanden vennuruch in den sec hziger Jahren des 14. J ahrhunderts). H ier lautet die Leseinstruktio n am An fang der minutiö s geschilderten Passion Chri sti: Nimm also diese Betrachrungcn vom Beginn des Leidens an auf, neblt deine A U/ lllerhafllkeit fIIgjtde Eifl~IIJt1I, aÜ wiim t DII dflbei. Bttmeblt aufmerksam Jesus, wie er zur Srunde der Komplet vom Mahl aufbrach [...I.m
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DESPKES, Denisc: GhoJI!J SighlJ. ViII/ai Mtditation in u ,,-M,diu'(I/ Cllltllrt. Nonnan: Pilgrim 1989, S. 30. LuOOU: VON SACHSE.,'I: Das Ltbm JUli Christi. Frdburg/ Br.: Johannes 1994, S. 141 (meine l-Iervorhebung); im folgenden Se.itcnangabcn im Flicßtcxl.
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Ähnliches find et sich in d en GeiJtlirbm Üb"ngen des Ignatius von Loyola. D ie erste Hinführung ist: Z usammen stellung. indem man den Raum Sifbl. Hier ist zu bemerken: Bei der "sichtbaren" Betrachtung oder Besinnung, etwa wenn man Christus, unseren Herrn, betrachtet, dtr sicbtbar isl, wird d ie Z usammenstellung darin bestehen, mit der Sicht der Vorstellungskraft den körperlichen Raum zu u btn, wo sich die Sache b efi ndet, die ich sehen will. 273
Solche Angaben zeigen klar eine Lenkung der Schriftlekrüre in Richtung einer ko ntemplativ-imaginativen An schaulichkeit. Auch im FaUe d er Vita f eslI Cllristi des Ludolphus wird die Sc hilderung der Passion ö fters durchbrochen mir dem Hinweis an den Leser, das G eschehen ,genau zu betrachten': Siehe, die große Annut und Bedürftigkeit C hristi, dem weder ein Haus fu r seine Geburt zur Verfügung stand , noch in d er öffentlichen Herberge ein entsprechender anständiger Ort, so daß er, weil sich kein Platz fand , in eine Krippe gelegt werden muß te. (.. .J Und mache dir klar, daß jene Herberge LInd der Stall so voller Tiere und anderem war, daß äußerst wenig Platz zwischen den schwerfälligen T ieren blieb. ( 30)
Die Auffo rderung zur Betrachtung der Passio n ve rfa hn an alog: "Schaue aLlch hier [bei der Schulterung des Kreuzes1 auf den Herrn wie zuvor bei de r Erwä gung der Geißelung" (174); die D etailgenauigkeit in der Ausmalung der Kreuzigung ko rrespo ndiert mit der Aufforderung zur anschaulich-betrachtenden Lek türe: r.,.[j( ausgesp annten Sehnen und Adern, mit gewaltsam gestreckten Knochen
und Gelenken wurde er ans Kreuz geschlagen, nachdem Hände LInd rüßc d urchbohrt und mit dicken und sehr harten Nägeln verwundet, Haul und Fleisch, Nerven , Adern zerrissen und die Gelenke zersplittert worden wa
Es wird also d eutlich, daß scho n auf der sprachlichen Ebene bei der cOlllellJplatio eine Verklammerung von Schrift und Bild stattfind et (wo bei übrigens sprach theoretische Erwägungen zu diesem Projekt der ,anschaulichen Lektüre' gänzlich fehlen). Diese Vo rsteUung einer (quasi-automatischen) Übersetzung vo n Schrift in innere Bilder wird d ann für Luther auch ein Argumenr zur Verteidigung von Bildwerken. Luther schildert prägnant den anschaulich-betrachtenden Lesevorgang. ,Wenn ich lese" so schreibt er, so ist m )'rs unmüglich, das ich nicht r nn m e)'m henzen soUt bilde davo n machen, d enn ich wo lle, odder wolle nicht, wenn ich C hristum hore, so entwirfft
IGNA'Il US VON LoYOI.-\ : Gtistli(he Ob/II1t/" Nnd rrliillirrntil Tex/I. Übers. von Peter Knaller. Leipzig: Benno 1978, S. 36.
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sich ynn m c)'m he rtzen c)'n mans bilde, das am creutze henget, gleich als sic h m eyn andlitz na ntrlich enrwirfft )'ns wasser lalso wie e in ,nalÜrliches SpicgclZeiche n'!J, wenn ich drcyn sehc.2H
Die Schrift wird also nicht nur ,unmittelbar' vernommen, als ob Jesus selbst spric ht - zu diesem Topos mehr im Kapitel ,U nmittelbarkeit' [rv. 2) - , sondern die Transfonn ation der Stimme in die Vi sion ,innerer Bilder' wird sogar noch in der ,Bildlichkeit' des ,natürlichen Spiegelbildes', dem ,Bild schlechthin', entworfen. 1n dieser Mediologie isr natürlich nichts naheliegender als eine Überschreirung des Schriftmediums, indem dann eine Verschränkung von Schrife und Bild zur Grundlage der confemplatio wird, um die ,Übersetzung' der Schrift in die bildliche Anschauung zu erleichtern. Wenn der Endzweck der Lektüre die Vision ist, warum sollte man das ,Bild' nicht gleich midiefern? Tatsächlich erwachsen aus diesem neuen Bedürfnis nach Anschaulichkeit neue Fo rmen des bildliehen Ausdrucks. So entsteht allmählich aus dem ideogrammatischhieratischen Kultbild das spätmittelalterliche A ndachtsbild, welches in zunehmend realistischem Ausdruck ze ntrale Szenen aus dem Leben von J esus und Maria sowie vor aIJem Darstellungen der Passion zeigen. Diese stehen subsidär zum Bibeltext und sollen "dem betrachtenden EinzeIbewußtsein die Möglic hkei t zu einer kontemplativen Versenkung in den betrachteten Inhalt" ermöglichen; im Gegensatz zum früh eren Kuhbild lie fert ihre Anschaulichkeit eine sill/llla/i/1t Disltm'{perriflgenmg, um "das Subjekr mit dem O b jekt seelisch gleichsam verschmelzen zu lassen".27S Die Sugges tion der Nähe, welche die bis ins kleinsre D etall ausgeführten Ko ntemplationstex le erzeugen ~,Th o ma s a Kempis geht so weit 1... 1, den einzelnen Körperteilen, den Füßen, Schenkeln , dem Bauch, den Lenden usw. gesondert eine eigene Kontemp lation zu widmen'c21~ , findet sich analog in den Bildwerken durch Verwendung des CloseUp. D ie Effekte der devotionalen Bildwerke werden von Panofsky unter Stichworten wie Verlebendigllng und VeranschaJllichllng beschrieben. Tatsächlich wenden sich jetzi die dargestellten Figuren dem BetrtJchter des Bildes zu - Jes us zeigt seine Wunden etwa dem meditierenden Beschalltr. 2TI D ieser neue Gesrus entspricht aber exakt dem insistierenden ,Zeigen' des anschaulichen Tex ts: ,Betrachte es, als ob Du dabei wärst' - womit der Übergang zur Urunittelbarn.
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UJHIER, Manin: IWerkt. Kritische Gesamrntausgabc. Bd. 1-66. Weimar: Böhlau I 883ff. Abt. I, Bd 18, S. 83 [" Wider die himmlischen Propheten, \'on dcn Bildcm und Sakrament" (1525)1· PANOFSKY, Erwin: " Imago Picratis." In: FUIHhrift flr Ma.'( Frirdlöndtr. Leipzig: Secmann 1927. S. 261-308, hicr S. 264. FREY, Dagobcn: " Der Rcalitätscharaktcr des Kunstwerks." In:
FUIHhrift Hd",;rh IWo!f!lin.
Drcsilcn:J ess 1935, S. 30-67, hier S. 40. m
Vgl. ULBERT-ScHEDE. Ute: Dns AnJochlJbi/J du knll?!,agtndrn Chnsllls in dtr delIIschen lVII/sI.
V on drn Anfongen bis ~'" &ginn du 16. jahrhundtrls. Diss. München 1968, S. 78.
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keit der Vision fließend ist [IV. 2]. Dabei is t dann naheliegend, auch die Erbauungsbücher selbst mit Bildern auszusranen, weiche die IIlediltltio des Rezipienren erleichtern. Zwar fInden sich schon seit dem frü hen Mönchtum I.llustrationen in ßibelhandschriften; diese dienen jedoch weniger der "szenischen Darstellung des Texts", sondern vor allem der " Hervorhebung der Inidale 1...J und der Randleisten in verschlungenem Bandwerk", sie sind vorrangig Onwlllenla/. 278 Und trQ[Z der Fülle überlieferter Illustrationen nehmen diese aIJein relational nur einen marginalen Ante il der überkommenen Handschriften ein.Z19 Auch hier erfolgt der Paradigma wechsel entlang den beschriebenen Linien in Hoch- und SpätmirrelaJtcr. Aus der mönchischen Lese tradition der sogenannten leclio continlla, welche vor allem den Psalter nach einer fes tgelegten Reihenfolge (den ,Ho ren ') liest (das Ideal ist hier eine un unterbrochene Schriftkontemplation), entwickelt sich infolge der zunehmenden Versinnli chung und Pri vatisierung der Frömmigkeit schon im 12. und 13. Jahrhundert das StundenblIch. Dieses wird jetzt immer mehr durch sze nische Illustrationen des Textinhalts ausgeschmückt, und die Darstellungen in diesen Meditationsbüchern werden im Ve rlauf des Spätmirtclalters dann auch immer realisti scher.280 Die besprochenen /v/ediltlliones pilae Chrisli fügen sich exakt in diese Entwicklung ein. Auch sie sind al s Stundengebet konzipiert (ein Ko ntemplationsturnus umfaßt eine Woc he), und tatsächlich sind von den mehr als 200 erhaltenen späuninelaltcrlichen H. andschriften der Medittlliol1tS bereits knapp ze hn Prozent illustrien . Ausgcwählrc JlJustrationen einer Handschrift der J3ibliolhe· qlft Nationale Paris aus dem 14. J ahrhunden sind dutch eine engLi schsprach ige Ausgabe zugänglich. 281 Durch die Interaktion von sprachlicher Anschau li chkeit und bildlicher lIJ ustration erhalten die Texte einen geradezu ,kinematographischen' Charakter:
r...lany of the gospel episodes
that had previously reccived little or no attention from manuscrip t illuminators wcre enc.rgctically expanded in their text with an illus tra tion for cach mo ment of the action. As a rcsult, the narrative is conve)'cd in an almost cinematographic manner and indudes the startling details from
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GECK, Elisbateh: Gm",h:jige der GurIJithie der BNthillNSiranon. D armstadt: Wiss. Buchges.
1982,S. 8 Vgl. K UNZE, H orst: Geschichle de, BlithillNslralion;1/ DrlllJthlol/d. DaJ 15. jabroNlIdert. Text band. Frankfun / ~l : Inscl 1975, S. 47.
2IIG
Vgl. PI.OrL.EK, Joachim M. : AndatIJIshiit/)erdes A'fillrlallm al/S Pn·/.'(llbtsiIZ. Ausstclhmgskatalog Köln 1987.
Medilalions on Ihr Lif t oJ CIJrisl. An illl/slraled Mamumpl 0/ IIJ~ FONrl«"Ih CenlNry. Hrsg. \'on Isa Ragusa und Rosalie B. Green. Princeton, N. J.: PUP 196 1.
PSEUDQ-ßQNAVE..'lTUKA:
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cvcryda)' He. They notc. fo r examplc. that (he wcdding of Cana has bcen ex· panded 10 (welfc pierures [... 1. 282
Im übrigen lassen sich ähnliche Belege aus dem Umkreis der "!ls/iscben Fröm· migkeit nachweisen. Auch hier wird das Bild zunehmend zu einem zentralen Hil fsmittel der Kontemplatio n und Gottes·Schau. In seiner Vita (- 1363) ver· wendet Seuse bei der kontemplativen Betrachrung des Kreuzwegs ein Kruzifix. welches dann zum Phantasma der göttlichen Gegenwan führt: "daz bild waz im etwen als gegenwurtig. reht als ob er liplich an siner siren giengiH.283 An anderer StelJe wird berichtet, wie Seuse den Bildraum einer KapeUe und dann später ein Andachtsbild als Hilfsmirtel für seine Betrachtungen verwendet: " Er hat im och do in sinem anvang ein heiniich stat, ein capell uss erwelet, da er sinem andaht nah bildricher wise möhti gnuog sin. Sunderlich hat er im in siner jugend heissen gemalte an ein bermit [- Pergament] die ewige wisheit, du himeJ und erd in ir gewalt hat [... ]. D az minnecliche bil de fuort er mit ime, die wil fderweil] er zu schuol fuor, und sast es fur sich in sincr celle venster und blik t es an lieplich mit herzklicher begirde. H28-I Tatsächlich gilt fü r weite Strecken seiner Visionen, daß sie sich wie Bildbeschreibungen lesen, was für eine medientechnologische Reziprozität von ßildbetrachtung und mysüscher Visio n spricht. Das Bild ist hier ,,AltregJlngsIIJillel der MediltJ/ion", die m)'s tische Medienrezeption erweist sich als " Fortschritt von der IIJedi/tJ/io zur con/elllpltJtio, vom ßildschauen zur unminelbaren Erfahrung des Geschauten" (IV . 2] .285 Diese Technik der bildgestützren Betrachtu ng gilt dann auch für Seuses Vita selbst, die schon in den frühesten erhaltenen Hand schriften illustriert war - Bilder, die von Seuse selbst stammen sollen: "du himelschen bilde, du hie vor un s na stand, sind dar ZUQ nuzz, daz ein götlicher mensch in sinem usgang der sinnen und ingnng aUe zi t etwas vinde, daz in vo n di ser valsehen niderziehenden welt wider uf zuo dem minnecliche n gor reiz lieh ziehe. ,<286 Aber auch im Falle der entsrehenden drucktechnischen Rep roduktionen wird die Verkl ammerung von Text und Bild zur Unterstützung der BetracbtJfng eingesetzt. Seit der Erfindung vor alJem des Holzschnitts Ende des 14. Jahr-
D ESI' RES, D enise: Cbosl!J Sighls. VÜHal Mtditalio1l i1l UIle-Mrdirrat Gi/lu". Norman: Pilgrim 1989,S. 37. 2lU
SEUSE, Heinrich : Dtu/JchtSthrijirn. !-Irsg. \'o n Kar! ß ihlmcycr. Sturtgart: Kohlhammcr 1907, S.36.
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SEUSE, Heinrich: DUIlsthtSdJ1ij irn. Hrsg. \'on Kar! ß ihlmeyer. Srurrgan: Kohlhammer 1907, S. 102; \'gl. zur Ausstattung der Kapcllc auc h S. 60. ~I ys tik
und christliche Kunst." In: DtulsdN Vier1t!ia!JrSsthrij l for U ltra!unI-JJSf1/Schaji u1/d Grisltsgesthichlt 12 (1934), S. 22-48, hier S. 25; \'g!. zum Bild als Anregungsmirrel auch BLANK. \X' aher: " Dominikanische Frauenmystik und die E ntsteh ung des Andachrs bildes um 1300." In: A ttmtlll1listhts JahrbHch 10 (1964/ 65), S. 57·86, hier S. 67ff. mit vielen N achweise!! zum ßildgebrauch im mys tischen Umfeld. ß E..... z , Ernsr: ..Christliche
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SEUSE, H einrich: DtUlsdNSthrij irn. Hrsg. ,'on Karl Bihlme)'er. Srungan: Kohl hammer 1907, 4.
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hunderts, aber auch des Kupfersdchs (um 1420) wird das Andachtsbild immer weiter populari siert. Freedberg exe mplifizierr das an einem Holzschnin, der um 1477 entstanden ist, und der den Gekrcu; zigten zwischen der J ungfrau Maria und J o hannes zeigt. Umrahmt ist das Bild von schematisch arrangierten Inschriften; sein Zweck ist, wie der Titel verrät, die passionis jem chri·
s/i via con/empla/ionis el ",edilationes ( IVeg der Kontemplation und Meditation über die M"_ 0.,_ 5,.fil_ Passion Jesll ChristI). M".. ...... Die ko mempladve Leke . '" türe kreuzt dabei das Blatt 0 ' ,. ".. Doll •• • ..... von Schriftrahmen zum M_ es ,,,, Bi ld und wi eder zurück " . • so Immer weite r: und Abb. 11: Überkreuzung von Wort; und Bildkontemplanon in den Possionis j em Cbrisli vio {ollltflJplll/ionis tl "Every line is calculated tO Intdilolionis fJufldntplex. Holzschnin Augs burg, ca. fu: attention, (Q fo rce an)' 1477. potential mental dit,Ttessio n back to the suffering of Christ."287 Seit der Mine des 15. Jahrhunderts erreichen solche Kontempl ationsbilder einen immer größeren Kreis von Rezipienten. Aus diesem diskursiven Umfeld erwächst dann auch die ungeheure D ynamik, welche die Jllm/mtion des gedmckten Bilches im Spätmittelalrer und der frü hen N euzeit entwickelt. 28fJ So entwickelt Geronimo Nadal, ein enger Freund des Ignatius, den aufwendig ill ustrierten T ext Adnota/iones e/ medilafiones iN Evangelia q"ae il1 sacro sanelo missae sacrificio 10/0 anNO legrmlJlr (Anmerkungen lind Medilationen t!( den Evangelien, die in der heiligen Messe das gant! J(rhr hindurch gelesen werden). Das Buch, zuerst 1595 publiziert, zeigt insgesamt 153 Szenen aus dem Evangelium; jede IU ustrierung enthält kurze Annotierungen und Hinweise ' l i;".. ,~ u
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FREEDBEKG, David: Tht Pou.'tr of Images. 5111diu in (In His(ory ami Thtory of Ruponse. Chicago, London: Thc University o f Chicago Press 1989, S. 175. VgL umer andercm WENDLAND, Henning: Die BII(nilillsfrahon. Von Jen FriihJrNcktn biJ ~r Gtgtnuvrl. Srultgan: AT Vcrlagl987; FiinJ]ohrhllnJtrtt BII(hilillsfrahon. Mtisltfll-'trkt Jtr Bild,· graphik fI/lS der BibJiolhrk 01l05(hur. AussfcUungskatalog Nümberg 1987.
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wie J esu s kaum die LaSt des Kreuzes zu •" ." , " . ". . ,.,. I...." tragen vennag' etc.). Diese von Nadal entwickel te Meth odik de r Illustration ist modellbildend für die Entwicklung der D evotio nalliterarur ab dem 17. Jahrhundert.289 Das Ziel ist eine Intensivierung der Lektüre durch Veranschaulichung. Die Veranschaulichung wiederum wird durc h die Verschränkung von Sc hri ft- und Bildmedium erreicht - ein Mit· tel der Programmati k der Ähnlichkeit, das bis in die heurige Zeit mit Erfolg angewandt wird und funktioniert (ein gu tes Beispiel aus der heutigen Zeit ist z. ß. der stets streng korrelierte Ein satz von WOrt und Bild in TV -Spors). Ebenfalls dieser Lo· Abb. 12: Kupferstich der Kreuzigung aus G . Nadal, Evangelime hütor7ae imogines, Anrwerpen 1593/ 1607. gik entspricht nun eine Verabsolutierung der S. 127. Ähnlichkeit, indem man das Signifikat über eine regelrechte Anhäufung von Ähnbchkeiten geradezu simuliert. Schon die Plastik stellt eine Steigerung der mimetischen Fähigkeiten dar, da sie nicht nur wie ein Gemälde erblickt wird, sondern zugleich im Raum rus ,greifbar' erscheint. Hierbei wird man es aber nicht belassen. Man kann weitere Ähnlichkeiten akkumulieren, was Kruzifixe belegen, die über bewegliche Gliedmaßen sowie ,blutende Wunden' verfügen: l' H:Vl' IFl t,; ' Tf ' R JI:: :W':: .
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of ImagtJ. StuditJ in
tm Hislory ond Thtory Chicago. London: The Universiry ofChicago Press 1989. S. 182. Vgl. FREEDBERG, David: Tht PO/l.>tr
of RuponJt.
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Abb. 13: Die bemerkenswerte Abbildung enthält eine J\1iniaturtheorie der beu'achtenden Lektüre. Rechts auf dem Betstuhl sicht man ein aufgeschlagenes G ebetbuch mit einer kJeinen Abbildung der Kreuzigung. Hinter dem Betstuhl tut sich ein Fenster auf, hinter dem sich die Kreuzigung wie auf einer Bühne ,real' crkennen läßt. Die Lescanwcisung könnte lauten: Lies so, daß die Lektürc zur Vüion wird. J\'leister der Maria von Burgund, Seite aus dem G ebctbuch von Karl dem Kühnen, ca. 1480.
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Although not aU arc madc in thc same wa}', the head is llsually moveable, and so are the ann s. Thcy may bc eovcred by painted lincn I..,], Somerimes the hair is narural, and avesseI connectcd [Q the ehest wound is affixed f O the bac k, so (hat while head and limbs move, the wound in the side is enabled t O blced.290
Solche beweglichen und blutenden Kruzifixe, die vor allem vom frü hen 14. bis zum 16. Jahrh undert belegr sind, wurden auch bei liturgisc hen O sterspielen verwendet, wo am Karfreitag nach der Prozessio n J esus vom Kreuz abgeno mmen werden konnte, bis man ihn dann drei Tage später im szeni schen Spiel wieder auferstehen ließ. Der Sc hrirt von einer solch en Simulation des Dargestellten hin zu den zahlreich, auch in der bildenden Kunst belegren, ,Bildwundern' und ,Visionen' ist sicherlich nicht b'foß. Aber man kann sogar noch einen Schritt weitergehen, was der folgende spektakuläre FalJ belegr. Im Jahre 1477 wurde der italienische Franziskanermö nch Bernardino Caimi zu einem der Wächter des ,Heiligen Grabes' in J erusalem ernannt. 291 Nach seiner Rückkehr in die Heimat entwickelte er den Plan einer Nachstellung der Heiligen Stärten in Italien. Der hi sto rische Ko ntext liefert viele Gründe; einerseits hatte Caimi den zunehmenden Zerfall der hi stOrischen Stärten im heiligen Land als Augenzeuge gesehe n, zweitens wurden Pilgerreisen in das Heilige Land immer gef:1hrlicher. Parallel dazu wuchs innerhalb der späunittclalterlichen Frö mmigkeit die Ko mpo nente der leidenschaftlich en Begeisterung und persönlichen Partizipatio n. Für seinen Pl an, Si",,,latiolleIJ der Pilgerstätten in ltalje n zu errichten, fand Caimi in VaralJo einen ideale n Pl atz, welcher der geographi schen und tOpographischen L.'1gc in Jerusalem am nächsten kam. In den achtziger J ahren begann die Verwirklichung des jtlCTV IIJOllle, die besten Künstler der Region wurden für das Projekr rekrutiert.. Als künstleri schen Leiter ko nm e Caimi den Maler Gaudenzio Ferrari gewinnen. So entstanden auf dem Berg vo n Varallo eine Reihe vo n Kapellen, in denen Skulpturen und Gemälde ,täuschend echt' die heiligen Stätten und das biblische Geschehen simuJierten.292 Über J ahrzehnte wuch s dieses N lfo/IO Jentj(llle",,,,e, wie es später vo n dem MaiJänder Bischof K.'1 rJ Bo rro mäus genannt wurde; weitere Bauten folgren, die letzte KapelJe des Areals wurde erSt 1818 fertiggestellt. Heute durchläuft der Besucher insgesam t fünfundvierzig Gebäude. Die D arstellungen dieser virtuellen \'\Ieh sind vielfach mit ,echten' Requisiren ausgesta ttet: " Die Vermischung der Realitätsebenen sowohl der Sekundärrealität im Bereich der Malerei als auch der Primärrealität durch eine EinbezieFREEOI\ERG. D avld: TIM Pou'tr of lmogn SIIIJit; in 11M l-liJlory anti Throry oJ RtJponJt. C hicago. London: TI1C Universirr o f Chicago Press 1989, S. 286.
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Vgl. zu dem historischen Hintergrund WrrrKO\1:IER, Rudolf: /dea and Jmag(. Studie; in Ibe llo/ion Rtnuiuonft.London: Thames & H udso n 1978, S. 175ff. FarbfolOs bietet der Führer GIOVE'IT I, Enore und Angclo ROVATI: Der Sam; Monlt VaralJo. Novant: O. A. 1963.
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hung von Allragsgegensränden und ultrarealistischen Details, wie von Augen aus G laspasre oder von ec htem Haar, ist auf eine Verstärkung der illusionisti schen und realistischen \'Virkung der Szenerie ausgerichtet."293 Insgesamt erzeugt diese virtuelle Welt einen Effekt der ,lebendigen Wirklichkeit', dem sich auch heutige Besucher nur schwer entziehen können. Eine aktuelle Monographie zu dem Thema resümiert:
Abb. 14: ,Cyberspace im 16. J ahrhundert': D etail aus der D arstellung d es bethlehemitischen Kindermordes in Varallo, Sacro Moore (ca. 1586-1594).
D ie Darstellungsabsicht de r Sacri Mon ti zielt auf eine möglichst objektive und konkrete Nac hbildung der Primärreali tät im D ienst der religiösen I nszenicrung [... }. Durch ei ne szenische Ges taltung mi t Figurengrup pen, durch ihre Fortsetzung im lUusionsraum und durch die Illusio n realer I-Iandlungsrräge r un d -orte [wird1 Anschaulic hkeit und eine o ptisch möglichst konkrete und materielle Yergegenwärti!;,>ung des Geschehens angestrebt, die dem biblischen Ereignis Realität verrrlltreh. [... } Der Bildraum wird als r-,.·[jncl der Invo lvierung des Betrachters eingesetzt; denn durch sein physisc hes Eindringen in den Bildraum erhält der Pilger die Mög lichkeit einer aktiven Teilnahme am Ereignis.2?4
Das ,Neue Jerusalem' ist wohJ die radikalste mediale Umsetzung der contemp/atio auf Basis einer Programmatik der Ähnlichkeit. Denn diese r Cyberspace lANDGRAF, GabricJc: Dir Sam Monli i", Pit",onlllnd il/ du Lo",bardti. Z~iJ(htn IlVirleh'(hler;IJillllJion 111/11 Einbe':(!thHng drr Pri",iirrra/itiit. Fra nkfurt / ~-l. ct aL: Lang 2000 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 28: Kunstgeschichte, 362), S. 157. Ebd., S. 155/ 157.
100
des Göttlichen diem klar dem katechetischen Z iel der Betrachtung. sie ist "Anregung zur Meditation über den Heilsweg; damit fordern die Sacri Monti als Hil fsmittel der geistlichen Pilger/ahn zur Katechese auf, zur geistigen Reinigung durch das Mitleiden und das mys tische Nacherleben, zur Nachahmung Christi und der Heili gen
5. Rezeptio nsweisen der Illusio n (MENDELSSOH N / LESSING)
\'(/cnn in der Kommunikatio n .Ähnlichkeit' als Modell ko nsrruiert wird, weIches gestattet, zwar im Medium der Zeichen zu sein und doch in ein ,Außen" in ein der Kommunikatio n vorgelagertes ,Sein', vorzudringen, sei das nun ein ,Ding', eine ,Welt' oder in späteren Zeiten ein ,Sub jekt', dann ist die logische Konsequenz, daß diese Präsenz desto sicherer wird, je stärker man den T ext mü mimetischen Ingredienzen anreichert. Man ko nden siert dann Ähnlich keiten in einem Zeichen bzw. einem Ensemble von Zeichen , bis ,O riginal' und ,DarsteUung' in der T o talil1usio n (angeblich) unumerscheidbar werden. Aus Sicht der Theo rie ist uns diese Verdoppelung der \Velt bereits bei Platon begegnet; das ,Neue Jerusalern' in VaraUo ist ein Beleg aus der medialen Praxis. Die Entsp rechung zu diesem Ideal der Toralsimulation ist auf der Seite des Rezipiemen die Illusion. Wie o ben au sgeführt, gab es in der griechischen Antike für dieses Rezeptionsmu ster einen Ort innerhalb der aUgemeinen Theorie der Ähnlichkeit, und zwar unter dem Stichwort der aptlle, der ,Täuschung'. Diese Rezeptionsweise wird eigentlich seit der Antike bis in die Neuzeit immer wieder sehr ähnlich beschrieben: Das Medium ,stellt vor Augen', das Zeichen wird in Richtung auf das Bezeichnete ,durchsichtig'. Ein Beispiel aus PseudoLonginus: " Hier sah der Dichter selbst" den Gegenstand der Darstellung, " und er nö tigte auch die Zuhörer, fast mit Augen zu erblicken, was seine Einbildungskraft erschuf.
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Ebd., S. 27.
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PsEUDO-LoNGINUS: VOhf ErlJabt"rn. Gciet:rusch D:umst2dt: Wiss. Buch~s. 1983, S. 61 (15. 2).
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Deu[sch. Hrsg. von Reinhard Bnndl.
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(als ,harmlose Täuschung').297 Das Mittelalter kennt zwar immerhin das Prin~ der ,Täu schung' als Effckl aggrebrierter Ähnlichkeüen, aber Belege dafür sind eher Einzelfalle. Eines der seltenen Beispiele befindet sich in der Tristandichmng des Tho mas von Angleterre (um 1160- 11 76),298 es entsranunt al so dem eingeschränk ten Rezep. cionsumfeld der höfisch-gebildeten Elite. Hier wird die Liebesgeschichte von Tristan und Isolde erzählt. Nachdem die Liebenden tragischerweise voneinander getrennt werden, versucht der verzweifelte Trisran, die abwesende Geliebte auf dem Wege der Medialität zu ersetzen. In diesem Sinne beschreibt das Epos die Tragik der Simulation, welche einen doppelten Schmerz erzeugt: Schmerz wegen d er Anwesenh eit einer bloß medialen Wirklichkeit (das, was man nur hat), und Schmerz wegen der Abwesenheit des Referenten (das, was man nicht hat): " Il ha dolur de ce qu'il a / E plus se deut de ce gu'il n'a".299 Der Text kann so die Bemühungen schildern, den Verlust der Geliebten / d es Signifikats durch Gebrauch von Medien enTWeder zu erse tzen, zu ,suppliieren'}OO, oder wieder.luerlangen. Eine besonders prägnante Episode ist Trisran s Versuch, in ein em ge heimen, unterirdischen Kuppelsaal ein künstliches D oppel der Geliebten herzustellen. Die Topographie dieses ,heiligen Ortes' nimmt dabei keltisch-gennanische Vorstellungen vom J enseits im Inneren eines Hügels, etwa des ke ltischen sM, auf.301 Diesen unterirdischen Saal k1cidet Tristan mit Fih71,uen seiner und Isoldes gem einsamer Erinnerungen aus. Ähnlich wie in der gotischen Kathedrale (1) wird hiet der gesamte Raum in absoluter innerer Geschlossenheit semantisien (kein direktes So nnen licht mUt etwa in die Grou e); in seinem Zentrum stellt Trisran ein lebensechtes Standbild der Geliebten auf. Simulationsmeclium ist also die Plastik, welche die E inschreibung besonders vieler Eigenschaftsaspekte des Originals ges tartet (visuelle und taktile Wahrnehm-
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Vgl. HOSSON. ~Iarian : Tbt Olytc/ oj Art. TIN Thtory oj,lllll;;on' in 18lh-CtniNIJ Fmn«. Cambridge et al.: CUP 1982, S. 18. Dieser Text ist im Umfeld des anglononnannischen Königshofs Heinrichs 11. und Eleanore von Aquilanien enlSlanden und in mehreren Fragmemen überliefen, die insgesamt jedoch nur etwa cin Neuntel des ursprünglichen Um fangs ausmachen. Die T exu ücken können jedoch durch eine altnordische Prosabearbeirung geschlossen werden, die 1226 angefertigl wurde, und die sich im Vergleich zu den erhahenen Partien des Thomas als die \'erhälmismäßig immer Iloch !reueste Wiedergabe ausweist, Eine Vielzahl weiterer Fassungen, unler anderem von Gottfried von Straßburg und Berol, können eben falls herangezogen werden. Vgl. zu Emstehung und Überlieferung das Vorwo n von Bo nath in TI IOMAS D'J\ NGLETERRE: Tni/an. Eingeleitet, textkritisch überarbeitet und überserJ:t von G. Bonath. München: Fink 1985 (= Klassische Texte des Ro manischen Mittelalters in zweisprachigen Ausgaben 21), S. 9-20. Ebd., 5. 154 [V. 1060- 1061[. D ERRIDA, Jacqucs: Gmmmotologit. Übers. von Hans-J örg Rheinberger und Hanns Z ischIer. Frankfurt / M. : Suhrkamp 1994 [1967), S, 250. Vgl. BLA KESLEE, ~'ferritt R.: LoH~ 'l Malh. Idtnh!J, Inlrrlt.xtNali!J, and Mtnaninf, in ,ht OM Frrnch Tril/an POtm!, Woodbridge: Boydell & Brewcr 1989, S 55f.
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barkc it); darüber hinau s bewegen sich Kompo nemen der Sta rue, und das Standbild strö mt G eruch aus: In der mitte des gewölbes stellten sie eine figur auf, so kunstreich gefertigt in bezug au f gliederbau und gesicht, dass niemand, der sie ansah, anders glauben konnte, als dass in allen ihren gliedern leben sei, so schön und wolgeth an, dass man auf der ganzen welt keine schö nere figur finden kö nnte; ihrem munde entströmte ein so lieblicher duft, dass er das ganze haus erfüllte, als ob alle kostbars ten kräuterarten sich darin befanden. Dass aber dieser gute geruch aus der figur herauskam, war durch den kunstgriff bewirkt, dass Tristram unter der brustwarze gerade in der herzgegend ein loch an der brust angebracht und eine büchse mit den süssesten goldgemengten kräutern, die es in der weh gab, hineingesetzt hatte. Aus dieser büchse ragten zwei röhrchen aus reinem golde, deren eines den geruch unten am nacken herausliess, da wo das haar mit dem fl eische in berührung kam, während das andere in gleicher weise nach dem munde zu gerichtet war. Diese figur war an gestalt, schö nheit und grösse so ähnlich der königin Isond, als o b sie selbst da stünde, und so frisc h als ob sie lebendig wäre (...J. In der rechtcn hand der figur befand sich ein stab oder scepTcr I...]; an dem o beren ausputz des scepters war cin vogel mit vielfarbigen federn gebildet, der mit den flügeln schlug, als o b er munter und lebendig wäre I...]. Bei der gestalt lag aus reinem golde sehr geschickt gefertigt ein kleines spielwerk, ihr hund, der den kopf schüttelte und mit seinet schelle klingelte, auf der anderen seile des zwerges aber stand eine kleine figur, nach ßringvet, der zofe der kö nigin, gebildeT ]... ]. Auf der anderen seite des gemaches aber I... ] hatte er eine grosse fi gl.lT errichtet, eine nachbildung des riesen [... 1. er war in ein grosses und haariges bocksfell gekleidet; [...] er knirschte mit den zähnen und blickte grimmig aus den augen, als o b et alle erschlagen wolhe, die hinein kämen. An det anderen seite der thüre aber Hand ein grosser löwe von kupfer gegossen und so geschickt gefonnt, dass niemand, der ihn sah, anders glaubte, als dass er lebendig wäre. [...] Niemand kann die kunstfertigkeit schildern oder erzählen, von der diesc figuren zeugten:)(l! Es handelt sich also um d en Ve rsuch einer möglich st voUständigen Simulation der abwesenden Geliebte n im Ko nte xt eines semantischen Raumes aus tä uschend echtem Be iwerk. Im T ext wird davon berichte t, wie diese Substitution des O bjekts durch das ähnliche Abbild zwischenze itlich gelingt: Häufig küßt er [Trisran] es [das Bildnisl, wenn er glücklich ist. Er wird zornig auf es, wenn er, [... j erbittert ist [darüberl daß sie ihn der Vergessenheit anheimfallenlassen kö nnte [...}. Tag und N acht ist cr um sie herum, er dient ihr und schmeichelt ihr, 10l
T HO:>IAS D'ANGLETERRE: TnJlm,. Eingeleitet, textkritisch übcttrbeitet und überse[2t vo n G. Bonarh. München: Fink 1985 (= Klassische T exte des Romanischen f\.·linclaItcrs in zweisprachigen Ausgaben 21), S. 141 - 143.
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und häufig schmäht er sie [...J [aus EifersuchtJ Wenn er über einen solchen Groll nachdenkt, dann zeigt er dem Bildnis [seinen] Haß. Er will es nicht anschauen, will es weder sehen, noch mit ihm sprechen. Also redet er Brigvain an [... ]. Alles, was er denkt, sagt er dem Bildnis [.. .J. Daraufhin weint er und fleht sie an wn Gnade [...]. Deshalb machte er dieses Bildnis, weil er ihm sagen will, wie ihm zumute iSt.103
Wir haben es hier mit der radikalsten Fonn der ,ähnlichen Lektüre' überhaupt zu run. Die virrueUe Welt hat hier für Augenblicke tatsächlich den Status einer Wirklichkeit. Tristan, der ja weiß, daß die Figuren nicht die Signifikate selbst sind, überzieht die Rezeptionsweise der Ähnlichkeit ins pathologische, im Erzählerbericht ist wiederholt von Tristans ,Verwirrung' (emir bzw. erroi) die Rede. Und auch Kardin, ein Freund Tristan s, läßt sich durch die Darstellung täuschen: [Kardin1 erschien es [... J nicht anders, als dass die figur lebendig wäre. Aber Tristram ging zu der figur der !sond, umannte und küss te sie und sprach leise und flüs terte in das o hr und seufzte, so wie ein verliebter zu thun pflegt. [... ] Das machte auf Kardin einen gewal tigen eindruck und er sprach: "Trisrram! [... 1 Ich sehe wohl, 1... 1 dass du die schönste geliebte hast; mache mich zum theilhabcr an deiner freude, indem ich der geliebte der dienerin der könib>1n werdc!" [... ] ,Ja!" Versetzte Tristram, "ich wähle mir die königin, aber nimm du die zofe hin" [... ]. fKardinJ sah das goldgefass in ihrer hand und dachte, es sei mit wein gefülh , und wollte es ilu abnehmen: aber das gefass war ihr an der hand so geschickt befestigt und angeleimt, dass man es auf keine weise wegnehmen konnte, und da musterte er sie genau und sah da, dass beides figuren waren und sprach zu Tristram: " Listig und voll von schlauheit bist du, der du mich so betrogen und hintergangen hast [... J.104
Diese Ep isode aus dem Trislan belegt zwar, daß eine Faszination an ,virtuellen Welten' auch im profanen Bereich des Mine1a1[ers zumindest nicht undenkbar war und das Wissen um die Macht der Simulation noch fortlebt Zugleich be* wahrt die dargesteUte Szene der IlJ usion jedoch eine bemerkenswerte Nähe
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"Molt la baise quant esr hairez, / Corrusce soi, quant est irez, / 1... 1 Qu'ele mene lui en obli / Emur li este e mut c jor / E si la sen I.' la losange, / E sovenl de lui la blestange. / 1... 1Quant iJ pense de tel irur, / Donc mustre a I'image haiur, / Nienl ne la volt esgarder, / Ne la volt veoir n'emparler: / Hidonc emparole Brigvain 1... 1 Quanqu'iJ pense a I'image dit; / [... ) Hidonc plure e merei li erle [... 1 Por irro fist iJ ceste image / Q ue dire li volt san corage"; THOMAS 0 ' ANGLETERRE: T nslan. Eingeleitet. textkritisch überarbeitet und übersetzt von G. Bonarn. München: Fink 1985 (= Klassische T exte des Romanischen t-.1.irtelalters in zweisprachigen Ausgaben 21), S. 144- 149 IV. 954-986). Ebd., S. 173.
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zum Sakralraum der Kathedrale, dessen " Illusio n" immer auch "Offenbarung" herstellte [II. 4] ; und solche G edankenexperimcmc einer Übertragung der sakralen Mediologie in den Bereich des Profanen dürften einer hö fischen Elite vorbehalten geblieben sein. 305 Tatsächlich kennt das M.itteialter keinen positiven Begri ff der durch Medien e rzeugten Illusion. Das liegt wohl daran, daß die mittelalterlich-christliche Programmatik des Ähnlichen durchaus roralitär ist. Das Funktionieren der Medien , die das Göttliche darstellen, wird nicht in Frage gesteHt. Konzilien und Kanones regeln qua AutOrität alle Modalitäten der Abbildung der Transzendenz. Über An der VCf\vendung von Bildern , über die H.ierarcrue der Schriften sowie ihre Deutung, über Glaubensregeln, über korrekte Einhalrung der Lirurgie und Sakramente wachr die Kirche mit ihren Sanktionen. Auch Bernardino Caimi besorgte sich die Erlaubnis des Papstes, bevor er das ,Neue J erusalem' als Cyberspace des Göttlichen erbaute [lI. 41 . \'Venn Franziskus am Kreuz den Herrn sprechen hört, dann ist das eben keine lllusion. D er mittelalterlichen Theorie der Ähnlichkeit stehen in einem solchen Falle nur zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder handelt es sich um ein Wunder, oder aber um Ketzerei. Eine dritte Möglichkeit, eine ,ll1usion', steht im Mittelalter kaum zur Ver fügung. 306 Eine sorgfiltige Prüfung vieler Häresien des Mittelalters belegt, daß fast alle sogenannten ,Ketzer', die eine eigene ,Le hre' besaßen, auf irge ndeine Wei se mit der orthodoxen Mediologie in Konflikt gerieten, also etwa gege n die Sakramente oder bildliehe D arstellungen götdicher Dinge vorgingen - und das wurde o ft mit dem Tode bestraft.J07 Virtuelle Welten sind für das MittelaJrer also entweder von GOtt - dann sind sic ,ccht' und ,Offenbarung' , jedoch keine Ill usion - , oder sie sind Gau-
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Der " Bezirk der volkssprachlich-höfischen Kultur (bliebJ eng begrenzt, sie existierte noch im 13. J ahrhundert gleichsam am Rande des europäischen Lebens." AUERßACH, Erlch: Liltralllrspf'lKhe lind PNbli/eJtm in dtr IottinisdNn Spälantilu lind im Milfrlo"tr. Bem : Francke 1958, S. 239. Die Gönner minelalterlicher Dichrung entstammen vo r allem dem hohen und höchsten Adel. Die Kosten flir eine Handschrift entspricht dem Wert eines Streitrosses; der geschriebene T ext ist also nur eingeschriinkten Kreisen zugänglich, und auch der mündliche Voruag dürfte wdtgehcnd im Binnenrawn der StandesgeseUschaft rezipiert wo rden sein. Erst im Späunind altcr diffundiert diese Literatur allmählich in Kreise des hohen Bürgenums; vgl. FECHTER, Wem er: Das PNbli/eJtm dtr milttlhMhdtNllthtn DkhlNng. Frankfurt/ M.: Diesrerweg 1935, S. 15, S. 23 u. ö. " D as r-.ti uc!alter [... 1suchre im Bild nicht die lUusio n, sondern die Offenbarung." SIMSON, O n o von: Ditgolistm /(Plhedralt. Btilrägt ~ ihm EnlllthNng Nnd BtdtNINng. Dannstad r: Wiss. Buchges. 1992, S. 4. Nur ein paar Belege aus vielen möglichen seien genannt: Die Bogumilen (9./ 10. Jh.) verwerfen Kirchengebäude, Ikonen, Bilder und Kreuzesdamellungen sowie die Sakramenre; eine G ruppe von Orleans (1022) lehnt die Sakramente ab; im 12. Jahrhunden lehnen Heinrich der ~"ö nch sowie Peter \'o n Bruis, beide Vorläufer der Katharer, die Sakramente sowie - und das erinnen an Luthers 1010 ImplNra - jegliches Brauch rum, das nicht durch die Schrift bezeugt ist, ab; die Waldenser übersetzen unerlaubterweise die Bihcl in die Volkss prache und bestreiren die Wirksamkeir der von ,unreinen' Priestem gespendeten Sakramente; so geht es immer weiter. Vgl. LAM8ERT, Malcolm: Kttrfm ;11' Miltrlolltr. Eint GtSfhithte ,,'On Gr~'t1I1I1"d Schrilrm. Freiburg et al.: Herder 199 1, S. 31, S. SO, S. 85, S. 120.
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kelwerk , das vom T eu fel stammt. Und exakt diese Bedeutung besitzt der Begriff i//lisio im Kontext des christlichen ~1ittel al te rs : Er bezeichnet die T äuschungsversuche des T eufels, der die Menschen vor allem durch Traumbilder im Schlaf heimsucht. Jo hannes Cassianus empfiehlt seinen Mönchen, die Nachtwachen bis zum Morgen durchzuführen, dabei durchgängig zu beten und Psalmen zu singen. Dadurch "soll verhütet werden, daß der böse Feind die d urch das nächtliche G ebet erlangte Reinhei t des Herzens durch irgendein Traumbild lJofll"i i/lllJioIJe) beflecke; denn dieser ist derselben stets neidisch und stell t vorzugsweise ihr unablässig nach."MJ8 Die mittelalterliche Illusion besreh! nach Bo naventura darin, daß der T eufel "entweder etwas als gegenwärtig zeigt, was abwesend ist, oder aber verbirgt, was gegenwärtig ist",m wo für er sich im übrigen auch gern eines täuschenden Spiegels bedient. D asselbe Prinzip gilt mutatis mutandi s auch für die Simulationen der Kunst: " in the C hristian heritage an is associ ated with the Devil's assumptio n o f fa lse appearan ces - the Council of Constantinopl e 754 calls an an invention of men possessed by the D evil, the master of the image which mocks and iUudes,,:Ho Diese Auffassung der Ill usion als ,Teufelszeug' läßt sich auch noch in der Renaissance und der frühen Neuzeit. nachweisen; so heißt es etwa bei Shakespeare: "by th'devil's illusio ns / The monk mig ht be deceived".l l! Die Illusion gehö rt auch hier noch der Sphäre der GOllkeleien an, welche ihrerseits in die Nä he z u de r (imm e rhin : ,na türliche n') ,Hagie ge raten . Im 16. und 17. Jahrhundert werden dann vor all em op tische Instrumente eingesetzt, weI che im Umkrei s des Hofes qua s i ~ magi s c h e ,Spiegelungen' und ,Wunder' inszenieren. Ferner erze ugt die neue Darstdlungsweise der Perspeklille in der Male rei neue E ffekte des ,Betrugs der Augen' (/'ingfJflno deg/'orrhJ). Aus diesem diskursiven Kräfrefeld geht der Begriff der II//(Jioll, jetzt erst immer mehr verstanden als ,harmlose Sinnes täuschung', in die ästhetische Theorie des Barocks ein, wo er zu einem Pendant des seit der Renaissance zunehmend etablierten Kunsrgeserzes der N (Jcb(JIJllJlmg der N(Jlurwird (H. 6].312 Der dcmschc T cxt ist entno mmen aus JOHANNES CASSll\NUS: ZJJ'Ö!f Biklur 1'0" tun Ei,,r7fhJu"gm dtr Kliisltr. Übers. "on Antonius Abt. Kemptcn: Köscl 1877 (= Biblio thek der Kirch"älcr, 28). S. 39 [11 , 13]; die lateinische Passagc fmd ct sich in der Palr%gio LJh·"u, Bd. 49, S. 103 ( " ne fonc purilicationem nosrram nocrumis psalmis Ct oracionibus adquisitam, invidus inimicus li"cns puritati nostrae, cui maxime insidiarur semper, et indesincnter infesrus est, q uadam somni illusione comaminet'1.
"" ".
" Daemon sensus nostros iIIudere poctest, si"e oste ndeo praescns esse quod no n CS I, si\'e a1tcr ostendendo quam est, sivc abbscondendo quad prasens eSI"; ß ONAV[!NTURA: OfXra O",,,ia. ßd. 1- 11. Floren z: Collegium S. Ho navenrurae 1882- 1902. ß d. 2. S. 228b [Co",,,,m/aria i" qllullior libm Stfllmh"am", ",agiJJn" Ptln" Lo",banli, 11, 8, 3]. HOSSON, Marian: TIN OijUI ojArt. TIN Tmory oj,lllIlJiofl ' in 18lh-Ctfltury Fm"ft. Cambcidgc CI al.: CU P 1982, S. 19.
'"
SHAKESI'EARE, William: King I-ftnry the EighJh. Hrsg. \'o n J. C. ~hxwell . Cambridgc: CU P
m
VgL zur Karriere der arislOtclischen Poetik in Renaissance und Barock FUI·IRMA..~N, Manfred: EinJiihnmg i" die anh"/u Difhlu"gslheorie. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1973, S. 185ff.
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1969,S. 19
~ , 2,
V.
178~.
Tatsächlich avanciert die Kategorie der Illusion hier zu einem tragenden Pfeiler der emphatischen Kommunikation. Dieser Paradigmawechse1 zwischen Spätmittelalrer und früher Neuzeit läßt sich schön an den Veränderungen etwa der ßühnenkulisse illustrieren: \'\fenn die Bürger der späten ~1ittelalte rs auf dem Markrplatz gespielt hanen, dann hatte sich die Bühne nur mit der Rückseite an ein Gebäude angclehm. Von aUen Seiten war sie von den Zuschauern umstanden. Erst die Bühne der Renaissance zieht sich aus dem Publikum zurück und legt sich in großer Breite und geringer T iefe wie ein Streifen quer VOt den Zuschauerraum. Je weiter das Batock vorrückt, desto mehr wächst die Bühnentie fe, so daß die Verhältnisse sich schließlich umkehren. An die SteUe der Konvexbühne des Mittelalters tritt die Konka,rbühne des Barock, ein weit geöffneter Trichter, der den Zuschauenden in seine Tiefe sa ugt.313
Diese Dominanz des Illusorischen in der barocken Mediologie ist zweifels frei , sie ist das ko nstitutive Merkmal ihrer zentralen Requisiten (Spiegel, Kltlissen, Maske, Echo, Perücke, Kostüm, etc.). Zugleich besitzt die ß arockillusion jedoch eine ausgeprägte Spezifik, die Marian Hobsan als bimodfllbezeichnet. D amit isr gem eint, daß die barocken Artefak te zugleich simIlIiert" als auch ihren artifiziellen C harakter offenlegen, sie erzeugen eine Illusio n, aber diese wird zugleich durchschaut - al s Trug, als O berfläche, als Spiel. Daher erzeugt die bimodale JlJusion eine Oszillation des Rezipienten zwischen ,Täuschung' und dem Wi ssen um das Getäuschtwerden. Hob son verwendet den barocken Begri ff der P(lpillot(lge (- Flimmern) zur Kennzeichnung diese.r Hin - und Herbewcgung der Wahrnchmung. 314 Die Illusion des Barock ist also ein ,doppeltes Spiel' (Alewyn), dessen irreale Spiegelungen ,nicht ernsr gemeinr' sind. Genau dagegen stemmt sich aber um 1750 eine alternative Auffassung, welche die Illusio n als bipo!arerfaß t: "illusion [isJ applied to o nl}' o ne pole o f the experience, which will never be contaminated by an awareness that art is an ". 3\S Paradigmatisch ist der Streit darüber, ob die Illusio n ,vollständig' sein soll (Diderot), oder ob ein höheres geistiges Vergnügen der Illusion auf einem Z usammenspiel von lUusion und Durchschauen des Schein s beruht (Marmontel).316 N ach Didero ts "Gespräch über das Theater" besteht " die Vollko mmenh eit eines Schauspiels in der so
ALE\';f)'N, Richard: Das große IPell/htafer. Die Epo(/Jt dtr Jli;jiHhtn Fult. München: Bcck 1985 [1959[. S. 75.
'" '" ) 1.
VgL HOBSON, Marian: He Objrrl 0/ Art. TlJt Thtory o/,lIll1slon' in 18fh-Ctnfllry Fronet. Cambridge CI al.: CUP 1982, S. 43 (,bimodal'), S. 52 (,papilloragc'). HOBSON, Marian: He OlJfrl 0/Art. The Theory CI al.: CUP 1982, S. 43.
0/ ,lllllsifm' in 18Ih·Ctnfll'Y Franrt. Cambridge
VgL WOLF, Wemer. AifmhJfhe lllilnon lind IIIl1sionsdllrrbbruhllng in dtr Erzählkunst. Theorie IIml Gurhirhtt mil5thwtrpllnkt aNj tnglisrhtm illllnonsslörrndem Erzähltn. Tübingen: Nicmeyer 1993, S.27-3 1.
107
genauen Nachahmung einer Handlung", daß " der ohne Unterbrechung berrogne Z uschauer bei der H andlung selbst gegenwärtig zu sein glaubt", es darf nicht " das Geringste" in einem Stück vorko mmen, das ihn " in der Täuschung stören könnre,"317 Die Kunst, so H obson, erzeugt in dieser Mimologik eine Totalillusio n wie ein Nllrko/ikJIIlr. "The object is tO be made transparent, made present; distance berween the an work and the consumer must be annulled, consciousness of the o bject as appearance excised.'d18 Im Unterschied zum kontrollierten Genuß der barocken Spiegelungen ist die Illusion in dieser radi· kaien Fassung ein JmbeabJichlig/er und unJllillkiirlicher [TTtIml des Rezipien ten. Ln den folgenden Jahrzehnten wird man dann verschiedene Überkreuzun gen der billJodalen und der bipolaren Illusion im Ko ntext der ästhetischen Theorie der N achahllJung der Na/ur diskutieren. Dabei wird " der Begriff der Nach ahmung vo n Anfang an von dem \'Virkungsziel der lJIusion her gedacht" .319 Bereits Bodmer vergleicht die suggestive Wirkung besonders gelungener ,Poesie' mit dem Realitäts-Erlebnis des antiken Bildh auers P ygmalion, dessen Srarue zum Leben erweckt wurde: Unter den Poeten, welche es in der Art zu mahlen, die durch Hülfe der Wörter vorgenommen wird, am höchsten gebracht haben, treffen wir solche ~'t eis tcr an, die in ihrer Kunst diese Vollkommenheit der Nachahmung, da das Nachbild an die Stel1e des Urbildes tritt und mit einer gleichen Krafft, wie dasselbe mut, wenn es gegenwärtig ist, würcket, eben sowohl erreicht haben .l20
Ausgangspunkt ist hier in charakteri stischer Weise die N achahllJung, "je voU kommener" die ,.Ähnlichkeit ist, destO glücklicher ist die N achahmung geraten'd21 (Breitinger). Daraus ergibt sich naturgemäß eine starke Betonung d es V ergleichs zwisch en ,Urbild' und ,Abbild ', die im positiven Fall d er ,Ähnlich. keit' zur lUusio n, hier oft gefaßt in Begriffen des Betrugs oder der Täuschung, führt. 322 Diese Fonn von Nachahmung wird in d er zitierten Passage Bodmcrs
'"
DIDEROT, Denis: Aithtti.uht Jchnfttn. Hrsg. von Friedrich Bassenge. Bel. 1-2. Berlin: deb
1984. ßd. l , S. 9. HOßSON, Marian: The Objerf oj Arl. TIN Theo'J oj, IIII1Jion' in 18Ih·Ctnlll'J Frontt. Cambridge er al.: CU P 1982, S. 299; vgl. zum Narkotikum S. 40.
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WILI.EMS, Gonfried: Anschali/ichkLil. ZII Theorie lind GeJchichfe tkr lf'ort·Bild.&i!ehungen lind du liferoriSC}x1l DOf"!ltlI1m!,JJfib. Tübingen: Nie.meycr 1989, S. 284. BomlER, Jo hann Jakob: Krit;;che &lrochtungrn übtr die poth'lf!Nn Gemiilde der Dichter. Repr..
Nachdr. Z ürich 174 1. Frankfun/ r..-t.: Athenäum 1971. S. 42f. BREITINGER, Johann Jacob: Crih'Jche Dich/hnsl. Z ürich 1740. Faks. Nachdr. Snlrtgan: Metzler 1966, S. 63. lU
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So die Interpretation bei Mül lER-BACH, Inka: /'" Zeichen Pygmo/ionl. DOJ M odell der Slo/lit und die E ntdichn!, dfr ,Damtll,mg' im f 8. jahrhundert. München: Fink 1998, S. 111 ff.; solche Formulierungen finden sich etwa bei Gottsched, demz ufolge "Nachahmung" etwa eine "sehr lebhafte Schilderey von einer natürlichen Sache" ist, " die man nach aJlen ihren Eigenschaften [... [ seinen Lesern klar und deutlich vor Augen maler, und gleichsam mir lebendigen Farben entwirft, so daß es fast soviel ist, als ob sie wirklich zugegen wären."
durch die bekannte Metapho rik des BildeJ fundiert, und zwar in der besonderen Nuance des ljglJlolion-Mytho s: Das sprachliche Kunstwerk soU hier eine ebenso große Suggestio nskrafr besitzen wie die im M}'thos zum Leben erweckte antike Statue; auch auf Zmx1s [lI. 1] wird als Pate dieses Wirkungsziels verwiesen. l23 Auf dem Nährboden solcher ästhetischer Utopien einer ,T äusc hung durch Anschaulichkei t' formuli eren dann Lessing und Mendelssohn, nicht zuletzt auch infolge ihres Briefwechsels (h ier 1756)324, ihre theoretischen Ideen zur Rezepcio nswei se der Illusion. In Lessings l.ßokoon heißt es etwa: Der Poct will nicht bloß verständlich werden, seine Vorstellungen sollen nicht bloß klar und deuruch sein; hiemUt begnügct sich dcr Prosaist. Sondern er will die Ideen, die er in uns erwecket, so lebhaft machen, daß wir in der Geschwindigkeit die wahren sinnlichen Eindrucke ihrer Gegenstände zu empfinden glauben, und in diesem Augenblicke der T äuschung uns der Mittel, die er dazu anwendet, seiner \'('orle, bewußt zu sein aufhörcn.32S
Auch hier ist die lUusion stark bipo lar geprägt,326 und sie wird hier geradezu als Kriterium dichteri schen Gelingen s vorgesteLlt: \'Ver diese Wirkung nicht erzielt, ist kein Poet. Eingearbeilct wird das rhetorische T heorem der Kunst-
GaITSCIIE.D, Johann ChrislOph: V "IHrh tintr mll;rhtn Dirh/UnJI. Faks. Nachdruck der 5. Aun. Leipzig 1751. Dannstadt: Wiss. ß uchges. 1962, S. 142: bei Johaml Elias Schlcb'Cl heißt es in der ,.Abhandlung \"on der Nachahmung" (1742): ..Alles, was diesen Betrug bey seiner EOIdcckung angenehm machen könOle, ist. daß es ein Zeichen der b"IOßen Aehnlichkelt zwischen dem Bilde und dem Vorbilde u"üe. und daß wir die Ordnung und Vollkonunenheit. die daraus eOlspringt. desto deutlicher wahme h~len , wenn wir Bild und Vorbild miteinander vel'\\·cchsehen." SCl ILEGE.I.. Johann Elias: AJI!NtiJ,!N IIl1d dra1l1a/lI,xiJ1!N SrhnJtrll. Hrsg. \'on Johann \'on Amonicuticz. Srungan 1887 Faks. Rcpr. Nendcln 1968 (= DtlllJrht Liflrraflmklf!ehlalt du 18. IIl1d 19. Jahrhlllldirts. 26). S. 133. m
Vgl. BREnlNGER.Johann Jacob: CrihJrht DirhlhnJI. Zürich 1740. Faks. Nachdr. Srungan : Metzler 1966, S. 65. Lcssing stellt sich hier zunächst !t!tn Me ndclssohn.~ ßctonung der Illusion; vgl. GOllJS""I1!IN, Ludwig: Atom MtndthJohn III/1J die Jtll!Jrht AJlbtli1t.. Lcipz.ig: AvenaflUS 1904, S. 124ff. I.FSSING. GOIthold Ephl1Lim: l...ßOkooll odtr Üb#- dit Crtn'{!l1 dtr Atalmi IIlId Pouir. Hrsg. \"on Ingrid Kreuzer. Srurtgart: Rcdam 1994, S. 122. Es finden sich bei Lessing durchaus Passagen, welche ein ,ßcwußtsc.in' \'on der ,Tliuschung' andeuten (vgl. HAßE1.BECK. Otto: IIJllnon lind Fi/etioll. Lusill!,J Btilra!, t"r ptJthJrlXIf DühJnM ihrr das VtrhiilllllJ I'fln KIInJJ lind lf/irJdjrhluit. München: Fink 1979, s. 97fl), und dasselbe gilt übrigens auch schon für Diderot. Zugleich gilt jedoch, daß in den zentralen Passagen, welehe die Illusion beschreiben, ein Illusionsvorbc.hah nicht existiert, die ,Totalillusion' ist klar Ziclpunkt der Argumentation; so argwnentierte auch bereits LANGE., Konrad: "D ie ästhetische Illusion im 18. Jahrhundert." In: Zri!Jrhriji ftir AJJhtli1e lind ollgtllltine KIInJ/ll7JJtnsrhqft I (1906), S. 30-43, hier S. 38, vgl. auch r.,·IOWI!R-BACII. Inka: Im Ztirhtn Ilyg1l1o/ioIfJ. DaJ MOlk" du S/o/lle lind dir Entd((hn!, du ,Dan/tl""'!,' im 18. Jahrhllnrkrt. Munehen: Fink 1998, S. 116f.
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verbergung, das re/lire lIrltlll,3Z7 denn der Rezipient durchschaut nicht mehr die ,M..i ncl ', welche die \Virkung der lUusion er,:eugen. Dies ist zugleich die altbekanme Figur der Überschreitung von 1ediali rät: Der Poe t verfaßt zwar einen Text in einem Medium der ,\VOrte', die aber d urch die ,Lebhaftigkeit' der Darstellung zurück treten - der Rezipiem hat es jerzt nicht mehr mit ,Worten', sondern mit ,sinnlichen Eindrücken der Gegensrände' zu run.328 Das fonnulien Lcssing ähnlich in der /-IlIIIIbmgüc/)en DmllltJ/urgie: 32? " Ocr r.rabrische Dich ter soUre alles vermeiden, was die Z uschauer an ihre Ill usion erinnern kann; denn sobald sie daran erinnert sind, so ist sie weg. « }JO Aus diesem G runde kann eine ,Rezipientin' wie das Fräulein von Srernheim efwa keinen Gefallen mehr an der typisch barock-bimodalen Illusio n der O per fi nden: "ich halte es für eine Würkung des Eindrucks, den die Beschreibung des Lä· cherlichen und Unnatürlichen eines au f dem Schlachtfeld singenden Generals und einer sterbenden Liebhaberin , die ihr Leben mit einem Triller schließt [... 1
Vgl. etwa Pseudo-I..o nginus. der argumentiert. daß der Rezipien! "Täuschung" dann .. :ds persönliche G eringschätzung" auffaßt, wenn er die ~ fj n el durchschaut. ,.D eshalb scheIn! die Figur [HbtmoJ gerndc dann am besten, wenn \'erborgcn bleibt . daß es eine Figur ISt." PSEuoo-LoNG INUS: V"m Erha/xnrn. Griechisch I Deutsch. '·Irsg. \'on Reinhard Urandt. Darmstadt: \\i'iss. Buc hges. 1983. S. 71 [17, 11. Bel Lcssing steht üb rigens schon der früheste Beleg des Illusionsbcgriffs \'on 1759 Im Ko ntext der Kunsn'erbergung; \'gl. "IAßEtBECK, ülro: "limo" Nnd Fi/cJion. u ssinll Ht/tmg ~r potlisrbrn DiJ/alsnofi IIwr d"s VtmöltfliJ 1'0" Ku"s/ 111111 1/7"k!irhktit. ~'lü nch e n : rin k 1979, S. 107f. D as 18. J ahrhundert faszi nien sich in immer neuen Varianten an de r KunsTverbergung: ,.Be)' ihren [Shakespea, res und Qrways l Schauspielcn (so stark ist die G ewalt der Natur!) verlieren wir den D Ich ter aus dem Gesicht : er Ist ganz hilller seiner VrnNS verhorgen; man denkl nichl weit er an 11111. bis der Vorhang zuf:i.Ut. (... 1Auf dem Theater, \Io1e im Leben. ist der Betrug o ft angenehm; und wir hören auf vergnügt zu se)'n. so bald wir nicht mehr hinterg:mgen werd en." YOUNG. Edward: Grda"/U,, iibtr dir Ongina/-II Vrrkr. In tint Sthrri/x" du D. }'oNngs an dtm {sir} Vrrfossrr du Gmn,/ison. (übers. " o n 1-1 . E. \'on T eubemJ. Leipzig: Heinsius 1760. Faks. Nachdr. Hcidelbcrg; Schneider 1977. S. 78f. Mülder-Bach hebt hervo r. daß (im Gegensatz zu Gonsched. Bodmer. Brciunger) beI Lcssing bereits von der T endenz her de r direkte ÄhnlichkeiISI"';'gkirh zv.tischen GrgtnJlat/(/ und Dars/t/llm!, zurückge no mmen. die Aspckle der Von/tllNng und der EtnbiIdNn!,sk"ifi dagegen beto n! werde n. \Io'onut solche Passagen bei Lcssing bereits auf die Narhab"/Nflg du SNo/tkiJ [11 . 7) und Konzepte des ANJdnlt/es \'on'erU'eisen. auch wenn solche Aussagen noch implizit und .subktuan' bleiben. D asselbe gilt fü r die allmählich sich abzeichn end e Betonung der ,Leerstelle' (111 . 6) , so daß ,Täuschung' (IH(h als Ergebtus "einer wechselseitigen Steigerung \'on ,sehen' und ,hinzu de nke n' ge faßt werden kann"; \'g!. MOI.DER-UACII. l nb: I", Ztirbtn 1lyt,1I1a!ions. DM Modtll dir Sla/ill Nnd dit En!tltr/aln!, tkr ,D"rJlrIlNng' illl 18. Jahmllndtrt. München: Fink 1998, S. 11M.. S. 44f. Vg!. zur Illusio n bei Lessing auch D AMMRICH, Horst S.: " Illusion. Möglichkeiten und Grenzen eines Begriffs." In: u ssing }'(arVook I (1969). S. 88-98. LESSING. Gonhold Ephraim: 1-/ambNrgis(bt Droma/lI';'gtf. H rsg. \"on Klaus L Berghahn. Sru ttgarr. Redam 198 1. S. 220 [42. Stüc kt. Dieser Topos findet sich immer \Iotieder, e m weite res Beispiel: ,.Sehr oft verserJ:t uns auc h die e rJ:ählende D arsteUung aus dcm Gemütszustand der handel nden Personen in den des Erl.ählers. welches die zwn Mitleid so notwendige Täuschung unrc rbrie hl." SCHl U,ER, Friedrich: Siimtlitht IlYtrkt. ßd. 1, 5. 8. I\ Uf]. Dannstade Wiss. Buc hges. 1987. Bd. 5: ErziihINngr". TIJtOrrtist!Jt Sthrif ttn, S. 383 ("über d ie trngische Kunst").
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auf mich machte".))' Eine ähnliche Fassung der Illusion finder sich bei Mendelssohn: ..\'\fenn eine Nachahmung so viel ähnliches mit dem Urbilde hat, daß sich unsre Sinne wenigs tens einen Augenblick bereden können, das Urbild selbst zu sehen; so nenne ich diesen Betrug eine ästhetische lIIusion. "332 Auch bei Mendelssohn bedeutet ,Illusion ' klar die Verwechslung der virruellen Welt mit der Wirklichkeit, sie ist, so Strube . ..Sinnentrug".333 Eine wichtige Abtönung gegenüber Lessing ist, daß Mendelssohn nicht nur die Ill usion aus der Perspektive eines Beobachters erster O rdnung beschreibt, sondern die Sicht einer Beobac htung zwe iter Ordnung integriert. D enn nur temporär funkti oniert die Täuschung, ,für ein en Augenblick '. D anach durchschaut die Beobachrung zweiter O rdnung die Täuschung: "die obern Seelenkräfte aber müssen überzeugt sein , daß es eine Nachahmung, und nicht die Natur selbst sey.'<314 Das Vergnügen der tis/be/isebm Illusion besteht dann nach Mendelssohn in der "Erkenntniß der Überein stimmung" der Nachahmung .. mit dem Urbilde", welche wiederum ein Licht au f die " G eschicklichkeit des Künsders" wirft.33S Z ugleich bleibt aber auch hier noch der ,Sinnen trug' im Zentrum der H1 usionstheorie:H6 So oder ähnlich werden alle Vertreter der Illusion fortan argumentieren. Die Diskussion um die ,vollständige Illusion' liegt im Begrif f der Illusion selbst begründet, der in au s Sicht. einer Beobachtung erster O rdnung etwas anderes bedeutet als aus Sicht ei.net Beobachtung zweiter Ordnung (dies war bereits bei den Trauben des Zcuxis der Fall). Im Z ustand der Ill usion durc hschaut cin Beobachter die Täu schung nicht; außer halb des Z ustands der Illusion durchscham er die Täuschung sehr wohl. Er kann also crst im Z ustand der Illusion beobacJn cn (,geräuscJlI' werden), und dann cüese Beobachtung beobachten und feststellen, daß es sich ,nur' um eine Ill usion handelte [11 . 1]. Innerhalb der Geschichte der Illusion gibt es fo rtan zwei \'(Icgc, mit diesem Dilemma umzugehen: (I) Man tcmpomlisie rr das Problem (ersl iSI man in der Illusion, dann durchschaut man sie). (2) Man behauptet eine Koexistenz von Illusion und Reflexion (ein solches durchgängiges ,lrrealitälSbewußtsein' wird al s zentral es Merkmal der fis/behseben
L \ Roc~m, Sophie von: GeJrhichtt du Frii1l/tillS Cantarino. Stutfgan: Reclam 1997. S. 97.
IYJII
Sttmmim. Hrsg. von Barbara lkcker-
m
!\·IENDELSSOHN: Aitmtiscm Scbrijtm in A 1IJll'tlbl Hrsg. \'on Quo F. Best. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1974, S. 170 b'von der Herrschaft über die Neigungen, § 11J.
ll3
STRUH E: AillHtiHbe 1I/1Ision. Ein /eritiumr &ilrag ~r 1l7irleullgsiislmh'k du 18. jabrhllnduts. PhiJ.
Diss. Bochum 197 1, S. 95.
r...I S...JDEI.5S0HN: AJthttium Scbrijten in AIIJ~ "(lbl
Hrsg. \'on Quo F. Best. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1974, S. 170 ["Von der Herrschaft über die Neigungen, § I I J. Ebd., S. 171.
J36
Vgl. GOLDSTEIN, Ludwig: MoJU Mendt/ssobn 111/1/ die d(lIlscm AitbttiJe. Leipzig: Avenarius 1904, S. 129.
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Illusio n aufgefaßt).m Bei Mendel ssohn lassen sich Belege für beide Auffas sungen fmd en; einerseits ist im Z imt oben davon die Rede, daß die IIJusion ,wenigstens für einen Augenblick' besteht, andererseits scheint die Re fle xion der ,oberen Seelenkräfte' simultan zur Illusion zu verlaufen. Prinzipiell stehen für die Beschreibung der lUusion diese beiden Möglichkeiten zur Verfügung; die Verästelungen der zeitgenö ssischen Auseinandersetzungen sind in der ein schJ ägigen Lüerarur nachzulesen;338 interessanterweise koexistieren beide \V/ege in der Theorie bis heu te.:B9 Lessing und Mendelssohn markieren dabei den zeitlichen Hö hepunkt der Karriere des Lllusionsbegriffs als Epizentrum der N atumachahfllllng [11. 6] in der ästhetischen Theorie. Scho n bald wird die entstehende ,hohe Kunst' [111. 6] ihre Invektiven gegen die ,mechanische Im itation' beginnen und in der Fo lge die Aspekte der Kontrolle stärken, aJ so wieder zunehmend bill/odale Auffassungen implementieren (diese Entwicklung spiegel t sich im übrigen auch im Werk J\
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Vgl. z. B. STRURE: Ai/hthit/Je Illulioll. Ei" lentilrlnr Bd/m!, '{!Ir IPirlutngläslhttik (Ju 18. j (lbrhundtrls. Phi!. D iss. BochWl1 197 1. S. 27. Einen historischcn Überblick bicrel STRUB!!: A ilbtl/;eht IIIIlIioll. Ei" kntilelnr Britr(l.! !(!/r Il7irul1!,siislhrti/e dn 18. j ahrhundtrll. Phil. Diss. Boc111un 197 1; vgl. zum "Wechsel von Sinnentrug und dessen Durchsrrcichung" S. 99 ff. , hier S. 99. In einer Monographie zum Thema wird die IIIJwH'pahbililölSIIJelt (\·eructen elWa \'on G ombrich, Strube. Lodge) untcrsc hieden von der Simult(lntitölllhtlt (vertreten etwa vo n Ho bson oder Wo Uhdm). Vgl. dazu WOLF. Werner. AilhtHleht IIIulion ulld //Iuliolll(üm'l1bmhul1g in drr
trzöbllut"II. Thto,ir 'md Gesrhirhlt mil Srhu.-rrpun/eJ auf tngliHhrl1l illHnOnJJliirtndrl1l Erzahltn. T libingcn: N iemeycr 1993, S. 63ff. D abei tendieren auch die Vcruetcr der Sim uh aneilätsthese mirunter in Richrung der Inkompatibilität, wenn sie die Dualität von Illusio n und Distanz über die Metapher des ,O szillierens' beschreiben. Weil S)'stcme Operatio nen nur sukzcssi\'e ablaufen lassen können, verlien die Simultaneitäts these im übrigen an Evidenz; es ist nicht möglich, zugleich eine Beobachrung erster O rdn ung und eine Beobach nmg zweiter O rdnung durchzufuhren. J.IO
Vgl. G OlDSTEI N, Ludwig: Moses MrndtillOhn und die drulJrht Ail!Jtli/e. Leipzig: Avenarius 1904, S. 131ff.
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Vgl. zur histo rischen Emwicklung dieser Kontrollt als Bestandteil der äslhttiH!Jt" lUusion \'on Lcssing bis hin zu Brechl auch j ARvIS, Ursula Liebrecht Thtories of IIIun'OI1 (md Dill(lnce in tln Dral1la f rom Lmil1g 10 Brrel1l. Phil. Diss. Ann Arbor ; r-.·lichigan 196 1; vgl. ebenfalls WEI-IRLI , Beatrice: Imitation u"d Mil1miJ il1 drr Gurhichle der deulHhrn ErziihltlJtorit unltr besondm r {knic/e· Ji(l1tigung des 19. Jahrhundtrll. G öppingen: KÜfnmerle 1974, S. 63-68.
J.ll
Vgl. auch BURWlCK. Frederick und Walter PAI'E (Hrsg.): A estlnnr //1111;011. TlmJftheo! (111(/ 1-lilfon'(aJA pprooehtl. Bcrlin, New York: de Gruytcr 1990.
11 2
daß die Evolutio n der illusionistischen Theaterbühne. welche im Barock begonnen hane,}.I) konsequent fo rtgeführt wird. Ein prägnantes Beispiel ist die Verdunkelung des Zuschauerraumes im Verlauf des 18. Jahrhunderts. \Vährend zuvor das Theater durch Tageslicht erhell t war und dementsprechend die Aufführungen vorwiegend am Tag stattfanden, wird die Zeit der VorsteIJungen immer weiter in den Abend verlegt, parallel dazu setzt sich zunehmend der Einsatz von Beleuchtungse ffekten durch . Dabei bleibt der Z uschauerraum zunächst bis ins spätere18. Jahrhundert hinein erhellt, bis sich die Verdunkelung des gesamten Theaters und die ausschließlich künstliche llluminatio n der Bühne durchsetzt - nicht zuletzt auf Wunsch der Zuschauer. D amit wird die Ko nzentration des Rezipienten auf die virtueUe Welt auf der Bühne foku ssiert und die Illusio n somit stark gefördert. 344 Auch das 19. Jahrhundert wird die se Entwicklung weiter verfeinern, und dies do kumentiert die Kontinuität der allgemeinen Nach frage der zeitgenössischen Rezipiem en nach Illusio n im Theater. Die Illusio n ist dabei nicht nur zentraler Bestandteil des modernen Theaters, schon von Beginn an gilt dasselbe fü r den Ro man.34 s So finden sich zahl reiche Berichte über ,haUuzinatorische Lektüren'; hier ein Beispiel, in dem Le ssing eine Ho m er-Lektüre beschreibt: Ergrimmt, mit Bogen lind Köcher, steiger ApoUo von den Zinnen des O lympus. hh Sthe ihn nidJi alüin btrabJleigtn, ich biin ihn. Mit jedem Tritte erklingen die Pfeile um die Schultern des Zornigen. Er gehet einher, gleich der Nacht. Nun sitzt cr gegen den Schiffen über, und schnellet - fUrchtedich erklingt der silberne Bogen - den ersten Pfeil auf die ;"'Iaultiere und Hunde 1... I.:w.
Ganz ähnlich ist der (bis heute!) immer wiederkehrende T o pos der medialen Wirklichkeit als ,andere Welt' zu verstehen. Im Roman Amon Reiser (hier 1785) heißt es: ..Durch das Lesen war ihm nun auf einmal eine neue Welt eröffnet, in deren Genuß er sich für alle das Unangenehme in seiner wirklichen Welt einigermaßen entschädigen konnte."J41 Oder in den E rinnerungen KJödens:
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Vgl. dazu KiNDERMANN, Heinz: Th((JUt;gtSChichtt Ellropas. Bd. 1-5. Salzburg: Müller 1957 ff. Bd. 3: Das TheaJer der Barrxk~/, S. 148ff. , S. 335ff. Vgl. ScHÖN, Erieh: Der Ver/lIs1 der Sirlll!ichluiJ oder Die Veru.·andlllngm du wen. MenfalifiilslI'andelll'" '800. S[Uttgart: Klc[l-Corra 1987, S. 169-171.
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Dies gilt, wie Erieh Schön gezeigt hat, bis in die Dimension der Lese/uhnile. Im verdunkelten Theaterraum wird die soziale Interaktion srillgestcllt, das Publikum verwandelt sich in reine ZNJ(haNtr - analog gilt aueh der ,Verlust der Sinnlichkeit' in dcr Romanlektüre, die jetzt alIcin und scill vollzogcn wird; vgl. ScHÖN, Erich: Der VtrlNst der Sinnfirhluil oder Die V tm·andlNngm du u sm. MmluliliitslI'andelllm 1800. Srungan: K1c[l-Cona 1987. LESS1NG, Gonbold Ephraim: Laulebon odrr Ober die Grtnifn der Mo«rt; lind Pot.Ji,. Hrsg. von Ingrid Krcuzer. Stuugan: Recl:.tm 1994, 5.107 (meine Hervorhebung).
"'
MORJTL:. Kar! Philipp: AnIon Reistr. Ein P!Jcholot;Jchtr Rbman. Srungan: Redam 1972, S. 13.
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In d en Büc h ern fand ich eine Welt, die mir zu sag te; die wirklich e stieß mich ab oder ließ mich kalt I...}. IB ei sonntäglich e n Spaziergänge n an der Sprce l streckte ich mic h in s Gras; die Büc her wurden h erv orge h olt, und wn mich wurd e die ganze hochpoetisc h e r.,'I)'then weit d er Gtiech e n und Rö m e r lebendig. Die W älder, die G ewässer bevölke rten sich; in den G e büschen v ersteckten s ich O read e n 1... 1. Ich lag am Al b an er Gebirge ode r am See vo n Nemi ; die Kiefe rn wurden zu Pin ien [.. .}.348
Wie kritisch man sich auch immer aus theoretischer Sicht zu der Thematik der JIlusion steUt, so zementieren sich doch Wendungen, welche die " unmittelbare lebendige Gegenwart und Versinnlichung,,}4? (Schiller) oder das " Gefiibl einer lebendigen Gegenwart dSO der medialen Wel t (Herder) beschwören, zu festen Topoi der literarischen IUusion. An anderer SteUe beschreibt Herder diese suggestive Wirkung wie fo lgt: "Sie ldie anschauende E rkenntnisJ bringt aber auch jeden Gegenstand gleichsam sichtlich vo r die Seele, das ist, sie nimmt so viel Merkmale zusammen, um mit einmal den Eindruck zu machen, der Phantasie ihn vo r Augen zu fü hren, sie mit dem Anblicke zu räuschen".35! L.enz formu liert: " D er wahre Dichter [... 1 nimmt Standpunkr - und dann IIIUß er so verbinden. Man könnte sein Gemälde mit der Sache verwechseln".352 D em geschriebenen Text wird also erneut die Anschaulichkeit des Bildes zugeschrieben eine Konstante, di e sich bis heute erhalten har. Eine aktuelle Beschre ibung des l..esevoq,'<mgs kann das illustrieren: "da sieht mer da beschreibt er ja wie sie in dem Restau- äh in dem Cafe oder Restaurant sitzen des hab ich mir so fr anzösisch vOf{)'S tellt mit so 'ner Marki se l...] also ich find so wie 's beschrieben is is es wie im Film".lS3 " I'm inclined tO read a book as if it's a movie showing"3S4, berichten l..eser von ihren Erfahrungen. Ferner bleibt die Illusion ein beliebtes ,Motiv' der Li teratur und wird als solches zu einer Art impliziren l..eseanwei sung. Beispiele wäre etwa das Ideal K LODEN, Kar! Friedrich: Von ßtr/in n(lcl; ß~rliu. E n'unmmgrn 1786· / 824. H rsg. vo n Ra lf Weber. ß crlin: Verlag der Natio n 1978, S. 2 17, S. 237 f. J.I?
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SCl-Iil..LER, Friedrich: Siimllidu ll7trk~. Ud. 1-5. 8. t\ufl Dannstadt: Wiss. Buchges. 1987. Ud. 5: Erziihlllngtn. Tb~orthi(ht S(l;riflrn, S. 383 I" Ober die T ragisc he K unst'l H E.RDER, J ohann Gonfried : AIIJgtuiihllt ll7trh in Ein~/O/lJgl1btn. S(l;riJttn ~r U ltralllr. ßd. 2, 1: KriIi!(!Je IWaldtr. Enln biJ dntlu lJ7ald(htn. Vitrtu IWii !d(btn. Pamlipomena. Hrsg. " o n Regine D n o. ß erli n: Aufbau 1990, S. 633 I" Viertes Wäldchen, Nachahmung und I Uusion'l H ERD ER, J ohann G o ttfried : A IIJgtU-iihltt IWerkt in Ein~IaIlJg(./btn. 5(hriJttn '{!Ir U ltralM. ßd. 2, 1: Knlisdu Il7aUtr. Emu biJ drillu IWald(htn. Virrtu l17ii!d(htn. P(Jralipo"lena. H rsg. von Regine D n o . Bedin: Aufbau 1990, S. 132 [" Ersles Wäldchen", XV T[ . LENZ, J ako b t-,·lichael Reinho ld : IWtrkt. H rsg. vo n Friedrich Voit. Stungart: Red am 1992, S. 376 ~,Anmerkunge n übers Theater" I.
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LekriireprotOko U, zitiert in PErm, Corinna: Pq(hologie du I'
des absolulen Tbetllers. bei dem die theatralische lOusion zur Wirklichkeit hin überschrirren wird. Ein Beispiel findet sich in Goethes lViIbel", Meislers Lehrjahre. Wilhelm Meister spielt im Roman in einer Aufführung die HamJetfigur, wobei die Ro Ue des Geistes, nach einer rätselhaften Ankündigung, von einer unbekannten Person übernommen wird; al s dann der Geist ,tatsächlich ' erscheint, f:-ihrt Wilhclm auf der Bühne mir Heftigkeit herum, lind die edle große G estalt, der leise, unhörbare Tritt, die leichte Bewegung in der schwerscheinenden Rüstung machten einen so starken Eindruck auf ihn, daß er wie versteinert dastand und nur mit halber Stimme: " Ihr Engel und himmlischen Geister, beschützt uns!" ausrufen konnte. Er starrte ihn an, holte einigemal Atem und brachte die Anrede an den Geist so verwim, zers ruckt und gezwungen vor, daß die große Kunst sie nicht so tre fflich hätte ausdrücken können. [.. .] Furchtsam ausspähend stand er vor ihm; allein als die ersten Töne aus dem Helme hervordrangen, als eine wohlklingende, nur wenig rauhe Stimme sich in den Worten hören ließ: " Ich bin der Geist d eines Vaters", trat Wilhelm einige Schritte schaudernd zurück, und das ganze P ublikWll schauderre. Die Stimme schien jedemlann bekannt, und Wilhelm glaubte eine Ähnlichkeit mit der Stimme seines Vaters zu bemerken.m
Die lUusio n des Theaters gelingt also gerade deshalb so gut, weil der Hauptdarsreller selbst kurz der Illusio n verhaftet ist, er habe es mit einem ,echten< Geist zu tun. Andere Fassungen der Erzählung vo m absolulen Thealer betonen die dämonische und vern.ichrende Macht der Illusio n, die sich in eine Wirk lichkeit verwandelt. E ine Episode in Eliots Middletlltlrch sei zitierr. Die Figur Lyd!,rate srudiert Medizin in Paris. Er sucht, ermüdet von seinen ,galvanischen Experimenten" Unterhaltung durch ein ,Melodram<, das im dortigen Theater gezeigt wird: (Lydgatc wasJ arrracted [... 1 b y an actrcss whose part it was to stab her lover, mi staking hirn for the evil-desi&l1ling duke of the piece. (... 1 She had but latcl)' come to Paris, and bo re a virtuo us reputation, her husband, acting with her as the unfo rrunate lover. [... J But this evening the old drama had a new catastrophe. At the moment when the heroine was fO act the stabbing of her lover, and he was tO fa ll gracefully, the wife vcritably stabbed her hU5band, who fell as d cath wiUcd. A wild shriek pierced the ho use, and the Pro \'en~ale feU 5WOOrung: a shriek and a swoon were demanded b)' the play, but the swooning tOO was real this time. 356
Als Arzt greift L)rdgate helfend in das Geschehen ein, kann aber den sterbenden Schauspieler nicht retten. Er unterstützt danach die Schauspielerin in ihm
GOE"nlE, J ohann Wolfgang: IPtrkt. HamburgrrAusgabe. Bd. 1- 14. H rsg. \'on Erleh Trunz. lo-tünchen: Bcck 1988, Bd. 7, S. 3" 1 [l17j"Jtbn MrJilm Uhifuhrt, XI]. ELlOT, Gcorgc: Middltmorrh. Hrsg. \'on Margarcr Harns und Judith Johnston. Londo n, Vcnnom; E\"cryman 1997, S. 13M.
11 5
rem Prozeß, in dem sie dann auch als unschuldig freigesp rochen wird. Als Lydgare ihr wenig später einen Heiratsantrag macht, gesteht, sie ihm: " it came to me in the play I meonl lo do il.,,357 D ie Geschichte zeigt die Macht der lUusion auf verschiedenen Ebenen. Zunächst einmal wird absoltfles Thealer gespielt, weil der Mord im Stück tatsächlich vollzogen wird - er ist ,echt" man kann einen Mord nicht besser ,darstellen'. Das Stück wird aber gcwissennaßen in die Wirklichkeit verlängert, indem die Schauspielerin ihre Unschuld beteuert. G leichzeitig zeugt aber die Tatsache, daß die Idee ,während des Stüc ks' kam, von der Macht der vinuellen Welt au f die Schauspielerin . "Three days later Lydgate was at his galvani sm again in his Paris chambers, believing Ihlll illusions were 01 an endJor hi/JI. ,,3S8 Aber auch das ,Motiv' der Automate, also ,täuschend echter Simulationen', in der Roman tik, vor allem bei Hoffm ann, belegt die ständige Themati sierung der zugleich faszinierenden und bedrohlichen Wirkungsmacht der Lllusion. Ferner könme man die Motive der ,lebendigen Bildnisse' der ,Trugbilder', des ,verlorenen Spiegelbilds' und andere mehr anführen - hier schwingen noch oft Konnotationen der Illusion als ,Teufelszeug' mir. Solche Radikale der illusion durchziehen die gesamte Literatur des 19. J ahrhunderts. Ähnlich wie der KuppeJ saal im Tristan des Thomas d'Angleterre besetZen sie den Topos der rotalen Ähnjichkeü. Ein letztes Beispiel wären die ,lebenden Bilder', also die dreidimensionalen Nachstellungen k1assischer Sujets. Folgende Beschreibung aus G oethes IW(/hIt.oenIltJndlschqften ruft die gewö hnlichen Topo i der Ill usion auf: " D ie G estalten waren so passend, die Farben so glücklich ausge reih , die Beleuchtung so kunstreich, daß man fürwahr in einer (Indem IWeil zu sein glaubte, nu r daß die Gegenw(Jrt des l17irk lichen sta rt des Scheins ein e Art von ängs tlicher Empfindung hervorbrachte."359 Seitdem ist die Macht virtueller Welten, beim Rezipienten ,wie wirklich' zu erscheinen, ein fester Bestandteil der Rede über mediale \'\Iirkung. Einerseits wird die LUusion zum Kriterium des dichterischen Gelingens: Wenn der Poer " mit seinen Vorstellungen unabhängig von seinen T önen die Seele nicht täuschen kann, ja, dann geht der Poe t verioren".J60 Die Stufe der Illusio n kann zwar vom Standpunkt einer ,hohen Literatur' als ,naiv' abgewertet werden, wie etwa durch G oethes ,Anwalt des Künstlers': "N ur dem ganz ungebildeten Z uschauer kann ein Kunstwerk als ein Naturwerk erscheinen" . Aber auch hier
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Ebd., S. 138.
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Ebd., S. 139 (m eine Hen'o rhebung).
m
G OETIIE, J ohann Wo lfgang: IlYrrkr. Hambu'Err AUJgabr. ßd. 1- 14. Hrsg. vo n Erlch Trum~ . München: Beck 1988, ßd. 6, S. 393 [lVahlt-rnl'tmdJs(haJirn 1.1 , S] (Hervo rhebung " o n mir).
l60
116
H ERDER, J ohann Gottfried : AIIJ!!,~iJ"hltt IY/rrkt in Eini!louSf,abm. S(hriJien i!'r U lrratur. Bd . 2, 1: Kritisdu Wiildrr. Emu bis dnlttJ Wiikkhtn. Vüt1n Wiikk htn. Parolipomrna. Hrsg. \'o n Regine Dtto. Berlin: Aufbau 1990, S. 134 b,Erstes Wäldche n", 16]. VgJ. auch eine gan z ähnlich lautende Passage in H ERDER, J ohann G o ttfried: J(plligone. Hrsg . von Heinz Begcnau. Weimar: Böhlau 1955, S. 123.
ist die lUusion immerhin die ,ers te Srufe' der Kunst, denn der Anwalt fahrt fo rt: " und ein solcher ist dem Künstler auch lieb und wert, ob er gleich nur auf der untersten Sru fe steht."361 Ablehnungen dieser ,naiven Illusio n ', etwa durch August Wilhe1m Schlegel (" Dieses Prinzip der Täuschung ist dem Wesen der Kunst [...1fremd") werden sogleich relariviert dadurch, daß sublimierte Neufassungen der ästhetischen lUusio n auf dem Fuße folgen: Man hat den spielenden Schein, welchen die echte Kunst sucht, und welchem sich das bezauberte Gemüt frciwillig hingibt, wiewohl es sich der Fiktion sehr wohl bewußt ist, worüber es auch in Momenten, sowie über bloß inneren Vorstellungen, die nähere Gegenwart ganz vergessen kann, mit dem materiellen Irrtum verwechselt, mit der gänzlich passiven Berückung, die dem Geist alle Freiheit der Betrachtung rauben würde, indem die Wirklichkeit nun ernsthaft auf ihn eindrängc. l62 Diese gleichzeitige Abwertung einer ,naiven lUusion' und die Fortschreibung der ,ästhetischen lUusio n ' im 19. Jahrhundert ist Reflex einer EntwickJung, die Gegenstand der nächsten beiden Abschnitte ist.
6. Schlechte und gute Ähnlichkeit: Kopie und I deal (WINCKELMANN)
Die Turbulenzen, in welche die Programmatik der Ähnlichkeit um die Wende zum 19. Jahrhundert gerät, und die im Falle der ,IIJusio n' bereits kutz angesprochen wurden, sind mit den allgemeinen Verschiebungen verbunden, welche die epistemo logische Revolutio n d es 17. und 18. Jahrhund erts ausmachen. Von zentraler Bed eutung ist in unserem Ko ntext der sprunghafte Anstieg der Rrprod#iferbarkeit von Te xten, vor allem infolge des Buchdrucks [III. 4], welcher dann ,um 1800' zum Vorwurf d er ,FabrikschriftsteUerey' [III. 5/6] führen wird. Dasselbe gilt mutatis mutandis für die zunehmende Rcproduzierharkeit von Bild-Zeichen. Bildwerke müssen in Antike und Mittelalter noch aufwendig hergesreUt werden, sind kostspielig und eroteugen schon als Raritäten die Suggestio n eines Mehrwerts des anschaulichen Zeichens. E rst die E rfindung von Holzsc hnitt und Kupfers tich ermöglicht die
H ERDER, J ohann Gonfried: AlIsgrll!ähllr Wrrkt ill Eill'{!lousgabrn. 5rhriflen zur U Jrrallir. Bd. 2, 1: Kn'/iHm IlYaUrr. Errlu bis dn/lu IlYaUr!Jen. Vitrlu Wäldrhen. Pamlipomtlla. Hrsg. von Reginc Ono. Berlin: AufbliU 1990, S. 70 ~,Erstes Wäldchen", 8]. Seide SteUen aus SCHLEGEl.., Augusl WilheIm: KrihJrht 5rhnfttll ulld Bnift. Bd. 1-6. Hrsg. von Edgar Lohner. Stungan: Kohlhammer 1962ff. Bd. 2: Dit lVlllllleh", S. 86.
11 7
prin zipielle IViederholbarkeil wn Bildallssoge?3 und läutet damit eine Entwicklung ein . welche Jahrhunderte später in die Bilderjllll unserer T age münden wird: "the prinring press remade Europe into a wholly new kind of ,image culrure' - a broad audience receptive to the new geometric picro rial language o f me Renaissance.",364 Während alle Bildwerke der Vormoderne prin zipiell an das individuelle Idiom ihres E rzeugers gebunden und so per se Unikate waren, bewirkt die zunehmende drucktechnische Vervielfaltigung von Bildwerken eine drastische Vereinheitlichung und Schematisierung der reproduzierten Formensprache: " me prints became fillcd wim cliches of representation based on the requirements of the linear syntax that had been adopted by the engraving craft". 36, Die Bedeutung dieses Paradigmenwec hseJ (der über die Betonu ng des Buchd rucks oft unterschlagen wird) kan n gar nicht hoch ge nug eingeschätzt werden: "die Paradoxie der Moderne Ib estehtJ in der zunehmenden Standardisierung der jeweils scheinbar einzigartigen visuellen Erscheinungen - einer Standardisierung. die l...J über die immer mehr verfe inerten Verfahren der Gravierkun st l...J zur Reproduzierbarkei t des Kun stwerk s l...J und schließlich zur mathesis singularis der Pho rographie führte" (und zur Bilderflut der Digi talphorographie, müßte man aus heutiger Sicht ergnnzen).J66 Diese Entwicklung hat aber gravietende Folgen. D enn in gewissem Sinne kann man sagen, daß erSt die inflationäre Verbreirung der drucktec hnologi schen Reproduzierburkeil von Texten, aber auch und vor allem von Bildern eine emphatische Distinktion zwischen Original und Kopie crfo rdert. 367 D ie Inversion dieser Entwick lung ist der zwi schen dem 16. und 18. J ahrhun dert immer stärke r betonte Aspekt des Schöpferi schen in der Kunst - wo Kopien in Massen auftreten, da formiert sich immer stärker die Aura der geniali schen Ongina/ilöl und ihren Produkten, den Kun st-Originalen [111. 4 / VI. 2). Selbstverständlich führt diese neue \Vertschätzung des Schöpferi schen zu erheblichen T urbulenzen mir der Programmatik der Alm/ichkeil, denn das Originalmerk, so scheint es zumindest, profilierr sich ja vor aUem dadurch, daß es gerade nichl eine ,Nachahmung' im Sinne einer ,Reduplikation' ist. Dieses Problem wird durch eine weitere Debatte im Umkreis der geschill6l
vgl. IVINS, William r-.l : PrinlJ anti J/iSHOI Communicah"on. Cambridge/ i\-lass., London: M1T Press 1953, S. 23. EDG ERTON, Samuel Y.: "The Renaissance ArtiSt as Quam:ificr." In: The Perrrplion tj"PictNru.
Bd. 1-2. Hcsg. von Margaret A. Hagen. New York er al.: Academic Press 1980. ßd. I, S. 179-2 12, hier S. 190. IvL''IoiS, William M.: Prinls and VisNal Comnllmicalion. Cambridge/Mass., London: i\lIT Press 1953,S. 168.
SONESSON, Göran: " Die Semiotik des Bildes. Zum Forschungsstand am Anfang der 90cr Jahre." In: Zdlschnjt jiir Stmioh"1e 15 (1993), S. 127- 160, hier S. 155. Vgl. vor allem BENJAM IN, Walrer: " D as Kunstwerk im Zeilaltc.r seiner technischen Rcproduzierbarkcit." In: W. ß .: Das KMns!JJ>rrlt. im bi/allrr stiner luhnisfhtn RtprotlN~trVaruil. Dm· Stumm ~r KMnslso':(fologit. Frankfun/ M.: Suhrkamp 1963, S. 7-44.
11 8
dcrten diskursiven Vcrschiebungen verschärft. Im Konrext der Querelle des Anaens el Modeme.r}6g stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Antike im Sinne eines normativen Maßstabs fü r die zeitgenössische Literatur und Kunst.J69 Ausgangspunkt war in der Renaissance die Wiederentdeckung der antiken Kunsttheorie gewesen, und zwar namentlich derjenigen des Aristote· les. In der Rezeption wird dessen Poe tik auf das ,Gesetz' Alle KJmst ist Nachahmung der Natur hin zugespitzr. Die Beachtung dieses Grund satzes zieht sich durch das gesamr.e ästhetische Sc hrifttum der Zeit, die deutschsprachigen Poeriken von O pilZ (1624) bis Gottsched (t 730) inbegri ffen. 17o Todorov resütmert: " Der Grundsatz der Nachahmung herrscht unangefochten über die Kun sttheorie der ersten drei Viertel des t B.Jahrhunderts.")71 Und weiter gilt, daß die Kün stler als Maßstab nicht nur die antike Theorie und die Natur be· achten sollen, sondern daß auch rur die Weise der Narurnachahmung selbst durch die erhaltenen Bildwerke der Antike ein Maßstab vorgegeben ist.J72 Die griechische \Verke zeigen ja die Essenz der Natur, sie liefern die Natllr der Na· t/lr. " Diese [...1 warme, aufrichtige, wahr und offen daliegende Natur, welche uns in den griechischen Kunstwerken so tief und lebendig rührt, ist ein Muster det N aturnachahmung für alle Künstler und ein Gesetz, das der griechische Genius der Natur vorgeschrieben hat."m Der berühmte Satz Winckelmanns lautet: " Der einzige \Veg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich
D ie qlmrlle im engcren Sinne findet in Frankreich am Endc des 17. j ahrhunden s statt . sie umfaßI jcdoch eine makrokulturclle J)eualle, welche bereits in der Renaissancc beginnt; vgl. dic inslmko\'c E inicinlllg zu Pcrrallhs Rcfcrenztexl , j AUß. !-I ans-Ro bcn: "Ästhetischc Nomlen und geschichtliche Rcflexio n in der ,QucrcUc dcs Ancicll5 ct des ~lod ern es." In: PERIV\ULT, CharIes: Poralli/e du Antiens rf Modmlu rtI n qNi rtgilT/lelu {IriS r/lu SfJ"tnns. I-Lrsg. von Hans- Robert jauß. München: E idos 1964, S. 8-64; historisch noch wnfassender argwnentien ROTLER, Hans Gcrd: Tradilionolitä/lInd Modtmilä/ in dtr ruropäisthtn l.j/rra/ur. D annstadt: Wiss. Buchgcs. 1979, S. 69ff. Vgl. FUHR.\I/\NN , Manfrcd: Einjiihmng in die anh"lu Dirhlllngslhrorir. D armstadt: Wiss. Buchges. 1973. S. 185-309. 37U
Vgl. OprrL, Marun: 811r/J t'fm der Dtll/HM" Por/t'!!. I-Irsg. von Comelius Sommer. Srurtgart: Reclam 1970, S. 17; G O"ITSCI·IED, j ohann Chrisroph: VtrSUt/J tinrr mlürhrn Dirh/leMnst. Paks. der 4. Auf!. Leipzig 175 1. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1962. S. 97ff.
)71
TODOROV. Tz\'etan: Symoo/fhrorien. ü bers. \'on Beate Gygcr. Tübingen: Niemeycr 1995 (= Konzepte der Sprach- und Uterarurwisscnschafl, 54), S. 108. Dabei vcrschicbt sich jedoch schon während der Aufklärung das jeweils zugrundeliegende Ko nzepl desscn, was als Na/ur " crstanden wird, und bereits bei Bodmer und Brcitinger konruriert sich zunehmend eine _ noch reproduktiv vcrs[andene - Einbildungskraf[. Vgl. I-IERRMANN; H ans PCler: N a/lImllthabntNng Uni' EinbiMtmgsJeroji. Zur entuitklung dtr dtu/srlxn Porlik IXJn 1670 bis 1740. Bad I-Iomburg et al.: G chlen 1970.
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Das iSI vor allem eine !-lilfe angesichts der noto rischen Unterbesrimmtheit der ästhetischcn Begrifflichkcit: " Keiner der in den Auscinandcrse[zungen wesentlichen Bcgriffc wird auch nur annähernd explizic.n oder anal)'tisch gcklän. Was ist ,Narur'? Untcr welchen Bedingungen giI[ ein Ancfakt als der Natur ,ähnlich'?" GEßAUER, Guntcr und Chrisloph WUI.J·: "'-limuis. KultiIr, Kunst, Gud/srhoji. Reinbek: Rowohlt 1992, S. 219.
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SnIlU.E.R, Friedrich: Säntt/itht lf'erkt. Bd. 1-5. 8. Aul1. Dannstadr: Wiss. Buchges. 1987. Bd. 5: Erziihtllngtn. Thrort/üthe Sthriflrtl, S. 515 L,über das Pathetischc'1 .
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zu werden, ist die Nachahmung der Alten. "J74 Damit wird die fundamentale Paradoxie aller /lJi/IJesis, die o ben bereits ausführlich besprochen wurde [II. 1/2/3]. durch eine zweite verdoppelt und potenziert. D enn die Kunst ist gleich in zweifacher Hinsicht einer hö heren Instanz unterwo rfen, sie ist ,Imitat" erstens der ,Namr' und zwei tens der ,antiken Kunstwerke', beide soU sie ,nachahmen'. Z ugleich soU die Kunst jedoch ,frei ' sein , ,autonom' und ,originell'. Z iel ist also, wie es Winckelmann fo nnuliert, durch ,Nachahmung' ,unnac hahmlich' zu werden - eine Fassung der Ähnlichkeit, rue so paradox ist,m daß dies unfreiwillig ko mische Z üge erhalten kann, wie es etwa scho n im Titel einer Abhandlung von J o hann E lias Schlegel (dem O nkel der beiden Ro mantiker) der Fall ist: "Abhandlung, dass rue Nachahmung der Sache, der man nachahmet, zuweilen unähnlich werden müsse".376 Diese Paradoxie nun markiert präzise das zentrale Problem, um das sich rue Flut der ästhetischen Sc hriften des 18. Jahrhunderts gruppiert. D ie Lösung liegt darin , daß m an die Paradoxie ve rdeckt, indem man eine gute Ähnlichkeit von einer schlechten, der Kopie, umerscheidet. D er Begriff wurde bereits im SpätmineJalter aus lateinisch ropi(l (Vorrat, Mittel, Fülle) in die deutsche Sprache entlehnt und bezog sich vor allem in der Kanzleisprache auf Vervielf.i.lti gungen und Abschriften von O riginaldo kumenten.377 Im Z uge einer Bedeutungserweiteru ng bezeichnete der Begriff dann zunehmend exakte Nachbildunb'Cn vor allem antike r oder kano ni scher Kun stwerke, also auch hier noch in Absctzung zum Original, aber bereits im Sinne einer möglichst treuen J",ilfl{ion, we lche oft durch eine /lJechanische Duplikation erzielt wird - charakteristisch sind etwa die Abgüsse antiker Skulpturen.378 Genau aus diesen Dispositio nen heraus fo rmiert sich der Gebrauch des Begriffs im Kontext der ästhetischen Theorie, wo sich der Aspekt der Nachbildung auf zwei Dimensionen beziehen kann. Handelt es sich um das Kopie ren von anderen Kun soJJt'rken, dann gerät der Begriff im Sog der O riginalitätsauffassung in die Nähe des ,Plagia[s'. Perrault, der wirkungsmächtige Memo r der ,Moderne', formuliert im Umkreis der Q llerelle bereits 1688: " I'idee
'"
;ibtr die l\rorbabmung der gn'rrhiscbm IPerlet in du Molmi und Bi/dbaurr!eHnsJ. SlndJebrribtn. Hrsg. von Ludwig Uhlig. Srungan: Redam 199 1, S. 4.
'"
Vgl. auch STEIGER, Emil: " Dialektik der Begriffe Nachahmung und Originalitäl." In: Tmdition und Urspriinglithletil. Akten des 3. Internationalen Germanislcnkongresses 1965 in AmSlerdam. Bem, t-,·Iünchen: Francke 1966, S. 29-38, hier S. 37f.
} 16
Vgt. ScHl..EGEI., JOHru'\1N EI.IAS: "Abhandlung, daß die Nacha h.~ ung der Sache. der man nachahmet, zuweilen unähnlich werden müsse." In: J. E. S.: As/hrhJebt und drama/urg/seht Scbrifltn. Heilbronn: Henninger 1887, S. 96-105.
WINCKEL.MANN, Johann Joachim: Gtdonkln
KLUGE., Friedrich: E!JmokJlischrs llYjjrltrbum drr dtlilschtn Spruehr. 22. Aufl age, neu bearbeitet von EImar Seebold. Bedin, New York: de Gruyter 1989, S. 404. 318
120
Paul, Artur ROSENBAUER, Erlch H UBALA und Chriscian LE.,' lZ: Prob/mit tkr Kbpit von drr Anfikt bis ~m 19. j ahrhundert. München: Casmer & CalIwey 1992.
Vgl. ZANKE R,
d'excelJem ho mme & I'idee d e copiste son st deux idees incompatibles."379 Bei Lessing heißt es (iro nischerweise fa st wörtlich aus Yo ungs COIyeclllreJ on Original Composifion (1759) ,ko piert'): Bei der ersten Nachahmung [des G egenstandes] ist der Dichter Original, bei der andem Ider Nachahmung der Weise, in der ein anderer Künscler den Gegenstand zeigt] ist er Kopist. Jene ist Teil der allgemeinen Nachahmung, welche das Wesen seiner Kunst ausmacht, und er arbeitet als Genie.380 In die ser Passage von Lessing ist der Dichter nur dann Kopist, wenn er die Werke anderer Künstler kopiert, wo hingegen die N achahmung der Nallir noch in den Bereich der Originalität fillt. Ze ntral ist nun, daß sich der Begriff der Ko pie nicht nur auf Plagiat, sondern auch auf die Nachbildung der Nallirbeziehen kann. Ursprünglich tritt er ganz n eutral als Synon ym für ,Nachahmung' auf. So spricht Breitinger im Falle einer vollko mmenen Nachahmung neutral von " Original" und "Copie".381 Knigge fragt sich im Kontext der Bühnenillusio n , " wie treu der Schriftsteller und Schauspieler die Natur copiert oder o b er sie verfehlt hätte" .l82 D ab ei schreibt sich jedoch zunehmend eine DiJforenz zwischen einer (positiv gewen eten) Nachahmung und einer (n egativ gewerteten) Ko pie in das KräfrefeJd der aristotelischen N arurnachahmung ein. Ln dieser Fassung mutiert der Künstler gcnau dann zu einem bloßen ,Ko pi sten', wenn er seine Naturvorlagc kleinlich genau und exakt repro duziert. In Winckelmanns wirkungsmächtigem T ext
Gedtmken über die N achahmung der griechischen IWerke in der Malerei lind Bi/dhallerkmul (1755/ 56) heißr es erw", Die Nachahmung des Schönen der Natur ist entweder auf einen einzelnen Vorwurf gerichtet, oder sic sammlcr die Bemcrkungen aus "crsduedenen einzelnen und bringt sie in eins. Jenes heißt, eine ähnliche Kopie, ein Porträt machen; es ist der Weg zu holländischen Fonnen und Figuren. Dieses aber ist der
)79
'"
.. l&l
P ERRAULT, Charles: Para/lUt du A I/den! ,I Modemu tn (t qui "gardt lu arts tl lu sdtnftJ. Paks. N achdruck dcr Ausgabe Paris 1688- 1697. H rsg. " on H ans-RobertJauß. München: Eidos 1964. Bd. 1, S. 11 2 [i. Ong.: S. 47]. LESSING, Gonho ld Ephraim: LooAmn oder Obrr dit Grrn'{!n dtr Malerti ,md PotJi.t. Hrsg. von 1ngrid Krcuzet". Sruttgart: Redam 1994, S. 62. Bci Young heißl cs, hicr in der Übe rsctzung von T eubcrn (1760): " Dic Nachabmungtn sind von doppelter Art. In einige.n wird dic Narur, in andcm werdcn die AUlaren nachgeahmct. Wir nennen die erstem Originalt und behaltc n dcn Namen der Nachahmung nur für die letzlere." YOUNG, Edward: Grdlmlun iibrr dit Original. lfVtrlu. In tinem Schrtibtn du D. )'oungs an dem [sü] V trjamr du Grondi!on. [Übers. "on H . E. von TeubernJ. Leipzig: H einsius 1760. Faksimile Nachdruck. Heidelbcrg: Schneider 1977, S. 15 . ß REITING ER, Johann Jacob: CrihJdu Dich/leun!l. Zürich 1740. Faks. N achdr. Sruugan: Metzler 1966, S. 64. K.'l IGGE, Adolph Freiherr von: Ausgtll·iihltt lfVtrkt. Hrsg. vo n Wolfgang Ferncr. ßd. 1- 10. H an novcr: Fac kelträger 1993. ßd. 6. S. 114 {Obtrdtn Umgang mit MtnHhtn, I, 23].
12 1
Weg zum allgem ein en Schönen und zu idealischen Bildem desselben, und derselbe ist es, den die G riechen geno mmen haben.}8)
\Vinckelmanns Passage unterschiedet also die Kopie als ,bloße Imitacion' von einer Nachahmung, die z ugleic h ,mehr' zu sein vorgibt als nur Nac hahmung. Zentral ist dabei seine Unterscheidung zwischen zwei Kunsrparadigmen, Holland und Griechenland, wobei er Holl and die Seite der ,Ko pie' zuwe ist. Winckelmann hat dabei zweifelsohne die niederländi sche Malerei des 17. und beginnenden 18. J ahrhunderts im Auge, Abb . 15: Ul tra-reali stische Nachahmung von ,Blumen di e sich bekanntl.ich lind rrüclllcn' in der holländischen r. .lalcrci. Rache! durch eine extreme ß ildRu)'sch, BI,,"mlJ/rtll!ß ( 1706). au sze ichne t. realistik Diese wird aber durch die Verwendung eines mechani schen Hilfsmittel s aus der Optik erziel t, und zwar durch die Verwendung der C/JIIJera obscllm. D as technische Prinzip der ,Lochkamera' ist zwar bereits seit der Ancike bekannt. Als Hilfsminel in der Kun st, welches gestattet, ein exaktes ,Kamerabild ' der Wirklic hkeit im Bild quasi-mechanisch ,nachzumalen', setzt sie sich erst seit dem 16. Jahrhundert durch. J 84 ,Entdeckt' wird die roll/era obsmrf/ dabei iro nischerwei se im Kontex t der Perspektitlt von eben jenen Renaissancekünstlern, die au s der Retrospektive al s Begründer der Vorstellung einer kün stlerisch-genialischen Auto no mie erscheinen, aber das Gerät noch ganz unbefangen zur N achahmung der No/ur eingesetzt haben. Ausgerechnet Lco nardo hatte empfohlen: " Der Geist des Malers
\V1 NCKEJ.MANN, Johann Joachim: Crr/onletn ;ibtr die f\!(lrhahnllmg du gn·uhiJrhtn l/7rrlet in du M(llmi und BikJh(lurr/eJmsf. SrndHhrribtn. Hrsg. von Ludwig Uhlig. Srunb>art: Redam 199 1, S. 13. Vgl. !-I ICK, Ulrike: Cesrhirhlt dir 0pliJrhm Mrdirn. ~'I ünch en : Fink 1999, S. 22ff.
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sollte sein wie ein Spiegel"J85. Schon im Rahmen der während der Renaissance geforderten N achahlJ/lmg der Nalllrgreift man also auf das optische Instrument der camem obsCllrtJ zurück, und die holländische Malerei ist später der Kulminationspunkt dieser Entwicklung. Sie bemüht sich, Bilder herzus tellen, die exakt so beschaffen sind wie der LichteinfalI des realen Objek ts im menschlichen Auge (ein Kon strukt, welches sich al s Steuerungsgröße bis in aktuelle Theorien der lkonizitär nac hweisen läßt).386 Die holländischen ,N etzhautbilder' positionieren sich auf einer Grenzlinie zwischen Kun st und Narur,J87 und das Ergebnis ist - wieder einmal eine neue, nie erreichte ,Perfektion der Nachahmung', welche wirklichkeitsgetreue Simulationen der Dinge zeigen soll. Es ist exakt diese (aus der Retrospektive: fotografische) Bildrealiscik, welche jetzt, etwa bei WinckcJmann, zunehmend kritisch beurteilt wird. Die holländischen Bilder erscheinen je tzt als ,bloße' Kopien, wobei dem Begriff der Kopie dabei zunehmend das Stigma einer bloß lIJechanischen Reproduktio n wie etwa durch eine callJertJ obsCllrtJ anhaftet. Exakt die selbe Opposition wie bei \'\finckeJmallll findet sich in Goethes Text "Einfache Nachahmung der Narur, Manier, Stil" (1789) wieder: Künstler, welche bloß über eine "beschränkte Natur" verfügen, sollen " mit Treue und Fleiß" die " Gestalten" und " Farben" der N atur "auf das Genaues te" nachahmen.}88 Sie werden dabei gleichsam auf die Organe von ,A uge und Hand ' reduziert und erscheinen so im Licht eines einf.'iltigen Handwerkertums. Auch Goethc lo kalisiert diese Vorstufe der Kunst klar im O rbit der holländischen Kun st und bezeichner ihre ,beschränkten Gegenstände' als " Blumen und Früchte",38? welche, in den Worten Schlegels zur Landschaftsmalerei, " im Zimmer gleichsam eine portative Natur" abbilden. 390 In den nächsten Jahr.r.ehnte n wird die Verbindung des Begriffs der Kopie mü Vorstellungen einer ,bloß' mechanischen RrprodJlklion wcitcr ausgebaut und
;l8S
Zitien in AU'ER.S, Svetlana: 10"111 alJ ßutbrribll1lg. Holto,uliJdx Malmi da / 7. jabrlnlRduts. Köln: DuMont 1998, S. 111. VgL etwa die poi1ll-projt{h<m-lbtolj Gibsons, beispielsweise in G IßSON, James J.: "The Infonnario n available in Picmres." In: J. J. G.: IVaso1ls for IVa/ilm. Selectcd Essays. Hilisdale, Lo ndon: ErJbaum 1982. S. 269-283.
187
ALPERS, Svcuana: JvmJl a/s ßutbrribu1Ig. Holto"distbt Malmi du / 7. jabrhllndtrlJ. Köln: DuMo lll 1998. \'or aUcm ",UI picrura, ita visio': Keplen r...IOOeU des Auges und das Bildcrmaehcn im Norden" , S. 79- t 46.
'"
GOl;.'THE, Johann Wolfgang: IPtrkt. HambllW r A IIJgabe. Bel. \ -14. H ng. von Erich Trunz. r.,·IÜnchen: Bcrk 1988, Bd. 12, S. 30f.[ "Einfache Nachahm ung der Narur, Manier, Stil" j.
J8II
3',10
G OE.1l-lE., Jo hann Wolfgang: IPtrkt. Hambllt;gtrAlIsgabt. Bel. 1- 14. Hrsg. von Erich Trunz. Müncncn: Beck 1988, Bd. 12, S. 32. [ "EiI .fache Nachahmwlg dcr Nanlf, Manier, Stil'T SCHLEGEL, Augusl Wilhclm: IVitü(he Srbriflrn lind Britft. Bel. 1-6. Hrsg. vo n Edgar LohncT. Sruttgan : Ko hlh:unmer 1962ff. ßd. 2: Dit KxnSlltbrr, S. 85.
123
zementien. J9 1 In Goethes Text Der Sammler Imd die Seinigen (1799) wird die Nachahmung ebenfalls als Vorstufe, aJs " Base der bildenden Kunst" aufgefaßt, wobei der Künstler sich übe r diese Stufe zu ,erheben' habe, weil man ihn sonst "einen Copislen nennen und mit diesem Won gewissermaßen einen ungiinstigen Begriff verbinden" müsse. Goethe vergleicht solche Kopien dann mit den rein optisch-mechanischen Doppeln des SCh(llIennsses: "Die Neigung zu Schanenrisse n hat erwas, das sich dieser Liebhaberei nähert" , heißt es, und zugleich wird präzisiert, woran es solchen Kopien mangelt: " D er Nac hahmer verdoppelt nur das Nachgeahmte o hne etwas hinzu zu thun oder uns weite,r zubringen. ,d92 J ean Paul betont, daß "der Grundsatz, die Natur treu zu kopieren, kaum einen Sinn" haben kö nne, da schon der "gemeinste Nachdrucker" den karegoriaJen Unterschied zwischen Wirklichkeit und medialer Repräsentation zu respektieren habe. Es bestehe ebe n "ein Unterschied [... 1 zwischen den Landschaftgemälden des Dichters und zwischen den Auen- und Höhen-Vermessungen des Reisebeschreibers".}9} Ganz ähnlich bemißt Mendei ssohn dem Kunstwerk einen MehTWerl gegenüber einer rein optisch-mechani schen Wiedergabe: "die entzückendste Landschaft reizt un s in der Call/em obsroro nicht so sehr, aJs sie durch den Pinsel eines großen Landschaftsmalers, zu reizen im Stande ist."J9~ In Jean Pauls Der KDlJlel (1822- 1824) taucht der Begriff der Kopie immer wieder im Kontrast zur ,wahren Kunsr' auf (auch hier übrigens oft im Zusammenhang mit der ,holländischen Mal e rei~; echte "Kunst" dagegen, so heißl es, " ve redle stets, sie sei kein bloßes Silho ueu enb rett des Gesichts oder eine englische Kopiermasc hine der Gestalten , sonde rn eine scJber gebärende Mado nna".39S AUe diese Beispiele belegen c.lie Ablehn ung der Kopie als inflationäres Genre rein muh(lfIisrher ,Wirklichkeirsverdo ppeJungen' angefangen bei den Kamerabildern der holländischen MaJerei, den ,Schattenrissen', ,Nachdrucken' und ,L:lI1dschaftsvermessungen' - aus Sicht einer allmählich Kontur gewinnenden ,hohen Kun st' [111. 6]. Im Konrexi dersel ben ästhetischen Debane taucht übrigens ein weiterer,
'"
DieseTheone der ,schlechten Ähnlichkeit' bleibt fe ster Bestandteil der Ästhetik des 19. Jahrhunderts. Viele Nachweise (.Copie', ,Duplikat' etc.) werden aufgefUhrt in EISE.Ul , Ulf: &0/i'"1111 ,md Jdtologit. 2Mr Kn·tiJe dtr IillruriJrhtn TINon', n(lrh 1848 Q11I BtispI'tl du ,DIII/HMn MIIJ(II11JJ'. Srung.m: Metzler 1976, S. 48ff. und S. 58ff. Die realistische Version der ,idealischen Nachahmung' wird dann die ,Verklärung' se:in. GOl:.I HE, Jo hann Wo lfgang: IPtrA:t. Hrsg. im Auftrag der Großherl.Ogin Sophie \·on Sachsen. Weimar. Böhlau 1887ff. AbL I, ßd. 47. S. 194 ID" Smnmkr lind dir Stin;gtn. Brief 8J.
)9)
JEAN PA Ul..: Säm/lich< If/trh. Hrsg. von Narben i'o1il!er. Abtg. 1-2. ~lünchen: Hanser 1963. Bd. 5, S. 34f. IVOf1rhlll, dtr ASlhttiJe., § 31. M END EJ..5SOUN:
AilhrtiHbt Srbrifttn in AllJlmhl Hrsg. von Quo F. Best. Danns[adt: Wiss.
Buchges. 1974 ,S. 179 I" I-I auptgrundsärzc der schö nen Künste und Wissenscha ften'1-
m
J EAN PAUl..: Siiml/irhr IlVtrh. HistonJrh-luitiJrhtAIIJgabt. Abt. 1-3. Weimar: Böhlau 1927ff.
Abi. I, Bd. 15. S. 3741Dtr Komtl, IIT].
124
bi s heute pejorativ verwendeter Begriff einer ,skJavischen Imitation' auf, und zwar das Norhiifftn. \Vie der Begriff der Kopie wurde auch dieser Begriff im 17. Jahrhundert noch ganz wertneurral verwendet und bezeichnete schlicht ,Nachahmung'. Opitz referiert nur AriswteJes' D ikrum der Narurnachahmung, wenn er feststellt: "die gantze Poeterey [besteht] im nachäffen der Natur".}% Sc ho tteLius bezeichnet ganz ähnlich 1663 die " Kun st" o hne Abwertung als "Nachäffin der Narur".391 Einen bYanz kJaren Befund liefert die deutsche Übersetzung eines Satzes von Huef. Im französischen Original heißt es (1670): " mensonge, qui est L'i",i/ation de 1a verite", was die Happe1 sche Übersetzung (1682) wie folgt übersetzt: "Lügen / welche eine ArJlin der \Vahrheit iSt".}98 Dagegen wird die D ifferenzierung zwischen der guten und der schlechten Nachahmung den Begriff ,Nachäffen' zu einer ausgrenzenden, polemischen Bezeichnung verschieben, wie wir sie bis heute venvenden: [... ] so würden wir von diesem Thoren sagen: er iiJft dem Sokrates nach;
I... ] der
Thor 1... 1ergreift also, was ihm am nächsten liegt, äfft nach, um nicht nachahmen zu dürfen; trägt die ganze ObetOäche einer fremden Individualität auf die seinige über [... I. m
Der kulrurelle Himergrund dieser Er.lählung von der ,idealischen' achahmung und der schlechten Kopie ist sicherlich die von kulturellen Eliten als ,innatio när' empfundene VervieJniltigung und ,D emo krntisierung' virtueller Welten. Ein schö ner Beleg findet sich in der Originalfassung von The Prtlllde (1805), in welcher der Romantiker Wo rdsworth in versepischer Form den Prozeß seiner dichterischen Erweck ung darstellt und dabei auch auf die Vertreter der ,sc hlechten Ähnlichkeit' zu sprechen kommr:-IOO
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Qprr.l. Manin:
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d" DrNlsrhtn Potlr'!J. f-lrsg. von Comelius Sommer. Sruttgart:
Rccbm 1970, S. 17.
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...
<100
SCJ.IO'ITEU US, jusrus Georgius: ANsftihrlicht Arml Von tkr TtNlllhrn HONbJSpnxht. H rsg. von Wolfgang Hecht. Bd. 1-2. Neudruck Tübin~ n : N iemeyer 1967. Bd. 1, S. 109. H UIIT, Pierre Daniel: Tmi/i de I'on:gint (In romanI. Faksimiledruck nach der Erstausgabe vo n 1670 wld der Happelschen ü bersetzung von 1682. H rsg. ,'o n Hans Hinterhäuser. Snlttgan: Metzler 1966, S. 8 1 und S. 148; meine Hen 'orhebungcn .
MORrr.l, KMI Philipp: Bdlrägt ~r Ällhrhk. Hrsg. \'o n Hans j oachim Schrimpf und Hans Adler. Mainz: Dierecich 1989, S. 281"über die bildende N achahmung des Schönen'1; vgl. auch ebd., S. 64. Vgl. fe.m e.r KA......,-. Immanucl: Krilik tkr UrtrilsJuafl. Hrsg. von Karl Vorlän der. Hambwg: Meiner 1990, S. 173: ..diese Nachahmung wird NorhöJ!Nn& wenn der Schüler alles nlJfh",lJIhf'; sowie ScHLEGEl.. August Wilhclm: Kn"tiJ{ht S{hrifltn Nnd BritJr. Bd. 1-6. Hrsg. von Edgar Lohner. Sruttg:m : Kohlhammer 1962ff. Bd. 2: Die KMnlilthrr, S. 91: " Wird nun I... ] der Ausdruck Nachahmung ebenfalls in dem edle.rcn Sinne, wo es nicht heißt, die Äußerlichkeiten eines Menschen nachäffen I!I, sondern sich die Maximen seines Hande.lns zu eigen machen [...]." WO RDSWORnl , William: Tht PrtlNdt 1799, 1805, 1850. ANlhorilont't Textl, Conlt>.1 und
Rrttplion, Rm nl Cnh{ul EJJl91. Hrsg. von j o nathan Wordswo rth, Meyer H. Abrams und Stephen Gill. lew Yo rk, Landon: Nonon 1979 • S. 238-240.
125
At leisure let us " iew from da)' to da)" 1... 1 mimie sights mat ape The absolute prescnce of rcaliry, Expressing as in mirror sea and land, And what eanh is, and what she has to shewI do no t hcrc allude tO subtlest craft, B)' means refined anaining purest ends, But imitations fo ndi)' made in plain Confessio n of man's weakness and his 100'es. \Vhether m e painter- fa shioning a work To arurc's circumambient scenery, And with his greedy pencil taking in A whole ho rizon o n a11 sides -with power like m at of angcls o r commissioned spiritS, Plant us upon some lofry pinnacle Or in a ship o n waters, with a world Of li fe and lifelike mocket)' to cast, To west, beneath, behind us, and before, Or more mechanic artist represent B)' seale exaet, in model, wood o r da)" Fro m shading eolo urs also borrowing help, Some miniature of famous spotS and things 1... 1. In microscopic " ision 1... 1 E"CfYtrec Th rough all the landscape. tuft, sto ne, serateh minute, And e"ery conagc, lurking in the rocks All that the lra"eller sees when he is there. And to these exhJbitions mUle and still Oth ers of wider scope, ",here living meo, t\'lusic, and shifting pantomimic scenes, Togcthcr joincd therr multifarious aid To hcightcn the allurcmcOl.
D ie Passage belegt den starken Reiz, welche die Simulation aur die Zeitgenossen ausübt. Exponem ist hier vor aUem die Schilderung des Paf/orallJas, ein Medium, welches sich wie kaum ein anderes dazu eignet, die Umschichtungen innerhalb der Programmatik der Ähnlichkeit zu illustrieren. Tatsächlich ist das Panorama ,um 1800' eine recht neue Erfindung,>IOl die gerade de n aktucUen Gipfel der LUusionstechnologie darsteUt, wie rur uns etwa der Cyberspace: .. Der Grundgedanke des Pan oramas ist es, ein so kunsrvoU-kün stliches Bild zu liefern, daß der Betrachter an ihm nicht die gemalte, sondern die reale Na tur
."
126
Diese läßt sich sehr gcnau daueren: Am 17. J uni 1787 erhielt Robert Barker ein Patem auf seine E rfind ung; sein erste r Publikumserfo lg in Lo ndo n gelang ihm 1792; "gI. OElTERMANN. Steph2n: DaJ Pal/orama. CrJ(hirhu tintl MaJJrnmtaillmJ. Frankfun /t\l . Wien: Büchcrgilde Gutenberg 1980. S. 7ff.
zu sehen, zu haben glaubt."oW2 Dabei bedient sich das Panorama der ((lIl/era obmfra, es ist letztlich nur eine technische WeiterenrwickJung illusionsbildender KLlmerabi/derwie etwa zuvo r diejenigen der holländischen Malerei. 403 Es liefert ein "entrahmtes ßild"4Q.I, desse n ,,360-Grad- Blick" eine mimologische "Tomlisierungsleisrung" ist. oW5 Als solches erlangt das Panorama eine ungeheure Popularitä t. Seine Ro tunden, welche anfanglich etwa zwischen 15 und 25 Meter Durchmesser aufweisen und deren zentraler Aussichtspunk t durch einen engen, dunkJen Gang betreten werden , avancieren in Europa ,um 1800' zu viel besuch ren Publikumsmagneten. Als solches ist das Panorama per se ein Massenmedium, welches zunächs t in den großen europäischen Metropolen seinen Siegeszug antri tt und dann zügig über den Jahrm(lrkt auch in kJeinere Städte diffundiert, wo sich dann das zahlende Publikum an den ,täuschend echten ' Simulationen begeistert. Imcrcssant ist erneut die Bewertung bei \'(Iordsworth , der zunäch st die Simulationslei srung des Mediums bestätigt: Der Rezipiem sieht ,alles, was der Reisende sieht, wenn er vor Off ist'; ,wie in einem Spiegel' werden die Gegenstände dargestellt, die ,absolute Präsenz der Realität' wird nachgeahmt. Aber zugleich ist diese Kunst eine bloß ,mechani sch Nachäffcrei', sie stellt ,maßsmbsgerechte Imitate' vor, die eher auf ,flache', unreflektierte Weise der BeEbd., S. 41 ; vgl. auch dic zahlreichcn Belcge fu r dcn Zusammenhang dcr Ent\\'icklung dieser ,Neucn Medien' und dem gcwünschten Effekt der Illusion im dokumen tarischen Anhang von BUDDEMEIER. Heinz: Panorama, Diorama, Pbolograpbit. EnlJf,hung Uni' IlVirkNng /lf/(U M,dirn im 19. JabrhNndtrl. r...tünchen: Fink 1970. OCllcnnann beschreibe das Verfahren wie fo lgt: " Ein cinfachcr viereckiger Rahmen (nicht unäh nlich dem D ü rcrschen ,Persp cctivlürchen1 , mit einem aus Fädcn gebildeten Quadramct2 bespannt, war wohl das simpelste Hil fsminel. Wer es sich trotz der hohen Anschaffungskosten leisten ko nnte, arbcitelc mil dcr Camtra ObJ(1~ra. Sie wurde drehbar über einem flXiertcn Punkt mo ntien , und nachdcm man sie mit einer Wasscrwaage genau auf den H orizo nt justien hane, brauc htc man nur noch den jeweils auf de r r-.hnschdbc erscheinendenden Landschaftsausschnin nachzuzeichnen. Speziell wn die Schwierigkeilen der landschafilichen Rundwnaufnahme zu einem Pano rama zu \'ereinfachen, erfand 1803 ein ge,"visser M. Chaix. Untcrpräfekt vo n Brians:o n, cin Instrument zwn Zeichncn der Pcrspektive und zur Vervielfaltigung von Pano ramen, das er Pano ramagraph nannlc. 1806 nahm der englische Physiker Wollaswn das Patent auf einen Apparat nun Nachzeichnen. Vergrößern und Verkleinern von Gegenständen, bestehend aus einem Prisma, das das zu zcichnende Motiv so auf dem Zeichenpapier sehen läßt, daß man seine Umrisse nur nachzuzcichnen braucht. Aus dieser Camtrn umäa genannten Zcichenhilfe [... ] enrwickcJte Gavard wn 1830 seinen Diagraphen [...J. Indem man dieses Gerät, das aus einem Visier, einer Zeichenplane und einem Storchschnabel bestand, einc Art Kurvenlineal hinzufügte, ko nnte man gleich bei der Landschaftsaufnahme die Verzerrungen korrigieren, die entstanden, wenn m an die mit Hilfe einfachcr Zcntralperspektive aufgenommenen Zeichnungen zu eincm Zylinder bog. Nach der Erfmdung der Daguerreotypic erleichterte dann die fotografischc Aufnahme die Arbeit dcr Panoramisten bedeutend." OIrlTERMA.'1N. Stephan: Das Panorama. Ge.ubirb fe tinu MtlJStnmtdiNms. rrankfurt / ~l . Wien: Büc hcrgilde GUlenbcrg 1980, S. 43. KOSCHORKE. Albreehr: G,.ubühfe du Hon!?pnfJ. Grent! und Grtnifibtrscbrtilllng in liftranschtn Ulndsrhtifhbi/dtm . Frankfurt / ~ I .: Suhrkamp 1990, S. 164. BoLZ, Norben: Am E ntk dtr Guttnbe'l.-Gala..'\"ü. Dil ntNtl1 Ko,"",unileafions~'1rhällnisst. München: Fink 1993, S. 101.
127
friedigung ,menschlicher Schwächen und Vorlieben' dienen. \'Vichtig ist aber auch hier der Aspekt des Ko mmerziellen; Wordsworth beschreibt hier (hism+ a sch zutreffend) den zeitgenössischen Konsum der Ähnlichkeit in jahrmarkt4 ähnlichem Ko ntext (was mit der intransitiven Figur des freien Schriftstellers beziehungsweise Kün sde,r s kontrastiert).406 Erneut gerät die ,perfekte Simulation' einer quasi4mechanischen \Xlirklich4 keitsverdoppelung im Ko ntext der romantischen Kunstauffassung in Verruf. Es zeichnet sich eine Hierarchisierung der Ähnlichkeit ab, welche fortan oft (aber nicht immer) parallel zu Unterscheidungen wie ho he Literatur I Trivialliterarur, Kunst I Kitsch und so fo rt verlaufen wird. Die Opposition ist dabei die Unterscheidung einer ,guten' Nachahmung von der ,blo ßen Kopie', und damit verknüpft wird ab jetzt auch im Feld des Ähnlichen die Unterscheidung des Künsders vom Handwerker. 4fJ1 \'Vährend in der Antike der Handwerker ebenso über ,Kunst' (lechne) verfugte wie der Tragödiendich ter, während der Künstler des Mittelalters im NormaJfali Auftragskunst gegen Entgelt hand4 werklich umsetzte, so kann seit der Moderne zwischen einer ,aumnomen' Kunst und dem fremdbe stimmren , zweckgebundenen Handwerk unterschieden werden [VI. 2). Diese Kluft hinterläßt nun auch in der Progranunatik der Ähnlichkeit ihre Spuren: D er Pano rama-Herstel1er ist ein Handwerker, der quasi-mechanisch Wirklichkeits-Simulatio nen herstellt. Es ist kein Z ufall , daß sich der Pio nier Robert Barker seine Erfindung, das Panora/JJa, wie eine Herstel1ungsmethode patentieren ließ. Wichtig ist, scharfzustellen, auf welche Weise sich die &TUtC Ähnlichkeit von der sc hlechten Kopie unterschiedet. In dem bereits besproch enen Kernzitar von WinckcJmann wird die gute Nachahmung konseq uent dem Prinzip der Schönheit unterstellt (im übrigen wieder eine Wendung der suppwerenden Verschiebung, denn da s ,Schöne' ist letztlich ebenso unrerdetenninierr wie das ,Ähnliche').406 Eine ,Nachahmung des Schö nen' läßt sich etwa dadurch erzielen, daß man ,die Züge aus verschiedenen einzelnen Vorwürfen sammelt und in eins bringt' - damit spielt Wickelmann auf eine weitere Ze uxis-An ekdme an. Dieser malte sein Gemälde der Helena für den Agrigenrer Juno(empel Vgl. zwn soziologischen Hintergrund des zeirgenössischen Spektrums vom ,Lohnschrciher' bis zum ,freien Schriflsteller' SCH ~lIrrr, Siegfried J .: Die Stlbllorgon!!oh"on du SOiJOIS.Jlltl1ll Liltralllr im 18. Jabrbundrrt. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1989, S. 290ff. " Ihr fühlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei! / Wie wenig das d em echte n Künstler ziemc1", soufflien Gocthe bekanmlich dem Dichter im ,Vo rspiel auf dem Theater'; "gi. GOIITHE, Jo hann Wolfgang: Wtrke. Ha",bllrgtr Alllgabe. Bd. 1414. Hrsg. von Erich Trunz. München: Bcck 1988, Bd. 3, S. 12 [rOlllI, V. 100f.] . Der Aspekt der ~dealen Schö nheit' erlaubt Kritik an der ,reinen Programmatik der Ahnhch keit' etwa des Zeuxis; denn do n handelt es "sich sodann nicht mehr darum, wie d as beschaffen sei, was nachgebildet werden soll, sondern nur darum, daß es t7(hh"g nachgeahmt werde. Der Gegenstand und Inhalt des Schö nen ist als das ganz Gleichgültige angesehen", lautet später die Kritik Hegels. Vgl. HEGEL, Georg WilhcJm Friedrich: IW"trkt. Bd. 1- 10. Fnnkfurt/ M.: Suhrkamp 1970. Bd. 13, S. 67 ~, Vorl es ungen über die Asthetik", I, Einleitung].
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zwar ,nac h der Natur', allerdings hatte er
""
Vgl. HAGSTRUM.J ean H. : Tbe Sisur Am. H e Trodilion if"U urory Pirlorialismand English POtlry from Dry'den 10 Gnry. Chicago: Univcrsiry of Chicago Press 1958, S. 13f.
'"
SCHLEGEL, Friedrich: Kritisr!N Allsgabt. Bel. 1-22. München el al.: Schöningh 1958ff. Bd. 1: SIlIdien du kiaJsisrhtn Aller/ums, S. 245 L,Üher das Studium der Griechischen Poesie'1VgL zu allen genannten Bc.ispiel('n T OOOROV, Tzvctan: SymbolllMoritn. ü bers. von Beate Gyger. T übingen: Niemercr 1995 (= Ko nzepte der Sprach- und Uteraturwissenschafl, 54), S. 107- 124; \'gl. zum Ko nzept des Ideals fcrner HÜHNER, Ulrich: ZlIr Problematik der NalumO{hahmung in der ASlhetile dt.l 18. Johrhundtrls. Erlangen 1976, S. 189ff.
129
dringt dabei "in das Innre der Wesen". Dadurch trage der Künstler alles das in das Kunsrwerk hinein, " was sonsr größrentheils vor un sern Augen sich in die Hülle der Existenz verbirgt". Das entsprichr der plaronischen Fassung der Wirklichkeir aJ s ,A bbild' der Ideen, und der Künstler isr das privilegierte Wesen, welches sie in die Welt der Erscheinungen übersetzen kann: Von dem reellen und vollendeten Schönen also, was unmittelbar sich selten entwickeln kann , schuf die Natur doch mifltlbarden \,\/iedcrschcin durc h Wesen in denen sich ihr Bild so lebhaft abdrückte, daß es sich ihr selber in ih re eigene Schöpfung wieder enrgegenwarf. - Und so brachte sie, durch diesen verdoppelten Wiederschein sich in sich selber spiegelnd , über die Realität schwebend und gauckelnd, ein Blendwerk hervor, das für ein .rterbliches Auge noch reizender, als sie selber i5t.413
Goethes Konzeption folgt weitestgehend den Dispositionen bei Moritz. Dcr idealisc he Künstler soU das "Wesen der Dinge"4!4 darsrellen. Die eigentlich interessante Frage - wie man nämlich das reine ,Ideal' aus dem Wirklichen schöpft und dieses Ideal dann in einem Medium darstellt - wird aber bei Goethe ebensowenig ausgearbeitet wie zuvor schon bei Diderot. Denn ab jetzt wird die ,Nachahmung des Ideals / des Schönen' ein dem ,Ge nie' \'0[behaltenes Geheimnis sein, dessen Mittel sich nicht aussprechen lassen - doch dazu später mehr [111 . 6/ 8] . Wichtig isr jedoc h, daß die Relevanz der Narurnachahmung auc h in den hö heren Fo rmen der Kunst noch weiterhin gilt: "U nterläßr ein solc her Künstler, sich an die Natur zu hallen und an die Na rur zu denken, so wird er sich immer mehr von der G rundfeste der Kun sl enrfe rnen":us Aber diese Stufe ist gleichwohl nur eine Vorsrufe - erst lernt man das Handwerk (.Nachahmungj, danac h ,erhebr' man sich in die Sphäre der Kunst (, Ideali sierung} Aus diesem Grunde kann Goethe auch den Zeuxis-Mythos, welcher, wie oben nachgewiesen {II. 1), über Jahrtausende Anekdoren de s ,täuschend echten' künstleri schen Meisterwerk s kursieren ließ, nicht mehr gelten lassen. In seinem Aufsatz "Myrons Kuh" (1818) greift er auf analoge ErzähJungen über eine naturalisti sche Simulation einet Kuh aus der griec hischen Antike zurüc k, die er ge nüßlich kolportiert:
'"
Alle Stellen aus MORrrz, Kar! Philipp: Brilrijgt iJlr A.rtl~ti/e. Hrsg. von Hans joachim Schrimpf und Hans Adler. i\binz: Dictcrich 1989, S. 45 b,Uber die bildende Nachahmung des Schönen" ]. In diesen Texten ist der Platonismus noch ,implizit', es wird einige weitere jahrl.ehnte dauern, bis Schopenhauer 1818 dem Konzept der Nachahmung der plato~ nischen Ideen d urch das Genie eine umfassende Kunstphilosophie widmen wird.
'"
GOETHE, j ohann Wolfgang: 117,r/e,. HambllwrAlIsglJ". Bd. 1-14. Hrsg. von Erich Trunz. München: Beck 1988, Bd. 12, S. 32] " Einfache Nachahmung der Narur, Manier, Stil" ].
", 130
EIxI., S. 34.
D ie sämtlichen Epigramme preisen d urchaus an ihr [Myrons Kuh] Wahrheit und Natürlichkeit und wissen die mögliche Verwech slung mit dem \'(/illkürlichen nicht genug hervor.w heben. Ein Löwe will die Kuh zerreißen, ein Stier sie bespringen, ein Kalb an ihr saugen, die üb rige Herde schließt sich an sie an; der Hirte wirft einen Stein nach ihr, WT1 sie von der Stelle zu bewegen, er schlägt nach ihr, er peitscht sie, er d utet sie an; der Ackersm ann bringt Kummet und Pflug, sie einzuspannen, ein D ieb will sie stehlen, eine Bremse setzt sich auf ihr Fell, ja f\'lyron selbst verwechseh sie mit den ürbigcn Kühen seiner Herde. 41 6
Dagegen ist fü r Goe me diese Faszinatio n des Ähnlichen bezeichnenderweise " DilettantenJob": " D enn bis zur Verwechslung mit der N arur Natürlichkeit darzustellen, war gewiß nicht Myrons Bes treben, der [...J in einem hö heren Sinne verfu hr l... } und gewiß seinen Werken Stil zu geben, sie VOn der Natur abzusondern wußte."4L7 Aus der O ptik einer ,ho hen Kun st' entsteht also eine Unterscheidung, weiche ,um 1800' die ,gute Nachahmung' von abschätzig beurteilten ,Imitaten' und ,N achäffereien' diffe renziert. In der Essenz bedeutet dies zweierlei: (1) Innerhalb der diskursiven T ekto nik der Aslhelik verliert die reine Simulatio n tendenziell an Bedeurung, die Kun st hat zusätzlich zum Aspekt der Nac hahmung einen Mehrwert aufzuweisen [lU. 6] . Dies zeigt sich auch daran, daß das vorüberge hend fa vorisierte Modell der bipolaren lUusion (Diderot) wiede r zugunsten einer bill/odalen, genuin iislhelischell lUusion des ,Kenners' zurückge nommen wird [11. 5], der nicht nur die Simulatio nsobcrfläche des Kun stwerk s wahrnimmt, sondern dieses immer zugleich auch als K.Jmsl rezipiert. (2) Zugleich ve rliert die bipolliff Fassung der lUusio n jedoch keinesfalls an Bedeutung. G anz im Gegenteil überlebt die ,harte' Fassung der Wusio n in einer Tradicionslinie, welche von Pano rama und D iorama über die Photographie bis hin zum Film418 ab jetzt SIIbsidiir zur Kunst läu ft. Denn die Invektiven der Ästhetik gegen das Ideal der ,Totalsimulacion< in diesen vermeinwch ,po pulären' Rezeptio nsko mexten ändern nichts an dem übe rwältige nden Siegesmarsch der angeblichen ,Ko pien'. T atsächlich erlebe das 19. Jahrhundert vermutlich die größte mimo logische Revolutio n der Mediemcchno logie seit der griechischen Antike, und zwar die E rfindung der Pholographie (1826/ 1838). Diese leistet zwar zunächst einmal nicht viel mehr, als das Abbild dcr ftJlIJertJ obsCllrtJ auf mechanische Weise fest-
416
GOETIn:., Jo hann Wolfgang: If,'tr..l!:t. H ambJIfl/r ANSgabe. ßd. 1- 14. Hrsg. von Erich Trunz. München: Beck 1988. Bd. 12, S. 13 1.
'" ".
Ebd .. S. 130.
VgL HOHSON. Marian: Tht Objtd oj Arl. The Thtory oj,IIINsion' in 18lh-CtnlJlry Franrt. Carnb ridge C{ 21.: CUP 1982, S. 303,"'0 dieselbe T radicio nstinie anges prochen wird. Ho hsons Beispiel is t auch das Kino "whcre the speCfam r is confllled in inrima{e darkness {Q o ne point in {he room, [... [ and whcre [... [ thc means are {o mlly effaced (fo r who is :l\l,'are of the ca.nV:lS screen as ca1l\':lS, and th e shadows {hat consti nHc the film ?)"; ebd.
131
zuhalten, ohne daß dafür noch der Pinsel eines Künstlers oder Handwerkers vonnöten wäre.4I'> In diesem Sinne ist das neue Medium das konsequente Ergebnis einer jahrhundertelangen, kontinuierlich verlaufenden Entwicklungslinie, innerhalb derer man seit der Renaissance Bildrea/istik unter zunehmender Hinzuziehung optischer Apparaturen erzeugt - das perspek tivische Abbild aus der Clllllern obsmrn, Pallornllm sowie Diora/IJa und dann Pholographie erscheinen aus der Retrospek tive als kontinuierliche Evolution einer mit mechanischen Mitteln erwirkten BUd-,Reali stik'. PrinzipieU lassen sich ähnliche Entwicklungen in der Malerei, etwa im D etailreichrum der Biedermeierkunst, beobachten,420 und weiterhin läßt sich eine gewisse ParaUelität der Entwicklung von Phorographie und literarischem Realismus nicht leugnen. 411 Dies gilt jedoch nur in einem sehr allgemeinen, makrokultureUen Sinne. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch eine Di ffe renzierung notwendig. Tatsache ist, daß die früh e Photographie zunächst einmal in KonkmTeIlZ zur MaJerei tritt und von den Zeitgenossen auch so wahrgenommen wird.422 Dieser Befund, aber auch die Tatsac he, daß das neue Medium die bestehende Bildsprac he aufgrei fen IIIIIß, um vom Rezipienten überhaupt verstanden werden zu können, erklären die anf.'ingliche Vergleichbarkei t von Pho (Ograp hie und Malerei im Hinblick auf Motive, Komposition, Bildaufbau und so weiter. D abei faszinie rt sich das -19. Jahrhundert an der A llllmtliziliil de r Photographie [VI. 3] und andererseits an ih rer Ahn/ichkeil. Vor aJJem die Anf.'inge der Photographie werden enthusiastisc h als neue Dimensio n des optischen Illusio ni smus wahrge nommen: Man getraute sich zuerst auch nich t, so erzählte oft mein Varer, die ersten Bilder, die er fertigte , lange anzusehen. Man scheu(c sich vor der Deutlich keit der l\.knschen und glaubte, daß die kleinen winzigen Gesich ter der Personen, die da auf dem Bilde waren, einen selbst sehen könnten, so verblüffend wirkte die ungewohnte Dcutlichkeit und dic ungewohnte Namrtreuc der ersten Dague rreotyp bilder auf jcden, der noch nie cin solches Bild in der Hand gehabt hattc .m
...
Vgl. zu dicsem Zusammenhang GERt'\'SHI!IM, Hclmm: Tbe Hislory oJPbolograpl?J. London CI al.: Oxford UO 1955. S. 1-19. Vgl. PEIERS, Ursula: .. Die bcg1nnendc Photographie und ihr Verhältnis zur Malcrei." In: .In IInna{hahmlidJtr Tn'Nf. ' Pbolograpbie im 19. jahrlJJmdert - Ihn CesdJidJle ill den dflltuhspra{hi. gm Liindfm. AlISSlcllllngskaralog Köln 1979, S. 59-82. Vgl. KOPPEN, Erwin: Liieralllr lind Pbolographit. OkrGes{hi{hft Nnd Thematik ,;n" Mtditnrntdtk · letmg. Stuttgart: r-..fctzler 1987, S. 36. Vgl. ß UDDEJ\lI!lER, Hcinz: Panorama, Diomml1, PMlogmphit. EnlJlehllng lind Il7irletmg I/ellrr Mfdirn im / 9. j(/hrhNn/lrrt, München. Fink 1970, S. 70f(. DA UTI-IENDEY, M.: Orr GelJI meines Valtr.r, 1925, abgedruckt in dem dokumentarischen Teil bei BUDDEMEIER. Heinz: Panorama, Diorama, PlJOlogrl1phif. El/lJlfhNng lind Il7ir/eJlIIg nnltr Mfditn im 19. jahrhlln/Jrrt. München: Fink 1970. S. 230. Der Va ter Da Uihendeys war einer der ersten Photognphen in Deutschland.
132
1mmcr wieder wird in den zeitgenöss ischen Texten die Faszination an der photographi schen " Verdoppelung der Wirklichkeit" bemm (und genau diese fähigkei t führr sogar bis zu dem mcdienkritischen Vorwurf der ..Gorreslästerung'') .<" -' Zugleich ist diese Begei sterung jedoch populiirer Narur. D ie ,ho he Kunst' artikuliert deutliche Vorbehalte gegenüber der Phorographie. denn für sie greifen all e Argumen te, welc he Wordsworth schon da s Panorama verdächtig werden las- Abb. 16: Viele frühe Phorographien [feten nicht im emphasen und die Goc- tischen Sinne als ,Kunstwerke' auf, so ndern definieren sich thes Abneigung ge- vor aUcm über ihren Gebrauchsnmzen. Die Abbildung gen die hoUändische zeigt ein typisches ,Erinnerungsb ild', im Hintergrund sieht Malerei kennzeic h- man noch die gemalten Exemplare des Vorgängennediwns. nen: E s handelt sich Johann Eberhard Feilner, Familitnbildnis vor FamilimporlriilJ, ,bloß' um mecha- D aguerreotyp ie Bremen, tun 1845. nische Doppel, die keiner Eigenleisrung des Künstlers bedürfen, und die ,fabrikmäßig' hergestellt werden. Bei Champfleury heißt es: "Wenn zehn Daguerrcmypcnapparate auf den gleichen Gegenstand zielen, dann geben die zehn Glasaugen der Maschi nen lJeux de vem de Jo nJochineJ zehnmal das gleiche Objekt wieder, o hne daß es die geringsten Abweichungen der Form und der Farbe gäbe."4Z5 Tatsächlich wird die Bezeichnung dagJlemoryptur im Kräfre feJd der Äs thetik
~
Vgl. dazu auch BUDDEMEIER, Heinz: Das Folo. Gurhirhle und ThttJne,ur FOlograJit als Gnmdla· gt rinu ntutn UrttilJ. Reinbek: Rowohlt 1981 , S. 18, dann S. 46f.
.~
CHAMPFLEURY: Lt Rralismt. Paris 1857. Faks. Nachdr. Genf: Slatkine 1967, S. 93.
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geradezu als .. Belcidigung"426 aufgefaßt. Das führt, schematisch gesprochen, zu einer Absetzungsbewegung: 427 In gcnau dem Maße, in dem das fotO ,mechanische' Ähnlichkeiten unüberbietbarer D etailgenawgkeit liefert, wird es zum Medium .naiver' Lekrüren der Ähnlichkeit und drängt die bildende Kunst in die Abstraktio n. ,Wah re Kun st' ist jetzt eben gerade nirhl eine exakte Reko nstruktion der ,äußeren Linien' der Natur - was sich in der Apologie Dclacroix' durch BaudeJaire (!) schö n belegen läßt. 421l Ironischerweise wird die Phowgraphie dann - zunäc hst vergeblich - ausgerechner die UnJChii1ft der Malerei zu imitieren suchen.429 Dieses Oppositionsverhä1mis von Kunst und Phorographie läßt sich auch durch einen Seitenblick auf die Literarur erhärten. Denn die Literatur meidet die Sphäre der Phorographie, die Figur des Photographen ist hoffnungslos unterrepräsentiert - erstaunLich vor allem, weil aufgrund der zeitlich parallel laufenden Modellbildung des literarischen fValiillJIIs ein Rekurs auf dieses ,ultra-realistische' Medium ja mehr als nahegclegen härte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Photographen sind in Drama und Rom an, wenn sie überhaupt einmal auftauchen, zumeist gucheilerfe Künsder 4JO - denn aus Sicht der Kunst prod uzieren die ,G lasaugen' der Kameras blo ße ,Ko pien' und .Nachäffereien'. Eine wirkliche Emanzipation der Photographie als Kllnsl erfo lgt bezeic hnenderweise erst zu einer Zeit, als Kameras und filmenrwicklung auch dem reinen Amateur zugängLi ch wurden (,um 1900'). Vor allem im Umkreis von Futurismus und Dadaismus avanciert die PholOgraphie dann allmählich zu einer ,Kunst', und zwar bezeichnenderweise o fnnals umer Umgeh ung der ,naive n Abbildfunktio n': Erst suggestiv-unscharfe Bilder, Photomontage n und Verfremdungen entziehen die Phowgraphie dem Vo rwu rf, nu.r mechanische Wirklichkeitsimirate herwsre!len.
BUDDEMElER, Heinz: Panorama, Diorama, PlJolographit. entslthung und 1IV,·rung nturr Mttfirn illl 19. jalJmNndtrf. i>.-lünehcn: Fink 1970, $. 120.
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Vgl. auch STENGER. Erleh: CUfhirhlt der PholograplJit. l1erlin: VD I 1922. S. 6f. Vgl. BUDDEMEIER, H einz: Panorama, Diorama, Pholographit. Enlslthung und IVirung nrNr,. Mrmt" im 19. Johmllfldtrt. München: Fink 1970, S. 122ff.
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Vgl. I EWHAU.., Beaumont: CUfhirblt der Photographir. ehen: Schirmer/ Moscll 989. S. 75.
bcrs. \'on Rcinhard Kaiser. i>. lün-
Ko ppen h:u eine Reihe \'on Beispiclen efÖnen. die hier kUI"".t wiederholt seien: In Raabes Nm·elle Off LJr (1888) erscheint der Photognph als gescheilen er Künstler. der d ann als Ldchenphowgraph zu Vennägen kommt; in 1bscns 117i1dmlr (1884) ist der Pho tograph eine Vediererfigur, welcher immer wieder \'o n einer absurden Erfindung phantasiert: d ie Pho[()graphic auf die Hö he der Kuns t empol"".tUfiihren; selbsl in Max D authendeys Biographie seines Vaters, eines früh en Pho togntphen, ,überwindet' der Sohn schließlich das bloße ,H andwerk' der vätedichen Phologntphie und wird dann Lyriker (= Künstler). Vgl. KoppE..'1, Erwin: Li/trolllrllnd Pholographie. ObtrGtsrhiflJlt lind Thtmah·k tintr Mtditnm/dttu"g. Srungan: Metzler 1987, S. 61 -63 ~a~); S. 65-67 (lbsen); S. 83-85 (DaUlhendc)').
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7. Die Nachahmung des Subjekts (MORITZ / SCHLEGEL)
Die Paradoxie von der Doppelnatur ästhetischer Wirklichkeiten, die sich sowohl als ,Nachahmung' als auch als ,Original' zu erweisen haben [lI. 6], ist in der zeitgenössischen Diskussion schon früh registriert worden. Am bckannresten ist Lessings Ausspruch aus dem 70. Stück seiner Homblfrgischen Dramaturgie: .. Die Nachahmung der Natur müßte folglich entweder gar kein Grundsatz der Kunst sein; oder, wenn sie es doch bliebe, würde durch ihn selbst die Kunst, Kunst zu sein aufhö ren ".431 Wie oben ersichtlich, erzeugt" dieses Problem die Vorstellung einer ,schlechten Kopie' im Gegensatz zur ,guten Nachahmung'. Fraglich ist allerdings die Evidenz dieser Unterscheidung. Denn die ,schlechte Ko pie' und die ,gute Nachahmung' sind miteinander vergleichbar über den Aspekt der AJmlichkei/, clie sie mit ihrem Gegenstand aufweisen. Die Nachahmung gerät so in eine gefährliche Nähe zur Ko pie und droht, mit in den Sog der Ablehnung gezoge n zu werden. In der Tat ist eine Folge dieser diskursiven Verschiebung, daß durch den Konsen s hinsichtlich der Kopie auch das Prinzip der N achahmung der N a/ur durch die Ro mantik ge nerell in Frage gestellt wird: Bei NoIJ,r denken sich viele nichts weiter als das ohne Z utun men schlicher Kunst Vorhandene. \Xlenn man zu diesem negativen Begriff der Natur, einen ebenso passiven vom Nachahmen hinzufügt, so daß es ein bloßes Nachahmen, Kopieren]!1, Wiederholen bedeutet. so wäre die Kunst in der T at ein brotloses Unternehmen. Man sicht nich t ein, wanlln man sich quälen sollte, ein zweites jenem ganz ähnliches Exemplar von ihr in der Kunst zustande zu bringen, das für die Befriedigung unseres G eistes nichts voraus hätte als etwa die Bequemlichkeit des Genusses:m
" Warum sagen sie nicht gleich: die Kunst soll das Schöne darstellen", fährt August Wilhelm Schlegel in seiner Argumentatio n fo rt. Diese Kritik an der N arhahllJJl!lg hat in der Fo rschung zu einem allgemeinen Ko nsens geführt, in dem immer wleder die Obel1JlindJlng des N (/rhtJhllllmgskonzepfes durch die Ro man-
LESSING, Gonhold Ephraim: I-Iamhllwsr/)e DromalllWt. Hrsg. von Klaus Srurrgan: RecJam 1981, S. 359 [70. Stück}. 4lZ
I.~
Berghahn.
SCHLEGEL, August Wilhdm: KriliJdJt 5rhrifttn lind Britft. Bd. 1-6. Hrsg. von Edgar Lohner. Srungan: Kohlhammcr 1962ff. Bd. 2: Die KMn$llthrt, S. 85.
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tik behauptet wurde:H3 Der Kopist ,Zeuxis' soU hier durch den Schöpfer ,Promedleus' abgelöst worden sein: Der griechische t>.-laler Zeuxis und der Titanensohn Prometheus verkörpern in der T at zwei einander entgegengesetzte Konzeptionen des künstlerischen Schaffens: Sie repräsentieren die Dichotomie von ,Nachahmung' lind ,Schöpfung', die sich im Verlauf des 18. Jahrh underts herausbildete. Auf die Unvereinbarkeit dieser beiden Konzeptionen folgte nocwendigerweise ein Paradigmawechsel, der an die SteUe des obsolet ge\Vordenen Primats der Naturnachahrnung eine moderne Schöpfungsästhetik treten ließ, die dem zunehmenden Selbstbewußtsein der Künstler Rechnung tnlg.~:;.1
Eine genaue Lckriire des ästhetischen Schrifttums des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts zeigt hingegen, daß von einer ,Überwindung' des Nac hah mungsprinzips nur in einem sehr eingesc hränktem Sin ne, möglicherweise gar nicht gesprochen werden kann :U5 Dagegen gih: " In der Geschichte unserer ästhetischen Theorie ist diese Di sposition, das äs thetische Gebilde aus seinem Verhältnis zU( ,Wirklichkeit' zu legitimieren, niemals ernstlich verlassen worden. « 4}6 Denn die Romantik findet einen bemerkenswerten Ausweg aus dem Dilemma zwi schen Nachahm ung und Originalität, und zwar durch den Rückgriff auf eine arislOteiische Denkfigur. Wie o ben dargelegt, ist Kunst und Narur bei Aristmdes strukruranalog im Aspekt ihrer schö pferischen Kraft {II. 3]. Die Fertigkeit der !eehne (, Kunst') beste ht demgemäß bei AristQtdes einerseits darin , nachzuahmen, andererseits aber zu ,voUenden'. Im Aspekt des Schö pferischen iihneln sich aJ so Narur und Kunst, " Die Do ppeJbestimmung hängt mit m
So argumcnticn eigentlich die gesamte Forschung zur i\ sthecik des 18. Jah rh underts schon seil J ahrzehnten; vgl. neben den bislang und im fo lgenden diskucien en Tilcln u. a. TuMA RKIN, Anna: " D ie Überwindung der M.imesislehre in der Kunsnheo rie des 18. Jahrh undertS. Zur Vorgeschichle der Romantik." In: Futgabe fir SamurlSingrr. H rsg. vo n H arry Maync. Tübingen: r-,Iohr 1930, S. 40~55; PREISENDANZ, Wolfgang: " tlI.imesis und Poiesis in dcr dCUlschen D ichntngstheo rie des 18. Jahrhunderts." In: Rt!(!J>lion uml Pro,luktioli ~.i;chrn 1570 und 1730. Festschrift Hir Günther We)'dl zwn 65. Geburtstag. Hrsg. von \X'o lfdietrich Rasch el al. München 1972, S. 537-552; I'ETERSE...... J ürgen H .: Mi"miJ - JmitahoN achphmung. Eint Gmhichlt dtr turopäi;chrn Pot/iA!. München: Fink 2000, hier das Kapilel " Von der Aufklärung bis zum E nde des 18. JahrhundertS: Die Auflösung des Nachahmungsprinzips in Poetik und Astherik", S. 23 1-258; MADLAND. Helga: " Imitation 10 Creation. The Changing Concept of Mimesis from Bodmer and ßreiringe r 10 Lenz." In: Eighlttnlh-Ctnlury Gm",m Au/horJ and Ilx ir A tJlllttic Thron·u. U ltrpluT't pnd Ihr Olher ArlJ. H ng. von Richard Crirchficld und Wulf Koepke. Cotwnbia: Camden 1988, S. 29-43.
'" '"
~HI. OTER, Renate:
Zrux1J und Promtl!Jtu./. Dir Obtruindung du NachahmungJleon'{!p/J in dtr A JI!Jrtik drr Friihromantik. Frankfurt / M. et al. : Lang 1995, S. 275. Ein genaues STUdi um der Monographie von SCHtO'"rER. die italienische SchriftsieUer untersucht, steUt fest, daß fast aUe besprochcncn Texte 'rolt ihrer ßelOnung des Schöpferischen an dem Nachahmungskonzeprlu/hallm. BtuMENBERG, Hans: "Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans." In: Nachahmung und lIIullon. B rsg. vo n Hans Roben Jauß. München: Fink 1969 (= Poetik und He[Jneneucik, 1), S. 9-27, hier S. 10.
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der D oppeldeutigkeit des Begriffs von ,Narur' als produzierendem Prinzip (mllum nalurans) und produzierter Gestalt (nalum Iwlllmltl) eng zusammen. Es läßr sich aber leicht sehen, daß in dem Element der ,Nachahmung' die übergrei fende Komponente liegt: denn das Aufgreifen des von der Natur Liegengelassenen fügt sich doch der Vorzeichnung der Natur, setz t bei der Entelechie des Gegebenen an und vollstrech sie" :",37 D ie Kunst erschafft auf ähnliche Il:7eise wie die Narur. Schon im 15. Jahrhundert kann Blumenberg einen Beleg rur eine deutlichere Artikulation des Schöpferischen ausmachen. In diesem Zusammenhang sollte man die Doppeldeutigkeit im Auge behalten, die schon der Terminus ,Schöp fung' bzw. malia an sich trägt. D er Begriff hat eine onrologische und eine ästhetische Sinndimension, denn er bezeichnet die ,Wirklichkeit' als das von Gon geschaffene einersei ts, andererseits das vom Menschen oder ,Künstler' Gemachte.",38 Schon für den löffelschnitzenden Laien des Nikolaus von Kues gilt dann, daß auch seine Kunst ,Nachahmung' ist, "aber nicht Nachahmung der Natur, sondern Nachahmung der an infillila Gottes selbst, und zwar insofern diese originär, urzeugend, schöp fe risch ist, nicht aber insofern sie fakti sch diese Welt geschaffen hat."u9 M.it dem Au fkommen der Genieästhetik gewinnt der Vergleich zwi sc hen der Schöpferkraft G ones und derjenigen des Künsders neue Aktuali tät [VI. 2] ; Lenz fo rmuliert etwa: ,,\'Vir sind, [....1 oder wollen wenigsten s sein, die erste Sp rosse auf der Leiter der freihan deInden selbständigen Geschöpfe, und da wir eine Welt. hie da um uns sehen, die der Beweis eines unendlich freihandelnden Wesens ist, so ist de r erste Tri eb, den wir in unserer Seele fühlen, die Begierde 's ihm nachzurun":'40 rür die rormulierung der modernen Programmatik der Ähnlichkeit stehen al so gleich zwei Topoi aus der Tradition zur Verfügung, durch die man das Dilemma ,Nachahmung' ve rsus ,Schöpfung' lösen kann, ohne dabei das Theorem der Almlichk eil Zu ver/auen. Denn nach Ari stoteIes ähnell die Kun st der Natur im Aspekt des Schöpferischen. Und das ,Schöp ferische' ähnelI umgekehrt der ß .: IWir/elkhletiltn in dmm Mir lebin. Aufsät".lc und einc Rcdc. Sruttgan: Reclam 1981, S. 55-103, hier S. 55. BLUMEN IJERG, I·lans: "Nachahmung der Narur." In: H.
Vgl. dazu .auch O E.RRIDA, Jacgues: " Kraft und Bcdeutung." In: J. 0 .: Die J(hnft lind die DiJlmnz. Übers. von Rodolphe Gasche. Frankfun1M.: Suhrkamp 1976 (1963] ,S. 9-52; hier S. 21f.
'"
ß.: IWirk}i(hJui/eII in dmm Mir Itbtn. Aufsätze und eine Rede. Stuttgarr. Reclam 198 1, S. 55- 103, hier S. 58f. Vgl. fenler zu der Tradierung der Analogie Künstler I Narur (GOtt) im Aspekt des Schöpferischen im M..ittelalter FuSCH, Kun: "Ars imitatur naruram. Platonischer Narurbcgriff und mirtclaltc[liche Philosophic der Kunst." In: PafUsi(l. Studien ~r Philosophie Plolons lind ~r ProbltmF(hirhlt du Plolonis"'lIs. H rsg. von K. F. Frankfun1M.: M..inerva 1965, S. 265-307. ß LUMENBERG, Hans: "N achahmung der Natur." In: H.
Lr:.J-lz, j ako b t.1.ichacl Reinhold: lt7erlu. Hrsg. von Friedrich Vok Sruttgan: Rcclam 1992, S. 373 L,An.m('rk ungen übers Thcater" ]. Vgl. auch Coleridge; die dichterische Imagination sei einc " repetition in the fmi te mincl o f the etemal act o f creatio n in the infinite I 1\1\.-1". COLERlDGE, Samucl T arlor: A Critiro! Edilio" ofImMqjor lV'orh. Hrsg. von Heather J oanna J ackson. Oxford, New Vork: OUP 1985, S. 3 13 [Biogrophi(l Ultrorio, 13].
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,Schöpfung', wodurch wiederum der schöpfende Mensch dem schöpfenden Gon äJmlich ist. Es war Karl Philipp Moritz', der diese Evidenzen in die Programmatik der Ähnlichkeit einfügte: Jedes schöne Ganze aus der H and des bilden d en Kü nstlers, ist d aher im Kleinen e in Abbild des höchste n Schönen im grossen G anzen der Narur; welche das noch !llilltlbar durch die bilde nde H and d es Kü nstlers n ach e rsc h a fft, was unmittelbar nicht in ihren grosse n Plan gehörte.-wl
Durch diese Verschiebung, durch die ,A ufwertung' der Narut in der Beton ung ihres ,schöp feri schen' \Vesens, wird es ab jetzt möglich sein, schöpferisch und nachahmend zugleich zu sein. Sehr deutlich wird das bei August Wilhe1m Sc hlege l, der viele Ideen von Moritz übernimmt und fortführt: \'\!ird nun d ie Natur in dieser würdigs ten Bedeurung gen o mme n, nicht als eine ~h sse von Produkte n, sonde rn als d as Pro duzierende se lb S[, und der Ausdruck Nachahmung ebenfalls in d em edleren Sin ne, wo e s nicht h eißt, die Ä ußerlich keiten eines Me nsc he n nach ä ffe n[1l . sondern sich die M axime n seines H an d clns zu eigen m ach en, so isl ni.hls gtgen den Gnmdsalz einiflU.<enden, !lOch ihm hillif'Zltfligen: die Krlllsl soll die N a/lfr !ltIchahmtfl. Das h eißt nämJich, sie soll wie die Natur selbständig schaffend , organisiert und o rganisierend, lebe ndige Werke bilden, die nicht e rs t durc h ein e n fremden r. .lechanismus I!I, wie etwa ein e Pe ndeluhr, sond ern durc h innewohne nd e Kraft, wie d as So nncn srs te m , beweg lich sind , und vollende t in sich zu rückkehren. All! diese It7/ist h(ll Pro"'tlhtfls die Na/ur lJachge. ahmt, als e r d en r...lensch e ll aus irdisc hem Ton fo nnte lind ihn mit ein em vo n de r Sonne em wan d ten runken beleb te.-w2
Diese Stell e zeigt deutlich, daß von einer ,Überwindung der Nachahmung' kaum die Rede sein kann - denn es ist ausgerech net Prome theus, der die Natur nachahmt; es handelt sich um eine "Nach ahmung der schöpferischen Na tur im Kün stler".441 Durch die ,Aufwertung' der Natur in der Betonung ihres schöpferischen Charakters drohen ,Natur' und ,Kun st' sogar zu Synonymen zu werden - was am radikalsten bei Novalis fo rmuliert ist: "Die Natur hat Kunstinstinkt - daher ist es Geschwä tz, wenn man Narur und Kunst
.,
M ORITZ, Kar! Philipp: ßtitrily '{!Ir
A stbtHIe. Hrsg. \"o n Hans J oachim Schrimpf wld Hans
Adler. Mainz: Dieterich 1989, S. 44 !.,Über die bildende Nachahmwlg des Schönen" ]. Diese Natur entspricht dann wiederum dem Schönen; j\·lorirJ: behauptet, daß " das Schö ne um desto schö ner sey, jcmdu das große uns wngcbende Ganze sich darinn zusammendrängt Wld spiegelt." Ebd., S. 103 !.,Bcstinunung des Z wecks einer Theorie der schö nen Künste" ]. 442 44}
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Knh"sdx Jrbrifttn lind Briift. Bd. 1-6. Hrsg. von Edgar Lohner. Sturtgacl: Kohlhammer 1962ff. ßd. 2: Dir IVlnstkb", S. 9 1 (meine Hervorhebung). So Heselhaus in einem Diskussionsbeicrag, abgedruckt in J AUß, Hans Roben (Hrsg.): N o(hpbmung lind IlIlIs;on. KoUquiwn Gießen 1963. München: Eidos 1964 (= P(}(HIe lind I-ImlltntuHIe, I), S. 18S.
ScIILEG EL, August Wilhdm:
unrerscheiden will. ,,444 In ihrem Aspekt des ,Schöpferischen' wird die Natur also zum Analogon des Kün stlers. Und diese Idee formu liert Moritz, wie Todorov herausstellt, auf eine völlig neue \Veise. Denn: " Es ist jetzt nicht mehr das Werk, das nach ahmt, sondern der Künstl er. "445 Die Erweiterung der Sinndimension geht aber noch weiter. Vor Moritz ahmte ein Werk ein Urbild nach. J etzt ahmt das " Genie" das "Vorbild" einer personifizierten, schöpferischen Namr nac h, und es ahmt nicht ,sie', sondern ,ihr', im Dativ, nac h, das heißt, der Künstler ,wenei fert' mit ihrer erzeugenden Kraft: \X' em also von der Natur selbst, der Sinn fur ihre Schöpfungskraft in sein ganzes Wesen, und das Maaß des Schö nen in Aug' und Seele gedrückt I!J ward, der begnügt sich nicht, sie anzuschauen; er muß ihr [!j nachahmen, ihr nachstreben, in ihrer geheimen Werkstarr sie belauschen, und mit der lodernden Flamm' im Busen bilden und schaffen, so wie sie ..w6
Vor diesem Hintergrund erscheint auch die nächste historische Schlußfolgerung von Moritz völlig legitim. Das Anschlußproblem - auf welche Weise nämlich das Genie ,der' Schöpferkraft der Natur ,nachahmt' - wird von ihm dadurch gelöst, daß das Genie auf sich selbst zurückgreift. Um die "dunkel geahndeten Verhältnisse jenes grossen Ganzen" [- der Naturl darzustellen, muß die 111atkraft [- das Geniel , worinn sie schlummern, sie /lach sith selber, allS sirh Jtlber bilde/l. 1... 1Aus d iesem Brennpunkte muß sich, nach des Auges gemessener Weire, ein zartes und doch getreues [11 Bild des höchsten Schönen rün den, das die vollkommenen Verhältnisse des grossen Ganzen der Narur, eben so wahr und richtig, wie sie selbst, in seinem kJeinen Umfang faßt .....7
Und ge nau ruer liegt die entscheidende Verschiebung, welche die vormoderne von der modernen Programmatik der Ähnlichkeit scheidet. In der Vonnoderne nämlich war die Antike die Narur der Natur; dagegen wird jetzt zunehmend NOVAUS: [f/mu, Tn§biirhtr Nd Bn"rft Fn'tdn'rh Ilon Hardtnbergs. Hrsg. von Hans-J oachim Mähl und Richard Sam ucl. ßd. [-3. München, Wien: Hanser 1978. Bd. 2, S. 8\0. ....5
TODOROV, T zvetan: Symbolthtonrn. Übers. von ß eate G)'ger. Tübingen: Niemeyer 1995 (= Ko nzepte der Sprach- wld Literarurwissenschaft, 54), S. [48. MORITL, Kar] Philipp: Bdtriigt ~r AJ~~t'ik. Hrsg. von Hans Joachim Schrimpf und Hans Adler. Mainz: Diererich 1989, S. 44 ["Ubcr die bildende Nachahmung des Schönen''). Das Nachahmen des " Vorbilds" im Sinne von " nachstreben" und " wencifern" ist auf S. 28 belegt. Es handelt sich dabei wn keinen Einzelfall; die bereits angesprochene Schrift \'on Johann Elias Schlegel weist diese Ausdrucksweise scho n im Titel auf (" Abhandlung, dass die Nachahmung der Sache, der man nachahmet, zuweilcn unähnlich werden müsse'1; auch bei Klopstock ahmt der Dichter der Narur - im Dativ - nach; vgl. GEll_HAUS, Axel: Enlhllsinsmos Mnd Kolleiil Rtjlt:>.:iontn iilNr dtn Urspnmg dtr Dirhllmg. München: Fink 1995,
S. 209f. t-.l0 RlTZ, Kar! Philipp: Bdträ§ ZNr Äslhttik. Hrsg. von Hans Jo achim Schrimpf und Hans Adler. Mainz: Dieterich 1989, S. 50 b,Übet die bildende Nachahmung des Schö nen'').
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das (schöpferische) SII'?iekl aufgebaut zur Natur der Na rur.«8 \'(fieder fühn die Moritz-A uslegung Schlegels den ursprünglichen Gedanken ein Stück weiter fo rt: \'\'0 aber soll der Künstler [... ) die schaffende Natur find en [...j? In seinem eigenen Innern, im l\'littelpunkt seines \X1esens durch Anschauung, kann er es nur, oder nirgends. Die Astrologen haben den Menschen Mikrokosmos, die kleine Welt, genannt [...). Denn wegen der durchgängigen Wechselbestimmung aller Dinge is t jeder [sicj Atom Spiegel des Universums.449
So kann Schlegel zuspitzen: "der Mensch iSI in der K.Jmsl NOnll der N(/IJ(I'~so. Es gibt eine Entsprechung z...vischen dem modernen Subjekt und der Namr, und diese Entsprechung wird von Schlegel durch den Rückgriff auf ein we iteres uraltes Modell der Ähnlichkei t mit Leben gefüll t. dasjenige nämlich von der Vo rstellung einer Ahnlichkeil zwischen dem Men schen als Mikrokosmos lind der Weh als Makrokosmos [111 . 3 / 7].~51 In dieser Verschiebung nähert man sich der Gleichung Mensch (Genie) = Natur = Kunst. ,Kunst' wäre demnach die Nachahmung, oder, wie man jetzt sagen wird, der A IISdntck~52 des Subjekts, zumindest qualifi ziert sich das Sub jekt auf besondere \'(lobei die VerehnlOg vor allem der griechischen Antike weifer exislien , aber nun el>cn auch, weil sie " die fPinJli Mrnsrhlxif' darslcllt; SCII LEGEJ., Fried rieh: KritiJdJt A/(JglI/~. ß~ . 1-22. München ct al.: Schöningh 1958ff. Ud. I: SIHditn de; /ekmise/)tn A lltrfHnlS. S. 277 I"Über das Studiwn der G riechischen Poesie" j. E ine histOrische Hed eirung dieses Interesses der Nachahmwlg am Subjekt findet sich bereits in T U/lL\ RK.IN, Anna: " Die Überwindung der Mimesislehre in der Kunsn heorie des 18. Jahrhunderts. Z ur Vorgeschichte der Ro mantik." In: Frslgalx Jiir SmflHd Singtr. Hng. \'on Harr)' i\b ync. T übingen: Mo hr
1930, S. 40-55.
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SCHLEGEL, August Wilhehn: Kritisrh, Sehn'jü" Hnd Briifr. ßd. 1-6. Hrsg. \'on Edgar Lohner. Sruttgan; Ko hJhanuner I962ff. ßd. 2: Die NmJtlthfP, S. 92. Ebel .. meine Hervorhebung. Die Lehre einer Ahnlichkeit zwischen Mensch und Kosmos wird bereits in der ionischen Narurphilosophie fo rmuliert und dan n im i\1inclaher neu aufgelegt durch die Integratio n der Vorstellung von der Go n ebenbildlichkeit des Menschen. Die ,Überwindung' der N achahmung d urch den AUJ(Jf'Hek ist ein e weitere Variante des Gemeinplatzes vo n der ,Ablösung der M.imesis'. vor allem im Kontext der Entstehung der modemen Lyrik ~Scse nhcimer Lieder', ,von Gonsched zu Herder' etc.) . Eine erhellende Analyse bietet vor allem G UHIKE., KMI S.: " D ie Entdeckung des Ich in der Lyrik. Vo n der N achahmung zwn Ausdruck der Affekte." In: Tradi/ion, Nor"" Innot'ilh·on. Sorjalu und IiltranJ(hu T rodih'onJ/!trhal/m in dtr Friih~il dtr diH/Jehen AufIeliif'Hng. Hrsg. von Wilfried ßamer. München; Oldenbourg 1989, S. 93- 121. Guthkes Analyse ist in fast allen Details zuzustimmen, aber ich bin auch hier skeptisch hinsichtlich der ,Überwindung der Naturnachahmung'. Wenn im ästhetischen Schriftrurn überhaupt explizit einmal hiervon die Red e ist, dann figuriert der ,Ausdruck' (der ,echten Gduhle' etc.) doch aufgrund seiner Unmilltlbarletil geradezu als Steigerungsfonn der Nachahmung. Hinzu kommt, daß sich das Genie nicht einmal in Konkurren z zur Natur stellt. Viehnehr wird im Kräftefcld der
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Weise zum Gegensmnd der Darstellung. Ein weiteres Beispiel dieser neuen Wendung von der ,gU[en' und der ,schlechten' Nachahmung, bei der die ,gute' Nachahmung die mimesis des Subjekts ist, findet sich bei Novalis: Der Künstler vivificin in sich das Princip einer bestimmten Individualitact u.illkiihrlich. / Es gibt eine symptomatische und eine gcnetische Nachahmung. Die Ictztc ist allcin lcbendig. Sie setZI die innigste Vereinigung der Einbildungskraft, und des Vemandes voraus. / Dieses Vermögen eine fre mde Individualitact nicht blos durch eine oberflächliche Nachwahrhaft in sich zu erwecken ahmung zu täusc hen - ist noch gänzlich unbekannt - und beruht auf einer höchst wunderbaren Pmrlralion und geis tigen Mimik. Dcr Künstler macht sich zu allem, was er sicht und sern wil l.~5}
Damit wird auf der Ebene der Theorie das eingeholt, was ,literarisch' seit der Empfindsamkeit diskursiv Thema ist: Die Darstellung der Subjektivität. Herder schrieb bereits 1770: " Denn was war diese erste Sprache als eine Samm lung von Elementen der Poesie? Nachahmung der tönenden, handelnden , sic h regenden arur! Aus den Interjektionen aUer \'(lesen geno mmen und von Interjektionen menschlicher Empfindung beiebet!"~S4 Und bereits bei Mendelssohn war ein ebeneffekt der JlJusion die "Vollkommenheit des Künstlers, die wir in ihnen wahrnehmen; denn alle \'(lerke der Kun st sind sichtbare Abdrücke von den Jo'ähigkeiten des Künstler, die uns, so zu sagen, seine ganze Seele anschauend zu erkennen geben. Diese Vollkommenheit des Geistes erregt ein ungemein grösseres Vergnügen, aJ s die bloße Ahnlichkeit 1... J".m Diese diskursive I euerung wird vor allem durch die ,ko pernikani sche Wende' in der Philosophie unrerfUne n . Bereits der britische Sensualismus, dann vor allem Kams Transzendemalphilosophie stellen die E rkennmismöglichkeit des ,Ding an sich' in Frage, privilegieren dagegen die Vorstellung des Sub jekts als unhimergehbarc Realität. Wenn ,Wirklichke.it' nach Kam nur noch auf der Ebene der subjektiven Vorstellung stanfindet, dann ergibt sich daraus zwangsläufig, daß auch der Gegenstand der Kunst nicht mehr die ,\'(lirklichkeit' ~ ,Narur'') sein kann , sondern allenfalls die Vorstellung von ihr. Daraus folgt: Die vormoderne Kunst ist die N(I(h(lhmung der N(I/J(r, die moderne Kunst ist die Nachahmung der (Narur aJs:) Jubjek/it-i/ät. 4S6 Genau dies wird aber in der [QNarumachahmung jetzt ganz einfach behauptet: Das Gerne ist Narur. ."
NOVALlS: If/rrh, Tagtbiirhtr und Brirfr FrirJrirh J'I('" 1·larrknlN'1.J. H rsg. \·on Hans-Joachim Mahl und Richard Samucl. ßd. 1-3. München, \X' ien: Hanser 1978. Bd. 2. S. 323f. I-I ERDI~R,
Jo h:mn Gottfried: Abhandlung iibtr tim UrJpmng du SprodJr. I-I rsg. von 1·lans D ietrich Innscher. Stungart: RecJam 1966, S. SO. M.ß~DF I .ssoI·I N:
AJIIKliJrht Smriflrn in AUSII'ahl. Hrsg. vo n Quo F. BeSt. Dannstadl: Wiss.
ßuchges. 1974, S. 179 1" Hauptgrundsätze der schönen Künste und Wisscnschaften'l Ein Paralldbcfund ergibt sich für anderc Medien, etwa die r..·lusik [111. 8): ,,(he shift from (... 1 musical rcprescntation 1... 1 10 whal came 10 be called musical expression in thc later cighteemh cenrury (... 1 w;lS 1... 1 a move tO\\'2rd grcaler similitude in representation"; so
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mantischen Programmatik glasklar und unzweideutig hervo rge ho ben. In Tiecks ro mantischem Manifest, FrtlllZ Sltmb(IIdI It/andemngm (1798) wird an zentraler Stelle geäußert: ",was soll ich mir allen Zweigen und Blättern ? mit dieser genauen Ko pie PI der G räser und Blumen? Nicht diese pnam::en, nicht die Berge will ich abschreiben, sondern mein Gemüt, meine Stimmung, die mich gerade in diesem Mo mente regiert"':lS7 D iese Verschiebung von der achahmung der arur zu der D arstellung der Sub jektivität kann man ebenfalls daran deutlich erkennen, daß ästheti sche Konzepte wie ,das Schö ne' und ,das Erh abene', die zuvor auf GegenItandIwclten bezogen wurden, also etwa auf die schöne N atur oder die erhabene Landschaft, ,sub jektiviert' werden. N icht zuletzt infolge der Beeinflussung durch Kam transpo niert Schiller diese Kategorien bereits t 793 in die Sphäre des Subjekts - dem Schö nen emspricht jetzt die ,Anmut', dem E rhabenen die ,\'\lürde'. "So wie Anmut der Ausdruck einer schönen Seele, so ist \Xlü rde der Ausdruck einer erhabenen Gesinnung. « 458 D er Einfluß von Kams Erkenntnistheorie im Z usammenhang mit der Nachahmung des Sub jekts läßt sich sehr schön in der programmatischen Rahmenerzählung von E. T. A. Hoffmanns ErählzykJus Die SempionI-Briider (erschienen 18 19- 182 1) belegen. Hjer treffen sich vier Freunde, und einer, C)'pri an, berichtet von seiner Begegnung mit einem wahnsinnigen Grafe n, der sich für den Märtyrer Serapio n hält. Als C}'P ri an sich bemüht, Sera pi o n von sein er ,wirklichen' Identität zu überzeugen, wendet dieser ein: Viele haben das auch unglaublich gefunden und gemeint, ich bilde mir nur ein, das vor mir im äußern Le ben wirklich sich ereib,"en zu sehen was sich nur als Geburt meines Geistes, meiner Famasie gesralre. Ich halte dies nun ftir eine der spit:r.findigsten Albernheiten die es geben kann. Ist es nicht der Geist allein, d er das was sich um uns her begibt in Raum und Zeit, zu erfas sen vermag? [... 1Ist es nun also der G eist aUein, der d ie Begebenheit vor uns erfaßt , so hat sich das auch wirklich begeben , was er dafür anerke nnr. ~S9
Zunächst einmal ist auffti.llig, daß auch hier die Sphäre der ,Vorstellungen ' al s unhimergehbar dargestell t wird ; auch hier ahmt Kunst nicht mehr die Na/ur, sondern die Vorstelbmgtn der Subjektivität nach. Diese kantianische \'\lende vollzieht dcr T ext, aber er rcichen sie an durch die Thematisierung der ,Illusion'. Für Sera pio n - einen Beobachter erster O rdnung - ist seine BeobachNEUBA UER, John: T~ E"'(lndpotion oJMlIsftfro", umgllugr. Drporlllrtfrom J\limu/s in Eighlttnlb CtnlNry Aesl!J,hll. Ne\\' Havcn; Yalc ur 1986, S. 6f. ~S1
T IECK, Ludwig; Fronz SI(/7/baUs lWlJnJmmgrn. Hrsg. von Alfrcd Anger. Snmgart: Rcdam 1966, S. 258.
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SCHilLER. Friedrich: Sümllitbt lWrrh. Bd. 1-5.8. Auf}. Dam1Sladt; Wiss. Buchges. 1987. Bd. 5: Erzühbtngrn. ThtortliJ(~ Stbriji(R, S. 470("Übcr Anmut und Würde'<j.
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HOFI'MANN, Ernst Thcodor Amadeus: Die S(ropions.BriiMr. München: Winkler 1963, S. 26 ["Der Einsiedler Scrapion'1, im folgenden im Fließtexl zilien.
tung real (wie für Franziskus das spreche nde Kruz ifix), e rst rur einen Beobachter 7.weitcr O rd nung stellt sich se in Beobachten, seine Halluzinationen und Gespräche mit Abwesenden, als ,ILlusion' dar. Die Frage, wer dabei getäuscht wird, kann tatsächlich rur den Kamianer nur noch beobochlembbiingig beamworte t werden. Serapio n s ,Welt' e rscheim aus Sich t der ,Kunst' insofern als privilegiert, als sie (lfIsscb/iejlich aus seiner Inne rlichkeit, aus se iner Subjektivität strömt, ihm ist "die E rke nntnis der Duplizität geraubt" : " E s gibt eine innere \Velt, und die gei stige Kraft, sie in vo ller K1arheit, in dem vollendeten G lanze de s regesten Lebens zu schauen" , deren Erkenntnis sonst durch die störende " Außenwelt" (54) beeimrächtigt wird. Dadurch, daß Scrapion die Verbindung zur Außenwelt abgesc hnitte n hat, kann er sein Inneres, seine ,Phamasie' vollendet darstellen: Scrapion erzählte jetzt eine No velle, angelegt, durchgeführt, wie sie nur der geistreichste, mit der feurigsten Famasie begabte Dichter anlegen, durchführen kann. AUe G estalten traten mit einer plastischen Ründung, mit einem glühenden Le ben hervor, daß man fortgerissen, bestrickt von magischer Gewalt wie im T raum daran glauben mußte, daß Serapio n alles selbst wirklich von seinem Berge erschaut. (26f.) Dadurch wird er zum .,Schutzpatro n " der versammelten Fre unde, er wird zum Maßs tab de r N (Jchllhfllmrg des Sul!JeklS: Jeder prüfe wo hl , o b er auch wirklich das geschaut, was er zu verkünden unterno mmen [...[. \'\/enigst.ens strebe jeder recht ernstlich danach, das Bild [1[ , das ihm im Innern aufgegangen recht zu erfassen mit allen seinen Gestalten, Farben, Lichtern und Schauen, und dann, wenn er sich recht emzündet davon fühlt, die Darstellung ins äußere Leben [zu] tragen. (55) Zentral ist dabei -
und dies sei noch e inmal fe stge halten - daß die Frage der Fiklionaliläl [111. 4) auch im Kontext der modernen Programmatik der Ähnlic hke it überh(lJ(p/ keine einschränkende Rolle spiell. 460 In der Logik des ,serapio ntisehen Prinzips' ist es vö llig gleic hgültig, daß die Dichtung ein Pro dukt der Ph antasie ist - entsc heidend ist vielmehr, daß diese Dichtung ,wie wirklich' e rscheint. Die virtuelle Welt de r Dichtung hat jetzt zwar eine andere Qualität, sie kann traumhafte Züge habe n , sie kann eine Phantasiewelr sein. A be r gerade Wie schon zuvor angemc[kt (11 . 2/ 3) , muß lUusion und Fikrionalilät voneinandcr unterschieden werden. Das "Wcsen der abbildlichen \Virkung wird" von der Fiktionalität "nicht berührt" (pM, Julius: KIIn!1 Nnd IIINsion. Leipzig: Veit 1914, S. 6). Daß Fikrionalität pcr se nichts mit lUusion zu NO hat bzw. diese nicht einschränken muß, kann man auch zeicheolheorerisch herleiten. Ein Begriff oder ein Bild bedeutet auch dann etwas, wenn er keine Extension auf der ,Gegcnstandsebcnc' bcsir.n GEinhorn j . VgL ScHOLZ, Oliver R.: Bild, DarstdlNng, Ztidltn. PhiloJOpbiJeht Thtoritn biUhoJttr Dars/tI/Jlng. Freiburg/Br., r-,'Iünchen: Alber 199 1,5. 142, 5. 25ff.
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dadurch ist sie jetzt ,wie wirklich'. Denn die Mcthode der Nachahlllung des SlIbj eklI - also der D arsteUung der ,inneren Bilder' der Phantasie - verbürgr die Realität der virtueUen Welt und ist somit ein Mittel der /I/lIJioflsJärdenmg. Diese Verschiebung der tvtimologik in Richtung einer Nachahlllung des Subjekt! erl aubt aber auch die Intcgration des genieästhetischen AutOnomie-Konzepts [VI. 2] in die Programmatik der Ähnlichkeit, indem die ,absolute Subjektivität' des Genies im Schaffe nsprozeß auf sich selbst zurüc kgreift (sich gewissermaßen ,selbst inspirien ' [IV. 3]). D ann ist die subjektive Kunst ,in sich selbst begründet'; Das Ich muß sich, als darstellend, setzen. l... ) Gibt es eine besondre darstellende Kraft - die blos um darzustellen, darstellt - darstellen, um darzustellen ist ein F "!),tJ Darstellen. Es wird damit nur angedeutet, daß nicht das Obilecr] qua solches sondern daJ leb, als Grund der Thiicigkeit, die Thätigkeit bestinunen soll. Dadurch erhält das Kunstwerk einen freyen, selbsmändigen Isicl idealischen Karacter - einen imposanten Geist - denn es ist Jjeh/bo m Produkt eines Ich.>1(,1
Mit dieser diskursiven Konfiguratio n erzielt die romantische Programmatik der Ähnlichkeit eine Innovation, die bis heute gilt. Denn bis in unsere Tage wird ,Kun st' verstanden al s ,DarsteUung' ein es Ich, als ExpressitJi/ij/ des modemen JlIl?jekls (weswegen bis heute in kreativen Beru fen an einen hohen Grad der ,Selbstverwirklichung' geglaubt wird). An diesem Punkt läßt sich aber auch das sprarb/iche Medium ffiitTIologi sch aufbauen. Der histOri sche Hintergrund ist, daß in der aufkommenden Thematisierung der Medialitä t im 18. Jahrh unden vor allem am Text/ Bild-Vergleich durchgespielt wird, ob MaJerei oder Dichtung (oder auch Musik) die ,höchste' Kunst sei. D abei geraten die sprachlichen ,Nachahmungen' der Literatur tendenziell in Beweisnot, da die Ähnlichkeit des Bildes im Sinne einer Nachahlllung der Na/Irr für viele Autoren eine höhere Evidenz besitze Es gibt zwar immer wieder Vorstöße, die sprachliche Nachahmung zu motivieren, einerseits in Richtung O nomatOpöie, aber vor allem seit Breitinger im Rückgriff auf die (aristotelisch gep rägte) Metapher, und auch Utopien einer kratylischen Signi fikation [11. 3] schreiben sich weiter for(. 462 NOVALlS; IIYtrh, Tagtbii(htr ,md Bn4e' Fn·rdrich l'(JIf l-Iord",bt'l,J. H rsg. ,'on Hans-Joaehim Mähl und Riehard Sanme!. ßd. 1-3. r-,'!ünchen, Wien: Hanser 1978. Bd 2, S. 194. Die kratylische Sehnsucht ist eigentlich durchgängig fe stzustellen; so bemüht sich noch Nova\is. die Idee ,natürlicher' Klangfiguren, deren Herstellung Chladni in Entdrclamgtn übt,. die TINori, du Klangt! 1787 vorgestellr hane, rur eine Phonomimetik urbar zu mach en: ,Jedes Wort sollte eine ac ustische Fo nncl seiner Construccion, seiner Aussp rache seyn die Aussprache selbst ist ein höheres, If,iHlisclm Z rieh", einer höheren Aussprache. Alles dies hänh'f an den Geserzen der .IhJoriolion. Die sog[enannte] willkürlichen Zeichen dürften am Ende nicht so willk[ührlichJ seyn , als sie scheinen - sondern dennoch in einem gewisen Realnexus mit dem Bezeichneten stehn. Inscinktartige Sprache - Ausartung des In stinkts - con\'enoo nelle Sprache - diese soll wieder instinktarrige, aber gebildete Sprache
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Auf der anderen Seüe gibt es jedoch gänzlich neuartige Vorstöße hin sichtlich der Frage, wie man sprachliche Kommunikation als ,natüdiche Signifikauon' auffassen kann . Eine Pioniertat zur Profilierung der sprachlichen mimesis ist schon Lessings u lOkocn. Hier wird erstmals in den Blick gebracht, daß bildliche Darstellungen " nur einen einzigen Augenblick" des Geschehen s darstellen können, wohingegen sprachliche D arstel1ungen in der Lage sind, Prozesse in der Zeit (,HancUunge n') nachzuahmen:'63 Durch die Verschiebung der Programmatik der Ähnlichkeit zur NochohmlllJg des Suijekls kann nun eine weitere mimologische Dimension hinzuge fugt werden. Denn gerade die Sprache kann man der menschlichen VorstellungsweIt al s besonders nah oder sogar kongruent auffassen.ol64 Und das wird explizit im Hinblick auf ihr Medill'" herausgestell t. Novalis etwa fonnuliert: " Poesie ist D arstellung des Gemüths - der innern \Velt in ihrer G esamtheit. Sc ho n ihr MediulJI, die Worte, deuten es an , denn sie sind ja die äußre O ffenba rung jenes innern Kraftreichs."465 Bei August Wilhelm Schlegel heißt es: D as M tdillHl der Poesie aber ist eben dasselbe, wodurch der menschliche G eist überhaupt zur Besin nung gelangt, und seine Vorstellungen zu willkürlicher Yerknüp fung und Äußerung in die Gewalt beko mmt: die Sprache. D aher ist sie auch nich t an Gegenstände gebunden, so ndern sie scha fft sich die ihrigen selbst; sie ist die um fa ssendste aller Künste, und gleichsam der in ihnen überall gegenwärtige Univcrsalgeist. oI66
werden." (NOVALlS: (W,rkt, Tngtbikbtr Nnd Brirft Fn't(Jrifh 1!'O n I-Ionltnbtrgs. I-Irsg. vo n '·Ians) o achim Mähl und Richard Samue!. Bd. 1· 3. München , Wien: Hanser 1978. Bel 2, S. 540); ferner träumt Novalis \'on der Wiederkunft einer ideomimetischen Sprache: " Das wird die goldene Zeit ser n, wem} alle Won e - FigNrtnu'O rlt - t-,'Iythen - und alle Figuren Sp rachfiguren _ Hieroglr fen se)'n werd en - wenn man Figuren sprechen und schreiben - und WOrte \'o llko mmen plascisieren, und Musicieren lern!. Ber de K ünste gehö ren zusammen, sind unzertrennlich verbunden und werden zugleich vollendet werden." Ebd., S. 458. Vg.1. neben den Kapiteln zur Neuzeit in GENET I'E, G crard: MimoJogiletn. Rrise narh Kro!Jlirn. Ubers. von M. vo n KiIlisch-Horn. München: Fink 1996 11976J ferner Z IMMERMANN, ) ö rg: "Asthecisehe Erfahrung und die ,Sp rache der N arur.'" In: Sprofm Nnd IPt/I,tjahnlng. H rsg. vonJ. Z. München: Fink 1978, S. 234-256 und G OODSODY, Axcl: N O/Nr-
sprocb,. Ein difh/ungJlmorttiJ(hu K.t;nztpl Jer RDmanfik. Nlld Jtillt WirJtraujnahme ill der modtmrn dtNllfhrll Na/u,ryn'k. (Nol'tJliJ - EitmnJo1f'. 0 h",olln - Eifh). Neumünster. Wachho \tz 1984. Vg!. LESSING, Gon ho ld E phraim: Lookoon odtr Obtrdit Glrnzell Jer Mo/mi Nnd Potn·e. \-I rsg. von Ingrid Kreuzer. Stungart: RecJam 1994, hier $cite 11 5. Vgl. etwa: "Wenn Wö n er nicht bloß Z eichen, so ndern gleichsam die Hüllen sind, in welchen wir die G edanken sehen l!J: so betrachte ich eine ganze Spr:ache, als einen Umfang von sichtbar gewordenen G eda nken"; H ERnER, Johann Gottfried: Siim",,/idJl Wtrke. Bd . 1-3 1. H rsg. vo n Bemhard Suphan. Bedin: Weidmannsehe Buchhandlung 1877 ff. Bd. 2, S. 12 ~ ,Ue ber die neuere deutsche U n er:atur' l Herder enrwirft dann das P roje kt einer "Semio tik" als " Enr-L.ieferung der Menschlichen Seele aus ihrer Spr:ache" (ebd .• S. (3). NOVA LlS:
(W,rkt, Togtbiirhtr Nlld Bn'tft Fri,drifh
11011
Hardrnbttgs. Hrsg. \'on Hans-) oachim
Mäh! und Richard Samue!. Bel. 1-3. München, Wien: Hanser 1978. Bd. 2, S. 810 (meine Hervorhebung). SOU.EGEL, August WilheIm: Kritisdlt 5{hnJitn lind Britft. Bel . • -6. H rsg. von Edgar Lohner. Srungan: Ko hlhammer 1962ff. Bd. 2: Dir KJinJllthrt. S. 225 (meine Hervorhebung).
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Das Medium der Sp rache erhält also eine mimologische Aufwe rrung, weil man annimmt, es sei den ,Gedanken' und ,Phantasien' der Subjektivität, die es abbildet, besonders ähnlich. Man könnte zuspitzend behaupten, daß eine mimesis von ,Gegenständen' tendenzieU die Ähnlichkeit des BiJdes bevorzugt, wo hin gegen die neuartige mimesis des Subjekts plötzlich der Sprache eine völlig neue Bedeutung verleiht. Tatsächlich fmden sich Belege für diese Auffassung, etwa in Novalis' Heinn"ch VOll Oflerdingen: Bc}' dcn Bildcrn ist die Natur die herrlichste Lchrmeisrerin. Sie erzeugt unzäh lige schöne und wunderliche Figuren, giebt die Farben, das Licht und den Schatten, und so kann eine geübte Hand, ein richtiges Auge, und die Kenntniß von der Bereirung und Vennischung der Farben, die Namr auf das vollko mmenste nachahmen. Wie natürlich ist daher auch die Wirkung dieser K ünHc, das Wohlgefallen an ihren Werken, zu begreifen. l...] da unsre Sinne dazu \·on der N atur, die auch jenes hervorbringt, so eingerichtet sind, so muß uns auc h die künsruche N achahmung der N amr ge fallen. Die N atur will selbst einen Genuß von ihrer großen Künstlichkeit haben, und darum hat sie sich in den r.,·lenschen "erwandeh, wo sie nun selbcr sich über ihre Herrlichkeit freU[ [... 1. Dagegen ist "on der Dichtkunst sonst nirgends äußerlich etwas anzutrcffen. [... 1 Es ist alles innerlich, und wie jene K ünstler die äußern Sinne mit angehmen Empfindungen erfüllen, so erfüll t der D ichter das inwendige Heiligthum des Gcmüths mil neuen, wunderbaren und gefalligen Ged anken. Er weiß jene geheimen Kräfte in uns nach Belieben zu erregen, und giebt uns durch \'\Ione eine unbekannte herrliche Welt zu "ernehmen:'67
Ab nun stehen dem Rezipienten also zwei Rezeptionsweisen de r Ähnlic hke it zur Verfügu ng. Er kann - vonnodern und ,naiv' - Texte als Nachahmung der Narur lesen; er kann - modern und ,subjektiv' - Texte als DarsteUunge n von ,Ph antasien' oder ,Vorstellungen' enrziffern. Dadurch aber läßt sich wiederum die G röße des Aulors auratis ieren. Denn aus der nun gewonnenen diskursiven Konfiguration heraus liegt es jetzt nahe, virrueUe \'(Ielten als N ach ahmungen des Autorgeistes zu dechiffrieren. Ein schöner und früher Beleg ist folgend e Charakterisierung des idealen Lesers du.rch Lenz (1774): Werd ich l!] gelesen und d er Kopf ist so krank oder so klein, dass alle meine Pinselzüge unwahrgenonunen vorbeischwimmen, geschweige in ein Gem älde zusammenfließen - Trost! ich wollte nicht gelesen werden. Angeschaut. \\' erd ich aber vorgestellt und verfehlt - so möch t ich Palette und Farben ins Feuer schmeißen l... ]. Aber wie gewinnen könnte ich (saf::,rt der Künstler) 0 welch ein herrlicherer Dank? welch eine seligere Belohnung aUer ;"'fühe, Furcht und leiden [... ] - als meine Ideen lebendig gemacht, realisiert zu sehen. Zu sehen das
NOVALlS: IW,rkt, Tagthürh,r lind Bn"tft Fn"tdn"rh 1'On l-Iardrn,"'l!,J. Hrsg. von Hans-Joachim Mähl und Richard Samucl. Bd. 1-3. München, Wien: Hanser 1978. Bd. I, S. 255f Il-Itilln·rh IlOn Ofttrdingtn, Erster Teil, Die Erwartung, 21.
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Ganze und seine Wirkungen, wie ich gedachte. 4U
Lenz' Beschreibung der literari schen DarsteUung beront die Ahn/ichkeil durch den rypischen Verweis auf die A nschaulichkeit ikonisch· bildlicher Darstellungen. Die ,Pinselzüge' des Texts soUen beim Leser zu einem ,Gemälde zusam· menffießen', und wenn das gelingt, wird eine Unumerscheidbarkeit von Ab· bild und Urbild suggeriert, dann nämlich erscheim einem der Auwrgeist selbst. Die Moderne begreift daher Literatur al s ,Selbstdarstell ung' ihrer Auto· ren [VI. 2]. Das gilt einerseits in einem ,wörtlichen' Sinne und im Rückgriff auf die gerade von Rousseau erfu ndene Ka(egorie der modernen Auwbiogra· phie al s Darstellung der Seele ihres Verfassers: Ich plane ein Umernehmen, das kein Vorbild hat und dessen Ausfü hrung auch niemals einen Nachahmer III find en wird. Ich will vor meinesgleichen einen Menschen in aller \X' ahrheit der N atur zeigen, und dieser Mensch werd ich sein. I...] O ie Posaune des Jüngsten G erichts mag erschallen, wann immer sie will, ich werde VO f den höchsten Richter treten, dies Buch in der I-land, und laut werde ich sprechen: " Hier ist, was ich geschaffen, was ich gedacht, was ich gewesen . Mir gleichem Freimut habe ich das Gute und das Böse gesagt. Vom Bösen habe ich nichts verschwiegen, dem Guten nich ts hinzuge fügt t.. .]. Ich habe mich so gezeigt, wie ich gewesen bin: veräch tlich lind niedrig, wo ich es war, und ebenso edelmütig und groß, wo ich es war: ich habe mein Inneres so enthüllt, wie du selber es geschaut hasl, ewiger G eist."46?
Schlegel erläutert 1800 im Blick auf Ro usseaus Conftssio"s, "daß das Beste in den besten Romanen nichts anders ist als ein mehr oder minder verhülltes Selbstbekenmnis des Verfassers".47o Friedrich Schlegel hat dieses Programm selbst angewendet, als er fast zeitgleich (1799) den Roman vlrinde veröffem· lich t, in dem er bekanntlich seiner Liebesbeziehung zu D oroth ea Vcit ein lite· rarisches Denkmal setzte. Wie ,direkt' oder ,indirekt' autObiographisches Erle· ben in diesen Text einge flochten ist, spielt hier keine Rolle. Fakt ist, daß der L E..~Z, J a kob
l\1..ichacl Rcinhold: If/ rrkt. H rsg. von Friedrich Vo it. Sruttgan: Redam 1992, S. 386 [,.Anmerk ungen übers 1h"!ater'l .IIJ'1
ROUSSEAu, J acques: &ktnnlnÜu . Übers. VOll Ernst 1·lardt. Frankfurt/ M.: Insel 1985, S. 37. Bemerkenswert an dieser Stelle ist auch, daß der abso lule Logos des gönlichen apokalyp tischen Gerichtsbuchs [IV. 2) ersetzt wird durch die sclbslyerfaßte Biographie. Der T ext laulet im Original: ,J e fonne un entreprise qui n'eut jamais d ' excmple CI do nt I'cxec:utio n n 'aura poinl d'imitateur. J e \'eux montfer a mes semblables un homme dans toute la "erilc de la narure; Cl cel ho mme ce sera moi.[ ...] Que 1a lrompctte du jugement dcrnier sonne quand elle voudra, je viendrai, ce livre a la main, me prcsenter devant le souverain juge. J e dirai hautement: Voila ce que j'ai fait, ce que j'ai pcnse, ce gue je fus. J'ai dit le bien el le mal avec la mcme fran chise. J e n'ai rien tu de maivais, rien ajoute de ban [... J. Je me suis montre lel que je fu s; meprisable el vii quand je ,'ai elc, ban, genereux, sublime, quancl je I'ai eIe: i'ai dcvoile mon intcrieur tcl que tu LElre cternel1 l'a5 \'U w i-mcme." D efS.: Lu COnjtJliO,'S. H rsg. "on Acl. Vaan Be"er. PliriS: G amier : 926, S. 9f.
470
SCHLEGEL, Friedrich: Krif/J(heAusgobe. Bcl. 1· 22. r-.-Iünchc n
Cl
al.: Schö ningh 1958ff. Bd. 2:
ClJOfukJrrislikrn und Kn·Ii/un 1, S. 337.
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erotische Text von den meisten Zeitgenossen als ,autObiographisch' gelesen wurde; als ,Skandalro man' ist er möglicherweise der meistgelesene romantische Ro man überhaupt. 471 Aber auch im weiteren Sinne ist Poesie ab jetzt ein ,,(reller Spiegel der MtIIschenseele".412 Und damit begründet die Ro mantik eine Lektüre, die Texte al s ,Spiegel' der Individualität ihrer Urheber begreift. Im berühmten ArhenäumFragment 116, dem ,Manifest der Romantik', erkJärr Friedrich Schlegel zu r ,romantischen Poesie': Sie kann sich so in das Dargestellte verlieren, daß man glauben möchte, poetische Individuen jeder Art zu charakterisieren, sei ihr Eins und Alles; und doch gibt es noch keine Fonn, die so dazu gemacht wäre, den Geist des Autors voll ständig auszudrücken: so daß manche Künstler, die nur auch einen guten Roman schreiben wollten, von ungcfahr sich selbst dargestellt haben. m
Als Fazit bleibt nun, daß die allgemein verbreitete Auffassung einer ,Ü berwindung' det Programmatik der Ähnlichkeit in der Romantik unzureichend ist. Es ist zwar richtig, daß der Begriff der ,Nachahmung' durch die Auffassung vo n der schlechten Kopie in Mißkredit gerät, aber hier darf man nicht auf Parolen hereinfall en ~ Ja keine Nac hahmung der Natur. Die Poesie ist durchau s das Gegenteil") .474 Die Programmatik der Ähnlichkeit wird lediglich mit dem Konzept der Originalität [VI. 2] verkJammerr, und sie voUzieht dabei zugleich die kopernikani sc he \'\fende - die mediale Welt repräsentiert ab jetzt ,Vorstell ungen', die Literatur wird zur Expressil!itäl des schiip flriscben (- naIJlr-iJhnlicbm) S"bjekts. Wie o ben ersichtlich, wird diese Darstellung des Subjekts zumeist explizit aus dem T heorem der Nochobfllu!lg der No/ur transpo niert. I n der Logik der Nochabllllmg des S#bjekls ist die idea.le Rezeptio n dann nicht mehr die lUusion des Gegenstands, sondern die lUusion der aukroriaJen Vorstellungswelt. Was bleibt also bes tehen von der These einer angeblichen ,Ü berwind ung des Nachahmungskonzepts durch die Ro mantik'? Das Ko nzept der Nochoh· /)Jung der Natur wird wenn überhaupt parolenhaft abgelehnt, aber vielmehr sublimiert durch eine Neufassung im Sinne einer Nachah fllung des Subjekls. Parallel dazu bleibt das Ideal einer ,lebendigen Gegenwart" einer illusio nären Macht der virtueUen Wirklichkeit durchgängig erhalten. Die Unterscheidung zwischen der ,guten' und der ,schlechten' Ähnlichkeit
'"
Vgl. den Kommentar in SCHLEGEL, Friedrich: KriliJ(he AIIJgabe. Bd. 1-22. München el al.: Schöningh 1958ff. Bd. 5: Dichlllngen, S. LV .
m
SCHLEGEl.. Friedrich: KriliJrm ANJgabt. Bd. 1-22. München CI al.: Schöningh 1958ff. Bd. 2: Chara!eJmilihn Nnd Kriliken I, S. 356 (meine Hervorhcbung).
m
SCHI...EGEI.. Fricdrich: KriIiJdH AlI1gabe. Bd. 1-22. München er al.: Schöningh 1958ff. ßd. 2: CharaleJenJliktn Nnd Kn"liken J, S. 182. NOVALlS: Wtrh, Tagtbiühtr Nnd Bn·ife Fn·edn(h nJn Hanknbetg1. Hcsg. von Hans·Joachim Mäh! und Richard Samucl. Bd. 1-3. München, Wien: Hanser 1978. Bd 1, S. 737 [Brief an Bruder Karl, Ende März 1800].
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bleibt bestehen und wird im 19. Jahrhundert infolge der wachsenden Kluft zwischen ,hoher Literatur' und der ,Trivialliteratur' sowie ,mechanischer Reproduktionsrechnologien' zunehmend in strumentalisiert - zur Hierarchisierung von Rezep tionsweisen. Aus dieser Logik ergibr sich cüe Spirale einer Dialektik der ,naiven' Lektüre der Ähnlichkeit und einer sich davon absetzenden ,ästhe tischen' Lektüre intellektueller Eliten. "Schon das im 19. Jahrhundert zu datierende Aufblühen der Trivialliteratur, des Kitsches oder der zum al sbaldigen Konsum bestimmten Künste l... J ist eine gegenläufige Erscheinung zum L'Arl pOllr l'A rf'.475 Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts kö nnen sich ,triviale, unreflektierte' Rezep tionswcisen, die ,bloß' in der Aktualisierung der dargestellten \X1elt stek kenbleiben, die also nicht zum Phantasma der autori sierten Dichtervorstellung oder anderen präferierten Rcferenzen476 fü hren, den Vorwurf der Naivität einhandeln . Das gilt bis in die heutige Zeit. Bei Kris/ Kurz heißt es dementsprechend zur bildenden Kunst, der Standpunkt der Natur-Ähnlichkeit sei "ein durchaus naiver; man hat ihn darum auch als den Standpunkt der Laienoder Eindnlcksäs/he/ik bezeichnet: Sie rechnet es dem Künscler zum Lob an , daß er das Vorbild der Natur in seinem Werke getreu nachschafft." m In einem anderen T ext wird eine vollständige lUusion im Schauspiel als ",primitive' Verhaltensweise" von Ungebildeten und Kindern beschrieben. 478 Bei Gueeti heißt es, " realistic fictio n is [...]. at least by design, no naesthetic".479 Hagscrum muß sein Interesse für die mimetischen Aspekte von Literatur und Kunst geradezu rechtfertigen und bekennt entschuldigend: "art l... [ must necessarily be lIlore than the mere reduplicatio n of perceptible o bjecrs".48J Auch die Rezeptionstheorie schreibt diese Unterscheidung fo rt. Die Le ktüre de r IlJusio n sei " am reinsten und uneingeschränktesren l...J in der Rezeptio n des Kindes" ausgeprägt, welches die " Imaginatio n" noch in völlige r " Rückhaltlosigkeit" erfahre. Die entsprec hende Textgattung ist die " Ko nsumliteratur, die übe rhaup t nur {tl als Auss toß ftir die E rzeugung ill usionärer \Virklich-
m
J AUß, H ans Roben: A s/lJthidJt E11lhung und httrtuisrlJt I-Itr11IMtutiJe. 4. Aufl Frankfurt / M.: Suhrkamp 1984, S. 126. Im übrigen wird die Modem e diese Spirale der ,überwindung' naiver LeklÜren in IX«JJU fonschrauben. Am Ende des 20. Jahrhunden s erscheinen d ann die Leser des Aurorgeistes als naiv, denn sie erkennen nicht das ,formale System des Kunstwerks' oder die ,i\-laterialitäl des Textes', und so weiter (111. 6 / 8) . KRIS, Ernst und Duo KURZ: Die Ltgrndt /'Om KiinJ/ltr. Ein gtJchirhtli{hrr Vmu{h. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1995, S. 89.
". 479
KRIS, Ernst: Die ii;/hth·srht //hiJion. Phiinomtnt dir Ntn!1in dir Sirhl dir P!J(hoano!JJt. Übers. \'on PCler Schütze. Frankfun / i\L Suhrkamp 1977, S. 42. G UErI1 , J ames: lP'oro·MJlnc. Tht Au/mh·{ AJfN(t of Narrative Fiction. New ß runswick/ N. J .: Rurgers UP 1980, S. 173f. H AGSIlWM, Jean H.: Tht SiJllr Ar/!. The Tradition ofU ttrll'J Pirlorio"·sm (lnd E ng/iJh POitryJrom D'J'dtn /0 Gr~. Chicago: University of Chicago Press 1958, S. 16 (meine Hervorhebung).
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keif d urch den Rezipienten eine Funk tion har."481 D ementsprechend wird das "Lesen" von "Trivialro manen" al s "aktive Leseverweigerung" bezeichnet, weil es sich "jeder hö heren l!l Fo nn der Rezeptio n" verschließt.482 \'V'ie sieht diese ,naive Le ktüre' nun aus? Diese Frage kann eine klass ische Studie beantwo rten, die zu eine r Zeit entstan d, al s der Ro m an im Hinblick auf seine \'V'irkung noch mit dem Kino ko nkurrieren kann; die Rede ist von Leavis' Fidion ond Ihe Rt(,ding Pllblic (1932). Leavis urteilt in dieser Zeit noc h über das Medium des Ro mans: "A n ilJusion o f life so vivid that o ne can be persuaded o f its reality is given by fiction alone".43J Lcavis hat nun für ihre Studie eine Um frage unter po pulären Autoren ihrer Zeit durchgeführt und sie befragt, wo rauf sie ihren E rfolg zurückfti hren. Die überwältigende Mehrheit der Antworten erklärt den E rfolg durch die Mac ht der Illusio n, die befragte n Autoren zitieren Fanpost: YOli have the power
I... ] o f making
rOUf charaClers lit't. T he)' become one's
frie nd, . 1/ /1 All the pcop le who live in the p ages of your work are so intensely real. Ooe knows them as fricnds. 1/ / ] Your c haractcrs are so human that the)' live with me as frie nds. I... ] T hc)' are alJ " al men. with real men's rcmp tations l.. .J.48-1
Ein Autor an twortet: " M y chief (/Nd nll-tlbsorbil1g cancern is fo r the charac rers: to stechern vividly, to fteh hem fro m man)' points of view".485 Die ,naive Lektüre' wird hier exakt analog zu den bislang erarbei teten Ergebnissen beschrieben: Ih re fa szinierende Wirk ung liegt in de r Wi rklichkei tsillusion der virruellen Welt begründet. D iese ,naive LektÜre' ist nun - in wei cher f orm auch immer - Bes tandteil einer jeden Rezeptionshandlung. Sel bst die im G ravita do nsfeld der Ästhetik argumentierend e Rezepd o nsrn co ri e schließt die ,naive Lektüre' nichr aus. Die ,naive Le ktüre' ist hier - analog zu dem Srufenmodell det Äs thetik, das o ben etwa am Beispiel von G oeth e besprochen wurde - gewissennaßen das Fundament, der erste Schritt. Bereits bei Ingarden ist die Stufe der ,Illusion' mithin eine Vorstufe der ästhecischcn Lektüre: "D enn im Literarischen Kuns rwerk sollen nicht bloß bestimmte D in ge und Menschen mit sprachlichen Mitteln intentio nal entworfen werde n, sondern sie sollen sich in entsprechend gewählten Ansichten dem Leser ifi-
STIERI.E, K2rlheinz: "Was heißt Rezeption
bei fiktionalen Texten?" In: P()(ti(a 7 (I97S),
S. 345-387, hier S. 358f. Ebd., S. 360.
LEi\. " IS, Q uccnie Dorothy: Fi(tion and Ibl Rrading Publir. London: ßellew 1990 [19321, S. 51.
Ebd., S. 58. Ebd., S. 59.
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gen."w, Und auch bei Stierle darf immerhin in der ,ersten Lektüre< Illusio n herrschen.487 Wie man sich ,hö here' Srufen der Lektüre vorzustellen hat, wird alsbald deutlich werden [III. 1/2/6).
8. Fazit und Ausblick: Virtuelle Realitäten (P/aySlalioll) Die Programmatik der Ähnlich keit fundiert sich seit ihrer Grundlegung in der griechischen Antike auf der Annahme, daß Zeichen solange Ähnlichkeiten mit ihrem G egenstand akkumulieren, bis die mediale Repräsentation eine ,täuschend echte Wirklichkeirsillusion' er-.leugt. Auf diese Weise erzeugen virtuelle Welten dann das Phantasma, im Vollzug vo n Ko mmunikation durch das Mittel der Ahnlkbkeil die ,Überwindung< und ,Ü berschreitung' der Kommunikation herzustellen. Die Ähnlichkeit ist der ebenso kontinuierliche wie vergebliche Versuch der Kommunikatio n, ihrem ,Gegenstand' so nahe zu ko mmen, daß sie sich dabei selbst auslöscht [lI . 1] . Ähnlichkeit kann dabei nicht durch den Rekurs auf eine außerkommunikative \'Virklichkei t fundiert werden, sondern ist eine G röße, die ausschließlich sysremjmmanen r konditioniert wird. So gesehen ist Ähnlichkeit eine historisch beobachtbare Größe, es gibt zeitlich varüerendc ,Stile der Realismen' [II. 2]. Bereits in der Antike ist die Programmatik der Ähnlichkeit gekoppelt an emphatische Kommunik ation wie etwa Theater und bildende Kunst. Plawn und Ari stOteJes enrwickeln den theoretischen Rahmen kraft Ähnlichkeit erzeugter ,virtueller Wirklichkeiten', der bis heute G elrung besi tzt [lI. 3). Im ~1i[telalter wird die Programmatik der Ähnlichkeit vo r al lem eingesetzt, um die Universalien des christlichen ordo transparent zu machen [11. 4] . Daneben gibt es etwa in der höfischen Literatur Ansätze, die Simulation auch im profanen Bereich zu etablieren [II. 51 . Die Kunst als emphatische Ko mmunikation der Moderne dockt in der Renaissance fest an die antike Mimologik, vor aUem an die aristotelische Maxime der N(lCbahllJllng der N atur, an, gerät jedoch besonders im 18. Jahrhunderr in Ko nHikr mit der entstehenden Ideologie der Originalität [VI. 2). Dies führt einerseits zur Unterscheidung zwischen einer ,ideali schen' Nachahmung und der schlechten Kopie [11.6]. Andererseits wird die Maxime der N achahmung der Na tur im Ko ntext der transzendentalphilosophischen Wende in die Sphäre der Welt als Vorstellung tran spo niert. D eshalb wird moderne Kunst zuneh0186
LNGARDE..~, Roman:
Vom Erkrnnrn du lilmm jrhtn J01nJIu-'trle.s. Tübingen: Niemcyer 1968,
S. 57. -187
D arauf hat jedoch die "zweite Le ktüre" der " D urcharbcirung" zu folgen; "gI. STIERLE, Karlheinz: ,,\Vas heißt Rezeption bei fiktionalen Texten?" In: POthm 7 (1975), S. 345-387, hier S. 367f.
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mend zur Nachahmung des Sub jekts und seiner Innerlichkeit [11. 7] . Generell gilt für die emphatische Kommunikation der Moderne, daß neue Technologien der Herstellung von Ähnlichkeit oder aber die PopuJarisierung emphatischer Kommunikatio nen zu einer zunehmenden Abse tzungsbcwcgung einer avantgardistisch verstandenen Kunst [111. 6] von einer ,naiven' Lektüre der Ähnlichkeit ftihren. Dies schränkt die Relevanz emphatischer Lek ruren der Ähnlichkeit jedoch keinesfaU s ein. Ganz im Gegenteil ist die transparente ,Lektüre der Ähnlichkeit' in der heutigen Zeit die absolut dominierende Rezeprionsweise. Denn wie in jeder Zeit bedient sich die emphatisc he lektüre virtueUer Welten stets des "vorläufigen Gipfels der IIlusionstechnologien"4S8 - und das sind heute Kino, Fernseh en und Compute rspiele. Na rürlich sind gerade di ese Medien Z ielscheibe d er Kulturkritik. In A nbetracht des " triumphalen Vonnarschs elektronisc her Kommunika tion s- und Infonnationsverarbeirungstechno logien"489 läßt sich diese Sicht jed och nur noch für immer kleinere Rezipie n tenkreise wirklic h a ufrechterhalten [[1[ . B} . D em e ntsprechend hat sich bereits in den sechziger Jahre n ein W ide rstand gegen de n elitä r-ästhetische n Vorwurf der Naivität fonni ert. Fasz inierend ist d abei, daß sich die Wertung verkehrt, die z ugrundeliegende T op ik selbst dabei nicht angetastet, ja nicht eirunal wahrgenommen wird - die virtuelle ,Oberfläc hlichkeit' ist dann ebe n ,gut'. E in Beispiel: Susan Sontag preist das Fernse he n als ein Medium, d as gerade nicht interpretiert werden soll, als Medium der "Transpare nz", sie favo ri siert Kunstwe rke, " de te n Obernäche so geschlossen und klar, deren Impul s so stark und de re n Sprac he so dire kt ist, daß das We rk · k ann ... nun, ganz em · facl 1 se ·m k ann , was es 1St. · ..490 sem Ähnlich verh ält es sic h, wenn Marsha U McLuhan in Undtrs/anding i\lltdia (1964) d as Fe rnsehen geradez u als E rlösung b egreift , an ihm seine mime tische Fähigkeit zur Syn ästhesie, als "unified sense and imaginative life", herauss tell t und gerade die Immanenz dieses Mediums anpteist: Thc >,oung pcople who havc cxpericnccd a dccade of TV have naturally imbidcd an urge toward involvemcnr in depth mat makes all the remote visualizcd goals of usual culture seem not onl}' unreal but irrelevant, and not o nl}' irrelevant but ancmic. It is thc total mvolvcmcnt in all-inclusivc 1I0WIIUS that occurs in }'oung livcs via TV's mosaic imagc. 4?1
RO·I-LER, F1o rian: "Ästhetische Herausford erungen von Cyberspace." In: RAIIIII lind Vtrfah· "n. !-Irsg. von Jörg Huber wld Alois Mactin r.,'lüller. Basel, Frankfurt / M.: Slrocmfcld, Roter Stern 1993 (::: Interventionen 2). $. 29-42; hier $. 31. BIRKERTS, $ven: Die GNltn/xrg EI«;rn. Lm n im dtkJmn;J(hrn Zti/(llle,.. ü bers. von K un Ncff. Frankfurt/ M.: Fischer 1997, $. 9. ~90
$ONTAG, Susan: ".Against Interpretation." In: S. S.: KunJI lind Anti/eNnJI. 24 hitrariJ(ht Ana!prn. Rcinbck: Rowohlt 1968, S. 9-18, hier S. 16.
'"
Mc LUI·IAN, MarshaU: Undmla1ld;nl!. Media. The E-.:"ltnJ101lJ Rouuedge 200 1 [1964] , S. 366, zuvor $. 344.
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0/ Man.
London, New Yo rk:
A n der Beschreibung dieser ,o be rflächliche n Immanenz' der an unseren A u ~ gen vorbeiffimm emden virtueUen \'(Ielt, ihrer ,Gegenwärtigkeit' und , Konkrer~ heit' hat sich b is he ute wenig geändert: Die Inhalte werden als flüchtig empfunden (... 1. Das Tempo ist rapide, ein S tak~ kato von In fonnationsschübcn, die Grundbeweb'Ung mehr ein horizontales Assozüercn als ein vertikales Kumulieren I.. ,}, Hinzu kommt, daß visueUe wie nichtvisucUe elektronische Komm unikationstechnologien im Benutzer auf ei~ nen verstärkten G egenwartsbezug des Bewußtseins hinwirken, das sich in folgc~ dessen im ständigen fl uß befindet. m Man mag diesen Medic nwcchsel b edauern ode r anpreisen , an seine r Faktizität ist nich t zu rütteln. Rainald Goe tz kommentiert d as in seine m T ext Ratle, und zwar in eine m Kapitel, das e r "Ästhetisch e Theorie« ne nnt: D ie Konstruktion von Gesicht: das sich Zeigen. Wie das alles funktioniert. Was für eine Erkenntnismaschine da dauernd läuft, was flir ein wirklich unglaubliches r-.knschen-Zeigeding das Fernsehen ist. Fertig. Ganz kurL Abschied, Wiedersehen, dankeschö n. I...J Sprache: 00. Yes: ein ko nkretes Lcbeo. 4'H Der Traum, den die Programmatik de r Äh nlichkeit von Zeuxis (II . 1] bis z um C)'berspace der P/t!yS/tlf;on e rzeugt (.täu schen d echtlj, ist jedoch stets dersel be. Und wie zu jede r Zeit glauben auch wir, daß unsere überlegenen, digital e rze ugten ,virtuellen \'(Ie!ten,494 baJd die Gren ze zwischen Medium und Wirklichkeit einbreche n lassen: "In der dritten Welt de r Zivilisatio nen wird l...J der Urkonilikr von l...J Wirklichkeit und Phantasie aufgehoben."m In dem Press- Release Text für das P/qyStol;on-S piei GelO1vtfY (Mark teinführung Weihnachten 2002) heißt es: Eine atemberaubend realistische Erfahrung, die neue Maßstäbe in der Unterhaltung setzt und die die G renzen zwischen Film und Spiel verschwimmen lässt - Tht Gtlau''!Y™ (Alters freigabe ab 16) ist wahrhch die nächste Generation. 1... 1 Der Schauplatz von Tbt Gelllu-'tryTM ist vieUeicht die größte, lebendige Umwelt, die je in einem Videospiel zu sehen war: Über 50 QuadratkilOmeler im BI RKERTS, $ven: Dir Gutenbt'!, Blrgien. L.mn im tldetroniJthen Zeitalter. Obers. von Kun Neff. rra nk fun / ~l : r ischer 1997, S. 166
m
GOErl., Rainald:
,.
VgJ. auch RHf-INGOI..D, Howard: Virluelle 1J7t1ttn. Rlistn im Cybtnpacr. Reinbck: Rowohlr
Rat'!'.
ErziiMmg. Frankfun: Suhrkamp 2001, S. 264.
1992. BREDEKAMP, H orst: "Cyberspace, em Geisrerreich. Freiheit fürs Internet. Eine Achter-
bahn durch die Reste der zerfallenden Utopien." In: Frankfurler Allgemtine Ztitung von Sam stag, 3. Februar 1996, Beilage " Bilder und Zeiten".
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Hcrzcn Londons wurdcn mit Hilfc von 50.000 digitalen Fo tografi en in atcmberaubender, fotOrcalistischer Dctailtreuc akribisch nachgebildet. Der Spieler kann über 60 lizenzienc und defomUcrbare Fahr.lcugc durch die Metropolc stcucrn - mit allen wichtigen Hauptverkchrsstraßen und Seitengassen, ,·om Hrdc Park bis zum Towcr von London.496
Das Ko nzepr der Plqy5tt11i011 beruht also ganz wesen dich auf dem Prin zip der Ill usion. die Vermarktung des Produkts fokussiert sich stark auf die ,Fasz ination der Täuschung'. Das belebrt die ungebrochene Faszination der ProgmmlfltJtik der Almlichkeit. die emphatische LcklÜren unserer Zeit geradezu dominien , was auch durch den Erfolg des Produkts belegt wird. Nach Info rmationen des Herstellers Son)' ist die CD -ROM-gesrutzte Hardware PI'!YSffltionl mit knapp fUnf Millionen verkauften Einheiten in Deutschland die erfolgreichste Videospielkonsole aUer Zeüen . ["lehr als 1500 Spielewclten wurden bisher für PI'!)5ta/io,, 1 aUein in Deutschl and verö ffen dicht. Das neue Computer Emerrain mem Sys tem PIt~)'S/(l1;0,,2 wurde am 24. 11. 2000 lanciert und hat sich bis Ende August 2002 1 Mill.ion mal ve rkauft. Für PI'!JSftlfiOlt2 sind bislang 280 Software-Titel auf dem deutsc hen Markt erhältlich. Der Traum von der virruelJcn \X'elt. das " Phamasma der hundertprozentige n Nachahmung des Realen"m wird demgemäß seit knapp 2500 Jahren von der Programmaük der Ähnlichkeit erzeugt, und es gibt bislang weder Indizien dafUr, daß er sich jemals erfü llen könnte, noch Anzeichen, daß cr einmal ausgeträumt sein könnte . Tatsächlich hat die Kontinuität de r mimolowschen Bewebrtillg etwas Beklemmendes. Denn der Fl uchtpunkt des Beweises, der immer wieder angetreten wird - die Identität von Welr und Medium, die Verschmel zung von \'\firkLichkeit und Kommunikatio n - verweist auf ein Projekt, dessen Gelingen die Ernüchterung gleich miterzeugt ...Auf Verwechslung des SYlIJbols mit dem Symboli sinen - auf ihre Idemisierung - auf den Glauben an wahrhafte, voll stländige] Repraesentation - und Relation des Bildes und des Originals - 1... 1auf der Folgerung von äußerer Aehnlichkeil - 1... 1 beruht der ganze Aberglaube und Irnhum aller Zeiten, und Vö lker und Indi viduen.,,~98 Selbst wenn eine virruelle Weh einmal ununterscheidbar wird von der richtigen \X'elr, dann haben wir eben noch eine Welt - so JIJ!Jal? Dagegen weiß jedoch sogar der ,naivste' Rezipient, wann er es mit eine r künstlichen Realität zu tun hat: .. If you're ever confused abour which reaHr)' you're in , )'ou put )'our hand on your eyes and see if you're wearing Eye-pho-
Der Texi wurde mir freundlicherweise von d er Finna Fink & Fuchs Public Relations AG in Wiesbaden zur Vcrfiigung gesleUI. ßAUDRIIJ.ARD, Jean: Dit j a/alrn S/m/t§"rn. i1.1i! einem Anhang \'on Oswald Wiener. ü bers. von Ulrike ß ockskopf und Ronald Vo ullic. M ünchen: Ma!rhcs & Scitz t 991, S. 70. NOVALlS: lVt,.. u, TagtbH(!Ju Nd Briife Fnrdrith t'(}n Hamenbt'l,s. H rsg. von Hans-J oachim Mihl und Richard Samucl. ßd. 1-3. München , Wien: Hanser 1978. Bd. 2, S. 637.
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nes o r no t".4?9 Bereits Eusebius von Caesarea hatte in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts festgestellt: ..Scho n den Heiden ist klar, daß leblose Statuen keine Götte r sind" .soo
Abb. 17: Vinuelle Realität im Cybmpaa.
RUCKER. Rudy. R. U. SIRJ US und Q UEI!N Mu: Mondo 2000. A Um', euide 10 lbe
soo
j\ ,ftW EtW'
Ne\\' York: Thames :md Hudson 1992, S. 264. Die SfCUC iSI aus dem griechischen Texi Vo,bmilllng du ElY./ngrlillmr, zicien bei LUCK, Gcorg: Magie lI"d a"dm Gthtimlth"" in tkr A"IiJu. Stungan: Kröner 1990 S. 159.
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ITI. Geheimnis: Der Reiz des Mysteriösen
Uns fesselt keineswegs nur das Ah nliehe, und je mehr J-licrogl}rphe, dcs(Q beharrlicher das Dculcnwollcn. 1 Das große Geheimnis ist aUen offenban, und bleibt ewig unergründlich.2
1. Der Mythos des Geheimnisses: Von Schleiern und Schwellen (ExodJ/S) Die Programmatik der Ahl1lirhkeil erzeugt die Faszination einer virtueJJcn \'\felt. Ein typischer Expo nent der heutigen Mcdiologie ist das Pcrnschcn. Seine bewegten Bilder simulieren die Gegenstandsweh und lassen Rezipienten in den Z ustand der /l/lIsio1l verfall en: Sie ve.rgessen für Augenblicke, daß sie es nur mil Bild-Zeichen zu tun haben. Die Suggestionskraft der Bilder ist so stark , daß man die Z uschauer bisweilen beinahe erinnern muß: "Es ist doch nur ein Film." Genau diese \Virkungsmacht der Bilder wird dann auch o ft von der Kul TUrkritik als Gefahr dargesrelJr. So ist die cliesbezügliche Ablehnung des Fern sehens ein regelrechtes Stereotyp : Die Bild-Zeichen der Filme seien nur oberflächlich, sie lull ten den Rezipienten bloß ein. D ie Rezeptio nsweise der ill usio n wird dann auch diskriminiert: T )'pischerweise sind es (wie scho n bei Pl atOn) clie Kinder oder die Dummen, die auf die o berflächliche Bilderwclt hereinfaUen. Selbstverständlich handel! es sich bei solchen Parolen um Re flexe einer ästhetisch-elitaristi schen Auffassung. Sie eignen sich jedoch perfek t, um das Gegenstück zur Rezeptionsweise der Ahnlichkei t herauszuarbeitell. D elln neben der Suggescionskraft virrueUer \'(lelren wird ein ganz anderer FaszinaI KOMMEI! EI I , ~bx: Gtist lind Bllrhslabe in dtr Oirhtllng. CfHtbt, SrlJilltr, Kitist, I-Mkitr/in. Frankfun / M.: Klostcnnann 1956, S. 13f. Z NOVi\L1S: Htinn'rh von OjitrrJin!!n. Ein Roman. H rsg. von Wolfgang Frühwald. Snmgarl: Reclam 1965, S. 149.
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tionsryp sichrbar. Im Gegensatz zum ,flachen' und ,oberflächlichen' Genuß von Bildern profilien sich eine Rezeption sweise, die in die Tiife des Texts eindringt. Sie ist nicht nach dem Medienkonsum abgeschlossen , sondern aufgrund der Untrgnindlirhktit des T ex ts eine Jlllendliche AJlfgabe. Sie vollzieht sich nicht in der fraglosen Transparenz bildLicher \Vel ten, sondern Liegt immer ein wenig im Dunkel, im Nebel, erweist sich als schwierig. Die Rede ist von der Lektüre des GebeilJJnisses, dem Komplement zur Lektüre der Ähnlichkeit. Weil Ahnlichkei/ und Gebeilllflis als Faszinatio n srypen o ft in Konkurrenz zueinander stehen, ist die gegen seitige Kritik vorprogrammiert - kein Wunder also, daß der Literat die ,naive' Illusion der virtuellen Wehen ablehnt. Auch in gan z anderen diskursiven Umfeldern tauchen ganz ähnliche Abgren zungen auf. Schreiten wir auf der Zeitachse um etwa 1600 Jahre zurück, find et sich folgende Passage in Auguscinus' Dt dot/rina Chris!itlfltl (397 / 426): da diese [die Heiden] ja von Menschenhand gemachte Bilder für wirkliche GÖtter hiehen, so wurden sie (dem Heiligen Geiste) nicht so nahes rehend befunden. [... 1 Das gebe ich allerdings zu, daß noch tie fer diejenigen l\'lenschen gesunken sind, welche Werke aus Menschenhand ftir Göner hahen [die Heiden] , als diejenigen, die wcnigstcns Wcrke aus Goueshand ftir solche haltcn [die Juden) . [... ] Umcr cinem Zeichen dient nämlich derjenige, dcr irgcndeiner etwas bezeichnenden Sache diem oder sie verehrt, ohne zu wissen, was sie cigentlich bezeichner. (... 1es [verrät) aber kn«htische Schwäche [... ), (... 1 die Zeichen furdie durch sie bezeichneten Dinge zu nehmen' W ieder einmal wird eine Lektüre der Illusio n als ,naiv' gebrandmarkt, wird eine ,hohe< Form der Rezeptio n von ,nied eren' Stufen unterschieden. Wer aus Sicht der Kulturkritik de,r T exrob ernäche verhaftet bleibe, e.rscheine bei Augustinus ganz ähnlich als ,Knecht' de.r Zeichen (gegenüber demjenigen, der den T ex i ,meisten'): Die ,Dummen' halten auch hier die ,Bilder' ftir die \Virklichke,ir selbst. Und eben so wie der Ästhet eine ,unerschöpfliche Tiefe' hinter der Obernächlichkeit d es T extes aufspannt, welche die ,Kinder' und ,Dummen< nicht erfa ssen, sind es hier die ,H eiden' und J uden', die nicht erkennen , was sich ,eigentlich' hinter dem T ext verbirgt. Der Vorwurf der ,Naivität' an die ,Diener' einer ,obern ächlichen ' Lektüre ist ein T o tschlagargumem - das erifft im wörtlichen Sinne im Falle eines Tex[es zu, dessen \VurzeJn noch einmal um weitere 1000 bis 1500 Jahre älter 4 sind ) AUGUSTINUS, Aurelius: AIIsgtlnihllt Sdmfttn. Bd. 1- 10. München: Kösel & Pustet 19 11 ff. (= ßiblio thek der Kirchen\':.itu). Bd. 8: Aillgtuiih/It prolehSfht Sfhnfttn homilttisfhtn lind hll«htti-
stIlln Inha/Is. S. 119-121 IDt dotlrina Christiana IH, 7-91. ~ Die Überlieferung des
E:.;odlls. ilie zunächst auf Moses' AUlorsehaft zurUekgefUhrt worden war. liegt weitgehend im D unkel und ist seit J ahrhunden en ..Gegensta nd der r orschung. D er Aufenthalt (zwnindcst eines T eils) des jüilischen Volkes in Agypten J:.ißt sich näherungsweise bestimmen durch die Angabe in Exodus I, 11 , nach der die lsf2eliten beim Bau der Städte ,PilOm' und ,Ramses' beteiligt Wllren; diese Städte werden mit RamsC5 rI . (1290-1224 v. e hr.) in BeziehWlg gesetzt ("gi. RENOTORFF, Rolf: Dal Abt Tt.Jlamtnl. Eine Einfohnmg. 3., durchges.
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als Augusrinus' Oe d()(lrina Chrisliana. Im bib~ schen Exodllr ruft Moses zu einer Massentötung auf: "Gucrte ein jglicher sein Schwc n auff seine Lenden / vnd durchgehet hin vnd wider / von einem thor zum andern im Lager / Vnd erwuerge ein jglicher seinen Bruder / Freund vnd Nehesten." D er mosaischen Aufforderung zum Totschlag leisten die Leviten sogleich Folge: " Die kinder Lcvi theten wie jnen Mose gesagt hatte / Vnd fiel des tages vom volc k drey rausent Man. ,,6 Was hanen die 3000 Israeliten verschuldet, die hier auf Geheiß des Moses erschlagen werden? Jahwc harre am Sinai die zehn GebOte erlassen; und Teil des Dekalogs ist bekanntlich das Bildemerbol. 7 Das wird im Altargesetz noch einmal im Hinblick auf ,andere Görrer' spezifizierr, Jahwe legt fest: "darumb solt jr nichts neben mir machen / silber und bTUeldene Goe rter solt jr nicht machen."s Schon in den Gesetzen wird also der Aspekt der AlISsclJliejlichktil
Aufl. Neukirchen: Ncukirchencr 1988, S. 12). Der Auszug aus Ägypten wird somit etwa zwischen 1290 und 1250 angeset'"l.t (vgl. ROBERT. Andre und Andre FEUII.LET (]-Ing.): Einltilling in die /-Itiligt Srhriji. Bd. 1-2. Wien, Freiburg, Basel: I-Ierder 1963. Bd. 1: Allgtm,in, EinltillingIjragtn lind Altu Ttslomm/, S. 223; andere Ko mmentare setzen den Auszug maximal SO Jahre später an). Vgl. ferner zu dem Aufenthah semitischer Gruppen in Ägypten während des zweiten Jahnausends SCHMIDT. Werner H.: E.. . wllIl, Sinui lind MoSt. Ennigllngm i!' E."\:" , ., 9 lind 24. Dannstadt: Wis5. Buchges. 1983. S. 24ff. Die Geschichte des Auszugs ist o ffenb.tr zunächst durch mündliche ü berlieferungen tradien wo rden. Die heute vorliegende Rcdakuo n des E.WJdNI besteht 2US einem /\ malgam verschiedener Slringe. die sich weilgehend :auch rekonstruieren lassen. So wird ein Johllill vom Elohisltn unterschieden; eine dritte Schicht ist die sogenannte l'n"esltr/rhrifl. Der iahwisrische Strang iSI um 950, dic clohistische Sd llcht ungefahr um 800. die Priesrcnchrift ist um 550 cntsundcn (die beste Übersicht bicten ScHMIDT. Werner H.: Einfobnmg in dal Alle Teslanltnl. 5., er\\'. Aun. Bcrlin. New Yo rk: de G ruyter 1995. S. 40-62. bcs. S. 47 und ZENGEN., Erich CI al.: I::.inltitlll&in tim All' TultlNltnl. 3.. neu bearb. Aufl Sruttgart: Ko hlhanuner 1998, S. 87-124: vgl. auch IBEN., Gerhard und Hetmann TIM.M (1·lrsg.): 001 Blirh fltr Biirlxr. Alltl Tu/amml. Einfohnm,gen, T,XI" N:Jmmtnlarr. München: Pipc.r 1980. S. 22f.). Diese Zeitangaben sind ZW2r mittlervrcile weitgehend ak.zep. tiert, aber dennoch spckulark Eine spätere Entstehung ,soga.r n ach 722' ist nach Kaiser nicht auszuschließen (,-gi. KAISER. Dtto: EinldlJtng ,-" dal Allt Tellom,nl. Eint Einfohnmg i" ihrt E'1!bnillt lind Problem,. 5.. grundlegend neubcarbcilete Aufl. Gütenloh: f','lohn 2000. S. 1(6). Die Endredaktion des T extes wird zur Zeit E sr.ls mngcfunden haben (um 400 " . Chr.): hiernach dürften allcnf2Us marginale Nachträge vorgeno mmen worden sein (vgl. SCHARIJERT, Josef: E.w)dul. Würl.burg: Echter 1989 (= Die Neue Echter Bibel. Kommentar zum Ahcn ~esta me nt mit der Einheitsübcrselzung. üefenll\g 24). S. 7). Vgl. ferner FOHREN.. G eorg: Obtrlüjtnmg lind Gesfhirhlt du E.. .WIlS. Berlin: Töpclmann 1964. !
Eincn hervorragenden ü berblick über den Stand der Forschung hinsichtlich zentraler Fragestellungen bietet VERVE..'mE, Marc: "Cunenl T endencies and De, ·clopmcnls in the Srnd~' of the Book of Exodus." In: S/JtJiu 1-" IIx BooA: of E.. .WIlI. Rtdor60n, lVrrp60n, Inlttprrlo60". H ng. von M. V. uuven: LUI> 1996, S. 21 -60.
, Bibliu Gmnoniro. übers. ,'o n Martin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 15-45. Sruttgan: Württembcrgische Bibelansralt 1967, Exodus 32127-281. , ,.Du solt dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen / weder des das oben im Himel / noch des vnlen auff E rden / oder des das im Wasser "met der erden ist." Biblit, Cm1ltlfliru. übers. \'o n Manin Lmher. Faks. Nachdmck der Ausgabe Winenberg 1545. Snltt!:,oan: Wiirltcm bergische Bibelansralt 1967, Exodus 20 (4J .
• Biblio Germoniro. übers. von Martin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wincnberg 1545. Sruttgan: Württembergische ßibelanst:alt 1967, Exodus 20 1231.
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des eincn Gon es mit dem Bilderverool ve rklammert.? Dieses Gesetz hattcn dic Israeliten im ß undesschJuß am Sinai besehworen.1o Damit vollzieht die jüdi. sehe Religion einen medialen Paradigmawechsel: Die Entwicklung verläuft weg von der ,An schaulichkeit' in die Abstraktion. Simulationen von Gort sind im Bilderve rbot nicht mehr vorgesehen, dagege n ist das Leitmedium von nun an die S rbriJl.11 Zut Erlangung dieser Schri ft steigt Moses auf den Berg Sinai, um dort die Gesetzestafeln, von GOtt selbs t geschrieben, in Empfang zu nehmen. GOtt wird hier zum tlbsoililen Alltor, Moses ist der absoillte [Vi/pient. D aß die A n e ig~ nung der görrJichen Schrift ein mühseliges Unterfangen ist, zeigt bereits die D aue r dieser absoluten Rezeption: Moses verbleibt bekanndich 40 T age und Nächte auf dem Berg. Die Israeliten jedoch, deren notorisches Ab fallen vom jahwe·G lauben exponiertes Thema des Alten Testaments ist, haben, als Moses auf dem Berg verschollen scheim, Aaron gebeten: .. mach vns Goetter / die fur vns her gehen". Daraufhin sammelt Aaron Gold fü r eine Statue "vnd entwarffs mit eim griffel / Vnd machte ein gegossen Kalb / vnd sie sprachen / Das sind deine Goetter j sraeJ / die dieh aus Eb'YPtcnlande gefue ret haben.'
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So crscheint das ßildcrycrbot in Deutcro no mium 5, 7f. wie cin Kommentar des ersten G ebors; vgl. auch ScIIARBERT, J oscf: Eyodlls. Wür~burg: Echter 1989 (= Die Neue Echter Bibel. KooullCntar zum Alten T estament mit d er E inhcitsübersetzung. Liefcn mg 24). S. 83. Vgl. Biblin Ceffllanirll. Übers. \'o n ~'I artin Luther. Paks. Nachdmck der Ausgabe Wittcnberg 1545. Snm gart: Würtlem bcrgische ßibelanstah 1967, Exodus 24. Diese Demarkation, durch die sich die jüdische Religion in klarer Abgrenzung zur ,Anschaulichkeit' G o n es positionien. gilt übrigens nicht nur ~ach außen, also gegen über konkurrierenden Religionen, sondcrn auch in bezug auf .~h ere Ube.rliefemngssrufen dcr jüdischcn Religio n selbst. So ist das G ottesbild der ältcren Ubc[liefemng des Jahwisten vor allem in de[ Gmens noch durch einen " unbekümmerten Anthropomorphismus" gekennzeichnet, der sich jedoch schon in sp äteren Schichten 03.kob s Traumgesicht von der Himmelstreppc, G en 28, 10-17) in Richrung der Abstraktio n, des G eheimnisscs der unfaßbaren " Immanenz in der Tran· szendenz" entwickelt. VgL ßISER, Eugcn: TlNOlogjsdN Sprarhlmori, lind Htm/tntIlHk. München: Köse! 1970, S. 125ff. Vgl. zum konkreten Stil des Jahwistcn auch RORERT, Andre wld Am:m FEUIU_ET (H rsg.): Einttilllng in die I-Ieilige Srhrif t. ß d. 1-2. Wien, Freiburg, Basel: Herder 1963.
Bel. 1: A I/gm tine EinleilllngsJragen und A lles T ulaH/ml, S. 340. 12
BibJiIl Gtnl1al1ica. Übers. \'on Marrin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 1545. Snmgart: Würtlcmbergische Bibe!an ~tah 1967, Exodus 32 [1 / 41·
I}
Bibli(l Gtm/anica. Übers. vo n ~ Iartin Lurhcr. Faks. Nachdruck der Ausgabe Witlenberg 1545. Sruubran: Würnembergische BibelanstaIr 1967, Exodus 32 (17 / 19] .
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werden (bei PlatOn droht ,nur' die Ve rbannung [11. 3]). Zentral ist nun der in dieser Erzählung mitlaufende Mediengegensatz zwischen Bild und SdmJt. Über den Aspek t der Medialität wird die Rezeption de r (göttlichen) Schrift zur wahren Lektüre erklärr, das Bild und seine ,naive Lekriire' werden dagegen gesetzlich verboten. D amit wird der ExodJlJ zu einem mediologischen Manifest, das eine Warnung vor den "Verlockunge n der lkonizität" emhält. 14 Die Einzigartigkeit des MonotheüIIJIIs der jüdischen Religion wird verklamm ert mit der Einzigartigkeit des jüdischen Bildemerhols - denn im aJtoriemalischen Komext der polytheistischen, bild ve rehrenden Kulte ist ein ßilderverbot regelrecht undenkbar: In ihrer religionsgeschichtlichen Umwelt, in der Po lytheismus, das heißt die Verehrung mehrerer Göncr mit unterschiedlichen Funktionen, eine Selbstverständlichkeit ist und in der Gottesbilder die verbreitetste Fonn sind, die Götter anschaubar und vor allem anrufbar zu machen, fa llen diese heiden Forderungen IAusschließlichkeit und ßilderverbotJ besonders aus dem Rahmen. 15
Das Volk Israel wird nach dem Auszug aus Ägypten, nach der Überquerung des Jo rdan im ,Gelobten L'lnd ' umgeben sein von Völkern der ,Götzenanberung', der Idolatrie, ist also in dem Aspekt der schriftlichen Codierung von Religion dorr isoliert und einzigartig. 16 D iese Ablehnung der Idolatrie, des ,Götzendienstes' als Radikal der Le ktüre der Ähnlichkeit, läßt jedoch erwarten, daß dieselbe Mediologie eine besonders prägnante Aus fonnung des Kompl ements der Ansc haulichkeit, des GeheiflllliueJ, enrwickeh - und genau dies ist der Fall. Ocr Kontrast des Geheimnüse! zur T ransparenz der Ajmlichkeit läßt sich schön am Beispiel des göttlichen Nalllens verdeutlichen. Eigentlich gehörr der Name ja zur Sphäre der Ähnlic hkek Erinnern wir uns an Platons Kmrylos [11. 3] : Der Eigenname (epo'!Jmos) ist do rt das Zeic hen der Ä.hnlichkeit schlec hthin. D as gilt aber auch fur die Namenslehre des Pemareuch.17 Die Heilige Zeirhm. Die Pnxlllk!iOIl der ,eigenllkhtll Il7irklirhluil' in hrmltnrulürhm Theoritn. München: Fink 2002, S. 133.
14 JANSSEN, Ulrike:
U RENDTORFP, Rolf: Das Allt Tu/amenl. Eine Einfobnmg. 3., durehges. Aufl. Neukirchen:
Neukirchenc.r 1988, S. 17.
Dal leulfllrr/le CdiirhlnlJ. SrhnJi, En·nntnmg und polihirhe ldenhliil in friihtn Horhleulluftn. 2. Aufl. München: Heck 1997, S. 225.
16 ASSMANN, J an : 11
Unabhängig von den E~nnamen belegt auch die Benennung der Tiere durch Adam - trOtz ,Sprachverwirrung' - für das Pentateuch das ,Ideal' der mo rivierren Sprache: " D enn als Gon der H ERR gemacht hane von der Erden allerley 1b.ier auf dem Felde / vnd alle rlwy Vogel \'nter dem Hunel l bracht er sie zu dem Menschen / das er [Adam! 1 sehe I wie er sie nennet." Bib/ia Ce,mlllliro. Übers. von Manin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Win enberg 1545. Sruttgan: WürTtem bcrgische Bibelanstalt 1967, Genesis 21191. In diese r Logik siehen Name und Gegenstand also im Verhältnis der Trans parenz zueinander. Weniger mißverständlich als die deutsche Fassung is t die lateinische: "adduxit ea ad Adam, ut videret quid vocaret ca" (Biblio SOtTo. [... 1/ Die Heilige Schrift des Alten und Neuen T estamentes. Übers. und mit Anmerkungen versehen von Augusrin Arndt. Bd. 1-3. Regensburg, Ro m: Pustel 1914. ßd. I, S. lt).
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alttes tamentarische Onomastik ist geradezu durchsetzt von mo tivierecn N amen: "Er [Gortl sprach: Du solt nicht mehr Jacob heissen / sondern J sraEI [- Gou esstreiter] / D enn J srael du hast mit Gou vnd mit Menschen gekempfft / vnd bist obgelegen."18 Die Eigennamen sollen e[\vas über die Eigensch aften der Person aussagen, die Namen sind also gewissermaßen tran sparent und lassen d as Wesen des Trägers o der Gegenstands durchscheinen.I <) Auch ein Blick auf den Ko ntex t anderer zeitgenössischer Religionen belegt die "im ,"vesendichen durch sichtigen Benennunge n swnerischer, babylonischer, ägyptischer, ugarithischer und hethitischer GÖtter".20 Luhmann bemerke: " D er [mesop otamische] Gott Marduck harte 50 Nam en (warum nicht 51?), und Namen waren hier nicht nur verbale Bezeichnungen, sondern die Kompeten zen selbst...21 Dagegen stellt sich der Name Gottes komplementär zu der Selbsrcvidenz goldener Kälber und zu der Transp arenz der E igenn am en. Bereits zu Beginn des Exodm fragt Moses Gott nach seinem Namen; d ie Anrwo rt ist bekannt: "Gott sprach zu Mose / Ich wetde sein der ich sein werde. Ynd sprach / Also solru zu den kindern J sraei sagen / Ich werds sein 0HWH] / der hat mich zu euch gesand."22 Gottes Name wird als Mysterium eingeführt; zugleich wird aber die Am/eglfngsbedii1tigkeil solcher Mysterien p rono nciert - im wahrsten Sinne pro-nonciert, denn GOtt legt einen KOllllllen/ar vor (Ich werde sein, der ich sein werde), bevor er den eigenl/irhCII Texl OHWH) ausspricht. D amit wird die Nennung des änigmatischen göttlichen Namens zur Urszene einer Umcrscheidung, und zwar derjenigen des primären Geheimnisses und seiner sek"ndtihm Auslcgung: Geheimni sse bedürfen fo rtan der erklärenden D eurung (eine solche Unterscheidun g wä rc in der transparcnten Lektüre der Äh nlichkeit vöUig undenkbar!). Geheimni sse sind demgemäß Kommunikatio nen, die aufgrund ihrer D unkelheit Generatoren neuer Komm unikationen sind, o hne daß sich das Geheimni s dabei selbst verbraucht. Das Mysterium der Bedeurung des göttlichen Namens ist ein solches Geh eimni s; bis heute erzeugt es Bibliotheken auslegender Texte. 18
Bib/ia Grmlanira. Übers. von Martin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Winenberg 1545. Srutq;an: WÜrtlembcrgische Bibclansralt 1967, Genesis 32 [291.
19
Vgl. AOI..OI'F. Krisdjeb CI al: "Name / NamensgeblUlg." In: TbrowgisdJt lVa/m'{}klopiidir. Hrsg. \'on Gerhard r-,·Iüller. Berlin. New Vork: de Gruyter. Bd, 23, S. 743-764. Dieser Aufsatz. publiziert 2000. enthält \unfassende bibliographische Angaben zur alttestamentarischen Onomastik.
l1J
GLADIGOW, Burkhard: "Gonesnamen." In: lValle..\1Jeon flr Antike und Christtnl",". Sorhu'Örttrbuch ~r Aum"'ondmrt~mg du Chrislml"ms I1Iil dir anliletn II7t!t. Bd. 1ff. Hcsg. \'on Theodor Klauser. Snmgan: Hiersemann 195Off. Bd. 11 , Sp. 1202-1238, hier Sp. 1211 .
21
U
LUUMANN. Niklas: Die Rtligion dtr Gm llIthaJi. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 2002, S. 90. Bib/ia Gm"an;ro. Übers. von Marrin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 1545. Snmgart: Wlintembc.rgiscbe Bibelansralt 1967, Exodus 3 (141. VgL zur Erläuterung des hebräischen Wortlauts und seinen Interpretationen auch ScI-lARßERT, Josef: Exodus. Wützburg: Echter 1989 (= Die Neue Echter Bibel. Kommentar zum Alten Testament mil der EinhcirsübcrsetzlUlg. Ueferung 24), $. 23.
16 1
Gottes Deutung seines eigenen Namens spielt dabei änigmatisch~lautmale~ risch schon auf den eige ntlichen Geheimnamen Jahwe' an: ,ich bin bqjab', also ,übersetzt': ,Ich werde sein, der ich sein werde.' Bereits die götdiche D eu tung des Namens ist also sowohl eine Paradoxie als auch eine Tautologie. v E rst dann erfolgt die Nennung des eigentlichen N amens J HWH , was soviel bedeutet wie ,er ist bei Euch '.24 AJ s Eigenname cines transzendenten, unsichtbarcn Gottes ist dieser eigentliche Name eine erneute Paradoxie, die nichts anderes bezeichnet als die Identität einer Differenz, und zwar keiner geringeren Differenz als derjenigen, die das Heilige überhaupt erst erzeugt: die Unterscheidung zwischen Transzendenz und Immanenz. 25 Das Transzendente (GOtt) ist dabei im eigentlichen Sinne das, was ,hinter' der Grenze liegt. Das \'(Iesen der Transzendenz definiert sich hier jedoch als das, was ,bei Euch' ist, al so immanent sein soll. Gott sabotiert also die Unterscheidung, auf der seine eigene Existenz beruht, und wird zugleich zum Paradox de r Einh e it di ese r Unte r ~ scheidungZ6 - und gcnau dies bedarf der auslegenden D eutung. Auch später bleibt der Name Gones ein Rätsel: "UN D Jacob fraget jn / vnd sprach / Sage doch / wie heissestu: Er aber sprach / \'(Iarumb fragesru / wie ich heisse"27; oder: "U nd Manoah sprach zum E ngel des HE RRN / Wie heisses tu / das wir dich preisen / wenn nu komet was du gered r hast; Aber der Engel des Herrn sprach zu jm / Warumb fragstu nac h meinem Nam en / der doch Wundersam ist".28 D er jüdische GOtt konstituiert sich als Gebeillll1is;?'J D
Vgl. WEßER, Ono: Bibtl/eNndt du Alltn Tnlahlfnls. Hamburg: Furche 1959. S. 94. Eine seht gute Darstellung des Problems der Deutung des J ahwc-Namens gibt SOIMl])T. Wernet 1-1.: Exodus. Neukirchen: Neukirchencr Verlag 1988 (= Biblischer Ko mmentar Altes TesramelH, 2,2), S. 17 1ff. Vgl. ferner ZENGEJI., Erich: OtlJ BNch fl'amNJ. 3. Aufl. Dlisscldorf: Patmos 1987, S. 54 <.,Dieser schwer zu durchschauende Satz drückt eine geheimnisvoUc Beziehung aus'').
l~ Am geläuftgsten ist die Interpretatio n dieses Namens als dritte Person Imperfekt des Wortes
srin (b»-11), " wie es in biblischen Archaismen und im Aramäischen [... ] lautet [... ].Volksetymologisch bedeutet :also der Name J ahve ,er ist'." COOI.5, Petrus Josephus: Die bibhidu lt7rfl. ßd. 1-2. Olten Frciburg/ Br.: Walter 1965. Bd. 1: ZNr Hrtligrn S{briJt. DtlJA/lt TeJlahltnl, S. 572. II
"Zur Bezeichnung der beiden Werte des rcligionsspczifischen Codes eignet sich am ehesten die Unte.r scheidung von ImhUmtnt und TmnJi!ndrnz" LUHMANN, Niklas: Oit fVkgioll drr GmllHhafi. Frankfun/ r-.l: Suhrkamp 2002, S. 77.
26
VgL dazu auch COI.U, G iorgio: Dir GrbNrl drr PlJikJJOphir. Frankfl.ln/ M.: Euro päische Verlagsanstalt 198 1, S. 64.
V Bib/ia Grrmanica. Übers. von Manin Luther. Faks. Nachdruck d er Ausgabe Willcnberg 1545. Srungan: Wümembergische Bibelanstalt 1967, G en 32 [30]. 28
Bibha Gtrmoniw. Übers. von Martin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wiuenbcrg 1545. Srullgan : Wümembcrgische Bibclanstah 1967, 1 Richter 13 [17~ t 8]; die lareinische Fassung lautet: ..'1uod est mirabile"; vgl. Bibha SalTa. [...1 / Die Heilige Schrift des Alten und Neuen T estamentes. Übers. und mit Anmerkungen versehen von Augustin Amdt. Bd. 1-3. Regensburg, Rom: Pustet 1914, Bd. I, S. 674; in der griechischen Fassung steht Ihallmfulon; vgl. 5tpluaginla, S. 462.
Z'I
,Jener versteckt sich runter einer D ecke und ruft hervor. Hier ist GOtt"; H ERDEJI., J ohann Gonfcied: Abband/ung iibtr drn Urrpnlfl!. dtr Sprach. H rsg. von Hans Dietrich lrmscher. Srullgan: Redam 1966, S. 122.
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er gibt seinen Namen preis, aber der ist zugleich Umschreibung und Paradox, das heißt, die Bezeichnung JHWH enthüllt und verhüllt zugleich. Das führt dazu, daß sich die jüdische Religion in der Paradox.ie befindet, den görtLichen Namen zu ,kennen' und doch nicht über ihn zu verfügen: Israel hat aus Ehrfurcht das zweite Dekaloggebct " Du sollst den Namen Gottes nicht mißbrauchen" ausgeweitct und den Namen Gottes überhaupt nicht mehr ausgcsprochen, sondcrn ihn durch "Adonaj ;;; Herr" ersetzt, und die Übersct7.Ungcn übcrnahmen diese Gewohnheit. Dahcr ist die gcnauerc Aussprache Ivo n J ahwc'] nicht überiiefert.XI
Dabei erweist sich das göttliche Geheimnis als so effizien t, daß es bi s heute einen ungebrochenen O utput vo n Texten erzeugt, die es erklären so llen. Das Geheimnis braucht sich dabei nicht auf, ganz im Gegenteil scheinen die Bibliotheken der Kommentare die Erklärungsbedürftigkeit des Geheimnisses nur noch zu dramatisieren. Der jüdische Gon ist aber nicht nur im Aspekt seines Namens ein Geheimnis, sondern auch in der Weise seines Erscheinens. Das dominante Thema d es Exodlls ist die Hieropbanit. bzw. Tbeopboni; l - Begri ffe , die sich mit dem Begriff der Emphase vernetzen lassen. rür ,Emphase' wurde bereits der Zusammenhang mit e/JIpb(linein ,(sich) sehen lassen ' betOnt; der Aspekt der ,virtuellen Welten' wurde dabei im Kapitel ,Ähnlichkeit' bereits erarbeitet. N un stellt sich die h age, wie sich das Heilige (bieros) sehen läßt (phaillein). E rwartungsgemäß steht die \Veise, in welcher der jüdische Gott erscheint, in einem krasse n Gegensatz zu der tran sparenten Selbstevidenz Goldener Kälber. Als Moses GOtt d as erste Mal in der Gestalt des brennendenden Dornbuschs begegne t, sieht er, " das d er Pusch mit fewr brandee / vnd ward doch nicht verzerer" .32 G o n erscheint also; aber er erscheint erstens als Paradoxie (das Feuer brennt und brennt nicht), zweitens ist es ,eigentlich ' nur der ,Engel G o ttes', d er erscheint, und drittens darf Moses sich nicht nähern : "Trit nicht herzu" .}} Moses verhü!Jt daraufhin furchtsam sein Gesicht - bereits in dieser ersten Begegnung wird die Dialektik zwischen der ,Schau' und ihrer Einschränkung, zwischen dem Sich-Zeigen und Sich -Verhüllen schon voll entfaltet. A.ls Gon Moses am Sinai dann seine Erscheinung ankündigt, verknüpft er d as mit einem komplexen System von Verboten und Ritualen: 30
SC H ~Il D, Rudol f: Mit Golf auftb", If/ tg. Die Bürhrr ExotiuJ, U tilileJlJ, Numr';. S[U[tgart: Katho-
lisches Bibelwerk 1977 (:::. Sruttgarter Kleiner Kommemar. ,\!res Tcsramcm, 3), S. 19. II Vgl. dazu vo r allem PO LA K, Frank: "Theophany and ~lediator. The Unfo lding o f a Theme in
thc Book of Exodus." In: Stllmt J in Iht Book oJ E;.:rnlIIJ. RLdortion, RLaplion, lntuprrlalion. ring. \'on Marc Vcrvcnnc. Lcuven: LUP 1996, S. 113- 147.
lZ
3}
Bib/ia C tfflf,:Jnira. Übers. -.'o n Martin Luthcr. Faks. Na!.;hdruck der Ausgabe Winenbcrg 1545. Srungan: Wüm embcrgischc Bibc1anstalt 1967,3 131. Ebd., 3 15}.
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D ER H ERR sp rach zu Mose / G ehe hin zwn volck / Vnd heilige sie heure und mo rgen / das sie jre Kleider wassehen / vnd bereit seien auff den dritten rag / D enn am drinen tage wird der H ERR fur allem Volck erab fa hren auff d en Berg Sinai. Vnd mache dem vo lck ein Gehege \·m bher / " nd sp rich zu jnen / Hueret euch / das jr nichr auf den Berg steiger noch sein ende annlerer / Denn wer den Berg anrueret / sol des tods sterben. I... ] Wenn es aber lange dohnen wird / d enn sollen sie an den Berg gehen.}.I Wie Moses bereits am Do rnbusch die Schuhe auszuziehen hatte, erfo rdert die
Begegn ung mit Gott jetzt noch umfassendere Vo rberei tungen der Reinigung und damit ,Heiligung'. Z ugleich ist das Betreten des Sinai nun verboten. D er Raum ist nun d urch eine G renze zweigeteilt. E s gibt den Raum des Profanen (I mmanenz) und den Raum des Heiligen (franszendenz) a1s ,absolute \'\Iirklichkeit'. D er Raum des Heiligen wird dabei durch Hegung ~ mach e dem volc k ein G ehege vmbher') dem Z ugri ff entzogen. Ocr Sinai ist der G o rresberg, und als solcher (noch!) Zentrum der Welt, ihr Nabel (oll/ph% s), Schwelle, das heißt: Ort des Übergangs von der profanen in di e heilige Sphäre. 3!i E in solcher O rt ist immer zugleich paradox, denn " er lwird] zu etw as anderem und hö rt doch nic ht auf, er selbst zu sein.,,}6 D er O rt des Heiligen wird aber nicht nur als solcher markiert, sondern er wird ausgestanet mit den Requisiten des N uminosen: ALS nu der dri ne tag kam / vnd mo rgen war / D a hub sich ein do nnern vnd bli tzen / " nd ein dicke wolcken auff dem Berge / vnd ein do hn einer seer Slarcken Posaunen / D as gan tz Volck aber das im Lager war / e!Schrack. Vnd Mose fueret das Vo lck aus dem L.,'lger / Gort entgegen / Vnd sie traten " nlen an d en Berg. D er gam z berg aber Sinai rauchet / dannnb das der H E RR erab au ff den Berge fure mit fcwr / Vnd sein Rauch b>1eng auff / wie ein rauch vom ofen / das der gam ze Berg seer bebete. / Vnd d er Posaunen do h n ward jmer stercker. r.,'lose redet / vnd G o tt ann vo rtet jm laur. 37
D iese Requisiten des N uminosen würden sich semiotisch als .indexikalische Zeichen' (peirce) beschreiben lassen, denn als ,Am:eichen' stehen sie in einem direkten, realen und ,kausalen' Z usammenhang zu ihrer Ur-Sache, die sie zugleich ,anzeigen
Bjb/Ja Grnnani(a. ü bers. von 1\-larrin l.mher. Paks. Nachdruck der Ausgabe Wirtenberg 1545. Srungan : Wüm embcrbrische Bibclanstalt 1967, Exodus 19 [10-14).
lS
Es gibt noch andere solcher Schwellen im Alten Testament; ein Vo rgänger des Sinai ist das Heiligtum Btf-EI, wo GOtt Jakob im T raum erschienen war; Btt-EI heißt ,GOIt eshaus' und wird auch als ,Tor des Himmels' bezeichnet. Vg1. ßiblia GU71/anira. ü bers. von Martin l.ulher. Faks. Nachdruck der Ausgabe Winenberg 1545. Srungan : Wüm embergische Bibe1an m h 1967, Genesis 28, 10-19.
lt.
E U.... DE, Mircea: Da! Htih".gt IIml da! Profant. V0111 IIYm n du Rrh§"iiltn. Frankfurt/ M.: Insel 1984,
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S. 1S. Biblia Gtnnaniro. übers. vo n Martin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittcnberg 1545. Sn mgan : Württcmbcrgischc Bibclanstalt 1967, Exodus 19 [16-191.
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gelegenheit, denn GOtt erscheint, aber er zeigt sich al s einer, der sich in einen ,Sc hleier' aus Zeichen kleider und dabei unter diesem Schleier verbo rgen bleibt: D onnern, Blitzen, eine dicke \Xlolke, PosaunenkJang, Rauch, Feuer und das Beben der Erde. Gott zeigt sich also und bleibt zugleich verhüllt, denn er befindet sich ,hinter' den Zeichen, er ist ,unter' dem Schleier. Es wird somit eine zweite Unterscheidung (neben Geheimnis / KOI/Il11entary sichtbar, welche die Programmatik d es G eheimnisses begründet, und zwar die Opposition von Oberfläche und Tiife. Diese Unterscheidung ist inso fern asym · metrisch, als sie eine kJare Präferenzseite besitzt: die Tiife.38 Die Transzendenz, das ,Eigentliche', die ,Wahrheit', GOtt, das Geheimnis und so fort, sie aUe be· finden sich hinter dem Schleier, sie sind IInter den Zeichen verbo rgen. Die Asymmetrie der Unterscheidung, ihr G e f.il1e erzeugt dann auch die Neugierde:. Natürlich will man wissen, was sich unter dem Schleier be fmdet. D adurch ergibt sich eine prekäre Situatio n. Einerseits erzeugt die Unterscheidung zwischen Oberfläche und Tiefe das Geheimni s. Andererseits ge· fahrdet sie jedoch seine Existenz. D enn man kö nnte dem Geheimnis ja ein· fa ch ein Ende bereiten, es ,lüften', indem man kurz nac hsieht, was unter dem Schleier verbo rgen ist. Man würde etwa auf den Sinai hinaufsteigen, um nachzuschauen, was hinter dem R.'luch eigentlich vor sich geht. Aus diesem G runde umgibt sich das Geheimnis mit Barrieren, welche seine Enthüllung erschweren oder gar unmöglich machen: ,Trit nich t herzu!' Das Geheinmisfobri. i}trI SchJlltllen, uJtlche die (p riiftn'erle) Tiife /JOr der E nthülbmg schützen - Beispiele wären Tabus, To re und G renzen, die nicht überschrinen werden dürfen , Re· deve rbote, Bann, Hegungcn, Beobachtungsve rbo te und so fo rt. Die SchJI-'tllen ntlltralisieren dadllrrh dieAsymmetrie der Unterscheidllng Oberfläche / Tiife. Auf seiten des Rezipiemen mäßigt das die Neugierde und erzeugt die (ifftklive &zeptions· JlJeise des Geheimnisses: Ehifll1rhtllTld Schell.3? Im Falle des Exodm ist diese affektive Komponente der Rezeptionsweise d es Geheimnisses recht eindimensio nal . Die Nähe des Geheimnisses erzeugt hier stets (Gottes-)Fllrcht. 40 InnerhaJb dieser Logik läßr sich jedes beliebige Geheimnis zu einer griffigen ,Srory' dramatisieren (und daran wird sich im wesentlichen bis heute nichts mehr ändern). Im Falle des Exodm sehen wir seit d er Episode vom brennenden D ornbusch eine steigende Bewegung von E nthüUungen und Verbergungen, bei welcher der Kern des Geheimnisses stets unangetaster bleibt. Jahwe teilt Moses schon früh den Grund mit, warum der Sinai eine ,verbotene }I!
"Reitz ist ganz analog d[cmJ Begriff Geheimniß - das Gehcimniß soll entheimlicht - der Rri'Z tIIlrtil'{f werden ." NOVALlS: IlVtrh, Tagtbiid)tr und Britft Fn"tdn"(h lion Hardtnbt'l,s. Hcsg. \'o n Hans·J oachim Mähl und Richard Samucl. Bd. 1-3. München, Wien: Hanser 1978. Bd. 2,
S. 664. 19
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"Das religiöse Grundedebnis I... J ist die Eb1urrhl, griechisch aitkJs, heilige Scheu, englisch awt, lateinisch "ligio':' H EILER, Friedrich: E n rhnnungsjomun und Wtst"n dtr Rrligion. Srungan: Kohl· hammer 1961 , S. 543. Von der Do minanz dieses Themas im Alten T estament kann man sich in den einschlägigen Ko nkordanzen (,Furcht', ,Ehrfurcht' efc.) schnell überzeugen.
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Zone' ist: "zeuge dem Volck / das sie nicht erzu brechen zum HERRN / das sie jn sehen / vnd viel aus jnen fallen [urnkornmenJ. "41 \'(Ier Gon sieh t, muß sterben - hier deutet sich bereits an , daß Gonesschau im eigentlichen Sinne gar nicht möglich ist:42 Wenn Gott ein Geheimnis ist, dann ist das Geheimnis durch die Sc hau Gottes beendet (droht Gort mit dem Tod, weil er selbst sterben würde, wenn man den Schleier lüften würde?). Die aus dem Verbot resultierende r urcht, GOtt in s Angesicht zu schauen, fuhrt im E~'
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Bib/ia Cmf/{micQ. Übers. \'on r-ohrrin Luther. Faks. N achdruck der Aus!,oabe Win enberg 1545. Snmgan: Würucmbergische Bibelanstalt 1967, Exodus 19 [211. D ie lateinische Fo nnu.l ienmg ist: " Desccnde, ct contestare populum: nc fonc \'elit rranscendere tenrunos ad vidcndum Dominum, ct pcrcat cx cis plurima multirudo." Biblia Sacra. 1...1 / Die Hciligc Schrift des Alten lUld Ncuen T estamentes. Übcrs. wld mit Anmerkungen versehcn von Augusun Amdt. ßd. 1-3. Regcnsburg, Rom: Pus tet .1 914. ßd. I, S. 204 .
•z G enau dics wird in Schillers " Das \'crschleien e Bild zu Sais" erLählt: " Er sprichts und haI dcn Schleicr aufgedcckt. / Nun, fragt ihr, und was zeigte sich ihm hier? / Ich weiß es nichl. Ik sinnungslos und blcich / So fanden ihn am andem Tag die Priester"; vgl. SCHl IJ_ER, Friedrich: Sii","icht IVtrkt. ß d. 1-5. 8. Autl. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1987. Bd. I, S. 226. Schillcrs Q ueUe ist Plutarch (De lIifk tl Otinde), der \·on diescm Bildnis beric htct, es sei ein Sitzbild der Athena/ lsis und es trage die Aufschrift: " Ich bin aIlcs was da war, ist und sein wird; kein Stcrblichcr hat jcmals meinen ~hntd gelüftct." Vgl. dazu auch ASS:-'IANN, J an: " Das vcrschleierte Bild zu $ais. Gricchische Neugier und äg}1lusche Andacht." In: S{h/tl~r Nml Schu'tllt. H rsg von Aleida und J all Assmann. Bd. 2: Cehdmnis {(nd Offinbamng. Münchcn: Fink H
.f.I
1998, S. 45-66. Bib/ja Crm/(mica. Übers. \'on Mamn LUiher. Faks. Nachdruck der Ausgabe Winenberg 1545. Sruttgart: Würn embergische Bibelanstah 1967, Exodus 20 [I 8- 191. Die Hirrorrbit dr, ZNgänge wird soziologisch gesehen also auf zweierlei Wcise \·erv.·ertet: Einerseits erzeugt sie Identität (analog Auguscinus: ,wir Christen lesen richtig, dic Juden falsch'), darü ber hinaus begründct sic die Legitimation von Macht inncrhalb dcr cigenen G ruppe (r-.10 ses als Eingewcihtcr).
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wie ein schoener Saphir / vnd wie die gestalt des Himels / wens kJar ist."4s l\'loses, der ,höchste Eingeweihte', darf dann allein in die Höhe we ite rs te i ~ gen - für die Topob'Taphie des Geheimnisses ist das Vordringen in die Tieft mcist identisch mit dem Aufstieg in die H öbe. Für den Blick des Volks ,umen' ist das "das ansehen der herrligkeit des HERRn l...J wie ein verzerend fe wt / auff der spitze des Bergs / fur den Kindern IsraeJ."46 Moses bleibt nun bekanntlich 40 T age und Näc hte au f dem Berg, aber offenbar hat er auch dort nicht Gott direkt gesehen. Denn später bittet er jahwe: "So las mich deine Herrligkeit sehen.« j ahwe antwortee Mein Angesich t kanstu nicht sehen / Denn kein Mensch wird leben / der mich sihet. [... ) Es ist ein raum bey mir / da solm auf dem Fels stehen / Wenn denn nu mein Herrligkeit fur "bergehet / wil ich dich in der Fels klufft lassen stehen / Vnd meine Hand sol ob dir haltcn / bis ich fur vbcrgehe. Vnd wenn ich meine Hand von dir time / wirstu mir runden nach sehen / Aber mein Angesicht kan man nicht sehe n .~7
Diese Szene markiert den Höhepunkt der Theop hanien des Exodus und eigentlich des gesamten Alten Testaments. Denn obwohl das AJte T estamem, vor allem auch in den Prop hetien, durchsetzt ist von Theophanien, wird man der Enthüllung des Geheimnisses nie näher kommen als Moses an dieset Steile. Und entsprechend faszinierend ist die ,Offenbarung des Geheimnisses' hier gesta] tc t. Gott definicrt, daß cs nicht möglich ist, sein ,Angesicht' zu sehen, und in szeniert zugleich seine O ffe nbarung. Moses wird an den Bcrg, zu Gon, herangdasscn und zugleich ,in den Fclsspalt' verborgen - fast könme man sagen, Gon verstec kt ihn vor sich selbst. Dann verhüll t Gon die Schau des Moses durch seine Hand, exponiert sich dann durch den Entzug dieses Schutzes, nur um sich dann ,von hinten' zu zeigen, sich also durch sich selbst zu verhüllen - und dies markiert den paradoxalen Höhepunkt der dialektischen Bewegung von Verbergung und Enthüllung im Exodus. Diese Geschichte von der Theophanie nach dem alttestamentarischen Exodlls ist zugleich der Mythos des Geheimnisses jüdischer Prägung, denn dieser jüdische Gon präsentiert sich als das Geheimnis schJecluhin, und umgekehrt ist das Geheimnis der NukJeus der jüdischen Religion: "j ewish piety lives in the parndox ..48 • Die implizite Theorie des Geheimnisses prägt zugleich in fasr ~!
Bib/ia G,rmanira. Übers. von r-.lanin Luther. Paks. Nachdruck der Ausgabe Winenberg 1545. Smngart: \\;lürttcmbergische Bibclanstah 1967, Exodus 24 110] .
.a6
Bib/ia Glrmanico. Übers. vo n Marcin Luther. Paks. Nachdruck der Ausgabe Witlenberg 1545. Smngart: Württembergische Bibelanstalt 1967, Exodus 24 P7] .
~1
Bibko Gtrmanira. Übers. von Mucin Luther. Faks. Nachdruck de r Ausgabe Winenbcrg 1545. Smttgan: Württembcrg1sche ß ibclanstalt 1967, Exodus 33 [18· 23].
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HAllCI<, Leo: .,Mystcry and Commandmenl." In: L. B.: JudoüR{ ono Chnitionity. EUf!js. H rsg. \'on Walter Kau fmann. New York: Leo Baeck Insl. 1958, S. 174, hier im Kontext der oft rätselhaften Gebote Jahwes.
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allen hier besprochenen Aspekten die LekfÜren des Geheimnisses bis in un sere Zeir. Das gilt nicht nur für seine Hollywood-a ffin en Requisiren von D onner, Feuer und Rauch. Ihre Konfiguration gemäß dem Exodus läßt sich wie folgt zusammenfassen: •
Das Geheimni s ist per se crklärungsbedürftig und erzeugt so die Unterscheidung zwischen einer pn·",ären Kommunikation (dem Geheimnis) und seiner sekundären Deutung; e ffiziente Geheimnisse erzeugen o ft ungeheure Mengen solcher D eutungen, ohne daß sie selbst dabei verbraucht werd en. • Damit liegt es nahe, dem Urheber des Geheimnisses eine An (J/Jsohlles lWissen zuzuschreiben, welches das Wissen der Rezipienten übersteigt; somit erzeugt es die Vorste llung von "emphatischen Autoren" 49, hier ist Gon dieser absolute Autor. • Das Geheimnis konstituiert sich ferne r anhand der Unterscheidung Obeifläehe / Tiefe. • D ie ,A ufdeckung' der präferierten ,Tie fe' und die dami t einherge hende Selbsrzersrörung des G eheimnisses wird durch Schlvellen verhindert, zum Beispiel zwischen einem profanen und einem heiligen Raum. • Diese Schwellen er..:eugen wiederum die Rezeptionsweise der EhTjllrcht und zugleich eine Hierarchie von Eingeweihten; der Grad der Einweihung bestimmt, welche Schwellen übersc hritten werden dürfen. • D as Ge heimnis befin dct sich immer hin te r der Schwclle. Es isr zugleich sichtbar und cntzieht sich der Sicht. Man mag sich diesem Geheim nis asymp totisch imme r weil er annähern , aber die Dialektik von Offenbarung und Verbcrgung ist in der jüdisc hen Fassung des Ge heimnisses eine nie endende Bewegung. Ein Geheimnis ist dann so konstruiert, daß man es nicht o ffenbaren kann. D amit ist aber die G rundstrukrur des Geheimni sses eine ähnliche Paradoxie wie zuvor die Ähnlichkeit. D enn wie die Ähnlichkcit in der Kommunikarion die Überschreirung der Kommunikation crcräwTIt, so trifft dasselbe auch für das Geheimnis zu. Das Gehei",niJ venveist i",,,,er (111 e!Jllas die Ko""",milentiofl ,Uberschreitendes~ es überschreitet die Ko"'tlltmilenh'on jedoch nie. JO Das GeheilJlni! ist ilJllJler dos ,Unsagbare: (Iber das JIIird eben in der KOllltlJltnileatioll gesagt. G ott ist in dieser
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IOEl... r-,'Ioshe: ,,,Schwarzes Feuer auf weißem Feuer.' Text und Lektüre in d er jüdischen Tradition." In: Tt.Y1t lind Lt/eHirrn. Prrsptktit'tn in drr U {(ntlllnl-7ssmHhtift. Hrsg. \'on Aleida Assmann. Frankfun1 M.: Fischer 1996, S. 29-46, hier S. 29.
so Vgl. SIEVERS, Burkard: Grhtimnis Nnd Crhtimlwllllng in s()~(lltn SYS!Ofltn. Opladen: Westdeutscher Vedag 1974 (:::; Srudicn zur Sozialwissenschaft, 23), S. 34: "das Geheimnis [erweist sich] als parcieUe Negation kommunikarionsinunanenter und von anderen erwarrbarer Info rma+ tionsmöglichkeiten, ohne dabei jedoch zugleich die Ko mmunikatio n als solche zu negiere n."
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Logik das absolme Geheimnis. sl Eine schöne Thematisierung der Paradoxie seine r ,U naussprechlichkeit' findet sich in Auguscinus' De dar!rinn Chris!inna: sollte aber nicht dadurch, daß ich sage, GOtt sei unaussprechlich, das Unaussprechliche schon ausgesprochen sein ? Und daher darf GOtt nicht einmal der Unaussprechliche genannt werden, weil ja doch schon dadurch, daß er nur so genannt wird, etwas von ihm ausgesagt wird. Es entsteht dadurch wirklich ein gewisser Widerspruch der Worte, weil es, wenn das unaussprechlich ist, was nicht genannt werden kann , nichts Unaussprechliches geben kann, das auch nur unaussprechlich genannt werden könnte. Diesen \'Iliderspruch sollte man lieber gleich mit Stillschweigen verhüllen, als mit Worten auszugleichen suchen.s2
Das Unaussprechliche ist einerseits unaussprechlich, wird aber dennoch ausgesprochen (ohne daß es dabei ausgesprochen wird ...) - man kann sogar sagen , daß nichts so beredt ist wie die Konstruktion des Unaussprechlichen. Jacob Bö hmes O ffenbarung der göttlichen Geheimni sse durchläuft hunderte Sei ten, und bricht dan n kurz vor der absoluten E rleuchtung ab: " Ich bescheide den Gotr liebenden Leser, daß dies Buch ,Morgenröte' nicht ist vollendet wo rden, denn der T eufel gedac hte Feierabend damit zu machen, weil er sah, daß der Tag darinnen wollte anb rechen."s3 Es raUt fern er auf, daß die Programm atik des Geheimnisses um ein vielfaches ko mp lexer ist als diej enige der Ähnlichkeit. D ementsprechend gehö rr die Kamp/exi!li! der ,Szene' des Geheimnisses noch zu dieser Konfiguration. Geheimnisse, vor allem die ,unausschöp flichen' wie zum Beispiel G o tt, bedürfen dieser Ko mplexität, weil sie andernfalls sofort destruiert würden. Es reicht eben nicht, einfach zu behaupten, dieser Stein 5-1 dorr sei heilig - es erfordert einer ausgeklügellen Dramatisierung, einer ,Story' entlang den Vorgaben der o bigen Konfiguratio n, die dazu führt, daß man das auch glaubt. Die Großgeheimnisse der abendländischen Traditio n haben mitunter eine schwindel-
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" D ie Unterordnung de r Spur unte r eine erfUllte, im Logos zusammengefaßte Präsenz und die Erniedrigung der Schrift angesichts eines gesprochenen Wones, welches seine eigene E rfullung träwm : Gesten, nach denen eine Onto-Theologie, welche den archäologischen oder eschatologischen Sinn des Seins als Präsenz, als Parusie, als Leben ohne · Differenz bestimmt, nachdrücklich "erlangt. I... ) Allein d as unendliche Wesen kann die Differenz in der Präsenz zum Verschwinden bringen. In diesem Sinn ist der Name Gottes. zumindest so, wie er in den klassischen Ratio nalismen zum Ausdruck ko mmt, der Name der Indifferenz schlechthin." D ERRIDA, Jacques: Grommalologit. Übers. \'o n Hans-J örg Rheinberger und H anns Z ischler. Frankfurt/ M. : Suhrkamp 199411967), S. 124f.
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AUGUsnNUS, Aurelius: AIiJ§M!iihlu S(hrijim. Bd. 1-10. München: Köscl & Pustet 19 1 Hf. (= Bibliothek der Kirchem·äter). ßd. 8: AIIJgtllühllt prokliJ(m S(hrijiel/ homilttiJdJtn lind koltdxli· J(mn Inhalt;, S. 18f. [Dt dor/n'na Ch,iJli(JIIa I, 61.
SJ
BOI-I ~tE, Jacob: A Jlrora odN' Morgtnriitt im ANjgpng. Hrsg. von Gerhard Wehr. Frankfun/ M.:
Insel 1992, S. 523 ["Beschluß des Autoris'l !>I
Vg!. zum ,heiligen Gegenstand' (Stein, Berg, Erde, Mond, Sonne, Baum elc.) !-I.EILER, Friedrich : E,uminlill&Jfimnrn IIl1d lV'm ll der &/igioll. Sruttgart: Kohlhammer 1961, S. 34- 127.
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erregende Komplexität aufgebaut_ Im Falle vo n ,Gon' wird die Komplexität des Geheimnisses, wie sie uns hier begegnet, im C hristenrum noch um ein Vielfaches überboten etwa durch das Theorem der Tn-"iliil_~s D ie Bibliotheken von Abhandlungen zu diesem Thema garanderen, daß das Geheimnis gewah rt bleibt - egal, w;e hoch der auslegende Aufwand betrieben wird . Im Falle der Programmadk der Ähnlichkeit wurde dem Medium des Bildes ein tendenzieJJes Übergewicht beigemessen. Es ist ge radezu eine fundierende Metapher der ,naiven Lektüre', wenn man bis heute etwa von der ,Bildlichkeir' der Texte sprich t. Komplementär besitzt in der Programmatik des Geheimnisses die Schrift (sprichwörtlich sind hier die Hieroglyphen), wenigstens aber sprachliche Kommunikadon (etwa OrakeJspriiche) ein tendenzielles Übergewicht. Bei Pseudo-Longinus findet sich bereits folgende Äußerung, welche die Tendenz des Bildes zur ,T ransparenz' gegenüber der sprachlichen Möglichkeit de r ,Überschreitung' nuanciert: " Bei Statuen sucht man die Ähnlichkeit mit dem Menschen Ihol!Joion tlnlhropo], bei der Rede [/OgON[ l...J das Übermenschliche."56 Der E::o.-odJls als Manifest von der göttlichen Schrift ist ein ganz expo niertes T exrbe.ispieJ, vielleicht sogar die Urszene der Programmatik des Geheimnisses. Im Exodm ist das Geheimnis die Erscheinungsform des Göttlichen schlechthin. Als solches ist das Geheimnis ,heilig'. D emgemäß sind Versuche menschlich hergestellter T ra nsparenz (Goldene Kälber) absolut abzulehnen. Die jüdi sche Religion enthä.1t also eine Mediologie, die sich die Schrifi zu ihrem Medi um auserwähl t, das Bild jedoch (auf den T od) ablehlll. I n der religiösen Praxis kann dadu rch ab jc tZ[ zwischen dem ,Ze ichen' und dem ,Bezeichneten' unterschieden werden. Le ktüren der Transparenz bzw. der Ober flä che sind abgeschafft, mü der Wahl des Schri ftmediums setzt man ko nsequent auf ,Tiefe', auf Bedeurung ,hinter' den heiligen Sc hriftzeichen: "Es ist überhaupt erst die Umstellung auf die Tafeln des G eserzes als Ztir!Jtn, die das Paradigma bilde I rur die Entwertung einer reli&"ösen Symbo lik, die nir!J1 ein ,Zeichen' vo n einem ,Bezeichneten' unterscheidet. ..57 Dieses ,mediologlsche Manifest' des Exodlls läßt sich jedoch mü seine r mys rerio logischen Botschaft verklammern . Denn ItliJlich IJenJ/tisl die S'ntklllr des
GeheilJlnisses altf das SchrifllJlediltll' '{ffntck: Diegb"lIlicht Schrift isl selbsl das Geheimnis. Und es ist fraglich, ob das nur ,mempho risch' gemeint ist. D enn: Am Ende des Exodus stein die Fertigslellung des OffenbarungszeIrs und SS Eine Analyse theoretischer Ansitze bietet SIMONIS, Walter. Tn·nilöl Mild V rmMnft. Un/mMfhMngtn iJlr Miig/irhkrit rin" rotiona/m T rinilötskhrr bri A nlrlm, AbatkmJ, drn Vileton·nrrn, A. Giinlhrr Mnd J. Frohsfhammrr. Frankfun/ M.: Knecht 1972; "gi ebenfalls WIlTSCIIIEM., Stunnius M.: KrrM~ Tnnilöl, Analog" . Tn·nilarisdx Onlomgir Mn/tr dtm Lrilhi!d du KrrMtrS, dargpltllt alJ ös/lntisrhe Tbrologit. Wür.tburg: Echter 1987.
511 PSEUIx>-LoNGINUS: Vom Erhabtnrn. Griechisch I Deutsch. !-lrsg. \'on Rcinhard Bmndt. Dannsladr: Wiss. Buchges. 1983, S. 101 136,31. S7 J ANSSE.,'l, Ulrike: Hd/ige Zdfhen. Dit PnNlMlelion dfr ,dgtnllithtn lf/irleJkhluit ' in htrmrnrlltisrhtn Throritn. München: Fink 2002, S. 96.
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der Bundeslade, also des mosaischen Heiligtums. Das Zel t ,schirmt ab' (analog dem Geheimni s). Es ist unterteilt in zwei Räume, das ,Heilige' (mit Schaubrot· tisch, Räucheraltar und siebenarmigem Leuchter), und, davo n erneu t durch einen ,Vo rhang' l!] abgeschinm , das ,AUerheiligste'; darin befind et sich die Bundeslade. 58 Die Bundeslade wiederum beschinnt al s Schrein die zwei stei· ncrnen Gesetzestafeln, die Moses von Gon erhalten hatte. Somit ergibt sich das Prinzip einer dreifachen Hegung. D er Kenr des Heiligtums ist die Heilige Schrift. Zugleich wohnt an die ser SteUe GOtt - man könnte fast sagen, GOtt und Schrift gehen hier ineinander über. s'> G enau diese vom Finger Gones geschriebene Schrift al s Endpunkt und Ergebnis des Exod" jJJ ist aber das ,Revolutionäre' der jüdischen Religion,61 denn , wie bereits erwähnt, die Entscheidung fur das Medium der Schrift ist eine Entscheidung für die Abstrak tion im weite sten Sinne (i/bi/rahere: ab·/weg· ziehen). Am Ende des Exodm verl äßt die Wolke als Signum Gottes den Sinai und legt sich auf das Offenbarungszelr - und die Israeliten werden weiterzie· hen. Das heißt: Die jüdische Religion ist von nun an nicht mehr territorial gebunden (etwa an den Sinai als SchweUe zu Gort). D urch den Erhalt der Ge· serzesrafeJn kann das Volk die Schrift/ Gott von nun an mit sich führen .62 ~
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Vgl. zur T opographie des Heiligtums WEBER. Dno: ß/1JelkJmdt du AI!tn TtJlamm!!. Ham burg: Furche 1959, S. 90ff. Vgl. zur Nähe von Gon und Schrift, die in der Kabbala sogar bis zur Idenririil gehen kann, IDEL, ~" os h e: ,,,Schwarzes Feuer auf weißem Feuer.' T exi und Le krüre in der jüdischen Tradidon." In: Trxte 11m! Uhu"n. PmpdeJi/!tn in der l..iteratllfll üJenJCbajl. Hrsg. von AJe.ida Assmann. Frankfu rt / ~ I .: rischer 1996, S. 29-46, hier S. 3Off.
W
Vgl. ZENGER, Erich: ,,\X/ie und wozu die Tora zum Sinai kam. u t" ernrischc und theologische Beobachtungen zu Exodus 19-34." In: SINdiu in !!Je ßook of E ,-otfll!. Rrdarlion, RmpHon, Inttrprt/a!ion. Hrsg. \'on ~-larc Ven 'enne. Lcu\'cn: LUI> 1996. S. 265-288. Zenger zeigt, daß die absteigende G ommmirte.lbarkeit vom Dekalog bis hin zu den Einzchorot bereits am Sinai die Dialektik "on Geheimnis und Auslegung konstintiert.
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Ich beschränke mich hier auf die strukrurclle-symbolische Analyse, dennoch sei die zeitliche Lokalisierung zumindest angedeutet. Der beschriebene Zusammenhang der Überwindung des Po lytheismus und der Durchser.wng des einen Buchs find et im 6. Jahrhundert start. Esra, den man in de r zweiten Hälfte des 5. J ahrh underts einordnet, ist der erste Jude, der als softr bezeichnet wird. VgL zu diesem Ko mplex LANG, ß emhard: "Vom Propheten zum Schriftgelehnen. Charismatische Auto rität im rrilhjudenrum." In: Tht%gtn 11m! Tluologitn in /'trscbirdenen f<.pllurlutim:: H rsg. \'on Heinrich \'o n Stietencron. D üsse.ldo rf: Paunos 1986, S. 89- 114. Eine kompakte Ubcrsicht bietet SOIAEDER, Hans Heinrich: Esro dtr Sfhrtibtr. T übingen: Mohr
1930. C
Bereits Hcine sprach von der hebräischen Bibel als ,portari"el1l Vaterland' der Juden: ,'gi. C R OS E.MM'~N, Frank: " Das ,pon adve Vaterla nd'. Strukrur und Genese des alttestamendichen Kanons." In: Knnon find Zensur. Btitriil/ zur Arrhäolo§·e der fitrron'Sfhen KONl",unileafion, 2. H rsg. von Alcida und Jan Assmann. München: Fink 1987, S. 63-79. Das ,transponable Heiligtum' entspricht dem nomadischen Umher.r.iehen der Israeliten; vgI.RENDTORFF, Rolf: Da; Alle Tu/amrnl. Einr Einfolmmg. 3., durchges. Auf]. Neukirchen: Neukirchener 1988, S. 21 und S. 99. D aß das Offenbarungsze.lt und der spätere salomo nische T empel eine analoge Topographie besitzen, deutet darauf hin, daß die ErJ:ählung von der ,Stifts hütte' dem salomonischen Heiligtum einen mythischen Ursprung [V. I) verleihen soU, der es legirimicct; \'gl. dazu D IEBNER, ß emd J örg: "Gones Welt, Moses Zelt und das salomonische Heilignun." In: u rlio diffinlior probabifior? L 'rxight t::..piritna de ditloisonntmrnl. Mikm!,u ojforl! 0 Fran{oiJe
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Dadurch wird vor dem Seßhaftwerden, vor der Überquerung des J o rdan, die Idee des Religiösen ..ins Imaginäre und Geistige transfo rmiert, so daß ein ,geistiges Israel' enrsteht, das überall do rt stanfinden kann, wo eine G ruppe zusammenko mmt, um im Srudium der heiligen T ex te die Erinnerung daran zu beleben.,,63 Das D euterono mium verstärkt diesen Z usammenhang, indem Moses die T o ra kano nisiert und ihre rurnusmäßige Ve desung dekretiert. Damit wird die heilige SclmJt endgültig zum Kernmedium des jüdi schen G laubens . zementJert. D ie jüdische Relig;on ist dadurch zur Schriftrrligion schlechthin geworden und besitzt so den Vorteil der Mobilität. Im Gegensatz zu anderen Religio nen reduziert sie die Abhängigkeit von terri rorial festgelegten Kuh o rten und heiligen Stätten sehr weitgehend; sie fmd et ganz ein fac h dort statt, wo das heilige Schri ftrum ausgclebl'f wird. Vennuruch verdankt dic Religion jüdisch-christli cher Ausprägung dem Schri ftmedium ihre Ko ntinuität, die im krassen Gegensatz steht zu nicht-schriftlichen antiken Kulten: " mit der Zerstö rung ihrer Heiligtümer sind diese Mysterien allesamt rasch und schlicht verschwunden."64 Diesen Vo rteil erkauft sie sich mit dem N achteil eines weitgehenden Verzichts auf Anschaulichkeit. D ie jüdische Religion wird stCts den ,Verlockungen der Ikonizität' ausgesetzt bleiben. Und gcnau aus diesem G runde enrwickeh sie al s Gegenprogramm zur Vetflihnmg der Obetjlikhe die Vtrjiihnmg dllrch die 'li"rft. Die Schrift wird hier zum Leitmedium einer Vtrlorh mg des GeheillmisstJ. D ie Schri ft ist per sc ein mysteriöses Medium, ..die Schrift (lfI sirh ist heHig."6s " All e Völker der Erde wahren den Schri ftzeichen gegenüber eine gewisse überirdische Scheu, die oft mit einem magi schen Wunderglauben ver(Juickt ist. D ie Lettern der Schrift l... ] strahJen mit ei nem G lo rienschei n von HeiHg keit. Mystik, Weihe und Magic."66 Das gilt aber vo r alJem aber im a\m rientalischen Ko m cx t: D en Sc hreibern muß d ie außerordentlic h e Macht, über die sie a ls Leser \"o n T exten ver fUgten, bewußt g ewese n se in , u nd sie h ü te te n dieses P ri vileg wie ihre n A ugap fel. Die m e iste n m eso p o tamisch en Sc hreiber beende ten ihre T ex te
Smylh·FkJrm/in. Hrsg. \'o n Tho mas Rö mer. Heidclbcrg: Esprint 199 1 (= Diclshcimer Blätler zwn Alten T estament, Ikiheft 12), S. 127· 154. Selbstvers tändlich b leibl der N ucleus bcider Heiligtümer die Schrift. Da heide Heiligtümer wiederum den Aufbau des Kosmos (nach Gen 1· 2,3) abbilden (vgl. Diebner), iSI die Schrift quasi das Zentrum der Welt. " ASS~L\NN, J an: Das kMllltrrlk Gtdörb/n1s. Schrif t, E n'nnmmg lind pclitiJ(ht /tk n/i/öl in jriihtn HtKh· kM/lllrtn. 2. Aufl. i\-IÜflchen: Bcck 1997, S. 213. .. BURKERT, Waller: Antih I\·ljlltritn. Flln!e/ionrn lind Gthall. Munchen: Ikck 199 1, S. 55. 61
HEILER, Friedrich: Ersd,tinllngsjonnrn lind Ifl'm n dtr PJligion. SlUngan: Kohlhammer 196 1.
S.34O. (0(,
MIESES, Manhias: Dit GtJtl!r! du S(hriftgtffhifhlt. Konfusion lind Sfhrift illl lJbrn dtr Vi//Ju r. Wien. Leipzig: Brawnüller 1919, S. 39 1. Mieses verweist auch darauf, daß Laicnrc1igioncn im Vergleich zu Prieslerreligio nen über eine höhere Kulrurbreite \·erfligen; "gI. ebd., S. 365ff.
\ 72
mit diesem Kolophon: "Mögen die Weisen die Weisen lehren, auf daß die Un-
wissenden unwissend bleiben ...67 ,Schreiben' und ,Lesen' sind geheime Künste, die göttliche Schrift in der Bundeslade ist ein heiliges Objekt. 68 Das Medium der Schrift setzi die Existenz einer geistigen Elite voraus, welche diese ge heimen Medienrechnologien beherrscht, und vennuclich beziehen viele biblische Schriften scho n aus diesem Aspekt ihre ,weisheidiche Note'.69 Dadurch wird die jüdische Religion zur Geburtsstäne einer T extpflege, in der sich elitäre, in die ,Schriftmagie' eingeweihle Sc hreiber der Geheimkunsr der Überlieferungsarbeit widmen ...D a die Heilige Schrift von Gon komm l, enth ält sie aUe seine Geheimnisse, hat sie eine n abso luten \'\fert, enthält sie Lehren, die rur alle Zeiten gültig sind."7'O Dementsprechend sprach schon Max \'\feber von der " charismati schen Aurarirät der rabbinischen Lehrer"." Es verwundert also nich t, daß die jüdische Religion d ie L.ekrure des Midrasch al s Rezeptio nsweise des ,Suchens' und ,Forschens' in der Tiefe der Schrift erfmdet. Der EXQdm iSI damit nicht nur ein Mythos des Geheimnisses , er wird dadurch auc h al s Chiffre für die unendliche Tiefe der göttlichen Schrift lesbar. Denn ab jetzt ist es die Schrift, die das ,Tor zum Himmel', die Schwelle zur Transzendenz ist. Es ist die Schrift, die eine Hiera rchie der Eingeultihlen, also ,Schriftgelehrte' erfo rdert. Es iSI die Schrift, welche die unendliche Dialektik der O ffenbarung und Verbergung, die unendliche Aufgabe der Auslegung erze ugt.
2. Der Reiz der Tiefe (A UGUST I US) D er Tendenz nach liegt der rsprung der Ähnlichkeit in der Kunst, der Ursprung des Geheimnisses dagegen in der Religion. Auch in der griechischen Antike entwic kelten sich im G ravitationsfeld der Götterverehrung emphati61 i>,'L\NGUEI., 61
Albcrto: Eint Gnfhifhle dtl LtJtIlJ. Rowohlr: Rcinbek 2000,
S.
213.
Vgl. GOOD\'. J.ack und l.an WA1T: " Konsequenzen der üteralir.äI," In: J. G., I. W. und K:nhlttn Gough: EIIII/,hNng Nlld Fo/gm tkr SthrijtkN//Nr. Fr:mkfuct/ M.: Suhrkarnp 1991, S. 63-122, hier S. 82
., Vgl. Rr:..'\lDTORFF, Rolf: DflJ AI/t 'rn /(lmtn/. Eint Ei"ftibnmg. 3., durchges. Aun. Neukirchen: Neukirchener 1988. Vgl. ferner zur Geschichte des jiidischen Schreibers FlSHBANE., Mich.acl: Biblifot lnlltprtl(lfion in Andtnf fIrmt. Oxforf: Clarcndon 1985. S. 23-43. 1'0
71
RODERT. Andre und Andre FEUILLET (Hrsg.): EinltilNng ill die I-ltiligt Sd"ift. Bel. 1-2. Wien, Frciburg, Basel: Herder 1963. Bd. 1: A/Igtmtint EinkilNlIgifrogtn Nnd AI/tl Ttl/(lHun/, S. 173. Vgl. LANG, Bemhard: .,Vom Propheten zwn Schriftgelehrten. Charismacische Autorität im Frühjudentum." In: T~/Ql!n NndTht%gitll ;1I ~,tr1fhitdtntn JVtIINr/uriJtn. Hrsg. \'on Heinrich \'on Scietencron. Dlisscldorf: Pumos 1986, S. 109.
173
sehe Vorstellungen des Geheimnisses. Von hier stammen dann auch die Bezeichnungen aus dem \Vorrfcld des n()slerion: Der n()sles ist der E ingeweihte, !/D·tin bedeutet ,einweihen'. In der ahgriechischen Religion gibt es um das !/D'slerion Kulte, die über durchaus vergleichbare Elemente des Geheimnisses verfUgen wie der Exodus. Sprichwörtlich sind hier die elmsinisrhen MJ'sten'en; E leusis ist neben Delphi der griechische O rt größter religiöser Ausstrahlungen. D ie Mys terien praktizieren einerseits das Prinzip der Hegung, und in ihrem heiligen Bezirk be find et sich eine große Hö hle (Titft), welche als E ingang zu Unte rwelt und so mit als Schwelle zur göttlichen Sphäre gik D ie Mysterien verfUgen ferner über eine Hierarchie von Priestern sowie Riruale der E inweihung (nryesis) und charnkterisieren sich d urch ein Schweigegebot, dessen Bruch um er Umständen mit de,r T odess rrnfe geahndet wird. D ie griechischen Mysterien besir/.en auch Heilige Schriften, aber diese sind in keiner Weise mit der Do minanz der T o ra in Israel vergleichbar. Die griechische T endenz zum ßildmedium zeigt sich eben darin , daß Kultbilder (und dadurch die IIJillJesi s und die Programmatik der Ähnlichkeit) auch in den Mysterien ihren Platz han en und sich das Sc hriftmedium nie wie in Israd durchsetzen konnte. 72 Und der griechischen !/!Jsles wird zum rpoptes, der das Heilige in o bjektiver Form sicht - ein klarer Gegensatz zum unendLchen G eheimnis der jüdischen ReLigio n.n Ein zweiter Ko mplex des griechischen Geheimnisses entfaltet sich um das O rnkeL7-4 Auch hier sei das Auftreten der dargestell ten Ko nfiguration des G eheimnisses kurz edäUlert. Die meisten Orakel verfugen über ein en abgegre nzte n ß ezirk, dieser wird /tllJfflOS genannt. Auch hie r wird der Z ugang durch Reinigungsrüen und Ta bus gcn:gclt. D as Heiligtum in Dclphi verfügt sogar über ein Allerheiligs tes, das atfytofl. Hier befind c[ sich dann auch die entscheidende Schwelle, al so der E rd spah (Tiefe!), aus dem Dämp fe strö men, we lche die P}'thia in Trance versetzen und den E mp fang der gö ttlichen Botschaften er-
"2
1)
Siehc zu den Eleusinischen Mysterien vor allem BURKERT, Waller. A ntih Alyslm'rn, FNnletionrn Nnd Gthalt. r.,-Iünchen: Beck 199 1; zum Status der logoi in den Mysterien s. S. 60; G IEREI.. r>.b rion: DaJ Gtht;mnis dtr AlyJltrirn. AnM!.t Kultr in Gnrfhtnlflfld, Rom lind Ag,plm. D üsseldorf, Z ürich: Anemis & \'\hnkJcr 2000 [19901. zu Eleusis S. 17-54; ferner ScHEFFER, 111assilo von: Nil/mis(be Mysltrim Nnd Orahl Stuugan : Spcmann 1940, zur Begündung aller Religionen in Kulten des Mysteriums 7ff., zu Eleusis S. 24-70; vgl. zur Soziologie des griechischen Geheimnisses in Mysterien, Religion und Theater die Beiträge aus dem Band KIPI'ENBERG, Hans G. und G uy B. STROUMSA (Hrsg.): Srm'.] olld U)fI(folmtllt. SINmu in Jht HiJIOry ojMulilr"'Dnro/f ond Ntor EaJlem & 1;g;ollJ. Leiden ct al. : Brill 1995. VgL HAAS, ,\lois Maria: "Was ist Mystik?" In: Abtlfdkindisdx M,JJtii!. ;m Milldollrr. Spllposion Kloster Engelbcn 1984. !-I ng. \'on Kun Ruh. Stuflgan : Metzler 1986, S. 319·341 . hier S. 323.
7~ Der folgende Abs:u:z ist weitgehend akkumuliert aus der neuen r.,·lonographie ROSEN BERGER,
Veit: Gn'uhisdlt Orahl Eint KuIIN'l,fHhithlt. Dannsudt: \Viss. Buchgcs. 200 1. Vgl. ferner EITRE:\!, $amson: Oralerl lind AI,JJttritll om AJlJgong d" A nliJu. Zürich: Rhein-Verlag t 947. Z ur ßc.riicksichtigung auch archäolob>1Scher Forschungen s. MAASS. Michael: DoJ (lIItiJu Ddpbi. Oralu/, Sfhii l'?! lind Momlllltnit. Da.nnstadr: \Viss. Buchges. 1993 und den, (I-I ng.): Drlphi, Oralut 0'" N ohtt drr 117tll. AussteUungskatalog des Badischen Landesmuseums. Sigmaringen: Thorbccke 1996.
174
möglichen. Diese Erdspalte des berühmtesten griechischen O rakels, das in weidäufigs ten Quellen immer wieder bezeugt ist, hat es imeressanterweise nach umfangreichen geologischen und archäologischen Untersuchungen nie gegeben (man darf den Schleier eben nicht lüften ...). Interessant ist aber auch ein weiteres Requi sit des AUerheiligsten, und zwar ein konischer Stein, der oll/pb%s (N abel); die Schwelle zu Gott befindet sich also am ,Zentrum der Wel t' . Auch die Orakel ver füge n über Eingeweihte, welche den götdichen Nachrichtenverkehr regeln. In Delphi ist die Pythia die höchste Eingeweihte; neben ihr gibt es eine Rangordnung von Priestern, die eine Kommentierungsfunktion auszuüben scheinen. So wird angenommen, daß die propheles genannten Priester die Sprüche der Pythia auslegen. D er geheimnisvolle Charakter der \'\1eissagungen und die Schwierigkeit ihrer Deutung sind durchgehende Kennzeichen der Orakel. Bekannt ist folge nde Äußerung Heraklits (6. Jh.) über Apollon: " Der Herrscher, dem das Orakel in Delphi gehört, verkündet nichts un d verbirgt nichts, sondern er deutet nur an ...75 Es ist gerade die Unverständ lichkeit der Botscha ften, welche die göttliche Herkunft verbürgt: "Zeichen des Übergangs von der göttlichen in die menschliche Sphäre ist die D unkelheit des Orakelspruchs, das heißt der Punkt, wo sich das Wort als rätselhaft manifestiert und damit seine Herkunft aus einer unbekannten Welt verrät."76 Ferner läßt sich eine enge Verbindung der Orakel mir dem Prinzip der Sc hrifdichkeit nachweisen, und wenn man so will, bes teh, eine Verbind ung zwischen dem Orakel und der Dich tung: "Nac h griechischer Vorstell ung war der Hexameter in Delphi erfunden worden, um Prophezeiungen in eine Fonn zu gieße n."n Die Programmatik des Geheimnisses konnte die griechische Kultur jedoch nie so durchdringen, wie das im Judentum der FaIJ war. D ie Israeliten werden geradezu beherrscht von der Vorstellung eines unergründlichen Gottes, seiner geheimnisvollen Sclbstoffenbarung in der Schrift und der verbleibenden Aufgabe ihrer Auslegung. Die griechischen Geheimnisse sind dagegen, zumindes t der Tendenz nach, endlich. 78 Man hat eine Frage und das Orakel allfworter; möglicherweise legt man die Anrwort falsch aus, aber den ,wahren' Kern des Geheimnisses wird die Zukunft dann enthüllen - und damit ist das Geheimnis beendet. 7~ CAPELLE,
\X' i1hdm (H rsg.): Die VotJ'Okrotiktr. Die Frogmmle und Qudlmbttithl'. Snmgan: Kröner 1968, S. 138 931.
76
rrr.
COLl.l , Giorgio: Die Gebllrt dn- PhiloJophie. Frankfurr/ r-.-t.: Europäische Verlagsanstalt 198 1,
S. 4 t . " ROSENBERGER, Vdr: Gri"hiJdn üraktl Eine I<u'l!Hhkhtr. Darmsradt: Wiss. Buchges. 2001,
S. 173. 18
E ine ähnliche Einschätzung der griechischen Auffassung des Geheimnisses finder sich in der Skizze ASSMA.t' lN, Aleida und J an: " Die E rfind ung des Gchell1ll1isses durch die Neugier ." In: Schl,irr lind S{hult"t. Hrsg vo n Aleida und Jan Assmann. ßd. 3: GtlximniJ und Ntu§trfk München: Fink 1999,S. 7- 1 I, hier S. 7.
175
Dieses Muster entspricht den beiden bekanntesten Überlieferung zum Orakel; Herodot erzählt in seinen Histories Apodexis (- 440-420 v. Chr.) die tragische Geschichte der ApolIonorakel an den Lyderkö nig Kroesus, welche dieser auf fatale Weise fehldeutet und dadurch den Untergang seines Königreichs herbeiführt. 79 Diese Endlichkeit des G eheimnisses illustriert auch Oi4JrPliS Tyrat1!1os des Sophokles (- 430-425 v. Chr.). Hier geht es bekanndich um ein Ensemble von Orakeln und Weissagungen, welches sich der D eutung ve rschließt. Ödipus scheint als derjenige, der zuvor das Rätsel der Sphinx gelÖSt hane, besonders qualifiziert, und findet dann auch die (tragische) Lösung des Rätsels - womit das Theaterstück dann auch abschließt. Diese Reduktio nssrufe, bei welcher das Geheimnis nach Abschluß der Rezeptionshandlung ,gelüftet' ist, nenne ich endliclJe GelJeJi,misse; ich komme darauf ausführlich zurück
[111.4/5). Die Griechen entwickeln demgemäß zwar Vorste ll ungen von einer (tragi schen) Unabwendbarkeit des Schicksals, und sie verfUge n in ihren Kulten auch über emph atische Lektüren des Geheimni sses, aber das Geheimnis besitzt für sie nicht die existentielle Bedeurung und Bedrohlic hkeir wie die des jüdischen Gortes. In Griechenland ist es möglich , Geheimnisse zu lüften, man kann unter Umständen sObrar einmal - undenkbar in Israel! - einen Blick ,unrer den Schleier' wagen. Zwei Beispiele aus vielen seien genannt. In Homers Otfyssu ist der Gesang der Sirenen deshalb auf rodbringende Weise verloc kend, weil sie über ,absolutes Wissen' verfügen: "U ns ist alles bekannt 1...1/ Alles, was irgend geschieht auf der lebensschenkenden Erde."1lO Aus diesem Grund ist es tödlich, den Gesang der Sirenen zu hören, diese sind "von aufgehäu ftem Gebeine / Modernder Men schen umringt und ausgetrockneten I-I äuten." St Während für Israel der Blick in das Angesicht der Wahrheit unvorste llbar isr, wird Odysseus dem Gesang der Sirenen lauschen, er wagt quasi den ,Blick unter den Schleier', und das nicht etwa, weil er (wie Moses) von ,GOrt' dazu aurorisi.e rt ist. Ganz im Gegemeil ,trick st' er die Sirenen aus, indem er sich an den Mast seines Sc hiffes binden läßt. Das zweite Beispiel ist noch plakativer; in Platons ,Hö hlengleic hni s' wird die Schau der ,absolutcn \Wahrhcit' im Bild des Verlassens einer Hö hJe gezeichnet. Von einer ,Ehrfurcht', der ,Sonne' als der ,Idee des Guten' direkt ins ,A ngesicht' zu schauen, ist hi er nirgendwo die Rede: .. Zulerzt aber [...] wird er auch die Sonne selbsr l...J anzusehen und zu betrachten imstande sein."82
1')
I-I ERODOT: HiJloritn. Griechisch-deUlsch. Hrsg. von Jo sef Feu . München: Heimeran t 980.
Die Geschichte \"on Kroes us Sicht im Zentrum des ersten Buches; vgl. vor allem Kapitcl88-91. 80
1-I0 ;-'IER: !liO!. Ot!J!!u. München: dtv 1979, $. 604 [Ot!J!!tt XJ I, 189].
81
Ebd., S. 602]Odysscc XII , 44f.j.
8Z Pu.,TON: IVtrkt. G riechisch und deutsch. Hrsg. von Gnthcr Eigler. übers. \'on Friedrich D.
E. Schlciermacher. Bd. 1·8. Darmstadr: Wiss. Buchgcs. 1990. Bel. 4, S. 559
516bl·
176
I
56 1 !pali/rio,
Möglicherweise ist es diese hannlose und aus jüdischer Sicht respekclose Fassung des Geheimnisses, welche die E ntstehung der notorischen griechischen Jf/ißbtgierdt gestauet (der Begriff ,neugierig' ist im eigentlichen Sinne falsch [111. 4]); die G riechen bezeichneten sich ja selbst als phi/oHm/heI. So entsteht rur Colli die Philosophie aus der kultureUen Fassung des Verborgenen, wie sie in Griechenland an zutreffen war: "Noch in archaischer Zeit trennt sich das Rätsel immer weiter von der göttlichen Sphäre, aus der es scammr, um mehr und mehr zum Gegenstand eines menschlichen Kampfes um die \X1eisheit zu werden. "S3 Die vie1beschworene Überwindung des nry'hos durch den logos der griechischen ,Wissenschaft' entspricht durchaus diesem vorwitzib,'Cn Blick unter den Schleier. Die Geschichre dieser Wißbegierde hat Blumenberg in Der Pro~ß der Ihtorttiuhen N eugierde umfassend dargesreUt. Schon die Vorsokratiker beginnen mit rationalen Spekulationen über die Gestirne (als dem ,höchsten' und traditionell numinosen Gegenstandsbereich der \'(Iel t). Spätestens bei Soknues schälen sich dann zwei grundsätzlich verschiedene Fo rmen im Umgang mit dem Geheimnis heraus. Ab jetzt wird es die eine Sphäre des autonom menschlichen Wissens geben; überschreitet man diesen Bereich, gelangt man in das Reich des Myst.eriösen. " Entscheidungen, die auf das Ungewisse und Unwißbare gerichtet seien, erforden en die Hilfe der Mantik, die Befragung des O rakels; aber wahnwitzig sei es, das O rakel in Dingen zu befragen, zu deren Beurteilung die Götter den Menschen eigene Fähigkeiten verliehen hatten. ,,804 Damit setzt sich eine Differe nzierung durch: Es gi bt einerseits dem Menschen zUb>"ängliche, anderersei ts dem Menschen entzogene gö ttliche G eheimnisse. In der ein en, protowi ssenschaftlich en Fa ssung wird man sich fortan sa chbezogen darum bemühen, verbo rgenes \'(Iissen aufzudecken. Es koexistien jedoch eine Sphäre des Numinosen im Kult, welche weiterhin eine tmphatiSfhe Fassung des Geheimnisses reproduziert. Aus dieser Konstellation erwächst zwangsläufig die Frage, ob die sich den Naturgeheimni ssen zuwendende \'(Iißbegierde des Forschers die Sphäre der Religion verletzt. Die Theorie weist das zurück ; programmatisch ist die berühmte Aussage des Ari stOteIes zu Beginn der Mt/apl?Jsik: "Alle Menschen strebcn von Natur aus nach Wissen."ss Aber scho n zur Ze it des Aristoteles steIIr sich die Fragc. ob die menschliche Neugierde dabei unerlaubterweise in
&l
COIJJ. Giorgio: Dir GtbNrI tkr PhiwJOphit. Frankfun/ l\l.: Europiischt: Vt:rlagsansralt 1981, s. 49. Colli vt:rfolgt in diesem lt:$(;nswenen Text dit: Arehäologit: dt:s gri« hiseht:n GeheimnisS(;s \'on S(;int:n Anfangen im ,göttlichen Wllhnsinn' der Seher und dem minoiseht:n Labyrimh bis hin zu sdner Absorption durch die: vOr'S olcrarisehe Dialektik. Am Endpunkt dieser Bewegung steht da nn Platons Philosophie.
801
BLUMENBERG, Hans: Dtr Prot!ß lltr Ihtorrlisrhtn Ntl/l /mlt. Frankfun1M.: Suhrkamp 1980, S.27 .
•~ ARISTOTELES: Mrll1pJqJiIt.. Hrsg. und übc:rs. von Friedrich Basst:ngc:. Bedin: Aufbau 1960,
S. 17 19so.l. 177
einen E rkennmisvorbehalt des Gönlichen cindringt.86 Damit ist ein Kräfrefeld d e fini e rt~ au f dem sich in den nächsten J ahrhunderten (und eige ndich bis heu· te) ei ne Auseinandersetzung darüber em falren wird , wie weit sich die inrellekruelle \X/ißbegierde vo rwagen darf, o hne dabei gö tdiche Erkenntnisvo rrechte zu verl etzen. Bereits Epikur schätzt die eugierde skeptisch ein, Cicero sic ht in der Verbo rgenheit bestimmter Weltanteile einen ,natürlich en Sinn': " In der Ve rbo rgenheit der res obmmlt für die menschliche Einsicht liegt eine An narürlicher Vor.l:eichnung des Spielraums, auf den der Erkennrniswille durch die praktische Vernunft eingeschränkt bleiben so ll ."87 Z unehmend macht sich jedoch der Einfluß theologischer Argumente bemerkbar, wie beispiel sweise durch den jüdisch-hellenistischen Philo von Alex and ria, der klar " Gones Hoheitsrecht über das Geheimnis seiner Schö p fung" herausstellt. Gott hat den Menschen "als letztes der Geschöpfe" geschaffen, weil " der Mensch nicht Zeuge des Schö pfungswe rks und seiner Geheimnisse werden durfte."ss Die emph ati sche Fassung des jüdischen (und später chrisdi ehen) Geheimnisses f:1.delr sich hier allmählich in die abendländische Traditio n ein und wendet sich klar gegen die wi ssenschafdiche Neugierde. Der Paradigmawechsel, den Blumenberg darstellt, liegt darin, daß "die griechische Vorstellung des Sich-Ztigerl1 der Dinge" von der Vo rsreUung ihres gönlichen "Gtifigl. lY/mltnl' in Prage gestellt wird." Exakt an dieser Kreuzung der antiken Neugierde brriechi scher Provenie nz und des Geheimnisses jüdisch-chri stlicher Herkunft sleht Augusti nus. Seine Amalgamierung dieser beiden Stränge wird fü r das nächste Jahrtausend des euro päischen Mittcl ahers ei ne maßgebliche Ro Ue spielen. ßlumenbcrgs E inschätzung ist diesbezüglich eindeutig. Das Kapitel zu AUf,'Ustinus trägt die Überschri ft: A llfntlhmt der i'Jtltgierdt in den UISltrletll"/og. Und tatsächlic h ist Auf,'Uscinus' Verdammung der r11r1osiltls geradez u sprichwö rtlich, N achweise find en sich zuhauf. Ein Beispiel, das sich an die Argumentatio n von Philo anschlie-
ßen läß" \'(lohlan, ich antworte dem, der da fragt: ,,\'.;l as rat Gott, bevor er Himmel und Erde schuf?" Ich antworte nicht mir dem Spaßwort, das einer, der Wuc hl der Frage ausweichend, erwidert haben soU: "Er hat Höllen hergerichtet fur Le ute, die so hohe Geheimnisse ergrübcln wollen lA /la smllanHblfs gehenlulJ parab(l~ . " Aber fa ssen und spaßen ist zweierlei. Nein, das ist meine Antwort nicht. Lieber
.. Vgl. BW Mf:-', 'BERG, Hans: Otf Pro~ ,",hton'üdxn NtN§"mIr. Frankfurt / t'oL Suhrkamp 1980. 17
S. 39. Ebd .. S. 70.
11
Ebd., S. 73.
I')
E bd .• S. 75.
178
gäbe ich zur Antwort: " W as ich n ich t weiß, d as weiß ich eben n icht INano
1110d
nUDoj. ..90
D ie theoretische Neugierde 9i erweist sich als eine Rezeptionsweise, die Geheimnisse ergründen will, welche Gort vorbehalten sind, die Clm·osiltls ist demnach eine Sünde. Im Falle der obigen TextsteUe steht in der lateini schen Fas sung nicht ,Geheimnis', sondern der Begriff der ,Tiefe' oder ,H öhe' (alllls). Die ,Höhe' konvergiert dabei tendenziell mit der ,Tiefe' in dem Sinne, daß sie auch ein ,dahinrer', eine ,Überschreirung' anzeigt. Wie im ExodllI im Falle des Sin ai hat das göttliche Geheimni s seinen Sitz zumeist auf Bergen oder im Himmel. Auch in Platons Pbllidros wird der Beschauer von Geheimnissen an einen " überhimmlischen O rt,m (hyperollmnion lopon) ge füh rt. Dementsprechend unterliegt auch der sprichwörtliche ,Gri ff nach den Sternen' demselben Prinzip wie die Rezep cionsweisen der Tiefe. Die (",iosilas, der neugierige G riff nach den göttlichen Geheimnissen, wird in den Bekennlnissen autobiographisc h als Abirren vom rechten \'\feg dargestellt. Sie wird in einen Kontex t von einander übersteigernden Leseweisen ges tell t, die sich aUe dadurch kennzeichnen, daß sie auf etwas Verborgenes ausgreifen und sich dabei in gefahrliehe Tiefen verstricken. Die (onftssiones als userbiogmpbi;>3 beginnen als Irrfah rt, und zwar mit den Irr fahrten (em ru) des Aenea s, also dem wohl wirkungsmächtigsten Text der römischen Antike, mit dem f oku s auf die berü hm te Liebesgeschichte zwischen D ido und Ae neas. Im wesentlichen bedauert Augusrinus, daß er für einen Betrug Tränen geweint hat: " Was wäre auch erbärmlicher als solch ein Erbännlicher o hne E rbarmen mit sich selbst, der Tränen hat lflellleJ fü r den Tod einer Dido l...J und nicht Tränen hat bei de m Tod, den er stirbt, weil er Dich nicht liebte, GOrt" - denn es handel t sich um eine " Verblendung" (tmry, um Nic htigkeiten (inania), die nicht wahr (vemlll) sind , aJ so um gesponnenes Gefabel (texem lales fabe/las) und dichterische f iktionen (jiglllenlon,," poeliconllll).94 Später verf.'illt Augustinus der äußerlichen Augenlust des Theaters, es ist "voUdes Zunders für meine Brunst"95. Mit dem T heater korrespondien übrigens die Episode eines freu ndes von Augustinus, der den G ladiarorenspielen !JO
AUGUSTINUS, Aurelius: ßtlunnlnissr. Lateinisch und deutsc h. Übers. von Joseph Bemhard. Frankfun/ M.: Insel 1987, S. 623/ 625 [XI , 12]. Vgl. daz u auch J esus Sirach 3, 20-22 sowie Ko helet 3, 11.
91
Richtiger ist die Bezeichnung "Wißbegierde" , da die antike t'JIr7onll1J dem Unbdeann!tn gilt. D ie Begierde nach dem NtNtn ist dagegen ein gen uin neuzeitliches Phänomen (111 . 4).
~~ P UTON: [Y/trkt. Griechisch und deutsch. Hrsg. von Gmhcr Eigler, übcrs. vo n Friedrich
D . E. Schleiermacher. Bel. 1-8. Dannstadt; Wiss. Buc hges. 1990. Bd. 5, S. 77 [phaidroJ, 247c] . 91
Vgl. dazu sehr ausführlich STOCK, Brian: AlIgNJlint Im RLadrr. Mtditalion, St!fKnou:lt dgt (lIId !m Elhia 0/ Inlr'Prr!a!ion. Cambridge / ~-la ss., London: Belknap 1996, $. 23- 122.
".. A UGUS11NUS. Aurelius: & klmlfniJJt. Lateinisch wld dcutsch. Übers. vo n Joscph Bernhard. Frankfurt / M.: Insel 1987, S. 42 - S. 54 11 . 12- 17]. ~
Ebd., S. 99 [111 , 2].
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im Zirkus verfallen ist; dieser Alypius ist in einer " tiefen Grube [ex jOllea /(1", alltI], worein er wohlig sich haue sinken lassen, um eine wunderlich urnnach tende Lust zu genießen",96 Auguscinus wird dann durch eine Cicero-Lektüre zu RhetOrik,?1 Philosophie und äußerlicher Schönheit verführt: "zu dieser Liebe entflammte mich jene Schrift",?8 Danach erfolgt ein Kontakt mit der Bibel - interessanterweise also nach der rhetOrisch-philosophischen ,Initiation', Dementsprechend weist er den niedrigen Stil dieses Textes zurück: " mein geschwelltes Pathos sträubte sich wider ihre unsc heinbare Weise",99 Die anfolgenden philosophischen LekfÜren werden in der Retrospektive gebrandmarkt a1 s Konsum der Ilielen Texte, die Schein sta rt Sein bieten: Die " vielen großmächtigen Büchern [Iibn's IIudlis el ingenlibJls)" erscheinen als "scheinschöne Attrappen IPhanlaslJ/ala splendida]" ,lOo Auguscinus verfallt dann dem Irrweg des Manichäismus: " Wie ließ ich Stufe um Stufe mich hinabführen ,in die Tiefe de s Totenreich s< [in proflmda i'!fon]!" ,lol Augustinus wird danach von Beruf RhetOr, verfaßt eine Schrift über die Schönheit, D eren Verlokkungen, später ebenfalls unter dem Thema .Augenlusr< subsumiert, werden wie folgt beschrieben: .. Und ich wanderte der Tiefe [in proflmdlll!l] zu [",]" ,102 Vor allem Manichäismus sowie die Gnosis und ihre Identifizierung von Erkenntnis und Erlösung, aber auch die Wißbegierde der Philosophie erscheinen aus der Retrospektive als gottloser Hochmut, als ilJ/pi(l mperbia: " Mit ihrem Verstande fo rschen sie nach diesen Dingen mit dem Sc harfsinn, den ihnen D u verliehen hast, und sie haben auch vieles cmdeckt, viele J ahre zuvor die Sonnen- und Mo ndfinsterni sse angekündigt",101 Wieder geh t es um die Übersc hreirung der ,Höhe', diesmal ge ko ppelt mir eine r Lichtmetapho rik: Die hochmütigen Philosophen, die nach den ,Sternen' greifen , erkennen nicht, daß nicht sie selbst das Licht sind, sondern daß sie ihre Erkenntnis dem göttlichen
'16
Ebd" S. 269 [Vl , 7].
'11
Auch Augustinus' wnfassenden rhelOrischen Kenntnisse machen ihn zwn Vennirtler zwischen Antike und Christentum; vgl. HARRISON, Carol: A ugllsh·nt. Chnsh"UlI T ruth and Frartllrtd HNmani!1. Oxford : DUr 2000, S. 1-114 ~ ,Chrisrianit}' and Classical Culture'1. Zur Augustinus' Imegration rheto rischer Kennmisse in den kirchlichen Ko ntext vgl. KURSA\VE. Barban1: Dort"', dtl(rla", mOlllft. Die ifJida oralons In; ANgush"nlls in Rhtfonle Nnd Gnadtnlthn. Paderbom et al.: Schöningh 2000.
96
AUGUSn NUS, Aurelius: Btklnnfnisst. Lateinisch und deutsch. übers. von Joseph Bemhard. Frankfun1M.: Insel 1987, S. 107 fll1 , 41.
" Ebd., 5. 1091111, SI. Ebd., 5. 111 1111,61. '" Ebd., 5. 11 5 1111,61. Ebd., S. 171 f1V, 13]; vgl. auch: "ich [...] suchte Dich draußen, außer mir, und da fand ich den ,G o n meines Her.tens' nicht. In ,r-,.·Ieerestiefe' IJ1rofllndlim manJj abgekommen, verlor ich das Veruauen und verzweifelte an aller Wahrheit." Ebd., S. 243 [VI , 11. Ebd., 5.195 IV, 31.
".
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Li cht verdanken,!04 " und während sie auf weite Z ukunft die Verfin sterung der Sonne vo rhersehen, sehen sie nicht die eigene Verfinsrerung".!05 E ine abschließende Synopse der auguscinischen Ablehnung der Cllriositns und ihrer Anmaßung, göttliche Geheimnisse ergründen zu wollen, d urch ~ leuchtet den Z usammenhang dieser Verirrungen: Es ist diese krankhafte Neugier (morbo atpiditalis], für die man im Theater [in speclomliJJ all die Sensationen l"'iracffloJ zeigr:. Sie ist es, die dazu verleitet, das Verborgene der Natur, die außer !pratluj uns ist, zu erforschen, das zu wissen für nichts gut ist l... ]. Von ihr auch rührt es her, wenn man in gleicher Absicht auf Aberwissen lPtnoer.rat saUllide] Fragen stellt durch Künste der Magie (arlts mogicos}. Von da her rührt es auch, wenn selbst in der Religion Gott versucht wird, indem man Zeichen und Wunder (s,:gr/o tl prod,:gio] fordert. I06
Augustinus hat also die cllriosi/os, die ursprünglich das Laster der \Xlißbegierde war, zu einem ganz allgemeinen Prin zip der Sünde veraIJgemeinert: Theater, Magie und sogar der Wunsch nach Wundern in der Religion, sie alle entsprin. gen dem schädlichen Prinzip der Neugierde. " Augustinus bezichtigt sich sogar selbst der verwerflichen Neugierde, wenn er mit Interesse einen Hasen an · sieht, der von einem Hund verfo lgt wird, oder eine Spinne, die Fliegen f.'ingt.,, 107 Im Licht dieser Stelle erscheint Auguscinus' Leserbiographie als Entw icklung einander übersch rei tender Cllriositos· Lektüren, vom Theater bis hin zur Phi· losophie.108 D abei oszilliert die zugnmdeliegende T opik. Einerseits sind die Irrwege schädliche Ausbrriffe in die ,Hö hc'/,Tiefe' dessen, ,das zu wissen für nich rs gut ist' . Hier lauert die Bedro hung eines " ungeheuerlkhen Waldes [la", i",,,,ensa si/voJ voll lauernder Gefahr"I09. Man droht, sich in der Tiefe zu ver· irren oder aus der Hö he zu fallen. Andererseits sind diese Ve rlockungen ,äußerlich' - Theater und Z irkus stehen kJ ar im Zusammenhang der oberflächlichen ,Augenlust' (conCl(piscentia
,.
Vgl. ß I.UME..'l BE.RG, Hans: Du Proi!ß der fheortfisrhtn NtNgimk Frankfun / t>.I.: Suhrkamp 1980, S. 104. Vgl. ferner AUGUSTINUS, Aurelius: BdUr/lIfmlSt. Lateinisch und deutsc h. Übers. \'o nJ oseph Bernhard. Frankfun / r..-t.: Insel 1987, S. 439 fIX, 41: "D e nn nic ht wir sind das ijchl, ,das jeden Me nsche n erleuchtet', sonde rn wir werden erleuchtet von D ir". AUGUSTINUS, Aurelius: Btkrm,fnissr. Lateinisch und deutsch. Übers. von Joseph Bemhard. Frankfun / M.: Insel 1987, S. 195 IV, 31 .
Ebd., $. 575 IX, 35). NEUMANN, Uwe: A NgNStiIlUS. Ham burg: Rowohh 1998, S. 121. 108
Vgl. auch BET rITIlN I, Maria: "Augus rin us in Kanhago, gleich eine m Roman." In: Die
,Confmiones' des ANgNsh·nNs t'tJn Hippo. Ei'ffiihnmgtn lind Intrrprrlotiontn Z" dtn drrii!hn Biindtrl. H rsg. \'on Narben Fischer und Com clius Meyer. Freiburg CI a1.: H erder 1998. S. 133· 164, sowie RAFFELT, Alben: ",Pie q uacrc rc.' Augusrins Weg de r Wa hrheitssuc he." Ebd., $. 199-240. 1(19
AUGUS11NUS, Aurdius: &ktnll fnim. La[einisch und deutsch. Übers. vo n J oscph Bc mhard. Frankfurt/ M.: Insel 1987, S. 575 [X, 351.
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oc,,/omlJl), und ebenso verhält es sich mit der Schönheü der Rhetorik . Auch die Wißbegierde will letztlich nur den Hochmut der Philosophen befriedigen. Die vermeintliche ,Tiefe' beziehungsweise ,Höhe', in die solche Lekrüren vo rdrin ~ gen, ist also bloß ein Trug. Das zeigt schön die fo lgende Ko mmentierung der manichäischen und philosophischen ilJlpitl S1(perbia: "Sie kennen diesen Weg nichr und dünken sich erhaben jexcelsosj und leuchtend [/l((idos1 wie die Sterne, und siehe, sie sind herabgestürzt [memn/j auf die Erde". HO Die hochmütige n Gelehrten vermeinen zwar, in die ,Hö he' des Geheimnisses vorzudringen, aber in IVirk/ichkeit fallen sie auf die Erde zurück. Ihre Tragik besteht darin, daß sie einerseits auf einen Trug der Tiefe / Höhe hineinfallen und zugleich blind sind für die echle Tiefe / Höhe - und zwar diejenige der H eiligen SchnJt. Aus~ gerecllllet den Gelehrten ersc heint die biblische Einfachheit, ihre h"/!Iili/m, als ,flach', und genau diese Schlichtheit ist es, welche die " Hochmütigen [sJlperbis] nkht heranläßt". D emgemäß erscheint sie auch dem ,verblendeten' Augusti~ nus zunäch st "unwürdig", " meine Sehkraft reichte nich t in ihr Inneres [inleno. raj hinein". 111 Genau von diesem Punkt aus kann Augustinus sein Gegenkonzepr der ,wahren Tiefe der Heiligen Schrift' gegenüber der Clfnosi/as und ihrem Zugriff auf den Trug der Tiefe in Position bringen. Nach der ,Überwindung' de r faI ~ sehen Rezeptio nsweisen stellen die folgenden Ausführungen die theoreti sche Pundierung ein er Leseweise vor, welche über mehr als tause ndj ahre die euro ~ päische Tradition dominieren wird: Die COf!ftssiones sind das GründungsdokJ,,"en/ der (hrist/ich~(lbel/d/iindischel/ Lesekll/tlfr. 11 2 D ie Peripctie der augustinischen Lcscr~ biographie findet im fü nften Buch statt, also genau im Ze ntrum dc r neun ß ü ~ eher, welche Augus tinus' Leben und Lesen nac hzeichnen. D er Wendepunkt ist Augustinus' Begegnung mit dem Mailänder Bischof Ambrosius. Ambrosius wird Augustinus mir einer neue Technik der Lektüre vertraut machen , der Al/egoreselU , einem Prinzip, das man heute auch als IJoppelcodienmil4 bezeich~
,,"
Ebd., S. 197 pli , 31.
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Ebd. 109 pli , SI.
1I~
Vgl. STOCK, Brian: Au,gusline Im RIadrr. MeditatiON, Sr!fKnoul/tdgr (md Ibe cl/)i{S ojlnlrrprrllltion. Cambridge/ Mass., London: Belknap 1996, S. I.
'"
Die Allegorese als tendenziell esoterische Technik, einen geheimen Sinn hinter der T cxtoberfläche auszumachen, besitzt zur Zeit des Augustinus schon eine Tradition. die ich hier nur kurz andeuten kann. Schon in der griechischen Antike wurde sie auf Ho mer angewende t und spielte dann in der Stoa und im Neuplatonismus eine wichtige Ro lle. Die Allegorie ist ferner eine zentrale Größe in der Rhetorik Ciceros und Quintilians. Auch imJudenmm gibt es die allegorische Rezeptionsweise seil dem 2. Jahrhunden vor Chrisrus. Vo r allem Philo ist als Vater der allegorischen Deutung biblischer Schriften anzusehen. Archetypen der (hrisln(hrn Allegorese ftnden sich bereits im Neuen Testament. So interprerien Manhäus Chrisms als denjenigen, der die Schrift ,erfUHr'; ein weiterer Anschluß ergibt sich durch die Theologie \,on Petrus und Paulus, die eben falls Chrisrus als durch das Alre T estament ,angekündigt' becraduen - was den Ausgangsp unkt der !JfXJlO!JJ(/Jen Allegorese darstelil. Zentral ist ferner Lukas 4, 16-21, wo J esus in der s)'nagogalen Lesung d ie Schrift ,öffnet' und zugleich behauptet, sie sei durch ihn ,erfUllt'. Die Bezeichnung selbst findet sich im Neuen T estament einmal, und zwar im paulinischen Brief an die Galater (4. 24), wo im
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nc[. Ihre Eigenart besteht darin, himer den Buchstaben einen verbo rgenen geistigen Sinn zu enthüllen: " the oldest idea about allegory [isJ that it is a human reconscirucion o f divinely inspired messages, a revealed transcendental language which mes tO preserve the remoteness of a properi)' veiled godhead.'dl 5 Es ist diese Form der Leklüre des Geheimnisses, welche die vorherigen Rezeptionsweisen der cmiosilas ersetzen wird. Ihre Faszin ation besteht im wesentlichen darin, daß sie hinter Zeichen prinzipieU unendlich viele ,verborgene Bedeutungen' aufspürt. D as \Xfort J erusalem' im biblischen Tex t bezeichnet nicht nur eine konkrete Stadt, sondern offenbart dem Eingeweihten Geheimbotschaften: Sie steht etwa für die ,Kirche', sie symbolisiert die ,Seele des G läubigen', sie verweist auf die ,endzeitliche himmlische G ottestadt' und so fort. 1l6 In den Confessiones schildert Augustinus, wie er die aUegorische Leseweise durch Ambrosius erlernt, indem er hinter der einfachen Texwherfläche der Bibel dere n unendliche Tiefe entdeckt. Während die ,naive' Lektüre bloß mit den ,äußerlichen' O rganen stattfindet und an der ,O berfläche' des Textes hänKontext der Auslegung einer Stelle aus dem Pentateuch gesagt wird, dies sei " per allegoriam lolltg6fl?Jmmt/l" gesp rochen (vgl. ßibljo So(To. 1.. .1 / Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testamentes. Obers. und mit Anmerkungen versehen von Augusrin Arnd t. Bd. 1-3. Regensburg, Rom: Pustet 19 14. ßd. 3, S. 688). D ie ,.virkungsmächtigste Stelle bei der allmählichen Entfaltung der christlichen Allegorese ist jedoch die paulinische Unterscheid ung von Buchstalx und G eist (2 Ko rinther 3, 6), welche schon bei O rigencs zu einem tragenden Pfeiler de r -n ' eorie allegorischer Schri ftauslegung wird. Die Fo rschungsliteratu r kann nur im Auszug wiedergegeben werden; "g!. als Problell1darstellung O l-ILY, Friedrich: "Vom geistigen Sinn des Wo rtes im Mittelalter." In: F. 0 .: Srhriften tl,r millt!olltr/jthrn BtdtNINngiforrrhNng. D annstadt: Wiss. ß uchges. 1977 119581, S. 1-31; GRA NT, Roben M .: Tm Lilltr und Ihr Spirit. Lo ndon: SPCK 1957; WHITMAN. Jon: A lltgpry. Tht Dy numirs oJ {II/ A m'irnt und Mtdit/'UI Ttthniqut O xfo rd : Cl.arendo n 1987; FI.ETCIIE'. R, Angus: AlugJry. Tht Tbrory oJ0 Symbolirll·lodl. I thaca, New Yo rk: Comell UP 1964; K URZ, G erhard: Mtlopbtr, AlugJrit, Symbol Göttingen: Vandenhoeck & Ruppre<:ht 1982; HAv ERKAMP, Anse1m: " Merap ho ra dis/ continua. Figure in deI construction. l\.1it einem Kommentar zur Begriffsgeschichte von Q uintilian bis BaumganeIl." In: Alkgpn·t. Konfiguration 1_'O n TtXI, Bild und u leJiirr. Hrsg. \'o n Eva Ho rn und ~.bnfred Weinberg. Opladen: Westdeutscher Verlag 1998, S. 29-45, AUERßACH, Erich: " Figura." In: E. 1\.: Gtiommtllt ANftii f'{f '{!Ir romoftiumn Phil%git. Se m : Fra ncke 1967, S. 55-93; vgl. zum christlichen Ko mext u. a. KA R!'!', Heinrich: Srhrift, GtiJl llnd Itrori GoUti. Gr/lling lind IVirbng Iftr Bibtl in ,ftr Gtsrbirhlt dtr Kirrht. Von dtr A lttn Kirrht biJ t}lm A llsgong dtr fVjomUltions,?!il. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1992 und REVr~'\ITLOW , Henning: EjXJtbtn der Bibtlmnlegllng. Bd. 1-4. l\-Iünchen: Beck 1990ff.; MÜI.LER, Peter: . V trrlthsl Oll ollrh, was dll litit?' u Hn und Verslthtn im Ntliin Ttiluflltnl. D annstadt: Wiss. Buchges. 1994; FREyT.... G, Hartrnut: "Q uae sunt per aUegoriam dicta. Das theologische Verständnis der Allegorie in der frühchristlichen und minelaherlichen Exegese von Ga! 4, 2 1-3 1." in: Vt,vll", tl Signllm. Btilriigt t}lr mtdiii~üliJthtn Btdtulungsjorsthllng. Festschrift fUr Friedrich Ohly. H rsg. von Hans Fromm, Wo lfgang Hanns und Uwe Ru berg. ßd. 1-2. j\'lünchen: Fink 1975. ß d . 1, S. 27-43; I-L\ UG, Walter (H rsg.): Fomltn lind FunJeJionrn dtr Alltgon·t. Spnposium Wolfenb ünel 1978. Stun gart: Metzler 1979.
'"
Vgl. im Kontext des Geheimnisses ASSMANN, Aleida: " Der Dich ~g Schleier." In: Sthltitr lind Sthu'tlk. H rsg \'on A und Jan Assmann. Bd. I : Gtheimnli lind Offinllirhlu il. München: Fink 1997, S. 263. 280, hier S. 269.
'" ".
FLETCHER, Angus: A l/tgJry. Tbt Tbtory 1%4, S. 21.
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Sy mbo/ir 11'1011(. Ithaca. New Yo rk: Comell UP
In diesem Fall handelt es sich um ein berühmtes Beispiel aus der Lehre vo m vierfachen Schrifls inn, den ich hier allerdings nicht geso ndert bespreche.
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gen bleibr, erö ffnet sich ihm jetzt d ie allegorische Lektüre, welche mi t dem ,inneren' Geist vollzogen wird. Die Unterscheidung zwischen einem Literalsinn und einem zweiten, geheimn isvo llen Sin n wird von Am brosius aus der paulin ischen Unrerscheidung von ,Buchstabe' und ,Geist' emwi kkelt: 1I7
Abb. 18: Weil das göttliche \'\' o rt allegorisch verschlüsselt ist, widmen sich Spezialisten der Erforschung der Schri ftgeheimnisse. Die Unausschöp flic hkeif der Heiligen Schri ft macht ihre Lektüre zu einer lebenslangen Aufgabe. D ie Abbildung zeigt den heiligen Hieronymus (um 1488).
Ambro sius [verwendeter in seinen Predigten ans Volk oft jenes Wort [... 1: " Der Buchstabe röt.et, der G eist isr's, der lebendig macht." Und wenn er dann von Stellen, wo sich dem Buchstabe n nach ein üb ler Sinn eq,... b. den geheimnishafren Schleier weg'".I.Og lind ihren geistlichen Sinn erschloß
spiriloliler opennil, lehrte er nic hts, woran ich mich gestoßen hätte. 118 [n lllolo 11911"'0 t'tlf lfllellio
D iese Erkennmis von der D ifferenz zwisc hen 5cbriji und Geist wird zur SchJüsseiszene bei Auguscinus, denn unter der vennein tlich ,flachen' h"'!lililas der Heiligen Schrift ru t sich jetzt eine immense ?i'qe ihrer Geheimnisse auf. D iese Inruirion wird Augus rinus nicht mehr loslassen, er verdankt ihr seine Ko nversio n zum Christen rum, und er wird sie sowohl theoretisch durch eine Sprachtheorie fundi eren als auch durch die gigantischen AnEs sei der Vollständigkeit hal ber erwähnt, d aß im 7. Buch die Beschäftigung mit der paulinischen Fassung de r Geistigkeit G Ottes unter Hinzuziehung ncopll'l tollischer TIleoric fongcsetzt und ergänzT wird; vgl. auch RUHSTORJ'ER, Ka rlhcinz: " D ie Platoniker und Paulus. Augustins neue Sicht auf das Denken, Wollen und Tun der Wahrheit." In: Dü ,Collfmione.s' de.s AllglISlillllS 1'011 Hippe. Einfohnlllgtll lind lnluprrlationtn ~ den drrizrl)// BÖI/dm. H.rsg. von Norben Fischer und Comelius ro..feyer. Freiburg et al.: Herder 1998, S. 283-342. 11$
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AUGUSllNUS, Aurelius: Bt/unl/lniSSt. Lateinisch und deutsch. Übers. von J oseph ß emhard. Frankfurt / M.: Insel 1987, S. 255 [VI, 41.
srrengungen seiner Bibelkommenrarc zementieren. D amit vollbringt Augustinus die Imegratio nsleisrung, das Geheimni s jüd ischer Provenienz und ihr ,SchriftgeJehnemum' mir der antiken Philosophie und ihrer Wißbegierde zu verknüp fe n - und damit entstehen überhaupt erst d ie chri stliche Exegese, ihre ürterpretatores und explanatores. Die Hirten der Kirche sind jetzt die Lek toren, " die mit den Schriftlesungen das hörende Vo lk fürrern", denn " dje Zeit des freien Enthusiasmus ist vorüber". !]? Dabei wird zwar die CIIn·osi/(JS al s Laster gebrandmarkt, zugleich jedoch die Wißbegierde der Antike in einen neuen Kanal gelenkt, der durch die Tradition der jüdischen Schriftauslegung und die theoretischen Schri ften Philos und O rigenes' bereits gegraben ist: Die E rklmdllllg der rätselbaften Tiefe der beiligen Schrif t zum Zweck der E rkenntnis Gottes als unendliches lind IInergnindliches Gebeimnis. l?fJ Ab jetzt kann man sich d ie Erfo rschung der N arur sparen, denn die gesamte \'
Um d iese Wißbegierde befriedigen zu kö nnen, muß m an die Tiefe der Schrift jedoch überhaupt erst erzeugen, muß man die Schri ft in etwas verwandeln, das unergründlich, unfaßbar, unend lich ist. Die Kraft aber, welche die Tiefe der allego rischen Lektüre erzeugt, ist die Metapher, die sich also nicht nur zur Erzcugung dcr Ahnlicbkeit einsetze n läß t [11. 3]. so ndern auch bei der Herstellung des ge heimen Tiefensinns eine zentrale Funktio n einnimmt.l22 \Xfäh-
". UD
IG\Rl' I'. Heinrich: Sfhriji, Gd" und IWori GoUtS. Ctltung und Il>'irkung dtr Bibrl in dtr Geuhifhlt der Ki rrm. Von du AII/1I KirrlK biJ t(flm A usgang der Rrfornlalionsifil. Dammad t: \'(' iss. Buchges. 1992,S. 41. Vgl. zu diesem Erkenntnisprojekr der CotifmiMtl K IENZLER. Klaus: " Die unbegreifliche Wirklichkeit der menschlichen Sehnsucht nach Gort." In: Die ,Cotifmiontl' du Augustinus t'fJn Hippo. Einflihnmgrn Nnd Inlrrprrlaliontn ZN den dm·':(!hll Bilndm. Ha g. ,'o n Narben Fischer wld Co m elius Me)"cr. Freiburg CI al.: Herdcr 1998. S. 61- 106, vo r allem S. 82 f. (" D as G eheimnis des transzendenten Galtes") . A UGUSTINUS, Aurclius: A UJr'iihllr Srhrijim. Bd. 1- 10. München: Köse! & Pustet 19 11 ff. (= Bibliothek der Kirchenväter). Bel. 8: AUJgtu-iihllt praletiuht JrIJrif ltn homilrtisrhtll Nnd kAlubrliubtll Illhalls, S. 107 [Dt dorlnlla Chnstifllla JI, 421 . Bereits bei Aristoteies siellt die Metapher zwar ,vor Augen' [n. 3]. Aber es muß hier nachgetragen werden, daß bereits bei ArislOtcles ein zweiter Aspekt der Metapher nachgewiesen werden kann, der nicht recht zu ihrer D urchsichrigkeil passen will: " Die vollkommene sp rachliche r orm ist klar [J~htl und zugleich nichr banal [Iaprillosl. Die
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rend sich die Programmatik der Ahnlirhkeil an der Anschtlulichkei/ der Metapher faszinien, nutzt die Programmatik des Geheimnisses ihre Potenz des Mysteriösen. So wird bei Augustinus die Metapher, also die Verwendung von Zeichen in ,uneigcntlicher Bedeutung', zur konstitutiven Bedingung der AlJegorese. Nach den Erläuterungen in De doc/rintl Chris/itlntl ist die Dunkelheit [obs(1fri/tlsJ der Heiligen Schrift vorwiegend darin begründet, daß \Vörter do rt ,im übe.rtragenen Sinne' (= metaphorisch) gemeint sind: Übertragen [lmnJlala) aber sind die Zeichen dann, wenn die Sache, die wir mit ihrem eigenen Namen fpropriiI t'erbiIl bezeichnen, selbst wieder zur Bezeichnung von etwas anderem gebraucht wird. So sagen wir zum Beispiel "Ochs" und vemehen hier durch dieses einsilbige \'(/ort jenes Tier, das mit diesem Namen bezeichnet zu werden pflegt; aber unter jenem Tier verstehen wir hinwiederum auch einen Prediger des Evangeliums, d en die Schrift nach der Erklä rung des Apostels meint, wenn sie sagt: "D em dreschenden Ochsen sollst du das Maul nicht verbinden.',123 sprac hliche Form ist am klamen, wenn sie aus lauter üblichen Wonen besteht; aber dann iSI sie banal. [.. .) Die sprachliche Form ist erhaben und ,"ermeidel das G ewöhnliche [idiotikonJ, wenn sie fremdartige [.wnjkoiJ) Ausdrucke verwendei. Als fremdartig [xtnjkonJ bezeichne ich [... umer anderem] die Melapher und überha upt alles. was nicht üblicher Ausdruck ist. Doch wenn jemand nur derartige \Vörtcr \'erwenden wolltc, dann wäre d as Ergebnis [... ] ein Rätsel [tlin{gllla] "; AIUSTOTELES: POiljk. G ril..ochisch-Deutsch . Übers. lind hrsg. von Man fred Fuhnnann. Srungan: Reclams 1994, S. 7 1/73 [1485a] . Charakteristikum der ;.... Ielapher iSI danach gerade ihre Undurchsichtigkeil (das Radikal iSI hier das tlinlglllfl) also der gcnaue Gegcnsat7. 7.U ihrer Durchsichtigkeit. die ,vor Augen steUt'. Aber be reits die Wend ung von der ,vollko mmenen sl)rachHchcn Fo rm'. die zugleich ,klar' und doch nichl ,flach' iSI. deutet ein O S7.ill ieren zwischen beiden Polen an. Dies gilt auch rur d ie Metap her: " D urchaus nichl wenig tragen sowohl zur Klarheit als auch zur Ungewöhnlichkeil [partl 10 tiollM] der sprachlichen Fonn die Ern'citerungen und Verkürl.llngen und Abwandlungen der Wöner bei. Denn dad urch, daß sie anders beschaffen sind als der übliche Ausdmck und vom Gewo hmen abweichen, bc....>irken sic das Ungewö hnliche [tioIIMsJ, d adurch aber, daß sie dem Gewohmen nahcslehen, die Klarheit [Japhnj ." Ebd., S. 73 [l485bJ. Diese,r Widerspruch, der sich ähnlich auch in der Rhtlon'le nachweisen läßI (" AUe unterhalten sich ja in Metaphern und mitIeIs J\usdrücken mit eigenTÜmlicher und vorherrschend er Bedeutung. E s ist daher klar, daß sich unbemerkl ein fremdartiger Ton einstellen wird, wenn jemand sich gut darauf verslchl. und der Ausdruck an Klarheit gewinnen wird." AR1 ~10TEtES: Rhtlonk. ü bers. und hrsg. von GemOI Krapinger. Stuttgart: Reclam 1999, S. 156 [1405a]), durchziehl d ie aristOlelische MClaphorologie und kann nicht aufgeho ben werden: " Das Ahnliche sehen heißI nach dem Ausspruch des Arisloteles das ,Identische' in und (fOIZ der ,D ifferenz' zu erfassen." Rica:ur sicht, ausgehend \'o n Aristoreles. das Oszillieren der Metapher zwischen AhnIichkeil und Geheimnis als ihr ko nstitutives r>.krkmal. Die Metapher ist zugleich Vereinbarkeir und Abweichung, Verhältnismäßigkeil und Impertinenz, sie ,Slellt \'or Augen' und ,verdeckt', sie ist Abbild und Mysterium: " Die Melapher als Redefigur stellt den Prozeß, d er Ilrn/uk.1 durch Verschmelzung d er Differenzen in der Identität die semamischen Felder he\'orbringt. tiffrn d urch einen Ko nflikt '?!I7Jfhm Identität und Differenz dar." RICOlUR, Paul: Dir kINnd;!! Mtl(lpbtr. ü bers. von Rainer Rochlit7.. 2. Aufl. München: Fink 199 1 [1 9751, S. 275, dann S. 189. Von daher läßI sich die r.,·lerapher sowohl fur die Prograrrunacik der Ahnlichkcit als auch tUr d ie des Geheimnisses instrumemalisieren lUld in den jeweils brauchbaren Aspektcn nuancieren .
'" 186
A UGUSTINUS, Aurdius: AUJgfU'ähltt Srbrif tm. Bd. 1- 10. München: Köset & Puslel 1911ff.
(= BibliOlhek der Kirchenväler). Bd. 8: A UJl/u';ihlle praktilfhe Stbrifien holllilthJfbtn lind kolulNhJ(lNn Il/holl1, S. 61 [De dortn'ntl O"7Jh'tlntl 11 , 10, 15].
Es sei hier am Rande erwähnt, daß in der Zeichen theorie des Augustinus die Tiefe der Schrift durch die ,hinter' den Dingen, den res verborgene n Bedeurungen entfaltct wird - während die griechische Fassung der Metapher auf der Ebene der Zeichen erzeugt wird, besitzen hier schon die Dinge ,uneigentliche Bedeurungen' [111.3]. 124 Dieser Aspekt stÖrt hier ebensowenig wie etwa der Frage, ob Augustinus der Begründ er der Le hre vom vierfachen Schriftsinn ist. m Entscheidend ist, dt1ß durch das Theorem der signa tmns/at(J eine Tiefe des Tex tes erzeugt wird. Aus diesen Dispositionen leitet sich dann das Begehren der augustini schen Lektüre ab, hinter den signa tmns/ata den verborgenen, geheimen Sinn zu entdecken. Dieser sensJlS "!JstiCIIPf, ist der ,eigentliche' Sinn des Textes, er läßt sich beschrieben als 1!)'P0IIOiaI27 (Hinter-Sinn), der im cigentlichen Sinne inkommunikabel ist: Es sind göttliche, Ir(Jflji!lIdenta/e Signifikate, die sich sprachlich nicht reproduzieren lassen.l28 Vgl. D UCHRow, Ulrich: 5prorhl.'(f"Jliintlnis I/nd bib/isrht1 Hörrn bti Al/gl/1tin. Tübingen: Mo hr 1965 (= Hcm lcneutische Untcrsuchungcn zur Theologie, 5), S. 149ff. ; STRAUSS, Gerhard: Sthrijigrbrouch, Schrijiau1/r!png I/nd Srhriflbtwtis bti Augu1tin. T übingen: Mohr 1959, S. 79ff. Späler wird man dann differenzieren. etwa zwischen a/lrgoria in ,.'trbis und alltgoria injarfis, Vgl. STRAUSS, Gerhard: Sthn!,!!broudJ, S(hrijiausltgung und 5rhrijilHu.'tis bri Augultin. T übingen: r-.-Iohr 1959, S. 143ff. ; \'gl. zum vierfachcn Schriftsinn auch fG\RPI', Heincich: S(hriji, Grisl
und ll/orl Gol/u. Grltung und [Wirkung dir 8ibrl in dir Gmhichte drr Kirrln. Von drr Alltn Kirrhe biJ ~m Ausgang drr RrjormalionJ'{!il. D annstadt: Wiss. Buchges. 1992, S. 94ff.
So ncnm ihn Origcnes; vgl. HAAS, Alois Maria: " Was ist ~'I )'s rik?" 1n: Alxnd/iim'iJdlt ' ,",ysh"le ilJl Millr!allrr. S}'mposio n Kloster Engclben 1984. H ng. \'o n Kurt Ruh. Snmgart: Mcr,de r 1986, S. 3 19·341 , hier S. 324. D er Begriff wird scho n im H ellenismus bei der Auslegung \"on Ho mer und Hesiod vcr· wendel und geht danach schon im 2. Jahrhundert v. Chr. in dic jüd iseh ·hellenistische Theorie der Schrifrauslegung ein; \'gl. FRE'T AG, H arunut: "Quae sunt per allegociam dicta. D as theologische Verständnis der Allegorie in der frühchri stlichen und mittelalterlichen Exegese ,'on Gal 4, 2 1-3 1." In: Vrroum rf Signum. Btilrrigt ~r nltdiiil'1!hsdnn Brdrulungsjor. sdHmg. Festschrift für Friedrich Ohl)'. Hrsg. von H ans Fro mm, Wolfgang Hums und Uwe Ruberg. Bd. 1-2. München: Fink 1975. Ud. 1, S. 27-43, hier S. 28f. D er Begriff eines zentralen, fundamentalen oder transzendentalen SignifIka ts (im Singular) geht auf D errida zurück, der damit das T extphantasma eines " Endpunkts aller Verweise" bezeichnet; D ERRIDA, Jac'lues: Gramlf/a/ologir. ü bers. von Hans·J örg Rheinbergcr lind Hanns Z ischler. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1994 [1 9671. S. 456; vgI. KnTLER, Friedrich: A/lftchrribtsysltlJlt (1800 / 1900). 3. Aufl. München: Fink 1995, S. t 8. Christus wäre etwa das Transzendenralsigniflkat der Bibel, denn "alles und alles deutet auff yhn und saget von )'hm"; LI.JTHER, Manin: IWrrh . Kritische Gesammtausgabe. ßd. 1·66. Weimar: Böhlau 1883· 1995. Bd. 26, S. 263 ~,Vo m i\ bend mahl Christi. ß ekendnis", 15281, S. 263. In der Bibclhermeneucik ist d ann die Kenntnis des transzendentalen Signifikats, hier fropuS genannt, Voraussctzung flir die O ffenbarung der Schrift ,im rechten Geist': "Wenn wir uns zu Christus hinwenden, \I,
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Warum aber hat GOtt die Wahrheit nicht einfach direkt o ffen bart? Augustinus antwortet: " Es zweifelt {...] niemand daran, daß der Mensch die \Vahrheit viel lieber durch Vennittlung von G leichnissen IsiHlilillldinesj erforscht und an ihrem Auffinden viel mehr Freude hat, wenn es mit einiger Schwierigkeit IdiJIicllllalel verbunden ist.«I29 Auch das verweist auf ArisroteJes, der in seiner RJJelorik der Metapher bescheinigt hane, daß ihre Abweichung und der daraus resultierende E rkenntnisgewinn Vergnügen bereiren. l30 Bei Augustinus ergeben sich indes zwei Verschiebungen gegenüber AristoteIes: Einerseits ist es Gott (und nich t der Mensch), welcher die Metapher einse ra. Zweitens hat Gort die Heilige Schrift absieh/lieh verdunkelt, damit die Sehu,;erigkei/ der Geheimnisse den Rezipienten anspornt, die M)'sterium zu enthüllen ... Enigma, and nOt always decipherable enigma, appears ro be aLlegory's most cherished function".1 31 Es ist die D unkelhei t der Schrift, weJche auf d en Rezipienten den RtiZ des lv!pleriiJsen ausübt: GeheiHl"iue f asifnierel1 den uur! So verhält es sich auch im FaUe der " Bered samkeit der Propheten 1... 1, bei denen so vieles durch die figürliche Ausdrucksweise /per trop% gia"'l verdeckt wird lob/eglln1IOi. J e mehr aber dasselbe durch übertragene \'Vo rte verdunkelt [q#anlo magis IranS/tllis t'trbisl zu sein scheint, um so süßer mundet es, wenn es einmal eröffn et ist Ilanlo "ltIgis {/IIIJ f llm·nl aperla d#/ctsclln/l.«1 32 Die ansonsten abgelehnte ,äußere Sinnenfreude' dient hier also als Beschreibung für den genießenden Ko nsum der Heiligen Schrift - sowohl das Geheimnis (furiosi/os.? als auch das ,Süße' (conmpisrenlia.? werde n plötzlich als spirituelle Gaumenfreude genehmigt. Die Reize, welche von den Geheimnissen der Schrift ausgehen, wc rden in der Schrift Conlm Mend(lct'''II! (Gegen die Lüge) noch wcitcr ausgcmalr: Diese Dinge werden deshalb wie mir einem figürl ichen Mantel überdeckt [propltrta jigllralü "'eIllI amirlibllJ oblegunlllti . damit sie den Verstand des in frommer Gesinnung forsc henden Menschen in Übung halren und nich t werUos
(IV. 1-31. was Schneider im übrigen selbst betOnt: ,.D er absolure Text ven.ch re t die Schri ft, sonst wäre er nic ht absollil. D ieser T ext hat eine D oppelnaru r, e r ist in seinem ganzen Wesen parado x, de nn er ist zugleich geschrieben und nicht-geschrieben. D iesc paradoxe Na rur bildet freilich die Garanoe seiner Wahrheit, Stratcgisch gesproche n: seiner \'\'irksamkeit:' SClINEIDER. Manfred : Die rrleolltlr He'tfRJJ(hrift. Dtr QNIObiographüche Texl im 20. JahrhNRtkrt. Münche n. Wien: H anser 1986. S. 30. 129
AUG USTINUS, Aurelius: ANSgt/l.'Öhlle Jchrifttn. Bd. 1-1 0. München : Köse! & Pus te t 19 11 ff. (= Bibliothek de r Kirchenvi le r). Bd. 8: AMgtIl'ihltt pmleJiJf!N Jthrifttn homiktiJfhtn Nfld !uJltdNtilc!Nn InIJG/II, S. 54 IDt domino ChnitionlJ 11 , 6, 8). Vgl. ARISTOTE.LES: RlNlon·k. Obers. und hrsg. \'on GernOi Knpinger. Srungan: Redam
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1999, S. 173 f141 0bJ. FU.:iCHER, Angus: AlltgJry. TIN Thtory
0/ IJ JJmbolic ",·Iod,.
Ithacl!., New Vork: Comcll VI>
1964,S. 73. AUGUS11NUS, Aurclius: ANlgt/l.iihllr Jthrifttn. Bd. 1- 10. Mü nc hen: Kösel & Pustet 191 1ff. (= Bibliothe k de r Kirchenvile r). Bd. 8: ANlgewählt, pralelüclN Jchrifttn homllttisdJtn Nnd
k,oltdNtisdJtfl Inholll, S. 175 (Dt domina Chnitiafla IV. 7, 15).
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erscheinen, wenn sie unverhüllt [mida] und offen IPro",pla] dargeboten werden. G leichwohl wird das, was anderswo offen [aperteJ und handgreiflich Inulniftsle] gesagt ist, so daß man es leicht in sich aufnimmt, gewissennaßen in unserer E rkenntnis erneuert und schmeckt, so erneuert, süß [dllku amtj, wenn man diese selbe aus der Verborgenheit herausholt [de aMifIs mlllnll/~. Wenn es auf diese Art versteckt wird [obJ(umnJm:l , so geschieht das nicht aus Mißgunst gegen die Lemwilligen, so ndern es wird dadurch noch mehr herausgesteUt, damit man nach ihm noch glühender sich sehne 1"/ ... du idmmlllr ardmtills), wenn es sozusagen vorenthalten wird, und das Ersehnte dann mit um so grösserer Freude vimmdillJ) fi nde.\3l
Auch hier begegnet das Bild von der (nicht-sprac hlichen!) ,süßen Speise', welche die Schrift in ihrer Tiefe für den eindringenden Interpreten bereithält. Aber dazu gesellt sich eine geschlechtliche Bildlichkeit - geradezu kurios vor dem Hintergrund der von Augusrinus gepredigten sexuellen Emhaltsamkeit: ll4 Die Geheimnisse der Schrift sind züchtig bedeckt - diese Barriere des Z ugangs \35 stachelt jedoch das Verlangen des begehrenden Interpreten umso mchr an, dem Text den ManIe/ auszuziehen, um das dahimerliegende Geheimnis lIackl zu schauen. An dieser Stelle gilt es, die bislang gesponnenen Fäden zusam menzuführen: Auguscinus haue ja die Tiefe/ Höhe weltlichcr G eheimnisse wortreich abgelehnt. Zugleich wird aber deutlich, daß er die Fabel von den V erlochmgen dei Geheilllnil1ts und den Verjiihnmgen der Tiefe auf die Lektüre der Heiligen Schrift überträgt. 1l6 Hie r ist dann aber a11 das erlaubt, was er der clln·osiltJs vorenthalten hatte. Ein Beispiel wäre der ,G riff nach den Sternen'; Augttstinus vergleicht in seiner Auslegung des J ohannes-Evangcliums den Apostel mir einem Berg:
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A UGUSTINUS, Aurelius: Die Liigt l(nd Cff!" die U f!. Würl. burg: Augustinus-Vc:rlag 1986, S. 95f. [X,241.
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Vgl. dazu etwa HARRISON, e arol: A JlgNsJinr. ChrisJion TT1/lh ond Frortlmd HNflloni!y. Oxford : O UP 2000, S. 33ff. ; NI!UMANN, Uwe: ANgNsJinNs. H amburg: Rowohlt 1998, S. 69ff.
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Tatsächlich handelt es sich wn das Ko rrelat der G eheimnisbarriere, die schon im SwiNS nur den Eingeweihten einen Zugang zum Mysterium gestattet; bei Philo heißt es et\\'a zu den Geheimnissen in der Dichrung: " ihre Geheimnisse darf man nicht vor de nen enth üllen, deren Häup ter nicht gesalbt sind. (... 1denn es ist nicht gestattet, den Uneingeweihten die G eheimnisse zu ,·erraten." PHILO VON AI..E..XANDRIA: Die Wake in dtNIJfhtr Ubtrsl'i!'ng. H rsg. vo n Lcopold Cohn et al. Breslau et al.: ~Iarcus 1909ff. Bd. 7, S. 341 (" Über die Vorsehung" , 11 , 401. Man kö nnte noch weitere Aspekte nennen, in denen das G eheimnis geradezu das fundierende Konzept augustinischer Theoreme ist. D as bekannteste ist die G nadenlehre. Augustin us vollzieht hier eine radikale I\bkehr von dem philosophischen Menschenbild der Antike, in dem Unrecht durch Gerechtigkeit gesühnt wird. Dagegen setz t Augustinus sein Ko nzept der göttlichen G nade, die ausdrücklich nicht durc h gute Werke becinflußt werden kann - nicht zuletzt aufgru nd seiner Vo rs tellung der ,Unbegreiflichkeit Gones'. In seinen C()njtsnonel stilisien Augustinus seine Biographie nicht zuletzt zum Exempel der göttlichen G nade. Vgl. NEUMAI' IN, Uwe: ANgNJJinNJ. Hamburg: Rowohh 1998, S. 62ff. und S. 90.
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Was war das für ein Berg, wie erhaben Jrxctlsus]? E r hane überstiegen [Trmls, a ndrra/] alle Gipfel der Erde [coClilllina Itmmfllll, überstiegen alle Räume der Luft [ml1JpoJ (Jms}, überstiegen alle Höhen der Gestirne [allitlfdinn sidemlll] , überstiegen alle Chö re und Legionen der Engel. D enn würde er nicht alles das übersteigen, was erschaffen isr, so käme er nicht zu demjenigen, durch den alles gemacht ist. Ihr kö nnt euch in Gedanken nich t vorstellen, was er überstiegen hat INon potesli! cogiJare quid lrans(enderi~ [... 1.137
Der beschriebene Ausgriff und seine T opik ist exakt identisch mit der wortreichen Verdammung der gele hrten \'\Iißbegierde und ihrer Selbstüberhö hung durch den G ri ff nach den Sternen: Das Idiom ist deckungsgleich mit dem abgelehmen Vorwitzl Ein zwei tes Beispiel: E rinnern wir un s an da s obige Zitat, in dem Augusrinus die Gefahr des d unklen Waldes der wissenschaftlichen (/(fiosiltl! besc hrieb, in dem er sich zu verirren drohte. Positiv gewendet lautet das wie folgt: Gewähre mir [... 1 die Spanne Zeit, mich betrachtend lllledilalionibllS] in die Tiefen D eines Gesetzes zu versenken, lind halte es denen, die da ,an klopfen', nicht verschlossen! D enn nicht umsonst hast Du gewollt, daß auf so \'iclen Blättern ,dunkle' Geheimnisse [opaco JetTe"'] aufgezeichnet würden. Diese Wälder [silvae]- haben nicht auch sie ihre Hirsche, die sich dort zurückziehen [mipiente.rl und sic h erquicken, sich ergehen lind äsen lPaswlln J, sich legen lind wiederkäuen [mnJinante.r]? 0 Herr, ,vollende' mein Tun und ,lichte' sie mir, diese ,Wäldcr'!'38
Wieder begegnet ei ne vertraute Ko nfiguration: Tiefe, Versenkung, \Xlald, Hegung, Speise, lind interessanrerweise auch die nI!IIinalio, das \Xliederkäuen, was darauf ve rweist, daß die Lektüre der Heiligen Schrift immer wieder aufs Neue zu erfolge n hat, weil man immer neue Geheimnisse darin aufspürt. Die Ko nfiguration des ,guten Ge heimnisses', der ,wahren Tiefe' ähnelt also in vielen Aspekten dem ,schlechten Geheimni s' der mnOJitos. Es fi nder jedoch insgesamt eine zentrale Verschiebung starr, von der o ben be reits kurz die Rede war, und zwar durch die Akzenruierung der Unterscheidung (lIIßen / i""en, welche an die D ifferenz Obernäche / Tiefe angeschlossen ·wird. Mir Stroumsa läßt sich das Novum der ,Verin nerlichung' als Paradigmawech sel innerhalb der Programmatik des Geheimnisses von einer Esoterik jüdischer Provenienz hin zur Mys tik christlicher Prägung beschreiben.139 An die Stelle der Eingeweih -
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AUGUSTINUS, Aurdius: AJfJgru'ilhllt S(hnJttn. Bd. 1- 10. München: Kösd & Pustet 19 11ff. (= Bibliothek d er Kirchenväter). Bd. 4: Vortragt iihrr daJ EI.'I1ngdium du Hriligrn johanf/u. S. 4
P,51· AUGUSTINUS, Aurclius: BrlunnfnlJJt. Lateinisch Frankfun / r-L Inscl1987, S. 607 pU , 2J.
lUld
deutsch. Übers. von Joseph ß ernhard.
STROUMSA. G uy G.: "Fro m Esotericism tO Mys ticism in Earl)' Chrisrianity." In: Su myaml Con(tol",ml. S/udiu in rhe HiJrory ojMtdilmrmtan and N,ar EOJltnt lVliijonJ. Hrsg. \'on H ans G. Kippenberg und Guy B. Sttownsa. Leiden CI al.: Brill1 995, S. 289·309.
renreligion tritt zunehmend das Ko nzept einer spirituellen Innerlichkeit, deren ß e ronung bei Augustinus ein AUgemeinplatz iSt.!40 Die spirituelle Tiefe des Inneren wird dabei gegen die ,äußerliche' Oberflächlichkeit abgesetzt (wieder eine Vorstellung, die bis heute bestens funktio niert). Auguscinus hat dabei eine ganze Sprach theorie um die Vorstellung einer inn eren , universalen Sprache ko nzipiert. Das (nicht-sprach liche) innere Wort l41 entspricht dann einer unive rsalen Erkenntnis, die von Gott stammt. 142 Verstehen wird demgemäß vollzogen durch die innerliche Aneignung des lltrblflll aelermfllr. ,,0 daß sie sähen das Inwendig-Ewige [inler1l11/IJ aelemllfllJ. Weil ich es gekostet hatte 19mIOlltrtlllJ] , darum knirschte ich , daß ich es ihnen nicht weisen könnte [...1". !43 Erwartungsgemäß finden sich in diesem Zitat wieder die Elemente der Speise l 44 (al s nicht-sprachliche innerliche Aneignung) [IV. 2] und der Unmöglichkeit der ko nununikativen Weitergabe des inneren \'\fortes (etwa durch Paraphrase). Augustinus baut die Innerlichkeit als ,Wo hnung Gottes' auch in seiner memono-Theorie I4; aus. Man soll die Tiefe innen suchen, nicht außen: Groß ist die r-.·Iacht meines Gedächmisses [memoriaeJ, gewaltig groß, 0 Gort, ein Inneres, so weit und grenzenlos. Wer ergründet es in seiner ganzen Tiefe? 1... 1
Vgl. nach wie \'or G UAItDI NI, Romano: Die &kthnm& tlu b~IJi!!'1 AJI,diNS AllglIsh·nlls. D~, inntn VOIJ:on& in $tinm ßdunnlniuen. Leipzig: H egner 1935; fem er GlVl nMANN, Marcin: Die Cmnd!!da,,!un du h~iligtn A ugllstinlls übtr Setlt Nfltl Colf. Kö ln: Bachem 1929 119 181, S. 73f.
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Vgl. zur Entstehung der augu scinischell Passung des ,inneren \X'o rtes' und der Vorgeschichte D UCIIIl.OW, Ulrich : SprachlJtrItiindnis und biblisehu Ho'rm bti Augustin. Tübingen: Moh r 1965 (= H crmeneutisehc Untcrsuchungen zur Theologie, 5), S. 122ff.; eine philosophische Anal)'se bictct BERUNG ER, Rudo lph: Augustins dial0!lJf!Je Mtlap'?Jn'le. Frnnkfun / r-.l : Klostennann 1962. Vgl. TODOROV, T z\'efan: SymbolllNorirn. Übers. von Beate G )'ger. Tübingcn: Niemeyer 1995 (= Ko nzepte der Spraeh- und Uterarurwisscnschaft, 54), $. 32.
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/\ UGUSTINUS, Aurelius: BtktnntniJJt. Lateinisch und deutsch. Übers. \'on J oseph Bemhard. Frankfurt / M.: Insel 1987, S. 439 [lX, 41 . Die Schriften Augustinus' sind geradezu überflutet von der ~ktapher des Texts als ,Speise'. Im Zusammenhang mit dem Geheimnis knüpft er eTWa in scincn Predigten zum Jo hannese\'angelium an das Pauluse\'angelium an und unterscheidet zwischen der ,Milch' fiir die ,An fanger' und dem ,Flcisch' für die ,Eingewcihten' (\'gl. 1 Kor 3, 1-2). Sichc dazu STROUMSA, Gedaliahu G.: " Milk and Meat. Augustine and the End o f Ancicnf Esotcris!sm." In: SeMitr lind S{hu'tlk, I-Irsg \'on Aleida und Jan Assmann. Bd. 1: Crhti"mis und ÖJfonlli chktit. München: Fink 1997, S. 25 1-262. Vgl. G UARDINI. Romano: Die Btkthnmg du htili,gm Allrrlius Augustinlls. Dtr innm VOWlng in stintn Bt!unnlnissen. Leipzig: I-Iegner 1935, S. 29 ff.; STRAUSS. Gerhard: Sehriflgtbralleh, Sebriflausltgllng u"d Sehriflb~u.'tis hti AlIgJlsh·n. Tübingen: Mohr 1959, S. lOff. (u. a. auch zwn Verhältnis zur platonischen anamnrsis-Lehrc); DASSMANN, Ernst: Auguslinus. Htiliger lind Kirrhmlthrrr. Srurtgan er al.: Kohlhammer 1993, S. 37ff.; KA HNERT, Klaus: Enl"Jllfhtung dtr Ztiehtn? A ugllsh·n i/btr SpraelN. Amslerdam, Philadelphia: Grüner 2000, S. 139- 161; \'gl. zum Z usammenhang zwischen IIItmorio und der augustinischen Lektüre STOCK, Brian: Augush'ne Iht RJadtr. Mtdilation, St!f-Knou.·/~dge and ,IM Elhia of Jnt~rprrtation. Cambridgc/ Mass., Londo n: BcJknap 1996, S.207-242.
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Und da gehen die Menschen hin und bewundern die Höhcn der Bcrge 1... [ und vcrlasscn dabci sich selbsr. w , Die Innerlichkeit der memoria wird dabei zur wirkungsmächcigen Vorstellung eines Abgrunds des men schlichen Bewußtseins kondensiert. Diese r tlbdiflllll mentis, der af?ymlJ hlllJltJnae comcientia innerhalb eines individlllllll inej[(lbi/e, lH ist das genaue Ko rrelat der unendlichen Texniefe auf seiten des Rezipienten. Die lIIellloria ist das innere O rgan, welches mit GOrt ko mmuniziert. D ie berühmteste Ausfonnung der augustinisc hen Vorstellung vom ,Sprechen Gottes<1..a als Offenbarung im Inneren des Men schen wird in der Vision von Ostia,149 ebenfaUs in d en COfifcssionu, formuli ert. Die K ommunikation im Innem der Seele mit GOtt wird hier durch eine wirkungsmächtige Paradoxie dargestellt, und zwar durch das "sich nicht mehr als Ko mmunikatio n verstanden wissen wol lende (und doch immer wieder so verstandene und nur so verstehbare) Schweigen"I SO - womit die Vision von Ostia zugleich zur prominentesten Referen zsteUe für Augustinus' negafitl(! Theologie wird. 151 D enn die absolute Beendigung aller Komm unikation, das silere, bedeutet zugleich d as Anbrechen der absoluten Ko mmunikation. D er Hintersinn (l?Jponoia), die götdichen transzendentalen Sigl1ifikttle sind wieder einmal nicht-sprachlich: Brächtc es einer dahin, daß ihm alles Getöse der Sinnlichkeil schwände [ si/tlI~ , daß ihm schwändcn Isilt,'1fI~ alle Inbilder von Erdc, Wasscr, Luft, daß ihm schwände I li/tall~ auch das Himmelsgewölbe und selbst die Seele gegen sich vcrstummtc (si/tal[ und selbsr"crgesscn über sich hinausschrine [/ml/ltlI/1. daß
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AUGUSTINUS. Aurelius: &k.mn/I/im. Lateinisch lind deulSch. Übers. \'o n Joseph ßemhard. Frankfurr/ ~t: Insel 1987, S. 509 [X, 81. Berühmt geworden ist die Stelle durc h ihre Rezeption bei Petra rca im Zusammenhang mit dessen Bcsteigung des r.,'lonl Ventoux im Jahre 1336. VgL KREUZER.Johann: " Der Abgrund des Bewußtseins. Erinnerung und Selbsterkenntnis im zehnten Buch." In: Dit ,ConJmiOlltJ' du AlIglISlilll1! /.'On Hippo. Einfohnmgtn lind lI/irrpl?!otionrn '?!' drn drri'{!lJI/ Bäl/dtn. H rsg. \'on Narben Fischer und Comelius Meycr. Freiburg er al.: Herder 1998, S. 445-488, hier S. 446f. Vgl. zu diesem Zusammenhang WIELt\"'\JD, Wolfgang: Offinb(llllng bti AuguSh·IIIU. Mainz: Marthias-Griinewald-Verlag 1978, S. 99- 106. Vgl. HJ.'T RUP, Dicter: " Die Mystik von Cassiciacum und O sria." In: Die ,ConjmiOlltJ' du Augu!h"lI! /.'O n I-lipfXJ. Einfohlllngtn lind In/upl?/ationrn '?!' dm drritrhn Biindtll. Hrsg. \'on Norben Fischer und Comelius Mcyer. Freiburg er a1.: Herder 1998, S. 389-444; den Z usarrunenhang mit Augusrinus' Auffassung \'on der Lektüre behandelt STOCK, ß rian: Augu!til/t Ihr Rt(ldtr. Medi/(ltion, St!fKnolllkdgr lind tiN E,hirs ojln/''Prrla/ion. Cambridge/ Mass., Lendon: Belknap 1996, S. 116-122. LUHMJ.NN, Niklas: " Reden und Schweigen." In: N. L und Petcr FUCHS: Rrd,n lind Srhll'figtn. 2. Aufl. Frankfun/ M. : Suhrkamp 1991 , S.7-20, hier S. 9. Dieses Schweigen wird dann zu einer zentralen Größe der Hlonastisrhtn Konununikation; vgl. ders.: " Die Weltflucht der r..IÖnche. Anmerkungen zur Funktion des monastisch-aszetischen Schwcigcns." Ebd ., S.21 -46.
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VgL zur ,negativen Theologie' als ,Sp rechen über das Unaussprechliche' bei Augustinus FLA.SCH, Kurr: AIIgJl!tin. Einfohlllng in !tin Dtnktn. Srungan: Redam 1980, S. 299ff.
ihm verstummten [Jilf(ln~ die Träume und die Kundgaben der PhaO(asie, daß jede Art Sprache, jede Art Z eichen und alles, was in Flüchtigkeit sich ereignet, ihm völlig verstummte [si/tatJl ...]. \X'enn also nach diesem WO rt das All in Schweigen versänke r/(lCt(m~ , weil es sein L..1uschen zu dem erhoben har, der es erschaffe n, lind wenn nun er allein spräche [...1. ist nicht dies es, was da gesagt ist: " G eh ein in die Freude deines Herm?" 152
N un konvergiert dieses Sprechen Gottes im 1I1Oern des Menschen mit seiner Offenbarung in der Tiefe der Heiligen Schrift. Hier wie dort wohnt G ott, und ,verstehen' erfolgt nie anders als durch Gott. 153 Das ,Innere'. das ,Herz' wird so zum Rezeptionsorgan der lo,/>o11oia der Schrift aufgebaut. In letzter Konse· qucnz ist der verstehende Geist jedoch Gort selbst, der Geist im Innern des Menschen also identisch mit dem G eist im Innern der Heiligen Schrift. Diese Au ffassung, Kongenialitöt genannt, wird tatsächlich zu einer fu ndamemalen Prämi sse späterer mystischer Texte, weil man aus ihr aUe Ausformungen der Vereinigung mit Gott, der IInio ,,()'Stica, ableiten wird [IV. 2]. IS4 Ein Beispiel kongenialen Versrehens liefert etwa folgende Passage: Darauf sprichst Du [... ] mit lauter Stimme Deinem Knecht inwendig in sein O hr lind sprengst meine Taubheit und schreist es mir ein: ,,0 Mensch, was meine Schri ft sagt, sage ich. Dennoch sagt sie es aufWeise der Zeit. Aber mei· !lern \X'o rt ko mmt Zeit nicht bei [...]. So bin ich es, der es sicht, was ihr seht durch meinen G eist. wie ich es bin. der es spricht, was ihr aussprecht durch mei nen G ei s t."I S~
\Vcnn es aber der GeiSI Gon es iSI, welc her das Verstehen im Inncrn des Men· sehen voUzieht, dann versteht Gott sich in letzter Konsequenz selbst - eine
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A UG USllN US, Aurelius: Bdu nnlnissr. Lateinisch und deutsch. ü bers. von Joseph Bemhard.
Frank furt 1M.: Insel 1987, S. 465/467 n X , IOJ. Augustinus emwickclt unter anderem das Konzept vo n ChriStuS als mal!sltr inltrior, vgl. etwa /\ UGUSTI NUS, Aurelius: ANsgru'ähltr Schrift",. ß d. 1- 10. München: Köscl & Pustet 191 1ff. (= Bibliothek der Kirchenväter). ßd. 4: VOrlräge iilx, das Et"tlllgrliNm du Hriligm Johallllu. S. 339ff. VgJ. ferner D UC HROW, Ulrich: Sprachl'm fiindnis Nnd biblisrhts HÖfln Ini A uguslin. T übingen: Mo hr 1965 (= He[Jn eneutische Untersuchungen zur Theologie, 5), S. 174ff. und D ASSMANN, Ernst: ANgustillus. Hf/ligr' lind Kirrmnlrhrrr. Stungart et al.: Kohlhammer 1993, S. 46f.
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VgL QUIl\'T , J osef: " Mystik und Sp rache. Ihr Verhältnis zueinander, insbesondere in der spekulativen Mystik ;.,.Icister Eckhans." In: DtllfS(ht Vitrlt!iahm chrif t jiir Li trraillflJ 1SSfnsrhtift IIl/d GrislesgurIJichlt 27 (1953), S. 48·76, hier S. 61. Die mystische " Einheitsspckulation" bedeutet zugleich, daß der ~'I }'s cik er "das innerste Wesen der Seele als irgendwie gleich· geartet mit dem inners ten göttlichen Sein zu erfassen trachten muß, denn nicht nur kan n G leiches \'o n Gleichem erkannt werden, sondern auch nur zwischen G leichem ist eine Einswerdung möglich." Es sei am Rande bemerkt, daß in d ieser Konstruktion A bnlicbktil und Crhtjmnis incir..ander verschränkt sind.
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A UGUSl'INUS, Aurelius: Beklnnlnisse. Lateinisch und deutsch. ü bers. von Joseph Bem hard. Frankfurt / ~ 1.:
Insel 1987, S. 829 lXIII , 29J .
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RätseJfigur, eine intransitive Paradoxie. ' S6 Dann ist es möglich, die T opik von Tiefe und Hö he zusanunenzulegen - der Abstieg (in die Tiefe des Innern / der Sc hrift) konvergiert mit dem Aufstieg ' 57 (in die Hö he Gones): "Sie kennen ihn nicht, diesen Weg, auf dem sie von ihrem Ich zu Ihm hinabsteigen [deJcendan/J und durch Ihn hinaufsteigen lascendani] soll ren zu ihm." I58 Im Zusanunenhang mit der Unterscheidung auße n / innen thematisie rt Augustinus dann auch die Differenz zwischen lauter und leiser Lektüre. Von einem lesergeschichtlichen Standpunkt ist zunächst darauf hinzuweisen, daß in der Antike beinahe aussc hließlich laut gelesen wurde. 159 Demgemäß hat vor allem die augustinische Beschreibung des leise lesenden Ambrosius die Au fmerksamkeit auf sich gezogen, zu Recht, denn Ambrosius, der Augustinus mit der allegorischen Deutung venraut macht, figuri ert in den Bekenn/nissen ja in E in Topos, der sich in immer neuen Variationen durch das ganze t-,·Littelalter hindurch und darüber hinaus verfolgen läßt. Eine schöne Ausfiihmng fmdet sich etwa in einem bemerkenswenerweise Parudoxo überschriebenen Werk von Scbastian Franck (1534). In dem Kapitel "Niem and kennt G o n als Gon " heißt es: " Man muß das licht im Licht, Gon in GOI! suchen und finden , wie David sagt (ps 36): In Iwnine ruo \; demus lumen. D en n Gou kennt niemand, als er sich selbst. D arum mag G OII kurl.WTI vo n nichts erkannt werden, als von GOII, das ist: von ihm selbst, durch seine Kraft, die man den heiligen Geist nennt. [...] Also muß GOI! sich selbst lehren, loben. wissen, billen, erhö ren, gewähren, wollen und vollenden" ; FRANCK, Sebastian: Poradoxo. Hrsg. vo n Siegfried Wollgast. Berlin: Akademie 1995,S.27f. Die LtleJiirt dt,. '1i"ife ist immer zugleich eine LtleJiirt dtr 1-1ö1x, denn sie erbringt die Erhebung zu GOI! - dieses Konzept find et sich bereits bei O rigenes, bei dem das geistige Verständnis die onogo/!,t zur Folge hu ; vgl. KAKP I', H einrich : Srhrijt, Grist llnd IVon Gottes.
Gdlung ud Uri,.hO/g dr,. l3i/n/ in dr,. GUdlieblt der Kirrbt. Von ,/tr Allen Kirrht bis '{!Im A'/J/!,tlng dtr Rtfo,",(lh·ons~iI. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1992, S. 39. D ie ßrktnnlnislt akzentuieren
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immer wieder die Vorstellung des Lebens als ein Aufstieg zu G o n; \'gl. etwa d ie Passage: "So stieg ich denn Srufe um Srufe empor, von der Kö rperwelt zu der d urch den Kö rper empfmdendcn Seele, weiter zu ihrem inneren Vemlögen , [... 1 abennals weitcr zu dcr überlegenen Kraft der Vernunft ]... 1zur rein geistig schauenden SelbSIClurchdringung: [... 1 da schaute ich ,D ein Unschaubares im Minel der Schöpfungsdinge erkenmnisweise' _ aber dar:1O mich fesrzuschaue n, das vennochte ich rucht"; ,\ UGUSIlNUS. Aurelius: Bt/wIßt· nim. Lateinisch wld deursch. Übers. ,'o n J oscph Bcmhard. Frankfurt / r..·I.: Insel 1987,
S. 347 [VII , 171. AUGUSIlNUS, Aurelius: Bdetnnlßim. La teinisch lmd deutsch. Übers. vo n J oseph Bem hard . Fran kfurt/ M.: Insel 1987, S. 197. Eine Ursache ist sicherlich die Verw endung der sogenanmen Jm'plura roßtll/Ua, einer Schrift, die keine Wonseparierung durch Leerzeichen kennt, alle Wöner also fortlaufend mitein ander verbindet, was den fluß des Lesens erheblich erschwen und die Z uhilfenahme der Stimme bei der Lektüre nahelegt. Einschlägig dazu ist die Arbeit vo n SAE.,"GER, Pau!: Sport btlll'ttn IIYon/J. Tht Ongil/s oJSi/mI RIoding. Stanford: SUP 1997. Die ,klassische' Srudie zu de.r Differenz zwischen lau ter und leiser Lektüre in der Antike ist BALOGI·I, Joscph: " Voces paginarum. Beitriige zur G eschichte des lauren Lesens und Schreibens." In: Phi/olo/!,III 82 (1927), S. 84- 109 und S. 202-240. Baloghs These war, d aß in der Antike übe rwiegend laut gelesen wurde. D azu hat sich eine mittlerweile ansehnliche K ontroverse enrwickelt, die ich hier nicht nac hzeichne. Eine neue Studie arbeitet den Forschungssland zu dem Thema ausfuhrlich auf und bestätigt weitgehend Baloghs ursprünglichen Befund; die Antike kennt im übrigen natürlich auch die leise Lektüre, \'o r allem im K ontext erwü nschter D iskretion. Vgl. BUSCH, Stephan: " u.utes und Leises Lesen in der Antike." In: Rbini!rhu MUSl lI'" fü,. Phih/ogit. NM Folge 145 (2002), S. 1-45: hier fmden sich wnfangreiche bibliographische Angaben.
der Tat als exemplari sc her Leser schlechthin. Die berühmte Stelle sei noch einmal ausführlich zitiert. Augustinus hatte "keinen Begriff" davon, was für Trost er lAmbrosiusJ fand im Unglück und welch köstlichcn Wohlgeschmacks er sich freute, wenn der cic finners te tocculJlIJlIJ Mund, der Mund seines Herzens, vom Brote D eines Wortes immer aufs neue zehrte !mnlinart/j (... ]. \\fenn er aber las, so gli nen die Augen über die Blätter, und das Herz spürte (rilm/balt/ti nach dem Sinn, Stimme und Zungc abcr ruhten . Oft I... ] sah ich ihn so stillJ/tldteJ ins Lesen versunken, anders nie. Und war ich dann gcrawne Zeit schweigend dagesessen - wie hätte man es auch gewagt, ihm lästig zu faU en in solcher Sammlung Isilt1llio]-, so em fcm te ich mich wieder. u,o
D ie Besc hreibung führt viele Aspekte der augustinischen Lektüre des Geheimni sses zusammen. Man erkennt sogleich eine charakteristische Kombinatio n von Geheimnis, Innerlichkeit, Tie fe, geistiger Speisung. Hinzu ko mmen tatsächlich zwei weitere eher technische Dimensio nen, und zwar erstens cliejenige der leisen Lektüre, zweitens der Aspekt der Wiederholung durch das ,Wiederkäuen' (mmina/io), das uns schon zuvor begegnet ist. Tatsächlich scheint die ungewöhnliche stille Lektüre eine Manifestatio n der augustinischen Lektüre des Gebeimnisses zu sein. Ambrosius, in den Bekenn/nissen der Expo nent der AJJegorese, der ge istigen Auslegung, rezipiert die verba aeterno eben ausschließlich in seinem Innern , mit dem Rezeptionsorgan des H erzens. Man sollte die Szene nicht als ,ParadigmawechseJ< zur stillen Lektüre überinterprecicren , da erstens die laute Lektüre noch über Jahrhunderte hinweg clie do minante Form des Lesens bleiben wird , und weil zweitens die DichotOlnic laut versus leise in den Bth mllnissen nicht ko nsequent durchgehalten wird. 16 1 Der stiljen Lektüre kommt vielmehr die Funktion zu, im Leserideal des Ambrosius eine An absolut innerlicher Lektüre zu zeigen. 162 Darin deutet sich bereits an, daß spätere Zeiten zunehmend die von Augusrinus eingesetzten Tennini als MerkmaJe der kontemplatillen stillen Lektüre verstehen we rden, also silentio (Schweigen) als inntre Sammlung und IIItdit(l/io (Nachdenken) als Versen-
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A UGUSTIN US, Aurdius: Bdu nnlnim. Lateinisch und deutsch. Übers. von Joseph Bemhard. Frankfurt/ M.: Insel 1987, S. 249/ 251 [V1 , 3].
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So gibt es Stellen, die eher ein ,Srufe nmodell' nahcJegcn, also eine Abfolgc. welchc laut beginnt. dann leise endet: " als ich das alles außen Jas und innen wahr crfand" (e bel., $. 44 1 [IX . 4]). Verwunderlich wäre im Falle einer Bevorzugung der s rillen Lektüre. warum im Kontext der ScJbsnhemacisierung der Bekenntnisse vornehmlich vom .H ören' dic Rede ist: " In diesem Sinn soll man mich hören [Sir ilaque audia~", heißt es erwa (ebel., S. 495 [X, 41).
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" A psychological mcchanism and a philosophical idca bccamc o ne." STOCK, Brian: Augustine Ibe Rrader. Mrdilalion, SelfK110wkdge and lhe Elhiu 0/ Inlrrprrlalion. Cambridgc/ Mass. , London: Belknap 1996, S. 62.
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k ung in die JChrifl.163 Vo r allem die ",edilatiolM avanciert zur zentralen Bezeichnung fl.ir Augustinus' Ko nzept einer iltfler/irhetJ Lektlire der Tiife (vgl. zu komplementären, anschaulichen Aspekten der lIIeditt/tio dagegen 11. 4). E in hervorstechendes Merkmal dieser kontemplativen Lektüre ist auch ihr Insistieren auf Wiederholung. D as ist bereits in der Narur der UflCT}',nind/irhkeit der Schrif t angelegt. J ede l.Jktüre des Geheilllnisses erfordert Wiederholungen, um die Dunkelheit aufzuhellen oder sich dem Geheimnis, der f!yPOflOirJ, immer mehr anzunähern. "Alle, die dieses Buch verstehen wollen, müssen es neunmallesen heißt es im ersten Absatz eines mystischen Offenbarungsbuchs. 165 Bei Augustinus wird dieser Aspekt durch die Verwendung des Begri ffs m",iltatio zum Ausdruck gebracht. Wie oben ersichtlich, gilt das ebenso für Ambrosius; in einer zuvor besp rochenen Stelle hieß es: " Diese \Välder [sihJoeJ - haben nicht auch sie ihre Hirsche, die sich do rt zurückziehen [n'ClpietJtesJ und sich erquicken, sich ergehen und äsen [pt/srentesJ, sich legen und wiederkäuen [mllliIttllttes]?"I66 D ie unendliche Tiefe der Heiligen Schrift erfo rdert die unendliche If7iederholuflg der Lektüre dieses einen T extes (die anderen T exte kann man dagegen vernachlässigen).167 H
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So folge ich zugleich der Analyse ßickenbac hs und schränke sie jedoch leicht ein; denn do n wird bereits als ,Sanunlung' inlerpretiert, was eben zunäc hst noch ,Schweigen' ist (BICKE,'\!IMCH, Ma cthias: Von dm Miiglichktilm tintr ,inntrrn' GtHhichlt du U ImI. Tübingen: Niemeyer 1999 (= Commwuca tio, 20). S. 79). Silmtio ist im zuletzt besprochenen Zitat nachgewiesen; Nachweise fü r Hltdiltltio wären ctwa: ,.Und längst schon brenne ich d ara u f, ,nachzudenken Deinem Gesell.' [mlditan' in Itgt lila]". AUGUST1NUS. Aurdius: ßlktl/nlmSIt. Latcinisch und deutsch. Übers. von J oseph Bernhard. Fra nkfu n / ~t : Insel 1987. S. 603 (XI, 2J. oder: " Gewähre mir [... ] die Spanne Zeit. m ich bctrnchccnd [nwlil(llioniIJ/l/] in die Tiefen D eines Gese[zes zu versenkcn, und halte es dcnen. die d a ,anklopfen', nich t verschlossen!" (Ebd., S. 607 [XI, 2]). Vgl. zu dieser Rezeptions form RUI'I'ERT. Fidelis: " i\·lediratio - Ruminatio. Zu cinem Grundbegriff christlicher Meditation." In: Erix ,md Allftrag, 53 (1977), S. 83·93; "gI. zur FUll
Btktnnlnillt. Laleinisch und deulsch. Übers. von Joseph Ikrnhard. Frankfurt/ M.: Insel 1987, S. 607 [XI, 2J. D ie mn/inlllio findet auch in Augusrinus' Hltmono-Th rorie ihren Platz; d as ,Wieder-Hervorho len' der D inge aus der Tie fe des Innem wird mit dcm "Wiederkäuen dcr Speise labIlI ntHlinflndoJ" verglichen (ebd., S. 521 (X, 14]). Von da her vc.fWtmdcrt es nicht, daß sich die ntINil/fltiO auch im Kontext der ,falschen' Lektüren des Geheimnisses nac hweisen läßt: "wic ich im Inne ren nur wiederkäute [nm/inanltHl], was ich durchs Auge vCIschlungen harre." (Ebd., S. 11 5 [1 11 , 6]). D emgemäß fo lge ich ß ickenbach nicht, dcr unte r Bcrufung auf diese Stelle den Aspekt der Wiederholung nur auf die ,laute' Lektüre, also " Predib>t und gemeinsame Rezi[ation" zuläß[; \'gl. B1CKEN BACH, Matthias: VOll tim Miiglichktiltn tintr ,imltrrll' Gurhichte du usmI. Tübingcn: Nicmcycr 1999 (= Communicatio. 20), S. 78.
Diese llIediM/io wird dann zur Idealfo rm der christlichen Lektüre. Die Mo tivation für die unendli che Wiederholung der Lektüre wird aber aus dem Reiz des Dunklen und Mysteriösen abgeleitet. Bei Flacius Illyricus heiß t es 1567: .,vieles ist selbst den Frommen ve rbo rgen [(lbsrondi/01. damit sie um so eifriger [lirdenlilisl die Heilige Schrift erfo rschen und eine klarere O ffenbarung erstreben. Auf beides müsse n wir mit branzem Herzen bedacht sein, indem wir Tag und Nacht übe r das Abb. 19: Lektüre der Versenkung, hier am Beispiel der Gesetz Gones medi- H riligtn Barbara von Ro ben Campin (1438). tieren [llIedilandoJ".168 Die llIedila/io ist auch im Kloster die do minante Fo rm der wiederholenden J....cktüre. der rtlllIinalio. Pseudo- Bo navenrura wird seine wirkungsmächtigen Medi/aGones V ile Christi [n.4] mit dem Verweis auf die heilige Cäcilia als ideale Leserin beginnen: In den zum Preise der Verdiens te und T ugenden der heiligen Cäcilia verfaßte n Schri ften liest man [Irgilllfi, sie habe das Evangelium J esu Christi jederzeit verborgen in ihrem Herzen getragen IE llangrlitlN1 Chnsti abJrondilum u mper por/aba/ in ptclon]. Es will das. so scheint es mir, besagen, die H eilige sei gewohnt gewesen, aus dem im Evangelium berichteten Leben des Herrn Jesus sich gewisse Stellen, die sie zur Andacht besonders anregten, auszuwählen, dieselben T ag und Nacht in der Reinheit und E infalt ihrer Seele mir großer Aufm erksamkeit und glühendem E ifer zu betrachten [In qlllÖUJ mrdi/aba/ur die ac noc/r, corde p um tl inlrgro], damit [nach Beendigung der Lektüre} immer wieder von neuem anzuFLACIUS Iu. YRlCUS, Manhias: De rahMt rognOJ«nm JocroJlileroJ - Ü~r dm E rluf/1//niJgnmd drr Hriligen Srhrift. Lateinisch-dcutsch. Hrsg. von Lutz GeidsclZcr. Düsseldorf: Stcrn 1968,
S.23.
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fa ngen ltt complelo cirmlatione reincipiUls ilemm], sie in der Freude ihres Herzens zu verkosten ldltfci oe slfolfi glallt nfl!ll'I/(Jn! ea] und im verborgenen I nnem desselben [in om1110 peäons sml zu bewahren. Ich rate dir an, desgleichen [similel zu thun. !69
Neben die Schau (visio) der mirrelalterlichen Betracht/mg [11. 4 / IV. 2} tritt auch hier das E lement der ",cditatio als V crsenklOJg in den T ext auf dem Wege der unenrwegten Wiederholungs lektüre - auch hier wird der Text wiedergekäut. E s sei hinzugefügt, daß d ie augus tinische Betonung der Unterscheidung Außen / Innen zusätzlich zu der Differenz von Oberfl äche / Tie fe eine Abserzungsbe\vegung in zweierlei Richtungen ges mrret. Zunäch st einmal kann m an über die O ppositio n O berfläche / Tiefe in bekannter Manier die Lektüre des G eheimnisses gegenüber der ,naiven Lektüre' privilegieren. Erst einmal erfolgt eine klare Abgrenzung gegen die ,Heiden' und die Juden', denn diese nehmen Augus rinus zufo lge bildliche Redeweisen wörtlich, halten also Zeichen für die Dinge selbst und dringen nich t in die Tiefe des Geheimnisses vor. Sie verfe hlen also die l!Jpol1oio und ihre Irtlflszendentalen Signifikate. Das ist uns oben bereits begegnet. Unter Anspielung auf die paulinische Unterscheidung von Buchstabe und Geist hieß es in De doctrino Clmstiona: Unter einem Zeichen dient nämlich dc~en ige, der irgendeiner etwas bezeichnenden Sache dient oder sie verehrt, ohne zu wissen, was sie eigen tlich bezeichner. [... 1 es Iverrät] aber knechtische Schwäche [... ], d em bloßen ß uclmaben zu folgen und die Zeichen für die d urch sie bezcichnctcn Dingc zu nehmcn. IW
Heiden und Juden ,dienen' also angeblich der O berfläche des T extes und dringen nich r in seinen geistigen Sinn vor - die Heiden, weil sie an der Zeic heno berfläche hängen bleiben (,Goldene Kälber') , die J uden, weil ihn en Chrisrus als Schlüssel zu den Geheimnissen der Sch rif( fehlt. D ie D unkelheit der Schrift wird aus dieser Perspektive zu einer Schwelle, die Gou gesc haffen hat, um bei den Rezipieme n die Spreu vom \X'eizen zu rrennen, weil D einc Schri ft durch ihren D oppelsinn einerseits jedermann sich zugänglich erwcist, andererseits die Würdc ih rcs Gcheim nisses unter einem ticferen geistigen SinngehaIr wahrt [Jem# Jlli dig"i/alull il1 i"lelläll profillldiore sm'(Ifl'/I; sie bietct sich solcherweise in gemeinvcrständlichen Wortcn und schlich testem Ausdmck dcr Allgemeinheit dar und spannt hinwiedcr die Aufmerksamkeit
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JPseudo-l3onavenruraJ: Die Bt frQrhllmgtfl iibrr dtI.J Ltltm Chris/i. Übers. von Jo hann Jakob Hamen. Padcrbom : Bonifacius 1896, S. vi.; lai. : [pSEUDO- BONA VE.,.'lTURAII O HANN IS DE CAULIBUS: Mtdilan'ofltJ Vite Chris"~ Hrsg. \'on M. Siallings-Taney. Tumholti: ßrcpols 1997 (= Corpvs Chrisrinaorvm, Connnuario Mcdiacualis, 153) AUGUSTINUS, Aurelius: Ausgtu'iihlle SdJrij ttll. ßd. 1-10. r-,'Iünchcn: Köse1 & Pustet 1911 ff. (= Bibliothek der Kirchenväter). ßd. 8: ANJgtIJiihlte proMsche Srhriftm homilttisrhm und k,o/tfhttiJd)tn InhaltJ, S. 120f. [De florln'no ChriStiOIlO 111, 9, 13].
derer an, die nicht ,leichten Si nnes' sind. Und so läßt ihr menschenliebend Herz alle zu und leitet durch enge Pfonen I,Ptr (1II% l'sta jomfl,ilwl wenige zu Dir hinübcr.17I
Die Tiefe der Sc hrift ist also eine S chJIJi!//e, die den Z ugang zum seflsm spintHo/is erschwert, und deshalb können nur wenige ihre Geheimni sse erkennen. 172 Auf diese Weise wird die Lektüre der Geheimnisses von der naiven l..,ekrüre unterschieden. D ie zusätzliche Opposition Außen / Innen profiliert die geistige Lekrüre der Heiligen Schrift jedoch zusätzlich gege nüber den hochmütigen Lesern der crm'osi/(ls - und genau diese Absetzunf,rsbewegung wird ja durch die ganze Erzählung der Bekenfltnisse hindurch geschildert. D enn Magie, Theater, \Vissenschaft beliefern nur die ,schlechte' Wißbegier der äußeren Sinneslust und des Hochmuts und bedrohen durch die Verlockungen der Tiefe. Dagegen setzt Augustinus seine Version der Lektüre des Geheimnisses: D ie Heilige Schrift bedient hier das ,gute' inl!ert Verlangen nach ,geistiger Speise' dadurch, daß sie in ihrer Tiefe die Geheimnisse der göttlichen Offenbarung birgt, die für die mperbis jedoch unsichtbar bleiben. D emgemäß müßte die augustinische Autobiographie im Zielpunk t einer rein geistigen Lekrüre aufgehen. Und genau dies ist der Fall, und zwar gleich in zweierlei Hinsicht. Z um einen besteht der Gesamrrext der BekelJflllJisse aus der Verschränkung des eigenen Texts mit einer Unzahl von ß ibelzitaten, die sich auf mehr als 1700 Stellen beJaufen.173 Dieses Prinzip durchdringt im übrigen das gesamte Sch rifttum des AUf,l1Jstinus - es lassen sich mehr als 44.000 SchriftsteJJen nachwei sen; etwa 30.000 davon stammen aus dem NeueIl Testament. Wäre die Bibel nicht schrifdich überliefert, ließen sich aus den Zitaten
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A UGUSTINUS, Aurelius: ßdernnlni.uf. L tteinisch und deutsch. Übers. von J oseph ß emhard. Frankfun / l\'L: Inscl l987, S. 259 / 26 1 [VI . 5].
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Wichtig ist, daß die ,naiven Leser' dennoch Z ugang zum Heil haben, wenn sie diese nur im rechten chrisrlichen Glauben lesen: " Wenn diese Kleinen, die noch ganz im Sinnlichen leben, in ihrer Schwachheit \'o n D einem Wo n so schlichter An alswie in mütterlichem Schoße sich tragen lassen, baU! sich in ihnen, zu ihrem H eil. der Glaube auf, durch den sie gewiß sind und es fesm alten, daß Gon es ist, der alle die Namren erschaffen hat"; ebd., S. 735 [XII , 27[.
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Vgl. KIENZLER, Klaus: " D er Aufbau der .Confessiones' im Spiegel der ß ibelzil"are." In: Rtrhtrdm AJlgJlJfiniennrJ 24 (1989), S. 123- 164, hier S. 125. Kienzlers Ergebnisse lassen sich noch in einem weiteren Aspekt als Bestätigung der hier reko nstruierren implizüen Theorie einer LtleJiire drr Tirft nutzen. Das "wichtigste ßibelzitat" , das Augustinus einsetzt, ist nämlich .. Bjn et / so wird euch gegeben ( Suchel / so werdet jr finden / Klopffer an so wird euch auffgethan" (Bib/ia Gffmanirtl. Übers. von Martin LUlher. Paks. N achdruck der Ausgabe Winenbcrg 1545. Snmgan : Wümembcrgische Bibclanstalt 1967, Manhäus 7 [71). Bezeichnenderweise häufen sich die Zitate in den tel"".lten drei Büchern: " D es weiteren fällt rur die drei lemen Bücher auf, wie sehr in ihren I'roocmien und darüber hinaus Mt 7, 7 zum beständigen und drängende n Stichwort wird. Die Gnmdworte des ,Suchens' und ,Findens', des .i\nklopfens' und ,Offncns' häufen sich" ; "gl. S. 133 sowie S. 127.
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bei Augustinus etwa zwei D rittel des T extes reko nstruieren. 174 Von daher ist scho n von der Grundanlage des Textes her Zli beo bachten, daß die ,E rö ffnung' des seelischen )nnem konvergiert mit der Suche nac h der Ilj'P0flo;a in der Tiefe der Heiligen Sc hrift - unauflöslich ist persiin/;chu Behnntllü und Bibelleklüre wie in einem Flickemeppich miteinander verwoben. t75 Abe r auch in einem zweite n Aspekt gehen AutObiographie und Lektüre ineinander über. Denn die letzten drei Bücher, Ziel- und Endpunkt der Bekennlnisse, sind nichts weniger als eine geistige Lektüre und Auslegung der Genesis. D ie Autobiographie dessen, der auszog, das Lesen zu lernen, ist an ihrem Zielpunkt, das ,Leben' wird jetzt zur Lektüre. t76 D abei f.'i ngr Augustinus am Anfang der Heiligen Schrift an: " Laß mich vernehmen und verstehen, wie Du ,im Anfang Himmel und E rde erschaffen hast"'. [77 Hier wird dann auch deutlich, wie un geheuer die Tiefe der Heiligen Schri ft ist, wenn sie durch die Lektüre des Geheimnisses entziffert wird. Im Prinzip wird Augustinus in zwei Büchern de r allegorischen Auslegung nicht über die ersten zwei Ve rse der Genesis hinauskom men. Am Ende des zwölften Buches heißt es: " Sieh, Herr mein G o tt, wie viel hab ich geschrieben über ein paar \Vo rte, wie viel, ich bitte dich! Wie reichten bei solch einem Angehn mei ne Kraft, meine Z eit für Deine ganze Schri ft!" 178 Das brilt in bezug auf Augustinus' Biographie um so mehr, al s es sich hier
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Vgl. VOGE.!-". Heinrich J oseph: " D ie Heilige Schrift bei Augus tin." In: Alm/iNS A Nf,ffstinllJ. Festschrift der Görrcs-Gesellschaft zum 1500. Todesrag des heiligen Augustinus. I-Irsg. von i\ lartin G r.l bmann und J oseph Maus bach. Kö ln: Bachern 1930. S. 411 -42 1. hier S. 41 3. Vo n daher läßt sich dcr T cxt durchaus in den KOlllext de r sogcnanntc rtnto- D ich rung stellen. die als ,T cppichc' aus Vcrscn zunächst maßgeblicher antiker Auto ren (J-1o m cr. Q"id), dann jedoch der Bibel zusam mengesetzt sind. Vgl. ScHNAP!', Je ffrey T.: " Lescsrunden. Augustinus, Proba und das christlichc DitOllmelflm/ dcr Antike." In : Schrift. I-Irsg. \ '0 11 Hans Ulrich G umbrecht und K . Ludwig Pfei ffer. Münchcn: Fink 1993. S. 35-55.
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Vor allem in der äheren Forschung wurden Buch 11 - 13 unriclttigerw eise als ,Anhängsel' aufgefaßt ; vgl. beispielsweise die Vo rredc in Hcrdings Augustinus-Ausgabc::: AUGUSll NUS, Aureüus: Dir Behnnlnisst du /mligm Allf,ustinus. BII(h 1-10. Hrsg. vo n G corg von H ertling. 27. Auf]. Freiburg/ Br.: Hcrder 1936. Die Uterarur zum Thema ist immens. ich vCI'Vo'eise auf die bibüogntphischen Angaben in ~·tA YER. Co rneüus: ",Caelum caeü.' Z iel und Bestimmung des Menschen nach der Auslegung von Gmuis 1. I f." In: Dit ,Conftmonu' du A lIguJhnliS von Hippo. Ei'!fiihnmgtn und InttrprtloJIOntn i!' den drth,!hn ßiinrkn. H n g. von Norben Fischer und Comeüus Meycr. Freiburg et al.: H erder 1998. S. 553-602, hier S. 553f. Erstaunlich ist jedoch, daß Stocks aktuelle und ausfUhrüchc, aber über weite Streckcn p araphrnsicrende Nachzeichnung der in den Conjtssionu dargestellten Lm rbiogm. phit dieses Ziel dcr Darstellung gar nicht bemerkt und nach dem 9. Buch schließr; vgl. STOCK. Brian: Aliglistint Im Rrodtr. Meditation, St!f- Knou4tdgt (lIId Im EtNes oJ ' nlrrprelalion. Cambridge/Mass. , London: Belknap 1996, S. 2 1. Vgl. zu der hier venrcrenen 111esc etwa FElDMANN. Erich: "Confessiones." In: Auglistifllls-u......-ikon. H rsg. \'o n Cornelius Maye r. Basel: Schwabe 1986ff. Bd. I , S. 1/ 34-1 194. Shanzer betOnt dic Do minanz der Schrifdekriirc im lc[ztcn T eil, vo r allem in Buch 13; vgl. SHANZER. Danuta: " Larcnt N arrativc Pan crns. Allcgorical Choiccs and Literary Uni \)' in Augustine's ,Confessions'." In: Vigiliot Ch'Ühonfle
46 (1992), S. 40·56.
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AUG USTINUS, Aurelius: Btlu nn' n;m. Latcinisch und deutsch. Übers. von J oscph ßcrnhard. Frankfun / r-.L Insel 1987, S. 609 [Xl, 31.
Ebd., S. 747 [Xl I, 321.
scho n um seine d ritte An strengung handel t, die Gmesis ausz ulegen - sein erster Versuch war De Genesi contra Manicbaeos, danach harre er De Gmesi od LillerafJJ vorgelegt, und nach Fertigs tellung d er Confessiones wird er es noch ein vienes Mal versuchen mit De Genesi ad LilfemfJJ libri d#Odecilll.m Im FalJe d er ConjCssiones läuft die Gen esisauslegung d ann im dreizehnten Buch aus in d ie escharologische l80 H eimkehr der Seele [V. 2}. in den osceflSlIS zu Gon im Stand der G nade. ISI Dabei wird die Ö ko no mie des unendlichen göttlichen Geheimnisses noch einmal auf eine wunderbare Weise vertieft. Ein T ext, der als confessio, als Bekennlnis angetreten ist und dem zufolge EroJlmmgen, OJfenbonmgefl in A ussicht stell t,l82 strö mt an seinem Ende aus in die Vergegen wärtigu ng lS3 des Heiligen Geists. D as Geheimnis, so solJte man annehmen, wird hier erö ffn et - und genau das ist der F alJ: D er T ext endet mit der Einsich t in die ,Unbegreiflic hkeit' der J!)ponoia und in die unendliche Au fgabe der Auslegung, welche der Gnade Gottes bedarf. D amit wird das göttliche Geheim nis zugleich offenban und erneuert. D ie letzten Sätze lauten: Und das zu begreifen, wo ist der Mensch, der es dem I"lenschen, wo der Engel, der es dem Menschen gäbe? Von Dir soll man's erbi tten, in Dir es suchen, bei Dir darum ankJopfcn: so, ja so wird man empfangen, so wird man fin den, so wird aufgetan werdcn.l84 Absc hließend läßr sich feststellen , d aß Augustinus eine T heorie der Lektüre zementiert, die über etwa tausend Jahre die Rezep tionsweisen im abendländisch en E urop a do minien . Seine Ablehnung der mriosilas, sein Verbo t der vOl"\vitzigen Beschäftigung m it dem Narurgc heimnis wird bis in die Renaissan ce G elehne der Inq uisition au slie fern ; sein positives Gegen ko n zept des
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Vgl. auch den Komme ntar ebd., S. 91Of. D as Ende de r Z eilen iSI der klassische O n der Offenbarung aller Geheimnisse [V. 2); die markantesIe Ausformu ng findel sich in der Johannesapokalyp se, in de r Jesus das Buc h mil den sieben Siegeln eröffnel: ..in den tagen der stimme des siebenden Engels I wenn er posaunen wird I So sol volende t werden das geheimnis GOTteS / \.\'ie er hat verkündiget seinen Knechten und Propheten"; Bibli(l Grml(lnic(J. Obers. von r-.b nin LUlher. Paks. Nachdruck der i\ USgabe Winenberg 1545. Stungan : Wümembergische BibelanSlall 1967, J ohannesapokalypse 10 (7).
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Vgl. MOU... ER, Chrislof: " Der ewige Sabbal. D ie eschatologische Ruhe als Zielpunkr der Heimkehr zu Gou." In: In: Die ,Dmfmiones' du AuguJ!inuJ '.'tIn HipJM. EinflihT"llngtn und Inlrrprr/a!ionrn ZN dm dmi!h" Bändtn. H rsg. von Narben Fischer und Comelius Meyer. Freiburg CI al.: Herder 1998, S. 603-652.
182
"Conjiltri bedeutet seinem Wortsinn nach zugeben , feiedich bekennen, verkünden, preisen: Ein Hinaustreten also aus der Vorbchaltenheil des Inneren ins O ffentliche." GUARDINI. Ro mano: Die BtkthT"llng des heiligtn Aurr/ius Augus!inus. Dtr inntf"t Vo'."!'!ang in stilltn Btktnnlnisstn. Leipzig: I-I egner 1935, S. 23.
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Vgl. dazu auch I-IOLL. Adolf: Die IY/til dir Ztichen bri Augustin. Rtligionsphänommolo§Jche AnaIJse du 13. Bu(tu dtr Omftssi~nes. Wien: Herder 1963, S. l 06ff. AUGUSll NUS, Aurelius: BtktnntniSSt. Lateinisch und deutsch. Übers. von Joseph Bcmhard. r rankfurt / M.: Insel 1987, S. 843 [Xl II , 38).
201
Abb. 20: Das göttliche Wo rt, sei ne Offenbarung in der Heilige n Schrifr und d ie sachgemäße Auslegung bilden da s Zentrum der chris lli ch-m irtelalte rl ic hen Mediologic. Bcnozzo Gozzoli, Dtr T rümtpb du hl ThomoJ ,/on Aqlli". Ö l au f Holz, 15. Jahrhundert.
202
Schriftgeheimnisses, der typologisch-aUegorischen D eutung wird das ganze M.inelaher hindurch uneingeschränkr Geltung besitzen. Die Faszination des Schriftgeheimni sses wird dabei immer wieder betont: \X' underbare Tiefe (m;ra pro/imdnlisl Deiner \'?orre! Ja, obenhin besehen, reden sic, wie man Kindern lockt und schmeichelt - doch wie wunderbar die Tiefe, mein Gott, wic wunderbar die Tiefe! Schauer IHom"1 ist's, hinabzlIsehen, Schauer der Ehrfurcht und Zittern IIrt'ftlorj der Uebc.185
3. Exkllrs: D er sprechende Kosmos, 1 (O HLY I FOUCAULT) Augustinu s hat auf wesentliche Weise ein Rezeptionsmuster mitgeprägt, welch es das gesamte abendländi sche Mittelalter do mini erte und de ssen Ausläufer bis in die heutige Zeit Gültigkeit besitzen. Die Allegorese allmlisierl Tex te und er?eugt einen kommunikativen J'vIebI7lJtrl. Bei Augustinus liegt der sefIJlI! spinlll(liis hinter den durch die Worte bezeichneten DingelI. Prinzipiell eignen sich also nicht nur Texte zum Ausgangspunk t einer Lekliirr. der Tieft, auch die Welt und ihre Gegenständ e können ihr zur r olie eines verborgenen sensllS spinllltliis werden. Diese Ve rallgemeinerung der ALlegorese zu einer allgemeinen rorm des lt/'elllJersltbe!1s ist so wirkungsmächtig, daß sie einer kurze n Edäurerung bedar f. Tatsächlich kann die geistige Welt " in schöpfungs theologischer Perspekti ve als Gones ursprüngliches lt/'Orl l 86 und in naturphiJosophischer Perspektive als Idee, ArrbelJ'P oder Same der hiesigen gefaß t werd en. ,,1 87 Die Dingwelr wäre also erfüllt von geistigen Borschafte n. Rudimente dieser Auffassung exstieren bis heute, wenn man Geschehnisse etwa al s schicksalshafte Signale oder ,böses Omen' deutet. G anz analog zur T extaUegorese wird hier hinter den D ingen ein Bedeurungsraum aufgespannt. in dessen T iefe sich der eigentliche, geistige Sinn verbirgt. Ohly hat in seinem einflußre,ichen Aufsatz "Vom geistigen Sinn des \Vortes im tvli ttelalter" einzelne Facetten dieser Rezepcionsweise beleuchtet. Hinter der äußeren Erscheinungsform verbirgt sich das innere Wesen; die geistige Bedeutung aller Dinge und Kreaturen liegt in ihren Eigenschaften begründet.l88 Um das Geheimnis unter der Oberfläche zu enthüLlen, fonnien sich die E bd .• S. 697 [Xli . 141. 186
Wie stets ist der absolute logos des wcltschöpfenden /-'trimm ditinum zugleich kein Wo rt, es überschreitet Sprache, Zeichen. ~I edialität.
'"
K.LEIN, Wolf Peler. A m AJ!fimg u'or tIos IPon'. TINOrie· und uisstnschoftsgrsrhichflifm Elemtnle friihl1r:J~i:lkhtn 5prGrhbtwußlsrins. ß e.lin: Akademie 1992, S. 104.
188
OHLY, Friedrich: "Vom geistigen Sinn des Wones im r.,·l.itlclalrcr." In: P. 0 .: Srhriftrn zur miffdolfrrlirmn &Jrulungsjomhung. D annstadt: Wiss. Buc hges. 1977, S. 6.
203
mittclaherliche Wissenschaft, der " Physiologus, die Bestiarien, die Lapidarien, die Pflanzenbücher, ja die ganze Enzyklopäclik des 1ittclalters"'89 als Ding"'dmlungshmde, dem Zweck gewidmet, die Eigenschaften zu katalogisieren und so die eigentliche, geistige Bedeutung in der Tiefe der Welt freizulegen - als Hil fswisse nschaften fü r die Durchfuhrung der Lektüre des Ge heimnisses. D araus ergibt sic h eine prinzipielle Lesbarkeil der IlVell; 90 denn in den D ingen ist ja di e Sprache Gortes versiegelt.'91 Es sind dann dieselben Ponnen der lIIedil(/tio wie bei Augustinus, welche die Offenbarung des geistigen Sinnes erbringen: ,,\V/er die Dinge auf ihren spirituellen Sinn zu befragen gewohnt war, dem konnte es zur täglichen Andachtsübung werden, die vor den Augen liegenden Dinge der \V/e1t meditierend zu aIJegorisieren", und: "Das \V/esen der frommen Erbauung liegt in der Aufrichtung des Bedeutungsraumes in der Andacht_"m O hJ )'S Darstellung zeigt, daß das aus der Rezeptionsweise der Al/fgortJe entwickelte Konstrukt ei nes hinter den Dinge n befindli chen geistigen Sinnes ein tragender Pfeiler der gesamten mittelalterlichen Epistemologie ist. Auf anderen Wegen gelangt Foucaulr in Die Ordnung der Dinge zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Foucaulr hat die VorsteUung von einer ,Welt als Texc' zum fundament des abendländischen Denkens bis zum t 6. Jahrhundert erkJän. D ie Zeichen dieses WeJtbuchs sind weitgehend identisch mit den augustinischen ,Dingen' (ru), hinter denen die transzendentalen Signifikate verborgen sind. Die Rezeptionsweise, welche der Emzifferung dieser gönlichen Sibrnaturen entspricht, bezeichnet Foucauh al s Di,:in(/Iion: Sie " hatte die Au fgabe, eine im voraus von Gon in der \V/elr aufgele ilte Sprache ausfindig zu machen_ In die sem Sinne erriet sie durch eine essentielle Implikation, und sie erriet GÖlllirhn." If)} Foucauh enclehnt den Begriff der Divination aus der antiken Praxis der \V/eissagung. 19 4 In der b'fiechischen Tradition "'(lntike genannt, ist die di,infltio ,ft
Ebd.• S. 8.
Vgl. zur Geschichle cüeses Topos furt1M.: Suhrkamp 1981.
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B I.UME1·~ßER G,
l-I2ns: Die usba,Juit d" 117rll. Fr.tok-
Ohl)' ziciert Alanus ab Insul.is: "Omnis mundi crcamra I Quasi liocr CI piCNC2 / Nobis est ef speculwn 1 [...1NOSlne "l!ae leccio". OHLY, Friedrich: " Vom geistigen Sinn des Wortes im M.indalfer." In: F. 0 .: JrIJriflrn ",i/ttlallrr/klNn ßrdrNINngsjorsrhNng. Dannstadl: Wiss. Buchges. 1977, S. 18.
zur
'" '"
Ebd.• S. 19f. FOUCAULT. Michel: Dir OrJmmg d" Dinl!. fun / ~L Sultrk""p 1993 (1966]. S. 93
Eint Arrhiiologie tIr, I-INmOmnJJtnJrhajrn. Frank-
Vgl. u. a. SOIAEI:ER., H eim~ : " Divmatio. D ie antike Bcdeumng des Begriffs und scin Gebn.uch in der ncuzciclichen Philolog1c." In: ArrIJitl flir Brgriffigrsrhirhlr 2 1 ( 1977), S. 188-225; COURCELLE., PieITe: ..Divmano." In: lVollrxi/wn flir Anh'kt lind ChnJlrnlNm. JO{huJ()'rtrrVN{h ANJrinomlrrrrf'{Fng du ChriJltnlllms mit der anh'ken IVtll. Bd. 1ff. Hrsg. vo n Theodor Klauser. Smllgan: Hierscmann 19SOff. Bd. 3. Sp. 1235- 1251; PARK ER, Roben ChrislOphcr Townclcy und Jett)' LlNDERSKY: .. D ivinatio n." In: TIN O::..fom ClDJsirot Di{nonory. H ng. voo Simon I-Iomblower und Amony Spawfonh. Oxford: Oxford Uni versity Press 1996, S. 487-88.
zu,
204
die Bezeichnung für Lektüre" des Geheilllnisses. welche auf der Basis von Orakeln oder anderen Zeichen göttliche Bmschaften entziffern. Die Antike kennt ein breites Arsenal von möglichen Ansatzpunkten der divinatio. T ypischerweise crfolbrt die Lektüre der Welt an Naturzeichen, 195 etwa Wolkenbildung und anderen \'Venerzeichen, Flug und Schrei der Vögel (al/gunuIII), Innereien von Tieren (Hamspi:den) und vielem mehr. Aus dieser Traditio n heraus faszinieren Gegensrandsbereiche wie T räume (psychologie) und Sterne (As trologie) bis heute und sind auch in unserer Zeit noch Ausgangspunkte divinatorischer Rezeptionsmuster. Es sei noch erwähnt, daß das Wort lesen bzw. legere selbst die Kon no tatio n der divinatOri schen Lektüre noch über die etym ologische N achbarschaft zum ,Los' an sich trägt. denn auch der Loswur f ist eine a1te Divinationstechnik. l% Tatsächlich entspricht die Grundstruktur der divinatorischen Deutung in vieler Hinsicht der Lektüre der Tiefe: " D ivinationstechniken setzen die Differenz von Oberfläche und Tiefe, von Sichtbarem und Unsich tbarem vma us, sabotieren sie aber zugleich durch ein Wissen davon, wie man diese G renze kreuzt".1 97 Auch die divi"atio legt durch eine Lektlire der Tieft einen Hin tersinn, eine l?Jpofloia frei, und dabei handelt es sich ebenfalls um transzendentale
Botschaften. l98 Schwierigkeiten bereitet die Rezeptionsweise der Divinatio n allerdings dadurch, daß sie von keiner Programm atik kl ar do miniert wird ; sie läßt sich nicht so idealr}'pisch herauspräparieren wie im FaUe der sonstigen hier beschriebenen Rezeptio nswe isen. Im divinatorischen D enken ,verbirgt sich ' ein universaler Wirkzusammenhang hinter der Dingoberfläche, die Weh starrr von olllina, Zeichen göttlicher Botschaften, d ie stets 1II1SIegllltgsbediirfiig sind - in Entsprechung zur Programmatik des Geheimnisses. Z ugleich wird dieser Wirkzusam menhang aufgefaßt als ein unendlicher R.lUm von Eigen schaften, die immer wieder aufeinander verweisen. Das vonnoderne Wissen erfaßt das in den Theoremen der Signarurenlehre,l99 in der die durch den absoluten göttlichen logos geschaffene \'\felt wie eine "quasi-sprachliche OffenbarungH200 verstanden
19S
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Vgl. GAIER, Ulrich: " Narurzeichcn. Von Paracclsus bis No'·alis." In: Dit Um..,mltidlilhk,til du Bildtr. rl rsg. von Gerhard von G rae\'enltz, Stefan Rieger und Fclix Thürlcmann. Tübin · gen: Narr 2001,S. 11 7- 131. L UC K, Gcorg: Maue ~nd andt" Gtl1timltbrrn in der Antik,t. Srungan : Kröner 1990, S. 324. L UHMANN, Niklas: Die GurllJ(htifi dtr Gmlluhaft. Bd. }·2. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1997.
Bd. I, S. 235. Es überrascht nicht, daß sich D ivination und Allegorese in vielen Aspekten übersc1meiden; bcispiclwcise sind astrale Symbolismen ein zentrales Thema allegorischer D arslcllungen. Vgl. F LETCHER. Angus: Alltgory. Tbt ThlOry of a Symbo!ir Mode. Ithaca, Ncw York: Com ell UP 1964, S. 95ff. 199
Vgl. ebenfalls GAIER, Ulrich: "Narun:eichen. Von Paracelsus bis Novalis." In: Die Un· l!tmJtidlidJktit du Bildrr. H rsg. \' o n Gerhard von G raevcnirz, Stcfan Rieger und Fclix Thürlem.::.nn. T übingen: Narr 2001, S. 117.13 1, hier S. I 26ff. KLE IN, Wolf Pelcr: Am Anfang u'ar dtu IVon. Thron·t· lind u1Jstl/J(baftsgmhirhl!irhe Eknltnle
jriihntlitriJlirhtn Spr(J(hbtu.'UßlJtinJ. Bcrlin: Akadcmie 1992, S. 121.
205
wird. Man stellt sich das vor im Bild der un endlichen Kelle,201 des Bandes o der einer Fessel,202 und der imramundanen und kosmischen Korrespol1del1zen. Zentral ist dabei ferner rue Vorstellung der !JP lllpatbeitl. Die ersten , seltenen Belege dieses Begriffs aus der griechischen Naturphilosophie verwenden den Begriff zur Bezeichnung von Kräften , welche unerklärliche Fernwirkungen erzeugen. In der Sroa wird rue !yl!lpalbeia dann bereits zum Ko nzept eines kosmischen \XIirkzusammenhanges aufgewertet und steht hier auch schon im Z usammenhang mit der Traumdeutung. Seit der Spä tanrike und vor allem durch Plotin wird die SYlllpalbeia dann die Voraussetzung der diviflalio, denn die Kenntnis der \XIirkzusammenhänge gestattet, die D ingsprache zu entzi ffern, den in der \V/ ele verb o rge nen, geheimen Sinn zu verstehen: Dem retrograden Abstieg vom Ursächlichen zum Verursacht.cn nach dem Prinzip der theologischen Kausalität, stehen die durch fF/tll.ry",palbit begründeten und auf dieser beruhenden Wirkungen von Gebet und Magie in ihrem Streben in die entgegengesetzte Richnmg entgegen. \X'ie das Streben aller Dinge auf den Stufen des Kosmos nach dem O bersten, ist es auch der Einzclsecle möglich, sich kraft der koslJliJchtn SYlJlpalhit, die hin zu Gon streben läßt, zum Obersten emporzudenken. In diesem Sich-Empordenken vermittelt die kosmische Sympathie und figuriert gleichsam als Brücke zwischen den Welten. Sie ermöglicht so den psychologischen Aufstieg vom Körper zur Seele, von dieser zum Logos und durch den Geist und über ihn hinaus zum Schauen eines UnaussprechLichen und Unbeschreibl ichen.:!Ol D iese r kosmisch-s)'mpatherische \Xlirkzusamm en hang wi rd al so durch A,utlogiel1 konstruiert. Fo ucault bezeich ner nun das Prinzip, we lches Oberfläche und Tie fe der Welt miteinander verbindet, als .Ahfllichkeil (nssel!lbllJ1lce). D er divinarorische Leser gelanbrt an die b)'P0l1oia, indem er Ähnlichkeiten erkennt und dechiffrie rt. Um jedoch Interferen zen mit dem hier verwendeten Begriff der Ähnlic hkeir zu ve rmeiden, m öchte ich das präzisieren. Aus Foucaulrs Begriff der r fhl1lichkeitläßt sich einerseits eine An spielung auf die Ähnlichkeit der Metapher als K onstiruen s des allegorischen Hintersinns lesen [IIL 2). Dann kooperieren A.hnlichkeil und Geheilllllis innerhalb der Divinatio n ganz ähnlich, wie das auch bei der Allegorese der FalJ isr (und d as mach t Sinn). D ahingegen ist die Divinatio n vo r allem im .Mittelalter nach meinem Dafürhalten eher selten eine
Vgl. LoVEJOY, Anhur 0.: Tb~ Grrat Chain of &ing. A Stu4J oJ tIn HiJlory of an !dta. Thc William J amcs Lccrurcs dclivcrcd at Harn rd Uni\"ersiry, 1933. Cambridge, i"obss.: Harv ard
UP 1950. Vgl. KLEIN, Wolf ]leIer: Am A nfang ~ Ylrdas IWorl. Theorit- und ~iJStnsrhaftJf!Schirhtlidn E lmuntt frii/mruztil/irhtn Sprarhbt»'71ßtstinJ. Bcrlin: Akademie 1992, S. 67. RICHTER, Jürgen: Dit Theorie dtr Synrpathit. Frankfurt / M. er al: Lang: 1996, S. 239.
206
Lekrüre der Anschaulichkeir oder gar Simulatio n.204 Auch Foucault läßt keinen Zweifel daran au fk o mmen, daß die Lektüre im Weltbuch Mühen der Dechiffrierung kostet ~,Es ist ein Geheimnis, das in sich, jedoch an der O berfläche, die em schlüsselbaren Zeichen dessen trägt, was es sagen soU·ao~. Ein rypisches Beispiel ist folgende Äußerung des Hugo von Sr. Vierer: D ie game sichtbare Weh gleicht einem Buch, geschrieben vom Finger des Herrn Iql,oJi quidoPlliber est mipülS digito Onl; sie ist gescha ffen durch göttliche Kraft, und alle Geschöpfe sind Figuren, I...] hingestellt durch götdichen Willen zur Offenbarung und gleichsam als sichtbares Metkmal der unsichtbaren Weisheit Gottes. G leichwie aber der, welcher nur obenhin in ein offenes Buch hineinsieht, zwar Figuren erblickt, aber keine Buchstaben erkennt: ebenso sicht der thörichte und sinnliche Mensch, der von Gones Geiste nichts \'ernirrum , von den sichtbaren Kreanlren wohl die Außenseite, aber er begreift ihren tieferen Grund nicht. 206
Es wird al so deutlich, daß von einer mittelalterlichen "spirituellen Transparen z des Seienden"107 nur bedingt die Rede sein kann. Die Dingwelr ist im Hinblick auf die ryponoia durchlässig, aber niemals durch sichtig - nur " unkö rperlichen Geistern und Engeln" ist die direkte Schau Gottes im lonern der Schö pfung vorbehalren. 208 Von daher ist es sicherlich richtiger, diese Fo nn der Äh nlichkeit (/Iw/ogio zu nennen, welch e seit der Antike das kosmische Struk turprinzip p ropo rtionaler Entsprechungsverhälmisse bezeichnet. 209 D ie mittelalte rliche n Kreiszeichen2\O, welche die Harmonie der kosmi schen Analogien nachzeichEinen Eindruck kann man sich verschaffen in der QueUens3nunlung zum Topos der Lektüre im Buch der Natur in ROHlACKER. Erich: Dal ,Bllrh der Natur'. Malrna!im lind C nmdsiitt/irhes iflrlHtlaplNmgurhirIJlt. Hrsg. von Wilhelm Perpecl. Sonn: Bouvier 1 ~79. FOUCAULT. l\1ichel: Dit On/nung ,Itr Dingt. Eint Arrhäolo§t de,. HumanllissmHhajtm. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1993 [1966J. S. 67. Abgedruc kt neben vielen anderen Belegen im do kumentarischen Teil von ROTI-IACKER. Erich: Das ,Buth drr N alllr'. A'Ialtnabt n und Cnmdsätzlithes i!'r Mtlaphtmgmhithtt. Aus dem Nachlaß hrsg. u. bearb. Von Wilhclm I'erpeet. Bonn: Bouvier 1979, $. 48. OHLY, Friedrich: " Vom geistigen Sinn des Wo n es im Mittelalrer." I n: F. 0.: Sthriften i!" milltlallerfirhen &dtutungsjorrrIJllng. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1977 [19581. S. 1-31, hier S. 15, meine Hervorhebung.
Am Anfang IIVlr da.! 117011. Thronr- lind lIiJstnJrbojlJgmbifIJ,lirht Eltmmlt f riilJlltui!itlirhtn 5pruthbrll'UßtJrinJ. Berlin: Akademie 1992, S. 124. K.LEl N. Wolf r eler:
zoo
Vgl. KI.UXFN, Wolfgang. " Analogie." In: HisloriHhes Il7ört"iJurh der Philosophit. H rsg. von Joachim Ritter. Bd. 1- 12. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1971 ff. Bd. I, SI'. SI" 214-229; H 0FFDlNG, Harald: De, &griJ! dtr Analogit. Darmstadt: Wiss. Buchgcs. 1967 [19241; L YlTKEN S, Hampus: The Analo!) bttwten God ond lhe If70rM An lnltfprrlah'on ojits ßadeground and lnlrrprrtah'on of its VSf I!J Tho!fltU 0/ Aquino. Uppsala: Alm'luist & WikseU 1952; l\-L\CINERNY, Ralph: Tbt u gif 0/Analog!. An lnttrprrlah'on 0/51. ThomaJ. The Hague: Nijhoff 1961.
210
VgJ. etwa ivL\I-l NKE, D ielrich: Unendlirhe Sphärt und AllmilUlpunlet. Briträgt iflr Gmealogie drr mathematisrhen MySh·Je. H aUe: Niemeyer 1937; H EINZ-MOHR, Gerd: Lexikon der Symbole. D üsseldorf: Diederichs 197 1. S. 164 (" Kreis''):
207
nen, sind ebe n niemals an schauliche Simulatio nen, sondern immer Scbliisselzur D echiffrierung der Dingwelr. Auch die Ähnlichkeit z""ischen Mikrokosmos und Makrokosmos2ll sO'\.vie die GonebenbildJichkeir des Menschen sind in erster Linie eine Analogie, nie eine Simulatio n.212 Dasselbe gilt mutatis mutandis flir die vormodernen sprachtheoretischen Auffassunge n: D as Band zwischen Zeichen und Bezeichnetem ist das der (Jntdogi(J, aber diese ist niemals ,durchsichtig'. Selbstve rständlich impliziert auch die Analogie Vorstellungen von G leichartigkeit; sie bezeichnet jedoch weniger eine Simulationsähnlichkeit, sondern eher die Vorstellung von Entsprec hungen und VerhäJrnismäßigkeiten oder sogar mathematischen Relationsstrukruren (man denke etwa an die Vorstellung von der b(lnJJoni(l IIl/mdJ).2IJ D ie dil!inano scheint demge mäß eine T endenz zum GebeilllfliJ zu besi tzen, sie inkorpo riert jedoch zusätz lich Vorstellungen der A,Jmlicbkeil, und, das sei scho n hier angemerkt, der Ufllllillelbarkeil [IV. 2). Schon die Seher und Wahrsager der /JIafllike stehen immer auch im Imfl,illelbarm Kontakt zur Gottheit. Vor alJem in mysti sch-pansophischen Kontex ten kann die unminelba re Erkennbarkeit der '?JpOflOirl in der Dingober tläche betont werden , wie erwa bei Bö hme und seiner N alllrprtJcbenlehn!: " Wenn man nun betrachtet die ganze N amr und ihre Eigenschaft, so siehet man den Vater." Aber auch hier ist die ProbJ'fammatik des Geheimnisses stets mitgedac ht: "So man nun will GOtt, den Sohn , sehen, so muß man abennal ts] natürliche D inge anschauen, sonst kann ich nicht vo n ihm schreiben. Der Geist siehe t ihn wohl , aber man kann es nicht reden oder schreiben, denn das göttliche \'\fesen stehet in Kraft , die sich nic ht sc hreiben oder reden lässet."21 4
Vgl. KURDZ1ALEK, r-,'Iarian: " D er Mensch als Abbild des Kosmos." In: Drr Brgriff drr Rrpräsmlatio i", Milltlalltr. Slrll,-'trfrrINng, Symbol, ZadNn, Bild. Hrsg. \'on Alben Z irruncrma nn. Berlin, Ncw Yo rk: de Grurter 197 1, $. 35-75. 111
Vgl. KLEI N, Wolf Pete r: Am Anfang N'(Jrdas Il7orl. Tbron'e- Nnd u.isunscbojisgesrlJidJtlirht eltmrnlt friihntll':(!il/ir/Jen Sprarhbtu·Nßtsrins. Bcrlin: Akademie 1992, S. 70. ~ollt.xjlt.ofl
flr Anlikt Nnd ClmJlrnlllm. SO{hwörltrbNrh if/r ANstinondtm'i!'ng des ChrislrnlNms mit drr lli/filetn IVrll. Bd. I ff. H rsg. \ ' 011 111eodo r Klauser. Srurrgart: Hiersemann 19S0ff. Bd. 13, Sp. 593·6 18; Vgl. etwa HORovrrt:. ThekIa: Vom u gos i!'r Analogir. ZNr Ges{hi{hlt rintS motlm!latisd;rn Ttn?,inNs. Zürich: Ro hr 1978; SCHUt ZE, Wemer: Zahl, Pro/MrlIOfl, Analogii. eine UnlmN{hNng ~r A-frlllpl!Jsik Imd [f/iSJrns{l;ojishaIINng des Ni/eoloNs l'fln Kues. Münster: Aschcndorff 1978. VgL PE,P1 N, J ean: " H armo nie der Sphären." In:
!H
208
BCHME, Jacob: ANrom ()(/tr Motgrnrole im A ~ang. Hrsg. von Gerhard \'?chr. Frankfurt/ M.: Insel 1992, crst S. 95 [3, 81, dann S. 97 13, 131.
4. Rezeptio nsweisen der Neugierde: Die Entstehung der Fiktionalität (DAMPIER / D EFOE) Unabhängig davon, daß der Rczeptionsweise des Geheimnisses im "-fitte!alrer215 eine gewisse Universalität eigner -
ihr kann prinzipiell jedes Wort und
jeder Gege nstand zum Ausgangspunkt einer Offenbarung werden - , lassen sich andererseits Orte und Figuren der Geheimnisdichte eingrenzen, die dann in den Zuständigkeirsbereich der Mystik fallen. 216 Gon ist das absolmc Geheimnis,m ihn zu erkennen wird demgemäß zu einer unendlichen Aufgabe. Zenrrnle Mysterien sind beispielsweise die Paradoxie der Menschwerdung des Göttlichen oder An schlußfrngcn etwa nach dem Leiden Gottes in Jesus sowie Auferstehung und Geistspendung. Der gekreuzigte Jesus ist ein bevorzugtes 2!S
VgL zu diesem Komplex auch die Beiträge des Sammelbandes Z IMMERMA..""IN, Alben (I-Irsg.): Drr &griJf dtr Rtpriistnlatio im Mitltla"".. Sltlll~rlrtl,m& Symbol, bir!Jtn, Bild. Bed in, New Yo rk: de Gruyter 1971. zwn .kreativen Einsatz' der Allegorie \'o r allem den darin enthaltenen Aufsatz BRINKMANN. I-lennig: "Verhüllung (inltgllmt"llIm) als literarische Darstellungsfonn im r>.titlclaher;\ S. 314-339. Ich habe nicht zuletzt auf eine Fallstudie zur Mystik \'enichtet. weil dcr aporctische Charakter diescr Texte so offensichtlich ist und sich daran uber die J ahrhunden e wenig i nden (\'gl. auch RUJ-I, Kurt: GtSthirhlt dtr alNndliinmSfhtn Alystik. ßd. 1-3. München: Beck 199Off. ßd. I. S. 22); ich werde auf das Thema jedoch im Zusammenhang mit der Progranunatik der Unmifldbar1etil zurückkommen [IV. 2} . Die I.j,cratur zur Mystik und ihren Gthtimnimfl isr uferlos; im folgenden seien einige Arbeiten erwähnt . die sich du rch ihre aktuellen ko nununikatiOllstheo retischen Ansätze profilieren. Vgl. vor allem HAAS, Mois t\h.cia: Mystik. als Aussagt. Eifahrunf,s-, Omk.- uf/(I Rtdtjormtn fhnillirhtr My slik. Frankfun1M.: Suhrkamp 1996; konstruktivistische Analysen der Mystik liefern die Studien \'on Katz, insbesondere KATZ, Ste\'en T .: ,.111e ,ConsCfYatin:' Charactcr o f Mystical Experience." In: Mystiris", and Rtlioolls Trmlihons. I-lrsg. \'on S. T. K Oxfo rd u. a.: Ox ford Uni\'ersit}, Press 1983. S. 3-60; den.: " Lmguage. Epistemology, and Mysticism." In: Mystirism and Pbi· loJ6phifal Alla!Jsü. I-lrsg. \'on S. T. K. NN' York: Dxford Uni"crsit}, Press 1978, S. 22-74; den.: " M)'stical Speech and Mystical Meaning." In: Alyslidsm and Llnguagt. Hrsg. \'o n S. T. K. Dxford u.a.: Oxford Unh'ersit}, Press 1992, S. 3-41 ; einen systemrneo rcrischen Ansatz verfolgen die Beitrige des Bands LUJ-IMANN, Niklas und Petcr FUClIs: Rtdrn u"d S(hu,~igrn. 2. Auf!. Frankfun1M.: Suhrkamp 1992. Auch zu dieser " theologischen Grundaporie" (\'gl. J ONGEJ., Eberhard: Goll als Gtheimnis d(r 117t11. Zur Btgriindung dtr Tht%Ot des Gtk.rru'{!!/tn im Slrril :(!Iisfhen Theismus und Alheismus. Tübingen: Mo hr 1977. hier S. 44) kann nur ein minimaler Ausschnitt aus der Literamr angesprochen werden. Vgl. \"o r aUem Orro, Rudol f: Das Htiligt. O,"r das IfTlltionalt in dtr Itkt du Giitlirhtn undsti" VtrlJällnti !(!Im & tionaltn. Breslau: Tre\\lcndt & Granier 1920; ferner RAH NER, Kar!: "Über die Vr:rborgenheit G o nes." In: K. R..: Srhriftrn !(!Ir Thtologit. ßd. 1- 16 Zürich er aJ.: Bcnziger 1967ff. ßd. 12. S. 185-305. Einen guten 5)'stc:matischen Einstieg bietet ScHÜTZEICHEJ.. I-leciben : U7,gt i" das GtlNimnis. Btilr'ägt!(!lr Fllndam(IIlallhtologit. Trief: Paulin us 1989. Vgl. zwn religionsphilosophischen Hintergrund RlEß, Klaus: GOIl1!l1i(ht"
Btgnll lind Gthtimnis. Zu tintm Endt naliir/i(htr Thtologit als AllJgang ntuzeit/ühtr Rtligionsphilosophit. Sr. Dailien: Eos 1990. Eine wissenssozio logische Analyse zur Inslrumentalisierung d es Geheimnisses im frühen Christentum bietet THEIßEN, Gerd: " Die pragmatische Bedeutung der Gehcimnismo tive im Markusevangcliwn." In: Surrryad Con(talmtlll. SlullitJ If/ tbe Htilory oJMtdiltrmntan and Ntar Easltrn RlIiOons. Hrsg. \'on Hans G. Kippenberg und Guy B. Strownsa. Leiden et aJ.: Bri1Il995, S. 225-245; SCHIlDENBERGER, J ohannes: Vom Gdltlmnü du GOllml(}rles. Heidclberg: Kede 1950.
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Mys terium der Kontemplatio n, das Kreuzsymbol ist ein beliebter Einstieg in das Geheimnis. 218 Die Scholastik betont. daß die Haupclehren Dreifaltigkei l, Inkarnation, die Sakramente sm,vie die Auferstehung nicht durch den Verstand erkennbar sind; es "vird also unterschieden zwischen \Vahrheiten, die dem Verstand zugänglich sind. und solchen, die ihm verbo rgen bleiben. Und wie bereits angesprochen, ist das Geheimnis der Trinüät eine nie versiegende Quelle von kommentierenden Traktaten. Eine umfangreiche Theologi e des Geheimnisses wird Nikolaus von Kues in De dor/o ignoml1tia (1440) vorlegen: GOrt als das abso lut G rößte und Unendliche kann vom endlichen Verstand nur in der ignoranlitl dei, dem Nicht-Wissen erfaßt werden. Das Unendliche kann allenfalls über Analogien (etwa die mathema tische Unendlichkeit) erahnt werden - damit ist die ignomntia dei in bezug auf das von ihr hergestellte \'(Iissen von Gort eine negativt Theologil 19 (welche im übrigen seit ihren Ursprungen bei Philo vo n Alexandria im Bündnis mit de r Allegorese auftrir~. Auch Versuche der Gonesschau aJ s Erkenntnis der Einheit in den Gegensätzen (coinriden/;(l oppositonlHl) sind Figuren des spekulativen Geheimnisses. l2l Zentral für meine Argumentation ist nun, daß diese gesamte mittelalterliche Programmatik des Geheimni sses letztlich um einen zentraJen T ex t herum gebaut ist, und zwar um das Blffh der Biirhtr, die Bibel, und seine unendliche Tie fe. Um mit OhJy zu sprechen, sind aUe Wissenschaften des !\.1irtelall'ers letzclich "Wegbereiter des Schriftsinns'c222 dieses einen Buches. Dieser Befund find et einc Ko rrelation in einer rein mediemcchnologisc hen Hinsicht. Denn das Mittelalt er iSI die Ze it dcr wenigen Bücher, und dies nic hl zuietzi aufgrund der Tatsache. daß Bücher nach wie vor müh sam abgeschrieben werden müssen. Daraus fo lg t eine radikal e Eincngung des Kano ns, und das bedeutet fur das Mittelalter zunächst einmal die weitestgehende Ein-
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Ein ßcisipd aus \;elen: In der franziskllIlischen Theologie ist das Kreuz eines der zenrralen ~'t }'s tericn, es markiert die ,Mjne der Schrift', demgemäß erfolgt " die Öffnung der Schrift durch den Schlüssel des Kreuzes"; vgl. ausfiihrlieh HOI.5ßUSCH. \\lerner: EIt",rnlr rinrr Knll'{ullnologir in dtn SpälHhriflrn &fla/orn,,,f'tlI. D üsseldo rf: Paunos 1968, hier S. 209. Vgl. auch \'(/I1TSCBlER, Smmuus M.: Knl/t Trin;liil, Anologir. TrinüonJ{bt Onlologi, IInltr 11m, LtilbiM du Knl/trS, dotgrJlrlll alt aJlhttiJr!N Tlnolol,it. Wür.:burg: Echter 1987.
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Die wnfangreiche Tradition der negativen 111cologie umfaßt unter anderen Augustinus, Pseudo Dio nysius Arcopagita, ScONS Eriugena, Thomas vo n Aquin, Meister Eckhart: \'gl. SCBOrt':E.ICHEL. Heri bcn: IWrge in das Grht/mnis. Btiträgt t!'r F""da",tntoltbtologü. Trier. Paulinus 1989, S. I3f.
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~,
Vgl. FlNEMA.'l. Jocl: "The Structure of the Allegorical Desire." In: J. F.: TIx SlIbpt/iI;!y Effi(1 in IWuttm Littrory T rodilion. Eut9 TOJl-1un tbt Rlltast of ShaluJ/N0rt's l17ili Cambridge/ Mass.: MIT Press 1991. S. 3-3 1. hier S. 5. Vgl. J\ LVAREZ-GO.\mz, Mariano: Dir torroo'J/nt Gtgtf/lnzrt du U",,,d/i(lxn lNi i\ 'ihIoNs l'On 10m. München: Pustet 1968; HAAS, Alois Maria: Dtl/m mislift narrt ... in (oligin, roindr/md,. ZNm Vubäll"is NihJlolIs' l'On KJits t!'rMyslile.. Basel, Frankfun1M.: Helbing & ü chtenhahn 1989; einen geschiclulichen Überblick bietet WEIER, Reinho ld: Das Thrma 1·'O m l!rrbo'1/Ntn GOIlI'ON N ihJltlNS I'ON KJies t!' Mnrtin u //Nr. Phi!. Diss. 1965. O~u.Y,
Friedrich: "Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter." In: F. 0.: Sthriflrn !{!Ir m;lItlalttrlif/N" Btdtulllflgsjomhllng. Dannstadt \\liss. Buchgcs. 1977 (1 958), S. 1-31, S. 8.
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schränkung breiresrer Bevölkerungsschichten auf Partizipation an nur einem einzigen Text, und zwar der Bibel. Letztlich wird ein Großteil der mittelalterlichen Kommunikationsressourcen darauf verwendet, dieses eine Buch zu tradieren und auszulegen: .. Fragen wir nach dem geistigen Sinn des WortS, so haben wir auszugehen von der Bibel, um deren Verstehen das Mittel aher in G ottesdienst und Unterweisung, in zahllosen Kommentaren und mit aUen Mitteln der Künste, die Dichrung eingeschlossen, gerungen hat.'c223 Die mittelalterliche Bevorzugung der Programmatik des Geheimnisses läßt sich demgemäß auch durch die begrenzten Ressourcen ihrer Medienökonomie erklären, oder, um es plakativ zu formulieren: \v/o nur ein Text gelesen wird, da braucht es eben Tiefe. Endlose, wiederkäuende \V/iederholungslektüren immer ein und desselben Buchs (und darunter fallen Predigten, Lesungen, die Lirurgie, bildliche DarsteLlungen und vieles mehr!) lassen sich auf diese Weise motivieren: Der eine Text ist ,unausschöpflich', und er enthält aUe Wahrheiten. Die horizontale Beschränkung wird durch vertikale Tiefe kompensicn. Die Kehrseite der Medaille ist, daß mit dem \Vegfallen der medientechnologischen Beschränkung auf das eine Buch die Hauptmotivation für eine unendliche Tiefe und immer wieder neu ansetzende \V/iederholungslektüren (m",jnotio) obsolet wird. Und genau dies ist der Fall. EngeJsing prägte in seiner frühe n Srudie zur Lesergeschichte die Rede von der vormoclernen, intensit'tn l.....ektiire der wenigen Bücher (etwa der Bibel), vo n dcr cr die modernc Fonn der exle11Jille" uktiire vieler \'erschiedener Texte unterscheidet. Engel sing lokalisiert diesen Paradigma wechsel in die zweite Hälfte des 18. J ahrhunderts, also in den Kontex t der Proliferation der Bücher infolge der w nehmenden Durchsetzung des Buchdrucks. 224 Die Revolution der Druckerpresse erbringt einerseits eine allgemeine Beschleunigung des Leseprozesses, ..weil der mechanisch vervielfältigte Text in seiner völligen Uniformität weit automatischer gelesen werden konnte als jedes Manuskript":225 Schnellere Leser können aber auch lIIehr Bücher lesen. Dieses Bedürfnis wird durch den noch wichtigeren, zweiten Aspekt der drucktechnischen Revolution be fri edigt, und zwar durch die prinzipielle Möglichkeit einer immensen VcrvieJfiltigung verschiedener Bücher zu einem verhälrnismäßig günstigen Preis. Genau diese Konstellation erzeugt eine einschnei dende Veränderung in bezug auf die Lektiire du Gehei/JInisses. Denn der eingeschränkte Zugrif f war eine der konstituierenden Bedingungen des antiken und mittelalterlichen Geheimnisses gewesen, der beispiclweise auch die Eingeweihtcn von der Masse schied [111. 1]. Dagegen ennöglicht der Buchdruck die ll3
Ebd., S. 2.
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Vgl. ENGEI..5L'\'G, Rolf: Der BN'!.rr ols Lm r. Ltsrrlf1{hichlt in Drllls(hkmd (1500-1800). Sruttgart: t.letzlcr 1974 [19591.
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Reinhard: "Gibt cs cinc Lcscrevolunon am Ende des 18. J ahrhundcrtS?" In: Dit If/dl du Lestns. Von d" S(hriftrolle bis '{!IIH BiMs{himl. f.l.rsg. vo n Rogcr Charncr und Guglielmo Cavallo. Frankfun/ M., New Vmk: Campus 1999, S. 419-455, hier S. 425. \X/ I'ITMfu'\'N,
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Verfügbarkeit sehr vieler verschiedener Texteinheiren (und dies für potentiell aUe T eilnehmer des kommunikativen Geschehens).Z26 Narurgemäß braucht ein T ex t aus der Perspektive einer exleIJsiven Leseweise nicht mehr unfaßbar tief zu sein und unendliche Auslegungsanstrengungen zu erzeugen. denn man will ihn gar nicht immer wieder lesen - für un s. extensive Leser schlechthin. die wir täglich vo n einer nie dagewesenen Informationsflut überschwemmt werden. eine geradezu absurde Vorstellung. Der auffalligsre Aspekt. in dem die extensit!e Lektüre sich von der intensiven differenziert, ist das Kriterium der Nellgierde. Diese Neugierde unterscheidet sich in sofern yon antiken und mittelalterlichen Formen der Cllriosilas. als sie ent jet'?! eine Begierde nach Ne/uni ist. " In der klassischen Antike und im europäischen Mittelalter wurde die Orientierung am Neuen in der Regel verurteilt: Man sah in ihr lediglich ein Z ugeständnis an die Macht der Zeit, die yon den mündlich oder schriftlich tradierten Vorbildern wegführte. "221 Erst der Buchdruck und die Möglichkeit der schnellen Vervielfaltigung von Inform atio nen bietet die Voraussetzungen für die Ausformung der genuin modernen Kategorie des Neue/,. Und ko nsequent wird die di.fferenlia specifica der entstehenden neuen Publikationsfonnen wie Einblattdruck, Flugblatt und Zei rung im Verhältnis zu den yormodernen Medien darin liege n, daß sie das N tllc medial erzeugen und verfügbar machen. Mit der E rfindung des NCIICII durch den Buchdruck ents teht al so auch das ko rrelierende Rezeptio nsorgan au f seiten des Lesers, die Ntugierde. Die gedruckten Medien "erweiterten" die Kenntni sse det Rezipienten "über den enge n Kreis der Primärerfahrung hin aus und befriedigten die Neugier, eine Eige nschaft. die noch im Mittelalter verpönt gewesen war, in der beginnenden Neuzeit aber zur trcibenden Kraft der \Velterkundung wurde. "228 Ein neuer Berufszweig wird fo rtan (und bis heute!) das Aktuelle im Kommunikationssystem fo rtlaufend herstellen: D er JOllmalisllllls erblickt das Licht der Welt,!..">9 an die Stelle der Predigt tritt die Vermittlung des Der Buchdruck erbringt also auch eine ,Demokratisienmg' des Wissens, und diesen gewaltigen Impuls wird später die Leihbiblio thek fo rtsetzen [[11 . 5). Vgl. zur Proliferation der T itel durch den Buchdruck auch GII:SECKE, Michael: ",D en brauch gemein machen.' Die rypographische Erfassung der Unfreien Künste." In: Schltirr lind SchJllflle. Hrsg von t\lcid a und Jan Assmann. Bd. 1: Gthrimnis lind Offintlichkril. München: Fink 1997, S. 291 · 311 . hier S. 29M. Vgl. fcm cr zu zeilgenössischen Erönenmgen zur ,Büchcrfl ul' den.: Dtr ßllchdmcl!. i" tkr friihtn Ntllztil. Ei"e hislo,ücm FallstIldie iibrr die Dllrrhsr~ng ntlltr l"jo,11/a60nJ- lind Kol1mlllnilwhonsluhllolo§·tn. Frankfurt/ i\L Suhrkamp 1991 , S. 171 (,,,Von \'berflussz der buecher' und dem Überhandnehmen der ,nuw fundigkcit"'). 211
G ROYS, Boris: Obtr das Nrllr. Vrr!lIch r;nrr KPtfllriiletmomir. München. Wien: Hanser 1992.
S. 23. Der Befund gilt für die Antike jedoch nur bedingt; so dieme das Neue, die Abwechslung des SlOffe s in der antiken HislOriographie bereits der Umcrhalrung (psychogo§a). Vgl. P E11~ R, Hcrrmann: Il?ohrhti/llnd KP"Jf. GuchichfJJrbm'hllng lI"d Plogill/ im klllssiHhen AI/rr""n. Leipzig, ßcrlin: T cubncr 1911, S. 423. !!8
W ILKE, JÜfgcn : GmndiJigt dtr Mrditn- lind KtJmmllnilwh·onsgtJchich/t. Von dtn A'!ftillf!.tn bis im 20. Jahrhllndrrt. Köln CI al: Böhlau 2000, S. 38.
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Vgl. auch LEAVlS, Quccnic Do rothy; Fichon IlnJ fbe IVIlJin/!. Puhllf. Londo n: Bellcw 1990
[19321. S. 83 ff.
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Neuen: "This tran sfo nnacio n in arcirudes roward the new is reflected in the seve ntee nth ~century development of ,news' as a signi ficant if ambiguous co n ~ ccprual ca tegory, and of journalism as a po pular if ecleecie pro fessio nal accivi ~ ry."230 D er Begriff des Journals selbst t.rägt den Verweis auf das Neue noch an sich; in ihm verbirgt sich das lateinische dillrnlllJl (täglich) und der fran zösische jour, er bezeichnet lagesaktllelle Pllblik.ationsjömlen, und zwar bereits vor der Ein· führu ng des Buchd rucks dasgiof71ale (Tagebuch), dann aber im 17. J ahrhundert d ie T ageszci rung. 231 Die Proli feratio n der T ex te (abe r auch der Bilder [11. 6]) d urch den Buchdruck hebelr fo lglich eine ko nstirucive Bedingung des Geheimnisses aus - zu dieser E insicht gelangt auf anderen \Vegen auch Aleida Assmann : "unter den Verhä ltnisse n expandierender Druckö ffemlichkeit und Alphabetisierung ldrohtJ die Geheimnistraditio n der D o ppeJcodierung ve rlo renzugehen."232 Die E ntstehung der extensiven Lektüre und ihrer Lust am neuen T ext erzeugt zugleich eine allmähliche, über Jahrhunderte währende Erosio n der eige nlichen Lektüre des Geheimnisses, deren Endpunkt wir vennutlich gerade erIeben [111. 8] . D ie allmähliche Durch serzung des Buchdrucks vervielfältigt die Menge der rezipierten T ex te, und umgekehrt p ropo rtio nal wird die Tie fe der Rezeption reduziert. \Vichtig ist jedoc h, daß dabei die Programmatik des Geheimnisses nicht ausgelöscht wird. Im Gegenteil: Mit der Zahl der T exte werden auch die Geheimnisse vcrvielfaltigt. Die Struktur verschiebt sich jedoch in einer ganz entscheidenden D imension. Die Lek türe der Neugierde verlangt es nac h vielen, immer neuen Stimuli . Die unendliche Tiefe wird in dieser Rezeptio nsweise aufgegeben, an ihre Stelle treten die vielen, endlichen Geheilllnisse (Hö risch nennt sie Riilsel 233) oder aber die Reduktio nssrufe des Geheimnisses: das Interessante. MCKEON, 1-.1ichael: Tht Ori:§nJ 0.1 Iht EnghJh Not'tl (1600- /140). Balcimore: Johns Hopkins UP 1988, S. 46. Vgl. KL UGE, Friedrich: E!J'nolo:§srhn lfi'iirltmllrh dtr dtlll!rhrn Spradlt. 22. Auflage, neu bearbeitel von Elmar Seebold. Bcdin, New York: de G ruyter 1989, S. 342. Vgl. zur Entstehwlg der Tageszeitung wn die Mine des 17. J ahrhunderts auch WILKE, J Ül"gen: G"md~ gt dtr "'-[tdirn· lind KommlinileulionJgtJrhirbJr. Von (Im A'!fongrfl bis ins 20. Jabrhllfldm. Kö ln CI a1: Böhlau 2000, S. 57, hier weitere Lhera turhinweise.
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A5SMA.'l"N, Aleida: " D er D ichtung Schleier." In: 5rhltitr lind Srhu.'ttk. Hrsg von t\. und J an Assmann. Bd. 1: GtlltimniJ lind Olfrnllirhluil_ München: Fink 1997, S. 263-2SO, S. 272. Hörisch hat die Unterscheid ung zwischen Rä tsel und Geheimnis auf Basis einer Gocrnelckrüre erarbeite!. Mein e Unterscheidu ng (endliche versus unendliche Geheimnisse) entspricht der seinigen, ich folge nur seiner T enninologie nicht, da sie im Sprachge brauch (auch Gocrnes) allenfalls als T endenz, nicht aber als Regel fe stgestellt werden kann. Auch im Falle " o n Unterhaltungsliteratur wird ,Rä tsel' und ,Geheimnis' oft s)'nonym "erwendet (im Sinne: Das GrlltinmiJ du großrn Ullbt/eannlen und so fo rt). Nur die Theologie verwendet zur Bezeichnung der Une[kenn barkeit Gones stringent die Bezeichnung ,Geheimnis'. Vgl. zu der Unterscheidung HORISCH, J ochen: Dit anturt Goelht~/. Poelisrht Mobilmurhung du Sub/tlets 11m 1800. München: Fink 1992, S. 172- 190 sowie HÖRISCH, J ochen: " Vom Geheimnis zwn Rä tsel. D ie offenbar geheimen und profan edeuchteten Namen Walter Benjamins." In: 5rhltirr und SrhM'tIIt. Hrsg von Aleida und J an Assmann. Bd. 2: Gthrimnis und Offinba",ng. München: Fink 1998, S. 161- I SO, hier S. 162. E ine kompakte Monographie zur
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Die AbenleJIcr, welche un zählige Titel ve rsprechen, avancieren sogar voriibergehend zu einer Gattung der er?ählenden Literatur. !34 Bei solchen Lektüren erlischt das Geheimnis nach Abschluß der Lektüre, denn die Neugierde ist be fri edigt - und wendet sich anderen, neucn G eheimnissen zu. Wichtig ist, daß dic extensive Lektürc dic Paradoxie des unendlichen Geheimnisses (als kommunizien es N ichr-Kommunizierbares) in die vertikale Ebene transponiert. Zwar kann man die endlichen Ge heimnisse jetzt lüften, aber zuglcich wachscn immer neue nach. Die Informationen des N eJletI, Interessanten, UngeulÖhnlichen befriedigen die Neugierde, reproduzieren jedoch stän dig einen neuen Informationsmangel. Im eigentlichen Sinne kann man das Neue nie wissen, denn sobald man es weiß, ist es alt. Die Bedeutung dieser Rehabilitierung der Neugierde2.lS kann man gar nic ht hoc h genug einschätzen. Als Laster hatte sie die mittelalterliche Wirklichkeit noch in zwei Sphären gespalten: In der einen ,zeigte' sich eine zur O ffenbarung zuhandene Realität von konstantcr Größe. Was sich nicht von selbst den Menschen crö ffnete, hatte Gott ihnen voren thalten, mußte also der Sphäre de s göttlichen Erkennmisvorbehalts zugerechnet werden, in die einzudringe n Sünde war. D iese Konstruktion wurde jedoch vor allem durch rue Entdeckung der neuen Realitäte n, namentlich der lerm incogflita durch Kolumbus sowie die E rfindung des Mikroskops sowie des Fernrohrs durch G alilei, zunehmend fragw ürdig. Man stell te etwa im Falle der stellaren \'(Ielten fest, daß es Realitä tsbezirk e gi bt, die ohne technischc Hilfsmittel für das menschlichen Se hvermögen unsichtbar bleiben - eine zuvor undenkbare Vorsrellung. D iese Einsicht markien einen ., Einschnitt, jenseits desscn ständiger Z uwachs det zugänglichen Realität crwartet wc rden konnte.«2.l6 Ga nz symptOmati sch ist fo lgende Passage (von 1667): .,the Microscopc alone is enough tO silencc all oppo sers. [...J now by the means of that excelIenr Inslm!!letll, we havc a far greater number o f di fferent kinds o f things reveal'd ro us, than were conrained in the visible Univers beforc".237 D araus erwächst auch der psychologi sche Reiz, den Kul rurgeschichrc des Rä tsels bietct HAIN, Mamilde: Röl;tl. Sru ttgan : Metzler 1966. Zwei bekan nte Beispiele: l\b n denke el\,.,a an Fischans Affin/rNrlirht lind UngthtNrlirhe GurhirhlJSrhriji von Gargan rna und Pantagruel (1575) oder an G rimmelshausens Drr Abtnlhtllrljrm SimpliriJSimlls Ttlllsrh (1668-69). Man könnte als einen vo rläufigen H ö hep un kr dieses ,Genres' die Sanunlu ng Biblio/htle dtr Abtn/htllfl'r ansehen, die 18 10 vo n Sc.hleiennachers Freund J ohann Christian Ludig Haken veröffentlich t wurde. Vgl. dazu auch GRIM" IIN GER, Rolf: HanJm So'{jalgesrhirhJe dtr tUli/srht" Li/tra/ur wm 16. Jahrhundert biJ il'r C tgtn~'(Jrl. ßd. 4: UEDING, G en : Kkwile lind Romantik. DtulJrlu Li/tra/ur im Zritalltr tkr Fran?jJSiIrlnn RfI/()llIh'on (1789· /815). r-,·tlinchen , Wien: Hanser 1987, S. 5 16ff. Vgl. 7.ll der langen, bereits im 12. Jahrhunden beginnenden E nrwic k.l ung B LUME.t'18 ERG, Hans: Dtr Prozrß dtr /IJeon!iJ{hm Ntu.!jerdt. Fra nkfurt / M.: Suhrkamp 1980, S. 122- 183.
E bd .. S. 18 1. SPRAT, Thomas: Tht His/ory of /In RiJyal 5odt(J ofu ndon, For Iln JmprrJl7'ng ojNalllral Knoll4tdgt. Londo n: Many n 1667. Paks. Neudruck 1966. S. 385. Die Bezeichn ung ,H isto ry' ist aus hcuriger Sicht irreftihrend. es handelt sich vielmehr um eine apologetische DarsrcUung der Royal Society.
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Ausgriff auf neue Realitäten zu wagen. Die Idassischen T o poi sind dabei die Weite der Weltmeere so'.vie der Ausgri ff auf die Gestirne - in Anlehnung an die T opograp hie der Höhe beziehungsweise Tiefe [111. 1/2]. ßlumenberg nennt als Beispiel einer solchen Überschreitung der \'\fahrnehmungsschweUe die Geschichte vo n den sogenannten ,Säulen des I-lerkules', also den Bergfel sen beiderseits der Straße von Gibraltar, welche für die Antike das ,E nde der bekannten \'\fel t' symbo li siert hatten . Noch Dame erfand zu Beginn des 14. Jahrhunderts in der Divifla COnJmedia die Episode des neugierigen Odysseus, der aus \Xfißbegierde nicht nach Ithaka heimkehrt und statt dessen die Säulen des I-l erkules d urchf.'ihn:
1...1als wir zu der Enge, wo Herkules die Zeichen setzte, kamen, daß weiter vorwdringen niemand wage. I...] ,,0 Brüder", sagt ich, [...1 .,Versagt dem kurzen Abend eurer Sinne, der euch noch übrig ist, nicht die E rfa hrung, der Bahn der So nne fo lgend, jenen T eil der \'(felt, der unbewo hnr ist, zu erkunden!,<2)8
Nach fünf weitere n Tagen zur See erblicken die Reisenden einen ,ungeheurcn Berg' (1), der aber den Vorwitz der Überschreitung hart bestraft: Es geht ein gewaltiger Sturm von ihm aus, der das Schiff und die Besatzung untcrgehen läßt. Die neu!:." erige Durch schreitung der Säulen des Herkules wird erst im 16. J ahrhundert, also erst flach Kolumbus' Entdec kung der Neuen Welt, bei Tasso positiv gewertet. ßlumenberg verweist auch darauf, daß das Symbol der I-l erkulessäulen im Zusammenh ang der entstehenden neuzeiilichen Wissenschaft dann zu einem zentralen Symbol wird: " Auf den T itclblan von Bacons Insltulfalio ",agna l...J so llte das Schi ff des O d ysseus hinter den Säulen des Herkules erscheinen, gedeutet durch das selbstbewußte Motto: M,,/Ii pertrnnsiblln/ el IlJlgebitllr scientia.,,239 D ie nautische Überschreitung der Schwelle, der Ausgriff auf das G ebiet jenseits der Säulen des Hcrkules avancieren also im Jahre 1620 zum Markenzeichen der neuzeidichen Naturwissenschaft auf ihrer Griindungsurk unde. Die Programmatik dieser N a/llra/ H islo1J' begnügt sich nicht mehr mit dem mittelalterlichen Diktum: E s ist geschrieben, also ist el11lahr. Denn auch in bezug auf die Vorstellung vom ,wahren Wissen' hat der Buchdruck tiefe Spuren hinterlassen. Ersr die technologische Möglichkeit der fo rtlaufenden Reproduktion
D ANTE A U GHIERJ : Dii §fit/kIN Komödü. Mit dtn Silhmtifli!idJnlmgtn nJn Sa"dro & Iliftl/i.
ü bers. von Kar! Witte. Leipzig. Redam 1990, S. 105 ß LUMENBERG,
Hans: Dfr Pro?!ß der IheorrtisclN" Ntllg imif. Frankfun/ M.: Suhrkamp 1980.
S. 141.
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von exakt identi schen T ext-Kopien schafft eine völlig neue Dimensio n der Überprüfbarkcit. In dieser Hinsicht wird der Buchdruck zur Bedingung der Möglichkeit des Histo rismus, des Empirismus und der modem en ,empirischen Wissenschaft': Prim comributes [Q :md reinforces an ,objcctivc' standard o f truth which is also, especially in narrati\'e, a ,historical' standard o f truth, of historicity: Did je happen, and how did ir happen? l... ] the scientific revolutio n represem s not the birth of ,cmpirical attirudes' bUf the resuh o f rwo histo rically inscparablc but distingujshable pheno mena: the unprccedemed validation o f cmpirical attirudes, and the unprecedemed oppo rrunity TO faci litate those amrudes through a transfo rmation in thc production and management of knowlcdgc.2.JO
Der Buchdruck ist also ein wichtige r EnnögLichungsgrund fü r ein ,Wissen' im modernen Sinne, das auf Augcnzeugenschaft,241 der kritischen Prüfung, der Sammlung von Daten und Beweismaterial, der D ialek tik vo n Hyp othese und deren Verifizierung beruht - aU e d iese Melhoden einer mtpinschen IWissensrh(if! werden gegenübe r dem mittelalterlichen Wissen in Position gebrac ht. Das vormoderne, ko ntemplative Wissen wird ersetzt durch den Versuch einer enzykJopädisti sc hen E rfassung des gesamten Wissensbereichs, des globlls intellec-
Illalis. Diese histOrische Ko nstellation - aIJmähliche D urchserzung des Buchd rucks, Überwindung des mnosi/as-Ve rbots, E ntstehung der empiri sti schen N a/llral His/ory - läßt sich sehr schö n d urch die folge nde fa llstudie weiter ausleuchten. Was geschieht, ist fo lgendes: Mi tte des 17. J ahrh unde rts wird im Kielwasser der epi stemo logischen Revolutio n Bacons in E ngland die l~'(/I Soritty gegründet, ein G remium von Wi ssenschaftlern unter der Sc hirmherrschaft des englischen Kö nigs, das sich um die Fö rderung der neuen Wi ssenschaft bemüht.N 2 Zeitgenössische Fo rschungsgcbiete sind e[\va Hitze und Kälte, Narurerscheinungen wie Ebbe und Flut, der Regenbogen, Magnetismus, Edel steine und Metalle, die Unte,r suchung von Kö rpersekreten wie e[\va Blut oder Urin, meteorologische Fragen um \Volkenbildung, Srunn, Hagel, Schnee, Tau und so fo n , nicht zuletzt jedoch die vollständige Kartographierung der E rde. 243 MCKEON, i\ lichacl: H e On!ins ojfhe English Non" (1600-/740). Baltimo re: Jo hns H opkin s ur 1988, S. 44. VgL vo r allem G IESECKE, Michael: Drr Bllrht!nlrk in drr friihen Nrll1!if. Eine !;isfonuht Fallsfllmt übtr dir Durrhsrl'{flng ntlltr Informations- lind KOHlHlumkalionstuhnolo§en. rrankfun / M.: Suhrkamp 199 1, S. 586ff. Der allgemeine Kontex t zwischen der Gründung der Rß)'aISon'tlJ und der wissenscha ftl ichen Revolution v.>ird dargestellt bei H UNTER, Mkhacl: Snrner and Sorittl in RrJloralion England. Camb ridge CI aL: CUP 1981.
'" 2 16
Einen Überblick gibt auch die Apologie der Rß)'ul Sodttl, SPRt\ T, Thomas: Tbt History oJ fbe Ro]ul SodttJ oJ um/on, POl" tIn lmproling oJ Na/llral Knowltdgt. London: Mart)'n 1667. Faks. Neudruck 1966. Sprat heht auc h die p ri\.jJegicrte Stellung Englands als Weltmach t hervor:
Parallel dazu entstehen aber scho n früh popularisierende Texte, welche sich eher an die Neugierde de s Publikums wenden. Ein Beispiel ist etwa der von John Wilkins (einem der GründungsmitgLieder der Society)244 anonym veröffentlichte T ext The DÜCOIftry oJ0 IVorld in the Moone (1638), ein Stück ,Wissense haftsliteratur', in dem spekulativ ,enthüllt' wird , daß sich auf dem Mo nd eine Welt ähnlich der unsrigen befindet. Symptomatisch ist sc hon der Beginn der Vorrede: " If amongs t th)' leisure ho ures thou canst spare an)' fo r the perusall of this discourse l...]"245 - es geht also scho n hier allch um Unterhalrung, wieder ein Beleg dafür, daß noch im 17. Jahrhundert keine klare Ausdifferenzierung von \'V'issenschaftstexten im Gegensatz zu Umerhalrungsliterarur erfolgt ist. Symptomatisch ist auch, daß der eigencliche Text mit einer Apologie der Nmgierde beginnt: " Here is an ernestnesse and hungering after novelty which doth still adhere unto all o ur natures .. 246 - und rypischef\.1leise wird diese Neugierde vor der Geschichte des Sündenfalls, dem mittelalterlichen Paradebeispiel für die fol ge n der Clm'osi!as, rechtfertigt. Die Neugierde der Sonety bei ihrer Bemühung um das Inrprovement ojNallira/ K1IOJII/edge. so ihr Motto, ist ganz esse ntiell auf das Sammeln möglich st vieler Daten und empirisch verbürgter Informationen angewiesen. Genau in dieser Hinsielu waren die Aktivi täten der Roj'o/Socie()' schon seit dem Beginn ihre s Wirkens auf di e Berichte von Reisenden angewiesen, welche die Säulen des Herkulcs überschritten (auch wenn die Landung auf dem Mo nd noch einige Jahre auf sich wanen lassen sollte). D emgemäß wurden 1665 in den PhilosophiCtI/ Transac/ions der Gesellschaft eine Anleirung für Re,isende zum richtigen Sammeln wissenschaftlich brauchbarer In formationen und D aten veröffentlichr: Diru lions flr Sea-Men going inlo the Easl & lf/est-Indies. 247 Die Reisenden werden do rt aufgerufen, alle Begebenheiten mit Meßinstrumenten wie Kompaß oder Senkblei zu beobachten und zu vennessen, dazu ein Tagebuch zu führen , in welches sie aUe Daten exakt eintrage n. Wie in einem Manual werden ihnen präzise Standards und TabeUen vorgegeben, nach denen die ko rrekte wissenschaftliche Beobachtung zu erfolgen hat.248 "l1us meir care o f an Uni/mal Jn/dlif!nrt, is befriended by Na/11ft itsclf, in thc siruarion o f England [... ]"; ebd., 5.86.
'"
Eine Übersicht über die Gründer der Royal Sodtry bietet HARTLEY, Harold (l-trsg.): The fWytll Socitry. I/i Ongins and FOllndm. London: Royal Sodet}' 1960, zu Wilkins siehe S. 47f(
N}
D ie vollständige bibliogntphische Angabe lautet WILKINS,J ohn: The Discovcry o f a Wodd in the Moone. Or, J\ Discourse Tending tO Prove mat 'cis probably there may be anomer habitable World in that Planer. London, Printed by E. G. for t-.l.ichacl Sparke and Edward PorrcSt, 1638, hier S. AJ.
Ebd., S. 1. VgL auch SPRAT, Tho mas: 71N His/ory of/ht Royal Soritry ojLondon, For /be Imprm.;ngojNoillml Knowkdf!. London: Man}'n 1667. Paks. Neudruck 1966, der auf die Kooperation mit Kaufleuten sowie der breiten Kom:spundenz der Royal Sodtry hinweist (5. 86ff.). U3
diesem Zusammenhang nach wie vor FRAI"11.l, Ra}' W.: Tht Engliih Trat'tllir and IIx MOI.>tmenl oJ ldw (!660-17J2). lincoln, Ne bras ka 1932/ 1933, S. 15ff. Vgl.
7.U
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Diese Initiative führte wiederum dazu, daß viele Rei sende tatsächlich aufzeichneten, was ihnen ,hinter den Säulen des Herkules' widerfuhr, und danach ihre Berichte publizierten. D as erstaunliche Ergebnis war, daß diese Berichte nicht nur mit wissenschaftlichem Interesse gelesen wurden, sondern eine populäre Euphorie für die Lekrüre von Reiseberichten aus den entlegenen, noch weitgehend unbekannten Gebieten ,hinter der Schwelle' ausbrach. Es sei zwar eingeräumt, daß es selbstverständlich schon viel früher frühneuzeitliche Reiseberichte gab, etwa Richard Hakluyts t 589 publizierte Sammlung Tbe Pn'ncipal Navigations, Vqyages, und DiJcolltn'eJ of Jhe English NaJion. 249 Die voyage na"oli/lts um und nac h 1700 besitzen jedoch eine ganz andere Qualität. Sc hon allein die Vielzahl der Veröffentlichungen sowie die häufigen Neuauflagen sprengen alle bekannten Dimensionen (wobei man sich dabei immer im klaren sein muß, daß diese ,PopuJarisierung' sich noch innerhalb einer vorwiegend städtischen Bildungselite abspielt und daß Auflagen zu dieser Zeit im Schnin zwischen 1500 bis 3000 gedruckten Exemplaren liegen; um die Mitte des 18. Jahrhunderts waren etwa die Hälfte aller Engländer noch Analphaberen).2so Die Anzahl allein der Reiseberichte im E ngland des 18. Jahrhunderts wird in der Forschung auf etwa 2000 Titel geschätzt. 251 D er Auslöser dieser Bewegung wutde 1697 unter dem Titel A NeJII Vvouge Rollnd Jbe IF/orld veröffentlicht. Die Widmung, "To the Right Honourable Charles Mountaguc, EsCJ; Pres idenr of the Royal Sociery"252 bennent den Zweck .. for the promOting o f use ful knowlegde" und stellt so unmißverständlich die Verbindung zu den Vorgaben der Roj'(11 Sode'], her. Erstaunlicherweise blieb der Text jedoch keinesfall s auf
Einen hervorragenden Überblick bietet die Anthologie ADAMS, Percy G. (Hrsg.): Tr(//,I U ltra111ft Ihrollgh tht Agn An Anthalo!). New York, London: Garland 1988. D emgemäß vollziehen sich die Veränderungen, die hier punktuell bctrachtet werden, oft über Jahrzehnte bis J ahrh unde rte. Die ,Popularisicrung' des Lcsens ist ein solcher Prozeß, d er b is in da s 19. J ahrhu ndert andauert; die e in ze lnen Ve rä stelungc n diese r sozialgeschichtlichcn ,Lesergeschichte' kö nnen jedoch hier nicht TIlema sein. Für die Entstehung des englischen Lesepubliktuns ist nach wie \'or einschlägig AI.TICK, Richa rd
D. : Tm Englüh Common Rtadtr. A Sodal HiJtory 11m MalJ Rtading Pllblir (1800-/900). Chicago, 1..ondon: The Univcrsir)' of Chicago Press 1957, hier S. 20f. und S. 23. Vgl. ferner ENGE.LSING, Rotf: Analphabetmtllm lind Lt/etiirr. ZlIr So-;ialgpcbichle du LuenJ in DrulJchltmd tfI·ismen ftlldultr lind indllJtndltr GtJtllIChaji. S[Ungart: Mer.der 1973. VgL EDWAWS, Philip: 7M SIOry 1'm Vrryagt. Sta-Narrah·'.>tJ in Eigbtunth-Ctnlllry England Cambridge: CU P 1994, S. 1f.; in diesem Band fmd en sich umfangreiche bibliographische Angaben. DAMPIER, William: A Ne", V ~age Rollnd tm lf7orld. Londo n: Knap ton t 697, S. A2; de r Titel lautet komplert: A ncw Voyage Round the World. D escribing parriculady, Thc hlhmllJ of Anunea, scveral Coas[s and Islands in the lf/utlnditJ, the Islcs of Cape Vmt, (he Passage b)' Ttrra dti Fllego, (hc SOllih Sea CoaSIS o f Chili, Ptm, and Mexitrr, the Isle of Cua", one of the LAdronu, Mindunnao, and o lher PIJilippint and East- India Islands ncar CQ1IIbodia, China, "'o "" ola, ummia, etlt/m, Cle. j\lrul Holland, SlImah'a, Nirobarlsles; the Ctlpt of Good Hopt, and Sallta Hrlltna. Thcir Soil, R.i\'ers, Harborus, Plams, Fruits, Animals, and Inhabi(ants. Their Customs, Religion, Government, Trade, etc. ß y lf7illiam Dampier. Illustraled ",':ith Particular Maps and Draughrs. 1..ondon, Primed for Jamu Map/on, at [he Croll-'n in SI Palll s C hruchyard. MD C XCVl I.
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den limitiertcn Leserkreis einer Fachpublikatio n der N atural HiJtory beschränkt. Im Gegenteil - durch die Veröffentlichung wurde der Verfasser, dcr Seemann William Dampier (der möglicherweise Hilfe bei der Abfassung seines Textes erhalten hars1 mit einem Schlag zum berühmtesten Reisenden und ,Freibeuter' seiner Epoche. Eine bibliographische Prüfung illustriert, daß dieser früh e Text im zeitgenössischen europäischen Buchmarkt ein Verkaufsschlager gewesen sein muß. Das beweist einerseits die rasche geographische Verbreitung: D er umfangreiche T ext wurde 1697 in England veröffentlicht, bereits 1698 erschienen Übersetzungen in Frankreich und Holland, 170 1 erfolgte die deutsche Ausgabe. D ie hohe Popularität wird auch durch die Vielzahl der Au flagen belegt. N ur zwei J ahre nach der Erstausgabe ersc hien in London bereits die vierte Auflage , in D eutschland lassen sich beispielweise in der Anfangszeit Au flagen aus den J ahren 170 1, 1702, 1703, 1707 und 1708 nachweisen. Hinzu kam, daß Dampier schnell weitere Texte nachlegte; es folgte ein Supplementband, eine Reise nach Australien und nach New Holland, die ebenfalls immer wieder neu gedruckt wurden. Dampiers Bericht weist sich schon in seinem Titel als N migktit aus. Die Publikation wird in der Vorrede dadurch legitimiert, daß die In fo rmationen, die er über entlegene Gebiete vorstell t, noch völlig unbekannt sind: " I may witho ut vani ty encourage the Reader (0 expect man)' things wholl )' new to him".2!>4 Auch in Folge bemüht sich D ampicr darum, nur N mes zu beri chten: "And for this reason, that I might Avoid needless Repetitions, and hasten to such particulars, as the Publiek halh hitherto had no acco unt o f, I havc chosen to comprize the Relation of m)' Vo)'age hithen o in (his shon compass".25S D ampier hält sich dabei recht genau an die Dispositionen der RoytllSociety. Wie do rt angewiesen, hatte er auf seiner Reise ein Tagebuch geführt. Sein Buch "is composcd of a mixt Relation o f Places, and Acrions, in the same order o f time in which rhey occurred: fo r which end I kept a JOllrnal [!I o f every days O bservations."256 D er Tex t ist ferner mir Kartenmaterial angereichert: " For the better apprchending the Course of the Vo)'age, and the Situation o f the Places mentioned in ir, J have caused several maps to be engraven. and so me particular D raughts o f my own Composure", Abweichungen von bestehenden kartographischen Erfassungcn werden mir seiner Kenntnis dieser m
Dampiers T ext basic" auf seinen umfangreichen Reisetagebüchem , die übrige ns in der Bn/üh Libmry im O riginalmanuskrip t eingesehen werden können; das endgültige Produkt weicht jedoch beträchtlich von dem ursprünglichen joNrnal ab. Bereits im 18. Jahrhunden gab es Spekulationen über einen möglichen G hostwriter, das Thema wurde bis heute kontrovers diskutien , in der neueren Fo rsch ung wird eine Bearbeitung d urch Damp ier immerhin rur möglich erachtet; vgl. EOWARDS, Philip: The Story ofIm v ~ogt. Sto·I' ,1o" oh"tv in Eighlunlh-CenlNry E"gland Cambridgc: C UP 1994, S. 17ff. DAMPIER, William : A l"tUJ V q ogt Rt;rmd lhe [Y/ orfd. Londo n: Knapton 1697, S. 1\4. EIxI., S. 4f.
E bd., S. 1\3; meine Hervorhebung.
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Gebiete verteidigt: "The Reader may judge how well I was able to do ir, by my severaJ Traverses abour it, mencioned in this Book".ll7 Dampier legt in seinem T ext detaillierte Beobachrungen vor, die tatsächlich streng dem Ablauf seiner Reise fo lgen. Ein Ausschnirr aus einer Kapirelüberschrift kann einen Eindruck von der bunten Ansammlung von Infonnatio nen über entlegene Gebiete liefern: The Inhabitants, and of the Tartan forcing the Chil1m (0 Cut off their Hair. Their Habits, and the linIe feer of their \X/omen. Cbina-ware, China-roots, Tea, erc. A Village at SI. Jobll's Island, and of the Husbandry of their Rice. A story of a Cillm Pagoda, or Idol-Temple, and Image. Of the China jonks, and their Rigging. ThC)' leave SI. John'l and the (oaS I of China. A mos t OUtfagious Sionn. Urplll SanI, a Lighl, or ;"kteor appcaring in Sronns. The PiJcadortJ, or Fis/mI Islands near FomloJa: A Tarlarian Gamson, and Chinue Town on one o f these Islands. The anchor in the Harbour ncar the TllrlllfJ Gamson, and tre.u wlth the Governor. Of AJllqy in the Provincc of Foleifll, and Makao a ChilltJt :md POrlllgm Town ncar G mlon in China. Thc Habits of a Tarlarian O fficer and his Rctinuc. Their prescnts, excellent becf.2511 D er N utzen des Textes für dcn Leser wird in der Vorrede dann auch kJar herausgestellt, und zwar soll seine Neugierde befriedigt werden: "gracify his ClIfioli(/'.159 D er Text positioniert sich al so in das G ravitations feld des empiri stischen Forschunbrsprojekts der RIo'oISoaety. Daß man dabei ollcb untcrhalten woUte, belegt der Vergleich des gedruckten Te xtes mit den Reisetagebüchern D ampiers, deren Origin aJmanuskriptc überliefert sind: Die Reihenfo lge d er geschilderten Begeb enheiten ist zwar identisch, in vielen Passagen finden sich jcdoch gravierende Eingriffe, welche die nüch ternen Notizen dramatisieren, lirernrisieren und ,be sser lesb ar' machen. 260 Dem großen Erfolg von A NtlP Vl2)'ogt rrmnd tbe lY/orid ließ nicht nur Dampier weitere Publikationen folgen. Er erzeub'1e einen Boom der Reiselit.e rarur, und das nicht zuletzt, da sich die Bücher hevorragend verkauften - die 1.'O)'oge 261 noffoh'tJeJ erwiesen sic h als ein lukratives Geschäft. E in ßeispicltexr ist die Veröffentlichung von Dampiers Bekanntem L o nel Wafcr im Jahr 1699: A NeJv VlD'tJge ond DesrriptiotJ oj tbe lsthnJl(J oj Alllenm. 262 Wafer, ein Arzt, harrc Ebd., S. A4 und A5. Ebd., S. 403.
.. '"
Ebd., S. A4, meine I-Iervo rhcbung. Vgl. d azu EO\l:'ARDS, Philip: TIN Story EnghndCambridge: CUP 1994, S. 29(. Vgl. EOWARDS, Philip: Tht Story Cambridge: CUP 1994, S. 6.
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VC!1({gt. Sra-i\,formlj,'tl ift Ei.ghJunlh·CtftINry
Vl!)'ogt. Sto-Normlit'tJ in Eit.hJunlh-Crnlllry Eng/(Imt
Die \'oUständige bibliographische Angabe der von mir verwendeten Ausgabe: A Ncw Voyagc and Descripcio n of the IsthIRNS of Amtri((J. G iv;ng an Account o f rhe Author's Abodt me.re, The Form and Afolu of me U Nfttry, [he CoasJI. Hills, Rhom, &c. lf/ tHHiJ, Soil,
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D ampier auf einem T eil seiner Reise begleitet und berichtet, ähnlich wie Dam pier, n ur von Begebenheiten, die nell sind und bei diesem nicht erwähnt wo rden waren: " But I shall nOt em er imo the Disco urse o f o ur Vo)'age after this, Mr. DOll/pier, who was in the same Vessel, having do ne it particularl)'.'<26J Wa fer wird später einräumen, daß er kein Reisetagebuch ge fuhrt hat: " But 'tis no t m)' Intentio n to particularize as to aU the Places o r Occ urences we met with; fo r I kepf no Jo urnal: But some such Things as I rook mo re particular N o tice o f, and thought wo rth remarking, I shaU briefl)' speak o f as I go alo ng."2(,.1 \Vafer hat seinen Bericht dann bezeichnenderweise ebenfalls bei D ampiers Londo ner Drucker Knapton untergebracht, und die dort integriene Karte ist exakt dieselbe wie die bei D ampier abgedruckte. All dies spricht dafu r, daß \Vafer als ! as/jöllou->er auf den neuen Trend aufspringt, um am Erfolg zu partizipieren. Bezeichnend sind dann auch die Ve rschiebungen, die gegenüber dem " Archetyp " stattfinden, der sich ja recht eng an die Vorgaben der Royal Sone!) gehalten hatte . \Vafers T ext ist schon von seinem Stil her eher an das Massenpublikum gerichtet, er ist romanhafter, spannender und unterhaltender, und bezeichnenderweise sind die Illustratio nen im Gegensatz zu Dampiers nüchternen Skizzen bis ins Detail ausgefUhrte Genrebilder von den fremden und rä tselhaften Indianem .2.65 Wafer beliefert den Markt also bereits m it einem Prod ukt, das den Blick in die Fremde viel stärker ästheti siert: ,,\Vhi le I was Praying and Meditating rhus o n my sad Co nditio n, I saw the Mo rning Star appear" heißt es etwa in diesem ,Bericht', an anderer SreUe: " Providence still dircctcd all fo r the bctter."uc. Die Reiseberichte aus dieser Z eit belegen klar, daß ihre Auto ren noch nach dem richtigen ,T o n' suchen und daß sie sich weitgehend im unklaren sind, wer denn eibrcndich die Rezipiem en ihrer T exte sind, o b es sich etwa um Ko llegen aus der Seefahrt handelt. um ein gelehrtes Fachpublikum der Nalliml His/ory oder den neugierigen Laien. Ein Beispiel ist die folge nde Stelle bei D ampier:
IPtOllNr, &c. "("U, Fmil, 8r01ls, Birds, Fish, &c. The Indian Inhobil«nls, therr Fea rures, Complexion, &c. therr Manners, CuslOms, Employments, ~Iarriages. Feasts, l-Iunring, Computado n, Languagc. ete. With Remarkablc OmmnftJ in thc SONlh Sr«. and clsewherc. Sy lJoncl Wafer. Illustrated with sevcral Coppcr. Plaues. Londo n: Primcd fo r J ames Knapton, at the CrOIl." in St. POlils Church.yard, 1699. Z6.I
WAI'ER. lJoncl: A N tfIJ V90gt anti Durripti01l oJ Im Islhl1lllJ oJ A l1Im·(a. London: Knapton 1699, S. 43. Vgl. fe rner. "we march'd 0 \'C1" Land, :m d took Sonlo Mana; and made those Excursio ns imo the S. StOJ. whieh lI.lr. Ringr"Ou rd.ates in the 44th part of the Hislory o f thc BII«onim . Mr. DOI1IfJitr has told. in his IntrodNrtion to his V90gt rolli" Im World, in wh:n m.anner thc Company di,-idcd with reference to C.apt. Sha'!J." (S. 4f.); oder. "The)' lold us of Gwrge Gai'!Js Dis2Sler. whose Drowning r-,.l.r. DOl1lpitr rd.ates p. 17" (S. 10). E bd., S. 190. Vgl. Ebd. S. 28: "The Indians maner of Bloodletring"; S. 102: "The Indians in therr Rohes in COllncil and Smoaking tobacco after their wa)'."; S. 140: "The Indians nurching up o n .I Visit, 0 1 to Feast". Ebd .• S. 19 und S. 21.
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As (0 rn)' Stile, it canno! bc cxpccrcd, that a Seaman should affect Politcncss (.. .]. I ha\'c frcqucnd y indccd, di"cstcd m)' self o f Sca Phrascs, TO grarif)' the Land Reader; for wruch (he Seamen will hardly fo rgivc mc: And yer, possibly, I shall not scem Complaisam cnough [0 the other; becausc I still rerain [he usc of so man)' Sea-tenns.I ... J' am persuadcd, that ifwhal l 5a)' bc intelligible, it mat· tcrs nOf gready in what words it is express'cl. For the same reason I ha"c not becn CUriOliS 3 S IC thc spcUing of the Namcs o f Placcs, Plants, Fruits, Animals, '" . ctc·"
Ferner muß beront werden, daß sich eine generische Unterscheidung zwisc hen Roman (rontana) und Geschichtsschreibung (hiJlory) noch nicht stabilisiert hat. Das belegt ein Blick auf die Klassifikationen des zeitgenössischen Buchhandels; ein Beispiel: In 1672 the bookseller Jo hn Starke)' advercised his list of publications b}' printing a catalog o f books divided infO the foUowing six ealegeries: Diviniry; Ph}'siek; Law; History; Poetr')' and Plays ; aod lVliseclianics I.,.}. Undcr thc hcading ,history' he includes Sueronius, Rabclais, the ,Novcls' of Qucvodo, biographics, travcl narratives-and the eolleetion at whose end the catalog itsclf is printed: T IN Anna/s oj Lot't, Con/aining Se/u t Hislon'u oj Ibe AIRoun oj diL'trs Pn'nm CO/IriS, P/~tJJanl!J RLlaled.:!68
Dies und andere Belege illustrieren kJar, daß in der Kommunikatio nssi ruacion ,um 1700' die Untersche idung zwischen Hislory und RO/!lm1fe im modernen Sinne noch osziUi en , und tendenziell wird der Begriff rrmul!lce vorwiegend abwertend benutzt. Zugleich is t diese KonsteUacion der Ausgangspunkt, von dem au s geschäftstüchtige Autoren den Markt mir eljimdef1en Reisebericht en beliefe rn werden. Wie sich zeigen wird , entwickelt sich erst allmählich die moderne Rezeptionsweise der jileJiontJltn LeleJiirt - das verdeutlichen die fo lgenden Ausführungen zu Defoe, die ich anschließend in den allgemeinen Kontext der Entstehung der Fikcionalität einbetten werde, Nach dem Erfolg authentischer Reiseberichte beginnen nämlich Autoren wie Defoe, der als J ournalis~9 ein Profi hinsichtlich der massenwirk samen Aufbereitung des Neuen gewesen ist, die unstillbare Neugierde des Publikums
..
DAMPfER, \X' ilIiam: A N,Jj' Vl!)'pgt Rollnd ,Jx IVorM, London: Knapron 1697; S. A4 . MCKEON, M.ichacl: TIN On!!"1 of IIN ERglilh Nord (1600-1740). Balrimore: Johns Ho pkins UP 1988, S, 26. E.in t: andert: Fonn der zcitgenössischen Kbssifikarion [mdel sich in den Ti/(I,,-, diesc }x:nu!Zcn Fo nnulierungen wit: IIx Iift of, ad/''f'''lIrrJ, ITat"fh bzu', wyagn, ""moin, Itllm, tonfeISig"l und so fon, aber auch in diest:r Taxmo mit: gibl es keint: Trennlinie zwi· schen ,Fikrion' und ,Wirklichkeil'; " by far rnc mosl papular of generic lenns 10 be found in rilles from thc Rt:naissanct: o n was histor)'''; "g!. ADAMS, Percy G.: Tra/Jrl Ut,ra/lu" ond t!Je E'fJ/ll/jon of IIN NOI'tl Lexington/ Ky,: Uni"crsiry Press of KenNck}' 1983, S. 8. VgL etwa auch zum Z usammenhang \'on Berichten über Piraterie und Seefahrl in der Presse und Defoes Arbeit an Robillson CmsOf u, a. NOVAK, ~ I aximillian E.: [Vo/ism, MJ"h, Qnd Nillory in Difot'S Firtion, Jjncoln. London: Uni"ersit)' o f Nebraska Press 1983, $, 23-46; ROGERS, Pat: Robinlon CrIISot. London CI al.: George Allen & Unwin 1979, $, 95.
222
mit eifill1denen Reiseberichten zu beliefern, die sie jedoch al s authentisch ausgeben. D abei f.1lschen sie die Phänorypie authentischer Berichte so kennmisreich, daß in vielen Fällen bis heute nich t eindeutig festgestellt werden kann, o b die beschriebene Reise startgefunden hat oder nicht. 270 Ein Beispiel für ein en T ext, der sicherlich von den zei tgenössischen Lesern für ech t gehalten wurde , ist Defoe s 1724 anonym erschienener T ext A N ew V l!J'age ROllnd Ibe Il:7orld, By (l COllrse never s,/i/ed before.271 Auch dieses Buch handelt letzdich vo n der Neugierde, die es befriedigt: .,Such was the unsatisfied Thirsr of New Discoveries, which I brought o ut of Eng/lind with me", heißt es an einer Stelle, und an einer anderen wird als Beweggrund geäußert: ,,(O sati sfy my Curiosiry".:m Auf dieser Reise, die gar nicht stattgefunden hat, werde n Entdeckungen gemacht. Im zweiten T eil wird eine Passage durch die Anden nach Peru gefund en273 , Inseln werden das erste Mal erfaßt und so fo rt: " I canno t help being of O pinio n, let our Mapmakers place them [the islands] where they will , [hat those Islands, where we so success fully fish'd for Oysters, o r rather for Pearl, are the same which the anciem Geographers have caU'd Sa/oll/oll'S Islands".274 Und auch diese Reise trumpft auf mit Superlativen der Nelligkeit. " we should be the first that ever wem such a VoyageH und: " We then call 'd a Council, and resolv' d (0 go no fanher S. being then in the L1titude of sixry seven SOlllb, which 1 suppose, is the fa rrhest SOIiIbel7l Latitude that any Europe(lll Ship ever saw in those Seas...275 Der T ex t kopiert also durchaus den Gestus der Beschreibungen ,tatsächli cher' Reisen. Dennoch gibt es auch Differenzen. Das zeigen die programmatischen Äußerungen in der Vorrede, welche die F/III der veröffentlichten Reiseberichte ins fad enkreuz nehmen: It has for some Agcs been thought so wunderful a thing to sail the Tour or e itele o f the Globe, that whcn a Man has done this mighry Feat, he prcsently thinks it deserves TO be recordcd like Sir FrtUlti! Dmke's. So as soon as Men have actcd the Sailor. thc)' come a-shorc and write Books o f their Voyage, nor onl}' TO make a great noise of whar they have done rhemsclves. but prcrcnding
270
Vgl. r-,·tCKEON. Michael: TIx Orio ·n! H op kins UP 1988. S. 105.
oJ IIx
EnguJh Novtl (1600· 1740). Balcimo re: Jo hns
D E.FOE., Dame!: A NllP V!?Jogt RLiJllld the 1170& , By 0 CoHrIr I/tl,'t f sml,J btfOrt. Landon: Bcn cswo n h, Mears 1725. Wieder die vollständige bibliographische l\ngabe: A new Voyage Ro und [he Wodd, By a Course never sailed before. Being a Voyagc undenaken by some t-.Ierchants, who afterwards proposed the Setting up an EaJf·Jndio Company in F1anders. Illuslratcd with Coppcr Plates. Landon: Printcd fo r A. ß cn csworth, at thc IVd LyON, in Jlal"·Nos/(f-RoJj~ and W. Mears, at the l..ßmb, without Trmpk.8 of. M.DCc. xxv. m
Ebd., Bd. 11 , $. S4 und S. 64.
m
Vgl. hierzu VICKERS, lIse: Difot ond ImNrlP Stimm. Cambridgc: C UP 1996 (= Cambridge srudies in cighteenth-cenrury E nglish literature and thought, 32), S. 142.
v, m
Ebd., S. 204. Ebd., S. 9 und S. 19 1.
223
to show the wa)' to othcrs to comc after thcm, thcy set up for Tcachers and Chan Makers to Posterit)'. Tho' most of thern have had this Misfortunc , thai whatevcr Success the)' have had in the Vo)'age, the)' havc had vcry tittle in (hc Relation; cxccpt it bc (0 ICU us, thai a Seaman when he comes to the Press, is prctty much out of his Elemcnt, and a ver)' good Sailor ma)' make but a ver)' indifferent Author.!76 D er Text steUt sich also Ln K o nkurrenz zu den Berichten einfacher Seeleute (z. B. Dampier) und beh auptet sogar deren ,Überbierung', indem er Anfo rderungen der Ästhetik in einen Textkorpus einführt, welcher ursprünglic h nur der ,Vennehrung des \'(fissen s über die Welt' zum Z iel hatte. E s wird sogar behauptet: "The Voyage round the World, b e in it self of no Value", und: "few [navigators], if any of them, have divened us with that Variet)' which a Circle o f that Length must needs offer." Die vielen D etailinfo nnatio nen anderer Berichte seien nur für Seeleute brauchbar, "and hOlv few are thq? bur nOt at a1l ro the Purpose when we come expecting to find the History of dle Voyage." Diese langweiligen Berichte " have linie or nothing of Story in them , for the use o f such Readers who never intend to go to Sea, and }'er such Read ers may desire to hear how it has far'd with those that havc, and how Affairs stand in th ose remote parts of the World. "m Interessanterweise wird dab ei jedoch das Prinzip der Authentizität nicht angetastet - es heißt weiter: Fot these Reasons, whcn firs t I set out upon a cruising and ttading Voyage tu the EaIl, and tesolv'd t O b>O an)' where, 1... 1 I also tesolv'd [0 take such exact noricc of ever)' thing that past wilhin my Reach, that I WQuid be able 1... 1 10 &"ve an Account o f my Voyage, differing from all that I had ever seen beforc, in the narure of such Observations, as weil as thc mannet of rclating them : And as this is perfectly new in its Fonn, so 1 cannot doubt bUT it will be agreeable in the Parriculars, seeing either no Voyagc ever made before, had such Vane ry o f Incidents happening in ir, so use ful and so di"erring, o r no Person that sail'd o n those Vo)'agcs, has thought fit to publish them after this manner. 278 N ach den programmatischen Aussagen der Vorrede liegt also das Neue an D efoes ,authentischer' Nelv Vllj'tlge ROJlfld tbe lt70rldin der unterhaltenden A ufbereirung einer außerordentlichen Vielzahl ungewöhnlicher, zugleich authentischer Abenteuer, der Text erzählt eine aufregende StoD' - und das ist gewissermaßen Defoes Course f/etJer sm'/ed bifore: Er beliefen die Neugierde des emstehenden Massenpublikwns mit einem Produkt, das genau auf die Wünsche des Lesers hin zugeschnitten ist. Defoe erweitert also die literarisierenden T enden zen , die sich schon bei
v.
DEfOE.
DanieJ: A Nt'" Vl?Jagt RbH"d IIN I170rld, By a COHnt ntt'tr Jailtd btforr. London:
Beneswonh, Mears 1725, S. 1. m
Ebd.• S. 2r. Ebd., S. 4.
224
Wafer fanden (im übrigen finden sich auch bei Defoe ähnlich ,ästhetische' Illustrationen wie bei Wafer), und macht die Befriedigung der Neugierde zum Programm - und zwar so konsequent, daß er seinen Lesern Lügengeschichren als wahre Begebenheiten auftischt. Die Proliferation der Reiseliterarur gewinnt damit eine Eigendynamik, die sich schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht mehr kontrollieren läßt. Sie bedient die zeitgenössische Begierde nach dem Neuen, nach dem Ungewöhnlichen, sie beliefert diejenigen, die selbst nicht die Säulen des Herkules durchschreiten kö nnen, mir (zur NO( erfundenen) Geschichten des ,ganz anderen': Von Indianern, \'(Iilden und Menschenfressern. Das Medium bietet sich an als Substitut für mangelnde Wirklichke itser fa hrung (I. 1/ 2] . Wer nicht reisen kann, dem steht immerhin noch die Wel t der Bücher offen, oder, wie es in Defoes Gentlemon heißt: If he la gentleman] has not travell'd in his routh [... ], he may make the tour of the world in books [.. .J. He may tra\'ell by land with the historian, by sea wirh the navigators. He may go round the world with Dampier and Rogers, and kno' a thousand limes morc in doing ir than aU those illirct3rc sailors. He may make aU distam places near tO rum in bis reviewing the voiagcs of those thar saw them, and all the past and rernore accounts present to him by the historians that have wrinen of them.219
Die Autoren, die Reiseberichte erfinden und als hisrorisch ausgeben - "The Editor beJjeves the thing to be a just History of Fact; neither is there an)' Appearancc of Ficuon in it"UIO, heißt es bereits zu Beginn der Lif t find Stronge SHrprii!ng AdlJcnlHns ojRtJbinson Cmsoe (17 19) - beziehen die innere Evide nz ihrer \'(Ielten nicht zuletzt aus dem gc'-vissenhafren Studium der echten Reiseberichte, deren Fundus sie hemmungslos plündern. 281 Nur ein kleiner Vergleich sei hier nachge\viesen. Dampier: ,,1 wellt a Passenger, designing when I came [hither, to go from thence tO the Bay of Call1pcad!J, in the Gulph of Mexico, to cut Log-wood";282 Defoe: "we should l...J perhaps, run some o ne \YIay, and some ano ther, amo ng ehe Log-wood Cutters at the Ba)' of COlllpench'!}"28J; S,-vift: "we me t with Captain Pocock of BristOl , [...] who was going tO the bay
D EFOE, Danicl: Tht u Rlpltor EngliJh Gmt!tn/(ln [. ..}. Hrsg. von Kar! D. Bülbring. London: Nun 1890, S. 225. VgL dic faksimilicrle Vorrede in DEFOE, Danicl: 1"'IN Lif t ond Srrongt Surpri~ngAd/-~nlum oJ Robinson CmsOt, o/ )'ork, Mon·ntr I... ]. London: Everyman t 994. Zu dem Maferial, das in RiJbinson CmJOt eingegangen iSf, ,'gI. ROGERS, Par: Robinson CmsOt. Lo ndon et al.: George Allen & Unwin 1979,S. 27-34. Auch hier finden sich wieder Fäden, dic auf die Royal Socitry zurückverweisen, etwa die Geschichte von Roben Knox, der ncunzehn Jahrc in Ceylon festsaß und dann durch dcn Wissenschaftler Roben Hooke in Kontakt mit der Societ), kam. DA.\II'!E.1t, William: A Ntw
V~(.gt
Round Ihe lf/orM. London: Knapton 1697, $. ü.
D EFOE, Danicl: A Nt~, Vlryogt Round Iht lWo&, By (l COUTJe nt/vr lailtd btfort. London: Bctlcswonh, tI-Icars 1725, Bd. 2, S. 14.
225
o f Campechy, to cut logwood." 284 Seir kur~em ist auch erw iesen, daß Dcfoes A New Vl!)'oge Round the IVorld starke Anleihen bei einer Reisebeschreibung von J o hn N arborough m acht (ein T ext, der hier nicht berücksichtigr wird); auch aus diesem Buch übernimmt Defoe Passagen fast wö rtlich.285 Außerdem o rientiert sich D efoes Buch, vor aU em der zweite T eil, welcher eine An d e n ~ d urchquerung them atisiert, bis in D etails an den zeitgenössischen K e nntni s~ smnd der Kanographie. 286 Die Fiktion maJr genau die Regionen aus, wel che auf den zeitgenössischen Karten noch o ffe ne SteUen markieren, dringt also in ,un bekanntes Gebiet' ein, bevor es erfo rscht ist. Auch Defoes sensacio neUer Bucherfolg Robinson CnlSoe läßt sich noch aJs eine ,T äuschung' des Publikum s beschreiben. Der T ext markiert einen M e il e n ~ stein, vielleicht sogar den D urchbruch in der E ntwicklung des europäischen Ro mans, in jedem faUe ist er der erste moderne Bestseller. Der Preis lag mit 5 Schillingen rechr hoch (ein Arbeiter verdieme kaum mehr als das Do ppel te in einer Woche); dennoch war die erste Auflage anscheinend schon nach drei Wochen vergriffen; jeden falls erschienen weüere Auflagen von wahrscheinlich je tausend Exemplaren am 12. Mai, 6. J uni und 8. AUb'1.lSt. Ein noch deutlicheres 1ndiz für die Popularität des Buches war die T atsache, daß noch im selbcn Jahr nicht weniger als vier RaubdnICke erschienen, wovon d rei durch Kürzungen vom O riginal abwichen, u m au f diese Weise den Preis zu un terbieten. 287
Erstaunlich ist auch bei diesem T itel die d urchh1ängige Behauptung der Hi sto~ rizirär des Geschehens; in den Worten McKeons: " How can an autho r s ince ~ tely bclievc thai he is tclling the t:ruth if he knows thaI hc ha s invenred thc stOry to whose historicity he earnesdy attests?"288 Als nach der Verö ffendi~ chung Zweifel an der \X/ahtheit des Geschehens geäußert werden (nichr z u ~ letzt au fgru nd von Irrtümern im T ext in folge der schn ellen N iederschrift), wehrt sich sein ,,A mo r" Robin son vehement gegen die infamen U m e rstel~ lungen, der T ex t sei ,bloß' eine rOll/tJftce - scho n in den Farther AdvenlJlres 0/ Robinson Cmsoe (ebenfaUs 17 19) heißt es: "All the endeavours o f envio us p eo~ pie to reproach it with being a ro mance, tO search ir fo r erro rs in geography, S'.l:'1 vr, Jo nathan: Gullivrr's
Trtlt~/s.
Landon: Pcnguin 1967, S. 267.
Vgl. VICKERS, Ilsc: Oifot anti IIN NtM,SeimftJ. Cambridgc: CU P 1996 (= Cambridgc srudics in eightccnth-cenrury E nglish lilernture and tho ught, 32), S. 143ff. Vickcrs zeigt überzeugend die Orientieru ng an MOLL., Herrnan: TIN Col1lpkat Gtogruphtr. Landon 1709. Vgl. VICKERS, lIsc: Oifrx ad IIN Nt'" Seimts. Cambridge: CUP 1996 (= Cambridge srudies in eighteenth -ecnnuy English litcra ture and thought, 32), S. 142.
.. 226
PETLOLD, D ieter: Danid Difot, ,Robinson ClJis(Jt~ München: Fink 1982, S. 29. Einen allgcmeineren Überblick über den europ äischen Erfolg des Textes als ,r-,·(ythos der Ij tcratur' Uf1(cr Berücksichtigung weiterer Robinsonadcn b ictet GREEN, Marcin: TIH Robinson CIJiJOt Slory. Uni versiry Park, Landon: Pcnns}'lvania Starc UP, S. 19ff. MCKEON, Michael: TIN Ori§ns UP 1988, S. 120.
oJ Im E nglish NOI.~I (16(}(J./740).
Baltim o rc: J olm5 I-Iop kins
inconsistency in the relation, and contradictions in the fa ct, have proved abortive, and as impotent as malicious".289 Chades Gildon hatte direkt nach dem Erscheinen bereits des ersten Bandes Robinson Cmsoe als Erftndung bezeichnet und seinen Urheber der Lüge bezichtigt (.. tc make a Lie go down for Truth"l'X), und als noch während der Publikation seiner Kritik bereits die Farther AdIJen/llres erschienen, erneuert er seinen Vorwurf im Postscript. Darauf anrwortet " Robinson" in der Vorrede zu der nächsten Fortsetzung, in SenoNs Reßeclions dlln'ng /be Lif t And SlIrpn''{f'ngAd/.!eIlIllres oj Robinson Cmsoe, natürlich IIJnllen I!J Hilllse!f, von 1720: I have heard, that the envious and ill-disposed part of [he world have rais'd some objeetio ns l...J on prctcnee,Jor U!(JI11 oj (I bett~r rtt'lIOfl ; that (os IhO sf!Y) the story is feign'd, that thc names are borro wed, and that ir is aU a romanec; that there never were any such man or placc, o r crreumstances in any mans life; that it is all fonn 'd and embellished by inventio n to impose upon the \Vo lId. I Robinson Cmsoe being ar [his time in peffeet and sound mind :tnd memory. thanks be f.O God therefo rc; do hereby declare, thcir objcction is an invention seandalolls in design, and fal se in fact; and d o afCIl1T1, that the story, though allegorieal, is also histo rical.291
Zwar wird im folgenden auch einiges über die uncigentliche, bemerkenswerterwei se allegonsch genannte Wahrheit extemporiert, was avancierten Lesern dann die Möglichkeit einräumte, Robinson Cmsoe beispielsweise al s Allegorie der görtlichen Lenkung menschlicher Schicksale oder auf Defoes eigenes Leben2')2 zu deuten. Dennoch wird die Historizität und Auth emizität des Textes in den fVßtclions durchgängig und ko nscCjuem bekräftigt. Aber auch diese Täuschung wird noch übertroffen, auf eine \'Veise, die man durchaus als unve rfroren bezeichnen kann. Denn diese zweite Fortsetzung ist eine SammJung D EFOE, D aniel: Rbnumm a!ld Na" afi,'tS. H rsg. \'on George A. Aitken. Londo n: Dem o. J. Bd, 2: The Farthe,. Ad''(nlllfU oJ RbbinJon Cnm(. INing IIx Strond and Lul Part ojHiJ Lif t, S. vii. Schon hier fmdet sich ein Hinweis auf eine ,zusätzliche', mo ralische Wahrheit: "The jusr application of every incidem , the religious and useful inferences drawn fro m e\'ery p art, are so man)' restimonies 10 the good design o f making it public, and m us t legitimate all the pan that ma)' bc callcd invention or parn ble in the slo r)'." (Ebd.) 2?0
GILDON, Chad es: Lift A nd Strange Sllrpri~ng Atlt.'tnlllrrl oJ "'.fr. D ..... Dt F. .., London, Hont,. f..J. Lo ndo n: Ro bcrrs 19 19. Reprint in: RbbinJon Cnmt Examin 'd and Crifio'trd. H rsg von Pau! D o rUn. London, Paris: D em 1923, S. 88 IS. 8J. Aueh hier oszilliert die Fikcio nskritik - Gildon bezichtigt Ocfoc einerseits der Lüge und deckt die Widerspruche im T exI au f, kritisiert zugleich vor allem die fehlende mora/iJdK Wahrheit (crwas skurril: der T ext wirke abschreckend auf Sccleute), rii wnt da bei aber ein:,,1 am far from being an Enem )' 10 the Writers o f Fables", ebd., S. 82 IS. 2J.
ufo A nd SlIrpn'~ng A tI/.'rllfllrtJ IVrilltn I!J HimJt!f Lo ndo n: Printed
Die Titelseite enthält als Angaben: StriOIlJ RLjlUh'OfIJ dllring Iln
of RBb"lJon CT'IIJOl:
IVith hiJ ViJion oJ IM A ngelirJe WorM.
for W. T aylo r, at thc Ship and Black-Swan in Pater-nosrer-Row. 1720. Ich zitiere aus dem Reprint London: Cunstable 1923, S. \'. m
Vgl. daz u auch das Kapitel " Religio n and Allegory" in ROGERS, Pat: RbbinJon CT'IIJot. London el al.: Georgc Allen & Unwin 1979, S. 51 -72.
227
moralischer Betrachtungen. Es folgt nicht nur ein langer " Essay upon Honest)'''; es gibt auch ein Kapitel "Of ehe Immorali ry of Conversarion, and ehe Vulgar Errors o fBeha viourC<. Darin befind et sich eine Reflexion " O fTalking Falsely", worin es beispielsweise heißt: This supplying a sto ry by invention, is certainly a most scandalo us crime [.. .1. it is a sort o f lying that makes a great hole in the heart, at which by dcgrccs a habit of lying em ers in: such a man comes quickly up, tO a total d isrcgarding the truth of what he says, looking upon it as a trifle, a thing o f no import.293
Diese kurzen Ausschnitte - der Text selbst gibt weit mehr Material her zeigen klar, daß hier in erster Linie um die Täuschung des Publikums geht und nich t um ,Fiktionalität' . Demen tsprechend wurden auch die Vorwür fe der Lüge und des Betrugs gegen Defoe erneuert, wie etwa durch einen Artikel des Bischofs Hoadly im London jOJlnlal.'?N Die Fall studie illustri ert al so, daß die Rezeptionsweise der N eugierde zu einem gesteige rten Interesse an Verö ffendichungen der NalJlral l-lislory führt. Veröffentlichungen, die zunächst im Sinne der Anweisungen dutch die R'!J'al Society entstanden, erleben jedoch durch ihre Verfügbar keit dank der neuen Medientechnologie des Buchdrucks eine zunehmende Popularisierung. D emenrsprechend läßt sich bei Folgeprodukte n auch die Tendenz nachweisen, daß die Texte sich zunehmend an die breite Masse der Interessierten wenden und deren Unrcrhaltung immer mehr im Vordergrund steh!. In dieses lukrative Geschäft sleigen dann auch Auroren ein , die Reise n in unbekannte Gebiete der Erde tifinden, deren Authentiz ität IJOr1(;ifJchCII und sie dem Publikum al s wahr präsentieren. Dieser Betrug am zeüge nössischen Pub lik um wird dann allmählich in die Rezeptionsweise der fiktionalen Lektüre münden. Fiktio nali tät exiscierr selbstverständlich nur auf der E ben e einer L.ekrureko nvention: " die O pposition von real und fiktional lläßt sich] nur aufrechterhalten l... ] umer konse'luemer Einnahme der Rezipientenperspekci ve c<295. Die entscheidende Frage muß also lauten, wann die Rezipienten begonn en haben, Texte wie beispielsweise Robinson CnlJot oder andere Romane als fik tional zu lesen. Die Beantworrung ist äußerst schwierig; eine einschJägige Geschichte der Fikcionalirät steht noch aus. Die besten DarsteUungen des Problems stammen aus der amerikanischen Literarurwissenschaft und sind von D EFOE, D anicl: Srriolls IVjlulions (IJmng Ihr Lif t And SlIrpri~ng Adl-rnlllTrI ofRobinson Cmsot: IVilh his Vision 0/ Iln Angdirk, IVorid. IPn'l1rn I!J Hinm!f. London: Primcd ror W. T arlo r. al tbc Stup and Black-Swan in Palcr-nOSlcr-Row. 1720. Faks. Nachdr. London: Conslablc 1923.
S. 1061. Vgl. die Ein fiihnlOg in GILDON, CharIes: LJr And Slrange SlIrprirjng AdmlJllfU ofMr. 0 ..... Oe F. .., Lonrion, Hosirr [...). London: Robcrts 1919. Reprim in: Robinson Cf1lSot E....·ami,, ;d and Criliri'{fll. H rsg \'on Paul D omn. Lo ndo n, Paris: D eO! 1923, S. 61. ß ERTH O U), Chrisrian: f-,kJion lind VitUtlllit,kril. ZlIr Enlslehllnt, modtmrr K.Jtllllt1uhniktn des
Umls im 18. jahrhllndm. Tübingcn: N icmeye.r 1993 (= Communicario, 3), S. 194.
228
der deU[schen Fiktionalitätsforschung bislang kaum wahrgenommen worden.2% In Anlehnung an diese Vorarbei ten sowie umer Berücksichtigung der zeitgenössischen Quellen läßt sich das Problem immerhin einkreisen. Zuvor erscheim es jedoch sinnvoU, die flktionale Rezeptionsweise klar zu definieren. \'(Iie bereits im K:lpitel Ahnlichkeit angesproc hen [II. 2] , ist es heuri stisch sinnvoll, ,Fiktionalität' streng von dem Themenkomplex der mimesis und der ,virrueUen \'(Iirklichkeit' zu separieren. Ein Einhorn kann man täuschend echt darste llen und bleibt eben doch ein etfundenes Fabelwesen. Ebenso kann man sich an der illusio nären virtueUen Welt eines Films wie Der Herr der Ringe berauschen und zugleich den Film flkti onal rezipieren; man kann einen Text aber auch umgekehrt fut wahr halten, ohne daß man dabei der medialen Illusion frönt. Das Phänomen der fiktionalen Lektüre existiert völlig unabhängig von der Rezeptionsweise der Illusio n (auch wenn sie kombiniert vorliegen können), beide müssen daher trennscharf voneinander unterschieden werden. Daher werden im im folgenden unter IJktüren der Fikfionalitäf nur solche Rezeptionsweisen verstanden, die in dem \'(Iissen durchgeführt werden, daß das Geschehen der Handlungf rei etjimdefl ist. Dabei greife ich auf die nach wie vor konziseste Fonnulicrung von Colcridge zurück, der die fiktionale Rezeptionsweise 181 5 als u!illing suspe1lsio1l of disbeliif297 charakterisierte; diese Definition möchte ich noch zuspitzen: Die fiktionale Lektüre suspendiert die Skepsis an der IVllhrheit des G eschehens, enl-bindel den Rezipienten von der Frage nach der Hj srorizitiit der Begebenheiten. Die Untcrscheidungflklional / 1IielJljiklion(ll kon stitu iert sic h nämlich durch ihr A bsehen vo n de r Ume rschcidung mahr / mllll(lhr, sie sllspendiert diese Unterscheidung ~, We ncvcr stop lreadingJ, consider the implications of thc world o f the book, and then decide, qwte rationaUy, that we will accept that world'~ und fugt ihr dagegen eine drille Op!ion der Klassifizierung von Texten hinzu. N ur, wenn diese dritte O ption vorhanden ist, wenn man also Texte je1lseils der Frage nach ihrer Wahrheit oder Unwahrheit rezipiert, wenn die Frage nach dem o1llologische1l Status des medialen Geschehens k eine Rolle mehr spielI, nur in diesem FaUe kann man von
29t>
Vgl. vo r allem N EL.$ON, William: Facl or Firtion. TIN Dik",,,,a oJ Im RtnaiHanct Sloryltllrr. Cambridgc/ t-ohss.: Harv2rd UI> 1973; DAVIS, Lcnnard J .: Farlllal FitHonJ. TIN On!!nJ oJ Im E ng/üh Nm_'t/. Philadelphia: University of Pcnnsilvania Press 1996 119831; MCKEON, t-o tichacJ: Tm OdgjnJ oJ Im E ngllih NOllt l (16()()·' 740). BaIrimo re: Jo hns H op kins UP 1988. Dic bcrührme Stelle aus dem 14. Ka pitel der Biographio J..jltrodo (18 15- 18 17) lautet: " tO uansfer from o ur inward nature a human inrerest and a scm blance o f truth sufficicm tO procure for these shadows o f imagination that willing suspension of disbclief for [he momenl, which conscrules poecic faith." COl.f:.RJDGE, Samucl Taylo r: A Cdh{o/ EdiHon oJ IIN M% r Works. H ng. vo n Heather Jo annaJackson. Oxford, New Yo[k: OUF 1985, S. 3 14 ]Biagrophio Li lrrtido. 14j . RABKIN. E ric S.: N OfTaht't SIIJ/NnJr. " Whtn Sli", Tllr7Ird SjMII!'!JJ ... " Ann Arbor: The Uniycrsity o f Michigan Press 1973, S. 36.
229
fiktionalen Lektüren sprechen?]') Dabei handelt es sich um eine spezifische Rezeptionskompetenz, die erlernt werden muß.lOO D emgemäß bemühe ich mich llln eine möglichst spio:e Eingrenzung des Rezeptions· phänomens der ji/eliol/(Jlm Ltlelü" und bereinige das Thema von einer ganzen Reihe von Elementen, die den Begriff so überdetemllnien haben, daß er viel an D istinktionsflihigkeil \'cxlo ren hat. Verworfen wird erwa die (craditionell an Platon und AristOieies anknü pfende) oniologiJdu Fundierung des Fiktio nalitätsbegriffs, da in dieser Fassung der Begriff uno richtigerweise zur Neb'lltivseife der Unterscheidung wahr / falsch aufgebläht wird: Fik· tio nalität wäre dann alles, was sich irgendwie als Trug, Schein, Illusio n und dergleichen beschreiben läßt. ParnUei dazu wird der Begriff konse'luent entflochten \'o n der milll"is· Theo rie (s. oben). D ementspre<:hend wird aueh der postmoderne Gebrnuch zurückgewiesen, bei dem ,aufgedeckt' wird, daß etwa auch ,histo rische' Textegtma{hl und daher jiklional sind; prägnantestes Beispiel ist WHITE, Har den: Mllahis/ory. He Hislon'ml IIIIaginalioll in Nintlun/h Cenlllry Ellropi. ß altimo rc, Londo n: J o hns H opkins UP 1973. Ferner trenne ich mich \'o n allen Theorien, die Fiktionalität er!emllinislhefmhJ{h im Rüc kgriff auf einen ästhetisch-romamischen Spielbegriff fundieren. Solche Begriffsfassungen isolieren eine Spätfolge der Evolutio n fiktionaler LckfÜren, die ästhetische Auffassung von d er ,besonderen Wahrheit' der fiktionalen ,anderen Weh', und machen diesen späten Eifrkt der Fiktionalität dan n rückwirkend zu ihrer konstitutiven Bedingung (vgl. etwa STIERLE. Karlhei n:r.: "Was heißt Rezeption bei fiktionalen Texten?" In: POtti(a 7 (1975), S. 345-387; vgl. ISER, Wolfgang: /)lr A/et da Lesel/J. Thron'e ösIlNtisdur Il7irbulg. 2. Aufl. ~'I ünchen: Fink 1984, vor allem S. 169ff. sowie ders.: /)os Fiktil.'t 111/(1 dm Imaginiirt. Pmptlelilyn literarisdllr AII/hrofXJlogie. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 199 1). Das gilt auch fu r die ähnliche Argumentation \'o n Ricreur. bei welcher die Fiktionalitilt zu einer ethischen Größe in Richnmg einer An multik\llmrcJlcn Sclbscrclativicrung wird (entworfen in RICa.:UR. Paul: Zri/ 111/(1 Erziihlllng [frz.: Ttn,ps rl Rtnll. Bd. 1·3. 1-,'lünchen : flink 1988-1991 ). Einen völlig richtigen Ansat"L verfolgt Benhold, dcr belOnt. daß "crst die fiktionale Lektüre die Texte zu fiktio nalcn werden läßt." (Bmfn IOU) , Christian: Fiktion lind Viddm/iglu it. 211r En/slehllng motlrmer &llNttrrhniletn des Lesens im 18. jabrhfflldert. Tübingen: N iemeyer 1993 (= Communicado, 3) , S. 210): eine kon:r.ise D cfmition \'o n Fiktionalil"ät fe hlt allerdings auch in dieser Monographie. Be:r.e ich ne~~de rweise vcrweist Stierle in seiner neuen D arstellung (STIERI .E, Karl hcin:r.: " Fiktion." In: As/ll lhJdJe Gnllldbt.f!iifr. His/ons{hes IIVörtnvII{!J. Bd. 1-7. H rsg. von Karlhcin:r. Barck u. a. Snurgart, Weimal: Metzler 2000ff. Ud. 2, S. 380-428. hier S. 380-391 ) auf d ie Schwächen bisheriger De fmitio nen, leitet den Begriff dann h..isrorisch aus den antiken Kon:r.eptionen der poiws b:r.w. der .ft{tio ab, fundiert das Rezeprio nsphänomen der Fiktionalität also in dem produktio nsästhetischen Theorem des künstlerischen Marhrlls. D am.it wird dann der T endenz nach jedes Ereignis, das sic~ . irgendwie umer den Begriff IVlIIsl subsumieren läßt. zu einem fiktionalen Phänomen (',Allhttisimlllg, oder sagen wir von nun an unmißverständlicher: Fi/etionalisitmng [.. .]", heißt es bezeichnenderweise bei J AUSS. H ans Roben: " Der G ebrnuch der Fiktion in Fo rmen der Anschauung und D arstellung der Geschichte." In: Fomftn du Gmhirhlsldmibllng. Hrsg. \'o n Reinhard Ko sellcck, Heinrich Lutz und Jö rn Rüse n. München: drv 1982 (= 1l1eorie deI Geschichte, 4), S. 41 5-45 I, hier S. 416; oder: "die Mimesis, die Fiktion" sei "als lf/esens!1Jerk.INolvon Dichtung" anzunehmen; T /\ROT, Ro lf: ,,~·limesis. Zur Geschichte eines Fiktionsbcgriffs." In: ,/)as SrhC"ne soll sein'. Ais/hais in dir dlulsehtn Li/era/ur. Festschrift fUr Wolfgang B. Sender. H rsg. \'on Peter Hcßelmann. Uidcfeld: Aisthesis 200 1, S. 11 -33, hier S. 27). In solchen Verallgemeinenmgen \'erliert der Begriff seine D istinkr:io nsfahigkcit zunehmend. Erstaunlicherweise wurde der inno \'ative (zumal rczepcionsgeschichrliche) Impuls der Mo nographie Bcrtholds \'on Sticde nicht auf&'Cnommen; dasselbe gilt leider auch fUr eine neue Mo nographie (ZIPFEL. Frank: Fi/etion, Fi/e/;,iliil, Fi/elionlliitiil. AnaIJsrn ZNr Fi/etion in der Litera/llr lind i!'!1J Fi/elionsbegnJf in der U llralllruisltNS(hojl. Bedin: E . Schmidt 2001 ), welche die Studie Benholds nicht einmal im bibliographischen Anhang auffühn. Empirische Srudien zum Fem sehkonsum zeigen: "Erwa ab einem Lebensalter \'on zwölf Jahren kö nnen Z uschauer Realität und Fiktio n [... 1gut auseinanderhal ren." WINTERHOFFSr uRK. Peter, Veronika H ElDlNGER und Frank SCHW.... ß: &oli(}-TV. Fom'll/e lind Inhalte linu »(uen Progrll!1JHlunrn. Saarbrücken: Logos 1994, S. 5 I.
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Z u dieser D efmitio n treten zwei Erläuterungen hinzu: (I) T exten we,rden o ft verschiedene Ebenen der Wahrheit zugeschrieben; man denke nur an die AUegorese und ihre Lehre von dem vierfachen S chrift ~ sinn. Diese Irritation läßt sich jedoc h auflösen, da die Frage nach der Fikti o na ~ lität stCrs an der Oberfläche des Geschehens klebt, an dem (hisw rischen) , B uc h ~ smben sinn'. Auch die Volte, daß fikti o nale Texte ihre eigene Fo nn der Wahr ~ heil aufwei sen, ist hier nicht von Interesse, da diese ,beso ndere Wahrheit' ebenfalls niemals zu einer ko nstitutiven und notwendigen Bedingung für fik tio nale Lektüren wird, so ndern allenfalls als Argument zur Apologese der Fiktio nalität einbresetzt wird. (2) Gemäß der o bigen D efiniti o n ist ebenfalls irrelevant, ob und wie E l e~ mente einer ,fiktio nalen \Ve!t' aus der ,Realität' entliehen sind oder nicht; entscheidend ist. in welchem Mod us die Lektüre stattfindet. So kann man einen hi sw rischen. autObiographischen Ro man sowohl fikti o nal als auch nicht-fik tio nal lesen; die Em scheidung Liegt wie immer beim Rezipienten. Aus der O ptik dieser Vo rüberlegungen ist es schwierig, den Beginn der ,Geschichte der Fiktio nalüär<JOl zu ve rorten. Hier ist von zwei grund sätzlich verschicdenen Ursprüngen auszugehen. T ex te der jüdischen Tradition, etwa des Alten Testaments, werden uneingeschränkt al s geschichtliche Wahrheit ausgegeben und aufgcfaßt. Dagegen messen die G riechen der Frage nach der Historizität grundsätzlich weniger Bedeurung bei; es kümmert sie beispielsweise wenig, o b Iphigenie geopfert wurde oder auf wunderbare Weise überlebte.102 Z u Beginn der griechischen ,Lirerarur' gilt zwar uneingeschränkt, daß D ichter wie Publikum vo n der Wahrheit der Tex te ausgehen.103 Hiernach elll ~ wickeln sich dann aber Vo rstellungen von einer Differenz zwischen Wirklichkeil und Kunst, die jedoch weilgehend im G ravitatio nsfeld der mimesis-Theorie und ihrer Fo rderung nach Wahrscheinlichkeit und T äuschung diskutiert werden. D er Fokus liegt also erwn im Aspekt der ,Gemachtheil ' (poiesis, später fitlio) ,»4 und zwar vor allem im Aspekt der KJmsl (lerhne) der Herstellung täuschender D arsteUungen (pygmalio n, Zeuxis) , keineswegs jedoch in der freien E rfindung des StO ffes. D ie griec hische Episremologie verfügt zwar über die Vgl. als prignante und insrrukci ve E inführung STI ERLE, Karlheinz: " Fiktio n." In: ASlhrtiHht Cnmdbtgriffi. HiJloriJ(hrl Il7örtrrllllth. Ud. 1-7. Hrsg. vo n Karlheinz Bard u. a. Stu ttgan , Weimar. ~·( c rzler 2000ff. ß d. 2, S. 380-428. Vgl. AUERBACH, Erieh : Mimt/iJ. D0'lpltllit Wir/dithletil h, du abtndliindisthtn Li/tflJ/lir. 9. Aufl . T übingcn, Basel: Fra neke 1994 [19461 , S. 16ff.; l m .soN, William: Fad or Fi(tion. Tht Dikmmo ofIIx Rrnainonlt Slorylt11n-. Cam briclgr:/ Mass.: H arvard UP 1973, S. 7.
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Vg!. RÖSl..f:.R, Wolfgang. " D ie E nlded ung der Fikrionalitit in der Antike." In: P« fira 12 (1980), S. 283-3 19, hier S. 289. D ie meisten Darstellungen leiten daraus da nn, \.vie Röslcr, d ie ,E nldeekung der Fiktio nalitit in der Antikc' ab; \'gl. als weiteres Beispiel SCHLAA'1!R, H cinz: P«sit lind lf7imn. Die E"IJlfh/lng dt/ ällbttisthen & II'11/ llrinl /lnd ,Irr philologisthtn Erletnnlnis. Frankftm / M.: Suhrkamp 1990, S. 45-60, " Die Entstchung d se Fiktio nsbcwußtseins bei den G rieehcn''); wie ich meine, zu Unreeht. Um es plabtiv zu sagen : E in Sruhl ist auch ,gemacht', aber eben noch lange nicht fiktional.
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Möglichkeit, zwischen empirisch verbürgten und erfundenen G eschichten zu differenzieren (Herodot). Dennoch gelangt man nicht zu einer Untersc heidung im Sinne einer drilltn Oplion. Platons Argumentatio n etwa verbleibt ganz innerhalb der O ppositio n wahr/ unwahr. D ie ari sto telische Fo rderung nach dem If/nhrrrheinlirhen und Angm,eJJtnen geht zwar in die Richtung eines ,drirren Weges' und eröffn et der zeitgenössischen Kun stauffassung einen gestalteri schen Freiraum. AristotcJes gelangt jedoch ebenfalls an keiner SteUe bis zur Fo rmu lierung eines Fiktio nalitätsbegriffes im Sinne einer dn'lttn OPlio,?05, denn die Faszinatio n der fIIilJltJiJ Liegt ja gerade darin, daß Rezipienten durch ihren Wahr-Schein geldmchl werden: "veri similrude [isJ the primat')' characreristic o f a success fulli e - as a qualit)' o f good poeuy"J06 - dies ist jedoch das genaue Gegenteil der modernen jikliontlltn Leklüre [H. 3) . Hinzu ko mmt, daß sich für das antike Publikum generelJ eine große Leichtgläubigkeit hin sichtlich der Historizität von T exten diagnostizieren läßt.107 Es ist wichtig, hervo rzuh eben, daß es für das Gesab'1:e eine gewichtige Ausnahme gibt, und zwar die KOflliidit - kein G rieche wird L) 'JiJ/rn/ti für ,wahr' ge halten haben. Dasselbe brilt für eine Vielzahl vormoderncr, fiktio naler T exte der Ko mödie (bis hin zu Shakespeare' s A Midrllll'flltr Nighl's DrtnlJl) oder aus der Traditio n der komödianri schen ,niederen Stilebene' (vom rö mi schen Roman bis hin zum DonQ lli;;"1Jle oder eben auch Clllli,.'tr's Tmvtls, der Anekdotenliterarur und schließlich \'(Iitzen). Ersraunlicherweise ist die Legi timität der Fikrio nalität in ko mödienaffin en Ga ttungen in der Theorie meines \Vissens nie an do minanter Stell e thematisiert wo rden.108 Daß ,freie E rfindungen ' vor allem in komödienaffin en T cx tgatrungen zu find<:n sind , weiSt möglicherwe ise auch darauf hin , daß der Ko mmunikatio nsmodus der Ko mik generell ,un ern sl' und parodierend ist: StOffe, über die man lacht, erfo rdern keine suspensioll of
D iese Kritik an der Position Röslers entspricht exakt dem Befund in I-IOSE., Manin: " Fiktio nalitiit und Lüge. Ober einen Um erschied zwischen griechischer und römische r T ermino logie." In: P«hra 28 (1996), S. 256-274.
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NEI.50N, William: Fan or I~th"oll. Tht DikmlTll1 oJ tix Rl1IaiJll111rr Storyttl/fr. Cambridge/ Mass.: Harvard ur 1973, S. 3f.
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Vgl. PIITER, I-Icm nann: Il7ahrlxil und KJmJ/. GrsthirhllJthrtibllng lind Pwg;111 im kwssiJthtn AltmlllTl. Leipzig, ßcrlin: T eubncr 1911, S. 429.
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Schon AristoteIes differenzien Tragödie und Ko m ödie durch die Srändeklausel, behandel t die Differenz der beiden G arrungen in Hinsicht auf Fiktionalilät jedoch nur am Rande (vglZOR.r\N, Gabriel: " HislOry and Ficrio n in the Arisrotelian Tht.'Ory o f Mimesis." In: Alimuis. Stlltb"tll t"r IilfflJnJthtn Rrpriistnlah"on. H rsg. \'on ßemhard F. Scho lz. T übingen, Basel: Francke 1998, S. 133- 147, hil!r S. 147). Auch das ist cin Indiz darlir, daß sich die griechische Antike an der IÖlIsrhtntkn Wirkung der m edialen Repräscnt3rion faszinicn, und darüber die Frage nach der Legitimitä t der ,freien E rfind ung' völlig vernachlässigt: Wer in Tragödien Geschichten von bekann ten Königen und Göttern völlig frei erfmdcl, wird sein Z iel, die T äuschung des Publikwns, nicht erreichen (li . 31. D er Z usammenhang M schen der frühen Fiktionalirät und der Parodie bzw. Kom ödie wird auch in der Fo rschung meines W issens nicht wahrgenommen; vgl. etwa ROSE., Margarel A.: Paro4J / Mtta·Firtion. An A na&lü oJ PI1rw!J 111 (I Crih"w/ A'lirror to IM IY/ n"tillg (lIId RLrrph"on of Firtion. London : C room H elm 1979.
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dirbelief. Solche Texte werden o ffenbar nicht vom Topos ,Dichtung ist Lüge' erfaßt, weil ihnen aufgrund ihrer Komik gar kein Anspruch auf hi storische Wahrheit unrerstellt wird. Auch die römische Literatur bewegt sich weitgehend in dem beschriebenen Kräftefeld. Grundsätzlich gilt, daß sich die Literarurtheorie der Vorstellung von riktionalität als einer dritltlf Option weiter annähert, als es in der griechischen Antike der FaU gewesen war;3O? aber etwa die ciceronische Unterscheidung zwischen hirloria und ! ablfla weiSt der Fabel eben nur die Texte zu. die weder wahr noch wahrscheinlich sind.3lO Die antike gestalteri sche Freiheit in der ,G rauzone' des 1f7llhrscheinlichen wird dann durch das Chri sten tum weitgehend eliminiert. T ex te müssen von nun an nicht nur wahrscheinlich, so ndern wahr sein, an so nsten, so der T opos, ist Dichtung U;g;II. Einzige Möglichkeit der Legitimation um strittene r Texte wird die Allegorese sein, die dann immerhin belegen kann, daß solche Bücher über eine Wahrheit ,im übertragenen Sinne' verfügen - das bekannteste Beispiel ist die allegorische Deutung des Alten Testaments [111. 2]. Daß Rezipien ten der Aspekt der verbürgten Wahrheit der T exte jetzt wichtiger wird , läßt sich auch durch den Parallelbefund untennaucrn , daß sich römische Erzähltexte bereits im 3. Jahrhundert durch umfangreiche Geschich ten von gifllndenen Manmkripten authentifizieren 312 : H..ier beginnt die lange Tradition, in der Texte ihre Alfthenlii!löt durch eine H eramgebetjikfion legitimieren und dadurch ihre ,histori sche Wahrheit' verbürgen [VI. 1].3\3 Die mittelalterlichen ,Ro mane' und Epen bringen zwar den Aspekt des ,Wunderbaren' und ,Traumhaften' in die Erzäh ll iterarur ein,314 man soUte jedoch auch hier noch keinesfalls von fiktio nalen Rezeptionsweisen ausgchcn. 3lS Im Vgl. in HOSE. Marrin: ,.Fiktionalitär und Lüge. Ober einen Unterschied zwischen griechischer und römischer Tenninologie." In: PrK/ira 28 (1996), S.256-274.
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Vgl. NELSON, William: Fad or Firtion. The Dilemma ge/ Mass.: Harn rd UP 1973. S. 5.
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Ocr Topos vcrdankt seinen Ursprung in der Antike ebenfalls einer Verschiebwlg in der Auffassung vom wahren Wissen, und zwar im Kontext der ,Überwindung' des "!Jlbos durch dcn logos der Philosophie; vgl. CURTIUS, Ernst Roben: Ellropiiische ü /era/llr lind Ioleinisrhes Mi/lrlo/lrr. 11 . Aufl. T übingen, Basel: Francke 1993, S. 2 1Of. Vgl. auch BLUMENBERG, )'Ians: "Wirklichkeitsbegriff wld ~I öglic hk eit des Romans." In: N oroabmllng lind llllIsion. Hrsg. von l'lans Roben Jauß. München: Fink 1969 (= Poctik und Henneneurik, 1), S. 9-27, hier S. 9.
312
Rm aissonet S/ory/dkr. Cambrid-
Vgl. NELSON, William: Farl or Fietion. The Dilthlma of IIN RtnoisJanet S/ory/dbr. Cambridge/ Mass.: Harvard UP 1973, S. 16. Vgl. zum antiken Roman auch HEISERMAN. J\rthur. TIN No/.rl kJon lhe NOJ'tl EJJf9 J and DisCl/IJionJ abollI IIN ßtginnings of ProJt Firhon in Im IFest. Chicago, London: The Uni\'ersity of Chicago Press 1977.
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Die beste Darstellung. die ich kenne, ist nach wie vor WILHEI.. M, Friedrich: " Ueber fabulistische Quellenangaben." In: Briträge ~r GlSfhirhle dtr drlllHhen Sprache lind U ltra/llr 33 (1908), S. 286-339.
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Vgl. J AUß, Hans Roben: " Zur Genese von Fiktion und Realität." In: Flln/eJionrn du Fi/eJivt:n. Hrsg. von Dieter Henrich und Wolfgang her. München: Fink 1983, S. 423-432. hier S. 428. In diese Richrung argwnentien auch G UMBRECUT, Hans Ulrich: "Wie fiktional war der höfische Roman?" In: Flin/eJionrn des Fi/eJiwn. Hrsg. von Dieter Henrich und Wolfgang !sero München: Fink 1983, S. 433-440.
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Zweifelsfalle verbürgt die allegorische Bedeurung (man denke erwa an Gottfrieds Eucharistie -Metapher) die Verankerung der künstlichen \XleJt in den christlichen ordo. .. Da es eine absolUfe und objective wahrheit in aUen dingen gab (gott) [...1, so hieß diese wahrheit verschieben, gottes geoffenbanen willen stören und den menschen das weltbild falschen. ,,3 16 D ie Kunst liegt für das Mittelalter in der angellleJJenen Darstell ung, und die Stoffe auch der hö fischen ,Romane' werden dllrchweg als his/otisch verbürg/ verslanden. 317 Das tvlinelalter verwendet den Begriffjic/io nahezu ausschließlich pejorativ, und zwar für ,Lüge', ,Betrug' oder bloß ,Ausgedachtes'; im letzteren Sinne ist ein jiC/IIIl1 allenfalJ s dann erlaubt, wenn es, wie etwa die Fabel, der moralisc hen Belehrung dient. 31 !! Parallel dazu beweist das kontinuierliche Vorgehen der Kirche gegen erlogtlle Dich/llngen, " wie dogmatisch das verlangen nach historischer wahrheit damal s jedem schriftstück gegenübergestellt wurdcu • 319 Aus heutiger Sicht bleibt rätselhaft, daß mittelalterliche Texte konse'luem und durchgängig ihre historische Wahrheit bezeugen, und zugleich nachgewiesen werden kann , daß sie fast alle zumindest Episoden erfinden, oft jedoch gänzlich ,ge Eil seht' sind. Die tiefe Religiosität des Mittelalters steht in einem paradoxen Mißverhältnis zu der ungeheuren Zahl von Fälschungen (auch von Urkunden) - ein schwieriger Befund: " It must be concluded, I think, mat the accepted decencies forha de an aUfhor, nOt tO make up stories, but to admit that he had. u32Q Und cnt-
".
VII?:TOR, K.1.rl: " Dic Kunsfanschauungcn der höfischcn Epigoncn." In: Britriigt ~"CtJrhirblr du' tJtlllIrbtn Sprndn. und UltralIIr 46 (1922), S. 85· 124, hier $. 11 0.
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Vgl. GRÜNKOIlo'l. Genrud: Die Fi}etionllli!ti'1 du IJiJjiJr!Jen RomllnJ. Ikrlin: E . Schmidt 1994, S. 185. G riinkorn operiert ebenfalls m it einem sehr weitgcfaßtcn Fihionalitäts begriff; symptomatisch sind ihre \icr ,Fiktionssign ale' (poetischer Ausdruck, auk to rialer Erzähler, utopische Sinndimcnsio n, freie symbolische Erzählstrukmr). So argumentiert sie etwa ftir die Fikrio nalität miuelaltcrlichcr T exte, da die An' lind lf/eiJe dtr Darsldlllng freigestellt sei und ihr Sinn über den Text hinaus \'erweisc. In diescr Optik wird selbstvcrständlich fast jeder Text fiktio nal, und dieses Problem ergibt sich leider fü r beinahe alle neueren m eruävi· stischen Veröffentlichungen zu dem TIlema. Außcrst illustrativ sind trotzdcm die Beiträge in M ER'n:..'\is. Volker und Friedrich \X/0 LF"-l.ETrEL Fik!iMa!iliit im An'IIJromtln. D rine Tagung der Deurschen Sektion der Internationalen Artusgcsellschaft. T iibingen: N iemeyer 1993. Problematisch ist allerdings auch hier, daß vo rwiegend aus der Perspektive der ProdllJelion argumentien wird, so daß bereits Abweichungen von Vorlagen zum Beleg für Fikrionalität werden. Dasselbe gilt für BURRle l-tTER, Brigine: If/phrlxit lind FiJelion. Dfr Stllb'J dfr Fi!eJionpliliil in tIer A n'usliltrplur dtJ '2. jllhrIJundfn'J. München: Fink 1996; hier dient d er Verweis auf die zunehmende Eigcndynamik aus der Rhetorik stammender Stilmincl als Kriterium der rikrionalilät. Die Flut der Publikatio ncn zu diesem Thema kann hier nicht dis kutiert werden ; vgl. als neuesten Beitrag RIDDER, Klaus: " Fikrionalität und Autoritär. Zum Armsro man des 12. Jahrhundens." In: DtulJ(m Vitn't!JllhrJJrhriftjiir U leratllmiJJtnJrbqfi und CeiJltJgurhirbtt 75 (200 1), S. 539·560.
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VgI.VOLLIo,IANN, Ik nedikt Konrad: "Erlaubte Fikrionalitiit. Die Heiligenlegende." In: HiJloriJ(!JeJ lind jiJelionllleJ Erziihlen im MillrkJller. Hrsg. \'on Hemut Knapp und Manuda Niesner. Berlin: Drucker & Humblol 2002, S. 63· 72.
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Vn'!TOR, Kar!: " Die Kunstanschauungcn der höfischen Epigonen." In: &itriigt '.f!IrCurhithlt der deulJ(!Jen Spruche lind Ultratur 46 (1922), S. 85- 124, hier S. I 12.
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NELSON, William: Fad or Fimon. T!Je Dik",ma 0/1!Je Rrf/aiJlanrt Storyltlltr. Cambribgc / Mass.: Harvard UP 1973,S. 27.
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sprechend leichtgläubig dürften die Zeitgenossen den Beteuerungen der Prologe gefolgt sein: .. Ebenso groß wie das verl angen nach histOrischer zuverlässigkeit war auch die glaubwürdigkeit solchen angaben gegenüber."32L D ie Evolution der fik tionalen l....ektiire, welche jenseits der Unterscheidung mahr I unwahr operiert, von frei erjimdenen Handlungen ausge ht und die Diffe renzie rung zwischen den Rezeptio nsweisen der GeschichlSJchreibllng (- wahr) auf de r einen Seite und des Romans (- weder wahr noch falsch) auf der anderen Seite hervorbringen wird, vollzieht sich im Zeitraum nach den mittelalterlichen Epen (die noch Roll/an und GeschichlSJchreibling zugleich sind) und einer klaren Differenzierung am Anfa ng des 19. Jahrhunderts - ein Prozeß also, der über etwa drei Jahrhunderte andauert. Vor allem während der Übergangsphase des 16. bis 18. Jahrhunderts ist die Siruatio n äußerst verworren,322 weil im Ve rlauf der empiristisch-historistischen Revolutio n eine völlige Destabilisien mg der Genera stattfindet, die erst E nde des 18. Jahrhunderrs in die strenge Unterscheidung von Geschichtsschreibung und Ro man auslaufe n wird. D em gemäß lassen sich allenfalls fo lgende T endenzen feststellen: Innerhalb einer gelehnen Elite wird seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrh unde rts die Unterscheidung zwischen ,wahrem ' und ,fi ktivem ' Wissen zunehmend them atisiert. D abei handelt es sich jedoch zunächst noch um Spezialwissen: "Die humani stischen Poetiker des 16. und 17. J ahrhunderts fü hrten, beeinflußt vo n der antiken T radition, nahezu generell eine selbstverständliche, theoretische Trenn ung zwischen Geschichtsschreibung und Dichrung durch, o hne daß dies in der narrativen Praxis l...J zu ernsth aften Folgen geführt hätr.e. ,,323 E s ist erstaunlich, daß in der narrativen Praxis einer höfischen-gelehn en Elite bereits früh eindeutig fi ktio naJe T exte auftreten. D abei handel t es sich jedoch, wie etwa im FaUe vo n Ariosts Orlando FJfrioso, in erster Linie um lZI
VIi!TOR, Kar!: " Die Kunstanschauungen der hö fi schen Epigonen." In: Briträge '?!'rGu f!Jifhle dtr dtulSfhtn Spracht und U ltralur46 (1922), S. 85- 124, hier S. 106; ftir diese Leichtgläubigkeit argumentien auch KAISER, Gerr: "Zum hochmittclah erlichen Liternmrbegriff." In: 2 Nm millrlalltrlirhtn U lrmlurbtgrijf. H rsg. von Barbarn Haupt. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1985, S. 374-424. Viero rs Aufsatz knüpft ebenso wie der Wilhelms an das scho n 1857 bei Simrock thematisierte, klassische diesbezügliche Problem der gennanistischen Mediä\1stik an, Par.li" als Berufung auf einen (un bekannten) Gewährsmann namens K rot. Die Veröffentlichungen zu dem Thema geben interessante Einblicke in das Problcmfcld der Fiktio nalität im r.,·tittclahcr; "gI. dazu ausführli ch die Fallsrudie Z lUll Kyot-Pro blem [VI . 1).
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Auch ßcnho ld verweist auf Forschungslücke n; \'gl. BERTHOIJJ, Christian: Fik.tion und VitMtutig ktil. Zur EnlSlthung modm lrr IVdlurluhniktn du UJtnJ im 18. Jabrhuntkrl. Tübingen: N iemeyer 1993 (= Communicatio, 3). S. 34f. Auch McKeo n betom die Schwierigkeit der Beurteilung dieser Schwellenzcit: " Are [he Frcnch secret histo ries and travcls 1'0 be seen as self-conscio usly dcfended romances, o r as naive empirieist critiq ues of ro man ce? Posed abstracrl y, [he problem is insoluble." MCKEON, M.ichael: The Onlins of Iht E ng/ish NOI~/ (1600· 1740). Baltimo re: Johns Hop kins UP 1988, S. 55. McKeon geht in seinen Ausführungen in mcinen Augen zu weit in Richrung ,Historizität'. KLEINSCHMIDT, Erich: " D ie Wirklichkeit der Literatur. Fiktio nsbewußtsein und das Problem der ästhetischen Realität vo n D ichrung in der Frühen Neuzeit." In: Dtu!s{ht VitrltIJohrSJ(hnft flir LiltralUfJI-im nIfhaji Nnd GrislesgtJfhirhle 56 (1982), S. 174- 197, hier S. 178.
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Parodien: " In the glow of Renaissance seJf-es teem, chivalric stOry was an absurd, dead fashion, wormy only o f such mocking uses as AriostO made of it.,,}24 Außerdem hat sich ein trennscharfes Konzept einer empiristi schen Geschichtsschreibung auch in der gelehrten E lite noch nicht durchgeseG:t G ründe, die möglicherweise erklären kö nnen, warum es in der gelehrten roH/anzi-D ebatte um Ariosts Orlando Furioso (Mitte des 16. Jahrhunderts) erstaunlicherweise in erster Linie noch um die Frage nach der Einhaltung der aristOteli schen Forde rung nach IF/ahrscheinlichkeil geht, we niger um die Legitimität der freien E rfindung.,m Und zule tzt ist selbst innerhalb der Adel swelt die Durchdringung mit diesem Schrifttum noch eher ge ring und an eine Bildungselite gebunden.lU, Innerhalb der höfisch-galanten narrativen T exte etablien sich dann zwar eine Prorofiktionalität, die jedoch durch eine Reihe vo n E inschränkungen domestizierr wird. Bei wirklich freien Er findun gen handelt es sich nach wie vor zumeist um Parodien oder ko mische Texte (von Thomas Morus' Ulopitl bis hin zu Rabelais' Carganlua), oder aber um .Kinderkram': " Freedom tO mvent whole stories is limited to the genres o f aUegory and beast fab le, dramatic comedy, di alogue, and such tales as Lucian and Apuleius raid Mliesian tales, Vives calls them, of the kind that nurses teU chiJdren by the fireside ( 0 keep them fro m crying." 321 Im galanten Roman we rden dann häufig hisrorische Sroffc aufgegriffen, zu denen dann Episoden erfunden werdcn dür fen. Die Stoffe, ctwa aus der griechischen Mythologie, sind idea lerweise ,sehr lange vcrb1'3.ngen' - eine Regel besagt, die Geschichten müßtcn ,vo r der NmSON, Willi:tm: Farl or Firtion. Tm Diltmm(l oj tlJe Iv npiSS(lII{t Sioryldlrr. Cambridge/ M3ss. : Harvard UP 1973, S. 75. '0
Vgl. FuHRMANN, l\.-\anfred: Eiltjiihllmg in dit onh·k t D;rhl,mgJlmon·t. Dannstadt: Wiss. Buch ges. 1973. S. 188-250; WEIN BERG, Bernard: A HiJlory oj ü/rr(lry C,ütidsm ill Im 110/ian IVnmssanrr. Ud. 1+2. Chigaco: The Uni\'ersit)' o f C. Press 1961. Bd. 2. S. 954- 1073. vo r allem S. 10 17 und 1027; WINKLEHNER, Brigilte: u gitimulionsprobkmt tintr Goll/mg. Zur & ",alldiJle.smion drs / 7. Jabrhundrrts in Frunkm rh. Tübingcn: Stauffenbu rg 1989, S. 20-29. Interessante Befunde ergeben sich aus Nachlaß"erzeichnissen adeliger Bibliotheken. Selbst innerhalb der ständischen Weh gibt es \';ele N icht-Leser. T ypisch ist danach die ,kleine Hausbibliothek', welche (vor allem auch bei weiblichen Lesern) auf Bibcl, Erbauungs- und Gesangsbuch sowie allenfalls eine n Lcgendemext oder ein Kräuterbuch beschränkt sind. Soweit sie innerhalb der adeligen Bildungselite existieren. sind größere Büchcrsammlwlgen zunäc hst einmal hinsichtlich ihres G ebrauch snutzens strukrurien. enthalten etwa Rechtstexte, Geschichtswerke und die Klassiker (vorneh mlich Cicero) und andere Basistcxtc. welche von piida~"srhrn ]\'Iotiven der adeligen Er.liehung bestimmt sind. Dagegen wurde in "der Regel weniger srhiil/!!/;hge ü ltralurin die Bibliotheken eingereillt, als allgemein erwane t wird." Vgl. dazu die Studie PI_EllCHA. Eva: A dtl und Burh. Slumm '{!Ir Gnsluu'(ll du friink}s(hm Adds om Bdspit/ stinrr Bibliolmlun vom 15. bis ZURI /8. Jubrhudrrl. Neustadt: D egcner 1983, hier S. 237. Pletichas Studie belegt ferner zwrundest fiir den fränkisch-katho lischc n Raum, daß der kulturelle ,Rückstand' Süddeutschlands gegenüber dem p rotestamischen Norden weniger gra\';erend ist. als Engclsings Studie zu Norddeutschland lange Zeit \'ennuten ließ (Vgl. E NG I!I..S1NG, Rolf: Der Bii'l.tr alJ U Jer. u .J('l.r.Jrhirhlt in DtulJ(hlo"d (1500. '800). Stultgan: Metzler 1974 [19S9J).
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N E.L.SON, William: Farl or Fifh()I/. 7'IN Dikmma ojJhr RrllaiJsol/rr Sioryltlkr. Cambridgc/ Mass.: Harvard UP 1973, S. 48.
Begründung der olympischen Spiele' startgefunden haben (also vor 776 vor Chrisrus) - , darüber hinaus soUen sie aus ,sehr entlegenen Regio nen' stammen , so daß sich ,Unwahrheit' eben nicht nachweisen läßt (hier deutet sich bereits der Empirismus an). Darüber hinaus verhindern die vielen lehrreichen Einschübe, Digressionen und dergleichen, daß man diese Texte zu sehr auf Hisrorizität hin liest. Exemplarische oder aUegorische Auslegungen begleiten diese Anstrengungen. Und zusätz lich soU die aristo telische Fo rderung nac h W'ahrscheinlichkeit eingehalten werden, welche allerdings noch se hr unterschiedlich ausgelegt wird . Je mehr sich aUerdings die Unterscheidung zwischen Geschichtsschreibung und Roman durchsetzt, desro mehr ge rät die Fiktion in Bedrängnis: "what could be more deserving o f credit chan [ruth itselpu28 De r galante Ro man vor aIJem französischer Prägung, der hisrorische Stoffe immer freier und ungezwungener mit ,Abenteuern' und ,Kuriositäten' anreichert, ge rät dadurch vor aUem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zunehmend in Konflikt mit dem aHmählich sich durchsetzenden empiristischen Wahrheitsbegriff. D emgemäß kann hier ein buntes Potpourri von Strategien der l....egitimatio n beobachtet werden. Viele Texte bleiben im Gravitationsfeld der Hiswne und thematisieren das Thema ,Fiktionalüät' kaum oder gar nicht. O pitz' Vorwo rt zu seiner Übersetzung des ,pseudohisrorischen' Argems des John ß arelay will etwa dem " flcissigcn Leser vnter dem Schein deß Getichtes die \Varheit det Geschichte" präsentieren und zugleich der höfischen Gesell schaft einen "güldenen Spiegel" des Exemplarischen vorhalten.l29 Außerdem mehren sich Stimmen, die den Ro man als eine auf Effik/ kalkulierte T ex tgattung der ,Verdichtung' beschreiben. Das nimmt der Hi storiker aJs Bedro hung wahr: " like H.()fI!(l!Ices, in re speer tO Tme f-lis/ory; whi ch, by multipl ying varietics of Extraordinary Evens, and surprizing circumsrances, makes rhem Ihistories] seem d ull, and rasteless".l30 Romanciers können dagegen behaupten, daß der Ro man zwar graduell weniger Wahrheit enthalte als die Historie, dafUr jedoch durch ,mo ralische Wah rheiten' angereichert sei. Z udem bleibt die populäre Auffassung von Hi· s/ol)' in vielen FäI1en wcüerhin noch so diffus, daß von einer Differenzierung zum Ro man im modernen Sinne schlicht noch nicht die Rede sein kann. Ein schö nes Beispiel ist Manleys Ro man The Seert! His/0'J r ofQuetll Zarah (1705). Diese His/ory klassi fizi ert sich laur Vorrede als Rolllonce, wobei der Gebrauch der Begriffe fast austauschbar ist. Folgende D efinirion der T ätigkeit des Historikers zeigt, wie verwechsclbar die generischen Zuschreibungen noch sind: "the f-l.istorian describes the Heroes to his Fanc)" so he ought (Q give them NELSON, Willjam: Fad 0' Firt1on. The Vi«mmo of tm Rlnai!Jona Storyttl/N'. Cambridge/ Mass.: H arvard UP 1973, S. 52. J2?
O I' ITZ, Ma.rtln: GUammt!te IW",u. Krihfdn AJlJgabt. H rsg. von Gcorge Schulrz· Bchrcnd. ßd. 3: Vii Obtrst't!
3.10
SPRAT. Thomas:
The HiJlory ofIm RPyo/ Sont(J ojl...lJndon, For tln Impro,ing ojl....'all"o/ Knollitogt.
London: Mart)'n 1667. Paks. Neudruck 1966, S. 9Of.
237
•
Qualities which affen the Reader, and which fixes hirn to his Fo rrune; buc he o ught with grear care to o bserve roe Probablit)' of Truth, which consists in saying no thing bot whar ma)' be Mo rali)' bclieved".}J\ T ypischerweise wird hieraJso noch mit einem Wahrheitsbegriff argumentiert. der Aspekte der His/oriil/Ii/, der ollegorürhm Wahrheit und der lt7ohrsrhtin/ichkti/ noch diffus miteinander koppelt. E ine nachge rade auße rgewöhnliche Strategie ist, daß sich Texte einerseits als Ro man klassifizieren und ~tg/eich ihre Überlegenh eit gegenüber der Ceschich/sschreibung im Hinblick auf die \Viedergabe der his/onschen Wahrheit behaupten. Ein typisc hes Beispiel ist die Begründung von arnenskürzcln in höfischen Sem/ H is/orier, im Vorwort zur engli schen Ausgabe des Artollltlle (Madeleine de Scudor)') heißt es: For the Intrigucs and fI,'liscarriagcs of War and Pcace are better, man)' times, laid o pen and Saryriz'd in a Rof/uII/u. rhan in a downright Histor}", which being o blig'd w name the Persons, is o ften fo rc'd fo r scvcral reasons to be wo partial and wo sparing; while such disguis'd Discourses as these 1... 1 lake their fuH libcrty TO spcak thc tmth.3l!
Man könnte die Reihe solcher Beispiele lange fortse tzen. Wichtig ist mir der allgemeine Befund : Bereits im 17. Jahrhunden vermehren sich die Selbsuenerionen des Ro man s über seinen \Vahrhcitssmtus sic htlich; das belegt zuvorderst die zunehmende Notwendigkeit von ,Apologien'. Ocr galante Roman wird im Hinblick auf seine Historizität zunehmend verdächtig, abgesehen davon, daß einige T exte aufgrund ihrer zune hmenden Phantastik ganz o ffensichtlich erfunden sind.lJJ Die Inkohärenz der Pos itio ncn und T ermino lohric erl aubt jedoch noch keine wirksame Legitimation der Fiktio nalität. Ganz im Gegenteil ist davon auszugehen, daß diese ungelösten Ambivalenzen den Untergang der Gattung zu Beginn des 18. Jahrhunden·s mit verursac htcn. In de.r englischen Literarur werden dann (englische), ovels' den phantastischen Fabeln der (französisc hen) ,Ro mances' vorgezogen:1l4 D ennoc h m ar-
'"
MAN t EY, Mary dc la Rivicre: The Surrt History o/QNttn Zarah, anti/he Zara~anJ [. .•}. Faksimile der Originalausgabe von 1705, hrsg. \·on i\'lalcolm J . Bosse. New Yo rk, Londo n: Garland 1972. o. S. L,To the Reader", A4f.].
III
Abgcdruckt in WIU.IAM5, loan (Hrsg.): Nord and RDman(t (1700-1800). A Donihltntp'Y Rmm London: Routlcdgc & Kcgan Paul 1970, S. 25; cin ähnlichcs Argument taucht bei John Dcnrus auf: •.in an H istorical Relation u'c scldom arc acquaim ed with thc rruc Causcs of E\'cms, whcreas in a feign 'd Action which is dulr constituted I... ) those Causcs always appear"; D ENNIS, John: Tht Cnh(pl ll7orkt. Bd. 1-2. H rsg. \'on r-..dward Niles Hooker. Ba.ltimorc: Johns Hopkins UP 1939/ 43. Bd. 2, S. 6 1••Essa)' on thc Genius and Wrinngs of Shakcspcar",17 12]. Vgl. als Übersicht W INKI.ElINI!R, Brigittc: LJgitimationJ/lrobltme riner Galllmg. Zur Roman,Jishmion dn , 7. jahrhllndrrtJ in FranJu,;ch. Tübingcn: Stauffenburg 1989.
'" 238
Vgl. D ,\ Vl5, Lcnnard J .: Fa(/Nol FirtiollJ. TIN OriginJ \'crsiry o f Pcnnsilvarua Press 1996 [1983), S. 102ff.
oJ Iht Eng/iJh Not,,!.
Philadelphia: Uni-
kieren rue letzten J ahrzehnte dieser T extgattung in so fern eine wesentliche Gelenksrelle, als hier der Rolllon erstmals seit dem Minelalrer seine eigene Fiktio nali tät nichl lIIehr verleugnen kann - und damit zum Problem fall wird. Auf seiten der Theorie existieren zwar scho n früh wirklich trennscharfe Unterscheidungen zwischen HislOire lind Roman, wie etwa in Pierre Damel Huets Tmili de I'origine des rolllans (1670), einem T ext, der im gesamten gelehrten E uropa rezipiert wurde: " Ie d is les fictio ns, po ur les distinguer des HistOires veri tables."m D a diese D ifferenzierung, wie oben ersichtlich, sich noch nicht einmal bis zu den Ro manautOren durchsetzr, bleibt jedoch äußerst fraglich, wer überhaupt im Leserpublik um über dieses Wissen verfügte. Der zunehmende Vo rmarsch von E mpirismus und HistOrismus bringt nach 1700 immer stärkere T urbulenzen in den Corpus des überlieferten Wissens. D ie Methoden der kritischen Überprüfung hatten immer größere T eile des tradierten, für wahr gehaltenen schriftlichen Wissens als fa lsch, als ,Fiktionen' und ,E rfindungen' ausgewiesen: ..The His/ories o f Pliny, Ans/ode, Solinlls, IElirm, abounding mo re wirh prerry Tales, and fin e mo nstrous Sto ries; than so ber, and fruitful Rciatio ns."jJ6 J etzt gerät sogar das Buch der Bücher in diesen Sog, man wagt zu fragen: Ist auch die Bibel nur ein Mythos?H7 Es ist al so die Verschiebung in der Auffassung vom lI/ohren IPissen, welch e diese zunehmend skeptische Befragu ng von T exten auf ihre n Wahrheitsgehalt im 17. und 18. Jahrhundert verursacht, es ist d ie neue empiristische Auffassung der Wahrheit, welche die alren T exre immer fragwürdiger erscheinen läßt. D ie neuen Möglichkeiten, T exte kritisch hinsichtlic h ihrer historisch-elllpirischen If/ahrhtit zu überprüfen, machen dann auch diese neue Fo rm der ,Wahrheit' zum entscheidenden Kriterium ihrer Beurteilung. E rst jetzr kann vo n einer Unterscheidung zwischen His/ory und Ro",tlf/ce im modernen Sinne gesprochen werden. Die f olge ist, daß der Begri ff Ro"/lmce insofern zum nega tiven Kampfbegriff avanciert, als er vorwiegend die T exte bezeichnet, welche der Verifizierung nicht standhalten, man benurzr ihn , um Lügner zu diffami eren, Fälschungen au fzud ecken und so fo rt: " Ro mance 1... 1 pejoratively designares a.U idealist fictio n" .338 Hisl0'J' ist jetzt die Präferenzseite der Um erscheidung, rue mifgek liirlen Rezipienten erwarten klar, daß man ihnen wahre Begebenheiten erzählt. Die ,Phantastik' des französischen, galanten Romans wird dabei untragbar, und zwar im Hinblick auf so wo hl Unwahrs(}Jeillli(bkeit als auch m
})6
H UET, Pic.rrc Danicl: Traili de I'ongil,t du romani. Faksimiledruck nac h der Ers tausgabe vo n 1670 und der Happclschen Übersetzung vo n 1682. H rsg. von Hans H interhä user. Sruttga rt: Metzler 1966. S. 5. So heißt es schon 1667 in SPRAT, Thomas: Tm HisfOry of fix Roy al Sode!) of London, For IIx Improling of N a/ural Knou4tdge. Londo n: l\-lanyn 1667. Faks. Neudruck 1966. S. 90.
VgI.McKEON. l\·lichacl: TIx Ongi"s of IIx E"glü h Novtl (1600- 1740). Baltimo re: Joh ns H op kins UP 1988, S. 47-52 ~, Naive Empiricism and Extreme Scepricism'1 und S. 77-83 ~,111 C Utcralizing o f Re.vclation'1. } }8
Mc KEON, J\·lichacl: H e Ongi"s of /m English Not'tl (1600-1740). Baltimo re: Johns Hop kins UP 1988, S. 88.
239
Abislori!(jtiit. Das heißt in der Konsequenz: Die Möglichkeit der empiristisch -kritischen Verifizierung verschärft die Skepsis gegenüber fiktionalen Texten3J9 und eliminiert das Einhorn endgültig aus dem Katalog der tatsächlich existierenden Tiere.}40 So muß Arabella, die Heidin von Tbe Fe/!laleQ/(/~,
~,
Vgl. G IESECKE, Michael: Sinntllwandtl, Sprl1fhu'andtl, KPI/Jm~"(.mdel. S'lId;", ZN' [/or;guch;chle I/tr InjomflJlions,gmllIchojt. Frankfuf[ / ~L Suhrkamp 1992, S. 283. Vgl. GIESECKJ~, t-,·(ichael: 0" BNCht!f1(C!e ;n dufmlxn Ntllifit. Eint bislonidx F"llIIlIdü über dir DllrrhU'ZNng ntll" ' nfonJ/aliOfls- IId KO"/I1l1l1/ikuliollsluhnolo§·m. Frankfurt/ l\l: Suhrkamp 1991, S.586ff. LEl"./NOX, Chadonc: TIM Frmalr QlliXOlt 0' Tht Ad,'tnlllrtJ Dalzicl. London CI al. : Oxfort VI' 1970, S. 377f.
oJ Arabtllll.
Hrsg. \·on Margarci
Vgl. SPI EGEL, Marianne: Dtr ROH/IIII lind Still Pllblilulm i", filxlI 18. jahrlJllndtrl. Bonn: Bouvicr 1967, S. 37-49. Vgl. zur Schwicrigkeit, diesen "Vmschichtungsprozcß im Lcscpublikum" näher zu bcsrimmen. auch VNGER..~-STER..~BE RG, Wolfgang \'on: "SchriftsteUcr und literarischcr Mark!." In: HOl/sm So:&algesfbichlt rltr dtlilschrn LiitralN' tMI 16. Jahr/mI/dm b,i ZNr C,gtl/u·arl. Hrsg. \'on Rolf Grimmiger. Bd. 3: Drillscht AlIjle1arung b,i ZN' F,amrj!iisdltll fVtvlNlion. München, Wien: Hanser 1980, S. 133-185, hier S. 137.
240
I.. .ese rschicht bei ihrer Erlernung der fiktio nalen Lekrüre Phasen noch einmal durchläu ft, die in der ge lehrten E lite oder bei Hofe bereits zumindest latent stattge fund en hatten. Diese These läßt sich im Falle von D efoes Rnbinson CntSot durch die vort:ügliche buchmarktgeschichtli che Studie Erhard D ahls untermauern.143 Dahl hat in den ersten hundert J ahren nach E rscheinen die sensatio nelle Anzahl von insgesamt 208 verschiedenen T extausgaben (17 19- 18 19) nachgewiesen. Davon sind nur 57 vollständig, ungefähr 75% der Veröffentlich ungen entfa llen demgem äß auf KJi'ifmgen. D abei läßt sich eine direkte Relation herstellen zwischen HOllbdntck, Drucko rt in der englischen Provinz (also nicht im Druckmo no po l London), Kii'iftng, Verkauf als preiswerter ChapbookAusgabe und einem ko rrelierenden Publikum mit schwacher Kaufkraft und eingeschriink/er Bildung. D efoes Text Robinson Cntsoe dürfte demnach tatsächlich zu einem Großteil Lese rschichten erreicht haben, bei denen noch nicht von einer literarischen Sozialisierung ausgegangen werden kann, die also den T ext zunächst als authentisch rezipierr haben dürften. Eine einsetzende Legitimation der fikti onalen Lektüre des bürgerlichen Romans erhält erst nach dem immensen Erfo lg von Richardsons Pomela einen Schub. Zwar gibt sich auch dieser T ext in der ersten Au flage (1740) klar als authenti sche His/my (" the Editor o f the following Letters, which have rhcir Foundation in T rurh and Nature [... ]"344), und alle narrativen Mittel werden zur Bekrä ftigung der Authentizität cingesetzt.145 In den einleitenden Materialien zur zweiten Auflage (1741) wird jedoc h bereits ambivalent in einem Brief "T o fh e Ed itor of Pali/eU' die Frage nach dem A II/or des Tex tes gestellt: "Yer., I confess, there is One. in the \'Vorld . o f who m I think with still grcatcr Respect, than o f POlllel,r. :l.Od That is, of the wonderfuJ AII/horof Pallle/a.- Pra)', Who is he, Dear Sir?"346 Ähnlich verhält es sich bei der Veröffentlichung von Clarissa Harlowe (1747). Bei der Erstverö ffentlichung des ersten Bandes wird durchweg die Authentizität der Briefe herausgestellt ~.Th e foUowing History is given in a
"'
D AHL, Erhard: Die KJi'"{!l"gm du ,Robi"J01I CrNJoe' i" E"gla"d ~iJrht1l '7'9 JI1/d '8' 9 /,'Or dtl1l Hi"lrtgTJI"d du :jfilgmöJJiJrhm DTJldel!~ 'trbtJ, J/trlagJ/l.rJtnJ und u J'Publihlms. Frankfun / M.: Lang 1977. Rl CHARDSON, Samuc1: Pamrla or, J/irtut Rtu-ardrd I" a SrntJ oJ ullmjrom
Danmllo INr ParrnlJ [. ..J.
&autifu/ l'oung Bd. 1-4. Neudruck Ox ford: Basil Blackwcll 1929 (= Shakespcare 0
H ead Edition), Bd. 1, S. ü; auch das " Ad"cmsemem" am E nde des letzten Bandes bestätigt die Authentizität; "gI. Bd. 4, $. 457.
"'
Vgl. dazu BAU ... D onald L Samut! Rirhan!Jon's Thtory oJFirli01l. Tbe Hague, Paris: MoufOn 197 1. Vgl. fe rner W AIlo'\JER, William Bearry: Rrading ,CkmJJo'. The SITJlggltl of Inlerprtlalion. New haven, London 1979, S. 105ff.; "gI. zur CkmJsa KEn.lER, Tom: Ri{hartl!on's ,ClonJsa' ad IIN Eighlemlh Cmlury Rtodtr. Cambridge el aJ: CUP 1991. RI CHARDSON. Sarnuel: Pomt!a or, J/irtut Rru.'Omed In 0 SrntJ oJ ullmJrom
Btaulijul l'oung Damit! 10 her PorrnlJ [. ..J. Bd. 1-4. Neudruck Oxford: Basil Blackwell 1929 (= Shakespeare (J
Hcad Editio n), Bd. I, $. xii.
241
Series o f Letters principaUy in a double yet separate correspo ndence.'(47). E ine Art Panne steUte sich bei der Publikatio n des dritten Buches (1748) ein. Denn Richard son hatte William \Varburron, den Bischof von G lo uces ter, um ein Vorwort gebeten. Dieser verfaßte ein latent fikti o nskriti sches Vorwort und durchbrach dann auch die Herausgeberfiktio n: " He [me aumo rJ has merefore raid rus Tale in aSeries of Letters, supposed ra be wrirten by the Parties concerned".348 Richardson kam das ungelegen (später tauscht er das Vorwo rt aus), vo r alJem, da er den Text sukzessiv verö ffentlichte. Vermutlich aus Höflichkeit druckt er den Text in der ersten Ausgabe jedoch ab. Ein später verfaßter Brief an Warburron läßt sich als nac hträgliche E ntschuldigung der Authentifizierung gegenüber dem KJeriker lesen: Will you, good Sir, aJlow me to mention, that I could wlsh that the Air of Genuincss [sieJ had been kepf up, tho' I want not the Letters to be though t genuine; onl)' so far kept up, I mcan, as [hat they should not prefatially be owned not TO be genuine: and this for fear of weakcning their Influcnce where any of them are aimed to be cxemplat)'; as well as to avoid hurring that kind of Historical Faith which Fietion is generally read with, tho' we know it tO be Fi c rion. ~<)
Die Enthüllung (der fikti o nalität, nich t jedoch des Autornamens) erfolgt dann im letzten Band des sukzessiv ve röffentlichten Romans. Die Herausgeberfiktio n wird im Postscript des letzte n Bandes völlig aufgegeben (" The fo regoing Work having been published at three differenr periods of time, the Autho r, in the course of its publication, was fa voured with man)' anol1)'mous leners, in which the Writcrs differently expressed th eir wishes with regard to the apprchended catastfophe'j,lSO Dabei ist jedoch symptomatisch, daß Äußerungen, welche auf die Fiktio nalität hindeuten , im Falle Richardsons erst publizien werden, lIachde/ll sich der ungeheure Markterfolg einges tellt harte; und selbstverständlich werden andere zeitgenössische Ro mane weiterhin ihre Historizität betonen. Diese allmähliche Emanzipation der Fiktionalität wird dann weitge hend auf der /lIomIischen lf7ahrheit des T extes begündet - ein Argument, das im Falle des Robinsoll CnlSOt immerhin bereits eine Rolle gespielt hatte; Gildon hatte im Hinblick auf den religiösen Inhalr des T ex tes fo nnuliert: " the Design o f the
Rl CIIARDSON, Samucl: ClariJJa 0'" Tbt !-li//ory
oj a l'oNng
LAl!J [. ..J. Bd.
1-8. Neudruck
Oxford: BasiBlackweU 1930 (= Sh akespeare Head Edition), Bd. I , S. vii. Der Text ist nicht abgedruckt in der Shakupmrt !-lrad Edition, fmdct sich jedoch in W IUJ AMS, loan (Hrsg.): 1\lol~t and Romfmer (/700 -1S00). A DOl"Nmrnlary IVrord. London: Routledge & Kegan PauJ 1970, S. 124.
,.
O cr Brief ist nicht abgedruckt in der gesammelten Ko rrespondenz, ich zitiere daher nach BALL, Do nald L : Samlltl Rirhardson's Thtory oj Firlion. The hague, Paris: Moutonj 197 1, S.237 f. RI CHt\RDSON, Samucl: Clorissa or, TIN His/ory
oj a l'ollng LuJy [. ..] . Bd. 1-8. Neudruck
Oxford: BasiBlackweU 1930 (= Shakespcare Head Edition), Bd. 8, S. 307.
242
Publication o f W S Boo k was nOt sufflcienr ro justify and make Truth of what you allow to be Fiedon and Fable; what you mean by Legilimatingy Invention, and P(/rable, I know no r; unless you would have us think, that the manner o f your (eHing a Lie will make it a Truth."3SI Die moralische IY/ahrheit wäre also in der L'lge, die Anforderung an die historische \Vahrheit zu ,suspendieren'. Ein ganz charakteristisches D okument dieser Auffassung ist Albreehr von Hallers Rezension der Clan'ISa im Gent/eil/ans Magaifl1e vo n 1749. O bwohl Clanua als flkrionaler Text erkannr wird, bezieht sich die Kritik in erster Linie auf das ,unmoralische Verhalten' von C larissa und anderen Helden des Romans als o b es um ,reale Perso nen' ginge: " Ir is, however, cenain, that a lady of her prudence and puriry of mind, should have broke off all correspondence with Lovelace".3S2 Richardson antwonet (anonym) auf diese Anmerkungen direkt in Fonn von Fußnoten, und rechtfertigt die ,Fehler' des Ro manperso nals. In diesem Dokumenr spielt auch die Forderung nach IY/ahrscheinlichkeit eine wichtige Rolle, und dieser Aspekt wird in den Diskussio nen von Romanen immer dominanter werden. Es spricht also einiges dafür, daß die neue, bürgerliche Leserschicht die fiktionale Lektüre erst erlernen muß und dabei Prozesse teilweise nachholt, die gelehrte und ständische Le sersc hichten bereits im Falle der Protofikrio nalität des galanren Romans vollzogen harten; Defoes Robinson Cmsoe ist ein zemraler Text für diese EmwiekJung.3S3 Auch wenn prinzipiell sei t Huet trennscharfen Analysen zum Unterschied zwischen Roll/tinte und Histo'J' zur Verftigung stehen, auch wenn e[\va in Zedlers gelehrrcm Lexikon zu lesen ist (1742): " Romanen, Ro manincn, Romans, Lat. Ftlblflae RolI/tlflef/ses oder HiJlontle j-o"ablllosae, inglcichcn ROll/tU/isa, Fr. ROlllaill, nennet man diejenigen Bücher, in welchen allerhand entweder gamz erdichtete oder doch mit erdichteten Umständen vorgebrachte Helden- und Liebes- Erzae hlungen en thalten sind ",lS4 dann GI LOON, C harles: ufo A nd Slrange Surpri~ng A dt~nluTtJ of MT. 0 ..... Oe F... , LAndon, HOJitr [. ..) . London: Roberts 191 9. Reprim in: RobinJon CnlJOt1 Examin'd anti Crilid~d. H rsg vo n Pau! Do rtin. London, Paris: Den! 1923, S. 113 [So 33[. Der T ext iSI abgedruckt in WIIoUAMS, loan (H rsg.): j\ ,1ol'tl and Roman« (1700-1800). A OOClimrnl(J1y Rtrord. Lo ndo n: Routledge & Kegan Pau! 1970, S. 130- 141 , hier S. 137. m
Schon 1957 ,,-'urde dieser Z usammen hang Ztu]] RobinJon CruJOt hergestellt durch den ,Klassiker' WATr, lan: The RiJt of Im NOt:~l 5111dies in Oifot, Rirhardsvn and Fidding. Londo n: Chatto & Windus 1974, s. vo r allem das K2pite1 "The reading public and the rise of thc noveI". Vgl. ferner RQG ERS. Pat: Robinson CruJot. Londo n et aL G eorgc AUen & Unwin 1979, $. 92- 105, hier S. 98 und S. 10 I sowie kritisch SPEARMAN, Diana: The Not'tl and SodtrJ. Londo n: Routlcdge & Pau! 1966.
'"
Z EDLER. J ohann Heinrich und Jo hann Pefer \'o n LUDEWIG: Grosm 1IOIIsliindign Unil'tf'S(lILL,-iron "lItr 1r/;JltnHhajitn und KiinSlt, Il'tkhe bißhero durrh mrnHhlidxn Vtrrland Mnd Witz e111ndtn und t'trbtssrrl u'()rdtn [... J. HaUe CI aL Z edler 1732-1754. Bd. 32 (1742), Sp. 700-703, hier Sp. 700. Sympto matisch ist zugleich die Fo rtsetzung, in der untcr Berufung auf 1\'lezeray referiert wird, " daß man den Ursprung solcher Schrifften [...} theils [...} den Griechen zueignen kö nne, als welche so wohl zu den Luegen, als zu dem Mucßiggangc sehr geneigt gewesen, und, nachdem die wahre Gelehrsamkeit und Tapferkeit unter ihnen aufgehocret, sich darauf gelegt, allerhand seltsame Abcntheuren, zu ihrer und ihrer Landleute Belusti-
243
bleibt es vor allem im Hinblick auf die neuen bürgerlichen Leser fraglich, ob d ieses Wissen in der ersten J ahrhunderthälfre bereits vo rhanden war. Ganz ähnliches gilt fur G ildo ns Replik auf Defoe und ihrer gelehrten Mischung aus bissigem Pamphlet, Kritik und parodierendem Dialog. Auch wenn der Text als Pamp hlet ein E rfolg war, wird sein E influß auf das Publikum beschränkt ge. wesen sein. Demgemäß wird die oben durchgeführte, idealtyp ische Fallsrudie zu Dampier, \'({afe r und D efoe die T endenz der zunehmenden Fik tio nalisierung und Literalisierung ursprünglich als hisrorisch verbürgter Geschichten widerspiegeln, zugleich gil t jedoch, d aß in dieser Zeir äußerst divergierende Formen d er Rezeptio n noch koexistieren, und daß di e einen bereits als Fiktio n lesen, was die anderen noch für wahr hahen. So erscheint n ur zwei J ahre nach der Veröffentlichung von Defo es vorgeblkh authentischer A New Vqy({ge around the lf"orldSwifts Genreparodie Gul/iuers Trawls (Swifr harte sich, ähnlich wie Po pe und Gay, bezeich nenderweise gar nicht zu Defoes Robinson Cmsoe geäu ßerr!5~ , und natürlich wird die Herausgeberfi ktio n auch hie r süffi sant ausgeko stet: ..The autho r of these T raveIs, Me LemueJ GuUiver. is m y ancienr and intimate feiend [..1 Before he quirted Reddiffe he left th e custody o f the fo llowing papers in my hands [...J".3S6 In einem 1735 hinzugefügten Vo rwOrt heißt es in Defoescher Manier: " some o f them are so bo ld as to think my boo k o f TravcJ s a mere nctio n OUt o f mine own brain; and have go ne so far as to drop hints, lhat the Ho uyhn h nms and Yaho os have no mo re existence than (he inhabitants of Uropia.,,357 Sicherlich m üßtc man dic Frage nach der jiklionalen Lek türe fü r jed e einzelne Tt:Xlb>a ttung und Rezep tio nsgemein schaft im D etail klären.358 Die obige Fallsrudie belegt, daß sich die jiktionalen Ltk lüre im Falle der Reiseliteratur all mählich aus einer Rezeptio nsweise heraus entwickel t, die ursprüng lich von der Authentizität und Historizität des G eschehens ausgeht. Dieser Befund korrespo nd iert mit den Ergebnissen Mc Keons in anderen zeitgenö ssischen Ro m angattungen.359 D a keine Quellen zur Rezeptio nsweise weniger gebildeter Leser vorliegen, bleib r zwar offen, in welchem genauen Zeitrahmen sich die Ko n vention je nac h Leserschicht jeweils durchsetzt, es ist jedoch anzunehmen, daß gung zu erfinden." Ebd. Vgl. I'ETZOLD, Dieter. Danitl Dtjöt, ,Robinson CmsQt ·. München: Fink 1982. S. 36f. .l}6
S\'('1 FT, Jo nathan: Culli/.'tr's Trtl/.'tIJ. Lando n: Pcnguin 1967, S. 43. Ebd., S. 40.
353
So kann Davis zeigen, daß auch in der Frühzeit der Augblanpresse die ,News', die übrigens noch in Fo nn \'o n Balladen \'cröffemlicht wurdcn, sich als authcntisch und histo risch ausgaben, zugleich jedoch zur Steigcrung dcs Verkaufs oft erfundene Begebenheitcn beinh alteten, was auch hier scho n zu einer ,Skepsis' hinsichtlich dcs Wahrheitsgehalts führte; DAVIS, Lennard J.: Fa(fulIl F;chOlls. TIx Origins of Im English NO/!fl Philadelphia: Univcrsir)' o f Pennsilvania Press 1996 [19831, S. 42ff. VgL McKEON, !\'lichacl: The Ong;ns Hop kins ur 1988, S. 90- 131.
244
of Im English Not'tl (1600· 1740).
Balcimo re: J o hns
der Penetrationsprozeß um 1740 beginnt und bis ans E nde des 18. Jahrhunderts andauert.l6O E rst jetzt wird sich die trennscharfe Unterscheidung von Hi storie und Ro m an allgemein durchgesetzt haben, und Rezipienten werden bei Texten wie Romanen die Frage nach deren Wahrheit SIIspendiertn, in dem Wissen , daß ihr Geschehen ,frei erfunden' isr.161 Unabhängig von der Frage nach dem Zeitpunkt dieses Übergangs liegt das eigentliche, weitaus faszinierendere Problem jedoch auf einer viel einfacheren Ebene. Wirklich erstaunJich und erkl ärungs bedürftig ist bei näherer Betrac hrung der allgemeine Befund , daß sich die fiktionale Lektüre überhaupt durchsetzt, und zwar gegen den allgemeinen Trend der Bevorzugung historisch-authentischer T exte {VI. 1-3] . D enn man mag streiten über den unterschiedlichen G rad der Tolemnzgegenüber der freien Erfmdung des Stoffes, aber unbestreitbar richtet sich das Begehren aller Rezipienten auf wabre T exte. In einer englischen Übersetzung Bayles heißt es (1697): " BookseUers and aumors do all m ey can to make it believed mat these secrer Histories have been taken fro m private manuscripts: mey vef)' weH know, mat love-intrigues, and such like advenrures, please more when mey are believed co be real, chan when ehey are ehought co be mere fa bles."362 Wieso verstricken sich die Beteiligten des Literarurbetriebs in aufwcndige Apologien, leiten komplexe Theoreme über If/"brsrbeinlicbkeit aus Aristoteles ab, erfi ndcn umständliche Geschi chten, auf welchen verschJungenen Wegen Ein vergleichender Blick auf Rezensionen in Deutschland zeigt eine ähnliche T endenz. Noch in den dreißigcr J ahren des 18. J ahrhundcns stellen sie noch d ie Wahrheit der Gcschichte heraus; dics wird in den nächstcn Jahrl.chnten zunehmend in die Forden mg nach Wahrscheinlichkeit wngebildet, wobei die Frage nach der Historizität bezeichnenderweise ausgespart wird. Nach dcr J ahrhundenmine wird zunchmend die moralische Nül2lichkeit und der Aspekt der Rührung arrikulien. Dcmnach ist hier davon auszugehen, daß die Fikrionalität durchschaut wird, andererseits handelt es sich natürlich auch hier wn professio neUe Leser, und es ist fraglich , inwieweit man \'on solchcn Aussagen auf Rczeprio nsweisen aus dem Publikum schließen darf. VgL SPIEGEL. Marianne: Dtr Roman und uin Pllblihm i", friibm 18. Jahrhundm. Bonn: BoU\.Jer 1967. ~,
Diese Positio n vertrcten ebenfalls K1.EIN SCHMIDT, E cich: "Die Wirklichkeit der IJteralUr. Fiktionsbcwußtscin und das Problem der ästhetischen Realität von Dichnmg in der Frühen Neuzeit." In: DUilJfht Virrtt!jahmchriji fir Lileralu~iJJtnJ(htift lind Ctülugu chirhle 56 (1982), S. 174- 197, sowie BERTI-IOLD, Christian: FiJelion und Vitldeutigk.til. Zur EnlJlthllng moderner Kullurtuhnilun ms UstnS;1II 18. jabrhllndm. Tübingen: Niemeyer 1993 (= Communicatio, 3), S. 198. Die Diffcrenzen Z\.\ischen dieser Position und dem weitgehenden Konsens vor allem dc r mediä\.Jsrischen Forschung, wo die Entslehung der Fiktionalität weitaus früher lokalisien wird, basieren meines Er;J.chtens weniger auf einer unterschiedlicher Deurung der Q uellen als \.Jclmehr auf einer unterschiedlichen De finition von Fiktionalität; leider legen weder Kleinschmidt noch Benhold eine klare Definitio n ihrer (engeren und rezeptionsorienrienen) Vcrwend ung des Begriffs vor. Eine ko mpaktc Darstcllung der verschiedenen Positionen in der Forschung bietet HAUG, Walter: " Geschichte, Fiktion und Wahrheit. Zu den literarischen Spic1fonnen zwischcn Faktizität und Phantasie." In: Hislo,;uhts undjiJetionaJu Erziihkn ;111 Mill(/aller. H tsg. von Fcin: Peter Knapp und Manuela Niesner. Bcdin: Duncker & Humblot 2002, S. 11 5-132. BAYI.E, PiCHe: A genmll tfjrtionary hülonral and niticaL In u'hilh a ntlV and a«llfUlt Iranslotion of
Iht a lehraltd Mr. Btrylt is incll/md. Bd. 1- 10.2. Aufl. Londo n 1734- 1741. Bd. 4, S. 365f. [" Nidhard'l
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o minöse Herausgeber in den Besitz ,echter' und verbürgter Manuskripte gelangt sind , belüge n dabei ihre Leser, und verbrämen ihre Produkte mit dem Verweis auf allegorische und mo ralische \X/ahrheiten - das aUes, um ein ,frei erfundenes' Produkt auf einen Markt zu werfen, der klar und eindeutig nach ,wahren Geschichten' verlangt? Noch 1794 (!) ko nstatiert Hoche: " E s ist mir unbegrei flich, wie sich Menschen so lange in der erdichteten Welt herumrummein"; warum bleibt man also nicht einfach bei der Wahrheit? Hoche fahn an späterer Stelle fort: "N utzen dürfen die Leser nicht von dieser Lektüre erwarten; es bleibt ihnen immer der Zweifel übrig - was ist wahr an dieser Geschichte und was ist Erdichrung. Ich dächte l...J daß diese Art der Lektüre wol überflüssig wäre. Es giebt ja wahre Geschichten und gute Reisebeschreibungen genug."J63 Hinzu ko mmt, daß, wie im Falle von D efoe, viele zeitgenössischen Leser noch gar nicht über die Kenntnisse verfügen, einen T ext fikti o nal zu lesen. Und zuletzt gilt scho n damals, was auch heute noch wahr ist, daß nämlich für keinen Leser der Aspekt der Fiktionalität jemals einen Wert dargestellt hat. " Once we have o pened the pages of a novel we do not wish to be reminded chat the events recorded are no r true hisrory."J64 Eine empirische Srudie zur heutigen fikti o nalen Lektüre stellt unmißverständlich fest: " altho ug h ficrion is the usual vehicle for ludic reading, it is not irs lack of [ruch - irs ,ficti viry' - that rend ers it plcasurable."J6S Vor diesem Hintergrund ste U, sich also umso dringender die Frage nach der F"nk tion der enrstehenden Erfindungen beziehungsweise Fiktionali tät. Die o bige Fallsrudie zeigt eine enge Verknüpfung der fiktio nal en Le ktüre mit der Rezeptio nswcisc der Ntilgierde. Das legt die E rkJärung nah e, daß die Fiktio nalirät ein Mittel ist, das gestattet, die durch den Buchdruck ermöglichte Proliferatio n der Bücher noch einmal zu potenzieren. Der Buchdruck scha ffr die lee/mologische M iiglichkeil einer VielzahJ von (fext-)\Velten. Dieser Reiz einer ,Pluralität' der \X/elren, verstärkt durch die tatsächlichen Emdeckungen bislang unbekannter Gebiete der Erde, wird 1638 noch geradezu naiv artikuliert: " I have now in some measure shewed that a pluraliry of worlds does nOt contradict any priciple of [eason o r place of Scriprure",366 heißt es in Wilkins' Apologie eincr Parallelwelr auf dem Mo nd . Die Etjindllng ,wahrer' Geschich(cn und die sich daraus allmählich und HOCHE, Jo hann Gon fricd: V trtrollft Bn·rft iibtr die jttrfge Ilbtnfmlltr!i(he uStJII(hf lind iibtr tiM Einflllß dmdbrn auf dit Vrrmindmmg des hiluslirlxn und öJftntliriun Glii(h. Hannover: Ritscher 1794, erst S. 30, dann S. 38.
.,
..
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NELSON. William: Fa(1 or Fi(lion. TJu Dilrn"'la of Iht fVnaüstmtt Slorylrllrr. Cambridgc/ l\h ss.: Harvard UP 1973, S. 66.
NE.I..L, Victor: Losl in a &ok. T ht PSJ(bology Yale UP 1988, S. 50 .
of fVadingfor PlttUNrr.
Ne\\' !-laven, Lendo n:
IWU.KlNS, JohnJ: The Discovery of a Wodd in the Moone. O r, /\ Discourse T ending tO Pro"e that 'cis probably thefe may bc another habitable World in that Planet. Lo ndon, Printed by E. G. fo r fo,fichacl Sparke and Edward FOITest, 1638, S. 43.
zeirversetzt entwickelnde fiktionale Lektüre entfalten also die dem Buchdruck inhärente Möglichkeit der Erzeugung einer Vielfalt möglicher Welten erst wirklich. \'(fenn es eine Nachfrage nach Neuigkeiten, E ntdeckungen, Interessantem, nach Slories gibt, dann ist nichts naheliegender, al s frei zu erfinden, wonach der Markt verlang267 und die N eugierde dann entsprechend mit etjimdetun Neuigkeiten zu beliefern. Diese These läßt sich durch zeitgenössische Reflexionen zur Entstehung der Fiktio nalität untermauern, die belegen, daß man den sich vollziehenden Paradigmenwec hsel bereits sehr früh erkannte. Dabei findet sich bezeichnenderweise dieselbe Argumentatio n einmal im Umkreis des galanten Ro mans, im 17. Jahrhundert, und dann im bürgerlichen Kontext im 18. Jahrhundert. Pierre Daniel Huet findet bereits 1670 eine punktgenaue Begründung für die eigentlich un verständliche Lust an Fiktionen und Fabeln: C we inc lination aux fa bles [... [: e lle leur Qes homm es l e st naturelle , & a so n a m o rce dans la dispo sitio n m esm e d e leur esprit, & de lcur ame; car le desir d 'appre ndre, & d e savoir est p articulie r l'ho mme [... 1. Cela vient, selon m on sens, d e ce que les facultc s de no stre ame e stanr d 'une trop grande es tenduc, & d 'une capacitc! trop vaste pour estre remplies par les ohjets presens, L'ame cherche d ans le passe & dans l'avenir, dans la veriti: & dans le m en so ngc, dans les espaces imaginaires, & dans l'imp o ssihle mesme, d e quo)' les o ccupe r & les e xercer .31.8
a
Huet entwickelt seine Apologie der Fiktion also im Rückgriff auf Aristotele s und dessen (ursprünglich: lIIilll%gisrbe.' These, daß ,Nachahmungen Vergnügen bereiten', was in seinem Kontext allenfalls halb richtig ist, denn AristoteJes ging es ja um N achahlllungen, nicht dagegen um tlölligJrt!i etjimdene Gesrhichlen [11. 3) . Sympromatisch ist bei Huet jedoch noch eine weitere Verschiebung gegenüber dem O riginal, denn das Vergnügen wird ja jetzt durch die ,Wißbegierde' hervorgerufen, in der zeitgenössischen deutschen Übersetzung (1682) heißt es: " die Begierde zu wissen" (149). Diese Wißbegierde ist nach Huet so
,.,
Es fmden sich erstaunliche Parallelen zu diesem Befund . Zunächst einmal läßt sich scho n im 16. und 17. Jahrhunden eine ganz äh nliche Tendenz in der frühen rlugblanpresse nachweisen (" gI. D AV1S, Lclmard J.: Fot/ual Fit/ions. Tht Origins of lhe English l\ 10 l .'tl Philadelphia: Uni"ersit}, o f Pennsil"ania Press 1996 119831, S. 42ff.), denn auch don verkauften sich (wie heute) Sensationen besser als ,wahre Begebenheiten'. Erst im Verlauf der Zeit wird sich die Fo rderung nach Wahrheit in der Presse durchsetzen, nicht zuler~t durch Strafandrohung. Üb rigens wane! auch in anderen Bereichen die N eugierde nicht auf das Neue, sondern stellt es her, wn es dann im Kuriositti1tnkabinert auszustellen. Ein Beispiel ist das Bed ürfnis, " in den Tiergänen If/undmhim als Unica und Rarissima vorweisen zu können, sofern nur jene Arbcitsamkcit und Geschicklichkeit am Werke sind, Paarungsokkasio nen zu schaffen und auch vor J!,t"{!J'ungtntn Ztugungtn nicht zurückzuschrecken." BLUME.!'lBERG, Hans: Drr Pro~ß drr Ihtort/isrhtn Ntugimit. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1980,
S. 22 5. HUET, PieITe Danicl: TrQiti dt I'ori§ nt du rofl/(lnS. Faksimiledruck nach der Erstausgabe von 1670 und der Happeisehen Übersetzung "on 1682. Hrsg. \'on Hans Hinterhäuser. Snmsan: Met".ller 1966, S. 81f., im folgenden im A.ießtext zirien.
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außerordentlich , daß sie sich nichr mehr der zuhandenen Wahrheit zufried e n ~ gibt (das, was ,sich zeigt') - und deshalb greift sie in die Sph äre der Fiktionen und der Fabeln aus. Erstaunlich ist, wie hier die lf/ißbegierde also zur legitimierenden G röße für die FiklioNalilät wird, und Huet scheut sich nicht, sie beim Namen, nämlich Liige (IJ/ensonge) zu nennen - geradezu eine Verkehrung der augustinischen Thesen (dort soUte sich die Wißbegierde ja an der Wahrheit des einen Buchs, der Bibel, befriedigen [III. 2)). Faszinierend ist auch clie Beschreibung der Medienrezeption mit diätetischen Metaphern [IV. 2) . Der Ausgriff der Wißbegierde wird zunächst als ,Kompensation' dargestellt: Wo keine Wahrheit/ Brot (venli/paill) vorhanden ist, da grei ft man ebenzu Kräutern und Wurzeln (herbes/ meines) und ,nährt sich von der Lüge: " nous le nourissons du mensonge" (80f.). Aber diese Bildli ch ~ keit eskaliert in einem Me n s ch / Tier~ Verg l ei c h : Die Objekte, die sich den ,Be~ stien' (bestes) zeigen (qJli se prisen/ent [!J aleurs sens), ,follen ihren Geist aur (relJl~ plit) , so daß das ,Fressen' ihre Begierde stillt. D as ist beim Menschen anders: " on ne voit point en dies ceITe avidite inqui re '1ui agite incessamenr I'esprit de l'homme". Der \'\fissens-Durst des Menschen ist al so unstillbar und bewirkt seine ständige "rec herche de nouvelles conoissances, pour propo noinner, s'il le peut, I'objet a la puissance, & y trouver un plaisir semblable a celuy qu'on uouve a appaiser une frum violeme, ou a se desalterer aprcs une faim violente." (83). [v1it anderen \'\forten: Die Neugierde des Menschen iiberlnJJi noch den Hunger des wilden Ti eres, es ist ein ,gewah.samer' Hunger und Durst, der den Menschen plagt. Dieser Wissens"durst« ist insofern unnatürlich , als er per se nichl gestill t werd en kann, die dargestell te Begierd e des Menschen ist unendlich - und dieser gewaltige Drang nach Wissen und nach Neuem iSl, so Huer, der Grund, warum es überh aupt ein Interesse an fiktiona lem Lügenwissen gibt. Es ist ge ~ radezu erstaunlich, daß dieser frühe Text in dieser Formulierung eine Rerhlftrligllflg der Fiktionalität und des Roman s ve rficht. In der Tat ist sie eine genaue Umkehrung der augustinische n Lektüre der Tiefe, und zwar bis in die Bildlichkeü hinein: D ort wo der augustinische Leser wie eine Kuh den selben Text wiederkäur (ntlllinario), ist jetzt von dem unstillbaren Hunger eines wilden Tie ~ res clie Rede, das fiktionale Texte verschlingt. Huers Apologese findet zu einem Zeitpunkt stan, an dem die Fiktionalirät des galanten Romans bereits verdächtig wurde (nach 1660) und zunehmend der Legitimation bedurfte. Dieselbe Si tuation wiederholt sich Mine des 18. Jahrhunderts am Paracligma des ,bürgerlichen Romans' und der zun e h ~ menden Einsicht in dessen Fiktionalität (nach 1740), und tatsächlich rauchen hier E rklärungen auf, die derjenigen Huets weitgehend gleichen. Zwei B ei ~ spiele seien ausführlich zitiert, das eine eher kritisch, das andere eher neuual Warburton, der Bischof von G louces ter, zeichnet in seiner Einleitung zum 3. Band der Clonssa H"r!oIJ.'t (1748), die Richardson in späteren Auflagen e limi ~ nieren wird, die Evolution der Fiktionalität nach, wie sie sich ihm darstellt: 248
as (he course o f human anions is too slow tO gratify our inquisiu"e curiosiry, obscrvant men "cr)' easil)' contrived to sausf)' its rapicliry, b y the invcntion of HisIOlY. \'\fhich, b y recording the prineipal circumstances of past facts, and laying them close rogethcr I... ] kCPf the mind from languishing, and gavc constall( exereise ro its reflections. Bur as ir commonl)' happens, thar in all indulgem refinemem s on our satisfac tio n, the Procurers ro o ur pleasure run into excess; so ir happened here. Strici marrers of fact, how delicarely soever dressed up , soon grew too simple and insipid co a taste stimulated by the Lmcury of An: The)' wanted something o f more poignanc)' (0 q uicken and enforce a jaded appetite. Hence the o riginal of the [lIst barbarous Rt;manm, abounding wirh this false provocati"e of uncommon, extraordinary, and miraculous Advenrures. 369
D er Schriftsteller und Kritiker John Hawkesworth läßt in der vierten Ausgabe seines J ournals Tbe AdventIrrer in einem Essay "Of the different kinds of narrative, and why they are univcrsally read" die Entstehung der erzählenden Genera Revue passieren: His/ory is a relation o f the most natural aod imporram e"cms: histor)', therefore, gratifies curiosit)" but it does no t oft.en exeife either terror aod piery [... 1. VtryagtJ and Tmt'tIJ have nearly thc same exceUcneics and the same dcfects: no passion is stro ngl)' cxcited except wonder [.. .J. Biogmpby would always engage the passions, if ir could s uffieientl)' gratify curiosit)' [... ]. Bul Nalllft is now exhausted ; all her wo nders have been accumulatcd , ever)' reecss has bccn cxp lorcd, desen s ha"e been tra"crsed, Alps climbed and the secrcts of the deep disclosed; time has beeo eompcUcd 10 res[Qre thc empires aod the heroes of antiquiry; aU have passcd in review; )'C I fa ne)' rcquires new gratifications, and curiosit)' is still unsarisfi ed. [... ] Tht Epir POt'" at onee grati fies euriosiry and m oves the passio ns I... ]. The DId Rt;",ance may be eonsidered as a kind of Epie [.. .j. In bo th these speeies of wriring muh is appareotly " iolated: but though (he evem s are not always p rodueed by probable means, )'el the pleasure arising frolll the sto ry is not mueh lessened ; for fa nc)' is still eaptivated with "arier)', and passion has scarce leisure to rcflect, thar she is agitated with the fate of imaginary bcings, and int.ercstcd in e"cm s that nc\"cr happened. J1O
Beide Texte bestätigen noch einmal, daß das Rezeprionsorgan der Nmgierde die treibende Krafr bei der Vervielfilrigung der Texte und der Durchsetzung der txttnSitlCf1 Lektüre is t, bei Warburton findet sich ebenfalls die diäteti sche BildLichkeit ((lppetite) . Vor allem Hawkesworth verfügt ferner über eine trenn scharfe Differenzierung zwischen RIJmonce und HistolJ', zwischen fiktionalen und Der Text ist nicht abgedruckt in der Shakesptan H rad EdiliOll, findet sich jedoch in WILLI AMS, loan (Hrsg.): No//rl anJ Romanet ('7(XJ.I 8(0). A DOrNmm/a'Y RLrord. London: Routledge & Kegan P:aul 1970, S. 122f. HAWKESWORTII,John: "Of the different kinds of narrative, and why they are universaUy read." ln: TbeAd,'tnfurrr 4 (18. No\'. 1752), S. 19-24. hier S. 20-22.
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nicht-fiktionalen T exten, die unserer heutigen Klassifizierung weitgeh end entspricht. Beide Auwren fundieren den Ursprung der Rolllance eindeutig in der ruchr-fikti onalen H istory_ Sie lassen (wie zuvor auch Huee) keinen Zweifel aufkommen, daß prinzipiell JIIahn T exte eigentlich zu bevorzugen wären und die Verletzung der \Xfahrheit durch fiktionale Texte zumindest der Legitimation bedarf; Hawkesworth : .. Ir may be thoughr strange m at the mind sho uld wirh pleasure acquiesce in me open violation o f the most known and obvio us rrums.,,171 Und beide T exte lo kalisieren die eigentliche Leistung der Fiktio nalirät in der Proliferation des Neuen und Interessanten über das Maß des Hisw tischen hinaus und bestätigen damit die These: Die Fiktiontllitäl de/illlitiert die BeschränkJmgm der Texterzeugung und pOlenziert die V emie!folliglingsIlIiiglichkeilen des Buchdmcks. Das läßt sic h auch durch die faktische Vennchrung der RollIfIne als Publikationsfonn fiktionalen IlVissens untennauem. Beaujeans Auszählung eines umfassenden bibliographischen Verzeichnisses aller in Deutschland veröffentlichten Bücher zeigt hinsichtlich des Ro man s fo lgendes Bild:172 1750-1760: 73 176 1- 1770: 189 177 1- 1780: 413 178 1-1790: 907 179 1- 1800: 1623 180 1- 1810: 1700 Da s kann durch eine erstaunliche Koinzidenz untermauert werden. Den n parallel zu der Proliferation der Bücher durch die Entstehung der fiktio nalen Lektüre verläuft die Vennehrung der Zugriffsmöglichkeiten durch die allmählich sich durchsetzenden Leihbibliotheken. .. Die Leihbibliomek entwickelte sic h in
'"
Ebd .. S. 23. BE.AUJEAN, r.larion: Drr T ri/.ialrom(ln im 18. JahrlJlmdrrt. Sonn : Bouvier 1964 (:::: Abha nd lungen zur Kunst-, Musik- und Uternrurwissenschaft), 5. 178f. , basierend auf KAYSER, Christian Gonlob: Intkx LorNpltlllissin1l1! 1...ibrof1lHl [. ..J 1!()lhliindigts Biirmr-u .;,-ilcon rnlhallrnd (lllt ~'M ' 750 biJ i!'HI e ntk du Jahm 1832 in DrulHhlandgrdfJJr/etrn Biirlx r. T eil 6: i\ nhang Romane. Leipzig 1836; vgl. ferner J ENTlSCH, Rudo lf; Drr dtulsrh-laltim;rm Biirmrmar/et narh dm Ltip~jgtr OSItr1mssrlenl(llogrn I!M 1740, 1770 und 1800 in stinrrGlidtfJJng und If/undlung. Leipzig: Voigtländer 1912; KOPPlTZ, Hans-J oachim: ..Z ur Bibüographic der deutschen Buch produktion des 18. Jahrhunderts." In: Zrilsrhriji fir Bibliolhrm'tsrn und Biblio!!,uphit 9 ( 1962), S. 18-30. Es läß t sich zwar nac h 1770 ebenfalls ein srarkes Anwachsen der Publikationen \'on Schaus pielen bemerken, d as da nn jedoch auf dem erreichten Niveau verbleibt. Vgl. ScllULTE-5ASSF..., Jochen: Dir K.!ih"k, an drr Tniiallilrralur stil drr Aujleliinmg. Sludirn i!'r Cmhirhlt du modtl7ltn Kitsehhtgrilft. Fink: München 197 1,5. 46; dasselbe gilt natürlich für die Z unahme dcr Schriftsteller; "gI. HAFERKORN, Hans-Jürgen: Zur Enls/rhung dtr biirgtrliehIilmm;ehtn In/rlligtnz lind du Sehrijislrllm in Drll/srhland '{!Jisrhrn 1750 und' 800. In: Dtu/sehn BiirgtrtuHl und hftr(ln;rht lnltlligtnz. Hrsg. von Bernd Lutz. 5nmgan: l>.Ietzler 1974 (= Uternrurwissenschaft und Sozialwissenschaften, 3), S. 113-275. Vgl. fern er: KAp l', Fricdrich; Curh;ehlt du dtu/srhm Burhhandrls. Bd. 1-4. Leipzig: Börsenve rein 1886ff., vor allem Bd. 3.
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Europa gegen Ende des 17_ Jahrhunderts aus dem alten Brauch einiger Buchhändler, Bücher zur Lektüre zu leihen_ ,,)73 D efocs Robinson CmsOt wurde 17 t 9 veröffentlicht; nur wenige Jahre später wird in E ngland die erste Abonnemenbibliothek gegründet: .,The flrsl real circulating library in Britain seem s {Q have been that of AUan Ramsay, rue poet and ex-wigmaker of Edinburgh, who began {Q rem books from hi s shop in 1725."374 Diese G leichzeitigkeit der Entstehung der Leihbüchereien parallel zur Durchsetzung der fiktio nalen Lektüre unterstreicht die hohe Bedeutung des Leserwunschs nach neuen und abwechslungs reichen T exten. Die Fiktionalitäf im modernen Sinne, verstanden al s ,freie Erfmdung des Sroffes', haf also in ihrem Ursprung wenig mit Autono mie zu ruo, sie ist vielmehr das texrueUe und rezeptive Ko rrelat der Vervielfiltigungsmöglichkeiten des Buchdrucks. D ie Fiktionalität wird keines'.vegs als besondere Qualität kunsrauronomer Texte herausgestellt, ganz im Gegenteil wird sie zunächst durchweg verleugnet; sie ist gewissermaßen das Bankert der Druckerpresse. Dieser Befund erkJärt, warum die Fiktio nalität selbst nie ein Programm emphatisc her Rc:zeptionsweisen wurde. Ein Leser späterer Zeiten, der versiert ist im Umgang mit fik tionalen Texten, wird allenfalls E upho rie zeige n im Hin blick darauf, daß er sich in einer ,täuschend echten' t.irtmllen \'\Ielt befindet (Ahnlithktil), und daß diese Welt riilstlhaji oder tnlltgtn ist, mindestens jedoch i"ltrtJs(mle Züge hat (GthtimniI), wohingegen er sich jedoch kaum je daran berauschen wird, daß der T ext frei tifimdtn ist und daß es diese andere Weh ,gar nicht gibt'. Bcrthold bemcrkr zur Unterscheidung zwischen Wirklichkeil und Fiktion: .. es kommt der Mehr,whl der Leser auch ni chr darauf an".375
5. Über Spannung und Lesesucht (LA
RaCH E / H aFFMAN )
Im letzten Abschnitt ko nnte gezeigt werden, '.vie durch die technologische Möglichkeit der T ex tprolife ratio n das Rezeptioosorgan der NtJlgierde entsteht. Die Fiklionaliliil ist die Verlängerung dieser Konstellatio n: Sie bietet die Möglichkeit, die Neugierde tld i'ifinilil/ll imme r wieder neu zu befriedigen. Wenn nichts Interessantes passiert (und das ist meistens der Fall), dann kann man Interessantes jct".lt frei erfinden. m
MARll NO, Albeno: " D ie deutsche Leihbibliothek und ihr Publikwn." In: Ultralxr in tür
w(!okn &II-'fgllng. AuJiäfr.r.! lind Forlfhllnl.lbtrifhlt t!t1l1 19. jahmllndtrl. Hrsg. von Albeno r-.hrtino. Tübingcn: Nieme}'cr 1977, S. 1-26, hier S. 2.
'"
AI.TICK, Richard D.: TIx EngliJh Common PoLadtr. A Social l-liJlory of Im Mall PoLading Pllblir (1800·'900). Chicago, London: Thc Univcrsir)' of Chicago Press 1957, $. 59f.
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ß ERTII OID, Christian: Filetion lind VitldtlingJuil. Zlir Enls/thllng modmur JVtlhirluhni/un du
U ltnl im 18. jahmllndtrl. Tübingen: Nicmeyer 1993 (= Communicatio, 3), S. 198.
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Die These dieses Kapitels ist nun, daß die beschriebenen Umwälzungen im Umfeld der txlensilltn LtkJÜrt im Verlauf des 18. und 19. J ahrhunderts dadurch eine Fortsetzung finden, daß sich die Lekrurekonvention der Spann/mg durchsetzt. Sicherlich hat es Spannung al s Rezeptionswcise immer schon gegeben, und zwar vor aUem im Drama. Dagegen ist bereits beim ersten Augenschein erstaunlich, daß es in der Theoriebildung um das Drama vorwiegend um Affekte rzeugung ging, der Aspekt der Spann/mg dahingegen unterbelichtet blieb. Dagegen gilt unbestreitbar, daß die Durchsctzung der extensiven Lektüre fiktio naler Texte im 18. und 19. Jahrhundert eine Rezeptio nsweise hervorbringt, bei der es den Ro manlesern ganz vorwiegend, mituntet sogar ausschließlich um das \'\firkungsziel der Spann/mg geht. Um so erstaunlicher ist, daß das Thema Spannllng von der Literarurwissenschaft durchaus vernachlässigt worden ist ..l16 Tatsächlic h ist der Z usammenhang von Spann/mg und txlensiver LtkJiirt m eines Wissens bislang noch nie eingehend anaJysien worden, o bwo hl er sich geradezu aufdrängt. Die oben dargelegte Vermehrung der Texte und die Rezeptionswei se der Neugierde favorisieren T ex te mit endlicht!l GeheimnisstIl. D as unendliche Geheimni s des einen T ex tes wird durch die endlichen Geheimnisse der (porentieIl: unendlich) vielen T ex te crsetzt. Man will erfah ren, wie es an entlegenen Onen der \'\feh aussieht, ob und wie Ro binson Crusoe seine Heimat wieder erreicht hat, und wenn man es dann weiß, erlischt auch das Interesse an dem Buch. Die Neugie rde, die diese l....ektüren amreibt, kennt dabei keine ,Ehrfurch t' (wie im Falle des Geheimnisses), sie ist erst befriedi&Tt, wenn der Schleier gelü fte t ist. Folgl.ich sind so lch e l....ektüren sind im merji!laloricntien , ihr Z iel ist die Lö sung des Rätsels oder der Verwicklu ngen am E nde des T ext.s: ,,'ne span nende Handlung, da s find ich eige ntlich immer so ga nz- also zum Beispiel jet? grad bei dem Mein Her/. so weiß dass einfach diese frage am Anfang warum hat die sich jetzt umgebracht ne? Also dann diese Auflösung fa nd ich schon genial also so was find ich dan n ein fach roll" ..ln Während im FaUe der uktiirt dtr Titft der Text seine Aktualität auch nac h Beendigung des T extes behält und seine Geheimnisse unausschö pflich bleiben, wird die Ltkliirt der Spmmllng darauf ,reduziert', die Neugierde zu befriedigen, und mit der Entdtc/eJmg der endlichen Geheimnisse und der AJtjlösling seiner Rätsel verliert det T ext seinen W'eft. ",Oon 't tell me how it end s!' we plead with fri end s who recommend a movie o r lend us a thriller.".l18 In dieser Logik
".
Das wurde neuerlich monien in A,~Z. Tho mas: ültrolNr M"d usl. Glüc!e N"d V "/NII lNim U S(fI. München: Bet:k 1998; \'gl. das Kapitel "Spannungskunsl und G lückslechniken" (S. ISO-171); vgl. auch den.: ,.Spannung durch Trennung. Ubcr die literarische Stimulatio n "on UnlUSt und LuSL" In: T "n",mgrn. Hng. \'o n Jo hannes Crcmenus CI 21. Wfuzburg; Kö nigshausen & Newnann 1994, S. 17-34. Lcktiircproto ko ll, zilien in PETm. Corinna: Pqchologit du Romonlt.JtnJ. Ltltslroft§rn slIlyr!eI1t'tn Antigmmg tintl /iltrorilrhtn TtxltJ. Wcinhcim, München: Juvenla 2001. S. 89. NFl I , Victor: Losl in Q &oie. TIN Psyrbo/og! Yale UP 1988,S. SM.
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New Ha"en, London:
gibt es nur ,Einweg'-Texte. die man nach dem Konsum ,wegwerfen' kann. \X1iederholungslektüren machen hier wenig Sinn, denn der Tex t hat nac h Preisgabe der finalen AII/klön"'g seinen Zweck erfüllt. Sowohl die LekJüre der Spannung als auch die LekJiire der Tieft folgen der Probrrammatik des GeheinmisseJ, denn beide streben nach Offenbarung. Die emscheid ende Differenz liegt darin, daß in der extensive n Leseweise die Lösung nicht mehr in der Vertikalen, sondern in der Horizomalen lokalisiert wird. \'(feil die Auflösung Haupttriebfeder dieser Lektüre ist, richtet sich ihre Begierde in die Horizomale, ans Ende des Tex tes, und motiviert so die Beschleunigung der Rezeption. Daher zeichnen sich solche Lektüren durch Ungedll/d aus. Die Eile kann so weit gehen, daß man Seiten überschlägt oder vor Abschluß der Lektüre auf die letzten Seiten vorgreift. Es kann übrigens rur heutige Leser empirisch belegt werden, daß Lektüren im Z ustand der Spannung signiflkam schneller verlaufen als andere. Die hö here Lesegeschwindigkeil behauptet sich tendenziell sogar gege n Lektüren von Lesern höherer Bildungssc hichten, die generell schneller lesen. J79 Schon zu Beginn des 18. J ahrhunderts lassen sich Indizien rur die wachsende Bedeurung final orientierter Lektüren find en, begleitet von einem schwindenden Imeresse an der epischen Breite der hö fi schen Romane: " the)' [the Eng1ishl have no sooner begun a Book bur the)' desire ro see (he end of it: VgL NEU ... Victor: u ut in a Boo.t. Tht P!J(/}()hgy ojRraJingJor P/tQ!lirr. New Ha\'t: n, London: Yale UP 1988, S. IO6ff. ; PE'ITE, Corinna: P!J(holob'e du Roman/m n!. Lm!tra/rgim '{!Ir !Nbjele.6l'rn AlltignNII/. rillt.s /ilrran:uIJen Te.:>:lu. Wdnheim, München: Juvem:l 2001, S. 120. Unabhängig da\'on sind mir keine Studien bekanm, die den Aspekt der !(hnf/ftn Lc sewdse mit dem der SpunnNng \'erkoppeln. Das gilt selbst in Kapiteln wie "Zell und Suspen se" in J UNKERJORGE.'1, IUlf: SpunnNII/.. N llrratit..,. V trJohrrll!ll'fism du Lu erule.6,imlll/.. Eine Sllidit am &ispitl drr Rri.srromantl'On JIlIu VtrIIt. Frankfurt/ r-.t E t a1: Lang 2002, S. 217-225. oder in PQrt.:, Peter: Dir bit im Drama. 211r Tuhlll"le dromatiJ(htr Spunlllillg. G ä ttingen: Vandenhocck & Ru prech t 1970, Ein Fo rsc h ungsStra ng zur Entsteh ung d er Ifhntlltn Lektüre im 18. J ahrhunden behandelt jedoch Leseanweisungen und Lescpro pi deutiken und kann als ParaUclbt:fund die obigen Ergebnisse untermauern; \'gl. KOPP, Detle\' und Nikolaus WEGMANN: ",Wenigt: wis5Cn noch, wie Leser !ieset.' Anmerkungen zum Thema: Lesen und Geschwindigkeit." In: GmllOlliHile lind DtNIHhlln/tmihl im Ztitoltrr drr Tuhnolo§t. Ahm (iu GmllllnÜltnlages 1987. Bd. 1-4 . Hrsg, \'o n Norbt:n OcUcrs, Tübingen: Nieme)'er 1988. Bd. I, S. 92-104; dies.: " Das Lest:tempo als BildungsfaklOr? Ein Kapitel aus der Geschichte des Topos ,Le sen bildet'. In: Dtr Dllil!(IJllllttm'(h/ 40, H. 4, (1988), S. 45-58; dann BICKENBACl-I, Manhi2s: Von dtn Mög/i(hluittll ein" ,inllrTrll' Gu(hi(hlt du Lr.stlls. T übingen: Niemert:r 1999, und zwar du Kapitel "Geschwindigkeit als Lektüretcrhnik" (S. 134-173). Die Ausfiihrungen 12ssen sich durch2us mit den hit:r allll.lysient:n Aspekten vernetzen. Bicken bach resUmien etwa: " Die Kbge über zu schnelles Lesen t:t2blien en sich vennehn n2ch der Zeit des Buchdrucks." (Ebd., S. 139). Ebt:nso intt:rt:ssant ist der Befund, daß die kursorische Lektürc 21s nt:ue Aneignungswcist: gtlthrltll Wisst:ns (t:rwa bei Hcrder) aus der Imerakrio n mit der Hhnti/tn Rczeprio nswdse in Ronunen 2bgc.leitet wird, Obwohl sich der Großteil vor allcm de r i heren Forschungsliterarur zur ,spannung' mit dramatischen T exten befaßt ("gi. als typisches Beispiel PFISTER, Manfred: Da! Drama. Theorie lind Ana!]!e. München 1977, hier S, 141- 148), scheint das spätt: Aufkommen des Spannungsbcgriffs seine Verkoppelung mit der (Rom2n-)L.thiin 2nzudeulI': n. Wt:il weder im Theater noch in vorgeltllgencn Ganungen eine Beschleunigung der Rezeprio nsweise möglich ist, wt:rden in ihrem Umfeld allenfalls Wirkungsk2tt:gorien der psychischen E rregung fotmu!it:n (r}'pischerwcist: AristoteJes' Angst und Schauder), jedoch keine der Spullllling,
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The Prodigious Length of the Anciem RolIJanreJ [... 1 has made Romances so much cry'd down, as we find 'em at present."laQ Berich te über eine Beschleunigung der Lektüre werden in den Quellen seit der l\1irte des 18. Jahrhunderts zunehmend artikuliert. Eine humoristi sche Reflexion zu dieser neuen Form des Lese ns fmd et sich im 1759 publizierten ersten Buch des T ns/ralll Jbmu!J. D er Erzähler wendet sich hier direkt an seine ,weibliche' Leserin , und unrersrell r ihr, ein Texrdetail überlesen zu haben, wes"vegen er sie ,bestra ft' und sie anweist, das letzte Kapitel noch einmal sorgf.iJ tig zu studieren: - How could )'OU, iadam, be so inanentive in reading the last chaprer? I rold rou in ir, Tha/ "!J mothtr U'QS not a papül.-Papist! You to ld me no such thing. Sir. [...] [- ] as a punishment fot it, I da insist upon it, that rau immediatclr rum back, thar is, as soon as }'ou ger ro the next full StOP, and tead the whole chapter o"er again. I ha"e imposed the penance upon the lady, neither out of wantonness o r cruehy, but from the best of motives; and therefore shall make her no apo lo&)' fo r ir when she returns back: -Tis (0 rebuke a "kious taste which has crep' ioto thousands besides hersc\ f,--of reading straight forward s, more in quest o f the advenrures, than o f the deep erudirion and knowledge which a book o f this cast, if read over as it should be, would infallibly impan with them. [... ) - But here comes m)' fai r l.••dy. Have )'ou read over again the chapter, Madam, as I deslred )'ou?-You have: And did )'OU nOI observe the passage, upon the sccond reading, which admits the illference?-Not a word like itl Then, i\-ladam, bc pleased 10 ponder weil the last !ine but o ne of the chapt er, where I take upo n mc to sa)', " Ir was llutJsruy I should be born be fo re I was chrislen'd." Had rn)' mo rher, i\hdam, been a Papist, that consequence did no t follow. Ir is a terriblc misfo rtune for (his same book of mine, but more so with the Republick of Lcners;- [... Ithat mis self-same \; Je prunenc}' for fresh advenrures in all things, has got so stro ngly imo our habit and humo urs,- and so who lIr intem are wc upon sarisf)ring the impatience o f our concupiscence that war,-that no thing but the gross and more camal pans o f a composition will go down-The subtle rums and 51)' commullicario ns of science nyoff, like spirits, upwards;-the heavr moral escapes d ownwards; and both the Olle and the o ther are as much los t to the world, as if the)' were sriliieft in the bortom of the ink-ho m .}31
Auch hier erscheinen die Frauen wieder als die ,Dummen'; bis in unsere Tage halten sich Stereotype von krimi-versessenen weiblichen Leserinnen. Die hu moristische Vert:errung Sternes ennvirft ein Bild von der Lektüre, die schnell den Text durchläuft, ohne sich an D etails aufzuhalten. Sie zeichnet sich durch
l!M)
MANLEY, Mary de la Rivicre: Tllt Surrt HiJto'.] ofQ llu n ZarolJ, anti fix Zaro'?irJl/s [. ..J. Paks. Nachdr. der Originalausgabe von 1705, hrsg. \'on r-.1alcolm J. Bosse. Ncw Vork, Landon: Garland 1972, S. 1\3.
STERNE, Laurcnce: TIx Lif t (md Opinions ofTn I tro", Shanr!J, S. 47-49 11, 201.
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,Lüsternheit' (pruritnry) aus, und es fallt explizit der augusrinische Begriff der äußeren Sinnen begierde, der ronCllpisftnlia (das wird auch ausgebaut durch die Rede von den grrm and mon famal paris, auf welche die weibliche Aufmerksamkeit gerichtet sei). Die Lektüre wird einerseits geradlinig vollzogen, das rtading Jlmighl jonvard läßt keine Zcil für Re flexionen. Die Schnelligkeit der Lektüre wird durch impalience angetrieben, die immer auf der Suche nach jnsh advenllfrtJ ist - solche ,Abemeuer' sind, wie scho n angesprochen, schon seit dem Ende des 16. Jahrhunderts Erkennungsmerkmal ,interessanter' Texte. Der MotOr dieser schnellen Lektüre ist die Spannung. wir kennen das Phänomen am besten aus dem ,Krimi', und Alewyn hat eine Beschreibung des Konzepts am Beispiel des Detektivro mans geliefert: Eine Leiche wird gefunden. Die Umstände erlauben keine andere Diagnose als f\·(ord. Aber wer ist der T äter? Das ist die Frage, die alle Gemüter beschäftigt und beängstigt, die aber nicht beantwortet wird, bis das Ende der Erzählung erreicht ist. Die Frage wird dringlicher, nachdem ein zweiter Mord geschehen ist, ein dritter. Die Fahndung wird fieberh aft. Spuren werden ge funden , verfolgt und wieder "erloren. H)1x)thesen werden aufgestellt und umgestoßen. Aber langsam schälen sich einige gesicherte Tatbestände heraus. Ihre richtige DeunlOg und Verknüpfung ergibt die Antwort auf die srumme Frage, die die Leiche gestellt hat, die Rekonstruktion des Hergangs und die Erminlung des T äters. l82
Alcwyns T ypologisierung macht deutlich, daß in l e e~ te r Ko nscCJlIcnz die Logik des Geheimnisses der Enn öglkhungsgrund der Spannung ist. Das G eheimnis geht als ko mmunikativer Sachverhalt auf eine Paradox ie zurück - es wird etwas ko mmuniziert, das sich nicht kommunizieren läßt. Die In formatio n des Geheimnisses markiert stets einen Mangel an Info nnatio n. Dasselbe gilt aber auch fü r die Rezeptio nsweise der Spannung, deren Info nnationen immer einen Jrif0m/(llionslllangd hersteUen.JaJ D er Detektiv ko rreliert in bezug auf den Info rmatio nsmangel mit dem Leser, er ist gewissennaßen der prQ[otypische Leser des Gehtilllnisses. 38-l D em Detektiv I Leser werden dann Botschaften mitgereih , die ihn ausführlich darüber informieren, daß ihm Informatio nen feh len - und zwar die entscheidenden! Die Leiche isr tatsächlich das ideale S}'m-
)C
AU!WYN. Richard: "Ursprung des D etektivromans." In: R. A .: Problrme Nnd CU/(lhM. Ess(l.JI. Fr1/Inkfun/ M.: Insel 1974. S. 341 -361, S. 34 1. Der Aspekt des Inform:nionsmangels wird in allen Untersuchungen zwn Thema herausgestellt und ist do n hinli nglich ,ausdifferenzien' worden. UNGERER, Friedrich: Dromohsdx Spanfllmg in ShnluJ/N0fn TrogMitn. Phi!. Diss. München 1964 unterscheidet ,to tale Spannung', ,Altcmati\'spann ung' und ,Verlaufsspannung' (5. 5f.); POrl:, Pcter: Die Zri! im Droma. ZN' TuhniJr. dramatischer SpannNng. Göttingcn: Vandenhoeck & Ruprecht 1970 differenziert "Spannung auf den Ausgang" \'on "Spannung auf den Gang" (5. 15).
18o
Vgl. ASllEE, Sue: " Margcry Allingham and Reader Response.'< In: 7i1vnhrlh Cmlllry SIIJ!XnJt. The Thdlltr trJmtJ of Agt. H rsg. " o n Clive Bloom. Houndsmills et al.: Mllemillan 1990,
5. 16 1-173.
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bo l dieser Struktur, denn sie stellt die Frage nach ihrem Mörder, kann diese Frage aber nicht mehr beantworten. Die Leiche ist gewissermaße n das Rätsel schlechthin: Sie ist zugleich Information und Mangel an Information. Und neue In formationen, neue Leichen, dramatisieren den Informationsmangel nur noch. Das erklärt auch den Zusammenhang zwischen Spannung und Relardatioll. 385 Es ist die erlebte zeitliche Verzögerung zwischen Frage und AmwOrt, die den Rezipienten ,spannt' und ihn den \Viderstand des Textes so schnell wie möglich überwinden läßt. Die Rttardat;on der ex tensiven Lektüre entspricht genau der Baniere (Tabus, Verbote, Schleier, Schwellen, erc.), weiche zuvor das unendliche Geheimnis vor der Enthüllung schützte [111. 1]. Die Lektüre der Spannllng vervielfaltigr und tcmporalisiert also lediglich die Programmatik des unendlic hen Ge heimnisses: Spannung wird generie rt durch eine Kombination von InJoml(Jlionsmangei und Rttardienmg, die Bescbleunigllng der Lektüre ist die logische lesetechnische Kon sequenz aus diesen Vorgaben. In diesem Sinne we rde ich den Begriff fortan verwenden; ich plädiere auch hier für eine spitze Fassung des Begri ffs und halte ihn frei von Nebenaspekten wie etwa der IdenliJikntioffB" sowie psychologischen E ffekten wie etwa Angsjl87, da Diese ist neben dem Info nnationsmangel die zweile Konsrame der Spann ungs forschung und wird in allen r-,'Ionographien thematisiert. Die Retardation kann durch en:wungene UmcrbrCi:hungen die Sphäre der Le ktüre selbst überschreiten; das Prinzip wurde im 18. Jahrhunden als FortStI'{!ingsrom,m erfunden und iS I bis zur heutigen Plazierung der Werbepa use im Fernsehen relevam. Vgl. auch ISER. Wo lfgang: Drr Ak/ du Lmns. TJxont iislhrhidJtr IPirhmg. 4. Aufl. München: Fink 1994, S, 29M. Spannung findet auch ohne Identifikation statt. auch wenn ich nicht besu eire. daß Identifikation die Span nung steigern kann. Vgl. als Beispiele zu D arstellungen, welche den Aspekt dcr Identifikatio n bzw. der ,Sympalhie' bclonen, auch O UL \NDER, Stephen: Dmmul;( SlIsprnsr in Ellnpidn' und Stnt{o's ,Mrdro'. New York et al.: Lang 1989, S. 9f. und S. 298ff.: UNGERER, Friedrich: DrolllahsdJt Sponnllng in Sholusptoru Tragödirn. Phi!. Diss. München, S. 133f. ,Spannung" so der eindeutige leltikognphische Befund , hai im alIgcme.inen Worrgebrauch zunächst einmal nirhts mit ,Angsr' und dergleichen zu run j vgl. erwa folgende Definitio n: "auf etwas Z ukünftiges gerichtere erregte Erwarrung, gespannte Neugier", deflllien DNdrn. Das große IPörterlJlim dtr dtNtsrhrn Spro(hr. Hrsg. vom WissenschafUichen Rat und den Mitarbeitern de r Dudcruedaktion. Bd. 1-8. Mannheim et al.: Dudem·erlag 1995, Bd. 7, S. 3 15. Dementsp rechend macht es Sinn, die Angst u ennscharf zu diffe renzieren (Drocse umerscheidet etwa Ilm·1I und JNsptnstj "gI. DROESE, Kersrin: Thnllllnd SNsptnH in den Fil11ltll A !frrd Hitrh((}(/cs. Coppcogmve 1995). Psychische Z uslände, die im Ko ntext der Spannung genannt werden (Angst, Brdrohllng, Gtjohr, Btgthrrn, !..PsI elc.) lassen sich ferner als cin psrchisches Ko rrelat aus dem Injormohons11longtl ableiten (man furchtet, begehn, mhlt sich bedroht durch erwas, dessen Eintreffen unsicher isrj erwünscht ist der ,Spann ungsausgleich'j vgl. etwa LE\"(IJ N, Kun: GllIndifigt du topologisrhen PlJrhclo~·r. Bem , Sruttgan , Wien: Huber 1969, S. 183). Das Gtflihl der Spannung selbst bleibl Slets unterdc te ~niert (" gI. BOCHLER, Kar!: " Die ästhetische Bedeurung der Spannung." In: Ztilsrhnft for Asthrhlr. lind ollgtmrint !vlnshJiJ.Jtnsrhojt 3 (1908), S. 207-254, h ier S. 2IOff.); \'gl. zu den kö rperlichen SyrnplOmen dieses Lcktürecrlebnisses - E rhö hung von Puls- und Atemfrcqucnz, 1·lautfeuchtigkeit, Muskel\'erkrampfungen - auch H IENGER, J örg: "Spann ungsliterarur und Sp iel. Bemerkungen zu einer Reihe pop ulärer Erzählfonnen." In: UnltrhaltllHgslitrmlur. Zu ihm Throne und Vtrtridigung. H rsg. von Jö rg Hienger. Göttingen: Vandenhocck & Rupprechl 1976, S. 32-54, hier S. 42). Es erscheint jedoch fraglich, diese p sychischen T extEjfi/eJe zur Ursache des Phänomens zurückzubiegen (vgl. ANZ, Tho mas: Liltra/uT und !..PsI.
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sie im Z usammenhang mir Spannung auftreten und diese sogar stcigern können, jedoch keine konstirutiven Bedingungen der Rezeptio nsweise der Spannung darstellen. D er Ursprung des BegriJfs ,Spannung' als Bezeichnung einer Rtzep/iomwcise oder einer be so nderen Qualität von Tex/en liegt erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ein Indiz für einen Z usammenhang mit der Eman zipation der ex/emiuen Lek/üre sein kö nnte. Das ist insofern schwierig zu beurteilen, als der Äquivalenzbegri ff in den romanischen Sprachen und auch im EngLischen im Umfeld der Rtlorda/ion (suspendere/ /endere) beheimatet ist und dort schon früher, et\va im Umkrcis von o//ention als ,Aufmerk samkeit', belegt ist;388 ein etym o logischer Zusammenhang konnte bislang nicht nachgewiesen werden. 389 Im D eutsche n lassen sich Belege innerhalb des Wortfeld von ,spannen' sei t dem Mittelalter belegen; klassische Kontexte sind et\va der ,gespanme Bogen'. Diese Form der Spannung wird scho n im Mittelal ter auf den menschlichen Kö rpe r übe rtragen, im Sinne eines ,gespannten Leibs', und zuletzt kann ,spannen' auch ,fesseln' bedeuten, ein Gebrauch, der den Aspekt der Retardation berei ts beton t.390 D er mittelalterliche Wonkern , der dann bei der späteren Umprägung des Begriffs zur Bezeichnung einer Rezeptio nsweise tragend sein wird, läßt sich wie folgt destillieren: Spolllumg bezeichnet den Zustand eines aus dem Gleichgewichtszustand geratenen Systems (typi schetweise ein gespanntes Band) und den D ülng desselben, wieder in das Glei chgewicht zurückzukehren (spät,e,r wird dann der Leser oder Zuschauer der Auflösung des T extes zudrängen). Das Bild des gespannten Bands, das zwischen zwei Polen (Anfang/ Ende) befestigt ist, enthält ferner den Aspekt einer (ge"val tsamen) Tremllmg, die es zu überwinden gilt. Eine logi sche Ableirung ist der ,gespannre Bogen' (- Spannungsbogen), der zugleich den Aspekt der Re/ord(ltion sowie der Schnelligk eit impliziert. l9I
Gtiirlc lind Ungtjjrlc btim I_.lJrn. 1\Hlnchen: Beck 1998, S. I 64ff.). Eine Synopse weiterer Aspekte aus der Fo rschung (über Identifikation und Angst hinaus) bietet J UN KERJO RGEN, Ralf: Spannlill.g. N(lrr(lti~'t Vt1ahf"tnnwistn fltr u srrokli,.imlllg. Eine SfI!dit (l1lJ ßtispirt &r ROstrollJfm e t'OlI Jl(kJ V mlt. Frankfurt / ~·1. Et al: Lang 2002, S. 25f. ; \'gl. zur Diskussion der Idemifikacio n auch S. 36-38. Vgl. etwa W ARTBU RG, Walther vo n: Fron'{jJ"sis(hu Etylllolo/jS(OO lWörltrvu(h. ß d. I ff. Bonn: Klopp I 928ff. die Stichwo n e " anenderc" und "anencio" (ßd. I, S. 702-7 17) und " fendere" (ßd. 13, S. 196-20 1. l8'J
Vgl. dazu auch F UCHS, Andrea: Drolllfltiscbe Spallnl(ng. 'I'Iodtmrr ßrgnJl - A lililcu &ntrpl. Stungan, Weimar. ;"'lcfzler 2000 (= D rama, Beiheft 11 ); hier wciterfuhrende uternrurhin• welse. Vgl. GRIMM, Jacob und Wilhelm: Dmlsdxs WiirtrrVl((h. Le ipzig: Hirzcl: 1854ff. Bd. 10/ 1, Sp. 1914- 19 16 L,Spannung'1, vgl. auch Sp. 1895-1908 L,spannen'T
'"
Anz verweist hier ebenso schö n wie überinterprecic.rcnd auf die Szene der ,gespannten Armbrust' im ,Zentrum' des lf/ilbrllll Tri}, vgl. ANZ, Tho mas: "Spannung durch Trennung. Über die litera rische Stimulation von Unlust und Lust." In: T f"t"nl("!!". Hrsg. von Jo hannes Cremenus el al. Wür-I.burg: Königshausen & Neumann 1994, S. 17-34, hier S. 22f.
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Im 18. Jahrhunden wird der Begriff bereits insofern ausgeweitet, als er zunehmend ,aus dem Gleichgewicht ger:uene Psychen' bezeichnen kann ,ln im Kontext vo n Phäno menen im Bereich des seelischen Schmerzes oder der nervlichen ,Anspannung' . Ferner bedeucet er in diesem Umfeld bereits einen Z ustand erhöhter Aufmerksamkeit: "ein jeder spannte, als er anfing zu erzählen". 393 In genau dieser Bedeutung taucht der Begriff auch in der LeseSllcbl-Debatte auf; er wird dann um die Mitte des 19. Jahrhunderts explizit zur Bezeichnung sp(lnnender T exle oder sp(lnnender Lekliiren verwendee - ich komme am Ende dieses Kapitels darauf zurück. Ocr spannende Text wird ab jeezr als \Viderstand (&Iardalion) zwischen der Frage und ihrer Beanrwo rrung (lnjom/(llionslllonge4 aufgefaßt. Die Lust der spannenden Lektüre besteht dann darin , diesen Parco urs im schnel1m Durchlauf zu überwinden . Der Sp(lnmmgsbogen läßt sich dann als Korrelation z"rischen dem Infor1!J(1lionsfIJ(lngtl und der &Iordolion der Aunösung beschreiben; solche Spannungsbögen lassen sich auch empiri sch als Rezeptionsverhalten nachweisen. 394 Aus all dem wird auch ersichtlich, daß das Prinzip der Spannung im Grun de ziemlich banal ist. D er Rezipienten wird so info rmiert, daß ihm für eine Weile die entscheidenden Info rmatio nen vo renthalten bleiben. Variatio nsbreite ergibt sich einerseits durch Zwischenschalrung von ß eobachterperspektiven: Der Leser kenm den Mö rder, aber der Ko mmi ssar kennt ihn nicht der Ko mmissar kennt den Mö rder, aber der Leser kennt ihn nicht - und so fo rt. Ferner kann man den übergeo rdneten Spannungsbogen (\'(Ier ist der Mö rder?) durch zah lreiche Binnenrätscl anreic hern (\'\las war das für ein Geräusch?). Solche Spannungsmittcl dominieren unseren heutigen Medicnalltag. T ypisch und millionenfach gezeigt ist etwa der dijJhanger. Der Held kann sich
'"
Intt::rt::ssanterwcise ist dit::se psychische (An-)Spannung im 18. Jahrhunden zunächst noch o ft cin Effekt des N"rndlirht" GtJxi",ni!m. der Ltleliirt du Tiift; bei Schiller heißt es in ,. Vo m E rhabenen": ..Alle Retigionen haben ihre Mysterien. welche ein heiliges Grnuen unterhalten. und so wie die to.hjesräl der Gottheit hinter d em Vorhang im Allerheiligsten wo hnet. so pAcgt sich auch die MajeSt2t der Kö nige m it G eheimnis zu umgeben, um die Ehrfurchr der Untertanen durch diese künstliche Unsichtbark t::it in fo rtdauernder Spann ung zu t::rhalten." ScHilL ER. Prit::drich: SiimllidJt Werkt. Bd. 1-5.8. AuR Dannstadt: \X' iss. Buchges. 1987. Bd. 5: ErrfthIJl"§ ". ThttJrtti!rht SrhriJtM. S. 508. In "Ober naive und sentimenwische D ichrung" heißt t::s liber den sentimentalischen Dichter: " D aher dieser Ernst, diest:: Knft. dit::scr Schwung, diese Tie ft::, die alles charakterisiert::n. \\'2S \·o n ihm ko mmt; dahcr auch dit::se immerwiihrende Spannung des G emüts. in dt::r \\1r bei Lesung desselben erhahen werden ." Ebd .• S. 736. D er Beleg vo n Campe wird zitiert in GRIMM. Jacob und Wilhelrn: DrNlsrhn l17örtrroJlrIJ. Leipzig: H,irl.cJ: 1854(f. Bel. X I I, Sp . 1908. Vgl. BORRL\;,GO. Hcinz-LOIhar. Spo"nJl"g i" J't:>d "nd Fil",. Spon",mg und SNJpmJt tlh T t..'(II.'tr· a,.btiIJlngska/~rim. Dlisseldorf: Schwann 1980. S. 168- 198 <'.Analysevcrsuch im Rez.ipientenbcreich").
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gerade noch an einem Abgrund halten - wird er abstürzen?39s Und zuletzt läßt sic h der Spannungseffekt noch verstärken, indem man den gesam ten Text in einer Sphäre der Entlegenheit, in einen Raum der Rätselhaftigkeit verankert. Dieses Konstruktionsprinzip möchte ich an einigen T exten aus drei Gatrungen des populären Romans durch spielen, die sämtlich in den Kontext von Engelsings ex/enJive, Lek/üre passen, und zwar (1) einmal im kurzen Rückblick auf die Reiselirerarur (RobinJon Cmsoe), dann (2) am Beispiel des empfindsamen Roman s sowie (3) am Schauerroman. (I) Im Falle von Tbe Life (lfld Strange Slirpri~flg Ad,JtlJlllres of Robinson Cmsoe>% liegr der Fokus zwar auch in einem umfassenden Spannungs bogen, aber vor allem in der Ungewöhnlichkeit, ja ,Kuriosität' seiner Begebenheiten, der Aben/mer. " If ever the Story of any private Man's Advenrures in [he World were worth makiog Publiek, aod were acceptabel wheo Publish'd, me Editor of chis Account minks this will be so. T he \X!onders of mis Man's Life exceed all mat (he thinks) is to be found ex tant; me Life of one Man being scarce capable of greater Variery"3?7, heißt es im Preface. Das Leserinteresse wird demgemäß vor allem durch die Varie/äf 98 der außergewöhnlichen Begebenheiten gespannt. Der Text positionien sich also noch weitgehend in das G ravitations feld der Nel/gierde (er führt di e Bandbreite der advtfllllreJ dann auch auf ein jounwl zurück). D er übergeordnete Spannungsbogcn ist das Thema Schiffbruch Überleben in der Wildni s - Heimkehr. Das Prinzip der Fabel ist al so die gewaJrsam e Treflflllllg (- Retardation) von der Heimat, und als solches, ganz ähnlich der im galalll cn Roman imme r wieder durchgesp ielten T reflnllflg und Wiederzusammenführung der Liebenden, eines der spannendsten Mo tive der Weltliteratur. 399 Die Spannung im Text wird aber darüber hinaus durch die Vielfalt der erzählten Begebenheiten er.leugr; ich zähle etwa insgesamt sieben Auch dies ist eine Konsrante in der Spannungsforschung; Scherf umerschcidet ctwa ,Grundspannung' und ,Episodenspannung'; vgl. SCHERF, Walter. S fnJleturana!J1t tier Kinder· und jugrndliltmfur. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1978, S. 100. Vgl. zwn ,Cliffbanger' DOU..EWEINKAUF, Bcrnd: "Inszenierung, Intcnsivierung, Suspcnse. Suukrurcn des ,Spannenden' in Literatur und Comic." In: Unltmallung. So'{ja/· und Ijleralu~,iJJtnJ(haftlirlN Beiträgt ZU ihren Formtn und Fun!etiontn. Hrsg. von O icter Pcrzold und Ebcrhard Späth. Erlangen: Univ.Bibliothek 1994. S. 115-138. Vgl. zur Spannung in RDbinJon CnlJot auch BORRINGO, Heinz-Lothar. Spannung in Texl und Film. Spannung und SII1prnst als T exll_'trarlnifllngslenlr!jJn·tn. Düsscldorf: Schwann 1980, S. 50. Es ist symptomatisch, daß sich auch J UN KFRJ ORGEN, Ralf: Spannllng. Narmh"t't Vt1abrrns· JI'(iJtn der u Jtrak. fit.irnmg. Eine Studie am BriJpitl dtr fViJeromane lJ()n ju/tl Vr17le. Frankfun/ M. et al: Lang 2002 mit Rciseliterantr befaßt. Vgl. die faksimilierte Vorrede in DEFOE, Danicl: Tm Lif t and S/rangt Surpri:::jflg A,ItJtnfurt! oJ RDbiflJofl CnlJtN, oJ Yorle, Man·fler [... J. London: Everyman 1994, o. S. Vgl. zur Lcscrcrwarrung, daß Texte Varietät und Abwechslung liefern, auch SCHENOA, Rudolf: Volk ohne Burh. Slumm zur So'{jalgtHhirhfe tltr populiiren Ltlmoffi (1770· 19 10). Münchcn: dt... 1977 [19701, S. 476f. l?9
So FRE.'\lZEL, Elisabeth: Moli!:'t der IWdtlileralur. Ein U'1"1e.on dirhlungJgtJrbirhlirmr üingsHhnifte. 4., überarb. Auf}. SIUtlgart: Kröner 1992, S. 328 (Stichwort " Heimkehrer'').
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Schiffbrüche, ein schö nes Beispiel fur die vielen, im Binnenraum d es T ex tes gezogenen Spannungsbögen ist etwa fo lgende Stelle: It happen'cl one da)' abour going towards my boat, I was exceedingly surpriz'd with the prißt o f a man's nakecl foot on the shore, which was ver)' plain to be seen in the sand. I sfood likc onc rhunder-struck, or as if I had seen an apparition; I listcn'cl, I look'd round mc, I could hcar nodung, nor sec anything,400 Die Logik des rätselhaften Fußabdrucks enrspricht derjenigen de r Leiche: Es handeIr sic h um eine Info nnation , die in erster Linie einen Info rmatio nsmangel markiert. Solche Epi soden halten die Spannung im Binnenraum des Textes aufrecht: Der Leser wird vo n Spannungsbogen zu Spannungsbogen gezogen. Die spannende Wirkung d es T exts wird jedoch noch dadurch gesteigert, d aß er sich in einer Sphäre d er geographischen En tlegenheit (- Trenn ung) lo kalisiert - er vennittel t dem Leser Einblicke in eine rätselhafte, an dersartige Welt und steigert d adurch sein Interesse. Ro bin son befmd et sich " Iock'd up with the ere rnal bars and bo lts o f the o cean, in an uninhabited wilderness". D iese E ndegenheit wird durch d as Motiv des Kannibalismus noch verstärk t: " then it was the savage coast between the Spanish coun tr}' and Brasil s, whi ch al e indeed the wo rst o f savagcs; fo r tl1CYare cannihals, o r m an-ea ters, and fail nOt to m u rmer and d evour aU the humane bo di es that faU in to [hei r hands"40I _ die Sph äre der Kannibalen ist traditio nell d ie D o mäne des abso lur Anderen, der Fremd e, d er E mJegenh eir402 (Dampier harte d agegen auf diesen E ffekt no ch verzich tet und mit empiri stischer Skepsis angemerk t: " As fo r the co mm o n o pinio n of A IIJropophagi [siel, o r Man-eaTe rs, I d id ncver meet with an )' such people"40~.
(2) Ein Tex t wie Robi"son Cmsoe gehr weit über Reiseberich te im Stil Dampiers hinaus, weil er Elemente der spirituellen Au tobiographie integriert.-IO-I Dieser Aspekt wird dan n zum zentralen Thema im empfilldsamell (Brie})RnIlJOII, der sich weniger als Um erhaJ rungslireratur, so ndern zunächsl aJ s rührend es Medi um der E rbauung und der mo rali schen Belehrung po sitioniert. Denno ch verfUgt auch dieses Genre durchaus über Mittel der Spannungserzeugung. Der Brief D EfOE. Danicl: TIN Lif t and Sirange SNrpn·,?!·ng A d,'tntllfU of Robinson C l7m(,
.1(1)
of York, Mannu
[... ), London: E"cr}'man 1994, S. 125.
*'
Ebd., S. 89, das vorigc Z ital S. 92, Vgl. dazu auch FUl.DA, Danicl und Wahcr PAPE (Hrsg.): Das A ndm: Essm. Konnibalismlls (14 MOli/I lind MttapINr in der LitualNr. Freiburg/ ßr.: Rombach 200 I. z. ß . $. 30f. DAl\IPI ER. \Villiam: A NIW ]/17/~t RoNntl Ihr IIYorM. Lo ndon: KnaplOn 1697, S. 485. Vgl. auch WATf, lan: TIJt RiJI of Ihr Nord Smdics in Dcfoc, Richardson and Piclding. ßcrkclc)', Los Angelcs: Univcrsity of Califomia Press 1957, S. 15; HU!\'l'ER, J. Pau!: TlJt rvJNtlmit Pilgn·m, DtJOI J E mbltfllali( Mähcd (lIf(J Q NtJlJor Form in ,Robinso" Cnuoe'. ß alcimo rc: John Hopkins UP 1966; K.,~OX - SHAW. Pcrcr: Tbe E....plorrr in EngJish Fietion. Houlldsmills Cl aL: Macmillan 1987, S. 40.
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oder das Tagebuch sind nich r nur typische Publikations fo nnen des Neuen [lU. 4], sie sind zugleich Medien des Geheimnisse!, denn sie gewähren Einblik· ke in e ine D omäne des Privaten, des Intimen, des Vertrauten und Verborgenen. Die Sphäre der E ntlegenheit ist im Robimon Cn(!oe die Wildni s, hier ist es die Seele der empfindsamen Heidin. Bergk charakterisiert 1799 diese Form der Enthüllung: .. E r [der Romandichrer] entdeckt uns die geheimen Falten des m enschlichen Herzens [...]. er dringt in die Tiefen und in das Verborgene des m enschlichen Geistes ein".40s In Sophie von La Roches Geschichle des Fräuleins von SlemheillJ (1771 als ,au· thentische Briefsammlung' von Wieland herausgegeben), wird immer wieder beront, daß die Briefe der Heidin , Sophie, an ihre Vertraute, Emilia (!), die geheim sten und verborgensten \X!inkel ihrer Individuali tät ausleuchten: .. Ich will Dir alles sagen. Weil man doch immer einen Vertrauten haben muß, so kannst Du diese Ehrenstelle vertreten"406, heißt es an einer Stelle; an einer anderen: .. Ihnen schreibe ich von dem T eile m einer Seele, den ich hier nicht zeigen kann" (281); und schließlich: ..diese Blätter sollen Dir geweihet sein! Von Jugend auf ergossen sich meine geheimsten Empfindungen in dein treues zärtliches Herz" (307). Der Text simuliert al so private und ganz intime, geheime Bekennmisse an eine enge Vertraute, welche in " ungeschminkter Aufrichtigkeir der Seele" (11) das Innenleben der Protagonistin bloßlegen. Das Geheimnis liegt hier nicht in fernen Ländern, sondern im Inneren einer Individualität, im Gefühlsleben des Ro manpersonals, und das Ziel ist der ungehemmte Blick in die Tiefe der offe nliegende n Seele .. Etlichemal bat er sie, ihr Herz einem treuen zärtlichen Bruder zu entdecken. Sie Sall ihn bedenkli ch an, dankte ihm fü.r seine Sorge, und bat ihn mit tränenden Augen, ihr ihr Geheimnis zu lassen" (2 1). Die Neugierde des Lesers gilt also vornehmlich den innersten Geheimnissen der Heidin. Der Text kolportiert immer wieder ,Geständnisse', Sophie teilt ihrer Intimfreundin ihre ,geheimsten Empfindungen' mit, man ,blickt in das ganze Herz' oder ,späht es aus', man .entdeckt' die ,Leiden der Seele'. N icht das kleinste D etail wird der Brieffreundin verschwiegen, wie in einer umfassenden Beichte bemüht sich Sophie, auch jede noch so kleine Regung ihres Seelenlebens aufrichtig darzustellen. D er Leser gewinnt also wie ein Beichtvater Kenntnisse über die intimsten und persönlichsten Geheimnisse der Protagonisten. Die Aktualität des ]nreresses an solchen privaten GeständBERGK, Jo hann Adam: Dir KMIISI, BlIrdnr ZN /mn. Jena: H empcl 1799, S. 203, allerdings über den Roman allgemein; zu seiner Kritik am empfmdsamen Roman siehe ebd., S. 262-266. Es sei übrigens angemerkt, daß die Sphäre des geogy-aphisch E ntlegenen und des Intimen auch \'crkoppch werden können. Ein berühmtes Beispiel ist Bcmardin de Saint-Pierrcs Pali/ rl Vi'llnir von 1788, dem ersten und wirkungsmächcigcn D okwncm des S"Y)Ii!mt. cin Buch, das auch zu den Lektüren der Mme Bovary zählt; ein weiteres wäre C hateaubriands Alala (I SO I). LA ROClm . Sophie \'on: Gumi(hlr du FroN/tlns !·'(In Sfmrhrim. H rsg. von Barh:mil BeckerCantarino. Stuttgart: Reclam 1997, S. t 19, im folgenden im Aießtext zilien.
26\
Abb. 21: Empfindsame Lektüre "ieIer Bücher. Erkennbare Buchtitel sind Hcinrich C1aurens M inJl9, ein empfindsamer Bcmeller dcs 19. Jahrhunderts, sowie Gocthcs If/erlher. Johann Petcr Hascnclc"cr, Die Sentimentale, 1846.
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nissen ist bis in den Seelen striptease un sere Tage ungebrochen. In diesem Kontext des privaten Bekenntni sses entfalten empfindsame Ro ~ mane ihre Spannungsbögen ; die klass ischen Motive sind einerseits die bürgc rlich ~ höfi sche ,Mesalliance' sowie andererseits die ,verfuhrre (und o ft vorübergehend enrfühne = ge/renn/e) Unschuld'.407 In der Gucbich/edes Friiuleim von Slem heifll koexistieren beide Themen, zentral ist jedoch das der Verführung der Tugend. Sc hon zu Beginn werden Hinwei se auf ,drohendes Unheil' ge ~ streut, welche die Destabili sierung der Ordnung ankündigen, später von dem geheimen Plan, die Sternheim zur Mätresse des Fürsten zu machen. Die beteiligten Briefsteller klären diesen Umstand jedoch nicht auf, da sie da s Verhalten der Tugend "al s ein entzückendes Schauspiel" (93) beobachten wollen und als solches entfaltet sich der Ro man. D er T ext ist also von Beginn an wie eine Versuch sanordnung angelegt. Kon stitutiv ist dabei das \Vissensge f.ille zwischen der Hcldin (die ,nicht ahnt', daß ,im Geheimen' an ihrem Untergang laboriert wird) und dem weiter reichenden Kenntnisstand der sie umgebenden Personen und vor allem des ,voll infonnierten ' Lesers, und die das Leserimeresse steuernde Frage ist ganz auf das Ende, auf eine ,Auflösung' hin fokussiert: \'«ird die T ugend siegen oder nicht? Der Roman schreitet dabei vom Ausgangspunkt einer weitgehend im Dunkeln vollzogenen ,Verschwörung' zu einer immer weitgehenderen Aufklärung der Umstände fort. Schritt für Schrirr trirr das zunächst Unerkennbare und Unterschwellige ans Licht. Gan z am Ende steht die AI(Jkliinmg aller Dunkelzonen. D as erfolgt noch in der Romanwirklichkeit durch den Austausch von ßriefen .408 Im Kreis der Vertrauten erfolgt al so bereits in der Wirklichkeit des Berühnm Beispiele des empfindsamen Verführungsmotivs sind Richardson PalJld(1 (1740); der I-IcJdin Stellt ,,~·I r. B." nach; ein f-o lgeprodukt dieses Großcrfolgs ist ClIlnJJo (1747/48) mit dem sprichwörtlich gewo rdenen Bösewicht Lo"clace; Berühmtheit erlangt hat auch der Verführer Vicomte de Valmont aus Choderlos de Lados' Ü aiJOIIS D ongrftuJtJ (1782). Die M tJllllionrt ist TIlema in T exten wie Die IInglric!lt H rirol der Gomchcdin (1745), Ro usseaus JNlie ou III NONI'rlle l-filoiit (1761 ) oder ER/ik ( 1762) und narüdich auch in Millers Sitgu·arl ( 1776). Vgl. Ztml motivgeschichdichen Hintergrund auch FRE..... ZEL. Elisabeth: A'lotil't tier lPeillittralNr. Ein Lexikon tlirhtNngsgrsrbichlichtr UingsJfhnillt. 4., iiberarb. Aufl. Stungart: Kröncr 1992. und zwar die Artikel " Liebesko nflikt, der Herkunftsbedingte;' (So 465-483) und " Verftihrcr lind Ve.rftihrte" (S. 756-774). Die Sternheim schickt Emilia die Briefe Seymours und Derb ys. die der Leser längst kennt: " Hier, lesen Sie seine ISeymours] Briefe mit denen vom Lord Derby, und senden Sie sie mir mit allen den meinen an Sie zurück. Sie werden bei Derbys Briefen über den Millbrauch von Witz. Tugend und Liebe sch audern." Lord Rich. der Bruder Se)'lllours, studiert eben falls die Briefe und fertigt eine Abschrift an: " zwei Tage nach Serlllours Brie fe brachte er [Rich] mir mein T agebuch und die d abei gelegenen letzten Briefe "on Sununerhall in mein Zimmer; mit einer rüh rend viclbedcutcndcn ~1ien c u:at er zu mir, küßte d ie Blätter meines T agebuchs. druckte sie an seine Brust, und bat mich unI Vergebung, eine Abschrift da,'on genommen zu haben" . Lord Rich bittet darum, die Originalbriefe behalten zu dürfen, was die Stemheim gestattet; er berichtet: " Ihre Papiere, die sie in der "ollen Aufrichrigkeit ihres Her.lens schrieb. beweisen mir, daß sie das Beste mir schenkte". Am Ende des Romans sind also alle Unklarheiten beseitigt, die Fäden des Romans werden ,aufgelöst', die Briefe ausgetauschT und abgeschrieben, das Geschehen erhält den Status einer "011ständigen Aufklänmg und Ö ffentlichkeit. Die Stellen in ihrer Reihenfolge aus LA ROCHE,
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Romans die \Vcircrgabe der dunklen Ränke und der Geheimnisse des Herzens. Das Prinzip wird fortgeschrieben, denn der Beginn der Erzählhandlung suggeriert, daß die Briefe bereits über den Kreis dieser Vertrauten hinaus zirkulicren. m Und die Verteilung der Bekennmisse b'Chr natürlich noch viel weiler. Die geheimen Herzensangelegenheiten der Sternheim sind gewissennaßcn bereits Stadtgespräch, um den Titel eines analog verfahrenden neue ren Films zu zitiercn. Denn - ich sou ffliere die Konstruktion im Text - Wieland, der Her. F~ reun d"10, etocr ommosen.. '" 0 .'. F G . R. V .*****",*,,410, ausgeb cr, har von einer eine Abschrift erhalten und diese, ohne vorher ihre Zustimmung eingeholt zu haben , einfach in Druck gegeben; die Vorrede beginnt: "Erschrecken, Sie nicht, meine Freundin. anstatt der Handschrift von Ihrer Sternheim eine gedruckte Copey zu erhalten. welche Ihnen auf einmal die ganze Verräterei el1l deckt. die ich an Ihnen begangen habe" (9). Durch diese "Verräterei" - von Wieland entschuldigt durch die mo ralische Nützlichkeit des Textes - kann jetzt jeder beliebige Rezipient genüßlich die ganze intime Seelengeschichte der Srernheim auskosten. Der Reiz ist für den Leser umso größer. weil er angeblich verbo tene Früchte genießr. Wie ein Vl9't'llrverschaffr er sich Einblicke in private Herzensangeleb.-enhciten und blickt hinter den Schleier der I ntimität:" 1 Auch wenn solche Ro mane im Kontext der empfindsamen Erbauung auch wiederhol re Lektüren anregen, so werden sie doch zunehmend auf spannungsvolle Effekte hin kalkuliert. Das belegen auch Texte wie Johann Martin MiUers Siegwm1. Eine Kloslergurbicble von 1776. Der umfangreiche. mehr als 1000 Se iten starke Text. gleichberechtigt neben Goethes IlVerlber wohl der erfolgreichste dCUI'schc Roman des 18. Jahrhunderts und Auslöser des ,Siegwa rt-Fiebe rs', enrfaltet das kJassische Thema der adelig-bürgerlichen Mesalliance anhand der sich überkreuzenden Gcschichte zweier Paarc. Der T ex t beginnt zwar zunäch st beschaulich, aber mit dem Fortschreiten der Lektüre beschleunigen und dramatisieren sich die Ereignisse immer mehr, effektvoll reihen sich Liebesrode und intime Hcrzcnsgcständnisse412 auf eine Weise aneinande.r, die Sophic \'on: Grschirhlt du FroN/rinJ Iron Slr/7/lxim. Hrsg. von ßarbara Becker-Canlarino. Srullgart: Redam 1997. S. 340, S. 34 1, S. 344. Rosina, die Schwester Emilias und Kammerzofc der Srcmheim beginne "Sie soUen mir nicht danken, meine Freundin, daß ich so viel für sie abschreibe. Sie wissen. daß ich das G lück harte, mit der vortrefflichen Dame erzogcn zu werden, aus deren Lebensbeschreibung ich Ihnen einige Auszüge und Abschriften mineile" . Ebd.• S. 19.
'" '" 41:
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Laut Ko mmentar die Abkürzung für ,,.An D lie) Flrau) G[eheimc) R[ärin) Vlo n La RocheI". VgL dazu auch TROnIA, Hans \'o n: Angrnrhmr Empji"tlN"!!". Mttlirn rt"fr popNliirtn \f/irk..v"gJiisJhrtik im '8. JahrhNntirrt IfJm UnturhaftJgartrn biJ i!'''' SthaNtm",an. München: Fink 1999. S.246. Ein Beispiel: ,.da bringst du mich auf eine mutige Sache, \'o n dcr ich ungcrn rede; aber dir kann ich nichrs verhehlen; ich weiß, daß du's Ix)' dir behacltst. I... ) Was ich dir I... ) gesag t habe, m ust du ja verschweigen! Ich hab's noch keinem Menschen , ausser dir, an"crmllL" MIU_ER, Johann Mucin: Sirgwm1. Eint KMJlrrgurhirbJr. Faksimilcdruck nach der Ausgabe von 1776. ßd. 1-2. Srungan : r.,'letzler 1971. ßd. I, S. 218f. und S. 226; der T cxr ist durch -
deudich auf die Erzeugung von Spannung hin kalkulierr ist nennt das passend "Sensations-Technik".413
von Trotha
(3) Im Zusammenhang der These von der exten siven Lekriire und ihrer ,Vervielf.i1tif:,,\lt1g der G eheimnisse' möchte ich als drittes und letztes Tex tgenre nach der Reisc\itcrarur und dem empfmdsamen Briefroman kurz den Scb(lllerrollUI!I an sprechen. T atsächlich sahen schon die Zeitgenossen einen Zusam menhang vor allem zwischen den letzten beiden Textgatrungen: "Es scheint wunde rbar, und doch ist es wahr, daß die Periode der Empfindelei Vorbereitung auf diese [der Schauerliteratur] war. "414 Damit folge ich idealtypisch der Entwicklung der populären Lektüre im 18. J ahrhundert; die Meilen steine sind RtJbinson Cntsoe (1719), dann Pmlle/a (1740), der Archetyp des Schauerroman s ist Ho race \Valpoles Tbe Cmt/e q/Olmnlo (1764). Schon die Reihenfolge dieser Erzählga trungen gesran et eine Zwi schenreflexion. Zunächst einmal gehr die Bewegung aus von ,authentischen Berichren', und sie endet im Falle des Schauerromans in einer Textgatrung, die wohJ schon weitgehend fiktional gelesen wurde.41 s Die Hcrausgcberfiktion [VI. 11 wird hier entweder eher halbherzig befolgt oder bereits ganz aufgegeben. 416 Die Motivation der Fiktionalität wird ähnlich legitimiert wie bei Defoe, es geht um den \Vunsch "of creating more inreresring siruacions".417 Die allmähliche Emanzipation der Fikcionalität läßt sich demgemäß auch an der Evolution der immer außergewöhnlicheren populären Romanthemen ablesen, die sich vor allem im 19. J ahrhundert Ztl einem Skanda1- und Sensarionsprinzip aussetzt von solchen Akzentuienmgen der Intimität. ~u
TRO l liA, Hans \'on:
'"
HOCI-IE, Johann G o rrfried: V mrDNle Britft über diejfl,?!ge obtnlhtNtr/ifht USUNfhl Nnd über den EitiflNß dmrlbtn ON] (Iie Vrmn'dmmg des hiiNsh·fhtn Nnd öjftnt/;fhtn Gliide.r. Hanno ver: Ritscher 1794,S. 16.
'"
Hochc zieht 1794 einen Zusanunenhang zwischen der ,Wunderlirerarur' (zu der auch die Schauerro mane gehören) und zcirgenössischen Erscheinungen wie dem Mesmerismus und den dazugehö rigen Sensationsbcrichten. Die folgende Refl exion zeigt, daß der Glaube an die ,Wahrhcir' des Beschriebenen durchaus noch fo rtdauert: ,Jene [verniinftigc Männer] suchren mancher Betrügerei auf den Grund zu kommen, und diese [ein T roß von andcrn] posaunten aus - Ikuug. Noch andere, die nichr so redlich dachten, nutzten diese entdeckten Geistersehercien und erdichteten Wunder, womit man andere täuschte, wn alle [auch die religiösen) Wunder verdächtig zu machen." HOCHE,Jo han n Gonfried: Verlrollle
A ngmrhlfle E mpfindllngen. Medim einer popllliirm IVir/eNngsiisllnlik ilfl 18. Johrhllndert/vIfI LondJrhqftsgorttn bis i!'IfI JrhoNerromon. München: Fink 1999, S. 23 1.
Bn'rft über diejtl?i,gt obenllnNerlifhe LtstSllfhl und über den Einfluß derst/btn UNi die V trl1Jinderlmg des hiillsh'tmn lind iijftnt!ifhrn Gliide.r. Hannover: Ritscher 1794, S. 26 f. ; d ie Schrift betont immer wieder das Problem der ,E rdichtung'; "gI. etwa S. 30, 38f., 41 u.
".
'"
Ö.
In der ersten Auflage vo n The Costle ojOlronlo heißt es: "The fo Uowing work was foun d in the library of an ancient catho lic family in thc north o f England. It was primed at Naples, in the black letter, in the ycar 1529", d ann aber wenig später: "l1lOugh the machinery is invention, and the names o f the actors imaginary, I cannot but believe that the groundwork o f the story is founded on (nuh ." WALPOLE, Horace: Tht Cast/e oJ O"onlo. Londo n: Penguin 200 1, erst $. 5, d an n $. 7. So heißt es im VorwOrt zur der zweiten Auflage, ebd., S. 9.
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wächst. 418 Ferner kann man sagen, daß im Reiseberic ht ,um 1700' noch eher in einem allgemeinen Sinne da s ,Interessante' der ndlJen/ures in entlegenen Geb ieten gesucht wird, daß die ,Geständni sse' der Empfindsamkeit jedoch bereits beginnen, das Geheimnis als Effekt einzusetzen, und der Schauerroman dann nur noch die Antwort auf eine Nachfrage nach .. immer stärkeren Reizen" 419 ist. Auc h hier kann man von einer E manzipation des ,populären Rärsels' sprechen. Und zuletzt ill ustriert diese Folge eine Entwicklung von zunächst vor-
Abb. 22: Karikamr der Wirkung von Schauerrom anen auf Lcserinnen. Das Bild spiclr unter andcrcm an auf Matthcw Gregory Lewis' Bestseller The Monk von 1796. Jamcs GiUra)', Tofu of l17onder, 1802 .
...
m
266
Vgl. zur zunehmenden Steigerung der sensationellen Inhalte in der populären Lektüre vor allem SCI-II1'.mA, Rudo lf: Volk ohne Blich. Sllidirn '{IIr So'{jolg mhirhJe der poplfliirrn UseJlojfr (1770- /9/0). i\lünchen: clr... 1977 [19701, S. 379-411 ; Schend.1 bespricht nacheinander folgende Moti\'e: Kindsmord, Tod im Backofen, Räuberwinshll.uS und t-,'Iordeltern, Lebende Leichen, Totenschädel, Mädchen als Soldat, LJebcr Löwe, Rosige Räuber, Geister und Gespenster, Findelkinder, Waisen, Savoyarden, Giftmischcrinnen. Einsiedler, Höhle, Mühle, Förste[haus. TROTHA, Hans von: Angrnehl1,e En,pjindllngrn. Meditn einer popllliirtn IVir/eJlngJäJlbttik im /8. J(lhrhll"derl /10m umd1Choflsg(lrltn biJ '{11m ScballerTOmon. München: Fink 1999. S. 259.
nchmlich ,nützlichen' Reiseberichten (daher die geographi s ch ~ kaufmänni s ch ~ wirtsc haftlich en Aspekte) übe r immerhin ,m o ralisch' lehrreiche Secl e n ~ geschichten bis hin zum reinen Lesevergnügen des Schauerromans. In den \'\Iorten Walpoles: Der T ext "can onl)' be laid be fore the public at present as a matter o f enterrainment."~20 Das po puläre Geheimnis emanzipiert sich also als Fonn der Unterhaltung, es erzeugt im Schauerro man nur noch die reine Lust an seiner Auflösung, die keinen N utzen der ,In fo rmatio n' oder ,mo ralischen Belehrung' mehr abwirft. Den Proto typ für zukünftige Lekliiren der 5panlllfllg, und zwar un e inge~ schränk t für aUe modernen Erzählfo rmen des populären Geheimnisses vom Krimi bis zum Grusclfllm, liefert Walpole im J ahre 1764 mit The emde 0/ OlnJlJlo. Die Sphäre der Entlegenheit wird in diesem T ex t in eine mitt ela lferl ic h ~go t.i sc he Szenerie hineinko nstruiert. Das G eschehen wird in dunklen Gemäuern , tiefen Gewö lben, Geheimgängen oder labyrinthischen Hö hlen entfaltet. Es deutet sich hier scho n ein Prinzip der größtmöglichen Steigerung des A ußergcJlIO"hnliehen an, das alsbald zu " translunarischen und su b ~ terranischen Helden" führen wird.42t Ko nsequent wird bereits im erSten Absatz das Geheimnis, der Spannungsbogen, angelegt: Es gehr um eine m ysteriöse "anciem prophecy, which was said to have prono unced, ThaI Ihe em"e and the lordship o/0tnmlo shollid P(lSS jrom /be present jafllib', JlIhenc/ler tbe real olm er sholl/d be groUJfJ 100 1(ITEe 1o inbabil il. It was difficult to make any sense o f the prophecy" (17). Selbsrverständlich wird diese Prophezeiung erst au f den lerzten Seiten des T extes erfüllt und ihr Sinn o ffenbar. Konsequent wird das ßinnengesc hehen durch einzelne Spannungsböge n strukturie rt, im Stil des o minösen Fußabdruck s, den Ro binson aus der Fassung brinf:,Tt: " I did think I heard a voice" (38).422 In solchcn FäUen wird durchgängig das Mittel dcr Retardatio n eingesctzt: " It is toO latc fo r excuses - I faint. - 1f IsabelJa is at hand, call her - 1 have impo rtanr secrets tO He is dringl said o ne of attendam s" (69), heißt es an einer typisch en Stelle, und natürlich muß der Leser noch einige Seiten weiterlesen, bis diese seerels endlich ans Licht ko mmen. Auch das Strukrurmerkmal de r Varietät wird hier maximiert. Die program matische Erklärung des Prologs erhebt di e Spmlf11mg, hier allention genannt, im Kontext einer sc/mellell Rezeptio nsweise :.:um o bersten Prinzip: "There is no bombast, no similes, flo wers, digressio ns, o r unnecessary descriptio ns. Every thing tends direccly {Q d1e carastrophc. Nelltr iJ the ftader's allention relaxed. [... }
me
~21)
WALPOLE, Ho race: T!Je COJtle oj OlranltJ. Londo n: Pengum 2OCll, S. 6, im folgendcn im Fließtcxt zitiert. H OCHE, Jo hann Gonfricd: Verlraute ßritjt jibtr dit Jrtifgt a!Jtnl!Jrutro(ht USUU(!Jt und über dm
Einfluß dme/bm auf die V m"intJmmg du häusJidnn lind i!/ftlltlkhtn GIÜrk;. Hannover: Ritscher 1794, S. 25. Vgl. fcrne r etwa: " ln OIlC o f thosc mo ments she thought shc heard a sigh"; WALPOLE, Ho racc: The Cmde ojOlronltJ. London: Pcnguin 2001, S. 26; "hc hcard [he steps of somc person who seemed 10 rcttcal bcfo re hirn"; cbd., S. 67 elc.
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T erro r, the autho r's principaJ engine, prevents the story from ever languishing; and it is so o ften comrasred by piry, that the mind is kept up in a cons[anl vicissirude o f interescing passio ns" (6).42l In der T at folgt Mirakel an Mirakel, von Verfolgungs jagden über Entftihrungsversuche bi s hin zu Kamp f und Mord läßt der T ext kein Mittel aus, um die Au fmerksamkeit des Lesers unablässig zu fesseln. Hoche benennt 1794 das allgemeine Prinzip: "Es folb'l G eist auf Geist, und T eu fel auf Teufel" .424 Es läßt sich also durchaus behaupten, daß sich mit Walpoles T ext die Lektüre der Spann/mg emanzipien , da in der T at alle T exteffekte dem Zweck der Spannungserzeugung subo rdiniert werden;u5 das bemerkten auch sc ho n d ie Zeitgeno ssen. Bergk beschreibt die Rezepcio nsweise des Schauerro mans wie fo lgt: "welche \'(fonne genießt cr [der Le ser], wenn alle Augenblicke neue uno gewö hnliche und so nderbare Erscheinungen, wie in einem Gukkasten, vo r ihm vorbeigehen! Der stete Wechsel des bunten Mannichfalcigen hat ihn ganz bestrickt"; und: .. Geisterro mane gefallen uns deshalb sehr, weil sie den Trieb nach dem Uibernarurlichen [....1 zu befriedigen [... [ versprechen" 426. Der Schauerrom an bedient sich dabei struktureller Merkmale, die sich zwar bereits in früheren Texten nachweisen la ssen, die do rt aber noch nich t in dieser Reinfo nn zum Tragen ko mmen. Die Reiseliteratur erwa will immer auch info rmieren und insrruieren, die empfindsamen Ro mane wo Uen immer auch belehren und rühren. Einerseits eigne t sich der Sc hauerro man also die Strukru nnerkmalc an , die seinen Z wecken nützen - er übernimmt die Varietät der ad,ltnlllrtS oder inlcgriert und radikalisiert das Mo tiv der Ileifolgten Umchll/d (die HeIdinnen des Schauerromans werden stets empfind sam gezcichnel - bis heute!). Z ugleich löst er sich vom Ballast der Mo ralistik und Belehrung, maximien hingegen das Prinzip der ,Verrätselungs technik '427: Übrig bleibt das Destillat vo n Texten, die Geheimnisse ko nstruieren und gewissennaßc n mit der Auflösung am E nde erlöschen. Diese in s E xtrem gesteigen e Erzählweise der Fina!spannJing wird dann zum G rundprinzip der Detektiv- und Kriminalgc-
r-,.·Ieine H ervorhebung .
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I·IOCHE. Johann Gort fried: VtrfmMlt ßn"tjt iibtr fliejr~"gt olNnIJxN,r/irbt W tJMfhl Nnd iilNr dm Einj1M ß tlmrlbtn UMI die V m nindmmg du hOiulirbtn Nnd öfftn1lifhm Cliirlu. HanIlO\"t~r: RitScher 1794, S. 2 1. Dem Prinzip der Spw nung durch e.inen rcurdien ell Info nnatio nsmangel ko rrelien dann die durch Iden tifikatio n hergestellte psychis.che Komponente der Angst als anrizipien e Gefahr. Vgl. zu dieser ps.ychologischen D eurung des Schauerromans TRh lJ1WEIN. Wo lfgang: Erlestnr AnA:II. S(!JaMrrlilrrallir im 18. IIntl 19. JahrhMndtrr. München, Wien : H :m ser 1980. sowie A LEWYN, Richard: " Die literaris.che Angst." In: Alpt/elf dtr Angll. H rsg. yo n Hoimar \'on Ditfunh. München: Kindlcr 1972, S. 38-52. BERGK, Jo t-.ann Adam: Dir KMnll, BMu Jxr ~ Imn. J en a: Hempcl 1799. S. 250f.; es. \'emeht sich, daß Bcrgk die Lektüre von Schauerromanen f\ir ge fahrli ch häh. So nennt es CONRA D, Ho rs[: Die IitrroriJ(Jx A n!.lt. 0 01 SrhruldicJx in S(hUMrrrr;mlrmli/e Nnd DrltleJit'gmhimtt. D üsseldo rf: Bcnd smann 1974 (= ü[er2rur in der Gesellschaft . 2 1),
S.
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schichte:'28 Die angemessene Rezeptionsweise ist eine schnelle Lektüre; und darnie korrespondieren die extreme Eile des Erzählflusses und die Hast der hingeworfenen Dialoge:m Die beschriebenen Beispiele aus dem Umfeld der ,populären Lekrüre'430 des 18. Jahrhunderts belegen die Entstehung der Lektüre der Jpannlfng. Sie steht im KOn(cxr der Durchsetzung des Buchdruck s, der NeJlgierde und der Möglichkeit extensiver Lektiiren. D ie Tiefe des einen Buchs der Bücher wird ersetzt durch die unendliche Proli feration von Geheimnissen. In dieser Reduktionsfonn wird das Geheimnis am Ende des Texts gelüfte t, und das Interesse am Text erlischt. PrinzipieU hat es diese Konstruktionsweise schon seit der Antike gegeben, man denke nur an Sophokles' Oit/)'PIIs 7)mnnos. 431 Dennoch belegen die T exte eine zunehmende Fokussierung auf die Erzielung des Spannungseffekts, und die dramatische Zunahme der Anzahl rezipierter Titel belegt die Durch setzung der e.:.:Iensi,Jen uktüre. D aß die Zeitgenossen diese Emwicklung durchaus als Paradigmawechsel der Rezeptionsweise aufgefaßt haben, belegt die Disku ssion um die uSeJllrbt. Zwar gibt es seit biblischen Zeiten die Klage über die Bücherf)ut: "viel Bücher machens ist kein Ende", heißt es schon im Alten Testament.432 Durch das Au fko mmen des Buchdrucks gewinn( die Vorstel lung eines Über flusses an Texten aber eine ganz neue Dramatik.m Das Thema eskaliert im Motiv der ,Vielleserei' des späten 18. Jahrhunderts·l3~ und erzeugt in den neunziger Jahren die kulturelle Diskussion um das Ph äno men der "Lesesllcbt' oder " Leselwtf'. Dabei geht es hier weniger um die Frage, inwiefern diese medienkritische Debatte tatsächlich auf eine ,Seuche' des Mißbrauchs von Texten hinweist. TatsächLich dürfte die Verbreitung von
Vgl. H OGE.!.. Hans-Ono: UnltrSu{hllngJri{hlrr, Dirbifiingrr, Dtltlelit't. Thton'e lind GtJrhitble rltr du~/J(mn Dtltklil.'f'rzJhlllng im 19. jabrlJllndrrl. Sruugart: Mer..dcr 1978, S. 5Of. ; HASUBEK, PCtcr: Die Dtltletil'gt1{bichle flirj llnge Lm r. Bad I-Ieilbnm n: Klinkhardt 1974, S. 46ff. Vgl. auch dazu CONRAD, Horst: Die b"leranidn Angst. Das S{hrt{!tJidN in S(hallmTJmanh"k lind DfleJeJiI:geHbi{hlt. DüsscJdorf: BencJsmann 1974 (= Lircrarur in de r G esellschaft, 2 1), S. SOff. (" Der ,atcmlose' Erzähler") . ~J(I
Vgl. insgesamt auch BEAUJEAN, Marion: " Fraucn-, Familien-, Abentcuer- und Schaucrromane." In: DrIlIH!Je Liltralllr. Eint S(J~jalgu{bichlt. Hrsg von Ho rst Glaser. Bd . 1-9. Rcinbek: Rowohh 198Off. Ud. 5, S. 2 16-228.
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VgL zum Aspekt der Spannung im vo rmodem en Drama erwa O Hl.AJ'iDE.R, Srephen: Drap/aH( SII1ptn# in Ellripidu' (md Smaa'! ,Mrdla'. Ne\\' Yo rk CI al.: Lang 1989; UNGERE.R, Friedrich: Dr(lINahHm Spannllng in Shakufxam TraUMiln. Phil. Diss. t-.-lünchcn.
BiMa Crrmanim. übers. von Martin Luther. Paks. N achdruck der Ausgabe Witlcnberg 1545. Srurtgart: Württembergische Bibelanst.al t 1967, Prcdiger Salomo 12 [121. Vgl. GI ESECKE, Michael: Drr BII{hi/ru{k in d" friihtn Nell':(!iI. Eine hÜlonJ{he Fallsludie iibtr dit DllrcbJtli!'ng nmer InJormaHons- lind KDmmllnikohonJfr(bnolog}m. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1991, S. l7lff. BEAUJEAN, Mario n: " Fraucn-, Familien-, Abcnteucr- und Schaucrro mane." In: DmlHm ül"alllr. Eint So~jalgrJ(hi(hlr. H rsg vo n H orst G laser. Bd. 1-9. Reinbek: Ro wohlt 198Off. ßd. 5, S. 216-228.
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Romanen weitaus geringer sein , als es die Zeugnisse der ,Lesewut' sugge rie· ren:m Mir kommt es vielmehr darauf an, daß diese QueUen sehr deutlich die Konsternation am Ende des 18. Jahrhunderts angesichts einer völlig neuen \Vei se der J\'ledienrezeption illustrieren. Die schnelle und exltnsilJt Lektüre der SpaNnllng, die sich im L'lUfe des 19. Jahrhunderts immer wcirer durchsetzen wird und bis heute un sere Rezeptionsweisen prägt (wenn nicht dominiert), wird von den Lesesuclu· Kricikcm pointiert beschrieben. Aus Sicht der zeitge· nössischen Kulrurkricik ist die neue Rezeptionsweise ähnlich gefahrlic h, wie man heute die Computerspiele einschätzt: " In Teutschland wurde nie mehr gelesen, als jetzt. Allein der bTfößte TheiJ der Leser verschlingt die clendesten und geschmacklosesten Romane mir einem Heißhunger, wodurch man Kopf und Herz verdirbt.. ~16 - so sieht es Bergk 1799; in den \Vorren von Hoche: "Man liest ohne Zweck aUes durcheinander, man genießt nichts und ver· schlingt alles, nichts wird geordnet, alles nur fl üchtig gelesen und eben so flüchtig vergessen".m Di e schnelle Lekrüre hat also alle moralischen ode r be· lehrenden Fremdbestimmungen abgeworfen, sie de savouiert die Texte aus reiner LeselUSl. Die immer wiederkehrende \Vendung vom Verscblingefl der Bücher zementiert sich aus der Vorstellung des wilden, unersättlichen Hun· gers, den Huee 1670 bereits beschrieben hatte und der in dieser Fo nn immer wieder auftaucht: "Tagelang sitzt der Lcselustige auf einer Stelle l...J nach halb· gethancr Arbeit eilt er wie ein Heißhungriger wieder an seinen Leserisch, um seine gespannle Neugier zu befriedigen, die jedoch nie gesättiget wird , sondern wenn eine Kost ve rschlungen isr., sich schnell nach einer andern umsicht, sie auch wieder zu sich nimmt, um eine dritte zu crhasch cn«.~Jtl Wic schon bei I-Iuct steht diese Rezeptionsweise klar in Abgrenzung zu der n'fllintltio, dem Wiederkäuen der betrachtenden, nachdenkenden und ,genießen-
Vgl. SCHENDA, Rudolf: Volk ohnt BNch. SINdim '?!Ir So"{ja/gtlfhifhlt dtr popJ/lörrn LutJlojfr (1770.1910). München: dtv 1977 11 9701, S. 85ff.j zur Lesesucht 57 ff.j \'(/IlTMANN. Rein· hard: Gesthirhle du drNlsthtn BNfhhalldrls. 2., durchges. Auf). München: Bcck 1999, S. 216. Es sei fe.rner daraufhlllgewieesen, daß die konservative Kritik an der Lesesucht f:.lsl stets auch politisch motivien warj vgl. zu diesem Zusanunenhang erwa KRE UZER. Helmut: ,.Gefahr· liehe Lcsesuchl. Bemerkungen zu politischer Lc ktürckririk im ausgehenden 18. JahnlOden ." In: Ltstr NmJ Lt1tn im 18. jahrhNndrrt. Q . Hrsg. CoJloquium der Arbeit sstelle 18. Jahrhundert Gc.samthochschule Wuppcnal [... 1. Hcidclberg: Winter 1977. S. 62-74; UNG ERN .STERN BERG, Wo tfang \'on: " Leihbiblio the k und Zens ur im 18. und 19. Jahrhundert." In: Oit Ltihbibl;olhtle als [lIsn""ioll dts IittranJfhm ubtns im 18. Nn(1 19. jahrlJltltdm. O'l,an':'ano"ifonlltfl, Buliimlt, P"blileNffI. H rsg. \'o n Georg J :ager und Jörg Schönen. Hamburg: "buswedell 1980, S. 255· 310. hier S. 264ff.
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BERGK, Jo h.ann Ad2fTl: Oit KJIRSI, BNtdJtr '?!l Imll. J .::na: Hcmpcl 1799, S. 411 . HOCIIE, J ohann Gonfricd: V mmNlt Britft jjbtr die ftl';Jgt abtn,htNrrlirht u JtSJ/rhl Nnd iihtr dt1/ Ei'!flNß derrrlbtn aN.! die VtnlljndtnlRg du !JäNJlithtn "nd öjftnllirhrn Gliides. HannO\'cr: Ritscher 1794. S. 68. BEYER, Johann Rudolph Gottlieb: "Ucbcr das ß üchcrlesen. in so fern es zwn Luxus unserer Zeiten gehört. Vo rgelesen in der churflirstl. l-.hmz. Academie nützlicher Wissenschaften zu Erfun, 2fTl 2ten Febr. 1795. In: Arttl A{(Idtfflitlt I3.krtortl/is MogNllnnae 5dtntiantm JtMiNI1I qNae Etforri ul. Erfun: Keyser 1796. Heft 9, S. 1-34. hier S. 12, meine HeJ'\'orhebung.
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den ' Lektüre [III. 2], und sie wird angetrieben von der Neugierde: ..Nur die Ph antasie, die Neugierde, nicht der Verstand und das Her/. wird durch ihre Lekrür genährt. I...] Kommen sie in einen Buchladen - so ist ihr LosungsWOrt: Neues, Neues. Was über ein Jahr alt ist, ist ihnen abgeschmackte \'(faare. Broschüren, nicht Werke kaufen sie.",u9 Die Lesesucht wird also im Zusammenhang mit der grassierenden Neugierde und der Proliferation der durch den Buchdruck verfügbar gemac hten Infonnationen gesehen. Aufschlußreich ist auch die obige Bemerkung, daß Lesesüchtige Texte in Fonn von Broscbürell lesen, denn dabei handel t es sich genau um das medientechno logi sche Korrelat der oben beschriebenen ,Einweg'-Texte, wir haben es mir de n cbapbooks zu tun, die oben schon im Zusammenhang mit Defoes Robinsoll e msoe angesprochen wurden. \'<'enn nämlich das ]meresse am Tex t bei Erreichen seiner ,Auflösung' im Schlußkapitel erlischt, dann verlieren hoch\verrige, ,für die Ewigkeit' in Leder gebundene Bücher ihre D aseinsberechtigung. D er Buchmarkt reagiert sc hnell auf dieses Bedürfnis nach billigen Büchern durch das Angebot ungebundener Texte: Ein Folioboge n läßt sich durch falzung in 16 Seiren verwandeln, Broschüren bestehen demgemäß aus einem oder mehreren solcher Heftchen. Solche Broschüren sind also das mediemechnologische Korrelat der extensiven Lektiire der Jpolllllmg, und sie treten schon hier ihren Siegeszug an, der durch die Bibliotbeqlfe Blme oder Rec!o/!/s fo rtgesetzt wird und bis heute als Taschenbuch oder gar Bastei-Hefrchen das Bedürfnis nac h billige n Einwcg-Textcn befriedigen.4.10 Im übrigen emspricht die zunehmende Verbreitung des billigen Buches dem zuvor berei ts angesprochenen Befund, daß mit der Emstehung der extensiven, fikti onalen Lektüre der Spannung die allmähliche Durchsetzung der Leihbibliotheken koinzidiert, welche den steigenden Zugriff auf eine immer größere Anzahl von Titeln noch wcitcr vcrvieifaItigt. Bücher, die nur einmal gelesen werden,«\ müssen entweder biJlig sein - dann kauft man Broschüren - , oder man leiht sie sich einfach aus: Schon in Ansehung der Geldausgaben ist das Bücherlesen, das um des Vergnügens und um der tvlodc willcn geschicht, cin thcures Vergnügcn, denn cin geübtcr Büchcrleser kann in einem Jahrc einc Mcnge Bücher wcglescn, dic er nicht im Standc sc)'n würd, mit seincr jährlichen Einnahme zu bezahlen, wcnn H E1NZMAN N. Johann Gcorg: Apptt on mrinr Nation. Bem 1795, S. 41 3, meine Hervorhebung. Vgl. ScH ENDA, RudolE Volle olJ//r Buch. Sluditn ifI' Soifatgtflhirhlt der popNliirrn Lm.110ff0 (1770·1910). ~l ünchcn: dt\' 1977 (1 970], S. 271ff. ; vgl. zum Verlangen der Leser nach "billigen Lesesto ffen" auch ebd., S. 473. Die " Leihbiblimheken [lebten] als .Romanbibliothekcn' von der Einschätzung des Romans als ,Einmal-Lekrüre', als schnell verah ende und deshalb den ~u f nicht lo hnende Modeware"; JA GER, Georg und Jö rg SCl-IONERT: " Die Leihbibliothek als literarische Institutio n im 18. und 19. Jahrhunden . Ein Problemaufriß ." In: Die LLihbibliolhtle als Inshluh·on des IittranHhtn LLbtns im 18. und / 9. jahmundm. 0'l.anuoliongof7mn, Bestände, Pubtihm. H rsg. vo n G. J. und J . S. Hamburg: Hauswedell 1980, S. 7-62, hier S. 23.
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er sie sich alle selbst anschaffen soUre. Nun kann er sich 1... 1 hierinnen mit Leihbibliotheken und Lesezirkeln helfen.+!2 Dementsprechend serzt sich in der zweiten Hälfre des 18. Jahrhunderts zunehmend die Leihbücherei durch. Vor allem in dem letzten Jahrzehnt, al so exakr in der Zeit der ,Lesewut'-D ebarre, ge...vinnt der Prozeß eine außerordentliche Dynamik; das Re sultat "Um 1800 harre fast jede Stadt eine Leihbiblimhek."443 Und um die Jahrhundertwende steHen immer mehr Buchhändler fe st, daß sich mit dem Verleihen ihrer Bücher mehr Geld verdienen läßt als mit ihrem Verkauf. «4 Schon die Erfmdung des Buchdrucks harte nicht nur die Titcl vermehrt, sondern auc h den Zugriff auf das schriftliche Wissen eno nn dellJokratisiert, die Leihbibliothek wird jetzt die institutionelle Verl ängerung der Druckerpresse und potenziert ihre Effekte, denn sie Stellt eine ungeheure Menge von T exten aUen Ständen gleichermaßen zur Verfügung. 445 Dabei läßt sich schon früh eine Affinität zum Ro"'tllI zeigen, die sich dann im 19. Jahrhundert immer weiter durchsetz t.446 Unter den Ro manen werden ,um 1800' vor allem die hier besprochenen Gattungen gel esen: " Bis etwa 1820 lassen sich die meisten Romanbesrände unter dem Sensa cionsgenre der ,Riller-, R;juber-Imd Geistergescbicbten' (im wesentlichen Schauer- und Verbrechenslüerarur) oder unter dem empfindsam -behaglichen u ebes- IIIJd Ftl/llilienroll/ol/en ef-
ß EYER. Johann Rudo lph Goltlieb: "Uebcr das Büc herlesen, in so fern es zum Luxus unsercr Zeiten gehört. Vorgelesen in der churfu rstL Mainz. Acadcmie nützlicher Wissenscha ft en w Erfurl. am 2ten Febr. 1795. In: Acln Amdtmül( EJerlor(llis MogJlnlillnr Sr/tntinrJI", HlilillHl qllllt Eifllrti uf. Erfurt: Keyscr 1796. I-left 9. S. 1-34. hier S. 6. MARllNO, l\l bcrro: ,.D ie de utsche Leihbibliorhek und ihr Publikum_" In: LiltralNr in dtr so'{jnltn Bru't'gHng. AHftiili! Nnd ForschNngSbrnchtt i!'''' 19. jahrlJNndtrt. l-I rsg. \'on A. l\'L Tiibingen: Niemeyer 1977. S. 1-26, hier S. 7. VgL et'.\'ll SCHEND". Rudo lf: Volk ohnt BII(h. StIldien t!'r So7jalgurhithtr drr popHlii'rrn Lests/~ (1770-1910). München: drv 1977 [1970], S. 203f. Vgl. dazu auch LANGENBUCIIER, W/olfgang: " D ie D emo kracisierung des Lescns in d er zweiten Lcserevolutio n. D oklUllentauo n und Analyse." I.n: Lesm 'md Lehtn. Eine Publikation des Börsenvereins des deutschen Buchhandels [... 1. l-Irsg. \'on Herbert G. Göpferr er al. Frankfurl / M.: Buchhändler-Vereinigung 1975. S. 12-35; MARTINO, Alberta und Marlies STOrLEL- ]>RÜSENER: " Publikumsschichten, LesegeseUschaften und Leihbibliotheken." In: DrIllseIN LiltralNr, Eint So7jn/gesrhichlt. l-Irsg von H orst Glaser. Ud. 1-9. Reinbek: Rowo hlt 198Off. Ud. 5. S. 45-57. Dabei schwankt der Anteil der BeUetristik noch stark, selbstverständlich herrscht vor allem zur Zeit der Aufklärung noch ein starkes Interesse an Sachliteratur. Leihbüchereien, die sich auf gclchrles Schriftrum konzentrieren, weisen um 20% Belletristik auf, dage!,'Co gibt es aber schon wn 1800 Einzelfalle, die bereits fast ausschlicßlich Untcrhaltungsschriften verleihen. D emgt'mäß erreicht die Enrwicklung der t.'\.1tnsit'tn Lektüre fiktional er Unterhalnlllgsliteratur erst r-,·tittc des 19. J ah rhundcrls ihren Hö hepunkt. Vgl. J ÄGER, Gcorg, Albcrlo iI.'lARllNO und Reinhard WrrrMANN (Hg): "Zur Geschichtc der LeihbibliOlhcken im 18. und 19. J ah rhunderI." In: Dir Ltihbibliolht/e dtr GfJtJhti!it. E:>'?Hlplorischr Kota/ogt tJlischtn , 790 Nnd ISJO. I-Irsg. von G. j., A. M. und R. \Vi. Hildcsheim: Gerslcnberg 1979. S. 477-5 15, hier S. 478 und S. 485; M/\R'nNo. Albcrto: " D ie deutsche Leihbiblioth ck und ihr Publikum." In: LiltralNr in dfr so~nkn BtJJ'I'gNng. A1ifsiitrf Nnd Ffmr!;NngSbrrid;lr ~m 19. JahrhNndtrt. Hrsg. von A. M. Tübingcn: N iemeyer 1977, S. 1-26.
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fa ssen_"447 D ie Leihbibliothek bedient selbsrverständlich die Rezeptionsweise der IVeugierde. Bei Bergk heißt es: " Wir lese n die Buecher, die wir selbst besizzen, immer am wenigsren, wenn wir an einem Orte wohnen, wo große Lesebi bliotheken sind, und wo wir immer das Neueste aussuchen können."448 Die Leihbiblio thek pmenziert sowohl Sclmelligkeit als auch Extensi/litiü, weil vor al1em die beliebten ,Novitäten' nur tage- oder wochenweise ausgeben werden. 449 Dementsprechend artikuliert die Lesewut-Debatte auch Kritik an der leih bibliothek, die sich mitunter liest wie heuriges E ifern gegen Spielhöllen oder dergleichen: " Dieselben zeitgenössischen Stimmen, die gegen die verhängnisvolle Lesewut eiferten, haben sich vor allem den Leihbibliotheken als wichtigster Brutstätte dieses Lasters angenommen. Sie galten al s ,mo ralische Giftbuden und Bo rdelle', die ihr ,Arsenik des Geistes' jung und alt, hoch und niedrig einträufelten."4so Ein Ansatzpunkt der LesewUf-Kritiker besteht in dem Vorschlag, die sorgfaltige Auslese der Bücher in den Leihbibliotheken staatlich zu kontrollieren; Beyer etwa empfiehlt, daß die Leitung solcher Biblio theken nur doch durch " Bücherkenner" erfolgen dürfe, welche die ßuchbeständc im ständigen Kontakt mit der ,gelehrten Welt' auf nÜlL:liche T exte einschränken sollen. m Dieselbe Kritik wird übrigens auf andere neue Distributionsfonnen von Texten ausgeweitet, etwa die Almanache, Kalender und Zeitschri ften. Es ist diese von den Zeitgenossen erlebte, explosionsartige Vermehrung der Textbestände und die Vereinfachung des Zugriffs, welche zur ß ildwelt der Seuche führen: " seit dieser Rornanenseuche, sind an den kleinsten, sonst unbedeutenden Orten öffentliche LeseJäden errichtet worden, wo man ehemals von der-1011
JÄGER, Gcorg und Jö rg SCHONERT: " Dic Leihbibliothek als literarische Institution im 18. und 19. Jahrh unden. Ein Problemaufriß." In: Dit Ltihbibliolhtle als InstilN/ion des liltra,jschtn Ltbtns im '8. Nnd 19. JahrilNndtrl. Orgonisationsfon1ltn, Best/indt, Pllblikxm. Hrsg. von G. J. undJ. S. Hamburg: HauswedeU 1980, S. 7-62. S. 22. Vgl. auch J örg SCHONERTs Aufsatz in demselben Band: "Zur T )'lx>logie und Stratcgic der Schaucr- und Verbrechensliterarur (1790-1860),S.165- 195. BERGK, Jo hann Adam: Dit Kunsl, Blluhtr t!' Imn. Ntbsl Btmtrkxngtfl Ntlnr 5{hnJten lind Schrijislrlltr. Jena: Hempel 1799, S. 34. "gerade bei den Romanen mit ihrem untcrhaltcnden Charakter vedangten die Kunden immer wieder ,Novitäten'. so daß gute Leihbibliothekcn ihre Bestände ständig cm euenen." J AG ER, Georg und Jö rg SCHON ERT: " Die Leihbiblio thek als literarische Institution im 18. und 19. J ahrhundcn. Ein Problemaufriß." In: Dit
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Ltihbibliolhrle als Institlltion dtS lilrran'Sfhtfl Ltlnns im 18. Nnd ' 9. Jabrhllndtrt. Organisationifomltn, &sliindr, PNblikxm. Hug. von G. J. undJ. S. Hamburg: HauswedcU 1980, S. 7-62, hier S. 21. Ebd., S. 45. Wl'lTM/\NN. Reinhard: Gu{bichtt du dtutsdun BII{hhIllIMls. 2., durchges. Aufl. München: ß eck 1999, S. 211. BEYER, J ohann Rudo lph Gonlieb: " Ueber das Büeheriesen, in so fern es zum Luxus un serer Zeiten gehön . Vorgelesen in der churrurscl. Mamz. Academie nützlicher Wisscnschaften zu Erfun, am 2tcn FebL 1795. In: Acta A fM/miat Eltctorabj Mogllntinat Scitntial'llm IIfitilllfl qNae EifNm esf. Erfurt: Keyscr 1796. Heft 9, S. 1-34. hier S. 32-34; ganz ähclich im Epilog von HOCHE, Johann Gottfried : Vtrfralilt Bntft iibt,. dit jt't!i! abentMlltrli{ht LtsUII{hl lind iibt,. den Einflllß dmtllnn 019 dit Vtmlindtnmg des hÖlIslichen lind öJfonllirhtn Glikles. Hannover: Ritschcr 1794, S. 146.
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gleichen Dingen gar nichts wüßte; wodurch also die Allgemeinhei t der Seuche rech t national geworden"m; " Die Lesesuchr ist [...1ein wirklich großes Uebel, das so ansteckend ist, wie das gelbe Fieber in Philadelphia".453 Man kann diesen Aspekt der zunehmende Verbilligung und Verfügbarkeit der T exte im Z usammenhang mit der extensiven Rezeptio nsweise gar nicht genug hervorheben, da er die Medieruandschaft bis heute do miniert. Ein Kulminationspunkt wird im 20. J ahrhundert durch die Durchsetz ung der elektronisc hen Medien (Radio, Pern sehen) erreicht, bei denen bezeichne nderweise GeldJwrt und (f7iederbolbarkeit der T ex te simul tan annulliert werden. D agegen hängt das BildarsenaJ einer gefahrli chen, schädlichen Sucht offenbar mir dem Aspekt der Neugierde zusammen. Denn die neue, extensive Form der Lektüre des Geheimnisses ist für die ,Abhängigen' vor allem deshalb fa tal, da die final geschürz ten Spannungsbögen einerseits die Lektüre immer mehr beschleunigen (der ,Trip' der Süchtigen wird immer kürzer), wohingegen das E rlöschen des Interesse am Ende des T ex ts die Dringlichkeir nach neuem ,Stofr nur noch dramatisiert. Die zeitgenössischen T exte zeichnen alarmierende Szenen solcher bedauernswerter Lesesüchtigen: Daher sicht m an Bücherleser und Lcscrinnen, die mit dem Buch e in der H and aufstehen und zu Bette gehen, sich damit zu Tische setzen, es neben der Arbeit liegen haben, auf Spaziergängen sich dam.ir tragen, und sich von der einmal angefangenen Lek türe nicht wieder trennen können, bi s sie sie voUender haben. Aber kaum is t die letzre Seite eines Buches verschlungen, so sehen sie sich schon wieder gierig um, wo sie ein anderes herbekommen wollen , und wo sie nur irgend etwas auf einer T oilette, auf einem PulTe, oder sonsr wo erblicken, das in ihr Fach gehön , oder fu r sie lesbar scheinet, da nehmen sie es mit, lind verschlingen es m ir einer A n von Heißhunger. Kein T abaksb ruder, keine Kaffesc hwester, kein Weimrinker, kein Spielgeisr kann so an seine P feife, BoutciUe, an den Spicl- odcr Kaffee tisch, anachin se)'n, als manche Lcschungrige an ihre Lcscre)'en.· 54
In diese Rede von der Sucht der Bücherabh ängigen läßt sich natürlich auch die diätetische Bildsphäre hervorragend integrieren. Aus der speisenden N ahrung der Heiligen Schri ft wird jetzt ein " Betäubungsmittel" oder ein "Gift": " D er Leser verschluckt G ift, ohne es zu wissen, und labt sich an Z aubertränken, ohne die fürchterlichen Wirkungen zu ahnden, die sie für seinen Ko p f
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HE.INZMANN, Johann Georg: Appel an mtint Nation. Bem 1795, $. 147. HOCIIE, Johann Gonfricd: Vtrlrallie Brirft ;;!Jtr ,lirjt't!§ abtnlhtll(r/kbt Lmsllehi llnd ;;!Jtr drn Einflllß dmtlbm all! dir Vtnnindmmg du hÖlIslimrn lind i[Jfonfli(hrn Gt;;rJes. Hannover: Ritscher 1794, S. 68. BEYER, Johann Rudo1ph Gottlieh: "Ueher das Bücherlesen, in so fern es Ztun Luxus unserer Zeiten gehört. Vorgelesen in der churftirstl. Mainz. Academie nützlicher Wissenschaften zu Erfun, am 2ten Fehr. 1795. In: Ae/a Aem/tmiae Eke/oratis Mogllnhlult Sdtntiantm Nh'h'Nm qNat 6fNrti u f. Erfurt: Keyser 1796. Heft 9, $. 1-34, hier S. 7.
und für sein Herz haben" .m T atsächlich kann diese Sucht töd lich enden, wovor Be rgk deutlich warm: " Die Folgen einer solchen geschmack- und gedankenlosen Lektüre sind I...J unsinnige Verschwendung, unüberwindliche Scheu vor jeder Anstrengung, [...1 Unterdrückung der Stimme des Gewissens, Lebensüberdruß, und ein früh er T od. « 456 O ffen bleibt nur noch wer die Leser sind, und welche StO ffe sie vorzugsweise ko nsumieren. \'\fie scho n so oft erscheinen auch hier die Frauen als ,dumme' oder beso nders ,gefährdete' Leser: wenn man unser weibliches Publikum l...] genauer srudiert (...1, und weiß, daß es sein Leben mit der Lektüre ged ankenloser Ro mane hinbringt, und daß sich seine D enkungsart mit jedem Buche verändert, so wird man nicht leugnen können, daß der Einfluß des BücherIesens auf die Menschen sehr groß sei. D ie meisten Frauenzimmer lesen nichts als Romane: [...] so lche, die ihr Gefühl verstimmen, sie in eine Zauber- und Geisterwelt hineinwerfen, zu Riner- und Saufgelagen führen, eine übernatürliche Empfmdclei in ihnen rege machen, ih re D enkungs- und Sinnesart verkehren, dies sind ihre Lieblingsschri fmeller, an die welche sie Zeit, G esundheit und Leben verspielen.457
Bei den Lesesto ffen handelt es sich also ebenfalls durchaus um die bisher beschriebenen Ro mangattungen. Aus der Retrospektive vo n 1794 veron et etwa Hoche den Ursprung der "Lesesucht" wie folgt: Wenn man die Schri ften ansiehet, die o llOge fahr seit zwanzig Jahren unter den l\'lodclesern graßirten, und nun leere Pl äne in den Biblio theken ausftill en: so wird man die Periode der G enien, der Empfi ndsamkeit oder Em pfmdclei (... 1 nicht verkennen. D iese Periode ist von einer anderen verdrengt, in welcher Wunderdinge, Abscheulichkeiten, Rinennähren, die Gegenstände der Lek rür e sind. 4S8
E in ähnliches Bild zeichnet Heinzmann: Unsre Lescläden enthalten o hnehin fa st nichts als Ro mane, Schauspiele, Reisen; und die Reisen sind ja größtentheils Roman; halb Lüge und halb Wahrheit. (..,1 Betrachtet man noch weiter d ie Fo lgen der verliebten Romanen, so wird
".
B EKGK , Johann Adam:
Die /VIn!I, Blm ber
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lesen. NebSI BemerJennl/n uebtr Schriften lind
SrhrijlJltlltr. Jcna: Hcmpcl 1799, $. 264, zuvor $. 41 5. Ebd., S. 41 2. Ebd., S. 41 3,
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HOCHE, Jo hann G on fricd : Vtrfrulllt Bn'tft übtr die jt'i!!! abtnlMlltrljrhe LtJeJllrhl lind iibtr den Einflllß dffIelben Oll! die V trl'1lindmmg du hiJil1lirht" lind öffinlh'(Mn GIÜrh . H annover. Ritscher 1794, S, I Sf.
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man da noch weit mehr zu tadeln find en.( .. .J N un aber führt die Abwechslung auch Rinergeschichten und hoechst schreckhafte Scenen herbe}" die schwachen Ner\'en werden onguponll,.459
Beyer: weil man f...1jetzt Sagen de r Vorzei t, Ri ttergeschichten und Scenen aus der alten Weh [liestJ , wo Menschenblut wie Wasser fli eßt; zur andern Ze it empfind sa me Ro mane, wo das T öd ren einer Fliege Al terationen erregt; sodann wied er Hexen und Zaubergesc hic hten , Fee nm ährehe n , Reisebeschreibungen, Briefe über Länder und Sitten ließt, je n achdem es die ~·t ode mit sich bringt. 460
Es
Abb. 23: Dars reUung einer romansüchcigcn Leserin, die ihre Pflichten als Mutter vernachlässigt. Kupferstich von 1798.
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wird deutlich, daß schon aus der Rer.rospektive Mine der neunziger Jahre des 18. Jahrhun derts klar Reiscro man, empfindsamer Roman und Schauerroman als zentrale T extgartungen erfaßt werden, und ferner diagnostiz iert man auch scho n ein Abfolgeprinzip
HE1NZMANN,Johann Georg: Apptl an mrint Nalion. ß ern 1795, S. 143f.. meine I-ler\'orhcbung. ß EYER, J ohann Rudo lph Gorilieb: "Ucbcr d as ßücherlesen, in so fern es zum Luxus unserer Zeiten gehört. Vorgelesen in der churflirstl. Mainz. Academie nützlicher Wissen schaften zu Erfurt, am 2ten Febr. 1795. In: A rM A radtl!liae Elrcloralis A'!ogllfllinae Srirnlimlllfl IIlihilm quae E,jlmi fsl . Erfurt: Kcyscr 1796. He ft 9. S. 1-34, hier S. 5.
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der Übersteigerung. Diese Befunde aus der Lesesllchl-Debattc lassen sich durchaus durch Belege aus der autobiographischen Literatur untermauern; man wird erneut unwillkürlich an den heutih>en Konsum von Computerspielen erinnert. Wie immer ,s tilisiert' solche Selbstzeugnisse aus der Retrospektive auch sein mögen, sie bes tätigen kJ ar die umrissene Rezeptionsweise in allen D etails: Schnelligkeit der Lektüre, Vielzahl der gelesenen T exte, die beschriebenen ,extensiven Textgatrungen ', also wie oben (unter anderem) Reiseben·chte sowie Liebes- und Sr/NII/erromane, die finale O rientierung dieser Lektüre und, daraus erwachsend, die Rezeptionswcise der Sptwnllng, und zuletz t dic Leihbibliothek als Verteilerstelle dieser L.esesroffe. Zwei Belege hi erzu seien ausftihrlich zitiert. Friedrich Christaph Schlosser berichtet über die Zeit seiner Jugend um 1790: In dieser Zeit ward eine Lesebibliothek, die schon vorher für die Offiziere in unserer Stadt errichtet war, sehr erweitert und auf mehr als tausend Bände gebracht. Ich begann schon in der Tertia das Lesen dieser Bücher, war aber zu sehr durch Arbeiten beschäftigt, als daß ich es härte zu weit treiben können, obgleich ich schon damals zwei und auch drei Bücher in einer Woche las. Als ich nach Sekunda kam, wo uns d er Ko nrekto r nicht zu beschäftigen verstand, ward das Lesen eine Wut. Reiseb eschreibungen , Rom ane, L.cbensbeschrcibungen, sogar solche wie Bahrdt's Leben und andre, kurz alle Prod ukte unserer damals erst recht aufblühenden Uterarur wurden von mir verschlungen. Ich hatte in Zeit von d rei Jahren über vierlausend Bücher d urchlaufen [.. .].461
Ganz ähnLiches berichtet Karl August Varnhagcn von Ense; die Begebenheit dürfte sich um das J ahr 1795 abgespielt haben: hier l... 1han e sich eine Leihbibliothek eingemietet I.. ,], Da fa nd sich denn ausgestellt, was nur mein Herz begehrte, Ritter- und Geistergeschichten, R.1ubcrromane, U ebcsabenteuer, Robinsone und W undennärchcn aJler Art. Ich hatte daheim Bücher genug und las viel und gem darin, aber solche Bücher wie die bezeichneten feh lten mir ganz und gar. Ich ko nnte d er Versuchung nicht widerSTehen und verschaffte mir den erwünschten und leider auch verbotenen Gen uß! [... } Ich las also heimlich, mit allem Eifer und aller Spannung eines jugendlichen Sinnes, und fti hlte mich glücklich in dem phantastischen Leben, das neben dem wirklichen so zauberisch mir aufging. l... 1War eine Gcschichte abgebrochen, etwa der zweite Theil n icht vorrätig, so empfand ich die lebhafteste Unruhe und konnte mich gar nicht zufrieden geben, als mein Lesen wirklich zum Schlusse kam, bevor ich den einiger angefangenen Romane erlangt hane! Noch lange Zeit nachher hafteten die Titel verdrießlich mahnend in meinem Gedächtnis, und das Unglück wolhe, daß sie sonst mir nie mehr vorkamen, denn höherscehende Leihbiblio theken hielten schon auf bessere Auswahl. Erst zwanzig Jahre spätcr in Bö hmen, wo durch Zufall solcher Schund noch unAbgedruckt in VO LKMru~N, Ernst (Hcsg.): Erltbnim mit ßjjrJ)(rn in dtlllHhtn Sdbl't!lIgnimn. Bd. 1-2. Weimar: Q. A. 1937/ 1940. Bd. 1, $. 39.
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verzehrt lag, konnte ich dem unvergessenen Anfang eines solchen Buches den unbekannten Schluß endlich anreihen, und ich gestehe, daß ich mir diese G enllgrullng nicht versagte :~62
Die zeitgenössischen Belege do kumentieren kJar den finalen Fluchtpunkt der exlensitJen Lektüre, und benutzen in diesem Z usammenhang durchgehend den Begriff der Sp(mnlmg, entsprechende SteUen in Z itaten von Beyer (gespaNnte Neugier), Heinzmann (die schwachen Nerven werden angespaNn/) und Varnhagen von Ense (Ich las also heimlich, mit aUern Eifer und aUer Spamllmg eines jugendlichen Sinnes) wurden o ben kursiv hervorgehoben. 4G3 Es ist jedoch zu betOnen, daß, wie oben erwähnt, der Begriff ,Spannung' hier noch nich t eine T exteigen schaft oder Rezeptionsweise bezeichnet, wie ...vif es ron, wenn wir von spannenden Büchern oder Lektüren sprechen. Hier steht er noch im Kontext der seelischen oder nervlichen Spannung und bezeichnet noch nicht einen Modus des Lesens, sondern den Zmland des Lesers; das belegt auch folgende SteUe: Da es den Schriftstellern, die für die Unterhaltung der Lcsewelr arbeiten, nicht darum zu mun ist, Nutzen zu schaffen, sondern gelesen zu werden: so bedienen sie sich aller Mittel, welche ihren Geistesprodukten einen Reiz, eine anziehende Kraft geben und die Begierde spomun, o hne zu berechnen, ob auf die SpOlIlIIWg Erschlaffung, oder auf die Sättigung Fieberhitze fo lgt. Gleich den Mundköchen großer Herren, welche die einfac hen und gesunden Speisen mit so viel fremden Lind reizenden G ewürzen, Süßigkeiten und Säuren versetzen. wodurch die Eßlust vermehrt, aber auch die Speisen ungesund gemacht werden; gleich diesen vermischen die Schri ftsteller die guten lind gesunden Gedanken, welche sie dem Publiko auftischen, mit so vielen, die Einbild ungskraft erhitzenden Bildern, sc hlüpfrigen Gemählden, wollüstigen Süßig keiten, witzig scheinenden Einfallen &c., welche auf die Sinnlichkeit des Lesers einen weit tiefem Eindmck machen, und weit bleibenderc Wirkungen zurücklassen, als die wenigen belehrenden und bessernden Wahrheiten.464
"62
VA&"JHAGE..'-J VON ENSE, Kar! August: Dmhiirdighitm du rignm Lebens. ßd. 1-2. ß cdin: Rüncn & Locning 197 1. ßd. 1, S. 90f. Ein früher Beleg im Zusammenhang der T exrrczeprion. die erste deutsch e Übersetzung des Troiti von H uet (1682), steht dagegen noch im KOnlcxt der D auer der OndlJNrmdm AN!mrrleJolllhit. " nachdem sie weniger wnbschweiffe gebrauchen I spannen sie Idie Romane] den Geist nicht so sehr ein [nt ttndtnt pos tontl'upri1 " . H UET, Pierre Danicl: T roiti de roriginr des romons. Faksimiledruck nach der Erstausgabe von 1670 und der Happclschen Übcrsen:ung von 1682. Hrsg. von Hans Hinterhäuser. Stutlgan: r-.ler-.der 1966, S. 7 u nd
S. 105. BEYER, Johann Rudolph Gonlieb: "Ueber das ßücherlesen, in so fern es 7.unl Lux us unserer Zeiten gehö n . Vorgelesen in der churflirscl. Mainz. Academie nützlicher W issenschaften zu Erfun, am 2ten Febr. 1795. In: Ario A (l1Iltmiot Elrrtoro/is MogNn#not Sn'enfianun NJiIiNm qNoe EifNrli uf. Erfurt: Kcyser 1796. He ft 9, S. 1-34, hier S. 16f.
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Wichtig ist dagegen der Befund , daß sich die Verwendung des Begriffs der (Seelen -) Spannung im Z usammenhang mit der TexIrezeptio n bereits um 1800 habitualisiert. Die avancierteste Verwendung des Begri ffs ,um 1800' findet sich bei SchJegel , der etwa schon 1798 den Reiz der ,vielen schlechten Bücher' auf "die Spannung der Neugier"46S zurückführt. Von hier ist es nicht mehr weit zur festen Verbindung des Begriffs mit einer Rezrplionsweise um die Mitte des 19. J ahrh unden s. D abei zeigen schon früh e Äußerungen Schlegels, daß die ästhetische Theorie eine nachträgliche Anbindung des Spannungsbegri ffs an die aristotelischen, ursprünglich am D rama erprobten Wirkungskategorien von ,Schauder' und ,F urcht' sucht (eine Fehlinterpretatio n, die sich in der Fo rschung bis heU[c nachweisen l äßf~6('); bei Vischer heißt es dann schon 1847, daß bei Aristoreles " in der Furcht namentlich das besondere Mo ment der Spannung hervorzuheben ist, in welcher außer der steigenden Bangigkeit, die selbst nicht o hne Lust ist, sobald der Z uschauer sich au f der Seite der dro henden Krafr schl ägt, noch ein Reiz der Wißbegierde liegt. «467 Eine Verwendung des Begri ffs im heutigen Sinne läßt sic h erst in Apho rism en Orto Ludwigs nachweisen, die zwischen 1840 und 1860 em standen sind.
SCIILEG EL, Fried rich: Ktih"scm Ausgabt. Bd. 1-22. München et al.: Schöningh 1958ff. Bd. 2: Chamlettristiktn und Krihlun 1, S. 330 ~,G esp räch über die Pocsie'l Noch wenige J ahre zuvo r oszillien dcr Begriff bei Schlegel noch sriirker, e[W3 in dem Aufsarz "Ober das Srudium der griechischen Posic" (1795-97) im Z usammcnhang mit der dra marischen Spannu ng; einige Stellen seien als Beispiele ziticn : " In stetem Schrccken würden wir bis zur ßewußdosigkcit erst2rren; in steter Rührung zerschmelzen . Sopho kles hingegen weiß Sch recken und Rührung im \'oUko nunenstcn G leichgewicht wohltätig zu mischen, an treffenden SteUen durch entzückende Freude und frische Anmut köstlich 7-U würzen, und dicses schöne Le ben in gleichmäßiger Spann ung über das G anze zu \'erbreitcn." "Statt einer gleichmäßigen Spannung in einem wo hltätigen Wechsel \'o n Bewegung und Ruhe lbeim Schö ne n-Guten] wird {heim H äßlich-Schlechten] d ie T eilnahmc durch ein schmtrzli{ms Zm rn in widersprechende Richrungen hin und hergerissen . Wo sich das G em üt nac h Ruhe sehnt. wird es durch ':(!rriitrndt lY/ul gefolten , wo es Bewegung verlangt, durch schlrppmdt lI1attigktii ermüdet" ; ..Wenn es dem Wunderbaren, der Kraft, dem reizenden Leben an glücklichem Ebenmaß, an freier H armonie, kur,o; an schiintr Organisation fehlt, so kann tragische Spannung wohl erregt, aber ohne Mo noto nie und Frost nicht lange genug erhalten, und in einfacher Reinheit ü ber ein großes ganzes verb reitet werden." Ebd., Bd. 1: Sfliditn du kkmischrn A lttrlums. S. 298f., S. 3 11 , S. 336. oIU
So greife n psychologisch in spirien e Texte b is heute AristoteIes' Wirkungskategorien vo n tlws (l ammcr) und pbobos (Schauder) au f und deuten diese als Ursprung der Spannungstheo rie. D ie Begriffe werden dann ,frei übcrserzt', etwa mit ,Spannung und Rührung' (vgl. CONRAD, H orst: Die litrruriscm Angst. Das Sc!JrtcleJicbr in SchautrromantiJe und Dtltletivgeschichlt. D üsscldorf: Bcnclsmann t 974, S. 11 , sowie die bei JoUes entstandene D isserta tio n G ARTE, H ansjörg: Kunstjorm Schautrroman. Eint morpbologisdlt &griffibtshinn/lmg du Sensah"onsromans im 18. Jahrhundtrt t'O n lValpoks ,Cmtlt oj Otmnto' bis j ran Pauls ,Titan '. Leip zig: G arte 1935). Innerhalb dicser Logik macht cs dann sicherlich Sinn, die kathartis als Auflösung zu verstehen. Vgl. e[Wa BoRRINGO, Heinz-Lothar: Spann/mg in Ttxl und Film. Spannung und SusptnR al.; TrxM,arVtifflngskot(gorim. Düsseldorf: Schwann 1980, S. 38f.
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VISCHER, Friedrich Theodo r: A SlhttiJe odt, IViSStnscbaji des Schi/nm. Teil I-} Sruttgan : ~läc ken 1847- 1857. T eil 1, S. 330f.
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Hier heißt es in einem T extabschnitt, det mit "Spannung im Drama" überschrieben ist: J e größer die Spannung eines Srückes, desto leidcnschafdicher verlangen wir vorwärts zu kommen, desro leidenschafdicher verabscheuen wir alles, was uns hemmt. Wer eilt, um etwas zu erfahren, dessen \,(lissen er leidenschaftlich begehrt, der wird keine Augen für die Schönheit seines Weges haben und für das Schö nste, Witzigste, was ihm ein Begegnender mineilt, für die geisrrciclme, amüsanteste Unterhaltung kawn ein halbes O hr; ja er wird den Begegnenden, der ihn aufhalten will, und dem er unter anderen Umständen snmdenlang lauschen könnte, los zu werden suchen, je schneller je lieber. Eine Regel wäre also: in Stücken mit großer Spannung immer das einfachste Wort zu wählen.468
Dieser kurze Abschni tt bestätigt noch einmal alle d rei Faktoren, die oben zU[ Definitio n der Lek/üre der Spanl1ung verwendet wurden: Ilifommtiol1slIJangel, Re/arda/ion sowie die daraus resultierende Schl1elligkeit der Rezeption shandJung. Ein Apho ri sm us mit dem Titel "Tragische Spannung" berom die Ausrichtung der Ungeduld auf das Ende des T exts: ..\Vie denn überhaupt in der T ragödie keine Spannung sein darf, al s eben jenes immer intensive r we rdende GefühJ des Ausganges, also das immer uneotrinnbarere Notwendigwerden des Ausganges selber":"''} Von daher belegen Ludwigs Äußerungen zur dramatischen Spannung aber auc h, daß ein unbestreübarer Zusammenhang zwischen der Rezeptionswe ise der Spannung und der ex/emilJtIl Le ktüre besteht. Vor allem die Beronung der Ullgeduld läßt aufhorchen. Mir sind Rc Ocrionen über den srhllrlltll Kon sum literarischer T exte erst seir der Neuzeit bekannr gewo rden - ein Indiz dafür, daß die Lek/üre der Spofltllmg, zumindest in dieser Fa ssung, erst eine neuzeitliche Errungenschaft isr. 470
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LUDWlG, Ouo: Gela11l11lt/Je S (hnjitn. H rsg. von AdolfSlem . Bd. 1-6. Leipzig; Grunow 1891. ßd. 5: SINditn lind !erih!(!Jt 5rhriftrn. S. 425f. (Unter ,Dramamrgische Aphorismen' 18401860), S. 425. Ebd., S. 426. D cr überraschende Befund bezieht sich also zWlächst cirunal auf den spezifisch deutschen Begriff der SpannNng. Sichere Aussage n übe r die Vorgeschich te ließen sich nur gewinnen, indem man parallel überprüfen würde, inwieweit sich im G ravitationsfeld der Rcrardationstheorie im roma nisch-englischen Sprachrawn ein ähnliches Ergebnis einstellt.
6. Die Wiedergeburt des Geheimnisses im Geiste der Kunst (GOETHE) Die Lesewut als Exponent der Lektüre der Spannung kennzeichnet den Endpunkt einer Bewegung, deren Anfang oben in der naturwissenschaftlichen Revolution Bacons und ihrer Legitimation der Neugierde verort.et wurde [111. 4] . Der Prozcß der Au fklärung hat dann das substamieUe, prinzipiell unlösbare Geheimnis ausgelöscht; Max Weber nennt das Ergebnis bekanntlich ElI'zollbenmg:m Das würden einerseits die oben analysierten Textgattungen untcnnauern, denn ihre endlichen Geheimnisse sind " fiktiv", sind von Menschen hergestellte Konstruktionen, deren Überwindung dem Leser eine spannende Unterhaltung bieten und die dann am Ende des Textes aufgelöst werden. Diese neue Einstellung zum Geheimnis zeigt eine klare Differenz zur Vonnoderne, und zwar hinsichtlich des gesamten Weltbil des. In der Vormoderne gibt es gemäß Augustinus von Gon erl aubte und verbotene Geheimnisse [111. 1] . Die Wirklichkeit ist demgemäß in zwei Sphären geschieden: In der einen befinden sich die Dinge, die Gort den Menschen zeigt, um sich ihnen zu offenbaren; in diese Sphäre gehören auch die Geheimnisse der Heiligen Schrift. Der andere Bereich dagegen enthält all das, was Gon dem Men schen enlile!;I, es ist die Sphäre des götdichen Erkenntni svorbeh ahs. Von diesen Naru rgeheimnissen kann man allenfalls wissen, daß es sie gibt. Aus der Disposition, daß es Orte und Räume des Naturgeheimnisses il1 der IWel1 gibt, folgt jedoch, daß es il1l1cr!;(db der so verstandenen Wirklichkeit eine Sphäre gibt, die für das menschliche Erkenmnisvenllögen im eigentlichen Sinne IInerkml1bar isr. In dieser Auffassung koexistiert Sichtbares und Unsichtbares in der Wirklichkeit. In die Sphäre des Uncrkennbaren eindringen zu wollen heißt, das Hoheitsrecht Gones über seine Geheimnisse verletzen, heißt, sein wollen wie Gon. Solches Aufbegehren gegen götdiche Verbote ist Sünde, ist ein teuflisches Verbrechen. Es verwunden daher nich t, daß die Vertreter der neuen Wissenschaft, Bacon, Galilei, und auch Paracelsus sowie Nostradamus in den Verdacht gerieten, die O pfer teu flischer Einflüsterungen zu sein. Die zunehmende Verarbeitung dieses Sachverhalts in der Literatur bezeugt diesen Ko nflikc " Das Teufelsbündner-Mo civ raucht gegen Ende des Mittelalters immer häufi-
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WEBER, r-.hx: Gua11Jmtllt A lljiiil-{! ~r IVligionJJOifologit. ßd. 1-3. Tübingcn: r-,Iohr 1922ff. Bd. 1, S. 94 (.,D ie prOlestantische Ethik und der Geist des Ka pitalismus") ; für Weber beginnt dieser Prozeß allerdings bereits in der altjüdischen Prophetie und finder im aufgeklärten Protestantismus sein Ende. Vgl. insgesamt auch BoLZ, N a rben: ANSZUg aNJ der rnlZI1Nbrrltn lY/tll. PhiloJophiJ(!Nr Extrt",iJmNJ ~ iJ(htn dtn bridtn Wtllkritgtn. Müncben: Fink 1989.
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ger auf. ,,472 Typischerwei se wird das Verbrechen des Aufbegehrens gegen G Ort als abschreckendes Beispiel dargesteUt, an dessen E nde vorwiegend Reue lind Umkehr, aber auc h der gräßliche Untergang stehen kö nnen. In diesem Umfeld positio nierr sich dann auch der große Publikumserfolg der Lebensgeschichte eines gewissen FOJfJI. D er T ext, der noch weitgehend den Strukturmerkmale n der mittelalterlichen Legende folgt, wurde 1587 ano nym bei Spies in Frankfurt gedruckt, erfuhr dann vor aUem im ersten Jahrzehnt immer wieder neue Au flagen und wurde zügig ins E nglische überse tzt.471 Noch 1624 hält Wilhehn Schickard die " D ocro ris Fausti legenda" für eine sehr berühmte ("fam osissimaU) Geschichte, rue den Vergleich mit internationalen E rfo lgs titeln nicht zu scheuen brauchte. 474 Faszinierend an ruesem T ext ist die O sziIJatio n zwischen eine r mittel alterlichen Scheu vor dem gö ttlichen E rkenntnisvotbehalt und der freizügigen Belieferung der Neugierde des Rezipienten. Schon Fausts Wißbegierde besitz t einen frü hneuzei tlichen Stachel. D er voll ständige Titel weist zugleic h in die Vergangenheit und in die Zukunft: Hisroria von D. Johann Fauste n / dem weitbcschre)'ten Zauberer vnnd Schwartzkuensder / Wie er sich gegen dem T euffel auff eine benandte zeit verschrieben / Was er hierzwischen fuer selrzame Abemheuwer gesehen / sclbs angerichtet vnd getrieben / biß er enddich seinen wol verdienten Lohn empfangen. t"tehrentheils auß seinen e)'gencn hinderlasscncn Schrifften / aUen hochtragenden fürwitzigcn lind Gottlosen Men schen zum schrecklichen Bey. spiel / abschcwlichen Exempel / vnd treuwhertziger Warnung zusammen gezogen / vnd in den Druck ve rfertiget. (3) D er Text, der sich klar als Exempel gegen die go tteslästerliche Wißbegierde po sitio niert, bedienr also rueselbe \Xlißbegierde ausgiebig. VOt allem in der zweite n Häl fte (Kapitel 33 • 59) wird rue Neugierde des Lesers mit einem Po tpourri aus ZONberry, Beschu-'enm~ Gouckelry und Bullschafien befriedigt AbenlheJllr fo lgt auf Abenlhewr. Z ugleich wird Faust jedoch noch klar aus Sicht des mittelal terlic hen Lasterkatalogs beurteilt: Er .. trachtet [...] T ag vnd Nacht nach / name an sich Adlers Flügel / wolte aUe Gründ am Himmel vnd E rden erforschen / d ann sein Fürwitz / Freyheit vnd Leichtfertigkei t stache vnnd reitz te jhn al so / daß
."
FRENZEL, Elisabeth: Mofillt der IVtl/h·ltraINr. Ein U .'\.7Ieon difbtllngJ!.mhirhlither Uing11thniflt. 4. , überarb. Au(]. Sruugan: Krö ner 1992. S. 685 (Stichwort ..T eufelsbündner'').
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Das frühe ste erhaltene Exemplar der englischen HiJlon"e ist aus dem Jahre 1592. darin heißt es allerdings: Ntw!y il"prinlrd, so daß scho n eine frühere Version existiert haben muß. VgL die Einführung in MARLOWE, Chrisropher: Dot/or FaNJIIIJ. Hrsg. " o n J ohn D . Jump. London: Broad water 1962, S. xxiv.
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D er Text ist im Anhang folgender Ausgabe abgedruckt: A NONYMUS: HiJloria/iOn D. Johann Fmulrn. Text des Druckes von 1587. Kritische Ausgabe. I-I rsg. "on Stephan r üssel und I-Ians-J oachim Kreu[zet. Sruttgan: Reclam 1988, $. 300, im fo lgenden im Fließtext zitie rt.
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er auff eine zei t etliche zäuberische vocabula / figguras / chacteres vnd coniurationes / damit er den T e ufel vor sich m öchte fo rdern / ins Werck zusetzen / vnd zu probiem jm rurnam e" (15) - das biblische Bild der Selbstübe rhebung ,wie ein Adler' (Sptüche 23, 5 / Jesaja 40, 31) unterstreichr die EinbetfUng des T exts in den christlichen ordo. Damit korrespondiert die Zweck bestimmung. Das Buch kJassifizien sich schon im Titel als ,schreckliches Beispiel' und ,abscheuliches Exempel', den Lebe nden zur Mahnung: "darauß jeder Chrisr zu lernen / sonderlich aber die eines hoffenigen / sto)tzen / fü rwiezigen vnd trotzige n Sinnes vnd Ko pffs sind / Gou zu förchten / Zauberey / Beschwerung vnnd andere Te uffelswercks zu fliehen / so Gott ernstlich verbotten hat« (123), heißt es am Ende des Textes, der dann mit ein em biblischen Z itat schließt, welches vor den Ve rfü hrunge n des T eu fels warn t. Faszinierend im Kontex t d er o bigen Ausführunge n zur Entstehung der extensiven u k türe ist auch eine Schilderung des Faust als Leser vieler Bücher, die zumaJ obscur und unverständlich sind. Wie in Zeite n weitge hend en Analph ab eti smus' d en Schreibern , di e in da s Geheim n is der Sc hrift, also rätselhaft er und unve rständlicher Ze ichen, eingeweiht sind, geradezu magische Fähigkeite n zugeuaut werden, so muß auch dem vormodernen Mensc hen der Leser vieler, noch dazu dunkJer oder gar fremd sp rachiger T ex te naturgemäß verdäch tig gewese n sein: Zu dem fa nd D. Fausrus seines gleichen / d ie b"engen mit Cha1dcischen / Persischen / Arabischen vn d Griechischen Worten / figuris / characT'c ribus / coniuratio nib us / incan tationibus / vnnd wie so lchc namcn dcr Beschwerung " nd Zauberey mögcn gencnnet werdcn. Vnd diese erlchlte Stück waren lauter D arda mae artcs / Nigromantiae / cannina / "encfi cium / va ricinium / incantatio / vnnd wie solche Buecher / Wörter vnd Namen genennel werden mocgen. Das gefi el D. Fausto wal / speculiert vnd srudien Nacht " nd T ag darinnen. (14)
Auf di ese \Y/eise wird also im J ahre I 587, etwa 200 Jahre vor der .Lesesucht' , eine Kritik an der extellSiven IVifptiollSllltise, an der Lektüre vieler Bücher zur Befriedigung einer unersättlichen lVi/begierde formuli ert. Bezeichn end ist auch, daß Faust durchgängig als historisch verbürgter Gelehrter geschildert wird. \Y/ie immer unglaublich die Episoden aus heutiger Sicht sein mögen, den Zeitgenossen wurde der T ex t als sauber recherchierte (A uto-) Biographie eines vor nicht allzu langer Zeit verstorbenen , bekannten Wissenschaft1ers verkauft. Der D rucker Spies fungiert hier selbst als Herausgeber eines Manuskripts, das ihm ..durch einen guten Freundt von Speyer mitge th eilt vnd zugesc hickt wo rde n" ist. D er T ex t stammte angeb lich weitestge hend von Faust selb st: "sie fand en auch diese deß Fausti Hisroriam auffgezeichnet / vnd von jhme b eschrieben"475. Daß solche Histon·oe tatsächm
Zuerst ebd., S. 6, dann S. 123.
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lieh als authemisc he Berichte [VI. 1] gelesen wurden. belegt ein zeitgenössischer Einspruch, der die \X/ahrheit des Textes anzweifelt: ..Diß ist boeßlich und buebelkh erdichtet und erlogen "~16. Demgemäß gewährt das Dokument einen Einblick in das popu läre BUd eines Gelehrten im ausge henden 16. Jahrhundert. dessen Fo rschungstrieb die G renzen des Erlaubten überschreitet. Und so befassen sich (im Gegensatz zu Gocthes Text!) weite Passagen in der ersten Hälfte des T extes nach dem T eufelsbund (Kapitel 11 -32) mit Fausts Fragen an den T eufel und dessen Antwonen. Zwar betont Mephisto hinsichtlich der ..Astronomia oder Asrrologia": "es sind verbo rgene \Verck Gortes / welche die Menschen nkht [...1ergrün den können" ; danach kolportiere er die Offenbarungen der Geheimnisse jedoch ebenso genüßlich wie kryptisch. Auf die Frage nach dem Ursprung der \'(felt anewortet Mephisto etwa: "GOtt machte anfanglieh den Himmel auß dem Mittel deß Wassers / vnd theilet die \Vasser vom Wasser / hieß das Firmament den Himmel / So ist der Himmel Kuglecht und Sc heibi ech t / auch beweglich / der vom \Vasser geschaffen / zusammen gefüget / vnd al so befestiget ist / wie Crismll [... ]" :m Solche Formulierungen ersc heinen nur im Rückblick als absichdich rätselhaft kom/mierl. T atsächlich hat sie der ano nyme Verfasser aus der zeitgenössischen (oder leicht veral teten) gelehnen Literarur, wissenschaftli chen Ko mpendien und Textsammlungen beinah e wörtlich entnOIl1Jnen und abgeschri eben. Im ralle des o bigen Z imts smmmen sie etwa aus Harunann Schede ls Blich der Chroniken von 1493:18 Es handelt sich also keinesfall s um eine ,ästhetische Gestaltung des Numi nosen', vielmeh r sind solche Passagen symptomatisch für ein vormode.rnes WcltbUd, in dem das Unerk cnnbare noc h seinen Platz innerhalb der Wirklichkeit einnimmt und die sprachliche Fo rm des Paradoxo ns die angemesse ne Form seiner Repräsentatio n ist.419 Das vormoderne, dem Menschen von Gon vorenthaltene Naturgeheimnis is t nicht etwas, das man wisse n könnte und das noch nicht erkannt worden ist, sondern es ist prinzipiell nich/ erkennbar und als solches not, ein Teil der Realität ist eben grundsätzlich der E rforsc hung entzogen. Demgemäß darf in der vormodernen ,\Xlissenschaft' noch über Dinge kommuniziert werden, von denen man weiß, daß sie eigentlich inkommunikabel sind, und in solchen Kontcxten verwendet man die Aussagefonn des Paradoxons. Als grundsätzlich der Erkcnnbarkcit entzogene Sphäre durchdringt das Geheimnis alle Sphären de.r vormodernen Welt; es gibt nicht nur die Geheimnisse der Erkenntnis wie ctwa Gon oder die Schöpfung, vielmehr ist das Ge' 16
So Augustin Lcrchheimer 1597, dem Informationen "orliegen, welche dem Inhah des T exts klar widersprechen; s. ebd., S. 297.
m
Ebd., zuerst S. 45, dann S. 46f.
' 78
Der Text ist im kritischen Apparat abgedruckt; "gi. cbd., S. 229f.
, 1'9
Vgl. K1J!IN, Wolf Peler: Am A'!Jang u'ordas Ir/ort. Tmon;- lind U-ifJtnHhqfisgrsrhirbJlirhe Elel1ltnJe
jriihnellrfit/irlxn SprarbbtlVllßtmns. Bcrlin: Akad emie 1992, S. 76.
284
heimni s auch eine dominante soifale Größe der ExkJIISion: 480 Der einzelne Soldat wird .,von der Repräsentanz, von militärischer \Vürde ausgeschlossen"; der G läubige wird von der Durchdringung der Liturgie ausgeschlossen, denn .,Messe und Bibel werden lateinisch, nicht in der Sprache des Volkes gelesen u . Zu letzt entfaltet die Arkanpo litik der Monarchen das Prinzip absoluter Herrschaft im Sinne des Gottesgnadentums: ..Die apologeti sche Literatur der Staatsarkana bringe die Mincl zur Sprache, mit deren Hilfe der Fürst sein Souveränitä t, die jura impecü, aUein behaupten kann - eben die arcana impecü, jener ganze durch MachiaveU inaugurierte Katalog geheim er Praktiken, die die Erhaltung der Herrschaft über das unmündige Volk sichern soUen."481 Politische \VeltkJugheit besteht noch bei Gracian darin, ,nie von sich selbst zu reden'.481 Und auch Kunstwerke existieren vor 1600 noch oft im Geheimen: " the prefetence was tO circulate manuscriptS amo ng friends and allow the work to slip into prior be devious routes and means."483 Die epistemologischen Umwälzunge n der Aufklärung werden diese Formen d es Geheimnisses annullieren. Das gilt nicht nur für die neue, oben beschriebene Substitution der intensiven IJkJiire der Tiife durch die Rezeptionsweise der extensiven IJkliire {Ill . 4 /5]. Auch und gerade im sozialen und politischen Bereich wird das aufgeklärte Bürgerrum das absolutistische Geheimni s als Herrschaftsinsrrument zuruckweisen und dagegen ihr Ko nzept der O.ffilltlichkeit stelJen, welches es, ironischerweise, zunächst in den ,geheimen GesellDie sozio logische Erforschung des Geheimnisses und dem Z UslulUllenhang bei d er E.' ·o lucio n gesellschaftlicher Ö ffentlichkeit wurde be!,oriindet durch Simmels Kapitel .,Das Geheimnis und d ie geheime Gesellschart " in SIM.MEI.. G eorg: So~ologit. UIIJtrJuthNn!!n iilx,. dir F(),.",tI/ drr V rrgmluthaftNng. Leipzig: Duncker & Humblo t 1908, S. 337-402. Sinund dc fmien das Geheimnis als ,tri2disch', da es mindestens zwei Ko mmuniknio nsp:mncr bedarf, d ie seinen Inhall kennen. und mindestens einen weiteren, der "on diesem Wissen ausgeschlossen wird. Vgl. 21s ncucre, systemtheoretische Arbeit SIEVERS, Burk:lrd: Crhdm· IIÜ 111111 CrhrimhollNn.!. ill so:jalrn Syslrmrn. Opladcn: Westdeutschcr Vcrlag 1974 (= Srudicn zur Sozialwissenschaft, 23). Einen sehr schö nen histo rischen Überblick über die sozialen Funkcio nen d es Geheimnisses in der griechischcn und jüdisch·christlichen Traditio n geben (lie Beiträge in dem Band K1PPI1~ ßERG . Hans G. und Gu)' B. STROUMSA (Hrsg.): Srrmyand Conftalmenl. SJudits ill Ihr Hislory of MtlliJmantan and Nta" EMlrm Rtligions. Leiden et al.: Brill
."
1995. HAßERMAS, Jücgen: Slnlhllnnllldrl drrOjfenJh·thluil. Untersuchungen zu einer Katego rie der bürgerlichen GeseUscha ft. 2. Aufl. Frankfun / ~·I. : Sulukamp 199 1, erSI S. 63, dann S. 117. Vgl. zu den al'rano imptrii 2uch STOU.EIS. Michael: CrsthirhJr dts öjftnJlirhrn RJrhlJ ill DrlllsthJalld. Bd. 1: 1600- 18011 München: Beck 1988; ders.: Slaallind SJaalsrä!oll in Jrr/rUhtll ! rll~iI. Frankfun/ M.: Suhrbmp 1990; J<M..'TORO\lfJCZ, Ernst H .: " M)'steries ofState. An AbsolutiSt Concept am its latc Medic"al Origins." In: Tin Hafl'(Jf(1 Tlnowgital RJtirw 68 (1955), S. 65-91; DONNAWSON, Peter S.: MathüJtlrlli and MysJrry ofStalr. C2mbridge: CUP 1988; die ents prech enden Bcirräge in ENGEL, GiSel2 Klaus REICliERT und Heide WUNDER (Hrsg): Das Grhtimn;s um Brginll dtr tllropäisrbm Modtmt. Frankfurt/ M.: K10 slcrmann 2002. Vgl. AssMANN, A1eida: " Maske - Schweigen - Geheimnis." In: Das Gthtimnis am Bfg;IIII dtr tliropiiisthrn Modtmt. Hrsg. "on G isela Engel, Klaus Reichen lind Heide Wunder. Fnnkfun / ~ t. : Klostermann 2002. DA v ls, Lcnnard J.: FadIlaI FimOlls. Tht On§IIs oJ Jbt EII.!./ish 'o.vl Philadelphia: Uni"ersit), o f Pennsil"2ni:l Press 1996119831 , S. 139.
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schaften' erprobt. 4s.1 Die o ffensichdic he Differenz zwischen dem bürgerlichen IdeaJ der ,tmalen Publizität' (Kam) und dem Geheimbundwesen ist Gegenstand vieler wisse n· schafdicher Erklärungsversuche gewesen. Es zeichnet sich dabei ein Konsens ab, daß die Geheimbünde al s Vorläufer der bürgerliche n Öffendichkcit au f· zufassen sind, iro nischerwei se " bezeichnete das Geheimnis den sozialen Mög· lichkeitsraum praktizierter AufkJärung",4ßs politisch gesehen sind sie Instfu· mente zur Aus löschung des vormodernen Geheimnisses. Das gilt mutatis murancü s auch für das Geheimnis aJ s gnoseologische Größe. Das neue \XlissenschaftsideaJ einer universaJe n Kenntnis der \Velt, einer lückenlose n Erschließung der \Xlirklichkeir wei st cüe Vorstellung von Verborgenem und Emzogcnem innerhalb der \Velt zurück. Erst jetzt wird I nvisibilität zur Inkommunikabilität im harten Sinne. "Etwas, was seiner Natur nach geheim ist, ist nicht nur unerkennbar; man kann darüber auch nic ht so ko m· munizieren, als o b man es erkannt häne."486 Erst ab jetzt gilt die "U nmöglich keit des N arurge heimnisses und des ErkennmisvorbehaJts".487 \Xlas man nicht beobachten kann, darüber brauc ht man in der W'issenschaft fo rtan nicht zu sprechen. D as prinzipiell Uflerktnnbart wird aus dem Z uständigkeitsbereich der \Xlisse nschaft emfernt und anderen Erk ennrnisweisen zugewiesen, etwa der Religion und ihrer spezifisc hen \Xlissensfo nn, dem Glaubtfl. Bei Locke heißt es (1690): -n lcrc can bc 0 0 c"idcocc, that any ttaditioo:tl Rc"clatio n is of di"inc O rigi nal, in rhe \'\lords \vc rccci"c it, and in the Scnsc \vc undcrsrand it. so d car, and so certain, as that of thc Principlcs of Rcason: And thcrcforc, NOlhing Ihal is (on Irary 10, and infOnSlsltnl JJilh /ht dUlr al/d Stlfmätnl Die/alts of /Vason, l)tu 0 Righl 10 br II'l,nl, or asstnltd 10, as (I J\I!Olltr ofFailh, whrrrin &ason h,lS no/hing 10 do. m
Symptomatisch an Lockes Aussage ist nicht nur, daß das Geheimnis in die Sphäre der religiösen Glaubens ausgelagert (- ausdifferenziert) wird, sondern daß die \Vissenschaft alle Vernunftwahrheiten ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich zuschlägt, der Religion nur noch den Bereich des prinzipiell UnerklärDer ,Klassiker' dieser These ist nach wie "ar K OSEJ.J. ECK. Reinhard: Kritik Hnd KnJt. Eint S'IIJit ~r Pa/hol/nm drr bii'1!rlidJtn IYl dl. Fr:rnkfurt/ M.: 1973 [19591. Vgl. auch HÖIX I-IEK. Lucian: Öjftnllirhkni lind Gthtil1lnu. Eint btgriffll,tJrhifhlüht UnltrJlI(hllnl, t!'r En/l/thNn/, dtr Ojftn/lühluil in Jrr jriihtn Ntll~iI. Srungart: KIen 1979 (= Sprache und Geschichte, 4). SCIIINDLER, Narben : "Aufklirung und Geheimnis im lllwninatcno rdcn." In: Gthtil1lt GmllJfhajlrn. H rsg. von Peter Chrisrian Ludz. Heidclbcrg: Lamben Schneider 1979. S. 203-239, hier S. 220. LUI'IMANN, Niklas: "Geheimnis, Zeit und Ewigkeit." In: N. L und )leter Fucus: fVdrn und Sr!Ju't'igtn. 2. AuEl. Frankfurttrvl.: Suhrkamp 199 1,S. 101- 137, hier S. 104, vg l. auch S. 125f. ß LUMEN BERG, Hans: Drr Pro~f der theorttiJ,htn NtHgitnlt. Frankfun / M.: Suhrkamp 1980,
S. 200. 4811
LocKE., J o hn: An EJIlf} unu",in/, HlIl1Ian U"dm/anJinl,. Hrsg. von Peter H . Niddilch.
Oxford: OUP 1975, S. 695f.
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baren zuweist, und zuletz t sogar den Richtersruhl für diese Aufteilung des \'Visscn s usurpien . Wie immer kontrovers d as im 17. und 18. Jahrhundert noch diskutiert wird, die hier vorgeschlagene Auslösc hung des Geheimnisses in der \'Vissenschaft hat sich zwei fellos durchgesetzt. Kam nimmt den Faden etwa 100 J ahre später auf: Es btibt Geheimnisse, Verborgenhciten (arcana) der Natur, es kann Geheimnisse (Geheimnishalrung, secrcla) der Po litik gebcn. dic nicht öffendich bckann! werden sollen; aber beide können uns doch, so fe rn sie auf empirischen Ursachen beruhen, bekannt werden. I...J in Ansehung. was nur Gon run kann 1... 1, da kann es nur eigendiches, nämlich heiliges Geheimnis (mysteriwn) der Religion gebe n.f3'.l
D emgemäß wird die epistemo logische G röße des vormodernen, ,eigenrlichen' Geheimnisses zum H(jJlenlllll der Religion. Z ugleich überlebt es jedoch in der zunehmend emphati sch verstandenen ,autOno men Kunst'. Die These ist zwar nicht neu;'90 ist jedoch im Ko ntext der letzten Kapitel erklärungsbedürftig, denn wie oben ersichtlich hatte die Literatur in Fonn der extensiven, fiktionalen Sp annungslektüre eine zei tgemäße An twort au f das neue mediemechnolo gi sehe Umfeld ge fund en. Die Revolution der Druckerpresse hatte dabei eine völlige Um schichtung des Le sepublikums hervorge rufen. Info lge der zunehmenden Alphabetisicrung drängten immer neue Leser auf den Markt, was zur Fo lge hatte, daß für diese n expandierend en Markt immer mehr ,Masse' produziert wurde. Die Fo rschung kann plausibel darlegen, daß die Schwelle in Deutschland etwa in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts anzusiedeln ist.'m Z ugesp itzt kann man behaupten, daß das säkulare Publikum vor diesem Zeitpunk t (vorwiegend G elehne, der Adel und allm ählich auc h das ho he bis mittlere Bürgertum) verh ältni smäßig homogene Erwartungen an die Lesesto ffe steUcen, wo hingegen sich KAt>.'T. Immanuel: Die IVligion ;,merhalb dtr Vorländcr. Hamburg: Mciner 1956, S. 805f.
'"
Grrn~n
dtr bloßen l/emNnft. Hrsg. von Kar!
D ie 111CSC iSI bereits in \'crschicdenen Ko ntexten geäußert wordcn. Dic wohl o rigincllstc Fassung findet sich bei Fucu S. Pcter: " Vom schweigenden Ausflug ins AbstraklC. Zur Ausdifferenzienmg der modcm en Lyrik." In: liklas LU U MA.~N und P. F.: IVdm Nnd S(h.nun. 2. Auf] . Fnmkfun / M.: Suhrkamp 199 1, S. 138· 177, ein Aufs2t2, auf den ich später zurückko mme. Vgl. ferner VOIGTS, l'.b nfred: DaJ gthtimnistlfJl/e V tmh»indtn du CeJximniJJtJ. Ein V mNdJ. Wien: Passagen· Verlag 1995; eine ko mpakte Zusammen fassung bietet ders.: "Thesen " orn Verhältnis " o n Aufkl ärung und Geheimnis." In: SdJltitr lind Sth • .,IIt. Hrsg \'on Aleida und J an Assmann. Bd. 2: Gtbtimnis lind Offinbal'Ung. München: Fink 1998, S. 65-80. D en Zusamm enhang zwischen ,geheim en G esellschaften' und einer ,A sthetisierung des Geheimnisses' wurde kürL:lich neu dargestellt in SIMONIS, Linda: Die 10mst du GthtimM. EsofenJ(ht K.JJmmNnileotion "nd äsfhtlistht DOf'JlellNng im 18. j oIJrh"ndtrl. Heidclbcrg: Winter 2002. Vgl. ebenfalls VOGES, M.ichael: AlljleJiinmg Nnd Gtbtimnis. UnfmN'
dJNngtn iJlr V tr'l!lifllllng LlfJn U ferofllr· Nnd So~algtJ(hi(hfe am Btispitl der Antigllng du GthtimhNnd· lila/mais im Roman d~s spött!l 18. j ehrhNndtrts. Tübinge:l: Niemerer 1987. Vgl. SCUULTE·SASSE, J ochen: Die Kritik an der T n,iolliferofJlr Stil der AJljIeliirNng. SINNen iJlr Gmhithlt de! mOtkmtn KjU(hbtgriffi. Fink: Münc hen 197 1, S. 44ff.
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danach zunehmend eine Differenzierung einer ,H o hen Literatur' von einer ,Trivialliteratur' mit zwei verschiedenen Lese rschichten und auch Le seweisen abzeichnet. 492 E in sehr früh er Beleg für diese Wahrnehmung findet sic h bei N icolai ( 1773): Die zwanzig ~1illi o n e n Ungelehrte vergelten den 20000 Gelehrten VerachTUng mit Vergessenheit; sie wissen kaum, daß die Gelehrten in der Weh sind. \X'eil nun kein Gelehrter für Ungelehrte schreiben will, und dennoch die ungelehrte Welt so gut ihr Bedürfnis hat, als die gelehrte, so bleibt das Am t für Ungelehrte zu schreiben, endlich den Verfassern der Insel Felsenburg, den Postillenschreibern, und der morali schen Wochenblätter, deren Fähigkeiten den Fähigkeiten der Leser, die sie sieb gewähl t baben, viel genauer entsprechen [... 1.493 Die D ati erung der Schwellenzeit auf die siebziger J ahre wird im übrigen auch scho n wenig später durch Äußeru ngen innerhalb der Lesesucht-D ebatte bestätigt. Bei Hoche heißt es 1794: " Wenn man die Schri fte n ansiehe t, die o hn gefahr seit zwanzig Jahren unter de n Modelese rn graßinen"; bei H cinzmann: " In D eutschland , und darunter vorzüglich in Sachse n und Preussen , welche Provinzen doch für die aufge klärtesten geac htet werden, sind seit dem J ahr 1773, bis zu dem J ahr 1794, also in ein er Zeit von 20 Jahren, nac h einer ganz mäßigen Berechnung 5850 Romane ersc hienen".494 Alle drei zeitgenössischcn Belege verlegen den Überga ng in der Wahrnehmungswei se um 1773/ 1774. Die gesamte ,Revolu tio n des Le sens' erzeugte dabei erstmals einen lukrativen Buchmarkt, dami t jedoc h auch den ncuen T ypus des Be ru fsschri ftstellers, der von dem Ertrag seiner Veröffentlichungen seinen Lebcnsuoterhah finan zierte. D er E rfo lg hing selbsrverständlich von der Hö he und Menge der erziel ten Auflagen ab, weswege n sich viele Auro ren bemühten, die Bedürfni sse ihrer Käufer zu befriedigen (ebenfall s eine E nrwicklwlg, die bi s in die ,Sc hund'-SpiraJe des heutigen Fernsehens und der Orientierung des Programms an den Bedürfnissen der Masse zur E rzeugung m öglichsr hoher Einschaltquoren fo [[läufr).495 Das machte sie in den Augen der Kulturkritik zu bloßen "Geldauto-
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D agegen hat es den T opos der ,Mengenverachnmg' scho n seit der Anrike gegeben, welche aber eben daraus resultiert, daß nur der Elite von Ij teraten Zugang zum Schriftmm vo rbehalten ist; vgl. Z IUiEL, Edgar. Die EI/IJlthling du GtnidJ(griffu. Eil/ Bli/rag ':{!Ir Ttlun· gtJfhichtt dtr AI/II1et lind du FriihkapiloliJmllJ. Tübingen: Mo hr 1926, S. I 88ff.
~9}
N ICOLAI, Friedrich: Dl1.I ubtn 1I1td die Mlil/llngm du Htrrn MO§Sltr Stbo!dIlJ Nolhol/hr. H rsg. \'on Fri(z Briiggcmann. Leipzig: Reclam 1938 (= Deutsche l.ite rarur (... ) Reihe Aufklärung, Bd. 15), S. 72.
4')4
H OCUE, johann Gonfried: Vtrlmlilt Britfi iibtr dit Jet1fgt obtn/htll(r/irht w eJHrhl lind iibtr dm
Eil/fillß dmtlbtn auf dit Vmllindmmg du hiillJlirhtn lind öffrl/,Iirhrn Gliirk;. Hanno ver: Ritscher 1794, S. 15; HEINZMANN,johann Geo rg: Apptlon mtint N oIIOn. Bem 1795, S. 148. G rundregel der Progranungestaltung ist das UOJI O!?jutionoblt Programming (LO!»; vgl. ScUUMACHER, Marianne: FmlJthtl/ ftmJthtl/. Modtlk dtr Mtditn· lind FemJththeorit. K öln: D uMont 2000, S. 20 1f.
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ren" : "sie richten sich nach dem herrschen den Ge schmake, und es ist ihnen glekhgiilcig worüber sie sc hreiben, wenn es nur Aufsehen erregt", sie sind "Chamäleonsarcig" und betreiben "FabrikschriftsteUerey"496, Dementsprec hend werfen die Autoren der Lescsucht-Debatte den Ko nsumenten spannender Ro mane auch vor, daß sie ,Schund ' ko nsumieren,4on woraus sich wiederum die Teilung des Lesepublikums ergibt:
Abb, 24: Die Durchsetzung des Buchdrucks bringt zugleich den T }'pus des Schriftstellers hervor, der mü seinen Produkten die Bedürfnisse des Lcsepublikums befriedigt, Dies führt zum Vorwurf der ,Fabrikschriftstellcrci', Kupferstich nach Berggold 1798,
Solche Schriftsteller. die sich selbst gestehen dürfen , daß sie die Ac hrung der Weh verdienen, haben auch ein besseres Publikum al s das sogenanmc grom UJtpllbliklll!l; denn für dieses schreibt die grosse Menge von Allrags-Schriftstellern; - die edlem Su len gehen i!' einer "intm Quelle; - und fur dieses QffJerltJene, obgleich weniger zahlreiche Publikum
H ElNZMANN, J ohann Georg: Apptl an "'tint Nation, S em 1795, S, 148f. Ein Beispiel aus vielen: Die Lcsesüchtigen, so Bergk, lesen in erster Linie ,Schund', .,Die schlechtesten Bücher werden am meisten gelesen und am weitesten verbreitet, und da sie also die meisten Auflagen erleben, so weneifem einige unserer Buchhändler, sich ein ander an schlecl1ter Waare zu übertreffen, wenn sie nur schreiende Farben und groteske Figuren hat. Wielands Agafhon wurde innerhalb mehr als zwanzig Jahren nur einmal aufgelegt, und SpitßtII1 lind Cra",m Romane erleben in wenigen Jahren neue Auflagen, Man kann also dan us sehen, wie wenig jener, und wie sehr diese gelesen werden," BERGK, J o hann Adam: Die Kxn1f, B1ItdNr t!' Imn, Neb1f Btnltr/eJmgen 1Ieber Schriften 1Ind SchrijfJJdltr, J ena: Hempcl 1799, S. 4 14.
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zu schreiben, sollte wohl die größte Ambition würdiger Männer sern [... 1. Laß es geschehen, lieber Mann, daß du von den Automaten nicht gelesen wirs t.493
In diesem Sinne wird die Rezeption ,hoher Literatur' zunächst einmal zu einem soz ialen Distinktio nsmerkmal aufgebaut. Die Spannungsleser sind wie ,AutOmaten" die Helden der Trivialliteratur sind " Maschinen, die der Verfasser sich drehen läßt wie er Will",499 triviale T exte und Leser sind also gleichermaßen vorhersehbar, wohingegen die ho he Literatur ,unergründlich ' sein wird. \'(1arum rekurriert die ,hohe Literarur' jedoch ausgerechnet au f das unendliche Geheimnis vormoderner Prägung? Dafür gib t es eine andere E rklärung. Ein Problem der Legi timatio n der sich ausdifferenzierenden, spezifischen Kommunikationsweisen von Literarur und Kunst im 18. J ahrhundert war, daß es den verschiedenen Entwürfen der Au fkl ärungsphilosophie nicht gelang, die Kunst auf dem Prinzip der Ratio nalität zu fundieren. 1m Gegenteil wird sie in Anlehnung an Wo lff und Leibniz der ais/hesis, also der sinnlichen Wahrnehmung, zugeschl agen, gehört damit aber zunäch st einmal in die Sphäre der niederen Erkenntnisve rmögen.500 Baumgartens Buchtitel A es/hetica (17501758) als Bezeichnung der wissenschaftlichen Bemühung um das Sc hö ne ist also Programm. D ie Kunst und das Schöne werden au f der Sinnlichkeit und dem Gefühl fundiert und partizipieren demgemäß nicht an der ,reinen Erkenntnis'. Symptomatisch ist Kants Diktum: Scbiin ist, Ipas ohne Begriffgefäll/. Aus der NOt der bloß sinnlic hen Erkenntni s wird selbst Kant eine Tugend mac hen, indem er den Aspekt der fo rmalen Unbestimmbarkeit des Äs th etischen zu einer Q uali tät des Uns(1gb(1ren aufbaut, die dem genui n theologisc hen Ko nzep r der Unergründlichkei t zumindest äh nel e Unter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstell ung der Einbildungskraft, die viel zu denken veranlaßt, o hne daß ihr doch irgend ein bestimmter Gedanke, d. i. ein Brgriff, adäquat sein kann, die folglic h keine Sprache völlig erreicht und verständlich machen kann. [... J die ästheti sche Idee [...1 ist
HEiNZMANN,Johann Georg: Apptl an mrillt 1'\.'01;011. Bem t 795, S. 109. H OCHE, Jo hann Gou fried: V trtraufe Bnifr ülNr dir jt/iJl,t abentJJtutrlidJt U JUurhf lind ülNr tiM
Einfluß timt/ben auf dit Vmnindtnmg du hiillslirlNn lind öffintfirhm GIÜrks. H anno\'er: Ritscher 1794, erst S. 49. ~
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Selbst\'erständlich mangelt es nicht an Versu~hen, dieses Manko zu beheben oder gar ,aufzuheben', am bekanntesten sind Schillers A .JfhetisdJt Bdtft und sein D iknun "Schö nheit ist Freiheit in der Erscheinung" (SCHI ll..ER, Friedrich: Sii11ltJidJt IFtrke. Bd. 1-5. 8. Aufl D armstadt: Wiss. Buchges. 1987. Bd. 5: E'iJihlulIgrn. Thtorr!irrhe Srhriftrn, S. 4(0); seine Lösung erweist sich als ebenso unbefriedigend wie schon der Ausgangspunkt, Kanl S Kn·,ik dtr UmiJs/erajt, als Versuch einer Aussöhnung von Pragma und Theorie, \'on Narur und Freiheit . Vgl. zur Ästhetik als ,...Desiderat der G noseologie" auch ADLER, Hans: Die Prögnonz du Dllnkeln. GnoJeologit, Allhetile, GtJ(hirhlsphik)Jophit bti johanl/ GOltfdtd Hmlrr. Hamburg: Meiner 1990, S. 1-48.
eine Vorstellung (... 1, die (...] zu einem Begriffe viel Unnennbares hinzudenken läßt und mit Sprache, als bloßem Buchstaben, Geist verbindet. 5O]
Diese Ausführungen zur Unsagbarkeit und Unausschöpflichkeit der Kunst, die Kam im übrigen in enge r Anbindung an den Begriff des Genies [VI. 2] entwickelt, lassen zugleich durchscheinen, daß es auch um eine Differenz der Rezeptionsweisen geht, denn im Ko nte xt des Geheilllnisses der Kunst taucht plötz lich die henneneutische paulinische Unterscheidung zwischen Buchstabe und Geist auf [IV. 1) . Das Geheimnis der Kunst, ihre Unausschöpflichkeit, konstituiert sich also durch einen sel/sus spin'/ualis hinter dem bloßen Buchstaben - das erinnert an die augustinische Lektüre der Tiefe. T atsäc hlich wird diese an der Bibel entwikkelte Rezeptionsweise am Ende des 18. Jahrhunderts auf literari sche Texte umgeleitet, wofür die programmatischen und einflußreichen Schriften von Hamann und Herder Pate stehen können. D eren rezeptionstheoretische Innovation ist ebenso einfach wie brillant. Beide übernehmen die rationalistische Unterscheidung von Vernunft und Sinnlichkeit, verkehren jedoch die Wertigkeit, indem sie (im Rückgriff auf empfindsam-pieti stisc he Gemeinplätze) die ElllpfinduNg, das Gifijhl als ursprünglich, unmittelbar und authe ntisch gegenübe r der Ratio pritnlegieren und - das erinnert an Augustinus - die Unterscheidung innen / außen akzentuieren. Von diesem Standpunkt aus leiten sie die an der Heiligen Schrift erp robte Lektiire der Tiefe auf poetische T exte dadurch um, daß sie behaupten, daß Bibel lind Poesie ein und derselben Textgattung angehö ren, daß also etwa der ß ibeltext den Ursprung der Poesie darstelle, und daß Kunstschöpfung analog zur göttlichen Sc höpfung zu sehen sei G, lndem er [der Schöpferl aUes nennt [... 1 wird er Nachahmer der Gottheit, der zwei te Sc höpfer, also auch poiettS, Dichter. [...) das Wesen der Dichtkunst [...] [ist] Nachalunung der scha ffende n, nennenden Gottheit"sol . So kann die I1k/iire der Tiefe, welche hinter den Buchstaben den geisfigen Sinn ermittelt, für Bibel und Poesie gleichennaßen zur Geis/hermeneutik [IV. 2] modelliert werden. Aus dieser Sicht ist hinrer der meclialen Buchstabenhülle der Geist ihres Verfassers verborgen (im übrigen die geheifflnisllolle Lesart der N achahfflung des SubJ,k!s [11. 7)). Das gilt für die Bibel G,Wer Augen hat, zu sehn, und eine Seele, was Geist, was Charakter in einer Schrift ist, zu fühlen; wird Zug für Z ug Johannes Geist in seiner Offe nbarung finden" so1 ebenso wie für Dichtung KANT, Immanuel: Kritile dtr UrttilJlerajt. Hrsg. von Kar! Vorländer. Hamburg: Meiner 1990 (= Philosophische Bibliothek 39a), S. 169 und S. 17 1. HERDER, Johann G oufricd: SömnlllidN lf7trke. Bd. 1-31. Hrsg. von Bemhard Suphan. Berlin: Weidmannscne Buchhandlung 1877 ff. Bd. 12, S. 7 I Vom Geisl ,ltr Ebröisdxn Poesie (1783)J. HERDER, Johann Gonfried: Sömm"irht lf7trle.t. Bd. 1-3 1. Hrsg. von Bernhard Suphan. Berlin: Weidmannsehe Buchhandlung 1877 ff. Bd. 9, S. 278 IMARA1\J ATHA. Das Buch von der Z ukunft des Herrn, des NeueIl T estaments Siegel (1779)1.
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(.. D en Geist Ho raz, Homers, Sophokles, P lato lasse ich aus wen Schriften auf mich wirke n: sie sprechen zu mir, sie singen, sie lehren mich: ich bin um sie, lese in ihr Herz, in ihre Seele<eS(4). So wird jetzt die Oberfläche, der ,A usdruck' der Dichtung, anaJog zur Heiligen Schrift, zum Ve hikel eines dahinter liegenden InhaJts, und das ist dann die E nlpjifldltflg, das Gifiihl, der Geisl, die Seele und so fo rt: "der Gedanke Imuß] zum Ausdrucke sich verhalten [...] wie die Seele zum Kö rper , den sie bewoh net: und so ists für den Dichter. E r soll E mpfindungen ausdrucken".505 D abei wird die gesamte Top ik der christlic hen Lekliire der Tiefe überno mmen : Innen / Außen, Seele / K örper, Kern/ Sc hale, und so weiter. Und es fi nde n sich weitere E ntlehnungen aus der christlichen Leklüre der Tiefe. So eignen sich H amann und H erder auch das Ko nzept einer ,himer' den \'V'orten verbo rgenen Universalsprache an, die aUe Kommunikatio nsteilnehmer verstehen (Hamann: " Reden ist übersetzen - aus einer E ngelsprache in ein e Men schensprache"; H erder: "Es giebt eine Symbolik , die aUen Mensc hen gemein i s {,<e~. Außerdem wird der verborgene geistige Sinn nich t nur in die Tiefe der Sc hrift projiziert, sondern, ähnlich wie bei Augustinus, auf aUe Dinge der Schö pfung hin uni ver sali sierr [III. 3/7): Der h.ieroglyphische Adam ist die Historie des ganzen Geschlechts im symbolisc hen Rade: - - der Charakter der Eva, das Original zur schönen Natur und systematischen Ökonomie, die nicht nach methodischer Heiligkeit auf dem Stirnbl:m geschrieben steht; sondern unte n in der Erde gebildet wird , und in den Eingeweiden, - in den Nie ren der Sachen selbst, verborgen liegt. 507 Z uJetzt simuliert der Gestus ihrer Texte die Erregtheit der prophetische n Offe nbarung, sie verfügen über den rätselhaften Aspekt des ,Ge nialischen'. D as Gef/i~ [VI. 2] ist ein Ko nzept, das scho n Lessing gegen dje klassizistische Regelpoe tik ins Feld führt, auch KlopstOc k wende r sich ab von dem geJeluten Dichte r (poeta dOllIlS) und steUt dagegen das Genie als Seher (poelo !ltlles). Bei H ERnER, J ohann Gortfricd: Sä",""lirh, II7,rkt. Bd. 1-3 1. Hrsg. " o n ßc rnhard Suphan. Be rlin: Weidmannsche Buchhand lung 1877 ff. Bd. 10, S. 146 [Bn·r.ft, daJ S/HdiHIII drrTbrolcgir brfrrJfond (1780/ 85), Brief 9[. HERnER, Jo hann Gon fricd: Sä",,,,,lifbr Wtrkl. Bd. 1·31. Hrsg. von Bcrnhard Suphan. Bedin: Wcidmannschc Buchhandllillg 1877ff. Bd. 1, S. 394 [Uebtr dit ntlltTt dtHfsrhe U llrra· IHr. Eint Btilagr, dir nmu/e U fftra/Nr brtrtffind (11766/ 67); 3. SammJung]. 1·IMoLANN, J ohann Gcorg: SokTtlliJrbe J)rnk»·ürdigktiltn. Anl!Jttira in nllrr. Srurtgan : Rcdam 1998, S. 87; H ERnER,Jo hann Gortfricd: SönllJlt/ir!Jt If'rrkt. Bd. 1-3 1. Hrsg. \'on Bcrnhard Suphan. Bertin: Wcidmannsche Buchhandlung 1877ff. Bd:,,; S. 13 [Utbrr dit ntlltn DtNfsr!Jt LilltralNr. Frag",ente (1768» ) HMoLANN, J o hann Gcorg: Sole.rafüdN Dtnbiirdigkrifen. A tJfbrtira in nHU. Stuttgan: Rcdam
1998, S. 93. SOlI
Vgl. auch SCHMIDT. J ochen: Dir Gnrbirb't dn Gmir-Gedanktn! in der drHfsrhen LiltTtlfllT, Philosophie Hnd Politile (1750· 1945). Bd. 1-2 Darmstadt: Wiss. Buchgcs. 1988. ß d. 1: Von fltr
AHjleliinmg bi! iII'" Idtaüs",HJ.
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Hamann ist der genialisch-kryptische Gestus ebenfalls ein Kontrapunkt zur aufklärerischen Vernunftdoktrin ; hier liegt ein wichtiger zeitgenössischer Ausgangspunkt der Legitimation halbwahnsinniger Genies und dem unendlichen Geheimnis ihres trunkenen StammeIn s. \X1ar vorher die Ko mmunikatio nsweise der emphatisch-unverständlichen ,Prophetie' de r Domäne der religiösen Offenbarung göttlichen Geistes vorbehal ten [IV. 2], so läßt sich ab jetzt ästhetische Unverständlichkeit als besondere Q ualität einer quasi-proph etischen Inspiratio n vennarkten, die dann nur den begnadeten Rezipienten der ,ho hen Kunst' zugänglich ist - b is heute. D as Schwierige konturiert sich jetzt in der Kun st als O bjekt der Faszinatio n. Vor allem Hamanns esmerische Texte gehö ren zu den schwierigsten Texten der Weltlüeratur überhaupt, seine A esthetica in nuce nennt sich im Unterti tel Rhapsodie in kabbalistischer Prose, und beginnt mit einem Ho raz-Zitat, das den E in Hiltigen den E inlaß in die Schrift verwehren so ll: "Odj profanum vulgus & arceo" (,Hinweg, unheilige r p öbel').S09 Hamann und Herdcr markieren frühe Vorstufen , das Geheimnis, die Tiefe, das Schwierige und Esmerische als ,besondere Q ualitäten' einer ,ho hen literatur' od er ,Ästhetik' zu lancieren. Wichtig ist, daß zu dieser Zeit die Lektüre des Geheimnisses und die Lektüre der r fhnlichkeil jedoch noch ko nvergieren; ein Befund, der nicht fü r nur Hcrder und Hamann, sondern auch für viele andere Theoretiker des 18. Jahrhunderts zutrifft. Ein typisches Beispiel ist die zei tgenössische Auffass ung von der Hieroglyphe: Sie ist Geheimnis und Bild zugleich.s1o Selbst Hamanns Esoterik behauptet, das Geheimnis sei immer zugleich anschaulich. Be kannt ist fo lgende Passage über die Entzifferung des Sinns hinter der O ber nächc der Schöp fu ng (also ganz analog zu Augustinus): " Rede, daß ich Dich sehe! - Dieser Wunsch wurde durch die Schöpfung erfüllt [...]".Sl1 D iese Konvergenz von Geheimnis und Ähnlichkeit entspricht auf ein er anderen Ebene erwa dem Befund bei der Mecapher, die auch rätselhaft [111.2] und anschaulich-bildlich [11. 3] zugleich iSt. E in anderer Herold einer durch Schwierigkeit geadelten ,hohen Kunst' ist Mo ritz, der den Aspekt des hinter den Buchstaben verborgenen Autor-Geists übernimmt, welcher dann vom Rezipienten, ähnlich wie bei Hamann/ He[der, durch Einfühlung decodiert wird [VI. 3] . Mo ritz er.teugt das Geheimnis des
H AMANN, J ohann Gcorg: So!erafüdJt Dtnku-iird;gluittn. A Ufmfita in nNft. Srungan: Red am , 1998, S. 81; ganz ähnlich esoterisch geben sich die "Sokratischen Denkwürdigkeiten": ..An das Publicum, oder, Niemand. den Kundbaren" (S. 1). ! IO
'n
D ie VOCSlCUung der Hieroglyphe durchzieht das ästhetische Schrifttum und wird o ft, aber nicht immer im Sinne einer zugleich iihn/ithtn, "';~selhafilnJ Nnf11illelhartn und NrsfJriinglithtn Signiflkation vemanden. Vgl. u. a. die D iskussio n der Ro usseauschen Hieroglyphe in D ERRlDA, J acques: Grof11f11aloloie. Übers. von Hans-J ö rg Rhcinberger und Hanns Zischler. Frankfun / t\·I.: Suhrkamp 1994 [1967]. S. 407 f. Que1len bclege werden in der fortlaufenden Argumentatio n immer \\fieder zitien . HAMANN, J ohann G eorg: Sok ratische DtnlewiirJiglerilln. AesJmJita in 1998, S. 87.
ml tl.
Sruttgan: Redam
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Kunstwerks vor allem durch Figurationen der [n/mnsitivilii/ (er prägt bekanntlich die Wendung des in sicb se/bs/ vollende/en IVmshverks) und wird damit zu einem wichtigen Botschafter der äs theti schen A II/onomie: Die Narur des Schönen besteht ja eben darinn, daß sein innres Wesen ausser den Gesetzen der Denkkraft, in seiner Entstehung, in seinem eigenen Werden liegt. Eben darum, weil die Denkkraft beim Schönen nicht mehr fragen kann, warum es schön sey? ist es schö n. Denn es mangelt der Denkkraft völlig an einem Vtrgleichungipllnkie, wornach sie das Schöne beurnheilen, und beachten könnte. [...1Das Schöne kann daher nicht erkannt, es muß hervorgebracht oder empfunden werden. SI!
Dem Geheimnis des Kunstwerks korreliert dann die G röße des Genies, und zwar sowohl auf der Ebene der Produktion als auch auf seiten der Rezep/ion. Das Genie kann Kunstwerke hersteUen, weil es einerseits eine Unendlichkei/ umfaßt (" Der Horizont der thätigen Kraft aber muß bei dem Ge nie so weil, IIne die NO/llr selber, seyn''), zugleich muß das Genie das ,dunkel geahndete Ganze' der Kunstgegenstands über die paradoxe Figur der ln transitivität, der Selbs/begründllng herstellen, muß es "n(lch sicb selber, (I/IJ sich selber bilden". Das hat zur Folge, daß nur das Genie das unendliche Geheimnis des geniale n Kun stwerks ergründen kann: ..Allein da unser höc hster Genuß des Schönen dennoch das l17erden desselben alls IIIISfl!r eigenen Kraft unmöglich mit sich fassen kann - so bleibt der einzige höchste Genuß dessel ben immer dem scha ffe nden Ge nie, das es hervorbringt, seJber".5IJ Die Anlehnungen an das götdiche Ge heim ni s sind überd eutlich: Unendlichkei/ Go ttes, Selbs/begritndlmg Gottes, sowie de r Aspekt der Kongeniali/iü [IV. 2]: Nur, wer vom Geist beseel t ist, versteht dann auch den Geist, den senJIIs spin'/llo/is, hinter dem Buchstaben - in der Ergriindung des geistlichen Sinnes verstand auch GOrt in letzter Ko nsequenz sich selbst [111. 2] . Aus diesen Dispositio nen wird sich im Verlauf von mehreren Jahrzehnten die romantische Auffassung entwickeln, in der das Ge heimnis geradezu zum Prinzip einer unergrit"dlichen Poesie wird [111.8] . Wie sich die einzelnen Verästelungen dieser diskursiven Verschiebungen in der literarischen Praxis niem
M ORITZ. Kad Philipp: Bti/räge Zflr Ai/«h·i!.. Hrsg. von Hans Joachim Schrimpf und Hans
Adler. tl.hinz: Diererich 1989. S. 51f. ("Ober die bildende Nachahmung des Schönen'1- Für Moritz gilt im übrigen dasselbe wie oben fur Hamann und Hcrder. Das Kunstwerk ist Geheimnis ""d Zflgln'rh anschauliche Klarheit; "gI. auch die Besprechung im Abschnitt ,D ie Nachahmung d~ Subjekts' [11. 7]. sn
M ORlr.l. Karl Philipp: Btilräge Zflr Ai/heh·i!.. H rsg. von H ans Joachim Schrimpf und H ans
Adler. Mainz: D ieterich 1989, in der zitierten Reihenfolge S. 48. S. 49. S. 51 II.Ober die bildende Nachahmung des Schönen«l. Auch die Kongenialität ist Gemeinplatz; ein weiteres Beispiel aus vielen: "jedes einzelne Kunstwerk [kann] nur durch dasselbe G efuhl , von dem es hervorgebracht ward, erfaßt und innedich begriffen werden"; WACKENRODER. Wilhelm Heinrich: S/im/lirht Werkt lind Bntft. HiJlonJrh·len'tiJrhe ANJgObt. Hrsg. von Silvio Vietta und Richard Littlejohns. Heidelberg. Winter 199 1 Bei. I , S. 219 L,Phantasien über die Kunst'l
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derschlage n und dann ,um 1800' das Geheimnis514 im Geiste der auto nomen Kunst wiedergebo ren wird, läßt sich schön an Goethes Langzeitprojekt illustrieren, an dem er etwa 60 Jahre gearbeitet hat, dem Famf. Es scheint zunächst einleuchtend, daß sich der FauststOff zu der Zeit, als Goethe ihn als etwa 23-jähriger aufgriff, durch seine RiitselhaJtigkei! empfahl. E r ist Ende des 18. Jahrhunderts ein Archaismus, spielt im dunklen, gotischen Spärmittelalter, verfügt über Z üge des Dunklen, Düsteren, Dämo nischen. S15 D as darf jedoch nicht zu vorschnellen Schlüssen verleiten, denn genau dadurch gerät der StOff zunächst einmal in eine (im Nachhinein:) gefahrliehe Nähe zur ex tensiven Unterhaltungslite rarur der unglaublichen Begebenheiten. Das gilt um so mehr, als der Ur/alls! etwa 1773- 1775 entstanden ist,516 also zu einer Zeit, in welcher man überhaupt erst begann, Überlegungen hinsichdich der trivialen Massenliteratur anzustellen. Zwar gab es zu allen Zeiten leichte und schwere Texte, und auch über Geschmack ließ sich seit jeher streiten; dennoch brauchten sich Künstler um 1774 noch nicht für Auflagenerfolge und Popularität zu schämen. D em entspricht, daß Goethe in dieser Zeit ein Nachwuchsschri ftstell er war, der sich noch nicht sc heute, den Publikumsgeschmack zu treffen. Aus diesem Blichvinkel verfügt auch der Ur/alls! durchaus über Aspekte, die zeigen, wie genau Goethe die Bedürfnisse des Publikums erspÜtte. Zunächst einmal ser-Lr der UifallSf das erfolgsträchtige Schreibprogramm des Srurm und Drang (Gefühl , Genie, Natur) fon , das auch IPerl"" (1774) und GbiZ von Ber/ichingen (U raufführung: t 4. 4. t 774) zu sensationellen Publikumserfo lgen ge-
,.
,,.
Vgl. zwn Gthtimmi bei Gocthe vor allem d ie Monographie MEHRA. Marlis Helena: Dit &dtJlllmg dtr Formt! ,Offinbam GtmimniJ' in G~/hes Spiitwrrk. Snmgan: Heinz 1982. die alle rdings P(luSI nicht berücksichtigt. Eine ko mpakte Z usarrunenfassung fIndel sich in dies.: " Gocthes Altersfonnel ,O ffenbares Geheimnis'." In: ZtiJHhriji jiir dtulschtn PhlJomgit 98 (1979), S. 177-201; vgl. außerdem LoRENZ, Ono: " Verschwiegenheit. Z wn GeheimnisMotiv der ,Rö mischen Elegien.'" In: j ohann l17o!fgang G~/he. Sonderband Tex! & Kritik. Hrsg. von Heinz Ludwig Am old. München: edition text & keitik 1982, S. 130-152. Einen Versuch d er D ifferenzierung zwischen ,Geheimnis' und ,Rätsel' bielel HÖRJSCH. j ochen: Dit andere Goelhetfit. Poetische Mobilm(lchung du SNbjeleJs Nm 1800. München: Fink 1992, S. 172- 190; vgl. zum Ra"fsel bei Goethe t>.1xn·HAEl, Rupprecht: " Ein Logogriph als Glied der großen Konfession Goerhes." In: Goelhe-j(lhrbJlrb 28 (1966). S. 50-66. Einen motivgeschichtlichen Überblick bietet I-lARTLAUB, GUSlav F.: ..Goethe als Alchemisc." In: Euphorion 48 (1954). S. 19-40. In den G esp rächen mir Eckennann heißr es: ...Der Faust entstand mit meinem Wenhcr; ich brachte ihn im J ahre 1775 mil nach Weimar.'" GOETHE. Johann Wolfgang: Gtdtn/eaNsg(lbe dtr IY/trkt, Briift und Gupräfhe. Hrsg. von Ernst Beud er. Bei. 1-24. Zürich: Anemis 1949. Bd. 24: j ohann Pelrr E f/em1lann. Gupräche "li! Gorlhe in den letzten jahnn stints Lebens, S. 3 11. Vgl. zur Entstehung u. a. GRUMACH, E m sr: " Zwn Urfausr." In: j(lhrlJuch rkr GOfIINGml4chaft NF 16 (1954). S. 135-143; REIO I. Hclgard: Die EntstthNng dtr mIm fiinf S:c!"en du G~tI)tSchen , UifaJls/~ München: Fink 1968. NOu...ENDORFS, Valter: V tr Slmt Nm den Uifausl. The Hague. Paris: Mo mon 1967; hier wurde behauprer. G oethe habe an zwei Werken gearbeirer, einem ,Faust' und einem ,Urfaust'; dagegen wendet sich SCHEIBE. Siegfried: " Bemerku ngen zur Entsrehungsgeschichte des frühen .Faust'." In: G~/he-jahrbuch 32 (1970). S. 61-7 1; vg!. ferner r-.1ASON, Eudo Goethe's PausJ. lls Gmesis and P"'fXJrl. Berke ley. Los Angcles 1967, S. 39-91.
c.:
295
macht hatte. Die spätmittelalterliche, düstere, go ti sche Szenerie des Stücks positioniert sich durc haus in das Gravüacionsfeld des Erfolgsmodells der Volks- und Schauerliterarur. Ähnliches gil t in übrigen für die Gretchemragödie, die zur Zei t ihrer Entstehung zunächst einmal genußvoli das kassenschlagerverdächtige Motiv der ,verführten Unschuld ', hier in der Facette der ,Kindsmörderin', ausschlachtet. sn Und zuletz t sind Szenen wie ,A uerbachs Keller' al s komödianti sche Einlagen klar der Unte rh altung des Publikums gewidmet. Im Kontext der zeitgenössischen Rezeptionsweisen empfiehlt sich der Fauststoff zunächst einmal für I1ktiiren der SpannJing. Dieser Befund wird noch verstärkt, wenn man den Aspekt der Fiktiono/itäl hinzuzieht. Waren Fausts Zaubereien 1587 noch als wahre Historio verkauft worden, ist der Stoff einem au fgeklärten Publikum ein Arc haismus, ist die Viel zahl übernatürlicher Motive, etwa Beschwörungen, Magie, Hexerei, Zauberspiegel und so fon, nur noch fiktional decodierbar, droht dann aber unversehens zum unterhaltenden Schauerstück zu mutieren. Wie läßt sich vo r einem aufgeklärten Publikum überhaupt eine Gespenstergeschichte im Dunst vo n Aberglauben und D ämonie legitimieren, die von einern Gaukler und Magier handelt, der Beschwörungen und Zaubereien durchführt und dabei seine Seele au sgerechn et dem Teufel verschreibt518 - und zwar nicht al s j abllla, sprich, Puppenspiel, nicht als Schauerliterarur, und auch nicht al s volkstümlich-komödiantische ,Höllengeschichte' (wie etwa Maler Müllers FaJlsts I1ben von t 778), sondern als ,e rn ste', in Verse gegossene Litemt,,2 Diese Problemko nstellation erhellt die Schwierigkeit von Goethes ,ernstem' Faust und erklärt die Langwierigkeit des Projekts, in de ssen Verlauf der Tex t zunehmend ästhetisiert wurde. Ve rmu tlich ist scho n das überlieferte Ma nuskript des UifOllSt eine bereinigte Fassung, denn zeitgenössische Belege zu Goethes Vorlesungen aus seinen frühesten Fausrmanuskripren in den Jahren t 774/ 1775 berichten von einem ungestümen Helden ("Paradirt sich drauf als D onor Faust / D aß'm Teufel selber vor ihm graußt'j, der noch wilder zu sein scheint al s der des Uifallst. Wieland berichtet von einer Gefangnisszene, "wo Faust so wü thend wird, daß er selbst den Mcphisrophcles erschreckt"; und zuletz t findet sich bei Böttiger eine Notiz, rue vorgelesene "Wolluscsccnen" bezeugt.sl9 E s gibt also durchaus Inruzien dafür, daß schon das erhahene Ur sn
Vgl. SCHMIDT, J ochen: GMllNs FallsI. Ersltr lind ~/tr Ttil Grundloyn, IVtrk, IVirkung. t-,'Iünchen: Beck 1999, S. l SOf.
SIS
Auch Schmidr sieht diese Schwierigkeit: Vgl. SCm,uDT, Jochen: GMlho Fallst. Ersttr 111/(1 ~iltr Ttil Grund/agtn, lf7trk, lf7irkung. München: Beck 1999, S. 42f.; Schmidt geht in diesem Zusammenhang besonders auf die ,Psycho logisierung' des T eufels ein.
m
Vgl. dazu GRUfo,IACI'I , Ernst: "Zum Urfaust." In: Jahrbll(h dtr Gottht-Gm /lJehaft N F 16 (1954), S. 135-143, hier S. 136-138.Vgl. ferner MASON, Eudo GMlhel I--"'ollsl. Ils Genesis and Pllrport. Berkeley, Los Angeles 1967, S. 39-91. Bei den m eisten früheren Arbeiten geht es um die Frage nach der ,Einheit' der Fauslkonzeption, die ich hier nicht berücksichtige; vgl. etwa MAlER, H ans Albert: .,G octhes Phantasiearbeit am Fauststoff im J ahre 177 1." In: PllbliclJlions of IIN Mot/t,." Langllage A SJoa'ahon 67 (1952), S. 125-146, hier S. 130; vgl. E pPELSI-lEIMER, Rudolf: GotJhtJ FallJt. DaJ Dra11la i11l Doppe/Trieh. Verlllth einir Dilllllng i11l GdJle du
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c.:
fills/- Manuskript eine abgeschwächte, zumindest aber '1uanritariv bereinigte Fassun g eines Textes ist, dessen Ursprung das Kräftefeld einer Hö llen- und Mo rdgeschichte noc h keineswegs hinter sich gelassen harte. Als solche blieb der T ext Skizze, erst 1790 verö ffentlichte Goethe Falls/ als Fragment (welch es Leser bezeichnende rweise noch durch seinen ,Bänkelsängerton' befremdete s2<). der abgeschlossene erste T eil wurde erst 1808 publiziert. Bezeichnenderweise fand die erste vollständige Au fführung jedoch erst 1829 statt - Falls/ war zunächst alles andere als ein Erfo lg. D agege n belegt das erhaltene Vifalls/-Manuskript zugleich. daß es schon zu Beginn des Projekts um ,mehr' ging als die Verfü hrung der Unschuld in schauerlicher Sze nerie. Schon Fausts Affini tä t zum G enie sowie die Verwendung vo n Motiven aus Alc hemie und Magie zur Darstellung des künstlerischen Schaffe ns lassen sich sowohl im Vifa"s/ wie auch in anderen Schri ften des jungen Goethe nachweisen.521 Auch der sprachmagische T on weist über eine ,Hö Uengeschic hte' hinaus. Dennoch o szilliert dieser Text noch zwischen ,Tiefe' und unbefangener Unterhaltung, und das haben auch zeitgenössische Leser so gesehen. Das zeigt sehr schön eine wohlwollende Rezension des FaustFragments von 1790 durch August \'Vilhelm Schlegel: ,.D er Sinn dieser dramati schen Dichtung ist zu tief. ist zu um fassend, und . da das Stück nur Fragment ist. zugleich zu wenig entwickelt. al s daß nicht zu befürchten wä re. ein großer T eil der l....eser werde ihn übersehen H . Der Tex t ist noch zu .roh' - Goethe nennt es später auch ,greU' -, wo raus die Gefahr erwächst, daß seine Tiefe überhaupt nicht von den Rezip ienten bemerkt wird . Schlegel registriert ,.die plötzlichen Übergä nge vo n populärer llJ Ein falt zu philo sophischem Ti efsinn. vo n geheimnisvoll en magischen O rak eln zu Sprüchen des gemeinen Menschenverstandes, vo m Erhabenen zum Burlesken."s22 Auch dem zum ,Klassiker' sich wandelnden Goe rne wird der .barDirh/m. Snutgart: Verlag Freies G eistesleben 1982, S. 28ff. mas und seine fiinfsrufige Ko mpositio n"). sm
Vgl. r..1ASON, Eudo S. 26 1.
c.: Gotthe'l Fml1t.
~ , Die
Einheit des Faust-D ra-
111 Gtlln il (.md PNrport. Berkcley, Los Angcles 1967,
VgL die bis heute ein schlägige Studie Z IMMERMANN, Ralf Chrisoan: DtlJ IVellbild du j Nllgell GOI/IN. S INllirn tf/r btnnthJrhrn Trodih'OIl du rUNllrlNn 18. jahrhlmrUrtl. Bd. I: Elemente und Fundamente. Bd. 2: Interpretatio n und D o kwnematio n. r-,.·llinchen: Fink 1969/ 1979; sowie r...-lEHRA, Marlis Hclena: Dit Btdtllllln!. dtr Formt! ,Offillbom Gthtimllil' ill Gott/m SpiiIlJ·trle. Sruttgan : Heinz 1982, S. 4f. Sll
SCHLEGEL, August WilheIm: Sii mmt/irIJe IVer/ee. Bd. 1-12. Hrsg. von Eduard Böcking. Leipzig: Weidmann 1846. Bd. 10: "G ocrhes Faust, Jcry lUld Bäte!)", Scher2, List und Rache", S. 16, dann 17f. T ypisch ist auch Ludwig Ferclinand Hubers Außc.rung (1792) zur G retchenfigur: " Zugleich ist, und zwar in KniucJversen, ein weibliches Geschö pf gesc hilden~ ein albernes alltägliches Gänschen, das nNrd urch einfache Natur, durch Unschuld und Weiblichkeit, die Züge bald einer Mado nna, bald einer Magdalena, erhält. und mit jenem unglücklichen O p fe r seiner erhabenen T riebe in tilltn Abgrund gestür.lt. die tragischen Empfindungen der Rührung und des Schreckens in voUstem Maße erweckt." Abgedruckt in l\1.ANDELKOW, Karl Ro hen (Hr sg.): Gotthe im Urteillallfr KriMw: DoleNmrnte tf/r IVirhngJgesrhirhte GoeJhel ill Dtu/J(hland. Bd . 1-4. Bd. I, S. 112-118, hier S. 117.
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barische' Sto ff zunehmend unangene hm, wie etwa das unverö ffentlichte Paralipomenon ,Abschied' (1797/ 1798) zeigt: Am Ende bin ich nun des Trauerspieles, Das ich zuletzt mit Bangigkcit voll fühn N icht mehr vom Drange menschlichen Gewühles N icht von der r...[acht der Dunkelheit gerühn Wer schilden gern den Wirrwarr des Gefühles
Wcnn ihn dcr Weg zur KJarheit aufgeführt Und so geschlossen sey der Barbareyen Beschränkter Kreis mit scinen Zaubere}'cn.523
Meine These ist nun, daß die Legitimation die ses Stoffes dadurc h voUzoge n wird, daß der ,um 1800' völlig sinnlos gewordene Archaismus des vormodernen, realen Nalltrgeheifllnisses aus der Histon'(/ umgewandelt wird in ein Modell der ,hohen Literatur' und ihr KnflSlgeheimnis. 524 Ganz am Ende eines etwa 60jährigen Emstehungsp rozesses wird der Text dtJS zentrale Geheimnis der deutschen Literatur sein, er ist dann, in den Worten KommereU s, ein "vem1elllichles Nlysleri/tfll" .525 Goerne wird sich 1830 selbst kommentieren: "D er Faust ist doc h etwas ganz Inko mmensurable s, und alle Versuche, ihn dem Verstande näherzubringen, sind vergeblich. Auch muß man bedenken, daß der erste T eil aus einem etwas dunkelen Z ustand des Individuums hervorgegange n. Aber ebe n dieses Dunkel reizt die Menschen und sie mühen sich daran ab wie an allen unlös baren Problemen.,,526 Faust wird damit zur Galions figur einer ganz neuen Fo rm der uktüre der Ji'ife und verschafft seinen Lesern damit den Reiz der Dunkelheit - gan z ähnlich wie bei Augustinus [111. 2). Dabei läßt sich im Falle der Faustgestalt genau zeigen, welche Aspekte des vormodernen Geheimnisses beibehalten werden, welche sich dagegen verschieben. Goerne übernimmt (bezeichnenderweise bereits im Ufjallsl) zunächst das Mo tiv der faustischen und skrupellosen Wißbegierde nach Nalllr-
geheinmissen: m
GOl:."THE Johann Wolfgang: FOIIJt. Ttxtt. Hrsg. von Albrecht Schöne. Frankfun / r-.-t.: Deutscher Klassiker Verlag, S. 573f.; vgl. insgesamt MASON, Eudo G(}(the's FallJt. JIJ GtntJi! and Pllrporl. Bcrkcley, Los Angeles 1967, S. 20-38.
~4
Eine Vielzahl ,'o n T excreferenzen aus der Uteratur seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden in Seimigen aus fo lgendem Sanunclband besprochen: Pu ES, Wolfram Malte und Wolfram !\1A USER: ,VtrbtrguullJ Enlhiilltll. ' ZII Thttm·e Nffd 1vmJI mchttrüchen Vtr/eltidtffJ. Festschrift für Marrin Stern. Wfuzburg: Kö nigshausen & Neumann 1995.
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c.:
Max: GtiJl IIffd BuchJlabt in der Dichlllng. Goetht, Schillt'. Kit;;l, Höldtrh·n. Frankfun / M.: Klostennann 1956, S. 31, meine I-I ervo rhebung. Vgl. ausfiihrlich E I'PELSHEI,\lER, Rudolf: GotIhn Fau!t. DaJ Drama im Doppe/früh. VmNch rintr Drlllllng in, Gt;;lt du Dich/m. Sruttgart: Verlag Freies G eistesleben 1982, S. 36ff. G,Oie Faust-Tragödie als M)'sterien spiel'}. I .,
GOETHE, J o hann Wolfgang: GrdtnleallJgabt drr IPtrh, Britft lind Gupriüht. Hrsg. von Ernst Beuder. Sd. 1-24. Zürich: Anemis 1949. Bd. 24: Johann Ptltr Echrmanff. GtJpriifht mit GottlH in d(1llt~m JahrM J(iffu L1lnffJ, S. 384 (3. Januar 1830J.
298
Drum hab' ich mich dcr Magie ergeben, Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nic ht manch Geheimnis würde kund Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß Zu sagen brauche, was ich nicht weiß; D aß ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhält Schau' alle Wirkenkraft und Samen Und tu' nicht mehr in Worten kramen. (V.
377~385)
Ab er schon dieser Ausgangspunkt der faustischen Wißbegierde wird durch gängig als Archaismlls gestaltet, der in de r N arurwissenschaft der Aufklärung kaum mehr Sinn ergibt. Der T ext (ich beziehe mich fortan auf Fallst (I) von 1808) reproduziert dabei durchgängig die rraditionelle Topik des Geheimnisses, wie wir sie von dem neugierigen Augustinus kennen: Faust sucht etwas in der Tiife der Welt, ihr innerstes Prinzip; von Worten häh er dabei nicht viel, er erho fft sich jedoch KJärung durch den Geist. Konsequent wird diese Bildlichkeit beibehalten, durchgängig wird das Mo tiv des Fliegens oder des Ausgriffs nach den Ste rnen aufgegri ffen. Sc ho n bevor der Z uschauer Faust da s erste Mal sieht, charakterisiert ihn Mephisto: " Vom Himmel forden er [FaustJ die höchsten Sterne" 01. 304). Immer wieder klagt Faust: ,,0 daß kein Flügel mich vom Boden hebt, / Ihr [der Sonn eJ nach und immer nach zu streben!" 01. 1074-75); ,.Ach! Zu des Geistes Flügeln wird so leicht / Kein kö rperlicher Flügel sich gese Uen." 01. 1090- 109 1); " Die andre ISeele] hebt gewaltSam sich vom Dust / Zu den Gefilden hoher Ahnen." 01. 111 6- 17). Selbst der T od wird diesbezüglich als Erl ösung begriffen: "Ein Feuerwagen schwebt auf leichten Schwingen / An mich heran! Ich fühl e mich bereit, / Auf neuer Bahn den Äther zu durchdringen" 01. 702-704). Erwartungsgemäß wird das parallelisiert durch den Ausgriff in die Tiefe; sc hon oben ging es um das Innerste; an einer späteren Stelle apostrophiert Fau st einen gewissen ,erhabenen Geist' (es bleibt typischerweise unklar, wer damit gemeint is(527), wohl nicht zuHUlig in einer Hö hle: "Vergönntest mir, in ihre lder NarurJ tiefe Brust, / Wie in den Busen eines Freunds, zu schauen. l... J / Dann führst du mich zur sichern Hö hle, zeigst / Mich dann mir selbst, und m ein er eig ne n Brust / Ge heime tie fe Wunder öffn en sich" 01. 3223-3235). MephiSto sagt an einer Srelle. daß Faust "das Wort so sehr verac htet, / ler,J Der, weit entfernt von allem Schein, / N ur in der Wese n Tiefe rrach,e," 01. 1328-1330). Fausts Wißbegierde wird al so innerhalb der klassischen T opik der Tiife Nach Trunz (s. Kommentar, S. 557) soll es sich dabei um den Erdgeist handeln. Der T ext läßt das jedoch völlig o ffen; so SIcht es auch Schöne in G O ETHE Johann Wolfgang: Falll /. Kommen/art. Hrsg. von Albrccht Schöne. Frankfun/ M. : Deutscher Klassiker Verlag, S. 3 13f., dort weitcrfiihrende Literaturrunweise.
299
oder der Hiihe gesmlret. Faust ist durchgängig und konsequent ein Luer der Tirfe; stets geht es ihm um einen hinter den Buchscaben oder den Dingen ver· borgenen, geühgen Silln. Die Topik entspricht dabei weitestgehend der augusti. nischen Lektüre der Tiefe. Und auch die Struktur der \'Virklichkeit reprodu. ziert den mittelalterüchen, hinter den D ingen befindlichen, geistigen ßedeutungsraum , in welchem alJe Gegenstände der Welf miteinander sinnhaft ve rbunden sind [III. 3]. Es finden sich die traditionellen Bilder der Keil<''' (" Und Stürme brausen um die Werte, / Vom Meer ans Land, vom Land aufs Meer, / Und bilden wüte nd eine Kette / D er tiefsten \'(Iirkung rings umh er" 01. 259-262)) sowie der gewebten Te_Ylllr als lesbarer, absoluter Text billter der Oberfläche der Dinge. s29 Ein Beispiel ist das ,Zeichen des t.'fakrokosmus· im Autoskripr des Nosrradamus: \'(' ar es ein Gon, der diese Zeichen schrieb, Die [... 1mir geheimnisvollem Trieb Oie Kräfte der Narur rings um mich her enlhüllen? [...1 Ich schau' in diesen reinen Zügen Die wirkende Narur vor meiner Seele liegen. [... 1 Wie aUes sich zum Ganzen webt, Eins in dem andern wirkt und lebt! Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen Und sich die go ldnen Eimer reichen! /I.'lir segendu ftend en Schwingen Vom Himmel durch die Erde dringen , I-I annonisch all das All durchklingen! (V. 434-453)
Alle diese Bilder, auch etwa das von der die \'(Ielt durchdringenden Sp hären harmonie, stammen aus det mirtelaltedichen LLktiin der Tiefe, die letzclich immer darauf ausger:ichtet war, Gon und göttliches \'(Iirken in der Natur hinter der Oberfläche der Dinge zu erkennen. In diesen Aspekten reproduziert die Faustgescalt also durchaus eine Haltung gege nüber dem Geheimni s, die durchaus noch der Logik der Historill entsprechen würde. Es muß aber betont werden, daß die 1587 noch nalell Geheimnisse jetzt, ,um 1800', irreal sind. Faust kann al s Naturwissenschafcler nicht mehr ernstgenommen werden; vor allem sein Drang, einen geis/igen Sinll, einen senSIlS spiritllali! hinter den Erscheinungen, womöglich mit Hil fe eines Geistes, zu erkennen, sind ebenso Atavismen wie seine wissenschaftliche Auffassung von den Dingen als eine ,Kette' oder ,Textur' göttlicher Botschaften. \'Vill man Faust noch ernstnehmen, dann muß man ihn umdeuten: AJs Modell fUr eine l1ktiin der Ti':ft, die jenseits der zeitgenössisc hen Naturwissenschaft Vgl. LOVEJOY, Anhur 0 .: TIN Grrat Choi" oJ Bang. A StNtIJ of tht HiJlory of an 'dta. Thc Willjam James Lectures dclivcred. at Huyud Univcrsiry, 1933. Cambridge/ Mass.: Harvard
ur
1950.
BLUMENBERG,
300
Hans: Dit LtJbarluit dir Wtll. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1981 .
existiert, die eine spez ifisch lilerarische E rkenmnisfonn im Geiste der ,hohen Kunst' vorstelk Daß man die faustische Suche nach dem Sinn eben gerade nicht narurwi s· senschaftlich zu nehmen hat, wird vor allem dadurch deutlich, daß seine \'(Iiß· begierde selbst irrational ist und als Rätse l gestaltet ...vird. Während der Faust der His/orill in der Lage ist, dem Teufel seine Fragen der Reihe nach vorzule· gen und seinen \X1issensdurst zu stillen , bleibt in Goethes Bearbeitung des Stoffes völlig offe n, welches \Xli ssen Faust denn fehlt; ihm ist bloß kJar, "daß wir nichts wissen kö nnen" 01. 364). Ei n wissenschaftliches Erkenntrusziel fehlt ihm gänzlic h; sein Drang ist letz tlich unendlichl allufllfassend und gleicht vor allem im Aspekt der behaupteten E benbürtigkeit mit Gott dem Getzc: Literarisch-künstlerischen!) Geni?JO: Faust ist eben kein \'(Ii ssenschaftler mehr. Rätselhaft bleibt dabei, daß nicht erkennbar ist, auf welchen verborgenen Sinn Faust seine Bemühungen richtet - eine Frage. die durch die ungeheure Gewal t seines sprichwörtlichen Strebens nur noch dramati siert wird. Faust erweist sich als Leser der Tiife par excellence, aber er scheint (im Gegensatz zu dem Faust der Hislorio) nicht im geringsten zu \vissen, was er in dieser Tiefe zu suchen hat. Das \vird gestaltet durch eine Reihung von einander überschrei· tenden Lek/iirr.n der Tiife - in dieser Hinsicht ähnelt er durchaus dem Augu· stinus der COIlf tssiones [111. 21. S3 1 Faust studiert zunäch st alle Fächer der mittelalterlichen Universität. Danach probiert er es mit naturwissenschaftlichen Forschungen, aber auc h hi er weiß er allenfall s, daß sie ihm E inblick in Geheimnisse jenseits einer SchlJ!elle ve rmi tteln sollen, über eine genauere Frages tellung scheint er nicht verfügt zu haben: Ihr In stnuTIente freilich spo ttet mein I... ) Ich stand am Tor, ihr solhet Schlüssel sein; Zwar euer Ban ist kraus, d och hebt ihr nicht die Riegel. Geheimnisvoll am lichten Tag Läßt sich Narur des Schleiers nicht berauben, Und was sie deinem G eist nicht offenbaren mag. D as zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. (V. 668-675)
Diese unorthodoxen \vissenschaftlichen Bemühungen, von denen Faust allenfall s mitteilen kann , daß sie nach einer ,Natur' fo rschen, die ,hinter einer Sc hweUe' und im ,Innersten der Welt' liegt, werden leider rucht von Erfolg gekrönt. Die Enttäuschung darüber markiert den Beginn des Falts/, er versucht es jetzt nämlich mit der Magie. Zunächst bemüht er sich um eine geistige Entzif· ~JO
'"
VgJ. etwa Schmidr, der Faust als G erne liest: SUIMJDT, Jochen: Die Gurhirble du GenitGedankens in der d(ll/srhen U ltralIIr, Philosopme lind Politik (1750-/945). Bd. 1-2 Dannstadt:
Wiss. BlIc hg~s. 1988. Bd. 1: Vor. dlT AuftJiinli1!, bis {;Im Idea/isnllls, S. 309ff. Vgl. 1·IARo'lAC K, Adolf: ..Augustins Konfessionen." In: i\. H.: Rrden IIndAHftii/~. Bd. 1-2. Giezen: Töpetmann 1906. Bd. 1, S. 49-80, hier S. 63ff.
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ferung des Makrokosmus-Symbol s; dabei ,sieht' er, wie zuvor zitien, ,Wie alles sich zum Ganzen webt'. Faust müßte demnach eigentlich am Z iel sein, denn er erkennt die ,ganze N atur', guittiert diese Erkenntnis aber mit dem Satz: "Welch Schauspiel! Aber ach! Ein Schauspiel nur!" (11. 454). Wir erfahren jetzt, daß er ,die unendliche Natur' nicht nur ,sehen' will, sondern sie an den ,Brüsten' zu fassen begehrt. D aher (?) erfo lgt der nächste Versuch, di e E rdgeistbeschwä rung. Diesen will er zwingen, sich ihm zu ,enthüllen' (wo bei offen bleibt, welche Erkenntnis die Enthüllung des Erdgeistes liefern so ll), " und ko stet' es mein Leben!" 01. 481). Der Erdgeist erscheint tatsächlich (wieder ist Fausts Z iel al so erreicht) und offenbart Info rmatio nen, die der gewebten T extur bei Nostradamus gleichen und sie nachgerade bestätigen: " .I n Lebensfluten, im Tatensturm / Wall' ich auf und ab, / \Vebe hin und her! G eburt und G rab, / E in ewiges Meer, / Ein wechselnd Weben, / Ein glühend Leben / So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit / Und wirke der G o rtheit lebendiges Kleid. " (11. 501 -509). Der Geist verschwindet darauf bekanntlich, und Faust vetbl eibt, un trÖStlich, daß er ihn nicht ,halten' ko nnte (wozu?); darüber erwägt er gar, Selbstmo rd zu begehen, um auf diesem Weg " Pfo rren aufzureißen" 01. 710) und nach " jenem Durchgang hinzustreben" 01. 716). Dabei wird er von einer neuen O ffenbarung aufgehalten, die religiöser Na tur ist und in der GOtt sic h di rekt an Faust selbst zu wenden scheint: Ein ,Chor der Engel' begi nnt zu singen, "Christ ist erstanden" (V. 737), und endet mi t der E nthüllung des zentralen biblischen Geheimnisses, des gö ttlichen Namens JHW H [[11. 1] : " E uch ist er da!" (V. 807); auch hier erscheint Faust gerad ezu als auserwählter EmpHinger göttlicher Botschaften, di e ihn ebenfalls nicht befriedigen. Nach dem unrerlassenen Selbsono rd und dem O sterspaziergang mir \'Vagner kehrt Faust in sein Srudier.limmer zurück und ändert erneut seine Strategie; diesmal gilt seine Lektiire der Tieft dem erSten Satz des J o hannesevange liums. Do rt geht es bekanntlich um den Ursprung aller Dinge; Faust findet den Satz vor " Im Anfang war das \'Vo rr" 01. 1224) - ein iro nischer Befund , denn ausgerechnet an der Stelle des Urspnmgs fmdet Faust ,nur' das \'\IOrt ,,\'(Ion ", eine Buchstabenoberfl äche, hinter der er mit Hilfe des Geistes einen IensJlS spirituoliI zu enthüllen sucht. Auch dabei durchläuft Faust eine Substirmionsbewegung; er setzt als geistigen Sinn für ,Wo rt' zunächst Sinn cin, ersetzt Sinn durch Krift und dann Krafr durch T al. Diese Lektüre wird dann abgebrochen durch Mephisto s Angebo t eines Teufelspakts. Man sollte meinen, daß Faust von einem so lchen Pakt die Beantwortung seiner naturwissenschaftlichen Fragen erwartet, doc h crsraunlicherweise ist dies nicht der Fall. Jetzt ist weder von ,N atur' noch vom ,U rsprung' die Rede, sondern Faust so ll erfahren .,was das Leben sei" 0'. 1543), an späterer SteUe heißr es, daß es " In die IFelt' (11. 1631 ) gehr. Es gehr al so ab jetzt erst einmal um Gmuß und Sinnlichkeit, " Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön!" (11. 1699f.). D er Drang nach Tiefe
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wird (wie bei Hamann und Herder) in die E mpfindung und Sinnlichkeit umgelenkt: ,.D er große Geist hat mich verschmäht. / Vor mir verschließt sich die Natur, / Des Denkens Faden ist zerrissen, / Mir ekelt lange vor allem \'(Iissen, / Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit / Uns glühende Leidenschaften stillen!"(V. 1746-175 1); und kurz darauf: " D em T aumel weih' ich mich, dem schmerzlichsten Genuß" 0'. 1766). Offen bleibt dabei, warum es getade det Teufel sein muß, det Faust den sinnlichen Ge nuß verschaffen soll. Am sinnlichen Genuß in ,Auerbachs Keller' nimmt Faust dann jedoch gar nicht teil, er bleibt weitgehend schweigsam (im Urfaust noch war er selbst der Zaubernde - auch ,.Fausts Schweigen" m ist ein klares Indiz für eine zunehm ende Ambiguisierung und Sublimierung): ,. Ich hätte Lust, nun abzufahren" 01. 2296). Auch der sinnliche Genuß wird dann durch eine Lektüre der Tiife ermöglicht, denn Faust decodiert G retchen zugleich al s Verkö rperung einer höheren Natur als auch des Göttlichen ("N arur! Hier bildetest in leichten Träumen / Den ein ge bornen Engel aus!" (V. 27 11 f.». Erstaunlicherweise bleibt aber auch die Liebe zu G retchen nicht konstant; Mephisto sagt: ,.Erst kam deine Liebeswut übergeflossen l... ] / Nun ist dein Bächlein wieder seicht" (V. 3307/ 33 10). Faust ist also zugleich ein Leser der Tiife, aber im Hinblick auf das zugrundeliegende transzendentale Signifikat seincr Sehnsucht bleibt er selbst ein Rätsel. Schon im Faus/ (I) werden ständig Substitutio nen des Transzendenralsignifikats vollzogen (e t\va: No/ur, Gott, Urspnmg, Genuß, Liebe), und dieses Prinzip wird auch im zwci ten T eil fo rtgeführt werden, do rt setzt sich die Reihe fort: Fa ust sucht hier nach Reichtll/JI, Schönheit, Macht, und, in eingesc hränktem Sinne am Schluß, Gott. Ein typi sches Beispiel für seine ständigen Substitutionen ist seine Antwort auf G retchens Frage nach seinet Vorstellung von GOtt: "Nenn es dann wie du willst, / Ne nn's Glück! Herz! Liebe! Gott! / Ich habe keinen Namen / Dafür! GeJiihl ist alles" (V. 3453-3456, meine Hervorhebung). Von daher wird die Faustges talt aus ihrem ursprünglichen Kontext, der wissenschaftlichen Neugierde, herausgeboben. Es macht ,um 1800' überhaupt keinen Sinn mehr, Goethes Fausrversion als Gespenstergeschichte um einen skrupellos wissensdurstigen Gelehrten zu rezipieren, ganz im Gegenteil verhindern die völlig irrationalen Substitutionen des transzendentalen Signi fika ts seiner Sinnsuche solche Bemühungen. Die ehemalige Histon'a ist jetzt eine Fiktion, und Faust selbst ist jetz t (nur) ein konslmierles, ein künstliches Rätsel und reizt dadurch seine Leser mit Geheimnistiefe: .,Es ist keine Kleinigkeit [... ] dem fe rtig Hingestellten noch einige Manre1falren umzuschlagen, damit alles zusammen ein offenbares Rätsel bleibe, die Menschen fort und fort ergetze und ihnen zu scha ffen mache."m ~~
Vgl. GOEBEL. Eckan: "Faust beschaut die Zeichen. Anmerkungen zum I. Teil der Trngödie." In: 117(i!'1om Bdlräge 43 (1997), S. S. 27 1-285, hier S. 275.
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G OETHE, Johann Wolfgang: Bn"ift. HomblirgerAlisgabe. Hrsg. von Karl Roben Mandclkow. Bd. 1-4. Hamburg: Wegner 1964. Bd. 4, S. 425 {An Ze!lcr, 1. 6. 183 1).
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Dieses Schreibprogramm erinnen an Augustinus, dem zufolge Gon seine Texte abs;cbt/ich verdunkelt hat, um den Lesern das Vergnügen der Auslegung zu bereiten [111. 2]. Ganz analog lädt Faust dazu ein, dem Text eine Tiife zu verleihen, indem man ihn als doppelcodierres Gebeimnis liest, in ihm einen Bedeutungs raum aufspannt und darin einen sinnbildlichen, ,tiefe ren' Sinn entdeckt - Faust könnte dann eine Chiffre für Goethe selbst sein, den Konflikt von Geist und Materie darstellen, die existentielle Tragik des modernen ;vlensehen ,im allgemeinen' oder des ,Genies' verkörpern, er kann zum Sinnbild eines selbstzerstörerischen N ihilismus werden oder die Emborgenheit des säkulari sierten Subj ekts symbolisieren, und so weiter, leider bis hin zur völki sch -deutschnationalen Lesart. Sl4 Di e Rätselhafrigkei t des T extes erzeugt diese Lektiiren der Tiife zwangsläufig, womit ein AuslegungskuJr schon zu Lebzeiten Goethe s begründet wurde, den Goethe ebenso pflegte, wie Becken später die Auskunft übe r die Personalien eines gewissen Godo! verweigern wird: " Da kommen sie und fragen, welche Idee ich in meinem ,Fa ust' zu verkörpern gesucht. Als ob ich das selber wüßte und aussprechen kö nme!"m Dadurch, daß Goethe seiner Faustgestalt den ursprünglichen Kontext, die wi ssenschaftliche Wißbegierde, entzieht, wird der Text zum Geheimnis mys tifi ziert. Hinzu kommt, daß das Geheimnis des Texts, Faust, zugleich eine Rtzeptiol/SJveise markien. raust ist als Geheimnis, im Aspekt se ines Strebens nach 0ffenblJnmg, nach Etjii/lung zugleich ein exemp/lmr. Für eine neue Lektiire der Tieft. In dem Faust nämlich al s StIchender, als radikaler Leser der Tiife vorgestellt wird, bildet er selbst das Modell für zu künftige Lektüren ein er rätselhaften ,hohen Literatur', den J-7au.rl inbegriffen - das wurde im übrigen sc ho n von den Zeitgenossen erkannt. In e arl Friedrich Gösch eI s Kritik heißt es erwa: Aber wenn in dieser Elegie zur Einleitung der Dichter selbst sich fragt, ob er den Versuch wagen soll, die geistigen, aus Dunst und Nebel erstandenen Erscheinungen fes rzuhalrcn [...J, so ist dies zugleich, wie die Tragödie selbst, ein warnender Wink für andere, welche den konkreren Reichrhum dieses lebendigen Gedichrs zu abstrahieren, zu zerlegen, zu zersetzen, und zu zerp (J ücken unternehmen woUen. Aeußert sich doch der Meister selbst gerade über dieses \Xlerk, sogar in den Bekenntnissen seines offen redseligen Alters, nur kurz und abbrechend und fast so scheu, wie in seiner Jugend. [...1Ja es ist ein verkehrres, wahrhaft Faustisches Unternehmen, in das Innere des G edichts dringen, dieses Innerste von allem Aeußcren tren nen, und gleichwohl in dieser Trennung VOll
Vgl. vo r allem SOI\\'ERTE, Hans: FOJul IJnd da! rOll!/üehr. Ein Kttpilrl dtlJ/J(hrr Idrologit. Stungan: KIen 1962; ferner: GII_LE, Klaus F.: ",Wer immer strcbend sich bemüht .. .' Überlegungen zur Faustrczeprio n." In: Nropbilotogll! 68 (1984), S. 105- 120. J ,\ COBY, Günther: Hmlrr ok Fall!t. Eint Unltrrll(bllng Leipzig: to.·lerner 1911 .
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GOETHE, J o hann Wo lfgang: Gtdrn/eollJgobt der l17tr/ee, Bdrft lind GtJprö(bt. Hrsg. von E rnst Beutler. Bd. 1-24. Zürich: Artemis 1949. Bd. 24: JollOlln Pt/tr El/eermonn. CtJprö(hr mit Cotlbt in Jtn /tf:(!tn Jahren HintJ LebtnJ, S. 635 f.
seiner Aeußerung vernehmen zu wollen, da es doch der Aeußcrung bedarf, um erkannt zu werden. S36
Man müßte ru so Faust sein, um den Faust verstehen zu könnenl Hinsichtlich der Frage nach der Aufführbarkeit des Faust formuliert August Wilhe1m Schlegel, daß nur der ,Zauberstab' Fausts die Unergründlichkeit des Texts in Anschaulichkeit übersetzen könnte: .. Er [der DichterJ fordert oft die Einbildungskraft der Leser auf, ja er nötigt sie, seinen fliehenden Gruppen zum Hintergrunde unermeßliche bewegliche Gemälde zu geben, die keine theatralische Kun st vor Augen zu bringen vermag. Um Goethes ,Faust' aufzuführen, müßte man Fausts Zauberstab und Beschwörungs formeln besitzen."m Fallst erscheint in dieser Optik rus Modell, welches die Lektiire der Tiefe zur dominanten Rezeptio nsweise einer ,ho hen Literatur' zementiert, er ist, um de Man produktiv mißzuverstehen, die Allegorie seiner eigenen Lesbarkeit. Faust hat sich ruso gewandelt - von einem ,echten' Gelehrten mit übergroßem \'Visse nsdurst zur geheimnisvol1en Chiffre des suchenden Lesers, der Lektiire der Tiefe. D iese inhaltliche Verschiebung, die eine IViedergeblirl des Geheiflmisses im Geiste der KJmst erzeugt. läß t sich durch einen Seitenblick auf Details der Entstehung des Texts untermauern. Wie schon oben dargestellt, nahm der UifaJlSt noc h eine Zwischen stellung ein, die durchaus noch Affinitäten zur Hö llen- und Mo rdgeschichte aufwies. Aber in den folgenden zwei Jahrzehnten harte sich eine Differenzierung zwischen einer ,trivialen' und einer ,hoh en' Literatur zunehmend du.rchgesetzt, wie oben bereits dargelegt wu.rde [111 .5]; eine pointierte Verdammung des populären Schriftstellers fin det sich in der berühmten Schiller-Bürger-Debatte (179 1- 1793), in der Goethc bereits für Schiller und sein Konzept der ,ho hen Literatur' Partei ergri ff.538 G ÖSOIEL, e arl Friedrich: Utbrr GöllJe 's Falls/lind dmm FOrlsttt!mg. Leipzig: I-Ianmann 1824, S. 61f.; vgl.ferner: " daß Göthe's Faust eben so wenig je ganz mis"erstanden, als ganz entriithselt werden wird, so wie es denn einer jeden genialen Producnon eigemhümlich ist, daß sie nicht erschö pft werdcn kann. Eine völlige Enträthselung "ennöchte daher der Dielucr selbst nicht zu geben" ebd., S. 56; " D as Publikum hat sich hannlos an der Außenseite erfreul und an der wunderbarcn Erscheinung sich gcnügen lassen, wie denn jedes wahrha ftige Gedicht, gleich der N atur, auch o hne Enträthselung ftir jedermann genießbar ist"; ebd., S. 38.
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Aus August Wilhelm Schlegels Vorlesungcn "Uebcr dramatische Kunst und üteratur", abgedruckt in M ANDELKOW, Karl Roben : Gor/he im Urltil stintr Kritiktr. DokNmmlt 1JIr lf7irklllngsgurhithlt Gotlbu in Druls(hlond. Bd. 1-4. Hrsg. "on Karl Ro ben Mandelkow. München: Beck 1975. Bd. 1, S. 283. In Schillers Rezension "Über Bürgers Gedichte" heißt es: ,Jetzt ist zwischen der AlIsu-'Q1;1 einer N ano n und der M aHl derselben ein sehr großer Abstand sichtbar"; Bürger wird als einer, der " Popularität" anstrebt, abgewen eL SCHIllER, Friedrich: If/ trkt. Notionalallsi,obr. Hrsg. "on Julius Petersen und Hennann Schneider. Bd. 1-42 Weimar: Bö hlau 1953ff. Bd. 22, S. 247. In einem Brief an Kö rner "om 3. 3. 179 1 heißt es: " In Weimar habe ich durch die Bürgerischc Recensio n viel Redens von mir gemacht; in allen Zirkeln las man sie vor und es war guter Ton, sie vorueftlic h zu finden , nachdem G ö the öffemlich crkJän hatte, er wünschte, Verfasser da"on zu se)'n." Ebd., Bd. 26, S. 77. Gocme registrien selbstve rständlich " die große Neigung des lesenden Publikwns zu Journalen und Roma-
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Daher verwundert es nicht, daß der ,klassische' Goethe in der Ze it nach seiner Italienreise das Ko nzep t des FOllsl zunehmend sublimiert.SJ9 Vor all em während der Vollendung des ersten T eil s zwischen 1797 und ,um 1800' wird der T ext äs thetisiert. Das betri fft nicht nur die Fo rcierung der Vetsfo rm; Goethe sc hreibt Schiller dazu (am 5. Mai 1798): "Einige tragische Sze nen waren in Prosa geschrieben, sie sind durch ihre Natürlichkeit und Stärke in Verhältnis gegen das andere ganz unerträglich. Ich suche sie deswege n gegenwärtig in Reime zu bringen, da denn die Idee wie durch einen Flor durchscheint, die unmittelbare Wirkung des Stoffes aber gedämpft wird.,,540 Goe thes Ausarbei tungen (die Szene .Nacht' wird vollendet, weite Strecken der zweiten Srudierzimmerszene sowie ,Wald und Hö hle' entstehen) versc hieben den Helden Faust klar in eine allgemeine Dimensio n, machen ihn lesb ar als ,Symbol', vertiefen ihn als Figur. Die Szenen ,\Xfalpurgisnacht' sowie ,Walpurgis nachtstraum' stehen zwar noch im Umfeld des ,G rellen', sind jedoch geheimnisvoll -kryptisc h äs thetisiert ("Diese \Xfider sprüche statt sie zu vereinigen disparater zu mac hen". könnte das Programm di eser Verrätselung lauten S4I) . Das ganze wird noch dadurch übertro ffen, daß Goethe in derselben Zeit den hochartifizieUen Einstieg in das Stück durch insgesamt drei Prologe konzipiert: .Zueignung', ,Vorspi el auf dem Theater' und ,Prolog im Himmel'. D er Leser oder Z uschauer betritt den Tex t ab jetzt durch drei T ore, ganz ähnli ch wie man sich im sakralen Raum über ein e Reihe von Schwellen dem AUerhei-
nen"; G OETHE. J o hann Wolfgang: Gtdtnlemuga/x drr IIYtrkt, ßritje Nfld Gesprii(ht. Hrsg. von Ernst Beutler. ßd. 1-24. Zürich: An emis 1949. Bd. 12: BiogrophiJ(he E.in~ls(hnJttn. S. 8Of. (RtiJe in dit S(hu-'ti~ 8. August 17971. Er zementien selbst die D ifferenzierung zwischen einer u:i\1alen und einer ho hen Literatur. er hat sich jedoch aus polcmischen Auseinandersetzungcn herausgehalten; vgl. zu diescm ,Geltenlassen' auch SCHULTE-S,\ SSE. Jochen: Die Knlik an dtr Tri'1allileralNr uil dtr ANjklänmg. S'N(litn iJlr Guch/rllle de; modtrntn Kits{hbrgrijJi. Fink: München 197 1. S. 9 1ff. Es sei zusätzlich vcrmerkt, daß sich bereits beim jungen Goetlle D ifferenzierungen zwischen den ,Kennern' und dem breiten Publikwll nachweisen lassen, etwa in seiner Sulzer-Rezension (1772) oder im ßaukunstaufsatz (177 1/ 72); vgl. r..t EI·IRA, Marlis Helena: Die BedtN'Nng dt r Fomlel ,Offinbom GdJlinmü; in Gotlhe; SpölJI.'trk. Srun~,.an : Heinz 1982, S. 23 I.
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Überuiebcn findet sich diese These schon bei HERTZ. G o u fricd Wilhelm: " Zu Gocthes römischem Faustplan." In: ENpw n'on 3 1 (1930), S. 387-427, hier S. 405; Gocm c habe den Pla n gehabt, aus seinen frühen Texten. "o r allem FauST, ,Klassiker' zu schmieden; vgl. ferne r MASON, Eudo c.: GOilhe'; FaNil. IIJ Genu iJ ond PU'fX!rt. ß erkele)'. Lo s Angeles 1967; EpPELSHEIMER, Rudolf: GMlhe; FONi!. Das Drollla im Dopptlrrirh. VmN{h tiner Dm/fing im GtiJle de; Dich/m. Srungan: Verlag Freies Geistesleben 1982, S. l ~rf, etwa S. 16: .,D er Faust-D ich!Cr wagt sich in um fa ssender Weise an die Darr!tl/Nng du Ubminnli(hen." G OETHE,Johann Wolfgang: Briifr. HOHlbN'!!r ANigabt. Hrsg. vo n Kar:! Roben Mandclkow. Bd. 1-4. H amburg: \Xfegner 1964. ßd. 2, S. 343. GOETliE, J o hann Wolfgang: IIYtrke. H rsg. im Auftrag der Großher.mgin Sophie von Sachsen. Weimar. ßö hlau 1887 ff. Abt. I, ß d. 14. S. 287; vgl. auch SCHÖNE, AJbrecht: Giille'"'?!ichtn, LiebtJzaNbtr, SolonikHlJ. Neue Einbli(ke in alle GMllx /exll. München: ß eck 1982, S. 11 8.
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ligs ren nähert.542 Ferner erschwert diese Konstruktio n eine Oberflächenrezeptio n, sie durchbricht die Ulusion, sie schafft beim Rezipienten Distanz, hebt das Geschehen auf eine höhere Ebene, und regt so Lekliiren der Tiefe an. Gera de der ,Prolog im Himmel' macht Faust einerseits zum ,Repräsentanten" zum ,Tes tfall' des Mensc hen im aUgemeinen. 543 .. Aus dem Drama wird ein Weltspiel, das seinem \'Vesen nach christlich ist"544 - so werden geistige, allegorische Auslegungen ermutigt. Z ugleic h entschärft er die Tragik des Geschehens (wie auch G retchen, die noch im UljaJlsl ,gerichtet' worden war, jetzt ,gerettet'
wird"'). Auch der Pro log wirkt harmonisierend , deutet ein ,gutes Ende' an, stemmt sich also gerade gegen eine Rezeptionsweise der Spannung - was im übrigen mit Goethes zeitgleichen Überlegunge n zur Verhinderung der (bloßen) Neugierde korrespondiert (1797): .. Ich suchte das Gesetz der Retardation unter ein höheres unterzuordnen, und da scheint es unter dem zu stehen , welches gebietet: daß man von einem guten Gedich t den Ausgang wissen könne, ja wissen müsse und daß eigentlich das IV'ie bloß das Interesse machen dürfe. Dadurch erhält die Neugierde gar keinen Anteil an einem solchen Werke" .S46 Der Fousl (I) wird demgemäß vor allem in den neunziger Jahren (und kurz danach), dem Jahrzehnt der kulrurkritischen Lesesllcht-Debatte und ihrer Kritik an der trivialen, extensiven l....ektüre [111 . 5], zunehmend ins Symbolisc he stilisiert. N icht zufallig stammt aus derselben Zeit ein theoretischer T ext, der erst nach Goethes Tod zu einer zentralen Referenz für den Symbo lbegriff der Weimarer Klassik werden wird , "Über die Gegenstände der bildenden Kunst", ebenfalls vo n 1797:
Gocthes Affinität zu solchen Topologien lassen sich im übrigen gerade in seinen ,klassischen' Texten, dem ,\Xlilhelm Meister' und seinem ,Saal der Vergangenheit', den Gartemopographie in den Wahlverwandtschaften sowie in der Stilisierung seines eigenen Hauses als Kultstätte nachweisen. Dadurch wird die Faustfigur ,\'crallgem einert', sie ist jedoch keineswegs e..wmpilurr, vgl. zu diescr Thesc DAHNKE, Hans-D ietrich: "Wandhmgcn dcr Faust-Problcmatik in dcn crsten J ahrl.ehmcn des 19. JahrhundcrtS." In: Parolltltn Jtnd KonlraJlr. StIldien tJlli/tron'schrn [lYUhlt!· bti!rIJllngtn in EJlropo ~ischen 1750 lind 1850. Hrsg. von H .-D . D . Bcrlin, Weimar: Aufbau 1983, 5.244-293, hicr S. 245ff. Max: Gr;JI Jll/d BJ/dJJlaln in der DifhlJtng. Cotlht, Sfhilltr, KirIJI, Hi/Mrr/in. Frankfurt / M.: KJosrcrmann 1956, 5.30.
K O MME RELL,
Vgl. insgesamt S CHi>IIDT, Jochen: Gott/Je! 1701111. CrI/er JlJ/d rJPlittr Tril Grundlagen, IlYerk. IlYirkung. Münchcn: Bec k 1999, S. 38f. D o rt fmdet sich auch eine Diskussion des dreifachcn Prologs als r.,·linel zur D islanzicrung, entsprechende Belege (vgl. Gocmes Aufsatz "Wcimarisches Hoftheater'') werden don nachgewicsen und besprochcn; "gI. ebd., S. 47ff. Es handelt sich um cinen Brief Gocthes an Schiller vom 22. April 1797 (vgl. GOETIIE, Johann Wolfgang: Bnifr. HaJfJbJu;grr AJlJgabt. Hrsg. von Karl Roben Mandclkow. Bd. 1-4. Hamburg: Wcgner 1964. Bd. 2, S. 265), und zwar im Kontext seiner Theorie vo m cpoJ. Goemc distanziert sich also zeiTgleich auf zwei Ebenen von der Jfhnfllm LeJuiin dtr SponIIImg. (t) Durch die ,Sublimierung' der literarur in Fonn der KJassik und ihrer LeJuiirt dtr Tiift; (2) Durch die Bemühungen um die !angJome Erzählgammg des Epos (Hrrrmann lind
Dorolhra).
307
so werden die Gegenstände denn bestimmt: Durch tiefes G efühl, das, wenn es rein und natürlich ist, mü den besten und höchsten Gegenständen coinccdieren und sie allenfalls symbolisch machen wird. Die auf diese Weise dargestellten G egenstände scheinen bloß für sich zu stehen und sind doch wieder im Tiefs ten bedeutend, und das wegen des Idealen, das immer eine Allgemeinheit mit sich führt.S47
In Vorbereitung auf den weiteren Verlauf der Argumentatio n ist es nö tig, Goethe s SymbolbegrifP'8 und seinen Unrerscrued zur Allegorie ruer kurz zu präzisieren. Es entspricht genau der zeitgenössischen Kunsrrheorie, wenn ruer dem SYlllbol al s äußerer Fo nn des geistigen Hintersinns in der Kunst zugleic h Anschoulicbkeit zukommt: \'Vieder einmal ko nvergiert hier die Programmatik der A·hnlichkeit und des Geheimnisses. S4? Das Symbol wird dabei kontrapunktisc h zu r Allegorie enrfaltet. De.r Allegorie werden dabei zwei N achteile zugeschrieben: (1) I hr I-linrersinn ist aufgrund ihrer Emblematik ,eindeutig', al so nicht unergründlich (eine Frauengestalt mi t verbundenen Augen, die eine Waage hält, bed eutet ,Gerechtigkeit', und nicht mehr und nicht weniger): " Die Allegorie ve rwandelt die Erscheinung in einen Begriff, den Begriff in ein Bild, doch so, daß der Begri ff im Bilde immer noch begrenzt und voUständig zu halten und zu haben und an demselben auszusprechen sei. _ , ,550 (2) Dadurch aber wird die AlJegorie zu einer Art ,toten Metapher', bei der das Interesse ausschließlich dem rationalen Verstehen des Hintersinns (.Gerechtigkeit'), nicht jedoch der sinnlichen Erfassung des Zeichens selbst (, Frau nut Waage') gilt. Eine Allegorie ist hier ein KJmshllCrk, JIIt/ches elJvas anderes bedeulet, als es darstellt. 55 1 Wichtig ist, daß jedoch scho n in der Form des Symbols rue Tieft, und, daraus resultierend, die Unergnlndlichkeil der Texte einer ,ho hen Kunst' zunehmend prono nciert wird (,.Die Symbolik verwandelt rue Erscheinung in Idee, ruc Idee in ein Bild, und so, daß die Idee im Bilde immer unendlich wirksam und unerreichbar bleibt und, selbst in allen Sprachen ausgesprochen, doch unaussprechlich bliebc"m, heißt es später in den MaxillIen lind Rrjlexionen). Und geS--7
GOETHE, J ohann Wolfgang: GrdtllkPllsgobt drr IPrrkt, Bn"ift lind Guprii,ht. H rsg. von Ernst Beutle.r. Bd. 1+24. Z ürich: Artemis 1949. Bd. 13: Schrifttn :(!Ir }\Pnsf, S. 124, meine Hervorhebung. Vgl. zwn Zusammenhang zwischen Goemes Symbol- und Gehcimnisbegriff auch MEHRA, Mulis Helena: Dit Brdtlllllng der Formtl ,Offenbort.! Gthtimnis' in GO/tiNS Spiifu.'trk. Sruttgart: Heinz 1982, S. 55ff.
S--9
Vgl. auch T ODOROV, Tzvcran: SymboltlNon·tII. Übers. von Beatc Gyger. Tübingcn: N icmeyer 1995 (= Ko nzepte dcr Sprach- und Jjrerarurwissenschafr, 54), S. 17 1.
5SO
GOETHE, Jo hann Wolfgang: lWerkt. Hombll'l!r AJlsgobt. Bd. 1-14. H rsg. von Erich T nmz. München: Beck 1988. Bd. 12, S. 47 1 [Mo.'>..711ltn lind FJj1t>..7ontn, N r. 750J.
'"
Vgl. SCHI.AFFER. Heim: Fallst Zwdltr Teil DitAlltgon·e du 19. jabr/Jllndtrts. Sruttgart: Melzler
m
GOETHE, Johann Wolfgang: IY/trkt. Hombllrgtr Allsgobt. Bd. 1- 14. Hrsg. von E rich Trunz. München: Beck 1988. Bd. 12, S. 470 [Ma.,"imen lind F4'txiontll, Nr. 749J.
308
1981,S.33.
nau diese Programmatik spielt eine zentrale Rolle in Goethes Umarbeitung und Fe rtigstellung des Faust (I) ,um 1800', wie sich aus folgendem Brief Sc hil ~ lers an Goethe, wieder aus dem Jahre 1797, vom 23. Juni zeigen läßt. Sc hiller stellt fes t, daß der ,Faust' (das Stück nämlich) bei aller seiner dichterischen Individualität die Forderung an eine gewisse symbolische Bedeutsamkeit nichr ganz von sich weisen kann, wie auch wahrscheinlich Ihre eigne ldee ist. Die Duplizität der menschlichen Nanlr und das verunglückte Bestreben, das Gönlichc und Ph ysi~ sehe im Menschen zu vereinigen, verliert man nicht aus den Augen; und weil die Fabel ins Grelle und Fonnlose gehr und gehen muß, so will man nicht bei dem Gegenstand stille stehen, sondern von ihm zu Idecn geleitct werden.m
In verschiedenen kunsttheoretisc hen Reflexio nen dieser Zeit erörten Goethe, in vielem inspiriert durch Impulse von Sc hiller (vor allem seit 1794) und im Rückgriff auf Moritz, seine klassisc he Kun sclehre, seine Auffassung von einer ,ho hen Kunst', ihrer symbolischen Bedeutsamkeir, ihrer geis tigen ,Kunstwahrheic' (gegenübergestellt einer ,NarurwahrheitJ , die in der Tiefe das ,Wesen der Dinge' enthüllt, die immer ,unendlich ' und ,unergründlich' ist und deren Verständnis den ,wahren Liebhabern' vorbehalten iSt. 554 Die ,Erhöhung' des Fa/(J/~Stoffes erfolgt al so im Ko ntext der Errichtung einer ,ho hen Literatur' durch die Weimarer Klassik. Goethe souffliert der Fi ~ gur des ,Dichters' im ,Prolog im J-limmel' Gemeinplätze des Genies und der Gorrll-lE. Johann Walfgang: nn'rjt 1/# Gotlm. HambNwr AfUgobt. H_rsg. ,'on Karl Roben Mandelkow. Bd. 1-2. I-Iamburg: Wegner 1965. Bd, 1, S. 27 1.
sm
Vgl. u. a.: "der [beruhr] auf den tiefsten G rundfesten der Erkenntnis, auf dem Wesen der Dinge"; GOEHIE, Johann Wolfgang: IVtrkt. HambNwr ANJgObt. ßd. 1-14. Hrsg. von Erich Trum. München: Beck 1988. Bd. 12, S. 32 L,Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil", 1789]; es iS I " noch viel seltener, daß ein Künstler sowohl in die Tiefe der Gegenstände als in die Tiefe seines eigenen Gemüts zu dringen vermag, um in seinen Werken nicht bloß etwas leicht und oberflächlich Wirkendes, sondern. wetteifernd mil der Natur, etwas Geistig·O rganisches hervorzubringen und seinem Kunstwerk einen solchen Gehalt, eine solche Fo rm zu geben , wodurch es nariirlich zugleich und übemariirlich erscheint"; und: "Die menschliche Gestah kann nicht bloß durch das Beschauen ihrer Oberfläche begri ffen werden; man muß ihr Inneres entblößen [.. .], das Verborgne, Ruhende, das Fundament der Erscheinung sich einprägen"; ebd., S. 42f. L,Einleitung in die Propyläen", 1798J. H.ier find el sich auch die Unterscheidung \'on Kunsrwahrheil und Natur\l.'ahrheil. Vgl. ferner: "Ein echtes Kunstwerk bleibt, wie ein Narurwerk, fiir unsern Verstand immer unendlich; es wird angeschaut, empfunden; es wirkt, aber es kann nichl eigentlich erkannt, viel weniger sein Wesen, sein yerdiensr mit Wan en ausgesprochen werden"; ebd., S. 56 [" Ober Laokoon", 1798]. In "Über Wahrheit und Wahrscheinlichkeit der Kunstwerke. Ein Gespräch" von 1798 erörtert Gocrhe seine D ifferenzierung von Trivialliteratur und hoher Uteratur. D em ,gemeinen U ebhaber' wird der ,wahre ü ebhaber' gegenübergesteUr; dieser "sieht nicht nur auf die Wahrheil des Nachgeahrmen, sondern auch die Vorzüge des Ausgewählten, das Geistreiche der ZusammensreUung, das Überirdische VI der kleinen Kunstwclt; er fühl t, daß er sich zum Künstler erheben müsse. um das Werk zu genießen, e r fühl t, daß er sich aus seinem zerstreuten Leben sammeln, mit dem Kunstwerke wohnen, es wiederholt anschauen und sich selbst dadurch eine höhere Existenz geben müsse"; ebd., S. 72.
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,Auronomie' seiner .hohen' Kunst und differenziert das von den Bedür fni ssen der ,Masse': ,,0 sprich mir nicht von jener bunten Menge, / bei deren Anblick uns der Geist entflieht [...] / Nein, führe uns zur stillen Himmelenge, / Wo nur dem Dichter reine Freude blüht" 01. 59-64).555 Nach der Verö ffentlichung von Fallst (I) 1808. der Textfassung, der die obige A nalyse vo n Fausts Verwandlung gefolgt ist, wird Schlegel den Text erneut rezensieren. \'Vieder diagnostiziert er ein O szillieren zwischen Geheimnis und Spanllllllg , aber im Gegensatz zu seiner Kritik von 1790 neigt sich di e \Xlaage jetzt zugunsten der ,Unergründlichkeit' des literarischen G eheimnisses: E s is t schwer zu sagen , ob man mehr zu der H öhe hinanstaunt, die der Dichter oft darin erschwingt, oder mehr an d en Tiefen schwindelt, die sich vor unsern Blickcn aufrun. Aber hier is t nich t d er O rt, diescs labyrinthische und gren zcnlo se Werk, Gocthes eigenrumlichste Schöpfung, überhaupt zu würdigen I.. ,], Einige Szenen , voU vo n der höchsten dramatischen Kraft und von zerreißendem Pathos, z. B. die Ermordung Valen tins, und Grctchen und Faust im Kerker, b ewcisen , daß dcm Dichter die popularc W irkung !1J auch zu G ebote stand, und daß er sie nur umfassendercn Absichten aufgeopfert hat. Er fo rdert oft die Einbildungskraft der Leser auf, ja er nötigt sie, scincn fli ehenden Gruppen zum Hintergrundc unenneßlich e bewegliche Gemälde zu geben, die keine theatraLische Kunst vor Augen zu bringen " cnnag. SS6
Diese sublimierende Tendenz wird beibehalten und im FallSl (I I) dann radikalisiert.S51 Als zentrales Projekt der Altersperiode endet der Text nicht unbegründet mit der Apo theose und einem C H ORUS M YSTlOJS SS8:
Die neue Schichtung des literarischen Publikums wird hier kJar beschrieben. Der ,Direktor' ist ein Vertreter des pro fessionellen literaturbetriebs, dem es aus ökonomischen Gründen zunächst einmal daran gelegen ist, das '·laus zu fiill en; es wird ferner über Viclleserci berichtet , über das "Lesen der Journale", über die Rezeptionsweise der "Neugier" (V. 11 6 und 11 8; ygl. zur Viellcserei V. 46). Auch an späterer Stelle wird das Interesse an "Neuigkeiten" noch einmal persifliert; ygl. V. 41 12f. Es werden also alle Aspekte der neuen txlen$i,.'tn Rezeptionsweise beschrieben. Abgedruckt in MAND ELKOW, Karl Robert: GOilhe im Urttil $nntr Kn·h·ker. Dohmtnle ~r IVirklllni,Jguchirhle GOilheJ in Dtll1Jthlant!- Bd. 1-4. Hrsg. von Karl Ro ber! Mandelkow. München: Ikck 1975. Bd. I, S. 282f. b,Oberdramatische Kunst und jj tteratur" (1811 )1.
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310
Der Grundtatbcstand ist eindeutig, ich ver.tichte daher auf eine detaillierte Lektüre des zweiten Teils; vgl. zu dieser Sublimierung auch KOMMEREU.., ~-lax: C~iJI lind BllrhJ!abe in der Dirh/Nng. COtlhe, S fhiller, Kleül, HäMeriin. Frankfun/ M.: Klostennann 1956, S. 14ff. Vgl. zur Entstehung ferner SCHMIDT, Jochen: GoelheJ FaNJ!. En lrr lind ~'titer TtiL Grondlagen, IWtrk, IVirhng. München: Beck 1999, S. 2 lOff. E ine Forschungskontroyerse zu dem zweideutigen ,Unzulänglichen' wurde durch SCHONE, Albtecht: "Das Unzulängliche / Hier wird's Ereignis." In : SprathuiJJtnuhqfl 19 (1994), S. 23 t -234 ausgelöst, der es aufgrund vo n lexikographischen Befunden als ,nicht hinlänglich' interpretiert; es ist allerdings Kaiser zuzusrimmen, der die inamJJibile-Bedeurung aufgrund des Kontexts fa vorisien; vgl. KAJSER, Gerhard: " Noch einmal: ,Das Unzulängliche / Hier wird's E reignis.'" In: Zti1Jrhrifl fiir deNIJ(m Philologie 115 (1996), S. 279-283.
Alles Vergängliche Isr nur ein Gleichnis; Das Unzulängliche, Hier wird's Ereignis; Das Unbeschreibliche, Hier ist's getan; Das Ewig-Weibliche Z ieht uns hinan. 0l. 12104-1 2111 )
Der Fallst bildet damit schon von seiner Entstehung her, vor aUem seit 1797, eine zunehmende Absetzungsbewegung von der immer deutlicher sich konturierenden ,Trivialliteratur' ab, das Ergebnis ist die IY/iedergebllrt des Geheimnisses im Geiste der I0mst. Fallst war 1772-1775 al s stürmisch-schaurig-empfindsamabenteuerliche Geschichte entstanden, die jedoch bereits das POtential der Unergnindlichkeil und der ÜberhiJhJlng in sich trug - in der 60 Jahre andauern den WeiterentwIcklung wird der Text so weit sublimien, wird dann der zweite T eil so hermetisch und esOterisch, daß sich am Ende ganze Partien überhaupt mir noch allegorisch verstehen lassen. Was etwa f.ingt man sonst mit ,Knabe Lenker' oder ,Den Müttern' an? Heute, zum Nachtisch bereitete Goethe mir einen ho hen Genuß, indem er mir die Szene vorlas, wo Faust zu den Müttern gehl. Das Neue, Ungeahndete des Gegenstandes sowie die An und Weise, wie Goethe mir die Szene vonrug, ergriff mich wundersam [... 1. Ich han.e des Dargestellte wohl gehö rt und wohl empfunden, aber es blieb mir vieles rätselhaft, daß ich mich gedmngen fühlte, G oethe um ein igen Aufschluß zu bitten. Er aber, in seiner gewöhnlichen An, hüllte sich in Geheimnisse, indem er mich mit großen Augen anblickte und mir die Won wiederholte: Die M iitter! Müller! J klingt so wllnderlichl'YJ
Am E ndpunkt dieser sublimierenden Entwicklung - und damit greife ich einen Impuls au s der vielbeachteten Srudie Heinz Schlaffers zum Fallst (11) auf - steht dann die Allegorie.:HJ Goethe überschreitet im Fallst (11) demgemäß die k1assische Programmatik des Symbols, das noch ,um 1800' immer zugleich der Unmittelbarkeit der sinnlichen An schauung (Ahnlichkeil) zugänglich war, und befmdet sich jerzt schon im Kräfrefeld der Allegorie-. eben der augenscheinliche \,(lidcrspmch von unsinniger Erscheinung und unsinnlicher Bedeutung [...] ist ein Kennzeichen der Allegorie. Um den Widerspruch aufzulösen, wird der ,G eis(csriicktriu hinter die Erscheinung' erfordcrGOETHE, J ohann Wolfga ng: GrdmkANsgolu der Werkt, Britft Nnd GlIpriilhe. Hrsg. von ErnSt Beutler. Bd. 1-24. Zürich: Ane.mis 1949. Bd. 24: Johonn Ptler Elklro,ann. Gesprärhe ",il GOIlhe in dm leJ\jln Jahrrn stinu LtbtnJ, S. 384. Vgl. zwn hermetischen Hintergrund auch BRENN, Wolfgang: Htroutik., gtIlhirhtlicm Eifah-
nmg, A tkgon·e. Die konJhlNfil't FNnkiiOf! I/Of! GOftms mnmtiIlh IminjlNßter Naturphilosophie flr dit allegonllhe SlrNktNr deJ FaNst (11). Frankfun/ M.: R. Fischer 1981.
311
lieh. Die Allegorie is t demnach eine ungesätrjgte Fonn, die der Ergänzung durch den Interpreten be d a rf.S61
Erst mit FtJflsl (Tl) löst sich der T ext zunehmend vom Lireral sinn, nähert sich dem reinen Geheimnis, wird am Ende gewissermaßen schwe relos, wie Fausts Seele: "ENGEL, schJllebend in der hilheren A /lllosphiire, FallS/em Um/erbliches /ragend."S62 ]n diese m Aspekt ist Schlaffers Lektüre des Falls/ (TI) als Allego rie zuzustimmen, wobei man berücksichtigen muß, daß der T ext eben nicht di e Eindeutigkeit b esitzt, die das 18. Jahrhundert noch der Allegorie zuschrieb. Faus/ (Tl) ist allegorisch, weil er de n geistigen Sinn privilegiert; er ist SYlllbolisch, weil dieset geistige Sinn ein fwergn'indliches Geheilllnis ist. So wie Falls/ am E nde ausläuft in die Ab-Solution, in die torale Sublimierung des unergnindlich-" Unbeschreiblichen", so wird auch der Tex t selbst zum reinen Geheimnis stilisiert. Der Abschluß des Faust wird des greisen Goethes streng geheimgehaltenes 563 ,Hauptgeschäft' ~ ,wobei ich mein Geheimnis vor allen und jeden sorgEilrig verwahrte"S(4) . Als er ihn endlich ferrigsteUt, kurz vor seinem T od , mys tifizie rt er es, in dem er es unter Ve rschluß hält: "so siegle ich's ein"565, als se in /es/alllen/11111 für die N achwelt. Im Asp ekt dieser Einsiegelung erhält der T ext vorübergehend den Status des tOtalen Geheimnisses, es ist ein T ext ohne Leser, denn es gibt niemanden, der Z ugang zu ihm hat: ACCESS DEN/ED. Die E sOterik des zwei ten Teil s, der sich nur unter Zuhilfenahme von Ko mm entare n wirklic h verste hen läßt, dupliziert diese n Ge stus, den n eigentlich ist dieser Text für kein Publikum mehr geschrieben , cr ist jetzt tatsächlich ,amo no m': ",Geht nur', sagte Goe the, ,und laßt mir das Publik""" von dem ich nichts hö ren mag. Die Hauptsache ist, daß es geschrieben steht. Mag nun die Wel t damit gebaren, so gut sie kann , und es benutze n, so wei t sie es f.-ihig ist. ",566 Des greisen Goethes Geniestreich bestand dann darin , drei Apo theosen miteinander zu verkoppeln: Sein eigener T od erbringt die En/siegelung des voUSCHLAFFER, Heim: FONJI Zu ..,il" Tni Die Alltgon'e du 19. jahrhNndertJ. Srungart: i"!erz[er 198 1, S. 2. GOETHE, j ohann Wolfgang: [f/ t'rkt. HombN'l.er ANJgObt. Bd. 1-14. Hrsg. von Erich T run z. München: Beck 1988. Bd. 3, Regieanweisung nach V. 11 933. Die esoterische Veröffemlichungstechnik der Geheimhalrung und Mysrifikario n läßt sic h in Gocthes Scha ffen immer wied er nachweisen; \'gl. MEHRA, Marlis Hclena: Die ßt'dt'lIll1ng dt'r Formel ,Offinbom Gt'htinmü' in GotJhll Spii/lJltrle. Snm gart: Heinz 1982, S. 2 ff. ~
So heißt es im 2. Entwurf zur Ankündigung der ,Hclena' vom D ezember 1826; GOETI-IE, johann Wolfgang: lt1erkt. HombJl11,rr AHJgoIH. Bd. 1- 14. H rsg. von E rich Trunz. ~'! ünchen : Beck 1988, ßd. 3, S. 445.
SM
G OETHE, j o hann Wolfgang: Bn'tfi. Ha",bml,erAHJgobt. Hrsg. von Kar! Ro ben Mand e1kow. Bd. IA. Hamburg: Wegner 1964. Bd. 4, S. 443]t\n Zelter, 4. 9. 18311.
S66
G OETHE, j ohann Wolfga ng: Gt'denkoHJgobt der Il7rrkr, Brieft lind GuprädJe. Hrsg. von Ernst Beutler. ßd. 1-24. Zürich: Artemis 1949. Bd. 24: j ohonn Pt/er E(ktrmonn. GelPriicht ",il Gott/N in den /t'l:(!tn jah"n Jt'inu LtbtnJ, S. 379 [20. Dezember 18291.
312
endeten Fallst und rdfenbart zugleich das Geheimnis als Prinzip einer ,ho hen Literatur<. Rosenkranz berichtet 1833 von dieser sensationellen E ntsiegelung, die d en Anfangspunkt einer ganzen E nthüllungsbewegung markiert: "jetzt ist es ldas Geheimnisl entsiegelt; vollendet ist die Dichtung vor uns aufgerollt; mit staune ndem Blick stehen wir vor ihr, mit klo pfendem Herzen lese n wir und mit schüchternster Bangigkeit, von tausend Gefühlen und Ahnungen angeregt, wagen wir, uns die Absich t des große n Meisters vorläufig zu verdeutlichen; vorläufig, denn es werden jahre ve rschwinden, bevor der Sinn des weltumfassenden Gedichtes sich völlig entschleiert.,,;67 Solche Dichtungen benötigen , wie einst die religiösen Offenbarungen Gottes, Spezialisten der Textpflege und der kongenialen Auslegung. So wird Goethes Fallst zu einem wichtigen Refe renztext für die frühe germanistisc he Literaturwissenschaft; schon 1837 erschien Christian Hermann \'Veißes Kritik lind ErlöJltenmg des Goethe'schen Faust. Daß Faust dabei selbst das Modell der Lektiire der Tiefe abgibt, zeigt sich auch hier am Beispiel einer Paro die. Es bedarf fau stischer Fähigkeiten, um das I nnere des Geheimnisses vorzudringen. 1862 erscheim Vischers Fallst. Der Tragödie Dn·/ler Theil- angeblich, so die Titelseite, "Treu im Geiste des zweiten Theils d es Görheschen Faust gedichtet von D euto bo ld Symbo lizetci All egoriowitsch Mystifizinski". D er T ext wird d o rt fortgesetzt, wo Goethes Faust endet: Faust erscheint im j enseits. Für seine Missetaten muß er do rt büßen; zur Strafe muß er einer Sc har himmlisc her Knaben den Fallst auslegen, verzwei felt ruft er aus: " D en jungen soll ich Faus t, den zweiten Theil , erkJ ärcnl"568 Als Sinnsuchender wird Faust also Germanist: "Es geht jetzt, wie gesagt, an den Ho munkeI , / Gebt Ach t, paßt auf, d er Gegenstand ist dunkel!" Er s[(;:ht jetzt vor der tatsäc hlich fau sti schen Aufga be, die allegorische ß ed eurung des Texts zu etlthiillen: " D cr H o munkulus [...] ist einerseits die geisd ose Gelehrsamkeit [...J, andererseits aber ebensosehr das besonnene, in selbstbewußter Kraft ahnungsvoll nach dem idealen Schö nen hingcreichtete Streben [... J"; im Verlauf der Ho munkulus- D eutung gerät Faust selbstverständlich in Konfusionen: "Scho n ist die vorige Defmitio n / Die m em orierte, mir entfl oh' n. / Es ist nicht Zeit, im Hefte nachzuseh'n. / Aus Commentaren, wenigs[C ns aus zehn / Hab ich die D eutungen mir abgeschrieben - / [Laut1 E r ist - er ist - wo sind wir steh'n geblieben? / Er ist, besieht man es bei Licht - [Fritzchen:J E rlaubt, mir scheint, ihr wißt es selber nicht."569 Faust, der Leser der Tiefe schl echthin, erbringt die j't7iedergeburt des Geheimnisses im Geiste der K1mst, macht d amit aber einen neuen Berufszweig erforderlich, der sich professionell um die Enträtselung von Kunstgcheimnisse kümS61
Abgedruckt in M AN DELKOW, Kar! Roben: Got/he im Ul1fi/ irin". KritiJur. Do!eNmtn/e tflr IWirkJJmgsgmhithle Gotlhu in DmlJrhlond. Bd. 1-4. H rsg. von Karl Roben Mandelkow. München: Beck 1975. Bd. 2, S. 55.
'"
VISCHER, Friedlich Theodar. FaNS!. [>fr Tnlgjidie drilltr Theil Flksimile-Nachdruck Hildesheirn: Olms t 963, S. 7.
Ebd., S. 26 und S. 28.
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mert. Fallst ist danach zugleich das erSte K1mstgeheifllnü als auch der e rste LitemtllnlJüsensehtiftler. Während sich die Theologen fortan um den schwindenden Rest des realen Ge heimnisses des göttlichen Autors in der Welt kümmern , ob liegen dem Literaturwissenschafcler fortan diegefllachlen Geheimnisse IOJergriindlieher Kunstwerke: Er mthüll t das, was das ,Genie' zuvor verhüllt hat. 570
7. Exkurs: D er sprechende Kosmos, 2 (NOV ALlS)
An diese r Stelle gilt es, eine n Strang wieder aufzugreifen, der oben bereits ausgelegt wurde und der hier lediglich einer kurzen Ergänzung bedarf. Es konnte zunächst gezeigt werden, daß die mittelaherliehe lJk/iire der Tiife und ihre Lesetechnik der Allegorese nicht auf die Rezeption von T ex/en beschränkt war, sondern daß sie eine geradezu universale, kosmische Dimension annimmt: jeder Gege nstand der Welt kann der divinatio als Au sgangspunkt dienen, die Welt ist lesbar ,wie ein Buch', wenn man sich darauf versteht, die Signaturen zu dechiffrieren [111. 3]. Dieses Prinzip einer kosmischen Sympathie ge rät nach Foucault gegen Ende der Renai ssance, im 17. jahrhundert, zunehmend ins \YJanken . Info lge der Aufklärung wird die LektÜre der Divination diejenige des Irren, und das Zeitsymbo l einer solchen D ysfunktion ist Don Qllixote, de r ständig universale Sinnzusamme nhänge in seine banale Lebenswirklichkcir hinein phantasiert. N un ist Faust, wie oben ersichcli ch, ebe nfaUs ein Lese r de r Signaturen, und dies im Gege nsa tz zu D o n Quixote kaum in einem läc herli chen, sondern in einem sehr emphatisc hen Sinne. Wie ist das zu verstehen? Tatsächlich ist die Divination zu keiner Zei t verschwunden, ganz im Gege nteil verwandelt sie sich im Augenblick ihrer zunehmenden Erosion in Litera/ur. Scho n Foucault bemerkt eher marginal, daß die "tiefe Zusamme ngehörigkeit von Sprache und \YJelt" die Reorganisation des \YJissens am Ende des 16. jahrhunderts in einer ,Literatur' überlebt, die "das \Viedererscheinen des lebendigen Seins der Sprache dorr offenbart, wo man es nicht erwartet härte." Die ,Uterarur' hat einen "Gegendiskurs" gebilde t, "indem sie so von der repräsentati ven oder bedeutenden Funktion der Sprache zu jenem rohen Sein zuruckging".571 Die Kreiszeichen der divina/io, welche dem histori schen Faus t noch als ein probates Erkenntnismirrel gedient haben dürften , verwandeln
570
Wenn )(jeder Fausl liesl als Koinzidenz des Beginns der deUlschen Dichnmg und Beginn einer htrmmtNfiJe/un L..tJ:Jiirt, dann trifft das im wesentlichen denselben Sachvcrhalt, nur daß es sich dabei eben wn die Einführung der hermencutischen Rezep tionsweise in einen von nun an genuin h"'trarüe/un Texlcorpus handeli. Vgl. KJTI1.ER, Friedrich: ANjsehrtiblSYJI"'Jt (1800 / 1900).3. Aufl. München : Fink 1995, S. 11 -30.
'"
FOUCAULT, M.ichel: Die OnlnNng dir Dingt. Eine Archäologie der I-IlImamuJ$(nJ(hafttn. Frank-
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fun / M.,Sulukomp 1993 [1966]. S. 75f.
sich im Verlauf der Aufklärung in ein literarisches k lol;v. Dieses Überleben der Divinatio n in der fiktio nalen \Velt der Literatur erkJärt fe rner die erstaunliche T atsache, daß man in literarischen Lektüren etwa Anred en des Mondes hinnimmt, also die Dom äne des Ästheti schen von der Empirie freihält; .. \Vir en eilen Gedichten die poetische Lizen z, die Landschaft al s beseelt zu deuten - mit trauernden \'Väldern, liebenden Blumen, tröstenden Gestirn en- , als wären wir auf der Kulturstufe des Animismus stehengeblieben."572 Die emphatische Lektüre des Buches der Natur als der O ffenbarung ein es Tiefensinns überlebt also die ,Säkularisation" indem sie zur Spezialtechnik ein er ,besonderen' Textga ttung wird. \Vährend die Lesbarkeit der Schöp fung etwa in der Con/;nllatio des obenlheuer!;chen S;mplidss;n/; G rimmeIshausens (1669) noch explizit auf das allgemeine o ntotheologische ModeU der Buchmetapher rekurrien,57J läßt sich bei Brockes bereits eine ,Literarisierung' der Di vination erkennen. Spätestens bei G oeche scheint dieser Vo rgang abgeschlossen zu sein (.. Les characteres de la N ature so nt grands er beaux et je pretend s gu'ils SO llt to us lisibles'').574 Ein Effekt dieser Transrnutation ist etwa die literarische Lmdschafi, eine Steuerungsgröße, die bis heute unseren Medienko nsum reguliert. Um es einmal ganz plakativ darzustellen: Ein schlimmes Unwe n er erscheint der Vormoderne als verknüp ft mit dem kosmischen Sinnzusammenhang, es isr lesbar al s unmi n clbare Botschaft (zum Beispiel ,Gon es Zo rnl 575 Im Zeitalter der Repräse ntation wäre ei ne so lch e Auffassung Abetglallbe - mit einer Ausnahme, und zwar in der Literatur. I-tier werdcn Unwetter weitcrhin unbelrn unmittelbare Botschafte n darstellen, etwa des drohenden Unheil s. D as gilt crsraunli cherweise bis zum heutigen Tlmller. Mit Ein tritt des G ewitters ,ahnen' wir zugleich, daß jetzt der schreckliche Showdown hereinbrechen wird, und zwar obwo hl wir im alltäglichen Leben eine solche Auffassung zurückweisen würsn S1)
SOIl..AFFER, !-I cmz: Pouit "nd 1~'iSJtn. Dü E nwthllng du iiJlhtlürhtn ßtN'Nßu,;nJ lind dtr philol6fjJrhtn Erktnnlms. Frankfun / M.: Suh rka mp 1990, S. 95. " D cmn ach ich aber 1... ] von einem hciligcn Mann gelcsen / daß cr gcsagt / dic gantzc weitC Wclt sc)' ihm cin grosses Buch / d arin ncn er dic Wundcrwerckc GOttCS erkcnncn: und zu dcssen Lob angcfrischt wcrdcn möchte [... ] d ie kJeine J nsul mustc mir die gantze Wch seyn;;; GRJ;\lME I..5HAUSI!.'-l: Der oben/hr"mühe SimplitisJimNs TiNlsrh Nnd Contiml(ztio du (l!NnlhtNrlitben Simplitimmi. I-I rsg. \'on Ra lf T arot. T übingcn: N icmc)'cr 1967, S. 568.
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D icse Außcrung G oethes an C har10 u c \-on Stein zicien Blumcnbc.rg und lcgt sie wie fo lgt aus: .. Im Ausdruck ,Charaktete' ist für Goeme und seine Zeitgenossen noch ein magischcr Hintcrgrund wahrneh mbar, dic Aufladung mil der Bed eu rung einer dem Wesen d er D inge unmittelbar A usdruc k verschaffend cn Signatur, einer ihncn eingegrabenen unauslösch lichcn Ursch rift, dic auch , in dc n Sakramenten traktatcn dcr Scho lastik, in dcn Begriff dcs (hnr(lrler indtkbiliJ eingcgangen war." BLUMF...~ B E.RG, l-fans: Dü LesbtIrluit dtr IWell. 2., d urchgeschcnc Aufl. Frankfun / M.: Suhrkamp 1983 11 98 1] , S. 230.
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In ländlichcn, religiös bestimmtcn G emeinschaftcn übrigen s noch bis in unser Jahrhundcn hinein: " War das Wettcr schlech t, so hicß das: G o n zürnte. D urch Gebete ho ff tC ITl2n. G Ott gnädig zu stimmcn und Schicksalsschläge abzuwendcn." W EISS, !-Im s: Die uN/e nm Lnn§ nf}Jg. Mit Pho tographicn \'o n Konrad Nußb aumer. Köln: Kiepcnheuer & Wirsch 1987. 143.
s.
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den. Schon Ritter steLlte fest, ..daß diese Gleichzeitigkeit wissenschaftlicher Objektivierung und ästhetischer Vergegenwärtigung im Vethältnis zur Narur nicht zuf.-illig ist." Der vonnodeme, göttlich belebte Kosmos, den man ganzheitlich durch allgemeine Becrachrung (/heorin) hatte begreifen und interprctiercn kö nnen, überlebt die Zerlegung durch die entstehende Narurwissenschaft nur in der ganzheitlich-divinatorischen Weltschau der Nn/llriisthe/ik. 576 Spätestens in der Romantik ist die dit,ina/io dann geradezu das Markenzeichen eines ästhetischen Verhältnisses zur \'Velr: Dichtern, Schöngeistern und Ästheten aLlein ist es ab jetzt vergönnt, die !ylllbolische Bedm/Jlng der Dinge zu erkennen. Für Novalis etwa muß der Dichter "den redenden Geist aller Dinge und Handlungen in seinen unterschiedlichen Trachten sich vorzubilden, und alle Gatrungen von Spracharbeiten zu fertigen und mit besondern, eigenthümlichen lsic] Sinn zu beseelen vermögend sein. um Die Sprache der Dinge (" Der Mensch spricht nicht allein - auch das Universum sprich/- alles spricht unendliche Sprachen.! Le hre von den Signaruren"s7~ ist nur für den Dichter vernehmbar; und nur die dichteri sche Sprache gewährleistet den natütlichen Zusammenhang zur \'Velt, weil sie (so die Suggestion) al s einzige die kosmische Sympathie in sich trägt und sichtbar macht. Blumenberg konstatiert: "Zwischen dem Buch der Narur und dem der Offenbarung bildete sich cin drittes li/erarisches Genus heraus, das eines nahen ode r fernen Tages zu einem weiteren Buch werden konnte oder gar mußte und dann wiederum zum einzigen und absoluten Buch, zur neuen Bibel."s79
Vgl. RllTER. Jo achim : ..Landscha ft . Z ur Funktio n d es Asthetischen in der modem cn Gcscllschaft." In: J R.: SlIbJlletilitiil. Frankfun/ M.: Suhrkamp 1974, S. 141 -163, S. 172- 190; das Zirar auf S. 154; Kritik und Richtigstellungen zu T eilaussagen Ritters fmden sich u. a. in GROB, Rum u nd Dieter. "Von den schrecklichen zu dcn e rhabenen Bergen. Zur Entstchung der ästhetischen Narurerfahrung." In: liYandtl des modrrnrn NalllrlNgnJli. H rsg. von Heinz-DieterWeber. Ko nstanz: Universitäts-Verlag 1989, S. 53-96 und SEEL, ~hnin: Einr ASlhrb"k dir j\ 'alllr. Frankfun / M.: Suhrkamp 1991. S. 227 -229. m
NOVALlS: IIVtrkt, Tagtbiifhrr lind Bn·tft Fritdn"fh t'On Hanll nIJr'l.J. Hrsg. von Hans-Joachim MähJ und Richard Samuel. ßd. 1-3. München, Wien : Hanser 1978. Bd. 2, S. 844 1" FGlgmeme und Studien, 3, 449 (1800)1. D ieselbe Reziprozität von WeJt1ektüre und Kunstproduktion weist das fo lgend e Zitat auf: ,,Aus einem lo.Icnschcn spricht für dieses Ifrühel Zeitalter Vernunft und Gottheit nicht vernehmlich nicht frappant genug - Steine, Bäume, Thicrc müssen sprechen, um d en Menschen sich selbst fUhlen, sich selbst besinnen zu machen. / D ie erste Kunst ist Hierogll'Phisrik." Ebd., ßd. 2, S. 360 L,Vorarbeiten", 214
(1798)1· Ebd .. Bd. 2, S. SOO 1,.Das allgemeine Brouillon", 1431. BLUMEN BERG, Hans: Dir l..eJbarhil dtr 111'111. 2., durchgcsehene Aufl. Frankfun/ M.: Suhrkamp 1983. S. 170 (meine Hcrvorhebung). ßlunlcnberg ftihn die Ausbildung dieser neuartigen Erwanungen an die " menschliche Schöpferkraft" nicht nur auf die Evolution einer " idealistischen Anthropologie" zurück, sondern erklän sie vor allem durch d ie .,Entdeckung zwcier Sprachwehen: der höchster Ahenümlichkeit verdächtigen Sprache des Sanskrit und, die Neugierde endgültig bestärkend, die Enträtselung der ägyptischen Hiero · glyphen durch Champollion" (ebd., S. 169) - womit Genette und Blumenberg die gleiche histo rische Bruchstelle markieren.
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8. Fazit und Ausblick: Vom Tod der Tiefe (Monica Le/llinsky) Das Geheimnis (Jllratisiert Kommunikatio nen und verlernt ihnen einen MehrJlltrt. Scit frühesten Zeiten konstituiert sich das Geheimnis als Paradox, welches die Überschreitung der Kommunikation verheißt und doch immer nur Ko mmunikation bleibt Geheimnisse kommunizieren das N icht-Kommuni zierbare: Das Unaussprechliche, das Une ndliche, das Un sagbare. Das Geheimnis verfügt dabei über eine ko mplexe Szene: Es konstiruiert sich durch die T opik der Höhe oder Tiefe. der Überschreitung, greift dabei auf Gemeinplätze von Schwellen und Schleiem zurück, und verfügt dabei sogar über eine charakteristisc he Landschaft aus RaJlch und Nebel, Feuer und lf7olken, Be'l.en oder gar E rdbeben [111. 1] . Ein Geheimnis bleibt nur solange ein Geheimnis, wie es nicht enthüllt ist. In der ursprünglichen, jüdisch-christlichen Fassung ist das G eheimnis unendlich, wodurch eben auch unendliche Auslegungsan strengungen angeregt werden, rne vor aUern rne lf7iederholllngslekliire immer desselben T extes m o tivieren. Das wird sicherlich auch durch die fehlende Möglichkeit der Rep roduktio n vieler verschiedener Texte bedingt: Wo es nur einen oder sehr wenige wenige T ex te gibt, da braucht man eine T iefe, rne den ReiZ erzeugt, imme r ti efer in das dunkle Innere de r Schrift vorzuscoßen (A ugustinus) [III. 2) . Dagegen bringt die medientec hno logische Revolution des Buchdrucks erhebliche Turbul enzen in die Programmatik des Geheimnisses, denn eine Ei nschränkung der Textviel falt f.illt zunehmend weg. Mit der Möglichkei t der Rep roduk tion immer neuer. anderer T exte entsteht die korrelierende Rezep n onsweise der Neugierde. Diese reduzien die Tiefe der T exte, proliferiert aber zugleich die Anzahl der Geheimnisse. Dementsprechend fallt die Mo tivatio n eine r unendlichen Tiefe weg. die vielen Geheimnisse der vielen T exte werden zunehmend endlich ko nstruiert, in dieser Fassung erlösc hen sie mit der Auflösung am Ende des Te xtes und erfo rde rn keine \'Viederholungslektüren mehr. Dagegen werden ab jetzt IInmdlich viele G eheimnisse das Interesse der Rezipienten wecken. In dem äußerst eigendynamischen Prozeß der Steigerung des Leserbedürfnisses nac h neuen, interessanten T exten und ihrer zunehmenden exlmsiven Leseweise entstehen Texte, in denen Auto ren die Historizität vortiilfschen, um einen expandierenden Markt zu b eliefern. Aus dieser historischen Ko nsteUano n erwächst während des 17. und 18. Jahrhunderts die Lektüre der Fiklionaliliil, welche schließlich die Frage nach der Historizität und Wahrhei t des T extes gänzlich suspendiert. Die Fiktio nalität ist demnach ein Mittel, welches auf T extebene die drucktechnischen Möglichkeiten der Verviel filtigung noc h einmal pmenziert und neugierige Lese r bedient [111. 4]. Innerhalb des 18. Jahrhunderts gewinnt diese Entwicklung weiter an D ynamik. Die einandet übersteigernden fiktio nalen T extgarrungen der Rei selitera317
rur, der empfindsamen Romane und der Schauerromane werden zunehmend auf die Belieferung de,r Neugierde der Rezipienten hin kalkuliert, die am Ende des Textes durch die Au flö sung befriedigt wird. Aus diesen Dispositionen der extensillen Rezeptio nsweise läßt sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die Evolution der Lektüre der Spannung beobachten. Diese Leseweise zeichn et sich durch eine schnelle Lektüre aus, denn Ziel des Lesers ist die Auflösung des endlichen Geheimnisses am Schuß des Tex ts, um danach idealerweise mit einem neuen Ro man fortzufahren. Die sozialgeschichtliehe Institution dieser neuartigen Rezeptionsweise ist die Leihbibliothek. Sämtliche Komponenten dieser neuartigen Leseweise lassen sich detailliert in der zeitgenössischen Auseinandersetzung zur LeseJucht nachzeichnen [111. 5] . Mit der zunehmenden Umschichtung des Lesepublikums beginm jedoch zugleich eine Ausdi ffe renzieru ng einer ,hohen Li terarur' von einer populären , ,trivialen' Lektüre, der es ,bloß< um den ,Konsum' der vielen Romane geht. Das "'/endliche GeheittlniJ, welches in der vormodernen Lektüre der Tiefe an göttliche O ffenbarungen gebunden war, erlebt jetzt ein Recycling im Kontext der Kun st und Literarur [111. 6). Sc ho n der Geniekult übernimmt d as Mysterium als Kennzeichen der O rigin alwerke, es "giebt etwas in der Poesie, da s weit über den Verstand der Prosa hinau s reicht; es giebt Geheimnisse darinnen, die nicht erkJäret und nur bewundert we rden können ", heißt es bei Yo ung bereits I 759,sao und seit der Romantik wird das Geheimnis geradezu zur (onditill sine 1"" non aUer ho hen Kun st. Das führt zu charakteristi sche n Verschränkungen der Programmatiken von Ähnlichkei t und Ge heimnis, denn Kun st ist ab jetzt zugleich ansc haulich e Simulation des menschlichen Geistes [11. 7) al s auch gchcimnisvolJ e Offenbarung einer Tiefe: ",AUe Kunst ist allegorisch,«ss l, heißt es in Tiecks Franz Slem balds If/andenmgen. Eine typische Verschränkung dieser Programme wäre dann die ,an schauliche' DarsteUung der unendlichen ,Tiefc' der Subjektivität; so heißt es dann etwa bei Mo rir-L ( 1788): " Eben darum rührt uns die Schönheit der menschlichen Gestalt am meisten, weil sie die inwo hnende VoUkommen heit der N atur am deutlichsten durch ihre zarte Oberfl äche schimmern, und un s, wie in einem hellen Spiegel, auf den G rund unsres eignen Wesens, durch sie schauen läßt.',s82 Die \Xfiedergeburt des Geheimnisses im Geiste der Kunst wendet sich also zunehmend der Tiefe des Subjekts zu, die Ro mantik entdec kt vor aUem den TraJlfll als Z ugang zu den rätselhaften Abgründen der Innerlichkeit. Bei Nova~
YOUNG, Edward: Ged(Jnken iibtr die Onginal- llYerk e. In fine Sdm ibtn du D. }"ormgJ Im dtm flic] V tTjimer du GrandiJOII. [Übers. von H . E. ,·o n Teubemj. Leipz.ig: Hcinsius 1760. Faksimile Nachdruck. Hcidclberg: Schneider 1977, S. 29.
"'
Tl ECK, Ludwig: Front S lmlbnldJ IlYondmmgtn. Hrsg. " on A1frcd Anger. Srungart: Reclam
1966, S. 257; " gI.
KRE~lER,
D eclef: Rßmonlite. Srungan, Weimar:
~-let2.1er
2001 , S. 107.
MORJTl, Karl Philipp: Brilriige ~r A I/helite. Hrsg. von Hans J oachim Schrimpf und Hans Adler. ~binz: Dieterich 1989, S. 84 b,Die Signarur des Schö nen. In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können?'l
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lis heißt es: .,Ist nicht jeder, auch der verwo rren Ste Traum, eine sonderliche E rscheinung, die auch ohne noch an göttliche Schickung dabei zu denken, ein bedeutsamer Riß in den geheimnisvoUen Vorhang ist, der mit tausend Falten in un ser Inneres hineinfiUt?«583 Im Kontext des ro mantischen Schreibprogramms, welches sich immer mehr den Untiefen der Subj ektivität zuwendet, rückt dann ein neues ,Leioncdium' in den Fo kus der Aufmerk samkeit. Im 18. Jahrhundert hatte man sich im Kielwasser der mimesis-Theorie tendenziell am Vo rbild der A nschaulichkeit der bildenden KJmst, al so vor allem an der griechischen Skulptur und der italienischen Malerei o rientiert [11. 6). Von der Tendenz her ist also das Bild in den äsmetischen Diskussio nen der Zeit das l1ilmediunr. "das vollko mmenste Gedicht [istJ [...J zugleich die vollko mmenste Beschreibung des höchsten Meisterstücks der bildenden Kunst"584. Das verschiebt sich im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts, und das Ergebnis ist eine " revision of ehe hierarchy of me arts: music, apparemly me most subjective, becomes Ihe art par excellence" .585 Man entdeckt zunehmend die rätselhafte Zeichensprache der Nlusik.586 In einem typischen Medienvergleich zwi schen Malerei und Musik schlägt etwa in Herders Schrift " Ob Malerei oder Tonkunst eine größere Wirkung gewähre?" (1785) das Pendel tendenziell in Richtung der Musik aus. Erwartungsgemäß wird die \'Virkung des anschaulichen Bildes im Idiom der Illusion NOVALIS: Htinric/; l'On Ofttnlingm. Ein Ro man. '·Ing. \'on Wolfgang Friihwald. Stuttgan: Reclam 1965, S. 13. MORliL, Karl Philipp: ßtilräge ~r A Jlhttik. Hrsg. von Hans j o achim Schrimpf und Hans Adler. Mainz: Dieterich 1989, S. 90 1" D ie Sign atur d es Schö nen. Inwiefern Kunstwerke beschrie ben werden kö nnen?"1
HOBSON, Marian: The Objut oJ Arl. The ThtOly oj,J/INsion; in 18lh·CrnlNry Fmnrr. Cambridge CI al. : CUP 1982, S. 44. Schon Herder sieht dic D ifferenz der l\'lusik im [\'Iedien vergleich in ihrer Ti1(". " Die \X/ürkungen dessen, was in unser O hr angend un einfließt, liegen gleichsam tie fer in Nnmr Seele, da clie Gegenstände des Auges ruhig vor NnJ liegen"; HERDER, j o hann G o nfried: Siil1lllllh'rhe IlVtrkt. Bd. 1-3 1. Hrsg. von Be rnhard Suphan. Berlin : Weidmannsche Buchhandlung 1877ff. Bd. 4, S. 47 IKritiJrlN lf/iJ1dtr, 4. Wäldchen]. Vgl. zu dem Thema u. a. NEUBAuER, j o hn: The EHlrln fiptltion ofMUJirlro", LangNtlgt. DtparlNre from MimeJis in Eighlun/h Crn/ury A nlhetirJ. New Haven, Londo n: Yale UP 1986; L UBKOU " Christine: Afy/hoJ MUflR.. PortiJrhe Entu.iitft du MUJi/eaIiHhm in dtr U ltra/ur Nm 1800. Frciburg / Br.: Ro mbach 1995; NA U ~lANN, ßarbarn: ,,,Mit j>,'lusik versteht sichs von selbst.' Friedrich Schlegels Re flexion dcs Musikalischen im Ko ntext der G attungspoctik." In: ~gtlluam Nnd Grentgiinge. Von potlJs{hm GallNngen. Hng. von Ebcrhard Lämmen und Dietrich Scheunemann. Münchcn: Editio n Text & Kritik 1988, S. 72-94; NAUMANN, ßarbara (Hrsg.): Die SthnJJlchl dtr Spmrhe nach dtr MNJi/e. Tex/e ff1r IIINflhlilchtn Portik I(Hl 1800. Stuttgan et al.: Metzlcr 1994; KÄ US ER, Andreas: " Klang und Prosa. Zum Vcrhälmis von Musik und LJternrur." In: DtNIJehe V;trtt!JahrJ1(hrift fiir LilemluflliJJtIlJrhtifl und Gtillugmhichle 68 ( 1994), S. 409-428; SCHER, Steven Paul (Hrsg.): LiltmlNr Nnd MNJi/e. Ei" HandbN(h ff1r Thtodt N"d Pra.""';J fi"u komparoH· Jhsrhtn GrrnwbielJ. Berlin: E. Schmid t 1984; BoRMANN, Alexander von: " D er T ö ne Licht. Z wn frühromantischen Programm der W o nmusik." In: Die Alelllah"tiil der Friihromantik Hrsg. yo n ErnSI Behler und j ochen Hö risch. Paderbom CI al.: Schö ningh 1987, S. 19 1-207; KIT I1.ER, Friedrich: " Musik als Meclium." In: IF/ahrnehnllmg lind Gmhichlt. Marleimmgtn ~r A illhuis molmahs. Hrsg. von ß cmhard J. D OlZler und Ernst Müllcr. Bcrlin: Akademie 1995, s. 83-99.
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und der virtuellen Welt [11. 1-8] ausgebreitet, der Rezipient "ist in un serm Himmel gewesen, hat Göttinnen und Götter erblickt, hat das Ambrosia ihrer Lippen, den Duft ihres Sc hJeiers, den G lanz ihres Antlitzes genossen und gekostet"587; im Gegensatz dazu erscheint das Faszinosum der Musik al s Gebei/JInis, ihre " Wirkung" ist "sehr dunkel" (224). Als Expressivität der Empfindungen, aJ so der ,Tiefe' der Subjektivität, ist ihr Gegenstand "das Unendliche" (228) und ein "Unermäßliches" (229). Enclang diesen Linien wird die Musik zunehmend zum paradigmatischen Leitmedium des romantischen Kunstgeheimnisses. In Wackenroders Phantasien über die !Vmsl fiir Freunde der 10msl,S8S 1799 postum von Tieck herausgegeben, wird zunächst immer wieder die geheimnisvolle Tiefe d er Kunst beschworen: " Die wahre Schö ne, die G röße der Kunst ist unergründlich" (185), wobei die Rätselhaftigkeit der Kunst erwarrungsgemäß noch ko rrelierr mit der Nachah/JIung des Suo/ekls [11. 7] : Die Kun st " richtet unsem Blick in unser Inneres, und zeigt uns das Unsichtbare" (99), sie ist einmal wieder zugleich gehei/JInisvoll und ahnlich: Der Kunst ist durch "dunkle und geheime Wege, eine wunderbare Kra ft auf das Herz des Menschen eigen. Sie redet durch Bilder de r Menschen, und bedienet sich also einer Hieroglyphen schri ft" (98). Auch hier ist die MJlSik Paradigma der idealen, ge heimnisvoll en Kun st, welche, erwarnmgsgemäß, zugleich Imergriindlich als auch anschau/ich das Innere der Subjektivität o ffenban , den "geheimn isvollen Strom in den Tiefen des mensc hlichen Gemüthes" (220): "welche Kunst führt au f ihrer Bühne jene Seelen"~)'Slerien mit so dunkJer, ge heimnißreicher, ergre ife nder Bedelltsamkci t all f?" (222) Jetzt wird das Medium der Musik zu einer zentralen O ri entierungsgröße; sie ist (analog zu Hamanns/ Herders Urpoesie) zugleich rätselh afte als auch unmittelbare verständliche UniversaJsprache, eine "Sprache der Engel" (207): "Sie greift beherzt in die geheimnisvolle Har fe, schlägt in der dunklen Welt bestimmte, dunkJe \'V'under.leichen in bestimmter Fo lge an, - und die Saiten un seres Her.lens erklingen, und wir verstehen ihren Klang. "(220) Die Musik is t aJ so unmittelbar zugängliche Nachahmung des Sub jekts, erschließt sich aber zugleich nur dem Eingeweiht.en: Keiner, der nicht zu dem mysr'schen Fest gelassen, Kann den den Sinn der dunklen Kunst erfassen,
H ERDER, J ohan n GQ[[fried: Sii",,,,tlicht ll7trkt. Bd. 1-31. Hrsg. von Bcmhard Suphan. ß edin: Weidmannsche Buchhandlung 1877 ff. ß d. 15, S. 225 1/ Ob ~hlc rci o der Tonkuns t eine größere Wirkung gewähre?" (1785)1. Im Fließtext fortan zitiert nach WACKEN RODER, Wilhelm Heinrich: Sämtliche lV'erke lind Bn"efi. Histo risch-kritische Ausgabe. Bd. 1-2. Hrsg, von Sikio Vietta und Richard Littlejohns. Hcid dberg: Winter 199 1, Bd. I; vgl. zwn Themenkom plex von Musik und GeRihl bei Wackeruoder KERTL-WE IZEL, AJexanrlrn: Die Trpns~ndtnz dtr Gtjiihlt. Befl'ehNngtll ~iS(hen
MNSile Nnd GtJiihl bti If'/oc/etnroder / Tiuk Nnd die MNSik,iislheh'k der Rgmonli!e. St. Ingbcrt: Röhrig 200 1.
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Keinem sprechen diese Geistertöne, Keiner sicht den Glanz der schönstcn Schöne, D em im innern Herzen nicht das Siegel bre nnt, \X' elches ihn als E ingeweihten nennt, Woran ihn der Tonkunst Geist erkennt. (235)
Über Schopenhauers Musikphilosophie verläuft die Entwicklung über \Xlagncr dann hin zur ebenso hermetischen wie enthu siasmierten Preisung der inkommensurablen, unergründlichen Musik durch den frühen N ictzsehe. Parallel dazu gewinn t die Verrätselung einer ho hen Kun st an Eigendynamik. Vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundens wird eine dez idiert kryptische und esoteri sche modeme Kun st kontra stiv zu der immer größeren Masse neu alphabetisierten Leser und ihres Konsums von T rivialliterarur in Position gebracht: "Die Hermetik moderner Literatur ist ein Gemeinplarz.' <S89 Die Rätselhaftigkeit und Schwierigkeit wird dann zu einer zentralen AnfordenlOg an ,hohe Dichtung' ver festigt: "Ein gutes Gedicht verbirgt, was es enthüllt." s90 Eine schöne Synopse dieser modemen Kunsrauffassung liefert O scar \Xlilde in seinem berühmten Essay "The Critic as Artist" (1890/ 91 ); ich ke nne keine po intienere Beschreibung des modemen Kun stgeheimnisses und zitiere daher eine längere Passage: r..,lost of our clderly English paint.ers [I) spend rheir wicked and wasrcd lives in preaching upon the domain of the poets, marring their mocives by dums}' u eatment, and striving ro render, by visible form o r colour, the marvel of what is invisible , thc splendour of what is nOt seen. Their pierures are, as a natural conscqucnce, insuffcrably tedious. They have degraded the invisible arts imo ob\,jous arts, and the o ne thing not worth looking ar is the obvious. [...] pierures of this kind will not really fa scinate the critic. He will rum from thcm to such works as made him brood and dream and fan c)' to works that possess the subtle qualit), of suggestion , and seem tO rell o ne that e"en from them thete is an escape into a wider world. Ir is sometimes said that the traged)' of an arrist's He is that he cannot realise rus ideal. Bur rhe true tragedy that dogs [he steps of most arrisrs is [hat the)' realise their ideal too absolutcly. For, when the ideal is realised, ir is robbed of its wonder and its mysrery, and becomes simply a new srarring-point for an ideal that is o rner than irself. Trus is the reason wh}' music is the perfeet t)'Pe of art. Music can nevcr reveal irs ultimatc sccrcr. This, also, is the explanation of the value of limitations in art. The sculpror gladl)' surrendcrs imit:lrive colour, and the painter thc acrual dimcnsions of fonn , because by such renunciations thc)' are able [Q avoid too definitc a represenration o f thc Real, wruch would be mere imitation, and toO definite a realisation of the Ideal, wruch would be too purcly inteUectual. [... 1 BAßLER, "-·lori[2: Die Entdtrhmg der Tex/Jlr. Unt'tT!tiindlichJeeit in der /VJrrJ!TOJa der u!lpbatl$rhen M odern' (19/0-1916). Tijbingen: Niemeycr 1994 (= Studien zur deutschen Literatur, 134), S. I. KIl.!.)',
Walter. Lueu'tistll. SdJTtibu.'t'ism. München: Beck 1982, S. 22.
32 \
thc aesthcuc critic rCJccts thesc obvious message lO dcüver, and having deüvcred seeks rather for such modes as suggest imaginative beauty makc all imerpretations
modcs of an tha t havc but OIlC it become dwn b and stcrile, and reverie and mood, and by thcir truc, and no interpretation final. ~9 1
Peter Fuchs hat das Thema der rätselhaften Dunkelheit moderner Lyrik in einem Aufsatz zur Dichtung Baudelaires und Mallarrnes in Augensc hein genommen und gelangt dabei zu Ergebnissen, die hier ergänzend eingeflochten werden könne n.~92 Fuchs weist darauf hin, daß auch hier die unergründliche Tiefe moderner Poesie mit dem (Subjekt-) Ko nzepc des Genies verkoppelt ist, welches in so fern eine parado xale diskursive Größe ist, als die ,Einzigartigkeit' und ,U nerschöpflichkeit', die es für sich proklamiert, in ein em "sehr präzisen Sinne inkommunikabel" sind.S93 Diese Paradoxie der modernen Lite rarur scheim (einmal wieder) in dem monströsen quantitativen Mißverhältnis von Primärtext und Ko mmemar auf, indem die Entparadoxierungsanstrengungen des Kommentars zu sagen versuchen, " was unter keinen Umständen gesagt werden sollte".594 In Anlehnung an die obige n Ausfü hrungen zum religiösen Geheimnis soll te man noch einmal pointieren: Es ist keinesfall s unmöglich, iiberGeheimni sse zu kommunizie ren. Ganz im Gegenteil saugen Ge heimnisse Texte an, wenn sie über eine hinreichende, di skursiv konstruierte Version ob scurer Ko mplexität verfügen. O der einfacher gesagt: Rätsel wirken nur solange irri tierend und faszinierend, wie sie ungelöst bl eiben, also immer neue Lösungsversuche snmutieren. 595 Es ist unmöglich, die O ffenbarung des Ge heimnisses (z. ß . ,Gon essch au~ zu enthüll en,5% weil dann das Geheimnis implodiert: Der literarurwissenschaftliche Ko mm entar brächte da s Geclichr zum ErJöschen wie clie Sc hoWILDE, Oscar: Tht Complttt IlYorb. Bd. 1-12. New York: D o ublcday, Page 1923. Bd. 4, S. 162q,The e titic as Anist'']. Im Falle der von Fuchs untersuchten T extgruppe schließen an unseren I-l inrergrundtopos ,Geheimnis' D etivatc an wie "Suggestion, Evokation, Musikalität, Handlungslosig keit" oder " Beschwö rung, Anspielung, r-.-lagie" (FUCHS, Peter. " Vom schweigenden Ausfl ug ins Abstrakte. Zur Ausdifferenzierung der modemen L)'rik." In: N ikJas Luhmann lind P. F.: RLtkn lind Schu-'tigtn. 2. Aufl. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1999, S. 138-177, hier S. 17 1f.).
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Ebd., S. 146. Vgl. auch S. 138-151. Ebd., S. 166. Ebd., S. 176. Ahnlich sieht es bereits Mephisrophcles im FOllit, der den (e mphatischen!) Signiflkantensalat der I-Iexenbeschwö rung ko rrnncntiert: " D enn ein \'o Ukommner Widerspruch / Bleibt gleich gcheimnisvoU für Kl uge wie fur To ren. [... ) Gewö hnlich glaubt der Mensch, wenn cr nur Worte hö n , / Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen." GOETBE,johann Wolfgang: IlYtrke. I-Iomb",};tr Alligobt. Bd. 1-14. H rsg. \'on Erich Trunz. München: Beck 1988, Bd. 3, S. 82, V. 2557-2566. Das wurde scho n für die Apostel, die Verwalter bzw. " Haushalter "bcr Gottes geheimnis" zum Problem, die nicht o hne Grund den ~knschen " Milch [... ) zu trincken" geben ""nd nicht [feste) speise"; Biblio Genf/onko. Übers. von Martin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe WiTtenberg 1545. Stungarr. Wüntembergische Bibclanstalt 1967, erst 1 Ko rinther 4, I , dann 1 Korinther 3, 2.
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lastik das mystische Erlebnis. Nun bemerh Fuchs zu Recht, daß (in unse rer Argumentatio n: auch) die mo de rne Lyrik sich von dieser Anlage her in ein Ko mmunikatio nsdilemma hineinman övriert. \'VeiJ sie al s Ko mmunikation auftritt, implizierr das kommunikative Absichten, so daß sie, wenn sie sich al s inko mmunikabel gibt, "gegen d as Gesetz [antritt] , unter dem sie angetreten ist.,,597 Das kann man allgemein fo rmulieren: Man kann nicht Sinnlosigkeit (als Erscheinungs form des G eheimnisses) in einem Medium p roduziere n, dessen Auropo iesis auf der N ichtnegierbarkeit von Sinn fußt. Das zeigt jedoch, wie fundam ental das Problem ist, mit dem man es zu tun hat. D enn was seit Jahrtausenden als Geheimnis kommunizie rt wird, ist als Ko mmunikatio n immens unwahrscheinlich. Man muß das einmal po lemisch zuspitzen. In der Vormoderne ließ sich kryptisch-sinnlo ses Gestammel noch als Symp tOm des religiösen Geheimnisses verstehen und in das bestehende \Veltbild integrieren, man ko nnte es aUenfaUs als Ketzerei demarkieren. Seit der Ausdif ferenzierung des Geheimnisses im 18. J ahrhundert hat die Unverständlichkeit nur noch in Religion und Kunst ihre n Platz, wer in der alltäglichen Kommunikatio n, jenseits dieser Sphären d es modernen Geheimnisses, dadaistisch stammel t oder in O rakelidiomen göttliche Ge heimnisse murmelt, gehört ab jetzt als \Xtahn sinniger ins Irrenhaus.598 Dabei ist die "Sinnlosigkeit" der modernen Literatur in ihrem Kontext ebenso so rgf.i ltig codiert, wie das scho n beim vo rmodernen unendlichen Geheimnis der Fall war. Die gezielte Destruktion der Sprach fu nktion ko mmuniziert ihrerseits anh and von Paradoxien, T autOlogien, Verschränkungen, Inversio nen und Verkehrungen 599 das ,Unsagbare' (und kommuniziert es eben doch nicht), wobei der Ein satz dieser ,Mittel' kommunikativ sowohl ,kalkuliert' (vo n de r T extseite) als auch ,kalkulierbar' (von der Lesetseite) ist. Die Desorientierung von Erwartungen ist also ihrerseits ko nventioneUund befri edigt Erwartungen det Erwartungsdurchbrechung. Emphatische Ko mmunikation ist keineswegs im harren Sinne ,subversiv', weil sie dann nicht als
FUCHS, Peter: " Vom schweigenden Ausfl ug ins Abstrakte. Z ur Ausdifferenzierung der modem en Lyrik." In: N iklas Luhmann und P. F: RLdtn und Sthu'tigen. 2. Aufl. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1992, S. 138-1 77, hier S. 159. Vgl. FOUCAULT, Michel: Il7ahnJinn und C mlhthrift. Eine Curbichte de! IWahnJ im Zeitalter der Vernunft. Fra n kfurt / ~-I.: Suhrkamp 1969.
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D ie ,Originalität' dcr mode m en Liternrur und ihrcr Abweichung fo lgt hier der Traditio n; ähnliche Strukruren lassen sich beispielsweise in der Sprache der i\'lysrik nachweisen, die ebenfall s ko nventionelle Minel der Unsag barkeit e"oluierr hat: Parado xien, apophatische Negario nen, Übersteigerungen und H yperbeln und so fo n ; vgl. SEYl' PEL,] oachim: " Mystik als Grenzphänomen und Existential." In: DaJ Myslerium und die MYJtik. Beiträgt ZU einer Thtologit der thnitlidJtn COllmrf(lhrung. Hrsg. " o n l oser Sudbrack. Wiiaburg: Echter 1974, S. 11 1-154, hier S. 139ff. (" Parado x und T auto logie als Stilm.inel der G renze"); Q UINT, Josef: ,, ~·t ys rik und Sprache. Ihr Verhälmis zueinander, insbesondere in der spekuJativen r.,'tysrik Meister Eckharrs." In: DeuUdlt VierltIJabmrhnJi fiir U ttrotumim nJthafl und CtÜIUgtJrhithle 27 (1953), S. 48-76.
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Kommunikatio n auftreten könnte. Das ,Geheimnis' ko nterkariert E rwartlln ~ gen nur in bezug auf den ko mmunikativen ,Nonnalfall', ist aber im ßinn e n ~ raum der Emp hase Ko nventio n. Auch hier gilt wieder, daß es kein b eobachterunabhängiges Geheimnis gibt, daß also in der Kommunikatio n darüber entschieden wird, welche Ko mmunikationen al s Ge heimnis anerkannt oder als schierer Unfug abgetan werden. Es muß festgelegt werden, wef Zauberer ist und wer GaukJer. \'\fie beim heiligen Stein der N aturreligion muß auf Rezipiente nseite darüber entschieden werden, o b ein Mysterium vorliegt oder nicht. D es halb ,gibt' es weder rätselhafte T exte noch unausschö pfliche Kunstwerke, sondern allenfalls ,geheimnisvolle Lektüren'. Das sieht bereits O scar
Wilde: me pierure (Mona LisaJ becomes more wonderful to us man ir reaU)' is, and rcvcals ro us a seerer of whieh, in truth , ir knows nothing, and r.hc music of thc ffi ys tical prosc is as swcet in our cars as was that flurcplaycr's music thar lcm tO ehe lips of La Giaconda thosc subtle and poisonous curves. [... J For when rhe work is finished it has, as ir wcre, an independcnt life of irs own, and may dclivcr a message far othcr than that whieh was put imo its lips to say.600 Kein Text ist unau sschöpflicher als ein anderer. ,Geheimni s', ,Rätselhaftigkeit', ,Unausschöpflichkeit' sind nichts anderes als Gemeinplätze det Selb ststeuerung emphatischer Ko mmunikatio n, mit deren Hilfe sie sich seihst auratisierr, die jedoch prinzipiell in jeder Kommunikation (auf jeden T ext) anwe ndbar si nd.6Ol Mögliche rwe ise ist es auch d ieses late nre602 \'\fi ssen der Moderne um die Tatsache, daß die Dunkelhei t esoterische r Kunst nic ht m ehr in ein er sinnscif[ende n Tran szendenz verankert ist, sondern als Effe kt konstmiert wird , '\veswegen das unendliche Geheimflis, das nach der Aufkl ärung in der ho hen Kun st überlebte, immer weiter erodiert ist. Schon seit der Ro mantik kann das emphatisc he Verständni s des Kun stge heimnisses immer auch in Iro nie umsch lagen - ein frühes Zeugnis dieser HaJrung ist Friedrich Schl egeJ s "Ü ber die Unverständlichkeit" (1800), wo es etwa heißt: Alle höchsten Wahrheiten jeder Art sind durchaus trivial lind cben darum ist nichts notwendigcr al s sic immcr neu, und wo möglich inuncr paradoxer aus7.UW ILDE, Oscar: '["he Complele lf7ork.r. Bd. 1-12. New York: Doubleday, Page 1923. Bd. 5, S. 157 und S. 159 ["The e rioc as Artist'l D amit stelle ich mich gegen die Auffassung der Rezeptionstheorie nach !ser, welche die ,Leerstellen' (" das ,l' Jichrs' zwischen den Positio nen"; ISER, Wolfgang: Drr AkI du U sens. Throne iiJthrli!rhtr lf7irhmg. 4. Aufl r-,'Iünchcn: Fink 1994 11 9761, S. 349) flic einc besondere, substantielle Qualität des literarischen Textes hielt und behauptete, " daß die Lebha ftigkeit unserer Vorstellungen proportio nal zu den Leersrellcnbcrrägen anstcigt." Ebd., S. 293. Es handelt sich wn Beobachtungen zweiter Ordnung: " D er Begriff [Latenz] bezcichnct dic ~'Iöglichkei[, zu beobachtcn und zu beschreiben, was andere njrht beobachte n kö nnen." LUI-IMANN, N iklas: Die lf7imnsrboji der Gesrllsrhofl. Frank furt / ~·I. : Suhrkarnp 1992, S. 89.
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drücken, damit es nicht vergessen wird, daß sie noch da sind, und daß sie nie eigentlich ganz ausgesprochen werden können. 601 Für die Gegenwart gilt, daß es immer weniger Rezipienten gibt, welche die Mühe n einer uktiire der Tiife noch auf sich nehmen: .,\XliI erlebe n in un seren Tagen ein Schwinden der Tiefe, ge naugenommen sogar des Paradigmas der Tiefe." 604 N icht genug damit, daß die ästhetische Lektüre der Tiefe seit der Ideologiekritik und der Verabschiedung des Bildungsbürgers605 in den letzten Jahrzeh nten al s Rezeptionsweise zu einem Rudiment geworden ist. Hinzu kommt, daß die T opoi, welche die Unverständlichkeit der modernen Kun st jahrzehn telang mit sich herumgetragen hat - daß die Welt zerrissen und das Leben sinnJ os sei, daß Texte eher Fragen stellen als Antworten geben, daß nichts so ist wie es scheint, daß Wahnsinn und Genie eng beieinander liegen , daß ein Künstler Tabus bricht oder facette nha fte Versatzstücke collage nartig mo ntiert - alle diese Gemeinplätze des modernen Kun stgeheimnisses erscheinen heute entsetzlich alt, langweilig, überholt, und stimulieren in w er Banalität kaum noch Entzifferungsanstrengungen. 606 Die Frage ist, wo ukliirefl der Tiife heute überhaupt noch zukunftsfahig sind. Ei ne Insel der Allegorese stellt dabei siche rlich die PSJpchologie dar. Denn sie hat seit dem 19. Jahrhundert dem zentrale n Gegensmnd der modernen Programmatik sowohl der Ähnlichkeit al s auch des Geheimnisses, de m Subjekl, eine zu nehmende V ertitf img verliehen. Auch hier werden A))f1lichkeil und Geheimnis wirkungsvoll verklammert: Nach Freud ist die Traumsprache zugleich anschauliche Bildersprache und ve rschlüsseltes Rätsel. Ein genaue Analyse kann klar zeigen, daß die Innovation der Traumdeutung im wesentlichen darin besteht, Pennutarionsregeln aus der kJassischen Henneneutik und Rherorik (als Reflexionstheorien derukliire der Tiife) auf einen neue n Gegenstand, die men schliche Psyc he, umzulenken. 607 \Vo im Mittelalter Dinge als Al1egoSCl-I LEG E.I.., Friedrich: Knfisch, A Ufgabt. Bd. 1-22. München et al.: Schö ningh 1958ff. Bd. 2: Chara/eltnllilun ul/Il Krili/een J, S. 366 [/ Über die Um'erständlichkeit'l ß IRKERTS, Sven: Die C Ulmbtrg EkgiUl. Lm n im dtleJronisrhen bilaller. Übers. von Kurt Neff. Frankfun / M.: Fischer 1997, S. 102. Auerbach prophezeite bereits 1958, dem " gebildeten Bürgemun" dro he die Implosio n, " weil es sich durch eigene T ätigkeit so sehr ausgeweitet hat", daß seine Kulrur nicht mehr distinktionsfahig sei: "das minoritäre Publikum, die Elite, [ist] durch Expansion in ihrem Dasein bedroht" - die Po pularität der Zlatco , Erkan & Stcfan etc. verbürgt das Ende dieser Bewegung. Vgl. AUERßAOI, Erich: Liltra/lmpracbt lind Plfbli/eJtm in dtr Ioltimlebtn Spölanlilu und im /l.4illelolltr-. Bem: Francke 1958, S. 255. Dies wird auf der anderen Seite auch sichtbar "am Rückgang der Wenschätzung von Belesenheit, am Rückgang des Prestigcwertes von Lesen und vo n Buchbcsitz." Vgl. SCHON, Erich: " Vor dem Ende der Lcsekulrur? Zur Zukunft des Lesens." In: ZlI-'ürhtn Luranimahon lind littranfehtr So~aliJalion. Kon?fplt der Lese{r)fordtnmg. Hrsg. von Thomas Eic hler. Oberhausen: Athena 1997, S. 15- 19, hier S. 16f. Vgl. TODOROV. Tzvetan: Sy mbol/heont n. Übers. von Beate Gygcr. Tübingen: N iemc)'er 1995 (= Konzcpte der Sprach- und Literaru.rwissenschafl. 54), S.247-254; ders.: " On Linguisric S)'mbolism ." In: Ntw U ltr-ary Hislo'J 6 (1974), S. 111-134; sowie Rlc rnu R, Paul: Dit lnltr-
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rien von Heilswahrheiten lesbar waren, da emzifferc heute die Psychologie die Symbolismen des Umerbewußrseins. Sobald man die Psychologie selbst auf die berühmte Bank legt, kommt dabei sters dasselbe ans Licht: Das Unterbewußtsein der Psychoanalyse ist die Texrauslegung, die Lektüre der Tiefe.ws Die Faszination. welche für viele Men schen bis heure von der Psychologie au sgeht, wird letzdich erzeugt durch den Reiz des Mysteriösen - in den Worren Freuds: In den bestgedeureten Träumen muß man oft eine Stelle im Dunkel lassen, weil man bei der Deurung merkt, daß don ein Knäuel von Traumgedanken anhebt, der sich nicht entwirren will, aber auch zum Trauminhalr keine weiteren Beiträge geliefert hat. Dies ist dann der Nabel des Traums, die Stelle, an der er dem Unerkannten aufsitzt. Die Traumgedanken, auf die man bei der D eutung gerät, müssen ja ganz allgemein ohne Abschluß bleiben und nach allen Seiten hin in die netzarcigen Verstrickung unserer Gedankenwelt auslaufen.609
Es ist das Verdien st Lacans, die benmneulische Tätigkeir des A nalytikers hervorgehoben zu haben - "whar makes me p syche a critical allegory of itse1f and [... J justifies psychoanalysis as rhe allegory of mat allegory«61 0 - eine Einsicht, die innerhalb des p sychologischen ,Establishments' jedoch bislang weirgehend ignoriert wurde. Die Psychologie isr nur ein kJei ner Au släufer innerhalb der jahrrausendelangen Tradition der Allegore se. Jenseits der Psychologie bl eibt dagegen die Frage, o b sich nach der Au slöschung des gauloisesrauchenden Jmcllekruell en, der im Kaffehaus seinen Camus goutiert, noch zei tgemäße Lekriircn der Ti efe im Kräftcfcld ei ner
..
pnlaliofl. Ein V trJ"Hfh ii/nr FrtHd. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1969 .
..
5. 205-258, 5.344-355
'" 326
Siehe dazu auch Derridas Freud-Lckriire, in der er darlegt, daß die fWldierend e l\ktapher, durch die Freud seine Theorie der Psyche fonnulien, das SchrifnnoocUdes ,Wunderblocks' is t, jenes Spielzeug, auf dessen Fo lie Kinder Spuren und Wone einzeichnen können (- Bewußtsein), die dann (durch Trennung von Folie und Untergrund mit Hilfe eines durchgezogenen, dünnen Stabs) wieder ausgelöscht werden, aber als Einritzungen, als Palimpsest kaum wahrnehmbar auf der Folie fonexisricren (- Unrerbewußrsein); vgl. DERRlDA , Jacques: " Frcud und der Schauplatz der Schrift." In: J. D.: Dit Srhrifi Hnd die DiJfmfl~ 6. Aun. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1994 [19671 , S. 302-350. Vgl. zur Unhimergehbarkeit diskursbegriindender Metaphern ferner BLUMENBERG, Hans: " Ü Chl als Metapher der Wahrheit. Im Vo rfeld der philosophischen Begriffsbildung." In: SIHcUilI1/ Grn"(//~ 10 (1957), S. 432-447; ders.: " Paradigmen zu einer Metaphorologie." In: Thront ,Irr MtlUpbtr. Hrsg. von Anselm Ha"erkamp. 2., erg. Aun. Darmstadr: Wissenschafcliche Buchgesellschaft 1996, S. 285-3 15. IEmveröffenclichung 19601 Blumenberg hat insbesondere den Begriff der ,absoluten Metapher' geprägt; "gi. zur dckonsrruktivistischen Versio n dieses Theorems D ERRIDA, Jacques: " Die weiße 1\·lythologie. D ie Metapher im philosophischen Text." In: J. D .: RPndgiingt dff Philosophit. Hrsg. von Peter Engelmann. Wien: Passagen 1988, FREUD, Siegmund: Dit TmumdlHIHng. Frankfun/ l-ol: Fischer 1972 (= Freud-Srudienausgabe, 2), S. 503. FI..'\'EMAN, Jocl: ..The Srructure of the AllegoricalDesire. " In: J. F.: Tht Sulytrtitily Effiet in IPuttm Liltrary Tradition. Emry Tou-'(JnJ Ihr RI/tase oJ Shakuptun 's IPi//' Cambridge/ Mass.: MIT Press 199 1, S. 3-3 1, hier S. 20.
Af.'onlgardi 11 flnden lassen. Die Frage ist sc hwer zu beantwo rten; möglicherweise ist es die Theorie der Postmoderne selbst, welche zugleich letzter Ausläufer des unendlichen GeheimniueJ al s auch sein T o tengräber ist. Denn bemerkenswert ist ja die D oppelmoral der Postmoderne: Einerseits hat sie die ästhetischen Lektüren der Tiife annulliert, den Bildungsbürger aus Amt und \'V'ürde vertrieben, hat lustvoll Henneneutiken textuelIen Hintersinns ,deko nstruierr' und an deren Stelle die Obeifliiche, die ,Materialität der KOHmJltnikation 6 /1 gesetzt (das dekonstruktivistische Lektürekonzept erweist sich dabei als spätes Remake von Luthers T orpedierung des kirchlichen Lehramts durch das sola scripturoPrinzip, dessen basale N aivität es kopiert: Die G rundannahme, die Schrift könne sich ,selbst auslegen'6o). An die Stelle des seelenvollen Gesangs hat die Postmoderne, möglichetweise ohne das zu wollen oder vorherzusehen, den DJ und die Technik des sO!llplings gesetzt. Aus dem autonomen Künstler, der mit Hilfe eines geeigneten Ins truments oder dem Gesang die Tiefen seiner Subjektivität offenbart, wird der DJ , der ein " Reproduktionsgerät zum Instrument" transfo nnierr61 4 und dessen Kunst im Mixing von Platten beste ht, also in der Reprod uktio n von Reproduziertem. Die Expressivität der Seele hat sich in die Materialität des Medialen verwandelt. Der DJ erzeugt rucht, sondern er mixt, der DJ macht kein Lied, sondern Sound. Tatsächlich ist der DJ der Inbegriff der 1mbegrenzten
'"
Der Begriff wird seil etwa 1825 aus d er militärischen in die ästhetische Sphäre übertragen und don zunächst zur Kennzeichnung politischer Kunst, in der zweiten Häl fte des 19. J ahrhunderts dann aber immer mehr zur Bezeichnung einer ,ho hen' und schwierigen K;}-Insr (Apollinaire. ßaudclaire) velWendet. Vgl. BARCK, Karlhein z: ..Avantgarde." In: AslhrhJ(ht GnmdbtgriJle. Hisloris(hts IViirltrbllch. Bd. 1-7. H rsg. von K. B. u. a. Sruttgan, Weimar: Metzler 2000ff. Bd. I, S. 544-577.
'"
So der p rogrammatische Titel eines umfangreichen Sammelbandes; GUMBRECHT, H ans
Ulrich und K. Ludwig P FEIFFER Q--Jrsg.): Malmalilöl dtr KO"'''llInilwlion. Frankfun/M.: Suhrkamp 1988. Hinsichtlich des Rezep tionsaktes wird dann empfohlen, nicht mehr zu ,interpretieren', sondern einfach zu ,lesen'; vgl. WELLßERY, David: " Interpretatio n versus Lesen. Posmenneneutische Ko nzepte d er T exterärterung." In: IVif international ';1 dit Liltralll~1isenschtift?
Mtlhodtn· und Thtoritd,;ll!Iwion in den LiltraIUf2J imnschnflen. KJillllrtlk Btsondtrhtittn lind inltrleNllllrtlltr AIIs!t1J(scb 0'" Btispitl des Inlupnlnlionsprobk",s (1950-1990).
Hrsg. von Lutz D anneberg und Freidrich Vollhardt. Srungan, Weimar 1996, S. 123- 144.
'"
."
In vielen ,antihermeneutischen' Aussagen Luthers kö nnten Postsuukturalisten ilu Plädoyer flir ,Materialität' wiederfmde n: " D er heytig geyst ist d er eynfeltigsr schreyber [...1, drumb auch seyne wom nit mehr denn eynen einfcltigen synn haben kunden, wilehen wir d en schrifftlichen oder buchstabischen [Zungen syn n nennen. [... 1 Es Ieydetl die Schrifft nit solch spalten des buchstabenß und ge)'stcs", heißt es etwa; LUHIER,. Martin: Werkt. Kritische Gesanuntausgabe. Bd. 1-66. Weimar: Bö hlau 1883ff. Bd. 7, S. 654 1" Au f das überchrisclich usw. Buch Bock Emsers Antwon " (I 52 1)], S. 650f. ; oder: "er [der Papst] sagt, die Schrift wäre dunkel und hätte mancherlei Auslegung [... ]. Und es ist nie eine giftigere, schändlichere Lehre aufgekommen, denn d aß Menschen [... ] sich über die Schrift zu He rren und Richtern gesetzt und haben aus derselben gemacht. was sie nur wollten"; d ers.: Vom unJrtitn lVilIen. Ubers. von Jusrus J o nas, hrsg. von Freidrich Gogancn. München: Kaiser 1924, S. 83f. Vgl. POSO IARDT, Ulf: Dj-ell/lurt. D,;lPjodetys und Pople.u/illr. 2., elW. Aufl. Rcin bek: Rowohlt 200 1, S. 365.
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Semiose [H. 2] : Die Zeichensp rache des DJ verweist auf keinen Referemen mehr, sondern ausschließlich auf andere Zeichen, auf andere Medien. Der DJ is t das zum Symbol zementierte Dikrum McLuhan s: The medium is Ihe meISage. Und ganz analog ist nicht mehr der Geis t / die Seele das Rezep tionsorgan, sondern es isr der Kö rper, der die Reize von Musik und Drogen aufnimmt: " D er fe rne, ferrgiitige Basswummbeat, der sagte: hier sind wir endlich richtig. Und wie in diesem Moment, mit jedem Schlag und Herzsc hlag mehr, mit jedem Lungenzug, mir jedem Arem-ja und -nein, mit jedem ruJ s und Lid schlag und mir jedem Schrirr noch immer mehr, mit einem Mal und wie in Zeitlupe rapide exp lodierend, diese Pille mit sagenhafter Wucht zu wirken bego nnen harre."6\S O berfläche ist das Prinzip, T echno die Utopie ein er Kultur "ohne
/ogoS" :616 KRYPSE- REGEL. Ein Text soU kein Geheimnis haben. Er soll te nich ts vcrschweigen, was er selber von sich selber weiß. Diese i\'laxime ist hilfreich , um gege n eventuell sich einschlcichcnde, obskuramische Poetisicrungen und Scheintiefgriindigkeircn gezielt vorgehen und sich zur Wehr setzen zu können. Sag alles, was du weißt. So klar und simpel, wie es geht.617
Erstaunlich an diesem Befund ist jedoch, daß die Theorien, welc he in den letzte n J ahrzehnten Subjekt, Men sch, Geist und Hintersinn so lustvoll ze rITÜmmenen und die Materialität etablierten (ohne daß ein DJ davon wissen muß), zugleich im G ewand der kryptisch -ästh eti schen Geheimbotschaft auftraten. Nichr umsonSt impl.i zien die Vorstellung einer dekonslmierenden Lektüre das Bild von -rieft und Enlhül/ung (und tatsäc hlich ist de Mans Lckrürewcise ja aus dem elose readillg des New Criticism erwachsen). Nicht zuEillig ist das Herzstück der Dekonsrruktion nach Derrida eine Melaphor%gie. 618 Eine brillante Volte, um auf dem \Xfeg der Tieft die Obetjliiche (das unendliche G leiten des Signifikanten in der dijfirance) zu inthro ni sieren. 6 19 Eine ge nial e Verkeh
Erzählung.
'"
G O ET.l, Rainald:
~1~
J ANKOWSKJ , Marrin: "Tanz nach zwölf. Techno als Erscheinungsform D emocracischer D ecadence Reality." In: Dtll/seln Vitrttfjolmschrifi für LittrofllnJisslnschaft lind GtüfesgtJ(bicblt 73 (1999), S. 28-42, hier S. 40.
on
GOET.l, Rainald:
... ."
328
RP/!t.
Rollt.
Frankfurt: Suhrkamp 200 1, S. 152.
Erziihlllng. Frankfurt: Suhrkamp 2001 , S. 209 .
Vgl. D ERRIDA,Jacques: " D ie weiße r..·lythologie. Die Metapher im philosophischen Text." In: J. D .: RPndgii"gt ,Irr Phiwsopbit. Hrsg. von Peter Engelmann. Wien: Passagen 1988, S. 205-258, S. 344-355; vgl. ebenfall s O E MAN, Pau!: " Episfemologie der Metapher." In: Thront dir Mtloplm: H rsg. von Anselm Haverkamp. 2., erg. Aufl. Darmstdt: Wiss. ß uchges. 1996, S. 414-437. VgL O ERR1DJ\ , J acques: Gramnlolologie. Übers. \'o n Hans-J örg Rheinberger und Hanns Zischler. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1994 [1967]. Eine ähnliche Paradoxie schleicht sich auf ganz andere Weise mitunter in die OJ-Culture ein. Sie entdeckt etwa die Tiefe der Oberfläche, die Spirirualität des Kö rpers: " Eine Mo notonie [der Musik], die wirklich die Sprache des Lebens spricht, und deshalb, so sehr sie äußerlich minimal daher kommt, in Wirklich -
rung: Wo früher das Eigentliche (die Tiefe) hinter der Oberfläche verbo rgen lag, da wird jetzt das Eigentliche (die Oberfläche) hinter der Tiefe versteckt. Und diese Tiefe hat es in sich - Derridas Groll/II/al%gie wird nicht nur getragen von einer biblischen Metaphorik, die wunderschöne Kabbala seiner T exte steht darüber hinaus in bezug auf Esoterik den Texten Hamann s in nichts nach. Handelt es sich al so um eine der üblichen Einverleibungen - desavouiert die Postmoderne das Geheimnis, die Tiefe, auf dieselbe \'(Ieise, wie Platon den Philosophen die Kunst überträgt [11. 3] oder wie Augustinus den Theologen die Wißbegierde zueignet [111. 2)' Die Frage läßt sich sowohl bejahen al s auch verneinen. Es ist wahr: Wo Avantgarden der lvfoderne einmal Ka fkas Geheimnisse entzifferten oder j oyce enthüllten, da legen jerzt eingeweihte Oberseminaristen die wunderschönen Rärsel der pos tmodernen Theorie aus. Die entscheidende Differenz ist bloß, daß da s jenseits des O berseminars niemanden mehr interessiert. Die Avantgarde hat sich - in eskalierender Abse tzung zu der immer weiter expandierenden, exletlsi"en Lektüre - selbst so ad abJllrdlill/ überzüchter, daß diese Selbstmarginalisierung jetzt ihre Implosio n herbeiführt, und zwar nicht zuletzr dadurch, daß der Zirkel von Lese rn der Tiefe immer kleiner wird und nicht einmal mehr als Orientierungsgröße überhaupt noch wahrgenommen wird. Es hat nichts mit KuJturkritik zu run , wenn man feststellt, daß die Penetration der radikal extensiven elektronischen Medien dazu geführt hat, daß vielen Rezipieme n mi ttlerweile schlicht die Kompetenz zur Durchführung selbsr einfacher LektüreIl der 1i"ife abhanden gekommen ist. Hoc hschullehrer aus den Philologien registrieren an ihren Stude nten den um sich greifenden Analphabetismus der Tiefe: "Sie kapierten es nichl."620 Es sieht demgemäß so aus, als sei die Hieroglyphiscik der Pos tmoderne der würdige Tmcngräber des unendlichen Geheimnisses und seiner Rezeptionsweise, der Lektüre der Tiife. Das Geheimnis selbst geht nicht unter, es existiert weirer - aber in seiner extensive n Form, als endliches Geheimnis. Scho n das Geheimnis der Psychologie überlebt allenfalls im bürge rlichen Trauerspiel amerikanischer Therapie und im Psycho· Thriller. Das unendliche und ehrfurchtgebietende Mysterium der christlichen Religio n wurde in die populäre Fonn der endlichen Geheimnisse spiritueller Literatur tran sponiert. keif ein Maximum an Fundamemalität und Deepness fo nnuliert. Von da ko mmt für \~el e, weil es so tief im Kö rperlichen wttr.lelt, ein spirituelles Moment ins Spiel." GOET[;, Rainald: Rm.'r. Erziiblllng. Frankfurt: Suhrkamp 2001, S. 266. ErstaWJ1ich auch die Verwendung der augustiniscbcn Argumentation: Auch die hllmililaJ der Heiligen Schrift war ja nur scheinbar o berflächlich. 620
BIRKERTS, Sven: Die Cllltnbtrg E/tgitn. Lu tn im tltktrrm;srhtn Zti/alltr. Übers. \'on Kun Neff. Frankfurt / M.: Fischer 1997, S. 26. Demographische Studien belegen klar den statistischen Rückgang des Lesens; die T endenz des ,Lese-Zappings' belegt, daß die an elektronischen r"ledien \'ermittclte, schnelle und fragmentarisierte In fo rmatio nsaufnahme zunehmend auch aufTextlekriiren übergreift. Vgl. uJtt'froa/Jtn in DtlllJchland inJ ntlltn jahrlallJtnd. Hrsg. von der Srifnmg Lesen. Hamburg: Spiegel-Verlag 200 1 (:::; Schriftenreihe ,Lesewclten', 3),
5. 11 , 19,262,286.
329
In esoterischen Biographien wird die göttliche O ffenbarung zum Roman verdünnt - ein Beisp iel ist der anonym verö ffentlichte Esoterik-Bestseller Der EingellJ(!ihle. Eindn'icke von einer großen Seele, bezeichnenderweise von seinem Schüler, selbstverständlich eine .,wahre" Geschichte, da es "diesen Menschen tatsächlich gib t", auch wenn sein Schüler sich "a us vielen G ründen genö tigt" sieht, "seine Identität zu ve rschweigen".621 Solche Esoterik-Ro mane, As trologie und Spiritismus, Wellness-Trend und Ayurveda, ,ganzheitliche Homöopathie' und Pop-Buddhismus, sie alle sind die extensiven, niedlich zurechtgestu tzten Bonsai-A bleger eines ehedem furchterregenden heiligen Baum s: "D ass aber die Men schen am Ende also han nach des Baums Wurzel lüste ttcn, ist ein geheimnis, Mys terium, und den KJugen und Weisen bisher verbo rgen gewesen, wird auch nicht in der Hö he aufgehen, sondern in der Tiefe in großer Ein falt, gleichwie der edle Baum mit seinem Kern und Herzen aIJezeit ist den Weltkluge n verborgen gewesen, ob sie gleich gemeiner haben, sie stünden auf des Baumes Wurzel und Spi tze, so ist es doch nichr meh r als ein lichter Dunst vor ihren Augen gewesen. "622 Eine mit tiefschwarzem Humo r gezeichnete Elegie auf den T od der ästh eti schen Lek/lire der Tiefe singt dann auch Martin Amis' Ro man The Informalion (1995). Es beschreibt den ZerfalJ eines Schriftstellers, Rich ard Tull, eine Art j oyce- Karikatur: " He was trying tO write ge nius noveIs, like j oyce. j oyce was the best yet at genius noveIs, and even he was a drag about half the time. Richard, ar&ruably, was a drag aU o f th e time. If you had to se rt! e on a o ne· word descriptio n of hi s stuff then you would almos t cerrain)y make do wirh Imread"ble."623 Iro ni scherweise ist dabei Richard s besc hränkrer bester r reund ein Bestsc ll eraucor, dessen Texte sind dagegen " barbarical.ly p lain ." (140) Richard s erster Roman schien noch vielversp rechend: " the verdicr o n AJorelhoughl was as fo llows: nobody understOod ir, or eve n finished it, bur eCJually, nobody was sure it was shit." (40) Doch dann geht es bergab: "Three yea rs later, by which time he had become Books 3nd Arrs Editor of a lüde magazine calJed Tbe U llie Magazine Oittle then, and lirtJer now), Richard published his second novel, Dre"ms dOll 'I meall Of!Jlbing. in Britain, bot not in America. His third novel wasn't published anywhere. Neither was his fo urth. Neither was hi s fi fth. In chose duee senrences we adumbrate a Mahabharala of pain." (40f.) Dabei werden die Fundamentaltopo i einer schwierigen, ästh etischen Modem e genußvoU zerlegt. In einem Radioinrerview wird Richard beispielsweise auf seinen ncucn Ro man , Ohlle Tilel, angesprochen, und antwortet mit einem Gemeinplatz aus der Theorie des autOnomen Kun stwerk s:
'"
[ANONYMUS:j Dff Eingtll-'tihü. Eindriiclee D rocm cr-Knaur 1985, S. 9.
tV)n
tintT großtn Sult. Von stintm Schiiltr. i\'fünchcn:
BÖHME, Jacob: ANrora odtr M0'1!nriJre im ANfgang. Hrsg. von Gcrhard Wehr. Fra nkfurt/ M.: Insel 1992, S. 64 [1,651. ~\."s ,
zloen .
330
Marrin: The Information. London: Flamingo 1995, S. 170f., im folgen de n im F1icßlexl
,Whar's your novel trying [0 say?' [... ) ,lt's not tt'}~ ng to say an)'thing. lt's saying ie' ,Bur /lIbaI is ir saying?' ,!r's s a)~n g irsel f. For a hundred and fift}' thousand words. I couldn', pur it in anothcr wa)'.' ,Richard Tull? Thank you ver)' much .' (340)
D er Text läßt keinen Zweifel aufkommen, daß die Epoche dunkJer und schwieriger Tex te unwiderruflich vergangen ist: Richard's bod)' knew that whatevcr ir was Richard srood for - ehe OOt-sOworldly, ehe conro n ed, the difficult - had failed. Los Angeles sought trans cendence ever)'where you looked, through astrology or crys tal o r body-wo rship o r temple-going, bur these were stabs at worldly divination, forccasrs abour how to do better in the here and now. (364)
Es ist also die Körperliebkeil, die Materialität, also das, was die postmoderne Theorie nach der ,Vertreibung des Geistes'624 hinterlassen hat, welche jetzt die Urteile verkündet. Immer wieder wird der Zerfall von Richards Kö rper ausgiebig geschildert, angefangen bd seinen büschelweise ausfallenden Haaren, seiner Auszehrung, sei ner Nikocin-, Droge n- und Alkoholsucht - im krassen Gege nsatz zu Gw)'n Batt)" det gesund aussieht wie ein Fernsehprediger, ein "video vicar" ( 141). Scho n die kö rperlich e Differenz zwischen Zerfall (Ri chard) und Gesundh eit (Gw)'n) ist jetzt die Evidenz für die Anullierung des geistigen Hintersinns: "if you looked like shi t, and fell' Lik c shit, and behaved like shit, then prcn)' soon you wcrc going tO smelJ like shit" (237). Da ist es ganz logisch, daß auch die Effekte von Richards dunkJen und schwierigen Tex ten kö rperfeindlich sind, denn die Lektüre seiner Bücher macht moderne und aufgeschlossene Menschen krank. Als ihm durch die Hilfe seines Freund-Kontrahenten eine Agentin vermittelt wird, beginnt diese mit der Lektüre von Ohne "filef. " Hal fway down page four an acute migraine and she never suffered from migraines, o r even headaches - sem her crashing inro the bathroom pillshel ves. Shc still had a bruise where she'd barked her forehead against the mitror" (193). Sie gibt den T ext an ihre Assistentin weiter: "halfwa)' through the anomalously brief flrst chapter of Untitled, Crcssida had suffered an arrack of diplopia 0 1' do uble vision - of sufflcient sevcrity fo r her G P ro suspect a case of (you'll like thi s) ,vascular embarassment' or even, quite possibl}', an o rganic lesion o f the central nervous system" (2 10). Hiernach werden Verlage direkt beschickt: "Tob)' Middlebrook, of the Quadram Press, having spent fifteen minutes with Unh'Iled on his lap, was admittcd the same day to St. Bartholomew's hospital with a case of vasomotor rhinitis. 614
Auch dies ein programmarischer Buchritel: KJ TrLER, Priedrich (H rsg.): Dir AlIslrtibling des Ctisfes allJ dtn CtültJUimnJfhcifttn. Prog ramme des I'OJIJIrNk!lIroIÜmIlJ. Paderborn Cf aL Schöningh 1980.
331
At present, he was in bcrwecn sinus operation s" (237). D ie Zukunft gehö rr demgemäß dem endlichen Geheimnis und der korrelierenden Rezeptionsweise, der Lektüre der Spannung. Auch wenn hier und da noc h einmal ein ,o ffenes Ende' auftritt oder gar ambiguisierre Filme entstehen, die Wiederholungslektüren anregen (z. B. IYlulholland Dn·ve) , so ist der allgemei ne Trend unbestreitbar: Texte sollen einfach verständlich sein, sie so llen spannend sein, sich am E nde aunösen. Daher werden sie nur einmal rezipiert, danach erli scht das Interesse und man wendet sich neuen T exten zu. Ideale rwei se kosten Texte möglichst wenig Geld und besitze n gar keine Materialität mehr, denn ihre Aufbewahrung mach t so wenig Sinn wie die L'lgerung benutzter Pappbecher: Film und Fernsehen bieten die ideale techno logische Lösung. Ein typisches Bei spiel für die Programmatik des Geheimnisses in diesem Ge nre ist de r wo hl populärste fiktive Held aller Zeiten, James Bo nd . D er hat es stets mit rätselhaft-bed rohlichen Gegnern zu tun, bezeichnenderweise lauter der Name des Schufts in Flemings Prototyp , Cosino '",pie (1953) ,Le Chiffre', D er spannende Handlungsbogen ist immer e rfo lgreich und immer derselbe: Bo nd erh ält eine gefahrliche Mi ssion, tri fft auf einen Gegner, der ihn vorübergehend gcfangennimmt oder entführt. Das ist exakt die Strukrur der Trennung, der Retardation [1 11 . 5), und typischerwei se tickt ab jetzt der Zünder der Bombe, welc he die We lt au slösc hen soll . Bo nd kann dann selbstverständlich entkommen und besiegt seine Gegner, entschärft die Bombe lind so fort: 1.....e ChijJre lös t sich auf. Es ist eklatant, daß solche Handlungsbögen die narrati ven Musler des spmlfle!lden Ro mans aus dem 18. J ahrhundert übernehmen und fo rtschreiben. D as Ließe sich problemJos für Legionen von populären Filmen aus J-1o ll}'wood zeigen; interessante r ist jedoch, daß sich auch die \'Vahrnehmungsweise von ,Mythen des Alltags' durch solche erlernten Rezeptionsweisen erklären lassen. Beso nd ers sc hö n läßt sic h das an de r mögliche rwei se sen satio nellsten Enthüllung zeigen, welc he die \"elt bislang erlebt hat. Am 2 1. Januar 1998 gi ng eine Meldung durch die Wcltpresse, in der eine geheime Aff.1.re zwischen dem amerikanischen Präsidenten Clinton und einer Praktikantin, Monica Lewin sky, aufgedeckt wurde: Ein Skandal ,625 der wie eine Bo mbe einschlug. Al s in der If/oshington Posl erste Details bekannt werden, kocht die Presse auf der Suche nach mehr Informationen über das Geheimnis. Die größten und wichtigstcn Fernsehsender stellten in ihren I achrichtcn dic Berichte über den hislorischen Papstbesuch in Kuba immer wieder hintan, sobald neue Einzelheiten über geheime Tonbandaufzeichnwlgen, über cin mysteriöses Kleid mit Flecken, über die Stimme des Präsidenten auf Monicas Anrufbeantworter oder über ihre heimlichen Bcsuche im Weißen Haus ans Licht ~
Vgl. BUSBY, Roben : Dtjnlfling J!Je Amm·ton PrWtkmy. Clintoll anJ IM uMinJk.J SfonJaI.
Houndsmills ct aL: Palgr::ave 2001. 332
kamen. Jedcs noch so kleine Gerücht, jede Mutmaßung und Verdrehung wurde bis ins Ictzte Dctail ausgeschladHcr. 626
Eine publizistische Studie zeigt deutlich, daß die Neflgierde, die SpannJing so groß ist, daß selbst die renommierte Presse ihr Ethos der quellemreuen Bericllte rstartung suspendiert: ..The initial lJ7ashiflgtofl Post story ran 1608 word s. It com ained four ,on the record' quotes l.. ']' It also quo red rwemy-four anon)'mous sourees, who were loosely identified in an)' number o f different wa)'s." 621 Die Korrelation von IVißbegierde und Ifljöm/OtioflIflIangel führt zu einem groresken Output von "gossip, analysis, and speculation [...]. On Good Morniflg AflIencll, in those early days, 72 per cem of all irs statements were based o n anonymous sources o r characterized as analysis or pundirry, as distinct from hard reporting - that is, o f elead y sourced fact. ,,628 Das führt natürlich zu Falschmeldungen - zur Befriedigung der Neugierde entsteht also auch hier, ganz ähnlich wie im 18. Jahrhundert, eine Form von Fiktionalität. Dem Publikum werden eifimde!le oder zumindest nicht seriös verbürgte Episoden für wahr verkauft; Kalb spricht von der HolliJlJoodizotion der Presse. Das Beispiel zeigt auch noch einmal, wie sehr Geheimnisse T exte an sauge n. In det ersten Pressekonferenz des Weißen Hau ses nach der Enthüllung befassen sich 11 3 von insgesamt 128 Fragen det Journalisten mit der Aff.'ire. All ein in der IVmhiflgton Post wurden zwischen dem 22. und dem 27. Januar 1998 in sgesamt 120 Artikel zu der EnthüUunggebracht.629 Die Lewin sky-A fflire ähnelt dabei einem empfindsamen Roman mit einem Schuß Sex & CrifllC: Es wird das I nreresse von voyeuri stischen Lesern befriedigt, di e sich an intimen und ge heimen Detail s aus dem Privatleben anderer berausc hen. \Xlie schon im 18. Jahrhundert handelt es sich um eine JIJohre Geschichte, so der Untertitel de r deutsc hen Überse tzung von Mo rto ns Biographie. 630 Erwartungsgemäß findet sich da s Thema der Meslllliance; der Kla ssiker, Adelige r liebt bürgerliches Mädchen, erscheint transpo niert in die Paarung Präsident - Praktikantin. Auch das Mo tiv der lIeifiihrten UnschIlIdi st identisch; weitere Anlehnungen sind die ge trennten Liebenden sowie die Entführung des Intrige nopfers - Mo nica ...vird beispielsweise vom FBI entführt oder muß sich über lange Zeiträume vor den Nac hstellungen der Paparazzi verbergen. Ein weiteres bem erkenswertes Struktunnerkmal läßt sich identifizieren. Wie zuvor ersichtlich , treten die geheim en ,Herzensgeständnisse< des empfmdsamen Romans oft in Fo rm authentischer Do kumente auf, die, wie etwa beim 6!1>
r..IORTON, Andrew: MOl/ieo uuillJky . Ibn uW/ln Geschiehtt. Berlin: Ullstcin 1999, S. 255f. KALB, Marvin: One S({IndotOlfS Story. Clil/IOI/, uuil/sJg, ol/d t/;e Thirtul/ Dtrys thaI lomished
Anltncon jOlimolisR'. New Vork CI al: Thc Frec Press 2001, S. 128. Ebd .• S. 130. 6..'?
Vgl. KALB, Man'in :
0,., Scol/da/oll! SIOry. ClinlM, uu..jl/sky , al/d Ihe Thirtul/ D'!Jslboi lomisINd
Amtncol/jollmolis11I. New Vork er al: The Frec Press 2001, S. 138 und 156. 6lO
MORTON, Andrcw: MOl/iro uuinsJg. Ihn )j'o/ln Gmhirbu. ß crlin: UllSlcin 1999.
333
Frdlllein IJon Slemheilll, ursprünglich an eine Vertraute gerichtet waren und später gegen den Willen oder zumindest ohne Wissen und Zustimmung der Betro ffen en ,enthüllt' werden und an das Licht der Öffentlichkeit geraten [111. 5). Exakt dasselbe findet bei Monica statt: Ohne ihr Wissen nimmt ihre Herzensfreundin Linda Tripp vertrauliche Telefongespräche auf, in denen Monica sich über ihr Verhältnis zu Clinton au sspricht, und leitet diese an die Ermittler weiter, durch die sie dann an die Presse gelangen. In der Presse beginnt dann der Prozeß der Enthüllung des Geheimnisses. Geradezu banal ist die Frage nach dem Bö sewic ht~ dem ,Lovelace', der sein Opfer gnadenlos ins Verderben stürzen will: Selb stverständlich handelt es sich dabei um den Ermittier Kenneth Starr, der erbarmungslos Monica und ihrer Liebe zum Präsidenten nachstellt. Es wird dann derselbe K enneth Starr sei n, dessen RepOrl die Veröffentlichungen der Presse noc h übertrumpft, wobei zum Softporno mutiert, was Monicas Biograph als empfindsamen Rom an darstel len wird. Hjer werden dann wirklich alle Geheimnisse enthüllt; unter T ageseintragungen (1) werden über lange Passage n sämtliche Intimitäten veröffentlicht. Stereotyp werden die Tage, an denen es zum Austausch von Zärtli chkeiten geko mmen ist, entsprechend marki ert: " D. Februaf)' 28 SEXUAL EN COUNTER" heißt es typisc h in einer Überschrift, und dann geht es beispiels• • wel se weiter: ~h.
Lcwinsky Icsti ficd that aftcr thc Prcsidcm gave her gifts, they had a sexual encou nter: ,,\VIe went back over by the bathroom in the hallway, and we kissed. \VIe were kissiog and he unbunoncd m)' drcss and fondlcd m)' breasrs wirh m )' brn o n, and lhell rook ,-hcm OUI of m)' bra and was kissing th cm and fo uch iog them wirh his hands anel with his mouth. lieh crspare uns den RcstJ" Ms. Lewinsky Icstificd that shc and thc Presidcnr huggcd , aod " he said he didn' r want (Q gcr addicrcd to mc, and hc didn' t want me to get addicted to hirn. " They looked at each other for a mo mem.611
Ein erfahrener Journali st wird später kommentieren : ",None of us had ever seen a story like chis before. ".632
'"
STARR, Kenncth W.: Tht S/a1T Rrport. Tht Findingl oJ lndtJNndtlll COJU lld Ktmulh IV. SlolT on Pmidtnl Clinlon ond Ihe UU.ffll~ Affair. Ncw Yo rk: Public Affairs t 998.
~ll
KALB, Marvin: One SwndulOiIl Slory. Clinlon, uuinlJg, and du Thirtten DOYI Ihol tomiJhed
Amrn"tanjoJlmuliJm. New York
334
Cf
at: The Frce Press 2001, S. 242.
IV. Unmittelbarkeit: Der Reiz des E rlebens
"Die Unmittelbarkeit ist abgeleitet."
1
1. Unmittelbarkeit zwischen Ähnlichkeit und Geheimnis D er Begriff der Unmittelbarkeit ist bislang allenfalls marginal Gegensmnd einer Theoriebildung gcworden. 2 1n unserem Kontex t ist cr deftniert als Figur der Übcrschreirung von Medinlitiil schlechthin. Die Kommunikatio nsfo nn der Unmittelbarkeit bezieht ihre Aura daraus, daß sie im-medialfls ist, al so vorgibt, nicht in Form eines Mediums vorzuliegen. 1m Lichte dieser Definitio n läßt sich Derridas GrllllJllltllO/ogit als herausrage ndste Analyse der Unmittelbarkeit lesen (I. 2) . Seine Untersuchung [astet die abendländische Tradition im Hinblick auf die Unterscheidung Still/Ille versus Sclmft ab und zeigt, daß die Ablehnung der Schrift (am prägnantesten ist die paulinische Wendung: "Denn der Buchstaben [fit/emJ tödter / Aber der Geist ISpiri/m) machet lebendig"J) immer zugleic h einer Ablehnung von M ediafi/älemspricht. Dagegen ist es die Präferenzseite der Opposition, die S/ill/II/e, welche innerhalb der unaufhörlichen Fortschreibung der Medialität das Phantasma einer Un-Mittelbarkcit zugleich erzeugt und verschiebt. 4 Analog wird Unll/illefbarkeil auch hier verstanden - es handelt sich um alle Kommunikatio nsphänomene, die zugleich in einem Medium vorüegen und
1
D ERR1DA. J ac'lues: CrammaJo!ogit. Übers. vo n Hans-J ö rg Rheinberger und Hanns Zischler. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1994 [1967] . S. 272.
l
D ie einzige mir bekannte i\-Ionographie. die U'lmifftlbadetil im Titel trägt und den hier beschriebenen Sachverhalt rhematisiert, ist die Dissertation Z IMMERMANN, Chriscine: UnmilulbarkLil. Thton"en iibtr dt n Urspnmg tür Mllsik lind dtr Sprache in dtr A Slhtlik dn 18. jahmllndtrlJ. Frankfun / l\·J. el al.: Lang 1995. Im bibliographischen Anhang findet sich auch do n keine DarsleUung mit Unmilltlbarktil im Titel, allerdings ist die U ste der berücksichtigten Fo rschungslitc.rarur insgesamt knapp. Hinzu ko num . daß Z immermann keine D efinition dessen vorlegt, was sie unter Unnlilttlbarktit verSieht.
l
Bib/ia C m!/(U/ira. Übers. \'On Martin Lurher. Faks. Nachdruck der Ausgabe Witlenberg 1545. Stungan : Württt'.mhergische Bibdanstah 1967, 2
Korinth e ~
3 [6] .
~ Vgl. D ERRIDA, Jacques: Crammafologie. Übers. von H ans-J ö rg Rheinbcrger und Hanns Z isch-
ler. Frankfun / M.: Suhrkamp 1994 (1967] .
335
doch sugge rieren, die Medialität zu überschreiten. Dann sc hwindet .,die leiseste E rinnerung an Arbeit, Kunst und Bedürfnis. \Xlir werden das Ivledi"m nicht mehr gewahr, die Hülle schwindet, und unmittelbar genießen wir die reine Schö nheit"S - in diesen \Xlorten beschreibt Schlegel die ästhetisch -roman tische Fassung der Unmittelbarkeit, hier in der Schattierung der Kunstverbergung (celare artem). Das Zeichen ist so kunstvoll hergestellt, daß man den Gegenstand selbst zu erblicken scheint. \Xlähren d man im Normalfall in Fo rm von Zeichen, Texten, Sprache kommuniziert, führt die Unmittelbarkeit direkt in medias res, sie suggeriert einen direkten Kontakt mit den Dingen, erzeugt Phantasmen der sinnlichen Vision, der Berührung, der Körperlichkeit. Det Rezipient liest nicht mehr, sondern et erlebt. Die Programmatik der Unmittel barkeit wird also durch exakt dieselbe Paradoxie etzeugt wie A 'hfllichkeit und Geheimnis, auch sie suggeriert als Kommunikatio n zugleich eine Uberschreit""g det Ko mmunikation. Demzufolge erscheint die Unmittelbarkeit oft verstrickt mit der Programmatik der Ähnlichkeit odet des Geheimnisses. E s wird im Verlauf der Argumentation deutlich werden, daß sich die Methodik der isolierellden Darstellung, wie sie in den Kapiteln zu /fhlllichkeit und Geheimflis angestrebt wurde, kau m mehr aufrechterhalten läßt, denn mit fortschreitendem Etkennrnisstand läßt sich die lnteraktion der beschriebenen Programme immer weniger ausblenden. Tatsächlich hätten sich die berei ts besprochenen Texte ebell sogut zum Ausgangspunkt von Ausführungen über die Unminclbarkei t geeignet. Ein radikal ähnliches Zeichen im Sinne von Z euxis oder Gorgias, das sich auf dem \Veg der Sim"lalioll dem Signifikat immer wc iter annähen, kann nicht anders als unmittelbar wirk en [11. 1/3]. Die Illusion suggeriert cinen unve rmi ttehen , direkten Kontakt mit dem Gegenstand [11 . 5J. Bis hin zur ,täuschend echten' SpieJewelc der PIt!)'Statioll bedeutet ein Zuwachs an Ähnlichkeit immer zugleich eine Steigerung der Unmirtelbarkeit [11. 8). Je perfekter und überzeugender die Simulatio n, destO mehr tritt das Medium zutück und verwandeI r sich in Erlebnis. So ragr das im Kontext der Ahnlichkeil bereits besprochene V e'l,egCflJlldrtiglfflgspri"ifp [11 . 3], welches darauf abzielt, die Gegenstände (in maximaler An schaulichkeit) ,vor Auge n zu steHen', immer zugleich in die UnlJlittelbarkeit hin ein. Die Radikale der Simulation, etwa das kün stliche Doppel der G eliebte n im Kuppelsaal des Tristall, erzeugen immer auch die Suggestion der Gegenwart, der Vision, der Berührung. Dasselbe gilt rur die Anschaulichkeit der Betrachtung (11 . 4]. die eben fall s idealerweise zu einem IlIIlJIillelbaren Erlebnis führt: ,.Habe also auf all es acht [al/ende], als ob du dabei gegenwärtig wärest Isi presem essnl"6, ~ SCHLEGEL, Fricdrich:
Krif1Jr!Jt """ugoht. ßd. 1-22. München et al.: Schö ningh 19 58ff. Bd. I: SlId im du /eJowJrhtn A lftrluHIJ, S. 298 L.Übcr das Studi um der Gricchischen Poesic" ]; mein e Hcn to rheb ung.
~ PSEUDO- BoNAVf.,......'TURA: Dit Btfrorhlungtn iihrr dos Leben ClmJh. Üb ers. vo n J ohann Jako b
Hansen. Paderbom: ß onifacius 1896, S. 182.
336
hatte Pseudo· Bonavenrura seine Leser aufge fo rdert. Das sprec hende Kruziftx des Franziskus entspricht einem direkten Kontakt mit Jesus. Auch die vielen LekrüreprotOko lie. die immer wieder die fast magische Anwesenheit des Be· schriebenen beschwö ren, illustrieren ein unlllilleibares Erlebnis (11. 5] ; um mit Lessing zu sprechen: "Ergrimmt. mit Bogen und Köcher. steiger Apollo von den Z innen des O lympus. leh sehe ihn nicht allein herabsteigen, ich häre ihn."7 Solche ukIiiren der Unlllittelbarkeit werden dann immer wieder reimprägnierr durch Figuren der G leichsetzung von Text und Au tor. Scho n bei Augustinus hieß es "Sie iraque audiar" (,in diesem Sinn soll man mich hö ren'). als wäre es möglich. aus dem Buch heraus unmittelbar den Auto r sprechen zu hören.8 D iese Figur wird Ro usseau in seiner epochemachenden, modernen Variante, den Conftssions, übernehmen: "nachdem man mich gelesen hat lapres III ·{///oir lllj"9. Der Leser liest hier keinen Buchstabentext. sondern tritt in .direk· ten' Kontakt mit der Aurorseele (11. 7] . Bei I...enz heißt es: "Werd ich gelesen und der Kopf ist so krank oder so klein, dass alle meine Pinselzüge unwahr· genommen vorbeischwimmen, geschweige in ein Gemälde zusammenfließen - Trost! ich wollte nicht gelesen werden."'o Diese Überschreitung der Medialität, die den T ex t zu einem unmittelbaren Gesprächspartner erhebt, kann dann so weit gehen, daß das Buch zum quasi·menschlichen Freund wird; das ist schon bei Goethes IPer/her SOll und wird dann, wie Leavis zeigt, auch für das Gros der populären Romane gelten: YOLI havc thc power I...J of making YOllt charactcrs liL't. T hcy become o ne's fcien d, . [/ /J All thc pcoplc who live in thc pagcs o f YOllr work are so intenscly real O ne knows rh em as frie nds. [/ / j YOllr characters are so human thaI Ihe)' live with me as fricnds. {...l They are al1 ('tnl ",m, with real men's temptatio ns 1... j.12
Umgekehrt lassen sich ebenfalls für das Verhältnis zwischen Geheilllllis und Ulllllilleibarkeit umfangre iche Konvergenzen nachweisen. D enn je weiter man 1
LESSING, Gorthold Ephraim: L"okoon odlr Ober dir. Gf'tn~n dir Malm; lind Poesie. Hrsg. yo n Ingrid Kreuzer. Snmgan: Reclam 1994, S. 107; meine Hcryorhebung.
B
AUG Us'nNUs, Aurclius: &krllllln;m. L:u einisch und deutsch. Übers. von J oscph Bemhard. Frankfun/ M.: Insc,11 987, S. 494 IX, 41.
?
ROUSSEAU, J acq ucs: Brknmlnim. Übers. von E rnst Harde. Fran kfun / M.: Insel 1985, S. 37; fra nzösisch: ders.: Lu eo,iftJSions. Hrsg. \'on Ad. Vaan Bevcr. Paris: Garnier 1926, S. 9.
1&
LENZ, J ako b r-.1.ichael Reinhold: !f/trkt. Hrsg. von Friedrich Voil. Stuttgart: Reclam 1992, S. 386 ~,Anmerkungen übers Theater''J.
11
Der T ext beginnt mit eine r Aufforden mg an den Leser: "laß das Büchlein deinen Freund seyn, wenn du aus Geschick oder eigner Schuld keinen nähern find en kannst." GOETH E, Jo hann Wolfgang: Siimlhrhe W'trke, ßngr, Tagebikhtr und Gespriicht. 1. Abteilung, Bd. 8: Die LLidl n du j al/gm 117lrlhus. Die ltyah/vtnnu:dJschaftln. KJcine Prosa. Epen. Hng. von Waltraut W iethölter. Frankfun/ r..t: D eutscher Klassiker Verlag 1994, S. 10, Z. 9- t 1.
12
L EAV1S, Q ueenie Do rom)':
Firtion and Ihe fVading Pub/ü. Londo n: Bellew 1990 /1 9321, S. 58.
337
in die Tiefe vordringt, je höher man sich über die Dinge erhebt, desto mehr nähert man sich dem G eheimnis und seiner Offenbarung - die Unmillelbarkeit ist immer zugleich auch eine Dislanzyem·ngenmg. Der Auserwählte, der Eingeweihte hat dann möglicherweise sogar das Privileg, mit Gott direkt zu sprechen, wie Moses etwa Jahwe auf dem Sinai Jlnmillelbar begegnet [III . 1] . Das Geheimnis korreliert dann mir der Unmittelbarkeit - o hne noch einmal den Cursus des Geheimnisses durchlaufen zu müssen, läßt sich das durch einen Seirenblick auf einschlägige Lexiko nartikel zeigen. Lewkowitz schreibt im Jüdischen Lex ikon unter dem Stichwort Geheimnis: " Das Geheimnis der Religion ist die Unmittelbarkeit der göttlichen Selbstoffenbarung. l... ] Gorresschau ist das Überwältigtsein der erschüttenen Seele von dem sich ihr offenbarenden Gone. [...] Die Unmirrelbarkeir der Go treso ffenbarung erweiten das Blickfeld des Geistes ins Unbetretene, nicht zu Betretende."13 Rahner fo rmulien im Lexikon für Theologie lind Kirche, ebenfalls unter dem Stichwo rt ,Geheimnis', das Folgende: "GOtt Ibleibt 1 [ ... 1 das unmirrelbar in sich selbst geschaute unbegrei fliche Geheimnis.«1 4 Die Unmi rrelbarkeir teilt dabei einen zentralen Aspekt mit dem Geheimnis: Die auf dem Wege der Unmittelbarkeit übertrage nen transzendentalen Signjfikate sind auch hier stets nicht-sprachlich. So verhiel t es sich beispielsweise im Falle der augustinischen Lektüre der Tiefe, deren Allegorese himt:r der Obe rfläche einen geheimen, zugleich nicht-sprachlichen Tiefe nsinn (hypofl oia) erschließt [111. 2] . Der Interpret enth üllt dadutch die Geheimllisse des Textes, seine trallszendelltalen SiglliJikllte, die immer zugleich nicht-paraphrasictbar sind, denn an sonSten briiuchtell zuk ünftige Rezipienten nur noch den Ko mmentar zu lesen. Exa kt d a ~se lbe gilt mutatis mutandis auch für die Programmatik der Unmittelbarkei t. Scho n bei Augustin us war ja die absolute Ko mmunikation mi t GOtt im SchJlleigen der " Visio n von O stia" nichl-spmchlich und zugleich ImlIIitle/bar.15 Es ist lo hnend, auch diese zentrale Stelle noc hmals kurz zu zi tieren: Brächte es einer dahin, [...J daß jede Art Sprache, jede Art Zeichen [olllms linglll' tI Olll1lr S~fI/(IIIJ und alles, was in Flüchtigkeit sich ereignet, ihm völlig verSUlln mte [ silra~ l .... 1 Wenn also nach diesem Wort das AU in Schweigen versänke ltnerII LEWKOWITZ, Alben : " Geheimnis,." In: j iidiuhtJ Lt;o.:ikon. Ein en:ry!elopiidiJrbu Hand/md; du jiitliJrhtn lJ7iJsens. Bd . 1-4. Bcgr. von G co rg Hcrlitz und Bruno Kirschne r. Berlin: J üdischer Verlag 1927. Bd. 2, Sp _936-937, hier Sp . 936. 14
RA I.INER, Ka rl: " G eheim nis." In: U >,,"ikonfiir Thrologit lind Kirrbt. Bd. 1- 10. 2., vö llig neu b ear b. Aufl . Hrsg. von J osep h Ho fer und Karl Rah ner. Freiburg: Herde r 19 57-1965. Bd . 4, Sp. 593-597, hier Sp. 594.
a Vgl. zur Frage nach der Unmirtelbarkeir der G o rteserkenm nis auch GRABMANN, J\'[artin: Drr gijltlirht Gmnd RltnJlhkrhtr lJ7obrlJtilstr!e"m/niJ nOlb AlIglIstinllJ lind Tboll/os I.'on A qllin. FOTSrb"ngen iihu dir ollgllsh'nisr!;e IlIlIminations/mode "nd ihrr BeNrttil"ng dllrrh dm hl Themas '.'fm A qllin_ Münster: Aschendo rff 1924, S. 18ff. G rahmann weist da ra uf hin, daß AugusUnus sein Ideal der G o rn mmirtelbarkeit in seinen Sp ätschriften insofem leicht zurücknimmt, als er eine direkte und vo llst2 ndige Schau G o ttes n ur noch Mo ses, den Apostcln ete. vo rbehält u nd an eine "gänzliche Entrückung" ko ppelt (S. 20).
338
llfl~,
weil es sein L'luschen zu dem erhoben hat, der es erschaffen, und wenn nun er allein spräche [... 1 ist nicht dies es, was da gesagt ist: "Geh ein in die Freude deines Herrn [illlrli in gal,diuni dOll/illi 11/11?,, !6
Bemerkenswert ist, wie dezidiert dieser Text (als Text!) seine Medienkrilik voträgt. Die rotale Kommunikation findet in der rotalen Annullierung von Kommunikation, ohne omnis linglta el omne slgnltm, statt, im vollständigen Schweigen, lind erbringt zugleich das ,Eingehen' in GOtt als Kulminationspunkt der Unmillelbllrkeil. Das transze ndentale Signifikat wird dabei jenseils aller Sprache und Medialität erlebI, die 0'Ponoia ist immer und ausnahmslos Nichl-mehr-Medifflll.
2. Gottunmittelbarkeit: Von Gesichten und Visionen (SEUSE / BRENTA NO)
Die Programmatik der Unmillelbarkeil zeichnet sich durch eine direkte Teilhabe an transzendentalen BOtschaften aus. Ein typi scher Archetyp dieser Kommunikationsweise ist di e Auffassung vom Dichter al s Sprachrolu göttlicher Nachrichten im Kontext der InspiraliolfJlheon'e: "der Inspirierte [...J zeichnet sich aus durch seine Unmittelbarkeitu . 17 In der griec hischen Fassung figurieren die neun Musen, Töchter von Zeus und Mnemosyne, als QueUe der l nspiraDo n und eben auch der Erinnenmg (V. 1] : Der antike Sänger (aoMos) reproduzicrr da s, was ihm die Mu sen eingeben. " Inspiration ist wörtlich zu ve rstehen als der Akt, in dem göttliches Pneuma den Menschen [... 1überkommt."'8 Das bekannteste Beispiel aus der griechischen Antike ist die Invokatio n der Musen aus dem zweite n Gesang der /liaS". Kündet, ihr tvtusen, mir jetzt, die ihr hauset im hohen Olrmpos; Göttinnen seid ihr, allgegenwärtig 1P0rtIlei und alles erkennend [/e isle lepOlIlai; Unser Wissen ist nichts IOl/de h· idnltflJ, wir horchen allein dem Gerüchte: Welches waren die Fürsten der Danaer und die Gebieter? N ie vermöcht' ich die Schar zu verkündigen ll/9t1mo",011 oder zu nennen lOl/oll/asol, Härt' ich auch zehn Kehlen zugleich, zehn redende Zungen, Wär' unverwüstlich die Stimme und ehern das Herz mir geschaffen, 16
A UGUSnNUS, Aurelius: Bdetnnlnim. Lateinisch und deutsch. Übers. vo n j oseph ßcmhard. Frankfurt/ M.: Insel 1987, S. 465/ 467 fiX, 101.
II ß ARMEYER, E ike: Dir MUJUI. Ein Btitrag ~r [,upir(l!ionslhton'e. t...lünchen: Fink 1968, S. 13. Vgl. zur Tradierung der r.-Iusenanrufung in der modemen Literatur ARENOT. Dieler: "Sage mir, Muse ... Homer<; MU Sl' und die Freihci! der Kunst im modemen Wclttheater." In: IfYirkenJu 1I"'rl33 (1983), S. 93-114. 18 BARMEYE R, Eike:
Die MIIJln. Ein Btifrag ~r l'l;pira!ionJlhtorie. München: Fink 1968, S. 91.
339
Wenn die Olympisc hen tvlusen mir nicht, des Aigiserschürterers T öchter verkündigen wollten, wie viele vor llion kamen.19
Die Programmatik der Unmittelbarkeit erzeugt durch die Szene der Inspiration da s Phantasma einer Überschreitung der Ko mmunikatio n: Der Sänger gibt als passives ,Medium' göttliche, transzendentale Botschaften wieder, und verleiht dem Zuhö rer auf diese \'(Ieise einen JlnlJJille/baren Zugang zu dem Gegenstand der Erzählung. Noch weitaus markantere Beschreibungen gottunmittelbarer Kommunikation lassen sich jedoch aus früh en jüdisch-christlichen Texten idealtypisch destillieren. Ein Beispiel ist die Figur des Prophelen. Solche Auserwähl te, die das hebräi sche Alte T estament flab! (unklar: der Herausge rufene / der [Gott] Anrufende) nennt, kennzeichnen sich durch ihren unmittelbaren Ko ntakt mit Gott. Insgesamt läßt sich über den Ve rlauf des Alten T estaments eine absteigende Bewegung festsrellen:20 Die Erzväter wie Noah o der Abraham verk ehren al s Auserwählte noch weitgehend direkt und quasi-persönlich mit Gott (111. 1]. Moses steht GOtt so nahe, daß er immer wieder seine Ausführungen mit ,So spricht der Herr' beginnen lasse n kann . Moses stellt zugleich den Hö he- und Endpunkt dieser Phase dar: "Vnd es srund hin fun kein Prohhet in J srael auff / wie Mosc / den der HE RR erkennent hette von anges icht / zu allerley Zcichcn vnd Wundcr".21 Z uglcich bleibt die Charaktcri sierung der p rophetischen Kommunikatio n hier cigentümlich diffus, wohingegen in den folgendcn ,Prophetenbüchern ' einc weitaus dctaiUierere implizite Thcorie der """Iille/bare" KOIJJII//mikfllioll ausgearbeitet wird.22 Ein t)rpischcr Beleg ist dic berühmte Berufung des J csaja: DES jars da der kocnig Vsi:!. starb / sahe ich den H ERRN sitzen auff einem hohen vnd erhabenen Sruel / vnd sein Saum ftillet den Tempel. Seraphim srunden vber jm / ein jgJicher hatte sechs flügell...J Vnd einer rieff zum andern / vnd sprach heilig / heilig / heilig ist der HERR Zebaoth / Alle land sind seiner Ehren vol / Das die vberschweUen beberen / von der sam jres ruffens / "nd das Haus ward vol rauchs. I... ) UN D ich hörer die stimme des Herrn / das er sprach / Wen sol ich senden: Wer wil vnser Bote sein: Ich aber sprach / Hic bin ich / sende mich 1...J.21
19
H O ~lER:
lIias. G riechisch - deutsch. Übers. von H ans Rupc. Zürich: Anemis & Winkler 1994,
S. 65 / 67 [11 , 484-4921. 20
E inen Überblick über die Abfolge de r Propheten gibt BALlJ\, Emil: Dit Bo/schaji der Propbrlrn. I-Irsg. von Georg Fo hrer. T übingen: ~lohr 1958.
21
Biblia Cmna"ica. Übers. vo n Manin Luther. Faks. N achdruck der Ausgabe Witlenbcrg 1545. Srungan: Wümcmbergischc Bibelanstah 1967, D euteronomium 34 [10).
22
II
Vgl. H ERTloBERG, Hans Wilhelm: Propbrt Nnd Goll. Eine StNdit ~r IVligioJilii/ des tiflrr.:'d li;chtll ProphetentNms. Gütersloh: Bertclsmann 1923, S. 11 f.
Bib/ia Cn7nonico. Übers. \'on Martin Lumer. Faks. N achdruck der Ausgabe Winen berg 1545. Stuttgan: WÜfttembe.rgisch c Bibe.lanstalt 1967. J esaja 6 11 -8).
340
Der nabf Jesaja verfügt auf dem c harakteristischen Weg der sinnlichen Vision und A Jlditio,r4 über einen direkren Komakt zu GOtt. Der Prophet fungiert dabei al s passives Medium eines BOlemlJotts,25 als Sprachrohr transzendentaler Signifikate. Hier geht es um die Vision Gottes selbst, ansonsten jedoch handelt es sich weitgehend um die abstrakte Größe des wahren göttlichen Plans und \'Villens, den der Prophet dann direkt weiterleitet. Diese tran szendentalen Botschaften des götdichen \"'Vorrs werden in der hebräischen Fassung dabar genannt und rypischerweise über die Figur der Erjiillun.t6 charakterisiert. Der Pro phet äußert Jlnmittelbardengolllichen Plan, dessen Wahrheir sich später durch die Etjiilllmg bestätigt: .. so sol das Wort / so aus meinem Mund gehe r / auch sein / E s sol nicht wider zu mir leer komen / Sondern thun da s mir gefeUet / vnd sol jm gelingen / dazu ichs sende.'<27 Die Unmittelbarkeit der propheti schen Partizipatio n an den transzendemalen Botschaften wird immer wieder beront. In der berühmten Be rufung des Ezechiel läßt GOtt die sen sogar eine ScluiftroUe verspeisen: Aber du Menschenkind / höre du / was ich dir sage l...J / Thu deinen mund auff / vnd iß / was ich dir geben werde. Ynd ich sahe / vnd sihe / da war eine Hand gegen mir ausgereckt / die hatre einen zusamen gelegten Brieff [- Schriftrollel / den breitet sie aus fur mir / "nd er war beschrieben auswendig " nd inwendig / "nd srund drinnen geschrieben / Klage / ah vnd wehe. Ynd er sprach zu mir / Du Menschenkind / Iß was fur dir ist / nemlich diesen Brieff / " nd gehe hin / "nd predige dem hause Jsrael. Da thet ich meinen Mund auff " nd er gab mir den Brief zu essen. Ynd sprach zu mir / Du Menschenkind / Du must diesen Brieff / den ich dir gebe / in deinem Leib essen / vnd deinen Bauch da mit fü llen. Da aß ich jn / vnd er war in meinem munde D er sprach zu mir / Du Menschenkind / Gehe hin so süsse als Honig. zum hause Jsrael / "nd predige jnen mein WOrt. 28 Wie scho n zuvor im Falle der "isio und der audilio tran sportien auch die cOllleslio, die VerspeisJlng der göttlichen SchriftroUe die VorsteUung einer radikalen Umllülelbarkeil, einer kiJ"rperlichen Aneignung des görtlichen Texts, und verstärkt 2~ Vgl. zu diesen Iclassischen Weisen der prophetischen Gottunminclbarkeit LINDBLOM,
johannes: Prophtry in Annrnt !Jrael. Oxford: BlackweU 1965, S. 122-136 (" Ecsratic Visions and Auditions''). II
Vgl. zum ,Bo tcnwon' WnsTERMANN, Klaus: ProphttiJ(hf Htilsworlt im Allen Tu/ament. Gönln' gen: Vandcnhocck & Ruprecht 1987; dcrs.: GnmdJonmn prophrtisdJtr &dt. München: Kaise.r 1960; vgl. zur Passivität dcs Propheten HERTZßERG, Hans WilheIm: Prophtt und Golf. Eint Studie Z!', Ivligiosität du /lOrt.......iliJrhen Propheten/umJ. Gütcrsloh: Benclsmann 1923, S. 48 ff.
26
Vgl. auch H ERrLBERG, Hans Wilhe1m: Propbtt und Golf. Eint Studit if/' &li!joJität du h"Jrhfn Prophrttfllums. Gütersloh: ß ertclsmann 1923, S. 83ff.
21
Bibh"a Gmnanlfa. Übers. von Marcin Lmher. Faks. N achdruck der Ausgabe Wincnbcrg 1545. Snlttgart: Württembcrgische Bibe.lanm Jll 967, j esaja 55 111]. Vgl. crwajesaja 46 PO].
23
Bibh"a GmnanirtJ. Übers. von Martin Luthcr. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wincnberg 1545.
t'OfD.1·-
Srurtgart: Wüntembcrgische Bibclanstalt 1967, Ezechicl2 [8] - 3 [4].
341
die Auffass ung, daß es sich bei der prophetischen Verkündigung um eine gOttunmittelbare BOtscha ft handel t.2? Auch johannes verspeist ein himmlisches Buch: .,Vnd ich nam das Buechlin von der hand des E nge ls / vnd verschlangs / vnd es ward süsse in meinem Munde / wie ho nig [...]. Vnd er sprach zu mir / Du must aber mal weissagen den Völckern / vnd Heiden" ..lO Die diätetisc he Metapher, die im Ve rlauf der Argumentatio n bereits mehrfach angesp rochen wurde [111.2 /4] , durchflutet alle Reflexionen über T extrezeptionen und hat wohl in diesem Aspekt ihren Ursprung. ll T atsächlich lassen sich solche Beispiele körperlich-unmittelbarer ,Verspeisungen' von Texten (und selbstverständlich auch von Bildern)32 in der Geschichte des Lesens immer wieder finden. Ambrosius etwa äußen sich wie folgt zur rechten Lektüre der heiligen Schrift: Sein lChrisci) Wort lJtmlO dllSJist das AJte T es tament; sein Wort ist das Neue T estament. Getrunken lbibilllf) wird die göttliche Schrift, und verschl ungen [devomlllrj wird die görrliche Sc hrift, wenn der Sa ft des ewigen Wortes in die Adern des Geistes und in die Kräfte der Seele hinabsteigt. Denn der r-.knsch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Worte Gottes. Dieses WOrt trinke [... [.""
Dasselbe gilt für die vielen überliefe rten Rituale im Kontext der Lektüre, wei che diätetisc he Elemente aufwe isen. Ein Beispiel: In der jüdischen Gemeinde des Mittelahers 1... [ wurde das Ritual des Lcsenlem ens ausdrücklich gefeiert. Beim Fest des Sc hawuor, das an den T ag e rinnert, da Moses die Thont aus Goltes I-länden empfing, wurde de r Junge, der in die Gemeinschaft aufge nomm en werden soUte, in einen Gebersschal gehüllt und
!'}
"Auff das er dir kund thel / Das der Mensch nichl lebet vom BrOI allein / Sondern von allem das aus dem r-,'Iund des H ERRN geher." Bibha Gir%nico. Übers. von Marrin Luthcr. Faks. Nachdmck der Ausgabe Winenberg 1545. Srurtgan: \'(/ürnembergischc ßibelanstalt 1967, D euterono mium 8, 131. Vgl. Marrhäus 4, 4 und Lukas 4, 4.
XI
Biblio Gir%nico. Übers. von Manin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe W inenbcrg 1545. Snntgan: Würnembergische ßibelanstalt 1967, J ohannesapokal}'p se 10 [10-11 J.
31
Die biblischen Texte entwickeln ein ganzes Ensemble von j\'felaphern der geistlichen Speisung, also etwa I-Ionig, die Differenz Milch versus feste Speise, Wein und so fo rt. Zur T radierung bzw. extensiven Allegorese dieser Metaphorik in der Bibclherrnenellrik siehe LANGE, Klaus: " Geisiliche Speise. Untersuchungen zur Metapho rik der Bibclhennenellrik." In: ZtilHhriji for drlllidm Allert11m lind dill/iriN U lrro/llr 95 (1966), S. 8 1-122. Die wichrigsten Stellen des Neuen Testaments sind: 1 Kor 3,1 -3; Hebr 5, 12-14; 1 Perr 2, 1-3. Im übrigen ist das Verspeisen von Texten auch in magischen T exlen nicht un bekannt. Siehe dazu LUCK, Georg: Magie und anden Gehri"dlhrtn ill du Antih. Srungan : Kröner 1990, S. 39.
32
"Oft wuchsen Bilder und Reliquien so zusammen, daß man Bilder des I-I eiligen, auf den man ho ffte, aus eßbarem Material herstellte, d as man als Medizin einnehmen ko nnte." BEL1lNG, Hans: Bild lind &11. Eine GmhirhJe du Bilda /ior ibm Zeitaller dir Mnil. r-,'Iünchen: Beck 1990,
S.73. II
AMBROSIUS: Opera Omnia. Paris: Garnier, Mignc 1882 (= Palrow!ill LA/ina, 14), Sp . 984 [Enorro"·o in Piolmllm 1, 33J.
342
von seinem Vater zum Lehrer gebracht. Der Lehrer nahm den Jungen auf seinen Schoß und zeigte ihm eine Schieferplatte, auf der das hebräische Alphabet, ein Ve rs aus der heiligen Schrift und die Worte ,r..·röge die Thora dein Beruf sein' geschrieben waren. Der Lehrer las jedes Wort vor, und das Kind wiederholte es. Dann wurde die Tafel mit Honig bestrichen, das Kind leckte sie ab und nahm so die heiligen \'(/orte in sich auf. Desgleichen wurden Bibelsprüche und hangekochtc Eier und Honigkuchen geschrieben, die das Kind essen durfte, nachdem es dem Lehrer die Spruche vorgelesen hane. 14
Abb. 25: Das Verschlingen von Texten als absolute Medicnrczeption: Dürer, Darstellung des Johannes, der die göttliche Schriftrolle verspeist. Kupferstich 1483.
Bis in die heutige Zeit werden Beschreibungen emphatischet Lektüren domi -
niert von Bildern wie ,verschlingen', ,aufsaugen', ,auffressen" ,reinziehen'.35 D as Bild von der VerspeisNng, der kiitperlichen Eintferleibll1lg des T exts ist jedoch nicht die einzige biblische Vorstellung JlnfllitlelbarerZeichen; eine zweite ist die 3~ ~lANG U EL. Albcn o: Ei"t CUfhkhlt du LlJtn$. Rowohlt: Reinbck 2000, S. 90. 3~ Vgl. GRAF, Werncr: " Die E rfahrung dcs Leseglücks. Zur lesegcschichdichcn EnrwickJung der
Lesemotivatio n." In: Lmglück. Eint l!trgtlSt"' Eifahnmg? Hrsg. von Alfrcd BeUcbawn und Lud\\~g Muth. Opladen: Westdeutscher Vedag 1996, S. 18 1-212, hier S. 187.
343
der Herzensschnjl. In di eser Version sollen die trrmszendellta!en Botschaften durch eine Einschreibung auf das Ze naum des Körpers, das Herz, gespeichert werden. Schon bei jeremia heißt es: "spricht der HE RR / Ich wil mein Gese tz in jr Hertz geben / vnd in jren Sinn [epi kllrdim / in cordel schreiben [grapso / mibofll]".36 In der berühmten Passage aus dem zweiten Ko rintherbrief wird dieses Bild dann weiter entfaltet: Jr seid vnser Brieff in vnser Henz geschrieben / der erkand vnd gelesen wird von allen lIvlenschen / die jr offenbar worden seid / das jr ein brieff Christi seid / durchs Predigampt zubereitet / vnd durch vns geschrieben / N icht mir tin ten / sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes / Nic ht in steinern Taffein / sondern in fleisc hern Taffeln des henzen. [EpiIlola Mstra tJOs eshJ, mipla il/ cordibus nos/n's, quae sei/ur, eIltgillIr ob ofIJnibll! 1J0fIJiniblls: MallijeSlali q'lod epülo/a es/is ChnJ/i, ",illiIlra/a 0 nobis, e/ scriplllra non (l/ralllenlo, Jed spiritll Dei vivi: nOI/ in labll/ü /apldeü, sed il/ labll/is cordü corna/ibm.] 37
Die Herzensschri ft ist als ,absolute Sc hri ft'38 ebensowenig eine Schri ft, wie Gottes WOrt auch kein Wort ist, in den Won en Luch ers: "Dießen geyst kan man nu yn keync buchstabe n fassen, Icssit sich nü schreyben mit rindten }'nn stcyn noch buchet, wie das gesetz sich fassen less it, so ndern wirt nur )'nn das hertz geschrieben, und ist ein lebendige sc hrifft des heylige n ge}'sts 011 alle milleI. ,,3'.1 Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Bild des göttl ichen Geisles (al s Ko rrela t der tran szendentalen Botschaft, des göttliche n \'(Io rts), der den Propheten (ebenso wie später den In terpreten) als Atem, als I-lauch bef.-iUt - hebräisch moh, griec hisch plIeumII, la teinisch spiri/lls genannt. Dieser Verweis auf di e gÖttliche Jllspimtiofl durch Anh auch ung findet sich in den Pro pherenbüchern anfa nglich noch eher selten, läßt sich aber beispiclweisc bei Ezechiel schon durchgängig nachweisen: .,D a hub mich der \Vind auff / und fürc r mich Je>
Bibli(1 Gtmlanim. Übers. von
~brtin Lmhct. Faks. Nachdruck dcr Ausgabc Wincnbcrg 1545.
Srungart: Wüntcmbcrgischc Bibclanstah 1967, J crcmia 3 1 [33J (m der Scpruagima 38, 33); wcitere Stellcn von Interessc sind D cuteronomiwn 6, 6 ~, diese WOrt I dic ich dir heute gebiete I solru zu hen zcn nemcn [EnmlqJlt ,.'(,va ... in rorde 1110]''); D emcronomiwn 11, 18 ("So fa sset nu diese Won zu hert'Lcn vnd in ewre seele iJ>onüt hate ,.'(rha "'ta in cordib'l1 tl in ani",iJ t'tslnJl I "nd bindet sie zwn Zeichcn auf ewre Hand I das sie cin D c n ckmalls~noJ fur ewrcn Augen seicn"; DeuteronomilUn 30, 14: " D enn es ist das won fast nahe bey dir I in deinem Mundc I vnd in deinem Hcnzen lin corde INO] I das du es rhust" ; in diesen Stellen ist sowohl im Griechischen als auch im Lateinischen nur die Rede vom Vtrbltib des görtlichen Wom im Herzen des Rezipienten, es find en sich keine Metaphern der ,Einscbrriblmi . }7
Biblia GmIJ(lni(a. Übers. von t-.hrOn Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 1545. Srungan: Wünremhergischc Bibclanstalt 1967,2 Ko rinther 3,
J8
3'
[2-3].
Vgl. auch SCHNEIDER, Manfred: Dit trkolült 1·lt~n!S(brift. Dtr oNlobiographis(bt Texl i", 20. jabrhNndtrf. München, Wien: Hanser 1986, S. 30 u. Ö. LUTHER, Marcin: l17trke. Kritische Gesammtausgabe. Bd. 1-66. Weimar. Böhlau 1883ff. Bd. 7, S. 654 I"Auf das überchrisclich usw. Buch Bock Emsers Antwo rt" (1521 )1. mcine Hervorhebung.
344
weg".40 Das Prinzip der Inspiriertheit der heiligen Schriften wird im Alten und Neuen T es tament immer wieder aufs neue bestätigt, und der G laube an die lnspiriertheit der Bibel ist bis heute Dogma der Kirche.~l Die meisten geschilderten Radikale der Unmittelbarkeit von der Prophetie bis zur lnspiratio n werden in den biblischen Texten an den Auserwählten und Eingeweihten vorgeftihrt. Es wird dann nicht thematisiert und bleibt letzdich offen , inwieweit die Hörer der prophetischen Bo tschaften ihrerseits an der Unmittelbarkeit teilhaben. Man soUte jedoch davon ausgehen, daß in der Zeit der aktiven Prophetie die immer wieder reimprägnierten Muster der gottunmirrelbaren Kommunikatio n genügend Strahlkraft besitzen, um auch in den Hö rern die Suggestion zu erzeugen, in den Wo rten des ekstatisch sprechenden Prop heten am \'Vort G o ttes unmittelbar teilzuhaben. Die Aufforderung zur Aneignung des götdichen T exts durch die H erze!lSschrif l belegt, daß das Ideal der Unmi nelbarkeir für die gesamte Kommunikatio nsgemeinschafr gilt. Auch in der wohl markantesren biblischen Darstellung der Inspiration, in der E rzählung vom Pftngs rgeheimnis, wird die Masse der Rezipienten in die Gottunmittelbarkeit ausdrückli ch mir eingeschlosse n: VND als der tag der Pfingsten erfüllet war / waren sie alle einmütig he)' einander. Vnd es gcschach schnelle ein Brausen vom Himel / als eines gewaltigen \X/indcs Ila"'q{(af!l advenientis spiritus t'ehtHlt1Jlisl / vnd erfüllet [npluilj das gantze Haus / da sie sassen. Vnd man sahe an jnen die Z ungen zen cilc t / als wcren sie fcwrig [disperti/llf ling{(at laHlq{(af!l rgnisJ / Vnd Er satzle sic h auff eincn jgliehen \lntcr jnen / vnd wurden alle vol des heiligen Geists [rrpleli 1//111 o""us SpiriIu sfll1clol / Vnd finge n an zu predigen mit andem Zungen lt'oriis Ih{gllisJ / nach dem der Geist [Jpnlll1l jncn gab aus zusprechen l...J D A trat Petrlls auff m.it den E il ffe n / hub auff seine Stimme / und redte zu jnen l... J Vnd es sol geschehen in den letztcn ragen / spricht Gon / Ich will ausgiessen von meinem Geist auf alles Reisch ldJillldflnl du Spritll Hleo SIIptr onmtnl mnltnll / Vnd ewre Söne und ewre T öchter sollen weissagen [Prophtlobl/'/~ / vnd cwre Jünglinge sollen Gesich te sehen lvisiants vidtbllll~ / vnd cwre E hcstcn sollen Trcwme haben IJOnlllill !onl1liobllll~ [...1. DA sie abcr das hö reten giengs jnen durchs hertze
lconlpllncli IJInt cordtll ... 1. 42 Die körperliche EinhallchJ(ng des gö ttlichen Geistes wird hier in Fonn von Wind und Flammen beschrieben, hinzu kommt noch das Bildfeld der Etjiillung. Daraus re sultiert dann die Zlmgenrede, die glossolalia, welche immer wieder im Zu-
010
Biblia Gmllonica. Übers. \'on Mucin Luthcr. Paks. Nachdruck der Ausgabe Wittcnbcrg 1545. Sruttgan: Württcmbergischc Bibelanstalt t 967, Ezcchicl 3 [141; vgl.femcr 3, 12; 8, 3; t I , I, 5, 24; 37, I.
~1 Vgl. etwa zur katholischen Kirche SCIil LDENBERGER, Johanncs: Vom Gehtim"i! dn worie!. Ei"fohnmg in da! Vmlii"d'1i! der Hrilis!,! Schrift. Heidelberg: Pede 1950, S. 17-37. 42
Golfn-
Biblio Cmflam·(a. Übers. \'on i\lanin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 1545. Srurtgan : Wümembergische ßibclanstalt 1967, Apostelgeschichte 2 11 -37].
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sammenhang mit dem göttlich en pneuma auftritt. 43 Diese ekstatisch-charismatische, von Gort inspirierte \Viedergabe von Gottes \Vort (bzw. N icht-mehrWort)44 ist zugleich rätselhaft'; als auch absolut eingängig - hier ko rrelieren wie so oft Geheilllnis und Unlllillelbarkeil. Die Unlllittelbarkeit der inspirierten apostolischen Predigt wird dann auch dadurch bestätigt, daß die \Virkung im Rezeptio nsorgan des Herzens erfolgt. Wichtig ist, daß das Pfingstereignis nicht nur den ,Propheten" den Aposteln, sondern auch den Hö rern den unmittelbaren Kontakt mit Gott verschafft. Ich betone diesen Aspekt deshalb, weil er mü zunehmender zeitlicher Distanz zu dem Offenbarungs- und Verkündigungsgeschehen zu einem Problem wird. Wenn die Prophetie abgeschlossen ist, dann liegen den Rezipi enten nur noch Texte vor, was die Evidenz einer vorgeblich gorrunmirtelbaren Ko mmunikation StÖrt.46 \Xlarum soUten Rezipienten glauben, GOrt unmittelbar zu vernehmen, wenn sie es doch ,bloß' mit T exten zu run haben? Das Problem wird rypi scherweise dadurch gelös t, daß man die Größe der Unlllilleibarkei/ auf einer Meta-Ebene erneut einführt und sie auch auf das Feld der Tex/rezeption ausweiteL Das Problem steUt sich schon nac h dem Erlösc hen der Prophetie im Judentum. Dieser "Gestaltwandel" besteht hauptsächlic h darin, daß die charisma ti sche Komponente der Prophetie, also die Unmiuclbarkeir [... 1des göttlichcn Wortes und Willens langsam zurücktri tt und 1... 1ein anderer Z ug zunehmend an Bedeutung gewinlll, der im klassischen Zeirah er der Prophetie zwar schon vorgebildet, aber noch nicht voll ausgebildet war: daß Pro pheten nämlich al s Auslegc r ihnen vorgegebener heiliger T radition erschein en .~7
.l
Vgl. LlNDIJLOM. J o hannes: Cnifhte und Offinbanmgrn. Vonttllungrn I!on !/ifflidJtn IfVl'iJungm und übernatürlichen EnrlJtinllflgm i", ill/u/en Chris/en/"",. Lund: Gleerup 1968 (= Acta Reg. Societatis Humaniorum Lincrarum Lundensis, 65), S. 40 .
.... D as göttliche Won ist ..unaussprechlich, also daß die Hebräer schier zu diesem Won nur aufgähnen, gerade so wie man ein ,H ' proferien , da man's d em Munde kaum ansicht. Damit anzuzeigen, daß G o n nur mit seinem Winken, Willen wld Atem alles erschaffen habe, m eh r als d aß er viele Wane habe gesprochen; auch alle Dinge zumal in einem Hui hat heißen sein, da sind sie dagestanden. Er sprach, da war alles"; FRA.-I '::CK, Sehastian: ParolÜ)Xa. Hrsg. \'on Siegfried Wollgasl. Berlin: Akad emie t 995, S. 9 1. 45
Aus diesem Grund \\1rd G lossolalie an anderen Stellen der P rophetie dann untergeordnet, wenn sie \'on d en Rezipienten nicht mehr verstanden werd en kann un d der Auslegung eOlbehn; vgL vor allem I Ko r 12- 14; ferner Apg tO, 46; 19,6; Mk 16, 17; Kol 3, 16; Eph 5, 19. Die Kritik an der G lossolalie sch eint all(h durch die Abser:.mngsbcwcgung gegenüber hellenistischen Kulten im G ravitationsfel d des dio nysischen Enthusiasmus' bzw. der p ythischen Weissagung motivicn zu sein; vgl. MÜLLER, Ulrich ß.: Prophttie lind Prtdig/ iff/ Ntutn Tu/aff/en/. Formgu(hifhlidN Untmllfhllngrn ~r IIrrhris/lifhrn ProplNtie. Güte.rsloh: Mohn 1975, S. 41f.
46
Vgl. zum Gesamtko mplex der schriftlichen Überliefenrng prophetischer Sprüche LlNDBLOM, Jo hannes: ProplNry in Anden/ Israel Oxford: ßlackwell 1965, S. 220-29 1.
~7 DONN ER, Herben : ",Forscht in der Schrift J ahwes und lest!' Ein Bciuag zum Verständnis d er
israelitisch en Prophetie." In: Zl'ttsdJtiftfl r Theologie und Kjrrhe 87 (1990), S. 285-298, hier S. 296.
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Das .. ,A ufhören des heiligen Geistes' lerwci st sichJ al s eines der zentralen Probleme in der rabbinischen Literatur«."" Hier wird ein ,\YJeitedeben' des heiligen Geistes dann etwa in den Rabbinen, bei d er Verkündigung oder Lektüre der T ora , aber auch bei der Einhalrung und Befolgung der Gese tze behauptct. 49 Ein vergleichbares Problem ergibt sich im frühen Christentum, als einerseits die Chrisrusvcrkündigung abgeschlossen ist und andererseits der Sc hriftkanon von Augenzeugenberichten dieser Verkündigung geschlossen wird. Z unäch st war die Heilsbo tschaft ja noch im ,unminelbaren ' Medium der mündlich -inspiriert vorge tragenen Augenzeugenrede tradiert worden, und man erwartete die baldige \Viederkunfr Chri sti.50 Erst aufgrund der ausbleibenden Parusie wird eine schri ftliche Fixierung der G eschichte von Jesus und die Fi.x.ieru ng eines geschlossenen Kanons heiliger Schriften no twendig, der dann seit E nde des 2. Jahrhunderts in Form des Neuen Testaments weitgehend vodiegtY Zugleich stellt sich jedoch das Problem einer mangelnden Gottunmittelbarkeit ein, denn Kommunikation mü GOtt basiert jetzt nicht mehr im direkten Kontakt mit Gott oder zumindesr den Aposteln, sondern auf der Rezeptio n von überlieferten Tex/en. An diese Stelle rückt dann allmählich das Theorem der Kongenia/iliil. Darunter versteht mant die Vo rste)Jung einer Iml/litte/baren Parli~aliof1 zwischen dem Sender und dem Empf.1ngcr auf dem Wege der Teilhabe an ein und demselben ,Geist' und umcr Umgehung der Medialiüir. E ine ganz früh e Wurzel dieses Modells läßt sich bereüs in Plawns früh em lon-DiaJog nachweisen, der di e Ko ngeniali t.ät im Mo del l ei ner magneti sc hen Übertragung darstelle: " Merk st du nun, daß dieser Z uschauer der letzte ist von den Ringen, von wel chen ich sagte, daß sie aus dem heraklco ti schen [magneti schen] Stein einer durch den anderen ihre Kraft empfingen? D er mittlere aber bist du, der Rhapsode und Darsteller, und der erste ist der Dichter selbst. Der GO tt aber zieht durch alle di ese Seelen der Men schen, wo hin er will, indem er der einen Kraft « ;2 ·· an d en an dern an Ilangt. 1m jüdisch-christlichen Kontext geht man dagegen von der T eilhabe an ein und dem selben göttlichen Geist aus; so sieht man vor allem die apostolischen
4lI SCHÄFE R, Peler:
Die Vontellung 110111 Hriligen Geill in Jer rabbinischen U /rra/ur. München: Kösel
1972,S, 144, ~? Vgl. SCHÄFE R, Peter.
Die Von/eI/fing
I·'OII'
Heiligen Grü/ in der rabbinischen U lera/ur. München:
Kösel 1972. ~ Vgl. zur Inspiration im früh en Chris!Cnrum auch M ÜLLER, Ulrich B.:
Propht/ie und Prrdigl im Nruen Tesll1lnml. FomJgeJ{hi{hlicht UnlerJlI{hllngtn tflr urrhnJllidJ/n Prophtlie. Gütersloh: Mo hn 1975.
SI
V gl. KARPP, Heinrich: Schrift, Gtist lind [Vor! Gottes. Geltung lind [Virkung dtr Bibd in dtr Guchithlf dt r Kirrhe. Von dfr Allrn Kirrht bis ~m Allsgang der Rrfom/tllionr.(!it. DannSlad t: Wiss. Buchges. 1092, S, 1-44.
~ PI..ATON:
IV"ke. Griechisch und d eutsch. J-Irsg. von Günmer Eigler, übers. \'on Friedrich D. E. Schleicnnacher. Bd. 1-8. Dannstad t: Wiss. Buchges. 1990. Bd. I, S. 21 [Ion, 535e-536aJ.
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E mp Hi.nger ekstatischer Visio nen als Besitze r des pfleJf/lla. 5 } Das wird dann aber au sgewei tet auf die Gemeinde, also auf alle Rezipienten. Tragend ist hier die " neutestamentliche Vo rsteUung 1... 1, da ss Christus in dem lnnern eines Christen irgend wie zugegen ist und do n lebt und wirk t" ; D ie formalen Ausdrucke für die christliche Frömmigkeit, wenn sie unter diesem Aspekt betrachtet wird, sind vor allem: ,ich bin in Chrisrus', ,Christus ist, lebt in mir', ,ich lebe lIIit Chrisrus'. D ie präpo sitionalen Konstruktionen mi r t!I und ryn sind hier charakteristisch. Durch die Konstruktionen mit tfI wird gesagt, dass Chrisrus als Pneuma in allen Hinsichten das innere Leben eines Chri.. sten [...J pragt. ~
Durch das göttliche pl1eJlflltJ stehen die Christen auch nach Christi T od noch in un/llittelbarer Gemeinschaft mit ihm, obwohl sie nichts als einen Text in Händen hal ten - so entwickelt es vo r allem die paulinische Theo logie. Die Bedeutung der Gegenwart des Geistes für das Gemeindeleben der frühen Ch risten kann man gar nicht hoc h genug einschätzen. Wichtig ist, daß berei ts bei Paulu s eine Ausweitung der Inspiration auch auf clie Rezeption inspirierter Schriften fo rmuliert wird, und zwar im Z usammenhang der berühm ten ,Lesepropädeutik ' dcs zweiten Ko rintherbriefs, in dem auch d as Diktum vom toten Buchstaben und dem lebencligen Geist f.i.lIt. Eine detaillierte Diskussio n dieser ebenso wirkungsmächtige n wie schwierigen Passage kann hier ni cht erfo lgen; zentral ist, daß scho n hier eine der Kernaussagen behauptct, daß das ri chtige Verständ nis christli chen Schrifttum s vom Geht bewirkt wird.55 Zwar so Ute man skeptisch sein hinsiclul.ich einer allgemeinen Verbreitung einer Ko ngen..ialitätstbeorie in der Alten Kirche. Dagegen ist sicher, daß die frühen Christen im selbstverständlichen G lauben einer Z usammengehö rigkeit von Scbriji, Geist und Kirche lebt, eine Einheit, die kaum hinterfragt wird und demgemäß noch o hne theoretisches Fundament ausko mmt.S6 So thematisiert die Alte Kirche beispielsweise kaum den Sachve rhalt, daß sie ihre G laubensund Kultpraxis weitgehend au f Überseti!mgul der heiligen Schriften stützt, weil in ihrem Rezeptio nsko ntex t der G eistbesitz aller Beteiligten - vom Prop heten / Apostel über den Übersetzer der Schri ften bis hin zum Rezipienten S}
vgl. LINDBLOM, J o hanncs: Gesichü IIl1d Ojfinbanmgtn. Von tellHngen /101/ !ftlllichen [f/tlJllngm 11m; ii!nrnntiirlidJen Em heillllllgtn im iJlüsfm Chrislm fllm. Lund: Gleeru p 1968 (= Acta Reg. Socie raus Hwnaniorum Jjtreranun Lundc nsis, 65), S. 4 [ ff.
Sol
LINDBI..OM, Johannes: Gesichte IIl1d Olftnbnlllllgen. VorrfellHngm 1.'011 !fttllichm [f/fisHngm und iibtmafiirlirhen Emhrinllngm im iJl/ti/tn Christent11m. Lund: Glecrup 1968 (= Acta Reg. Socicta ns Humanio rum JjrTcrarum Lundensis, 65), S. 114.
55 D ie Passage iST 2 Ko rinthc.r 3, 4-1 8; vgl. die Ausftihru ngen in ~'iO LI_E R, Perer:
,V m/thsl Oll Hnd Vrrrteht» im NfNm TesltJ/Iu n/. D annstadt: \'<'iss. Buchges. 1994,
auch, UlIJ! du liest?' UStn S. 96ff. (" Lesen ulller der Leimng des GeiSTes''). S6
KARJ' I', Heinrich: Schrift, Grist HI/d [V'orl Gol/t!. Ge/tHng IIntl ll7irhmg du Bibel in der Guc!Jirhle du KirrlN. V on der A llen J(i rrht bis ~m A llsgang dfr R4ormotionr.(!it. Dannstad t: Wiss. Buchges. 1992,
S. 30 und S. 57f.
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Aberrationen des görr. Lichen Sinns ausschließt. Hier können, wie etwa b ei I renäu s, selbst di e Do lmetscher den StatuS von Propheten erhalten .S7 Diese latente Fassung der Kongenialiliil wird dann schon bei Philo,ss ferner bei Origenes sowie Augustinus und weitere ntwickelt ausgearbeitet. In deren Th eo ri en ve rfügen sowohl die Heilige Schrift als auch der chri stliche Rezipient über eine
Teilhabe am gönlichen Geist. Dadurch ..."ird die Gottunmittelbarkeit der Inspirati o n erneut auf der Meta-Ebene de r eingeT ex trczcpti ol1 führt. Im Akt des Versrehcns wird der G o rr Abb. 26: Hi eron)'mus, der Überse tzer des Alten der Schrift mit dem Testaments, versteht die Schrift mit der Hilfe des ,Heiligen GeiStes'. Timorcno, Der lNilige HitrrJf!JmIlJ. GOtt im Innere n des Menschen verklammert. Die Ko ngenialität verbürgt also die UnllJilleibarkeil der Ko mmunikation mir
n Vgl. KARPI', Heinrich: ",ProphCl' oder ,D o lmetscher'? Die Gc1nmg der Scpruagima in der Ahen Kirche." In: H. K.: Vom Umgang der Kirrht mit dtr Heiligtn SfhnJi. Gesanune!te Aufsär.le. Köln. Wien: Böhlau 1983. S. 128· 151. hier S. 128f., zu lrenäus S. 135f. lrenäus \'ergleicht die Übersetzer bezeichnenderweise m it der inspiricnen Ergänzung der heiligen Schriften durch Esra den Schreiber. !>I
Eine Verschmelzung jlidischer und platonischer Ko ngenialitätsvorsteUungen verrät etwa fo lgende Passage: .. Hierin besonders beginnt die vemunflbegabte Seele das ihr Verwandle zu schauen. Sie erblickt durch die Worte wie durch einen Spiegel I!I die übermäßige Schö nheit der in ihnen sich zeigenden Gedanken; sie faltet die aUegorischcn Symbole [!I auseinander und entfernt sie und fUh rt die ßcdeurung der Worte nackt ans ü cht ftir die, welche nur an erw:as erinnert zu werden bra.uchen. mn das Unsichtbare d urch das Sichtbare sehen zu können." PI-lILO VON ALEXANDRIA: Die IlYer.te in tUlI/sdxr Obtm'i!'ng. H rsg. von Lcopold Cohn CI al. Bresl2u el al.: Mucus 1909ff. Bd. 7, S. 681"Ober das betrachtende Leben oder die Schutzflehenden", 10,781.
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Gott dadurch , daß sowohl die Autoren der heiligen Sc hriften als auch die Rezipienlen über den Besitz ein und desselben Geistes verfügen. Der Prop het, die Aposteln geben als ["spin"erte das \'(IOrt Gottes 100mitleibar wIeder; die Rez ipienten, welche die se Texte lesen und hö ren, werden ihrerseits inspiriert, und über diese Srücke des Geistes ergibt sich ein direkter und unmiltelbarer Kontakt zu Gott durch da s N ichtmehr-Medium des Geistes. "U nter den Chri sten wirk t d er Ge ist jetzt einerseits im Amt, and ererseits in der Sc hrift und ih re r Au slegung; die Zeit des Abb. 27: Da s unmirrclbare Ve rstehe n göttlj cher freien Enth usiasm us Botschafren erfolgt mir Hilfe des Heiligen Geistes. Abb. ist vorüber."S9 aus einer Utrechter Praclubibel, um 1430. Diese implizite Theorie der Kongenialität bleibt über Jahrhunderte hinweg konstant. Eine Vertie fu ng erfa hrt sie dann vor allem in der mittelaherlichen Mystik. Ein Beispiel ist etwa Mei ster Eckhart, bei dem sich prägnante Ausfonnungen eines direkten Verstehen s des gö ttlichen logos durch die Ko ngenialität find en la ssen: In disem worte speicher der vater minen und dinen und eines ieclichcn menschen geist glich deme selben worte. In dem selben sprechenne bisni und ic h ein natürlich sun gotes als daz selbe won. Wan ich als e sprach, daz der vater ruht bekenner dan diz selbe wort und sich selben und aUe gotliche nanirc und
S?
KARI'P, H einrich: Schrift, GtiJl llnd IVorl GoI/es. Gtllllng lind IViremg dtr !1ibe/ ill dtr GuclJjcblr dtr Kirrht. VOll dtr Alltll Kirrht biJ ':(!I'" AIIJgong du fVjörmotioll1'{!il. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1992, S. 41.
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alLiu dinc in disem selben worte und aJlcz, daz er dinne kennet, daz ist glich dem worte und ist daz selbe wort OlltUrlich in der warheit.60
Der göttliche logos und der innere logos des Rezipienten verschmelzen dabei, in diesem Verständni s schwingt sich der Mensch auf zu Gott, im go ttunmitte lb aren Verstehen der Kongenialität vcrschmil Z[ er mit Jcsu s al s dem ,flei schgewordenen Wort'. Ec khart gelangt dabei zu prägnanten Bildern der Kongenialitä[. Eine Abwandlu ng des augustinischen abdi/"III IIImlis ist Abb. 28: Auch die r-.'I}'scikc.rin Thcresa von Avila verdankt etwa der ,Seel en- ihre Texte gö Ttlichen ,Ein leuchrungen'. Pelcr Paul Rubcns, b'1Ul1d' oder ,Gottes- Die heilige Thema t'OIJ A I/da. grund', eine Varia tion ist das berühmte ,Seel enfünklein ', das IIIlnke/in oder scin/i/lae anilllae.6 1 Solche Bilder der ko nge nialen und gottunmitelbaren T eilhabe werden auf immer neue \Xleise variiert; es sei ein Beispiel aus den Paradoxa von Sebascian Franck zitiert: Damm denn der tvlensch auch ztun Bilde Gottes erschaffen und in C hristo ausgemacht wird, das ist: Gon hat seiner Weisheit Art und seines Wesens ein Mustcr, Z undcl, eine Spur, ein l.icht und ein Bild in dcs Mcnschen Herz gelegt, darin sich Gott selbst siehti!] . [... 1So sind wir also G o ttes fahig, und eclichemaBen nach diesem Bilde, wir sind göttlicher Art, das Licht ist in der Leuchte oder
61)
61
EcKHART, MEISTER: Mdsler Eck/lurl. Hrsg. "on Pran z Pfciffcr. 4. Aufl. G öningcn: Vandcnho cck & Rupprcchl 1924 [1 8571, S. 286. Vgl. Q UINT, J osef: " Mystik und Sprachc. Ihr Vcrhältnis zueinander, insbesonderc in der spekulativen r...tystik l-.kistcr E ckhans." 1n: Dtllilche V itrttfjab1'!1chrift fl r Liltraluru1mnschaji lind C tilltJlf1chichlt 27 (1953), S. 48-76, hier S. 69 ff. sowie \VYSER, Paul: ..TauJers T ermino logie vom See\engrund ." In: A ltdtulHht lind allnitdtr/iilltfj!f1Jr Mystik. Hrsg. "on Kun Ruh. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1964, S. 324-352.
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Laterne unseres Herzens angezündet und der Schatz liegt schon in dem Acker, in den G rund der Seelen gelegt, wer ihn nur brennen, glänzen ließe [...J. In uns ist das WOrt, das Bild Gorres.62
Auch hier korrelieren wieder das Geheimnis des uner,bJTÜndlichen göttlichen Hintersinns und die Almlichkeil der Gottebe nbildlichkei t des Men schen auf dem Feld der Jlllmittelbaren Teilhabe am göttlic hen Geist über das Fünklein. Bei Böhme heißt es: ..Schaue du nur, daß du den HJ. Geist, der von GOtt ausgehet, in deinem Geiste habes t, der wird dich all e Wahrheit lehren und sich dir o ffenbaren. Alsdann wirSt du in seinem Lichte und Kraft wohl sehen bis in die Hl. Dreifal tigkeit und verstehen, was hienach geschrieben ist."63 Die zentrale Funktion des Geistes als KatalysatOr des Schri frve rständnisses und als Garant einer unmittelbaren Teilhabe an den gö ttli chen BOtscha ften wird dann vor aUem durch Lurher theoretisch aufgearbeite[.64 Erst im Gravicatio nsfeld der innovati ven refonnatOcischen Bibelhermeneutik wird die Figur der KongenialiMI mehr und mehr zur ReAexionsschärfe eines wirklichen TheofelJIS des Texlverslehens weiterentwickelt. Als Beispiel kann Flacius lUyricus' Über den Erkennlnisgnmd der Heiligen Schrift von 1567 dienen. D on heißt es in einer sehr prägnanten Passage: Der Heilige G eist ist zugleich Autor und Ausleger der Heiligen Schrift [Jpiritlls Saflcflls tsl alltor Sillllll, tl txplicotor Japlllrotl. [...J Seine Sache ist es, die Schri ft in unser Herz zu sc hreiben. I... ] wie Idie Heilige Schrift] vom Heiligen G eist durch die Propheten gegeben worden ist, so muß sie notwendiger\\leise auch durch sein Licht flu sgclegt werden. 6S
Was schon in der augustinischen Lehre vom Sc hri frve rstehen durch J esus als !IIagisler inlerior angelegt ist [111. 2]. verdichtet sich hier zu einer theoretischen Definition, d ie sich nicht punktgenauer fassen läßt: Ko ngenialitä t isr die Iden/iMt von nlilor und expliCtJlor im göttlich en Geist von Verfasser und Leser. Dieser Geist schreibt die göttliche Schri ft in die Herzen der Rezipienten ein. Entsprechend fonnuliert Flacius LUyricus auch Beschreibungen solcher Lekliirel1 der UnllJilltlbnrkeit. sie IsoUen ] die Schrift nicht anders anhören, als ob sie GOtt selbst in Person hören oder sprechen sähen lOlldirtfll, ac vidtrtnlloqlltlllemj. und nicht daran 7.\\Ici-
62 FkANCK, Scbasrian: Paradoxa. Hrsg. vo n Siegfried WoUgast. Berlin: Akademie 1995, S. 168.
'.L\1E, Jacob: AKrrm1 odtr Morgenriilt im AKjjpng. Hrsg. yon G erhard Wem . Frankfun/ n.l :
6l 6-1
Inscl I992,S. 9413, I). Vgl. KARPP, Hei.nrich: Schrift, GtlSl Knd IWorl Golfes. GellKng lind lf/irkKng dtr Bibrl in dtrGuchir!Jlt dtr Kirrht. Von der Allen Kirrht bis if/m Ausgang dtr RrJomlationSrfil. Dannsladt: W iss. Buchges. 1992,S. 147 ff.
65 FLACIUS ILLYRICUS, Matthias: De raliont rognoJundi SO(TaJ IiltraJ - Übtr den Erlernntnisgnmd dtr Htiligen SrhnJt. Lateinisch -d eutsch. H rsg. vo n Lutz Ge\dsctzer. Düsseldo rf: Stern 1968, S. 31.
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fein , daß all jenes, was Gott in der Schri ft sagt (...1, aus Gottes tvlunde selbst (tX ipsil/$ Dti Off] hervorgehe; gerade so, als ob sie ihn im Angesicht der ganzen r-...lenschheit sprechen sähen und höften (a n/m nl el tJlfdiren/l. Der fromme Mensch muß in der Tat die Heilige Schrift so verehren und mir einer solchen Hingabe kennenlernen, daß er annimmt, er lese sozusagen kein totes Buch (non nlOrlllf/nI libn/nI Itgere] noch dringe er in die Schriften eines noch so heiligen, ehrwürdigen oder weisen Menschen ein, sondern er erforsche die Worte des lebendigen G ottes selbst (orucllla ol/$CIIllare) , der jetzt don mit ihm handelt. Jener nämlich ist der Autor (0I110t} dcrselben.66
Die besprochenen Beispiele belegen, daß sich die Rezeptionswcisc der UnII/ittelbarkeit keinesfalls auf das direkte Goeterlebnis einer Elite von Eingeweihten beschränkt. Ganz im Gegenteil verbürgen Theoreme der Kongenialität, daß die Unmittelbarkeit auch auf die Ebene von Textrezeptionen transponiert wird und dort das Phantasma einer direkten und IIfUJen"iflelten Gotlesetjalmmg erzeugen. Bis hierhin galt die Aufmerksamkeit dem Konzept der Geisfleilbabe (Kongenialität) al s Generator der Gottunmittelbarkeit. Daneben gibt es jedoch ei nen zweiten Traditio nss trang, welcher an der Unmittelbarkeit vor allem den Aspekt der erkennenden Scball betont. D er Ursprung dieser Auffassung der Unmittelbarkeit Liegt in der griechischen Philosop hie. \Xlährend sich die am görtlichen logos orientierte jüdische Tradition die Offenbarung bevorzugt al s apokrllYpsis, al s ,EnthüJJung' vorstellt~ entsprich t es der auf Gestaltschau fundienen plato ni schen Epistemologi e, den unmittelbaren Erkenntnisprozeß als A!1Scballlwl" als tbeonfl zu fassen. Nachdem ihn ei n enthusiastischer Rausch (II/flnia) crfaßt hat, erzählt Sokrates im Phaidros al s Inspirierter das Gleichnis von der Seele als ein em ge nügelten \Xlagengespann, welches an einen überhimmlischen Ort (Hö he!) niegr, um dort das Seiende unmittelbar61 zu schaum: Das farblose, gestaltlose, stofflosc, wahrhaft seiendc Wesen, das nur der Seele Führcr, die Vernunft, zum Beschauer hat und um das Geschlecht der wahrhaften \X/issenschaft ist, nimmt jenen lüberrummlischenj Ort68 ein. Da nun Gones Verstand sich von unvermischter Vernunft und Wissenschaft nährt, wie auch der jeder Secle, die, was ihr gebührt, aufnehmcn sol1- so freuen sie ldie GÖtterl sich, das wahrhaft Seiende wieder einmal zu erblicken Ilheortin}, und nähren sich IInphelhm1 an der Beschauung des Wahren.6'1
66
Ebd., erst S. 59, dann S. 89.
61
Also hier nichl ,vermincl!' durch die ontologische Rcduktionssmfc der plalOnischcn Dingwelt.
63
Der Ort wird zuvor IJyptrouranios topos genannt.
lV'tr.ee. G riechisch und deutsch. Hrsg. von Günther Eigler, übers. von Friedrich D. E . Schleiermacher. ßd. 1-8. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. S, S. 77 tphoidros,
IA PI..ATON:
247c-d J.
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Typischerweise wird auch hier das sinnliche Erlebnis der Visio n (lheorein) und der Diätetik (trephein) verwendet, um die UnllJilleibarkeit zu erzeugen; und auch hier handelt es sich um die Wiedergabe a anszendentaler Bmschaften, die im sa engen Sinne gar nicht kommunizierbar sind: .. Den überhimmlischen O n aber hat noch nie einer von den Dichtern hier bes ungen, noch wird ihn je einer nach \'V'ürden besingen. Er ist aber so beschaffen, denn ich muß es wagen, ihn nach der \Vahrheit zu beschreiben [... 1".70 E rwartungsgemäß handelt es sich bei den IInlllille/bar geschauten \Xlahrheiten wn GeheJillllisse: 7 1 " Die Schönheit aber war damals glänzend zu schauen, als mit dem seligen Chore wir dem Zeus [...] des herrüch sten Anblick s und Schauspiels genossen [/egeiflJ und in ein Geheimnis [telete] geweiht waren, weJche s man wohl das allerseligste nennen kann [...]". 72 T atsächlich weist die Phaidros-Palinodie viel fache Entsprechungen mit der Rhetorik der eleusinischen Mysterien aufY Diese plato nische Ausprägung der Umnirtelbarkeit als Iheontl, als Schall wird dann über Origenes in die christliche Theologie integriert und spiel t dort fortan vor allem in der Mystik eine wichtige Ro lle: " In de r Au fnahme des Theoria- Begri ffs usurpiert O rigenes und mir ihm das gan ze frühe Chri stenrum ein Ideal des antiken Lebensstils, das Plotin unumwunden auf die Formel gebracht harre: [...1 Z iel alles Tuns ist die Theoria."74 Der Begriff ,Mystik'1S rekurriert etymologisch zunächst zwar auf griechische Komm unikationsformen des Gehe imnisses, de s 1l!J'stenofl, welches nur Eingeweihten zugänglich ist. Seit der Adap tion des Begriffs durch das Christenrum bezeichnet "!J'stikos jedoch immer und ausnahmslos die Vorstellung ei ner IIIl1llillelbaren Sc hau des Gönlichen. Alle Mys tik operiert im Phamasma, das Göttlic he direkt und o hne Zwisc henschalrung eines Zeichen mediums zu ufilhren und zu er/ebe!l, sie ist bereits bei O rigenes "unmittelbare, erfa hrungsmäßige Gorreserkenntnis" .16
1()
71
Ebd. Aus diesem G runde isr der Phaidros das zcntrale Dokwncnl cine r plaronischen LtkJiirr ,lu Gthrimnim r, vgl. dazu DORRI E, Heinrich: "Philosophie und r...lystcrium. Zur Legitimation des Sprcchens und Vcrsrchens auf zwei Ebenen durch Platon." In: VtrlINIfJ tl Signum. Btitriige zur mtdiätlsti.1(ben ßtdtulungJjorJfhung. FeStschrifl ftir Friedrich O hly. H rsg. von Hans Fromm. Wolfgang Hanns und Uwe Rubcrg. Bd. 1-2. Münchcn: Fink 1975. Bd. 2, S. 9-24.
72 PLATON:
IWtrkt. G ricchisch und deulsch. Hrsg. von Günrher Eiglcr, libcrs. von Ftiedrich
D . E. Schleiennacher. Bd. 1-8. Dannstadt: Wjss. Buchges. 1990. Bd. 5, S. 87 1250
bl.
n Vgl. dazu RIEDWEG, Christoph: 1\·ljsttn"tntemJinologie bei Plalon, PhiIon ulld Klemms l'O n AI,xandrirn. Bcrlin, Ncw Yo rk: dc Gmytcr 1987, S. 30-69, vor allem S. 41 und S. 47 ff. 74
HAAS, Alois i\hria: " Was isr Mystik?" In: A bendliindisr/Je I\'!lstik im Milltlaller. Symposio n KJoster Engclbcn 1984. Hrsg. von Kun Ruh. Stungan: Metzler 1986, S. 3 19-341. hier S. 325.
7S
Vgl. BOUYE.R, Louis: ",Mystisch.' Zur Geschichrc eines Woncs." In: DIIJ Mysterium Imd die '\'!lJljk. Beiträge Z!' ,iner Theologie d,r {hristli{htll GOllemfalmmg. Hrsg. vo n J osef Sudbrack. WÜI7:burg: Echter 1974. S. 57-75.
76
BOUYER, Louis: ",Mystisch. ' Zur Gcschichrc eines \'\Iones." In: Das A'ljSttn'UIfI und die A'[yJlik.. Beiträgt Z!' tintr Theologie der ehnslliehen GOlltstrfalmmg. Hrsg. von Joscf Sudbrack. Würzburg: Echter 1974, S. 57-75, hicr S. 68. Vgl. auch d ic cbenso ko mpakte wic präzise Darstellung H1\A5, "lois Maria: "Was ist Mystik?" In: AbtndliindiJehe Mystik im Mille/aller. Symposion
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Sc hon die augustinische uk'üre der Tiife besaß diese Komponcnce, denn sie kon stituierre sich über Gemeinplätze der Unmittelbarkeit und erbrachte das ,Eingehen in GOtt'. Nach dem Aufstieg zu GOtt hörr man Gottes Stimme im Inneren, und wenn man den Mantel des Literalsinns zurückschlägt, dann offenbarr sich darunter, ganz ähnlich wie bei Ezcchiels nach Honig schmeckender Sc hriftro Ue, die süße Speise des Geheimnisses. Kommunikatio n bedeutet h ier immer zugleich unlllilleibare Aneigmmg, und zugleich überschreitet das Substrat dessen, was sich dem Mystiker in der Entrückung erö ffnet, stets die Sphäre der Sprache, des Mediums: Das mystische E rlebnis ist immer zugleich 1f1l(lIfSSprechlich77 [III. 2) . Seit dem Frühmütelalter läßt sich ein kontinuierlicher und breiter Tradirion sstrom mystischer Erlebnisberichte in Hagiographien, in Briefen und Erbauungsbüchern belegen. Im weiten Feld der allgemei nen Inspiration erheben sich also Hö hepunkte ei ner außergewöhnlichen Inspiration, einer besonderen Intensität des Geistes.78 Im Zentrum der Visionenliteratur steht stets das /111lIIillelbare Erlebnis transzendentaler Signifikate in der ekstatischen Schau. Insgesamt läßt sich für die frühesten Berichte noch eine verhältnismäßig große Distan z zwischen Mensch und GOtt feststellen; diese wird im Ko ntext der hochmittelalterlichen ,Geburt des Individuums' zunehmend abgebaur,79 die Berichte werden jetz t individueller, emooonaJer, und die Unmittelbarkeit der Gortescrfahrung wird immer sp ektakulärer. Diese direkte Erfahrung Gottes ließe sich in den unendlichen Varianten zum Thema au s dem breiten Traditionss trom mystischer T exte nun immer wieder aufs neue zeigen; am prägnantesten wird die U'll11illelb(lrkeil der Gotteserfahrung sicherlich in den fraue nmystisc hen Texten entfaltet, welche im Kiel wasser von Bernhard von C1airvaux' Predigten über das Hohelied die E rlebnisse einer e.rotisch geschilderren Imio "fJstica mit GOtt schildern. so Vo r allem in diesen Texten kommt ein weiteres Element zum Tragen, welches in Ko ntexten unmittelbarer Kommunikation häufig anzutreffen ist, und zwar das der Einfall oder der hu",i/ilas. \'Vie viele Mystikerinnen zeichnet sich auch die Begine Mechthild von Magdeburg durch ein reines und einfaches Gemüt aus, was ein lateinisches Vo rwort betont: ..Als Zeugnis für die Wahrheit dieses Buches muß dem frommen Sinn der Gläubigen die aufrichtige
Kloster Engelbert 1984. H rsg. von K Ur! Ruh. Sruttgar!: r-,'lerz1er 1986, S. 319-341.
n Vg l. RUH, Kurt: Guthi{hll dfr alnndliindis{hrn Mystile. Bd. 1-3. München: Beck 199Off. Bd. 1, S. 22f. Selbst wenn die transzendentalen Botschaften als sprachlich aufgefaßt werden , handelt es sich stelS um einen nich t paraphrasierbaren absoluten Iugos. 711
l')
!IO
Vgl. KA R!>I', Heinrich: Stbrifl, Gfisl und 117011 Goltu. GtltNng Nlld lV'irhlllg dfr BüJtI in Jfr Gesr/)id;lt dir KirrlJt. VOll dfr AI/rn Kirrhr biJ ?!IHI ANsgang drr RLjormatiollsi!il. Dannstadt: \'Viss. ßuchges. 1992, S. 82. Vgl. DI NZ ELBACHER, Pe!er: Visior. Nd Visitmsh'ltralNr im Milltlülltr. Sillngart: ~LielSema nn 198 1, hier S. 243. Vgl. neben d em Ho helied als Quelle auch 2 Ko rinther 11 , 2 sowie Epheser 5, 3 1f.
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Frömmigkeit und Taubeneinfalt derjenigen, der wird diese Schrift verdanken." Der Text f.'ihn später fort: " Die Offenbarungen und Gesichte. die der all~ mächtige Gon sich würdigt. seinen Auserwählten mitzuteilen, gründen und beginnen in der Einfalt des Glaubens. [...J Nur vor solchen sind die himm ~ tischen Geheimnisse offen" .BI Es scheim gerade diese Einfall zu sein, welche Vorstellungen einer besonders aufnahmebereiten Empfindlichkeit und der blo ß passiven Aufnahme und \Xliedergabe transzendentaler Mitteilungen ve r ~ stärkt. So empfangt Mechrhild den Text Das fließende u cht der GOI/heil (- 1250 ~ 1282) direkt von Gon. Bereits in der Eingangspassage wird Gon als Autor vorgestell t (...Eya hette gOt, wer hat dis buoch gemachet?' ,Ich han es gemachet"'); immer wieder wird die Gotrunmittelbarkeit des T ex tes bestätigt ("Alsust ist dis buoch minnenklich von gotte har komen und ist us men s di ~ ehen sinnen nit genomen.,,).B2 Immer wieder reimprägnierr der Text die Grundkonstellation der Schreibsituation: Die Einfalt der Seele, die Gnade der direkten Kommunikation mit GOtt, welche zunäch st geheimge halten wird und erst durch einen (mitumer göttlichen) Schreibbefehl und die diesseitige Legiti ~ mation durch den Beichtvater (ein T opos der frauenmystischen Literatur)83 in einen Text gegossen wird, der dann das Phanrasma eines unmittelbaren , au ~ thennschen mystischen Erlebnisses erzeugt. IW Die GotnlOminelbarkeit, fo nnal VON r-,'!AG D EßUKG: DaJ flitßendt LirbJ fltr GOJlIJtil. Hrsg. von Margol Schmidl. Einsicdcln CI al.: Benzigcr 1955, S. 48; im O riginal heißt es: "Sufficcre debet o mnino pro t('sumonio verhaus pio rum credulau fidcl iwn ej us, pe r quam hac scriplUra innoruit . sincera dcvotio CI simplicitas colwllbina [... 1 [l I Revclationes er visio nes, (illas o mnipolens D eus elcrtis suis mainfestare digna tur. fidci simplidu.s in ipsis fund:u er inchoat [... 1 T alibus namquc palent sccrcta coclesua [... 1"; abgedruckl in fu/!tlaJiollu Gtrlrudionoe M trh'hildionot. ßd. 1 ~2. Hrsg. von den Benedikunern von Solesmes. Paris: Oudin 1877. Bd. 1. S. 436(.
81 i\'! ECHT H ILD
0,
VON M AG D EßUKG: Das ßitfondt Lirb, dtr GoJlbtil. Nach der Einsiedler Handschrifl in kritischen Vergleich mil der gesamlen Überlieferung. Hrsg. \'o n H ans Neumann. Bd. 1~2. München, Zürich: Artemis 1990. Bd. I , S. 5 und S. 17.
82 M ECHT IHLD
83
SIelIennachweise zwn Schreibgebor find en sich 1I. a. in der Amholog1e ScH MlDT, Margot (Hrsg.): M U!Jlbiki/,!()n Magdtbu'J!,. ,/rh lanzt, u'tnll du ",irh jiibnl'. Freiburg/ Br.: H erder 1988, S. 53 ff.; eine Synopse der TIlematisierung des Lcsens und des Buches bietel WEBER, Barbara: Die Fun/eJion ,Ier A lllagJuirlelirbluiJ in der MtJapbon'/e Ao/trhthikiJ /.!()II Magdtbu'J!,. Göppingen; Kümm ede 2000, S. 135ff. D ie gönliche Autorschaft vedeiht Mechthild die Rolle einer ,Prophecin'; vgl. STADLEK, Helena: KOlifrolllalion und Nadifolgt. Die mtlaplJOrlJthe find IIamllil'f AJlJguJallfing der ,Jlnio ,,!yJlit(l' im ,Fh'tJJtII,ltn Lithl dtr GOI/beil' /,'O n M uhlbild /'On M agdtbu'l,. Bem CI al.: Lang 200 1, S. 36ff. Vgl. zwn Motiv des Seelsorgers im Umkreis frauenmystischer Visionsliteranu PETERS. Ursula: RtligioJt Erfahrung als IÜtral7Jrhn Fa!eJu"l. Zur VO'J!,mhirblt und Gtnm jrautn"!yJ/ü{her Texlt du 13. find 14. }obrl",nderls. Tübingen: Niemeyer t 988, S. 10 1· 188; BORKLE, Susannc: Ultra/ur im KJoslrr. T iibingen, Basel; Francke 1991 , S. 193ff. sowie RINGLER, Siegfried: Vilen· ulI(I Olftnbarungslilemlur in FrO/(mkJÖJJern du M i/ltWllm. Qutllen ul/(I Sludim. Zürich, München: Anemis 1980, S. 175ff.
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Vo r allem neuere, lirerarurwissenschafdich inspirierte Monographien zur m ysuschen Literarur arbeilen (zu Rechl) die literarischen Vo dagen dieser T exte heraus, die festen, immer wied er~ kehrenden Muslern folgen - was im übrigen nicht verwunderlich ist, denn der Ri:ickgriff auf bestehende Ko mmunikatio nsmuster ist injtdtHI JüleNnü-'fn SYJltltl die Bedingung der Möglich ~ keit erfolgreichen Kommunizierens. Irreführend ist dagegen die Schlußfolgerung, man solle " den Blick weniger auf den Akt der Verschriftlichung religiöser E rfahrungen" lenken und
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vor aUem durch das Ko nzep r eines Dialogs der Seele mü Gmt gestalret,8S fü h rt einerseits zu einer lange Reihe von Berichten über Jenseitsvisio nen86 un d kulminiert in Hö hep unkten mystischer Hochzeitslager mit Gott-C hrisrus: Nun geht die Allerliebste zu dem Allerschönsten in die verborgenen Kammern der unsichtbaren Gottheit. D ort fmdet sie der Minne Ben und Gelaß und Gon übennenschlich bcreit. D a spricht unser Herr: Hah,e r an, Frau Seele! (Seeleo) Was gebietest Du, Herr? (Gott) Ihr sollt nackt sein! (Seele,) Herr, wie soU mir dann geschehen? (Gort,) Frau, Ihr seid so sehr in mein Wesen gehoben D aß zwischen E uch und mir nichts sein kann. (... J Herr, nun bin ich eine nackte Seele, Und Du in dir selber ein reichgeschmückter GOtt. Unser zweier Gem einschaft Ist ewiges Leben ohne T od. Da geschieht eine selige Stille Und es wir ihr beidcr Wille. Er gibt sich ihr, und sie gibt sich ihm.&7
srandessen d en ,.literarischen Charakter d ieser Werke" stärker beachten (P E·mRS, Ursula:
RtligioJt Etjo/1I1mg ab h'l mmJdm Polei/mI. Zar VO'1!Sr/)ir/;le und C",ese !mutnnrysfÜ(IJer Ttxle du 1). lind /4. jahrlJund"1s. Tlibingen: N iem eyer 1988, S. 192). Denn hier dient der Verweis auf die ,Lilerarizilät' dazu, d as Textzemrum einer unminclbaren, authentischcn Erfahrung (llflzuh/tndtn (unausgesprochen wird de r Textmittclpunkt ästhetisiert und damit ,fiktionali siert') . Selbstverständlich spielt die Frage nach der ,Wirklichkeit' dieser Erfahrungen keine Rolle, aber man muß doch zuglc.ich erklären, IIItJwekhe IWtiu die Phantasmen d er Unminelbarkeit und der Authentizität im T ext erl.eugt werden, denn genau diese erzcugen ja die Faszination in der hisrorischen Rezeptionssituation: ,Gon hat direkt mit mir gesp rochen.'
8' Vgl. u. a. HL\UG, Waher: " Das Gespräch mit d em unvergleichllichen Panner. Der mystische
D ialog bei Mcchrhild voo Maged burg als Paradigma fw- eine person ale Gesprächsstruktur." In: Dns Grspriirh. Hrsg. von Karlheioz Stierle und Rainer Warning. München: rink 1984 (= Poetik und He nn eneutik, 11), S. 251-279; At'\JDERSEN, Elizabeth A.: The Voias 0/ Muhlhild ofMngdtbN'E- Oxfo rd er al.: Lang 2000.
116
Eine systematische Übersicht bieter BOCHSLER, Katharina: ,Ich han dn inne ungt!MrtN ding
gmhm. ' Dit jenmlmnOntn Mtrhlhi/dJ 'IOn Ma!fltbu'1. in dtr Tradition der nJillelolttrliriHn VisionJliltralur. Bem et al.: Laog 1997. 81 ~lEC HTI II LD VON ~-lAG DEB U RG: Das ß itßtndt Lid;1 dtr Gol/htit. Hrsg. von Margot Schmidl.
Einsiedcln er al.: Bc.nziger 1955, S. BOf.; das Origin al Jauter: "So gat du allerliebste zuo dem allerschönsten in die vetho lnen kamm eren d er unsUnlichen gotheit. D a vindet si der minne bette und minnen gelas, von gorte unmenschlich e bereit. So sprichet unser herre: ,stant, vrouwe scld' ,Was gcbutesr du, herre?' ,Ir sön r ueh usziehen!' ,Herre, wie sol mir denne geschehen?' r rouw sele, ir sint so sere geoarün in mich, das zwUschend uch und mit nihtes mag sin.' [... ] ,Herre, nu bin ich ein nakem sele und d u in dir selben ein wo lgezieret gOt.' So geschihe[ d a ein selig stilli nach ir beider 'Willen. Er gibc.t sich ir und si git sich ime." MECHTHILD VON MAGDEBU RG: Das flüßende Lirhl der GOflhtil. Nach der E insiedler H and schrift in kritischen Vergleich mit der gesamten Überlieferung. Hrsg. von H ans Neumann. Bd. 1-2. München, Zürich: Anemis 1990. Bd. t , S. 3 1f.
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D as brautmysosc he E rlebnis erfa hrt Gmt hier in der höchstmöglichen Unmittelbarkeit, in der geschlechtlic hen Ve reinigung, in der mitunte r kaum gezügelte Leidensc ha ft mitschwingen kann; "je mehr seine Lust wächst, um so schö ner wird ihre H ochzeit, / J e enger das Minnebe n wird, um so innige r wird die Umarmung", heißt es an einer StelJe88, an einer anderen: "Eia H err! Liebe mich innig, und liebe mich häufig und lang!u89 Wie sc hon zuvor im FalJe der prophetischen Bücher thematisieren auch diese Visio nsberichte die Gotrunmi ttelbarkeit in erster Linie auf der E bene der Kommunikatio n zwischen Gott und Mystikerin, blenden dagegen d ie Frage nach der unmittelbaren Tex trezeption aus. D ennoch lassen sich Belege fin den, welche zeigen, daß solche Radikale der Unmittelbarkeit immer auch eine Steuerungs funktio n fü r das gesam te kommunikative Gesc hehen besitzen. In der Leb ensbeschreibung H einrich Seuses, des nach Meiste r Eckhart wohl berühm testen deutsc hen Mystikers, erfolgt die erste E kstase scheinbar spontan: do wart sin sei vcrzuker in dem libc neiss uss dem Iibe. Da sah er und horte, daz allen zungen unsprechlich ist: es waz fonnJos und wiselos und hate doch aller fo rmen und \visen froederuichen lust in ime.90 Tatsächlic h erweist sich di e SteHe allerdings als Lektüre, denn sie ZItiert fa st wörtlich die zentrale neutestamentliche Bibelstelle, welche der m ys tischen T radition als Auto ri sierung einer E rfa hrbarkeit G o ttes im diesseitigen E rl ebnis die nt: Ich kenne einen Me nschen in Chri s(O Ibotllil1etll ;11 Cbristo!''' / vor vierzehen jaren / Ist er in dem Leibe gewesen / so weis ichs nicht / Oder ist er ausscr dem Leibe gewesen / so weis ichs auch nicht / Gott weis es / Dersclbige ward 8tI
r-.'lECHTU1LD VON MAGDEBURG: Das ßitfemk Licht der Gottheit. Hrsg. vo n i\hrgot Schmidt. Einsieddn et al.: Benziger 1955. S. 66; im Origina!: " Ie sin Iusl me wahsel. ie ir bruclofl grässer wirt. / Ie das minne bet enger wirt, ie die wnbehalsunge n aher gaL" MECHTl-IlI..D VON MAGDEUURG: Das ßitßmde LithJ der GoI/heil. Nach der Einsiedler Handschrift in kritischen Vergleich mit der gesamlen Überlieferung. Hrsg. von l-lans Newnann. ßd. 1-2. München. Zürich: Anemis 1990. Bd. I, S. 17.
S9
MECHTIi lID VON MAGDEBURG: DM ßitßtnde Lithl dir Gotthtil. H rsg. von MargO! Schmid t. Einsiedeln et aJ.: Benziger 19 55, S. 68; im Original: " Eya h erre, minne mich sere und minne mich d ikc wld minn e mich lange!" MECHTIiIl..D VON MAGDEUURG: DM ßießtnde Lichl der GolJmit. Nach der Einsiedler Hand sch rifl in kritischen Vergleich mir der gesamlen Überlieferung. Hrsg. von Hans Newnann . Bd. 1-2. Münchcn, Zürich: An cmis 1990. ßd. I, S. 20.
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SEUSE. Heinrich: Dmlstm SfhriJitn. Hrsg. von Karl Bihlmeyer. Sruttgart: Ko hlhammer 1907.
S. 10. 91
D . i. " Ich, Paulus"; auch diese Srilisierung. die " paulinische Wend ung", ada ptien die Vita an anderen Stellen. Vgl. MISCH, Geo rg: Die Geschichle der Alltobiographie. Bd. 1-4. 2., durchges. Auf}. Frankfurt/ M.: Schuhe-Bulmke 1931-1969. Bd. 4. I. S. 121. Vgl. zur ,paulinischen Wendung' auch die Imcrprelatio n in Ll.t~ DBI.OM,Johannes: GtJJ"rhle lind OJfonbamngtn. Vom d IImgtn t'On ~'ttll"rmn Wtisllngtn lind iibtmaliirlithm Ersthtinllngen im ,i/ltslrn Chdslenlllffl. Lund : Cleerup 1968 (= Acta Reg. Socielatis Hwnanio rum utterarwn Lundensis, 65), S. 42f( bes.
S. 45.
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entzücket / bis in den dritten Himd. Vnd ich kennen densdbigen Menschen / Ob er in dem Leibe oder ausser dem Leibe gewesen ist, weis ich nicht / Gort weis es / Er ward entzuecket in das Paradis / vnd höret unaussprechliche wo rt 92 lOl1?Ja stnlaM / orrana vtrba] / welche kein fvlensch sagen kan.
Se uses Initiationserlebnis entpuppt sich demgemäß als eine Lektüre der paulinischen Protomystik, und zugleich wird es zum Inzentiv, die unmillelbare Erfahrung der Transzendenz erneut herbeizu führen. ,.Der lo f, uf den sin leben dur na viI zites gerihtet was mit inrlicher uebunge, waz ein steter flizz emziger gegenwurtikeit in minneklicher vereinung mit der ewigen wisheit: m Seuse bemüht sich nun , das E rlebnis d er Transzendenz über T extko nsum, also: lf7iederholllflgslekJüren herbeizuführen, denn die nächsten visionären Erlebnisse in der Vita sind durchweg an Lektüren gekoppelt. Die fo lgenden T extstellen, die sich an der Reihenfolge im Text orientieren , do kumentieren deutlich, wie die unmittelbare Eman ation des Bezeichneten (der ,E\vigen \V/eisheit', also: Jesus) aus der [,ektüre immer besser funktioniert: Es geschah, so er morncndes aber dar ze tisch gesass, so ruo fte si ldic Ewige Weisheit] us der wlse Salomon und sprach al so: "l...J" 0 0 er dis schocn rede hort lesen vor ime, do zehand gedahle sin sendes herz also: ,,[.. .J" u spricher si ldie Ewige Weisheit] also: ,,1 ... 1". (12f.)Eins tages las man in ze tische von der wlsheit, da von sin herz ingruntlich bewegt ward. Si I!I sp rach also: "I...]". (13) Und als verr er si in den usgcleiten bise haften der schri ft mit den inren ogen gesehen mochte, da zogte si sich ime also: ,,1.. -1". (14) Hie mite kom er in ein gewonheit, wenn er loblieder horte l... ] sagen ald singen, so wart im sin herl und muor geswintlich in gefuert mir einem abgescheiden inblik in sin lieplichoostes lieb, von dem alles tiep fl usset. (15)
AUe angeführten Z itate entstammen dem dritten Kapitel der Vita, an dessen Ende Seuse die Fähigkeit besitzt, die temporäre, unmittelbare Vision der ,Ewi gen Weisheit' Oesus) über Lektüren der Heiligen Schrift intentional herbeizuführen: l.1ktiirr. und Erlebnis gehen jetzt ineinander über, die Decodierung von Signifikanten erLeugr die unmittelbare Präsenz des Signifikats. Interessanterweise handelt es sich bei den Lesungen, von denen hier die Rede ist, um die leclio des klösterlichen RefektOriums, welche ja mtsächlich leibliche und geistige Speisung der Mönche miteinander verbindet.94 Diese klerikale Eßgewohnheit
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'/-I
Bib/fa CmfJaniftl. Übers. von ~brtin Lmher. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wiltenberg 1545. Snlttgart: Württembergische Bibclanstah 1967,2 Korimher 12 [2-4.J.
SEUSE, Heinrich: DtJl!Jrhe Jrhriftm. Hrsg. \'o n Kar! BihJmeyer. Sruttgart: Kohlhammer 1907 S. 11 , im folgenden im Fließtext ziriert. Siehe dazu J EANNERh"" ', Michel: A FfmJ oflVonis. BonqJlfJJ and Tab/t To/Ies in JIN fVnaiJJanct. Übers. "on J eremy Wh.ircley und Emma Hughes. Cambridge: Cambridge Uni"ccsiry Press 199 1. (1 9871. S. 112ff.
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Abb. 29: Von der Lckrüre bis zur himmlischen Vision: An ron van D yck, Der heilige Fron~ikuJ in E/eJlaJe.
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ist eine in stirutionali sierte, lebensweltlic he Fassung d es T o pos vom Text al s geistlic her Speise, in der man GOtt unmittelbat zu sich nimmt; die kulti schlirurgi sche Versio n ist die E ucharistie [VII] . Nachdem Seuse die Fähigkeit besitzt, T ex trezepno n in Gotteserlebnis ineinander übergehen zu lassen, entspricht es dieser Logik, wenn er die Urunitte1barkeit der Ko mmunikatio n mit GOtt durch die E intärowierung einer H erzellssrbrifl auf seinen Kö rper noch einmal imprägniert. Die aus heutiger Sicht gan z erstaunliche, im m ystischen Ko ntex t dagegen nicht ungewöhnliche Passage sei ausführlich zitiert: Eins tages [...1 kam [erl in ein minneklich berrahrnnge und sprach also: "ach , zarter got, wan könd ich etwas minnezeichens erdenken, daz ein ewiges minnezeichcn wen cnzwischan mir und dir zu cinem urkundc, daz ich din und du mins herzens ewigti minne bist, daz kein vergessen niemcr me verdiJgcn möhti!" In dicsem inbrünstigen ernste warf cr vornan sinen schapren [SchulterkJcid] auf und zerlies [freimachen] vornan sinen b uosen, und nam einen grifel in die hand und sach sin hcrz an und sprach: "ach gcwaltiger gor, nu glb mir hllt kraft und macht zc vollbringen nun beglrde, wan du muosr hut in den grund mins herzens gcsmelzer wcrden." Und vie an und stach dar mit dem grifcl l!] in daz fIaisch ob dem herzen die nchti, und stach also hin und her und auf und ab, unz Ibis] er den namen IH S eben uf sin herz gezeichent. Von den scharpfen stichen wiel daz bluot vast uss dem [leische und fan uber den lip abe in den buosen. Daz was im als minneklich an ze sehem von der funn cn minne. daz er dez smcrzcn nit vii ahtete. Do er dis getet, do glc er also vcrserte lind bluo tige uss der cell uf die cancell wldcr das crucifixus lind knuwcl nider und sprach: "e)'a, herr mine und mi ns herzens einigti minne, nu luog an mins herzens grossen beglrde! Herr, ich enkann [kann nicht] noch enmag dich nir fllrba z in mich gedrukcn; owe hcrr, ich bite dich, da z du es volbringest und daz d u dich nu fu.rb az in den gmnd mins herzens dmkest und dinen heiligen namen in mich also zeichenst, daz du uss minem her.len niemer me gescheidest." (15f.) Der T ex t ist vor allem d eshalb so bemerkenswert, weil er belegt. wie die Herzmsscbrifi als bibli sche Leitvorstellung einer ab soluten Textaneignung beim Rezipienten umgesetzt wird, um die in de n biblischen A rchetyp en versprochenen E ffekte d er Gottunmittelbarkeit herzustellen. Seuse hat bereits die Erfah rung gemacht, daß die Lekriiren d er H eiligen Schrift eine IlIIflJittelbllre E rfahrung Gottes auslösen kö nnen. Z ugleich liefert dieselbe H eilige Schrift im Mo tiv d er HerzellSschrift ein Radikal der gorrunmittelbaren K o mmunikatio n ; sie ist quasi die Umkehrfunkrio n zur r~lei schwerdung des Wones, sie ist eine ,Exkamanon', welche das Fleisch zum Zeichen m acht.9s Die Einschreibung d es N amen s J esu auf d as eigene H erz ist also nichts anderes als die Übersetzung d es biblischen T extes in die Unmittelbarkeit der Leiblichkeit, sie ist die JIIIIIJitlelbare 'JS
Vgl. ASSMANN, AJeida: "Exkarnatio n. G edanken zur Grenze zwischen Körper und Schrift." in: Ralln/llnd Vtf!abrrn. Hrsg. von J ö rg Huber und AJois Martin Müller. Basel, Frankfun/ M.: Roter Stern 1993 (= interventionen 2), S. 133- 155.
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Lektüre schJechthin. Dabei wird durch die Ei nschreibung des Ze ntralsignifik ars ,IH S' auf das H erz eine ell/ig"; Verbindung hergestellt zwischen dem Zentrum des Rezipienten und dem Zentrum der H eiligen Schrift. Rezipient und Textzeic hen sind jetzt ItnfIJÜIt:!bar miteinander verbunden und gehen inein ander auf (gan z ähnlich wie bis heute bei Tätowierunge n). Dabei wird die ,Lektüre' durch die Ko ntinuität der Bezekhnung pcrpetuiert. Zugleich ist der ScblJlerz der E in schreibung in den Körper% der körperliche Bürge dieser Schnittstelle: .,Sc hme rz ist [... ] eine Weise des unrrune1baren Verstehens im (Nicblmebr-) IvlediuflJ der uiblicbkeit. ,,97 Das Körperzeichen stellt die dauerhafte und umnine lbare Prä senz J esu in Aussicht. Das gelingt - die H erzensschri ft strahlt wenig später ein wunderbares Licht aus und bestätigt so die erreichre Gotrunmi nel barkeit: Eins males na meri, do er von sinem gebet kom, do gie er in sin ceU und sass also uf sinen sruol, und nam der alrveter buoch under sm hobt zuo einem kussin l!]. In dem entsank er in sich selb und d ucht in, daz neiswas lichtcs us drungi von sinem herzen, und er luogte dar: do erschein uf sinem hetzen ein guldin krUz l...J. Also nam der diener sin kapcn und schluog si über da z herz und meinde, daz er daz usbrehend klar licht gern heri bedecket, daz cz nieman mochri han gesehen. 0 0 brunnen die usdringcnt glcnz als wunncklich, wie vast er su barg, daz es nir half von ire krcfrigen schonheit. (17) I n einer anderen Vi sio n zeigt sich später in Seuses transparentem Brustko rb die " Ewige Weisheit", die nun zusammen mit sei ner Seele sein Herz bewo hn t: Gcswind sah er dar und sah, daz dcr lip ob sincm herzen ward als lutcr als ein kristalle, und sah enmiten in dem herzen ruowcklich sizen dic cwigen wishcir in minneklicher gestalt, und bi dem sass des die ners sele in himcl scher scnung. (20) Es sei betOnt, daß die gesamte V ita ein breites E nsemb le von Techniken entwickelt, die der obsessiven Reproduktion und Amplifizierung des einen, we sentl ic hen Texte s dienen und die Unmillelbarkeil der An e ign ung verstärken - der ,ideaJe Leser' so U Reinigungshandlungen vollziehen, er ist iso liert und frei von Ablenkung; er so ll irerativ lesen (also den Text immer wieder reimpräg nieren) und seine Leben swclr multimedial semanti sch anreichern , etwa durch Bilder. E s ist aufschJ ußreich, daß parallel dazu immer !16
Dies impliziert ,archaische' Vorstellungen: " Die frühe sten Zeugnisse der SignifIkatio n verraten nämlich ein VClmögen, I... j den Schmer.l des Materials zu empfmden, in das sich die Zeichen einschreiben." KAMPER, Dietmar: ",Der G eist tö tet, aber der Buchstabe macht lebendig.' Zeichen als Narben." In: Sc/lnfl. Hrsg. von H ans Ulrich Gumbrechr und K. Ludwig Pfeiffer. Fink: r-.-hinchen 1993 (= Materialität dcr Zeichen A, 12), S. 193-200, hier S. 194.
91 C HRIS11ANS, H eiko: Obtr dm Schmtrt Eint UnIm IlChlIng
Gtnllinplölifn. Bedin: Akademie 1995, S. 35. Das Kapitel " Medialität" (S. 15-47) untersucht den inuinsischen Z usammenhang zwischen dem Sdlmtrzal s T extgröße und der Herstellung von Unmille/barktil.
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wieder ,Se use' als divinatOri scher Welt-Leser (111. 3] dargesteUt ist, dem die Gcgcnstandswelr mehr und mehr zur Folie der unmittelbaren Gorteserfahrung wird: Ocr Morgenstern wird zu Maria (5. Kap.), die Fastnacht wird eine himmlische Fastnacht (11 . Kap.), zum ersten Mai setzt er der Gottesmutte r einen geistlichen Maibaum (Kap. 18) und so fon. Die ,Welt' entspricht zunehmend einer unmittelbaren Offenbarung des Heilswissens. Die Konstruktionsweise solcher unlllittelbaren Gotteserfahrungen bleibt in der m}'stischen Ko mmunikatio n über J ahrhunden e hinweg in ihrer Grund struk tur se hr konstant. Ich möchte mir einem neuzeitlichen Beispiel schließen; es handelt sich um Das bittere Leiden linsen H emt j esu Christi. Nach den Betrachtungen der gottseligen Allna }0,tharina Ellllllerich, welche der Ro mantiker Clemens Brentano nach seinen persönlichen E rfa hrungen und Gesprächen mit der M)'stikerin niederschrieb und dann 1834 veröffentlichte; im übrigen war dieser Text sein erfolgreichstes Buch. Die folgende Passage gibt den ,authenti schen Berich t' der Emmerich über eine Vision wieder: "Erwa vier J ahre, ehe ich ins Kloster ging l...] war ich einmal um die rvLirragszeit in der Jesuirenkirche zu Coes feld und kniete auf der Orgelbühne vor einem Kruzifix in lebhaftem Gcbec Ich war ganz in Betrachrung versunken, da wurde mir so sachte und so heiß, und ich sah von dem AJtare der Kirche her, aus dem T abe rnakel, wo das heilige Sakrament stand, meinen himmlischen Bräutigam in Gestalt eines leuchtenden J ünglings vor mich hintreten. Seine Linke hielt einen Blumenkranz, seine Rechte eine Dornenkrone, er bo t sie mir zur Wahl dar. Ich griff nach der Do rnenkrone, er setzte sie mir auf, und ich drückte sie mit beiden Händen auf den Kopf, worauf er verschwand, und ich mit einem heftigen Schmerz rings um das Haupt wieder zur Besinnung kam. I... ] Am folgenden Tage war mir der Kopf über den Augen und an den Schläfen bis zu den Wangen nieder stark geschwollen und ich harte furchtbare Schmerzen.'<98
Hier geht die Vision von der kontemplativen Bcrrachtung eines Kruzi ftxes (AJmlichkeit! ) aus, welches dann in die Unmittelbarkeit der Erscheinung Jesu übergeht. Und auch hier wird der Schmerz de s gezeichneten Körpers zum Gatanten der Gotrunmittelbarkeir und der Überschreitung der Medialitär. Ganz ähnlich wie Heinrich Seuse wird auch Anna Katharina Emmerich eine H erzensschrift eingeprägt: Sie hatte von Jugend auf gebetet, der Herr möge ihr sein heiliges Kreuz fest in die Brust eindrücken, damit sie doch keinen Augenblick seiner unendlichen Liebe vergesse. l...] Einige Wochen sp äter kniete sie mit ausgebreüeren Annen in ekstati scher Erstarrung in ähnlichem Gebete, da sah sie sich dieselbe E rscheinung Iden himmlische Bräutigam] nahen, die ihr mit der rechten Hand ein kJeines, etwa drei Zoll hohes Kreuz von der Gestalt eines Y 1...1darreichte,
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BRE,"\lTANO, CJemens: Siimtlicht IVtrke lind Brirfi. Bd. 1-33. Stungart ct a1.: Ko hlhammcr 1975ff. Bd. 26: RtligiöJt l17trkt, 5, S. 19, im folgenden im FließtcXl ziric,Tt.
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welches sie mit heftiger Inbrunst gegen die Mitte ihrer Brust an das Brustbein drückte [.. .]. Da nun in diesen T agen die heftige Gluth auf ihrer Brust immer zunahm, sah sie das Mal eines roth durch die Haut schimmernden drei Zoll hohen Gabelkreuzes auf ihrem Brustbein. [...1Dieses Kre uz schwitzte anfangs alle M..itrwoche mit wenigen Abweichungen Blut in dichter Reihe von Schweißpunkten über seiner ganze n Linie aus, so daß man vollkommene A bdrücke desselben auf aufgelegten Papierblärrern empfangen konnte. [... 1(27 f.)
Es wird also deutlich, daß sich an den Grundrequisiten der unlllittelbaren Kommunikation mü Gon wenig ändert, zugleich läßt sich aber in den eingesetzten DarsteUungslllittel1l ein e ungeheure Steigerung der Effekte beobachten. Die Herzenssthnft wird in der Bibel nur knapp erwähnr, sie wird dann bei Seuse ,wörtlich genommen' und tatsächlich in den Kö rper eingeschrieben, und am Ende der EnrwickJung steht dann die drasti sche Schilderung des Herzenskreuzes der Emmerich, von dessen ß1utschweiß man sich direkte Abdrücke auf Löschpapier ziehen kann . Das ,Spritzen des Blutes' wird als Generator eines T exteffekts der Unlllilfelbarkeit immer weiter ges teigert. Die o hnehin sc hon monströse AtJSthaJllichkeit der minelaltedichen Passio nsbetrachtung [11. 4] wird in Brenranos T ext zum Exzeß der G rausamkei ten verlängert. In der anfo lgenden visionären Passionsbetrac hrung heißt es etwa über den am Kreuz hängenden Jesus: "Es war die Anspannung des Körpers so emsetzüch, daß die Brust J esu krachte, und er laut jammerte: ,0 Go n lOGo n !' Sie hatten ihm di e Brust und die Arme auch gebunden, damit die Hände nicht aus den N ägeln ri ssen. Sein Um erl eib zog sich gan z hinweg, und es war, als brächen ihm di e Rippen von dem Brustbei ne." (3 18) Die Enn.vickJung dieser fortlaufenden Steigerung minutiöser Schilderungen grausamster Sadismen läßt sich weiterverfo lgen, über sadisti sche Beschreibungen aus der TriviaUiteratur des 19. Jahrhunderts99 bis hin zum sp/alter unserer Tage oder en.va dem Parallelen Killo aus dem Mos kau und Leningrad der achzige r Jahre, welches "schoc kartige Bilder von Schlachtungen, Schlägereien, Vergewaltigungen und versc hiedene Verwesungss radien menschlicher Leichname" zeigt, und zwar interessanrerweise auf ein em Filmmaterial, das ebenfalls Zersetzungsprozessen ausgesetzt wurde - ein weiterer und neuer Versuch eines Mediums, endlich aus der Medialität herausz utreten und die Un,,,itlelbarkeit der Darstellung zu erreichen. 1oo
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Vgl. SCHENDA, Rudolf: VDlk Dhnt BNfh. SINdien ~r So~jolgtJ(hithlt dir popNliirtn u .,stJloffi (1770-19 10). München: dtv 1977 [19701 , S. 349ff.
100
CHRISTIANS, Heiko: Obtr dtn Sthmtrz. Eint UnltrrNdJNng tfJn Gtmtinpliil?Jn. Berlin: Akademie
1995,S. 18.
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3. Herzensunmittelbarkeit: E mpathie und Rührung (H ERDER) Die Erzählungen von Propheten, Inspiration und mystischen Gmtcserlebnissen sind RadikaJc einer Kommunikatio nsweise, welche das Ideal einer direkten Partizipation unter Umgehung des Mediums suggerieren. Es sei jedoch hinzugcftigt, daß im vormodcrnen Wissen prinzipiell jeder Gegenstand zum Ausgangspunkt unmittelbarer Erfahrungen der T ranszendenz werden kann. In einer Epistemo logie, in der Sprache und Gegenstand, T ex t und Welt noch ein und derselben Ord nung angehören, eröffnen sich der Lektüre der Di1!inalion auf Schritt und Tritt JlnlJ/ittelbare Botschaften lO1 - auch wenn sie zumeist einer hermeneutischen Entschlüsselung der unterliegenden Geheimnisse bedürfen [I1I.3). I n einer \Xlelt, die an ihrer Oberfläche Signaturen trägt, die lesbar ist wie ein Buch und mitunter sogar sprechend wie ein Men sch, ist Medialilät zwar St Örend, aber in geringerem Ausmaß ein Problem. Der Signifikant ist zwar nie durchsichtig auf das Signifikat, aber dennoch sind beide durch ein festes Band miteinander verknüpft, Zeichen und Dinge sind noch analog miteinander verbunden. Dies ändert sich jedoch mit dem Paradigmawechsel im 17. Jahrhundert, bei dem das Band zwisc hen Ding und Zeichen getrennt wird. Jetzt wird die hermeneutische Lektüre im Buch der Natur ersetzt durch die empirisc he Beob achtung verifizierbarer Sinneswahrnehmungen. 102 Dabei wird die Sphäre der Texte von der \Velt entkoppclt, erst jetzt geho rcht die Sprache. der Diskurs seine n eigenen Gese tze n. Die \'Vahrhcit der Sprache liegt nicht mehr in ihrer Analogie mit den Dingen begründet, sondern im reibungslosen Funktio nieren im Binnensystem der Sprache selbst als Bezeichnung von Beobachtunge n. Die Arbitmriliit des Zeichens wird gerade als Vorteil gegenüber den schwerfaJligen motivierte n Zeic hen der Vonnoderne p rononci ert. An die Stelle der Konjunk tio n von \'(felt und Text rrirr ein Sprachsyste m, das die \Velr repriisentiert. D as Auseinandertreren von Signifikat und Signi fikant erschwert zunächst einmal Kommunikationsweisen der Unmirrelbarkeir: "ln dem Alter der Welt, in dem wir leben, find et der unmirrelbare Verkehr mit dem Himmel nicht mehr S[3((.,,103 Vor allem die ausgewiesene A.rbi trarität der Sprache wird zu dem Problem führen, daß die Sphäre der Zeic hen ihre Zeichenhaftigkeit von nun an unleugbar an sich trägt, Foucault nennt das die redllplii}erle Repräsentation: Die mediale Repräsentation reprä sentiert zugleich das Signi fikat und den
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Vgl. zwn folgenden FOUCAULT. J\'lichd: Die Ordmmg dtr Dingt. Eint Arrbii%git dtr HumanuimnJrhaJten. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1993 [1966]. Vgl. ZI?IMERMANN, j ö rg: .,Ästhetische Erfahrung und die ,Sprache der Narur.'" In: Sprarht und IIY,fterjalmmg. Hrsg. \'on j . Z. i\.-Iüncher:: Fink 1978, S. 234-256, hier S. 241.
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So wird H einrich von Ofterdingen durch seinen Vater belehn; NOVAU S: Htinnr/J von OJterdingtn. Ein Ro man. H rsg. vo n Wolfgang Frühwald. Srungan : Redam 1965, S. 13.
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Vorg.mg des Repräse ntierens selbst.l~ Genau dieses Auseinanderklaffen von Ding und Zeichen stört jedoch Kommunikatio nsweisen der Unmittelbarkeit. 1OS Dennoch wird das Konzept der Zusammengehö rigkeit von Sprache und Welt nicht aufgegeben, ganz im Gegenteil wird es während des 18. J ahrhun derts au sgelage rt, und zwar in die Sphäre der Literatur. In dezidiener Abse rzung zum neuen wissenschaftlichen l\Tallf rbegrijJ forrrliert sich ein iislhelischer j\lalurbegriff, welcher die Engführung von Sibrnifikat und Signifikanr aufrechrerhält. 106 Außerhalb der religiösen Sphäre bleibt die Natur fortan nur noc h im Feld der Kunst lesbar. "Rede, dass ich Dich se he! - - Dieser Wunsch wurde durch die Schöpfung erfüllt, die ein e Rede an die Kreatur durch die Kreatur isr" l07
[111. 7). Ganz analog ve rhäJt es sich auch mit den oben beschriebenen Radikalen der Unmittelbarkeit au s Prophetie und Mystik: Auch sie werden im 18. Jahrhundert in die Sphäre der Literatur und Kun st transpo niert und fo rmieren dort seitdem einen tragenden Pfe il er emphatischer Kommunikation. Die Inspirationstheorie wird dabei aIJmählich aus dem religiöse n Kontext geschält und in die Sphäre der Literatur übertragen, wo sie bis heute Ge ltung besitzt. Wie man sich diese In spiration des Kün stlers vo rzustellen hat, beschreibt Diderot: In die Rede des Dichters kommt da nn ein Geist, der aUe Silben bewegt und belebt. Worin bes teht dieser Geist? Ich habe seine Gegenwart zuweilen gefohlt, weiß aber von ihm nur eins: er bewirkt, daß die Dinge zugleich gesagt und vorgestellt werden und daß zu derselben Zeit, da sie der Verstand erfaß t, auch die Seele von ihnen ergriffen wird , die EinbiJdunhJS krnft sie sieht und das Gehör sie hört. D ann ist die Rede also nicht mehr bloß eine Verknüpfung von wirkungsVgI. FOUCt\ULT, J\1ichcl: Die Ordnllng dtr Dingt. Eillt Arrhäologie dtr HII!J/onU üJfnJrhajttn. Frankfurt / M.: Suhrkamp 19931 1966), S. 98f. Was zugleich nicht bedeutef, daß sich nichllange noch Formen inspirierten, prophetischen Sprechens fonschreiben, wic auch im Falle von Emmerich/ Brentano; "gI. etwa Schneiders Smdie zu den pietistischcn Ekstatikern der Gocthezeit: SOINEIDER. Ulf-Michacl: ProplJtltfl der Goe/ht!(!il. Sprafht, U/ern/Nr 111111 If/irho& Ilu l nspiritrlen. GörUngcn: Vandcnhocck & Rupprec ht 1995. Vgl. ZIr>L\IERMANN, J ö rg: "Ästhetischc Erfahrung und die ,Sprache der Natur."' l n: Spmfbt 1In11 If/ellujahnmg. Hrsg. \'o n J . Z. München: Fink 1978, S. 234-256, hic r S. 241. D ie Schö pfung isr dcmnach NIIRlilltlbarverständlich; ferner verkop pelt Hamann .AJmlithhit und Gehtinmil, das heißt, d ie Signarur der N arur is r zugleich anJfhllfllirh als auch a1UltgHngJbrdiitj#"g, die Passage wird wie fo lgt fo rtgefuhn: "wir haben an der N arur nichts als Turbat"erse und disiecti membra poclae zu unscnn Gebrauch übrig. Diese zu sammeln iSf des Gelehrten; sie auszulegen, des Philosophen; sie nachzuahmen - oder noch kühner! sie in Geschick zu bringen. des Poeten bcscheiden Theil. / Reden ist übersetzen - aus einer Engelsprachc in cine Mcnscnensprache. das hcist, Gedanken in Won e, - Sachen in N amen, - Bilder in Zeichen; die poetisch odcr kyriologlsch, histo ri sch oder symbo lisch ode r hieroglyphisch - und philosophisc h oder charakteristisch se)'n kö nnen"; HAMAl'lN, J o hann Georg: SOkrahJfhe Dtnleuiirdigluittn. Au/he/ira in I/1l(t. Srufgan: Redam 1998, S. 87/89.
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vollen Ausdrücken [... 1, sondern auch ein Gewebe von aufeinandergehäuften Hieroglyphen, die diesen Gedanken malen. In diesem Sinne könnre ich behaupten, daß alle Poesie sinnbildlich [el/Jb/el/Jflliqm} ist.UNI
Z unächst einmal wird der Dichter auf ähnli che \'Veise inspiriert, wie das zuvor beim Propheten, beim Mystiker oder beim Rhapsoden der Fall war. Zugleich bemüht man sich um eine Verankerung dieser VorsteUung in der Theorie einer besonderen Signi flkacion, welche die Kluft zwischen Signi fikat und Signi fikam zu überbrücken hat - und sich so in einen dezidierten Gegensatz stellt zur ,blo ßen' Sprache der Repräsentatio n. Bemerkenswerterweise wird dabei wieder einmal Unmille/barkeit mit Al.mlichkeit und Geheimnis verklarrunert. In Diderots T ext ist die Hierogjyphe [111 . 6] das ze ntrale Bild zur Kennzeichnung der sp ezifischen, unmittelbaren Sprache der Kunst. Diese ist selbsrvcrständlich auc h eine Sprache der -rfhnlichkeit, denn di e Hieroglyphen sind iko nische Zeichen, die sich durch ihre Anschaulichkeit kennzeichnen. Zugleich verfügt die hieroglyphische Schri ft jedoch über Tiefe. Diderot betOnt wiederh olt in diesem T ext, daß die Hieroglyphen nicht allen Rezipi enten verständlich sind, daß es einer Einweihung in ihre spezifischen Signi fikationsweise bedarf. Auch di e Passage oben deutet das an: Die Hiero glyph e ist nic ht nur Bild, sondern Sillltbtid und ve rfügt als solches über einen Hintersinll, eine l!Jponoia. \'Vic im Fall e des barocken Emblems (welches über die mbsmplio als erklärendes Epigramm verfügt) bedar f es eine r O ffe nbarung ihres tieferen Si nns. Bei dem Geist, we lch er seit dem 18. Jahrhundert bei der Inspiratio n die Dichter überk ommt und den sie dann an ihre Rezipienten weiterreichen [I!. 7], handelt es sic h um eine Amalgamierung eines zunehmend mystifizierten gö tdichen Geists, einer emphatisc h verstandenen ,Natur' sowie, mit zunehmende r T endenz, dem Geist des D ichters selbst, oder aber seinem ,Gefühl '. Diesen Geist nennt man ,um 1800' (und scho n frü he r) dann auch ,Genie' [VI. 2]: "Die hö here Macht, die einen Menschen zu.r Hervorbringung seines \'Verkes belebet, das wir als unnachahmlich, als unerreichbar erkennen, aber m ächtig oder san ft auf uns wirkend fühlen, diese ausgezeichnete Himmelsgabe nannten sie Geist, GeniJls."l rYJ Dieser GeiSt behält zwar eine göttlichpries terliche Aura, aber im Genie- Begri ff spiegelt sich die kopernikanische D1DEkOT. Denis: AJlh,hJrhe JrhriJttn. Hrsg. ,'on Friedrich Bassenge. Bd. 1-2. ßedin: deb 1984. ßd. I, S. 53 {" Brief über die T aubstummen" (175 1)1. HI'J
H ERDEk, Johann Gonfried: Knlligont. H rsg. yon Heinz Begenau. Weimar: Böhlau 1955, S. 167. Die Stelle suggeriert einen etymologischen Zusammenhang, der jedoch nicht gegeben ist; ,G enie' stammt von ingtnillm bzw. genills, für den Begriff des ,Geistes' verwendet das Lateinische stets spin'llIr, der Begriff ,Geist' selbst ist germanischer Provenienz. Die ParaUclisierung \'on Genie und Inspiration erfolgt jedoch schon seit der Renaissance und ist auch in der fra nz§sischen Theorie des Genies ein Gemeinplatz; \'gl. ORTL\ ND, Ebcrhard: ,.Genie". In: AJlbüisrhe Grondbrgrijfr. HislonJfhn Wiirtt,vllfh. ßd. 1-7. Hrsg. \'on Karlheim Barck et al. Srungart, Weimar: ~.Jctzler 2000ff. ß d. 2, S. 66 1-709 hier S. 665 und S. 668.
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Wende in der Inspirationstheorie: Wo früher der Heilige Geis t oder die Musen sprachen, da entäußert sich zune hmend der Geis t, das Genie des modernen, lIIenschlichen Subjekts. Symptomatisch fti r diesen Übergang ist der Beginn von KlopstOcks Nfessias, welcher die Formel der antiken griechi schen Muse nanru fung exakt kopiert und ledig ~ c h an die SteUe der inspirierende n Musen die ,Seele' setzt, zugleich aber um Offenbarungen des ,Geistes' bittet: Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschheit Erlösung 1... 1. Aber, o Werk, das nur Gott aUgegenwärtig erkennet, Darf sich die Dichtkunst auch wohl aus dunkler Ferne dir nähern? Weihe sie, Geist, Schöp fer, vor dem ich im stillen hier bete; Führe sie mir, als deine Nachahmerin, voller Entzückung, Voll unsterblicher Kraft, in verklärter Schönheit, entgegen. Rüste sie mit jener tiefsinnig einsamen Weisheit, lvlit der d u, forschender Geisr, die Tiefen Gottes durch scha utest; Also werd ich durch sie Licht und Offenbarung sehen Und die Erlösung des grossen Messias würdig besingen. llo
Wieder wird eine neue Variante der Verklammerung von Ul1l11iltelbarkeif, Ge· heifIJl1is und .rfhl1lichkeil in s feld geschickt: Dem Dichtet wird die Inspiration Imllli/felbar zu teil, und zwar zugleich aus seinet Seele und einem ,Geist', die beide qua .ifhnlichkeil ve rkl ammert sind - so wird er zum N achahlller des Schöpfers [11. 7] und kann so einerseits einer unmittelbaren Visio n teil haftig werden, andererseits aber die unendl,iche "li4eder Offe nbarung schauen und vermitteln. \'<'i e man sich den Vorgang ei ner solchen dichterischen Inspiration vorzustellen hat, läßt sich schön aus dem Bericht von Klopsrock s Frau über die Entstehung der Ode "An den Erlöser" ablesen: Er härre, sagt sie mit einem ungewöhnlichen Ernst, mit zuriickgebeuten rHin· den auf dem Rücken, einer Stellung, die ihm überhaupt sehr eigen ist, gestanden. Sie ist eben bei ihm. Sie sicht in an! Er schweigt immer ernster. Er a tmet kaum . Der Anblick von ihm frap piert sie so, daß sie ihn fragt: fehlt ihnen was, K1opstock? Noch einen Augenblick, so stürzen ihm die Tränen aus den Augen, er gehr an seinen Tisch, o hne zu antworten, und in wenigen ivlin uten ist sein Dank aus seinem Herzen hingeström t. lIl
Die Übertragung der Inspiracionstheorie in die Dichtung belegt da s Ideal einer Sprache der Unmittelbarkei t, das ,A usströ men' von ,Gefühlen' aus dem Zentrum der Individualität, ,dem Herzen'. Es gibt kaum einen zeitgenössischen
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Friedrich Gortlieb: Dfr M miaJ. GtJang ' .J. Text des Erstdrucks von 1748. Hrsg. von Elisabcrh Höpker· Herbcrg. Srurtgart: Reclam 1995, S. 7. KLOPSTOCK, Friedrich Gonlieb: IlVrrkr. Hrsg. \'on Richard Harne!. Bcrlin, Srungart: Spcmann 1883. Bd. 1· 4. Bd. 2, Teil 2, S. 45 1 (= Deutsche Nacio nal-Unerarur, 46). KLoPSTOCK,
Autor, der keine Variation zu diesem Thema vorlegt, und letz weh fo rmuliert jeder T ext seine eigene Lö sung auf die Fo rderung nach Unmittelbarkeit. D e n ~ noc h lassen sich Ko nstanten eruieren. Herder beschreibt in seiner frühen Sc hrift Über die N euere delllscbe J..jleralur (1766/ 1767) aus einem prodllktionsäslbe~ liscben Standpunkt die Schwierigkeit der Herstellung von Unmittelbarkeit in einer längeren Passage, welche die wesentlichen Elemente der zei tge n ö ss i ~ sehen Argumentationen enthält: E r 1der Dichter] soll Empfindungen ausdrücken - E mp fi ndungen durch eine gemahlte Sprache in Büchern ist schwer, ja an sich unmöglich. Im Auge, im Amlitz, durch den Ton, durch die Zeichensprache des Körpers - so spricht die Empfindung eigentlich, und überläßt den rodten G edanken das Gebiet der toten Sprache. Nun, armer D ichter! und du sollst deine Emp fi ndungen aufs Blart mahlen, sie d urch einen Kanal schwarzen Sa fts hinströ men, du sollst schreiben, daß man esjiihlt, und sollst dem wahren Ausdrucke der E mpfindung entsagen; du sollst nicht dein Papier mit T hränen benetzen, daß die Tinte zerfli eßt, d u soll st deine ganze lebendige Seele in rodte Buchstaben hinmahlen, und parliren, statt auszudrücken. - I-lier siehr man, daß bei dieser Sprache der E mpfin dungen, 1...1 wo ich nicht schreiben, so ndern in die Seele reden muß, daß es der andre fühlt: daß hier der eigentliche AJlsdmck unab trennlich sc)'. Du mußt den natürlichen Ausdruck der E mp fin dung künstlich vorstellen, wie du einen Würfel auf der Obernäche zeichnest; du mußt den ganzen Ton deiner Empfindung in den Perioden, in der Lenkung und Bindung der Wö rter ausd rucken ; du mußt ein Gemälde hinzeichnen, daß dies selbst zur Ein bild ung des andern ohne deine Beihülfe spreche, sie erfüll e, und durch sie sich zum Herzen grabe: du mußt Einfah und Reichthum, Stärke und Ko lo rit der Sprache in deiner G ewalt haben, um das durch sie zu bewürken, was du durch die Sprache des To ns und der G eberden erreichen willst I... ] D aher rührt die Macht der D ichtkunst in jenen rohen Zeiten, wo noch die Seele der Dichter [...] nicht schrieb, so ndern sprach, und auch schreibend lebendige Sprache tö netc: in jenen Zeiten, wo die Seele des andem niehr las, sondern hörte, und auch selbst im Lesen zu sehen und zu hören wußte.l12
Herdcrs T ext enthäl t eine ganze Miniaturlehre der IItlmillelbaren Kommunikation. D ie Argumentatio n wird zunächst einmal im Hintergrund mit einem medien theoretischen Gemeinplatz unterlegt, und zwar der pa ulinischen O pposition vom toten Buchstaben und lebendigem Geist. Die Negativseite der Unterscheidung wird dabei weitgehend von Paulus überno mmen, rue Rede ist von toten ,Büchern', ,Sprache', ,Buchstaben', abgelehnt wird also durchgängig die Media/itiit selbst (al s Sphäre der blo ßen Repräsentation). Dagegen modifiziert Herder die andere Seite der Unterscheidung, die Unmittelbarkeit, und setzt an die Stelle des paulinischen ,lebendigen Geistes' die ,E mpfindung'. Bei den HEIUJER, Johann Gottfricd: Siimmllithe Wtrke. Bd. 1-31. Hrsg. von Bcrnhard Suphan. Berlin: Wcidmannschc Buchhandlung 1877 ff. Bei. I, S. 394f. [Uebtr dit ntMm DtlllJtht !..jlltmlllT. Eint Bti/al! i!I den Briifm, die ntuesJe !..jlJtrallir btlrrffind (1766/ 67)J.
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transzendentalen Signifiktlten als Zielpunkt der Lektüre handelt es sich jetzt al so nicht m ehr um göttliche Bmschaften, sondern um Geftihle. Literarische Ko mmunikation ge lingt dann, so heißt es, wenn man so ,in die Seele redet', daß es der Rezipient ,fühlt'. Sprache wird also ,lebendig' wenn sie nicht mehr nur Schrift ist, sondern StillllllellJ - die Vnlllilleibarkeil wird hier zum zentralen Kriterium der ko mmunikativen ItrirkJlng. Z ugleich wird die sinnliche Unmittelbarkeit der Rezeption betont, anal og zu der prophetischen Vision und Al(dition soU man beim Lesen ,sehen' und ,hören '. Im Anschluß daran entfaltet der T ext weitere Erscheinungsweisen des VIIIIIitlelbtlren. Expo nenten sind etwa das ,Auge' und die Unmittelbarkei t des Blicks, dann das ,Antlitz', also etwa Physiognomie, Mimik und Ge stik, ferner der ,Ton' und damit impliziendie Musik sowie die ,Gebärden' und ,Kö rpersprache'. Dabei handelt es sich um verschiedene Ausprägungen dessen, was in der Ästhetik des 18. Jahrhunderts im Ko ntext des Ideals einer voUkommenen Sp rache l 14 als N atllrsprache l 15 diskutierr wird. Dabei konservierr die neuzeitliche Ästhetik ein ModeU, das eigentlich längs t überholt war: Das vormoderne Ideal einer Sprache, in der Signiflkant und Signifikat ko rrelieren, in der Bezeichnun gen transparent und unmittelbar das Bezeichnete abbilden, in der Zeich en und Bezeichnetes durch einen ,Realnexus' miteinander verbunden sind. Das Phantasma der V nlllilleibarkeit der Gebärdensprache und Mimik sowie des T ons wird angereichert durch die erstrebte Anschaulichkeit ei nes ,Gemäldes' (.,.4hnli,hkei~.
Aus der Differenz zwischen dem toten Buchstaben und dem lebend igen Ge fühl in den Nicht-mehr-Medien Blick und T on emwi ckclt Herd er dann di e Apo rie der li te rarischen Kommunikatio n (un d genau hier schaltet sich das moderne Verständnis von Sprache als Repräsentation ein). D enn der Dichter ist ja an das MediuIlI der Sprache gebunden, ihm stehen nur die Technologien von ,Papier', ,Buchstaben', ,Blättern' , ,Büchern' und ,Tinte' zur Ver fügung. Aus diesem G runde isr die Unminelbarkeit im eigentlichen Sinne ,unmöglich' , das zeigt schon das Paradoxon der ,gemalten Sprache'. Die Kunst besteht also wieder einmaj in einer Paradoxie: Die VlIlJIillelb"rkeit he~lStellen, das ,Natürli-
!1)
Genau diese Differenz iSI der Ausgangspunkl von Derridas D eko nstruktio n des abendländ ischen P!Jono~ntriJmNr, vgl. D ERRIDA, J acqucs: Gra!llHlalologie. Übers. von Hans-Jörg Rheinbcrger und Hanns Zischlcr. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1994 J19671, vor allem die Aus fUhrungen zu Rousseau (5.17 1-243).
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Vgl. zur Vorgcschichrc Eco, Umbcrto: Die Slfcbe nacb dtr t'OlIleommenen Spracbe. München: drY 1997.
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Z I~{M ERMANN.Jörg; ,.Asthetische Erfahrung und die ,Sprache der Narur."· In:
Spracht Iff!d
117t1lujahrung. Hrsg. von J . Z. München: Fink 1978, S. 234-256, vor allem S. 245ff. Vgl. zur Theo rie der Natursprache und ihrer Bedeutung vor allem in der Romantik G OODBODY, Axc1: i\ fa/ursprache. Ein dichlungJJhtorrJi!c!Ju K.tJn?fpt t/rr Romantik lind Jeine Itrirt/erau/nahmt;1/ der modemen deuJ;dJtI/ NaJur!>'n"le (l\,1ol'Ohs - Eichendo1J - Ltbmann - Eich). Newuüoster: Wachho lt"/. 1984; vgl. ferner auch Bd. 3,2 des Mo numentalwerks BORST, Amo: Dtr TllnJlbfllf 1'01/ Babel Gmhirh/e der MtinNngtn iibtr Ursprung Nnd Vie!fatl der SpmdJtn und VÖlhr. Bd. 1-4. 5tuttgart: Hiersemann 1957ff.
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ehe' auf ,künstliche' \'<'eise zu erzeugen. Diese aporeti sche Aufgabe wird die Ästhetik von nun an auf ähnliche \'<'eise beschäftigen, wie sich zuvor die Religio n an dem Problem der Erzeugung von Gottunmittelbarkeit abgearbeitet hatte, und man wird auch hier immer neue Lösungen vorlegen. Die eigentliche Schwierigkeit liegt naturgemäß in der Frage, mie man das Unmittelbare herzusteUen habe.1I6 Herder entwickelt in Über die Ne/lere dm/sehe U /era/Jlretwa das Ko nzept des ,am Au sdruck klebenden Gedankens' als einer Sprache der Seele. Diese Natursprache wird in emphatischen Bildern gezeichnet, die klar ihre religiöse Herkunft verraten. Gedanke und Ausdruck, so Herder, verhielten sich in der unmittelbaren Dichtersptache etwa zueinander wie "eine Braut bei ihrem Geliebten, wenn derselbe seinen Arm um sie geschlungen, an ihrem Munde hanget: Wie zwei zusammen Vermählte, die sich einander mittheilen".117 Neben dieser Reminiszenz aus der ßrautmystik fmdet sich etwa auch ein Rückgriff auf die trinirarische Interpretation, die Jesus als das aus GOtt hervorgegangene WOrt begreift: "det himmlische Gedanke formte sich einen Ausdruck, der ein Sohn der einHUtigen Natur \var". 1\8 Auch Herders Schrift AblJand/Jlng fiber den Urspmng der Sprache (1772) behandelt über weite Passagen das Ideal einer Natursprache, die mehr ist al s ,nur' Medialität; in einer früheren Veröffentlichung wird die Stoßrichtung bereits deutlich markiert: "die Mutter Natur l...j gab un s die Sprache, als ein Werkzeug, die Seele des andern unmittelbar zu berühren" ll? Die lV'irkJmgs1JItise dieser unmittelbaren, seelen-beriiluend en Natursprache wird in der AbhrllldlJlng dann genau beschrieben: Bei Kindern und dem Volk der Sinne, bei Weibern, bei Leuten von zartem Gefühl, bei Kranken, Einsam en, Betrübten würken sie ~,Töne", "Gebärden" und "einfache Gänge der Melodie'1 tausendmal mehr [... 1. Diese Worte, dieser Ton, die \'Vendung dieser grausenden Ro manze usw. drangen in unsrer Kindheit, da wir sie das erstemal hö n.e n, ich weiß nicht, mir welchem Heere von Nebenbegriffen des Schauders, der Furcht, der Freude in un sre Seele. Das \X1ört tö net, und wie eine Schar von Geistern stehen sie alle mit einmal in ihrer dunkeln t>.'iajestär allS dem G rabe der Seele auf: sie verdunkeln den reinen, heilen Begriff des WOftS, der nur ohne sie gefaßt werden konnte. Das Won ist weg, und der Ton der E mpfindung rönet. DunkJcs GefühJ übermannet uns: 116
Vgl. GELUIAUS, Axel: EnlbllJ;aJmoJ lind KBlkJil lVjlt>.-iontn iibtr dtn Vnpnmg der Dir!Jt,mg. München: Fink 1995, S. 202, der in seiner Besprechung von Klopstocks Auffassung der Inspiration eine ähnliche Dichotomie zwischen der begeisterten Anpreisung der Inspiration und einer kalkulierten D amellung beschreibt.
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H ERDER, johann Gonfried: Sii"m,llithe Werke. Bd. 1-31. H rsg. von ß cmhard Suphan.
11 &
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Bcelin: Weidmannsche Buchhandlung 1877 ff. ßd. 1, S. 397 [VeINr d;t ntllm Dtlll!the U lltraIllr. Eine Btilage!(!l dtn Britftn, dit "' lIllle U"lIemlllr bttrrJftnd (1766 / 61) ]. Ebd., S. 398. H ERDER, j ohann Gonfricd: Siin,mlh'rhe IWerke. Bd. 1-3 1. Hrsg. von Bemhard Suphan.
Berlin: Weidmannsche Buchhandlung 1877 ff. ßd. 4, S. 57 [Kritisrhe IVälder, 4. Wäldchen].
371
der Leichtsinnige grallset u nd zirren - nicht übe r Ged anken , sondern ü bet Silben, über Töne der Kindheit, und es war die Zauberkraft des Re dner s, des Dichters , u ns wiedcr zum Kinde zu machen. Kein Bedacht, ke ine Überlegung, das bloße Narurgesetz lag zum Grunde: TOll dcr EmpfindlIng soll das !yII'PatbChJfbc
GtJebbP! ill densc/ben TOll t'frsc't!lIf zo
Die Rezipiente n der emphatisc hen Kommunikation sind wieder einmal t)'pischerweise Kinder und Frauen, hier in der sensualistischen Schattierung der ,FühJ enden'. I-linzu tritt das Motiv der Einfall als seelischer Disposition zum unminelbaren Nachrichtenempfang. \Vieder handelt es sich bei den Nichtmehr-Medien der Unminelbarkeir um T öne und Gebärden. Der Beginn der Abhandlung hebt dieses Element noch stärker hervor und deduzien diese Natursprache aus dem primordialen Schrei, und zwa r inreressam erweise aus dem Scbmerzensschrei der absolmen Einfalt des Tieres. Auch hier figuriert der Schmerz [IV. 2] also als Radikal der Unmittelbarkeit. Der Text beginnt wie folgt: .,Scbon als Tier bat der NIemcb Sprache. Alle heftigen und die heftigsten unter den heftigen, die schmerzhaften Empfindungen seines Körpers, alle starken Leidenschaften seiner Seele äußern sich unmittelbar im Geschrei, in T ö ne, in wilde, unartikulierte Lame."121 Die Unrrunelbark eit erscheint hier als Schmerzensschrei, später al s "Seufzen" oder .. ächzen", al s "Ach" und als ,,0", die Interj ektion ist das Nicht-Mehr-Medium der transzendentalen Signifikate der Empjim/"ng. lZ2 Die Interjektio n ähnelt dem göttlic hen Gcis[atem, dem p"eJIII/O, insofern, als sie eine absolute Form unartikulierter Sprache darstcHt. 12l Die Interjektio n ist al s Zeic hen paradox, denn sie ist eine Repräsentation des GefUhls, "die sich zum Repräsentierten fügt, ibm jedoch nichts hinififitgt'.'24 Solche Ausdrucksformen der Empfindung, welche zu diese r nicht im Verhältnis einer Abbildung stehen, sondern mit ihr iden tisch scin sollen, die Inlerjektion, dann der Ton, die Stimme und die Nlusik wcrden fortan für Herder als Medien der UllflIille/barkeil figurieren. 125 Die T ö ne di eser ursprünglich-natürlichen Protosprache erzeugen im Rezipienten die \Xlirkung 13)
H ERDER, Johann Gonfried: Abh(Jnd/'m,g iibrr drn Urrpllln,g der Spra(ht. H rsg. von Hans Dietrich Innscher. Stuttgart: Redam 1966, S. 15f.
'"
Ebd., S. 5
112
Alle Nachweise finden sich in vielfacher Brechung auf den ersten vier Seiten der Abhandlung; I-Ierder verwendel seibsl die Bezeichnung ,Interjektion'.
Il)
Dcrrida beschreibt die Inlcrjektion im Rückgriff auf eine rein vokalisch-unartikulierte, mystische gregorianische Gesangsweise auch mit dem Bild der NeHme Vgl. DERRIDA, Jacques: Grammolologir. Übers. von I-Ians-Jö rg Rhcinbergcr und Hanns ZischJcr. Frank-
fun/ M., Suh,kamp 1994 [1967[, S. 427. 11.
So Dt:~rida über die analoge Konstruktion bei Rousseau; vgl. DERRlD,\, J acques: GraIRm(Jlo· /ogie. Ubcrs. von Hans-J örg Rheinbcrger und Hanns Z ischler. Frankfurt/ M.: Suhrkamp
1994 [1 967[, S. 349. III
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Solche, seit Vico diskutierten Sprachmodelle lassen sich mit G rob auch als mdo~nlriJfb bezeichnen; vgl. GROB, Karl: Urrplllng und Utopie. Aporirn du T e.'flu. V mNfhe '{!l H en/er Hnd Nomtü. Bonn: Bouvier 1976, S. 51.
einer unmirrelbaren Gegenwan: ,Das Won ist weg, und der T on der Empfindung röner. ' Zugleich wird die geradezu relepathisch-direkte Übertragung der Empfindung vom Sendcr zum Empf.1nger durch die Vorstellung einer sympathetischen Partizipation ko nsrruien: ,Ton der Efllpfindung sol/ das !Jmpa/he/ische GeschoPf in dmseiben Ton verse/zen'. Faszinierend ist, daß es sich bei diesem ModeU des SYfllpa/hetischm Verstehens, welches sich für das I 8. Jahrhundcn auch mir dem Begri ff der Enlpa/hie beschreiben läßr126 , um eine direkte Übertragung des Kongmialilä/stheorems in die sensualistische Diskurslogik handelt. Wo zuvor die Gortunmittelbarkeit dadurc h gewährleistet wurde, daß Sender und Empfanger an ein und demselben Geist partizipien en, wird jetzt eine unmittelbare Üb ertragung durch beidseitige Teilhabe an ein und demseJben Gifüb! suggeriert. Sehr schön läßt sich der Übergang in einer Passage Hamanns zeigen, die sich noch in einem G renzgebiet zwischen ßibelhermeneutik und Sensuali smus positio nien : D ie heiügen Männer, unter deren Nam en sie Idie heiligen Schriften] erhalten worden, wurden getrieb en durch den heiligen Geist; die göttliche E ingebung wurde ihnen in d er Verfertigung ihrer Schri ften mitgetheilt l... ]. Diese Wirkung kann GOrt keinem entziehen, der um sclbige betet, weil d er heilige Geist allen denjenigen ve rheißen ist, die d en himmlisch en Vater darum bitten. D ie Noth wendigkeit, uns als Leser in die Empfi ndungen des Schri fts tellers, d en wir vor uns haben , zu versetzen, uns sei ner Verfassung so viel wie möglich zu nähern, die wir durch eine glückliche Einbildunb'S kraft uns geben kö n nen, zu welcher uns ein D ichter oder Gesch ichtsschre iber so viel wie möglich zu helfen sucht, is t eine Regel, die unter ihrer Bestim m u ng eben so nöthig als zu anderen Büchern is t. 127
Es wird deutlich, wie das pneJIlJJa/ologische Modell einer Kongenialität im Sinne einer T eilhabe am göttlichen Geist zunehmend durch Vors tellungen einer
" Empamic iSl 1... 1 eine zunächst kognitive Kompetenz im Umgang mit den eigenen Affekten 1... 1, die es emlöglicht, daß sich der Leser nicht nur identifikatorisch an die Stelle einer fIktiven Person VerSelZ(, ihren Platz in der literarisch erlebten Situation einnimmt, sondern - weitergehend - ihre Affekle überoimmt 1... 1, selber im T ransfer von lircrarischer und aUtagsweitlicher Situation diese Affekte ,hat'." SCHÖN, E cich: Dtr VtrillJl dtr Si"nlir!JJuit odtr Dit VtfU'Pndlllngtn du uJm. Mtnlalilälnnlfldd 1800. Stuttgart K1en-Cona 1987, S. 121. In den einschlägigen Fachbibliographien finden sich für die letzten 20 jahre keine nennenswerten Veröffentlichungen zu diesem Schlagwort; .~inen Einstieg bietet FONll US, Manin: " Einfühlung, Empathie, Identifikation." In: AJllxliJcht Gnmdbtgrifft. I-liJloriJrbtJ IViirttrburh. Bd. 1-7. Hrsg. von Karlheinz Barck et al. Sturrgan, Weimar: Metzler 2000ff. ßd. 2, S. 121-143. Weitere mir bekannt gewordenen Veröffemlichungen behandeln die Thematik weitgehend psychologisch und sind in unserem Kontext nur bedingt brauchbar (vgl. etwa CROZlER, W. Rar und Pau) GREEN ~IALG H : "The Empamy Principle. Towards a model for the Psychology of Art." In: j Olm /a/ Jor IIx Tlxory oJ Sona/ BehaviolIr 22 (1992), S. 63-79; PERPEET•..Wilhe!m: " Historisches und Systematisches zur Einfühlungs3smetik" )n: ZtilJmnji fNr A Jt/xlik /Illd a//!/'!/tine }vlnJluimnJrho/i 1i (1966), S. 193-216).
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HAMANN,johann Georg: Sä""lirlx I~lrke. Historisch-kritische Ausgabe. Bd. 1-6. Hrsg. von joscfNadler. Wien: Herder 1949ff. Bd. 1, S. 8 1" Biblische Bcuachtungen'l
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e"'palhisehen Kongenialität überlagert wird: Man soll sich ,in den Geis t des Schriftstellers hineinversetzen', sich ihm so weit als möglich annähern. Dieser ,Geist' ist im Falle der Bibel das götwche Pneuma, aber diese G rö ße verwan delt sich dann zunehmend in den Geist des menschlichen Auwrs. Der Leser, der zuvor den göttlichen Hauch empfangen hatte, wird sich von nun an (und bis heure) geradezu tele-pathisch in den Psyc hengeist des Auto rs ,hin ein ve rse t, zen . Diese Vorstellung einer empfindungs-unmittelbaren Rezeptio n wird von Herder weiterentwickelt, und zwar durch das Bild der Re.ronanz zweier gleich klingender Saiten, welche dem ,Sender' und dem ,Rezipienten' der kommunikativen Handlung entsprechen: " Die geschlagene Saite rut ihre N arurpflichc: sie klingr, sie ruft einer gleichfühlenden Echo"; es handel t sich um eine direkte und passive Übertragung, welche das Bild der mitschwingenden Saiten im Aspekt der " Mechanik fühlender Körper" darstellt. l 28 Die vormoderne Logik der ana/ogio als ho",oiopolheio wird vol1ständig in Herders Musiktheorie tran sponiert. Je mehr sich die fühlenden Seelen einander angleichen, desw unmittelbarer ist die Partizipatio n am Gefühl: " Im gleichartigen In strument klingen die angeklungenen T öne am stärksten wieder", wird später in der tvl//igonel29 die Teilhabe am Gefühl geschildert, welche zu einer Art unio IIryIliea führt: "Sind also die Saiten so gespannt, dass sie aufeinander antworten, auch wenn sie nicht ausdrücklich gefragt sind, so ist der Zusamme nhang der Töne intentio nslose Identität."I30 Diese Vorstel1 ung der Sai ten resonanz transpo niert im übrigen auch ein en wei teren Aspekt der Ko ngenialität. Wenn man etwa an Augu stinus' Visio n von Ostia zurückdenkt [111. 2], dann liegt ein weiteres Charakteris tikum des kongenialen Verstehens darin, daß der Rezipiem in letzter Ko nsequenz gar keinen (medialen) Input von ,außen' versteht, sondern GOrt bzw. den Geist letz dich aus seinem eigenen Inneren ,hört'. Ganz analog impliziert da s Bild der Saitentesonanz, daß die Gefühlsschwingungen dem Rezipie nten selbst ,einwohnen'; es heißt in derselben Passage: Nicht ,von außen werden die Empfindungen der Musik erzeugt' sondern in uns; von außen kommt uns nur der allbewegcnde süße Klang, der, hannonisch und melodisch erregt, was seiner Eihig ist, auch hannonisch und melodisch erregt. Gleichergestalt wissen wir, daß die Stimme jedes gleichartigen sich dem G leichartigen vorzüglich mittheilr l... }. 131
..
HERDER, johann Gonfcied: Abl)(lIIdlNlIg iihtr dm Unpnll/g dtr Sprarhe. Hrsg. von Hans D ietrich Innscher. Stungart: Reclam 1966, erst S. 5f., dann S. 5. HERDER, j o hann Gottfricd: Knlligone. f-I rsg. von Hcinz Begenau. Weimar: Bö hlau 1955, 146.
s. uo
GROB, Kad: Unpnmg IIl/d Utopie. Apontl/ du Texte!. Vtr!lIrht ZN Hmler Nlld NO/J(lli!. Bo nn: Bo uvicr 1976, S. 40.
Ebd.
374
D er Gleichklang der homöopathisch empftndenden Seelen, welcher auf dem \Vege der Inlujekh'on als ursprüngliche, nicht-sprachliche Äußerung vo n Schmerz, Freude, Gefühl im Schrei, im Seufzen ausgelöst wird, ist demgemäß eine Kommunikarionsweise der Unm;/lelbarkeil, welche ein ganzes Bündel von Strukrurmerkmalen der geistin spirienen Kongen;aliliil übernimmt - als E mpalhie des Gefühls im resonanrischen KJang der Empfindungs-Saite im eigenen Herzen. !32 Diese IIIJlllille/bare Sprache ist zugleich Ideal der Poesie als auch der Natur: " Diese Seufzer, diese Töne sind Sprache: es gibl tJlso eine Sprache der ElJlpfindllng, die ""mille/barts Nalttrgeselz ist'. m D er T o n der Incerjektion dringt wie eine IPelle unmittelbar zum Her.len: " durch einige unsichtbare WeUen umringe ich das Herz ,mmille/bar, dringe zu ihm und reisse es fon: denn alle Saiten der Empftndung sind meine Saiten; auf ihnen spiele ich, nicht auf diesen erzitternden Fäden des armen Instrume ntes" U\ das " Herz" des Rezipienten selbst ist das "Saitenspiel" der Musik 135 - wo sie das Phantasma einer unmjrcclbaren Ben/hmng auslösen: " Töne, die in jedem einfachen Momente das Ohr mit WoUuSt in sich zieher! Töne, die in jedem einfachen Momente auf tausend neue Arten die Seele berühren und tausend neu verschiedne, aber innige, unmittelbare Empfindungen geben: Tone, die das unmittelbare Instrument auf der Seele sind" .I36 Dementsprec hend nimmt es kaum wunder, daß ein zentraler Begriff, welcher im 18. Jahrhundert die Textwirkung indiziert, au s dem Konzept einer ,mlllille/bart!l Beriihnmg abgeleitet ist - es handelt sich um den Begriff der Riihnmg. 1J7 Eine andere Variante moderner Ko ngenialität ist etwa die ro mantische AuffasslUlg einer sich selbst \'erstehenden Natur; \'gl. etwa: " D ie Narur will selbst auch einen Genuß von ihrer großen Künsw chkcit haben, und danun hat sie sich in Menschen verwandelt, wo sie nun selber sich über ihre Herrlichkeir freut"; NOVALl S; I-Irinnch ,·rm Ofltrdingtn. Ein Ro man. Hrsg. von Wolfgang Fruhwald. Sturtgart: Redam 1965, S. 27. H ERDER, Jo hann Gottfried: Abhol/dls"'g iilNr dm Urrpmng titr Sprac!Jt. Hrsg. von Hans Dietrich lrmscher. Sturtgan: Redam 1966, S. 6. H ERDER, Jo hann Gottfried: Siimm/hcht If/trkt. Bd. 1-31. H rsg. \'o n Bem hard Suphan. Berlin: Weidmannsehe Buchhandlung 1877 ff. Bd. 15, S. 224 b,Ob r-.h lcrei oder T onkunst eine größere Wirkung gewähre?" (1785)1.
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Ebd., S. 232. H ERDER, J o hann GOllfried: Siimmllicht lV'trke. Bd. 1-3 1. H rsg. von Bernhard Suphan. ßcrlin: Weidmannsehe Buchhandlung 1877 ff. Bd. 4, S. 160f. [KTiIJ5tht Wöldtr, 4. WäldchenJ . Die wechselseitige Interaktio n der beschriebenen Progranunne kommt etwa dadurch zum Ausdruck, daß Herder diese spezifische Wirkungsmachr der Tö"e parallel setzt zur 1I1usio nskraft des Bildu, und beide unter dem Begrif f der " Nachahmung" faßt (ebd., S. 161 ). Eine begriffsspezifische Darstellung liegt erst seit kurl.em vo r durch TORRA-r-.1ATI"ENKLO'IT, Caroline: Mrtaphorologit dtr Rüh"'''g. München: Fink 2002. D ie Verwendung des Begriffs der " Rührung" im Sinne einer ,innerlic hen Bewegtheit' wird im 18. J ahrhundert allgcmeinüblich. Vereinzelte fruhe Belege lassen sich (unter Vorbehalt) etwa im 16. J ahrhundert bei Luther ausmachen (vgl. GRIMM, Jacob und Wilhelm: DeN/Jelm lV'örttrbNch. Leipzig: Hirzc1: 1854ff. Ud. 8, Sp. 14 59-1470 (" ruhren'') sowie Sp . 1473- 1474 (" Rührung'') . D ie Ausweitung des Begriffs im 18. Jahrhundert integriert drei diskursive Stränge, lind zwar
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Da lOure TOflt der Nalur ifln/ Amdmcke der Leidenschaft beslin/n/I sind, so iJ/.r IInliirlich, dnß .rie auch die Elen/tl/le aller Riihnmg u'trden! Wer ists, dem bei einem zuckenden. wimmernden Gequälten. bei einem ächzenden Sterbenden. auch selbst bei einem stöhnenden Vieh. wenn seine ganze Maschine leidet, dies Ach nicht zu Herzen dringe?l18
In der /VIlIigone wird später davon die Rede sein, daß die T ö ne als "Stöße, Schläge, Hauche, \Vellen, der Rührungen und Vergnügungen" auf die Seele "Gleichartige Regungen [hervorbringt] , wie jeder die Musik beglei tende Ausdruck unserer Affekten zeigt" - "das Leidenschaftliche in uns (10 Iqy'lIlikon) hebet sich und sinkt [.. .]. J etzt wird es andringend- , jetzt zurückweichend- , jetzt schwächer- , jetzt stärker gerührt [...]. Die Musik spielt in uns ein Chlavichord, das unsre eigne innigste Natur ist.,(1)9 Die Sloß -Merapher transportiere die Vorstellung einer IIfllllillelbaren Beriihmng, welche, gleichsam mystisch, in ihrer " Quasi-Immaterialüät" auf die " Immate rialität der Seele,,14o überspringt - und damit entspricht die efllpalhiJche Gefühl sunmittelbarkeit der Rührung sehr weitgehend der basal en Struktur der Kongenialitäl de s geistinspirietten Verstehens. Solche Phantasmen der Unmittelbarkeit sind seit der Roman tik einer der tragenden Pfeilet emphati scher Ko mmunikation - es handel t sich hier übrigens um die Ko ngenialität im eigentlichen Sinn e: "Und ebe n daß wir in ihr [der ge nialischen Darstellung] den Narurgeist, der hier rein und eigenth ümJich wirk te, anerkenn en, und uns sein es, ihn unsres Geschlechts fühlen; die s mac ht uns genialische Freude. \Xlir werd en lIIilgeniali.rch (co ngenial) mit ihm, fühlen uns seiner An, er bildet in uns sein e Empfindungen, seine Gedanken."I"1 Die Radikalform der Ko nge luali[ä[ fü hrt dann zum Phanta sma [oraler Unminclbarkei[:
Bewegungsmetapher) mit dem deutschen Begriff ,rühren', (2) die mechanistischen Erk1iirungsmodeUe der Empfindung in der frühen Neuzeit (Descartes, Lcibniz etc.) sowie (3) das diskursive Umfeld einer zunehmenden Beto nung der Empfindullg. D er Beginn der theoretischen Auseinandersetzung läßt sich recht klar auf Breiringers Cn·hJcIJe DicIJtkknJ/ und das Kapitel " Von der he.nzriihrenden Schreiban " \·on 1740 datieren; vgl. ebd., S. 349. HERDER, Jo hann Go rtfried: Abhandlung iibtr den Unpnll/g der Spmchr. Hn g. von Hans D ietrich lnnscher. Snmgart: Rcclam 1966, S. 14. Vgl. auch eine analoge Stelle aus der Kolligonr. hier in der Schattierung einer saitenähnlichcn, seelischen ,Bewegung': .. D as empfindende Geschöp f fuhlt sich brwtgl, d. i. aus seiner Ruhe gebracht und dadurch \'eranlaßt, durch eigne innere Kra ft sich dieselbe wiederzugeben. Es ftihlt sich nach Verhällfliuen, mithin (JII,gtnthlll brurg/, ,gtJChu'Hn,gtll, und kann nicht anders als in solchem Verhälmis zur Ruhe wieder zurückkehren." HERDER, J ohann G o rtfri ed: Kolh"gfme. Hrsg. VO ll H einz Begcnau. Weimar: ßöhlau 1955, S. 145f.
'"
H ERDER, J o hann Gonfried: Kolligonr. H rsg. von Heinz ßegcnau. Weimar: ß ö hlau 1955, S.
40.
1060
TORRA-l"-fATfENKIDTT, Caroline: MelaplJorologir der Riilmmg. München: Fink 2002, S. 333.
'"
H ERDER, Johann Gottfried: Kolligont. Hng. vo n Heinz ßegcnau. Weimar: Böhlau 1955,
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S. 16B.
" Wie aber, soll der Dichter nicht liillsdJtn? Will nicht das Volk getäuscht se)'n ?" Von TOIlSch kommt täuschen, und allerdings täuscht mich der Dichter, wenn er mich in seinc Denkweise, in seine Handlung und Empfindung versetzt; ich lausch mit ihm die meine, oder lassc sie, so lange er wirkt, schlummern; ich vergesse mich selbst. Dem dnrslel!tlld-erziihltlldtll Dielncr folge ich willig, wohin cr mich führet; ich sehe, höte, glaube, was er mich sehen, hören, glauben macht, vcnnag cr dies nicht, ist er kein D ichter. E in G leiches isrs, mit dem Ausdruck seiner Empjindm~en; vennöge der dem Ausdruck selbst einwohnenden l\'iachr fü hle ich mü ihm. 142
Die Rezeptio nsweise der EII/pa/hie führt dann ebenfalls zur Suggestion unmittelbarer Visionen, Auditionen, Se nsationen im N ichr-mehr-Medium des GeisrGefühJ s. D as wird in dieser Passage imeressamerweise rückgebunden an die Progranunacik der Älmlichkeit: Der empa thische Gefühls-Tausch korreliert hier mit der mimologisc hen ,Täuschung' [11. 5], und beide zusammen sind nichts weniger als das ze ntrale Kriterium dichteri schen Gelingens.
Abb . 30: Die gefühlsunmittclbare Lekrüre setzt Herzen ,in Flammen'. Nothnagcl, MiiddJtlt, in ,If'/erlhm uidur' lesend. Fcdcr- und Tuschzcichnung.
J.
A. B.
---142
!-l ErnER, Johann Gonfried: Kolligonf. !-I rsg. von Hemz Begenau. \X' eimar: Böhlau 1955, S. 123.
377
Solche Verschränkungen der Programme lassen sich im übrigen immer wieder nachweisen. So wäre etwa im Hinblick auf Herders Abhandlung über deli Ur· spnmg der Spracbe nachzutrage n. daß die Unmittelbarkeit der In/njek/iM, der lebendigen S/imllle, der Musik, welche im übrigen weitgehend aus Schriften Ro ussea us und Maupertuis' amalgamiert sind,l43 nicht al s hin reichende Bestimmung des anthropologischen Sprach ursprungs und damit der poeti schen Ursprache stehengelassen werden. Das Radikal des Se ufze ns al s unmittel bare Empfmdungsäußerung verbleibt zwar stets im Hintergrund der Argumentatio n: " ln allen Sprachen des Urspmngs /ihlen noch Resfe dieser N a/urtöne"; d er T ext fahrt jedoch fort: " nur freilich sind sie nicht die Hauptf.-iden der menschlichen Sprache. Sie sind nicht die einzigen \'(Iurzeln, aber die Säfte, rue rue \VurzeJn der Sprache beleben.,,144 Herders Argumentation wird nun fortschrei ten und - in kopernikani scharbiträrer O ptik - rue Sprac he zum Ausdrucksprinzip der menschlichen Geistigkei t mac hen, so daß von einer Eifindung der Sprache im eigencllchen Sinne gar nicht mehr rue Rede sein kann. Bezeichnend ist jedoch, daß sich hinterrücks eine alternative Th eorie ein schleicht, welche, ähnlich wie bei Condillac, die ursprüngliche Sprache al s N achahmung tierischer Laure erkJ ärt. Die ersten \V/ ö rter wären demnach mim o logische E ntsprechunge n lautlicher Äußerungen. Einerseits bl eibt hier die Affini tät zum To n, zur Stimme der ln/eljek/iotl erhal te n,14S Herder bezeichn et das " GehÖf ' auch als den .,lIIitllere[nJ ' der "SitlIIe". I46 Die Argu mentation verschiebt sich dabei abervon der Ullllliltelbark ei/ der Inle'1ektion zur Ullmillelbarkei/ der Olloma/opöie, denn jetzt werden rue ersten Wörter als stimmliche Silllllialionet/ akustischer Empfind unge n aufgefaßt: " Der Baum wird der Rauscher, der West Säusler, di e Q uelle Ri esler heißen" " Das erste Wö rterbuch war also aus den La uten aller \Ve! t gesammlet." '47 Die Worte, welche keine akustischen Vorstellungen bezeichnen, wird Herder aus der Kraft der Melapher und der synästhetischen Atlalogie ableiten - und damit wird die Abhandlung über den Urspnmg der Sprache erneut unterwandert, diesmal durch rue Unmi ttelbarkeit der AiJIIlichkei/. Insge samt zeigt gerade das O szillieren von Herdcrs T ex t zwischen natursprachlicher Utopie und ihrer fo rtgesetzten Bedrohung durch eine sprachwis10
Auch bei Gortsched fIndel sich eine ganz ähnliche I-I edeitung der Poesie; "gI. G 01TSCBED, J ohann ChristOph: V trSNrh r;n(rmn;(hen Dieb/leHnsl. Faks. der 4. Aufl. Le ipzig 175 1. D armstadr: Wiss. Buchges. 1962, S. 67ff. (" Vom Urs prunge und Wachsrumc der Poesie überhaupt"). I-I ERDER, Johann Gonfried: Abhandhmg übtr drn Urspnmg drr Sprarhe. I-I rsg. \'on H ans D ietrich 1rmscher. Snmgart: Rcclam 1966, S. 9.
1~}
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Scho n \'on der B~grif(1ichkeit gehen heide Ansätze ineinander über; Herder bezeichnet o ft das Zeichen der Ahnlichkeit, die Onomatopöie, weiter als ,Inte rjektion'. !-I ERDER, Johann G onfricd: A blJandlung über den Urspmng dfr Sprarhe. H rsg. \'on H ans D ietrich Irmscher. Stuttgart: Reclam 1966, S. 57. HERDER, Johann G onfried: A bhandlung iibtr den Urspmng der Spracht. I-I rsg. \'on Hans D ietrich Innschcr. Srungan: Reclam 1966, erst S. 45, dann S. 47.
sensc haftliehe ,Dekonsrruktion'148 auf besonders prägnante Weise die Kräfte, welche im Kielwasser der modernen SprachvorsteUung vom arbiträren Zeichen, dem Zeitalter der Repräsentation , aufeinandertreffen. Die allgemeine Epistemologie hat eine unüberbrückbare Kluft zwischen den Dingen und der Sprache aufgerissen - ,U nmittelbarkeit' ist hier im eigentlichen Sinne gar nicht möglich. Die Überwindung dieser Kluft wird jedoc h zur zentralen Utopie einer genuin litermiscbm Kommunikation. Auc h wenn Natursprache, Inte~e ktio n , Onomatopöie in der allgemeinen Sprachthearie kaum noch salonfahig sind und von der zeitgenössischen Sprac hwi ssensc haft längs t begraben worden sind, schleichen sie sich wie Wiedergänger erneut in das di skursive GefUge des 18. J ahrhunderts ein - als Literatur. Literarisches Sprechen, ästhetische Wirkung werden weiterhin von ihnen durchdrungen, al s wäre man auf der Kulturstufe eines mythischen Identi tätsdenkens stehengeblieben: In der ersten Jugend der Tage, da die wenigen ßedürfniße der Unschuld und die Narur umer den noch unverdorbenen Menschen die jungen Künste erzeugten, da lebte ein l\'lädchen. I... ] Damals war der Gesang noch ein Regelloses J auc hzen der Freude. l...J Entzükt saß sie dann da und horchte (dem Gesang der Vögel]. und suchte ihren Gesang nach zulallen. Harmonischere Töne flo ssen izr von ihren Lippen. harmonischer, als noch kein Mädchen gesungen hatte I...]. Un"ennerkt schmiegten ihre Worte sich hannonisch in süßtönendem Maaß nach ihrem Gesang; voll Entzüken bemerkte sie die neue Harmonie gemessencr Wonc. Wie glänzt der Gesangvolle Hain! So fuhr sie erstaunt fo n l...J. So sang sie, und die Gegend behorchte elltzükr die neue Hannonic, und die Vögel des Haines schwiegen lind horchten. / l-.. ] ein Jüngling hatte sie lange schon in dem I-lain behorcht; entzükt srund er dann im dekenden Busch und seufzte und gieng tiefer in den Hain und suchr' ihr lied nachzuahmen. 149
Diese Passage aus Geßners Ir!Jllen (hier 1756) zeigt die beschriebene Ko nfigu ratio n in einer ganz ähnlichen Ausprägung wie bei Herder. hier wird Interjektion (das J auchze n der Freude) und Onomatopöie in unauflöslicher Verschränkung zum Jmmillelbaren Gesang der IIrspn"inglichen EmpfindlIng verklammert. Das Ideal der unmillelbaren Kommunikation wird im zeitgenössischen Schrifttum auf ständig neue Weise reimprägnicrt und avancien zur di.Jferentia specificn der Kunst - im Gegensatz zu den Verstandesbegriffen der .toten \'Vissenschaft' erscheint die .Iebendige Schönheit' als " unmittelbare Gegenwart eines Objekts
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H?
Das Prinzip setzt scho n am Anfang der Abhandtllng ein: Herder behauptet, bereits ,als T ier' habe der Mensch ,Sprache' (s.o.), zugleich gehr die Evidenz des die gesamte Abhandlung tragenden, anthropologischen Mensch+Tier-Vergleichs genau in die entgegengesetzte Richrung; vgl. GROB, Kar!: Unp,.,mg lind UJOpie. Apodtn du Texlu. Vmllr/)e i!' Hmltr lind N o/!oIiJ. Bonn: Bouvier 1976, S. 5f. GEßNER, Salomon: l41lltn. Kritische Ausgabe. H rsg. von E. Thcodor Voss. Srungart: Reclam 1973, S. 53f.
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in den Sinnen" (SchiUer).lso Zimmermann resümiert: "Unmittelbarkeit bleibt ein Optativ der Ästhetik, ist ihre Utopi e. Als solche treibt sie ästheti sche PtOzesse an , die jenseits von Sprac he Unaussprechliches verlautbar machen."lsl
4. Ausblick (Ecstasy) Die E ffekte dieser Programmatik der Unmillelbarkeit sind einander se hr ähnlich, Protokolle solcher Rezeptio nen beschreiben immer wieder aufs neue die Faszination der Überschreitung von Medialität, in der dann endlich der tme Buchstabe verstummt und der Geist, das Gifiihl, die Liebe etc. selbst lebendig wird - ein Beispiel aus der Feder Herders selbst sei zitiert: Lese r! setze dich neben mich und lies mit mir, denn der Geist, der Abbts Körper überlebt, arhmet PI in seinen Schriften: wisse ihre rodren WOrtC zur Hülle [I] zu nehmen um denselben zu erblicken [I], damit er in dich würke, und dich wie mil einem Hauche [I), belchc. Das haben die Seelen, sagt P1ato, mir den Magneten [11 gemein, daß sie einander ihre Kraft mittheilen und sich, wie in einer fortgehenden Reihe von Wundern bescelen. ls2
Hier ist das ,E rl ebnis' der Unminelbarkei t noch explizit ,pneumatisch' hergeleitet, die ,Sympathie' der Seelen wird mit dem oben besprochenen [IV. 2], platOnischen ßild l s3 der magneti schen Übertrab'tmg dargestell t, welche dann die Konge nialität herstellt. Auch in einer neueren Lekrürebeschreibu ng von Perer Weiss wird über die einen Bücher berichter: " ich spüne keinen Atem in ihnen"; die anderen Bücher dagegen vermittel n Erlebnisse aus "bildmäßigen Erfahrungen, aus Erinnerungen an Laure, Stimmen, Geräusche, Bewegunge n, Gesten, Rhythmen, aus Abgetasterem und Gerochenem, aus Einblicken in Räume, Straßen, Höfe, Gärten, Häfen, Arbeitsplätze, aus Schwingungen in der Luft, aus Spielen des Lichts und des Schartens, aus Regungen von Augen,
I~
SCI-IILLEN., Friedrich: Sämtlifbt IlYtrkt. Bd. 1-5. ~: Auf}. D annstadt: Wiss. Buchges. 1987. Bd 5: ErzäMmgtn. TbtorrliJthe Sthnfitn, S. 656 ("Uber die ästhetische Erziehung des i... lcn~ sehen in einer Reihe von Briefen", 26].
'"
Christine: Unmilltlbarletil. Theontn iibtr drn Ur$j>nmg dtr Mlisi/e lind dtr Spratbe indtr A$Ihtli/e du 18. Jahrhlmdtrls. Frankfun / M. el al.: Lang 1995, S. 167.
I~
Herder: Sä"""tlidJt IlYtrkt, ßd. 2, S. 254f. (" Über Thomas Abbts Schriften. D er Torso einem D enkmaal, an seinem Grabe errich tet. Erstes Stück. 1768J.
m
Vgl. PU T ON: lV'erkt. G riechisch und deutsch. Hrsg. von Günther Eiglcr, übers. von Friedrich D . E. Schleiennacher. Bd. 1-8. Dannstad t: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 1,5.21 (Ion,
Z IMMERMANN,
535c~536aJ.
380
VO ll
Mündern und Händen"IS4 - auffallig ist hier die Häufung der bei Herder nachgewiesenen Medien der Nic ht-Medialität (Laute, Stimmen, Geräusche,
Gesten, Blick etc.) [IV. 3] . Das folgende Zitat aus Kar! Philipp Moritz' Anion Reiser (hier 1785) betOnt dagegen die GiftihLrunmittelbarkeit einer empathi schen LektÜre: Im neumen Jahre las er alles, was Geschichte in der Bibel ist, vom Anfange bis zu Ende durch; und wenn einer von den Hauprpersonen, als Moses, Samuel, oder David, gestorben war, so konme er sich tagelang darüber betrüben, und cs war ihm dabei zumute, als sei ihm ein Freund abgestOrben, so lieb wurden ihm immer die Personen, die viel in der Weh getan, und sich einen Namen gemacht hatten. So war Joab sein Held, und es schmerzte ihn, soo ft er schlecht von ihm denken mußte. Insbesondere haben ihn ofr die Züge der Großmut in Davids Geschichte, wenn er seines ärgsten Feindes schonte, da er ihn doch in seiner Gewah harte, bis zu Tränen gerührt. m
In immer neuen Variationen wird das Phantasma der Unmittelbarkeit beschrieben; in einem Text von Stefan Andres findet sich die Besc hreibung einer Lektüre in einem bebilderten (1) Buch: Auf einem anderen Bild trar ein t..,(Önch mir ciner bittenden Gebärde in eine GcHingniszeUe, in dcr cin 1\'lann mit cntsctzten Augen auf der Pritschc saß und sich mit der Hand ins Haar fuhr. Dammcr standen die Wofte: ,Zehn Jahre Zuchthaus'. leh war oft und lange bei dcm Verurteilten in der Zelle, ließ mir von ihm crzählen, was cr getan harre, und begann mit ihm mir allerlei auszudenken, wic man sich die Zeit vertreiben könnrc.l S6 Die Lektüre hat hier also die urururrelbare Qualitä t eines visio nären E rlebnisses; auch das läßt sich bi s in akrueUe Lektürebeschreibungen nachwei sen: .,Ich identifizierte mich mit dem Helden , sah m ich an seiner SteUe Gefahren beste hen, Schmerz erleiden oder Freude erleben", berichtet ein Leser, ein anderer: " inne rlich [...} habe ich scho n immer aUes ,mitgelebt'. Oft bin ich in die Ro Ue der Figuren wirklich mit hin eingeschlüp ft, habe mitgelebt, mitgeiacht und geweint."lS7 ln einer anderen Lektürebiographie wird von einer ,unio m ys tica' berichtet: ..\'Venn ich lese, so ist es meist so, daß ich voUkommen im Gelesenen aufgehe [...). Es [ist] mir häufig so, daß ich nach Beenden des Buches die verschiedenen Personen, welche auftreten, sowie ihr Leben schmerzlich
Abgedruckt in UNSELD, Siegfried (H rsg.): Ersle UJe~Erltbnim. Frankfun / M.: Suhrkamp 1975,S. 54.
'"
MORrrt.:, Karl Philipp: AnIon RriJlr. Ein p!Jrhologisrher Roman. Snntgart: Rcclam 1972, S. 18. ANDRES, Stefan: Dtr Knobt im Brunnen. Ra/Non. München: Piper 1953, S. 319.
1~7
Selbstaussgagen \'on Lesern, zitiert in SOION, Erich: " Mentalitätsgeschichte des Leseglücks." In: u stgljjrJe. Eine vergessene Eifahrung? Hrsg. von Alfred Bellebaum und Ludwig Muth. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, S. 151 -175, hier S. 168f.
381
vermisse. «ISS Diese Beispiele sollen genügen, um zu zeigen, wie sich die bislang besp rochenen Radikale der Unmittelbarkeit bis heure in Berichten von ,visionären' Medienerlebnissen niedersc Wagen. Das Begehren der Untl,itle/barkeil bTil t also dem Erlebnis, der Erfahrung, der Visio n, d er Auditio n, der Berührung - nichts ist ihr so sehr zuwider wie die Media/ilöl. So wird dann auch immer wieder betont, man habe eben niehl ..- gelesen? - nein, verschlungen"I S9; "you get ehe feeling you are no t reading any mo re, )'ou're not reading words, you're not reading sentences, ie's as if you are completely living inside ehe siruacion.« I60 Die Programmatik der Unmittelbarkei t verwandelt die verachteten ,\'(1örter' und ,Sätze' in Erlebnis. Die Ablehnung der Bücher, der Schrift, der Medialiär ist ebenso uralt wie die Medialität selbst, sie beginnt mit der Able hn ung der buchscabenversessenen Schriftgelehrten durch den Buchscabentext des Neuen T estamen ts und ist bis heure ungebrochen. Auch wir ziehen das ,echte Erlebnis' dem Fernsehft.lm vor.\6\ Wolfram, der Verfasser des Parift}(l/, brüstet sich sogar, er könne weder lesen noc h schreiben und seine Geschichte komme demgemäß ohne mediale Stü tze aus - sie ist gewissermaßen so nackel t1l1C II/oc}; wie Mechthild im gÖttlichen Liebesbett:
GRAF, Werner: " D ie Erfahrung eies I..eseglücks. Zur lesegeschichtlichen Entwicklung dcr I..cscmotivatio n." In: u lfglikle. Eint l'trgtlJtnt Eifalmmg? Hrsg. von Alfred BcUcbaum und I..ud wig rvlm h. Opladen: Westdeutschcr Verlag 1996, S. 18 1-2 12,hier S. 194. Christian Danicl Schuban in : J)mllf!Jt Chronik. 5. Dezember 1774; abgedruckt in GOETII E, J ohal1l1 Wolfgang: lV'trkt. /·I(I,,,blffF,t rAHlg(lbt. ß d. 1-14. I-I rsg. von Erich Trunz. ~Hinch e n: neck 1988, Bd. 6, S. 528f. i\ US eincm
Interview, dokumenrien in NEU., ViclQr: LoJI in 0 Book. TIN P1JflJology ojRt(lding Jör PItOJNrr. New Haven, Londo n: Yale UP 1988, 5. 287-299, hie r 5.290.
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382
Medienkririker empfehlen seit Platon, man solle das Buch zuschlagen, den Fernseher ausschalten, und dann an die frische Luft gehen. Die Alternative zwischen ,Wirklichkeit' und ,Mediwn' implodiert jedoch bei näherem Hinsehen. Das Jf/ i rk/ifhletifmltbniI i stl et'.ttlic h ebenso codiert wie das /I'ltditntrlebms. Wer etwa meint, im Naturerlebnis erschließe sich einc Erfaruungswclt jenseits aller Mcdialitit, im; tatsächlich ist die Erfahrung der schönen Natur texrueU codiert. Enthusiastische Bergreisende tun beispielsweise nichts anderes, als kulturell co d ien e Rezeptions muster abzuspule n, welc he im ü brigen erst seit dem 18. J ahrhunden zur Verfügung stehen. Vgl. dazu GROI'I, Ruth w1d Dieter: " Von den schrecklichen zu den erhabenen Bergen. Zur Entstehung de r ästhctischen Naturcrfahrung." In: lI'1o/ldti du !Hot/mltn N olHrbtgriffi. Hrsg. von Heinz-D ieter Weber. Ko nstanz: Universitäts-Verlag 1989, S. 53-96 sowie den ,Klassiker' RnTER, Joachim: " Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modem en GeseUscha ft." In: J. R..: Subjtktil1"tiil. Frankfun / I\L Suhrkamp 1974, 5. 14 1- 163, S. 172- 190. D ie Fo lge ist, daß psychologisch inspirien e Kompensatio nstheorien ins Wanken geraten, welche eine Primärweh (\Xlirklichkeit) von einer sekundären Textsphäre unterscheiden und dann klassischerweise behaup· ten, daß man sich in Medien das ho lt, was einem die Wirklichkeit vorenthält: " Wo das reale I..cbcn zu wenig an spannungsclTegcnden Siruationen bictct, stehcn vielfältige Möglichkeiten zu ihrer künstlichen Inszenicrung bereit"; A..'\IZ, Tho mas: u 'ltrolNr Hili! L ul. Glikk uß(1 VIIIIIII beim L mn. München: Beck 1998, S. 151. D ie Medialität ist eben nifhl die schlechte Alternative zu ciner uruniuclbaren Wirklichkeit, d ie gerade aus irgendwelchen Gründen nicht zur Hand ist. Wer dic Media1ität ausschaltet, der schaltet zugleich die Wirklichkeit aus. All das ändert natürlich niehlS an der Faktizität der Unterscheid ung.
ich spraeche iu die aven tiure von. swer des von mir geruoche, der enzcl si keinem buoche. ichne kan dehemcn buochstap. da nemelU genuoge ir urhap: disiu aventiure ven ane der buoche stiure. e man si hete viir ein buoch, ich wacre c nackct anc (uoch, so ich in dem bade saeze, ob ich des 'Iuesten nichr vergaeze.162
Mechthild selbst behauptet ebenfalls: " leh enkan noch mag nit schriben, ich sehe es mit den ougen miner sele und hoefe es mit den Ofen mines ewigen geiste s".163 Die virtuellen Textgestalten, welche nur zwischen Buchdeckeln exis tieren und doch ausgerechnet die Bücher verfluchen, sind Legion; Faust beklagt den " Bücherhauf, / Den Wünne nagen" l64, und Kar! Moor aus Schilie rs Riillbem " ekelt [es] vor diesem tintenklecksen den Säkulum".165 Auch der Herausgeber von Rousseaus La nOllvelle Heloise (1761) bedauert die Verdorben heit des Romanlesens: ,,11 faut des spectades dan s les grandes villes, et des Ro mans aux peuples corrumpus. J'ai vu les mocurs de mon temps, et j'ai publie ces lertres. Que n'ai-je vecu dans un siede ou je dusse les jetter au feu!" l66 In einem Buch von Herder heißt es: " Du lerntest alles aus Büchern [... j: schlafender Jüngling, sind die \'Vorte, die du da liesest und litterarisch verstehen ler-
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WOLFRAM VON EsCH E.N8 ACU : Pa"~jl_'ill. Mittelhoch deutsch I Neuhochdeutsch. Nach der Aus&'llbe von Kar! Lachmann. Obers. von Wolfgang Spiewok. Bd. 1-2. Stungart: Redam 198 1, S. 115,24 - 116,2; Spicwo ks Übersetzung sei hinzugezogen, obwohl sie die Stelle zu frei im Sinne einer Auseinandersetzung mit Hanmanns gdehner Dichnmg übersetzt: " Wer aber will, dass ich weiterer.lähle, darf diese Geschichte keineswegs als gelehrtes Buch betrachten. Ich selbst kann nämlich weder lesen noch schreiben. Es gibt ihrer freilich viele, die Dichtung auf Bildung und Gelehrsamkeit gründen. Diese meine Geschichte fugt sieh nicht den G rundsätzen gelehrter Schulweisheit. Ehe man sie für ein Buch solcher Art nähme, wollte ich lieber nackt und ohne Bad etuch im Bad sitzen, wenn ich nur wenigstens einen Badewedel zu Hand hätte." r-.Ü1Cl rn-IILD VON MAGDEBURG:
Da1ßitßtnde ü rb, dtr GoI/heil. N ach der Einsiedler Hand-
schrift in kritischen Vergleich mit d er gesamten Üb erlieferung. Hr~g. von Hans Neumann. Bd. 1-2. München, Zürich: Artemis 1990. Bd. 1, S. 243; vgl. die Übersetzung in MECHTHI LD VON MAGDEBURG: DtlJ ßitßtlldt ü rh, der GoI/heil. Hrsg. \'on r-.-targot SchmidI. Einsiedeln et al.: Benziger 1955, S. 190. GOETHE, J o hann Wo lfgang. Werkt. l-IafllbN'J?,tr AN1l0he. Bd. 1- 14. H rsg. vo n Erich Trunz. München: Beck 1988. Bd. 3, S. 2 1 (V. 402J . SCHII..LER, Friedrich: Sämtliche lfVtrke. Bd. 1-5.8. Aufl. Dammadr: Wiss. Buchges. 1987. ßd. 1: GedirhJ!. Dramtn I, S. 502. ROUSSEAU. Jean-J acques: LI NOllvtlle Htloiit. Bd. 1-2. Hrsg. von D anie! Momet. Paris: Hachcne 1925. Bd.2, S. I.
383
nest, die lebenden Sachen, dic du sehen solltest?"1 67 Ein T ext von Schopenhauer warnt vor dem Konsum von Texten, viele hätte sich dabei sc ho n "dumm gelesen"168; und N icrzsc he bedauert in der Geburt der Tragödie, daß er sie schriftlich verfaßt hat, anstatt sie den Rezipienten musikalisch vorzutragen: "Sie hätte singet1 sollen, diese ,neue Seele' - und nicht redenl "169 RainaJd Goeez beklage im Schrifonedium: "da kö nnte ich Ihnen noch sehr viel Musik vorspielen oder Bilder vormalen zum Thema JjJace. Das täte ich gerne. Aber ich muß Worte schreiben, ich arme Sau" .170 Von daher gehört es seit jeher zum guten T on der Unmittelbarkeit, daß Texte eben alles andere sind als ,bloß Texte'. Die Unmittelbarkeit verleugnet deshalb oft die Kommunikatio nssituation. Die Entstehung unmittelbarer BOtschaften wird oft inszeniert als unwillkürliches, zuHilliges oder gar erzwungenes Z ustandeko mmen. T ypisc herweise, so geht die Fabel, sind Texte der Unmittelbarkeit überhaup t nicht für ein rez ipierendes Publikum bestimmt, sind gar nicht zu den kommunikativen Zwecken verfaßr worden, für die sie dann später - aJ s Erbauungsbuch, als Offenbarungstext, als Roman, al s ,A ugenzeugenvideo' - verwendet werden [VI. 1~3] . Sc ho n Augustinus' Conftssiones sollen ,eigentlich' ein priva tes Gebet sein und gewähren so unmittelbare Einblikke in eine ,ungc ftlterte' individuelle Zwiesprac he mir GOtt. 171 Dasselbe gilt für die mitunter fragmentarisch und erregte, uneinheidiche Formensprac he der Mystik , welche vorgibt, direkt den göttlichen Ei ngebungen zu fo lgen. Seuse etwa hat seine Vita " nach der wise [verfaßt], al s su ime dez ersten von gOte in luhten;"'72 und auch Nostradamu s' obscurantisches Ges tammel soll eine #11mille/bare \Xliedergabe seiner ekstatischen Einl euchtungen sein. Diese Sprechweisen der Unmittelbarkeit durchlau fen nun ebe nfalls die kopernikani sche Wende, werden adapticrt zur ArtikuJation der Seele, des Gcisres, de s Gefühl s. KJopstocks Gesrus der hingerissenen Erregtheit wird ,direkt' das inspirative Erlebnis reproduzieren, das sich seiner bemächtigt, und in welchem scho n der Auro rgeist eine entscheidende RoUe spielt. Die empfindsamen Briefromane sind tagesakruelle, unmittelbare Ge ständnisse des Herzens
'"
HERDER, J o hann Gottfried: AIIJgruiibltt Werkt in Eini!kINJgpbm. SdJfiftt» i!,r Litern/"r. Bd. 2, I: Kn'!iJ(1N lV'aUtr. ErsJeJ biJ ,Inltu lI'7iildclNn. Vitrlu lV'iilddxn. PprnliponJtna. Hcsg. \'on Regine O n o. Be din: Aufbau 1990, S. 506.
IM
SCHOPENHAUER, Anhur: Iflrrkt. Nach den Ausgaben letzIer Hand. Hrsg. von Ludger Lütkehaus. Bd. 1-5. Zürich: Haffmans 1991. Bd. 5, S. 480 JParergar und Paralipomcna,
29 1]. 16?
NIETLSCHE, Friedrich: Sal"tlirlN lV'trkt. KriliJclN S/liditntlIlJgphe. Hrsg. von G io rgio Colli und r..hzzino Monrinari. Bd. 1-15. Münchcn CI a1: drY, de Gm}'ler 1988. Bd. I , S. 15.
170
GOElL, Rainald: Im. Frankfun / M.: Suhrkamp 1983, S. 302.
'"
VgL H ERZ<X>, Reinhard: " Non in sua v<Xc. Augustins Gespräch mit Gon in den ,Confessiones' . Voraussetzungen und Folgen." In: DaJ Guprii{h. Hrsg. von Kadheinz Sa ed e und Rainer Warning. München: Fink 1984 (= Poetik und Hermeneutik, 11), S. 213-250.
In
SEUSE, Heinrich: DtN/JrINSrhrijten. Hrsg. von Karl Bihlme}'cr. Srungan: Kohlhammer 1907,
S. 4.
384
an Ve rtraute; auch die Kraftausdrücke der Stürmer und Dränger sind Ausru fe direkt und unge ftltert übertragener Leidenschaften. In diesem Sinne schreiben sich Ko mmunikatio nsweisen der Unmittelbarkeit ungebrochen bis in die heutige Zeit fon , ange fangen bei Kommunikatio nsformen des ,Direkten' von der Dichterlesung b is zum LrvE-Ko nzen . D as Medium der Unmittelbatkc::it ist seit dem 19. Jahrhundert zunächst die Phmographie, welche Bilder liefert, die ,unmittelbar' von der Na tur selbst geschrieben sind; dasselbe gilt dann mutati s mutandis für den Film und heutige Phänotypien virtueller lV'ellen, die über UtOpien der Unmittelbarkeit erzeugt werden. So so ll ein Gerät zur Her stellung des Cyberspace über elektronische Impulse die Auslö sung von Nervenreizen auf der Retin a ullmillelbarauslösen: ,.we can access a much higher bandwidth sensatio n b y an in fo rmation channel direcl!J' [ 0 the brain. Best of all, we can accomplish this noninvasivel y - without resorting to surgical implants."173 In diesem Sinne gilt für die heutige, audiovisuelle Medienlandschaft sicherlich eine sehr enge Verbindung zwischen UllltJillelbarkeil und SimulatioN (bereits Peirce behaup tet: ,.The only wa)' o f communicating an idea d irec dy is by mean s o f an icon"l74) [Il. 8). \'<'eil diese Formen der Unmittelbarkeit in anderem Ko ntex t bereits extensiv dargestellt worden sind, möchte ich den Fokus dagegen auf die weitere EnnvickJung der Unm ittelbarkeit im radikal sten Sinn e lege n, und zwar im Fo n wirken des I nspiratio nstheorem s im Ko ntext des kreativen bis mysti schen D rogenko nsums. Insgesamt läßt sich beobachten, daß die Psycho logisierung der 1nspiratio n, welc he im 18. Jahrh underts an Reso nanz gewinnt, während des 19. Jahrhunderts weiter fortläuft, so daß ,' '<'erke' immer mehr aus der un bewuß ten ,T iefe' de r Sub jekti vität geschö pft werden - man denke etwa an Auto ren wie E. T. A. Ho ffmann oder Mö rike. m Bei den transzendentalen Botschriften, au f die man es abgesehen hat, handelt es sich dann zunehmend um die Sphäre des Traumhaften, des Verdrängten, des Unterbewußten. D abei geraten abcr Inspiratio nstechniken in den Blick, welche vormals scho n der Pythia in Delphi bekannt und seitdem nie gän zlich aus dem Blickfeld geraten waren, und zwar der Gebrauch von Halluzillogmen, die bereits gegen Ende des 18. J ahrhunden s al s Mittel benutzt werden, welche einen unmi ttelbaren Z ugang zur Tiefe des eigenen Geistes erschließen soUen.176 Bereits RUCKER. Rudy, R. U. SIRI US und Q UEI'.." Mu: Mondo 2000. A Ustr'! GHir/t Ncw Yo rk: Thames and Hudson 1992. S. 266.
10
Ihe Nrw Edgt.
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PEIRCE, CharIes Sanders: Colltclrd Pa~rs. Bd. 1-8. Hrsg. vo n C harles Hansro ne und PauJ Weiss. Cambridge: Harvard UP 193 1ff. Bd. 2, S. 158 12.2781. Vgl. zur Ko rrelatio n \'on Unmin elbarkeil und Iko nizitär bei Peiree auch RANSDELL, Josep h: ..The Episremic Functio n of Ico nicif)' in Percep tio n." In: PtimSludin 1 (1979), S. 5 1-66, hier S. 58ff.
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Vgl. zur Inspiratio nstheorie im 19. J ahrhundert auch BLAr-.mERGER, Güntcr: DaJ GtlNimms
du Srbopjtrischen odrr: IngrniNm nl illtJIabilt? SINdien iflr U lrraluIE,urhichle der Knali,iliit Gotlhe~il llnd Modl me. Stuttgart: Metzlcr 199 1. 176
~Jchm
Vgl. MAINUSCU, H erbert: Romalll,sc!Je A jl!Jlh·/e. UIlItr1Nr!JHlIgtn iflr engl,srlNn Kkn!tlt/m du 1piilen 18. Hndfriihen 19. JahrhHlldtrl!. Bad Ho mburg et al.: Gehlen 1969, S. 65f.
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Coleridge, aufgrund eines Rheuma-Leidens zum Konsumenten von O pium geworden, schöpft mit Hilfe der Bewußtseinserweiterung aus der T iefe seiner Seele. Sein Gedicht " Kublai Khan " (1797) ist ein frühes Ze ugnis einer Ko nvergenz von lnspiratio n und D rogenkonsum, das ro mantische ,Üb erfließe n der Empfindung' ist schon hier das Produkt eines Opiwnrausc hs. Während des 19. Jahrhunderts gewinnt die Auseinandersetzung um rue Wirkungskräfte von Drogen an ßedeurung, es wird das "Zeitalter des Rausches".177 Man experimentiert mit O piaten und Haschisch, schätzt sie ein erseits als Exp onenten des exotisme (Geheimnis!), andererseits aJ s Mittel zur Offe nbarung der Seele: Narkotika erschließen auf IInmiffelbllTe \'V'eise rue Geheimnisse der psyc hisc hen Tiefe. Programmatisch wird der Drogenkonsum bereits bei Thomas de Quincey, dem " prophet o f opium" l78, und seinen Confessions 0/an Eltglish Opilflll-Ell/er (1821 / 1822). BereitS hier wird der Rückgriff auf die Traumwelr des Owgenrauschs zum inspirativen MotOr der Literatur. l nteressanterwei se stellt der T ex t selbst rue Verbindung her zwischen ein em ehedem absoluten göttlichen logos und dem Um erbewußtsein, welches jetzt die O piumvisio nen en th üllen: Auf Grund gewisser Erfahrungen mit O pium kann ich das Iden ennöglichten Z ugriff auf vergessene Erfa hrungen] glauben; ich habe dasselbe zweimal in mode rnen Büchern in Verbindung mit einer Bemerkung bes tätigt gefunden , die wahrscheinlic h richrig ist - daß nämlich das düstere Buch des Geric hts, von dem die Heilige Schrift spricht, in Wirklich keit der Geist jedes einzelnen tvlcnse hen ist. In ihm gibt es, dessen bin ich mit sicher, kein endgültiges Vetgeutll; Spuren, d ie einmal dem Gedächtnis eingeprägt wurden, sind unzerstö rbar; tause nd Z ufalle kö nnen lediglich einen Sc hleier zwisc hen unse r gegenwärtiges Bewußtsein und die geheimen Insc hriften in unserem Geist legen , und sie tun das auch . Zufalle derselben Art reißen diesen Schleier auc h wieder hinweg. Doch auf jeden Fall, ob verhüllt oder unverhüllt, bleibt die Inschrift im merdar; so wie die Sterne sich vor dem T ageslicht nur scheinbar zurückziehen, während wir alle genau wissen, daß es nur das U cht iST, das wie ein Schleier über sie gezogen wird, und daß sie nur darauf warten, wieder zum Vorsc hein zu ko mmen, sob ald sich das sie verbergende Tageslicht zurückgezogen hat. l79
Der absolute logos des göttlichen Offenbarungsbuches aus der Jo hannesapokaIypse [IV. 2] wird jetzt herangezogen, um rue l nspiration des Deliriums herzuleiten. Opium gewährt dem Dichcer unmittelbare" Z ugang zur Sphäre des Unbewußten und ermöglichr die O ffenbarung transzendentaler Signifikate. Die Schau des göttlich-pneumatischen Geheimnisses in d er Jo hann esapokalyp se wird durch rue drogeninduzierte Schau der Tiefenpsyche ersetz t, und in diem
KUPFER, Alexander. Giitf/ithe Gifte. Kleine KnIJIITgurhichte du &lIudm mt dem Gortnt Ednt. Sruttgan, Weimar: Melzler 1996, S. 39. HAYTER, Alethea: Opium ond Jht Rom(1nhf [moginoJion. Londo n: Fabcr & Faber 1968, S. 104. DE Q UINCEY, Thomas: Bekenn/nüse rines eng/isdnn OpiulJmsrn. Übers. von Peler l\hier. ~1ünc hen: dnt 1985,S. 238
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sem Sinne sind beide genuin flD'stisch. l 80 Tatsächlich beginnt mit de Quincey eine lange Reihe von AutOren und T exten, welche inspiratio durch HaUuzinogene erzielen. E. T. A. Hoffmann etwa war berüchtigt für seinen Alk oho l-A busus, und auch die Verwendung von O piaten kann nicht ausgeschlossen werden. Das Motiv ,inspirierender Getränke' durchzieht eine Vielzahl seiner Texte, etwa der T eufelswein in Die Elixiere des Teufels, welcher Visio nen und \VahnvorsteUungen auslöst; der Punsch in Der goldene Topf, welcher den Protagonisten in das Zauberreich der Poesie entrück t und so fon . 181 D emgemäß läßt sich von einer Neuentdeckung der lnspiration durch HallllrJnogene im 19. j ahrhundert sprechen, auch wenn das von seiten der Künstler selten zugegeben wird und fast immer im Halbdunkel der produktionsäst.hetischen Praxis verb leibt - offiziell bleibt der ALko hol die Leitdroge des Literaten,1 82 und der poetische Gebrauch von Halluzinogenen wird in Jiteraturtheoreti schem Schrifttum zunächst noch oft als KOII/pensation eines Mangels an ,narurlicher Inspiratio n' gewen ct. 183 Dennoc h vollzieht sich ganz allmählich ein subkutaner Wandel, der dann im 20. j ahrhunden den Gebrauch von Narkotika zur Inspiration qua ,Bewußtseinserwei terung' emanzipieren wird. Der dabei eintretende Paradigmawec hsel ist insofern revolutio när, als man die Möglichkeit der künstlichen Steuenmg von Inspiration und Unmi ttelbarkeit entdeckt. Plö tzlich ist die " Einbildungskraft" ein " Vermöge n, das sich manipulieren läßt." Nach der Ablösung Gottes und der Musen durch den atm-Geist des Genies vollzieht sich ein weiterer Schort, durch den sich die Gei stOffenbarung erstmals manipulativ herstellen läßt: ..Ein wei terer Paradigma-\VechseJ erfolgt, we nn Go[[-Natur durch küns{liehe Stimulantie n substituien werden kann , so daß sich rückblickend eine ,VerfaU s'-Geschichte der Imaginatio n vom Übernarurlich -Götdichen zum Natürlichen, schließlich Artifiziellen abzuzeichnen beginnr." I84 Dieser Prozeß
,.,
Vgl. beispielswcise die an eine ß esprecbung de Quinceys anschlicßende Beschreibung der Effekte ,sakraler Drogen' bei GEJ.I' KI!, Rudolf: Vom RPllub im Orienl ilnd O/e~jJtnl. Sruttgan : Kien 1966, S. 252ff.
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Die eher wenigen poeto logischen Aussagen im Kontext de.r drogeninduzicrten Inspiration sind - wahrscheinlich aus Gründen der Erike tte - zurückhaltender fonnulien. In· spiriercnde Mittel kö nnen die Phantasie und Einbildungskraft untersfÜ[Zen, nicht jedoch ersetzen, so lautet der T eno r der Aussagen aus Kmslmal/a und den Strapiol/sbriidt ffl. Eine aus führliche Diskussio n mit bibliographischen Nachweiscn findet sich in KUPFER, Alexander. GÖllh'r!N Giftt. Kltine IVIIIN'l,tsfhirhlt ilu RPNJtbu Jtil den/ Garltn Eden. Srungan, Weimar: j\'letzlcr 1996, S. 136-151.
'"
Hiepko spricht gar von der " mo nokuJrurellen Ode alteuropäischen Alko holismus"; H IEI'KO, Andrcas: " Phamlakopoiesis. Trunkenheit, D rogen und Rausch in der Astherik unserer Ve rgangenheit." In: RPHsdltn. Stine Phönonunologit lind Sen/anlik ZWlsdJtn Sinn lind Sli/mng. Hrsg. vo n A. H. und Ka~a Stopka. Wiirzburg: Kö nigshausen & Newnann 200 1, S. 243-254, hier S. 253.
'"
VgL SORI NG, Jürgen: " Pro\'ozien e ,G ewalt'. Zur Poeto logie des Dro genrausc hs." In: Armdia. ZrilJrJmjl fiir lY'l.lrirhendt LittralurfI-i JJtllJr!Ja/i 28 (1993), S. 142- i 57, hier S. 142f. RING, JÜfgcn: " Provo zien e ,G ewalt' . Zur Poeto logie des Drogenrauschs." In: Arrama. ZtifJr!Jnjl fiir t.'trgltirhtndt Liftra fHf1I.iJJtnJrhafl 28 (1993), S. 142-157, heide Zitatc S. 144.
387
beschleunigt sich im 20. Jahrhundert. Vor allem seit den zwanziger J ahten gewinnt die Emanzipation der Halluzinogene zum ,kreativen Gebrauch ' im makrokulturellen Ko ntext von Expressionis mus und Surrealismus zunehmend an Resonanz. Ein weiterer Schub ist die ,p sychedelische Ära', die in Huxleys KuJrbuch Thc Doors of Perception (1954) einen Meilenstein fmdet. Auch hier geht es um die Überwindung der Medialität: there is something futile, mediocrc, even f...] foppish about speech. [...J We can never dispense with language and the other symbol systems I... ]. We must Icam how to handle words effecci vel)'; bm at the same time we must preserve and, ir necessary, inrensify our ability to look at the wo rld dincl!y and not thro ugh thar half-opaque medium of concepts. 185
Wie stets wird die Sp häre des Texts, der Sprache, der Medialität, aber auch der sinnlichen Wahrnehmung verachtet, sie alle sind durch die ,Fesseln' des sprachLich-konzeptuellen Verstehens beschränkt. Dagegen figurien der O rogenrausch als Möglichkeit, direkt und "nlllille/bar zu dem "Spirit" (61 ) vorzudringen, al so die ,Türen zu öffnen '. Zie1punkt der drogeninduzienen E rkenntnis sind auch hier tran sze ndentale Signifikate, wobei der Text einen inneren Zusammenhang zwischen dem transzendentalen Subjekt und Objekt suggeriert, es geht um " that o ther, in ner divine Darum, 1.. ..1 mat Archerypal \Vorld" (38). D eren J11IIIIille/bare E rkenntni s ist eine Offel/banmg, eine " revelatio n" (39). Selbst da s Verstehen von T exten ist mit Drogen ,kJar', o hne sie dagege n ,(rü be': " I t hau been, whiJ e I read it, onl y a vague1y pregnanr piece o f nonsense. Now ir wa s all clear as da)" as evident as EucLid." (13) Dieses I",mille/bare, drogeninduzierre Verste hen wird kJar und unmißverständlich aus den Vorgaben der mystlsch-gortunmirtelbaren [IV. 2J Tradition heraus entwickelt: "Jstigkeit - wasn't that the ward Meister Eckhart Iiked ro
use" (12), heißt es etwa, es geht um "The ßeing of PI atonie philosophy" (12) oder eine "sacramental visio n of realjty" (15), es fallen Verwei se auf mystische Techniken der "Taoists" oder "Zen Buddhists" (36), auf das christliche ,.N!J(43), und der Text schließt mit dem Verweis auf die " Infused Com emplation", welche " Aguinas" am Ende seines Lebens zuteil geworden sein soU (63). Auch hier ist die ,Rückkehr' zur Einfalt ein Bestandteil der Jllllllille/baren Auffassungsgabe: "Visual impressio ns are greacly imensified and the eye recovers some of the perceprual innocence of me childhood, when the sensum was not immeriately and automatically subo rdinated ro the concept" (18). Die von Huxley und anderen entwickelte ,Philosophie des Drogenrauschs' wird sich in den fünfziger und sechziger J ahren immer weiter durch setzen; symptomatisch ist folgende Beschreibung des LSO -Rauschs durc h G insberg: slenllm Iremelldul/J"
185
388
H UXLE.Y, AJdous: The D(J(!f1 oJPrrrtplion. Hiat"" a"d Hdl Londo n: Charro & Windus 1960, S. 59, Hervo[hebungen von mir, im folgenden im Aießtext zicien.
Es war unglaublich. Ich lehme mich zuruck,lausc hte der r. .lusik und verfiel in eine Art Trancezusr.and [...} und in eine Phantasie, die d er von Coleridges Kublai Khan sehr ähnlich war. Ich erblickte in einer Vision jenen Teil meines Bewußtseins, der dauerhaft und transzendent und mit d em Ursprung d es Universums identisch erschien - eine Art von Identität mit allen D ingen - , aber in Gestalt eines klaren und kohärenten Zeichens. Auch sehr schö ne Bilder, von Göttern wie bei den H indus, die auf sich selbst tanzten. Diese D roge scheint automatisch eine mystische E rfahrung hervorzubringen .l 86
Der E insatz von Drogen erfolgt entlang den Programmariken des Geheimnisses und der Unmi/lelbarkeit. Sie öffnen die Pforten, führen ,hinter die Schwelle' [111. 11, sie gestatten, so die Basisannahme, einen direkten Kontakt zu den transzendentalen Botsc hafte n der Psyche, was sich auch in entsprechenden kreativen T echniken niederschlägt, etwa dem speed-Jllriting im Umkreis von Ginsberg und Kerouac, bei dem .. so sc hnell wie möglich und o hne Pause auf ein To nband gesprochen wurde", um reflektierende Eingriffe in den Bewußt. trom auszusc hlie ßen. '" semss Die weitere Entwicklung ist bekannt - die Hippiebewegung erbringt eine ungeheure PopuJarisierung dieser ,Philosophie des Drogenrauschs\ wobei dessen Basisannahmen ausnahmslos ein Recyc ling aus einer uralten Traditio n ist. Ironisc herweise ist das zugrundeliegende Programm der ,direkten' Erkenntnis eben wieder nur aus T ex ten abgeleitet. Das Programm selbst induziert das Phantasma der Unmittelbarkeit bei immer mehr Men schen, der Gebrauch von Narko tika wird popularisiert, man könnte sagen, ,The Door1 go POp <188, wobei dem munter halluzinierenden Publikum in den wenigsten Fällen bewußt gewesen sein dürfte, daß es weitestgehe nd Rezeptionsmuster aus der christlich-mysti schen abendländischen Tradition, obzwar in stark trivialisierter Fonn, abspult. Die Kongenialität des Events wird jetzt dadurch hergestellt, daß das narko tisierte Publikum die tran szendentalen BOtschaften in demselben spirit rezipiert, in dem die T exte entstanden sind und vorgetragen werden. Bei aller inhaltlichen Unterschiedlichkei r ist di e T echno- Kulrur der letzte Ausläufer dieser Entwicklung. Die Propheten waten noch eingeweihte ,Auserwählte' gewesen, der inspirierte Dichter hatte immerhin noch über ,Genie' verfügt. und selbst das LIVE- Ko nzert der Doors isr hierarchisch organisiert. Der T echno demokratisiert die Inspiration noch weiter in Fonn der Parry.l ff'J Ab jetzt ist jeder Partizipierende einer " raving nation" auf gleiche Weise erleuch186
,. 188
,.
Zitiert in: K UI'FER, Alexander. Go"ft!irhe Gifte. Kleine J0ilturguthirhtt de; RtJUJrlm Hit dtlll Gorten Eden. Sruttgan, Weimar. Metzler 1996, S. 220. Vgl. K UPFER, Alexander: Götflirht Gifte. Kleine J0illur;geuhirhlt du RtJuJ(htJ Jeit dtllJ Garten Eden. Sruttgart, Weimar. Metzler 1996, 5.217. Ocr programmatische Bandname ist eine Verblendung aus einer Blake-Stelle und dem Buchtitel vor. Huxlcy; vgl. JONES, Dylan:)im MorriJan. München: Heyne 1990, S. 4.(). Vgl. P OSCHARDT, Ulf: DJ-Cullurt. DiJlfjork9f und Popleullur. 2., erw. Auf). Reinbek: Rowohh 2001 , S. 336.
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te[) der " DJ " ist allenfall s "Smr umer Stars" I90, im Exzeß von Musik und EcstaD' schwimmt man "in \'(IeUen von Sympathie":91 D er Effekt det TechnoKommunikatio n ist auch hier wieder die Überschrei tung derselben Kommuni kation qua Unlllillelbarkeit. In einer bemerkenswerten Parallelität zu der oben zitienen Passage von de Quincey findet sich auch bei Goe(z eine Herleirung des ekstati schen Musikerlebnisses des RtJlle aus dem biblischen Protoryp der Partizipation an tromzendentalen Signifiktlten im Pfingsterlebnis: Die Zeit wird konunen, sprach der Herr, da ich zu den ivlcnschen sprechen werde. Und er nahm sich als Werkzeug die Members, dic da waren: ivlcmbcrs of Mayday. Er sprach: schet her und kommer, denn ihr seid alle Teil von meinem Reiche, das ko mmen soll, das kö nigreiche Königreich der Räusche und G eräusche. Dann gab er seiner tvlusik diesen Namen: Sonk E mpire. Und er führte die Hand seinen f\'lusikern an den Maschinen glücklich. Die so gemach rc J\'lusik ließ er dann pressen auf allerlei Weise, auf T onträger aller An, natürlich auch auf die Plane. Und der Herr hattc beschlossen: diese Plane da wird rulen. So so llte es geschehen. Es kam dann jedes Frühja hr und es kam jener Mayday und der folgende Sommer, und es war, wie der Herr es beschlo ssen haue, in seinem unerfindlichen Ratschluß, dies der Sonuner des Sonic E mpire der ;vlembers of Ma)'da)'. So war es bestimmt, und wie es bestimmt war, so war es geschehen. AUes geschah so. Und es geschah aJJes, im Namen des Herrn. Gepriesen sei der Name des Herrn. Denn sein Name ist groß. l?2
,U m 2000< ist de r Mf!Yd'!J das Korrelat des biblischen Pfi ngserlebnisses. In d ieser O ptik erhält die Ko mmunikatio nswe ise des RtIIlC ei ne eschato logisc he Bedeurung [V. 2], er ist im übertragenen Sinn e das anbrechende Reic h Gottes, das ,himmlische Jerusalern<. Und auch die messianische Selbstauffassung der Rnver (" Die Z ukunft ist da, und wir sind die Ersten, die sie begreifen !«193) gleicht auf verdächtige \'Veise der nahen Heilserwartung des ganz früh en Christentums. Eine neue Antwort auf eine alte UtOpie - endlich die Medialität hinter sich zu lassen: Es war die O hne-Wone-Zeit, wo wir uns in allen möglich en Siruationen immer nur so komisch anschauten mit großen Augen, den Kopf schürrclten und fa st nichts mehr sagen konmcn, außer: ohne Wone 190
J A,,'KOWSKI, Marcin: " Tanz nach zwölf. T echno als Erscheinungsform D cm ocratischcr D ccad ence Rcality." In: DelIIsdn Vitrlt!jahm rhrijl flr U leralllfUi5JtnJrboji lind CtülrJgmbicblt
73 (1999), S. 28-42, ru« S. 33.
'"
GOETZ, Rainald: Rollt. Erzlihlllng. Frankfun: Suhrkamp 2001, S. 19. GOEIi.:, Rainald: RoI!t. Erzlihtllng. Frankfun: Suhrkamp 2001, S. 79.
19}
390
J A..'1 KOWSKI, Manin: " Tanz nach zwölf. Techno als Erscheinungs fo rm D cmocratischer D ecadence Rcality." In: Deli/Irin Vimt!Jahmrhrifl flr LiJeralllfU7JJtnJthajl llnd Geü/ngurhirhle 73 (1999), S. 28.42, hicr S. 41
pf bnnal der Wahnsinn ohne Wone, echt Das war sozusagen unser Glücksgedic ht. Gemeint war damit ein Erstaunen, eine Bewunderung für das Überwältigende. Umwerfende, das simpel und unspektakulär eben doch irgendwie Monumentale der Momcme, in denen man drin war, die durch einen durch gingen, der Ausdruck des Gefühls, daß man es sich toller und abgefahrener gar nicht vorstellen konnte usw. USW. I94
Abb. 31: Eine lUustration zum Thema Drogenrausch. Interessant ist vor allem die direkte Hcrlcitung aus der Inspiracion
,.
GOErt, Rainald:
Rot't'.
Erzählung. Frankfun: Suhrkarnp 2001, S. 253.
391
V. Ursprung: D er Reiz des Archaischen
In dem begin h6 uber sin ist ie daz wort. Ö richer hort, da ie begin begin gebir! ö vadcr brust, uz der mit lust, daz wort ie vlc)z! Doch hat der schöz daz wOrt bchalden, das ist war. 1 Dcr cmschcidendc T eil einer jeden Sache ist ihr Ur-
sprung. IPotenhssima pan ullmim CIIi1l1fjllt nipn'ncipilfnJJ. 2 Den besten Bcgrif einer Sache gicht ihr Ursprung. 3
1. Ursprung zwischen Ähnlichkeit, Geheimnis, Unmittelbarkeit (Genesis/ PLA TON) Ocr Punkt des Anbeginns (arche) auracisierr beinah e jeden Diskurs in immer neuer Hinsicht, Seit jeher liefere der Ursprung Archetypen paradiesischen Zuse hnins, vom slallis na/llm/is eines Goldenen Zeitalters über die Insel der Seligen bis hin zum SchlaraffenJand." Er ko nstruiere Mythen der Begründung, t
Es handelt sich eine Passage aus d em berühmten ,Senfkom-U ed ', das im Umkreis \'on Meister Eckhan im 14. Jahrhunden emstanden i$(; hier aus GNADINGER, Louise (H rsg.): Dtllllrht MYltile. l\'lünchen: d t" 1996, S. 214 ~,l m Anfang / hoch über Verslchn / iSI jc das Won, / 0 reicher Schatz, / wo Anfang Anfang stets gebar! / 0 Vaterbrusl, / aus der mil Lust / das Won StCtS floß! / Doch h at d er Schoß / das Won bewahn, das ist wahrhaft so") .
~ PIITRUS VON BLOIS [BJesensis]: OplllrNllufI de diJlindionibNl in rOllOllll'" inlerprrlalione adhibrnrliJ, lli:~ 111 olldOrt'OIHit, SjNrNIH'" iHni rallonici. H rsg. \'o n Gonlicb A. Rcimarus, Bcrlin: Reimer 1837, S, 6; es handelt sich um den mltn SO!zscmer Distinktionensammlung.
} HERDER,Johann Gonfricd: SäH/",tlirlN lf7trkt. Bd. 1-3 1. H rsg. vo n Bcrnhard Suphan. Berlin: Weidmannschc Buchhandlung 1877ff. Bd. 12, S. 6 ]Vo", Grill dtr EbriiiJrbm POtIit (1783»), S. 6, also direkt am Affjon$ vgl. etwa: " warum mußten denn, wn dics Z weitC zu erklären , alle Augen immer nur zurückgewandl sc)'n aufs Erstc?"; ebd .• Bd. 7, S. 6 lAtlltIlt U,hmdt du
Mtnsrhtngurhluhls (1776)]. • Vgl. u. a. G Ol\'THER, Rigoberl und Rcimar MOU..ER: Dal §Jldmt bilalttr. Ulopitn dtr IltlltnütiJ(b· rii",iJ(htn Antikt. Srungan er a1.: Kohlhammer 1988; H ElD, SIefan: Chilia1l1JIIl lind AntirlmiJ· A'flJhol. Eint jriihrbriJllit!Jt Konlrot'trJl 11'" da; Hriligt und. Bonn: Borengässer 1993; COliN. Nonnan: DOJ Ringtn 11'" daJ JOflItflt!Jöhrige Rnrh. Rrvollltionärrr M tInoni1l1JIIl im Milltlalltr Hnd lein
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angefangen bei einer persönlichen Identität bis hin zu einer sinn stiftenden ko Uektiven Geschichte. So dienen Archetypen nicht nur als Generatoren einer ko mmunikativen Wirkungsmacht, sondern ganz einfach auch der Macht Ge· flea/ogiell der Abstammung verbürgen einen unlJlille/baren Blutskontakt mit der göttlich legi timierten Herrsc haftsgewalt der Patriarchen, gewähren eine mythische Ennächtigung. Eine Anleitung zum Herrschen kö nnte heißen: Usurpiere den Ursprung. Eine alte Methode der Machtergreifung ist der A/tersbeweis,5 für den im Zweifel auch Fälschungen ,authentischer' uralter Dokumente, Verträge, Dekretalien herhalten [VI. 1/ 3]. welche den Rekurs auf eine fingierte Vorvergangenheit und ei ne transzendental verbürgte potutas gestatten. Die Entsprechung im Kräftefeld der Tex te ist der Topos vom ,gefundenen Manuskript': Berei ts in biblischen Zeiten ,findet' etwa der Ho hepriester Hijalka im Tempel ein uraltes Buch, genauer das älteste, das erste Buch - die in Vergessenhei t geratene Tora: VND der Hohepriester Hilkia sprach zu dem Schreiber Saphan / Ich habe das Gesetzbuch gefund en im Hause des HERRN. [... ) Auch sagte Sapha n der Schreiber dem Könige / vnd sprach / Hilkia der Priester gab mir ein Buch / Vnd Saphan lase es fur dem Kö nige. DA aber der König höret die won im Gesetzbuch / zureis er seine Kleider [... 1 es ist ein grosser grim des HERRj'\J der vbcr vns eo tbrand l... 1Darumb / das vnser Vctcr nicht gehorcht haben dcn wonen dieses Buchs das sie thctcn alles was drinnen geschrieben ist. 6
Es wird deutlich, daß der erste T exl, der von GOtt selbst geschrieben ist, unter keinen Umständen vergessen werden darf. Daher sind kulturelle Imperative der E ,i ,1I1emng stets die medien technologischen Korrelate der Programmatik des Ursprungs. 7 Ocr Ursp ntng besitzt uneingeschränkte Geltung: "D em AnFOrlltbrn in ,ltn !llodemtn lolaliliirm ßtu.'tgllngm. Bcrn CI al.: Francke 196 1; SCUO EPS, Julius H. (H rsg.): Cmh;chlt, /It'lw;on;S»IIIS lind Ztiltnu.'tndt. Bcrlin CI al.: Philo 2000; KAMLAI'I, \Vllhelm: Ulopit, CSCholologit, Cmhirbtslhtologü. Kn'hsc!Je UllltrJllchllngtn tfI»I Urspmng lI"d tfI'" j lllllnilÜchtn Drnken dtr j\hll~it. Man nheim et al.: Bibliogr. Institut 1969. Eine Ubersicht bietet der erste T eil \'on r.,·L\HI..,. Hans-J oachim: Die Idu du goldtnen Zeitalters im IIlftrk du NOI'tllis. StIldien iJlr 117tJertsbtJl;m!llllng dtr jriihromontisdxn UJop;t lind i!' ihrrn idu ngtJchic!Jllichtn VorollsulZllngtn. Heidclberg: Wimer 1965. ) Scho n bei Hcrodo t verbindet der König Psammetichos Herrschaft und Ursprung, indem er zwei Neugeborene in absoluter Isolatio n au fwach sen läßt. Als sie dann \'on sich aus phrygisch zu sprechen beginnen, hat er den ,Beweis', daß die Ägypter ruch t das älteste Vo lk der Welt sind; vg!. H EROIX)T: Hülonrn. Griechisch-deutsch. H rsg. von Joscf Feix. München: H eimcran 6
1980,5.201 111 ,21· ß;blitl CmJl(m;co. Übers. von Martin Luther. Faks. Nachdruck d er Ausgabe Wittenberg 1545. Stungan: Wüntembergische Bibelanstah 1967, 2 Kö nige 22 [8-13).
7
Das Paradigm a wurde vor allem d urch die Arbeiten Jan wld Alcida Assmanns erschlossen; \'gl. als keinen Ausschnitt ASSMA,"1N, Jan: DOJ bllllrrlk Ctdöchlnü. Schrif t, Ennntmng lind polilücht Idtnliliil ill j riihtn Hochbllllrrn. 2. Aufl. München: Beck 1997; AssMANN, Aleida und Jan (Hrsg.) : Konon lind Znullr. l\'lünchen: Beck 1987; ASSr.lANN, Aleida und Diem eh HARTH (H rsg.): "'·[nt/IIO!)lIr. Formrn lIf/d FNII!eJiOf/(f/ dtr IeIIlfN"l/en En·nllmmg. Frankfurt / M.: Fischer 199 1; dies. (Hrsg.): KPllur als LtbtflJU'tllllnd MOf/umrnl. Frankfurt / M.: Fischer 199 1; HARTH, D iem ch
393
fan g muß von dah er eine Ursprüngüchkeit, Unableitbarkeit und Reinheit der \Xlese nsdarsteUung [... 1 zuko mmen, wie sie eben nur in dieser ersren Phase eigen sind"8; der Ursprung hat flIlclorilllJ. Und das gih nicht nur für die Praxis, sondern auch für die Theorie. Es ist ein ähnlicher Reflex der Machtergreifung, wenn T exte ihrem Thema zur Herrschaft verhelfen woUen, indem sie es im Ursprung zu verankern suchen. Wer eine Ideenlehre formuliert, der wird behaupten: Am Anfang waren die Ideen (platOn). \'Ver eine Monadologie verfaßt, der wird sagen: Das erste Prinzip des Seins ist die Monade (Leibniz). \X1er eine Theorie der Dichtkunst fonnuliert, der wird schreiben: Am Anfang war die Poesie (Opirz / Herder). Wer eine Theorie der Sinn lichkeit formuliert, der wird sage n: Am Anfang war die Empfind ung (Hume) . We r eine Th eori e des Rausches schreibt, der wird behaupten: Im Anfang war das Dionysisc he (N ietzsc he). All es andere wird man dann als se kundä.re Ableitung, als Deri vation o der ga r D epravatio n des Ursprungs erscheinen lassen: Der Ursprung ist seit jeher ein GeneratOr von Diskursen. Das Original ist und bleibt ein Ve rkaufssc hlager, die erfo lgre iche Besetzung des Ursprungs garantiert den Erfolg des ,Klassikers', von Goerhe bis hin zu N ivea. Hier interessiert die Figur des Urspnmgs im Kontext unseres Themas, der Scl bstauratisierung von Ko mmunikation. D er Abb. 32: Die Erschaffung von Himmel und Erde, der Ges tirne und Tiere, Adams und Evas. Initiale einer neapolitanischen Prachtbibel, ca. 1360.
und J an ASSMANN (H rsg.): RL/!oluhon um' AfytlJO$. Frankfurt/ M.: Fischer t 992; vgl. als ,Klassiker' HALB\vACHS, Maurice: Da] kollr1etivr Grdlichtml. Frankfurt/ M.: Fischer t 99 t [1950]. 8
RAHN ER, Karl: OlNr die S{hnflinJfJiration. Freiburg el at.: Herder 1958, S. 52.
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Urspnmg überschreitet die Kommunikation durch den Rückgriff auf den unbedingten, un-vermittelten Anfang. In dieser Hinsicht ko nvergiert er mit dem Begri ff des 1ranszendeIJlaien SignifikaIs, in den Worten Derridas ist "der Begi ff Ursprung oder 1'] fundam entales Signifikat" nichts anderes "al s eine Funktio n": Der " Punk t der N icht-Ersetzbarkeit ist auch der Orientierungspunkt des ganzen Bedeurungssystems; er ist der Punkt, an dem das fundamentale Signifikat als der Endpunkt aller Verweise versprochen und zugleich enthüllt wird als das, was mit einem Schlag das ganze Zeichensystem zerstören würde. Alle Zeichen sagen und untersagen ihn zugleich: rJ In unserem Kontext der emphatischen Ko mmunikation ist der Ursprung die Temporalisienlllg der bislang beschriebenen Programmatiken. N ur in dieser Fassung so ll das immense Feld des Ursprünglich en hier betrachtet werden: Die Ä hnlichkeit, das Geheimni s, die Unmittelbarkeit, und auch die Authentiz ität emphatischer Kommunikation - sie alle sind immer zugleich auch ursprünglich. So ist die gesamte Programmatik der Ahnlichkeil nichts anderes als eine medientechnologische Anleitung zur Wiederherstellung eines ursprünglichen Seins auf dem \Vege der Simulation. Das Interesse der griechischen /J/imesis-L.chre gilt einer primiiren \Virklichkeitssphäre der Natur, die es im Medium nach-.lUahmen gilt. Idealerweise tritt dann der Effekt der Täusc hung ein, welcher darauf beruht, daß der Rezipient nicht bemerkt, daß er es mit einer sekunddren medialen Reprä sentation zu tun hat, sonde rn der lUusion verfallt, es handele sich um ein e pri/J/äre Wirklichkeit [11. 1/3]. Dieses Prin zip läßt sich tatsächlich durch alle Variationen de r Geschichte der Simulatio n verfo lgen: Stets geht es um d ie mediale Vergegenwärtigung utspcünglich-vorb,Jängiger Sei nsgrößen. Die christl ic hen Texte und Bildwerke stellen eine Wieder-Holung des christlichen Heilsgeschehens dar [11. 4] ; Trisrans Simulationsansrrengunge n gelten dem Versuch einer Restitution der verlorenen Geliebten durch täuschend ähnliche Mediensubstirute [11. 5], und zuletz t wird die romantische Kunst dem Rezipienten die Partizipation an den ursprünglichen Gedanke n kün stlerischer Gei ster verheiße n. die sich nicht umso nst Origina.genies nennen [11_ 7] . Es wird also deutlich, daß die Größe des Urspmngs eine Temporalisiemllg der P rogrammatik der Ähnlichkeit vollzieht, die im wesentlichen immer wieder aufs neue dieselbe Geschic hte erzählt, und zwar die von der &slil"Iion einer verlorenen Präsenz auf dem \'Vege der medialen Simulation: Alle lIIimesis ist immer zugleich Re-Präsentation von etwas Vorgängigem. Exakt dasselbe gilt für die Programmatik des Geheimnisses. Denn die Begierde ist ja stets auf das ursprüngliche und unmittelbare transzendentale Signifikat hinter dem Schleier gerichtet. auch die hyponoia ist immer vorgängig [111. 1] . So ist die augustinische .Lektüre der Tiefe' den Geheimnissen auf der Spur, welche GOtt urspriinglich in die Schrift und in die Narur hineingelegt hat [111. 2] : " aUego,j' becomes [... J a vivi)'fying archaeology of occulted origins 9 D ERRIDA, Jacques: G ro//lll1ofologit. Übers. von Hans-Jörg Rheinbergcr und Hanns ZischIer. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1994 [1967}. S. 456.
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and a promissory eschatology of postponed ends". LO Es gehört zum Grundprinzip aller Offe nbarung, daß sie die Enthüllung eines vOIgängigen Hintersinns versp richt: Die Programmatik des Geheimnisses beruht auf der Reslitll/ion der ursprünglichen transzendentalen Signifikate. In der Vision von O stia erf.'ihn Augustinus die I!yponoia al s das, was schon immer in der Tiefe des Innern verborgen ist und nur freigelegt werden muß (eine Form der Ursprünglichkeit, welche sich auc h im platOnischen Modell der analllnesis findet). Dieser Rekurs auf ein ursprünglich-vorgängiges Sein läßt sich auch durch sämtliche Variationen des neuzeitlichen Geheimnisses deklinieren: Die Reiseberichte erö ffnen stets den Blick in ei ne ursprüngli ch-entlegene Sph äre [111.4] , das aufklärerisch-anthropologische Experiment wirft hier den ,nackten ' Menschen auf sich selbst zurück, mit einer klar zivilisation skritischen Spitze zeigt vor all em der exolislJle einen Naturzustand, in dem der Mensch noch im EinkJang mit der Natur exis tiert (ein Kulminationspunkt ist sicherlich Chateaubriands in ganz Europa verschJungene Liebesgeschichte zweier ,\'Vilder' in Alala Oll Les AlJlol/rs de dCllx SOl/vages dans le Deserl von 180 1). Der empfindsame Briefroman enthüllt ebenfalls eine ursprüngliche Sphäre seelischer Empfmdungen am Beispiel natürlich-unverbildeter Heidinnen, an deren Gefühlsleben der Rezipient wie unmi ttelbar partizipiert. Und der Schauerroman entfaltet seine Gehellrmisse im Rückgriff auf düster-mittelalterliche Szenerien - der Reiz des Geheimnisses kooperien ruer stets mit dem Reiz des Archaischen, \'Valpoles T ext schildert nicht zufalHg die Erjii/hmg einer uralten Prophezeiung [111. 5]. Zuletz t wird das romantisc he Kunstgeheimnis di e Rc-Präse nta tio n der ursprünglichen Seelenwelt des Genies versprechen - das wird vor :lUem am P:lradigma der Musik durchexcrzicn [111. 7-8] . Und selbst der Dcte ktiv des Kriminalromans operiert auf den Spl/ren des Verbrechen s, welches es zu rekonstruieren gilt. Z uletzt gilt der Primat des Ursprungs ebenso innerhalb der Programmatik der Ul1l11i//elbarkeil. Schon die Musen sind T öchter der Mnemosyne, gewähren dem inspirierten Rhapsoden oder Dichter eine En·nnenmg an ursprünglichgöttliche BOtscha fte n. Dasselbe gilt mutatis mutandis für die unmittelbare Partizipation inspirierter Propheten und Interpreten am vorgängigen, absoluten göttlichen logos [IV. 2] . Und auch Herder entwirft als Archetyp einer unmittelbaren dichterisc hen Ko mmunikatio n die ursprüngliche Sprac he der I nrerjekrion und der O nomatOpöie [IV. 3] . Tatsächlich ließe sich jeder einzelne bislang besprochene Text ebensogut zum Ausgangspunkt für eine Anal}'se der Programmatik des Urspmngs heranziehen. Diese fuhrt in das Räderwerk der miteinander verzahnten Programme die Unterscheidung ,primär / sekundär' ein und instruiert dabei klar in Richtung einer primären, un-bedingren Präsenz. Wie das im D etail fu nktio 10 PINEMAN, Jod : "The Structurc of thc AUcgorical D esire." In: J. F.: Tbe SNlierliti!J Effiä in Wutern u femry Trmlition. Euay TOJJ.wnJ Iht ~kIJ.Jt ofShalusptan'; I/YiJl Cambridgc/ Mass.: J\HT Press 199 1, S. 3·3 1, hier S. 6.
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niert, läßt sich an zwei Beispielen aus dem Umfeld der bislang behandelten Texte vorführen. Simulieren wir eine IJkliire des Urspnmgs, indem wir mit dem Anfang an fangen und das erste aller Biicber lesen. Man würde in dunklen , staubigen Bibliotheken nach uralten Schriften fahnd en, wie das in Holl}'wood-Filmen so o ft gezeigt wird. Schicht um Schicht würde man in diesem düsteren, unendlichen Archiv Bücher abtragen, immer tiefer in die Vergangenheit vordringen, immer vergilbter und brüchiger würden die Pergamente, immer blasser, unleserlicher und gebeimnis/JO/lerdie archaisc hen, rätselhaften Schri ftzeic hen. Am Ende würde man auf den Gnmd des Archivs sroßen - auf ein Schriftrolle, die fast zu Staub zerf.i.lIt. Es ist dieselbe Rolle, welche Hijalka schon vor Urzeiten im Tempel fand. Alle anderen Bücher sind von diesem erSten T ex t abgeleitet, es ist dos Buch, da s Buch der Bücher. Wir würden den brüchigen Papyrus entrollen und am Anfang dieses ersten aller Bücher zu lesen beginnen. Bereits im erSten Satz usurpiert der T ext die E rklärungsho heit über den absoluten Urspnmg. ,.AM anfang schuff Gott Himm el vnd E rden. Und die Erde war WÜSt vnd leer / vnd es war finster auff der Tieffe / Vnd der Geist Gottes schwebet auff dem Wasser. Vnd Gott sprach / Es werde Liecht / Vnd es ward Liecht. 1:.. 1" .11 Das Buch der Bücher, der Urspmng aller T ex te , redupliziert aJ so den Ursprung, indem es schon in seinem Beginn auf einen noch absoluteren Ursprung zurückverweist. Indem es mit dem \Vort ,Anfang' (beTtschfl, wie die genesis von den Juden genannt wird) beginnt, besetzt es zugleich diesen absoluten Anfang, die Entstehung der \X1elt. Dieser Ursprung ist dunkel, wüst, leer, tief, ein absolutes Gebeimnis nicht nur hin sic htlich seiner Requi siten, sondern auch in ihrer fundam entalen Struktur: \'Venn all! Anfang Himmel und Erde von GOtt erschaffen ,"verden, dann ist G Ott der Anfang des Anfangs - eine absolute Paradoxie, die man später auf immer neue Weise entfalten kann, vor allem durch Z irkelfiguren der IntralJSitiI/itli/: GOtt hat sich dann zum Beispiel selbst geschaffen. Ferner begegnet hier auch der GeiSt (nioh), das Requisit der Unmittelbarkeit, ebenfall s als Anfang des Anfangs: Der Atem Gones robt als furchtbarer Sturm, als schaffe nde Potenz auf der \X1elt, noch bevor sie erschaffen ist. ]2 Hiernach erfolgt eine weitere Verdoppelung des Ursprungs: Der logos des erSten aller Bücher erklärt das Geheimnis des Urspmngs der \X1e1t im Rückgriff auf einen noch ursprünglicheren absoluten logos Gottes. \'Vährend später der götdiche logos an Mittler, etwa Propheten, ergeht. findet man ihn am Punkt des absoluten Ursprungs gewissermaßen essentiell, als aJlmächcigen Schöpfungs-
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Biblip GemlonieQ. Übers. \'on ~brrin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 1545. Stuttgan: Wfuttembergis{:he Bibebnsralr 1967, Genesis 1 ( 1-4 J. Vgl. SCII ARBERT, Josef: emtn! 1-1 1. Würz burg: Echter 1983 (= Die neue Echter Bibel. Kommentar zwn Alten Testament mit det E inheitsüberserzung). S. 40.
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Abb. 33: ,N ur Worre'? Die Erschaffung der \'\Ich durch die \Xhrkungsmacht des göttlichen \'\Ion es. Aus einer Pariser Taschenbibcl, r..1itte des 13. Jahrhunderts.
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befehl. 13 Diese göttliche, welrschaffende Sprache ist offenbar mehr als Sprache (Unmillelbarkeil), denn sie erzeugt, was sie ausspricht. Wie rätselhaft sie auch sein mag, sicher ist, daß Signijikan/ und Signijikat in ihr identisch sind, miteinander verschmelzen - das wiederum entspräche einer Sprache der absoluren A.hnlichkeil. An seinem Beginn auratisien sich der Pentateuch also d urch eine O kkupation des Ursprungs, wie man sie sich radikaler kaum vorstellen kann. 14 Die Figur des Urspnmgs selbst konstituiert sich dabei ebenso über eine Paradoxie wie die bereits beschriebenen Progtammaciken und ihren UtOpien täuschend ähnlicher Zeichen (Ahl/lichkeil), kOllununizierrer N icht-Kommunizierbarkei ten (Geheimnis) und nicht-medialen BOtschaften (Unmittelbarkeit). Als Zeitform ist der Ursprung zugleich in der Zeit als auch vor al.ler Zeit; al s Kommunikationsfonn ist der Ursprung zugleich innerhalb der unendlichen Verweiskerre der Zeichen als auch un -bedingtes, abso lures Signifikat j enseits aller Ableitungen, Ersetzungen, Vertretungen und Derivationen: Der Ursprung geht aUer Medialität voram. \'
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I.
Vgl. WESTERMANN. Claus: Cennü, Ncukirchcn-Vluyn: Neukirchener Verlag 1974 (= Biblisch er Ko mmentar des AlTen T estamen Ts, I, I), S. 11 8. Man könnte mit \'ielen weiteren Beisp ielen aufwarten. So überbicTen sich auch dic E vangeliSTen gcgenseitig in dcm Versuch. die C hristusfigur durch d en Reku rs au f einen \'o rgängigen Urspmng zu auratisieren: ~'I a rkus bcginnl mit d em Rckurs auf eine prophetische Weissagung des J esaja und (wie dann auch Lukas) mit der An kündigungsfigur J o hannes des Täufers. Lukas ließ bereits einen Stammbaum fo lgen (Kapitel 3), nach dem J esus über Abraham un d Ad am direkt \'o n GOtt abstammt . Analog bcginnl Matthäus seinen T ext mit der Herleitung C hristi als N achko mmc Abrahams und d emzufolge als E rbe der an diesen ergangenen Verheißungen. Eine noch absolutere Versio n bictet dann d as berüh mte Vo r-Wo rt d es Jo hannesevangelium s. welches d en Urspmng auf ciner philosophisch -kosmischen Ebene veranken, ind em er mit den geheimnisvo U-h ymnischen Worten beginnt " IM anfang war das WOrt / Vnd das wort war ber G OIT / \'nd Gott war das Won . Das selbige war im anfang bey GOrt. AUe ding sind durch dasselbige gemacht / vnd o n dasselbige ist nich ts gemacht / was gemacht isl. J n im war das Leben / md das Leben war d as Uecht d er Menschen / vn d d as U ec.tll sch einet in der Finsternis / vnd die Finsternis habens nicht begriffen" (Wh/in C rmllmi. (0 . Übers. von ~brtin Lmher. Faks. Nachdruck d er Ausgabe Wiu cnberg 1545. Srungan : WÜIttembcrgische Bibelanslalt 1967. J o hannes I ll-5D. Diese zentrale SteUc leistet vieled ei: Zunäch st einmal schafft sie eine Rückkoppelung der E rzählung von J esus an den oben besprochencn Beginn des Pentateuch und usurpiert zwnindest implizit die G ewalt über diesen Prä-Text (vgl. i\'L\IER, G erhard: joh(Jllnes,cl!ongrlillff'. Bd. 1-2. N euhausen, Stuttgart: Hänssler 1984, S. 17). Ferner d esavo uien sie die wnfangreich e ,Won-G o ttes-ll1eologie' der alttestamentlichen Schriften (\'gl. G NILKA, Joachim: j ohanneut!angrliuI1l. Wür/.burg: Echter 1983, S. 13) und leitet sie auf deren ,E rfüllung' in C hriStuS wn. In diesem Kräftcfdd kan n dann C hristus als ,Inkarnatio n' des gönlichen Won es erscheinen - ChriStuS als ,das Wo n ' figuriert so als absoluter Urrprung und zugleich als d essen escharologischc Erftillung. Genau in diesem Sinne ist er aber interpretierbar als .,Lese-Anweisung" des T exts sclbst (\'gl. WEr.'\'GST, Klaus: Das j ohatmmf·angtIiIUH. Bd. 1-2. StulTgan et al.: Ko hlhammer 2000. Bd. 1, S. 42).
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Kommem ar wie fo lgt emfalten: Natürlich überschrei tet ein absolut ursprünglicher, flbsoillter logos die Sphäre der Sprache, denn er ist ja ungeschaffen und nicht abgeleitet; selbstverständlich stehen dann das göttliche Won und die Dinge in einem IInfllittelbflren Verhältnis zucinander, berühren einander, sind absolu t iihnlich, ja geradez u identisch. Daraus folgt ebenfalls, daß man mit den Mineln der Sprache diesen ursprünglichen, absoluten logos nicht beschreiben, erfassen kann, er ist im eigentlichen Sinne IJnflussprechlicb (Gehei",nis). \X1enn es aber gelingen würde (etwa auf den Schwingen gö rrlichen Geistes) au f die Ebene desselben Geistes vorzudringen, dann wäre das Gesehene tmnsparent auf das Göttliche hin, dann könme man direkt die transzendenealen Signifikate verstehen, sie un",ittelbar sehen, benihren, auch we nn man dieses mystische Erlebnis dann leider niemandem mitteilen könnte, denn dieser absolute logos ist seiner Natur nach unaussprechlich - und so weiter. Wichtig ist, daß die pn"'tire Sphäre des Ursprunh1'S immer privilegiert wird vor einer abgeleiteten Sekundärwelt. Der Archeryp wird einer de fi zitären Sp häre des Geschichtlichen kontrastiv gegenübergestellt und diene zugleich als diskursive Utopie. Dabei läßt sic h der Ursprung auf immer neuen Ebenen der Argumentation einführen, wie das auch im Pentateuch durchgängig der Fall ist. Z unäc hst einmal besetz t der T ext die Erklärungsgewalt über die gesamte \X1elt, indem er ihre Emstehung durch das Transzendentalsigni fikat, den Geist-Atem des jüdischen Gottes, erklärt. Eine weitere, wirku ngsmächtige Fabel des Urspru ngs wird wieder auf einer ganz anderen Ebene entwickelt, und zwar entwirft die Genesis die utopisc he T heorie einer urspn"inglithen Jignijikation. Denn vor der babylo nisc hen Sprac hverwirrung gab es nur eine ei nzige Sprache,ls welche über ein festes Band mit den Dingen verknüp ft ist, die adamitische Urspmcbe: " Denn als Gon der HERR gemach t hatte von der Erden allcrley Thier auff dem Felde / vnd allerley Vogel vnter dem Himmel / bracht er sie zu dem Menschen / das er se he / wie er sie nennet / Denn wie der Mensch allerley lebendige Thier nennen würde / so solten sie heißen. Vnd der Mensch gab ein em jglichen Vieh / vnd Vogel vnrer dem Kim el / vnd Thier auff dem Felde / seinen namen."16 In dieser Sprache ist der Signi fikant zwar nicht mehr Erzellger des Signifikats wie im göttlichen Schöpfungsakt, aber beide stehen dennoch im Verhältnis vollständiger Trallsparenz (Ahlllirhkeil) zueinander, denn Adam liest die Namen von den an ihm vorbeigeführten Tieren ab, er schaut sie sich an, um unmittelbar zu sc hen, wie sie heißen, was in der lateinischen Fassung der V ulgata klarer zum Ausdruck
U Vgl. Genesis 11, 1, sowie BoRST, Amo: Der T",,,,ball von Babrl Gescbirblt der M eimmgrn übt, Urspnmg lind V ir!falt dtrSprorbrn lind VölJur. Bd. 1-4. Sruugan: Hjerscmann 1957ff. Bd. 1, 16
S. 114-133. Bib/io Gmf/onira. Übers. von l\hnID Luthc.r. Faks. Nachdruck der Ausgabe Winenbcrg 1545. Stungan : Wümembcrgische Bibclanstah 1967, Genesis 2, 19-20.
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ko mmt: "adduxlt ea ad Adam, ut videret quid vocaret ea".11 Die Sprache bildet dabei die Welt perfekt ab, und zugleich gilt die Umkehrfunkcio n, die Welt ist vollständig lesbar [lU. 3]. Adam ist der divinatorische Leser par exceUence. Mit dieser impliziten Sprach theorie ist die Genesis ein zentraler Ausgangspunkt späterer N a/ursprachen/ehren, wie sie erwa schon bei Herder angesprochen wurde: D er UtOpie einer Sprache, welche sich ursprünglich einmal mit der N atur der Dinge deckte. Die Position des Ursprungs beherrscht aber nicht nur die Gottes- und Sprach vorstellungen des Pentateuch, so ndern sie überflutet auch seine soziale Dimensio n. Denn der Pentateuch ist nicht nur Urgeschichte (Genesis 1-11 ) im Sinne der Weltentstehung, sondern auch der Anfang der Geschichte in der Pamarchenzeit (Genesis 12-50) - daher die langen Genealogien und Stammtafeln - , und er bezeugt die uralte Herkun ft des Volkes Israel (vo r allem der Exodus). Ferner ist der Tex t das Zeugnis für den Urspmng des Bundes zwischen J ahwe und Israel, angefangen im .Alten Bund' mit Abraham und dann fo rtgesetz t in der Erneuerung des Bundes mir Mo ses am Sinai. So ist der Exodus. die Ko nstruktion des jüdischen Gottes als (Schri ft-)Geheilllnis, zugleich auc h der Augenzeuge nbericht von den unfIJilteibaren E rscheinungen Jahwes und der Begründung des Bundes in Fo rm von Ge setz und Offenbarungszel t. Prinzipiell wird diese Ursprünglichkeit auch auf den Pentateuch selbst zurückgebogen, denn zunäc hst einmal ist GOtt selbst ja der Verfasser zumindest der G esetzestafel n. Derselbe Gott, welcher das /ransZefldenlale Sigllifikat des T extes ist, ist auch der Urheber derselben Schri ft. Derselbe Atem, we lch er die Wel t geschaffen hat, inspiriert später die Propheten. Nach Auffass ung der J uden und, bis ins 17. J ahrhundert, auch der Chr isten, war Moses als erster der Propheten ja der Ve rfasser der gesam ten T ora. So ist der Exodus zugleich der G ründungsmythos der Tora, also der Ursprung seiner selbst, oder, mit Derrida zu sprechen, " sein eigener Va ter""8 1n diese m Sinne wird der ursprüngliche-intransitive Text dann zugleich zu einem norlllali"en T ext. Weil seine A uthentitfliit unbestritten ist, darf er nicht modifiziert werden, er wird fix.ierr
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Biblia Satra. [... ) / Die Heilige Schrift des Alten und Neuen T estamentes. Übers. und mit Anmerkungen versehen von Augusrin Amdt. Bd. 1-3. Regensburg, Rom: Pustet 19 14. ßd. I, S. 11. Vgl. zu diesem Zusammenhang aueh PAPE, Waher: "Heiliges Won und weltlicher Rechenpfennig. Zur Entwicklung der Spraehauffassung im 17. Jahrhundcn Oacob Böhme, Athanasius Meher, Lcibniz)." In: & /iion lind & /igiosi/ät im Zilia//ir de! Baf"Otk. Hrsg. von Dieter Breuer. Wiesbaden: Harrassowitz 1995, S. 819f.
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D ERRIDA, Jacques: C rammolo/ogie. Übers. von Hans-Jörg Rheinberger und Hanns Zischler. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1994 [19671, S. 70. Derrida hat die Figur des Vaters als Ursprünglichkeit und G egenwärtigkeir des logos auf bestechende An in dem Aufsatz "Platons Pharmazie" nachgezeichnet, wofür ihm der Mythos von Theut als Erfmder der Schrif t in Platons Phaidros als Ausgangspunkt dient; vg!. ders.: " Platons Pharmazie." In: J. D.: Disstminanon. Hrsg. von Peter Engd mann, übers. von Han s-Dieter Go nclck. Wien: Passagen 1995 [1972J, S. 69- 1%.
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durch die lVmonforlllel (,Jr solt nicht dazu thun / noch davon thun" !~ . Diesen Urspnmg gilt es über Rezeptionsformen der Erinnenmg stets neu zu vergegenwärtigen,20 das unmittelbar Gese hene und Gehörte darf unter keinen Um ständen vergessen werden ("das du nicht vergessest der Ge schieht / die dei ne Augen gesehen haben / vnd das sie nicht aus deinem herze n ko men alle dein lebenlang."2!). So fallt in diesem Kontext auch der Ve rweis auf die u!ll/Iittelbare Einsc hreibung der urspriinglichen BOtschaft in das Herz - die tOtale Aneign ung der Gesetze meint im Pentateuch noc h vor allem ihre stete Gegenwärtigkeit und Befolgung. Es wird also deudich, wie stark das T exrumfeld des Exodus, welcher oben zur Rekonstruktion der Programmatik des Geheimnisses herangezogen wurde [111. 1]. zugleich von der G röße des Ursprungs getragen wird, und wie effektiv die bislang angesprochenen Programme miteinander interagieren und vor allem ihre Evidenz gerade daraus beziehen, daß sie einander gegenseitig ergänzen und erklären. Dieselbe Übung ließe sich an jedem bisher angesprochenen Beispieltext durchführen, als zweites Beispiel sei Platons Krarylos ange führt, der oben eine wichtige Referenz zur Programmatik der / fhn/ichkeil gewesen war [11. 3]. Bei diesem Dialog handelt es sich um die griechische Variation über die Möglichkeit einer Idealsprache, in der Zeichen und Ding im Verhältnis der Ähnlic hkeit zueinander stehen. Zwei Haltungen werden kontrastiv einander gegenübergeste!Jt, die dcs Kratylos, dcr für eine lIIillle/ische Sprache plädiert, und die des Hermogenes, ei nem Verfec hter des arbiträren Zeichens, welches auf Vereinbarung (nolIlos) beruht. Zwar bezieht Sokrates für keine Positio n klar Stellung, sein e eigene Haltung blei bt eige ntümlich diffus. Z ugleich ist jedoch ein deutig, daß auch Sokrates eine mimetische Sprache bevorzugen würde, wenn es sie denn gäbe. Bezeichnend ist aber sein Vorgehen, durch das er die Sprache auf ihre Beziehung zu den Dingen hin befragt. Denn Sokrates' Methode geht zunächst einmal ganz selbstverständ lich, ohne daß es einer Erläuterung bedürfen würde, auf die Suche nach dem Urspmng der Wörter, er schreiter zurück von den abgeleite ten \Vörtern (lyslolo OflOlJlola) zu ihren Urformen, den Stammwörtern (Prolo). Wie falsch auch immer Sokrates ' Pseudo-E tymologien sein mögen, die zumeist nicht mehr al s syntagmatische Wortanalysen sind,22 fesr s[eht, daß das Ve rfahren der Erylll%gie selbst nur auf Basis einer Prämi sse Sinn mach[, die über allen Zweifel erhaben ist, daß nämlich die Sprache an
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Biblia Gtmfanira. Übers. von Martin Luther. Faks . Nachdruck d er Ausgabe Wittenbcrg 1545. Stultgan : Würtrembergische Bibelanstalt 1967, Dcutcronomiwn 12 [32J; vgl. z. B. 4[21. Vgl. vor aUem ASSMANN, J an: Da; kNllurrlle Gedächlnis. Srhrift, Erinnmmg und politischt ldtnlitiil infriihtn H(}chkNIJurrn. 2. Aufl. München: Beck 1997, S. 196-228. Biblia Germanira. Übers. von ~'lartin Luther. Faks. Nachdm ck d er Ausgabe W irtenbcrg 1545. Stuttgart: Wüntcmbergische ß ibelanstah 1967, D euterono miwn 4 [9[
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VgL GENETfE, Gerard: MiHlolcgiken. Rtise nach 1\ratJlitn. Übers. von M. von Killisch-Ho rn. München: Fink 1996 [1976], S. 23ff.
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iluem Urspmng vollkommen (er) ist - nicht umsonst heißt e()IIIOI ,wahr'.23 Dabei drängt sich eine erstaunliche Parallele auf, denn letz tlich encspricht die Suche nach dem etylllologischen Sinn exakt der Rezeptio nsweise der Allegorese [lJ. 2] , sie ist nichts anderes als deren tefl/poralisierle Fassung: 24 Der Etymologe eruiert den Hintersinn, die o/Ponoia, indem er die Sprache von ihrer geschichtlich bedingten Ko rruption reinigt und den ursprünglichen, wahren Sinn freilegr.25 Die Allegorese entspricht der Lekrüre der Tiefe, die Erymologie entsprich t der Lektüre des Ursprungs. Auf dem \'Vege der etymologischen Rekonstitution gelangt auch Sokrates zu einer Nomenklatur von onofl/ata (wie Adam, der ebenfall s Tiere mit N amen bezeichnet), die idealerweise in einem natüdkhen Verhältnis zu den bezeichneten Dingen stehen - Soh ares verfolgt dabei die Variante des phone tischen Mimologismus, die Lautmalerei (Gnomatopoit). Bezeichnend ist, daß an diesem lautmalerischen Ursprungspunkt der Sprache nicht nur die AJmlichkeil eine zentrale Rolle spielt, sondern auch das Geheimnis. Denn der Schöpfer dieser Ursprache ist nach Sokrates nicht irgendeiner, sondern ein Eingeweihter. Es kommt "nicht jedem zu, Worte einzuführen, sondern nur einem besonderen \'Vortbildner [onofllotlfl;gosj. Und dieser ist, wie es sc heint, der Gese tzgeber II
Wichtig ist, daß die Etymologie nur unter der Prämisse eine Apra entfalret. daß man vo n einer mimologischen (oder anders mOh·,.i,rten) Sprachschöpfung ausgeht. Sic vcdicrt selbstverständlich einiges \'on ihrcm Nimbus in TIlcoricko lllCXtCn, welchc auf der Arbitrnriläl des Zeichens bemhen. Vgl. zum Verfahren der Etymologic in dicsem Kontext als Überblick KLEINSCHMlDT, Erich : " Foonation und Differenz. FWlktio nale KonsleUatio nen frühneuzeitlicher Etymologik." In : Er/wmen IU/d Erinnern;n I0msl pnd U leralpr. KoUoquium Regensburg 1996. I-Irsg. von D icul1ar Peil. Tlibingen: N ic mc)'er 1998, S. 245-264; rur das Millelollrr GRUUMOLLER, Klaus: " Etymologie als Schlüsse! zur Welt ? ßemerkwlgen zur Sprachtheorie des Minc\ahcrs." In: Vtrbu", tl Signp",. Btitröge iflr ",ediönshsdxn Btdrulungifomhpng. Festschrift fur Friedrich Ohly. Hrsg. von Hans Fromm , Wolfgang Hanns und Uwe Ruberg. Bd. 1-2. München: Pink 1975. Bd. 1, S. 209-230; fur die jriiht N,pztil HARMS, Wolfgang: " Funktio ncn etym o logischcr Verfa hrenswcisen minclahedieher Tradition in der frühe n Ncuzeit." In: Milldn/lrrh·(ht Dfnle- JIIld 5rhrrib",odd/, in d" dmlsrlxn U ltralur dtrjriiJxn j\ ,frpffil. Hrsg. von W. H . und J ean-r-.·Iarie Valenrin. Amsterdam, Atlanta: Rodopi 1993 (;: Chloe, Beiheft zwn D aphnis, 16), S. 1-18; vgl. zwn Auslaufen der ,aurarischcn' Etymologie in der neuzeitlichen Sprachwissenschaft WIU.ER, Slcfan: ",überselzl: ohne Ende.' Zur Rhetorik der Etym ologie bei j ohann Amo ld Kannc." In: Das DenIern dtr 5prarlu pl/d die Pttjo,."UII/Z des Littrarisrhm pm 1800. Hrsg. von Slephan Jaeger und S. W. \X' ürz burg: Kö nigshausen & Newnann 2000, S. 11 3-130.
2~ Vgl. als Fallstudie etwa SCHLEUSENER-EICHHOLZ, Gudmn: " Biblische Namen und ihre
Etymologien in ihrer Beziehung zur AUegorese in lateinischen und mittelhochdcutschen T exten." In: Verbum tI5ig",I",. Btilrtfge iflr mtdia;.7Jhsdun B,dmtungsjomhpng. f estschrift für Fricdrich Ohly. Hrsg. vo n Hans Fromm, Wolfga ng Harms und Uwe Rubcrg. Bd. 1-2. München: Fink 1975. Bd. 1, S. 267-293. 2S
Bei Valentin Ickelsamer heißt es: "Etym ologia hcisset der ware rechte verstand I oder die außlegung " nd anzeygung des vrspmngs der wö rtcr / " nd ist in aUen sprachen I glaub ich / kawn ein lieblicher ding I dann solche Etymologias unn Compositio n der wörter erkennen vnd vcrstehn I Es ist so künstlich ding / das gcleich ettliche neffe geheimnuß allein vnter den Buochstaben verborgen liegen" ICKEU'iAMER, Valencin: " Ein Teütsche Grammanca." (1 5341. In: Vitr srl/me Srhrijim du 16. Johrbundtrls ",il tintr bish" ungtdnlr!ett n AbJkllld/pl/g Mur V o/enhnps Irk!lsanltr POI/ Fniddrh LHdll.ig Md IVflgand. H rsg. von Heinrich rcchner. Berlin: Wicgandt & Grieben 1882. Ohne Seitenangabe (Kapitelüberschrift: " Von der Teütschen wö n cr Erymologia / bedcütung vnd vrsprung").
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[nomolhetes], von aUen Künstlern unter den Menschen der sel tenste.«26 Diese Erkenntnis führt in ihrer Verlängerung zwangsläufig zu der Frage nach der voUkommenen Sprache der Götter. Ein Indiz für eine so lche Sprache finde sich schon im homerischen Schrifttum. Weil nämlich die durch die Musen inspirierten Rhapsoden in J(!1ntiflelbarefIJ Kontakt zu den gö ttlichen Botschaften stehen. f.inden sich bei Horner immer wieder Stellen, an denen im T ex t zwei Bezeichnungen angegeben würden. eine ,herkö mmlich-menschliche' Sprachbezeichnung und daneben die ,richtige', ,göttliche' (ein Beispiel: .. [...] den Briareos nennen die Himmlischen, aber Ägäon jeglicher Mensch").27 Sokrates greift diese E igentümlichkeit der homerischen Epen auf und weist darauf hin, daß sich aus diesen inspirierten Tex ten ein implizites Wissen von det vollko mme nen Göttersprache eruieren ließe, und zwar genau an den Steilen, "wo er [H omer] an denselben D ingen unterscheidet, welche N amen die Menschen ihnen beilegen und welche die Götter. O der meinst du nicht. daß er an diesen Stellen vortreffliche und wunderbare Dinge sagt von der Rich tigkeit der Wö rrer? Denn offenbar werden doch die Götter wohl vollkommen richtig mit den Wö rrern benennen, die es von Natur [p~sel] aus sind."28 Aus diesem Vorgehen der so krati schen Argumentatio n ließe sich ein G esetz destillieren, das der gesamten Argumentation zugrundeliegt: J e urspri;nglieher die untersuchte Sp rachsru fe. und je eingemeih/er die O no maturgen, des CO wahrer und natürlicher wäre die Sprac he. Damit dringt der Dialog allerdings in eine göttliche Sph äre vor. we lche (untypischerwei se) selbst dem wiß begierigen Sokrates nicht mehr geheuer ist. Ab jetzt schwebt die Argtlln entatio n in ei ner O szillatio n zwischen dem imme r lieferen E indringe n in die Geheimnisse der Ursprache und der Furchl vor einer Verletzung görclicher Erkenntn isvo rbehal te: " Aber nun laß uns, bei den G ö ttern, von den G öttern au fhö ren. denn es ängstigt mich [dedoika] , VO ll ihnen zu reden."2') Prinzipiell ist das Vordringe n in die Geheimnisse der ursprünglichen Sprache den Eingeweihten vorbehalten (zumeist in der typisch sokratischen Schattierung der ,Fac hkundige n ~, was an Fonnulierungen von Augustinus erinnert [111. 2] : "Ein wenig freilich weicht dieser Name ab und versteckt seine Bedeutung [barak/illOl. daß er nicht jedem gleich die Na rur des Mannes kundgib[. Aber denen, die sich auf Nam en ve ru PLATON: IVrrke. G riechisch und d eUfsch. Hrsg. vo n Günther E igler, übers. von Friedrich D . E. Schleiermacher. ßd. 1-8. Darmstadt: Wiss. Buchgcs. 1990. Bd. 3, S. 41 5 (Kra!)'los, 389aJ . 27 Vgl. H OMER: IIlas. 04JSsu. Mün chen: dtv 1979, S. 16 1J1ias I, 403] ; vgl. auch Jlias n, 8 13; X I V , 290; XX, 74; OtfyJJtt X, 35 und XI I, 6 1; vgl. zwn Z usanunen hang mit der griechischen Insp irationstheorie auch SCHLAFFER, Heinz: Poesie "nd IViuet!. Dit EnwrlJNng du äJtlJttiJrhtn 8 f1nl}lIstins und dtr philologurhtn E rkenntnis. Frankfun / M.: Suhrkamp 1990, S. 28. z:e PLATON : IlYtrkt. G riechisch und deutsch. Hrsg. von Günther Eiglcr, übers. von Friedrich D . E. Schlcicrmacher. ß d . 1-8. D armstadt: \'Qiss. Buchgcs. 1990 . Bel. 3, S. 423lKraD'loJ, 39 1dJ. 2\1 P LATQN: Wrrke. Griechisch und d eutsch. Hrsg. von Günther E igler, übers. von Friedrich D . E. Schleicnnacher. Bd. 1-8. Darmstad t: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 3, S. 473 IKra!)'loJ, 407d ]; vgl. S. 425 (392b] : " dergleichen ist vielleicht zu groß, als daß ich und d u es herausbringen sollten", sowie S. 453 140 1 al, S. 455 ( 401 e], S. 475 [4OSd] u. Ö.
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stehen [epaiOlIS/] , offenbart er hinlänglich, was Atreus sagen will.«30 Das Z urück schreiten zur usprünglichen, eigendichen Sprache und Bedeurung wird zum Vordringen in göttliche, verbotene Sphären ("ich [...] habe dies alles erforsc ht als ein Geheimnis [apomlon]"31). E s entspricht dann ganz dieser Logik~ wenn Sokrates bei seiner IInmillelbaren Schau der ursprachlichen Offenbarungen al s enthusiasmiertes Sprachro hr göttlicher Geheimnisse stilisiert wird: .. Allerdings, Sokrates, scheinst du o rden dich wie ein Begeisterter [enlhollsionles] auf einmal Orakel von dir zu geben [chnsmodein)."32 \Vie immer man diesen schwierigen Dialog beurteilt, dessen Argumentation ständig zwischen Affirmation und Ironie, zwischen Konstruktio n und Deko nstruktion oszilliert, so wird er doch von den Optativen der Ahnlichkeil, der Unmitlelbarkeil, des Geheimnisses und des Urspmngs getragen, die im Vergleich zur Gmesis auf andere, aber ähnlich effektive \Veise miteinander interagieren und sich gegenseitig plausibilisieren. Man könnte nun fortschreiten und dieselbe Anal yse an der allgemeinen platonischen Erkenntnislehre durchführen , in welche der Dialog ausläuft, wenn er an seinem Ende als Ausweg empfiehlt, ,zum \'(Iesen der Dingen selbst' vorzudringen,33 also die Utopie einer nariirlich -ähnlich en Ur-Sprache substituien durch eine neue Utopie eines Ur-Seins, welches sich fl och vor diesen Urspnmg einer ursprünglich-richtigen Sprache schiebt. An diese Srelle des Ursprungs würden sich nun die plato nischen Ideen setzen - lrans~nden/(Jle Signifikate, welche sich durch ihre Ahnlichkeil mit der Gegenstand swclt erkennen lassen, an deren Ursprünglichkeit sich die Seele auf dem Wege der ano/Jlf/uis erinnern und auf diese \Veise IIn/llillelbar schauen kann [11. 3]. Die Figur des Urspn,,~s markien demgemäß in beiden analysierten Te xte n, im Pentateuch und in Plarons Kra(}'los, eine Präferenz des N icht-Abgeleiteten, welch es mit den Programmatiken der Ähnlichkeit, Unmittelbarkeit und des G eheimnisses kooperiert, auch wenn die (treife der Kooperation eine jeweils spezifische und dem jeweiligen di skursiven Umfeld entsprechende ist. Der Ursprung al s Ort des erfüHten logos, des transzendentalen Signifikats oder, bei Plaron, des eidos uranfanglichen Sein s, ist gleichsam der Nabel dieser Texte, aus dem sie ,hinaustreten' und zu dem sie zugleich nicht ,zurückkehren' kö n-
30 PI..r\TON: lP'tr..tt. Griechisch und de utsch. I-I rsg. von Günther Eigler, übers. von Friedrich
D . E. Schleiennacher. Bd. 1-8. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1990. Bd. 3, S. 435 [Kra!JloJ, 395bl . 31
»L"TO N: IFI"trkr. G riechisch und de utsch. I-Irsg. von GümJler Eigter, übers. von Friedrich
D . E . Schleiennacher. Bd. 1-8. D annstadt: W iss. Buchges. 1990. Bd. 3, S. 487/ 89 [Kra!Jlos, 4 13al· 32
P UTON: lP'trkr. G riechisch und deutsch. H rsg. von Günther Eigler, übers. von Friedrich
D. E. Schlciermacher. Bd. 1-8. Darmstadt: W iss. Buchges. 1990. Bd. 3, S. 439 [Kra!)'los, 396 d ]. J)
Vgl. » LATON: IVrrkt. G riechisch und deutsch. I-Irsg. von G ünther Eigler, übers. von Friedrich D . E. Schleiermache r. ßd. 1-8. Dannstadt: W iss. Buchges. 1990. ßd. 3, S. 569 [Kra!Jlos, 439 b] : "es genüge uns aber schon, darin übereinzukommen, daß nicht durch die Wone, sondern weit lieber durch sie selbst [die Dinge] man sie erfo rschen und kennenlem en muß" .
405
nen - auch wenn dieser ,A usgangspunkt' ihr ze ntrales Thema, und die ,Rückkehr' ilu wichtigstes Anliegen ist.
2. Die Wiederkunft des Sinns (N O VALIS) Aus Logik des UrspnjlJglichen fo lgt zwangsläufig eine gewichtige Implikatio n. Überall dort, wo eine primäre, un-bedingte Sphäre gegenüber dem weiten Feld des Abgeleiteten und Sekundären privilegien wird, drängt sich unmittelbar die Utopie einer zukünftigen Restitution auf. Eine typische Ges te des Ursprungs ist die der Reform, welche etw a in der Kirchenrefo rm einen Idealzustand der ecclesia pn'l!Iitiva wiederherzustellen sucht..M Das Modell einer Rückkehr i!w/ Urspmng ist auch eines der tragenden Merkmale des Klt!fs - über Riten des Gediichlnisses, etwa der sakramentalen Eucharistiefeier, bis hin zur Pilgerfahn an topographische Punk te des Ursprungs vom islamischen Mekka bis hin zu Kultstätten moderner Fangemeinden [V. 3) . Diese Figur der lf/ieder-Holung ist eine Spiegelung der Programmatik des Ursprungs, das Pendant jeder Archäologie ist di e Teleologie. \'(Ie nn der Ursprung der Medialität vorausgeht, so markjcrt er zugleich ilucn Endpunkt, Derrida spricht daher auch von der ,archäo-tcleologischen' Fass ung der Präsenz. J5 Insofern wird der Ursprung zur tragenden G rö ße des gesamten Systems. l..crztlich beklagen alle Zeichen den Verlu st des Ursprungs und künd igen zugleich seine Wiederkun ft an. D ie Mcdialüät ist stets eine Phase der StÖrung zwi schen der arche und dem telos, welche unablässig ihre baldige Überwindung ankündigt. Daher ..gehö n in dieses Syndrom eine Bewcn ung der Endzustände und Perfe ktio nen als natürlich gu t." J6 ln dieser Hinsicht wird die emphati sc he Kommunikation überflutet von Figuratio nen der Eschatologie. Die linearzeidiche Abfo lge der G eschichte wird in diese r (gen uin jüdischchristlichen)31 Perspektive modelliert zu m ythischen Abfo lge n von E rfüllung, ~ Vgl. z. B. HELMIV\11-I, Jo hannes: "Theorie und Praxis der Kirchenrefo rm im Spärrninelaher."
In: Rofunburgtr j ahrbuchfiir Kirchmgmhichlt 11 (1992), S. 4 1-70. }} D ERRJ DA, J acques: Crammolologie. Übers. von Hans-J ö rg Rhein bergcr und Hanns Zischler. Frankfurt /r-,·I.: Suhrkamp 1994 p 9671, S. 339. :l6
LUI.IMANN, N iklas: "Sclbsu eferenz und T eleologie in gesellschaftstheoretischer Perspektive." In: Tdtologie. Hr sg. von Rüdiger Bubner et al. Gättingen: Vandenhocck & Ru precht 198 1, S. 1-30, hier S. 2.
17
Für J uden, dann Christen "bedeutet Geschichte vor allem Heilgeschehen"; d ie Vergangenheit wird als ,Ve~ prec h en ' aufgefaß t, der Fo kus liegt auf der Erfüllung in de r Z ukunfl. Im Gegensarz dazu ist man in der griechischen Antike der Meinung, " daß was imm er sich künftig ereignen wird, nach dem gleichen 101,01 ablaufen und vo n gleicher Art sein wird wie vergangenes und gegenwärtiges Geschehen." Vgl. LCwrrn, Karl: If7tllgucbichlt und Htilsgtlc~btn. Die JhtologiJrhtn VorallJJtIt!'ngm dtr CmhicblsphilofOphit. Sruttgart: Ko hlhammer 1953, hier S. 14f.
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E ntfremdung und \'Viederherstellungen des Sinn s. Phasen der ,Gottlosigkeit' führen zur ,Wel terneuerung', etwa durch die Sintflut oder apokalyptische E reignisse. Dabei ist die früh e alttestamentliche Auffassung noch geschichtsimmanent und innerweltlich: Man wird in das gelobte Land ziehen oder zurückkehren, das Königtum wird wiederhergestellt werden, Israel wird wieder
Abb. 34: D as Weltgcricht als Ziclpunkt dcr Bibellcktürc. Marinus van Rcymcrswalde: Der heilige HiefVIrynlllJ in der Zelle.
ve reint auferstehen und unter der Führungjudas herrschen - dies entspricht schon einem göttlichen Heil splan, der ,erfüllt' wird; in diesem Umfeld posi tioniert sich auch die eschatologische alttestamentliche Prophetie. 18 Aber erSt in der jüdischen Apokalyptik wird das Gericht Gottes zu einem Weltgericht, ersr hier liegt die E ndzei t}CI1seiis der Geschichte: " Die Geschichte bn'cht ab.")? Erst in dieser im eigentlichen Sinne eschatologischen Auffassu ng erfo lgt eine Auferstehung der Tmen, über die Gericht gehalten wird. Z ugleich detenniniert die Eschatologie aber die Vorstellung von der ,Anwesenheit des Geistes' im Ju~ratfltJlammlli(hen PI'Ophttit.
}8
Vgl. FOHRER, Georg: Sludien
Berlin: Töpelmann 1967, S. 32ff.
YJ
ß ULTMAo'\lN, Rudolf: CtJ(hirhlt Nfld Esrhalologie. Tübingen: Mohr 1958, hier S. 33.
407
dentum. Denn ",Aufbö ren' [...] und ,Wiederkehr' ldes GeistesJ in der Endzeit sind die beiden P ole eines gescluchtstheologischen Schemas, das o hne Zweife l für viele Rabbinen maßgebend war. Die Zeit zwi schen den beiden Po len wurde von vielen nur als Zwisc henzeit im wahrsten Sinnes des \'(Iortes verscanden , eine Zwischenzeit, die durch das Fehlen des Heiligtums, der Schechinah und des heiligen Geistes gekennzeichnet war und sich darin wesentlich von der Zeit vor der Zerstörung des erSten Tempel s und von der zu erwartenden Endzeit unterschied ."40 Auch die christliche Bewegung ist in einem apo kalyptischen Sinne aufgetreten und dürfte im jüdischen Kontext zunäc hst einmal endzei tlich verstanden worden sein.41 Die Urchristen sehen sich bereits al s ,Gemeinde der E nd zeit': "Im Urchristentum ist die Geschichte von der Eschatologie verschlungen lvorden."42 Als die E ndzeit doch nicht anbricht, interpretiert man die tempo rale Anwesenheit Gottes in Christus al s peifectJIIII pmesens:u Dagegen wird Ge schichte zur I nterimszeit zwischen Sündenfall und Erlösung, in welche die G ege nwart Christi hineinragt: "das Kö nigreich Gottes ist bereits erschienen, und dennoch steht es noch aus als ein eschaton. Diese Zweideutigkeit ist we sentlich für aUe Geschichte seit Chrisrus: die Zeit ist schon erfüll t, aber noch nicht voUende t."44 Das Sein der Kirche osziHiert zwi schen dem " N icht mehr" und " Noch ni cht" .45 Di e neutestamentliche Eschatologie übe rnimmt dabei das Modell der jüdisc hen Apokalyptik, demzufolge die Wiederkun ft des Sinn s in ein em J enseits stattfindet, welches man in ein er Sphäre außerhalb der hi sto ri schen Zeüfolge plaziert. In der (nicht-mchr-zeitlichen) End zeit der Apo kalyp se wird der absolme gönliche logos zurückkehren. Das Mu ster der zuk ünftigen Resti tution ein es ursp rünglich en Sinn s läß t sich in immer neuen Variationen aufberei ten. In der chiliasti sc hen Versio n (nach Apokalyp se 20, 1-10) geht man davon aus, daß am E nde de r Geschic hte das tausendj ährige Reich Christi anbricht, nach dem dann die eigentliche Endzeit ansetzt. Augusrinus entwirft eine Theorie der sieben Weltalter. welche den
.W)
41
4~
SCHAFER, Peter: Die Vontrllllng t'OH' Hriligen Grill in der rabbinildNn u ltralilr. Mi:inchen: K ö sel 1972, S. 143. Vgl. (OHN, N o rrnan: Das Ringtn
das (Q/IStIll!jlihrige Rriro. RrI'O/lItionärtr Mr.snaniSl/IllS i nl Mitlda/lrr "nd Irin Fort/rbtn in dln l1Iodtrorn lolu/illi"n Btu.'tg"ngtn. Bem, l\-I ünchen: Francke 196 1, S. 15; BULTMANN, Rudolf: Gmhirble lind bdJolowgit. Tübingen: Mohr 1958. S. 36. Ebd., S. 42. 11111
o D as läßt sich auch dadurch zeigen, daß die eschatOlogische Komponente in d er ganz früh en Überlieferung u nd Redaktio n o ffenbar vers tärkt wird; vgl. etwa K LEIN, Günter: ",D as wahre Jj cht scheint schon.' Beobachtungen zur Z eit- und G eschichlscrfahrung einer urchristlichen Sch ule." In: Zrüsrbriji flir Thtowgit lind Kirrhe 68 (19 71), S. 26 1-326. 01-1
LOW1TH, Karl:
1f/ e/lgtJcbichlt lind Hti/sgesdN/)tn. Die Iheologisrbtn Vorallm l'{!'ngen der GmbidJls-
philosophie. Sru trgan: K o hlhammcr 19 53, S. 172. 4}
BULTMAt'l N, Rudo lf: Gtsrhirbte lind Esthal%git. Tüb ingc.n: Mohr 1958, S. 56.
408
Weg der Kirche zum Gorresreich durchlaufen .46 Neuzeitliche Beispiele eines solche n eschatOlogischen Geschichtsbildes wären etwa Rousseaus VorsteUung von einem ursprünglichen Narur.tustand , dem Prozeß der kulturellen ,E ntfremd ung' und der UtOpie einer Restitution eine r naturgemäßen E xistenz. Fichtes Gmnd'{!lge des gegemllörtigen Zeitalters (1806) interpretien Geschichte als Erfüllung eines Plans, welcher in einer Reih e von Srufen die E inrichrung der mensch lichen Freiheit und Vernunft ver fo lgt:. Und Hegels D ial ektik ist letztlich .,eine Vermittlungsbewegung zwi schen zwei erfüllten Präsenzen. D ie esc hatologische Parusie ist zugleich Präsenz des erfüll ten \Xfon es, das all seine Differenzen und Artikulationen im Selbstbewußtsein [...] des Logos resümien ."47 Auch Marx' Gesellschaftstheorie ist von der Figur der Heil sgeschichte ge rragen, erst spä tere Schriften N ietzsches versuchen sich an einer D estruktion der E schatOlogie.48 Dennoch schleichen sich eschatOlogische Vorstellungen bis in aktuelle Theorien ein; ein Beispiel wäre McLuhan s Understanding Media (1964) und seine Interpretatio n der e1ekrrorusche n Medien als ,Rückkehr' zu ursprünglichganzh eitlichen Signiflkarionsweisen.49 Parallel zu den Lehren ultltgeschichtlicher Eschatologie konstituiert dasselbe Muster die Schreibp rogramme ifldillidl(olgesc hichtlicher Biographik. Schon Empedokles behauptet in den Kath(/f7lloi (- Reinigu nge n, ,... 460-440 v. e hr.), früher habe ihm ein göttliches \X'esen ei ngewohnt, aber durch ,Schuld' sei es aus ihm entwichen, weswegen e r ho ffe, sich auf einem langen Wege der Reinigung wieder in den ur sprünglichen Z ustand erh eben zu kö nnen, daß also das göttli che Wesen eines fe rnen Tages zu ihm zurückkehren werde - ein Muster, welches c r zugleich als exemplarisch für all e großen Menschen dcmet. Auch im biblischen Kontex t entsp rechen die Stufe n der Einweihung in die göttlic hen Geheimnisse auch der Vorstellung eines allmählichen Aufstiegs zu GOtt, die dann ideal typisch in der Verklärung im Auge nblick des Todes kulminieren . D ie christliche Hagiographie und M ystik rep roduziert immer wieder aufs neue Ko nstruktio nen eines .Stufenwegs' zur ab so lut-unmittelbaren IInio. welch e mit der sündigen Verfehlung beginnen und sich dann über eine Abfolge von Perfektionen in die Höhe zu GOtt schrauben - so wird d as menschliche Leben im Bild eines If/egs gefaßt, auf welchem die Seele zu GOtt heimkehrt, wie es etwa in Bonaventuras llinem n'lIl1J lIJentis in D el(lIJ (1259) der Fall
.j(o
Eine ganze Reihe \'o n ModeUen wird diskuricn in ß ULTMANN, Rudolf: GtJthi(/Jle und E!r/Jalotogie. T übingen: ~'I o hr 1958, sowie LöwlTu, l
n D ERRI DA, Jacques: GmlJlmalotO[je. Übers. von Hans-J ö rg Rheinbergcr und l-bnns Z ischlcr. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1994 [1967), S. 423.
'" Vgl. BIR US, Hendrik: " Apokalyp se der Apokal}'psen. N ietzsches Versuch eine.r Destrukrio n aller Eschatologie." In: Da! Ende. FigNrln finer Dmliform. Hrsg. von Karlhcmz Srierlc und RaineTWarning. München: Fink 1996, S. 32-58.
M CL Ul-IAN, MarshaU:
Unders/anding Mtdia.The Extension! 0/Mon.Lando n, New Vork: Roudcdge
200 1 11 96 4 1.
409
ist. 50 Der Lebenslauf des Mönchs wird verstanden als Gottsuche, al s qlwerere Dellllr. " Häufig werden zur Rec htfertigung seines ganzen Tuns escha tologisc he Gründe angegeben."sl Im weitesten Sinne um faßt die ,l ndividual ~Eschatolo~ gie' aber alle Schreibprogramme, welche Geschichten der menschlichen .A bir~ rung' und ,Rückkehr' reproduzieren. Eines der ältesten Motive dieses Muste rs ist das der Entfernung und der Hei",kehr - Odysseus ist hier der berühmteste Archeryp, eine Alternante ist der Aspekt der ,Suche nach der eigenen H er~ kunft' - etwa in der Geschichte von Ödipus. Die Geschichten über die Weltzeiralter und den Stufen der perso nalen Biographik werden sicherlich hi stOri sc h auf immer neue und umerschiedliche Weise aufbereitet. Gemein ist ihnen hingegen, daß sie die Entfaltung ihrer Narrationen auf dem Modell dreier aufeinanderfolgender Stadien aufbauen: Auf den (1) Ursprung folgt der (2) Abfall, hiernach erhofft man sich die (3) Restitution. Mit D errida läßt sich nun anschließen, daß alle die se Gesc hich ~ te n zugleich eine Mediologie implizieren. Im Rückgriff auf die Ausführungen zum Thema ,U nmittelbarkeit' läßt sich dann extrapolieren, daß auf das Stadium einer (1) ursprünglichen Un",iflelbarkeil die (2) Sphäre des Abfalls, der bloß abgeleiteten Nledia/iliil folgt, welche dann wieder in die (3) Un",illelbarkeit der Sinnresritution überfühn werden soll. Derrida hat dies am Beispiel einer um ~ fa ngre ichen Roussea u ~Le krüre in der Gra",,,,alologie vorgefühn. Die n ostalgi ~ sehe und zugleich utopisc he Sehn sucht gilt im rousseauschen Textkosmos den U[s prü nglic h ~ unmi((e l baren G rößen der Natur (vs. Kultur), der Kindheit (vs. Erwachsenem), der Anill/alität (vs. Zivilisation), dem Geflihl (vs. Rati onalität), der Stim",e (vs. Schrift), dem Orient (vs. Okzident) und so fo rt, an die es z"nkkiJlkehrelf brilt. Derrida zeigt zwar, daß Rousseau der Ursprung immer wieder zu enrgleitcn droht, weil die Dekadenz immer auch den inauguraJen Anbeginn zu crfassen droht. Das liegt in der Logik der Sache, denn die Paradoxie besteh t darin , daß der unmittelbare Ursprung immer vermi ttel t, und demgemäß abgeleilet sein IIIIIß - die Vor-Zeit ist ja ebenso in der Zeit, wie die Un-Mittclbarkeit im Medium. Ursprung, Unmittelbarkei t sind paradoxale UtOpien, als O ptative werden sie jedoch fo ngeschrieben. Der "Wunsch nach dem Ursprung wird zu einer unerläßlichen und unzerstörbaren Funktion, die jedoch eingebettet ist in eine Syntax ohne Ursprung. Rousseau möchte die Ursprünglichkei t von der Supplementarität (rennen. Er hat alle von un serem Logos konstituierten Rechte auf seiner Seite: es ist undenkbar und unduldbar, daß, was den Namen Ur· spnmg hat, nur ein in das Sys tem der Supplememarität eingebetteter Punkt sein so Sogar die flm irNlo der mütelalterlichen Bildung durchschreiten in d em vorgeschriebenen rächerkanon eincn ,Srufenweg', der sein Ziel in der ,Heimkehr' zur Heiligen Schrift bzw. d er Gottcscrkenntnis findet; vgl. MELVILLE, Gen: "Wozu Geschichtc schreiben? Stcllung und Funktion der Historie im r-,'Iittelalter." In: Formrn dff Cmhirhlurhrtibung. Hrsg. von Reinhard Kosclleck, Heinrich Lutz und J ö m Rüsen. München: dfV 1982 (= Thcoric der Geschichte, 4), S. 86- 146, hicr S. 9 1. SI LEcLERCQ. Jcan: IViSJtnJrhtif/ und COIIl!t:rlongrn. Zur MiinrhJt!Jtologie des MillelolJm. Düsscldo rf:
Pannos 1963, S. 28.
4 10
SO II .
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Die Größe des Ursprungs ist in dieser Hinsicht nichts anderes als das Phantasma einer Überschreitung der Medialität und konvergiert an dieser Stelle mit der Unmittelbarkeit: "Der Begriff der Unmittelbarkeit, sei es die Unmittelbarkeit der Empfindung, die Unmittelbarkeit der Verständigung oder die unmittelbare Wirkung eines Mediums, dieser Begriff ist stets mit dem des Ursprungs verknüpft."s3 Wenn die Erzählungen von der Restitution des Ursprungs immer zugleich auch die Überwindung der Medialität versprechen, dann sind sie aber zugleich lesbar als Leseanweisung, die auf immer neue Weise den Rezipienten instruieren, im Vollzug seiner Lektüre den Ursprung zu usurpieren, an diesen auratischen Punkt ZftriickZftkehren. Die Zeitenfolge der Eschatologie entspricht dann dem Vollzug hermeneutischer Operationen, etwa der Allegorese [111. 2] und gerinnt zu immer derselben Fabel: Im Anfang war der gute lebendige Geist. Dann aber kam der tote Buchstabe. Und genau diesen gilt es zu iibenvinden, um am Endpunkt der Operation zum lebendigen Ursprung zurückzugelangen und den lebendigen Geist zu restituieren, oder, in einer späteren Version, die schwarze Tinte des Texts in die ursprüngliche Tränenflüssigkeit des Gefühls zurückzuvetwandeln. 54 Der allegorische Sinn verklammert arche und eschaton im "zukünftigen Urbild".55 Die Programmatil<:. des Ursprungs generiert auf diese Weise die archäo-teleologische Zielvorgabe der emphatischen Kommunil<:.ation, sie reimprägniert immer wieder aufs neue eine Leseamveisung: Überschreite den Buchstaben und verwandle ihn zurück in ursprünglichen Geist. Wichtig ist, daß sich aus diesen Dispositionen eine vetwirrende Fülle von Möglichkeiten der Rekombination ergeben, welche der Programmatil<:. des Ursprungs zur Verfügung stehen. So läßt sich die Biographik individueller Stufenwege mit einer universalen Heilsgeschichte der Weltzeitalter verschränken, alle Phänotypien der (universalen wie individuellen) Eschatologie hingegen können mit Figurationen einer hermeneutischen Wiederkunft des Sinns verzahnt werden. Dadurch wird zweierlei zugleich erreicht: Zunächst einmal verdeckt die Komplexität der Rekombinationen die basale Banalität der Programmatik des Ursprungs, zweitens erzeugt die selten durchschaute Rekurrenz derselben Logik auf ganz verschiedenen Ebenen für eine ungeheure Evidenz, denn jede Fabel des Ursprungs, egal auf welcher Ebene sie sich befindet, hat man schon 52
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55
DElUUDA,] acques: GramJ1latologie. Übers. von Hans-] ärg Rheinberger und Hanns Zischler. Frankfurt/NI.: Suhrkamp 1994 [1967], S. 418. ZlLvllvIERiviANN, Christine: Ullmittelbarkeit. Theorien über den Ursprung derNltlsik und der Sprache il7 derAsthetik des 18. jahrhJlndeJts. Frankfurt/M. et al.: Lang 1995, S. 160. Diese These von der Korrelierbarkeit von Hermeneutik und Eschatologie geht zUlück auf Anregungen aus WELLBERY, David E.: The Specular NloJJJent. Goetbe's Ear!J ~',ic and the Beginnillgs qfRomantüislJJ. Stanford: SUP 1996, vgl. hier S. 129, S. 211 und S. 432 (Fußnote 32); ich komme später darauf zUlück. AUERBACH, Erich: "Figura." In: E. A.: Gesammelte Atdsätze ~/r romanischen Philologie. Bern: Francke 1967, S. 55-93, hier S. 81.
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oft auf andere \Veise gehört. \Vie das im einzelnen geschieht, läßt sich durch Beispieltexte schnell zeigen. So ist ef'.va Novalis' Roman Heinrich von Oflerdingen, 1802 von Tieck nach dem Tod des Kün stlers al s Fragment veröffenclicht, al s Manifest romantischer Dichtung zugleich die Theorie einer archäo-teleologischen poetischen Kommunikation. Der Text entfaltet die Konfigurationen des Ursprungs auf so vielen verschiedenen Ebenen, daß es schwerf.iUt, einen Ausgangspunkt anzusteu ern. Die Ursprünglichkeit ist sc hon durch den Stoff programmatisc h, denn Novalis greift in legendenhafter Stilisierung auf eine Dichterfigur aus dem deutschen Mittelaher zurück;S6 Tieck bemerkt in seinem Nachwort: .. In der Maness ischen Samm1ung der Minnesinger finden wir einen ziemlich unverständlichen \Vettgesang des Heinrich von Ofterdingen und Klingsohr mit andern Dichtern".s7 Diese Handschrift (seit 1748 durch Bodmer der Öffentlichkeit zugänglich gemacht) war eines der zentralen Dokumente, welches es den Ve rfec htern einer deutschen Nationalliteratur ermöglichte, der noc h jungen deutschen Dichtung im Handstreich eine jahrhundertelange Tradition unterzulege n und im Mittelalter zu verankern: "Als der manessische Kodex ans Licht kam: welch ein Schatz von deutsc her Sprache, Dichtung, Liebe und Freude" ss, pries Herder die Entdeckung. Der Rückbezug auf das M.ittelalter entspricht aJ so der romantischen Programmatik, die Anlage des Ro mans läßt, o bscho n unvolJendel, den Plan durch scheinen, in der Lebensgeschichte des ,Mi nnesänge rs' und ,Troubadors' Heinrichs von Oftcrdingen einen Archetypen der poetischen Kommunikation darzustellen. Diese Verankerung des Texts in einer Sphäre des Ursprungs wird dann auf ei ne bemerken swerte \Vt'i se noc h cinmal überbOten. Tatsäc hlich ist die erzählte, mittelalterliche \'\Ielt des vollendeten ersten Teils erneut Ausganbrspunkt einer Po lge von Ausgriffen auf wieder neue Vorvcrgangenheiten. Aus der Ferne wirkt diese Anordnung der Kapitel wie eine Reihung von Ur-U rsprünglichkeiten. So beginnt der T ext mit dem Rekurs auf eine vorgängige Traumwirklichkeh des ursprünglichen Killdu. Das zweite Kapitel enthält eine an Orp heus erinnernde Ert:ähJung aus einer mythischen Vorvetgangenheit. Im dritten Ka pitel erfolgt die ErzähJung ei nes Aclantis-Mythos, wieder wird die Wirkungsmacht des archaischen Gesangs hervorgehoben. Im nächsten Kapirel wird Heinrich über den Gesang der Zulima mit der Ursprünglichkeit der mo rgenländischen Poesie konfro ntiert. Das darauffo lgende Kapicel voUzieht in der Begehung der Hö hlen mit dem Belgmann einen Rekurs in die absolute Vcr-
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SI!
VgL dazu ausfiilu:lich KASPEROWSKI, Ira: Miltdalftm~pfion inl IVtrk du NOI'aliJ. Tübingcn: Nicmcyer 1994. NOVALlS: Htinn(h L'()JI OJtm/ingtn. Ein Ro man. HISg. von Wolfgang Frühwald. SfUttgan: Reclam 1965, S. 21 5, im folgenden im Aießtext zitiert. HERDER, J o hann Gottfricd: Siimmtlil'lN IF/"~. Bd. 1-3 1. Hrsg. von Bemhard Suphan. Bcrlin: Weidmannsche Buchhandlung 1877ff. Bd. 9, S. 527 L,Von Ähnlichkeit der mittJem englischen und deutschen D ichtkunst" (1771)1.
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gangenheit einer prähistori schen Urzeit, von der noch die Knochen ausgesto rbener \'Vesen zeugen; hinzu kommt eine Lektüre in den uralten Chroniken des unterirdisch lebenden E insiedlers. Der erste T eil schließt dann mit einem von Klingsohr erzählten, arachai sch anmutenden Märchen.
Abb. 35: Die romantische Lust am Archaischen. Caspar David friedri ch, Ab/ti im Eichu!1l1d (1809- 10).
Aus der mittelaherliehen erzä hlten Vergangenheit greift die Na rration al so zurück au f eine noch ursprünglichere Schicht - es begegnet erneut die Figur der Reduplikation. welche die Parado xie des Ursprungs durch immer neue Vor-gri ffe entfaltet (,und davor?). Dabei werden immer neue Variationen eines archäo-teleologischen, erfüllten logos entworfen, wobei die bislang besprochenen Programmatiken in immer neuen Schattierungen zur \'Virkung ko mmen - die Variationen emphati schen Sprechens entsprechen geradezu einem Kaleidoskop der bislang besprochenen Wirkungsmuster. Scho n das erste KapiteJ begi nnt mit der Thematik des träumenden KindtJ,S9 dessen Traumwelt in Verbindung mit archaischen T echniken der dillinalorischen Weltentzifferung [111. 3) steht: .,Ich hö rte einst von alten Zeiten reden; wie da die Tiere und Bäume und Felsen mit den Menschen gesprochen hätten. Mir ist grade so, al s wollten sie allaugenblicklich anfangen, und als könnte ich es m59
Vgl. zum Einsa[z der urrpriinglirh-li,ifiilh!!n Figur des Kindes bei Novalis im Kontex[ der ,Entdeckung der Kindhei[' durch die Aufklärung auchJ ANz, Rolf-Peter: " Bilder der Kindheit und Jugend in den Romanen des Novalis." In: Aurora. Jahrbuch dtr Eichtndorff-Gmllschafl (54),
1994, S. 106-11 8.
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nen an sehen. was sie mir sagen wollten. " (9 f.)60 Der Übergang vom Tagtraum. der ErilUlemng an die ,blaue Blume. in den Traum d er Vortlflsschall, in dem Heinrich seine Zukun ft erblickt. verklammert schon jetzt Rückgriff und Vorgriff, arche und telos. 61 In dieser ursprünglichen Traumsphäre sind die Gegenstände transparent. ihre qyponoia ist ffflmitleibar erkennbar. (Im übrigen ist die Logik der Divination [111. 3 / 7] gewissermaßen das .Markenzeichen' Friedrich von Hardenbergs, denn sein Pseudonym. Novalis. verweist wohl auf die lesbaren Naturwunder. welche in der Renaissance novalia genannt 'w urden. und immer wieder taucht in seinen Schriften die Vorstellung einer ursprünglich lesbaren ChiiJrenschrijt der Welt auf. 6'1 In der Traumwirklichkeit Heinrichs wird dabei ein indivdual-eschatologischer Stufenweg gezeichnet. und zwar in der Bewegung ein es mysti schen ascenslls in die Höhe , ferner den Abstieg in die Tiefe einer Hö hle, der unmittelbaren Berührung durch einen Synästhesie aus Lichtstrahlen und eine n ..geistige[nJ Hauc h" (11). sowie der ""io eines körperlichen Ein rauehens in eine Flüssigkeit von naturhafter E mpfindung (.. er entkleidete sich und stieg in das Becken. Es dünk te ihm, al s umflösse ihn eine \Volke des Abendrors; ein e himmlische Empfmdung überströmte sein Inn eres" (11» . Zuletzt wird auc h das tran szendentale Signifikat der ,blauen Blume' entworfe n sowie das Motiv der ,Sehn sucht' nach ihrer ursprünglich e rfüllten Präsenz. Auch in der E pisode de s Orpheus-Mythos dient die Vorstellung ein er von innerk osmisc hen Ko rresponden zen gekennzeichneten Natur als Ausgangspunkt: " In alten Zeiten muß die Natur Icbendigcr und sinn voller gewese n se in, aJ s heutzutage." (28) Aus dieser Disposition läßt sich dan n ganz logisch das Ko nzept eines ursprünglichen Gesangs emfal tcn, desse n Wirkungsmac hl ei ne !yII'pathetische Resonanz der in der Tiife der Welt verborgenen \X/esenheitc n VCfursacht: So sollen vor uralten Zeiten in den Ländern des jetzigen Griechischen KaisernIlns l...] Dichter gewesen sein, die durch den sel tsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verbo rgenen Geister aufgeweckl, in wüs ten. veröder.en Gegenden den roten POanzensamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufe n, grausame Tiere gezähmt und ver-
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D ie kritischen Anmerkungen des Vaters, daß " d er unminelbare Verkehr mit dem Himmel" in " dem Alter de r Weh, in dem wir leben" nicht mehr stattfind et (S. 13), wird d urch die E rftillung seines eigenen Traums entkrä ftet.
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Vgl. auch GUlJAHR, O rtnld: " Der ro mantische D ichter als Mutter-Sohn in Novalis' Bildungsro man ,Heinrich von Ofterdingen. '" In : M"lfer "nd Miilffrlichletil. IPondfl lind IPir/esOlnluit finfr Ph(lnt(lsie in dfr dtlit!{ht" Littrafllr." Festschrift fUf Verena Ehtich-Haefeli. Wür/.burg: Königshausen & Neumann 1996, S. 165- 186, hier S. 165f.
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Vgl. GAIER, Ulrich: " Natur'.lclchen. Von Paracelsus bis No"alis." In: Dir Untl~mleidli(hkeif der Biklrr. Hrsg. \'on Gerhard \'on Grae"enitz, Stefan Rieger und Felix Thürlemann. Tlibingen: Narr 2001, S. 117· 13 1, hier S. 121ff.; \'g!. GOODßODY, Axcl: N(lllirtprathe. Ein dithl"ngs.
IlNorrfistMS Kbn!(!/ll der RiJmanfile lind uine lF/itdmIl9"ahmt in dfr modenltn dmfsthtrl Naflirfyrile (No/!ahl - Eithtrldorff· Lthmann - Eith). Neumlinsler: Wachholtz 1984, S.87ff.
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wilderte Menschen zu Ordnung und Sitte gewöhnt, {... j reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die rotesten Steine in regelmäßige Bewegungen hingerissen haben. (28r.)
Im Falle des ursprünglichen Gesangs handelt es sich um einen eifiilltenlogos, also eine An magische Sprache, welche bewirkt, was sie ausspricht. So, wie die Dinge lesbar sind, steht auch umgekehrt die Dichtersprache in einem natürlichen Realnex us zum Bezeichneten - Novalis fo lgt hier weitgehend den Vorgaben der N alursprachenlehre.63 Diese ursprünglichen Dichter verfügen ferner über den Z ugang der unlllittelbaren Inspiration, welche ihnen gö rtliche Geheimnisse enthüllt: "die hö hern Wesen" wurden durch die "zauberische Kunst" der Sänger .. herabgezogen", und haben diese dann "in den G eheirrmissen der Zukunft unterrichtet, das Ebenmaß und die natürliche E inrichrung allet Dinge, auch die innern Tugenden und Heilkräfte der Zahlen, Gewächse und aller Krearuren, ihnen o ffenbart. " (29) Als gelte es, einen finalen Beweis zu erbringen, schließt die Episode mit dem eschaton einer Erfüllung des Gesangs, indem der Sänget durch die bezaubenen Untiere des Meeres gerettet wird. D er anschließende Arlantis- Mythos ist eine \Y/citerentwicklung dieser Vorstellungen, er kulminien dann in dem Gesang eines Jünglings' vo r dem König. Dabei wird sogar eine noch ursprünglichere Schicht ausgefaltet, denn das im Mythos vorgetragene Lied thematisien den Anbeginn alles Seins, es handelt sich demgemäß um ei ne Ursprünglichkeit dritten G rades. Der Gesang handelte von dem Ursprunge der Wel[, von der Emstehung der Gestirne, der Pflanzen, Tiere und Menschen, von der allmäc htigen S)'mpalhie der Narur, von der uralten, goldenen Zeir und ihren Beherrscherinnen, der ü ebe und der Poesie, von der Erscheinung des Hasses und der Barbarei und ihren Kämpfen mit jenen wohltätigen Göttinnen, und e ndlich von dem zukünftigen Triumph der letztem, dem Ende der Triibsale, der Verjüngung der N atur und der Wiederkehr eines ewigen goldenen Zeitalters. (45)
Hier wird also der archiio-teleologische Aspekt des Ursprungs im Sinne des von NovaHs immer wieder beschworenen Modells einer triadischen Hei/.sgeschichte gezeichnet:64 Im Bild einer ,goldenen Zeit', einer Zeit des ,Abfalls' und schließlich der ,Restirution'. Der kindlich-urspriingliche Sänger verfügt über unlJJittelbaren Zugang zu den GebeilJmissen der I!Jponoia:. "Die Laute schien sich unter seinen Händen zu beseelen, und sein Blick schien trunken in eine geheimere Welt öl
t,.&
Vgl. GOODUODY. Axcl: j\.'alurspmcht. Ein dichlung,J1heorr'üchtJ Konifpl der Romantik ulld Jeine U'/iedermgnahnlt in der modmun dtu/Jchm N alurlYrile (NotwliJ - Eichendo1f - Lrbmann - Eich). NeumünSlcr: Wachhohz 1984, S. SOff. Eine ausführliche Rcko nstruktion dcs GeschichtS"crsündnisses bei No"alis biclel r..-tA"'IL, Hans-J oachim: Dit Idee dtJ goldmm Zt;tallm im IWtrk deJ NOl'aliJ. Slu{lim ~r IVtJtnJbtJtimnlJlng der !riihronuJnlüchtn Utopie lind ~ ilmn idttngmhic!Jllichen Voroum/~ngtn. Heidclberg: \X' inter 1965, S. 305 ff.; vgl. auch ders.: "Utopie und Geschichte in Novalis' ,Die Christenheit oder Europa. ,.. In: Aurora. }alJfvllch dtr Eichmdorff-GmlurhaJi (52), 1993, S. 1-17.
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hinüberzuschaue n. Auch die Kinderunschuld und Einfalt seines Gesichts schien allen übernatürlich." (46) An dieser Vision nirnmt auch der rezipierende König auf Ifnmillelbare Weise teil: "der König selbst fühlte sich wie auf ein em Strom des Himmels weggetragen." (46) Auch hier läuft die Geschichte aus in der Erfüllung des Gesangs, diesmal im escha/on der Vereinigung der Liebenden. \Vieder andere Aspekte des Archaischen werden in der Höhlenbege hung thematisiert. Der descenSils in die Tiefe entspricht vollständig der Topik des Ge· heimnisses und dient zugleich der Enthüllung von Urspriinglichkeiten, eine "un zählige Menge von Knochen und Zähnen" bedecken als "Ü berbleibsel einer uralten Zeit" (78) den Boden der Höhle. T atsächlich wird das Vordringen in die Tiefe mit einem Rückschreiten auf der Zeitac hse in Verbindung gebrach t, die Topik von Tiefe versus Höhe wird fest mit der Figur der Archäo·Teleolo· gie6S verbunden; so kommentien der Einsiedler: "Ihr [Bergleute] seid beinah verkehrte Astrologen. [...] Jenen [den Astrologen] ist der Himmel das Buch der Zukunft, während euch [den Bergleuten] die Erde DenkmaJe der Urwel t zeigt." (87) Das am Schluß des ersren T eils erzählte Märchen, welches der Dichter Klingsohr vorträgt, stehr weitgehend im Zeichen der Escha/ologie. 66 Es isr die Gesc hichte eines ursprünglich-harmonischen Astralreichs, welches durch ein e sympatheti sche " Harmonie der Zeichen und Figuren" (126) ge kennzeic hnet isr, dann gewaltsam durch frn stere Mächte der MedialiMt (den ,Sc hreiber') usur· pien, zuletzt jedoch durch die Poesie (, Fabel') restiru tiert wird. Indem da s ,\Veltalter der Depravation' so deu tli ch an die Medialität ge koppelt wird, wird die Geschichte der Eschatologie fest mit der \'Vied erk unfr des Sinn s in der herme· nm/ischen Operatio n verk oppele Das ßuchsmbenreich des Schreibers ist das der medialen ,Entfremdung', das endzeitliche ,Reich der Ewigkei t
poetischer, als Erinnenmg und Ahndung oder Vorstellung der Z ukunft. I... ) Die gewöhnliche Gegenwan verknüpft Vergangenheit und Zukunft durch Beschränkung. Es entsteht Kontiguit3t, durch Erstarrung Kr}'smllisazion. Es giebt aber eine geistige Gegcnwan, die be}'de durch Auflösung identifizin, und diese ~'lischung ist das Element, die Atmosph3re des Dichters." NovALls: IVtrke, TagtbiidJtr lind Briife Fritdrirh tiM Nardmbn:!,J. Hrsg. \·on 1·lans· J oachim M3hl und Richard Samuel. Bd. 1-3. München, Wien: Hanser 1978. Bd. 2, S. 283 [Bliithenstaub, N r. 109] Vgl. dazu auch ~1AHL, Hans·J oachirn: Dit ldtt du goldenm Zrila/tm im IVtrk du NO/ia/i!. Studirn ~r lf/mnJINJhmmung derfriibromantürhtn Utopie lind ~ ilmn idu nglSrbicb,· lirhtn VorouJJef'?!'ngtn. Heidelberg: Winter 1965, S. 3 14-3 19. 66
Vgl. auch GROB, Karl: Urspnmg und U/OP'-f. Aporitn du Te>.1eJ. VmJlcht!(!l Nm/fr und NO/ia/i!. Sonn: Bouvier 1976, S. 143ff.
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phie reichte die Schale dem Eros und clieser den Andern. Alle kosteten den göttlichen Trank, und vernahmen die freundlic he Begrüßung der Mutter in ihrem Innern, mit unsäglic her Freude. Sie war jedem gegenwärtig, und ihre geheimnisvolle Anwesenheit schien alle zu verklären. Die E rwartung war erfüllt und übertroffen. Alle merkten, was ihnen gefehlt habe, und das Zimmer war ein Aufenthal t der Seligen geworden. Sophie sagte: das große Geheimnis ist aUen o ffenbart, und bleibt ewig unergrundlich. Aus Schmerzen wird die neue Welt geboren, und in Tränen wird die Asc he zum Trank des ewigen Lebens aufgelöst. In jedem wohnt die himmlische [,..lutter, um jedes Kind ewig zu gebären. Fühlt ihr die süße Gebun im Klopfen eurer Brust? (149)
Die Kooperatio n der verschiedenen Programmatiken, die erstaunliche Menge an zitierten A.rchetypen emphatisc her Kommunikation, die Verklammerung verschiedener Ebenen der Ursprünglichkeit, welche im übrigen viele weitere Passagen aus dem Klingsohr-Mythos kennzeichnet, kann hier nur annäherungsweise rekapituliert werden: Die E nd zeit des ,goldenen Zeitalters' (eine weitere An spielung deute t d ie ,In sel der Seligen' an) erscheint verkoppelt mit dem mystischen Motiv der ,geistige n W iedergeburt', Universal- und Individualeschatologie fallen hier zu sammen. Z ugleich weckt das ,Brausen', der ,Wind' selbstverständli ch Reminiszenzen an das Pfingsterlebnis, wodurch die heilsgeschichtliche End zeit mit der hermeneuti sche n Wiederkunft des Sinns korreliert. Diese ,absolute Sprache' wird ferner weitgehend im Bild des Sakramentalen ausgebreitet, die Verspeisung des Leibs J esu in der Eucharistie [VII] ersc hein t hier gespiegelt in der innerlichen Wicdcr-A neignung der Mliller durc h den zeremoniellen Kult-Trank als Chiffre de r romantisch-poetischen Ko mmunikatio n. 61 Das archäo-tcleologische Zeitalter der Poesie entspricht somit der archäo-tel eologischen Präsenz des transzendentalen Signifikats im Pfmgs terlebnis oder im Sakrament - und genau dadurch wird dieses Modell der Signiflkation dann wieder zur Direktive eine r Rezeprionsweise. Die Leseanwe isung könnte lauten: Dringe bei der Lektüre des Heinrich von Oflerdingen zum Endziel des Urspnmgs vor und verwirkliche dabei analoge E ffekte der ,Erfwlung'. Diese Reko nstruktion der Programmatik des Ursprungs aus einer Reihe von Kapiteln des ersten T eil s des Romans bezeugt die Vielfalt individual- und universaleschatologi scher Motive, welche letztlich stets in Modelle einer hermene11tischen If'/iederhmfl des Sinns übersetzbar sind. Der T ext entwirft dabei auf immer neue Weise ein implizi tes Modell der romantisc hen Ko mmunikatio n als R.esh·'"tion des Urspnmgs. Z ugleich zeigt sich immer mehr die Interaktio n der ~1 Vgl. dazu WELLßERY, D add E.: " Die Enden des Menschen. Anduopologje und Einbildungs-
kra ft im Bildungsroman (\Xlie1and, Gocthe, Novalis)." In: Dal Endt. Figuren tintr Dink/on!!. Hrsg. von Karlhcinz Sticrle lUld Rainer Waming. München: Fink 1996, S. 600-639, hier S. 638f.; vgl. ferner G lJIJAI'IR, Onnld: "Der romantische D ichter als Murter-Sohn in Novaüs' Bildungsroman ,Heinrich von Ofterdingen. '" In: Multer und Miilterliehktil. IPandl' und IPirk.ral1lIuil ei,lIr PhanlaJü in derdeNllehm U ltralur." Festschrift für Verena Ehrich-Hacfeu. Wür.tburg: Königshausen & Newnann t 996, S. 165- t 86.
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verschiedenen Programme, die wieder einmal auf letztli ch unauflösbare Weise miteinander verzahnt sind und sich gegenseitig plausibilieren. D er T ex t is t dabei so überflmer von immer neuen Figurationen des Ursprungs, daß man auf immer wieder neuen Ebenen anse tze n und die Analyse fo n se tzen kö nnte. So wird sc hon die Abreise Heinrichs aus der Heimat am Beginn des Romans individual-eschatOlogisch gedeutet ("Eine erste Ankündigung des T odes, bleibt die erSte Trennung unvergeßlich" (21)), das Ende des T ex ts soUte wohl durch das ko ntrapunktische telos det ,Heimkehr' im T od aufgelös t werden. 68 Dem entspricht die Abfolge der Kapitel des ersten T eils, welche eine Reihung von ,Stufen' darstellt, die der Held durchläuft. Im Gespräc h mit KJingsohr wird diese Reihung in Verbindung zur poetischen Kommunikatio n angesprochen: " Das Land der Poesie, das romantische Morge nland, hat euch mit seiner süßen \X/ehmuth begrüßt; der Krieg hat euch in seiner wilden Herrlichk eit angeredet, und die Narur und Geschichte sind euch unter der Gestalt eines Bergmanns und eines Einsiedlers begegnet" (11 5). Man kö nnte nun fonfahrc n und die individual-esc hatologisc he Struktur des Srufenwegs (re-)ko nstruieren, den Heinrich durchläuft bzw. durchlaufen soUte. N ach den vorliegenden Fragmenten des T exts schein t der Gesamrplan gewesen zu sein, in dem ersten T eil GDie E rwa rrung~ die Initiation des Sängers darzustellen. D er zweite T eil GDie E rfüllung~ ist vom Verlust der G eliebten geprägt und scheint der Phase der ,Entfremdung' im Klingsohr-Mythos zu entsprechen; o ffenbar sollte sich der Held auf einem Stufen weg der Entwicklung ,bewährcn'. In einem dritte n Teil sollte der T ext dann mit der "Verklärung" (189) Heinrichs, mit seiner "Apotheose" (186) - vgl. raust! - enden. " Ocr Schluß ist der Übergang aus de r wirklichen Welt in die Geheim e T od - letzter Traum und Erwachen. Überall muß hier scho n das Überirdische durchschimmern - Das Märchenhafte" (t 87). Dieser Smfenwcg des Individuums soll te dann mit einer universal-esc hatologisc hen E ndzeit korreliert werden. " Das ganze Menschengeschlecht wird am E nde poe tisch. Neue goldne Zeit" (193). Diese ,Endzeit' ist als ,\X/ieder-Holung' des Ursprungs aber zugleich eine Urzeit: "Es ist die Urwelt, die goldne Zei t am Ende." (190) Alle diese Spiegelungen der Ursprünglichkeit werden immer wieder ineinander gebrochen und verweisen aufeinander. Eine ganz o ffensichtliche Vorwegnahme von Heinrichs ,S mfenweg' erfo lgt im Traum des Vaters (I. Kapitel), in der Lektüre der alten Chronik (5. Kapitel), im eigenen Traum (1. und 6. Kap itel) und so fo rt; die uni versalescharologische Anlage des Texts wird im Klingsohr-Mythos bereits durchgespielt und so weiter. Der Text wird also ge tragen von immer neuen Ausfonnungen des Ursprünglichen, die rekursiv 68
Die bekannteste Bearbeitung dieses Themas liefert Novalis' Hymne ,Sehnsucht nach dem Tode', welche inuner wieder Tod und Heimkehr miteinander korreliert (,Zum Valer wa Uen wir nach Haus' / ,Wir müssen nach der Hermach gehn' / ,Was hält noch unsre Riickkehr auf'); "gI. dazu PI KULlK, Lothar: .. ,Sehnsucht nach dem T ode.' Navalis' sechste ,Hymne an die Nacht' im komexrueUen Z usammenhang." In: Aurora. jahrouch dtr Eichrndorff-Cmll· Jchafi (58), 1998, S. 35.48.
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miteinander veroetzt sind und ihre \Xlirkung auf diese Weise verstärken. Die Vielzahl der im Roman anzitienen Archetypen belegt zugleich zweierlei: Einerseits zeigt sie die Einsicht in die Relativitii! eschatologischer Muster, also eigendich ein gebrochenes Verhältni s zu ehedem unanfechtbaren theologischen Gewißheiten. 69 Andererseits ist ebenso richtig, daß die ,,\Xlirkung dieser T exte [...J Guasi ,parasitär' von Zimten der institutio nell gebundenen religiösen Tradition" lebt. 70 Es ist die Krafmn strengung, durch eine .ij'nlhese dieser Ideen zu einer genuin menschlich-anthropologischen Utopie der poetischen Kommunikation zu gelangen. Der Punkt des Ursprungs, welcher in der Optik der Theologie ste ts Golt vorbehalten war, wird dadurch einerseits in die Sphäre der Nalur verschoben, zugleich erweist sich aber auch seine Restil"tiol1 auf dem Wege der poetisch-romantischen Kommunikatio n als menschlich herstcl1bar (eine im religiösen Kontext undenkbare Vorstellung7 1). So wird der Ro man vor allem im Ko ntex t der ,Poesiegespräche' und anderer dichtungstheoretisc her Äußerungen fast zwangsläufig als Theorie der romantischen Kommunikation lesbar. In einer wieder anderen Brechung charakterisiert der Einsiedler die uralte Chronik, welche eine wunderbare Ähnlichke it zu Heinrich s Leben aufweist, wie folgt: "Soviel ich weiß, ist es ein Roman von den wunderbaren Schicksalen eines Dich ters, worinn die Dich lkunst in ihren man nigfachen Verhältnissen dargestellr und gepriesen wird. Der Schuß feh h an dieser Handschrift, die ich aus J erusalem mitgebracht habe, wo ich sie in der Verlassenschaft ei nes Freundes fand , und zu seinem Andenken aufhob." (93)
Auch hier tritt der ,Text im Text' zugleich in den Z ustand des Ursprünglichen (es ist ein AUlograph, er Stammt aus dem Morgenland und dient der ErinnenmtD und weist sich zugleich explizit als eine Theorie der poetischen Kommunika• oon aus. Der Roman etabliert demgemäß die ihm gemäße Form poetischer Kom munikation als Res titution einer ursprünglichen lvatursprache. Deren RelllnexllS zwischen Signifikant und Signifikat impliziert sowohl eine dillinatorische Lesbarkeil der Irrei! 1111. 3/7] als auch eine magische \Virk samkeit des orphischen
6' "Gerad e indem sich INO\·alis) der jüdisch-christlichen Überlieferung bedient und ihre Sprache SpriChl, wird er zum hervorragenden Zeugen des ep ochalen Vorgangs d er Säkularisierung" ; FABER, Richard: " Vergil und Novalis. Das Ende d er inltrpt?latio chriJliano." In: MmianÜflllIJ i}J7Jfhm My/hoJ lind Mochl. Jiidüches Drnktll in dtr tllropäiHhtn GtültJgtJchifhlt. H rsg. von E"eline Goodman-Thau. Bedin: Akademie 1994, S. 141 - 164, hier S. 158. 10 STD<;.KINGER, Ludwig: " Poerische Religion _ Religiöse Poesie. Novalis und Eichendo rff." In: AJJbtnscht lind rrlpjöse Erfohlllngr" dirJabrhllfldlrfu.'fndrn. ßd. 1: 11m 1800. H rsg. von Wolfgang Braungan CI al. Paderborn CI al.: Schö ningh 1997, S. 167- 186, hier S. 169. 11 So "erbietet Paulus "jed e ,'o rschnelle Us urparion de r Gott vorbchaltenen H eilserfüllung durch r-.·lenschcnhand (2 Kor 4, 7!)." STUHI"" lACHER, Pete.. "Erwägungen zum Problem von Gegenwart lind Zukunfl in der paulin ischen Eschatologie." In: ZtiJscbrijlfor Theologie III/d Kirrhe 64 (1967), S. 423-450, hier S. 433.
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Gesangs auf die Welt selbst. Die P ositio n des Urspnlllgs ko rreliert stets mi t derjenigen der Unmitlelbarkeil, wohingegen die Sphäre des Ab falls, de r Entfremdung immer mit dem Asp ekt der A1.edialitdt verkJammert ist (,Schreiber,) . Dieser G egensatz wird dann auf einer Zeitachse zu einer Geschichte des ,Ver lusts' und der ,Restitutio n' ausgeformt. Sowohl der Stu fenweg der Biogra phie als auch die Folge der Weltzeitalter entfalten sich in der UtOpie einer eschatOlogischen \'V'iederkunft des Sinns. D a sich der Ro man selbst an die Stelle der poetischen Kommunikation setzt, wird dieses Modell einer poetisch rom anti schen Ko mmunikatio n unweigerlich auf den Ro m an selb st zurückgebogen . Gem äß dieser Logik lautet die An weisung an den Leser, dieselbe Bewegung nachzuvollziehen und die Medialität des T exts zu überschreiten , zum Ursprung vorzudringen, den to ten Buch staben in lebendigen Geist zu verwandeln , in Natur, in KlanlJ; Gesang und Stimme, in Gifiihl und Liebe. Auch der E ffekt einer so lchen ,archäo-Iogischen' Kommunikatio n auf den Rezipien ten wird im Ro m an dargestellt: Er lder DichterJ weiß jene geheimen Kräfte in uns nach Belieben zu erregen, und gibt uns durch Worte eine unbekannte herrliche Welt zu vernehmen. Wie aus tiefen Hö hlen steigen alte und künftige Zeiten, unzählige Menschen, UIJffIderoore Gegenden, und die seltsamsten Begebenheiten in uns herau f, und entreißen uns der bekannten Gegenwart. l\.'lan hö rt fremde Worte und weiß doch, was sie bedeuten soUen. Eine magische Gewalt üben die Sprüche des Dichters aus; auch die gewöhnlichen Worte kommen in reizenden Klängen vor, und berausch en die fesrgebann tcn Z uhö rer.n I n dem vo rgestellten Modell des poetischen Rezep tionsprozesses begegne t einmal wieder der T opos einer ,\'V'elt', welche der Le ser d urch die Vermittlung ,geheimer Kräfte' bei der Lektüre reko nstituiert. D abei we rden arche und telos wieder im Sinne der ,E rinnerung' und ,A hndung' mi teinander ve rkJammert, ,alte und kün ftige Zeiten' steigen auf, und zwar aus einer ,H ö hle' - eine Ti efe, in der T ext und Innerlichkeit des Lesers zu ko rrelieren scheine n. An diesem Punkt wird dann die G re nze zwische n Utopien poetischer Ko mmunikatio n und einer impliziten Theorie henllCfleJtlischer SinnrekolfStillftion fließend; \'(Iellbery hat das am Beispiel des Goc[he-Gedi chts "An bna" vo rgeführt:7)
Liebchen, kommen diese Lieder J emals wieder dir zur Hand, Sitze bei'rn C1aviere nieder, Wo der Freund sonst bei dir stand . 12 N OVALlS: I-Ieinn'(h IY;n Oftmlingen. Ein Ro man. I-lrsg. von Wolfgang Frühwald. Snmgan : Rcdam 1965, S. 27. n WELLBERY, David E .: Tht SptfNlor ""Jonunl. Cotlht'J Ea1J Ly ri( and IM ßtginnings ojRomantirüm.
Smnford: SUP 1996, S. 2 1Off.
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Laß die Saiten III rasch erklingen, Und dann sieh in's Buch hinein; N ur nicht lesen! immer singen! Und ein jedes Blatt ist dein . Ach, wie traurig sieht in Lertern, Schwarz auf weiß , das Lied mich an, D as aus deinem Mund vergöttern, D as ein Herz zerreißen kann. H
Das Gedicht wurde von Goethe in der Ausgabe letzter Hand ganz am E nde der "Lieder" p laziert und ist somit vor allem als implizite Theorie zur rechten E ntzifferung vo n Liedern lesbar; Wellbery spricht treffend vo n einem " Meta-Lied" . Auch hier Referent _._-wird wieder der kJassiPneuma sehe paulinische Topos Geist vom toten Buchstaben GefOhl [IV. 1) im Hintergrund ... grob anskizzien : LetStOrung tern , Tinte, Buch und der Akt des I..,esens werden al s Entfremdung gezeichnet, dagegen entMedium Signifikant spricht die Verwandlung des T ex ts in lebendige Stimme, lebendigen GeRestitution sang einer Rückkehr zum Ursprung von liebe und Gefühl. Referent Hier kon vergieren Pneuma dann erneur Urspmng Signifikat Geist und U flm;ttelbarke;l, Gefühl denn die ,richtige Lektü... re' führt letztlic h zur \Xliede rvereinigung der Li ebenden und erzeugt dann auch die entspre- Abb. 36: Die Wiederkunft des Sinns im Zeitverlauf. Die Mcdialitiil selbst wird idealerweise so ausgeschaltet, daß chenden Wirkung - die im Phantas ma d e r Prä senz nur noch Signifik ate ,Seiten' / ,Saiten' werden
I
I
cXJsocrcn.
74
GOETH E, J ohann Wolfgang: Wtrkt. Hrsg. im Auftrag der Großherzogin Sophie vo n Sachsen. Wcimar: Bö hlau 1887ff. Abt. 1, Bd. 1, S. 104.
42\
sympathetisch / empathisch zum KJingen gebracht, und entsprechend tritt der E ffekt der Riihnmg ein [IV. 3]. die das ,Herz zerreißen kann<. Der Rezipiem geht also auch hier auf der Zeitac hse ,hinter' den Status der Medialität zurück und restitlliert den Punkt einer IIrspn'inglichefl [-!erzetlSJlfllllillelbtlrkeit. ,N ur nicht lesen! Immer singen' - so lautet die klare Lese-Anweisung an den Rez ipiente n. In den \Vorten \'(IeUberys: Thc myth of the transcendenral voiee also projects a model of Iyrie reeeption. Ir siruares [he texr within the framewor k of an implieir narrative rhar maps our an ideal ptagmatics. This narracive un fo lds in thrce slages: (a) the text springs from the Origin; (b) as tex t, ir exists in a stage of alienation; (e) the aer o f reading and of emparhetie comprehension frees [he text from irs alienated condi tion by ren,rning to the Origin. Goethe's texts [... ) emplot the story of their own henncneutie redemption. The narrative of origin, alienation and return is realizcd through the maidcn/ bclovcd's double fu netion as [h e Sourec of thc poem and as its recipient or adressee. 15
Es wird also deu tli ch, daß Narra tione n mir eschatOlogischen Strukturen zugleich lesbar we rden als KommunikationsutOpi en, welche in Reinfo nn Modelle de r rezep tive n Restitu tio n der tran szendentalen Signifikate der em sprec henden Tex te sind. Solche Direkti ven der \'Vieder- Holung des Urspmngs finden sic h scho n in den Anwei sungen des Alten Testaments, den T ext durch Figuren der En'flnenmg stets aufs neue zu ve rgegen wärtigen, und dasselbe gih mutatis murandis fü r die neu tcsramcmli chen Aussagen zur Le ktüre. Das Vergcge nwärtigu nb7Sprin zip wird dann zum festen Bestandteil der christlichen lec/io; es sei noch einmal an Psc udo- ß o naventura erinnert, desse n Aufforderung lautete: " Habe al so auf alles acht lallende], als o b du dabei gegenwärtig wärest lsi presens essesj"76; ebenfalls sei noc h ein mal die theore ti sche Fassung in der reformatorischen ßibelh enneneutik bei Flacius zitiert: sie IsoUen.l die Schrift nicht anders anhö ren, als ob sie Gon sclbsr in Person hö ren oder sp rechen sähen [tll/direnl, oe Iliderml /oqIlCIIlellJ], und nicht daran zweifeln, daß all jenes, was Gott in der Schrift sagt [... ) aus Gottes Munde selbst [ex ipsills Dei ort) hervorgehe; gerade so, als ob sie ihn im Angesicht der ganzen Menschheit sprechen sähen lind hö rtcn [renu l'/:'11l el tlJ(diren~. _ 71
~s
Ebd., S. 210
' 6 PSEUDO-B ONIIVE,.'\!TU RA:
Oft &lrnrlJllmgtn iibrr ,ws Ltbtn CbrÜli. Übers. von Johann Jakob
Hansen. Paderborn: Bonifacius 1896, S. 182; latcinisch aus PSEU DO- B oNAVENTURA 1l0 HANN IS DE CAULlBUS): M,di/ariol/u Viii Chrish'. H rsg. von M. Srallings-Tancy. Turnholri: Brepols 1997 (= Corp"s Christinaorvm, Continuario i\"lediaeualis, 153), S. 256. n FL.ACIUS IU.YRI CUS, Matthias: 0 1 rah'one (()/,lIoJ(tndi salTas Ii/rras - Obtr dtn ErklltnllliJgl7llld der Hriligtn S(brift. uteinisch-deursch. I-I rsg. von Lutz Geldsctzer. D üsscldorf: Stern 1968, S. 59, dann S. 89.
422
Diese Resti rution eines ursprünglichen Sinnes bei der Lektüte führt d ann in der Hermeneutik zur Formulierung des bekannten Ideals, der Rezipiem solle genau das verstehen, was auch der Am orgeisr bei der Niederschrift gedacht habe - und mündet an diesem Punkt in die Kongenialität (IV. 1] : " um ein Stück der Litteratur zu verstehen, und auszulegen, [muß] man sich ja in den Geist seines Verfaßers, seines Publikums, seiner Nation und wenigstens in den Geist dieses seines Stücks setzen I... j: und die H ermeneutik de r Christen sagts ebenfalls!"78 So ist auch das Sich-Hinein versetzen der EII/pathie stets auch ein Sich-Zunickversetzen. 79 Im Kontext des HistOrismus empfiehlt Herder immer wieder, man solle als Rezipient die ursprüngliche Kommunikationssi tuation restiruieren: ,,\Xlerden Sie mit Hirten ein Hirt, mit einem Volk des Ackerbaus ein Landmann , mit uralten Morgenländern ein Morgenländer, wenn Sie diese Schriüen in der Luft ihres Ursprungs genießen wollen".80
3. Ausblick (HITLER / Gracelal/d)
Die Programmatik des Urspnmgs erze ugt das Faszinosum, in eine ur-anningliehe Sphäre vorzudringen, die /Jor jede r Medialirät liegt. Prinzipiell beeimräch tif,rt: zwar das Pro jekt der Au fklärun g die Programmatik des Utsprungs. Die neue diskursive Rationali tät gründet sich auf menschliche Vernunft und I ntention alität, weist der Tradi tion und (zumal: göttlicher) Determination dagegen all el1faUs sekund äre R..1.nge zu. Von daher ist die Bedeutung individual- und universaleschatOlogischer Denkmodelle zunächst rückläufig. Z ugleich sc hleichen sich jedoch Alternanren ein. So wird das Modell der Heilsgeschichte seit dem 17. J ahrhundert zunehmend tran sponiert in das Strukturmodell des Fort· schn'/ll l (und dieses Ko nstrukt hat bis heute G ültigkeit), und ferner: "A n die Stell e von Perfektion tritt Per fektibilität. Perfektibilität bedeutet zugleich: Un-
78
H ERDER, J o hann Gonfried: Siil1ll1ltüfIJe IWerkt. Bd. 1-31. I-Lrsg. \'on Bemhard Suphan. Bcrlin: Weidmannschc Buchhandlung 1877ff. Bd. 6. S. 34 iFragnun/e ifI tintr ArrIJiiokJgie du Morgen-
«uu/u' (1769)1. 7'1
Vgl. dazu mil weiteren Belegen auch HERZ, Andrcas: "Einftihlung. Bemerkungen zum Divinationsaspekt in J. G. Herders Henneneutik-Konzept." In: Mtthodüfh rr}ltkiiertu In/trprrtimn. Festschrift für Hartmut Laufhütte. Hrsg. \'o n Hans-Peter Ecker. Passau: Ro che 1997, S. 215-252, hier S. 216ff.
80
I-I ERDER,Johann Gottfried: Siil1lm/litbt lV'erkt. Bd. 1-3 1. Hng. von Bcrnhard Suphan. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung 1877ff. Bd. 10, S. 14 [Bn'ift, da! SINdiMI der Theologie INtriffond
(1780)1· 11
Vgl. auch ro,'IUHLACK, Ulrich: " fonschritt und Geschichte." In: Ttltologie. Hng. von Rüdigcr Bubner er aL Göttingen: Vandenhoeck & Rup rech t 1981 , S. 124-139.
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möglichkeit der Perfektio n:'82 Dennoch werden auch solche Modelle weiter fortgeschrieben; bei Hegel figuriert die Weltgeschichte etwa als Plan des \Xlel rgeistes, dessen eschatologisches Endziel dann die Freiheit ist; in Comtes Dreistadienmodell wird die End zeit in Fonn des wissenschaftlichen Posi tivismus modellien und so fon .83 Sicherlich wird in diese n Vorstellungen die Intensität des escharologisc hen Modells abgeschwächt. D er Ursprung markiert kaum mehr die Utopie der fo rtschrittlichen Heilsgeschichte, und zugleich wird auch das Endziel des Fonschritts m ehr und mehr al s ,offene Z ukunft' gefaßt. Z ugleich gilt jedoch, daß vor allem auf der ,Schattenseite' der Aufklärung weitaus emphatischere Modelle fonnuüen werden, und Novalis, dem die letzte Fallstudie gewidmet war, betont ja gerade in Abselzung zu aufkläreri sch-modernen Ent\v1 cklungen die Aura des Ursprungs und die Sehnsucht nach einer ,Rückkehr ins Goldene Zeiralter'. Wichtig ist, daß solche heilsgeschichdichen Modell e nicht nur in der Sph äre des Ästheti schen verbleiben, sondern auch in die D omäne der Po li tik diffundieren. ovalis selbst hat mit seinem Text Die ChnJlenbeil oder Europa (1799/ 1826) ein genuin heilsgeschichtliches Konzept al s politisches Credo einer romantischen ,Bewegu ng' vorgelegt, in der das geeinte Europa des Mittelalters als ,Goldenes Zeitalter' figuriert, welch es dann durch Protestantismus und Religionss treit, Rationalismus und Aufklärung in einen jahrhundertela ngen ZerfaU sprozeß eingetreten sei, welch er nun, das heißt im Kielwasser der französisc hen Revolutio n, die Chance hätte, durch eine \Viederbelebung des mittelalterlic h-christlich-europäischen Z ustands in eine goldene ,E ndzeit' auszulaufe n. Abe.r solche eschatologischen Uropien wurden nicht nur von Literaten verfaßt. Man' Modellierung des G eschichtsverl aufs als Klasse nkampf zum Zwecke der Errichtung eines " Reichs Gottes, ohne GOtt - das Endziel des historischen Messianismus von Marx"84 ist beispielsweise weitestge hend von den basalen Vorstellungen jüdischer Apokalyptik geprägt. Z udem ""ird vor allem das natio nali sti sche po litische Denken des 19. Jahrhunderts zunehmend durch den Rekurs auf emphatische Vorbilder der Vergangenheir ge formt. " Die histOrische Z uwendung zur Natio n liebte AnHinge, Gründungsgeschichten, Helden: Hengis[ und Ho rsa, VercingetOrix, Arminius, und die PopuJarisierung der Geschichte tendierte zu Legenden, Symbolen, man erinnere sich an
82 LUHI\IANN, N iklas: "Sclbstre fcrenz und Teleologie in gesellscha ftstheoretischer Perspektive." In: Ttkologit. Hrsg. von Rüdigcr Bubncr et al. Göttingcn: Vandenhocck & Ruprecht 198 1, S. 1-30,hicrS. 11. BJ
Vgl. LOWITH. Kad: l17dtgmhifhlt lind Htihgmhtbln. Die IIHOlogiJrhtn VOrtJlIJJt'i!lngen dlr GmhirhlJphiloJophie. Sruttgart: Ko hlhammer 1953.
8-1
LOWlTH,
Kar!: l17tllgeJChirhJt lind Hrihgmhthtn. Die thtologürhtn VorallJJt/~ngen der GtJCbirhlJ-
philoJophit. Sruttgan: Kohlhammer 1953, S. 46.
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die vielen Denkmäler, tendierte zu missio nari schen Aktualisierungen."85 Diese E ntwicklung gewinnt dann später jene katastrophale Eigendynamik, de ren Folgen bekannt sind. Sowo hl der link e al s auch (und vor allem) der rechte T Otalitarismus grunden sich auf die Vorstellung einer apokalyptischen Weltkatastrophe, deren revolutio närer E ndkampf die ,verdorbene Erde läutern ' und in eine glo rreiche Endzeit führen wird. D ie eschatologischen G rundzüge der nationali sti schen Vorstellungswelt liegen schon in der ,ko nservativen Revolurio n'86 o ffen zutage: .,Der konserva tive Mensch sucht heute wieder die Stelle, die Anfang ist", heißt es bei MoeUer van den Bruck.87 Derselbe greift dann chiliastische Vorstellungen auf wenn er die natio nali stische Bewegung als "Streiter für das Endreich" au ffaßt (244) und im Vokabular vo n ,Bestimmung' odet ,Verheißung' zum endzeitlich-apo kalypti schen ,Kamp f für ein Dn·lles Reich aufru ft. \'Venn man bedenkt, daß die Urszene der Heilsgeschichte in der jüdischen Traditio n liegt, gehö rt es zu den makabren Umständen der \'Veltgeschichte, daß auch Hirler seine Nazi-Ideologie auf eschatOlogischen Vorstellungs mustern fundierte. D en Ursprung der menschlichen Kultur verdankt die Welt Hirler zu folge einer uranf.ingliche n ,Kulturbegründung' durch die ,Rasse' des ,A riers'; dieser allein sei "der Begründ er des höheren Menschentums überha upt", er stelle " mithin den Urtyp dessen" dar, "was wit un te r dem \'(lorre ,Mensch' verstehen" .88 Hirlcr stellt die arische Rasse also an dieselbe Sys temstell e, welche in der ursprünglichen, religiös gemeinte n jüdischen Apo kalyptik das ,auscrwählte Volk ' der Juden eingenommen hatte. ,Kultursti ftung' spie lt sich nach Hiuer dann dadurch ab, daß sich "Arische Stämme I...] fremde Völker" (3 19) unterwerfe n; der ZerfaUsprozeß setze jedoch an, als gegen das Prinzip der ,Reinheit der Rasse' verstOßen worden sei: " Endlich aber vergehen sich die Eroberer gegen das im Anfang eingehaltene Prinzip der Reinhaltung ihres Blutes, beginnen sich mit den unterjochten Einwohnern zu vermischen und beenden damit ihr eigenes Dasein; denn dem Sündenfall im Paradiese l!1 fo lgre noch immer die Vertreibung aus demselben." (319f.) In dieser ,Verfallsgeschichte' der ,arischen Rassenreinheit' wird nun der J ude', dessen ,,\'Verdegang irruner zu allen Zeiten derselbe war" (338), zum Prinzip des Auflösungsprozesses erklärt. E ine Reihe von ,Stadien' wird beschrieben, in deren Abfolge sich die ,Bedro hung' der arischen Rasse durch das 85 N IPPERDEY, Tho mas: " D er ~'I Ylhos im Z eitalter d er Revolutio n." In: IlYrgt des MytlJOs in der Moderne. Rithard 1Y1agnrr ,Der Ring du j\'ibrlllngen. ; Hrsg. von Diet.er Bo rchmcyer. München: d rv 1987, S. 96-109, hier S. 102. 86 Vgl. u. a. D UPEUX, Louis: ,i'\ 'atio"albolsrhrll-'hmlls' in DrlllJrIJlond. KONmJlmistisr!Jt SImJegje lind konJtn'l1ti/.'l Dy namik. Übers. von Richard Kirchhoff. Mü nchen: Beck 1985, zu Mocller van den Bmck S. 70ff. !11
88
MOELLI!R VAN DEN BRUCK, An hur. Dm dn·lle Reich. 3. Auf!. H amb urg: H anseatische Verlagsanstal i 1Q3 1, S. 189, d as folgende Z itat im Ai cß ~CXt. I-I ITLER, Ad e lf: Mei" IGmpf 241./ 245. Auf}. München: E her 1937, S. 317, die fo lgen den Z itate sind im A icßleX( angegeben.
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jüdische Projekt der Erringung der ,,\Xleltherrschaft" (343) manifestiere, und diese Stadien werden grob mit weltgeschichtlichen Epoc hen verknüpft, so daß angeblich da s ,feindliche Prinzip' des Juden' wec hselweise im Feudalismus, in der Industriali sierung oder im marxistischen Sozialismus sichtbar werde. Das zugrundeliege nde Prinzip bleibt dabei die ,U nreinheit der Rassen', wobei das alttestamentarische Mo riv der ,Hurerei' desavouiert (dorr selbstverständlich gemeint als ,Abfall von GOrt') und in das Bild der ,Schänd ung' umgewandelt wird: " Der schwarzhaarige Judenjunge lauert stundenlang, satanische Freude in seinem Gesicht, auf das ahnungslose Mädchen, das er mit seinem Blute schändet und damit seinem, des Mädchens Volke raubt. Mit all en Mitteln versucht er die rassischen Grundlagen des zu unterjochenden Volkes zu verderben." (357) In den Augen Hitlers wird die russische Revolution zu einem Zeichen, daß das ,feindliche Prinzip' des Judentums den letzten Schritt zur ,Weltherrschaft' eingeleitet habe, ganz ähnlich wie es in den AntichristSzenarien der mittelalterlichen Apokalyptik geschildert wird: "Nun beginnt die große, letzte Revolutio n" (358) . Dieses weltgeschichtliche Bedrohungsszenario witd in durchau s end zeitlichen Bildern beschrieben: "Somit gehe er l,der Ju de1 seinen verhängni svoUen \'Veg weiter, so lange, bis ihm eine andere Kraft entgegentritt und in gewaltigem Ringen den Himmelsstürmer wieder zum Luzifer zurückwirft" (751). Die natio nalsozialisti sc he Bewegung crfüUr in diesem apokal )'prisc hen Endkampf dan n die Ro lle ei ner ,Rerrerin der Menschheit': " befrei t sich D eutschland aus di eser Umarm ung, so darf di ese grö ßte Völkergcfahr als fü r die gesamte \Xlelt gebrochen gelten" (703). Der Na tio nalsoziali smu s stili siert sich so als Kraft, welche den "Niedergang des deutschen Volkes 1...1 zum Stillsrand" (36 1) bringen und das "granitene Fundament" sc haffen soU, auf dem dann der ,.germanische Staat deutscher N ation" (362) wieder errichtet werden kö nne; und bekanntlich ließ sich Hitler selbst vor allem im Film als ,Erlöser', al so guasi al s ,Mess ias' darstellen. Die natio nal sozialisti sche Ideologie, der ,braune Kult' um Thingspiel, chorisches Theater und Massenspie1, die antagonisti schen Reminiszenzen von Tempeln und mittelalterlichen Sakralräumen, ihre atavistischen ,Orden', ihre archaisierenden oder oft geradez u Liturgisch anmu tenden Liedfo rmen , ihre Rituale, ihr Blutkulr, ihre Kultstätten und Fahnenweihen, ihre ,Morgen feiern" ,So nnenwendfeiern', Heldengedenktage, Lebensfeiern , Weihe-Spiele, ihre Archaismen, der To ten- und Heilbringcr- bzw. Führerkulr,89 all die s ist sic herlich der makaberste und mon ströses te Au s89 Vgl. u. a. VON DUNG, Kl aus: Ma!it ,md Manip"lation. IdtologiJdJtr Nilillnd pdlilisdJt IVligion du
iValiol/alJ0i!0lilnIJlJ. Göttingen: Vandenhocck & Ruprecht 197 1; GML\I, Hans-J ochen: Dtr brmlnt Nill. DaJ Dn"!lt lVirh NI/d dir E rsal'(!?litjon. Ein Brilrag ~r pdlillJrben BiklNI/g. H amburg: Rütten & Locning 1962; STOMMER, Rainer: Dit inS'{!nitrtt VolleJgrmrinJfbafl. Dir , Tbil/g-Btu-'tgNng' im Dril1m Rtith. ~·I arb ll!g 1985; E ICI-IßERG, Henning el al.: MdJJ(nJpidr. NS-ThingJ/Jitl, Arbrilt~t1JtJ/Jitl lind oIJmpiJdm Ztrtmonirll Srungan, Bad Cann stadt: fromann-holzboog 1977; ß EHRENBECK, Sabine: Drr M it Nm dit IOlen Htldtn. NolionolJorjolisli.trbt Mylhtn, Rittn Nnd Symbolt (192J- 1945). Vierow: SH -Verlag 1996; LEY, l\:lichael, und Julius H . SCHOEI~ (Hrsg.): Dtr
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Abb, 37: Natio nalsozialistischer Umzug, 10, Juli 1938, " Die Szene zeigt vom Festzug das Thema ,Die germanische Zeit' mit dem Sinnbild der Sonne - analog dem ,Goldenen Pan eiabzeichen' - und Jungfrauen in wallenden weißen Gewändern und Spindeln ."
wuchs eschatologischen Denk ens. Die durch sie ausgelöste Katas trophe von Mo rd und Vernichtung, aber auch das Scheitern anderer T ocalirarismen hat sicherlich die do minante Bedeutung der Programmatik des Ursprungs stark reduzien: " Die Zeit hat den Mythos in der Po litik überho lt, nachdem das Zeitalrer der Revolutionen vergangen ist.'<90 Mit dem Faschi smus ist auch die Dominanz der Programmatik des Ursprungs untergegangen. Aber dennoch inflJ trieren archäo-teleologische Fas zinationsmuSter unseren Medienko nsum weite rhin und erzeugen \'(Iirkungen. Norman Cohn faßt die escharologische Erzählung wie folgt zusammen: eine böse, tyrannische, grenzenlos zersrö rcrische Machr beherrscht die Weh eine r.,'lachr, die nic ht mehr als men schlich, sondern als schlechthin dämonisch emp fu nden wird, Sie wird ihre T yrannei zu imm er gewaltigeren Schrecken und Leiden ihrer O pfer bis zur Uneruäglichkeit steigern, bis plö rzlich die Srunde schlagen wird, da sich die Heiligen Gottes zu erheben und sie zu überwinden Naliona4o~jalü"JlIJ
als politisrht Ivligion, Bodenheim: Philo 1997; G Ut\RDINI, Ro mano: Dtr Htilbn'ny r in Mythos, Offrnbanmg und Polilik. Eint Iheologis(h-poh'tis(he Besinl/Jmg. Zürich: Thomas-
Verlag 1946 , !'l
N IPPERl)EY, TIlomas: " D er Mythos im Zeitalter der Revolution ," In: 117~ du MJlhos in fltr Modrmt, Ri(hard 117~1/rr ,Dtr Ring du Nibtlungtn, ' Hrsg. von Dieter Bo rchmcycr. Mü nchen: d tv 1987, S, 96- 109, hier S. 109.
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vermögen. Und dann werden sie, die Heiligen, die bis dahin umer dem Joch des Umerdrückers geschmachtet haben, als das ausen.vählfe Volk ihrerseits die Herrschaft über die Erde ancreren. Dami t wird sich der Sinn der Geschichte erfiillen: der Glanz dieses Kö nigreichs der Heiligen wird nicht nur den aller früheren Reiche überstrahlen; es wird auch das letzte aller Kö nigreiche scin.91
Es ist unmittelbar ersichtHch, daß diese Fabel, di e von Hider zur Au slösung des 2. Weltkrieges instrumencalisicrt wo rden war, in immer neuen Variatio nen bis heute die SOUTee 0/ business ganzer Legionen harmloser Filme. vor allem aus den \Verkstätten Ho Uywood s, dars tellen. Als Beispiel für eine Vielzahl von Aus formungen kann erwa der Science Fictio n-Film Das fünfte Element dienen, welcher auf geradezu p rototypische Weise das apokalyptische Schema enrfalret. Ein ,Ding', das Prinzip des Bösen,lauert im \Xlelta11, bedroht die E rde und beabsichtigt, alles Leben zu verruchten. Den ,Schlüssel' zur Interpretatio n dieser Bedrohungssiruation besitzt ein Mö nch als ,Hüter der T radition'. In einer Kern szene des Films erläutert dieser die eiJlzige Retrungsmöglichkeit, und zwar wie so o ft in HoJJ ywoodftlmen an hand eines urahen, vergil bte n Buchs, welches au f eine Art Messiasfigur und zugleich auf das ,U rprinzip des Lebens' verweist: "Die Mo ndochiba besitzen die \Xlaffe, um das Böse zu besiegen. Es handel t sich um 4 Elemente, die um ein fünftes angeordn et sind. Ein hö heres \Xlesen, der absolute Krieger, geschaffen, um das Leben zu schü tzen. Gemein sam erzeugen sie das, was unsere Vorfa hren das Licht der Schöpfung nannte n, das in de r Lage ist, das Leben in di e entfe rn testen Wei ten des Unive rsums zu trage n." Das ,fü nfte Element' taucht dann selbsrverständl ich in Fo rm ein es rätsel haften wei bliche n \'Vesens au f; es spr ic ht in einer merkwürdig-archaischen Sprache, und der Z uschauer wird infom lierr: " Es ist die göttliche, eine al te Sp rache. die man im ganzen Universum sprach , bevor die Zeit erfunden wurde." Das endzeitliche Rettungsszenario fi nder dann in einem ,T empel' in der ,\Vüste' statt, welcher klar in altorientalischer Staffage positionierr wird. Der apo kalyptische Showdown verkJammerr also {/((he und telos: Nur die Rückkehr zum Ursprung ve nnag das Böse zu vernichten. Die fo rtdauernd e Bedeutung der Programmatik des Ursprungs im Umfeld der Medienwirkung läßt sich aber auch in der Rezeptio nsdimension selbst belegen. Schon aUein der Rekurs auf ,KJassiker' erfo lgt auch im Ko ntex r einer Faszination am Ursprünglichen. Die Ko njunk rur des Ursprünglichen wurde gerade durch die Retto-Trend s der letzten Jahrzehnte immer wieder au fs neue bestätigt: Z unächst im Um feld von Musik und Design, dann aber bis hin zum ,regressiven' Rückgriff auf Produkte der ,gute n alten Warenwelt', wobei dann Kultmarken von Afri Cola bis & tkiippchen oder Langneses DololJliti ein Revival
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COliN, Nonnan: Das Ringtn Nm doJ 10NJtntfjöhrige RLith. & '!()/Nlionlirtr A!mionülIINs illl A!illt/olltr
NnJ Jrin FOrlkbm in tkn modtnrtn lololi/li"n lkll:tgNngen. Sem, r-,'{ünchen: Francke 1961, S. 13.
428
feicr[en. 92 Die PrObTfammatik d es Ursprungs steuen dabei nicht nur Kulrmarken. sond ern den K1I11 überhaupt, d er ja immer di e Vergegenwärtigung eines Ursprungs impliziert. Wie im religiösen Kontext Gläubige an die urspn'inglichen Orte d es Heil sgeschehens pilgern, so geschieh t dies bis he ute noc h im säkularisierten Kult. E in Beispiel dafür ist die Verehrung von E lvis, der scho n seit seiner Geburt dem Stigma verfallen zu sein scheim, seine lebendige Gegenwart auch gegen den T od zu behaupten - sein Z willingsbruder starb während d er Geburt, und EI'Jis ist nicht ohne G rund Anagramm auf lives. 93 Elvis' Musik ließ sich nicht zuletzt aufgrund ihrer ursprüng lichen A uthentizität vermarkten E lvis stammt aus einer bettelarmen Familie, bes itzt ,Street (redibili ry' (mit latem anti-inrellekruellen Attitüden), ist ein \X'eiller mit dem ,Feeling' eines Schwarzen, und figuriert nicht z uletzt als ,Begründer d es Rock 'n' Ro ll'. Die Bezeichnung The King läßt sich auch biblisch al s Referenz auf Jesus deuten. wie Nick (ave das auf seiner LP The Firslborn is Dead tUt. Im ersten Stück, welches "Tupelo", also nach Elvis' Geburtsort benannt ist, heißt es: "And the black rain c amc d own. Water water everywhere. \X1herc no bird can fly no fi sh can swim. No fish can swim Until ehe King is bo rn! Until ehe King is bo rn! In T upelo! Tupelo-o-o! Til the King is bo rn in Tupelo!"94 E lvis, dieser Messias der Po p - Kulrur, hat der Legende zufo lge gerade The Face ofJesm gelesen, als er verstarb, ein Buch also über das Turiner Leichen tuch,95 und tatsächlich wird er seitdem wie ein Heiliger verehre Die zentral e Wallfahrtstättc für seine Fan s ist Grareland, ,Land der G nade', archäo -teleologischer Paracli esort des E lvis- Kults in M emphis. Im KJ appenrcxt ei nes Bildband s heißt es: Sinee Elvis Presley's death in 1977, G raeeland, the ho use whieh he purchased in 1957 and in whose grounds he is buried, has beeome a shrine ro {he mem o ry o f the King of Roek'n
n Vgl. etwa das Kapitel " D as große Heimweh" in I-lORX, Matthias: Aügolrtnds for die späten ntllnti!!' Johrt. r-.·!ünchcn, DüsseJdorf: Eeon 1988, S. 130-157. '1 POESENER, i\lan und r-,'Iaria: Bltis Pmlty. Mit Sdbstr!lIgnimn Jmd BilddokN11Imlm. Rcinbek:
Rowohlt 1993, S. 14. ').I
Zitiert in M ARCUS, Greil: Dtnd Eltis. A ClJronidt of 0 Cllllllrni Ob!mion. Ncw York CI al.: D o ublcda)' 1991, S. 121 .
?S
Vgl. MARC US, Grcil: Dtnd EI,is. A Chronidt ofn CllltllrnIOb!tJJion. Ncw York et al.: D o ubleda)'
'16
1991 , S, 132, PUPPO, Chet: Grnctlantl. Tbt Ihing LIga!] of Elti! Pmlry. London: r..-I.itchell Beaz\ey 1993, Khppcmext.
429
Gmceland steht tatsächlich für das Phantasma, an den Urspnmg ifm"ickz"kehret1; das Buch über den On beginnt: "Can there possib ly be a mo re peace ful spor o n eanh than Graceland on a soft, dewy morning? As the frrst rosehued fin gers of sunnse po ke through the srately oak and clm trees mar fo rm a soaring natural cathedral and begin tO gently illuminate the Meditation Garden, I rum tO srudy m)' fe llow rravelers. [... ] My companio ns said mat the)' had come (0 Graceland tO rry tO be elose tO Elvis.,,<)7 Graceland erscheint hier al s Ko nglomerat eines ursprüngli chen Paradiesgarrens und einer Kathedrale (al s Abbild des endzeitlichen Himmlischen j erusalem!). Die Besucher ko mmen gewissermaßen. um zu Elvis ,zurückzukehren': ",It's funn y,' says the fan, ,but you can feel hirn there"'.98 Das erstaunlichste Zeugni s di eses Gegenwärtigkeitsphamasmas ist dabei wohl die 1170//, welche sich um das Anwesen herum zieht und von den Fans benutzt wird, um durch das Medium des Graffiti in einen gespenstisc hen Dialog mit dem Kiflg zu [reren. Sicherlich sind viele Einzeichnungen ironisch gemeint (" Please quir writin' o n my wall. Thank )'ou. Thank you very much. " E" ."). Eine Vielzahl von Inschriften belegt jedoch die Faszination und die Sugges rionskrafr, welche die Programmatik des Ursprungs bis heure erzeugt: I made it! My li fe is complcrc! AU my lovc forc"cr. Diannc The King Lives! (No! Rcall)t! He does!) E lvis, are you in thcrc? Comc Out, eome our whcrccver )'OU are! E lvis, uncil I sec yOll on m ar beauriful sho rc, J m iss and love you! - PhylLis N iec meeting you, Elvis! - Thc J...'lra Famil y As long as we kecp Elvis on our minds, there is a p ro mised land fo r !he future. Angela Elvis was an angel scm from hcavcn. He did his job and G od rook hirn from lI S, but hc will alwa)'s live. - J ulie Prceious Elvis, U fc isn't rnc same wilhout rou. Until \vc meet agai n, 1'11 Listen to )'our musie and just prcrcnd. - Annen c Dcar King, you invitcd us, so wc eamc. Maybc no t in fl cs h, bur r our spirit still Lives in thcsc walls. E lvis, I wasn'r herc when }'Oll left, bur 1'11 bc hcrc whcn you eomc back. Angcl 1 had reason to believc and I was reecivcd ar Graeeland .... Jane Reaeh out and hc will bc rhcre. Elvis - wc eamc, wc convcrscd, and now \vc lovc you c"cn morc! Sam & Laura -
91
Ebd., S. 8.
91!
MARLING, Karai Ann: Crorrlond. Going HOIIlt JJilh EMs. Cambridge/ Mass.: Hacvard
s. 196.
430
ur
1996,
Standing here, my words fail mc. Kno\Vlng that you playcd in This yard makcs me Happy. Knowing mat )'ou Saw (he Same T rces [1I1s me up! You are fantastic! 1 never gor (0 see you, bur 1 have come ro Graccland cach August for 15 years. [... ] T ill ncxt ycar. You sing forever in o ur heans. _ 99
9\
AUc Zita[c entstammen WRIGHT, Danie!: DMr B"-u. Gra./Jill from Crartumd. Memphis: Musnmg 1996; in der zitierten Reihenfolge S. 15,33,33, 42, 42, 44, 45, 46, 49,50,55,57, 71,77, 83.87,89.
43 1
VI . Authentizität: Der Reiz des Echten
Tagebuch. Ich kann gar nicht genug davon lesen. [... 1 Der Effekt ist immer wieder neu unglaublich: man ist hineingesogen, unwiderstehlich eingenommen, lind zugleich so schrecklich mitgcno nuncn davon. \X' je von echtem Leben. Und gcnau so traurig wird man auch davon.]
1. Echt oder geEilscht?
(\VOLFRAM VON ESCH ENBAC H)
Die Programmatik der Authemiz itär läßt sich zunäch st einmal probl emlos an diejenige des Ursprungs anschließen: In dem Netz der Schriftfiliacio nen ist eine Steigerung des Alters immer zugleic h auc h ei n Zugewi nn an Amhenti zidir. Sc ho n im Lateinischen bezeic hnet {J/(Ihenlicu/IJ das "Original ei ner Hand schrift im Gegensatz zum exelllp lllfiltll/",3 In diesem Si nne wäre der Begriff des Originals dann zwisc hen dem Urspnmg und der A lflhenli':(jläl zu positionieren: Das Original ist zugleich an f.inglich und echl. Einen trennschätferen Z ugang zum Feld des Authentischen jenseits des Syno nyms der Echlheit bietet jedoch roe Reflexion über die Opposition des Begriffs: Ein wichtiger Gegensatz zur Authentizität ist die FälsdJJflI,g.4 "One
1
GOITl, Rainald: RlII'I". Erziihhlni.. Frankfurt: Suhrkamp 2001, 5.265.
2 1m Gegensatz zu den bisher thematisierren Programmen steht im FaUe der Authentizität kein bestehendes Theoriegebäude zur Verfiigung, welches sich für die hier verfo lgten Zwecke aufgreifen und erweitern ließe. Dasselbe gilt auch für bcgriffsgeschichtliche Untersuchungen. Häufig wohnt dcr " affi.rmati,'cn Benutzung des Begriffs die esoterische Aura eines .ganz AI/dtrrn'" bei, bemängelte bereits WETZEt, .Michacl: ANIOI/omie und Alflhtn/itftö1. Unlmuchungm !(!Ir Kol/J/i/Jfh"ol/ und KOl/jigNralion nNl Suo/r!e/;"ilöl. Frankfurt/ M. er al. : Lang 1985, S. 14. Auf die wenigen Referen zen aus der Forschung ko nune ich in1 Laufc d er Argumentation zuriick. , RO'n CERS, K. und R. FABlAN: " Authentisch." In: l-lilfonJCheJ If/örttrollch dtr PhiloJophit. Hrsg. von J oachim Ritter. Bd. 1- 12. D armsradt: \'1/ iss. Buchges. I 97 1ff. Bd. I, Sp. 69 1-692, hier
Sp.691. 4
Vgl. u. a. F ULD, \'\ferner: Das U:.:i!eon fltr FölschNl/gtn. FiJ!Jchfwgtn, Liigrn und Vtrschu.-o"nlngtn allS /VII/JI, I-lil/ont, lf/iJUI/Jchtifi und Liltralur. Frankfurt/ M.: Eichborn 1999; HOCHADE.L, Oliver und Ursula KOCHER (I-Irsg.): Liigrn lind lHlriigrn. Das Faucht in dtr GtJChichle l'On dtr Anti/u biJ !(!Ir Modmu. Kö ln: Böhlau 2000; CORINO, Karl (Hrsg.): GtJiilJchl! Btlmg in Po/ilile, U"ltral"r,
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might imagine that rne concept of authenticity begins in any sociery when rne possibility of fraud arises".5 Der O ppositionsbegriff der FiJl,schJtng zeigt zugleich, daß Authentizität immer auch in einer Verbindung zu Formen der Autorschaft im weitesten Sinne steht: " Historische Vorstellungen von Autorschaft prägen spiegelbildlich auch die von Fälsc hungen, und jede Zei t bringt die ihr entsprechenden Versionen von Fälschungen hervor."6 Scho n das griechische aJtthenfikos steht immer im Kontext der Urheberschaft und bezieht sich schon hier auf Phänomene der ,verbürgten Echtheit', welche un s noch heute geläufig sind: Urkunden, zum Beispiel Schuldscheine, Testamente, Verträge und dergleichen mehr, aber auch auf die Handschrift. 7 In diesem Sinne besitzt die Unterscheidung zwischen Authentizität und Fälschung zugleich eine ethische Komponente in jeder Kommunikationshandlung. Denn wo immer man kommuniziert, hat man es ,nur' mit Zeichen zu tun, mit Medialität - und zugleich erheben diese Signifikanten doch Anspruche iiber das bloß Mediale hinaus, berichten ,wahre Begebenheiten', stellen ,reale Forderungen', verlangen, daß man sie ,glaubt', sich auf diese einläßt oder sogar Konsequenzen des Handelns zieht. 8 Daher ist es theo retisch un sinnig, die Unterscheidung authentisch / ge ftil schtjenseifs der Diskursivität beantworten zu wollen (im Sinne: Handelt es sich ,wirklich' um einen Betrug?). D enn auf der Systemebene muß jeder Rezipient auf Basis der ihm zur Verfügung stehenden Eviden ze n immer wieder aufs neue entscheiden, wie er die gerade ablaufenden BOtschaften einschätzt, ob er die Behauptungen oder Texte aJ s wahr annimmt, oder ob er gerade getäuscht wird, ob das Gegenüber gerade mit Falschgeld zahlt ("Echt?" . Dabei richtet sich der EchtheitsstatuS stets nach den zur Verfügung stehenden Info rmatio nen: Das, was geste rn noch echt schien, kann sich schon mo rgen aJ s Fälschung erweisen und umgek ehrt. 1W';nensrhajl, KNnsf und MNsile. Reinbek: Rowohh 1992; SPEYER, Wo lfgang. Die !i/transche Fil1schNng, im hddnisrhen find christ/idxn AI/erlNm. Ein VmNch ihrtr Dm/ung. München: Beck 1971 (= Handbuch der Alterrumswissenschafr, I, 2); FUHRMANN, Ho rst: " Die Fälschungen im Mittelalter. ü berlegungen zwn mittelalterlichen Wahrhc.itsbegriff." In: HiJlorische Zti/schrif l l 97 (1963), S. 529-601; ders.: "t>,·lundus vuh decipi. über den Wunsch des Menschen, betrogen zu werden." In: Histonsche Znlsrhrif l 241 (1985), S. 529-541 ; FölJdlNngen im Milft/olter. Bd. 1-6. H annO\·er. Hahn 1988ff. (= MonNmtntat Gtrman;at HiJ/orica, Schriften, 33,1 -6). } O RWEU, MiJes: The RIal Thing,. Imitation and A UlhentititJ in Aoltricall Cullurt (1880-1940).
Chapel H ill, London: The Uni,'ersity o f Nonh Carolina Press 1989, S. xvii. 6
SCHAFF, Barbara: " D er Autor als Simulant authentischer Erfahrung. Vier FaUbeispieie fingiener Autorschaft." In: AJlfomhajl. Posihonen und IVtilionm. DFG -Symposion 2001. H rsg. von Heinrich Detering. Stuttgan: Metde.r 2002, S. 426-443, hier S. 426.
1
Vgl. KALlSCI1 , E1conore: " Aspekte einer Begriffs- und Problemgeschichte vo n Authentizität und D arstellung." In: Ins~niernng nm Afi/hentitJ/öf. Hrsg. "on Erika Fischer-Lichte und Isabei Pflug. T übingen, Basel: Francke 2000, S. 31 -44, hier S. 32.
8
" In "erständigungsorientien er Einstellung erhebt der Sprec her mit jedtr verständlichen Äußerung einen Ansprach darauf, daß die gemachte Aussage wahr ist 1... 1, daß die Sprechhandlung nut Bezug auf einen bestehenden noonatiyen Kontext richtig [.. .J ist; und daß die manifescien e Sprecherintentio n so gemeint ist, wie sie geäußen wird." HABERMAs, Jürgen: Moralilölsbtu.'1Iß fsdn und leommNnikPtivtJ Handeln. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1983, S. 147.
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Der prägnanteste Mythos übet die Echth eit ist wohl die Episode vom Goldenel1 Kalb im ExodJls. Während Moses nämlich auf dem Berg Sin ai gerade die Ge setzestafeln von GOtt in Empfang nimmt, steUt sein Bruder Aaron auf Birten des Volkes ~,Auff / vnd mach vn s Götter / die fur vns her gehen"') ein GÖtterbild her, aus Gold gießt er ein KaJb, welc hes die Israeliten dann anbeten. Die Erzählung ist ein zentraler Refe renztext in Ulrike J an ssens umfangre icher Studie über die HersteUung H etliger Zeichen in hermeneutische n Theorien. In immer neuen Ko ntexten keht[ nämlich immer wleder aufs neue immer dassel be Schema zurück, welches dem Gegner den ,Aberglauben' zuweis t~ den " bloßen Schein, um an anderer StcUe eine ,wirkliche \Xlirklichkeir' neu emblieren zu können. ,, 10
t\bb. 38: Echtes oder gcfi!schtcs Zeichen? Poussin, Der Tanz Iml das go/dtl/t Ki,lb (vor 1634).
~
Bib/i(l Gtnmll/iro. ü bers. von Marcin Luther. Faks. Nachdruck dcr Ausgabe Wittcnbcrg 1545.
Stuttgan: Wünrcmbergischc Bibelansrah 1967, Exodus 3211 J.
Htih'gt Ztirhen. Die Prodll!etiO" Je,. ,tigentljeben lf/irle/ie/)hit' i" /)tmltntNIJ5c/)en Thton'tn. Münchcn: Fink 2002, S. 94.
10 ) ANSSEN, Ulrike:
434
Im Falle des Exodus wird das Goldene Kalb denunziert, welches Janssen passend Fetisch-Zeichen11 nennt - ein solches ist ste ts kiinstlich heTEptellt, der "Fetiscbglaube [istJ die Vergöttlichung des (Selbst-)GetJ/{/cbten".1 2 Denn die Kehrseite des bloß menschlich hergesteUten Götzenbildes einer nur menschlich erfundenen GmtesjiJlschllflg ist ja der ,richtige', der ,wahre' und ungemachte GOtt J ahwe sowie seine Manifestation in den heiligen Zeicben des Dekalogs: Dessen steinerne T afeln wurden "geschriebe n mit dem Finger Gottes"Y Die Unterscheidung zwischen dem ollthentiscben GOtt, seinen echten Offenbarungen, und de n falschen Götzen erl:eugr die ganze Dramatik des biblischen Geschehens. \'Vie immer nebensächlich die latente, stets midaufende Selbstbeobachrung der Ko mmunikatio n im Hinblick auf die Unterscheidung Authentizität/ Fälschung im Normalfall auch sein mag, hier wird sie zur Frage, die über Leben und Tod entscheidet, denn 3000 Israeliten werden von Moses aus Rache für ihr Vergehen der Ido latrie, der Verehrung eines hergestelltm Bildes von einem bloß hergesteilten GOlf, getö tet [111 . 1) . Tatsächlich trägt diese Um erscheidung zwischen dem tJ1(/hentischen Jahwe und den falschen Baalsgöttern, auf die das nmonsch abtrünnige Volk Israel immer wieder hereinf.-ilh, weite Strecken der alttestamentlichen Narration. So berich tet etwa das erSte Buch der Könige weidäufig über den \'Vetts[reit zwischen den Prop heten Jahwes und denjenigen Baals. Es kommt dann zum Gmtes un eil auf dem Karmel ("So ruffet jr an den namen ewrs Gottes / vnd ich wi.1den Namen des HERRN anru ffen / Welcher Gott nll mit few r antwonen wird / der se}' Gmt" I~. Die Schilderung det ve rgeblichen Bemühungen der 450 Baalsprophcten nimml fast härni sch-ko mi sche Züge an: sie I... ] neffen an den namen Baal / von morgen an bis an den mittag / vnd sprachen / Baal erhöre vns. Aber es war da kein stimme noch antwort. I... ] Vnd sie l...J ritzten sich mit l\'lessern vnd Pfrümen \- L-tnzen] / nach jrer weise / bis das jr blut her nach gieng. Da aber der mirrag vergangen war / weissagten sie / bis das man das Speisopfer thun soh / vnd war da kein stimme / noch antwort. IS
11
In sein em etymologischen N ucJcus bezeichnet Fetisch (ursprünglich abgeleitet aus portugiesisch ftitifO ,das Gemachte') den ,Zauber', welche Eingeborene Talismanen, Amuletten etc. zusprechen; so SEBEOK, 111Omas: "Feush." In: T. S.: A Sign is j Nsl a Sign. BloomingtOn, Indianapolis: Indian3 UP 199 1, S. 116-127, hier S. 116f.
12 J t\ NSSEN, Ulrike: Htiti!! Ztithtn. Dir Prr)(h,leIion dtr ,rigt1ll/ithtn IlVirk/irhletü' in htmltntNlisdml
Theon·en. München: Pink 2002, S. 95. II
Bih/ia Gennanira. Übers. von l\hrtin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wincnbcrg 1545. Smngan: Wümembergische Bibelanstalt 1967, Exodus 31 P81.
H
Bih/ia Cmnanira. Übers. von Martin Luther. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 1545. Sruttgan: Wüm cmbcrgische Bibelanstah 1967, 1 Kö nige 18 [24].
\S
13ihh"a Genf/anim. Übers. vo n Marrin LUlher. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 1545. Smttgart: WÜtttembergische Bibelanstalt 1967, I Könige 18128-291.
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Selbsrverständlich wird die anschließende Anrufung Jahwes durch Elija dagegen erhö rt, und das Gou esuneil über die Allfhenfiz/liif der prophetischen Kommunikation endet ähnlich blutig wie zuvor im ExodllS, auch hier wetden alle 450 falschen Propheten getö tet. Die po intierteste Kritik an den Fetisch-Zeichen der Götze ndiene r wird dagegen im Buch Jerelllia (wo immer wieder aufs neue der Bruch des Bundes der Israeliten im alttestamentlichen Bild des Ehebruch s, der Hurerei geschildert wird l~ sowie im ,Brief des Jeremia' aus dem Buch Ban/eh vorge tragen. Wieder wird klar betont, daß die Götzen bloß künstlich herges tellt sind - auch hier in dezidierter Ablehnung der l konizjliil [111. 1) : Denn der Heiden Götter sind lauter nichts. Sie (die Heiden) hawen im walde einen Bawrn / vnd der Werc kmcister macht sie mit dem Beil / vnd schmückt sie mit silber vnd Gold / "nd heftet sie mit Negeln "nd Hemmern / das sie nicht vmbfallen. Es sind ja nichts / denn Seulen vberzogen I Sie kö nnen nicht reden / So mus man sie auch tragen / denn sie kö nnen nicht gehen. Danunb solr jr euch nicht fur jnen fürchte n / Denn sie können weder helffen noch schaden thun. l... ) Alle menschen sind narren mit jret kunst / "nd aUe Goldschmit stehen mit schanden mit jren Bilden I Denn jre Götzen sind Triegere)' [pstIlde / fa/Jlfnl] " nd haben kein Leben [pl/elmla / spin·IIISJ. 17 Ire [der Götzen] Zunge ist vom Werkmeister fein gemacht / vnd sie sin d mit gold vnd silber gezieret I vnd haben geschnitz te Zungen / Aber es sind nicht rechte zungen [pstlfdt / falsnJl vnd können nicht reden . (...) VN D er [tegt ein Scepter in der hand / wie ein König I Vnd kan doch niemand straffen [... ] D aran sihet man wol / das sie ni cht Götter sind.18 VOn Werckmeistcrn "nd Goldschmiden sind sie gemacht / vnd was die Werckmeister wollen / mus daraus werden / "nd nichts anderes. [...J DAnunb kan man nu fort wol erkennen / das es m egcrc}' [pm ,de/f alsa} ist / allen Heiden vnd Königen offenbar I " nd nicht Götter / sondern "on (\'lenschen henden gemacht lchtiroll al/lhropo" / !!lamI11m homim/m] I " nd ist keine Gottheit in jnen.19
Die Verehrung von Götzenbildern ist aJ so sinnlos, da es sich bloß um ,\Verke von Menschenhand ', um Fetisch-Zeichen handelt. Alle diese Reimprägnie run gen der Unterscheidung authentisch ve rsus gefälscht sind immer zugleich auch auroreferenriell :1.0 verstehen , denn solche Erzählungen verbürge n ja immer 16
Es enrstammt der Logik desselben Bildfe1ds, wenn seit der Antike dic geistige Urheberschaft als Verhälmis der ,Vatcrschaft' zwn ,Kind' bezeichnet wird, und Plagiat dann durch die r...tetapher des ,unehelichcn Kindes bezcichnet wird. Vgl. SPEYER, Wolfgang: Dit /iteronscbe FäufhNng im htidniJrhtn Nnd rhriJtlirhtn A/ltrtNm. Ein V"TJllrh ihm DtNfling. München: Beck 197 1 (= Handbuch der Ahenumswisscnschaft, I, 2), S. 16.
!7
BiMa Gmllan;ra. ü bers. von Marrin Lumcr. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wincnbcrg 1545. Srurtgart: Württcmbergischc Bibelanstalt 1967,jeremia 10 13-5, 141
18
Bib/ia Gtrmanita. ü bers. \'on Martin Luthcr. Faks. Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 1545. Srungan: Württembc.rgische Bibelanstalt 1967, Baruch 6 [7-14] (" Brief des jeremia").
19
Bib/ia Gtrmanita. ü bers. \'on Martin Lumer. Faks. Nachdruck der Ausgabe Winenberg 1545. Srungan: WÜfttembc.rgische Bibelanstalt 1967. Baruch 6 145-511 (" Brief des j eremia'').
436
zugleich auch ihre eigene Echthcit. Im Fallc dcs Pcntateuch handelt cs sich ja einerseits um den aJlthentischen Dckalog sowie den echten göttlichcn logos, den GOtt den Juden durch Moses selbst gegeben hat. Auch die Prophetenbücher bestätigen nicht zuletzt die Authentizität ihrer eigenen Prophqyillngen und denunzieren dagegen die ,Scharlamne' der orientalischen Götterkonkurrenz als Be/niger, instruieren demgemäß den Rezipienten zugleich, dort Betrug zurückzuweisen, hicr dagegen LLktiiren der A II/ben/i~/äl durchzuführcn. D em entspricht auch, daß die Authentizität des Berichtcten einerseits durch die immcr wicder aufs neue vorgetragene Verbürgung durch A Jlgen- und OhrenZtligenschafl bestätigr, ja geradezu beschworen wird (etwa die wiederkehrendc Formel ..ich sah" oder "Gon sprach zu mir" bzw. "So spricht der Herr", bcispielweise bei Jcremia),20 andererseits aber die Jln",il/elbart IY/iedergabe der götdichen Bo tschaften garantiert wird (.,Dls sind die Rede: welche Baruch [...] in ein Buch geschrieben hat zu Babel'').2\ Auch und gerade im Kontext der christlichen Religion spielt die Authentifizierung durch Allgenifllgenscbafl eine ganz zentrale Ro Ue. Die Tradierung dcs Geschehens durch die Jünger, die aUes ,mit eigenen Augen gesehen haben', war für da s früh e Christentum ein fundamentaler Ausgangspunkt der Rezeption, wie viele Passegen belegen: Denn ich ha\'e euch zuvorderst gegeben / welches ich auch empfangen habe / [... 1 I das er Inach der Auferstehung) gesehen worden ist ItiJIIJ tJ~ von Cephas I D arnach von den Zwclfen. Darnach ist er gesehen worden von mehr den fü nffllUnden Brüdern auff ein mal / der noch vicl leben I etliche aber sind cm schlaffen. Dam ach ist er gesehen worden von J acobo I Damach von allen Aposteln. DA s da von anfang war: das wir gehö ret haben ((lIIditi nlllJ) / das wir gesehen haben mit vnseren augen In'dimuJ oculiJ nos/nJj / das wir bcschawet IJ>trrptx i nlllJ) haben / vnd vnser hcnde be tastet haben (",onuJ 'tos/rat ron/ndot'tfJIn~ 1... 1. Was wir gesehen vnd gehö ret haben I das verkündigen wir euch DEnn wir haben niclH den kJugen Fabeln (dodaJ JoblllaJ) gefolget / da wir e uch kund geman haben die Krafft vnd zukunft " nsers H E rrn Jhesu C hristi. So ndern wir haben seine Herrlig keir selber gesehen IJf>/'l"IIl%flJ}.22
Die Paradoxie der Programmatik der Authentizität ist erwartungsgemäß von der gleichen Srruktur wie bisher scho n oft beschrieben. D ie Frage nach Echtheit oder Berrug im medialen Geschehen ist nichts anderes als eine neue
20 Vgl. zu dieser ,Botenfo nncl' auch \'(' ESI"ERMANN, Klaus:
Cnmdformtn proplN fiJ(htr Rtdt.
l...ti:inchen: Kaiser 1960, S. 70ff. 21
l3ib/ia Grrmanüa. Übers. \'o n Martin LUlhcr. Paks. Nachd ruck der Ausgabe Winenberg 1545. SlUngart: Würncmbergischc ß ibc.lanstalt 1967, Baruch I (11.
U
Biblia Crrmonito. Übers. \'o n Mucin Luther. Paks.
achdruck der Ausgabe Winenbe.rg 1545. SlUugan: Wümembe.rgischc Bibe.lanstah 1967, in der Rt:ihenfolge dt:r zitit:rten SteUcn 1 Ko rinther 15 (3-8] , I. Jo hanncsbricf 1 (1 -31,2. Petrusbrit:f 1 (1 6-181.
437
Schattierung im Vetsuch der Überwindung der Medialität, es geht hier um ein apo retisches .. V erhiillnis von DarJlellllngsllnabhiingigktil lind Darslellllnt'ZJ - auch die authentischen Zeichen lassen sich nur paradox definieren als nirhl hergu lellle Fabrikalionen. Denn letz tlich steht jeder Rezipient bei der Ein schätzung der Ec htheit eines T exts vor derselben Situation wie schon das Volk Israel am Fuß des Sinai, dieser Urszene des Glallbens: Er muß sich entscheiden, ob er eine beschri ebene Steintafel für authenti scher häh als ein gegossenes Kalb, eine schwierige Frage für jeden, der nicht mir Moses auf den Sinai gestiegen ist und als Zeuge mir eigmen A llgen gesehen har, daß Go" selbsl und nichr etw a Moses die T afeln beschrieben hat: N ichr umso nst sind l\'foses und Aaron Brüder, ihre ko nkurrierenden Angebote heiliger Zeichen sind zugleich different als auch im Hinblick auf die Frage ihrer Echtheit verwechsclbar. Analog hat es auch der Leser der alttestamentlichen Bücher mit Medien zu tun , die das Echte beschwören, aber eben doc h Medien bleiben, ihm liege n Authentizirätsbeteuerungen vor, aber eben nie das absolut Authentische selbst. Z ugleich läßt sich aber erkennen, daß der miclaufende Verweis auf die verbürgte Alllhenli~jliil der T ex te die fundamentalsre Voraussetzung der jüdisch-christlichen Ko mmunikation ist. Sobald man daran zweifelt, daß es sich bei den T ex ten ,mrsächlich' um die Sclbsro ffenbarung Gottes handelt, sobald man nicht mehr daran gltlllbl, implodi ert zwingend die Emphase der religiösen Kommunikatio n: Im Ko ntcxt der Religion ist der Glaube die Rezeptio nsweise der Authentizität. Die Prof,rrammatik der Authentizität gestattet det Ko mmunikatio n also, sich im fo rtlaufenden Ko mmunikatio nsgeschehen im mer wieder aufs neue zu vergewissern, daß sie es mit ,echten' und ,ern stzunehmend en' O perationcn zu run hat. Eine Schwierigkeit dieser Beobachrung zweiter O rdnung liegt darin , daß sich diese Prüfung sowohl auf die Mi tteilungs- als auch auf d ie Info rmatio nsdim ensio n des ko mmunikativen Geschehens richten kann.24 Einfacher gesagt: Entweder ist scho n die gesamte Ko mmunikationshandlung unec ht (die Tafel wurde gar nicht von Gott selbst beschrieben, ein vorliegender T ex t wurde in der Überlieferung verderbt, der Text wurde nicht vo n Robinson C nlSOC selbst verfaßt), oder die Fälsc hung liegt in der Dimensio n der Textbedeutung (etwa: der ersre Mensch wurde nicht von Gott aus Lehm ge formr, oder: Robinso n kann sich nicht erst ausziehen, nackt zum gekenterten Sc hi ff schwimmen und sich do n ,rue Taschen vo ll s to pfe n ~ . Im An schluß an ruese Doppelung fachen sich rue Programmatik der Authentizirät in eine bemerkenswerte Variationsbreite auf. Auf der einen Seite 2)
STRUB, Chrisnan: "Trockene Rede über möglichc O rdnungcn dcr Authentizität." In:
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Jhtnh~jJ;iJ
ou DonJI/hmg. I-I rsg. von Jan Bcrg, Hans-O u o !-I ügel und Hajo Kurl.cnbergc r. !-lildcsheim: Univcrsität Hildesheirn 1997, S. 7- 17, hier S. 8.
2~ Dies wird bercits in der frühneuzcitlichen Entstchung der his to riographischcn Methodologic
bedacht. Hier korrunt dann et\l,ta die ntrtniJaJ dcn So(hl'tmo/Jtn, dic info/libih"JoJ den ZlligniJJrn zu; \·gl. SEIFERT, Amo: Cognih·o hÜJon"(o. Dil C tJfhithJt au i\!omrngtbtrin dir jriihnlllt(!;Jh·r/Jtn Empiril. Berlin: Duncker & Hwnblot 1976, S. 154.
438
(Mitteilung) steht da s weite Feld der Alltonsienlllg, welches wiederum auf eine ganze Palette von Nebenaspekten ve rweist - stammt der Text überhaupt von dem AutOr oder hat ein Verfasser seinem Text die flllclon'tas eines (zumeist: ahen) Autors, womöglich Gon selbst, untergeschoben (Pseudepjgmphje)~5 Oder umgekehn: Hat ein Autor einen schon bestehenden T ex t ,geklaut' und unter seinem eigenen Namen veröffentlicht (Plagia!)? Und zuletz t: Ist der Te xt, der einem vorli ege, zuverlässig oder haben sich während der Überliifenmg Verwi tterungen, Korrumpierungen, Verderbnisse eingeschlichen;>26 Darüber hinaus enthält die Programmatik der Authentizität, wie sc ho n gesagt, auch die Frage nach der Wahrheit de s Textinhalts. In der jüdisch-christlichen Überlieferung beherrscht die AJltonsiemng noch weitgehend die Beurteilung der Textwahrheit: Was Gon selbst geschrieben oder dem Propheten einge haucht hat, das kann nicht labJlla, Lüge sein, das ist wahr und muß im Zweifelsfall selbs t gegen die innere Evidenz geglaubt werden. 27 Eine ganz andere Situation findet man dagegen in der griechi schen Antike vor, die auf unbefangenere Weise Methoden der kritischen Ec htheitsprüfung an Kommunikatio nen durchführt, und zwar weitestgehend unabhängig von tran szendentalen Autorisierungen. So entsteht in Griechenland ein diskursiver Generator ,wahren' \Vi ssens, welcher fortan unter dem T itel histone Karriere machen wird. Schon in der Urszene der Geschichte, in den Histones Apodexis des Herodot (- 440-420 v. e hr.), bezeichnet histone die ErkJlnd10Ig des Wißbaren auf dem Weg der lJIellschliehen Eifalmlllj8 (im Gegensatz zur göttlichen Provenienz des wahren \Visse ns im jüdisch-chri stlichen Kulturkreis). Auf diesem \'(Ieg gelangt die brriechisc h-antike Geschichtsschreibung zu einer " Vielzahl empirischer Verfahren, die von Augenzeugenschaft, der Berufung auf Zeitzeuge n und andere Gewährsleute beziehungsweise Autoren bis zur Benutzung von A.rchivmaterialien, Inschriften und so weiter reicht; als Entscheidungskriterium [...] gelten in erSter Linie Plausibilirät beziehungsweise ve rnünftige Überl egung. Ein charakteristisc hes Bemühen der antiken Geschichtsschreibung richtet sich auch stets auf die Frage der Kausalität bzw. der Ursan Vgl. dazu BALZ, Hots[: "Anonymität und Pseudepigraphie im Un:hrisrentum. Übcdegungen zum literarischen und theologischen Pro blem lIrchrisrucher und gem einanrikcr Psclidepigraphie." In: Zri!Jchrifi fir Theologie lind Kirrhe 66 (1969), S. 403-436; BROX, Norben: Falsche Verfam TlJngalnn. ZlIr Erkliinmg der!riihdmjllirhell Psrlldrpigraphie. Sturrgan: KBW 1975; den.: PUlldrpigraphie in der heidmjrhen lindjiidi;ch-dJristlirbm Antih. D armstadt Wiss. ßuchges, 1977,
u. Vgl. z. ß . }(ANZOG, Klaus: Ei"./iibnmg in die Edilionspbitot0tJ' d,r mllmll dm!Jchen Ullralllr. Berlin: E. Schmidt 199 1, S. 9-16 C.,AUlhenrizität und Erkennmisinteressc'') . !7
Z'I
Re flexio nen über diese Dominanz der Autorisienmg über die innere Evidenz finden sich dann auch schon in der friih neuzeitlichell Diskussio n einer historiographischen Methodologie: " Für die hisloria din'na sind wir auf die jidu rl alilorilas smlnnlis, sprich auf die kirchenamtliche Authentizität des Amors angewiesen." SEIFERT, Amo: Cogllilio hislon·ra. Die Gmbichlt als Nanm1f!btrin der.friihnell~illirhen Empin·e. ßerlin: Dunckcr & Humblo t 1976, S. 145, al.: ..Geschichte, J-Ijstorie:' In: Gmhi(hltiche G"mobrgn]ft. HislonIcha Lexikon ~r poliliJ(h-so~alen Sprache in Drillsch/and. Bd. 1-8. Hrsg. von Q no ßrunner. Stuttgan: KIen 1972ff. ßd. I , S. 593-709, hie r S. 595f. Vgl. KOSELLECK, Rcinnan
CI
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ehen (ai/iai, causae) der berichteten VOtgänge."2') Der Text der Gescbicb/e produziert demgemäß (so jedenfalls bis heute die Sugges tion) ,wahres \Xli ssen' durch den Rekurs auf das Faktiscbe - Taten, Ereignisse, Begebenheiten, oder nach AristOteles ganz einfach (?) ,das, was gescheh en ist'. D er histOrische Text erscheint so nur in einem eingeschränkten Sinne als ,gemacht', Lukian zufolge soll sich der HistOriker wie ein klarer, präziser Spiegel (1) verhalten, welcher neutral und passiv die Fakten wiedergibt, ohne sie zu modifizieren. 30 Die ,Geschichte' ist also schriftlich festgehaltenes, empirisches Wi ssen - diese Bindung zwischen bis/oria und E mpirie ist so stark, daß über einen längeren Zei traum im Vorfeld der modernen Geschichtsschreibung bis/oria nicht nur den Bereich der ,Geschichte', sondern den universalen Raum des wahren Realienwissens umfassen kann. 31 Auch die mode.rne Geschichtsschreibung wird ihre eigene Authentizität durch den Rückgriff auf prinzipiell altbekannte Mittel32 herstellen, vor allem durch den Rekurs auf das Konstrukt der Zeugenschaft, um idealerweise dann einfach (?) ,zu zeigen, wie es gewesen ist' (Ranke).33 Die Aura der Faktizität wird dadurch hergestellt, daß sich histOri sche Tex te dann als Aus-Fluß ursprünglicher Quellen [VI. 2] verstehen,34 d ie man wiederum nach Maßgabe iluer Authentizität klassifi ziert: "Entscheidend ist naturge mäß die Frage der Echtheit."35 Die Faszination der histo rischen Aumemizität (und dasselbe gilt später mutatis mutandis für alle ,nicht-fiktionalen' T ex te vom Tagebuch bis zwn Journalismus) wird seitdem durch die Fabel des Eifabmngswissens, der empirisch ,bestätigten' Wahrheit der Narration, erzeugt, und das trOtz aller theoreti schen Heraus forderunge n durch den Ko nstruktivismus bis heute: " Die Erfahrung wird zum Scharnier, das die Repräsentation (Erzählung) mit dem Repräsen tierten (ns ges/ae) ve rbindet. Die Beziehung zur \Xlirklichkeir ist in der Erfahrung unmittelbarer [1] al s in der Sprache. [...] Die Erfahrung bestimmt d ie 19
D EININGER, Jücgen: " Antike. D er Beginn einer methodisch begründ eten Gescluchtsschreibung." In: Gmhit/Jlt. Ein Gnmd/eNrJ. Hrsg. von Hans-J ücgen Goertz. Reinbck: Rowohlt 1998, 5. 214-232, hier 5.2 15 .
.\0
Vgl. MUH1..ACK, Ulrich: Guthithlsln·sJt1uthafl il1l HlIl1IallÜnll1S lind in der A".flelänmg. Die Vorgmhithte du H,JIOrisl1IlIs. München: Beck 199 I , S. 73.
}1
11
Vgl. SEiFERT, A.mo: Cognitio hülon(o. Dit Gtsthühfe als N anlfllgtbtrin derfriihntll'?fitlithtn El1Ipin·t. Berlin: D uncker & Hwnblol 1976. Sicherlich zeichnet sich die hislonsth·/en·fürhe Mtlhode d cr modemen Geschichlswissenschaft vor allem gegenüber de.r nu ttelaherlichcn GeschichlSschreibung durch eine erheblich gesteigerte methodische Strenge aus (vgl. MUHLACK, Ulrich: Gtsthühtsu1JSfnsthqfi il1l I-/lln/(JlliJffJIIJ lind in dtr A".fleliinmg. Die Vorgtstbithlt dn HüfonJI1IIIJ. München: Beck 1991, S. 347ff.); die i\
n Vgl. J /\EGER, Friedrich und Jöm ROSE..i'\l: Gtsthühlt du HislonJnJIIJ. Eint Einfolmmg. München: Beck 1992, S. 45. J.I
Vgl. J AEGER, Friedrich und J ö m ROsE.t'J: Gtsthitblt du HülonJ"'uJ. Eint Einfohnmg. München: Bcck 1992,5. 19.
15
AR..'JOLD, KJa us: " D er wissenschaftliche Umgang mit den Quellen." In: Gtlfhichlt. Ein Gl1Ind/eJm. Hrsg. von Hans-Jiligen GOCrtz. Rcinbe.k: Ro wohlt 1998,5.42-58, hier S. SI.
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Sprache und nicht umgekehrt [Ur!pnmiJ. [...] Die Erzählung kann nicht beliebig sein. Sie muß sich auf ihre historische Authentizität beziehungsweise Wahrheit hin überprüfen lassen.,,3(i In diesem Sinne erzeugt der authentische his tOrische Text ein Phantasma, welches sich in Abwandlung einer Bezeichnung von Barthes als Reality-EjJecl beschreiben läßt. J7 Dabei kooperieren AJllorisienmg und Hislon°i!'läl, diese beiden Steuerungsgrößen der Authentizität, häufig. Das gilt auch für die hier idealtypisch vorgestellte Differenz zwischen ,I srael' und ,Griec henland'. So fundiert sich die biblische Überlieferung auch auf dem Prinzip der historischen Zeugenschaft (wobei Gott jedoch, um es mit Derrida betont vieldeutig zu formulieren, "Absoluter Zeugc"l8 ist). Umgekehrt gewährt die griechische Museninspiration Authentizität auch durch den Rekurs auf eine göttliche Aulonsiertlllg. Dennoch erscheint es angebracht, gleichermaßen zu betonen, daß sich schon hier zwei verschiedene Formen der Faszination ausprägen: Die Beruckung durch die göttliche Authentizität im religiösen Kult auf der einen Seite (,Istael,), die Aura der ,wahren Ge schichte' auf der anderen ~ Griechenland '). Neben diesen beiden Typen von Authentizität lassen sich ferner Intensitätss rufen des Authentischen ermineln. Im innersten Kern der Authentizität befinden sich Phänomene wie etwa die Reliquie, die (wenn man daran glaubt) kein gemachtes Zeichen mehr ist. Der innerste Kern des chrisdichen Reliquienkulte s läßt sich auf die Vorstellung ein er Alllhenli~tiil des Leibe?? zurückführen. Grundannahme ist, daß in den kö rperlichen Überres ten der Heiligen ~ Primärreliqui e n '), aber auch in durch Berühmng auratisierten Ze ntralrequisiten (Kleidung, Marterwerkzeuge, bis hin zur E rde vom Grab) die "irtllJ des Verstorbenen präsent ist. Auch (He kultische Verehrung erfo lgt im Idealfall durch
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GOERTZ, Hans-J ürgcn: " Geschichtc. Erfahrung und Wissenschaft. " In: Cmh;chle. Ein Crnndlexrs. H rsg. von H .-J. G .. Reinbck: Rowohh 1998, S. 15-41 , hier S. 32f., hier in Auseinandersetzung mit A,'1KERSMIT, Frank R. : HiJlory and Tropolo.!J. Tm Rist and Fall oj MeJaphor. Berkeley: Universiry of California Press 1994. VgJ. ß ARTH ES, Roland; " L'Effel de reeI." In: R. S. : Le Brni$1t!1ltnl de 10 Langut. Paris: Seuil 1984, S. 167- 174. Barthes diskutiert lediglich das stilistische Minel der Dtlailgtnalligkri/ als Auslöser für den Realit)·-Effecr. Eine Anwendwlg auf die Historiographie aus POStstruknrralisnseher Sicht bietel jedoch t\,'1KERSMIT, Franklin R.: TIM Rrah'g Effirt in Im If/ ri/ing ojHiJlOry. The Dy namiCl oJ HiJloriograpllical TopololJ. Amste rdam et al.: Noord-Ho llandsche 1989 (= Koninklijke Nederlandse Akademie ,'an WClenschappcn N. R., 52, 1); \'gl. zum Iheoretischen Hinlergrund auch ders.: HiJlorical Rrprmnlation. Slanfo rd: SUP 2001 . DERRIDA, Jacques: " Kraft und Bcdeutung." In: J. 0.: Die SchnJi Imd die Diffrrrnz. ü bers. von Rodo lphe Gasche. Frankfun /~l.: Suhrkamp 1976 [19631, S. 9-52, hier S. 23. Gerade dieser Aspekl der Ltiblicbktil, also de r Auferslchung aurll des Fleisches, war der Antike zunächsl suspekl, weswegen diese christlichen Vorsrellungen ersl allmählich Resonanz finden; "gi. M-.1GENENDT, Arnold: " Der Kuh der Reliquien." In: Rrliqllitn. Vrrrlmmg und Vrrkliimng. Hrsg. \'o n Anton Lcgner. Ausstellungskatalog Kö ln 1989, S. 9-24, hier S. 9. Vgl. zur Frühgeschichte der Reliquie auch KOTIING, Bemhard: " Reliquien"erehnmg, ihre Entstehung und ihre rannen." In: B. K : E«ksia JNrtgrinanJ. Dm ColleSt'Olk IInltnJ'rgJ. Cesammd/e A ujiii't!. Bd. I -2. ~'1ün s tcr: Aschendo rff 1988. Bd. 2, S. 61 -74; ders.: Dtrjrii/;chriJlliche RrliqHirn· hl/ llnd die Beslaflung im K.irrhtngrbtiilde. Kö ln, Opladen: WestdeutScher Verlag 1965.
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Abb. 39: Die Faszination der Rezipienren an Reliquien. Ausschnirr aus dem BildzykJus der Severinsvita, Köln, um 1500.
442
Imlllitlelbares " Berühren, Bestreichen und Küssen" .40 Durch T eilung der Reliquie versucht man, selbst in den Besitz der heiligen Zeichen zu gelangen; als Bischof Hugo von Lincoln die eingenähte Armreliquie der heiligen Maria Magdalena besichtigt, ,,[rennee [er mit einem Messerehen) eilig die Fäden auf, zerschnitt die Hülle und führte den hochheiligen Knochen mit Verehrung an Mund und Augen. Da er aber ve nnittels bloßen Finge rdrucks nichts d avon abzubrechen ve rmoc hte, nahm er ihn zwischen di e Schneide- dann zwischen die Backenzähne und brach flink mit kraftvollem Biß zwci Srücke aus ihm heraus.,,~ I Die Reliquie besitz t ihre spezifische IWirksamk eit (VOt all em \'Vunderheilungen, aber auch Unheilabwendung, Rettung aus Bedrängnis etc .) aufgrund der Tatsache, daß sie nicht hergestell t, sondern in gewissem Sinne der Heilige selbst iSI (in diesem Sinn e ist sie sakramental, die Gegenwärtigkcit des Heiligen in der Reli'luie ähnel t der Realpräsmz42 Christi in der Eucharistie [VII]). Aus diesem Grund ist die AlltbCllli~1ä1 der Reliquie G rundbedingu ng ihres Fluidums, weswegen schon früh sogenannte Alllhcl1like" die Echtheit der Überrestc bekräftigen sollen: .,Die Authenti ke l...] ist ein kleines Stück Pergam ent, später aus Papier, auf dem der Name des Heiligen verzeichnet ist, von dem die Reliqui en bewahrt werden. Abb. 40: Eine ,sprechende Reliquie', die das Körperteil bildlich darstelk Das beglaubigende anhängende Zertelchen, die Authentike, ist ebenfalls sichtbar.
.0
ANG ENENOT, Amold: H riligt 111/11 fVliqflitn. Die CmhidJlr ihm KPlles ':(JIrCrgrmn.trl. München: Beck 1994, S. 157.
'1
Aus der Magna Vita l-IugtJniI [5, 14J, zitien in olNZEtBACHER, Perer: " O ie ,Realpräscn z' der Heiligen in ihren Reliquien und Gräbern nach mittelalterlichen Quellen." In: Htiligent.orrrbmng in Gmhirhtt und Crgrml·art. H rsg. von P. 0 ., und o ieter R. Bauer. O Slfüdem: Sch wabcn verlag 1990,S. 115-174, hier S.1 15.
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/10111
friihen ChriJlenllU!1 biJ
Vgl. vo r allem DINZELBACHER, Perer: " D ie ,Realp räsenz' der Hciligen in ihren Reliquien und Gräbem nach mittelalterlichen Quellen." In: Hriligtmorrrhrnng in Ct!rbirhtt und GrgrmJ-'Prt. H rsg. von P. 0., und Dieler R. Bauer. Onfildern: Schwaben"erlag 1990, S. 11 5-174, hier wcrden S. 124ff. zahlreiche Beispiele vor allem aus d er rvlirakellilcrarur diskutiert.
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Sie wurde an dem Beutelchen, welches die Reliquien umschloß. befestigt oder aufgenäht [... 1- eine Praxis, welche bis auf die merowingische Epoche zu· rückgeht";43 hinzugefUgt werden dann auch etwa \Xfunderbeweise oder Vita des Heiligen, später dann auch Translationsberichte. also ProtokoUe und Sie· gel der veranC\vonlichen TransiatOren."" Thiofried von Echternach, ein späanittelaltedi chet Theoretiker der Reliqui e, betont, "daß ihre Wunderkraft in der Echtheit gründet".45 Das discn'",en yen' oe jOIsI46 hat die Reliquie selbst herzusteUen, das heißt, im Zweifelsfall tester man ihre Au thentizität etwa durch Feuerordal oder man erwaner direkte Offenba· rung an CharismatikerY Typischerweise zeigt der Heilige in einem Traum den Ort seiner Gebeine an und gebietet deren Exhumierung, dann belegen selbstverständlich die \X'under die Echtheit der Knochen und so fort,48 Interessanterweise sind die Übergänge von der Reliquie zum Bildwerk lAhnljcbkei~ fließend. Die Knochen eines Heiligen wurden beispielsweise auf· einer T afel aufgebracht und dann ..wie eine Ikone" verehrt.49 Außerdem wer· den die sterblichen Überreste der Heiligen mit iko nischen DarsteUungen um· mäntelt, So bettet man die Reliquien eC\va in Figuren ei n, oder integriert sie in
die Abbildung des jeweiligen Körperteils ~sprechendc Reliquien'''). Das Bildwerk besitzt so in seinem ,Kern' eine authentische ,Seele'.51 Und schließlich .. treten Bilder auf. die sich so benehmen wie ReLicluien. Das Bild, in Dinglich.
~j D U80IS, D o m Jacques und J can-Lo up LEMAITRE: SONrrtl II mllhot/u de I'hugiographit mMin'(llt.
Paris: eerf 1993; S. 262-265 (" L'au estllrio n de l'authenrid tC'j mil zahlreichen IJlerarurhin\I:eisen, hie r S. 263 . .... Vgl. H ElNZEL~lIu'lN . r..brrin: 'frmulationJbtdrhlt lind ondmQNtlkn du RrliqNitnleKlltJ. Tumho ut: ß repols 1979, S. 83-88; FICt-nT:.NAU. Heinrich: "Zwn Reliquienwescn im frühen MinebIter." In: MillrilNngtn du InJhlNIJ for Ollm rirhücht CurhichlsjurschNng 60 (19 52), S. 60-89, hier S. 63 f. ~s ANGEN ENDT, Amo ld:
016
H filigt Nnd Rrliqllitn. Dil Cmhkhlt ihm KJtI'n '.'D m friihm a m'llmlNm bü
!(JIrCfgtnll!On. München: n eck 1994 , S. 165. Vgl. SCHREINER, Klaus: ",Discrim en \'tri ac fa lsi.' Ansätze und Fonncn der Kritik in der Heiligen- und Reliquicn\'erehrung d es M.irrclalte rs." In: A rrhiv fiir 1VI1111'1,mhicbtt 48 (1966), S. 1. 53; d ers.: " Zwn Wahrheils,fcrständnis im Heiligen - und Reliquienwesen des r-,·linelahcrs." In: SatmlNm. JahrbNcb for Unit'trsalgmhichle 17 ( 1966). S. 131 - 169.
~l Vgl. D L'IZELBACHER, Peter: " Die ,Realpräsenz' der Heiligen in w en Reliquien und Gräbern
nach minelalterlichen Quellen.;' In: Hnligtnl'rrrhnmg in Gmhkhll Nnd Cfgtnll·on. Hrsg. \'on P. D . und Dieler R. Bauer. O stftldem : Schwaben"crlag 1990, S. 11 5-174, hier S. 11 9. 48
Vgl. f'I CHTENAU, Heinrich: .. Zum Rcliquienwesen im früh en Mirte1allCf." In: MliltilNngrn dll InJh·IIIIJfor ÖJltmichücht CuchirhlsjorsrhNng 60 (1952), S. 60-89, hier S. 65.
~9 Vgl. BEt TING, Hans:
Bi'" Nnd lVIII. Eine ClICbichu du Bildu /'Dr dfm Ztilalltr dir IVInJI. München:
Beck 1990, S. S. 74.
so Vgl. ANGENENDT, Arno td: Htilige lind RtliqNitn. Die ClIChichle ihru KJtllu ~'Dm friihen Chn'sll nlNm bü ZUr Clge",l'On. München: ßcck 1994, S. 183ff. SI
Vgl. BEl.llNG, H ans: Bild Nnd & 11. Eint Guchichle du Bildu /J(}r dtm bilallir dir KNnll. r..lUnch en : ßcck 1990, S. 64.
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Abb. 4'1 : ,U ngemalre Bilder' sind immer ,echt'. Das berühmteste Beispiel ist das Tuchbild von Jesus. Francisco de Zurbaran, Sudan'IIn1, 1635-40.
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keit und Echtheits beweis, erbt die Funktio nsmerkmaJe der Reliquie.«52 Denn direkt neben den ,echten' Reliquien rangieren bereits Zeichen, welche im eigentlichen Sinne nicht gemacht (bzw. von Gon) sind - eine Vorste llung, welche sich mit der Ableitung des Won es authentisch aus auto-mtes, ,das Selbstvollendende', in Bezug setzen läßt. 53 Solche nicht-gemachten Zeichen lasse n sich noch genauer aJs A cheiropoietaibezeichnet. Der Begriff transponien platoni sche Implikatio nen, indem er das ,Geistige' vo r dem bloß Materiell-Hergestellten privilegien ,>! er läßt sich nicht von ungef.ihr im zweiten Paulusbrief an die Korinther das erSte Mal nachweisen. 55 Ich verwende ihn hier im gebräuchlichen Sinne S6 als Bezeichnung all er Zeichen, welche mit dem Anspruch auftreten, nicht von Menschenhand herges tell t worden zu sein (a-cheiro·poietos nicht-von- Hand-gemacht; analog: non m(Jn"j actum). Im engeren Sinne bezeichnete der Begriff vor allem Kultbilder, und zwar da s Genre der Imgemaltm Bilder. Diese kö nnen einerseits mechanische Abdrücke des Originals sein, die durch die ""mittelbare Berührung erzeugt werden. Dadurch stehen sie insofe rn in einem fes ten Nex us zu.r Reliquie, als sie eigen ttich Ben"ihmngsre/iqJliell darstellen. Die berühmtes ten Beispiele sind das lv[(l!1f!y1io", das Tuchbild Christi - der Legende nach ein direkter Abdruck vom Andirz Jcsu - sowie die Veronica (beziehungsweise Vera Icol1a), der analogen ErzähJung zufo lge das Schweißtuch, welches Veronica Jesus reichte. 57 (In gewisser Hinsicht emsprichr die Authentizität solcher Abdrücke dem heutigen Medium der Phowgraphie: In beiden Fällen ist eine möglichst hohe A"!mlichkeit zwisc hen O riginal und Abbild umcr gleichzeiriger Ausschal tung einer ,Kontamin ie.rung' durch d ie Hand des Kün sders a ngcs trebt.~ \'(fenn es sic h nicht um solche mechanischen Abdrücke handelt. stammen die Acheiropo ictai gewöhnlich von Gott, sie ,fallen vom Himmel'. Schon in der griechischen Antike existien der T ypus des diipeles ~ Bm: nNG, Hans:
Bild Imd KNII. Eine Curbirhlt des Bildt! t'Or dtm Ztitolltr fltr KNnsl. J\·lünchen:
Bcck 1990, S. 72. Sl
KALISCI.I, Eleo no re: " Aspekte einer Begriffs- und Problemgeschic hte \'on Authentizität und D arstellung." In: Inszrnitnmg /_'On AHlhtnh·?iJäl. Hrsg. \'on Erika Fischer-U chtc und Isabcl Pflug. Tübingen, Basel: Francke 2000, S. 31-44, hier S. 32.
~ Vgl.SCHNEIDER, K.: ,,Acheiropoictos.;' In:
Rrolk\:ikon fiir Anh"/et Nml ChniltnlNRI. Sot!JJl-firltrlmtb zur ANstinandmetzung des ChrisientNhls hlil dtr antiletn IVtll. Bd. I ff. Hng. \'on Theodor Klauscr .
Smrtgan : Hiersemann 1950ff. Bd. 1, Sp. 68-72. n "Wir \\.>issen aber 1... 1das wir einen Baw haben \'on GOtt erbawet / ein Haus / nich t mir henden gemacht [ar/NiropoitiOn / non hlanlljarlHhll / d as ewig ist inl Himcl." Bib/ia Ctmmnito. ü bers. \'on J\hmn Luther. Faks. Nachdruck dcr Ausgabe \X/inenbcrg 1545. Snmgart: Wlirr· rembcrgische Bibelanstalr 1967, 2 Korin thcr 5 PI. Es ist d ie Red e vom Aufersreh ungsleib. S
Vgl. zur Begriffs\'erwendung in eier Antike ,'o r altem DOBSCHüTZ, Ernst \'on: CbriJIHshildtr. UIIItrludJungtn zur rbnillirhm Lrgendt. Leipzig: Hinrichs 1899, S. 37ff. sowie d ie wllfangreichen Belegstellen im Anhang, S. 118 - 1 22~. 1
Sl
SI!
Vgl. BELTING, H ans: BiM ulld KNII. Eint Gtltbirblt du Bildes ~'Or dtm Ztila/ltr dtr KNnJ/. München : ß eck 1990, S. 233ff. Vgl. BEI: I1NG, H ans: Bild ulld KN/I. Eiftt Ctsrhirbte du Bildes 1.'Or dtll' Ztitalltr dtr I0msl. München: Beck 1990, S. 66.
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(- von Zeus herabgeworfen) als ein vom Himmel gefallenes KuJtbild.;9 Achciropoietai lassen sich auch in der Sphäre der Texte finden, in der sich exakt dieselbe Logik manifestiert. An die Stelle der ungemalten Bilder treten jetzt die ungeschriebenen (oder: nicht vom Menschen geschriebenen) Tex te. Ein Archet)'P wären etwa die von GOtt selbst stammenden Gesetzestafeln, die Moses vom Sinai mit sich führt. Ferner ist das al s inspiriert vorgestellte, prophetische Schrifttum hierzu zu rechnen [IV. 2]. Aber auch nach dem Ende der Prophetie, selbst nach dem Tod Christi und der Apostel bricht der Strom an Acheiropoietai nicht ab, "sei es, daß ein Engel eine gö ttliche Botschaft überbringt, sei es, daß ein Freund Gmtes in den Himmel entrückt wird und do rt in himmlisc hen Büchern liest oder daß der Fromme zufällig eine schriftliche Bmschaft göttlicher Herkunft Hndet. Die letzte Art der Offenbarung stellt
Abb. 42: Ein Beispiel für einen ,ungesc hriebenen Text' ist das Gesetz, das Moses von Gon cmpf,'ingt. Aus der Bibel von Moutier Grandval, Tours 834-843.
s, Vgl. D OBSCHOTZ, Ernst von: OJriJllIJbildtr. UnltnN(hungtll if/r tlmlllkhtn Ltgtndr. Leipzig: Hinrichs 1899, dessen Smdie ihren Ausgangspunkt nimmt im Arch e~'P des antiken A {htiropoirlOJ, dem Palladiwn der Pallas Athene in Troja, welches eben vo n Zeus \'om H immel herabgeworfen worden sein soll; D o bschütz bespricht dann eine Vielzahl ,vom Himmel stammender' Kuhbilder.
447
der Himmelsbrief dar.«60 Die genanmen Beisp iele ko nstituieren in sofern ein e Sphäre der ,abso luten' Auth entizität, als hier die Ko mpo nem e m enschlicher Fabrikatio n gänzlich oder zumindest sehr weitgehend eliminiert zu sein scheim f%le A lf/orisiemng und /%le His/on'ij/ä/ fallen hier zusammen (gönliche Schriften, authentische Abdrücke sind immer zugleic h auch historisch-wahre Do kumente). Von hier au s läßt sich nahclo s das weite Feld der Texlafl/hen/ifizienmg ableiten, welche eben fa lls stets da zu di em , die Ko mponem e der menschlichen Fabrikation zu verleugne n. Eine um fa ngre iche Studie Abb. 43: Ludolf von Sachsen hat seine Lehcnsheschreibung von J esus nichr eigenständig abgc faß r, Wo lfga ng Spe)'ers kann sondcmJ esus hat sie ihm persönlich diktierr.l\1.iniahier als Ausgangspunkt rur aus einer Handschrift aus Oberitalien, zwischen dienen; sie umfaßt eine 1433 und 1445. ein schlägige Reko nstruktio n der antiken literarischen Fälschung und führt ein ganzes Ar senal an Methoden der Echtheitsbeglaubigung auf. Eine zentrale RoUe der T exrauthenciflzierung spielt scho n in der Antik e der A u/omoll/e. Sc hriftro Uen lassen sich erwa dadurch aurarisieren, daß man den o ftmals nur durch einen anhängenden Ze rrel (h'/uills) ausgewiesenen Autornamen durch berühmte olle/on/a/es aus Geschichte, Mythos oder sogar der Göttergemeinschaft ersetz t. Texte, die mir der ,richtigen' Verfasserangabe erscheinen, schützen diese durch die Sphragis, die Einbettung der Namensangabe in den T ext selbst, so wie durch Akrosticha - hier wird dann die von hö heren Autoritäten geliehene Autorität durch das Siegel der eigenen Verbürgung ersetzt. Solche Muster der Autorisierung der T extprovenienz werden noch überbOten durch den Ausgriff Wolfgang: Die Ii/transrhe FäiJr!'Nng il1/ lNidnisrhen Nnd r!,t1sllirhtn A limN"'. Ein V rrsNrh ihrrr DtNINng. München: Beck 197 1 (= Handbuch der Ah cnumswissenschaft, I, 2), S. 67.
60 SPEYE R,
448
auf seine Überliejenmg. Kano nformeln sollen den genauen Wordaut des T ex res zemenrieren,61 Dro hungen und Flüche werden über den ausgesprochen, der es wab~' Änderungen am T ex r vorzunehmen. So heißt es am E nde der J ohannes· apokalypse: JCH bezeuge aber alle / die da hören die WOrt der Weissagung in cliesem Buch / So jemand Icin Wortl dazu setzer / So wird Gon zusetzen auff jn die Plagen / clie in clicsem Buch geschrieben srchet. Vnd so jcmand dauon rhut von den worten des Buchs dieser Weissagung / So wird G on abth un sein tcil vom Buch des Lebens 1... 1. Es spricht der solchs zeuget [dial ql/l' leslinJonilfnJ perhibel iSlomm].62
Eine weitere Strategie ist auch die Kricik an der Echtheit anderer Schrifren (ryp ischerweise haben ,Heiden', ,Häreciker' oder dergleichen ,Lügen' ve rbreiret und so wei ter). Diese so ll dann den UmkehrschJuß der Echtheit auf den Text selbst zurückleiren. Eine tradicionelle Figur, mit der T exren Auto rität verliehen wird, ist ferner der Topos vom ,gefundenen Manuskripr', im Falle des HilllIIIelsbriefs handelt es sich dann wieder um ein A cheiropoielos. Die Suggescion ist erneut, daß authencische Schriften ganz unverf.i1scht wiedergegeben werden (exakt au s dieser Dispo sicion entwickelt sich später die Herausgebeifiklio1l de s neuzeitlichen Romans: Der ,echte' IVerlher etwa, bei dem es sich angeblich um ,O rigin albriefe' handelt, d ie ein Herausgeber unverf.-ilscht an den Leser weiter-
gib t [II1.4)). Die Auffindung solcher ,echter' Schri fte n erfo lgt häufig in G räbern, eine Konstrukcio n, di e dann o ft legi cimieren ka nn , warum das bislang verschollene Werk des uralten AutOrs erstaunlicherweise in keiner anderen Schrift aus der Tradicion erwähnt worden isr. Zulerzr werd en im Verlauf der Ancike zuneh mend Biblio theken und Archive als Fund stätten ,alter' und ,in Vergessenheit gerate ner' Bücher genannt. Eine schwächere Variante ist, daß sich Texte ganz als Übersetzungen fremdsprachlicher ,Originalmanuskripte' ausgeben. D er T ext gewinnt dabei dadurch an Authentizi tät, daß man (vorwiegend auf ,ural* te') Prä-Texte zurückgrei ft. Die Urspriinglichkeil (etwa der AuffUldung der in Vergessenheit getatenen T ora im T empel [V. t)) dient dann zugleich als Aulon-sienmg. "Füt den deutschen dichrer war das lateinische buch ungefahr dasselbe, was rur den lareinischen kundigen geistlichen ein griechisches oder hebräisches war".63 D as läßt sich dann auc h mir einer Referenz auf ,alte Zeugen' vernetzen: N ur noch ein G reis konnte die Sprache des gefu ndenen, al ren Ma~I Vgl.
u. a. ASSMANN, Jan: Da! hll/uftlil Gtd/ich/ni!. SdJ1iji, En-nntrung und /JOlih-selH /dtntitiil in f rühen Horhlwllllnn_ 2. Aufl. München: Beck 1997, " Kano n - zur Klänmg eines Begriffs",
62
S. 103· 129. Bibl;o Gmnon;ra_Übers. von t\'larnn Lmher. Faks. Nachdruck de r Ausgabe Wittenbcrg 154 5. Sruttean: Würnembcrgiso::he BibelansmIt 1967, J oh:mnesapoy..alrpse 22 [18-20}.
U
WILHEI..M, Friedrich: "Ucber fabulistische QueUenangabcn." In: Btitriigt ~r Gmhichlt dtr dtulJCh111 Sprache und Liltra/ur 33 (1908), S. 286-339, hier S. 33 1.
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nuskripts ve tstehen. Z uletzt besteht eine Methode darin, die Authentizität des T exts dadurch zu steigern , daß man seinen Inhalt als Gebeitmvisstn ausgibt. T}'pischerweise wird man behaupten, daß der richtige Augenblick zur Veröffentlichung noch nicht gekommen sei, oder daß das richtige Verständni s etst noch eintreten werde und dann die Wahrheit des T exts bezeugen wird (" DI s Gesicht [...1 das dir gesagt ist / das ist war / Aber du soh das gesicht heimlich halten / denn es ist noch eine lange Zeit dahin"M). Erwarrungsgemäß laufen parallel zu diesen Echthcitsbetcuerungen auf der Ebene der Au/onsienmg die Bezeugungen der his/on·seben fPabrbeil. Das geläufigste M.ittel ist seit der Antike die Versicherung, es handle sich um einen treuen Augenzellgenberich/- es wird selbstverständlich nur genau das wiedergegeben, wa s man ,mit eigenen Augen gesehen' hat (beispielsweise wie der Heilige mi t dem T eufel und Dämo nen kämpfte). Hinzu kommt der fo rtlaufende Verweis darauf, man berichte nur ,\'(1ahres': " Die Wahrheitsbeteuerung gehört zu der ,Exordialtopik' der Geschichtsschreiber. Diese benutzen dabei häufig clie formelhafte Wendung, nichts hinzuzufügen und nichts wegnehme n zu woUen. Ein solches Versprechen bezieht sich teils aUgemein auf die gesc hichtliche \Xlahrheit, teil s auf die \X'iedergabe schriftlichet Vorlagen. Auch die Areral ogen, die Apokalyptiker und Hagiographen ve rzichten nicht auf den Hinweis, nur \X'ah res mitzuteilen."65 Solche Konstruktionen werden dann verstärkt durch die Benennung von weiteren Zeugen: Sc hwUfzeugen werd en benannt, welch e die Wahrheit des Tex tes beeiden können, Aussagen anderer Personen sowie Erinn erunge n alter Mensc hen werden referiert, und zunehmend zieht man auc h schriftliche Que Uen zur Beglaubigung heran. Die Überzeugungskraft dieser ,wahren' Tex te wird noc h durch das Minel des Zila/s gesteige n,66 indem angebliche OriginaldokulIJeI1lt ,wörtlich' aufgeno mmen und ,unverf.i.lscht' wiedergeben werden, etwa Reden , Briefe, Urkunden und dergleiche n mehr bis hin zum Fußnorenapparar der ,wahren' neuzeitlichen \'\Iissenschaftsliteratur. 67 Unabhängig vo n der Ftage, ob es sich um Alllonsienmgm ode r um His/on·siemngel1 handelt, allen diesen von Speyer zusammengetragenen Methoden der Tex/alilhelltiji'!(jenmg ist gemein, daß sie letztlich immer dem Zweck dienen, die
6-1
8iblia Cer1llonüa. Übers. von Manin Lmher. Faks. N achdruck d er Ausgabe \,\/in enbcrg 1545. Sturrgart: Wü«tembergische Bibclanstah 1967, Daniel 8, 26; vgl. ferner D aniel 12,4-9 aus de r
V N!gala. 6S
SPEYER, Wolfgang: Dit IittranJtM FiilJd'Nng i1ll htidnisrMn Nlld d,ristlithrn Alttl1M/. Ein Vmur/) ihrrrDmlJmg. München: Beck 197 1 (= Handbuch der Altem llllswissenschaft. 1,2). S. 60.
66
Annke Zitate werden auch dann, wenn sie nicht gefalsclu sind, ebenso ,undogmalisch' , ·on d en Schriftstellern verändert wie VOll den Lesern leichtgläubig aufgeno mmen; vg!. PETER, Hernnan n: I/Yahrhtit I(lId KJmst. C nd,;rhlssdJrtibflng und Plagiat illl IeklSJürhm A lttrtfllll. Leipzig, Bedin: Teubner 191 1, S. 426ff.
67
Vgl. zur ,Wahrheit' als s)'mbotisch generatisiertes Konununikacio nsmed ium der neuzeidichen Wissenschaft LUI·IMANN , N ikJas: Die 117imnsdNif! dtr GmllJthaft. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1992; "gI. zur Authenrv.ität in d er W issensch aft GRAFTON, Amon)': Fiilsrbtr J(nd Kriliktr. Der Bftmg ill dfr IIY;mIlJrhq/i. Frankfurt: Fischer 1995.
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Herkunft des Texts aus einem Akt menschlicher Fabrikation zu verleugnen. Die histOrisc he Authentizität reproduzien ,un verf.;lschte' Erejgnisse, Augenzeuge nberichte und so fo rt, welche durch ,kritischen Vergleich' mit anderen Quellen verifizie rt we rden. Diese Form der Alltorisienmg ist bezeichnenderweise zunächst der Versuch, ge nau das zu verbergen, was man heute unter ,A utorschaft' versteht. Der Hersteller des Te~;:[e s trin dabei vorzugsweise zurück und vertraut die AutOrisierung seines T exts ein er ,hö heten Instanz' an: Gon selbst hat den T ext geschrieben, oder aber eine autOritative Größe aus alter Zeit. Im Zweifelsfall hat man das Buch entweder ,gefund en' oder aber ,bl oß übersetzt' - in keinem Falle hat man es jedoch in einem emphatischen Sinne ,selbst gemacht'. Diese Allthentifizienmgen IJersiegeln dann an prominente r Stelle (im Vorwort, im Epilog) auf sorgf.1.ltig kalkulierte \'(Ieise den T ext. Dabei gilt: Ers t ein wachsendes Bedürfnis nach ,wahren Geschichten' erzeugt ein prob lematisches Verhältnis zu dem \'(Iahrheitsstarus von T exten. Je wichtiger der Wahrheitsstarus für den Rezipienten ist, desto größer wird seine Skepsis, ja sogar seine Furcht vor Betrug sein - was wiederum auf seiten der T ex te dazu führt, daß der Authentifizierungsaufwand gesteigert wird. Ein prägnantes Beispiel ist das diskursive Umfeld der ersten Jahrhunderte unserer Zei trechnung, in denen das Auftauchen neuer religiöser Bewegunge n (unter anderem auch des Christentums) ein neues \'(Iahrheitsethos, zumindest ein ges teigertes Interesse am ,wahren T ext' hervo rruft, wo raufhin se hr ausgeklüge lte Authen tifizierungcn entstehen. Eines der ältes ten erh altenen Do kumentc68 dieser Art ist die Fälschung ein es uralten Berichts über den T ro janischen Krieg, die Ephell1eride! belli T roiaHi libn·, welche vermutlich im letz ten Drittel des I. Jahrhundcrts unserer Zeitrechnung in Fonn cines griechischen Manuskripts auftauchen. Es handelt sich um eine neue Fass ung über die Ge schichte des griechischen Kriegsz ugs, welche drei st mit dem Anspruch auftritt, ill1 Gegensatz ZN HOll1u die mahre Geschichte i!( erzäNen. Der \Xlahrheitsanspruch wird durch eine detaillierre Auror-Ko nstruktion69 hergeleitet: Der Verfasser, so heißt es, sei ein gewisser Dicrys aus Kreta, der selbst vor Troja gewesen sei, so daß diese Version weitaus älter und damit authentischer sei als die von Homer überlieferte: Dicrys, ein Kreter aus der Stadt Knossos und Zeitgenosse des Atriden, war in der phoenizischen Sprache und li terarur bewandert, die Kadmos nach Achaea brachte. Er begleitete Idomeneus (... 1und ~'I crio n cs (... 1, die eines dcr Heere
M
Antike QueUen berichten schon vorher von Büchcrfunden. etwa den bei Plinius übcrliefen en Ausgrabung der Aufzeichnungen des Nwna von 18 1 vo r Christus. Der Text selbst hat sich jedoch nicht erhalten; \'gl. SPEYER, Wolfgang: " D ie literarische Fälschwlg im griechischrömischen Altcrtwn." In: CifiJ1Jr/Jl! &Img ill Politik, LiltralJlfj IlYiJJtllsrlmjl, IV/IIsl/md M Jlfile. I-Irsg. von Karl Corino. Reinbek: Rowohlt 1992, S. 138- 149.
fIJ
Aus den i:iberlicfen en lateinischen Fassungen ergeben sich zwei verschiedene Versio nen, die sich aUerdings stark ähneln; ich steUe hier nur diejenige vor, die in der Fo rschung Flir die erste gehalten wird.
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gegen Troja anführten. Von ihnen erhielt er den A uftrag, die Annalen [mll1altJ] de s Trojanischen Krieges aufzuschreiben. Also verfaßte über den ganzen Krieg neun Bücher, die er in phönizischer Sprache auf HolzL1feichen schrieb. Als alter Mann nach Kreta zurückgekehrt, verfüg te er auf dem T o tenbett, daß diese Bücher zusamm en mit ihm begraben werden soll ten. D eshalb wurden die besag ten Holztafeln, so wie er es befohlen harte, in einem Bleikäs tchen in sein Grab gelegt. Nachdem aber viel Z eit vergangen war, gcschah es im dreizehnten J ahr von Neros Reglcrungszeit, daß die Stadt Knossos von einem Erdbeben heimgesucht wurde und neben anderem auch besonders das Grab des Dicrys so offengelegt wurde, daß das Käs tchen ftir vorübergehende Menschen sichtbar war. Als Schäfer daran vorbeiliefen und es sahen, hielten sie es für einen Schatz und stahlen es aus dem G rab. Nachdem sie das Kästchen geöffnet hatten, fanden sie darin die Holztafeln, die in einer ihnen unbekannten Schri fr beschrieben waren, lind brachten diese dann so fort zu ihrem Herrn, einem gewissen Eupraxides. Dieser erkannte die Schriftzeichen und zeig te sie Rutilius Rufus, dem damaligen Statthaher der InseL Dieser aber schickte sie zusammen mit Eupraxides zu Nero, im Glauben, daß in ih nen irgendwelche Geheimnisse [st'lTt'liora] enthalten seien. Als Nero die T afeln erhalten und bemerkt harre, daß es sich um punische (- phönizische) Schriftzeichen handelte, rief et Spezialisten in dieser Sc hrift zu sich. Nac hdem sie angekommen waren, entz ifferten sie aUes . Nero erkannte, daß es sich um die Aufzeichnungen eines Mannes aus uralter Zeit, der schon in Tro ja dabei war, handelte, und be fahl, daß diese ins Griechische übersetzt werden sollten. So wurde der AlIgemcinheir eine wcitaus wahrhaftigerer Bericht IIJtn'or uXlm] über den Trojanisc hen Krieg bekannt.!. .. ] Nero nahm die Annalen , die von Dict}'s geschrieben worden waren , in die g riechische Bibliothek auf; der fo lgende Text stellt ihren Inhalt dar. 1O
Der Pro log dieser Fälschung enthält gleich ein gan zes Ensemble der von Speyer zusammengetrage nen Amhentiftziemngs mittel: E s handelt sich um ein geJimdtfles Manusknpl in einer Ilra/leIl, IInversliind/ichen Sprache (Urspnmg, Geheilllnis), welches ,nur übersetzt und herausgegeben' wird. Die unverfalsc hte \Viedergabe des ,wahren T exts' wird auf verschiedenen Ebenen implementiert. Zunächst einmal bürgt Nero (37-68), der römische Kaiser selbst, durch seine allclonlos für die \Y/ahrheit de s QueUenfunds, und die gcnauen N amcnsangaben der Quellenübermitder (Eupraxides, Rufus) bestärken diesen Eindruck. Die von Nero beauftragten, des Phönizischen kundigen Philo logen und Spezialisten verbürge n die Treue der Übertragung. Die Aufbewahrung des Manuskripts in der ,G riechischen Bibliothek' fungiert ebenfalls als o fftzieUer Garant für sachgemäße Tex tpflege. Der Tex t posi tioniert sich als ErstJasslmg, gibt sich also als die älteste, ,echte' und wahre Quelle zu einem histOrischen Stoff. Dic7G
Aus dem Lateinischen übersetzt nach Dlcn's CRETENSIS: Ep/xnlmool bi/h· T roiani libri. Hrsg \'on Wemer Eisenhut. Stungan: Teubncr 1994, S. 2f.; eine englischsprachige Übersetzung ist zugänglich in Dlcn'S C RETENSIS und D ARr'.$ P HRYGIUS: Tht T n?Jan l!Vor; Tht Chronidu of Dicryl ofCrrlt ond Dom Im Pbl):gion. Hrsg. und übers. \'on Richard Maci lwaine Frazer. 8100mingron: Indiana UP 1966.
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tys empfiehlr sich ferner als A ugenzeuge. denn er sei während des Trojanischen Krieges selbst vor Ort gewesen. Die Authentifizierung verfolgt in bezug auf Homer eine D oppelstrategie: Einerseits verwendet der T ext selbstverständlich ho merische Requisiten. so daß sich die /lias passagenweise als .Bestätigung' heranziehen läßt. Andererseits weicht der Text von Horner ab. behauptet aber zugleich, eine ,wahrhaftigere' (veriory Versio n der Geschichte zu liefern. Das wurde von den Zeitge nossen und vor allem im Mittelalter geglaubt. wo Dictys und ein ähnlicher T ext von einem gewissen Dares Phrygius7 1 (was man fre i etwa als .Dares der Trojaner' übertragen kö nnte) als wichtigste Schri ftquellen zum Trojanischen Krieg aufge faßt wurden. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts hat man die Tex te als Fälsc hungen enclarvt. Ein früh er. sicherlich aber der wohl berühmteste und zugleich umstrittenste Fall einer Quellenauthentifizierung in der deutschsp rachigen Literatur fin det sich im Portiva/ des Wolfram von Eschenbach (- 1200-1210). Das fast 25.000 Verse umfassende hö fische Epos spielt im Umkreis der zunächst mündlich überlieferten72 keltischen Sagen um den Hof des Kö nig Artus GM alüre de Brelagne'7~ , welche von den Zeitge nossen als histOri sche Gegebenheite n au fge faßt wurden. D er Name ,Parzival' läßt sich erstmal s in der Hisloria [!j regll'" Brilmtniae (1139) des Geoffrey of Monmouth nachweisen. Die früheste erh altene G ral sdichtung ist der Conle du Graa! des Chretien der Troyes (- 11 80-11 90), wobei unklar ist, in welchem Ausmaß in seine Textversio n existierende mündliche Traditionen eingeflosse n sind. Sicherlich ist Chretiens un vollendeter Text \'Vo lframs Hauptquelle gewesen. die Sachlage wird allerdings dadurch verko mpliziert, daß \'Volfram sich immer wieder auf einen ominösen provenzalischen Gewährsmann namens ,Kyot' bezieht. Die Angelegenhei t ist aus dem einfachen Grund so schwierig und zugleich unterhaltsam, daß Kyot, die rätselhafte QueUe Wolframs, bis heute nicht identifiziert werden konnte, obwohl dieser ihn als "meister wol bekannt" vorstellt - natürlich eine Herausforderung für die \Xlolfram-Forschung .74 So wurden in immer neuen Anläu fen historische Kandidaten für Kyor in Position gebracht - man identifizierte ihn wech selweise mir Philipp von Poitiers, dem Kleriker und Gefolgsmann des Richard Löwenherz (Hagen), einem Guiot von Provins, der im 12./13. Jahrhundert lebte und ein moralisch-satirisches Ge71
Vgl. D ARES PHRYGIUS: De txddio T roiae hislonat. H rsg. von focrmnandus Meistcr. Leipzig: T eubner 1873.
12
Vor 11 00, weitestgehend sogar vor 1150 existicren kawn Nied erschriften p rofaner Literarur; vgl. AUERBACI·I, Erich: LiftroJllrtprodJt lind Pllbli/eN", in dtr IattiniJclJen Spälanh·ke lind i", Millt/· aller. S em : forancke 1958, S. 218.
II
Vgl. S UMKE, Joachim: IWo![ram S. 153.
I!(m
Eschenbach. 6., überarb. Aufl. Srurrgan: Metzler 199 1,
7~ WOLI"'RMI VON EsCHENBACH: Pa'ift·al Mirrelhochdeutsch / Neuhochd eutsch. Nach der
Ausgabe \'on Karl Lachmann, übers. \'on Wolfgang Spicwo k. Bd. 1-2. Srurrgart: Rcdam 1994. Bd. 2, S. 40 [453, 11).
453
dicht vetfaßte (Wackernagel, Zeydel), G uiot, einem Mirakeldichte t (Kolb), Wilhelm von Tudela, Verfasser eines Liedes über den Albigense rkreuzzug (Kahane), Guido, dem O rdensmeister der T empler in Leon (Kalb), \Xlilhelm von N arbonne, dem Kanzleischreibcr am kas cilischen Kö nigs ho f (Mandach), oder man hielt ,Kyor' fü r das Pseudonym eines An o nymus, etwa einem Anhänger der Ka tharer (Zeydel, Kah ane) oder einem Schatzmeister Citl sch,mtif(rt .... 1'{/~UJleIllJ aus Flandern (Kanro la).75 Im Gegensatz zu diesen ,Kyocisrcn' hat dagegen die Pan ei der ,Fiktionisten' immer wieder die Existenz Kyms in F rage ges tellt. Während Bodmet und Lachmann Kyor noch für ,echt' gehalten hauen, behauptete Simrock bereits 1857, es handele sich um eine ,Erfindung' Wolfram s (allerdings noc h aus Motiven einer nationali stisc hen Gennani stik, die \Xfolfram als deutsches O riginalge nie etablieren wollte).76 Seitdem ist auch der O utput an ,fiktio nisti sc hen< Forschungen ungebrochen,77 und tatsächlich liest sich die Liste der mittlerweile mehr als 100 Veröffentlichungen zum Th ema wie ein lI/ho is IIIho der germani stischen Mediävistik. Die Frage nach der ,wirklichen< Existenz Kyo ts ist hier nicht Thema, da~s Vgl. u. a. I-lAGEN, Paul: ,.\X' o lfram und Kiot." In: Ztillfhn]t fir dWJd,t Philologie 38 (1906),
S. 1-38 und S. 198-237; WACKERN,\ GEL, Wilhe1m : Altfron~jülid,t U tdtr lmd Ltirhe all; HandHbriftm ZII Bim Imd Nt/{wblftJ,. Basel: Neuenburg 1846, S. 190ff.; ZEYDEL. Edwin Hermann: "Noch einmal zu Wo lframs Kyot." In: Ntop/;ilologlls 34 (1950), S. 11- 15, hier S. 12; ders.: "Au f den Spuren \'o n Wolframs ,Kyot'." In: Ntopbilolog/{s 36 (1952), S. 21 -32; ders.: "Wolframs Parl.ival. ,Krol' und d ie Ka tharer." In: Neopbilologus 37 (1953), S. 25-35; K.,\I·IANE. Hellry u. RCllce: "Wolframs Gral und Wolfrnms Kyot." In: ZtitJrbrifi fir dmfJdus Alftrf/{!II IIl1d ,ltlllJrht Liftraflfr 89 (1959), S. 191 -213. hier S. 200; dies.: Tbt Kruftr ulld fht Cmil I-Immlir sOl/ms of fIx PU'i!lYll Urbana: Univcrsit)' of Illinois Press 1965; KOLl~, Herbert: MIII!Sul,_'tfudx. SIIulirn Z'IIII KY0lprobltm. r-,'lünchen: Eidos 1963; ders.: "G uido militiae Templi magister." In: Arrhivfir das SllIlli/ifll dtr nlliertn Spmthrn IIml U"fem/llnn 223 (1986), S. 337-344; KANTOLt\, i\-larkku: "Zu Wolframs Kyol-Pro blem." In: Zti/ldm]t fiir dmlHllr Pbilologit 108 (1989), S. 104- 115; DE MANDAOI, Andre: , Romun dll Groa/' ong;noin. SlIr lu fmttl dll modelt tom""U1 ,M tode /mnlpyrinitn {dt C/;rititn dt T f"Oj'u tl IIYo!fraIJI /''011 EHnenbur/;. Göp pingen: Kümmerle 1992.
u
76
SIMROCK, Karl: Poni"ollllld Ti/,,"/. Rifltrgtdirl'ft 110ft Il7o!fram 1.'On E;dxnbor/;. 3. i\ ufl., Snmgan und Augsburg 1857, S. 763-774.
n Vgl. u. a. FOERSTER, Wendclin: Knih(1n t'On T ~Ju. IIY;irttrlJllrh tJI Jtinen liilllflirhen IIYtrktll. H alle: Niemeycr 19 14, S. 187-202 (" Wolfram und sein Kyo t"); PAETZEL. Martin : IIYo!fraJlJ 1'01/ EHhenbotll IIl1d Chmlitll 1'011 Troye;. Berlin: Funk 193 1; RACI-I BAUER, Mary 1\.: IIYo!fraJlJ 11011 Elthtnbu(ll. A J1fl4J of Ilx ,tlo/iOl/l of flN ton/tnf; of boolu 3.0 olld 9 of fht P{lr~fl'Ul fo fbe Cmtirtl II/UnIlJmpfl. Washington: Cam . Univ. of 1\merica 1934; FOURQUET, J.: lI'7o!fraJlJ d 'EJtbmbath t/ le Con/t dei Graa!. l....ts dil'trgtnreJ dt Ja lradition d/I Confe dtl Croal de Chrf/ien tllmr illlporfanrt poil' I't_\.pliralion dll Par.(fm/. Paris: ß elles Lettres 1938; PANZER, Friedrich: GObHIII1?J. QlltlltnJllfdiell ~f IIYo!frUJfl! Pa~l.'al "Icidclbcrg: Winter 1940; SCH\,('lETERING, Julius: Pa~/'(Ils Srhlllil Zur RLhfjOlifiif If/o!fra!/IJ ill ibnr ßt'.(!thllng ~r M.Jstik. Frankfun : Klostermann 1946; SCI-IRö DER, Walter Johannes: " Kyot." In: Gtrmlln;;c!,-Rmf/lIlI;;rbt MOl/lI/mhrifi 40 (1959), S. 329-350, hier S. 336; ERNST, Ulrich: " Kyot und Flegctanis in Wolframs ,Parzival'. Fiktionaler Fundbcricht und jüdisch-arabischer Kulrurhintergru nd." In: If/irktl/du Worf 35 (1985), S. 176 -195; SCHO"rL, Rüdiger. " D ie Echos der Verschwiegenheit. Ein semio tischer Zugang zum K )"otproblem in Wolfrnm von Eschenbachs ,Par.r.ivaI'." In: O!llobriidetr Btitriige ~r SprodJlbeon'e 42 (1990), S. 168- 185; KER.t"i, Peter: " Leugnen und Bewußtmachen der Fiktio naLität im d eutschen Anusroman. " In: Fi!ehOl/nlilii/ '''' Arfllsromon. Hrsg. von Volker Mertens und Friedrich Wolfzencl. Tübingen: Niemeyer 1993. S. 11-28.
454
gegen soll vielmehr interessiere n, wie die Quellenangabe innerhalb des Textes als Mittel der AJllhenfifiijemng funktioniert. Kyot wird immer wieder im T ext genannt, es finden sich eine Vielzahl p roleptischer Nennungen schon bevor seine Identität geklärt ist (insgesamt finden sich 9 1 Verweise im Tcx t).78 An unerwarteter, recht später Stelle erfolgt der erste von drei Kyot-Exkursen, der in erster Linie dazu dient, den Hörer durch einen kurzen ,Vorklang' neugierig -zu mac hco.-" Kyör 1a schamiurc hicz 1... 1. Kyö t iSf ein Pwvcnzäl, der dise :lventiur von Parziväl hcidcnsch geschrieben sach. swaz er co franza ys dä von gcsprach. bin ich ruht der witze laz , daz sage ich tiuschcn vürbaz.80
Kyot wird hier schon in der ersten Zeile m ys tifiziert (Geheinmis), indem ihm ein fremdanig klinge nder Beiname gegeben wird , der möglicherweise aus l'efJchanlColfr (Z auberer, Sänger) abgeleitet ist und immerhin Anklänge an chaf/son aufweisen dürfte (es gibt kein altfranzösisches \V/Ort für ,Sänger' wie /i chaft/(;0111,.81 Entgegen seiner guten Kenntni s und sonst ge nauen Übertragung des Französ ischen an and eren Stellen setzt Wolfram hier also ein absichtlich verdill/keIles Fremdwort. Das Publikum wird ferner info nniert, daß \'Volfram die ParzivaJ-Erzähl ung von K YOt ,gehört' hat und er diese quasi .nur auf Deutsch übersetzt'. Kyot hingegen harte seine Info rmationen au s einer noch älte ren Quelle, einer heidnischen (arabischen) Sc hrift. bezogen. Dieser Teaser wird dann erst etw as später im großen KYOt-Exkurs (452, 29 - 455) wieder aufgegriffen. Der Einfachheit halber sei die passagenweise schwierige Stelle erSt ausführli ch zitiert, dann aber im Verlauf der Argumemation neuhochdeutsch wiedergegeben: 82
.. Vgl. LoFMARK, Carl: ,,\X' o lfram's Sourcc Re ferences in ParI.i,·al." In: Modtm LmgNage Rt.l1tu167 (1972), S. 820-844. 7'J
80
81
8:2
Vgl. LOFMARK, earl: "Zur Interpretatio n der Kyorstellen im Parzi\'al." In: If/o![ram-Sllldien 4 (1977), S. 33-70, hicc S. 46. WOLFRA,\I VON EscHEN BACI1 : Pur:dl'al !\1ittclhochdeutsch I Neuhochdeutsch. N ach d er Ausgabe von Kar! Lachmann, übers. von Wo lfgang Spiewok. ßd. 1-2. Sruttgart: Reclam 1994. Bd. 1, S. 706 [4 16, 21 -29[.
VgJ. dazu I....oFMARK, Carl: "Zur Interpretation d er Kyotstellen im Panj,'al." In: \f/o!fram. SllIditn 4 ( 1977), S. 33-70, hier S. 42f. W OLFRAM VON EscH ENBAOI: Pa't!,!al. Mittelhochdeutsch I Neuhochdeutsch. Nach der Ausgabe yo n Kar! Lachmann, übers. von Wolfgang Spiewo k. ßd. 1-2. Srungarr. RccJam 1994. Bd. 2, 5.38-42 [452, 30 - 455, 16[.
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(...J die vcrholnc maere umbe de gral.
Swer mic h dervon c"ragte um drumbe mit mir bagtc, o b ichs im nicht sagte unpris de r dran bejag te. mich bat ez helen K}'o t [...} Kyö t der meister wol bekam ze D olet verworfen ligen "ant in heidenischer schriftc ehrre ävc miure gesri fte. der karak r.er a b c muose er han gelcrnet e, an den list von nigromanzi. ez half d az im der rou f was bi: anders waer diz maer noch unvcrn umcn. [...} ein heiden Flegeränis bejagte an künste hohen pris. der sclbc fi sio n was geho rn von Salmo n, uz israhclscher sippe erzielt vo n alter her, unz unser schilt der tOu f wan vü rz helleviur. . . der schreip von des grales ave ntlur.
1·1 Flegetanis der heiden kunde uns wol bescheiden iesliches sternen hinganc
um siner künfte widerwane wie lange ieslicher wnbe gct , c er wider an sin zil ges tet. mit der sternen umbereise van ist gepriifcl aller menschlich an. Flegetanis der heiden sach, da von er bl uwecliche sprach, . . .. un gesom 1111t SUlen ougen verholenbaeriu wugen. er jach, es mez ein dinc der gnU: des namen las er sunder rwal inme gestirne, wie der hiez. ..ein sc har in uf der erden liez: diu vuo r üf über die stcrne hoch. l... }" Sus schreip der vo n Flegetlinis. K yor der meister wis cliz maere begunde suochen in latinschen buochen [...}. er las der lande chro nicä, zc Brirane um anderswa, ze Francriche unt in Yrlant: ze An sch o uwe er diu maere vant. er las vo n Mazadiine mit warbeit sunder wane: 11mb alles sin gesichte sruont dä geschriben rebte
Die folgende (k ursiv gesetzte) Übersetzung o ri en tiert sich an Spiewo k, ich habe sie jedoch vor aIJem auf der Basis der kri tischen Anmerkungen Lo fmarks,83 die in der Forschung weite Ane rkennung gefunden haben, vollständig überarbeitet. Auch dieser zweite Exkurs beginnt mit einer Mysti fikation: Wolfram war zwar schon länge r ei1lgellJt!ih/ in das My s/m'/IIII des Grals, durfte die Geschic hte von Parzival aber nicht früher weitererzählen, weil es sich um ein GeheillJlJJisse1/ handelte: IVer lIIich vorher nach den GeheiflJnissUl des GralJ fragte Imd lIIich schall, weil ich sie ihlll nicht vtffalen habe, der ha/ Unrecht getan, denn Kyo/ ba/lllich, Stillschweigen dariiber ij' bewahren. Die Geschichte von Parzival und dem G ral wird nun erneut auth enti fiziert, indem auf eine weitere, noch ältere Überlieferung zurückgegriffen wird (Urspnmg) . die zudem noch in einer Sphäre dunkler E ntlegenheit heidni sch-jüdi sc h e n~ astro logisch-magischen \'(Iissens scilisiert wird [GeheiIll1lisJ: l)
Vgl. LoFMARI(, e arl: " Z ur Interpretation der Kyotstellen im PaczivaJ." In: lf/o!fTal1J-SIJldien 4 (1977), S. 33-70.
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KYOI, der betiihmle Gelehrte, fillld in Toledo in einer llIlbeachtetm heidmichen (arabüchen) Handschrifl die Entjammg dieser Geschichte. ZIf/JOr schon halle er geIernI, diese fremde Schrif l if,lmn, allerdingi ohne ZlIhi(ftnahme der Schwarzen 10mlt. Bei der Lektüre kam ihm iflSta/len, daß er getmlji U'dr (- 1II,r als Christ konnte er den Text tierstehen), sonst Weire die Erzählllng bil heule Imbeka1ll,I gebliebm. [. ..J EinslIeble ein Heide mit Namen Flegetallü, der f ür seine Kmntmile hoch btnihmt war. Dieser I-'lsioll (1. 11.) slammle von Salomoll ob IIlId u'ar am altem üraelüchem Guchlecht. Seine AbllomHlIlIlg Itiß tlich i//nickveifolgm bü in die Zeit L'O r der Mellschu-'erdung Clm'lti, als die Tauft IInler SdJlfIz wr dem Höllenftller wurde. Dieser Malln ffidmeJe die Geschichte des Grales allf. [. ..J Der Heide Flegeltmü besaß Kellntmise fiber die Bahllell der Sterne IInd,}m Umldlifffit. 1\11it dem Krtüldlif der Steme ül aber das Geschick der MeIIscbtn eng verbunden. So entdeckle der Heide Flegelallü in der Konllel/a!ioll der Gnlime verbo'fp,e Geheimnüse, von dmell er leIbst IlIIr mit Scheu erzaMte. Er erklärte, es gäbe ein Ding, das ,der Gral' hieße; diesm Namell101 e,. klar IIlId IIfIi}J'tidtutig ill deli Stemm. " Eille Sc/)or IJQII Ellgelllließ ihll OIif der Erde ifltiick, bt/JOr lie hoch über die S lerne emporschu'eblm [. ..J...
Die Aurhemifizierung durch den Rückgri ff auf Kyor wird al so verdoppelt durch den Rückgriff auf eine noch urspriinglichere Schicht in der Figur des Flege canis und seiner Schrift. Denn Kyot fi ndet nicht irgendeine Versio n det Geschichte, sondern die ErstJommg, dirn avellfillregesfifle. Es handelt sich um nichts weniget als "die Urguelle und damü das eigentlich \Xlahre eines StOffes" (Urspnmg).84 \Xlie zuvor scho n Kyot (111 schon/illre) wird nun auch Flegecanis durch eine obscure Bezeichnung eingeführt (Geheilllnis), das \Xlo rt fisMn, vermutlich eine Ne uschöp fung Wolframs, wekhes eine suggestive Nähe zum plljsiclts (A rzt) aufwcist. 85 Flegttanis verkörpert dabei als ,narurkundige r' Weiser au fgrund seine r Abstammung sowohl die ol!}iidische als auch die arabische \'Vissenschaft und Wahrh eit (Urspnmg) - ein geläufiger Topos der mittelalte rlichen Literarur86 (hierher ge hört auch Kyots Fund der Schrift in Toledo). Seine Kennmis der Astrologie mach t den Weisen Flegetanis zu einem Leser der Divinoh011 [111. 3]. denn er lies/ die Wahrheit über den Gral (das transzendentale Signi fikat der Parzivaldichrung!) il1 den Stemm. Die Sterne selbst verbürge n also die absolute Wahrheit der Geschichte! Diese Konsrruktion wird noch dadurc h verstärkt, daß der Text die makrokosmische Entsprechung von Sternenlauf und dem menschlichen Geschick hervo rhebt. Damit wird die Au rhentifizierung der Geschichte von Parzival und dem G ral auf der höchsten, kosmischen Ebene des wahren ordo verankert. Und auch das wird noch einmal dadurch erweitert, daß Kyot die Schrift des &I
M
F/\LK, \X' alter. " Wo lframs Kyot lUld die Bed eutung der ,Quelle' im r...Littclalter." In: LiltrafllrlI-imnslhaJtlidm JaJJriJlllh N F 9 (1968), S. 1-63, hier S. 33. Vgl. t.orMARK, Carl: "Zur Interp ret200n d er K)'o tstcllell im Pand"al." In: lt7o!frol!l-Stllditn 4
(1977), S. 33-70, hk, S. 36f. M
Vgl. LoFMARK, Carl: " Zur l merprelaoo n d er Kyorstcllen im Parolival." In: lt7o!fram-Slllditn 4 ( 1977), S. 33-70, hier S. 39, sowie KUNITl..SCI·I, Pau!: " Die Arabiea im ,p arzival' Wolframs "on Eschenbach." In: lt7o!Jrom-SIINlitn 2 (1974), S. 9-35, hier S. 32ff.
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Flegetani s Nllr lesen kilim, ll.>eil erget(Jfifi ist - was eine bemerkenswene Entsprechung fmd et dadurch, daß im Epo s auch das heilige Zeichen des Grals nur fü r Getaufte erkennbar ist. 87 Somit ist die Authentiz ität des Parzival sakrallletltal verbürgt: Der T ext ist nicht nur ,wa hr', sondern entspricht im emphatischsten Sinne de r mittelalter lic hen Richtigkeit (recfitlfdo) der gö ttlichen Ordnung. SB Faszinierend ist aus heutige r Sicht der Fo rtgang der Argumentatio n. E ine längere Passage aus dem ,Originaldo kumenr' des Flege ranis wird ,wörtlich zitien ', de r Tex t rahn dann fon : Dies schrieb Flegetal1is darüber. Kyot, der gelehrle
/V/eister, suchte film überall in lateinischen Büchern nach H imveisen [..J. Er durchforschte in Bntannien, Ir/lmd ,md anderen Liindern Ltmdeschrrmiken. Schließlich f and er die gestlchte K1mde in A '!j(JII. E r las die lvahre Ifnd lff1verfiilschte Geschichte von Mazadan " nd den Schicksalen seines Geschlechts [. ..J. D as Ersraunliche ist ja, daß die "theologische" Authentifizierung des Textes nahtlos übergeht in eine " lVisse!1schaJtlich-histon'sche'~
Religiöse und hi stOrische Authentizi tät gehen hier noch Hand in Hand. Erst wird die Leitq ueUe, die Schrift des Flegeranis, als DokJOIJe!1/ eingefügt lind wörtlich zitiert, dann erf.i hn man, daß der gelehrte K}'Ot neben der Ursprungsquelle des Flegetanis noch weite re Q uell en au sfindi g macht, welc he die Wahrheit der Geschichte besliitigen ko nnten - das ,lateinische Buch' entspricht hier einerseirs de r AutOri tät der alten, ursprünglichen Schri ft, d ie zugleich ,wahr' und ,unverf.ilscht' isc, andererseits ist das ,la teinisch e Buc h' zugleich zu verste hen als das ,christliche' Buch. \Xlenige Zeil en später mhrr de r Erzähler dan n mi t seiner Gesc hiclltc fort. Erst im Epil og, dem tradi tionellen O rt der ,Besiegelung' des T exts, erfolgt ei ne ernemc Besprechun g seiner Quel le. \Xliclu ig ist, daß \Xlolfram dabei musterhaft der Beurkundu ngsstrukm r der mittela lte rlichen l .i tcratur fo lgt, zunächst erfo lg t ( 1) "Q uelle nanga b e, d as Q uelle ng u rac h re n u nd d ie Que ll e n. beschreibung", hiernach (2) "Namensnennung, Bezeugung der Wahrheit und Authentizitä t" , dann (3) "Moralität" und "Leitgedanke des \Xlerk s", absc hließend dan n (4) die " Widmung cc •89 D ie wichtigen Zeilen (aus 1/ 2) seien ziticn : O b von Tro rs meister Chrisrjän disem macre hät unreht geran, daz mac wol zürnen K y6t, der uns diu rehren maere enböt. I... ] von Provcnz in ciuschi u tant diu [ehren macre uns sim gesam [...1
87
e
Es heißt über Felrcfiz: "an d en gcil was er ze sehen blut!, I der touf hel in bedec ket: / sit Wart im vor enbleckct / der gcil mit gesihre." WOLFRAMVON EscH E.N ßACH : PtJf"{jm/. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Nach der Ausgabe von K.'lrl Laclunann, übers. vo n Wolfgang Spiewok. ß cl. 1-2. Snmgan: Reclam 1994. Bd. 2, S. 656 1818, 20 - 231.
88
Vgl. vor allem die Analyse Ft\LK, Walter: "Wolframs Krol und die ß cdeurung der ,Quelle' im M.ittelaher." In: Lit(TaINnl isstnstJJqftlichu johrlJllch N F 9 (1968), S. 1-63, vor allem S. 24f., S. 37, S. 41 .
89
KOLB, Herben : MJlnJolt:oncm. Slliditn ZNf1J Kyotprob/(f1J. München: E ido s 1963, S. 193.
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nihr mer dä von nu sprechen wil ich \,\/olfram von Eschenbach, wan als dort der meister sprach.90
Auch hier findet sich die eigentümliche Verschränkung VO ll /beologiscber und bis/on·scber Auth entifizicrung. Einerseits nennt der Verfasser seinen Namen, und zwar ausdrücklich nicb/ im Kontext einer ,schöpferischen AutOrschaft' (,ich habe es gell/tlcht) , sondern explizit und unmißve rständlich in der Figur des Biifgen, der die \X/ahrh ei t und korrekte \X/iedergabe des Texts bezeugt. Unter Einhalrung des BeglaubigungstOpos9\ verspricht der Erzähler seinen Zuh örern: ,leh, Wolfram, habe Euch Z uhö rern exakt dasselbe vorgetragen, was K}'ot mir erzähJr hat, und ich habe nichts hinzuge fügt oder weggeno mmen.' T atsächlich geht der Erzähler noch über die Intensitä t dieser \X/ahrheitsbezeugung hinaus, indem er einem anderen Verfasser, Chrcrien, unterstellt, er habe die Geschichte nicht der Wahrheit ge mäß erzählt. Es begegnet also die Methode der eigenen Echtheitsbeglaubigung durch Echtheitskritik am tlIlderen T ex t, und zwar im BrusttOn der Empörung: ,Kyot, die oue/on/as des wahren T ex ts, hätte alles Rec ht, erzürnt zu sein über den unwahrhaftigen Chretien, welcher die Geschichte falsch erzählt und ihr dadurch unrec ht getan hat.' Bis hierh in kö nnte die Authenrifizicrung des T extes rein ,histOrisch' gemeint sein, wä re da nicht der dreimalige Verweis auf die Ricb/igkei/ des T exts. Ta tsäc hlich ist die gemeinte \X/ahrheit ,mehr' als ,nur' die einer historischen Faktizität, es ist eine \X/ahrh cit, di e man sich wie eine Rech/sordnung vorstellen muß, es ist die f{icb/igkei/ des verbindlichen, göttlichen ordo, welche der T ext im rt.92 Epilog, der pro min entesten Stelle überhaupt, ve rbür& Der Epilog ve rsiegelt damit das Epos und die unauflösbar mit ihm verschränkte Er/.ählung seiner Herkunft und Echtheit. Der ,Fall Kyot' erlaubt dabei eine Vielzahl vo n Schlußfolgerungen. Z unächst einmal zeigt sich, wie raffiniert die beiden Dimensio nen der Authenti fizierung, die AJI/on·siemng (KyOt, Flegeranis) und di e His/OIi?!/ä1 (QuelJenvergleich, Echtheitskritik, unverPa'"?jl'al l\1inelhochdeutsch I Neuhochdeursch. Nach der Ausgabe \·on Kar! Lachmann, übers. von Wolfgang Spiewo k. Bd. 1-2. Srungan : Reclam 1994. Bd. 2, S. 670 [827, \ · \4[.
90 W OLFRAM VON EsCI-IE..'lBACH:
tl
D er Nachwcis \·on ,Topoi' führt in der Forschung ein mitunter unreflektien es Eigenleben. D er entscheidende 1mpuls für dieses 1nterpretamem war CURT1US, Ernst Roben : ENrop(iIJche UftrafNr Nnd IaltintsclJu Milftlalftr. 11. Auf!. Tübingen, Basel: Francke 1993, der (völlig richtig) nachweist. daß ein bedeutender Anteil der minelalrcrlichen Literaturen ,T opoi', also fonnclha ft e Wendungen aus der Tradition, aufgreift und reproduziert. Seitdem werden aus dem Nachweis von ,Topoi' jedoch ganz erstaunliche Schlußfolgerungen abgeleitet, etwa, daß die Wahrheitsbeteuerung ,nur ein Topos' und dcmzufolge (?) ,nicht so gemeint' sei, was sich im übrigen gegen alle Evidc nz stellt (demnach wäre heutzutage kein Vertrag vcrbi.ndlich). Vgl. auch ß EER, Jeanene: l\.'ofTafir't Cont'f'ntions oJ T nllh in 11M Middle A gts. Genf: Oroz 1981 (= Erudes de Philoloogie et d' I-listoire, 38), S. 9: "The idcntification of recognizable convenDo ns did not a!ways l~ a d tO prc found an:tlysis o f their usage. "
U
Vgl. F ALK, \X' alter. "Wolframs K )'ot und die Bedeutung der ,Quelle' im Mittelaher." In : U leralNllIiJJtnsd'ajilifhts Jahrbuch N F 9 (1968) , S. 1-63.
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mIschte Widergabe) in Form eifler eifli}gen Normtion miteinander ve rwoben sind. Ferner läß t sich sagen , daß die Echthei tsbeglaubigung des Porti/lol in der KyOt-Konstruktion fast aUe Regis ter der Authentiftzierung zieht, die Speyer schon für die Antike nachweist. Diese Mittel stehen dann auch dem Mittelalter zur Verfügung, hier werden dann vor allem die transzendentalen Authentifizierungen weiter ausgebaut. Vor diesem Hintergrund gibt \'(/olframs Par{j /lal ein mustergültiges Beispiel ab: Berufung auf einen Gewährsmann, Bestätigung der Informationen durch kritische Sichtung schriftlicher Quellen, E in sichtnahme in die unverHilschte Urschrift, wörtliche Überse tzung eines fremd sprachigen Texts in die deursche Sprache, da s ganze leicht mys tifiziert und so konstruiert, daß eine kritische Übe rprüfung nicht möglich ist (,T oledo) . Ferner \'Vahrheitsbeteuerung und Verbürgung der unvermischten Weitergabe des Wissens, signiert durch den Namen des Übersetzers Wolfram, Privil egierung der Gesch.ichte als Ge heimwissen, Verankerung der Wahrheit in der alt jüdischen und arabischen \'Vissen schaft und in der sakramentalen Richtigkeit des gö ttlichen ordo. Man kann sicherlich heure wie sc hon vor 800 Jahren die Frage stellen, ob Wolfra m (als vermeintlicher Übe rsetzer das letife Glied der kolportierten V er7llitlIJlngsketle) die \'V'ahrheit erzäh lt hat. Abgesehen davon, daß man \Volfram nicht mehr dahingehend befragen kann, b leibt fraglich, welchen Erkennrnisgewinn man sich au s einer Antwort verspricht, denn sicher ist: Auch wenn \'Volfram nicht die Wahrheit erzählt hätte, wäre die s alles andere als ein Beweis fü r riktio nalität im M.i ttelalter [11 1. 4]. Dagegen ist für die mittelalterliche Rezeption sgemeinschaft davon auszugehen, daß rue K ym -Kon strukti ol1 ihren Zweck kaum verfe hlr haben dürhc. In der hö fi schen Erzähltradition geht da s Publikum o hnehin von einer "soliden historiographischen Grund lage"93 der vorge tragene n Ge schichte aus. Für jede Form epischer Dichtung gil t uneingeschränkt, daß sich minelal rerliche Erzähler " immerzu zu einer Quelle verhiel ten".94 In diesem Sinne erftillt die Kyot-Konstruktion auf umfassende \'Veise jede zeitgenössische Erwartung der Rezipiente n in bezug au f die Kriterien ,wahren Wissens', und zwar indem sie Aspekte der Textjobrikot;on, etwa durch einen ,Schöpfer -Autor' namens \'Volfram von Eschenbach, konsequent verleugnet: \Xlo lfram ersc heint eindeutig als ein gewis senha fter ,Historiker', der das authentische Wissen seiner Vorlage n sorgHilrig nproduzien, er figuriert im H ;flblick t111 d;e Allthenh·i}tiit der Geschichte nur als ein Sammler und Übersetzer wahrer Info rmationen. Es gibt folglich überhaupt keinen G rund für das mittel alterliche Publikum, an der Wahrheit der Erzählung zu zweifeln, zumal diesem der rur histori sch gehaltene Sagenkreis ähnlich bekanm war wie den Rezipien93 LofMARK, Carl: " Zur Interpretation d er Kyotstellen im Par/.ival." In: lf/o!lral1J-Sllldien 4 (1977), S. 33-70, tu" S. 4 1. " FALK, Walter: " Wolframs Kyor und die Bed eutung d er ,Quelle' im Mindaltc r." In: LiltralllrIlim n;chafttiches JahrblIch NF 9 (1968), S. 1-63, hier S. 32.
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ten des ,Dicrys' die Geschichte des Trojanisc hen Krieges. Im votliegenden T ext ist die Quellen-Konstruktio n so ko nse'luent durchgehalten, daß Skepsis der Rezipienten kaum angebracht scheint. Hinzu ko mmt, daß gerade der mündliche Vortrag mittelalterlicher Literarur95 eine kritische Hinterfragung und Überprüfung im Gegen satz zur Schriftlektüre o hnehin inhibiert.
2. Die E ntstehung des O riginals (YOUNG) Im letzte n Abschnitt wurden zwei Dimensionen der T extaurnencifizierung voneinander differenziert. 1m Falle der A Htonsiemngwird die Echtheit des T extes durch den Rekurs auf einen A Htor (und zwar niebt im schöpferischen, sondern im auton'tativen Sinne) sugge riert. 1m Falle der Histonrjliit wird die Authentizität des T extinbalts mit Hil fe von \X1ahrheitsbete uerungen oder Topoi der Echtheitsbeglaubigung (Quellen, Zeugen etc.) hergestell t. Diese Differenzierung ist insofern ,kün stlich', als beide E benen auf dasselbe theoretische Prinzip des N icht-Gemachten, des Acbeiropoietos zurückgeführt werden können. Beispiele wie etwa die Kyot-Konstcuktion zeigen, daß beide Aspekte o ft fast unauflösbar in ein und derselben Fabel miteinander vernctzt sind. Auf dem \'(Iege dieser Differenzierung lassen sich jedoch zusätzliche Aussagen über die weitere Evolution der Authentizität gewinne n. Dies gilt vo r allem für das weite Fe ld jiktionalerTexte ulld Lektfirm. Denn schon vom Begriff her defmierr sich die r:iktionalität ja geradezu als ein e O ppositi on zur Authentizität, denn das ,Gemachte' (fictio) ist das genaue Gegenteil eines AcbeiropoietoJ. In diese m Z usammenhang lassen sich die Ergebnisse an schließen, die oben [111. 41 aus G ründen des Argumematio nsverlaufs vorweggenommen werden mußten, und zwar zur Emste hung der fiktionalen Lektfire. Die bisherigen Resultate lassen sich wir fo lge zusammenfassen: Innerhalb der jüdischchristlichen Tex tuaditio n ist eine fiktio nale Rezeprionsweise nicht denkbar, det G laube an die histOrische Authentizität des T ex ts ist eonditio Jine qua non des Vollzugs teligiöser Kommunika[ion. Gegenüber diesem ,Absolutismus der Wahrheit' unterh ält die griechische Antike ein eher undeutliches Verhältnis zur Faktizitä t des gesc hichtlichen \'Vissens. Hier findet sich eine breite SkaJa, welch e von ,sicher ve rbürgtem' \'Vissen (etwa den homerischen Epen) und kritisch verifizierten ,Historien< (Herodot) bis hin zu ,weitgehend hi smrischen' 9S
N ur wenige Verueter des Feudaladcls können sich Handschriften leisten, seit dem 13. Jahrhundert wächst allmählich eine sehr kleine Schar von Uebhabem, welche diese sammeln. Schilderungen von Lesenden bleiben sclten;überwiegend dienen die Handschriften dem Vortrag; vgl. AUERUI\ CH, Erich: LileralllrspradJt und Pllbhhml in der Ioltinisr}Jtn SpiilQnli/ee und i", Milltloltrr. Sem : Francke 1958, S. 219ff.; vgl.ferner KAISER, Gen: "Zum hochminelalterlichen Literaturbegriff." In: Zu", milldalttrlir}Jtn LiteralNrlngriJ!. Hrsg. von Sarbara Haupt. Dannstadt: Wiss. Buchges. 1985 [1 9781, S. 374-424.
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Geschichten (fragödien) reic ht, in denen man es mit der exakten Wahrheit mitunter jedoch nicht so genau nimmt. E rstaun lich ist hi er auch die außergewöhnliche Vielfalt und Variatio nsbreite der T exte% (was den G riec hen scho n früh den Vorwu rf ..di ssonanter Vielstimmigkeit"97 eintrug). Der Un terschied zu . I s rael ~ kann nicht deudich ge nug hervorgehoben werden: Den G riechen kümmert es wenig, ob Iphigenie geopfert wurde oder auf wundersame \Xleise überlebte, dieselbe Frage ist im Falle von Jesus Christus die aUes entscheidende. Die p roto fiktionalen, gestalterischen Freiräume G riechenlands werden allerdings in der Antike kaum oder, in Ro m, aUenfaIJ s marginal zu Vorstufen ,fiktionaler Rezeptio nsweisen' ausgebaut, und durch die Verbreitung des Christentum s werden sie ohnehin annulliert. E rst in der frühen Neuzeit bricht sich dann die Legitimation der Fiktionalität in einem langen, etwa 300 Jahre andauernden Prozeß zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert Bahn. Nur allmählich gewinnt das \Xlissen um die Fiktionalität im breiten Publikum am Ende des 18. J ahrhunderts volle Resona nz, erst jetzt gehen Rezipienten bei der Lektüre von Romanen von der ,freien Erfindung des Stoffes' aus, erst jetz t etabliert sich eine Rezeptionsweise, welche die Frage nach der ,hi storischen \Xlahrheit' des T extes gänzlich slispettdierl [111. 4). Genau dies hat jedoch insofern dramatische Auswirkungen auf die Pro grammatik der Authentizität, als einer ihrer beide n tragenden Pfeiler, die HislOrirjliil, wegb richr. D as gilt zwar nur für das Feld der fiklionalen Texte, denn selbsrverständlich sc hreibt sich die Tradition der G eschichten, die dadurch faszinicren, daß sie ,wahr' sind , bis heute fo rt (zum Beispiel im Jo urnali smus). Innerhalb dcs fiktio nalen T extkosmos selbst ist dann jedoch di e Herk unfl des T exts aus der men schlichen Fabrikation unleugbar (und da s in einem ko mmunikativen Kontext, de r zunächsr eindeutig und zweifellos ,wahre G eschic hten' bevorzugt). Dieser Befund läßt sich noch mit einem weiteren Aspekt anreichern. Denn wie Benjamin dargelcgt hat, ist dcr Aspekt der Reprodllrjerbflrkeil immer ein Feind der Alilhenlirjläl - wo ,Kopie n' in Massen auftreten, da isr stets die Ein zigartigkeit des Echten gefahrdet. 98 Diese Bedrohung er faßt sicherlich in erster 96
D ie Summe der übcdieferten Tragödienlild übersleigt die Zahl 600 bei elWa 46 D ichlem (\'gl. B LUME, Horst-D ieter. Einftihnmg in diu antike Tlnoltm UrfI. 2, Aufl. D annstadt: Wiss. Buchges. 1984, S.7); die d rei großen Tragiker allein haben efWa 300 Stücke gedichtei, von denen nur 33 erhalten sind, insgesamt schätz! man für d as 5. J ahrhundert die G esamt'nhl auf etwa 1000 Srücke; vgl. MEIER, Christian: "Zur Funktio n d er Feste im Athen des 5, Jahrhunderts vo r Christus," In: Das Pu l, Hrsg. \'on Walter Haug und Rainer Waming. München: Fink 1989, S. 569-591, hier S, 589.
97
ASSMANN , J an: Dal kJdlmrllt C ld';'hl"i!. S{hnJi, E n'nm nmg IIl1d polilirdn Idtlll/Jäl in j riilJrlI I-IO(/)kNllurrtt, 2. Aufl . r...lünchen: Beck 1997. S. 287. hier in bezug auf J osephus Fla\;us,
98
VgL BG'lJAMIN, Waller: " Da s Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeil." In: W. 8.: Das !VI,lllu'(r!e i/ll Z titolltr Jrin~r ftrhlli!(hm &prM,,!{jtrbarktit. D m ' S/"ditn ~r KNnlllo!{jologir. Frankfun/r..·I.: Suhrkamp 1963, S. 7-44; vgl. zur Ve rschiebung d es Authentizilärsko nzeprs bei Benjamin selbst D ERRIDA, Jacques: Die Ifl ohrlJrit in dtr Molmi. Hrsg. von
462
Linie die Unikate der bildenden Kunsr,99 wohingegen T ex te immer schon vervie lfaltigt worden sind. In abgeschwächter Form f,,..lt Benjamin s Befund jedoch auc h hier. D enn im Falle der entstehende n Fiktio nalität ko nnte ja eine Ko rrelation zu den neuen Vervielf.iltigungsmögtichkeiten des Buchdruck s und den sozialhistorischen Folgen, etwa der Ents tehung des Berufsschriftstellers, des Buchhandel s, der Leihbibliotheken nachgewiesen werden [111. 4] . Es ließe sich al so zuspitzen: An die Stelle der wenigen wahren Texte (,Bibel) treten Massen von erfundenen und ,fabrikmäßig hergesteUten' T exten (, Romane) ein e Ko nstellatio n, welche die Programmatik der Authentizität im Kern destabilisiert. D as 18. Jahrhundert wird auf diese Erosion des Historisch-Authentischen durch die Fiktionalität eine neue Lösung find en. Z unächst sei jedoch ein paralleler Blick auf die weitere Enrwicklung der Aulorisiemng geworfen. D enn auch hier läßt sich zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert ein Paradigmawech sel beobachten, welcher sich innerhalb der Auloif"nkljofl vollzieht und sich schlagwortartig mit der allmählichen Ab lös ung der AlllorisienOl!, durch die Urheberschaft beschreiben läß t. D enn im vormodernen D enken ist eine Vorstellung des kün stl erischen SchO"pftrs nur rudimentär entwickelt, die Kunst (/echfle) bezieht sich vorwiegend auf das Ulie, nicht jedoch auf das was der D arstellung (daher etwa die Möglichkei t von ,Malwettbewerben' loo in der Antike, weic he noch den lec/misch besten Kün stler ermitteln). D emge mäß ist das " Interesse an den Urhebern literari sc her und bildender Kunstwerke" den Rezipienten " noc h fremd", ihn en "ga lt det N ame nur als Indikator des Ausfuhrenden und nic ht des Sc höpfcrs" ,tO' und in den Kunstwerken " würdigte man eher handwerkliche als schöp fe ri sc he Le istung".\02 G anz im Gegenteil wird der Aspekt der menschlichen Schö pfung im Konlexl der AUlhentijizienm!" wie oben ersichtlich, häufig geradezu verleugnet. D as gilt per se für das Feld jüdisch-christlicher T ex te. D er E rzähler des ExodlfS auraci sien die GeSetzestafeln, die Moses vom Sin ai mit sich bringt, dadurch , daß er sagt: N icht Moses hat sie ange fertigt, sondern GOtt selbst hat sie geschrieben; der Prophet kon stacien, er überbringe nur Botschaften, die ihm GOrt mitgeteilt hat; die in spirie rte HeiJige "Schrift hat GOtt zum Urh eber" (IV. 2].103 Peter Engdmann. tibers. von Michael Wet"/.d . Wien: Passagen 1992, S. 2 11 f. 9'J
WOLF, T o m : " D ie fa lschen Bilder. Vom i....lythos d es O riginals und seiner kulrurcllen Funkrio nalisierung." In: U gt'l ,md ln/mg"'. DOJ Fa/Hlle in du GtJfb;(h/t 1'011 der AnHke biJ Wr M odemf. Hrsg. von O liver Hochadel und Ursula Köcher. Köln: Böhlau 2000, S. t 9 1-206.
100
Vgl. etwa PUNIUSSECUNDUS der Altere: l',1tIINr!eJmdt. Lateinisch-deutsch. Hrsg. und übers. von Rodcrich König. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1978, ßd. 35, S. 5 1 lXXXV, 57-581.
'"'
WETZEL, i'.1ichad: " Autor. Künsuc r." In: A JlbtliJf!Jt Gnmdbtgnlfr. I-liJlon'Hlm Ir'ÖrltrVNfh. Bd. 1-7. Hrsg. \'on Karlheinz Barck er al. Stuttgan , Weimar: Metzler 2000ff. Bd. I, S. 480-544, hier S. 480.
102
W ITIKOWER, Rudo lf und Margot: lVinJ!/rr. A:JjtnJritrr dt r Gt;rllJ.-haji. Snmgan: et al.: Ko hlhammer 1965, S. 4.
l (jj
RM INER. Kar!: Obtr die S(bn'jtimpiraliOll. Freiburg er al.: Herder 1958, S. 18.
463
Aber auch der homerisc he Rhapsode verweist auf die In spiratio n durch die Musen, deren Bo rsc haften er als Sprachrohr wiedergibt.IO-I \Y/olfram behauptet Ln seiner G ralsdichtung, nicht er selbst habe diese Geschichte gemacht, so ndern et habe sie von K)'Ot, der von Flegetanis, und der wiederum habe sie in den Sternen gelesen. Kyo t und letztlich auc h GOtt sind hier die aJlelonlales für die Authentizi tät der G eschichte (VI. 1] . Seuse reproduziert ebenfalls ganz neutral BOtschaften und Visio nen " nach der wisc, al s su. ime dez ers ten von gote inluhten" [IV. 2] 'os Das (für uns) Erstaunliche ist in aUen diesen Fällen, daß AJllor und Ver1llilller/ Veifasser auf Itfl1ersehiedliehe Personen verteilt sind. Mit anderen Worten: D ie T exte werden dezidiert nichl von ihren Vermittlern/ Verfassern (1\1oses, Prophet, Sänge r, Wolfram, Seuse), sondern von hinlerdiesen stehenden , also diese Iranszendierenden G röße n (Gott, den Musen, Kyot) aJl/onsierl. Daraus folgt abet, daß die Aurorjill1klion hier vornehmlich in der AJI/onsiemng (und nicht in der geisligen SchöpfJlng / UrheberschaflJ liegt, und daß diese Autorisierung - im krassen Gegensatz zur Moderne - zumeist nicht vom Verfasser der Texte geleistet wird. Auch wen n vormoderne Künstler mitunte r ein ausgep rägte s Bewußtsein ihres Kö nnens besitzen und auch Plagiat ve rurteiJen, giJr das Interesse am ,Hersteller' oder ,Verfasser' vorn ehmli ch dem Aspekt der AJlifiihmng, nicht jedoch der A Jllonsienmg qJla SchöpfJlng, was sich auch an den Bezeichnungen wie poie/es oder arlifex ablesen läßt: " Im Altertum ist die Verehrung des Künstlers als Ge nie unvorste llbar. Verehrt wurden die \'(Ierke, nicht der Meiste r. der sie verfertibl'f hat. Die Enthusiasmusvorstellung suc ht das Verehrungswürdige an den \'(Ierk en auf ein e irgend plausib le Ursache zurückzuführen, da es von vo rnherein als ausgeschlossen gilt, daß diese in der Arbeit eines Menschen liegen könne" ;'06 und das Interesse des l\1ittelaltcrs an der Dichterperso n ist noch weitaus geringer au sgeprägt aJs in der Antik e. 107 Das ändert sich erst allmählich seit der Renaissance, und zwar imeressan terweise parallel zur Vorgeschichte der Fiktio nalitä t [111. 4J. Denn sc hri ttwei-
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Vgl. ScHLAFFER, Heinz: Poesie 11m' Il7imn. Die Entslthllng des iistlxlischm Btu.'Njtstins lind dfr philologischen Erletnnlnis. Frankfun/tl.L Suhrkamp 1990;S. 26ff. Die Stelle lautel " ollständig: " Was aber d az selb buechli und etlichll me siner buecher Oll lange in yerren und in nahen landen von mengerle)' u nkun nenden schribern und schribcrin unganrzlich abgeschriben sind, daz icder man dur zuo leite und d ur " o n nam nach sinem sinne, dar wnb hat su der diener der ewigen wisheit I=Seuse] hie zuo samen gesezzct und wol gcrihtet, daz man ein gereh t exemplar Yinde nach der wise. als su Une dez ersten von gote inluhlen"; SEUSE. Heinrich: Dtlltsr!Je Schrifttn. Hrsg. " o n Karl ß ihlme)'er. Sruttgart: Ko hlhammer 1907. S. 4. ORTI.J\ND, Ebcrhard: " Genie". In: Aslbttische GnmdlNgriffi. Hislorisdm lf/ ömrlJl/ch. ßd. 1-7. Hrsg. von Karlheinz ßarck CI al. Stuttgan , Weimar: Metzler 2000ff. Bd. 2, S. 66 1 - 7()9 hie r
S.668. " Im ~1itl clalt er stand I... ] das \'(lcrk, nichl der Dichter im Vo rdergrund. D eshalb sind uns niehl selten d ie Verfassernamen gar nichl bekaom. I... ] deshalb ergänzte man um·o llendel Gebliebenes"; PECHTER, Werner: Das PllblileN", dtr ",illdhorhdmlsrotll Dichtllng. Frankfurt / M.: Dieste rweg 1935, S. 89.
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se verlagen sich das " Interesse" des Publikums "vom \'Verk auf den Künstler.«!08 Das zunehmend emphatische Verständnis vom künstlerischen Schöpferrum beginn t sich zu entwickeln, zunächst jedoch noch auf der Basis der Nachahmung der Natur [11. 6]. Zunehmend werden dabei Vorstufen des zukünftigen Geniebegriffs artikuliert. Der lateinische genius ist noch vor allem "die Personiftkatio n der angeborenen Wesensart des einzelnen !09, und auch das ingeniulIJ bezeichnet angeborene individuelle Fähigkeiten."o Dabei ve tschieben sich die Konnocationen allmählich. Die individuelle Begabung, das ingeniulIJ, kann hier schon die Hetstellung kün stlerischer Neuschöpfungen legitimieren, ferner wird das Inspiratio nstheorem bereits in den Z usammenhang mü der Anrufung eines genills gerückt, und zwar zunehmend mehr " im Sinne des Geistes, den einer hat, als des Geistes, den er bei sich hat" . Diese zunehmende Ps}'chologisierung de s Begriffs führt dann im 17. Jahrhundert dazu, daß man nicht mehr nur sagen kann, ein Mensch "habe einen Genius, sondern er selbst sei ein Genie"!": .. Genius rums inward".ll2 Die Kernaspekrc des schillernden Begriffs bestehen jetzt in den Aspekten (1) der indi/Jidllellen Begabung, (2) der Teilhabe an einer Inspirah'on durch einen teils göttlichen, aber zunehmend menschlichen Geisl des schöpferischen Subjekts selbst [IV. 3] , sowie (3) der daraus resuJtierenden Fähigkeit zur innovativen Herstellung des Ong,inelletl. Durch diese BctOnung des geniali schen Schöpferrums vollzieht sich der Paradigmawec hse1 innerhalb der Autorfimkh'on: Die Verbürgung durch eine (oft transzendentale) olle/onlos wird allmählich ersetzt durch die emphatische Beto nung der individuellen, schöpferischen Erzeugung - der AutorschaJt als geistigen UrheberSfhaJt des schöpferisch tätigen Individuums. \Vichtig ist, daß auch diese Entwicklung Turbulenzen in die Programmatik der Authentizität einwirbelt. Denn gerade das emphatisc he Verständnis von Autorschaft im eige nmächtig schaffenden Genie ko nterkariert ja die vormoderne Struktur des Authentischen, welches sich gerade dadurch auszeichnete, daß es im Idealfall ein Acheiropoielos, ein Nicht-Hergcstelltes war. Die Auth entizität wird also von zwei Seiten im Kern bedroht - einerseits durch die FIU[ der massenweise auftretenden, unwahren fiktionalen LügenH
ZnSEL, Edgar: Die Entstrhung du GmiebtgnjJu. Ein Britrag i!'r !dungesrhichte ,Irr Alltiklund du Friihiulpitatisl1lus. T übingen: Mohr 1926, S. 150.
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Ebd., S. 664.
110
Vgl. BAUERHORST, K u rt: Der GmielNgriff, stine Entuie/elung und stint For1lltn unlrr btsondrrrr Btriirksirhligung des Gotlhesrhtn Standpunkls. Ein Btitrag i!'r ntutrrn GdstlSgesrhithle. Phi!. Diss. Breslau 1930, S. 9ff.
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O Rn .AND,
Eberhard: "Genic". In: AsthttiJr/}e GnmdbtgriJfr. HistonJ(hlS lI(/ii"lfVurh. ßd. 1-7. Hrsg. von Karlheinz Barck e l al. Srungart, Weimar: ~'l e lZl er 2000ff. Bd. 2, S. 661 - 709 hier S. 673 und S. 675; '.gl. ferne r ZII..5EL, Edgar. Die ElIlslthung du Gtnitbt!liJfoi. Ein Beitrag i!'r ItIu lIgts(hirhle dtr Anti/u und des FriihiulpilalismuJ. T übingcn: Mo hr 1926, S. 29 1ff. FRIEDEN, Kcn: GenhiS and Monowgue. Imaca, London: CorneUUP 1985, S. 83.
465
texte, andererseits durch eine neue Spezies schöpferisc her, selbst-schaffender Künstler, die plötzlich beginnen, ,Neues' zu schaffen und tran szendentale Aurori sierungen für unnö tig erachten. Das '1 8. Jahrhundert löst dieses Problem, indem es die Kategorie des Authentischen auf einer Meta-Ebene erneut einführt. Ganz ähnlich, wie bereits eine kopernikani sche Wende in der Programmatik des Geheimnisses, der Unminelbarkeit und des Ursprungs beobachtet werden ko nnte, wird auch die Authentizität anthropologisiert. D enn der Gedanke, daß das schöpferische Genie aJ s Urspmng des Illnovativtfl figuriert, wird durch die ästhetische Theorie mit Hilfe ein es neu ei ngeführten Lehn swortes au s lateinisch Urspmng. origo, ausgedrückt: Die echttfl Produkte der genialischen Sc höpfung werden jetzt Originale genannt.IU Die Originalität wird zu einem zenttaJen Maßstab der Beurteilung von Kun stwerken, und umgekehrt verbürgt jetzt der geniale Schöpfer selbst die Origillalität des Artefak ts. Erst die Durchsetzung dieser neuen, emphatischen Vorstel1ung vom Auro r erzeugt dann auch die spezifisch neuzeitliche Künstlerverehrung, so daß etwa die Genese des Dichterdenkmal s, welche in Deutschland 1772 mit dem Leip zige r Gellert-Denkmal beginnt und 1857 den Hö hepunkt im \Xleimarer Goe theSchiller D enkmal findet, wichtige zeitlichc Eckpunkte markiert. 11 4 Der bedeutendste Referenztext des europäischen 18. Jahrhunderts zur Thematik des ,Originals' und de r ,Originalität' ist Edward Youngs Essay COIIjerlmu 011 Origin(ll COlllposilion (1759), auch we nn er iro nisc herweise nicht immer ,originell' ist. Vielmehr zeich net sic h dcr T ex t durch seinen Eklektizismus aus, denn er versammelt in sic h die wesentlichen Gemeinplätze zur Thematik der ästhetisc hen O[i gin ali tä t~ welc he bereits seitjahrzehnten im Kontext dcrQuert!//e in immer neue n Kontexten verstteut diskutiert worden wa_ren, eignet sich
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466
Vgl.auch HUBlG, Christoph: ",Genie' - T ypus oder Original? Vom Paradigma d er Kreativiläl zw:n Kult des Ind i,,jduums." In: Propyliitl/-Gmhithlt dfr LiltralNr. ßd. 1-6. I-lrsg. \'on Erika Fischer. Berlin: Propyläc.n 198 1ff. Bd. 4, S. 187-210, hier S. 19 1f. Vgl. RAAB E, Paul: " Lorbeerkranz und D enkmal. Wandlungen der D ichierhuldigung." In: FeslJChrift fiir ClaN; Züglfr. H rsg. \'on Eckehardt Catholy und Winfried Ellmann. T ü bingen: Niemeyer 1968, S. 411-426. Selbstverständlich ist die D ichterhuldigung kelllc neuzeitliche Erfind ung. Schon Plinius beric hte!: " Es darf auch eine neue Erfindung nicht übergangen werden, nach d er in Bibliotheken die Bildnisse derjenigen, deren unsterblicher G eist [illlllorl(lles (Jfli"uuJ an d iesen O cren spricht, wenn nicht in Gold oder Silber, so d och ge",..jß in Bro nze gestiftel werden; sind keine Bild nisse vorhand en, so werden solche sogar erdacht und erwecken d as Vcrlangen nach nicht überlieferten Gesichtszügen, wie es bei Ho m er der Fall isr." PLiN1US SECUNDUS der Altere: NalHrkHnde. Lateinisch-d cutsch. Hrsg. und übers. von Roderich Kö nig. D armstad!: Wiss. Buchges. 1978, Bd. 35, S. 17/ 19jXXXV, 91. Die Antike huldigt d em Dichter icdoch nichl als ,Schöpfer', sonde rn als ,berühmtem ~-la nn ' ; imeressanterweisc stein auch die Passage "on Plinius im Ko ntext dcs T menku.hs d urch Kulrbilder von Konsuln. Ahnliches gilt fii r die Renaissance, in der man dann bercits lebende Dichter mit dem Lorbcerkranz krönt, Archetyp ist hier Petrarcas Dichlerkrömmg \"on 1341. Auch hier riChlCI sich das Intcrcsse vorrangig dem ,großen i\"lann' (wie auch dem Fe.ldhcrm, d em Staatsmann eie.) und weniger seiner Individualität, was sich schön an etwa an dem Bildtyp ,Gruppenbildnis bcriihmter Männer' zeigen läßt, in d enen scit dem 15. Jahrhundert Künstler neben militärischen Führem lUld biblischen Figuren stehen; " gI. GOH 11., Siegfried: Dtr &11 du Kiil/;tlm lind der &'1.11 i", 19. jobmlln&rl. ZII'" B;ltIryp dtr I-Iommagt. Kö ln, Wien: Bö hJau 1975, S. 13ff.
aber gerade dadurch aJ s Beispieltcx t. D et Text wird nicht nur in England in wei ten Kreisen gelesen, auch in Deutschland wird die Übersetzung ein Erfolg (ich zitiere in Folge die Ausgabe von Teubern von 1760).115 Ein Signal für die allmähliche Durchsetzung der Originalitätsko nzeptio n nac h Young ist vor allem die Aufn ahme wesentlicher Positionen durch Sulzer 177 1 und 1774 (Artikel ,Genie', ,O riginalgeisr' und ,Originalwerk' in der AI/geil/einen Tbeorie der scbiJlletf Kiil1S/e). Sauder resümiert: "Am Ende det sechziger Jahre sind Yo ungs Gedanken 1...1 zum Topos der literarischen Diskussio n geworden"1l6, und aus dieser allgemeinen Diffusion in die ästhetischen Gemeinp lätze der Zeit wurden ihre Positionen dann vom Srurm-und-Drang in miNnter drastischer Verzerrung usurpiert (wohingegen sich eine direkte Rezeptio n des Texts jetzt kaum noch nachweisen läßr).I17 Tatsächlich gilt Youngs Kon zept des originellen Künstlers über weite Teile bis in die heutige Zeit. Young beginnt seine Abhandlung bezeichnenderweise mit dem Hinweis auf die immer größer werdende Flut der gedruckten Tex te: " Einige sind der Meinung, daß der Anwachs der Sc hriften nur allzugroß se)" und daß die Presse [/be p~ssJ nur allzusehr beschweret werde"118 (11 / 4), an anderer Stelle kritisiert Young die inflatio näre Schriftstellerei als ,,Nlanlljaclllr-Arbeif' (17). Im Ko ntrast zur Masse der fabrikmäßig herges tellten Texte positioniert Young den programmatischen Begriff des Originals. SymptOmatisch ist auch dessen Verhältnis zum Begriff der N achahmung: " Die Nacbabllllmgen [1/11i/a/ionsJ sind von d oppel ter Art. In einigen wird die Na tur [Na/lire], in andern werden die Autoren IAII/borsJ nachgeahmet. Wir nenn en die erStem Originale l"Originals.! und behalten den Namen der Nachahmung nur für die letztem." (15/ 9) Auch hier wird aJ so einmal wieder explizit !lieb, mit dem ari stotelischen Postulat der Naturnac hahmung geb roc hen [11 . 7] , der Begriff des Originals wird lediglich in Ab setz ung zum Plagia/ gesehen. Der Oppositio nsbegriff ist demnach die Kopie [11. 6] , "weil Copien [eopies] ihre Originale nie übertreffen, so wie Ströme l!S
Vgl. Ki ND, J ohn Louis: EdlVtlm Yaung in Gm,,,my. His/orieo/ Sun!9J. Inßumre upon GrrlllOfI U ltra/ul? Bib/iograp/!}. New Yo rk 1966; STEINKE, Martin William: Edlnml };oung'J ,Conjuturrs on Onginal COlllpoJition' in En,gland and GrrfllOfry. A SJut!J in Ulrrary & /ol;ons. New York: Stechen 191 7.
116
SAUDER, Gerhard: "Nachwo n ." In: Edward Yo ung: Grdanle:.en übt,. dit Ongjnal- lf/r,.let. /n
rinml Sehl?ibtn du D. Youngs an drill {lir} Vrrfo5Jr,. du GrandiJon. [Übers. von H . E. von Tcubcrnl. Leipzig: HcinsilLs 1760. r aksimile N achdruck Heidclbcrg: Schneid er 1977, S. 3-54, hier S. 46 . 111
Vgl. zu dem Ko mplex SAUDER, Gerhard: "Nachwon." In: Edward Yo ung: Gtdankt:.n iibtr die Ongina/-IVtdu. In rintlll Sdmibtn du D. }'oun,gJ an dtlll {Jir} VtrfaJJrrdu Grandison. [Ubers. von H. E. \'o n Teubeml. Leipzig: Hcinsius t 760. Faksimile N achdruck Heidclberg: Schneider 1977,S. 3-54.
118
YOUNG, Edward: GrMnletn /ibt,. dit Origillo/-IVrrkt. In rint S(hrtiben dn D. Youngs an drill [nr} VerfaJJtr du Grondison. [Übers. \·o n H . E. von TeubcmJ . Leipzig: Hcinsius 1760. Faksimile Nachdr. Heidclbcrg: Schneider 1977, S. 11 : die englische Stelle s. d ers.: Conjtcllll?1 '111 onginal CoIII/JOsition. Londo n 1759. Faks. Nachdr. l...ced s: Scola.r 1966. S. 4; die Seitenangaben stehen im folgenden im Fließtext (bei Berücksichtigung d er Originalausgabe steht deren Seitenzahl an zweifer Stelle).
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11"i'(g1" (39/ 4 1).
Imeressant ist auch die Flüssigkeits-Metapho rik dieses letzten Z itats. Denn das ,hismrisch autorisierte Sc hrifttum' der Vormoderne ze hrte ja davon, daß es sich aus zuverlässigen Quellen ableitete, es kennzeichnet seine \X/ahrheit dadurch, daß es sich selbst als A us-FIIIß des wahren Tradirion sslrofl'es definiert. In diesem Sinne ist der Ein-FIIIß cin scho n in der Antike nachweisbares Bild, welches im Z usammenhang mit anderen Gewässermetaphern die Integri tät der Tradition bezeichnet. 119 So erscheint etwa die Heilige Schrift aJ s QHe//e des Wissens. Von ihrem Strom gehen AJ(Jlällferab (die Apostel etc.), und die ,gute' Rezeption zeich net sich eben dadurch aus, daß man diese Slriif"e des wahren Wissens ,anzapft'. Bei Augustinus heißt es: Denn wie eine Q uelle ifonsJ an ihrem unscheinbaren Ort in sich reicher ist und durch die mancherlei Bäche {nt'is] , die sie versorgt, ein weiteres Gelände bewässert als irgendein einzelner dieser Bäche für sic h, der von der QueUe her sich mannigfach durch die Gegend windet, also ist es auch mir der Erzählung D eines Ausspenders, die so vielen Verkündcm Deines Wortes kostbar werden sollte: sie läßt mi t ihrem geringen, kargen WOrt Strö me lauterer \X' ahrheit sich ergießen ffluenln liquidae t'en/a/ti], woraus denn jeder nach seinen Kräften ein Wahres, der eine dies, der andere jenes, in längeren Windunge n des Redens hervorbringen mag.l20
Bei Augustinus soU man also nach Möglichkeit vom Ein-FI"ß des StrolllS wah ren \X1isscns leben, dessen Q uelle in letzter Konsequenz Gott selbst ist. Diese positive \X1errung des Ein -flusses überlebt bis heute in der modernen Hisroriograprue,!2! die sich seit ihrer Genese als Ausfluß von ,Quellen ' verste ht. Tatsäc hli ch ist da s Bild der ,Que Ue' scho n seit der Mitte des 18. Jahrhunderts eine zentraJe ,fundiere nde Metapher' der Geschichtsschreibung. lu Eine gan z andere \X1endung nimmt die Gewä sserrneraphorik jedoch im Kontext der Kun st. \X1ie viele Stellen bei Young und im zeitgenö ssischen Schrifttum zur ,genialen Sc höp fung' belegen, implodien die BetO nung des EinflJlJJeJ, sie verkehrt sich geradezu in im Gegenteil in Einfluß-Angst auf seiten
.
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Vgl. DEMAt' lDT, Alexander: Metnpbero flr Cncbirbtr. Sprarhbilder und Gltirhnim im hiJfonJrh· polittJthen Dtnkm. Mün chcn: Bcck 1978, S. 170. AUGUSH NUS, Aurelius: BtlunnfmJJt. Lateinisch und deutsch. Übers. von J oscph ßcrnhard. Frankfurt/ M.: Insel 1987, S. 733 [Xl I, 27J; vgl. zur Im crprctario n dicser StcUC SHANZER, Danuta: " Latelll Narrarive Pattcrns. Allegorical Choices and Litcra.t), Uniry in Augusrinc's ,Co nfessio ns'." In: Viihae Chnftianae 46 (1992), S. 40-56, hier S. 50.
'"
Vgl. u. a. in diesem Z usammenhang VOI.XEl. Markus: ,Pyrrbonismus bis/oriraNJ' lind Jides
hiJlorira'. Die Enfwidt./llng dir dell/JdMn biJtoriJrhen Ml/hodohgil IIntlr dem Gesichtspunkt der hiJlonfrhtn SktpstJ. Frankfurt/ i\t Cl a1.: Lang 1987; BLANKE, H o rsl Walter: HiJtoriographie. geJrhirhte ab HiJtorik. Sruttgan, Bad Canns(att: Fromann-Ho lzboog 1991. Vgl. ZIMMERMANN, M..ichael: " Quelle als Metapher. Überlegungen zur Histo risierung eincr historiographischen Selbstvcrständlichkcit." In: HiJlonJrhe Anfbropoloie 5 (1997), S. 268-287.
468
der Künstler (ßloom).m Denn jetzt tritt das Origin al selbst an die Stelle der Quelle, dagegen sind es die ,Copien' [11. 6J , welche bloß andere Schriftquellen ,an zapfen', weswegen sie nicht originär sind , so ndern bloß abgeleitet (Urspnmg). D as obige Zitat aus Young (,.weil Copien [copiesJ ihre Originale nie übertreffen , so wie Ströme ts/rea",s] nie höher, und selten so hoch steigen, aJ s ihre QueUe t-'Pn',@'') belegt, daß sich O riginale - im krassen Gegensatz zu den (/utorisierlen Schriften der Vormoderne - durch ihre Vermeidung des Ein-FIJlSses der Tradition definieren: Originale sind ,ihre eigenen QueUen'. Während das authentische Schrifttum der Vormoderne idealerweise abgeleitet und damit ,kanonisch' gewesen war,12~ fließt das authentische O riginalwerk aus der Quelle der Genialität (siehe oben) und ist somit dezidiert "anti -kanonisch"!25: " wenn wir schreiben, so laßt un sern Verstand sie [die kla ssischen Schriftsteller] gan z aus un sern Gedanken verdrängen." (23) Demgemäß posi tioniert sich das geniale Original immer in einem Gegensatz zu Gelehrsamkeit und Regelpoetik (vgl. 27 / 29), und die Originalität einer kreativen "Innovation" ersetzt seit der qllerelle (bis heure!) zunehmend den Stellenwert der Tradition. Der vornehmlic he N utzen der ,Alten' liegt nach Young für die ,Modernen' jetzt darin, daß man ihre Originalität nachahmen kann: " trinket [drillk][!J da, wo er IH o mer] trank [...], an der Brust der Natur: Ahmet nac h, aber nicht die Schriften, sondern den Geist. D enn kön nte man nicht dieses Paradoxon als ein en Grund sa tz annehmen? ,D aß wir, je weniger wir die berühmten Alten cop ieren tCOP)I, um so viel mehr ihnen ähnlich trese",ble] werden. '" (24/ 21 ).126 Die NachtllJ/llllllg bezieht sich also auf die natur-analoge Sc höpferkraft Ho mers, welcher der Kün stler ,nacheifern< soll [11 . 7]. und imeressanterweise begegnet auch hier d ie Metapher der Quelle, diesmal in neuer Po intierung: Das Genie soll an der Urquelle (der ,Natur') trinken , anstatr das \Xlasser anderer SchriftGuellen auf seine Mühlen zu leiten (Plagitlf). Die Herstellu!1g von Origi!1alen erfolgt also durch die N achahmung der schöpferisc hen Natur, welche wiederum mi[ der Sc höpferkraf[ im Innern de s Genies selbst ve[bunden wird [11. 7]: "ein e[fmderisches Genie [is[] gleich dem Oel,n
ßloom hat eine nleone der D ichrung aus dem Begriff der AIL\.irry iiflnßlIln(t vorgelegt und weist sechs verschiedene Wcisen nach, durch die D ichter scitdem ilue Originalitiil, also ihre einfluß-frcic Schöpfung von Werken, nachzuweisen suchen; vgl. ß LOOM, Harald: EitiflußAI/gil. Eint Throrit dtr Dithtung. Übers. von Angelika Schweikhardl . Frankfurt/ r-.L Strocm feld 1995. Vgl. Z II..5EL, Edgar: Dit EI/lsuhung du ClnitbtgrilfiJ. Ein Blifrag ~r ldttngtschichte dlr A nfilet lind du FriihlwpitaiismuJ. Tübingen: Mo hr 1926, S. 211 ff. Noch im 16. Jahrhundert ist " d ie lmilario" das "literarische Standesschlagwo n "; ebd., S. 248. FISCHER, Bemhard: " Authentizität und ästhetische Objektivität. Youngs ,Gedanken über die Original-Werke' (1759) und Gocthes ,Von deutscher Baukunst (177 1) .'" In: GlmJanlsch· Romanische ""lonatuelmji N. F. 42 (1992), S. 178- 194, hier S. 181.
12(i
" D er einzige Wcg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten." W INCKEI"'IA,''';' N,Johann J oachim: Gtdon/et1l iibtr dil l\'afhahmung di r gnlfhlsfhln IVtrlet il/ dtr Matmi und ßildhautrkumJ. StndJelJTtibtn. H rsg. von Ludwig Uhlig. Sruttgart: Reclam 1991, S. 4.
469
kruge der Wimve [/he lf/idoJII's enlse] von innen göttlich angeftillt [replenishett]" (4 1f./44). Innerhalb dieser Logik wird dann ,aus-der-U rqueUe-der-Naru.r -trin ken' zum Synonym von ,aus-sich -selbst-schöpfen': D as Genie sc höpft [!] die Flüssigkeir l 27 des Amh emi schen jetz t aus der originären QueUe seiner SubjektivitätY~8 Diese K orrelierbarkei t von Genie und N atur wird dann auf diskursspez ifische \Xleise mit der Transzendenz verzahnt, so daß einmal wieder die Gleichung N atur = Genie = GOtt [11. 6J dabei herauskommt: "das Genie [istJ
der Gott in,,"s [God withinJ" (3 1/ 31). In gewissem Sinne ist es die Origillaliliil selb st, welche die Analogie dieser Dreiecksbeziehung trägt. Das Genie ist ebe nso sclJiipferisch tätig wie Gott (Symbol des gottgleiche n Künstlers ist erwartungsgemäß "Promelhew" (78»,129 aber auch die Natur: " Man kann von einem O riginale sagen, daß es etwas von der Narur der Pflanzen an sich habe: es schießt selbst aus der belebende n Wurzel des Genies auf; es Jviichsel selbst, es wird nicht durch die Kunst gelrieben" (17); im O riginal heißt es: "i t is no t made" (12). D arin Hegt aber genau die AJllhentii!1ii1 des Originals begründet, denn die Schöpfunge n von Gott-N arur-Genie sind nicht ,kün stlich' hergestellt, sondern sie ,wach sen von sel bst', sie sind also: Acheiropoielai - ein Recycling einer allbekannten Paradoxie, we lch es vor allem dadurch so bemerken swert ist, daß es sich gegen alle Evidenz des gesunden Menschenverstandes durchsetzt. D enn die Originalwerke des Genies sind einerseits gerade durch das Sc höpfe rrum amhen tisch, im gleichen Augenblic k wird das Sc höp fertum jedoch wieder durchstrichen, inde m man beh aup tet, die genialische Sc höpfung voUziehe sich ,von scJbst'. D as Radikal dieser Auffassung verdoppelt die Paradox.ie des nicht hergestellte n Fabrikats, die Hersteller solchet \'{Ie rke sind die Künstler ohne lf/erkYo An sonsten ist das geniale Kunstwe rk aJlto-mtes (- selbstvollender),1 31 und genau dies ist der theoretische Kern de r A"Io-nomie, welc he die intran siti ve hohe Kunst von nun an für sich reklamieren wird.
VgJ. zur J\lctaphorik der Flüssigkeit im Umfeld d es Genies ""EI.LBERY, D avid E.: Tht Spu ular AtomenI. GOflhe's Ear!J yric and lhe Brgiwlillgs of RQlllantinSHI. Stanfo rd [Cal.j: SU P 1996 (= i...1eridian), S. 123f. Vgl. zur Emergenz der Subjektivität in diesem Zusammenhang STANGE, Alfred: " D ie Bed eutung d es subjektivistischen Individualismus für die europäische Kunst vo n 1750- 1850." In: DeNlscht V ;trlt!iabmcbrifl fiTUltrolllrvisslllschaji und Gristtsgrscbichlt 9 (1931), S.89- 124. Vgl. auch W/ ALZEL.. Oskar P.: Dos Promelhtus!J",bol,.'On Shajitsbll'Y ~ GOflhe. Leipzig.. Berlin: Tcubncr 1910. Vgl. POl\.ITZEN, Alexandra: KJinstltT olJl/e lf/trk. Modtlle IIrgat;I.~r ProdNk/ionsÖJI!Jtti/e in dtr KJinsfltrliltralur ,.'On IVadetnroder b,s Ht;ntr Miilltr. Bcrlin: E. Schmidt 2000.
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Aus diesen D ispositionen wird i\'loritz dann d en Begriff des in nch stlbsll'OlItn(ltlrn Kunstwerks p rägen, welches auch bei J\·lorit".l aus der T otalität des Namr-Genies fli eßt; \'gl. et\l.'a den 1785 erschienenen Aufsatz "Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaf~~n unter dem Begriff des ;n nch stlbsl Vollrndrltn" (MORIT"L, Kar! Philipp: Btilriige ~tr Aslhenk Hrsg. von Hans Joachim Schrimpf und Hans Adler. l\1ainz: Dieterich 1989, S. 7-17).
Di e Evidenz der ästhetischen Autono mie des Originals wird ito nischerwei se durch die Aneignung eines uralten, traditio neUen Gemeinplatzes hergestellt, indem die neue Auffassung der gen iali schen Originalität das Inspiratio nstheorem in sich aufsaugt. Das geniali sche Kunstwerk wächst ,von selbst' (achciropoietisch), weil sein E rzeuger ,in spiriert' ist. Die dies bewirkende Kraft ist ein e di ffuse Ko pulation aus göttlichem Geist einerseits, andererseits (und in zunehmendem Ausmaß) dem Gei st des Genies selbst [IV. 3]. Die Kunstwerke des Genies sind also Schöpfungen im emphatischen Sinne, zugleich jedoch .. nicht willkürlich gemacht",132 der kreative Prozeß wird als unbewußt-somnambul vorgesteUt: " D er Scribem erstaunt darüber, wie über ein e glänzende Lufterscheinung in der Nacht; er verwundert sich; er kann kaum glauben, daß es gewiß ist" (46)U3 Es ist diese Paradoxie der gleichsam unbewußten Fabrikation, welches das Ge nie unweigerlich an seine eige ne Subjektivität zurücl.--verweist, denn diese ist im eigentlichen Sinne das Korrela t des KunstOriginals, was sich auch in der Diktio n des gesamten Essays niederschlägt: Daß Youngs Rede permanem zwischen dem "Originalwerk" und dem "Originalgenie" schwankt, ist nicht Zeichen gedanklicher Unsicherheit, sondern betrifft das Herzsrlick seiner Argumentation. Denn die posrulierte ästhetische Originalität hat den Charakter einer Metonymie. Die selbständige, organische Einheit des O riginals benaht \'oll ständig au f der kausalen Beziehung Zll dem, der sie gesti ft.et hat. Sie lebt und zehrt von dessen Eigen tlichkcit. "Sakupeart mischte kcin Wasscr unter seinen Wein 1... 1. Sakuptnre gab uns einen Sakesptflrt 1... 1." Die Unverwechselbarkc.it dcs \'I/ ecks gcht unmittelbar, das heißlohne reflexive Brechung, gleichsam naturwüchsig, aus der Individualität seines Schöpfers hervor. IM ll!
Hennann Herrner schreibt 1854 an G o nfried Keller über dessen Griinm Hrinn'ch: "Was uns in Ihrem Ro man so tief und nachhaltig anspricht, das ist das Gefühl, daß wir es mü einem no twendig gru'Cmlrnrn, nicht willkürlich gelllorhlen Werke zu run haben. Man fühl! überall die Wärme des Erlebten hindurch; wir haben hier im höchsten Sinne D ichrung und Wahrheit." Z itien in ZACH, Alfred (Hrsg.): GOlifTird Ktlltr illl Spitgtl srintr Zril. Urltilt und Berichtt l'On Ztitgtnomn fiber drn Alrnsrhen und Difblrr. Zürich: Scientia 1952, S. 27.
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Die bekannteste Beschreibung dieses Schrcibprogramrns findet sich in Gocth es Dirb/llng lI"d IPohrhtif: " Ich war dazu gelangt, das mir innewo hnende dichterische Talent ganz als Narur I!) zu bemchten I... ). D ie Ausübung dieser Dichtergabe konnte zwar durch Veranlassung erregt und bestimmt werden; ahcr am freudigsten und reichlichsten tIllt sie unwillkürlich, ja wider Willen hervor. 1... 1Auch beim nächtlichen Erwachen trat derselbe Fall ein I... ). Ich war so gewohnt, mir ein U edehen vor.lusagen, o hne es wieder zusammen fi nden zu kö nnen, daß ich einigemal an den [sie) Pub ranme und mir nicht Zeit nahm, einen quer liegenden Bogen zurecht zu rücken, sondern das G edicht von Anfang bis Ende, o hne mich von der Stelle zu rühren, in der Diagonale herunrerschrieb." Es handelt sich wn eine Fo m l " nachtwandlerischen Dichtenisi", welche nicht ,gemacht' wird, sondern als "G eburt" von selbst, von ,Narur' em steht. Vgl. G OETtlE. Johann Wolfgang: IWerkt. Halllburgtr Ausgabt. Bd. 1-14. Hrsg. vo n Erich Trunz. München: Beck 1988, Bd. 10, S. BOf. O :.-rER..'IANN, Eberhard: Dit Aulhrn/i7jta~ du A sllxtischm. Sludirn ~r a'slhttischrn Transformation drr RJulon'1e. München: Fink 2002, S. 102; das Z itat siehe YOUNG, Edward: Calon-
ktn iihrr dir On'ginol.lWtrkt. In rinr Schrribtn du D. Youngs an dtlll [si<} V er/a mr des C rondiJOII.
47 \
Das echte Original der Kunst gibt also zugleich das echte Original des Künstlers und I/iee verso. Das wiederum bedeutet eine wechselseitige Verbürg/,l1g von SJlo/eklivilii1 und IVmstlverk, so daß es nur kon sequent ist, wenn Young die beiden "güldenen Regeln", die cr dem Leser an die Hand gibt, explizit sowohl für die "Composition" als auch für das "Leben" gelten läßt: "Die erSte ist: Erketll1e dich selbsl. Die zwcytc: H(/beflir dich selbsl Ehtjurchl. [...] Fo rsche also ti ef in deiner Brust, lerne die Tiefe, den Umfang, den Hang und die ganze Stärke deiner Seele kennen [.. .J" (47) . Das IransZetldetllole Signifileal ist hier klar die Tieft der Subjektivität, und die vorherigen Z wischenergebnisse [11. 7 / 111. 8] werden ruer nochmals dadurch bestätigt, daß Young das di vinationstheoretische Motto zitiert, welches angeblich das Orakel von D elphi geziert hatte GErkenne dich selbSt'). Die Tiefe des Originolgetlies erzeugt also das Originohverk, was insofern gar nicht ge nug betOnt werden kann, als Young hier die " ,heroische' Identifikation von Leben und \'(Ierk einführt, die dann der deutsche Srunn-und-Drang mit dem ,dämonischen' Genic aufgrcift". m Denn von nun an wird die Kiinsllerbiogmphie, das Leben des Ge nies, die Alfthenlizität des IVerks verbürgen. Dieser Anspruc h wird von Young ni cht nur formuliert, sondern geradezu durchexe rziert. Denn der Tex t endet mi t einem "Grabmoot' (9 1) auf den D ichter Joseph Addi so n, indem die ,bislang unbekannte' Schild erung seiner Todesum stände vorgetrage n wird. Seine letz ten \'(Io rte nach lange r Krankheit werdcn vo rgetragen: "Er [Addisonl ergriff des Jünglings Hand, drückte sie, und sprach sanft zu ihm: .siehe, in JIIelchem Frieden ein Chn'sl sterben kanfl.' Er sp rachs mit Mühe aus, und starb bald darauf." (86) Von zentraler Bedeutung ist nun, daß di e im Tex t o hnehin durchge haltene Verkettun g von (Original-)\'Vcrk und (Oribrinal-)Geni e auch jetzt in allcr Ko nscqucnz weitcrgeführt wird: Habe ich Ihnen nicht einen Fremdling in demjenigen gezeigt, den sie so gur kannten? indem ich den lange ve rschlossenen Vorhang semes Srerbeben es aufgezogen habe. Sehen sie nun nichr in ihrem Lieblings-Amor " Ein größeres Bild, al s das bekannre." Seine Schriften sind nur eine schöne Vorrede; das große Werk, ist sein Tod . Dieß ist ein Werk, das im Himmel gelesen wird. (88)
Der T exr selbst wird damit zu einem "daucrhaftercn Dcnkmaal? al s die von Mannor sind" (92). Als Erinnerungszeichen des Todes von Addison tritt cr gcwi ssermaßen in den Stand einer ,Reliquic', welche dic Authentizität der
[Übers. vo n H. E. von Teubcm). Leipzig: Heinsius 1760. Faksimile N achdruck Heidclberg: Schneider 1977, S. 66 f. m
FISCHER, Bem hard: " Aumentiz.icit wld äsmensche Objektivität. Youngs ,Gedanken über
die Original-Werke' (1759) und Goethes ,Von d eutscher Baukunst ( 177 1).'" In: Cem/anJJ(h· RomonüdJt MOnolJJcbrijt N. F. 42 (1992), S. 178- 194, hier S. 181.
472
Kün stlerbiographie verbürgt, und an deren Echtbeit nicht die gerings ten Zweifel aufkommen dürfen: " Die Sache selbst ist unwid ersprechlich wahr".]3(, Genau darin wird der Tex t zu einem Paradebeispiel für den neuen Persönlichkeits-Kult des G eni e- Denken s. 137 D enn von nun an ist auch das Leben des Kün stler s, . . ebenso Wl e sem IWerk, sic htbarer Abb. 44: Sclbstinszcnicrung Gocthcs als Künstlcr, der das Ausfluß seines G e- Erbe der klassischen Antike antritt. Tischbein, Gotlbt in dtr flitJ, und eigentlich Culllp''l.na, 1786-88. ist das Werk nur in Kenntni s des Kün stlerlebens ,im richtigen Geist' lesbar. Denn der Leser wird ja aufge fo rdert, Addiso n nun im Li chte seiner Biographie zu lesen (,Se hen sie nun nicht ein größeres Bild ... ) - die Authentizität des Lebens wird so zum Echtheits-Siegel des \Xlerks/ Ge nies. Genau diese Figur der A Jllhen1ifirjenmg des fik tionalen \X'erks durch die verbürgte Echtheit des Biographischen wird zu einer genuin neuzeitlichen Rezepcio nsweise. " Dieses Persönlichkeitserlebnis stellt das Zentrum dar, um das sich der ganze Geniebegriff aufbaut. Das Persönlichkeitserlebnis suchen wir hinter jeder Symphonie, hinter jedem Gemälde und hinter jedem Buch"Y8 Erst jetzt se tzt sich aJ so eine elllphatische Anbindung des O riginal werks an die Schöpferkraft des O riginalge nies durch. Die gravierenden sozialliistorisehen Fo lgen prägen uns insofern bis heute, als ersl jelzl der Sc hutz des geisciYOUNG, Edward: Gulan/un über die Original- lf/trlu. In fine Schnibtn du D. YOlllf,gf an dllll [fiel VeifoJflrdu C rondiJon. [Übers. von H. E. von T eubem ]. Leipzig: Heinsius 1760. Faksimile Nachdruck Heidclberg: Schneide.r 1977, S. 89; inreressam erweise wird die ,Wahrheit' d ann auch d urch de n Verweis auf eine. weitere Schriftquelle verbürgt.
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Vgl. Nr:.UMANN, Eckhard: Kiinft/tffl9thtn. Eine p!Jcho·hittOrifdJe Studie über KnotitilQ~. Frankfun, Ncw Yo rk: Camp us 1986.
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Dit Genienligion. Ein kntlsclJer Vmuch iiber das moderne Ptniin!ithk tÜfidtol, mil tinrr hisloriJ(htn Brgriindllng. H rsg. von j o hann Dvo ak. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1990 ZII..S EJ., Edgar:
11 9 181,5.133.
473
gen Eigentums in der Rechtsprec hung verankert wird . Denn das " modern e Urheberrec ht" ko nnte nur auf Basis der aUgemein anerkannten Prämisse w ir k ~ sam werden, "daß im \'{Ierk die Individualität seines Schöpfers zum Ausdruck gclangr.'d l9 In E ngland, Frankreic h und D eutschland wird gleichermaßen erSt in der zwciten Hälftc des 18. J ahrhunderts der Plagiar 40 zu einem Straftlltbestand. 14 ! Die Entstchung des Urhebe rrec hts steht in D eutschland nicht ohne G rund im Z usammenhang mit (ausgerechnet:) Klopstocks Subs kripti o n s~ P ro jekr der Deulsehen Gelehrten-Repllblik von 1773. Im Begriff des ,geistigen Eigentums' (1784 das erste Mal verwendetl4l wird endgültig der persönliche Z usammenhang von Autor und We rk im Gesetz zementiert. Die Eigendynamik dieser AmaJgamierung von ,\Xterk ' und .Urh eber' führt dann vor allem zur zunehmenden Selbstin szenierung, welche die "imendierte Lesbarkeit des vcrschriftlichten Subjekts" und die kalkulierte "Selbstgenericrung unter der eigenen Federführung" zum Z iel hat. 143 Das umfangreiche Schri fttum der ,literari schen Zeitschri ften' wird ausgiebig genutzt. um Kern mythen der Dichterbiographie immer wieder aufs neue zu lancieren, wobei, wie Lange nachweisen kann, immer wiederkehrende Muster auftauchen: "der Dichter dich tct" , "de r Dichter feie rt" , " der Dich ter reist und kurt", "der Dich tcr wird ausgezeichnet", "der Dichter im Bildnis", "der D ichter aJ s Rätsel". "der Dic hter is t krank" , und vor allem (siehe Young): "der Dichter stirbt" : "der Dic hter [wird] in eine all seits ko nsumiblc, durch wenige Merkmale efkennbar gemachte Form gebracht".144 Auf diese \'(feise wird das .Werk' in einem ,echten' N ucl eus de r Künstl erbiographie verankert, und diese r entspri cht in seiner Einfachheit und Durchschlagkraft ein em (ec hten!) Marken zeichcn.145 BOSSE, Heinrich: AlllonelHf; ist If/rrlchtm (hqfi. V/ur dir E llt!trhJlng (lu UrhtIJrrrrrbl! fllI! drm Griff drr Gotlht~if. Padcrbom et al.: Schö ningh 198 1, S. 10. D as Problem des P lagialS ist der Antike zwar bekannt, emsreh! aber im eigcmlichen Sinne erst durch die d rucktcchnologischen Reproduktionstnöglichkeiten. Vorsrufen des Urheberrechts sind die Druckpci \'ilegien der Ren aissance; \'gl. ROSI::"' WEI.D, HeUmut: " Plagiar." In: RraJ/rxikon drr drllfJ(htn LifrralllfEmhicbfr. Bd. 1-4. Hrsg. \'on Wemer Kohlschmidt und Wo lfgang Mohr. 2., neu bearb. Aufl. Bcrlin: de Gruyter 1958ff. Bd. 3, S. 114- 126.
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Dabei handelI es sich wn einen längeren P rozeß; to.'leilensteine sind die Zementierung des " ausschließlichen Verlagsrechts der Autoren" in England 1774, in Frankreich das G esetz der Nationalversammlung vom 19. J uli 1793, in Deutschland d as Preußische Allgemeine Landrecht \'on 1794; \'gl. BoSSE, Heinrich: AJllomhofl ifl Il'7rrlchtm (btifi. Obrr die Enwrbllng du Urhehtrrrr!J1J aJl! tlml Griff der Gorfhe~it. Paderborn CI al.: Schö ningh 198 1, S. 8f.
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BOSSE, Heinrich: AJlfom bqfi ifl [f/erklJrm cbqfi. Obrr die E f/wrhllng du Urhrbtrrr(hl! aJl! tlrm Gellf drr Gorlbr~il. Paderbom ct al.: Schö ningh 198 1, S. 7; \'gl. auch ß ERNET, Christian, und Richard SC/-IÖN\"('ERT H: " Rechtliche Aspekte d er Kunstfalsch ung." In: l/Yril/eJlnlt 68
(1998),5. 153 1-1535.
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L\NGE, Theodo r. E u.1!/rllcblrndeSferne. ZlIm Die!Jlrrklllf ;lI lilrranle!Jrn Ullfrrl)(,}llIngli!if!ebrijtrn tkr Gorlbe~iI. Frankfurt/ M. CI aJ.: Lang 1993, S. 82.
Ebd. , S. 9 1.
'" 474
Tatsächlich hand elt es sich ja (lJIeh lUTI die Vennarkrung einer " Idealpcrsönlichkeir", welche o ft "den Geschä ftsp rinzipien des Impresarios o der Verlegers" em sprechcn, wenn sie nur "die Aufmerksamkeit des Publikwns erregen"; ZIL5E1-, Edgar. D ie Genitrtligion. Ein kritiJ(!Jrr
Das wird auf seiten der Autore.n dazu führen, daß sie ihre A IIlhenliiJlill (als Originfl/iliil) auf d em \Xfege der Selbsti nszenieru ng he rzu stelle n habe n. Sp ätestens seit der Ro mantik wird immer wieder die Schöpfun g aus der Subjektivität des K ü nstlers betont: " D er Kün stler, der nicht sein ganzes Selb st preisgib t, ist ei n unnützer Knecht" . 146 Genau dieses Programm wird immer wiede r aufs neue in einer Vielzahl von Künsclerromanen (wie etwa in dem besprochene n T ex t Heinrich von Oflerdingen [V. 2]) IH reimprägniert:
Der Ki;nsl/er wird t!fllI zenlm/ell Thema der modernen 16msI.
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Z ugleich avanciert aber die BiogmplJie des Kün stl ers zur Echlheilsbeg/tlff bigllng seine r -... . . \Xferke , und die Ze it b ri ng t imm er neue Erscheinungsweisen des authentischen Abb. 45: Spätesl.cns seit der Ro mantik verankern Schö pfers: Das radikale .O rigiKünsder ihr Werk in der O riginalilär ihrer Biographie. Ab jetzt inszenieren sie sich etwa als nalgenie' des Srurm und auffällige Exzentriker. Bis heure stilisieren sich D ra ng, seine Zem entierung Kreative als ,ausgeflippte T ypen'. ß . GeneUi, zum T ypus de s non ko nfo rBleistiftzeichnung \'on Wilhclm Waiblinger, ca. m en Außenseiters in der Ro1826. m antik (,Lenz,),H8 die Inszenierung von ,Ge ruekindern' und das lnteresse an ihren wo m öglich tragischen Biographien (.Moz art'). die
-
VtrIurh über dill modtmt PmijnlirhletilJidtol, mi/tintr hiJ/onsrben ßtgriindHng. Hrsg. vo n J o hann O vo ak. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1990 [19 18), S. 133. 1-16
SCHLEGEL, Friedrich: Kri/1JrbtAHlgobt. Bel. 1-22. r-,'IÜflchen Chom!ettnlh'/un und Kritiken I, S. 267 [" Ideen", 113).
" 7
Vgl. H ECKEL, Hans: " D ie Gesralt des Künstlers in der Ro mantik." In: Ü ltroluruüsenlrhoflli. r/)n JabrlJllrh dtr Coim -CmllJrhoji 2 (1927), S. 50-83.
148
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al.: Schöningh 1958ff. Bel. 2:
Vgl. z. ß . MAR'n N, Ariane und Gideon Sll S'l ING: .,,~hn d enke an Lenz, an Höldedin.' Zum Rezeptio nsmuster ,Genie und Wahnsinn' am ßeisp iclzwcier Autoren." In: Aurora 59 ( 1999). S. 45-70.
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sorgf.1.ltige Selbststilisierung zum alles Irdische überragenden, schon zu Lebzeiten klassischen ,Olympier' (,Goethe,), der Revolutio när ~ Büchn e r '), die ,Krankheit zum T ode' (,Novali s,), die Lancierung von Skandaltextcn mit autobiographischer Lesbarkeit GFciedrich Schlegel'), das wahnsinnige Genie GHölderlin '),1 49 der mys teriöse Guru ~George') , der nihilistischen Übennensch (,N ierzsche'), der homosexuelle D andy ~ Wilde'), der tuberkulöse Dicluer mit Übervater (,Kafka,), der elüäre Schöngeist ~Thoma s Mann '), der drogengetränktc Mörder seiner Parmerin ~Burroughs'). der poetische Sc hläger mit Slreel Credibi/i(y ~H emingway'), der verschrobene Archivariu s (,Arno Schmidt'), der ecstasysc hluckende Raver ~ Goetz ') . Es ist erSt die emphatische Vorstellung des Originalgenies des 18. Jahrhunderts, welche sie zu ,originelle n Menschen' macht und bis heute Normverstöße und Tabubrüche erzeugt, welche diese O riginalität erzeugen sollen: "A uthentizität ist in der Sphäre des Ästhetischen erst he'Z}lIlellm. Oder sie ist nicht."I SO Ein Beispiel ist etwa Rainald Goe tz, "der sich wäluend eines kJein städti schen Vo rl esewettbewerbe s mit einem Rasiermess er die Stirn aufschlitzt. « 151 Der Kün stler ist immer melu ein Markmzeichm, eine original Irade mark, und erzeugt au f diese \'Veise eine "Id entität von Literatur und Leben u 152 und damit d ie Evidenz der O rginalität seines \'-<'erks. Vo n daher wird beim Publikum cli e Kenmni s der Künstlerbiographie zu einer steuernden Ko mpo nente der Werkrezeption, und an diesem Punk t ist der Ursprung dessen anzusetzen, was \VeUek passend di e " biographical fal.lacy" nenm. 1SJ Die allmählich an Reso nanz gewinnende Ko ppeJung der O rigi nalitä t des IVerks an diejenige des Lebens, die zunehmende wech selseitige Abhängigkeit von ,authentischer Dichtung' und ,authentisc her Rezeption' läßt sich schö n am Beispiel vo n Goethes früher Lyrik zeigen. Diese ist geradezu der Prototyp einer ,ge nialischen ' Erlebnisdichlmrg, t54 welch e seit den siebzige r Jahren Vgl. etwa das Kapitel " D ie Faszinatio n d er Biografie" in der Studie BOHlE, Henning: ,Ein Zrithtn sind u.ir, brdrlllllngsloJ.' Die IV~p'ion Höltlrrlins /I(}n ilmn Anfiingtn bis t!' Stifan GtOrgt. Snmgan : r.-let".der 1992.
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PETEKS. JÜTgen: " D ie schö ne Leiche in der Rue Bellech asse. Realität - Kunsr, K unsr Realitär." In: Die schifne Leiche alls der Rue ße//erhassr. Einiges über Schrtibrn Spirlen I~lnltn. Hrsg. von Elmar Buck, Leo Kremzer lU1d J. P. Rcinbck: Rowohh 1977, S. 11 -42, hier S. 16.
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LANGE, Theodor: Eu.igltuchttnde Sternt. Zlim DirhttrlelilJ in Iiltrarilfhen UnltrhaltllngJtrilsrhrifttn drrGottlJei!il. F rankfurt / M. Ct al.: Lang 1993, S. 76. EtSELE, Ulf: IVah"smlls Imd ldtolo:!ie. Zlir Knlik der Iilmmscbtn Theorie nach 1848 aHl ßtispitl des ,DtulsdJtlI MJlltJlHlJ'. Sturrgan: MCl:Zlcr 1976, S. 85. WELLEK, Rem!: " Genre Thery, the L)'ric. and ,Erlebnis'." In: FntJclJrift für Rkhard Aleuyn. Hrsg. von Herben Singer und Ben no \'on Wiese. Köln, Graz: Böhlau 1967, S. 392-41 2, hier S. 411. Die Vorgeschichte des OIflhtnll1then Sprtchtns in der ästhetischen Theo rie ist vor allem erschlossen durch GlJJ1·IKE, Karl S.: " Die E ntdeckung des Ich in d er Lyrik. Von der NachahmlU1g zum Ausdruck d er Affekte." In: Tradihtm, NOrNJ, lnno/lanon. So~altS fll/d IittranscheJ TraditiOI/J/.'trhalltn in der Friih~iI der dtlllJthm A1if7eliinmg. Hrsg. von Wilfried Bamer. München: Olden bourg 1989, S. 93- 121. Ausgangspunkt ist das Kurioslun e iner
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Lyrik als unmittelbaren Ausdmck der olilhentischen Subjektivität lesbar macht; im übrigcn ist Goethe vcnnutlich der wichtigstc \Xfcgbcreiter des Begri ffs ,Erleb ~ nis'.I SS Der ,Durchbruch' zu dieser ,ncuen Form des Sprechens' wird häufig in den "Sesenheimer Liedern" verortec Schon die (erst später entstandene) Bezeich ~ nung bindet rue Gedichtgruppe zurück an den biographischen Kontext ihrer Entstehung. Goethe hat diese Texte während seiner Srudentenzeit in Straß~ burg um 1770/ 177 1 verfaßt, unter dem Einfluß seiner neuen Bekanntschaft mit Herder, der ihn mit der Theorie der Poesie al s Ausdruck authentischer seelischer Erlebnisse vertraut gemacht haben dürfte. 1m Oktober 1770 lernt Goethe Friederike Brion kennen, und zwischen beiden entfaltet sich eine Liebschaft, welche dann zur Niederschrift des Lieder.qklus ,aus der U nmittcl ~ barkeit des Gefühls' führte. Immer wieder sind diese Gedichte als der ent~ Reihe von im hö fisch~rh eto rischen Stil verfaßten Trauergedichten aus den ersten Jahr.lehnten des 18. Jahrhundens, deren Verfasser den Tod ihrtrnglnm Gemahlinnen behandeln und demgemäß aus ,echtem Schmer.l' heraus schreiben (,'gI. SlEGRIST, Christo ph: " Frühaufklärerische Trauergedichte zwischen Ko nventio n und Expressio n." In: Trst lind Kontlxt 6 (1978), S. 9-20). Gottsched bespricht die Fälle in seinem Versuch tint' Crihschm Dichthmsf (1730) und betOm, noch ganz im Kielwasser d er Narurnachahmung argwnentierend, daß ein reines ,sprechen aus dem Affekt' die kunstgerechte Darstellung stö re, aber scho n hier schleichen sich Formulierungen ein, welche bereits ein Interesse an einer ,authentischen' \Viedergabe verraten: "so könme doch ein scharfes Auge, auch in diesen zweyen r-,'Ieisterstücken, noch manchen gar zu gekünstelten Gedanken, und gezwungenen Ausdmck, entdecken; d en gewiß ein wahrer Schmerz nimmennehr würde hervorgebracht od er gclillen haben" (GO'ITSCHED, J o hann C hrist.Oph: VtrSllrh tintr Cn"liJrhen f)i(hf!eNnsf. Faks. Nachdruck d er 4., vennehrten Aufl. J....cipzig 175 1. Darmstad r: Wiss. Buchges. 1962, S. 145f.). Dagegen ergreift Bodmer in seiner Replik \'o n 1741 bereits Panei fm die ~·I öglich . keit einer uruninelbaren und authentischen Lyrik und empfiehh, "daß man niemahls schreibe, aJs wenn man einen Affeci empfmdet, und wenn man nichts mehr empfmdet, die Feder niederlege" (BOmmR, J ohann Jakob: KriliJche ßefnu!Jlllngtn übtr die f>OtliJ(hen Gemälde de, Di(hftr. Repr. N achdr. Zürich 1741. Frankfurt/ M.: Athenäwn 1971 , S. 340). Aber auch bei Bodmer dürfen diese Affekte durch den D ichter mithin noch nmllh'erl werden. Erst bei Herder sprichl "ein authentisches Ich zu einem authentischen Du" (GlITHKE, wie oben, S. 102). Vgl. ferner zur Kontroverse um das ,Erlebnis' in der Dichnmg SEGEßRECI-IT, Wulf: Dos Gelt!!nh,its!!dirbl. Ein ßrilrag ~r Guchir!Jle lind Poetik der dtlilsrhen Ly rik. Sruttgan: Metzler 1977, S. 31 -5 1 (" Erlebnis und Dichnmg''); REED, Terence: " Erlebnislyrik und Gesellschaft. Zur Rernmg eines in Verruf geratenen Begriffs." In: KDn frollersrn, alft lind nlill. Akten des 7. Internationalen G ennanisten-Kongrcsses Göningen 1985. Bd. 1-11. Hrsg. von Albrecht Schöne. Tübingcn: Niemeyer 1986. ßd. 8, S. 56-65; GN ÜG, Hiltrud: Enl-
sfthung und Knie /yns(htr Suijt!eh·'ifiil. Vom IeIomsrhen !Jnsc!Jtn /eh ~r tnodl mtn Eifahnmgsuirk1ichluit. Sruttgart: Metzler 1983; CONRADY, Karl Orto: "Noch etwas über den Begriff Erlebnislyrik." In: Arrhitulura POttica. Festschrift fii.r J ohannes Rathofer. Hrsg. von Ulrich ErnSI und Bernhard Sowinski. Köln, Wien: Böhlau 1990, S. 359-370; FELDT, Michael: L;rik als Erltbnis/yrik. Zur Guchichu tinu LiftrafNT- und Menlalifäls!JPlIs i}J-iJthtn 1600 lind 1900. Heidelberg: Winter 1990; STENZEL, Jürgcn: ",Si vis me fI ere' , ,Musica iocosa mea'. Zwei poetologische Argumente in der deutschen Diskussion des 17. und 18. Jahrhunderts." In: DtNJsdlt Vitrll!johrmhrij l for LillraflfnJ r"ssenschoji Nnd Gtl"stu!prhirhlt 48 (1974), S. 6 50-671.
'"
Gocthes Bedeutung liegt in seiner Prägung des Begriffs des ,Erlebten' (erstmals 1809); der Begriff ,Erlebnis' fmdet sich bei ihm nicht, läßt sich 1814 erstmaJs hclegen, wurde jedoch erst in de n vierziger und fünfziger J ahren des 19. Jahrhundens populär. Vgl. SAUERLAND, Carol: "Zur Wo rt- und Entstehungsgeschichte d es Begriffes E rlebnis." In: COl/()I/"ia GmJlanica 6 (1972), S. 78- 101.
477
scheidende Wendepunkt im Schaffen des jungen Goethe interpretiert worden, als ,Ü berwindung' der noch rokoko haft bis anakreontisch anmutenden Kün Sflichkeit seiner früh eren Jugendlyrik. Goethe gelingt es hier, so Trunz, " un mittelbar zu sprechen", und tatsächlich besitzen diese Lieder eine evokarive Eindringlichkeit, der man sich bis heute schwer entziehen kann ~,E rwac h e Friederike. / Vertrei b' die Nacht" ; " Ich seh' dich schlummern, Sc höne"; "Es sc hlug mein Herz. Geschwind , zu Pferde!"; ,,0 Mädchen, Mädchen. / \Vie lieb' ich dich!'j.l56 Die Texte erscheinen anfanglieh in G estalt ,privater Dokumente" G oethe "schrieb seine Lieder und Verse nicht für Mirwelt und Nachwelt, sondern nur fur Friederike und sandte sie ihr von Straßburg nach Sesenheim". 1S7 Die Ausdrucks form des " Erlebnisgedichts [...] verbirgt" dabei die " Künstlichkeit" der Fabrikation,lss und in diesem Sinne ist das ,unmittelbare Sprechen
Gorn.m, Johann Wolfgang: IPtrkt. Hall/burger AHJgabt. Bd. 1-14. H rsg. von Erich T runz. ~'I ünch e n : Beck 1988. ßd. I, S. 27 -3 1.
1 ~1
So Trunz im Herausgeberkommenrar in GOETI-IE, Johann Wolfgang: IPerlet. J-fa!llbll~r AHJblbt. Bd. 1-14. Hrsg. von Erich T runz. München: Beck 1988. ßd. 1, S. 457. KA ISHR, Gerhard; Augenblide.t tltll!Jehtr Ly rik. Ctdirhlt /'011 Martill Lfithtr bil Paul Cr/all.
158
Frankfurt/ M.: Insel 1987, S. 134. I~
KAISER, Gcrhard; AU/fnblir!ce dtll!Jchtr lJrik. Ctmchtt
/1011
Mariin Lfifhtr biJ Pmd Ctlall.
Frankfurt/ r..t: Insel 1987, S. 138. 160
478
PU.CHTA, Bodo: ",Erwache, Friedericke.' Scscnheimer Srurm und Drang." In: Stllrm lind Drang. Grilliger AllJbruch 1770-1790 in! Spügtl drr U ltralilr. Hrsg. von ß . P. und Winfried Woesler. Tübingen: Niemeyer 1997, S. 135-149, hier S. 146.
Brions und die Charakterisierung der Personen, aber auch für das Ve rkleidungsmo civ (Goethe lernt in Dichtung ulld If/abrheil Friederike im Kleid eines ,armen Th eologiesrudenten' kennen , auch dies offenbar ,erfunden<1(1) und andere D erails. 162 In diesem Sinne erscheinen die Requisiten von ,Sese nheim' dem Leser in einer li terari schen ,Verdichtung', sie werden inszeniert als ,Lirerarur im Leben', und zwar vor allem dadurch , daß Goethe die GoldsmithLekrure selbst in den Text integriert, so daß Friederike als ,Inkarnation' der Heidin, Sophie, ersc heint: Sie ist so das lebendige Origillal des Romans, und Goethe selbst hat sie ,echt' geliebt. Goethe hatte Goldsmith s Text zwar ,tatsächlich' in seiner Straßburger Zeit, all erdings erSt lIach seiner Bekanntschaft mit Friederike gelesen. In Dicb/Jmg fmd tVllhrheil wurde diese jedoch dezidiert vordatiert. 163 Auf diese \'Veise wird die Lekrüre zu einer Präjigllratioll des ,tatsächlichen Erlebnisses', der Begegnung mit der originären Friederike, die dadurch schon im Nimbus der Literarur erglänzt. So erscheint Uteratllrals Afltii!pation l
'"
VgL LUClUS, Philipp Ferrunand: Fritdtrikt ßrion "on Stmn/Nil1J. Ge;chichJh(/N Miflbtilllllgtn. Straßburg: Heitz 1878, S. 49ff.
16.1
Vgl. u. a. ~·lJ~UJ;'R, Horst: "Literatur im Leben. Gocrhes Pfarrhaus in Scsenheim und G o ldsmiths Landpfarrer von Wakefield." I n: 5ti11l"'t, Figur. Kritik UNd Re;tillltioll ill dtr U ttratflru1JJtnJchaji. Hrsg. von Alcida Assmann und Ansc1m Haverkamp. Snmgart, Weimar: Metzler 1994 (= DVJl 68, Sonderhefr), S. 197· 230.
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Das kann vor allem aus Briefen Herders rekonsrruiert werden; vg!. PRICE, Lawrence Marsden: " Goldsmith, Sescnheim , and Goethe." In: Tbe Gmflanir fV,.irlil 4 (1929), S. 237-247.
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Vgl. zu diesem Srrukrunncrkmal BRACHT, Edgar: " Wakefield in Sesenheim. Zur Interpre tation des zehmen und elfren Buches von Gocthcs ,Aus meinem Leben. Dichnmg und Wahrheit.'" In: Euphorion 83 (1989), S. 26 1-280. hier S. 268
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BRANDT, Helmut: "Gocthes Sesenheim er Gedichte als lyrischer Neubeginn." In: GOftbe· Jab,vllcb 108 (199 1), S. 3 1-46, hier S. 31.
479
Es kann kaum ein reineres Verlangen geben, als das, mit dem ich auf Sese n ~ heim zueilte. Ein weibliches Wesen war es freilich, dem ich nachtrachrete, d es~ sen Bild über der ganzen Gegend schwebte und mich mir einem seltsamen Zauber umfing. Aber ein Wesen, das ich nie gesehen und an das mich kein Trieb sinnlichen Begehrens knüpfte: ein Bild meiner Phantasie, wie ich es aus der Jugendphanrasie des Dichters in mich aufgenonunen hatte, und dem ich durch Anschauung der Umgebungen, in welchen das holde Wesen geathmet und Glück verbreitet hatte, einige Consistenz und Grundlage zu geben im B e ~ griffe war.l 66
Wenn sich also die produ/eJioIJsiisfhefische Seite der Erlebnislyrik dadurch k e nn ~ zeichnet, daß sie Leben in Lied übersetzt. dann ist die rezeptionsiisfhetische Phase die eschatOlogische Umkehrung dieser Bewegung [V. 2]. dann verwandel t nämlich die IVallfahrt zum authentischen Ort des Gesc hehens das U ed zurück in Leben, so daß für Näke "aus aUem, was ich um mich sah. Friederiken's BiJd [...J klar mich anblickte" (29). Der G eniekuJt adaptiert dabei KuJtformen der Heiligenverehrung: "Schon äußerlich zeigt es sich, daß wir den Reliqiuen unserer großen Männer, ihren AutOgrairunen und Locken, ihren Federkielen und T abakdosen eine ähnliche Schätzung widerfahren lassen, wie die katholi sche Kirche den Gebeinen, Geräten und Gewändern der Heiligen"167. T atsächlich lassen sich Reliquiare und Religuienkult in der Dichterverehrung nachweisen.168 Ganz ähnlich sammeh Näke Reliquien: " Ich legte meinen kleinen Zweig aus dem \Xfäldchen I,Friederiken's Ruh1 in die Brieftasche, den Jasminzweig legte ich neben mich" (38). D as Gelingen der \X/aUfahrt äußert sich also im Phantas ma einer Vergcgenwärtib1Ung der im Lied besungenen Friederike, und dabei klingen auch Reminisze nzen an die Lieder selbst auf (hier ,Will kommen und Abschied): es war l...J nicht die wirkliche, es war die poetische Fritderike, Fn'tderike von ehemals, die Schöne und Jugendliche, zänlich und unschuldsvoll, höchstens in den Thrän en, die sie beim Abschied von dem Geliebten weinte, und von einer Ahnung dunkler bevorstehender Tage ernst gemacht, welche mir überall be ~ gegnete und mein Herz halb mir Entzücken, halb mit sanfter Rührung erfüll te . (50)
166
NAKE, August Ferdinand: Il7nf!fahrt nath Smnheim. I-I rsg. von Kar! August Varnhagcn \'on Ense. Bedin: Ouncker & Hwnblot 1840, S. 12.
161
ZU,SEL, Edgar: Die Gtnimligion. Ein !eriJiJthtr Vmuth über dal moderne PmönlirlJhilJldtal, mit riner hÜlon,uhrn ßrgriindung. Hrsg. von j o hann Ovo ak. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1990
J19 18J. S. 53.
!68
480
VgL NEUIMUS, Volker: "Zur Säkularisierung der Heiligenverehrung in der Goethezeit. " In: fVliquitn. Vmhrung lind Vtrlekirung. Hng. von Anton Lcgncr. Ausstellungskatalog Köln 1989, S. 166- 174; geradezu makaber sind im Nachhinein die Vorgänge wn das Wiede rfm den vo n Schillers Schädel in Weimar von 1826; vgl. ebd., S. 173.
Z ugleich wird Näkes WaUfamt aber auch zu einem typischen Dokument det paradoxen Suche nach dem ,Echten ', deren Befriedigung den Phanto m schmerz des Mangels des ,Echten' selbst immer zugleich miterzeugr: " Diese Siegeszeichen [die ,Reliquien;] von dem g lücklichen Tage in Sesenheim bei und neben mir, mein Herz ge theih zwische n befriedigtem Ve rlangen und imm er neuer Sehn sucht nach Sesenheim? so ging es fort" (38): Man nähen sich dem ,Echten', aber man besi tzt es rue. Näke hat G oethe im übrigen ein Amoskript seiner IVallfahrt noch 1822 zukommen lassen, und Goethe hat wenig später einen kurzen Text dazu verfaßt, den er "Wiederho lte Spiegelungen" überschrieb, und in dem er das Prinzip der wechselseitigen Durchdringung und Verstärkung von Biographie und Text thematisiert: In der Reihenfolge dieser ,Spiegelungen' erfo lgt zunächst die " unbewußt-eindrücklichrel" Abfassung der ursprünglich en Lieder durch den jungen Lyriker, dann die spätere " Erinnerung" in Dichtung ulld IVahrheit, durch die das Begeb nis " abermals abgespiegelt" wird; etst jetzt vennag der Rezipient .,an dieser Etscheinung, als wäre sie W' irklichkeit, sich entzücken", wo durch die Phase der \'\IaUfahn nach Sese nheim entsteht, als "Möglichkei t, ein \'\Iahrhaftes wiederherzustellen, aus Trümmern von D asein und Überlie ferung sich ein e zwei te Gege nwan zu verschaffen und Friederiken von ehlllals in ihrer ganzen Li ebenswürdigkeit zu lieben": O cr Rezipient ist jetzt nicht m ehr Leser, sondern rrin jetzt selbst in den StatuS von Friederikes Liebhaber, wodurc h zugleich "das Vergangene I...J zu ei nem höheren Leben" emporgesteigen wird. 169 I n diesem Sinne war Näkes IIl'allfahrt sicherlich ganz nach Goethes Geschmack. Das Gege nteil gilt für ein e erneute Nachricht aus Srraßburg, die ebenfalls den aufblühenden Kult um Sesen heim belegt. Denn am 26. Dezem ber 1825 schickt der Straßburger Schriftsteller und Al tertum sfo rscher C hristi an Moritz Engelhardt einen Brief an Goerhc. Engelhardt war "mit dem Aktuar Salzmann'\ dem Jugendfreund Goethes aus der Straßburger Zeit, "verwandt: sein Va tcr war ein Vetter des Hauptes d er berühmten Stürmer-und Dränger-TischgcseUschafr". 170 Durc h diese Verbindungen dütfte Engelhardt in den Besi tz von Original -Dokumenten aus dem Umfeld der Fried erj}.; enAff.1re gela ngt sein , über deren Fund er d en greisen Goethe wie folgt info r. mlert: E. E. halten in Dichtung und \'i/ahrheit da s Andenken an Straßburg mit Liebe fest [...]. Es stehen [...J zu meiner, des Unterzeichnetcn, Verfügung: mehrere von Ihnen selbst hcrrührende Reliquien Ihres Jugendaufenthaltes allhier, und Ihrer hiesigen Verbindungen, aus denen ich einen Blumenkranz zum unver-
16'1
Alle
Zitate aus GOETHE, Johann Wolfgang: IlYrrkr. H(llIIb"rgrr Ausg(lbt. Bd. 1- 14. I-I rsg. \'on
Erich T nlllz. il.tÜllc:hen: Beck 1988. ß d. 12, S. 322L 1-0
1\o(ATl.EN, Ra}'mond: G~fhr, Frirdrri/u "nd SmnlNim. Holzsdmilfe I,'on Hmri Bocher. Kehl e t al.: Momadr 1983. S. 292.
2. Auf}.
481
gänglichcn Band zwischen Gorthr und Straßbllrg zu winden gedenke 1...1. Diese Re liquien bestehen aus: E iner Reihe von 13 Brie fen Ihrer Hand, 12 an Salzma nn und einem an den H errn Demars, rheils aus Sesenheim, theils aus Frank furl, 177 1- 1774. l... 1 Diese Srucke. dabei so viel aus Dichrung und Wahrheit be igebracht a1s zur E rklärung erfo rderlich, und von den unentbeh rlichsten Lokalanmerk llngcn begleitet. wünsche ich um er d em Titel: Gortbts JlIgrnddrnhlltlle Zu Stmßbllrg, herauszugeben, wenn E. E. mich mit Ihrer Genehmigung d azu erfreuen woUtcn 1... 1. 171
Enge1hardrs Brief belegr den begin nenden Kulr um die .,Sesenheimer Lieder" aus dem Geist von Dichtung und lf7ahrheil, sowie das dorr entzünde re Interesse des Publikums an dem biographischen Kontext. Die Verehrung des Originals wird hier in der Sprache des K1t1ls vorgetragen, indem di e authentisc hen Überreste der Begegn ung als Reliqllim bezeichner werde n und Engelhardr - man erinnere sich an Young - Goethe ein Denhlltll serzen will. Viel interessanter ist die Reaktion Goethes, der sich erSt einmal mehr als vier \Voc hell um eine Antwo rr herumwinder und dann Engelhardt folgenden Brief zurücksendet:
1... 1Höchst wünschenswert ist mir l...], daß die schriftlichen, auf meinen Straßburger Aufenthalt bezüglichen Papiere in d en Händen eines (\'Iannes 1= Engelhardtlliegen, von dessen sittlic hen Gesinnungen mir 1... 1 zuverlässige i\'länner, be)' früh erem E rwähnen die sichersten Zeugnisse gegeben haben; d enn was die angezeigten Papiere betrifft, so kann ich zu deren Publicarion meine Einwilligung nich t geben, ja ich muß förmli ch ernstlich dagegen protes tieren. 1... 1Wie ic h meinen Aufe nthalt in Straßburg u nd der Umgegend d arzustellen gewußt, h:u allgemeinen ß e)'fall ge fun d en und ist diese Abt heilung, wie ich weiß, im merfort mit besonderer Vorliebe von sinnigen Le sern betrach le l worde n. D iese gute Wirkung muß aber durch einges treute unzusammenhängende \'(' irklichkeiten nothwendig gestö r! werden. Nun habe ich bisher l... l das höchsl w ünschenwerte Ereignis erlebt, daß m ir von mehreren Orten, auch unaufgefordert, Brie ffschaften und D enkblätte r mancher An eingereic h t worden, von denen ich denn in der Folge meiner Arbeiten und D arsteUlingen den schicklichsten Gebrauch zu machen im Fa1le bin. Indem ich Ew. Wohlgebo ren dieses \'ennelde, so zweifle ich nicht einen Augenblick Dieselben werden 1... 1die in Händen habenden Sch ri ft en mir einhändigen und dafür meines aufric htigen D ankes und A nerkennung gewiß sein. I...J \'(/eil d enn aber doch niemand zuzutnuthen ist, daß er sich eines werthen Besitzes entäußere ohne durch irgend erwas Erfreuliches d ie Lücke wieder ausgefullt zu sehen, so find e ich mich gerade in dem Fall Ihnen erwas anzubieten , wovon ich hoffen kann, es werde die gewünschte Wirkung hervorbringen. l...II72
'"
Dieser Brief ist meines Wissens in keiner einschlägigen Gocthe-Ausgabe zugänglich. Er findet sich abgedruckt in STOUER, August: Der A!eJllar Salznltlnn, GottIN! Frtllnd lind TiJehgtnom in Stnmbllrg. Eine lJbtnJS leiZi!. Fankfun: Völckcr 1855, S. 1t 5· 117. G OETHE, J ohann Wolfgang: IlI'rrkt. Hrsg. im Auftrag der Großherzogin Sophie von
Sachsen. \X' eimar: Bö hlau 1887ff. Abt. IV, Bd. 40, S. 285f.
482
Di e ausgeklügel te Diplomatie de s Briefs ist nichts anderes als die wortreiche Verbrämung einer BeJlechung. In einem zusätzlichen Blatt bierer Goethe Engelhardt im Gegenzug fü r die Dokumente, welc he er geheimhalren will, einen "wohlgeformten silbernen, inwendig verguldeten Becher" mit einer eingravierten Widmung,173 dessen Spuren sich alle rdings verlieren, da in einem späteren Brief Goerhes an Engelhardt vo m 22. April nur mehr davon rue Rede ist, daß dieser "Copien" der D okumente nach \'Veimar gesandt har, Goerne sich aber glücklich schätzen kann, rue " O riginalblätter so gut und sicher au fge ho ben zu wissen" .174 Welchen Ausgang die Angelegenheit immer genonunen hab en mag, allein die Intensität, mit welch er Goethe zusätzliche Veröffentlichungen der Korrespo ndenz mit allen Mil/eln zu unterbinden sucht, zeigt schlaglichtartig, daß da s seltsame Verschwinden der bein ah e gesamten Korrespondenz zu dem Edebniskomplex von Sesenheim kaum ein Zufall sein dürfte. 175 Auc h in anderen Kontexten (ef\va der vielbespö ttelten E helichung seiner Haushälterin) verwendet Goerne ein ho hes Maß an E nergie darauf, die Fäden der Üb erli eferung biographischer Informatione n über sein Leben selbst in der Hand zu halten, al so H err seines eigenen ö ffentlichen Bildes zu sein und seine Version der Geschichte durch zusetzen . Er " verhängt autOkratisc h Info nnatio nssperren", untersagt seinem Verleger Cotta di e Verbrei rung von Information en ohne Rücksprache mit ihm, lanciert selbst geziel t Nac hrich ten. 176 \'Vie wo hl kaum jemand vor illm durchschaut Goe the die Funktio nsweise moderner Öffentlichkeitsarbeit und kon struiert so über Jahrzehnte sein e Version einer Korrelatio n von Leben und IWerk , welc he ,allgemeinen Be},fall' find er und ,von sinnigen Lesern immerfo rt mit besondere r Vo rliebe betrachtet wo rden ist'. E s ist al so kaum verwunderlich, daß die emphati sche D eckung des IWerks durch rue O rigina!üär de r Subjektivität bei G oerhe bestens funk tioniert und sich eine idealisierte Biographie verbreitet. Schon in Hegel s V orlC1llllgen über die A sthetik (1832-45) ist Goerne in dieser Hin sicht geradez u exemplarisch : In dem ganzen Umkreis l)'rischer Gedichte stellt sich [... ] die Totalität eines Individuums in seiner poetischen inneren Bewegung nach dar. Denn der lyrische Dichter isr gedrungen, alles, was sich in seinem Gemüt und Bewußtsein !'l
Vgl. den kritischen Apparat in GOETH E, J o hann Wo lfgom g: IV/rkt. Hrsg. im Auftrag d er G roßher,w gin Sophie von Sach sen. Weimar: Bö h lau 1887 ff. Abt. IV, Bd. 40, S. 4 56ff.
F~
G OEnm, J o hann Wo lfgang: IPrrkt. H rsg. im Auftrag d er Großherzogin Sophie vo n Sachsen . Weimar: Bö hlau I 887ff. Abt. IV , Bd. 4 1, S. 15f.
PS
Vgl. [\-lEU.ER, Ho rs t: .. Literatur im Leben. G oeth es P farrhaus in Scsenheim und G o ld smith s Landpfarrcr VOll \Vakefield ." In: Stimmt, Figur. Kniik und Rutilution in drr l.iUmlumil· ftn!(bqfl. Hrsg. von Alcida Assmann und Ansc1m Hayerkamp. Snmgart, Weimar: Mcr.tler 1994 (= D VJI 68, Sonderhcft), S. 197-230, hie.r S. 200.
176
Vgl. L ANGE, Theoda r: Eu-igl/ur!Jlendr Slr,."e. 211m Dir!Jter/eu11 in litmmsdlln Unltmollun,glifilsrbrifltn der Gotthti!iI. Frankfurr/ M. CI al.: Lang 1993, S. 80.
483
poetisch gesrahet, im Liede auszusprechen. In dieser Rücksicht ist besonders Goethe zu erwähnen, der in der Mannigfahigkeit seines reichen Lebens sich immer dichtend verhielt. i17
An einer anderen Stelle heißt es, ebenfalls im Z usammenhang mit Goe thes Lyrik: ,,\Xlir erh alten [... ] hier nicht ein Symbol, dessen Bedeurung, wie früher, eine abstrakte Allge meinheit bleibt, sondern eine Äußerung, deren Inneres eben dieses subjektive, lebendige, wirkliche Gemüt selbst iSt."178 Hegel zufolge gewinnt die Übersetzbarkeit vo n O rginalwerk und O riginalgenie bei Goe the einen regelrech t silkramenlillen Charakter: Die Individualität ist das Innere und Eigentli che des dichteri schen Ausdrucks. Wie sehr das Konzept Dirhtllng und If/ilhrheit aufgeht, welches ja gerade in der (o ft geschichtskli tternden) Herstellung einer Konverge nz zwi schen einem Oiterarisien en) Leben und einem (expressiven) \'(Ierk besteht, zeigt das zunehmende I ntcrcsse der Rezipienten an Gocm es Biograph ie, was auch für die Sesenheim-Episode gil t. Ein Zeitgenosse berichte t von einer zunehmenden Beschä ftigung mit den " psychisc hen Individualitäten" sei t den vierziger Jahren des 19. Jahrh underts. "Selbst ein Brief von Friederike von Sesenheim wutde jerzt noch bekannt und versetzte ganz in die erste idyllische Periode des Dichters". 179 In ei ner Goem e\Xlürdigung von G usrav Fre}'tag, die 1849 zum hundertsten Geburtstag des Dichters in den Grenzbolen erscheint, heißt es: " Die größ te Dichtung, welche wir von ihm besitze n, fast die ein zige fertige und vollendete, ist sein eigenes Le ben. Er hilt sich sein g(IIlzes Leben selbst gedichlel, sein e Poesien sind nu r die erklärende n NOten dazu, seine Selbstbiographie ist ein e kurze Besc hreibung schö ner Stellen aus dem große n Roman."lSO Sc ho n 1867 ist Scscnheim berei ts so sehr Kultstätte geworden, daß man F riederike (in Meissenheim) einen Denkstein setzt (I nsc hrift: "Ein Strahl der Dichrersonne fieJ auf sie, / So reich daß er Unsterbli chkeit ihr lieh!'
H EGEL, Georg \X' ilhclm Friedrich: Il7trkt. Bd. 1- 10. Frankfun / lvI.: Suhrkamp 1970. Bd. 14, S.206.
11'J
CARUS, Carl G uSta\': ubrflstrinntnmgtn "nd Dtnh1lrdigluiftn. Nach der zweibändigen Originalausgabe von 1865/ 66 neu herausgegeben \'on Elmar Jansen. ßd. 1-2. Wei.mar: Kiepcnheuer 1966. Bd. 2, S. 143.
\110
Der Aufsatz (" Einige Bemerkungen über Gocthc zu, 28. August 1849") ist abgedruckt in FRE\TAG, Gusra\': VtrfNürhJe A".ftäJ~ ONl dm Jobrm 1848 bü 1894. Hrsg. von Ernst Elser. Leipzig: 1·lirsd 1901, S. 50-56, hie r S. 53.
'"
Abgedruckt in l\1ATZE..'1, Raymond: Gotfbt, Fn·rdtrilu "nd Smnhtinl. !-Ioli/dmiflt /t(}n !-Itnri Bo{,",. 2. Aun. Kehl er aL r...forsradr 1983, S. t 58.
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Herstell ung dieses Phantasmas wird durch die Rückkopplung von Lied und Leben erreicht: "Er [Goethe] hat eingezogen den Duft der holden Blume, des einsamen Haidcröslei ns. wie er's genanm, hat sich geftem seiner Unschuld und seine Liebe gesungen so frisch und fro h, wie nie mehr in seinem Leben. l... 1Aber das arme Rö slein? Es blieb gebrochen stehen auf der Haide seines ., ,,18'J...c b ens ,.... Die wohl drastischsten ,ProtOkolle' solcher Lekriircn. welche T exte durch den Rückgriff auf die Originalität des AutOrs auransicrcn, finden sich jedoch in ßetcina von Amims Goethes Briefivechsel ",;/ einelJl Kinde (1835), einem Text, der im übrigen zwar passagenwcise eine Fälschung ist, von den Zeitgeno ssen jedoch zunächst als ,eehe' rezipiert wurde. Wie dem auch sei, Bercina von Arnim setzt auch hier dem Original ein DenkJlJ(// (so jeweils der Untertitel der drei Teile), und immer wieder finden sich Beispiele der Faszination, welch e die Korrelierung von Goemes Werk und Leben im Rezeptionsprozeß auslöst, und die durch das Denklllal selbst ja nur zusätzliche Dynamik erhält. Eine Passage sei zitien, in der von einer Lektüre des IVi/he/", Meister die Rede ist. Bemerkenswert ist hier vor allem die dominante Stellung des Allion/(/IIIeJ/S, welche na htlos übergeht in das Pham asma der m)'stischen Präsenz des Autorgeistes: Wie ich aJlein war da schlug ich das Buch auf, da las ich Deinen Namen gedruckt, den sah ich an als wie dich selber. [... 1 da strömte mir eine von dir geschaffne \X'elf entgegen, [...[ da fühlt ich Deine Gegenwart, ich legte die Hand auf das Buch und es war mir in G edanken als stehe ich vor Dir und berühre deine Hand, es war immer so still und feierlich wenn ich allein mit dem Buch war, und nun gingen die Tage vorüber und ich blicb dir treu, ich hab' an nichts anderes mehr gedacht womit ich mir die Zeit ausfüllen solle.1tI3
AJ s ,LektüreprorokoU' dokumentien die Passage den E ndpunkt der gesc hilderten Umwertung der Alltoifimktion. Et st jetzt ist da s Interesse am Autornafl,en die dOlllinante G röße im Rezeptionsprozeß, erst jet".lt verbiirgt der Autorname die Authentizität des Kun stwerks. Das lP'erk verdankt seine Existenz nicht mehr de m Ein-Fluß der Tradition, es ist vielme hr unmittelbarer Aus-Fluß des ursprünglichen Autor-Geists. "Wir sind über alle Maßen JIIggestionsbediitjiig. denn das Persönlichkeitserlebnis, das wir suchen, ist nichts anderes als die Suggestion."184 Von nun an erstrahlt das echte Ongina/im Licht des Autors, und die ,richtige Lektüre' des Originalwerks gewährt jetzt die mystische Gegenwart des Originalgenies. Vgl. G ESSLER, Friedrich (Hrsg.): Frirdrrih n-Albllm. Lirdrrgaben drll/J(hrr Dich/rr lind Did,It-
n·nnen. Lahr. G eiger 1867, erS1 S. 2, dann S. 7. 183
ARNIM, Betrina von: 1t7~rh. Bd. 1A. Hrsg. von \'(falter SchmitZ und Sibylle von Steinsdo rff. Frankfurt/ M.: Deutscher Klassiker Verlag 1992. Bd. 2, S. S. 5 18f. Z ILSEI.., Edgar: Die Cenirrthlion. Ein leritücher Vmllch iibtr dI1J moderne Pmiinlifhhil5ideal, mit
riner bis/orilchen Brgriindung. Hrsg. vo n J o hann D\'o ak. 11 9181, S. 133.
Frankfurt / ~L
Suhrkamp 1990
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3. Ausblick (Bzg Brotb.r / Michael Jacksoll) Das Authenti sche definiert im Feld der bloß gemachten oder gar gemischte n Zeichen das diese überschreitende ,Echtc'. Seit der Antike qualifizierr sich das A rheiropoiefos, das ,nichr-von-Menschenhand -gemachre' gegenüber Fälschungen und Scharlatanen - von den angeblich von Gon selb st srammenden Mosaischen Gesetzesta feln über ,gefundene Manuskripte' bis hin zu der Flut von ,wahren Geschichten' , Das ändert sich erst, als einerseits ,fiktio nale'. also unleugbar ,gemachte' Tex te in Massen herges tellt werden, und andererseits frei schaffende Künstler auftreten, die gerade den Aspeh des Sc höpferisc hen beronen. Die Erfindung des Origina!J bietet hier die Möglichkeit ein er Ko mpensatio n: Selbst kün stlich hergestellte Werke lassen sich dennoch aJ s (JI(lhenlisch rezipieren, indem man sie in der echten Sub jekti vität des genialen Sc höpfers verankert. In diesem Sinne ist das O riginal, welc hes durch die Signatur des großen Autornamens das \'\Ierk versiegel t, eine Authentizität zweiter O rdnung, welche ih rerseits bereits die Antwort auf eine Krise der Auth entizität darstellt. Beide Ausp rägunge n der Authentizität - die wahre, unverf.'iJschte Geschichte, oder das ge mach te O riginal - kö nnen ein ander überlagern, ineinander übergehen, mitei nander verschwimmen, um au f immer neue \'\Ieise da s " Phantom des Authenti sc hcn"'8; zu erzeugen. Schlegels LJlcillde ('1 799), aJ s Skandalroman mi t autobiographischer Lesbark eit mögli cherweise der erfolgreic hste deutsc he romantische Ro man, wurde sicherUch von den einen als ,authentischer' Liebesrepo rr, von den ande ren dagege n bereits als ,Kun sl-O rigi nal' gelesen, und dassel be gilt sel bstversrändhch fü r Goerhes IY/erlher. Im 19. Jahrhundert koexistieren beide Ausprägungen, wobei das Original te ndenzieU der ,ho hen', die ,wahre Geschichte' eher de r ,populären Kunst' zuzurechnen ist. Das kann man sich schön an der Parallelü ät von Photographie und Gemälde klarrn achen. Das 19. Jahrh undert fasziniert sich einerseits an der Photographje al s Acheiropoielos, denn die Suggestion ist ja, daß die Bilder durch das Li cht selbst entstehen, daß sich der Gegensmnd selbst auf der SiJ berplarte einzeichnet, daß die ,Na mr' sich selbst malt, ohne daß es d azu eine s Hinzutu ns des Kün stlers bedürfen würde. D er Titel, mit dem TaJbot, ein rvUterfinder de r Daguerreotypie, sein frühes Buch über Ph otographie überschdeb, is t programmatisch: The Penal of Na/un. Auf den erSten Seiten wird immer wieder die acheiropo ieti sche Q ualität der Photographie betont. Das " PhotOgenic Drawing" stell t Bilder "withour an )' aid wharever from the artists penciJ" her:
ISS
SOINEIDER. Manfred: Litbt lind Brlnlg. Die Sprarbrn du Verlangens. München: drv 1994,
S. 1Of.
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[he plates of [his work havc been obtaincd by the mcrc action o f Light upon sensitive paper. T bc}' have bccn formed o r depicted by optical and chemical means alone, and wirhour rhe aid of an}' o ne acquaintcd wich the art o f clrawing. [... [ Thc}' are imprcssecl by Narurc's hancl [... j. l86
D ie Phorographie ist also im kJassischen Sinne auth entisch, weil sie als Acheiropo ieros echte, historische, wahre Dokumente herstell t (etwa Erinnerungspo rträts), sie ist tatsächlich die moderne Variante des mzgelllallen Bildes. Daraus fo lgt ganz selbstverständlich, daß es für die breite Masse der phOtographi sch hergestell ten Bilder keines emphatischen Begriffs des Kün stlers bedarf: Die Au thentizität der Photographie wird ja gerade dadurch verbürgt, daß sie ,n.icht herges tellt' ist, als Acheiropoieros bedarf sie gar keiner Legi timation d urch Rekurs auf die Sub jekti vität eines ,Originalgenies'. Dagegen ko nstituiert sich die Authentizität von O riginal-Kunstwerken wie etwa Gemälden auf einer ganz anderen Ebene. Hier dominiert im 19. Jahrhunden die kultische Verehrung des O riginalgenies, welche in Fonn von "Selbstbildnissen, Atelierbildern, Bilder von KünstierversammJungen, Galeriebildern , Hisrorienbildern mit Themen der Kunstgeschichte, in Denkmälern, Bauplastik, Dekorationsmalerei und lllustrationen« schillernde Blüten treibe lS7 In di esem Komext gehr auch das Wort ,Ho mmage' als " Huldigung" an die Subjektivität des genialen Mensch in die deutsche Sprache ein. 11I8 Der Te ndenz nach läßt sich d iese Zweiteilung auch in der Literarur beobachten. Authentizität ist dorr enllllcdere rl ebbar in Form der andächtigen Rezeptio n li terari scher Onginalc, wa s sich nic ht zuletz t in dem ausufernden Dichterkult des 19. J ahrh underts niedersc hlägrI8'.\ oder aber in de r Echtheit der ,wah ren Geschichte'. Diese beiden Möglichkeiten koexistieren bis heute: Bett)' Mahmoodys ,wahres Frauenschicksal' Nichl ohne meine Tochler (1987)190 ist ein Besrseller aufgnmd seiner Authentizität l91 (dasselbe gilt etwa fur die Le\vinskyT AIßOT, \\?ilhelm Henry Fox: Tht PrnrilojNu"'". Ncw York: D a Capo 1969, o. S.
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G OHR, Sicgfried: Dtr lVIII des KünSllm lind der Kunst il1l 19. Jahrhllndt rt. 211111 l3i1tJ!JP dtr I-Iol1ll1lagt. Köln, Wicn: ß öhlau 1975, S. I. E bd., S. 6. Vgl. RAL\ BE, Pau!: " Lorbecrkranz und Denkmal. Wandlungcn der Dicluerhuldigung." In: FesürlmJt fi r Clolis 2itgltr. H rsg. von Eckchardt Catho l)' und Win fcied Ellmann. T übingen: N iemc)'cr 1968, S. 41 1-426. Ocr T itel ist etwa in D eutsch land als T eil ciner Reihe alllhmliHhtr Berich le mit dem T itel Erfalmmgtn erschien en; cntsprechend d ramatisiert auch dcr Untcrtitel dcn Text als ,wahrc Gcschichte': M.i\I·IMOOD Y, Ben)': Nitbl ahnt l1Ieine Torb/tr. 13,I!J Mahl1l00dy, t'On ihrrl1l /NrsisdJtn
ElJtl1lonn in Tthtran jeslgthalltn, hällt ßithtn kiinnt n, ihn Tod)/tr alNr soillt sit i!'riide.lasun ... ßergisch Gladbach: Lübbc 1989.
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Der Text wurd e ein gigantischer Aufl agenerfolg olljgnmd der beh au ptcten Authentizität der D arstellung. Intcressantcrweise wurde de r T exl über wcite Passagen von einem Ghostwriter bzw. ,Co-Autor', W illiam Hoffer, geschricben. D aher figuricrt die Signatur Mahl1,oo4J ebcn als Bii~t und nicht im emphatischen Sinn e als Alllor. Vgl. H EIMBACH, Marfa: " E in Sachbuch o hne Sach kennmis." In: Btl!] A·lfJhl1J()()(!J o,g dtr Spllr. Eint AlistinondmtliJlng 111;1 f!t11l Bllth ,Nirh/ohnt ",eint Tot/1Ur'. Hrsg. \' o n Girti Baum. Köln: ßokai 199 1, S. 13-30, hier
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StOry [111 . 8]), die er jedoch auf ein er völlig anderen E bene erzeugt als ei n Ro man von Max Frisch. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Funktio n des Autors: Die Signa tur ,Betty Mahmoody' zählt vor allem in der Fun ktion des Bürge n, die Signatur ,Max Frisch' ist dagege n in einem emphatischen Sinne die Verankerung eines ,\Xlerk s' in de r ,Subjekti virä t' eines individuellen ,Schöpfers': "Schreiben heißt: sich sel ber lese n" '92, schreibt Fri sch, au sgerechnet in seinem literari schen Tagebuch 1946- 1949, welches seirdem als Schablo ne der Deurung seiner fiktio nalen Texte figuriert. Z ugleich is t diese Konkurrenz zwischen den populären ,wahren Geschic hten' und den authentischen O riginalen der Literatur durchaus Ausgangspunkt polemischer Auseinandersetzung, zumal vor dem Hintergrund der modernistischen Erkenmniskri tik. Frisc h stellt in Mein Name sei Gltn/enbein stellvertretend eine authentizitärssüchtige Manik üredame vor: Camilla H uber ist unbezahlbar: sie glaubt an wahre G eschichten, sie ist wild auf wahre G eschich[cn, es fesselt sic alles, wovon sie glaub t, daß es geschehen sei, und sei's noch so belanglos, was ic h während der Manicure erzähle: - aber geschehen muß es sein. C amilla ist enuäuscht, als sei es deshalb keine wahre Geschichte, und scheint sich zu fragen, wozu ich es denn erzähle. "Ich kann es mir vorstellen." Das ist das Wahre an der Gcschichte. 193
Beide Ausprägunge n des Authenti schen schreiben sich bis in die heutige Zei t fo n . Die Ko minuüät des Au thentischen läßt sic h an Fällen von Fälschungen aufzeigen, welche erneut auf beso nders pointierte Weise zeigen, auf welche Phamas men es den Rezipienten anko mm t. Der pro minenteste Fall ist wo hl die Veröffe ntlic hung der ,echten' Hitler-Tagebücher d urch den S/em am 28. April 1983. T atsächlich verläuft die dortige Herausgeber-Fik tion exakt parallel zu den bislang erst bd Dictys, dann bei Wolfram nachgewiesenen Linien [VI. 1]. Scho n der Anspruch ist derselbe - wie ,D ictys' (über Jahrhun derte hinweg erfolgreich) reklamierte, erstmalig die ,wahre Geschichte' des trojanischen Krieges zu liefe rn, behaupte t auch der Stern: " Die Geschichte des Dritten Reiches wird in großen T eilen neu geschrieben werden m üssen.,,19ol Selbstverständlich sind die Tagebücher ein A cheiropoie/os, das heißt, der Stern hat sie nicht ,selbst gemacht', die Überschri ft des EditOrials lautet " Der Fund. " Dann entfaltet sich in aller Breite das T opos des ,ge fundenen Manuskripts ', der Hauptartikel ist überschrieben: ,,\'Vie Sternrepo n er Ge rd Heidemann die Tagebücher fa nd" . In den letzten T agen des Krieges, so geht di e S. 16f.; vgl. zur Vermarkrung auch SOIULZ, Bcrndt: Die BtI!J Muhmoo4J Story. ,Nicht ohne
19}
mtine Tocbttr'. DO$ BUlh, du Fil"" dit Frau. Bergisch-Gladbach: Baslci-Lübbe 199 1. FRISCB, Max: Tugtbud, 1946-1949. Fran kfurt / M.: Suhrkamp 1985, S. 19. FRJSCI.I, Max: M tin Name u i Gon/tnlNin. Fran kfun / l\l : Suhrkam p 1975, S. 103, S. 106.
1!Jo'
Stern Mogor/II 18 (1983), S. 20 (anonym; im Folgenden im Flicßtext zitiert).
1'2
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Geschichte, hätten " Maschinen der Führer-Flugsmffel 1"...] Menschen und Material von ß erlin nach Salzburg und München transpo rtiert - als Vorausko mmando für den geplanten Um zug des Führers auf den O bersalzberg bei ß erchtesgaden. Eines der ze hn eingesetzten Flugzeuge [.. .J sei damals spurlos ve rschwunden. Mit geheimen Akten Adolf Hirlers." (37 P/ Q) Als QueUenbeleg wird aus der authentischen Autobiographie eines der Piloten zitiert: mAi s ich Hitler Meldung machte, war er sehr erregt, denn ausgerechnet in dieser Maschine war einer seiner Diener (Arndt) mitge flogen [...J. Hitler: ,Ich habe ihm außerordentlich wichtige Akten und Papiere anvertraut, die der Nachwelt Z eugnis von meinen Handlungen ablegen so lhen!"" (37R). Ausgehend von diesen Informatio nen beginnt Gerd Heidemann seine Suche im Gebiet der damaligen DDR, jenseits des ,Eisernen Vorhangs', also in einem mysteriös entlegenen Terrain (bei Dicrys ein G rab bei Knossos; bei \X1o lfram T oledo sowie die jüdisch-arabische Herkunft der Geschich te). "Stück für Stück rekonstruiert Heidemann den letzten Flug der verscho Uenen J u 352" (37S). Augenzeuge n in Börnersdorf berichten ihm von dem Absturz und der UnfallsteIle der Maschine am ,Heidenholz', auch die UnfaUsteUe sowie die Gräber[!] der abgestürzten Piloten werden aufgespürt - die T agebücher sind also wie scho n die uralten, acheiropo ierischen Kultbilder vom Himmel gefallen. Auf der Suche nach dem Frachtgut der Maschine erhäl t Heidemann einen ,Hinweis': "Von einer Metallkiste IDictys!J ist die Rede, in der vi ele KJadden gelegen hätten, mi t der Aufschri ft ,Eigentum des Führers', o ffenbar irgendweiche Noti zbücher." (37\'<') Diese Kiste kann Heidemann dann ausfi ndig machen, bei dem " Fund " handel t es sich um die T agebücher, " Hitlers gehcunste Dokumente" (37W). Selbstverständlich wird dann eine um fassende Ec htheitsbeteuerung abgespult, in der von den Authcnci fizierungen durch ,Experren' berichtet wird bei Dictys waren das die des Phönizischen kundigen Philologen des Ne ro, hier sind es HistOriker, Schriftsachverständige, G utachter. Ich zitiere nut die Z usammenfass ung aus dem Edi tOrial Der ST ERt' l hat mir großer SorgfaIr die T agebücher prüfen lassen - ein Aufwand, der in der H.istorikerzunft nichr immer üblich ist. Schriftsachverständige und Zeitgeschichclcr machten sich über die D okumenre her. Ihr Urteil ist so einstimmig wie eindeutig. Nach Menschenennessen kann kein Zwei fel an der Echtheit bes lehen. Stellvertretcnd für sie alle sei hier das Urteil des englischen Hitler-Experten lind Histo rikers Tre"or Ra per, heute Lo rd Dacre, wiedergegebe n: Er sei voller Skepsis angereist, um die Do kumenre zu p rü fen. N un aber sci er hundertprozentig von ihrer Echtheit überzeugt. (4f.)
Faszinierend ist auch die weitergehende lnszenienmg der Authentizität durch die Interaktio n von Wort und (dokumentarischem) Bild. Über insgesamt 28 Seiten werden T exte mit ,authentischen Fotos' wirkungsvoU verklammert. Schon das Editorial zeigte ein Foto des schreibenden Hitler, darunter die Bild-
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umerschrift: "Was bislang niemand wußte: Adolf Hitl er fühne von 1932 bis zu seinem Tode 1945 T agebuch" (5). D er Bildrepo n beginnt mir einem riesigen Close-U p eines Tagebuch-Einband s mit einem darauf liegenden Siegel, auf der nächsten D oppelseite ist eine Nahaufnahme von Hitler abgebilde t, det T ex t lautet: " Tagebuch -No tiz vom 1. September 1943: ,In diesen Büche rn habe ich ... meine eigenen Gedanken niedetgelegt, so daß ich mir in späteret Zeit ein genaues Bild ... mach en kann. Die große Abrechnung kommt gleich ... nach dem Kriege'" (23); auf der rechten Seite ist dabei eine riesige, authentische Unterschrift Hitlets eingeblendet. So geht es dann immer weiter: E in FOto von einem ahen Flugzeug suggeriert, es handele sich dabei um die ,echte J u 352' vor ihrem Absturz; Fotos dokumentieren die ,echten ' Gräber der verunglückten Soldaten in Bö m ersdorf; dann fo lgen vor allem parallel montiene Originalfotos von historischen Begebe nheiten und der entsprec henden Passage aus den Tagebüchern, beglaubigt durch eine Faksimile-Reproduktion des Autoskripts. Schon eine komisc he Note erhält das Foto eines Sc hreibti sches, angeblich aus einem Quartier Hitlers in der Eife!, in dessen Hintergrund auf einem Regal ein paar nicht identifizierbare Kladd en liegen, auf die ein großer Pfeil weist; in der Bildunterschrift heißt es: "Sein Tagebuch war immer dabei (Pfeil)" (37 M). Die Herausgeberfiktio n erfolgt also nac h exakt denselben Prinzipien, die etwa sc hon den aufsehenerregenden ,Fund ' der ,wahren Gesc hichte des Trojanischen Kri eges' in der Spätantike o rbranisien hatten ; die Übereinstimmungen, die ja bis in Details ge hen (,Eise nki ste'), beweisen auf eindrückJk hc An, wie tief solch e Mec hanismen der Authentifizierung im kulturellen Gedächtnis, zumindest ,unterbewußt', verankert sind - denn wede r die Stern-Reporter noch der Fälsc her Kujau dürften die Inszenierung des ,fund s' auf der Basis von philologisc hen Kenntni ssen durchge führt haben. Ganz typisch ist ebe nfa ll s, daß die einsetzende Skep sis an der Echthe.it der T agebücher durch Echtheitskritik an der gegneri schen Positio n zurückgespielt wird - das EditOrial der Folgcnumme r trägt den Titel " Die Fälscher", darin heißt es: "Für die Fälscher der Geschichtssc hreibung ist Angriff auf den S/em die bes te Vcrteidigung.'
19S
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Sllrn MagPiln 19 (1983), S. 4.
" Ich bin Jenseitsforscherin und kenne mich im Jenseits aus wie in meiner eigenen \'V'ohnung. Ich spreche täglich mit den Jenseitigen, so wie auch sehr oft mit Adolf Hicler und las ihm heute frü h [... ] den [...] Artikel vor und Hicler bestätigte mir soforr die Echtheit der Kladden."I96 Wenn man aber (auch im Hinblick auf die Ergebnisse Speyers) einmal von allen Mineln der ,theologischen Authentifizierung< absieht, dann leuchtet sofort ein, daß sämtliche verbleibenden, aus der Antike tradierten Mille! der Authentifizierung bis heute uneingeschränkt den Rea!i(y EjJect in Journalismus und Geschichtsschreibung erzeugen. Geändert hat sich allenfall s, daß sich die Möglichkeiten kritischer Überprüfung und Verifizierung verbessert haben. TrOtz alledem sind solche Fälschungen bis heute keine Seltenheit. Ein neueres Beispiel wäre der Text Bmchsliicke. AllS einer Kindhei/ (1939-1949), dessen ,Autor' Binjamin \'\Iilkomirski dorr seine traumatischen Kindheitserlebnisse im Holocaust beschreibt. Auch dieser Text verfügt selbstverständlich über empha tische Authentifizicrungs-Bemühungen: Dic juristisch beglaubigte Wahrheit ist eine Sache, die eines Lebens eine andere. Jahrelange Forschungsarbeit, viele Reisen zurück an die vcnnuteten Orte des Geschehens und unzählige Gespräche mit Spezialisten und Historikern haben mir gehol fen, manchen unerklärlichen Erinncrungsfetzcn zu deuten, O rte und t\'lenschen zu identifizieren (... 1. 197
Der Haken an der Angelegenheit ist jedoch, daß Binjamin Wil komirski offenbar mtsächlich ßruno Doesseker heißt und in der Schwei z aufgewach sen ist l ?8 (was diese r allerdings bis heute als ,Vcrschwörungstheorie' zurückweist) . Umso ko nsequenter han e er di e Authentiz ität des angeblich autObiographischen Texts inszeniert: Er zeigte sich auf öffentlichen Veranstalrungen als sriller. labiler Mann, der leicht in Tränen ausbrach, und der die Rückgewinnung seiner Erinnerung öffendic h als therapcutischen Erfolg sichtbar werden ließ - beispielsweise auf einer filmisch dokumentierTcn Reise nach Warschau. während derer er sich beim Anblick der Straßen und Häuser "cnncindich an dic Orte sciner Kindhcit erinnern konnte. l99
".
Zitiert in KOCH, Pctcr-Ferdinand: Drr Film/. Die S/eonda/t du Sttm. Cml Htid'!1ItJnn lind dit Hit/,r-TtJgtbiirher. Hamburg: Facta 1990, S. 463. WIJ.KOMIRSKI, Bin jamin: BmrhJtiidu. AIIJ eintr Kim'heil (19)9.1948). rrankfurt /~L discher Verlag 1995, S. 143.
Jü-
V gl. ~oL\CHLER, Stcfan: Der Foll ll7i1/eominlei. Übn- die 1iYahrhtil ,intr Biographie. Zürich Ct al.: Pendo 2000; GANZFRIED, D anicl und Sebastian HEFT! (J-Irsg.): ... o/ioJ IVi/IeO!1linlei. Die H%COIul-TrotYJtie. Enthüllung lind Do/eH!1ItIIlflfion "n(1 liJtrmiJchen S/eondolJ. Bcrlin: JüdischeVerlags-Anstah 2002. SCHAFF, Barbara: " Ocr Autor als Simulam authentischcr E rfahrung. Vier FalIbcispieic fmgiertcr Autorschaft." In: AJlfonchajt. PoJitionen lind RLtiJionen. DFG -Symposion 2001. Hrsg. \'o n Hcinrich Dcrcring. Snmgart: Metzlcr 2002, S. 426-443, hier S. 435.
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Das Beispiel Wilkomirski ist einerseits ein Betrug Guristische Schritte wurden immerhin erwogen) 200, ragt jedoch bereits in die ,ästhetische Authentizitä t' hinein, und tatsächlich läßt sich dasselbe Strickmuster auch für die Ve rank erung von Kunstwerken in der Subjektivi tät des Schöpfe rs nachweisen. D abei liefern die Fälschungen dem Publikum dann genau das AI/lor-Markenzeichen, welches das Artefakt mit der passe nden Aura authenti fiz iert. So ko nnte die australische Malerin Elizabeth Durack in den Neunziger Jahren erfo lgreich Gemälde vermarkten , indem sie diese als \'V'erke eines erfundenen Abo rigineKünstlers name ns Eddie Burrup ausgab. D urack demaskierte sich schließlich selbst. Eine ähnlich erheiternde Geschichte liefert der Schriftsteller Bodo Kirchhoff. Sein Thea terstück Mach nicht den Tag ~,r f\lach/ spielt im Kräftefeld von Gewalt und Gesc Wec hdichkeit, er konnte es unter seinem eigenen Namen in keinem Verlag unterbringen. Als er den selben Tex t als Schöpfung einer fingierten weiblichen AutOrin namens Odette Hauss mann, einer angeblich in " psychiatrischer Behandlung" stehenden Dramacikerin, ausgibt, wird der T ext sogleich prämi.iert. 201 I n diesem Sinne gil t, daß die ,wahren Geschichten ' und ,KunstOriginalc' nach wie vor nach bewährtem Muster erfo lgreich sind. Dennoch muß die Frage nach dem aktuellen Stell enwert der Authentizität über eine Diagnose dcr Kontinuität hinausgehe n. Tatsächlich ist rue Suche nach dem Echtcn zu ei nem dominanten Fak ror der Leben sweJr geworden. Miles Orvell führt diese Entwicklung auf die bereits während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts cx pl osionsanig zunehmende serieHe, industrielle Produktion zurück. Das mac ht sich etwa in der zune hmenden Aussra ffierung scho n des Vik to ri anisc hen \'V'ohnraums mir masse nhaft vervielfaltigren Bildreproduktionen und Attrappen bemerkbar; das Phäno men umfaßr andererseits die Legionen von immer gleich hergestellten Massenwaren im Kielwasser der industriellen Revolution. Aus diesen Dispositionen e rwächsr die immer größere Bedeutung, welche das 20. Jahrhundert der Authentizität beimißt, The Real Thillg, als welches sich seit langer Zeit etwa die Marke Coca Cola positioniert:
VgL ANG ELE, r-,'lichael: " D ie unheimliche Macht von Fiktio nen." In: FAZ 196, 8. S. 2002, Berliner Seiten S. 3; LOVENBERG, Felicitas \'on: " Egoroman. D ichtung und Wahrheit: Sind Auto biographien literatur?" 1n: FAZ 193, 21. 8. 2003, S. 31. Beide Beispidc nach SCHAFF, Barbara: " D er AutOr als Simulant authentischer Erfahrung. Vier Fallbeispide fingierter Autorschaft." In: AulOf"J(hojl. Posih'ontn lind Rr,.i sionrn. D FG Symposio n 200 1. H rsg. von Heinrich Detering. Stungart: Mctzlcr 2002, S. 426-443, hier S. 440 und 442. D ie Beispid e belegen zugleich, daß das Diktum vorn ,Tod des Amors' zwas mcthodo logisch fruch tbar war, daß der ,Autor' jedoch nach wie vor in viden Rezep tionsprozessen eine zentrale Rolle spielt, die man aber jetzt btob(lchlt" kann (und sollre!); "gI. auch D ETER.J NG, Heinrich: " Fälschung und Piktio n. Zur Dialektik der Gegenaufklärung." In: Mtr/eNr 52 (1998), S. 105-11 5. Z ugleieh sei angeme rkt, daß sich tatsächlich jedoch allmählich Subktllrurcn (wie etwa die T echno-Szene) bilden, welche den VerLieht auf den Autor immerhin erpro ben.
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Coca Cola's famo us ad campaign of the late 1960ies and 1970ies - ,,!t's the Real Thing" - had an ear ~er wide visibility in a campaign in the earl)' 1940s; but the c'Oncepr itsclf gocs back at least 1'0 1908, when the ad c'Op)' urged the c'Onsumer, ..Ger the genuine." Scanning the ads 'O f rne earl)' decades 'O f the ccntury, 'One repcaredly cnc'Ounters produos [hat offcr themsclves as somc more intensivc expcricncc 'Of Ihemsclvcs, a morc cmphatic, more ,rcal ' version 'Of (heir virrues: cigars imporred [rom Cuba arc " real cigars": "The DurhamDuplex is areal razor"; Faultlcss Pajamas will givc y'Ou "real sleep"; [he WcI~ngtOn Pipe 'Offcrs .. a good smo ke with a real pipe"; Kaffe Hag coffcc is "N'Ot a subsorurc - bot &01CoJfie that lets y'Ou slccp"; C ~cqu or Club is "A reaUy dry G ingcr Alc"; Flcischmann's Gin is "The Real Amcrican 'tixer"; Hires has .. real Roor Juices"; Vcnn'On! Maid is ..Syrup wim [hat real Maple Sugar Flavor.'<201
Tarsäc hlich vollzieht sich die Geburt der A1arke im Ko nrext eines Meers von Serien produktionen. Erst die Massenware erzeugt die Suche nach dem echten Gut, erst die unendliche Vervielfaltigung der Attrappen ruft das Bege hren nach Original ware hervo r. Die Suche nach dem ,Echten' wird aber nicht nur im Konsumverhalten eine steuernde Größe, sie wird im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer mehr zu einer existentiellen Aufgnbe.203 So ..."ird etwa die Phänmypie des kün stleri schen Außenseiters, die vor allem seit der Ro mantik Künstler zur kreativen Selbstinszenierung in anti-bürgerlicher Kosrumierung geführt harre, während des 20. Jahrhunderts immer weiter dCl11o ti sien. Jugendbewegungcn werdcn immer neue ,authentische' Ou tfits in dezidierter Abscl'zung zur bürgerlich en Norm lu:rsrcUen (bis hin zur J/rtel-Crtdibiliry von Gcrro-R.1ppern), und es wird zunehmend auch Aufgabe dcr Mode (und o fl ihrer Original-Markenzeichen), Individualität durch dcn Kontrast zur Masscnware (iro ni scherwcise: als Ma ssenware) herzustell en. Aus ganz ähnlichen Motiven erklärt sich auch der E,'YJl;sllle des Reiserourismus in dcn letzten Jahrzehntcn, der Mcnschen dazu rreibt, das empfundene Authentizid[sdefizit ihrer Lcbenswelt in der Fremde auszugleichen, wo man dann endlich in das ,echte Erlebnis', die ,wahre Ursprünglichkeit' einzudringen vermeint (ein Unterfangen, welches sich einem Beobachter zweiter Ordnung eher als ein Abspulen von medial codiertcn Rczeptionsweisen darstellt, denn das ideale Reiscerlebnis bestellt ja ironischerwcise darin ,
Ü RVELL.
Miles: Tbt Rrol Thing. JII,iI(ltion and Alllhtntin'!J in AlIltdron Cllllllfr (1880- 1940).
Chapcl Hili, London: Thc Uni"crsit)' o f ''O nh Carolina Press 1989, S. 144. Vgl. "or allem zwn Kontex t der Warenwelr HOR..X, Marthias: Mtgalrtnds fl;r die späten "tlllI~!!r }o}m. München, Düsscldorf: Econ 1988, S. 130- 157. ctwa S. 135: ",Authentisch' bedeutct im ,SubtexI': ,Wir leben in einer Weil, in der immer mchr Mcnschcn ,,'On sich behauptcn, Indiddualislcn zu sein. Aber allc außer mir sind eigcntlich nur fcrngcslcuen und cben ktint Indi"idualisten. Ich aber bin ein trhltr Individualist.' Im Uni"crswn dcr Markcting- Prozesse steckl in Alllhtntif die wichrigsle Warenqua~tät des Ve.nnarknmgs. prozesscs der ZukWlfl: die Komponente ,Glaubwürdigkeit'."
493
daß sich der Urwald so tlbl ,wie in einem Film' darsteUt).204 Vor diesem Hintergrund etklärt sich die cno nn hohe Bedeurung der Authentizi tät als Erfolgs faktor in der heutigen Meruenlandschafr. Ein Beispiel ru r die geradezu manische zeitgenö ssische Sucht am ,Echten' ist das neue Genre des RellliQr-T (/205: In dem "realen Charakter der Ereignisse scheint die Faszination für den Z uschauer begründet zu liegen.":!06 Beeindruckend ist schon die Vielzahl der mittlerweil e ausgestrahlten Fonnate '' · " ' " \ ' erzcl·1l nur . " • " Sc holm g " . " A ugenzcu" ocru f '."V cmu·ßt. " I'Ouzclreport gcn Video", .. Birre melde D ich ", .. SK- 15", .. Kripo live" , ..0139", " Auf Leben und Tod" und andere m ehr - eine im d eutsch sprachigen Raum bisher kaum bekanm e Art von Fernsehsendungen ero berte in den letzten Jahren d ie Bild schinne. 207
Tatsäch lich klassifiziert sich Reali(y-TV scho n von der Bezeichnung her al s ac heiropo ietisc he DarsteIJ ung ,ech ter' Geschehnisse. Programmatisch sind hier beispielswei se die Anmoderatione n vo n O laf Kracht aus der RTL-Sendung ,A ugenzeugen video': Wir präsen tieren Ihnen Bilder, die Sie so schnell nicht vergessen werden . AUes, was Sie sehen werden, ist echt, nich ts nachgestelh oder gespielt. Sie sehen Szenen , die sich vor Augen zeugen u nd ihren Videokame ras so abgespich haben. Ein Stück Realität aus ga nz persönlicher Sicht. [7. I. 1993] Alles ist hundertprozentig ec ht. [18. 2. 1993[ 208
Das Genre hat ein e h>nn ze Reihe von typisch en Kennzeiche n der AUlhcntizität entwic kelt - belanglos bis vulgäre, ,unmittelbare' Dialoge ~ Trash TV ~ . das foilmen von Menschen. die sich unbeobachtet wähnen (,verstec kte Kamera ~, die Verwendung .echter' Amareurvideos. al so verwackel te Bilder mie der geringeren Auflösung von Handkameras, die für Home-Video typische Einbl enVgl. dazu vor allcm das Kapilel "Slagcd Authcncidty" in t\'L\CCANNELL, Dcan: TIN Tounsl. A Neul Theory of Ihe LJiJlln CloJJ. ß crkclcy CI aL: Uni\'crsilY of Califomia Press 1999 119761 , S.9 1-108. Vgl. zur Entstehung (in dcn USA seil ctwa 1988) auch WEGE..'iER, C!auc!i2: &lIfiry.T V. Fmmhm i!liJrlNn Emotion lind Inf0T11lolion. Opladen: Lcske & ßudrich 1994. S. 18ff. und FEIGE, Man:d : Big Brolbtr."IV IfI'il RLoh"1J SOUpJ doJ Fmulhtn l'tTiindm t. ßcdin: Schw2rt.kopf & Schwarzkopf 2001, S. 42ff.; noch ältere Vo rläufer werden nachgewiesen in SCI-IICII/\, Christian und Jörg-Uwc NIELA..'I"D: ",Big Brülher' und die Folgen." In: DaJ Pn'l'Olt in dtr i!ffinth'(btn KtJ"""Nnileolion. ,BJi Brolbtr' Nnd dit Folgm . Hrsg. \'on Manin K. \'Il . Schwcer, C. S. und J.-U. N. Köln: Halcm 2002. S. 424-442, hicr S. 426f. WEGE.l' l ER, Claudia: Rtoh&.TI/. Ftrn;ehtn ~iJrhtn EHlolion lind Inf0rmoh'on. O pladcn: Leskc & Budrich 1994, S. 41.
'"
WIr>.'TERIIOFF-SPURK. !lelcr, Veronika HEIDINGER und Frank SCI-IWAB: Rtau&-T V. Formolt lind Inhalte tinn ntllen Program"'S,fRm. Saarbrücken: Logos 1994. S. 9. Ziricn in MIFJJCU,Jörg: Rtali!J"IV ANthrnti"{jlöl lind AJlhrtik 11m Brüpill du SrndNng ,AlIgtn~lI' U nI1Mo'. /\lfcld: Cappi 1996, S. 29.
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dung von Tag und Uhrzeit und so fort. Eine Verb lendung von ,Realiry TV' und ,Soap Opera' wird dann 1999 in H olland mir Big Brother produziert.209 Die ,Real Life Soap ' ist do rt ein großer Mediene rfo lg, den man dann zügig nach Deutschland expo rcierr. Auch hier leb en dann 10 Personen in einem Container, der rund um einen Kameraraum gebaut ist, in dem Kameraleute sitzen und die Ereignisse ftIm en. " AUe Räume und der Garten werden von insgesamt 28 K ameras 24 Srunden täglich beobachtet, darunter je zwei In frarQ[kameras in jedem Schlafzimmer[ .. .]. Im Haus sind 47 Mikrofone in smllierr. Z usätzlich tragen alle Bewo hner ein Mikro fo n l.. .J. Big Bromer hat eine eigene \'Vebseire, die 24 Srunden lang Bilder der Kameras zeigt", heißt es im ,Regelbuch ' für die Hausbewohner der deutsc hen Produkcio n,2\O welche für RTL 1I zum "e rfo lgreich sten Fo nnat der Sendergesc hichte" wurde. 211 Die Authentizität steh t schon in der Mempher des ,Experiments' im Vordergrund,212 die Fern sehübertragung gibt ebenso wie das In terner l ) die ,ech ten' und ,unmittelbaren' Bilder wieder, und tatsäc hlich ist die ,Echtheit' des Gesc hehens ein zentraler Auslöser für das voyeurisci sche21 4 Interesse des Publikums, denn ",Big Bromer' gibt vo r, das ,wirkliche Leben ' zu zeigen u21 5 (und dies gilt selbstverständlich ebenfalls für die unzähligen \'VeitcrentwickJungen Vgl. dazu lVIlKOS, Lo[har e[ al.: Im A/~ dtr Koflltrll. DaJ Fml1tbtrtignis ,lJlg Brolhu'. ß erlin: Visras 2000, S. 103ff. llO
i\ bgcdnlCkt in FAZ 134 (2000), S. 41.
211
\'VIEDEMANN, Brigin e: " Verändc-nmgen in der Scherschaft von RTL 11 chrrch ,Big Brother' ." In: Nil/111m Tagr ANjl1lrr/eJlImkril. DlIJ ZIiJ{mmltn.rpirll.YJn Mu/im, Menubm Imd M{j'rk/rn bri ,ßlg Brolhu'. I-Irsg. von Karin l}Öhme-D ürr und Thomas Sudholr. Ko nstanz: UV K 2001 , S. 89-94, hier S. 89. Vgl. STÄHELI , Urs: ",Big BrOlhc.r.' Das Experiment ,Authentizität'. Z ur Im erdiskursivität von Versuchsano rdn ungen." In: Big ßrothtr. ßtobarhlllllgtn. Hrsg. von Friedrich Balke. Biclcfdd: mlnseript 2000, S. 55-78. Vgl. P i\ PII..I_O UD, Christian: " Das Begehren der Kontro lle. ,Big Bro ther' im Intemet." In: ßig ßrolhrr. ßeobarhlllngtn. Hrsg. von Friedrich Balke. Bielefdd: transen pt 2000, S. 231 -244; als rypisehes ~'I edium ,aurhentischer' D arstellungen im Internet hai sich die 1i.'tbrQI1I etablien ; vgl. dazu auch FElGE, r..-larcd: Blg Brolhtr-TV. lfIit Rtali!J S()(1pJ daJ I-t nmben t'trändern. Berlin: Schwan:kopf & Schwan:kopf 200 1, S. 35 ff An dieser Stelle verkn üpfen sich wiederum einmal die Pro!,'TllJ1UTIe, diesmal der Unmittclbarkeü, der Authentizität und des CtbtimniJm, denn die Begierde des ,Blicks durchs Schlüsselloch' richtel sich auf die Enthüllung des Verborgenen - t)'pischerweise elWa auf SexSz~nen (was machen Alex und Kerstin ,unter der D ecke'?). Vgl. SCI-IWERING, G regor: ",Über das Auge triumphien der Blick.' Perspckti\'en des Voyeurismus." In: B~ BrolIHr. Be()borbJulIgtn. Hrsg. von Fried rich Balke. Bid efcld: transeript 2000, S. 129-150. G Ort, Maya: " Rezeptio ns forschung zu ,Big Bro ther'. D ie Faszination eines HybridFonnats und seine Bedeutung im Alltag." In: H{(ndtrt Tagt Aufmtrluamluit. Das Z{(Saml1/Ul.rpirll'On Mtdien, Mensr!Jm lind Miirkltn bti ,Big Brolhrr~ Hrsg. \'on Kann Böhme-Dürr und Tho mas Sudholt. Konstanz: UVK 200 1, S. 133-147, hier S. 137; "gi. ebenfalls MIKOS, Lorhar et al. : Im Augt' der Kamem. Das FrmJebmlgnü ,Big BroJhtr'. Berlin: Vistas 2000, S. 17lff.; "gI. zu ,Authencizitäts- Effekten' bzw. ,Realitätseffekten' ebd., S. 117. Weitgehend kulrurkritischc Beiträge fmden sich in dem Sammdband WEBER, Fank (Hrsg.): Blg ßrolhtr. Insf,!nirrtt &naliliil ?!Ir Pnmr Ti"lt. Münster: L1T 2000.
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von Realiry-TV-Fo nnaten im Ausland: " In Großbritannien und den Vereinigten Staaten ist das Genre höchst lebendig und unfaßbar erfolgreich"2 1 ~. Mehr als tausend \Xlo rte sagen hier die programmatischen Titelso ngs. O cr T ext aus der zweiten Staffel lautete etwa: "Zeig mir dein Gesicht, zeig mir, wer du wirk lich bist. Bleib dir treu, verstell Dich nicht für mich. Halt an allem fest, was Dir wichtig ist. Zeig mir Dein Gesicht und keine Maske, die verdeckt, was dahinter wirklich steckt. Bleib in der Haut, die Dir am besten sitzt. Zc ig mir Dein Gesich t, Dein wahres Gesicht. .. 217 Die Faszin ation des Authentischen läßt sich auch durch guantitative Studien belegen, wobei auc h hier deutlich wird, daß sich die medial vermineltc ,\Xlirklichkeit' bei näherem Hinsehen als Paradoxie erweist: Das Publikum rastet in mediatis ierten Grenzsimationen nach IlYirklichktilssplilIt m , um einen Res l Widerständigkeit zu spüren. Dies sc tz t Simulacionsbe rc itschaft und Sclbstrefc re ncialität voraus, d c nn Widcrstand im e ig entliche n Sinne le is tet nur die außenneruale Realität. Die Gier nach Wirklichkeit, die sich im i\'lediwn verausgabt, markiert das Kernproblem gegenwärtiger Medicnc rfah mng, deren Realirätskons tnlktionen ein nicht einlösb ar e s V e rspre c hen gebe n. 218
Die Gie r der Rezip ienten nach Auth entizität äußert sich am radikalsten in Ve rsuchen, mir dem ,Reali ry-TV' ernstzumac hen, also über dic erlaubte Partizipation (das Hinauswählen VOll Bewoh nern) herau s etwa in die Container einzudringen: Die "Sicherh eitsvorkehrungen Imußtcn] in H ürth drasti sch versrärh werden , sei es, weil engagierte Zuschauer ihre angestammte Rolle verließen und in den Container eindringen wollten, sei es, weil aufgebrachte G egner durch Buh-Rufe bestimmle Conrainer-Bewohner zur Aufg.lbe %:wingen woll ten ."219 Das mani sche Bege hren der Menschen nac h dem Realen spielte auch eine zentrale Ro lle in einer weiteren ,Fälschung' au s neuerer Zeit, welche ebenfall s
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NIGGEMEIER, Stefan: " Unsere Leichen leben noch. ,Big Brother' ko mmt zurück - und mit ihm vielleicht das Genre, das im Ausland alle Rekorde bricht.." In: Fronlefprltr Allgtmtint Sonnldglifi!lIng 4, 26. 2. 2003, S. 25; hier werden eine ganze Rcihe von akmeUcn Beispielen aus dem Ausland angcfUhrt.
217
Zitiert in REICI·IER·I·L, J O und Benina FROMM: ,.. Zeig mir Dein G esicht, zcig mir, wer Du wirklich bist. ' r-.hsken des Authentischen oder: The Comeback o f Public Man?" In: Dn; Pril'l1lt in dtr öffintlirhm Kom",pni/eotion. ,Big Brothtr' lind dit Folgen. Hrsg. von Martin K. \Vi . Schwcer, Christian Schicha und J ö rg-Uwe Nicland. Kö ln: !-I alern 2002. S. 77-104, hier
S. 82.
'"
Jürgen: " Das Phänomen Big BrOlhcr. Hand-Out zu den ,Tagen d er Fo rschung 2000'." OnIine: http://www.philso.uni-augsbucg.de / web.2/KW / FIXDAT / Ehemalige/ GrimmPub.hnn, S. 26.
21 9
G RIMM, J ürgen: " Das Phänomen Big Brother. Hand -Out zu den ,Tagen d er Fo rschung 2000'." Ooline: http: //www.philso.uni-augsburg.de/ web.2/ KW / FIXDA T / Ehemaligc/ GrimmPub.hun, S. 8.
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GRl~ ~I,
,
,
-
r\bb. 46: ,Nur ein Film '? Masscnhypc um die Fernschserie Big Brol/;er.
zu ei nem "unwa hrscheinhchen Erfolg" wurde: " Ein r ilm, dem man beste n fa lls einen E hrenplatz unter den Off-Produk tione n der Ga rrung Horror zuge traut hätte, wurde in den letzten \Vochen zum KassenschJager Nummer zwe i des amerikanischen Kinos. ,Th e Blau \Vi ech Project< [...] hat an einem \X1ochcnende knapp dreißig Millionen D o Uar eingespiel t."220 Der Film zieht tatsächlich alle Register der Authenrifizierung: Zunäc hst einmal präsentiert cr sich als Doklflllentation, welche von drei jungen Lcmcn mit einer Handkafllera (wackelnde Bilder, verschwommene Einstellungen ete.) in ,echter Szenerie' au fge nommen sein so llen, es handelt sich also auch hier um ,unge malre Bilder', welche die ganze Suggestio nskraft eines Acheiropoicws aufweisen. Zugleich zitiert der Film das T opos des ,gefundenen Manuskripts', denn sowohJ die Filmrollen als auch ein Tagebuch wurden an geblich am 16. OktOber 1995 von Studente n im KelJe r eines abgelege nen Gebäudes gefunde n - wohingegen die drei Studenten selbst seitdem ,verschwunden' sein sa Uen. Du.rch diese \'Vendung mutiert das D o kumenrarfilmprojekt der Studenren über die ,Blair \'Vitch', eine ,historisc he' Gestalt aus dem 18. J ahrhundert, zur D okumentatio n ihres eigenen, schrecklichen Um ergangs. Die Evidenz dieser Authenti fi zierung wird durch eine umfangreiche Websire (muIJIJ.blaim1ilch. cofll) hergestellt, welche eine lücke nJo se ,Verifi zierung' aller :uo
JAGER, Lorenz: "Wir spielen Authentizität. Jugend forscht in der dunklen Vorgeschichte der Provinz: ,The Blair Witch Project.'" In: FAZ 184 (1999), S. 41 .
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Filrnelemente vorlegt: Einen ,echten Ho lzschnitt' der Hexe, dann ein Foto von " me o nly exisring copy o f ,The Blair Witch e ult' , o n display at the Maryland Hiswrical Sociery Museum in Baltimore in 1991". dutzendweise als polizeiliche Do ku-Fows inszenierte Abbildungen, etwa von ,J oshua Leonardfs car. Discovered b}' police on ßlack Roc k Road, Ocrober 25, 1994", und ein komplenes Faksimile von " Heather's Journal" , selbsrverständlich stark ve rschmutz t und verschlissen, mitsamt Transkriptio n, darüber hinaus dmzend weise weitere phowgraphierte ,Beweise'. Die manische Lust am ,Echten' läßt sich selbstverständlich ebenso im Kontext des populären künstlerischen Onginals nachweisen; ein Beispiel wäre etwa der StarleJdl unse rer Zeit. 1n einem 1nterview dreier Michaei-Jackso n Fans findet sich die bekannte G leichsetzung von Leben und Lied: " Er ist an sich schon Kunst", sagt die eine, und: "das Talent und die Musik sind schon se hr echt, das kommt richtig von ihm. Er ist ja die Musik selbs[.u Einc andere steUr fest: " Er hat so einen eigenen, unverwechselbaren Stil und ist damit geradezu ein Kunstwerk für mich" .221 Die Authentizität des ,Werk s' wird auch hier in der Perso n des Künstlers verankert, wa s wiederum bedeutet, daß der reale Kontakt zur Zieigröße des SmrkuJts wird. Aus di esem G rund betreiben solche Fans einen ho hen Au fwand, dem Star nac hzurei sen - der Reiz des Originals kann hier regelrec ht zu einer Sucht werden: "l ch kenne eine, die seit Jahren versucht, davon wegzuko mmen, weil es ihr zu viel ist. Doch sie ko mmt ni cht los, und es zieht sie magisch immer wieder zu de n Hotels." (2 18) Ziclpunkt di eser Anscrengungcn ist, die JOlIlIil/elbare Begegnung mit dem echtcn O riginal herbeizuführen. Das Protokoll eine r solchen Begegnung lau tet dann wie fo lgt: Ich wurdc mal "on ihm [Michael J acksonJ ins Ho rel reingeholt, weil ich eine Kohlezeichnung mit seinem Porträt dabei ha n e. Ich habe dann vor seinem Zimmer gewartet, bis er herauskam. Ich e rinnere mic h noch, wie langsam cr ging; beinahe schwebend kam er auf mich zu, hat sich dann das Bild lange angeschaut, und gefragt, ob ich das selbst gezeichnct hätte. " It's magie, it's fanrastic" - hat er gesagt. Ich durfre dann meine Hand um seine T aille legcn, er har seinen Ann um meine Schulrcrn gelegt und dabei mü den Fingern inuner wieder auf meine Schulter getippt Schließlich haben wir uns umannr, und ich konnre ihm ins Ohr flüstern ,. l lo"c )'ou so much" . E r flü stertc zurück " I love YOll'. Ich wo llte ihn gar nicht mehr loslassen, auch e r hat fest gedrückt [... 1 Als ich wieder aus dem Hotel kam, hatte ich einen Bl acko ut [...J D as Hemd, das ich an dem T ag anhatte, hängt bei mir seither eingerahmt im Zimmer. (2 13)
Die Rezipienten spulen hier also Muster ab, welche im Aspekt der G leichsetzung von O riginal werk und Originalgenie vor allem dem G eni ekult emstamD as Imcrvicw ist abgedruckt in ULLRICH, Wolfgang und Sabine SCHl RDE\'(IAHN (Hrsg.): S lan. Allniihm mgtn all tin Phönollltn. Frankfurt/ [>'·L: Fischer 2002, S. 204-223, hier S. 204, im folgenden im Aießtcx[ ziric.n.
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men; zugleich reproduzieren sie Verhaltensmuster aus der Heiligenverehrung, und zwar aus dem Umfeld der Ben'ilmmgsreliqlfie: wenn t>.1ichael abgereist ist, dann gehen wir hoch [in die Ho reizinunerJ und schauen, was man evenrueU noch abstauben kann. \Xlenn man irgendctwas von ihm fmdet, soUrc man cs am besten gleich einfrieren [... 1. Einmal enrdeckren wir in seiner Suite noch zwei halb gefüllte Popcomeimcrl Die haben wir bis auf ein paar Popcorns aufgegessen, die wir jCtzt mit den Eimcrn zu Hause haben. Danach wurden wir krank und haben uns groß gefreut, daß es vielleicht Michaels Bazillen waren. (219f.)
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Abb. 47: Aus dem Tagebuch eines Michacl-Jackson-Fans.
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Abb. 48, Fankult.
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VII. Fazit (PASC HASIUS RAOBERTUS)
Die voraufgehende Untersuchung analysie rt die Erzeugung der /vlediemJJirk Jlng anhand der Figur der Se/bI/überschreitung 1mll Media/iMI [I. 1/31 . Diese läßt sich in Kommunikario nsp rozessen in in sgesamt fünf Ausfo nnungen nachweisen. Ähnlichkeit, Geheimnis, Unmittelbarkeit, Ursprung und Authentizität sind ProgralJllJJe, also JVilen"en, welche fcsdcgen, Jlnler welchen Bedingungen man Ko mmunikatio nen entweder der einen (,emphatisch') oder der anderen (,in strumentell') Seite der Unterscheidung zuweist. Alle fünf P rogramme sind dabei nichts anderes als Abl eirungen aus demselben Basistheorem der Se/bs/iiberschreitung 11011 Medialitiit. •
Die Sim"lation erzeugt das Phantasma der Überschreitung von Medialität durch die AkkumuJation von ~4hnlichkeite11. Zeichen und T exte reichern sich dabei solange mit mimetisc hen Ingredienzen an, bis sie die Sugges tion ein es ,Mehrwerts' erzeugen. D er konstruierte Idealfall ist eine so weitgehende Annäherung durch Ähnlichkeit, daß ,Original' und ,Darstellung' in der Totalillusio n ununterscheidbar werden - eine kommunikation stheoretische Paradoxie, weil gemäß dieser Vo rstellung die Medialität selbst impl odiert [11. 1/ 2) . Die Urszene der Programmatik der Almlichkeit ist d ie Entstehung der Illusionskunst in der griechi schen Antike. Durch das Ko nstrukc ein er milllesis (Nachahmung) durch die Kraft der Ahnlichkeil entw ik kelt sich hie r ein ganzes Arsenal medialer Darste1lungsmittel, vor allem in de r bildcnden K unst und dem Theater, in denen virtlieUe \'\Icl ten erzcugt werde n und illusio näre E ffekte durch die Sill/Illation des Wirklichen erzielt werden. Dabei ist die ,Anschaulichkeit' des Bildmedium s seit der griechischen Antike eine LeitvorsteUung, welche dann auch in andere Medien hineingetragen wird: Idealerweise werden dann etwa auch spradiliche Tex te ,bildlich( [11. 3) . Der N aturalismus der Antike erf.i.hn durch das Vordringen des christlichen ßildvo rbehalts zwar einen deutlichen Rückschritt, ab er selbst das Mittelalter entwickelt spezi fi sche Rezeptionsweisen der Anschaulichkeit, vor allem im Ko ntext der ,Vergegenwärtigung' des Heilsgeschehens [11.4]. Durch die Wiederentdeckung der antiken Kun st in der Renaissance erlebt das Theorem der Nacbahltlling der Notlfr (Aristoteles) dann ein e neue Konjunkrur. Ein Kulminationspunkt ist die Betonung der Illusio ns wirkung medialer Welten im 18. Jahrhundert [11. 5] . Aufgrund der neuen Betonung des Schöpferischen gerät die ,Nachahmung' jedoch al sbald in Verruf. Die Folge ist eine Absetzung einer ,idealisierenden Nachahmung' gegenüber einer (aus Sicht der Kunst negativ gewerteten) Kultur der ,K opie' [11. 6]. An diesem Punkt spaltet sich die Programmatik der Ähnlichkeit: Die neuen Technologien ,mechanischer< \'Virklichkeitsreprä sentationen entfalten die Sphäre d er ,populären Illusion'. Die Traditio ns-
SOl
•
linie geht hier von der holländi schen Malerei über Panorama, Diorama und dann vor allem Photographie bis hin zum Film. In einer Absetzungsbewegung dazu rekJamiert die hohe Kun st seit dem Ende des 18. Jahrhunderts einen ,Mehrwert' jenseits der Simulatio n im Sinne einer ,bloßen ' \X'irklich keitsverdoppelung [111. 6]. Ungeachtet die ser zune hmend kriti schen Einstel1ung gerät das Kun stprinzip der ,Nachahmu ng' jedoch weniger in Verruf, als man annehmen möchte. Vielmehr durchläuft die mimesis die kopernikanische Wende und wandelt sich so während der Romantik zu neuen Konzepten einer N achahmung des S"o/ekls. Vor allem da s sprachliche Medium empfiehlt sich jetzt zur Darstellung von ,G eist' und ,Gefühl' [11. 7] . In der heutigen Medio logie ist die Programmatik der Ähnlichkeit und die durch sie erzeugte Faszination an ,virtuellen Welten' vom Kino über Com puterspiele bis hin zum ,Cyberspace' klar die dominierende Ste uerungsgröße emphatischer Kommunikatione n [11.8] . \'Vährend der Ursprung der Ahn/ichkeif in der griechisc hen \Y/eJt beheimatet ist, wurzelt die Programmatik des Geheimnisses eindeutig im jüdisch -christli chen Kulturraum . Das /V!)'Ileri"!11 erzeugt seine Faszination dadurch, daß es zugleich ein ,U nsagbares' ausspricht und - weil dieses Unsagbare inkom munikabel ist - zugleich doch nicht sagt und deshalb verborgen hält. Das Ge heimnis entfaltet sich durch eine ko mplexe Szenerie, welche die parado xale ,Spren& 1Ung' der Kommunikation reguliert: Es positioniert das Unsagbare hinte r Schleiern und SchweUen, fü hrt Überschreitungs- und Redetabus ein, erzeugt ,E hrfurcht' und so fort. Das Leitmedium des Geheimnisses ist bT3nz eindeutig die (per se rätselhafte) Sdmft (im Gegensatz zur Ähnlichkeit des Bildes) [111. 1] . Im Prozcß der Begrü ndung der chri stli chen SchrifrkuJrur spielt Augustinus eine zentrale Rolle. Seine Theorie der lektüre wird über mehr al s tausend Jahre die abendländische Lesekultur dominieren: Hinter der ,Oberfläche' des Tex ts befinden sich in der unendliche n Tieft der Schrift die ,u nsagbaren' transzendentalen Signifikate, der göttlichgeistige Sinn. Auf den Reiz die ser Tiefe hinter dem Schleier des Buchstabens richtet sich das Bege hren des Lesers. \'Ve il das göttliche \Vo rt ein unausschöpfliches Geheimnis birgt, wird der Verstehensprozeß zu einer unendlichen, lebenslangen Aufgabe, in der man die Heilige Sc hrift immer und immer wieder liest und dabei riefer und tiefer in den göttlichen Sinn eindringt [111. 2J . Die Erfindung dieser Leseform ist sicherlich auch bedingt durch den eingeschränkten Zugang zu Büchern: \'(10 immer dasselbe Buch gelesen wird, da benötigt man Tiefe, also eine unendlich e Interpretie rbarkeit ein und desselben ,unausschöpflichen' Tex ts. Dieser Z usammenhang wird durch die allmähliche Durchsetzung des Buchdrucks zunehmend erodiert. Subsidär zum unendlichen Geheimnis des sakralen Texts entstehen jetzt die vielen ,Einweg'-Gehcimnisse VOt allem fiktio naler T exte, welche extensiv gelesen werden. An die SteUe der \'Viederholungslektüre tritt zunehmend der Ko nsum vieler T exte, die um
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ein Rätsel gebaut sind. welches sich dann am Ende des T exts au flöst [111. 4] . Der E ffe kt ist unter anderem, daß der Leser für die Dauer des Rezeptionsprozesses in ,Spannung' versetz t wird. der T ext dagegen nach AbschJuß der Lektüre weitgehend wertlo s ist (daher etw a auch die Entstehung der Leihbiblio thek) [111. 5J. Eine erneute Absetzungsbewegung gegen solche ,populären' Lektürefo rmen ist die Wiedergeburt des ,unendlichen Geheimnisses' im G eist der ne u entstehenden ,hohen Kunst' [lI! . 6]. D eren ,Unverständlichkeic' reizt den Rezipienten, weil sie ihm einen direktcn Z ugang versperrt und - ganz analog dem religiösen Mysterium in tensive Bemühungen der symbolischen D echiffrierung erfo rdert. • Die Utopie der Unmittelbarkeit besteht in der Vorste IJ ung einer Kommuni kation unter Umge hung der Medialität (,un -mittelbar') [IV. 1). Die prägnantesten Ausfo rmungen finden sich im Umfeld der p rophetischen, inspirierten, charismatischen, aber auch mystischen Gottunmittelbarkei t, welche zur ,direkten' Visio n und Auditio n gö ttlicher Botscha fte n führt, o hne daß da fUr noch T exte oder Medien benö tigt würden (so jedenfalls die Suggestio n). Über das Theorem der Ko ngenialität, al so dem ,Geistbesitz' aUer Partizipierenden, läßt sich die Gottunmittelbarkeit auch auf Z uhörer und Lese r ausweiten. Auch der Leser, d er die Heilige Schrift liest, wird ,inspiriert', hat es also nicht mehr mit dem Tex tmedium zu tun, sondern mit dem ,göttlichen Geist' selbst [IV. 2]. 1m Ko ntex t der kopernikanischen \V/ende we rden d iese Vo rstell ungen anth ropo logisicrt, indem jetzt Kün stler und Autoren nicht mehr vom gö ttli chen Pneuma, so ndern zunehmen d vo n ih rem eigenen Geist inspiriert werden. An die Stelle der gö ttlichen Inspiratio n tritt jetzt zunehmend das ,Gefühl' des schöpferischen Subjekts. Dabei wird das Kongcnialitätstheorem paßgenau übersetze: \Vo zuvor göttLicher Geist übertragen wurde, da wird man jetzt unmittelbar auf dem \V/ege der Emp find ung gerührt (Emp(llhie) [IV. 3J. E ine typische Ausprägu ng, die bis heure Rezep tionsp rozesse steuen , ist das identifikarorische ,SichHineinversetzen '. • AUe besprochenen Programme entsprechen der Figur einet Überschreitung der Medialität. D ie Programmatik des Urspnmgs ist dabei nichts andetes als die /efllporalisierte Fass ung dieser ßasisfigur. D as ursprüngliche Z eichen ist zugleich zeitlich und vor aller Zeitlichkeit. Weil es vor allen Ableitungen plaziert ist, ist es als einziges nicht derillierl [V. 1]. Daher erzeugt die Programmatik des Ursprungs geradezu z\vangsläufig triadische Zeitraster: Auf das (I) inaugurale Stadium des An fangs folgt (2) eine Phase von Verfall und Entartung, Z ielpunkt ist dagegen (3) die Restitution des Ursprungs in einer utopischen Endzeit. Das Begehren richtet sich also auf Anfang und Ende zugleich und ist daher archäo-teleologisch (Derrida). Diese genuin eschatologische Struktur läßt sich auf verschiedenen Ebenen einfUhren. Im universellen Sinne wird sie zur Heilsgeschichte (telos ist hier die apokalyptische End zeit). Aus der Perspektive des Individuums wird sie hingegen zum
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biographische n Stufenwcg (lelos ist etwa das ,Eingehen in Gort' nach dem Tod). Exakt dieselben Strukturen figurieren jedoc h zugleich aJs implizite Lesemodelle, indem sie auf immer neue Weise den Rezipiente n anwei sen, im Vollzug seiner Lektüre den Ursprung zu usurpieren, an diesen Punkt !(ftri;ckiflkehrm. Die Zeitenfolge der Eschatologie entspricht dann dem Vollzug hemleneJIlischer Operationen, und das Z iel ist die Wiederkunft des ursprünglich-lebendigen Si nns [V. 2] . • Zeichen im Zus tand der Alllhentj~/aj überschreiten die Medialirär dadurch, daß sie vorgeben, im Gegensatz zu den ste ts ,gemachten' Zeichen ,echt', also nicht kün stlich hergestell t oder gar eine ,Fälschung' zu sein. Ein Beispiel sind etwa die ,echten ' göttlichen Gesetzescafeln, welche Moses am Sinai von GOrt übergeben werden, und die im Gegensatz stehen zu dem bloß menschlich fabrizierte n ,Goldenen Kalb' des Aaron. Der theoretische Kern der Authentizität ist das AcheiropoieloJ, das ,nicht-von.Mensc henhandgemachte'. Dabei handelt es sic h im Kult typischerweise um JlngeJchriebetlf. Texle (etwa die von GOtt stammenden Gesetzestafeln) sowie IfIIgefl/a/le Bilder (etwa das Schweißtuch Chris ti) [VI. 1) . Ausgehend von solchen Radikal en det Authentizität läßt sich eine große Variationsbreite von Texrphänomenen ableite n: Die Ve rbürgung der ,wahren Geschk hte' (in der heutigen Populärliteratur etwa das ,wahre Fraue n sc hick sal ~, rue Berufung auf Quellen und Gewährs leute, die AJllon'sien,,~ des Texts, in der Vormoderne häufig geleistet durch amontative riguren , die rucht mit dem Verfasser des Texts identisch sind (etwa GOtt, berüh mte Auroren aus der Traditio n etc.) und viele mehr [VI . 2) . Erst in fo lge der Gef.1.hrdung der Amhentizität durch die zu nehmende Verbreirung fiktiona ler (al so: unl eugbar ,erfundcn er ~ Texte und die zugleich immer stärkere Betonung des Schäpfen'schetl, vor allem während des 18. Jahrhunderts, entwickelt sich eine neue Ausprägung des Authentischen in Fonn de s Kunst-Ongilla/s [VI. 3]. welches dann an rue Authentizität der Urheber-Signatur rückge koppel t wird (,ein ec htcr Picasso). Medien, rue sich als au thentisch profilieren, prägen weitgehend die heutige Mediologie. So entsprechen PhOtographie und Film heute den ,ungemalten Bildern' der Antike; Expo nenten der Aurhentizidt wären etwa Amateurvideos, ,Reality TV' und dergleic hen mehr [VI. 4). Ähnlichkeit, Geheimnis, Unmittelbarkeit, Ursprung und Authentizität wurde n zwar isoliert betrachtet, imeragieren jedoch im Kommunikatio nsgesche hen wie einzelne Zahnräder einer größeren Masc hine, oder, um das Bild des ,Programms' aufrechtzuerhalten, "vie einzelne Module eines umfassenden Textprozessors. Zentral ist dabei, daß die rekursive Vernetzung der Programme überhaupt erst die Evidenz emphatischer Kommunikatio n erzeugt: Phorographien sind (ihn/ich, ,weil' sie ,nicht hergestcUt<sind (- oulhel/lisch). Die Gesetzestafeln des Moses sind echl, weil er sie ",,,"itle/barvon Gott hat. Jahwe ist der echle Gott, weil er die \Xlelt erschaffen har (U,spnm~. Weil die Heilige Schrift
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IIrspriing/icb von Gort IIllmille/bar inspiriert wurde, ist sie unausschöpflich (Ge. heilllllis). Auch die Jmmitte/ban ,Rührung' zweier empathischer Herzen isr bis heU[e unaussprec hlich (Gebeilllnis) - und so geht es immer weiter. An Srelle weiterer Wiederholungen möchte ich die Untersuchung mü ei· nem kurzen Blick auf das wo hl erstaunlichste ,emphatische Zeichen' beschlie· ßen, welches ich bereirs in der Einftihrung erwähnt habe: Gemeint ist die H o· stie der Eucharistie feier. l22 Man kö nnte zu Rechr einwenden, das Beispiel sei aus heutiger Sicht un zei tgemäß (und sicherlich paßt dieser unzeitgemäße Ab· schluß zu dem Projekt einer möglicherweise unzeitgemäßen Untersuchung). D as liegt daran, daß unsere Mediologie der ,virtuellen Welten' von der Simulatio n beherrscht wird [11 . 8] , wo hingege n wir vermutlich gerade das Ende der über etwa 1500 Jahre dominanten Programmatik des Geheimnisses im ,emphatischen Sinne' erleben [111. 8] . Im Falle der eucharistischen Kommunikation liegen diese Verhältnisse jedoc h exakt umgekehrt: Das Geheimnis bildet hier den Schwerpunkt. Dennoch sollte man sich vor Augen halten, daß die Hostie vermutlich das leistungsstärk ste ,emphatische Zeichen' der abendländischen Tradition überhaupt darstellt. Man kann sich den ungeheuren E rfolg der eucharistisc hen Ko mmunikation klannachen, indem man sich vor Auge n häl t, welchen \Vert für Hollywood ein mediales Erzeugnis hätte, welches die nächsten 1500 Jahre eine wel tbeherrschende Stellung hätte und über Jahrhunderte ,Einschaltquoten' generieren würde, die gegen 100% tcndierten. T atsächlich eignet sich dieses erfolgreichste Radik al der emphatischen Kommunika tio n wie kein anderes, die bisherigen Ergebnisse noch einmal plakativ zu durchlau fen. Z unächst einmal läßt sich an der Hostie sehr schön noch einmal das G rundpro blem aller Medienwirkung [I. 1-3] illustrieren. D enn alle emphatisch verwendeten Sprachzeichen müssen ihren Mehnvert gegenüber den linguistisch identischen ins/millen/eilen Zeichen erst herstellm.22J Dasselbe gil t aber für das Brot der Hostie, welches gegen den unbestreitbaren Sachverhalt antreten muß, daß das Brot im Alltag der ,bloßen' Ernährung ,dienr'. Es muß sich al s ,besonderes Brot' distinguieren. Bei Theodo re de Bcze (1519- 1605) findet sich die folgende Überlegung, welche einen Parallelismus bildet zum Theorem der ,zwei Sprachzustände'. Bei ,no nn aler Verwendung', so heißt es, sind Brot und Wein da, um davon zu leben; diesen Dingen wird aber in den Sakramem en ein noch weitaus anderer Zweck hin zugefügt, daß nämlich unseren Vgl. u. a. FELD, Helmut: D UJ VmliindmJ du AbendmuhtJ .• D annstadt: Wiss. Buchges. 1976; SCH1LLEBEECKX. Ed ward: Dir fllrhurisl1Jrht Gfgtnwarf. ZM DiJ/eJm ion jjlJrr die RralpriiJtnz. D üsseldo rf: Paunos 1967. zn
Valery konstatien e einmal: D er D ichter " hat keine eigens fur seine Kunst gemachte, für den D ienst am Schö nen bereitgestellte Gesamtheit von ~ti tteln \'o r sich. Er muß sich die Sprache ausborgen - die IIf)X pllblico". VAlliRY, Paul : 1II',,.kt. Frankfuner Ausgabe. Bd. 1·7. Hrsg. von Jürgen Sc hmid t~ RadcJeldt. Frankfun/ M., Leipzig: Insel 1992. Bd. 5, S. 157 I" D iclukunst und abstraktcs Dcnken"].
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Augen unterbreitet werde, wie das Geheimnis unserer Erlösung beschaffen ist, was wir auch gleich erkJären werden. Es ist insoweit erfreu1ich, daß den ;vtensehen die Gleichnisse der heiligen Sakramente gezeigt werden. Um den Verstand nicht im Unklaren zu lassen, sprechen wir vom Wach s, das von irgendeinem Fürsten oder Magistrat ein Zeichen eingedrückt bekolTum, welches eine öffentliche Urkunde bestätigt. Dieses Wachs unterscheidet sich in Natur und Substanz in nichts von beliebigem Wachs, im Gebrauch hingegen unterscheidet es sich bei weitem und auf geheimnisvolle Art: Das geht soweit, daß sich, wer ein so zu verwendendes Wachszeichen schlecht fäl scht, eines sehr sc hweren Verbrechens schuldig machr.Z24
Das Brar der E ucharistie muß sich aJ so (gegen alle sin nliche Evidenz!) im Gegensa tz zum ,normalen' Brot profilieren - wer das emphatische eucharistische Idiom nicht ric htig entziffert, der sieht eben nur ,Brot': " Die Ungläubigen freili ch erkennen darin nichts \'\Iunderbares l/JIirabilel , für die Gläubigen aber ist es da s Beste, das \'\Iunderbarste und Wertvollste, was ihnen in dieser \'Velt geschenkt wird ...225 Im übertragenen Sinne heißt das: Die KOlllllllfllioll ist also einerseits Knlllll/JInikoliofl (sie ist ,bloß Brar), aber zugleich markiert sie im Falle ihres G elingcns die Überschreirung der Medialität (sie ist ,mehr als Brot) - in diese r O ptik schwiUr sie an zu einer IlbsolJllen KOIlJlllllflikaliof/: "Wer also richtig ko mmunizieren will [qllisqllis recte mt/I COfIJlllllllicnre]," muß zur Hostic greifen. 226 Lctztcndl,ich bewirkt dann die llbsollile KOIlJl!Jllfliknliofl der KO/JIllllllliofl dic I/flio !Japslien mit Gou. Es ist o ffenbar kein Zufall, daß ,Kommunion' und ,Kommunikation ' dieselbe sprac hl iche \'Vurzel haben: Die ,Gemeinschaft', d ie cO/lJlJ/llflio als Vcr-
Der Text ist nicht wissenschaftlich ediert; die Transkription des mir vorliegenden Originaldmcks lautet: .,Est enim aqua, si naturalem " surn speetes, ad abluendas corpo ris sordes comparata: panis amem & vinum ad hanc SUSOnemdam "itam: quae res in Sacr:amentis longe alium in fin em adhibcnrnr, nempe vt nosu-ae saluris mysteria "elm nostris oculis subüciant, sicul mox explicabimus. QuOd si libet qu.ibusdam humanis similimdinibus res istas tarn sacras i1lustrare, non dissimilem ratio nem esse dicemus cerae, q uae vcl principis "cl ciuitaris alicuius impresso signo adhibcri solet publicis instrumcntis confinnandis, \'rpOtC qllae namm vcl substantia nihil :i quallis cera differa!, scd \ 'S U lo nge lateque dissideat: adcö vr qui cereum eiusmodi signum cormpcrit, capirali laesac maiestaris criminc rencamr." n ·IEOOORE DE B tZE: Tro(/otio m"" Thffl/ogjronll1l [... 1. Bd. 1-2. Sccunda Acdirio ab ipso AUfhore recognita. IGenevac:1 E vstharii Vignon 1576. Bel. I, S. 271Co'!fi'JsiOChristia"ae fldri, & ,iusd,I1I rolloho (NI1I Popi.thds hatfuiblls, !570J). Bei dem Begriff ,crimen !aesae maicstaris' handelte es sich urspriinglich um einen Rechts tenninus aus der römischen Kaiserzeit, d er die Beleidigung des Herrschers unter Su-afe stellt. Im Hochmittclalter wird er seit der Rezeprion des rö mischen Rech ts auch zur Bezeichnung von Gotteslästerern benutzt. Er dient seitdem als Kardinalvo rwurf an alle Ketzer, Hexen und sonstige Abweichler vo m ,wahren G lauben'. PASCHASIUS RADßERTUS: VOl1l Ltib lind 8M du HmY/. Einsiedcln, Trier: J ohannes 1988, S. 16 IU btr de ro'/>O" '1 songuine DOl1li"i I, 4; PL Bel. 120, Sp . 127 11 . PASCHASIUS RADßERTUS: VOl1l Ltib und 8111J du Herrn. Einsiedcln, Trier: J o hannes 1988, S. 90 [LiiNrde (0'/>0" tl !anglline DOl1li";22, 6; PL Bd. 120, Sp. 1337].
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schmel zung der Kommunikanten, ist der Kern dieses Modells. 227 Wie es also in jeder emphatischen Ko mmunikation der Fall ist, stellt auch die Hostie den Rez ipienten vor eine Eil/scheidung zwischen zwei Alternativen: D er Rezipient kann annehlllet! (,Leib Christi') oder ablehnet! (,blo ß BrOt'). Im Falle der Hos tie "vurden beide Alternativen in der Tradition immer wieder aufs Ne ue di skutie rt; zwei frühe Beispiele seien zitiert. Entweder man afftrmiert die Präsenz wie etwa Paschasius R.,dberrus (ca. 790-859): " Denn niemand , der die \Vo ne der \Vahrheit glaubt: ,Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank ', kann bezweifeln, daß der Leib und das Blut wahrhaftig durch die Weihe des Mysteriums geschaffen wcrden".22S O der aber man lehnt das eucharistische Idiom ab und behauptet, das Sakrament sei ,nur' ein Zeic hen, wie Ratramnus (geSt. ca. 870), der zur gleichen Zeit al s Mönch in demselben Kloster (Corbie) wie Paschasius lebte: ,,\Vas aber kann man anderes an der Oberfläche erblicken als die Substanz des Weines? Koste ihn, er schmeckt nach \Vein; rieche daran, er duftet nach \Vein; betrach te ihn, und du siehst die Farbe von \Vein."229 Für die Zwei fler existieren Blut und \Vein dann ,nur' in einem SJ'IIIbolisch-IIIe/aphodschen Sinne in der Ho stie. Ratramnus konstatiert: " Denn dies läßt sich von niemand en bestreiten, daß das Fleisch und das Blut Christi in Brot und Wein nur figürlich existieren."230 \Vie stets, wenn Medien ,wirken' wolIen, muß sich auch im FaUe der Hostie der IIf1J1Jobrscbeinliche Fall gegen die Evidenz behaupte n: Rezipienten so Uen glau ben, daß ein Zeiche n ,mehr' ist al s ,bloß' ein Zeichen - es handelt sich um eine reine Paradoxie der SelbstÜberschreitung von Medialität. Im beso nderen FaUe der Eucharistie wird diese Unwahrscheinlichkeit jedoch noch d rastisch gesteigert, weil die Annahme, also der G laube an die " reale Präsenz der leibhaftigen Perso n Jesu" 23 1 in der Ho stie, unweigerlich in die Nähe des kulturellen
KL UGE, Friedrich: E!Jmologi$chtJ lY/örlrrlJllc/) drr dm fJcMn Spracht. 22. Aufl., unter i'> lithil fe von ivlax Bürgisser und Bemd G rego r völlig neu bearbeitet von Elmar Scebo ld. ß erHn, New York: de Gru)'ter 1989, S. 393 I" Ko mmunikatio n" / " Kommunion'1ü bersetzt nach Pt\SCHA$IUS Rr\ DBERTUS: Optra OHlnia. Paris: Gam.ier, t-.1igne 1879 (= Parrologia Larina 120), Sp. 1277: " Quod in veritate co rpus et sanguis fiat co nsecrarione mysterii /11, nemo qui verbis divinis credit dubitat; unde Veritas ait: ,Caro enim mea \'ere est cibus, et sanguis meus vere es! porus' Oo h 6, 55J"; ILibtrde rorport tl Janglline Domini 4, 1; PL
Bd. 120, Sp. 1277]. " Quid eninl aliud in superficie quam substantia vini conspicirur? GuSta, vinwn sapit; odo ra, vinWl1 redolet; inspice, "ini color inruedor." RATllt\MNUS VON CORBIE: Optra oHlnia. Paris: Gamier, Migne 1880 (= Patro logia Larina 12 1), Sp. 131 ß IDe rorport el Janglline Domini, ca .
8441· " Hacc ita esse dwn nemo potest abnegare, elaret quia panis ille vinurnque figurate C hristi corp us Cl sanguis exisrit." Rt\TRt\MNUS VO N CORBIE: Optra oHm;a. Paris: Garnier, Migne 1880 (= Pauologia Larina 121 ), Sp. 131 ß IVt rorpon tf Jangll;ne DOHl;III). ß Er L, johann und Vikto r H . ELBERN: " Eucharistie." In: Lexi/eon for TbtokJ,g'e lind Kirrht. Bd. 1-10.2., vö llig neu bearb. Aufl. Hrsg. von Jo seph Hofer und Karl Rahner. Freiburg: l-I erdcr 19 57 ff. ß d. 3. Sp. 1141 - 11 59, hier Sp. 1144.
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Tabus des Kannibali smus gerät,m was in der Tradition immer wieder disku tiert wurde. Man lies t etwa bei Zwingli: "So er wesendich Iyplich da ist, so mueßte er ouch wesen dich l}'Plich mit den zenen in der menschen münden zerbissen unnd empfinddich zennalen werden."233 Es ist nicht zuletzt aus diesem Grund, daß in der Scholastik darauf beharrt werden muß, daß die Eigenschaften von Brot und \Xlein auch nach der \Xlandlung weiterbestehen. Bei Thomas von Aquin heißt es: " Ich antworte, was gesagt werden muß: es ist sinnfallig, daß nach der \Xleihe alle Akzidenzien von Bro t und \Xlein bestehenbleiben. D as ist wohl von der gö ttlichen Voraussicht vernünftig so eingerichtet. - Zunäc hst, weil es für Menschen nicht gewöh nlich, sondern schrecklich ist, das Fleisch von Men schen zu verzehren und das Blut zu mnken.«23 4 Die emphatische Kommunikation der Euc hari stie muß den Glauben an die Realpriisenz Christi in der Hostie also sogar gegen die Monstrosität des Kanni balismus behaupten, und in diese r Hinsicht ist die zentrale Kulthandl ung des Chri stentums ein enorm unwahrsc heinliches Kommunikation sangebor, deren jahrtausendewährendes Funktionieren um so mehr beeindruckt. Das Brot der Hos tie behauptet sich also gegen alle EvidellZ (nach einer tre ffenden Fonnulierung des Paschasi us: "gegen die Narur [contra natl(ra/JIJ'<2l~ als Relllprdsenz Christi, es ist ein Zeichen und übersc hreitet die Zeic henhaftigkeit, indem es zum Signifikat anschwiJlt. Dabei handelt es sich um exakl dieselbe Paradoxie, welche im Verlauf der voraufgehenden Untersuchung in immer neuen Schattierungen besc hrieben wurde, in den \Xlo n en Zwingli s: "Also bitt ich dise schryger, das nun sy sacrament lassind sacramem sin, und nil sprechind , sacramenta sygind zeichen, di e o uch das sygind, das sy bedütend. Denn wäre nd sy, das sy bedütend, so wärend sy nit zeiche n; denn zeichen und das, so verzeichnet ist, kö nnend ie nit ein ding sin.' <2J6 Entscheidend ist nun die Frage, auf welrhe UVeife in der eucharistischen Kommunikation das Phantasma eincr Überschreitung I/on Media/itiit erzcugt wird; erwartungsgemäß lassen sich Vgl. Pt\PE. Waltcr: .. ,Das ist cine hane Rcde / Wer kan sie hö ren?' ivlcraphorik lind Realität d er Anthro pophagie: E ucharistic, Medizin, Licbe." In: Dos Am/m EJJtI/. KmlllibaliJnllls tllJ Moli" ,md Altlaphtr in der U lrrafllr. I-I rsg. von Danid Fulda und Waltcr Pape. Freiburg/ Br.: Ro mbach 2001, S. 303-340; vgl. zur Speisemclaphorik BACHI.., Gottfried: ENcharistir. Esmt als SJmbol? Zürich et al.: Benziger 1983. ZWING LI , Ulrich: [Huldrcich ZwinglisJ Sömtli(hr IWerk e. Hrsg. von Emil Egli u. a. &I. 1- 14. Leipzig: I-Icinsius 1927 (= Corpus Reformato rum 88-101). Bd. 4, S. 797. 1-3 ["Eine kJare underrichrung vom nachunal C hristi" , 1526). " Respond co dicendum 'Iuod sensu apparet. facta consecratio nc, o mnia accid en tia panis et vini remanerc. Q uod 'Iuidem rationabiliter per divinam providemiam fi l.- Primo quidcl1l, quia non cst consuetum ho minibus, sed ho rribile, carncm ho minis comcderc, e r sanguincm biberc." THQ .\L\ S VON AQUIN: S linlN/p Throlo§ca. Bd. 1-4. Hrsg. vo n J oscph Pccci. Paris: LethieUeu.x 1925. Bd. 4, S. 477 [TlI , 75, S}. m
V om Lrib IIl/d BIIiI ,lu Hrrrn. Einsiedcln, Tricr: J o hanncs 1988, S. 13 [Ubtrtle rorport elsal/gllinr Domini I. I; PL ßd. 120, Sp. I 267}. P ,\ SCliASIUS RAoIJERTUS:
ZW1NG LI. Ulrich: Sdmtli(m IY/rrkt. Hrsg. von Emil Egli u. a. Bd. 1-14. Leipzig: I-Ieinsius 1927. ßd. 4, S. 218, 13- 17 ["Von dcm touff', 1525).
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auch hier alle bislang untersuchten Programme nachweisen. Die Eucharistie ist per se ein Geheimnis, sie wird schon nac h dem Canon Nlissae Rolllanae explizit als das "!Js/enullI jidei, das Geheilllnis des Glaubens bezeichnet. 2J7 \'(10 immer über die Eucharistie geschrieben wird, betont man den Sta[Us der Unbegreiflichkeit: " Mys tisch also ist der Leib [...1, weil er verborgen - "D'stice, la/enler - unter den materiellen oder ri[Uellen Erscheinungen anwest, die ihn auf geheimnisvolle Art bedeuten: CO rpllS Christi sem/um. «238 Lanfranc von Canterbury (ca. 1010-1089) etwa bemerke: "Wenn du mich fragst, wie das möglich ist, so antworte ich vorderhand: E s ist ein Mysterium des Glaubens, das zu glauben heilbringend, das zu bezweifeln (aber) nicht nützlich sein kann."2J? Luther kon statiert: "Wenn auch die Philosophie das nicht fassen kann , so erfaßt es doch der Glaube. Die Autorität von GOttes \Xlo rt ist größer als die Fähigkeit unseres Verstandes.«240 Bei Paschasius heißt es (unter Verarbei[Ung augustini scher Topoi) zum Sakrament der Eucharistie, es sei dann gege ben, wenn die äußerlich sichtbare Handlung im Innern [inlus] e"vas ganz Anderes, Unsichtbares [inviribileJ erwirkt, das in Ehrfurcht aufzunehmen ist. Das Wort Sakrament leit.et sich deshalb entweder von umlll'" her, weil Gott innen in etwas Sich tbarem durch dessen Ges ralt hind urch c"vas tief GeheimnisvoUes wirkt (quid in re L'ilibili dit111itas inllls 0li1"id IIllm semh'us tJlicil per specie", ro,pomlt mJ , oder von einer weihenden Konsekration, weil der Heilige, in Chri sti Leib wohnende Geis t verborgen unter der sinnlichen I-hüle aUen mystischen Gehalt der Sakramente zum Heil der G läubigen sc haff! (/almler IUllc Ollllliae ItJC7'anJmlontlll "!Jslica sub legllll/elllo viIibihilfll ... opem lll'1 .241
Neben dem Geheilllnis lassen sich aber auch die anderen beschriebenen Programme auf das Sakrament der Euc haristie probl emlos adaptieren: D as Sakrament muß ,echt' sein, so daß etwa von Häretikern gespendete Sakrame nte ungültig sind (A uthenti!(j/äl) und die Fälschung der Hostie ein Verbrechen darsteUt (siehe die eingangs zi tierte Passage von Lanfranc). Zugleich ist die EuVgl. Millall Ramm/11m. Ex durrJo 55. Conrilii tridllllini IVlilll/Nm 5NmmoruH' ponliftrillm {llro " rolniINm. 2. Aufl. Ratisbonac: PUSICI o. j., S. 449 IConOrJ m;llal 32, 78-79].
O E LUß/\C, Henri: COrpNl MYlh'rum. U f'(ht lind die EII(han'slie im Mi/lllolllr. Einc historische Srudie. Übers. von Hans Urs von ß ahhasar. Einsicdcln: J o hannes 1969, S. 74. "Si quaeris modwn qua id (jeri possil, brevltc.r ad praescns respondco: Mysleriwll fidei crcdi salubriler polest, \'cstigari utiliter non potes!." L \N FRI\NC VON CA,VrERUURY: Optro oHlIlial ... ]. Paris: Garruer, i\ligne 1880 (= I>acro logia Latina 150), Sp. 4210 IDe rorporr tl !ongm"ne Domini. wn 1070].
'"
"Quod Ct si philosophia non capit, fides tarnen capil. EI maior est verbi dei autoritas quam nostri ingenii capacitas." LlJrHER, Manin: IWerkt. Kritische Gesanuntausgabe. ßd. 1-66. Weimar: ß ö hlau 1883ff. ß el. 6, S. 511 , 38-39 IDe (ap,in'Iole Bai!Jloniro t«luiae prolludium, 1520}.
'"
Vom Ltib Ullf! Blul du Htmt. Einsiedcln, Tricr. J ahannes 1988, S. 2 1f. ILibtrde rorporr tl langNine Domini 3, 1; PL ßd. 120, Sp. 1275]. PASC HASIUS RADBERTUS:
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chari stie aber ein Achciropoic/os [VI. 1] , sie ist ,ni cht gemacht'. N ach Paschasius wird die Hos tie " nicht durch menschliches Verdien st, nicht durch men sc hliche \X'orre ll10n IIIctitis, non I/erbis hUlllanis], sondern durchaus kra ft göttlichen Auftrags erwirkt und ko nsekriert" .242 Er betom ferner, daß die zentralen \Vo rte der Konse krationsformel (z. ß. ,Dies ist mein Leib ... ') au s der Bibel nicht von den Evangelisten, sondern von J es us, al so Gott selb st, stammen: "Von hier ab sind es dann die Worte Gottes [verba SJln/ DCJ], erfüU t von aller Macht und Kraft."w D ie Unlllille/barkeil der eucharisti schen Kommuni(kar)io n wird ganz Uar dadurch gewährleistet, daß das Zeichen verspeis/ wird [IV. 2J . Auf diese \Y./ eise wird die Sugges tion einer dink/en Ancigf1lmg erzeugt: " durch das Sakrament des Leibes und Blutes bleibt Chri stus {...] durch die Einheit des Fleisches und Bl utes lJOli!alc Ctlmis c/ sanguinis] unleugbar in uns. So sind wir nunmehr G lieder Christi und nähren un s von seinem Fleisc h [q/IS rame vescilllll ~, so daß wir nichts anderes sind als sein Fleisc h und Bl ut, wovon wir leben."2+1 Diese Unminelbarkeit der körperlich-direkten Gegenwärtigkeit hat schon früh zu Mirakelberichten über die göttliche Präse nz gefühn. Scho n im 9. J ahrhundert kann Paschasius auf jahrh undertelange Überliefe rungen von eucharistisc hen \Xlundern zurückbli cken: "Jeder, der die Lebensbeschreibungen der Heilige n liest, weiß, daß die mysti schen Geheimnisse des Leibes und Blutes l...J o ft in Gestalt ei nes Lammes oder im Aussehen von Fleisc h und Blut sic htbar geworden sind [visibi/i specic i!lllgnijöm/(IIII all/ in Ctln/is c/ salJgllilJis co/Oft'" mom/ra/a sill/I. 1... 1 So sah man etwa beim Brechen oder Darbringen de r O p fe rgaben ein Lamm in d en I-länden oder wie bei einem Schlachtopfer Blu t in den Kelch f1ießen.«245 Ganz häufig erfo lgen auch mystisc he Visionen und Auditionen des l\tittelalters nach der Einnahme der Hostie. Ein typisches Beispiel ist de r A nfang ln von Hadewij chs J/isiomclJ (- 1239- 1246): "Es war an einem Sonntag nach Pfingsten [lJ, al s man mir den Leib unseres Herrn an mein Bett brachte, denn ic h fühlre mich stark angegriffen durch ein ekstatisches Verlangen in meinem Geis r I...]. N achdem ich unseren Herrn empfangen hatte, ve reinigte er mic h mit ihm [...1."246 J
m
Vom Lrih Nnd ßIN! des Herrn. Einsiedeln, Triel. J ohanncs 1988, S. 68 [über de rotport I1 songNine Domini 15, 1; PL Bd. 120, Sp. 132 11.
Ul
Vom Ltih Nlld BIIII du Hlrrn. Einsiedeln, Triel. J ohanncs 1988, S. 69 [Lilnr de rotport el sanglline DOlllini 15, 1; PL Bd. 120, Sp. 13221.
I'ASCI-IASIUS RADBERTUS: P,\SC HAS IUS R.,\DBERTUS:
Vonl Ltib Nnd ßII,I du Herrn. Einsiedcln, Trier: J o hanncs 1988, S. 45 [übtrde rorport I1 songlIin, Domilli 9, 5; PL Bd. 120, Sp. 12971 . PASC HASIUS RADBERTUS:
Von, Ltib lind BIIiI du Hfrrn. Einsiedcln, Trier: Johanncs 1988, S. 66 f. [Libtr derotport el sangNine Domini 14, I; PL ßd. 120, Sp. 13161. PASCHASIUS R!\DBERTUS:
Z46
5 10
" Her gebcurde op een zondag in hel OClaaf van PinksIeren dar rnen rne onze Heer tbuis aan bcd bracht, orndat ik me dermale aangegrcpcn voclde do r cen cxtaosch verlangen " an rnijn geest [... 1. Nadal ik onze Heer o nn'angen had, ycrcnigdc Hij rnij rnel "I ern"; H ADE\V1JC H: Visiotntnbotle. Hrsg. von Hcrmann W. J. Vckcman. Nijrnegcn: D ckkcr & Van de Vegt 1980, S. 22.
Ebenso eklatant wie die Un/IJillelbarkeil der diätetischen Aneignung ist auch die Gedäc hmisfunktion der E uchari stie, welche in Form kulti scher Vergegenwärtigung auf den Urspnmg als Lcitfunkrion im Sinne einer f undierenden Geschichte \Cerweist. So verstanden, erscheint der Ritus der Eucharistiefeier als kllillfrelle .\lIne/IJoledmik: " Das christlich e Abendmahl, da s ja offe nsichtlich aus dem jüdisc hen Seder hervorgegangen ist, hat diese Form des erinnernden Verweisesgenau bewahrt."w Die symbo lischen Formen erzeugen eine If/ieder-Holung des Ursprungs. Durch den lf/iederhollfngst}Vant 48 des kulti schen Riruals wird die Figur des no rmativen Ursprungs immer wieder aufs neue nicht nur vor dem Vergesse n bewahrt, sondern im emphatischen Sinne 1I1iederbeleb/. Die Eucharisti efeier vergegenwärtigt dabei einerseits die Ei"SelZllngsszene des Abe ndmahls, das von Pries ter und Gemeinde gleichsam szenisch ,simuliert' wird. Als "Mysterium der Ko mmemoration" wiederholt sie zugleich "das eine und einzige geschichtliche O pfer",249 re-präsentiert den ..einst auf Golga tha real geschlachteten und real dargebrachten Leib"250, vergegenwärtigt also da s Zentral signiftkat des christlichen T extsystems überhaupt. Daraus resultiert: Dllrch die Hostie gelangt der Rezipient gleichsam zurück ins Innerste, ins ,All erheiligste' der Heiligen Schnfl- auch hier erzeugt die Progranunatik des Ursprungs die Vorstellung einer hermeneutischen \'Viederkunft de s Sinns [V. 2]. Bemerkenswerterweise ist genau diese Figur auch in die Theorie der Eucharistie ei ngegange n. Durch die fmclio, da s Brechen des Brotes, kehrt der Rezipient zurück zum Ursprung, wodurch ihm die Ö ffnung der Schriftgeheimni sse, die upertio Scrip/ume zuteil wird. 251 Zuletzt ist die Euchari stie aber nicht nur dem Urspnmg zugcwan dt, im GegemeiJ verweist sie ,scho n jetzt' auf die eschatOlogisc he Vollendung der Zei t: Die archäo-teleologischc Vergegenwärtigung erbringt nicht nur die Re- Präsentatio n des Ursprungs, sondern impliziert zugleich den Vorgriff auf die absolute Präsenz am Ende aller Zeiten. Auch die Programmatik der ,,4.'hfllichkeil ist ein wichtige r Bestandteil des euchari stischen Idioms, auch wenn sie aufgrund der Dominanz des Geheill/nisses weniger markant au sgebilder ist (auch aus diesem G rund erf.-ihrt die Eucharistie in der heutigen , von der Sill/Illution dominierten emphatischen Kommunikation [11. 8] immer weniger Ve rständni s). Immerhin steht auch die Eucharistiefeier in einem abbildenden Verhältnis zum letzten Abendmahl, weiches sie darstellt. Auch wenn der ,Kern' der Eucharistie ein Mysterium ist, so ist scine O berfläche doch bildlich: .,nichts fehlt dem Sakrament [...], wenn ~7
Vgl. dazu auch ASSMANN, J an: Das /eNllllrtlle Gldä(hlni!. Srhrif t, En·nnlfJml!. lind poliliJ(ht ldmhtiil infriihen Horh/eNllllrtn. 2. Aufl. München: ß eck 1997, S. 77, S. 89, das Zitat auf S. 90.
248
Vgl. AssMANN, Jan: Das /eNllurrl/e Gtdii(h/ni!. Srhn]i, ErinnlfJml!. lind poliliJrht Idenhläl infriibm Hoth/eJlllmrn. 2. Aufl. München: Beck 1997. S. 89.
2~9
D E LUBAC, Henn: Corpus M.Jllinlf!l. Urrbe lind die EII{barillie im Milltlolttr. E ine hislOrische Srudie. Üb ers. von Hans Urs von Balthasar. Einsiedeln: J ohannes 1969, S. 78.
'" :m
Ebd., S. 8 1. Vgl. ebd. , S. 89.
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Ist die Ho stie ,nur ein
. hco .,. Z... ele Abb. 49 (oben): Wunder d es Jes uski nd s in der Ho stie, das der Legende
zufolgc Eduard dem Bekenner (- 1003-1066) wid erfa hre n sein so ll. ~1.ittc des 13. Jahrhunderts.
Abb. 50 (rechts): Hostienwundcr aus der
Messe des heiligen G regor. Aus einem Stundenbuch, ca. 1520- 1530.
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außen ein vollkommenes Gleichbild jsimilillfdo exlenlfS] vorliegt, innen die gan ze Kraft des L1.mmes am Werk ist"252. Tatsächlic h ist die Ähnlichkeit ein zwar untergeordnetes, aber dennoch kon stitutives Merkmal aUer Sakramente. In einem Brief au s dem Jahre 408 schr eibt Augustinus an ßonifatius über diese: "Wenn aber die Sakramente keine Ähnlichkeit zu den Dingen, deren Sakramente sie sind, aufweisen, so sind sie nicht wirklich Sakramente" 253 - was die Tradition fortschreibt, wie
ei ne Stelle bei Pctrus Lombardus (ca. 1100- 11 60) belegen kann: " Das Sakrament weist zu der Sac he eine Ähnlichkeit auf, deren Zeichen sie ist."254 Die Ökono mie der Euc haristie erwies sich als ungeheuer erfo lgreich, wenn man bedenkt, über \Velchen Zeitraum und in welcher geographischen Ausdehnung ein verhälmismäßig einheitliches Kultgeschehen durchgefühn werden konnte. \'<'ie effizient das Idiom der Euc haristie den Glauben an die Realpräse nz programmiert hat. läßt sich unter anderem an den zahlreichen legenden von Euc haristiewundern zeigen , in denen etwa blutende Hos tien verspeist werden oder das Jesuskind in den Händen des Pries ters erscheint und Stücke davon an die G läubigen verteilt werden.255 Diese beträchtliche Leistung läßt sich natürli ch nicht aus einer der Hostie inhärenren, ,übernatürliche n' Signifikatio nskraft herleiten. Ganz im Gegenteil ist das Punktio nieren de s euchari stisch en Idio ms auf einen ungeheuren kom mun ikativen Aufwand angewie se n. Es ist die unau t11örliche Sclbstko nditionierung dieser Kommunikation sform, ob ,theort:tisch ' oder ,pragma· tisch\ ,implizit' oder ,explizir\ schriftlich oder mündlich, welche die Autopoiesis des Abendmahls gelingen läßt. Das kann auch Miri Rubins Srudie Corpm Chrisli - The Elfchm7J1 in l....olt Mediev{/I Clfillfre veranschaulichen. Rubin s Untersuchung zeichner verschiedene Segmenre der spätmittelalterlichen Kultur des Abendmahls nach, \Vobei sie vor allem auch die Kenntnisse des einfachen Klerus bis hin zum eucharistischen \Xli sse n der Laien berücksichtigt und die Interaktionen häufig verwe nderer Vokabeln, Motive und Symbole herausarbeirct. Für die Euchari stie giJt wie für alle emphatischen Kommunikationen: "ir could either be wholly espoused - Christ, miracle, well -being - o r negared
V om Ltib lind BIIII du Hrmt. Einsiedcln. Trier. Johanncs 1988, S. 65 ILibtr dr (orport tl fongJlinr Domini 13, I; PI.. ßd. 120, Sr . 131 51. PASCHASIUS RADB ERT US:
lli
m
..Si
cnim sacramcnta quamdam similirudinc.m earurn rc.rum quarum sacramema sunt, non haberent. omnino sacramenta non essem" A URELI US A UG USTIN US: Oprro onmio 1...1. ßd. 1-16. Paris: Gam ier, r\'ligne 1865-1877 (= Parrologia Latina 3247). ßd. 2 [pI.. 331. Sr. 364 [ßrief N r. 98J. "Sacramenrum eius rei similitudinem gerit, cuius signum est." P ETRUS LoMBARD US: Libn" qJl ollIOr JrnlmliOlllm. ßd. )-2. Florenz: CoUegium S. Bonavenrurae 1916. Bd. 2, S. 746 [IV, 1, 41· Sichc zu solchen Legcnden R UBIN, ~\'liri: COrpJ(f OJn"JII: Tbe Eu(bon"fl in LaIeMtdiet'(11 Cllllllrt. Cambridgc: CU P 199 [, S. 108-129. Rubin arbeltct vor allem heraus, wie diesc Legenden (also: das was gelcsen werden muß) als exemplarische Texte benutzt wurden, um den Glauben an die Eucharistie anschauüch an die Laicn zu vennittcln.
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and rejectcd.«256 Rubins Buch do kumenticn in unserem Z usammenhang den ungeheuren Apparat von T extcn bzw. Kommunikatio nen , der im Spätmittelalter notwe ndig war, 1111/ nJlr eine einifge Unterscheidung al/I Leben tl' erhalten: Welche Zeichen als elllphatische Kommunikatio nen anzunehmen sind, und welche eben ,bloß' Zeichen sind. Dies gil t in jedem Fall für die Frage nach dem Hoheits recht über die euchari stische Ko mmunikation, die über lange Zeit eine über Leb en und T od war: " the cuchari st became identified as a controversial o bject, a militant emblem of a struggle umo death. There were no two ways abo ur it, so when a crisis abour its use and meaning emerged , Europe was thro ...vn into tunnoil for 150 years over ir.« 257 Dieser Kampf um die Vorreiterrolle der MedienwirklIng wird heute auf dem freien und globalisien en Markt der audiovisuellen, elektro nischen Medien mir wirtschaftliche n Mitteln ausge fochten und erwa durch Umsätze und Quoten abgebilde t. Entscheidend bleiben dabei die Kriterien, die fes tlegen, unter weichen Bedingungen Medien ihre eigene Medialität auss treichen und eine n eigentümlichen Mehl7JJerl erzeugen, so daß sie bei den Rez ipienten Phantasme n der Überschreitung, halluzinato rische Reali tätserlebnis se, Szenen der Überwäl tigung generieren. D ie Progra/llllJe, die darüber entscheiden, unter welc hen Krite rie n Medien emphatisch ode r ,bloß' instrumenrell rezipien werden, lasse n sich dabei über J ahr tausende zurückverfolge n. Bis heure gil t: \Vler diese Regeln okk upiert und beherrscht, de r beherrscht auch die jeweilige Mediologie auch in unserer Zeit und ihre n Medie nereigni ssen von PI(!)'Statioll bis hin zu
ßig Brother. Unsere heutigen medialen Faszinationsmuster sind ausnahmslos programmiert von der Tradition der Medienwirkung: Auch wir lassen uns von ,täuschend echten' Filmeffekten beeindrucken oder verfallen der Ill usio n des Cybe rspace. Auch wir verwechseln heure Medium und \Vlirklichkeir in unzähligen D OC llRealities. \Vlir erleben die ungebrochene Konjunktur des ,Echten' im Boom der Biographie, auc h heute noc h verschlinge n wir ,wahre Frauenschicksale' oder hören von Dierer Bo hlen, wie es ,wirklich war' . \Vlir werden bewegt von jo urnalistischen Berichten über ,echte Ereignisse'. Wir frö nen dem Sta rkult von Rnbbit IVillia/lls bis hin zu Diof/a. Teenager flippen auch heute noch auf LIVE-Ve ranstaltungen so aus, daß sie o hnmächtig au s dem Ko nzertsaal getragen werden müssen. O der die Ra,!illg Nation erbebt im sympatheti schen Spirit des Ecsta.ry- Rallschs. \Vlir zergehen bis heute in RührsfÜcken von Jissy bis zu Tita"ic. \Vlir lassen uns bis zum Zerreißen spannen von Hirc hcocks PD'cho bis zum JclJllJeigen der L illllller. Wir erö rtern Ver schwörungs theorien: \Xlurde Ken nedy vom FBI erschossen, wurde Marylin Mo nroe vom C IA ermo rde t? \Vir
1S6
Ebd., S. 347. Ebd.
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lassen un s fesseln von den Eruptionen der Skandale. Wir lesen atemlos Harry Poller und erschauern in Der He" der Ringe. Wir versenken uns in Ursprungsmythen von Troja bis hin zu Brafle H earl oder Kiinig ArlUI. Oder wir genießen ein Konzert auf authentischen Originalinstrumenten. Wir schwännen fur Antiquitäten und alte Des ignerstücke. Wir geben eine Menge Geld aus für einen ,echten Van Gogh'. Und bis heute verspüren viele Menschen das Verlangen, ihren Körper durch Tätowierungen unwiderruflich zu markieren. Alle diese Verhaltensweisen sind nicht nur unwahrscheinlich, sie sind völlig irrational in Anbetrac ht der Tatsache, daß es sich ,bloß' um Medien handelt. Verstehen lassen sie sich nur als Ergebnis einer jahrrausendealten Vorgesc hichte der Medienwirkung.
I will not argue the maucr: Timc wasrcs too fast: cvcry lcttcr I trncc teUs me wim wruch rapidit}' Life follows my pen; the days and hours of je, more precious, my dear Jenn)'! man thc rubies abour th)' ncck, are fl ying Qver our hcads likc light clouds of a wind)' day, nc"ct to rerum morc._2S8
---~
STER..'lE., Laurencc: TIN Lif t ami OpiniM! ofTnilra", Shont!J, Gtnlltman. Hrsg. von lan Camp-
bell Ross. Oxford, New York: O xford Uni\'ersit)' Press 1983, S. 498.
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VIII. Literarurverzeichnis
Aus Platzgründen verzeichnet die folgende Bibliographie lediglich die in dieser Arbei t zitierten und berücksichtigte n Titel, nicht jedoch die gesamte gesichtete Li teratur. Beiträge aus Sammelbänden werden nach dem Autor zitiert, der Band selbst wird nur dann eigens unter dem Namen des Herausgebers angeführt, wenn cr für die Fragestellung dieser Arbeit von zentraler Bedeutung ist.
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IX. Abbildungsnachweise
Umschlagabbildungen: Oben link s:
Der Dich/er unos /ln/enn;SI den j ungen MOlIsaios. Rmfigurige Schale, Innenbild, - 440-435 v. ehr. RMN. Original: Paris,
Unten link s:
r\!fusec du Louve, G 457. Foro: Herve Lewandowski. Vertrieb bpk Berlin . Benm:zo Gozzoli, Der Triumph des H f. Tho/JIos von Aquill (Detail). Gemälde, Öl auf Ho lz, 15. Jahrhundert. RMN. O riginal: Paris, Musee du Louve, Inv 104. FotO: Herve Lcwandowski. Vertrieb bpk Berlin . Heinrich Beck, FiinfMädcben im IVa/d, in , IVer/hers Leidm' lesend
Unten rechts:
(Detail), Aquarell über Federzeichnung, Goethe Muse um Düsseldo rf. Mit Lizenz von getryilJloges.
Oben rechts:
Abbildungen im Text: . Abb. I: Abb.2:
Abb.3:
Abb. 4: Abb.5: Abb. 7: Abb. 8: Abb.9: Abb. 10:
•
aus BELTI NG, Han s: Bild IIlId lVIII. Eine Geschichte des BHdes lJOr de",
Zeitalter der KJmsl. München: Beck 1990, S. 62. aus Umnia. Taschenbuch mif das Jahr 1838. Eine Reproduktion wurde mir freundlicherweise von Pro f. Fritz Nies zur Verfügung gesteIIr. BibI. Nat. Paris, Cabinet des Estampes, Ca27c fol., Cliche 51 c. 6037. Eine Reproduktion wurde mir freundlicherweise von Pro f. Fritz Nies zur Verfügung ges tellt. tvlit freundlicher Genehmigung des Goe rne-Museums Düssel dorf. lvlit Lizenz von get!;rillJagn. aus GOl'vffiRl CH, Ernst H.: Art and Illusion. A Slur!J ill/he Psycholo!J oj Pic/orial &pm,nlalion. London: Phaidon 199511960], S. 117. aus ebd., S. 71. aus ebd., S. 71. aus ebd., S. 71.
577
Abb.ll :
Abb. 12: Abb.1 3:
aus FREEDB ERG, David: The POIPer oJ Images. Studies in /be l-liSIOI) l und Theory 0/ Response. Chicago, Lo ndo n: The Universi ry o f Chi cago Press 1989, S. 176. aus ebd., S. 183.
aus D 'OTRANGE t\.1ASTAI. Marie-Louise: Illusion in A rt. Trompe l'Oell. A His/ory 0/ Piclon·of lllllsionislII. London: Secker & \X/arburg
Abb. 14:
1976, S. 9 1 (Wien, Österreich ische Na cio nalbiblio rhe k, Cod. 1857, fo l. 43). aus F REEDß ERG, D avid: The POJller oJ Images. Studies in the HisIOl)1 und Theory of Response. Chicago, Londo n: The Universir)' of Chicago Press 1989, S. 195.
Abb. 15:
mit freundlicher Genehmigung des Kunsthistorischen Mu-
Abb. 16:
Abb. 17:
Abb. 18:
Abb. 19:
se ums, Wien. au s D EWITZ, Bodo von und Roland SCO 1'11 (Hrsg.)Alles IPah". heil! AI/es U ige! Phologmphie lind IF/irklichkeit im 19. Jahrhundert. Die Sall,,"hmg Rober! Lebeck. Ausstellungskatalog Kö ln 1997, S. 37. au s RUCKER, Rudy, R. U. SIRl US und Q UEEN Mu: Mondo 2000. A User's GJlide 10 the Ne/v Edge. New York: Thames and Hudson 1992, S. 253. aus F1 NGER.t"\JAGEL, Andreas (Hrsg.): /11/ Anfang lIIar das IWott. Glanz lind Pracht illuminierter Bibeln. Köln et al.: Taschen 2003, S. 18 (Hieronymus, Bibelkoll/II/e!l/are, Wien, ÖN ß, Cod. 930, fo l. 1r). Roben Campin (,Meiste r von Flemalle,), Die Heilige Baro(ml,
1438. Mir freundlicher Ge nehmigu ng des Museo dei Prado, Madrid. Abb. 20:
Abb.2 1: Abb.22:
Abb. 23:
Benozzo Gozzoli, Der TnUlI/ph des HI. Tholl/as von Aquin. Gemälde, Öl auf Holz, 15. Jahrhundert. RMN . Original: Paris, Musee du Louve, Inv 104. FotO: Herve Lewandowski. Ve rtrieb bpk Berhn. mit freundlicher Genehmigung des Deucschen Werkzeugmuseums und Heimatmuseums Remscheid . BibI. Na<. Pari s, Cabinet des EStampes, Cd 39, C liche 39, C lichc
41 C 49037. Eine Reproduktion wurde mir freundlicherweise von Pro f. Fritz Nies zur Verfügung gestellt. aus \VUN DERLI CH, Heinke und Gisela KLEI\H -KOZ INO\'(ISKI (Hrsg.): Leser und Lek/üre. Bilder "nd Texte O/IS Z?'ei j ahrhunderten. D o rtmund: Harenberg 1985, S. 65. Ursprüngli ch aus EWALD,j. L : Die Klms/, ein gutes "!fädchen, einegll/e GOllin, !vlllller ulld J-Iou.ifm" '(!, werden { ..]. Brem en: Wilman s 1798, S. 130f.
Abb. 24:
aus SCHLAFFER, Hannelore: K/(lSsik lind R!J1I/(lI1tik (1770- 1830). Stuttgart: Krö ner 1986, S. 124.
578
Abb. 25:
Abb.26: Abb.27:
Abb. 28:
aus Biblia Gemlflflica. Übers. von Marrin Luther. Paks. Nachdruck der Ausgabe Wirtenberg 1545. Sturtgarr: Würrtembergi sehe ßibelansmlt 1967, lUustfluio n der Johannesapokalypse. mit freundlicher Genehmigung des Kunsthisto rischen Mu seums, \'Vien. aus FINGERNAGEL, Andreas (Hrsg.): /11' Anfang lvar das It7orl. Clonz lind Pracht illuminierter Bibeln. Kö ln er al.: Taschen 2003, S. 18 (U uechrer Prac hrbibel, Wien, ÖN B, Cod. 11 99, fo !. Ir). mir freundlicher Genehmigung des Kunsthistorischen Mu-
seums, \'Vien. Abb.29:
mit freundlicher Genehmigung des Kunsthistorischen Museums, \'(Iien.
Abb. 30:
aus SCHÖN, Erieh: Der Ver/list der Sit1l11ichkeil oder Die Venwllld!ungm des users. Menlalitiilswandel JIIIJ 1800. Stuttgart: Klcn -Cona 1987,S.8. aus RUCKER, Rudy, R. U. SI RIUS und Q UEEN Mu: Mondo 2000. AUser'! Guide 10 tbe Nelll Edge. c\v York: Thamcs and Hud son 1992, S. 41. aus FI NGERNAGEL, Andreas (Hrsg.): 1111 Anfang u!ar das l17orl. Glanz Imd Prachl illlllllinierler Bibeln. Köln et al.: Tasche n 2003, S. 143 (Wien, ÖN B, Cod. 1191 , fo!. 4r). au s FINGERNAGEL, Andreas (Hrsg.): /111 Anfang JJ!ar das 1170rl. GlallZ Ulld Pmchl illulllinierter Bibeln. Köln et al.: Taschen 2003, S. 83 (Wien , ÖN ll, Cod. 11 50). mit freundlich er Ge nehmigung des Kunsthistori schen Museums, \Xlien. aus Galerie der Rf)lIlanlik. Hrsg. von der Nationalgalerie Berlin. Karalog Staatliche 'lussen Preußischer Ku}turbesitz. Berlin 1986, S. 30. au s MANN , Golo ee al.: UnserJtlhrhllndert illl Bild. Güeersloh: Bcrrclsmann 1969, S. 420. aus FREEOßERG , David: The POlPer of /Illages. SIlIdies in Ihe Hislory {lnd Theory of lVspome. Chicago, London: Thc University of Chicago Press 1989, Umschlag (Londo n, National Galle!)'). aus L EGNER, Anmn (Hrsg.): Reliquien. Verehnmg lind Verk/iinmg. Aussre llungskaralog Köln 1989, S. 83 (Rheinisches Bildarchiv, Köln). aus BUSSAG LI, Marco (Hrsg.): Rn/m. Arl and Archilecllfre. Köln: Könemann 1999, S. 302. aus FREEDßERG, David: The POJller of IIIIages. SIlIdies in Ihe Hislory and Theory of RLsponst. Chicago, London: Thc Univcrsity of Chic.go Press 1989, S. 208.
Abb.31:
Abb.32:
Abb. 33:
Abb. 34: Abb.35:
Abb.37: Abb.38:
Abb.39:
Abb. 40: Abb. 41:
579
Abb. 42:
Abb. 43:
Abb.44: Abb.4 5:
aus FRI EDMAN, Mira: Bilder zur Bibel. A lles Tes/all/enl. Bayrcmh: G ondro m 1985, S. 63 (Bibel von Mo uDer GrandvaJ, To urs 834843; Lo ndon, British ubrary, Add. 10564, fo l. 25v. aus FI NGERi\JAGEL. Andreas (Hrsg.): 1111 A tz/ang Jl1ar das IV'ori. Glanz "nd Proc'" illuminierter Bibeln. Köln e r al.: Taschen 2003, S. 23 1 (O N B, Cod. 1379, fol. Sv). aus SC HLAFFER, Hanne lore: Klassik IIlId H.J)!I/(lIllik (1770-1830). Sruttgart: Krö ner 1986, S. 126. aus SCHLA FFER, Hannelo re: Klassik lind Ro/J/antik (1770-1830). Sruttgart: Krö ner 1986, S. 132 (Kupfers ti chkabinett Dresden).
Abb. 46: mit freundlicher G enehmigung von RTL 11 / Endemo l, Kö ln. Abb. 47-48: aus ULLR.l CH, Wo lfgang und Sabine SC HIRD EWAH N (Hrsg.): Stars. Annähenmgen an ein Phänomen. Frankfurr/ M.: Fischer 2002, S. 2 11 und S. 2 16. Abb.4 9: aus RUBI N, Miri: Corpus Christi. The Ellr!Jansl in LaIe A1edievtll CU/' 'ure. Cambridge: CUP 1991 ,S. 11 7 (Le esloirede senl AedlJ/ard le reit Cambridge Universiry ubrary, Ee.3.59, S. 37). aus RUBI N, Miri: Corpus Christi. The EJlfhansl in LaIe J'vlediu',,/ Cu/Abb.50: Cambridge: CU P 1991, S. 123 (Malibu,J. P. G ett)' Museum , Ms. 3, ßrüsscle r Srundenbuch , Simo n ß ening zugeschrieben).
I"".
580
x. Nachbemerkung
Vorliegende Srudie wurde im \Xlim ersemesrcr 2003 / 04 von der Philosophischen Fakultät der Uni versität zu Kö ln al s Disserracion ange nommen.
Herrn Prof. Dr. \Xlal ter Pare danke ich für außerordentliche Unterstützung und engagierte Betre uung. Die fac hlichen Gespräche mit Dr. Heiko Chri stians waren für mich sehr anregend. Viel konstruktive n Input habe ich von Dr. Daniel FuJda erhalten. Außerdem beda nke ich mich für die tatkräftige Förderung meiner Forschungszei t in England an der Universität Cambridge. Hi er sind zu nen nen vor allem Prof. Or. Howard Erski ne- Hill, Oe. Peter Oe Bo lla sowie eohn \Xlilcockson. Herrn Prof. Fritz N ies von der Universität Düsseldo rf danke ich fur Unterstützung bei der Suche nach Illustrationen. Von der Unive rsität Köln möchte ich noch Prof. ßlamberge r für freundliche Hil festellungen dank en, Prof. Dr. Dictz ß ering für energischen Z uspruch lind Dr. ULrike Janssen fü r viele anregende Diskussio nen.
581
XI. Regis ter
1. Personenregister Aaron 159
Abraham 340 Adam 160 Addison, Joscph 472 Adonaj 163 Aencas 179
Aischylos 58, 6S Alcwyn, Richard 255 AII'Pius 180 Ambrosius 182- 184, 194- 196,342 Am.is, Manin 330 And res, 5tcfan 381 A nz, Thomas 18 ApolIon 175- 176
Apulcius, Ludus 236 Ariost, Ludovico 23 5-236 ArislOlclcs 38, 40, 58, 65, 7 1--84, 106, 11 9, 124, 136, 151, 177, 185- 186, 188, 236-237, 245, 247, 253, 279, 440, 467,50 1 A m im, Bertina yon 485 Assmann, Alcida 213 Aucrbach, Erich 54-56, 88 Augusrinus, Aurclius 30, 39, 157- 158, 178-196, 198-201 , 203-204, 248, 255, 28 1, 29 1, 292-293, 298, 300, 304, 317,337, 338, 349, 35 1, 355, 375, 384, 395-396, 404, 408, 468, 502, 509,5 13 Bacon, Francis 21 54216, 281 Baecker, Dirk 21 ßarcla}', John 237 Barker, Ro ben 128 ßarrhes, Rol and 18,25 ßatteux, Abbe Charles 129 ßaudclaire, Charlcs 134, 322 ßaudrillard, Jean 19 ßaumgarten, AJexander Gottlich 290
582
Ba)'lc, Pierrc 245 ßcaujcan. Marien 250 Becken, Samucl 304 Benjamin, Waher 19, 462-463 Ilcrgk, Johann Adam 268, 270, 273, 275 Bcrnhard \'on C1airvaux 89, 355 Beyer, Johann Rudolph Gonlieb 273, 276, 278 Bicnllan, Arthur 44 Bloorn, f-Iarald 469 ßlumcnbcrg, Hans 72, 137, 177- 178,
2 15,316 Bodmer, Johann Jakob 108,412, 454, 477 Bohlen, Dieter 514 Böhme,Jacob 169,208,352 Bonavcnmra 106, 409 Boni fatius 5 13 ßreitingc r,JohannJ acob 108, 12 1 Brenmno, Clemens 3634364 ßrion, Fricderike 477 4479, 484 Brackes, Banho ld Heinrich 3 15 Büchner, Georg 476 Bularchos 35 Bürger, Gottfried August 305 Burroughs, WiUiam S. 476
Cäcilia, Heilige 197 Caimi, Bernadino 99, lOS Cave, Nick 429 Cha teaubriand, Franc;ois Rene Vicomte de 396 Chrctien de Tro}'es 453, 4584459 Cicero, i\'larcus T uUius 178, 180, 233 Claurcns, Heinrich 262 Climon, Bill 14, 334 Cohn, Norman 427 Coleridgc, Samucl Taylor 137, 229, 386 Comte, Auguste 424
Condillac, Etienne Bonno t d e 378 Cona von Correndor f,Johann Friedrich Freiherr 483 Curtius, Ernst Roben 56
r=oucault,
~1.ichcl
19, 33, 20 4, 206· 207,
3 14, 365 r=ran ck, Sebastian 194, 35 1 Franziskus, Heiligcr 88, 105, 143, 337,
360 Dahl, Erhard 241 Dampier, William
219 ~ 22 1 ,
224-22 5,
260 Dame Alig hieri 2 15 de Quincey, Tho mas 386-387, 390 d e Man, Paul 19 Dcfoe , Daniel 222-2 28 , 240-241,
243-244, 246, 251,259-260,265,27 1 Delacroix, Eugene 134 D errida, J aques 19-20, 22-24 , 187,326,
329, 335, 395, 401 ,406,4 10, 441 D escartes, Rene 376 Diana, Prinzessin 5 14 Dideror , D en is 107- 108,
129- 131 ,
366-367 Dido 179 D o ro rhea Veit 147 D osscker, Bruno 491 Durac k, Elizabcrh 492 Dürer, Albreehr 36, 49-50,127,343 D}'ck, Anron van 360 Eckhan, Mcister 350-35 1, 388, 392 Eco, Umbeno 19, 42, 44-46, 5 1 Eduard d er Bekenner 5 12
Elija 436 E lio t, George 115- 116 EI"is s. ,Presle)'. Elvis' Emm erich, Anna Katharina 363-364 Empedoklcs 409 Engclhardt, Christian Mo rirz 48 1-483 E ngclsing, Ro lf 2 11,259 Esra der Schreiber 158, 17 1 Eusebius "on Caesarea 155 Ezcchicl 341 , 344-355 Faust,J o hann 282-284 Fichre, J o hann Gorclicb 409 Aacius lIlyricus, Manhias 197,352,422 A eming, lan 332 Focrster, Heinz voo 46
Frcedberg, D avid 18,96 Frc ud, Siegmund 325-326 Frc}'tag, Gusrav 484 Frisch, ~'I ax 488 Fuchs, Peter 322-323 Galilei, Galileo 214 , 28 1 Geoffrey o f Monmouth 453 G eorge, Stefan 476 Gcßner, Salo mo n 379
Gildon, eh.rles 227, 242, 244 G illray,James 266 Ginsbcrg, Allen 388-389 Gocthc, J ohann \X/olfgang
7, 11, 11 2, 114-116, 123- 124, 130-13 1, 150,262, 295-302,305-3 11 ,3 15,394, 420-42 1, 473, 476-479, 481-486
Goctz , Rainald 153,384,390, 476 Gogh, Vincem " an 515 Goldsmith, O li"er 478-479 Gombrich, Ernst H. 49, 54, 56 Goodman, Nelson 46, 5 1-52
Gocgi.s 58-60, 62,74-75,336 Göschcl, Carl Friedrich 304
GOll 23, 105, 137- 138, 147, 159, 161 -165, 167-171 , 176, 178,185, 188, 19 1- 192,204, 206, 209,282-283,302, 338,357,390,398, 400,5 10 Gonsched,Johann Chris(Oph 119,378, 477 Gracian y Moralcs, Ba!tasar 285 Greenlec, D ouglas 44 G regor, Heiligcr 512 Grimmclshausen, J o hann J akob Chris(Offcl "on 3 15 G uetti,James 149 Guior "on Provins 453 H adcwijch 5 10 Hags trum , J ean H. 149 HaUer, Albrec h~ "on 243
583
Hamann, Johann Georg 29 1-293, 303, 320, 366,373
Hartmann von t\ ue 383 Hawkeswonh, John 249-250 Hegel, Georg \X'ilhelm Friedrich 128,
Jeremia 436 J esaja 340-34 1 Jesus 55, 88-93, 95,182, 198,357,5 10
Johanncs Cassianus 106 Johannes 189,291 ,342,386, 449
409, 424, 483-484
Heideman n, Gerd 488-489 Heinrich von Oftcrdingcn 41 2 Heinzmann, Johann Georg 275, 27 8 Helena 128 Hemingway, Ernest 476 Herder, Johann Gortfried 114, 141 , 29 1-293,303,3 19-320,369, 371 -372, 374-37 5,377-381,394, 396, 40 1, 41 2, 423, 477
Herodor 176,232, 439, 461 Hija1ka 393, 397
Hirchcock, Alfred 514
Kafka, Franz 476 Kalb, Man'in 333 Kam, Immanuel 141 - 143, 286-286, 290-291 Kenned)', John F. 514
Kerollac, Jack 389 Krrchhoff, Bodo 492
KirrJer, Friedrich A. 19 Klingsohr 412 Klöden, Karl Friedrich 113- 114 Klopstock, Friedrich Go tclieb 139,292, 368, 384,474
Hide<, Ado1 f 425-426, 428, 488-489, 49 1
Hobson, l\'larian 107 Hoche, Johann Gorrfricd 246, 268, 270, 275
Hoffmann, Ernsr Theodor Amadeus 142,385, 387
Knigge, Adolph Freiherr von 121 Kolulllbus, Christoph 2 14 Kracht, Olaf 494 Kris, Ernst 149 Kroeslls 176 Kujall, Konrad 490 Kurz, Gcrhard 149
Höldcrlin, Johann Christian Friedlich 476
1.....1 Roehe, Sophie von 26 1
HOlllcr 176, 182, 292, 404, 451, 453, 464, 469
Horaz 64, 292 Hucr, Picrre Danicl
125, 239, 243,
247-248,250,270 Hugo von lincoln 443
Hugo von Sr. Vicror 207 HUIllC, D avid 394 Huxler, Aldous 388 Ignatius von Lo)'ola 11 , 92 I ngarden, Roman 150 Iser, Wolfgang 18, 27
Isotde 102 Jackson, tvlichaet 498-500 J acob 16 1-162 J ahwe 158, 16 1-163, 165- 167
Janssen, Ulrike 434-435 Jean Paul 24, 124
584
b can, Jac'lucs 326 L.achlllann, Kar! 454 I.....'mge, Theodor 474 L,mfrnnc von Camerburr 509 Lcavis, Qucenie Dorolh}' 150,337 Lcibniz, Gortfricd Wilhclm 290, 376, 394
Lenz, Ja kob Michael Reinhold 137, 146- 147, 337,475
Lconardo da Vinei 122-123 I...c rchhcimer, Augustin 284 Lessing, Gouhold Ephraim 7, 109- 11 0, 11 3, 12) , 135, 145,292, 337
Lew:insk)', ivloll.ica 14, 332-334, 487 Lcw:is, Matthew Grcgory 266 Lcwkowitz, Alben 338 1...0, Warne 7 Locke, John 286
Lofmark, Carl 456 LuciaA von Samosata 236, 440
Ludolphus von Sachsen, 9 1 Ludwig, Ono 279 Lllhmann, N ikJas 19,2 1,25-26 Lurher, tvlartin 92-93, 327, 344, 352, 375, 509 t\hchiavelli, N iccolo 285 . Mahmood)', Bett)' 487-488 MakI' Müller s. ,~\'I üllcr , Friedrich' Mallarme, Stephanc 322 Mann, Thomas 476 Manoah 162 i\hrduck 161 Margarerha Ebner 89 Marmomel,Jean Fran~oi s 107 Marx, Karl409, 424 Matthälls 182 Mauperruis, Picrrc Loui s Moureau de 378 McLllhan, MarshaU 19, 152, 409 Mechthild von Magdcburg 355-356, 382-383 Mendclssohn, Moses 109- 11 2, 124, 141 Mcrzcnich, Hannclorc 490 Moeller van den Bruck , Arthur 425 Monroe, Marilyn 5 14 ivlörikc, Eduard 385 Moritz, Kar! Philipp 113, 129- 130, 138- 140,293-294,309,318,381,470 Morris, Charlcs William 44 Moscs 158-159, 161, 163- 167, 172, 176, 340 Mozart , \X/olfgang Amadclls 475 Müller, Friedrich 296 Myron 130- 131 Nadal, Geronimo 96 Näkc, August Fcrdinand 479-48 1 Narbo rough, J ohn 226 Natalis, Geronimo s. ,Nadal, Gcronimo' N ico lai, Friedrich 288 N ictzsche, Friedrich 42, 321, 384, 394, 409 , 476 Nikolaus von KliCS 137 Noah 340 Nostradamus 28 1, 384
Novalis 138, 141 , 144- 146, 148, 3 16, 318, 412, 414-415, 424, 476 Ödipus 176 Odysscus 176,215 O hl l', Friedrich 203-204, 210 O pitz, Marrin 11 9, 124, 237,394 Ongencs 183, 185, 194, 349, 354 Orvcll, i\1ilcs 492 Panofsky, Erwin 49, 56 Paracelsus, Philippus Aureolus Theophrasrus 281 Parrhasios 35, 38, 40, 53, 6 1, 79 Paschasius Radbcrrus 507-510 Paulus 182, 198,348,359,369, 421 , 446 Peirce, Charlcs Sanders 41 -46, 48, 164, 385 Pcrrault, CharIes 120 Pcrrus 182 Petrus Lombardus 5 13 Philip von Po itiers 453 Philo von Alexandria 178, 182, 185,349 Picasso, PabJo 504 Platon 34, 40, 58, 60-75, 78, 80, 84, 10 1, 129- 130, 15 1, 156, 160, 176, 179, 292, 347, 353-354, 380, 382, 388,394,401 -402, 446 Plinius Secllndus der Ältere 35, 57, 129 P10ti n 206, 354 Plutarch 59, 63-64 Prcslc)" Elvis 429 Promcthcus 136, 138 Protagoras 39AO, 58, 74, Pscudo-Bo na"cnrura 89-91, 197, 337, 422 Pseudo-Longinus 109-110 Pygmalion 108- 109. 231 Rahncr, Karl 338 Ramsay, Allan 25 1 Rankc, Lcopold von 440 Ratramnus von Corbie 507 Rcmbrandt 36 Richard Löwcnhcrl 453 Richardson, Samuel11 , 129, 241 -243 Ricreur, raul 82, 186
585 •
Ritter,J oachim 316 Roper, Trevor 489 Rousseau, Jacques 24, 147,337, 372, 378,383, 409-410 Rubens, Peter PauJ 35 1 Rubin , Mir! 513 Ru}'sch, Rache! 122 Sauder, Gerhard 467 Schedel, Hanmann 284 Schickard, Wilhclm 282 Schilb, Fricdrich 9, 114, 142, 166, 305-306, 309, 380,383 Schlaffer, Hcim 3 11 -312 Schlegel, Friedrich 129, 147- 148, 279, 324, 476, 486 Schlegcl,Johann Elias 120, 129, 139 Schlegel, Augusr Wilhclm 11 7, 123, 135, 138, 140, 145, 297, 305, 3 10 Schlosser, Fricdrich Chrisroph 277 Schmidt, Arno 476 Schopenhauer, Arrnur 32 1 Schonclius, Jusrus Georgius 125 Scusc, Heinrich 95, 358-359, 361-364, 384, 464 Simmcl, Georg 285 Simonides von Kcos 63 Simrock, Karl 454 Sircncn 176 So""tcs 14,39, 60-61 , 66,79, 177, 353, 402, 404-405 Soncsson, Göran 37, 52 Somag, Susan 152 Sophohlcs 176, 269, 279, 292 Spc)'c<, Wo1fll"ng 448, 452, 460, 491 Spicwok, Wolfgang 456 Srarr, Kenneth 334 S!cinhäuser, Robcrr 7 Srerne, Laurence 254 Stierle, Karlheinz 149-151 Srone, Oliver 9 Sulzer, Johann Georg 467 Swift,Jonathan 225, 244 Talbot, Wilhclm Henry Fox 486-487 Tasso, Torquaro 215 Teufel 105-106, 28 1, 283-284, 302-303
586
Theodore de Bczc 505 Thercsa von Avila 35 1 Thiofricd von Echrcrnac h 444 Thomas von AngletclTc 102-104, 116 Thomas von Aquin 388, 508 Thukydidcs 63 Tieck, Lud\v1g 142, 318, 320, 4 12 Tizian 35-36 Todorov, Tzvc ran 119, 129, 139 Tripp, Lind, 334 Trisran 102- 104 Trunz, Erich 478 Varnhagen von Ensc, Karl August 277-278 Vasari , Giorgio 53 Vischer, Friedrich Theodor 279, 313 Vitruv 57 Vorsokratikcr 177 Wackenroder, Wilhclm Heinrich 320 Wafer, Lioncl220-22 1, 224-225 Wagncr, Richard 32 1 Walpole, Horacc 267-268, 396 Warburg, Ab}' 24, 56 Warburton, William 242 Weber, Max 28 1 Weiss, Pelcr 380 Weiße, Christian Hermann 313 Wellbcr)" D ,vid E. 420-422 Wicland, Chrisroph [\'farrin 26 1, 264 ~ 296 Wilde, Oscar 32 1, 324, 476 Wilhclm von Tudela 454 Wilhclm von Narbonne 454 Wilkins, Jo hn 2 17, 246, 248 Wilkomirski, Binjamin 491 -492 Williams, Robbic 514 Winc kclmann , Johan n Joachim 53, 11 9- 122, 128-129 Wolff, Christian FreihclT von 290 Wolfram von Eschenbach 382, 453, 454-460, 464, 488-489 Wordswonh , William 125- 128, 133 Xcnophon 61
Young, Edward 470-473, 482
121 ,3 18,466-467,
Zcuxis 36-40, 43,57,59-60,67,74,76, 109, 11 1, 128- 130, 136, 152,23 1, 336 Zwingli, Ulrich 507 -508
Zcdler,Johann Heinrich 243
587
2. Sachregister
\Venn im Text Fachbegriffe deftnit:n oder für die weitere Argumenracion zu grundegclegr we rden , sind die Seite nzahlen im Register fe n markiert.
Abbild vgl. ,Bild' abdilllllJ I!Itntis 192, 35 1 Abenteuer 214, 249, 254·255, 259, 266, 268, 282 Aberglaube 3 t 5 Ablcirung 14, 24, 335, 394, 399, 405, 4 10,503 Abschirmung vgl. ,Hcgung' absolute ~'l era phcr "gI. ,fundamemale Metapher' absolute Rezeption 159 absoluter Aurar 159, 168 absolutes Bild 67, 69 absolutes Theater 114- 11 6 Abwechslung vgl. ,V arietät' Achciro poictos 446, 447, 461 , 465,
470-471, 478,486·489, 494, 497,504, 509 adamitische Ursprache 400-401
Ähnlichkeit (außerhalb von Kapitel II) 24, 25, 30, 293·294, 308, 31 1, 318, 320, 325, 336, 352, 363, 366·368, 370,377·378,395,399·400, 403, 405,
444 , 446,501-502,504,5 11,513 Allegorie 85, 88, 182.184, 186, 194-195, 200· 201 , 204, 206, 208, 210, 227, 231,233·234,237·238, 240, 246,305, 307·308,3 11 ·3 14, 318,325·326, 338, 395, 403, 411 Almanach 273 Alphabctisicrung 213, 218 Altersbeweis 393
Analogie 33, 206, 207, 208 oflonnttsü-Lchre 70, 396, 405 Andacht vgl. ,Versenkung', ,Bcrrnchw og'
Andachtsbild 93, 96·97 andereWelr 10 , 17,62,277,38 1, 420
588
Angemcssenc, das vgl. ,Übliche, das' Angst 253, 256 Anmut 142 Anrufung vgl. ,Invokation' Anschaulichkcit 62-63, 64, 79-80, 83, 88·95,99,109, 11 3·114,1 16 , 146. 147, ISO, 159, 172, 207, 293, 308, 318·320,336, 364,366·367,50 1 tlpplt "gI. ,Täuschung' Apokalypsc vgl. ,EschatOlogic', ,Hcilsgcschichte', ,Offcnbarung' Apotheose 310, 41 8 A.rbitraritär dcs Zeichcns 19, 46, 66, 80, 84,365, 378·379, 402 IArl/JOllrlArll49
äs thetische Illusion 111 , 11 2, 11 6, 131 Astrologie 205 Ar.lanrjs 412, 41 5 Audition 341, 370, 377, 382, 503, 510 Auflösung 252-253, 263 , 267-268, 271, 274, 277· 281,318 Aufstieg zu Gon vgl. ,S mfenweg' Augcnl usr 85, 179- 181, 199 Augenzeuge 216, 347, 437-439, 449-451,453 Ausdruck 110, 140· 142, 144· 148, 292, 320, 327, 369,476·477,484 Auscrwählte vgl. ,Eingeweihte' Auslegung vgl. ,Inrerpretation' Ausruf vgI. ,Interjektion' Außenseiter 475 Authentike 443-444 Authentizität (außerhaJb von Kapitel Vl) 24, 25, 30, 227·228, 233·234, 24 1-242, 244-245,26 1,265,283-284, 3 17,333,393,40 1, 429, 504,509 Autobiographie 147- 148 Auromare 11 6
Autonomie 120, 122, 128-129, 139, 144, 240, 251, 287, 288, 294-295, 310,3 12,330,470-47 1 Autor 146-148, 159, 168, 241, 293, 314, 337, 350, 353, 356, 374, 384, 423, 433, 439, 448, 451, 459-46 1, 463-466, 474-475, 485-488,492,503-504 Autorisierung 439, 441 , 448-451, 459-461 , 463-464, 469, 504 AUlOrit.~ r 394, 45 1-452, 458-459, 461 , 464-465 Avanrgarde 327, 329 Ballade 244 Bann 9 Bedeurungsbild 86 Bcdcurungskundc vgl. ,f?ypofloia' Bcglaubigungstopos vgl. ,Wahrhcitsbcrcucrung' Beobachrung zweiter O rdnung 37 Bcobachrung crstcr Ordnung 37 Bcrufsschri ftstcllcr vgl. ,Fabrikschriftstcller' BcriihrungsrcLiquic 446 lleme Uer 219, 226, 262, 264, 295, 330, 487 Bctrachtung 85, 87, 90-99, 100- 10 1, 190, 195- 198,204, 210, 270,336 Betrug 59-60, 62, 74; vgl. ,Täuschung', ,Fälschung' Bibel 23, 86, 180, 185, 188-189, 199, 210-211,239, 248,291,316,397,463 Big Brother 495 Bild 8-9, 14- 15, 26, 28, 33-35, 37-38, 41 -53, 58, 60, 62-64, 65, 67-69, 71, 80,82,84-86,89-90,92-95, 102-105, 108- 109, 114,11 7- 118, 132, 143- 147, 155, 157, 160, 170, 174, 213, 293, 3 19,367,375,385, 436, 444,501 -502 Bilderkennung beim Kind 49, 51 Bilderkcnnung bei ,Eingeborenen' 51 Bilderkennung 47-51 Bildersrreit 86 ßilderverbor 158- 160, 50 1 Bilderverehrung 8 Bildungsbürger 325 bimodale Illusion 107-108, 11 2, 131
Biographie 472-475, 480, 483, 486, 49 1, 498,514
bipolare Illusion 107-108, 112, 131 Black Box 27 blaue Blume 414 Borcnworr 341 Braurmystik vgl. ,lIflio "!yJ!ico' Brief 260 Broschüre 271 Buch der Narur vgl. ,Divination', ,SignarurenichTe' Buc hdruck 95, 11 7- 118, 2 11-213, 2 15-2 16, 219,228, 246-247,250-251, 269,272,287 -288,317 , 463,467 Bücherverbrennung 9 Buchillusrration vgl. ,Illustration' Buchstabe und Gcist 184, 198, 291, 302, 335, 369-370, 380, 4 11, 4 16, 420-421 buchstäblichcr Sinn vgl. ,LiteraJsinn' Bühne 57 Bundeslade 17 1 co",era obsClirti 122-124, 127, 131 -132 (Off/em IlIrida 127 t"t'lIlo-Dichnmg 200 Ch'pbook 24 1, 27 1 Chiliasmus vgl. ,Eschatologic', ,Hcilsgeschichte' C Hfh,nger 258-259 Close-up 93 Coca Cola 492-493 Computerspiel 9, 15, 34, 36, 152, 270,
277 Cyberspace 34, 38, 53, 126, 153, 385, 502,514 Daguerreorypie 127, 132-133 Darstellung vgl. ,",inmit Dekonsrruktion 327-328 Delphi 174- 175 Denkmal 472, 482, 484-485 Detektiv 255 Detektivroman vgl. ,Krimi' Dcutung vgl. ,Interpretation' Diagraph 127 diätctische Metapher 11 , 188- 189, 191 ,
589
195, 198, 248-249, 270, 274-275, 277-278,34 1, 342-343,354-355,359, 361,510 Dichter-Denkmal 466 diJIirmJCt 24, 328 diiptttJ 446 Dingbcdcurungskunde vgl. ,Signarurcnlehre', ,Divination' D ionysosfcicr 57 Diorama 13 1- 132
discnlJJeI1 veri (IC f alsi 444 Diskursanalyse 19 Divination 204-205 , 206-208, 3 14-3 16, 363, 365, 366, 401 , 4 13-414, 419,
457, 472
DJ
327-328,390
Dokumcnrarion 497
Dreifaltigkeit vgl. ,Trinität' Dritte Reich, das 425-426 Drogenrausch 385-391, 514 Dunkelheit 188, 198, 324, 331 Echthcirskritik 459, 490 Ecslory "gi. ,Drogenrausch' Ehrfu reht 165-166, 168, 172, 176, 203, 252,282,37 1, 404, 472,502,509 Eige nname vgl. ,Name' Einbildungskraft 12, 119,141 , 143- 144,
290,366, 387 Ein falt 355-356, 372, 388, 416 E in fluß-Angst 468-469 Ein fühlung 293; vgl. ,Empathic' Eingeweihte 166-168, 173- 175, 189, 198-199,2 11, 320-321, 329, 338, 340, 345,353-354,367,389, 403-404, 409,
456 Ekstase 355, 358-360, 363 eleusinischc rVlystcricn 174, 354 Elitc "gI. ,hohe Kunsr', ,Eingcwcihte' Emblem 367 Emergcnz 29 E mpathie 373-374, 375-377, 381, 422-423, 503-504 empfindsamer Roman 259, 261 -262, 264-267, 275-277 , 31 7, 333-334, 384, 396 Empfindung 14 1- 145, ?9 1, 292, 303,
590
320,367-369, 37 1-379, 38 1, 385, 391, 410-411 , 414, 420-421, 502-503 Emphase 9, 11- 12, 20-22,23,25,27, 34, 163, 323-324, 366, 41 7, 50 I, 504-505,508, 513 emphatisches Zeichen "gi. ,Emphase' Empirismus 216, 220, 237 , 239-240, 315, 365 tIIorgtia 63, 64 endliches Geheimnis 176, 213, 252, 266, 317, 329, 332,502 End zeit vgl. ,Esc hatol ogie', ,Heilsgeschichte' E ntelechie 72-73, 79, 83, 136-139 Enthüllung 338 Enthusiasmus vgl. ,Inspiracionslehrc' Entzauberung 281 Episodenspannung 259 Erbauung vgl. ,ß ctrachrung', ,Versenkung', ,Rührung'
Erfüllung 23, 88, 341 , 345, 406-409, 416-4 18 Erhabene, das 142 Erinnerung 70, 339, 393, 396, 402, 405, 419-420, 422, 450, 478, 487, 491 , 5 10-511; vgl. Ollo"lIItsiJ-Lchrc Erlebn is 336 Erlebnisdic htung 476, 478, 480 Erleuchtung vgl. ,Inspirationslchrc' Erlösung "gI. ,Escharologic', ,Heilsgesc hichte' Erregung \'gl. ,körperliche Reaktionen' Erstfassung 452,457 Eschatologie 201, 390, 396, 406-409, 4 11 , 415-419, 422-426, 428, 449, 480, 503, 5 11 Eskapismus 17 Esoterik 330 Erymologic 66, 402-403 Eucharistie 20, 417, 443, 504-514 Evokation 478
Exegese 185
Exklusion 285 Exordialtopik rung'
"gI. ,Wahrhcirsbeteue-
386, 396, 493 Expression. Expressivität "gi. ,Aus-
txoHSlllt
druck' eX lensive Lektüre
211 , 2 12, 214,
T? ?-3 2-7 ?-9 , ?6_:>_-_', .), _, - .J, 269 - ?70 _ , 272-274, 277 -278, 283, 285, 295, 317-318, 329
Fabel 233-234 Fabriksc hriftstcller 11 7, 128,288-289 Joblf/tl 439 Faktische, das 440 Fallsrudie 29-30 Fälschung 223, 225-228, 230, 232-234, 239, 244, 248, 393, 432-439, 448, 451, 453, 459, 485, 488, 490, 496, 504,506 Fankult 500 Fasc hismus vgl. ,Dritte Reich, das', ,Totalitarismus' Fernsehen 20, 26, 58, 61, 71, 152-153, 156,230, 274,288,332,382,494 Fetisch-Zeichen 435-436 fitll IIlx vgl. ,SchöpfungsbcfehJ' figuraler Realismus 55 Fiktionalität 25,30,75,76-71, J 43, 179, 222-228, 229-231, 232-251, 265, 28 1, 287,295,303,3 15,3 17,333, 460-465, 473, 486, 488,504 Film 11 , 14- 15, 28, 34, 39, 44 , 46, 53, 54,77, 114, 13 1,332,502,504 Finalspannung vgl. ,Auflösung' Augblatt 212, 247 F1üssigkeits-I\ lethapher 468-469 Flut -r...lerapher 212, 223, 269, 467 Porrschrin 423 Fortsetzungsroman 256 Fotogrnfie vgl. ,Phorogrnphie' freier Schriftsteller vgl. ,AulOnomie' Freund, Buch als 150,337, 381 fundamentale j\·tctapher 63, 69, 326, 468 fundamentales Signifikat vgl. ,transzendentales Signifikat' Putcht 279; vgl. ,Ehrfurcht', ,Schauder', ,Angst' Ganze, das 138- 139
Gebärden "gI. ,J\'Limik'
G edenktafcl463 Geruhl vgl. ,Empfindung' gefundenes Manuskript 233, 246, 393,
447, 449,45 1,486, 488, 497 Gcgenwan \'gl. ,Präsenz' geheime Gesell schaft 285-286
Geheimnis (außc rhalb von Kapitel 111) 24, 25, 30, 337-338, 346, 352, 354, 368, 386, 389, 395-397, 399-40 1, 403-405, 4 15, 452, 455-456,489, 495, 502,504-506,508-509,5 11 Geist vgl. ,Subjekt', ,Seele', ,Heiliger Geist' Geist und Buc hstabe vgl. ,Buchstabe und Geist' geistige Lckrürc vgl. ,hypolloia', ,Allego-
rie' geistiger Sinn vgl. .~ponoill" ,Signaturen lehre'
geistiges Eigentum vgl. ,Urheberrecht' Gerue 76, 129- 130, 137, 139-140,144, 29 1-294, 297, 30 1, 304, 309, 3 14, 318, 322, 325, 330, 367, 376, 387, 395-396,454, 464, 465, 466, 469-473, 475,480,484, 486-487, 498 Genre, das 147
Gesang vgl. ,"" Iusik', ,Stimme' Geschichtsschreibung vgl. ,HistOriographie' Geserzestafeln 159, 17 1, 438, 447,486,
504 Gestik 370, 38 1 Gewährsmann vgl. ,Autonsicrung', ,Herausgeberfiktion'
Gladiarorcnspicle 179 Glaube 169, 286, 438, 439,44 1 Glossolalie 345-346 goldenes Kalb 159, 16 1, 163, 170, 198, 434-435, 438, 504 Goldenes Zeitalter 392, 41 5.. 41 7-418, 424 Gottesschau 166- 167, 207-208, 2 10, 322 Götzendienst vgl. ,Idolatrie' Graceland 429-450 Gral 458 gratificolio"-Theorie 17
59 \
Grundspannung 259 Gruselfilm "gI. ,Horrorfllm' Halluzinogene vgl. ,Drogenrausch' Handwerk 123, 128, 130, 463 Hefrchcn-Roman vgl. ,Broschüre', ,Chapbook'
Hegttng 164-1 65, 17 1 Hcilige, das 162-164, 209; vgl. ,Transzcndcnz' Hciliger Gcist 23, 184, 201 , 344-345, 347-350, 352, 355, 368,373-374,376, 397, 407-408, 471, 503, 509 Heil sgcsc hichte 407 -409 , 4 15-41 7, 423-426,428, 503 Heimkehr-Mo tiv 410, 41 8 Hcrausgcbcrfiktion 233, 242, 244, 246, 265, 449, 488, 490 Hcnncncutik 187, 29 1, 325-327, 365, 41 1,4 17,420, 422-423, 434,504,5 11 Hennctik vgl. ,Schwicrige, das' Hcr.r. vgl. ,Inncrc, das', ,Empfindung', ,SceIe' H cn~c n ss ch ri ft 343-344, 345, 352, 36 1-364, 402 Hicrarchic vgl. ,Eingcwcihtc' l-I;erog1 )'phe 156, 170, 292-293, 3 16, 320, 366-367 Hicrophanic 163-164, 167 Himmclsbricf 448-449 hineim·crsctzen 373-374, 377, 423 Hintersinn vgl. ,*,ponoio' Historiographie 222, 226-227, 229, 23 1-235,237-242,245, 249-250,283, 406, 439, 440, 468, 491 Hi storismus 2 16, 239 Historizität 441 , 448, 450, 458-462, 487-488, 492, 497, 504,5 14 hohe Kunst 112,1 16, 124,125- 128, 130- 134, 146, 149- 150, 152, 156, 287-290, 293, 295, 29 7-298, 30 1, 304-305, 308-313,3 18,32 1-322, 470, 486, 502-503 hoher Stil 55 holländischc Malerei 121 - 124, 127, 50 I l-I o11)'wOO
592
hOllJIIJagt 466
Homöopathic 374-37 5 HorrorfLIm 267 Hostic vgl. ,Eucharistie' hlllllilila.r "gI. ,Einfalt' Hypoikon 42 hypon,ia 85, 130, 170, 183- 184, 187, 192-193, 196, 198-20 1,203-208,291, 292, 294, 300, 302, 304, 308, 3 15, 33 1, 338-339, 367, 395-396, 403, 414-41 5 idealisierende Nachahmung 70, 128-130,135, 144,1 51 , 50 1 Identifikation 256; "gI. ,Empathic' ideogrammMi sch "gI. ,*,ponoio' Ideomimecik 145 Idolatric 160, 435 lkon vgl. ,Bild' Ikonoklasmus 9 Illusion 25, 33-34, 43, 45, 57, 59-62, 67, 69, 74-77, 84 -85, 87-88, 99 - 11 7, 126- 128, 130-132, 14 1- 144, 148-154, 156, 229-230,3 19, 336,377, 395,501 Illustration 94-97 Imagination 90 Imitation 112, 11 8, 120-129, 131 - 135, 32 1, 467, 502 Immanenz 162, 164 impliziter l...cscr 28 I ndi\~dual - Eschatologie 410, 41 7-418 Inkarnation 210 Innerc, das 22, 190-200,26 1,291 -292, 299, 304, 3 18-32 1, 349, 355, 374, 396, 41 7, 484; "gI. ,Subjckt', ,Scelc', ,Empfindung' inneres Wort 191 -193 inneres Bild 92-93 Insel dcr Seligen 392, 4 17 Inspirations lehre 339-340, 344-350, 353, 355, 365-368, 372-375, 380, 384-389, 39 1, 404-405, 41 5, 441, 464-465, 47 1,503-504 intensi"e l...ckrüre 211, 285, 502 intcnsive Rczcptionsprozcssc vgl. ,Emphase' Interessante, das 213-214, 25 I, 255,
265-266 lmedeur 56 Intc~cktion
sum9 , 11 ,256
141 , 372, 375-376,
378-379,396 I mcm ct 29, 58 Imcrpreration 161 - 162, 168, 173, 175,
185, 189, 194, 200-20 1, 205, 207, 304, 312-313, 322, 326, 338, 346,
352,366,502 Incimü ät vgl. ,Voyeurismus'
Intransitivü,ät 294, 397 , 470 Invokation 339
Jammer 60, 7S Journalismus 77, 212-213, 222, 247 , 440, 462,49 1
Kö rperzcichcn vgl. ,TätOwierung' Kreiszeichen 207, 3 14 Krimi 255, 267-269, 396 Krinunalität durch rvledienkonsum 10 KruzifL< 95, 97, 99, 143,361 Kult 57, 406, 429, 473, 479-480, 482, 484,487, 498, 500,513 Kultbild 8, 86, 93, 174, 446-447 Kultmarken 428 Kultmkritik 10, 61, 152, 156, 270, 288, 329 Kunstkenner "gI. ,hohe Kunst' Künstle r ohne Werk 470 Kün stler "gI. ,Genie' Kunsrverbergung 109- 110, 336
Kupferstich 96, 11 7 Kalender 273 Kannibalismus 225, 260, 507 Kanon 30, 347, 402, 449, 469 !eo1!Jarsü 75, 279
Kuriositätenkabinett 247 kursorische Lektüre 253 Kürzung 241 Kyor-Problem 235, 453, 455-459. 461
Kathedrale 87 Kindheit 372, 410, 412-413, 415-41 6 Kino 15, 20, 26, 34, 36, t 52, 502
Kitsch vgl. ,populäre Kunst' Klarheit 79 Klatsch 333 Kognition 43, 45-50 Kognitionstheorie 26 Konunentar 161, 163, 165, 168, 175, 313,322, 400 Kommunion vg1. ,Eucharistie' Komödie 55, 232 Kompensationsr.heorie 17,225,382 Kongenialität 193, 294 , 347-353 , 373-376,380,389,423,503 Konservative Revolution 425 Konstruktivismus 14, 24, 26, 42 Kontemplation "gI. ,Betrachrung', ,Versenkung' Kontrolle vgl. ,ästhetische Ill us ion' konvemionelles Zeic hen "gI. ,Arbitrarität des Zeichens' Kopie 11 8, 120-121, 122-126, 128-129, 13 1, 134- 135, 142, 148, 151, 2 16, 462, 467,469,50 1 körperliche Reaktionen auf Meruenkon-
Latenz 29, 324 laures Lesen 194-195 Lautmalerei vg1. ,Onoma topöie' lebende Bilder 116 Lebenswelt 17 Leerstelle 324 Leihbibliothek 212, 250-251 , 271 -273, 275-277, 318, 463,503 leises Lesen 194-195 Leitmedium 3 19 Leseanweisungen 28 l.cse forschung 26 L.eserpsychologie 26 Lesesucht 258, 269-272, 274-275, 277, 28 1, 283, 307, 3 18 Lesetempo vgl. ,schnelle Lektüre' Lesezirkel 272 linguiJlic flint 42 Literalsinn 184, 231 ,3 12 literarische Landschaft 315 Lochkamera vgl. ,cnnltm obJCllra' Lohnschreiber vgl. ,Fabrikschriftsteller' Lüge vgl. ,Fälschung', ,Fiktionalität' Makrokosmos 140
593
Mand)'lion "gI. ,Tuchbild' manessische Handschrift 412 Mantik 177,204,208; vgl. ,Divination' Markenzeic hen 474, 476, 492-493 Massenmedium 16, 127 l\hterialitär 327, 33 1 Ma)'da)' 390 mechani sche Imitation vgl. ,Imüation' Medienkritik 382-384, 388, 4 16, 42 1 Medienwirkungsforschung 16-18 IJledilatio 89; vgl. ,Betrachtung', ,Versenkung' memon'a- Theorie 191 - 192, 196 i\'lenschenfresser "gI. ,Kannibalismus' menlal Jel 45 Mesalliance 263-264 [\'les merismus 265 1'\'1essiani smus "gI. ,Heilsgesch.ichre' Metaphc< 81-84, 85, 144, 186- 188, 206, 293, 308,328,378 Midrasch 173 Mikrokosmos 140 Milieu 56 mimuiJ 14, 33, 39AO, 54-55, 61 -64, 65, 66-7 1, 72, 74, 76-8 1, 84, 106-108, 110-112, 11 8- 125,128- 130,135-149, 151,174,229-23 1,247, 319-320,366, 368, 375, 378-37 9, 395, 402, 465, 467, 469, 477,50 1-502,5 11 Mimik 370-371, 38 1 rvlimologik 56 [\'lirakel "gi. ,\'(/under' [\'lirge fühl vgl. ,Empathie' Mode 493 Monotheismus 158, 160 moralische Wahrheit 238, 240, 242-243, 245,246,264,267
Mord nach Medienkonsum 7 Mo rgenland vgl. ,Orient' motivierte Spmche "gI. ,natürliches Zeichen' Musen, die 339, 368, 387, 396, 404 , 441 , 464 Musik 319, 320-32 1, 370, 372-374, 376, 378-379,384,389-390,396, 41 5, 422 Mysterium 174; vgl. ,Geheimnis' M)'stik 190, 193,208-209,322-323,350,
594
354-359, 36 1, 363, 365-367, 376, 384-385,387-389,400, 409,485,503, 508-5 10 mys tische Vereinigung "gI. tmio IJ!JJlica
Nachäffen, das 125, 126, 131, 134, 138 nachahmender Idealismus vgl. ,idealisierende Nachahmung' Nac hahmung vgl. ,/JIimuil naive lUusion 116-11 7, 131 , 134, 146, 149- 150, 155, 157, 159
Name 160- 163, 302, 403, 485-486 Narkotika vgl. ,Drogenrausch' Nationalsozialismus vgl. ,Drirre Reich, das', ,Totalitarismus' I/(Iltlm lIatrmlflJ 72, 137 , 138- 140 !lall1m nalltrala
137
Naturalismus vgl. ,Realismus', ,mimeJiI Narurnsrheti k 316, 366, 382 Na rurgeschichte 215, 2 19, 22 1, 228 natürliches Zeic hen 38-39,4 1,66,68, 84, 145, 160- 161 , 365, 369 -372, 378-379, 401, 403-404, 415, 419 natürliches Abbild 68 Natursprachenlehre "gI. ,Signaturenleh re', ,Divination', ,natürliches Zeichen' nega tive Theologie 192, 2 10 Neue, das 212-213,2 14,2 17,219, 221 -225, 244, 246-248, 26 1, 271,273,
466 Neugierde 165, 175, 177- 179, 181 -183, 185, 189 - 190, 199, 20 1, 212-217, 220-225,228,246-249,251 -252,259, 26 1,269-27 1,273-274,279,281 -283,
299,303,307,3 17-318,333, 404 Neurophysiologie 46A7 nichHrivialc Masc hine 27-28 niederländische Malerei vgl. ,holländische Malerei' Oberfläche 165- 166, 168, 172, 183, 198, 327-328,33 1 Oberfl ächlichke it 152- 153, 156- 157, 181 Offenbarung 87, 105, 167- 169, 173, 192, 201 -202, 204, 207, 208, 214 ,
28 1, 284, 286, 292-293, 302, 304,
3 13,3 15,3 18,322,338,346 , 352-353, 355-356, 363, 367 -368, 3 6-388, 396,405, 444 , 447 Offenbarungszeh 170- 17 1, 253
Öffcndic hkcir 285 Ö ffc ndichkcitsarbcit 483 Onomastik "gI. ,Name'
Onomato pöie 144, 162,378-379, 396, 403 Omkcll74-I77, 205, 405 ordo 55, 234, 283, 457-460 O rie m 4 10, 41 2, 41 9, 423, 456 O riginal 25, 11 8, 120, 135, 3 18,
394-395, 432, 446, 449-450, 463, 466, 467, 469-473, 475-476, 478- 479, 483-488, 492-493, 498, 504 Originalität 11 8- 121, 124- 125, 136- 138, 140, 147- 148, 15 1, 463-467, 469-471, 475, 485 Orphcus- i\'lythos 41 2, 414 , 41 9-420
373, 379, 395-396, 406, 409, 414, 41 7, 42 1, 443, 480, 485, 508, 510-511 ,513 Priester vgl. ,Eingeweihte' profane Sphäre vgl. ,Immanenz' Programm 25 Promer.heus-Symbol 470 Pwphet 340-342, 344-346, 348, 365-367,386,389,396-397, 401 , 407, 437, 447, 463,503 Pseudepigraphie 439 Psychologie 325-326, 329 Public Relations vgl. ,Öffendichkeilsarbeil" Publikumserfolg vgl. ,ßesfsteller' Pythia 174-175, 385 QueUe 440, 451-452, 455, 457-458, 460, 468, 469, 489,504 Qllmlle du Andtl1s tl Modenus 11 9- 120, 466, 469
Panorama 126- 128, 131 - 132, 50 1
Papillolagc 107 Party 389 Parusie 347; "gi. ,Eschaw logic' , ,Heilsgeschichte' Passion 96-99 Penn)' Press 16, vgl. Journalismus' Perspektive 53, 56, 106, 122 Pfingsrcrlcbnis 345-346, 390, 4 17. 510
Phantasie vgl. ,Einbildungs kraft' Phonomimcrik 144
Photographie 39, 13 1- 133, 385, 446,
486, 502, 504 Physiognomie 370
Plagiat 120-12 1, 439, 464, 467, 469,474 PI'!J·S/a/ion 152, 336 plltllma vgl. ,Heiliger Geist', ,Inspirationslehre' populäre Kunst 11 6-11 7, 124- 128, 130- 134, 146, 149- 150, 152, 156, 287 -290, 293, 29 5, 297-298, 30 1, 304-305,308-313,3 18,32 1, 486-487, 503 Postmoderne 327 Postsrrukrur:ilismus 14, 42, SS Präsenz 12, 14, 20, 22-24, 102, 126-127,
Radio 274 Rätsel vgl. ,endliches Geheimnis' Raubdruck 24 1 Rave vgl. ,Techno' Realismus 33, 51, 53-54, 55-58, 88, 151, 154 Realismus, literarischer 132, 134 Realitätserlebnis 12, 336-337 Realiry-Effecr 44 1, 49 1, 495 Reality-TV 494-496, 504, 514 Realpräsenz 86 Realpräsenz vgl. ,Präsenz' Rcfom1406 Reinigung 164 RciscJil erarur 2 17-228, 244 , 249, 259, 266, 268,275-277 , 317, 396 Reliquie 441444 , 472, 480-482, 499 Reproduzierbarkei t 117- 11 8, 120, 122-124, 126- 127, 149,2 16, 462, 493, 50 1 Resonanz 374, 414, 422 Retardation 256 , 257 -259, 267, 280, 307, 332 Rezensionen 245 Rezeptionstheorie 18, 26, 149
595
Rhetorik 52, 59-60, 62, 72-73, 78-79, 180,182 Ritual 163, 174
Roman 222, 226·227. 233, 235, 237-24 1,243, 24 5,249-250,272 fOn/anzi-Debatte 236 Royal Sociery 2 16-220, 225, 228 Rührung 25, 245, 260, 279, 37 1, 375, 376,38 1, 422, 480 nlminoHo 190, 195- 197, 198, 211 , 248, 253,270, 317, 332,359,502
Saccaden 48 Sadismus 364 Saite vgl. ,Resonanz' Sakrament 22, tOS, 2 10, 388, 41 7, 443, 458, 460, 484, 505, 509-5 11 , 513 Sammlung "gi. ,Verse nkung' SampLing 327 Scharlatan vgl. ,Fälschung' Schattenriß 68, 124 Schau vgl. ,Vision ', ,Gonesschau' Schauder 60, 75,37 1 Schauerroma n 259, 265-268, 275-277, 295,317,396 Schei nwelt 62, vgl. ,andere Welt ' Sc heu vgl. ,Ehrfurch t', ,Schauder', ,A ngst' Schlaraffenland 392 Schleier 163, 165, 167, 17 1, 173, 175, 177, 188,252,3 17,502 Schmerz 362-363, 372, 375 sc hnelle Lektüre 253-257, 267, 269-270, 273,277, 280,3 18 Schnitt 54 Schönheit 128,130, 135, 138, 142,290, 294,3 18,320,354, 379 Schöpferische, das vgl. ,Originalität' Schöpfungs bcfehl397-399 Schrei "gI. ,Interjektion' Schrift 20, 23, 24, 86, 89, 92, 144-145, 159-160, 170- 174, 184- 185,335,370, 502 Schriftgelehrte vgl. ,Eingeweihte' Schwcigcgebor vgl. ,Tabu' Schweigen 192- 193,338-339 Schweißtuch vgl. ,Tuchbild'
596
Schwelle 164--166, 168, 17 1, 173- 174, 199,2 15,218,256,3 17,389,502 Sch.ne rige, das 188,293,3 11 -312,321, 324--325,329,331 ,503 Scicncc-Ficoon 428
SCOPJlJ 187 smplllro rontinJUI 194
Seele 141 - 148, 152, 192,201 ,261 , 292, 3 19-320,362,368-371,375,386,472, 502 SeelenfUnkclcin 3S 1 Scelcogrund 35 1 Sclbs tinszcnicrung 475 Selbstmo rd nach Medienko nsum 7 semio tisc hes Dreieck 41
Sensationsrcchnik 265 Sensuali smus 141
JtnJIIJ spiritlmlis vgl. ,l!Jpolloio' scrapiontisches Prinzip 143 Scscnhcimer lieder 477, 479, 481
Seufzen vgl. ,'mcrjcktion' Showdown 3 15 Siegel 448, 458-459, 473, 490
Sicgwarr-Ficbcr 264 Signarurcnlc hrc 85, 203-204, 205-206,
207-208,293,300,3 14-316,365,366, 41 3,416, 457 Simulatio n vgl. ,lIIinluil
Sinnbild "gI. ,Emblem' Sinneswahrnehmung "gI. ,Kognition' Skandal 148,265, 332 Soap-Opcra 495
solo smpJlfm-Prinzip 327 Sophisten 58, 59-60, 72-73, 78, 84 Spannung 25, 252-255, 256-258, 259-260, 263-264,267-270,276-281 , 290,295,307,3 18,332-333,503 Spannungsbogen 257-258, 260, 263, 267 sprrd-u,riling 389 Spiegel 68-69, 85, 93, 106, 11 6, 123, 126-127, 130, 140,148,3 18,440 Sprachvcrwirmng 160 sprechende Reliquie 443, 444 St:ukuit 498, 500 Stil 50, 52-53, 54--56, 79-80 Stimme 15, 24, 25,335,369-373,376,
378-379, 38 1, 384, 41 0, 41 2, 41 5, 420-422 Strukruralismus 42 Srufcnwcg 409, 414 , 41 8, 420,503 Stundenbuch 94
Sub jekt 139- 146, 148, 152, 29 1, 294, 3 18-320, 322, 325, 368, 385, 465, 470-472, 475, 486-488, 492,502-503 Slfdan"J11I1 vgl. ; ruchbild' JIIJ!>nm vgl. ,Retardation'
S)'mboI307 -309,3 11 symbolisch gcncralisicnc Kommunikacionsmcdicn 21 symbolisc he Bedeutung der Dinge "gI. ,Divination'. ,Signa rurcnlchrc' Sympathie 206, 300, 314, 316, 372-373, 380,390, 414-4 16, 422 Synästhesie 152,378 Tabu 163 -165, 174,256,502 Tagebuch 2 17,2 19,224,261,263,334 Tageszeitung 2 13 Tätowicnmg 36 t -362, 515 Täuschung 37-38, 59, 62, 67, 69, 74-76, 83-84, 10 1, 103- 11 2, 117, 13 1, 141 , 143, 154,230-232,25 1,377.395; "gI. ,Fälschung' Itcbnt 52, 72-73, 76, 128, 136,231,463 Techno 389-390 Teleologie 406
Teleologie \·gl. ,Entelechie' Telepa thie 373-374 TcufcJsbündncr 28 1
367-368,385-386,396-397, 404, 414, 4 16, 420, 472,502 tieferer Sinn "gI. hJponoia' Ti« 372, 378-379 fitI11m 448 Ton vgl. ,Musik', ,Stinune' To ra 172, 174,393, 401 , 449 To talitarismus 42 5, 427 Tourismus 493 Tragödie 55, 58-59, 73, 75, 79 Trance "gI. ,Drogenrausch' Tränen \'gl. ,körperliche Reaktionen' Transparenz 66, 68, 152, 157, 160-161, 163, 170,207,400,4 14 transzendentales Signifikat 187, 192, 198, 204-205, 303, 338-3 4 1, 343, 354-356,370,372,385-386,388-390, 395-396, 400-40 I, 405, 414, 41 6-41 7, 422,472, 502, 511 Transzendenz J62, 164- 165, J73 Traum 318, 326, 385-386, 414, 4 18 Traumdeurung 205-206 TrauOlwch "gI. ,andere Welt' T " nn ung 257,259-260, 263,332 rriadisches ZeichcnmodeU"gI. ,semiotisches Dreieck' trialond frror-l'Ikthode 40 T riniräl 170, 2 10 tri"iale i\'laschine 27-28 Tri"ialli terarur "gI. ,popuJäre Kunsr', ,Handwerk' trompt tail 57 Tuchbild 445, 504
Text als Speise "gI. ,diäte tische Meta-
pher' TIlca rcr 57-59, 61, 72, 107, 112- 11 6,
151,179, 181 Theoph anie "gI. ,Hicrophanic' Ibtoria 316, 353-354 TIloorie der zwei Sprachzusrände 20, 22-24 Thrillcr 315, 329 Tiefe 157, 165- 166, 168, 170, 172- 174, 178- 185, 187, 189- 19 1, 193, 195, 198-200, 203, 205, 2 10, 2 12, 2 15, 248,253,26 1,29 1-293,297-305,308, 310,3 13,3 17-320,325-328, 338, 353,
Überliefcm ng 439, 449, 452 Überschreitung der Kommunikation 168 Überwältigung J 1 Übliche, das 53, 75, 78-79, 81, 83-84, 232 Unaussprechlichkei( vgl. ,Unsagbarkeit' Unbegreifliehkeit "gi. ,U nsagbarkei(' unendliche Semiose 42, 327 -328 Unergründlichkeit vgl. ,Unsagbarkeil ' ungemaltes Bild 445, 446, 487, 497,504 ungeschriehcner Text 447, 504 Unikat vgl. ,Original'
597
Imlf) n{jsh"co 193, 355, 358, 37 1, 374, 38 1,
414,506,510 universale Sprnchel9 1, 204, 292, 320 Unmittelbarkcit (außcrhalb von Kapitel IV) 24, 25, 30, 395-396, 399-40 1, 4 05, 410, 420 , 440 , 495, 498, 503-504, 5 10 Unsagbarkeir 25, 157, 168-169, 173- 175, 184- 185, 196,200-20 1,206, 208-209, 211 ,284, 290-29 1,294, 298, 301 , 305,308-312,3 14,3 17-318,320, 322-324,338, 354-355, 380,390-39 1, 400, 502-503, 508 Unterhalrung 2 12, 21 7, 220, 228, 260, 267,297 Unzuc ht durch Medienkonsum 10 Urheberrecht 474 Urheberschaft vgl. .Autor' Urk unde 433, 458 Urquellc vgl. ,Erstfassung', ,Quellc' Ursprung (außcrhalb von Kapitel V) 24, 25, 30, 284, 302-303, 37 1, 378, 389, 432, 449, 456-457 , 466, 469, 493 , 503-504, 510-511
Varie tät 224 , 259, 267-268, 462 Vcrborgenhci t 178 Verbot vgl. ,Tabu' Vcrfremdung 134 vcrfUhne Unschuld 263, 333 Vergegenwärtigung vgl. ,Präscnz', ,vor-Augen-stcllcn', ,.Anschaulichkeit Verhüll ung vgl. ,Schlcicr' Vcrklärung vgl. ,Apotheose' Verschlingen von Tcx ten "gI. ,diätetische Metapher' Versenkung 195- 197, 204, 210 Vidcospicl6 1, 154 Vielfalt 276; \'gl. ,Varietät' vie rfacher Schriftsinn, Lehre vom 183, 187 virtucllc Welt 33-34, 36-37, 54, 57-58,
598
60-63,7 1,74, 77, 99- 105 , 11 3, 11 6, 125, 143- 144, 151, 154- 157, 229,251, 319,385,502,505 Vision von Ostia 192, 338,374,396 Vision 25, 88-95, 98-99, 143, 336, 341, 348,353-355, 357-358,360,362-363, 368,370, 377, 38 1-382,386-387, 41 6, 464, 485,503,5 10 visllcllc Fonnensprache 53-54 vor-Augcn-srellcn 75, 83,90, 101 , 108, 11 3-11 4, 11 6, 146-147, ISO, 186, 336 Vo}"eurisffius 26 1, 264 , 333, 495
\X'ahnsinn 142- 143,293,3 14, 323,325, 387 wahre Geschichte \'gl. ,Historizität' Wahrhcitsbetcuerung 450, 461 , 489 \Ylahrnchmung vgl. ,Kognition' \'(/ahrscheinliche, das 60, 75, 76-77, 231-233, 236-239, 243, 245 Wcissagung "gi. ,Orakel', ,Mantik' Weltaltcr vgl. ,Eschatologie', ,Heilsgeschichte' Wel tgericht 407 Werbepause 256 Werbung 77 Werk 470-475, 483-485, 488, 498 WiederholungslckfÜrc \"gl. f71nJinulio Wißbegicrde vgl. ,Neugierde' Wunder 88-89, 105-106, 510, 513 \X'ürdc 142 Zeil schri ft 273 zcntrales Signifikat "gI. ,rranszendenrales Signifikat' Zeuge vgl. .Augenzeugc' Zitat 199-200,450, 458 Zugang 166, 211 Zungcnrcdc vgl. ,Glossolalic'