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Perry Rhodan Brücke in die Unendlichkeit
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Perry Rhodan Brücke in die Unendlichkeit
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Genehmigte Exklusivausgabe für Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1998 Copyright by Verlagsunion Erich Pabel – Arthur Moewig KG, Rastatt Redaktion: Sabine Bretzinger / Klaus Frick Einbandgestaltung: Agentur Zeuner, Ettlingen Gesamtherstellung: Graphischer Großbetrieb Pößneck Printed in Germany 1998 ISBN 3-8289-0017-8
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Vorwort Liebe Leserinnen, liebe Leser, mit diesem Buch liegt der zweite Band der THOREGON-Buchreihe vor, ein weiterer Schritt im PERRY RHODAN-Kosmos, der eine fiktive Geschichte der Menschheit bis hin in die ferne Zukunft schildert. Die ferne Zukunft - das ist in diesem Buch das Jahr 1288 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, was wiederum »unserem« Jahr 4875 entspricht. Die Erde ist zu dieser Zeit das Zentrum eines Sternenreiches, der Liga Freier Terraner, zu dem insgesamt 711 besiedelte Sonnensysteme sowie eine Vielzahl von weiteren Stützpunktplaneten zählen. Dabei ist die Liga Freier Terraner, kurz LFT genannt, nur einer von drei bedeutenden Machtblöcken, die in der Milchstraße um Einfluß ringen. Als wesentlich größer und aggressiver ist das sogenannte Kristallimperium der Arkoniden zu betrachten, während das Forum Raglund zwar zahlreiche Mitglieder hat, aber selten mit einer Stimme spricht. Die Situation im 13. Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist also nicht ganz einfach. Perry Rhodan, jener Mann, der dank relativer Unsterblichkeit die menschliche Geschichte über nunmehr zweieinhalbtausend Jahre beeinflußt und bestimmt hat, wollte sich an galaktischen Intrigen nicht beteiligen. Zusammen mit seinen langjährigen Weggefährten und zahlreichen anderen Angehörigen verschiedenster Kulturen gründete er eine Organisation namens Camelot - eine Art Keimzelle für den galaktischen Frieden, Soweit die Vorgeschichte des aktuellen THOREGON-Zyklus. Bereits der erste Band dieser Buchreihe, der den Titel »Der zweite Mars erwacht« trägt, zeigte, wie sehr sich die Ereignisse auf einmal überschlagen - in dem Moment nämlich, in dem das Zeitrafferfeld um den Planeten Trokan erlischt. Trokan nämlich ist der Planet, der anstelle des Mars um die Sonne kreist. Rund siebzig Jahre lang war es nicht möglich, Trokan zu betreten, das Zeitrafferfeld verhinderte es. Im Schatten dieses Feldes vergingen unglaubliche 250 Millionen Jahre, und eine ganz neue Zivilisation entstand so im Herzen des -4-
Sonnensystems: die Herreach. Auf ihrem Planeten befinden sich uralte Hinterlassenschaften, und auf diese stoßen jetzt die Menschen von der Erde. Auch Perry Rhodan taucht auf, doch nicht allein: Er erscheint mit dem geheimnisvollen Raumschiff GILGAMESCH in direkter Nähe seiner Heimat. Diese Ereignisse sowie die Entwicklung der Herreach wurden im ersten Band der THOREGON-Buchreihe dargestellt. Auch im zweiten Band sind vier Romane enthalten, die vor allem die weiteren Erlebnisse Perry Rhodans und seiner Gefährten Alaska Saedelaere und Reginald Bull schildern. Es handelt sich um die Romane »Kampf ums Überleben« von Arndt Ellmer, »Arsenal der Macht« von Peter Terrid, »Der Mutant der Cantrell« von Peter Griese sowie »Die Haut des Bösen« von H.G. Francis. Bereits in »Arsenal der Macht« kommen Perry Rhodan und seine Begleiter auf die Spur der mysteriösen Brücke in die Unendlichkeit, und diese weist ihnen erstmals den Weg hin zum geheimnisvollen Thoregon. Der gefährliche Mutant Kummerog, den Peter Griese in den PERRY RHODAN-Kosmos einbrachte, hat letztlich durch seine Aktivitäten viele Ereignisse im Universum erst ins Rollen gebracht. Der vorliegende Band trägt den Titel »Brücke in die Unendlichkeit«; hierbei handelt es sich um ein Gebilde, das anscheinend schon uralt ist und seit langer Zeit auf Perry Rhodan gewartet hat. Wieder einmal sind die Geschicke der Menschheit offensichtlich mit uralten kosmischen Geheimnissen verknüpft. Das große Geschehen um den Gesamtkomplex THOREGON beginnt mit den ersten Eindrücken auf der Brücke und im Arsenal der Macht erst so richtig. Lassen Sie sich überraschen.
Klaus N. Frick PERRY RHODAN-Redaktion
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Arndt Ellmer
Kampf ums Überleben
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1. »Gleich trifft Myles Kantor ein«, meldete die diensthabende Funkerin. »Soll ich ihn zu dir rüberlegen, Gobert?« Der Chefarzt der Tradha-Zwölf-Sektion auf Mimas runzelte die Stirn und nickte dann. »Tu das, Cylona. Vielleicht kann ich ihn auf andere Gedanken bringen.« Daß das ein Trugschluß war, wußte er selbst am besten. Myles Kantor zählte zu den Persönlichkeiten, die in Sachen innerer Ausgeglichenheit die meisten ihrer Mitmenschen in die Tasche steckten. »In Ordnung«, sagte Cylona Pavelsson. Gobert Grifaan drehte den Sessel zur Seite und musterte den in die Wand seines Büros integrierten Transmitterbogen. Das Hochenergiefeld innerhalb des rot markierten Bereichs baute sich auf, und wenige Augenblicke später erschien die Gestalt des terranischen Chefwissenschaftlers. Grifaan erhob sich und versuchte, sich locker und beschwingt zu geben. In Wahrheit sah es in seinem Innern anders aus. Kantor kam regelmäßig hierher, und es gab für ihn nur ein einziges Ziel. Seine Frau. Alles andere auf Mimas interessierte ihn nicht. Gobert streckte die Arme aus und ging Myles entgegen. Die beiden Männer begrüßten sich stumm. »Ich komme unmittelbar von Trokan«, sagte Myles Kantor mit leiser Stimme. »Eigentlich habe ich keine Zeit, denn wir sind noch immer mit der Untersuchung des KummerogTempels beschäftigt. Bitte versteh, wenn ich mich nicht länger aufhalte als nötig.« » Natürlich, Natürlich« Gobert ließ die Tür auffahren und trat in den Korridor hinaus. Von seinem Büro bis zur Quarantäne-Station mochten es knapp dreißig Meter sein. Ausgemessen hatte er es noch
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nie. Myles folgte ihm dicht auf den Fersen. Vor der mehrfach versiegelten Tür hielt der Chefarzt an, er zauderte einen Augenblick. Willst du sie wirklich sehen? schrien seine Gedanken. Wozu? Aber er unterdrückte den Impuls und schwieg. Nichts davon würde jemals über seine Lippen kommen. In Wirklichkeit, das wußte Gobert genau, war er selbst es, der den Anblick der Frau in ihrem Überlebenstank nicht ertragen konnte. Er gab den Kode ein und trat zur Seite. Die Tür glitt in die Wand. Wie immer hatte Myles Kantor es eilig, die Desinfektionsschleuse zu durchqueren. Ungeduldig ließ er die Prozedur über sich ergehen. Der Syntron gab den Weg frei, und sie verließen die Schleuse und betraten die sterile Halle. An den Wänden summten leise Aggregate. Die Automaten projizierten ein Holo-Display über den Tank, auf dem der Chefarzt alle Daten über die Frau ablas. Kallia Nedrun war gesund wie jeder andere Mensch. Ihre Körperwerte wiesen keinerlei Abweichungen vom Normalzustand auf. Und dennoch war sie nicht bei Bewußtsein. Seit sechsundsiebzig Jahren lag sie im Koma, seit jenem Zeitpunkt, als sie von einem der Spindelwesen schwer verletzt worden war. Ihre körperlichen Schäden hatte die Medizin innerhalb weniger Monate behoben. Eigentlich stand ihrem Erwachen nichts im Wege. Aber da war etwas. Etwas, das kein Arzt und kein Psychologe erklären konnte. Es paßte zu ihrer geheimnisvollen Herkunft ebenso wie zu dem fast zufällig entdeckten Zinkfinger und der Tatsache, daß sie früher im Zustand starker Erregung immer wieder in einer unbekannten Sprache geredet hatte. Diese Zeit lag lange zurück. Seit etwa sechsundsiebzig Jahren schwieg Kallia und bewegte sich auch nicht. Ihre Hirnströme wiesen ein reduziertes, aber normales Spektrum auf.
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Ein lebendiger Leichnam, das war es, was Gobert Grifaan immer wieder durch den Sinn ging. Und er konnte nichts dagegen tun, obwohl ihm alle Mittel dieser Welt gegeben waren, selbst aussichtslose Fälle zu bewältigen. Damals, als Myles Kantor schweren Herzens Abschied von seiner Frau genommen hatte, um mit der zweiten BASISExpedition zur Großen Leere aufzubrechen, hatte er Kallia seiner Mutter anvertraut. Enza Mansoor war längst tot, im Jahr 1219 NGZ bei einem Laborunfall ums Leben gekommen. Nach der Rückkehr der BASIS in die Milchstraße war Myles Kantor als erstes zu ihrer Urne geeilt, um diese zu bergen und danach im kleinen Vorgarten des Bungalows am Goshun-See zu vergraben. Daß Kallia noch lebte, half ihm in all den Jahrzehnten über den Verlust der Mutter hinweg. Kallia selbst aber... Gobert Grifaan blieb stehen und starrte auf das Display, um nicht in den Antigravtank sehen zu müssen. Medosonden hingen über Kallia. Sie stellten die Versorgung mit Nährstoffen und Flüssigkeit sicher und hielten den Körper in einem optimalen Zustand. Kallia fehlte nichts außer ihrem Bewußtsein. Myles trat wie immer dicht an den Tank heran. Langsam glitt seine Hand durch das Antigravfeld, das seine Frau umfing. Seine Fingerspitzen berührten ihre Stirn, ihre Nase, die Wangen und schließlich den Mund. Gobert Grifaan schloß die Augen. Er wollte es nicht mit ansehen. Es ging einfach nicht. Seine Knie fühlten sich butterweich an und schlotterten. Als sei es seine eigene Frau und nicht die Kantors. »Meine liebe Kallia«, flüsterte Myles. »Ich bin bei dir. Wenn du es spürst, dann ist es gut. Ich weiß, du kannst mir kein Zeichen geben.« Langsam zog er die Hand zurück, schritt langsam um den Tank herum und blickte dann den Chefarzt an. »Danke, Gobert. Bis später.«
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Ohne sich noch einmal umzusehen, ging er hinaus. Grifaan hatte Mühe, ihm zu folgen. In der Schleuse mieden sie den Blickkontakt, und Myles suchte sofort das Büro und den Transmitter auf. Das Feld stand noch, und der Syntron teilte ihm mit, daß die Verbindung mit Trokan und der PAPERMOON in Ordnung war. Myles winkte kurz und trat in das Abstrahlfeld. Sekunden später löste sich sein Körper auf. Das Feld erlosch. Gobert Grifaan klammerte sich an die Lehne seines Sessels. »Ich könnte es nicht«, stöhnte er. »Nicht nach so langer Zeit.« Schon das Zusehen fiel ihm schwer. In der Nähe Kallias hielt er es kaum aus. Und doch brachte er es nicht fertig, sich nach einem anderen Job umzusehen. Myles Kantor zuliebe harrte Gobert Grifaan auf seinem Posten aus.
2. Der Gleiterkonvoi mit den Meßsonden hielt nach Westen und folgte der Qualmspur drunten in der Ebene. Ein mit Herreach völlig überladener Zug quälte sich in Richtung Moond. Die Passagiere hingen teilweise außen an den Wagen oder lagerten auf den Dächern. Ab und zu fiel einer entkräftet hinab und blieb neben den Gleisen liegen. »Khan an Konvoi«, sagte der LFT-Kommissar. »Die Reichweite unserer Zugstrahlen ist von hier aus zu klein zum Eingreifen. Vier Fahrzeuge bleiben auf Kurs. Die anderen folgen mit zur Eisenbahn. Wir versuchen zu retten, was zu retten ist.« Sie schwenkten ab und beschleunigten. In der Nähe der Gleise schleuste Cistolo Khan mehrere Roboter aus, die sich um die Herabgefallenen kümmerten. Sie konnten nur noch den Tod der gestürzten Herreach feststellen. Ihre Artgenossen in und auf dem Zug kümmerten sich nicht um sie. -10-
Der LFT-Kommissar seufzte und schlug sich mit der Faust gegen den Oberschenkel. »Die Gestürzten weisen keine lebensgefährlichen Verletzungen auf«, knurrte er. »Sie könnten noch leben. Aber sie resignieren einfach und sterben.« Was hätte er darum gegeben, in jedem Einzelfall zu helfen und solche Vorfälle zu vermeiden! Es war aussichtslos. Er hätte jedem Herreach einen Aufpasser zur Seite stellen müssen, und das war bei einem Volk von hundertfünfundvierzig Millionen Individuen unmöglich. Die damit in Zusammenhang stehenden logistischen Probleme ließen sich in so kurzer Zeit nicht lösen. »Bis an ihr Ziel benötigt die Bahn noch mindestens zwei Stunden«, schätzte Bruno Drenderbaum. Neben dem breitschultrigen Cistolo Khan wirkte der Assistent und Freund des LFT-Kommissars reichlich unterernährt und schwächlich. »Die Stadt kann den Flüchtlingsstrom nicht bewältigen. Große Teile von Moond sind durch das Beben zerstört oder in Mitleidenschaft gezogen worden.« Cistolo Khan schüttelte den Kopf, als wolle er ein Insekt loswerden. Seine Hände krampften sich um die Armlehnen des Pilotensitzes. »Sie reagieren völlig widersinnig«, murmelte er. »Ich hätte erwartet, daß sie die Stadt verlassen und sich über das Land verteilen. Es ist aber genau umgekehrt.« »Ihre Mentalität ist schuld daran.« Drenderbaum beugte sich nach rechts, um mehr von der Ebene drunten zu erhaschen. »Sie denken nur an die Gegenwart und machen sich keine Gedanken über die Zukunft. Na ja, fast keine. Den von Schimbaa verwüsteten Tempel allerdings haben sie gestürmt, als gäbe es dort Gold zu holen.« Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich. Khan ließ die Armlehnen los und hantierte an den Sensoren der Ortung. »Eintausendfünfhundert Kilometer östlich von hier findet das nächste Beben statt«, stieß er hervor. »Das ist im Bereich
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der Herreach-Stadt Hovver.« Entschlossen aktivierte er das Funkgerät. »Cistolo Khan an alle«, sagte er. »Sofort Einsatzbereitschaft aller Raumeinheiten herstellen! Die zweiundvierzig Forschungsschiffe entsenden Beiboote zum KummerogTempel. Die dreitausend Einheiten der Wachflotte nähern sich der Planetenoberfläche auf fünf Kilometer und bereiten sich auf einen Feldeinsatz großen Maßstabes vor.« Die Bestätigung der Koordination traf ein. Gleichzeitig erwachte überall in der terranischen Flotte der Nahbereichsfunk zu regem Leben. »Was ist los, Khan?« traf eine Anfrage ein. »Wozu diese Nervosität?« »Schau dir die Meßergebnisse an, Wallerten«, antwortete der LFT-Kommissar. Er kannte die über dreitausend Kommandanten der Schiffe rund um Trokan nicht nur alle persönlich. Er erkannte sie auch an der Stimme. »Wir haben noch drei Stunden bis zum Sonnenuntergang auf dieser Seite des Planeten. Dann kühlt sich die Oberflächenkruste erneut ab. Sind die Roboteinheiten endlich auf ihren Positionen?« »Das dauert noch«, meldete Prett Boemer aus der PAPERMOON. »Mehrere Einheiten sind von Störungen ihrer Antigravsysteme betroffen.« »Das liegt sicherlich an lokalen Schwankungen im Schwerefeld Trokans.« Khan stöhnte leise. »Wir verlieren Zeit, die wir vermutlich nie mehr einholen können.« Er trug den Robotern auf, in der Nähe des Zuges zu bleiben und mit Traktorstrahlen dafür zu sorgen, daß keine Herreach mehr in den Tod stürzten. Dann änderten die Gleiter den Kurs und steuerten ihre ursprünglichen Ziele an. Cistolo Khan beschleunigte mit Höchstwerten. Automatisch bildete sich um die Außenhülle ein Prallfeld, das eine überstarke Erhitzung des Gleiters durch Luftreibung verhinderte. Das Fahrzeug raste nach Norden und stieg in die dünne Lufthülle Trokans hinauf. Nach tausend Kilometern ging es in
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steilen Sinkflug über und bremste dicht über der Oberfläche ab. »Position Delta-Zwo-Acht-Fünf ist nun erreicht«, meldete der Syntron. »Ladeklappe vier öffnen und die Meßeinheit ausschleusen!« ordnete Khan an. Er erhob sich und schloß den Helm seines SERUNS. Die beiden Männer verließen den Gleiter und betraten die weite Steppenlandschaft des Planeten, der noch vor wenigen Jahrzehnten zur Minusseite des Universums gehört und innerhalb von Sechsundsechzig Jahren eine beschleunigte Evolution durchgemacht hatte. Dieser Begriff umschrieb allerdings nur ungenau das, was sich tatsächlich abgespielt hatte: Auf Trokan war die Zeit 3,7millionenmal schneller vergangen als im Rest des Solsystems. Der Planet hatte sich in ein Zeitrafferfeld gehüllt, das ohne Auswirkungen auf die äußere Umgebung geblieben war. Zweihundertfünfzig Millionen Relativ-Jahre waren vergangen. In dieser Zeit verlor Trokan seine negative Strangeness und entwickelte sich zu einem Leben tragenden Planeten. Die Herreach entstanden, ein Volk von humanoiden Wesen. Unter den temporalen Verwirbelungen der Atmosphäre bildeten sich ihre Zivilisation und ihr Weltbild aus. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Prozeß der Evolution aufhörte und es zu einer Wiederangleichung an Zeit und Raum des Solsystems kam. Nach dem Verschwinden der Verwirbelungen in Trokans Atmosphäre mehrten sich inzwischen die Anzeichen, daß durch das Eintreten von Tag und Nacht sowie die damit verbundenen Temperaturunterschiede jetzt Auswirkungen nach innen eintraten. Und das nicht zu knapp. Cistolo Khan betreute die Meßeinheit persönlich. Über den Pikosyn seines SERUNS kommunizierte er mit ihr. Während er auf die Ergebnisse wartete, trat er unruhig von einem Fuß
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auf den anderen und starrte in das magere, von Nachtfrösten gebräunte Gras. »Die Oberflächenspannungen der Planetenkruste nehmen exponential zu«, meldete der Pikosyn. »Es besteht höchste Gefahr.« Khan war kein Wissenschaftler, und die Tragweite der Meldung brach wie eine riesige Woge über ihn herein. Alle seine Befürchtungen erschienen ihm unbedeutend im Vergleich mit der Wahrheit. »Khan an NATHAN«, sagte er. »Du verfügst über alle Meßwerte aus den Schiffen. Kannst du uns eine erste Hochrechnung anbieten? Wieviel Zeit bleibt uns?« »Hallo, Cistolo!« kam die Hyperfunk-Antwort von Luna. »Zeit wofür?« »Um Trokan zu retten.« »Vier Monate ungefähr.« Das hörte sich nach viel an, war aber verdammt wenig. »Ich brauche einen Einsatzplan, und das so schnell wie möglich.« »Einverstanden. Die Vorbereitungen sind bereits getroffen. Ich mache mich an die Arbeit.« »Danke. Wir versuchen inzwischen zu retten, was zu retten ist.« Die beiden Männer kehrten in den Gleiter zurück. Der LFTKommissar ließ sich in seinen Sessel fallen, schloß die Augen und atmete tief durch. Dann richtete er sich entschlossen auf. »An die Arbeit, Bruno!« Drenderbaum seufzte nur. »Wo sollen wir anfangen?« Er deutete auf die Anzeigen der Ortung. Auf Trokan bildeten sich inzwischen Dutzende von Gefahrenherden. Cistolo Khan gab keine Antwort.
Trokan besaß die identische Masse des Mars bei etwas größerem Durchmesser. Seine Dichte war folglich geringer,
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und das wirkte sich jetzt, nach dem Eintreten von Tag und Nacht, von Erwärmung und Abkühlung aus. Die Abkühlung in der beginnenden Nacht bei wenig vorhandener Feuchtigkeit erzeugte starke Temperaturunterschiede zwischen Oberfläche und den tieferen Gesteinsschichten. Risse und Sprünge taten sich auf, die sich mit jeder Nacht und jedem Tag vertieften. Dabei waren es nicht einmal so sehr die Phasen der Abkühlung, die an der Stabilität der Planetenkruste nagten. Die sprungartige Erwärmung nach Sonnenaufgang setzte Trokan mehr zu. Cistolo Khan setzte sich mit Myles Kantor in Verbindung. »Was hältst du von dem Plan, Trokan mit einer halbkugelförmigen Abschirmung gegen Sol zu versehen?« fragte er den Wissenschaftler. »Dadurch ließe sich die Erwärmung der Oberfläche verhindern.« Andere Möglichkeiten zur Reduzierung der Sonnenwärme hatten sie gleich nach dem verheerenden Erdbeben in Moond diskutiert. »Einen Augenblick«, bat Kantor. »Wir brauchten dazu mehr als dreißigtausend Schiffe unmittelbar über dem Planeten oder ein paar tausend in weiterer Entfernung. Für beide Fälle steht uns keine genügende Anzahl zur Verfügung.« Khan nickte schwer. Er bedankte sich bei Myles und unterbrach die Verbindung. Aus der PAPERMOON trafen Alarmmeldungen mit Koordinatenangaben ein. Etliche neue Zonen starker Erwärmung und tektonischer Bewegung entstanden und ließen Schlimmes befürchten. Cistolo Khan starrte auf die Infrarotortung, die ein fremdartiges und bedrohliches Bild der Planetenoberfläche zeichnete. Die Zahl deutlich anmeßbarer Wärmezentren stieg auf über hundert. Teilweise handelte es sich lediglich um Temperaturunterschiede von wenigen Grad zur Umgebung. In den meisten Fällen jedoch stieg die Differenz rasch auf angsteinflößende Werte an.
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Der LFT-Kommissar lenkte den Gleiter dem nächstgelegenen Gefahrenherd entgegen und nahm Funkkontakt zu den beiden Schiffen der PROTOS-Klasse auf, die sich derzeit zwanzig Kilometer über der Zone aufhielten und den Alarm ausgelöst hatten. Der LFT-Kommissar blendete sich unmittelbar in die Ortung der beiden Kugelraumer ein und zoomte die Oberfläche, bis er jeden Strauch und jede Bodenerhebung ausmachen konnte. Am Rand der betroffenen Zone entdeckte die Infrarotortung ein gesprenkeltes Muster aus hellen und dunklen Flecken. Bei den dunklen handelte es sich um Wärmezonen mit gleichbleibender Temperatur, während die hellen teilweise sprunghaft in die Höhe schnellten. »Das sind Herreach«, erkannte Khan. »Geht runter auf einen halben Kilometer und befördert sie mit Traktorfeldern an einen anderen Ort.« »Und wohin?« »Egal. Irgendwohin, wo sie vorerst sicher sind.« Der überwiegende Teil der Herreach lebte als Bauern in den kargen Steppen. Mit viel Umsicht und in Harmonie mit ihrer Umwelt erzeugten sie gerade so viel Nahrung, damit ihr Volk überleben konnte und das empfindliche Ökosystem des Planeten nicht zusammenbrach. Auf Trokan gab es keine Meere, nur wenige Wasserläufe und fast keinen Regen. Die dünne Atmosphäre ließ eine üppige Vegetation nicht zu. Das bißchen Feuchtigkeit ergab sich aus dem natürlichen Zusammenspiel von Windströmungen und der mit der Lufterwärmung oder Abkühlung einhergehenden Kondensation von atmosphärischem Wasserdampf. Die Herreach auf der Ortung gehörten eindeutig nicht zu den Bewohnern einer der sieben Städte. Sie waren Bauern, denen es nichts ausmachte, auf den Feldern zu schlafen. Die ansteigende Wärme weckte sie. Noch rührten sie sich nicht, aber dann sprangen sie plötzlich und ohne Ausnahme auf und begannen in eine Richtung zu laufen. Dabei hatten sie
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es nicht besonders eilig. Die Wärmezonen strahlten heller und intensiver. Aus den beiden Schiffen der PROTOS-Klasse kam ein Alarmsignal. Der Planet produzierte Schwankungen im Magnetfeld. »Beeilung da oben!« rief Khan. »Verliert keine Zeit!« Noch waren die Schiffe zu hoch, um sinnvoll eingreifen zu können. Mitten in dem Pulk der Herreach bewegte sich der Untergrund. Der Boden schwankte wie die Planken eines kleinen Kutters bei Windstärke zwölf. »Runter, aber schnell!« zischte der LFT-Kommissar seinem Piloten zu. Bruno Drenderbaum schwieg. Er wußte selbst genau, worauf es jetzt ankam. Er schaltete die Außenlautsprecher ein und den Translator dazwischen. »Wir helfen euch«, hallte seine Stimme über die Steppe. »Bleibt zusammen, damit die Schiffe euch aufnehmen können.« Keiner der Herreach reagierte. Stumm und blindlings ihrem Instinkt folgend, hasteten sie davon. Manche schlugen einen Bogen nach Norden, andere nach Süden. Insgesamt jedoch strebten sie in eine einzige Richtung. »Das ist der Weg zur nächsten Stadt«, stieß Cistolo Khan hervor. »Wieso haben die nichts Besseres zu tun, als sich in die Stadt zu flüchten? Das ist doch nicht normal.« »Ach?« fragte Bruno Drenderbaum knapp. Er kannte seinen Chef gut genug, um zu wissen, daß seine Feststellung lediglich rhetorischen Charakter besaß. Sie alle wußten, daß sich Mentalität und Psyche der Herreach in keiner Weise mit ihren eigenen vergleichen ließen. Dieses Volk, das vor den Augen der Solsystem-Bewohner quasi im Schnellgang entstanden war, mußte als völlig fremdartig verstanden werden. Entschlossen beugte sich Cistolo Khan über die Kontrollen und hantierte an der Sensorik der Energieversorgung. »Fest-
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halten, Bruno!« Der Gleiter schmierte ab, als Khan dem Antrieb einen Teil der Energie entzog und in die Seiten-Prallfelder und den Booster am Heck leitete. Eine optisch nicht erkennbare Aura umrahmte jetzt die Unterseite des Fahrzeugs. Drenderbaum drosselte den Schub weiter und fing die Maschine sanft ab. »Mehr nach rechts!« kommandierte Khan. »Jetzt tiefer! Noch tiefer. Eineinhalb Meter über Grund. Gut so. Und nun langsam nach links driften.« Bruno Drenderbaum flog den Gleiter ohne Zuhilfenahme der Automatik. Er gehörte zu den Menschen, die sich im Ernstfall lieber auf sich selbst verließen als auf die Reaktionen einer Syntronik. Der Gleiter näherte sich den hastenden Herreach von der Seite und drückte sie mit dem Prallfeld vorsichtig weg. Keines der Wesen wandte auch nur den Kopf. Die Körper und die ausladenden Köpfe leicht nach vorn geneigt, rannten sie dahin. »Es bringt nichts.« Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich kurz. »Ich sehe es.« Cistolo Khan preßte die Lippen aufeinander. Ein Blick durch die Kanzel nach oben zeigte ihm die Positionslichter der beiden Raumer. Achthundert Meter trennten sie noch vom Boden. Das waren dreihundert Meter zuviel. Die Zeit lief ihnen davon. Die Taster schlugen heftig aus. Irgendwo vor ihnen entstand eine sich rasch ausdehnende Hitzequelle. »Ihr da oben, schaltet die Traktorfelder ein!« kommandierte Cistolo Khan. »Seht zu, daß ihr die Herreach möglichst ohne Ausnahme erwischt.« Der Steppenboden riß auf. Sie konnten es auf der Ortung verfolgen, wie in einem Kilometer Tiefe ein Spalt entstand und sich rasch bis zur Planetenoberfläche fortsetzte. Aus der Luft stachen Hunderte von Scheinwerfern der beiden Raumschiffe herab und tauchten das Chaos in diffuses Licht. Der Boden klaffte auseinander. Übergangslos lief mitten
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durch die Steppe ein dunkler Spalt von drei bis vier Meter Breite. Aus seinem Innern quoll Rauch. Die Herreach reagierten wie in Zeitlupe. Ein Teil von ihnen nahm das Hindernis überhaupt nicht wahr. »Wie Lemminge«, flüsterte Bruno Drenderbaum. »Sie kennen nur ein einziges Ziel.« Sie rennen ihrem Kummerog hinterher, dachte Khan und warf seinem Assistenten und Freund einen raschen Blick zu. »Dort vorn. Dein Einsatz, Bruno«, sagte er. Eine Gruppe Herreach bewegte sich auf den Spalt zu, als würde sie magisch von ihm angezogen. Drenderbaum ließ den Gleiter einen Satz vorwärts machen und streifte die Wesen mit dem Prallfeld. Geschickt drängte er sie zur Stelle und zwang sie, ihre Richtung zu ändern. Augenblicke später gerieten sie in den Bereich eines Traktorfeldes, verloren den Kontakt zum Untergrund und schwebten hinauf zu den beiden LFTSchiffen. Wieder meldete sich die PAPERMOON. An zweihundert verschiedenen Stellen brach die Oberfläche Trokans auf. Dabei konzentrierten sich die Vorgänge auf den Aquatorbereich und die beiden Polregionen. »Hat sich NATHAN schon gemeldet?« »Nein, Chef«, klang die Stimme von Prett Boemer auf. »Aber wir rechnen jede Minute damit. Die Supersyntronik auf Luna steht in ständiger Verbindung mit uns. Sie ist über alles informiert, was sich auf Trokan und in der Nähe des vierten Planeten abspielt.« Obwohl seit dem Austausch des kristallisierten Mars mit seinem bedrohlichen Todesfeld Jahrzehnte vergangen waren, hatte Cistolo Khan Mühe, Trokan als den eigentlichen vierten Planeten zu akzeptieren. Mehr als ein Fremdkörper war der Planet aus dem Arresum bisher nie gewesen, und er war der POLYAMID mit Geo Sheremdoc, Boris Siankow und der gesamten Crew zum Verhängnis geworden.
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Ein Schrei seines Piloten lenkte Khans Aufmerksamkeit auf den Spalt im Boden. Inzwischen besaß dieser eine Breite von gut zehn Metern, und die Ränder entfernten sich mit einer Geschwindigkeit voneinander, die man mit den Augen mühelos erkennen konnte. An beiden Seiten drängten sich Herreach. Sie befanden sich im toten Winkel zwischen mehreren Traktorfeldern und beachteten die Gefahr nicht, in der sie schwebten. Dicht am Abgrund eilten sie entlang, und immer wieder fiel einer von ihnen in die Tiefe. Bruno Drenderbaum jagte den Gleiter nach unten in den Erdspalt hinein. Mit dem einzigen Zugstrahl der Maschine versuchte er, das Schlimmste zu verhüten. Die meisten fing der Strahl auf, aber ein paar befanden sich bereits zu tief unten. Sie stürzten über einen Kilometer in den Tod. »Unterstützung ist unterwegs«, meldeten die beiden Schiffe. »Mehrere Space-Jets sind ausgeschleust und kommen euch zu Hilfe.« »Danke«, sagte Cistolo Khan. Das Wort ging im Prasseln und Dröhnen unter, mit dem ein Teil des Steppenrandes abbrach, in die Tiefe stürzte und den Gleiter mit sich riß.
3. »Achtung, Gruppen drei und neun! Schirmt euren Standort ab! Die Herreach kommen auf euch zu.« Einer der Männer stieß einen schrillen Pfiff aus und stürzte zum Projektor. Augenblicke später flammte das Schirmfeld auf und trennte den hinteren Teil der Halle vom Durchgangsteil mit den siebzehn Ein- und Ausgängen ab. Sie waren überall. Sie krochen aus den winzigsten Öffnungen zwischen den Trümmern, bohrten sich wie Spulwürmer in das Chaos, das die materiell gewordene Projektion des Riesen Schimbaa angerichtet hatte, und tappten blind -20-
durch die wenigen, noch begehbaren Korridore. Überall standen sie im Weg und behinderten die Wissenschaftler und Techniker aus den zweiundvierzig Forschungsraumern. Sie umlagerten technisches Gerät und störten die Einsatzgruppen mit aufdringlichen Fragen und sinnlosen Bemerkungen. Und über allem lag als gleichmäßiges, nicht endendes Raunen der Ruf nach Kummerog. Ose Bandolph stockte mitten im Schritt. In breiter Front kamen die Herreach auf ihn zu. Sie schnitten ihm den Rückweg ab, so daß ihm nur die Flucht nach vorn blieb. Die Bewohner Trokans drängten durch den Gang, und ihre Zahl ließ sich für den verhältnismäßig klein gewachsenen Terraner kaum überblicken. Die Herreach waren im Schnitt mehr als zwanzig Zentimeter größer als er. »Kummerog? Kummerog?« »Hier gibt es keinen Kummerog, wer immer das ist«, sagte er laut. Seine Stimme aus dem Translator klang nicht besonders überzeugend. Was hatte es auch für einen Sinn, ihnen den Eintritt in ein Gebäude zu verwehren, auf das sie ältere oder auch einzige Rechte hatten? Er breitete die Arme aus, doch die Bewohner Moonds beachteten ihn nicht. Stumm und mit gebeugten Körpern bewegten sie sich in breiter Front auf ihn zu. Ihre Arme gruben wie Baggerschaufeln in den Trümmern, und aus ihren Mündern erklang unablässig dieses Seufzen. »Kummerog!« Bandolph aktivierte sein Funkgerät und rief die PAPERMOON. »Wir brauchen dringend Verstärkung«, flüsterte er und machte sich klein. Die Herreach hatten ihn fast erreicht. Spätestens jetzt hätte der Pikosyn den Schirm aktivieren müssen, aber Bandolph hatte die Syntronik abgeschaltet. Ungeschützt erwartete er den Zusammenprall. Die Herreach wühlten sich in die Richtung, in der die Teams aus der PAPERMOON unter Leitung von Myles
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Kantor arbeiteten. Tausende der Planetenbewohner durchkämmten andere Areale des Tempels und folgten den Spuren der Zerstörung, die ihr fleischgewordener Riese Schimbaa angerichtet hatte, ehe er sich in Luft auflöste. »Ihr habt Projektoren bei euch. Benutzt sie zur Abschirmung eurer Positionen.« Das war Prett Boemer persönlich. Der Kommandant der PAPERMOON hatte seine Augen und Ohren überall. »Das liegt auf der Hand. Aber die Herreach kümmern sich nicht um die Energiefelder. Sie laufen einfach dagegen.« »Wir schicken euch ein paar zusätzliche Prallfeldgeneratoren .« »Wenigstens etwas. Aber beeilt euch!« Die Herreach drückten ihn zu Boden. Er zwängte sich zwischen sie und entging so dem Schicksal, einfach zertrampelt zu werden. Sie nahmen seine Anwesenheit nicht einmal richtig wahr. Schulter an Schulter rollte die Walze aus Freiatmern und Anhängern des Cleros weiter. Unaufhörlich hing das Raunen über ihren Köpfen. »Kummerog. Kummerog.« Ose Bandolph kämpfte sich aus dem Staub und starrte ihnen entgeistert nach. Wann kapierten sie es endlich? Es gab keinen Kummerog. Er schlug die Handschuhe seines SERUNS gegeneinander und schüttelte im Helm den Kopf. »Es ist ein Kulturschock, wie ihn vermutlich noch nie ein Volk in diesem Universum erlebt hat«, sagte eine sanfte Stimme hinter ihm. Er fuhr herum. »Myles, endlich! Wo hast du gesteckt?« »Auf Mimas.« Myles deutete auf die Herreach. »Was die Bewohner der Stadt angeht, so sollten wir sie gewähren lassen. Sie müssen selbst mit sich ins reine kommen. Gewißheit hilft ihnen auf Dauer mehr als Ungewißheit. Sie vom Tempel fernzuhalten wäre ein schwerwiegender Fehler.« »Du hast ja recht. Begleitest du mich? Ich habe meinen
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Posten verlassen, um dir entgegenzugehen.« »Neuigkeiten?« »Nein. Du hast während deiner Abwesenheit nichts verpaßt. Die Trümmer und Maschinen des Tempels werden noch immer ohne Ergebnis untersucht.« Sie folgten den Herreach und bogen in einen Seitenkorridor ab. Durch ein halbhohes Portal gelangten sie in einen kleinen Saal, wo eine der Gruppen aus der PAPERMOON ihr Quartier aufgeschlagen hatte. Mehrere Roboter und Schwebeplattformen befanden sich im Einsatz und räumten Trümmer zur Seite. Myles bückte sich und hob einen winzigen Gegenstand aus dunkelblauem Metall auf. Das Ding sah aus wie ein verkleinerter Handstrahler und erinnerte an Anfertigungen der Swoon oder der verschwundenen Siganesen. »Maßstab eins zu zehn«, sagte Myles und versuchte, das Ding zu verbiegen. Unter Aufwendung aller Kraft gelang es ihm, den Gegenstand auseinanderzubrechen. Sein Inneres leuchtete schwarz und dunkelrot. Als er die Bruchstellen nach unten hielt, rieselte dunkler Staub heraus. »Es ist immer dasselbe.« Ose Bandolph schlug gegen ein Gerät, das neben ihnen aufragte und bis zur Decke reichte. Es besaß eine ähnliche Gestalt wie das winzige Ding. »Wenn wir die großen aufmachen, stoßen wir auf dasselbe Ergebnis.« »Kettenbrand«, murmelte Myles Kantor gedankenverloren. »Los, komm!« Sie suchten nacheinander die verschiedenen Teams und ihre Standorte auf und ließen sich über die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen informieren. Außer Staub und Trümmern gab es nichts in diesem Tempel. Selbst die Anlagen in erhaltenen Zonen waren innerlich pulverisiert. Myles' Formulierung vom Kettenbrand machte die Runde und brachte alle Ergebnisse auf einen Nenner. Etwas mußte die Aggregate von innen heraus zerstört haben, damit die
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Konstruktionen nicht in fremde Hände gerieten. Sie arbeiteten sich weiter durch die scheinbar wahllose Mixtur aus miniaturisierter Technik und Anlagenteilen, die aussahen, als seien sie ins Unbrauchbare vergrößert worden. Ein einheitliches Bild ließ sich daraus nicht fertigen. Manche Dinge wirkten, als könnten sie nur von Riesen wie Schimbaa bedient werden. Andere ließen sich im Bereich von Zehntelmillimetern und weniger ermessen. Kein einziges Element oder Aggregat paßte für Menschenhände. Und fast alle Elemente im Kummerog-Tempel waren in engem Rahmen beweglich. Man konnte sie um ein paar Zentimeter verschieben, mehr aber nicht. Korridore und Schächte zogen sich ohne erkennbares System horizontal und vertikal durch das Bauwerk. Kleinere und größere Räume besaßen keinen Zusammenhang in der Anordnung. Die Fachleute interpretierten das Fehlen gemeinsamer Konstruktionsmerkmale so, daß entweder verschiedene Völker an der Entwicklung des Kummerog-Tempels mitgewirkt hatten oder aber ein extrem flexibler, weit fortgeschrittener Geist am Werk gewesen war, für den Größenverhältnisse keine Rolle spielten. Eines war das bohrkopfähnliche Gebilde auf keinen Fall, und Myles machte es jedem eindringlich klar. »Vergeßt die Ayindi«, sagte er. »Das hier ist alles andere, aber kein Ayindi-Archiv.« »Was aber dann?« Nicht nur Ose Bandolph sprach diese Frage aus. Sie ging allen Menschen durch den Kopf, auf Trokan, auf Terra und im ganzen Sonnensystem. Wohl auch in der GILGAMESCH, falls man dort die Antwort nicht schon kannte. Kantor schürzte die Lippen. »Ich weiß es nicht. Noch steht NATHANS Analyse aus. Etwas völlig Fremdartiges muß das Zeitraffer-Feld geschaffen haben. Wenn wir den Grund dafür herausfinden, können wir vermutlich Rückschlüsse auf die Verursacher ziehen. Aber das kann tausend Jahre dauern.«
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Der Boden begann zu zittern. Ein leichter Ruck ging durch den Tempel. Von draußen kam die Mitteilung, daß es sich entweder um ein Nachbeben oder um die Ankündigung des nächsten tektonischen Bruchs handelte. Die lunare Syntronik meldete sich zwei Stunden später mit der ersehnten Antwort. Der Inhalt der kurzen Botschaft zog alle Spekulanten endgültig auf den schwankenden Boden der Tatsachen herunter. »Bisher ist nur ein einziger Schluß möglich«, erklärte NATHAN. »Der Sinn des Zeitraffers war die Evolution von Trokan und die Hervorbringung der Herreach.« »Alles recht und gut, NATHAN.« Myles lehnte sich gegen eines der riesigen Aggregate. »Es macht bloß keinen Sinn, uns ein fremdes, nach unseren Maßstäben wenig entwickeltes Volk vor die Tür zu setzen. Die Herreach sind eine absolut friedliebende Population.« »Das ist korrekt. Vergiß aber die Hochrechnungen nicht. Trokan wird im Chaos versinken. Die Herreach werden innerhalb kürzester Zeit untergehen. Dies wäre eine moralische Niederlage für die Menschheit im Solsystem. Wer im Universum davon einen Vorteil haben könnte, ist noch unbekannt.« Die Syntronik betonte das Wörtchen »noch«. Myles Kantor spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Seine sonst so bleichen und kühlen Wangen glühten mit einemmal. »Egal, wie es zusammenhängt, wir werden so etwas nicht hinnehmen. Die Herreach sind schutzbedürftig gemäß der Galaktischen Konvention aus dem Jahr einhundertsiebzehn Neuer Galaktischer Zeit.« Ose Bandolph legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Das ist leichter gesagt als getan, Myles. Du darfst dir NATHANS Argumentation nicht so zu Herzen nehmen. Wer weiß, wie lange diese Wesen unseren Schutz brauchen. Vielleicht ist es schon nächste Woche umgekehrt. Wer schützt
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uns dann vor ihnen, wenn sie erst einmal alles über unsere Technik und unsere Zivilisation ausfindig gemacht haben?« Kantor schüttelte energisch den Kopf. »Dazu sind sie nicht fähig. Nie und nimmer! Es sei denn, dieser Tempel übt einen unmittelbaren Einfluß auf sie aus. Was geschieht, wenn Kummerog doch noch erscheint?« Darauf wußte niemand im Solsystem eine Antwort.
Presto Go besaß nicht mehr viel von ihrer früheren Entschlußfreudigkeit und Eile. Langsam, fast wie im Schlaf, schlich sie über die jetzt schiefen und brüchigen Pflastersteine des Tempelplatzes. Ein Teil davon zerbröckelte unter ihren Schuhen. Um die durch das Beben verursachten Einbrüche im Untergrund machte sie einen großen Bogen. Vier violette Mahner begleiteten sie. In der Ferne, am Rand des Platzes und im Schutz eines freien Areals neben eingestürzten Gebäuden, standen Dutzende von Clerea. Das Weiß ihrer Gewänder war verblichen und schmutzig, der Stoff teilweise zerrissen. Die oberste Künderin des Kummerog versuchte, durch besonders eindringliche Pracht ihrer Kleidung diesen Eindruck wettzumachen. Ihr Gewand leuchtete zehnfach gelb und umschmeichelte ihren Körper. Auf der Rückseite prangte ein blaues Oval, das in der Farbe ein wenig dem Himmel über Terra ähnelte, mit dem über Trokan jedoch keine Ähnlichkeit hatte. »Paß auf dich auf«, empfahl Prett Boemer dem terranischen Chef Wissenschaftler. »Noch besser ist, ich leiste dir ein wenig Gesellschaft. Cistolo Khan und Bruno Drenderbaum sind unabkömmlich.« Augenblicke später erschien Boemer unter der PAPERMOON und eilte Kantor entgegen. Er reichte ihm die Hand.
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»Presto Go scheint eine heilige Scheu vor dem Tempel zu haben«, sagte Myles. »Das unterscheidet sie von ihren Artgenossen.« »Die Künderin hat bestimmt noch nie die Drecksarbeit gemacht«, entgegnete Boemer leise. »Das eigentlich Erstaunliche ist, daß sie um eine Unterredung mit Vertretern von Terra nachsucht. Wozu? Sie weiß, daß wir ihr und ihrem Volk helfen, wo es geht. Alle Herreach haben es kommentarlos zur Kenntnis genommen. Wieso ergreift Presto Go plötzlich die Initiative?« »Warte es ab. Sie wird es uns sagen.« Schweigend beobachteten sie den merkwürdigen Schlingerkurs, mit dem die Künderin und ihre vier Begleiter sich dem Zentrum des Platzes näherten, wo der Kummerog-Tempel in die Höhe ragte. Trotz ihrer beeindruckenden Größe schienen die Herreach zu schrumpfen. Der Boden unter ihnen sackte ein, als das Gewicht von fünf Personen ihn belastete. »Keine Sorge«, meldete sich Serah Jennin aus der PAPERMOON. »Wir haben sie im Visier. Sobald sie einbrechen, ziehen wir sie mit dem Traktor wieder heraus.« Glücklicherweise erwies es sich als unnötig. Der Boden beruhigte sich, und die Einsatzgruppen in den Randzonen zwischen Tempelplatz und Stadt meldeten Entwarnung. Sie arbeiteten vor allem mit kleinen, transportablen Geräten, beseitigten die Trümmer der in Leichtbauweise erstellten Häuser und hielten nach Verschütteten Ausschau. Die Herreach ließen sie gewähren, entwickelten jedoch keinen großen Ehrgeiz, die Terraner zu unterstützen. Das war ein Punkt, über den Kantor mit der Künderin reden mußte. Die kleine Gruppe erreichte die beiden Männer. Kantor sagte ein paar Worte zur Begrüßung und wartete dann. Die Herreach flüsterten miteinander. Schließlich rang sich die Künderin zu einem Entschluß durch und ergriff das Wort. »Liefert uns einen Beweis, daß ihr nichts mit dem Unglück
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im Tempel zu tun habt«, verlangte sie. »Das ist das mindeste, was ihr uns schuldig seid.« »Deine Leute sind im Tempel«, wich Boemer aus. »Wir haben unter ihnen auch Herreach in violetten und weißen Gewändern gesehen. Sie sehen sich alles an und werden dir das Ergebnis mitteilen. Für uns steht es längst fest. Willst du es hören?« »Nein.« »Ha!« Der Kommandant der PAPERMOON ließ ein Schnauben hören, dem die Herreach aufmerksam lauschten. »Du solltest dich langsam mit der Wahrheit anfreunden, Presto Go. Wenn ich es richtig beobachtet habe, waren es die Leute Gen Triokods, deren manifestierte Projektion den Tempel in Trümmer legte. Der Riese Schimbaa, eine Erscheinung, die außer Kontrolle geriet. Beeindruckend, das Ganze, aber auch grob fahrlässig.« »Du hast recht. Wir haben es verursacht. Ich bin überzeugt davon, auch ohne in den Tempel geblickt zu haben.« Die Worte aus dem Translator überschlugen sich förmlich. »Es spielt keine Rolle, ob wir vom Cleros das waren oder die Freiatmer. Wir sind ein Volk, und unsere Bestimmung ist es, den Riesen Schimbaa zu wecken und dadurch die Ankunft von Kummerog zu bewirken. Kumme...« »Offensichtlich ist das Gegenteil eingetreten. Schimbaa hat den Tempel und die meisten seiner Einrichtungen, Maschinen und Gegenstände zerstört«, unterbrach sie Boemer. »Euer Gott Kummerog wird vielleicht für immer fernbleiben.« Presto Go und ihre vier violetten Begleiter sanken noch mehr in sich zusammen. »Schimbaa darf nie mehr gerufen werden«, flüsterte die Künderin. Ihre engstehenden Augen verschwanden dabei fast völlig aus ihrem Gesicht, so sehr drückte sie die Augenlider zusammen. »Der Riese ist ein Fluch.« »Also, wenn ich vom Riesen auf den Gott schließe, ist es vielleicht ein Segen für euch, daß Kummerog nicht auftaucht.«
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Myles Kantor faßte Prett Boemer am Arm und zog ihn ein wenig nach hinten, als Mahnung zu mehr Zurückhaltung. »Es wird alles gut werden«, sagte der Chef-Wissenschaftler eindringlich. »Das mit den Beben und den tektonischen Brüchen bekommen wir in den Griff. Und Kummerog? Verehrt ihn auch in Zukunft. Es wird sich nichts ändern.« »Nein, nein, nein!« schrie ihn Presto Go an. »Es ist nichts mehr wie bisher. Unsere Hoffnung ist dahin. Unser Weltbild, die Philosophie unserer Existenz liegt zerschmettert am Boden. Die Welt bäumt sich auf. Bedarf es der Anzeichen mehr? Unser Leben verliert seinen Sinn.« »Du irrst dich.« Myles rang die Hände. Bestimmt verstand die Herreach die Geste nicht. »Du irrst dich gewaltig. Es gibt immer einen neuen Morgen. Mal schlechter, mal besser. Eure Existenz kann ihren Sinn nicht verlieren. Nicht, solange unser Universum existiert.« Presto Go gab keine Antwort mehr. Steif und stumm stand sie da, und auch ihren Begleitern war kein Wort zu entlocken, nicht einmal das Zucken eines Gesichtsmuskels. Als sie nach einer Viertelstunde immer noch wie Salzsäulen in die Landschaft ragten, verabschiedeten sich die beiden Terraner. Prett Boemer suchte die PAPERMOON auf, und Myles Kantor kehrte in den Tempel zurück. Sie beorderten ein paar Roboter herbei, die auf die fünf Herreach aufpassen sollten. Da endlich kehrte das Leben in Presto Go und ihre Begleiter zurück. So schnell es ging, hasteten sie in Richtung Stadt.
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4. Das Notprogramm des Syntrons sprang ein. Für Situationen wie diese existierte ein Befehlskode, der es dem Automaten ermöglichte, die Steuerung auch ohne Erlaubnis an sich zu ziehen und die Rettung der Insassen einzuleiten. Im Bruchteil einer Sekunde flammte der Energieschirm auf, während der Gleiter durchstartete und der Syntron versuchte, den Flug zu stabilisieren. Das Zwanzigfache an Masse lastete auf dem Fahrzeug, und der Humus verbrennende und Gestein schmelzende Schirm verschaffte nur recht geringe Erleichterung. Ein schrilles Piepsen wies darauf hin, daß die Masse der herabstürzenden Erd- und Gesteinsbrocken zu umfangreich war. Ehe der Gleiter auch nur eine annähernd brauchbare Beschleunigung erhielt, hatte die viele Tonnen schwere Drecklawine ihn um fast dreihundert Meter nach unten gedrückt. Cistolo Khan stemmte sich vergeblich gegen das Fesselfeld, das ihn in seinem Sitz hielt. »Bruno, wir müssen hier raus, bevor der Gleiter zerschellt. Wenn alles nichts hilft, brechen wir aus. Klar?« »Klar.« Vierhundert Meter unter Normalnull. Irgendwo weit vorn waren gegen das Licht der Scheinwerfer winzige Schatten zu erkennen. Sie bewegten sich rasend schnell abwärts. Körper von Herreach? Mühsam arbeitete sich der Gleiter unter seiner Last hervor. Ausweichmöglichkeiten gab es nur nach vorn, das schränkte die Versuche des Syntrons erheblich ein. Der Gleiter erhielt Schlagseite, als ein Teil der Erd- und Gesteinsmassen an seiner linken Seite abrutschte. Die Aggregate versuchten, die Neigung auszugleichen, aber die Skalen der holografischen Anzeigen schnellten übergangslos in den roten Bereich. Noch zehn Sekunden bis zum Durchglühen der Projektoren! -30-
Die Schräglage verstärkte sich. Der Gleiter streifte die Steilwand und verlor an Geschwindigkeit. Sein Bug neigte sich abwärts. »Jetzt!« Khan schaltete an seinem Gürtel herum und versuchte, mit Hilfe des Pikosyns die Fesselfelder abzuschalten. »Tut mir leid«, meldete sich die ruhige Stimme der Gleiterautomatik. »Nirgendwo seid ihr besser aufgehoben als in euren Sitzen.« Im nächsten Augenblick kippte das Fahrzeug endgültig ab und raste senkrecht in die Tiefe. Die Gesteinsmassen rutschten am Schutzschirm entlang abwärts und verschwanden in der Finsternis. »Sch...«, fluchte Khan und dachte an die Herreach im Zugstrahl. Gegen die Wucht der Drecklawine vermochte der Strahl nichts auszurichten. Fast gleichzeitig begann etwas an dem Gleiter zu zerren und seinen Sturz zu verlangsamen. Wieder reagierte die Automatik prompt, ging in einen soliden Segelflug über und schaltete den Antrieb ab. Sanft wie eine Feder pendelte sich das Fahrzeug auf den neuen Kurs ein. Der Bug richtete sich langsam nach oben in Richtung der Space-Jet, die es mit einem starken Traktorstrahl einfing und hinauf an die Oberfläche beförderte. »O nein!« Bruno Drenderbaum schlug die Hände vor den Helm. Der Zugstrahl ihres Gleiters zeigte keine Echos von Herreach mehr. Der Rettungsversuch war mißlungen. »Alles in Ordnung bei euch?« fragte eine tiefe Altstimme. »Donder Pereira spricht. Wie ich sehe, ist der Gleiter unbeschädigt.« »Das ist aber auch alles«, knurrte Cistolo Khan. »Hättet ihr euch nicht ein wenig mehr beeilen können?« »Tut mir leid. Das Schicksal scheint gegen uns zu sein. An anderen Einsatzorten hatten die Teams mehr Glück. Inzwischen haben wir alles im Griff. Es fallen keine Herreach mehr in den Abgrund, falls dich das beruhigt.«
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»Nein.« Ein Holo baute sich auf und zeigte das vergrämte, aber dennoch gefaßte Gesicht der Frau. »Nun gut, Khan. Du bist unser Einsatzleiter. Ich gebe dir einen Überblick über die Zahl der Opfer.« Der LFT-Kommissar knirschte mit den Zähnen. »Mach's kurz.« »Dreiundzwanzig Herreach sind abgestürzt. Weitere neun sind bei dem Gedränge am Abgrund ums Leben gekommen.« »Wenn du jetzt denkst, daß ich aufatme, dann irrst du dich.« »Wofür hältst du mich? Bis später.« Das Hologramm erlosch. Cistolo Khan rief sich in Erinnerung, was er über diese Frau wußte. Viel war es nicht. Seit sie ein schwerer Schicksalsschlag getroffen hatte, zählte sie zu den typischen Einzelgängern. Die Spuren hatten sich tief in ihr Gesicht eingegraben. Zwischen den Space-Jets tauchten Gleiter auf. Prett Boemer schickte zusätzliche Unterstützung zum Abtransport der Herreach. Diese ließen es kommentarlos geschehen, daß die Fremden sie in Fahrzeuge luden oder in den Fesselfeldern abtransportierten. Die Gefahr, in der sie sich bis vor kurzem befunden hatten, brachte sie nicht aus der Fassung. Der Tod zählte zu den Dingen im Leben, für die sie sich nicht interessierten. Entweder trat er ein oder nicht. Dafür stellten sie Fragen. Nach den bisherigen Erfahrungen mit diesen Wesen lernten sie langsam, aber gründlich. Sie bestaunten die Fahrzeuge und die unsichtbaren Energiefelder, verglichen sie mit Geisterbahnen, die nachts zwischen den Städten verkehrten. In der Mythologie der Herreach gab es Tschukas, die sich nicht von den herkömmlichen Zügen unterschieden. Wer jedoch zustieg, verschwand für immer und ewig von der Welt. Donder Pereira setzte ihn und sein Fahrzeug einen Kilometer vom Erdspalt entfernt ab. Die Space-Jet zog sich umgehend zurück und steuerte den nächsten Einsatzort an.
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Cistolo Khan überließ es den Besatzungen der anderen Gleiter, sich mit den Herreach auseinanderzusetzen. »Syntron, ich will einen Komplettcheck«, verlangte der LFT-Kommissar. »Wird bereits durchgeführt, Cistolo. Das Ergebnis kommt jetzt. Außer einer übermäßigen Belastung der Antriebssysteme gibt's nichts zu melden. Schäden liegen keine vor.« »Na, das ist ja etwas.« Khan schlug Drenderbaum auf die Schulter. »He, Bruno! Laß dich nicht so hängen!« Drenderbaums Erschütterung war echt. Er schauspielerte nicht wie sooft bei anderen Gelegenheiten, wenn es darum ging, Menschen einen falschen Eindruck von sich zu vermitteln. Mit hängenden Schultern, wie ein Häufchen Elend saß er da, und als er den Helm seines SERUNS öffnete, blickte Cistolo Khan in ein völlig eingefallenes Gesicht mit tief in den Höhlen liegenden Augen. Bruno Drenderbaum sah aus, als sei er schon seit Stunden tot. Im nächsten Augenblick aber straffte sich seine Gestalt. Entschlossen betätigte er eines der hochempfindlichen Sensorfelder an der Steuerkonsole. »Wichtige Neuigkeiten«, sagte er laut. »Myles kommt per Hologramm. Und NATHAN baut soeben eine Hyperfunkbrücke zu uns auf.«
Der terranische Chefwissenschaftler stand zwischen den Trümmern im Innern des Kummerog-Tempels. Hinter seinem Rücken arbeiteten sich Terraner und Herreach durch den Wust dessen, was der Riese Schimbaa übriggelassen hatte. All das erkannten die beiden Insassen des Gleiters in dem dreidimensionalen Hologramm, das zwischen den Sesseln aufragte. »Guten Abend«, sagte Myles. Wie immer wirkte er übernächtigt. Die Haare standen ihm nach allen Richtungen. An Blässe übertraf er Bruno Drenderbaum um etliche Nuancen.
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»Ich bin froh, euch heil wiederzusehen.« »Danke gleichfalls«, grinste Cistolo Khan. »Das kann jedem passieren.« »Was meinst du damit?« »Ach nichts. Sollte ein Scherz sein.« »Tut mir leid, Cis. Zum Scherzen bin ich überhaupt nicht aufgelegt. »Natürlich. Entschuldige, Myles.« Die lunare Großsyntronik meldete sich. »NATHAN an alle! Die Analyse der jüngsten Vorgänge auf dem vierten Planeten ist abgeschlossen.« NATHAN projizierte - über den Syntron - ein Hologramm mit einem Meter Durchmesser in die Kabine des Gleiters, Eine verkleinerte, naturgetreue Abbildung des vierten Planeten leuchtete auf. »Die Projektion enthält die Voraussage für die kommenden sieben Tage. Der Zeitraffer faßt für euch Bilder zusammen, die er im Dreißig-Minuten-Rhythmus aufgenommen hat. Vulkanische Aktivität ist rot hervorgehoben. Luftwirbel erscheinen als grüne Gebilde.« Zu dritt starrten sie auf die Planetenkugel. Die winzigen roten Flecken auf der braunen Oberfläche verliehen Trokan das Aussehen eines Gesichts voller Masern oder Pickel. Die Flecken vergrößerten sich immer mehr, die braune Gesteinskruste des Planeten erhielt Risse und erste Verwerfungen. Ganze Landstriche hoben und senkten sich. An ihren Rändern entstanden Bruchstellen, und diese erstreckten sich teilweise über tausend Kilometer. Drei der sieben Herreach-Städte befanden sich in unmittelbarer Gefahr. »Durch die regelmäßigen Temperaturwechsel am Morgen und am Abend kommt Trokan nicht mehr zur Ruhe«, fuhr NATHAN fort. »Die seismologischen Aktivitäten schaukeln sich auf. Die Veränderungen in der Gesteinskruste führen zu einer Schwingungsbewegung des Magnetfeldes, und das wiederum zieht eine zunehmende Instabilität des gesamten
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Rotationssystems nach sich. An den Polen bilden sich riesige Wirbelstürme, die bald auf die gesamte Lufthülle übergreifen werden.« »Mit anderen Worten, die Zivilisation der Herreach steht auf des Messers Schneide«, zitierte Cistolo Khan eine alte terranische Redewendung. »Sie wird die Katastrophe unter den gegebenen Umständen nicht überleben«, präzisierte NATHAN. »Ich übermittle jetzt entsprechende Einsatzpläne an alle Schiffe. Derzeit besteht noch die realistische Chance, die Katastrophe einzudämmen. Wenn der Planet erst einmal seinen gesamten Gesteinsmantel absprengt, ist es zu spät. Und dies wird in hundert Tagen der Fall sein, wenn ihr nichts dagegen unternehmt.« Hundert Tage - das war weniger als die vier Monate, die NATHAN anfangs genannt hatte. Khan hegte starke Zweifel, daß sie den Wettlauf gegen die Zeit in irgendeiner Form gewinnen konnten. »Wir setzen alle verfügbaren Schiffe ein«, sagte er hastig. »Khan an PAPERMOON: Der Einsatzplan NATHANS ist sofort in die Tat umzusetzen.« »Tut mir leid. Er läuft erst in zehn Minuten an, Cistolo«, kam prompt die Antwort von Prett Boemer. »Wir koordinieren derzeit die Messungen der Roboteinheiten und verteilen die Schiffe über die Planetenoberfläche.« »Wenigstens einer, der mitdenkt. Danke, Prett.« Myles Kantor strich sich seine Haarsträhne aus der Stirn. »Ihr könnt jederzeit mit mir rechnen. Gebt mir Bescheid, wenn ihr mich braucht.« Sein Hologramm erlosch, und der LFT-Kommissar blickte seinen Assistenten an. »Wenn ich mir nur sicher wäre, daß die Rettung Trokans kein Eigentor ist. Welche Bedeutung haben die Herreach für uns und das Solsystem? Wieso entwickeln sie sich ausgerechnet jetzt und nicht ein paar Jahrhunderte früher?« Bruno Drenderbaum zuckte mit den Achseln. »Ich weiß
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nicht« begann er. »Wieso versuchen wir eigentlich ständig uns einzureden, daß es da einen Zusammenhang gibt? Trokan stammt aus dem Arresum. Vielleicht wären die Herreach dort zum selben Zeitpunkt entstanden.« Cistolo Khan brummte Unverständliches. Er starrte durch das Hologramm des Planeten hindurch, das langsam verblaßte. Dann wuchtete er seinen mächtigen Körper herum und ließ sich in den Sessel des Kopiloten fallen. Er rief die Daten NATHANS ab und ging sie intensiv durch. »Ich wünschte mir, es wäre tatsächlich ein Zufall«, murmelte er. »Aber da gibt es ein paar Fragen, die mir im Kopf herumgehen. Wieso kommt Rhodan daher und präsentiert uns eine Meganon-Welle, die eindeutig nach dem Terranischen Forscher Attaca Meganon benannt ist? Hat er etwa auf diese Entwicklung Trokans gewartet?« »Man müßte ihn fragen, Cis.« »Genau das werden wir tun. Hoffen wir, daß es etwas bringt. Auf keinen Fall werden wir in unserer Wachsamkeit nachlassen.« Nicht umsonst galt seit dem Auftauchen des Bohrkopfes und der beschleunigten Evolution Trokans im Solsystem GelbAlarm. Trokan war nicht nur irgendein Austauschplanet für den verseuchten Mars. Die Ayindi mußten sich damals etwas gedacht haben, als sie gerade diesen Planeten aussuchten und behaupteten, daß es keinen idealeren Ersatz gab. Trokan als Windei? Als Trojanisches Pferd und Fünfte Kolonne mitten im Herzen des Menschenreiches? Wenn das zutraf, dann steckte nicht ein Iratio Hondro oder eine Blaue Legion dahinter. Auch keine Galactic Guardians. Und erst recht nicht das Kristallimperium oder das Forum Raglund. Sondern etwas anderes, Unvorstellbares. Der LFT-Kommissar beendete die Sichtung von NATHANS Daten und warf den Kopf zurück. »Khan an alle!« sagte er. »In eineinhalb Stunden beginnen wir mit der Akupressur von Trokan.«
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5. Donder Pereira zählte zu den Frauen in der LFT, die sich von der Pike an hochgearbeitet hatten. Mit einer Ausbildung als Kosmonautin und Plasmaingenieurin war sie in die Heimatflotte eingetreten, wie sie die dreitausend LFT-Einheiten im Solsystem bei sich nannte. Zunächst als Assistentin und später Chefin einer wissenschaftlichen Abteilung im Forschungskreuzer POLLUX tätig, hatte sie ein halbes Jahr vor dem Abschluß der Evolution auf Trokan den Auftrag erhalten, die wissenschaftlichen Vorarbeiten für eine Untersuchung des vierten Planeten zu koordinieren. Mit Feuereifer machte sie sich an die Arbeit und meldete bereits nach viereinhalb Monaten den Vollzug des Auftrags. Die kleine Forschungsflotte stand zum Einsatz bereit. Noch aber lief die rasende Evolution auf Trokan ab, ohne daß ein Ende des Vorgangs in Sicht war. Und als sie endlich zum Stillstand kam und die Verwirbelung sich auflöste, da ging alles viel zu schnell. Auf der Oberfläche lebte ein Volk, das sich Herreach nannte. Es besaß eine Kultur, die der des ersten industriellen Zeitalters auf Terra vergleichbar war. Elektrizität und Dampfeisenbahn waren erfunden, es gab telegrafische Einrichtungen. Irgendwann in naher Zukunft mußte damit gerechnet werden, daß dieses Volk weitere Fortschritte in Richtung Technisierung und sogar Raumfahrt machte. Donder Pereira kannte die Befürchtungen, die vor allem Cistolo Khan und die Erste Terranerin Paola Daschmagan hegten. Ein zweites raumfahrendes Volk im Solsystem brachte Probleme für die Zukunft, die zu einer Schwächung der Liga führen konnten. Angesichts der Ohnmacht des Galaktikums und der politischen Großwetterlage in der Milchstraße keine besonders rosigen Aussichten für die Zukunft.
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Die PAPERMOON landete in Moond, zwischen der Millionenstadt und dem Kummerog-Tempel. Alles sah nach einer Routine-Erkundung aus. Donder Pereira rechnete sich bereits aus, wann sie endlich die Erlaubnis zur Suche nach Überresten von damals erhalten würde. Die Situation änderte sich jedoch übergangslos, als die ersten schweren Bebenwellen die Planetenoberfläche durchliefen und große Teile von Moond in Schutt und Asche legten. Trokan begann sich nach Millionen von Jahren währender Evolution gegen die Phasen aus Tag und Nacht und die damit verbundenen Temperaturschwankungen zur Wehr zu setzen. Die neue Lage erforderte neue Konzepte. Donder Pereira stürzte sich in die Arbeit, wie sie es in all den Jahren getan hatte seit jenem schicksalhaften Tag im September 1222 NGZ, als die POLYAMID über Trokan explodierte. Diese Explosion hatte Donders Leben abrupt verändert. Ihr Lebensgefährte und ihr Sohn hatten sich an Bord des Forschungsraumers befunden und galten als tot. Seither hatte Donder es sich aber auch zur Aufgabe gemacht, nach möglichen Spuren des Schiffes und seiner Insassen zu suchen. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie ihr nicht nur Cistolo Khan sagte. Nach den Millionen von Jahren, die auf und über Trokan inzwischen vergangen waren, existierten mit Sicherheit keine Überreste der POLYAMID mehr. Aber darum ging es Donder Pereira nicht. Sie wollte es einfach wissen. Nichts finden und guten Gewissens in den Spiegel blicken zu können, das schwebte ihr vor. Erst wenn sie sich selbst davon überzeugt hatte, würde sie wieder ruhig schlafen. Und das war eine Gabe der Natur, die ihr in den vergangenen sechs Jahrzehnten verloren gegangen war. Jetzt, in diesen Stunden unmittelbar über der Oberfläche Trokans, überkam sie wieder dieses Fieber, unter dem sie in der Anfangszeit ihres Witwendaseins gelitten hatte. Ihre Wangen leuchteten rot, ihre Stirn glühte. Ihre Hände zitterten leicht, und sie floh förmlich in die Space-Jet, um eines der
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Bodenkommandos am ersten tektonischen Bruch zu übernehmen. Der Pikosyn des SERUNS kannte ihr Problem und hielt sich zurück. Noch gab es keinen Grund einzugreifen. Donder haute Khan und Drenderbaum heraus und kümmerte sich anschließend um die Herreach in der Umgebung des inzwischen zwanzig Meter breiten und vier Kilometer langen Risses. Inzwischen befand sich keines dieser Wesen mehr in Gefahr. Donder setzte sich mit ihrem Mutterschiff in Verbindung. »Ich benötige ungefähr sechs Stunden, dann stehe ich wieder zur Verfügung«, sagte sie zu Marcel Whitcombe, dem Kommandanten der Protos-Einheit SEVILLA. »Geht das in Ordnung?« Whitcombe wußte Bescheid und nickte nur. »Viel Glück«, wünschte er. Sie lächelte kaum merklich und schaltete die Verbindung ab. Mit den Händen strich sie ihre wuchtige schwarze Mähne nach hinten und putzte sich nochmals die Nase. Dann kümmerte sie sich um das halbe Dutzend Sonden, die sie als Privatbesitz mit nach Trokan gebracht hatte. Sechs Sonden für einen ganzen Planeten. Mehr war nicht drin. Es mußte einfach reichen. Die beiden Roboter hatte sie zu Hause gelassen. Um den Planeten komplett abzusuchen, hätten sie schätzungsweise zehntausend Jahre benötigt. Und Donder hatte nicht vor, sich den Abschlußbericht in einem postmortalen Gefrierfach anzuhören. Eine einzelne Träne stahl sich aus ihrem rechten Auge, als sie die Space-Jet beschleunigte, den ersten von sechs errechneten Fixpunkten ansteuerte und dort eine der Sonden ausschleuste. Die Idealhöhe lag bei sechzig Metern über der Oberfläche. Hoch genug, um die Herreach nicht zu stören, und tief genug, um eine gründliche Untersuchung der Oberfläche und der bodennahen Luftschichten vorzunehmen. Mit einem positiven Ergebnis rechnete die hundertdreißigjährige Frau nicht. Sie wollte nur nachträglich etwas für ihre
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beiden ums Leben gekommenen Männer tun. Ein letzter Liebesbeweis, nicht mehr und nicht weniger.
»An der Südflanke der Hügelkette entsteht ein tektonisches Spannungsfeld«, verkündete der Syntron. »Die Wärmeabgabe des Bodens nimmt sprunghaft zu.« »Optisch läßt sich nichts erkennen. Noch nicht.« Marcel Whitcombe massierte das fleischige Kinn und zupfte sich anschließend die spärlich verbliebenen, unumstößlich letzten Haarsträhnen an den Schläfen zurecht. Ein grellroter Punkt auf dem Hologramm zeigte die Position des Kreuzers der Protos-Klasse. Er pulsierte wild, und wenn der Kommandant des Schiffes ihn fixierte, schien sich der Rhythmus zu beschleunigen. »Syntron, ich brauche eine Ausschnittsvergrößerung«, forderte er. Aus der kugelförmigen Holoprojektion unmittelbar über Cirrus Vonnegutts Kopf löste sich ein winziges Stück und zoomte unmittelbar vor die Kommandosektion. Whitcombe in dem für ihn viel zu großen Sessel zog unwillkürlich den Kopf ein. »Noch größer«, verlangte er. »Ich will mehr Details der Oberfläche sehen.« Erneut zoomte der Ausschnitt des Hologramms, während unter der Kugel Vonnegutt eine abfällige Bemerkung über das entstandene Loch im Hologramm machte. Längst brannten seine Augen vom unentwegten Starren auf die riesige Holoprojektion, die mehr als die Hälfte der Zentrale einnahm. Trokan hing als lebendige Kugel mitten in der SEVILLA, und der Südpol befand sich höchstens zehn Zentimeter über Vonnegutts Haarspitzen. Die Ortung gab Alarm. Die Oberflächenspannung des Gesteins schnellte exponential in die Höhe. In der spärlichen Grasnarbe Trokans entstanden erste Risse. Der Untergrund
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klaffte auseinander. Aus dem Innern des entstehenden Spalts drang Wärme. »Zehn Grad, fünfzehn Grad, zwanzig«, zählte jemand von der wissenschaftlichen Sektion. »Das geht ja ziemlich flott.« »Wie weit sind wir weg?« Whitcombe kniff die Augen zusammen. »In dreieinhalb Minuten erreichen wir eine Position über dem Bruch«, hustete Vonnegutt. Der Einsatzplan NATHANS gab jedem der dreitausend Schiffe eine exakt definierte Position in der Atmosphäre Trokans vor. Von diesen Positionen aus agierten die Schiffe und steuerten ihre Einsatzgebiete an. Cistolo Khan als oberster Einsatzleiter faßte das Konzept unter dem Begriff Akupressur zusammen. Es bedeutete, daß die Schiffe Druck auf die Oberfläche des Planeten ausübten. Zuvor aber akupunktierten die Terraner die Haut Trokans; das geschah mit Hilfe der abgesetzten Meßsonden: Sie bohrten feine Nadeln in den Untergrund, maßen die Erwärmung und die Ausdehnung des Gesteins und schickten die Ergebnisse an die PAPERMOON. Der Syntronverbund von Khans Flaggschiff wertete sie aus und gab sie in Nullzeit an die dreitausend Schiffe in der Atmosphäre des vierten Planeten weiter. Die Temperatur im Zielgebiet stieg inzwischen rasend schnell an, hundert Grad in einer Minute. Der Vorgang ähnelte einer unterirdischen Atombombenexplosion. Von einem annähernd punktförmigen Zentrum dehnte sich die Hitze nach allen Seiten aus. Eine Druckwelle fegte durch die Risse empor an die Oberfläche und sprengte das Gestein auseinander. Die empfindlichen Außenmikrofone der SEVILLA nahmen das Knistern und Knallen in der Gesteinskruste des Planeten wahr. Das Schiff verstärkte seine Schutzschirme und verringerte seine Fahrt. Bis zum Einsatzort waren es noch knapp sechs Kilometer. Ein Kanonenschlag hallte über das Land und brach sich an der Flanke der Hügelkette. Bisher war alles nur ein Vorspiel
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gewesen. Jetzt ging es erst richtig los. Der Boden explodierte förmlich. Eine Druckwelle aus der Tiefe raste empor und riß die Grasnarbe und den Humus mit sich. Zweihundert Meter über Grund geriet alles ins Taumeln und stürzte zur Oberfläche zurück. Auf Marcel Whitcombes Stirn bildeten sich kleine Schweißtropfen. »Was ist mit den Gravoprojektoren?« »Sind einsatzbereit«, meldete der Syntron. »Das Schiff erreicht seinen optimalen Standort in knapp vierzig Sekunden.« Der Kommandant nahm es mit einem leichten Senken des Kopfes zur Kenntnis. »SEVILLA an PAPERMOON«, sagte er. »Wir fangen an.« »Hier Boemer. Verstanden. Viel Erfolg!« Whitcombe fixierte den Monitor an seiner Konsole. Er zeigte die Druckwerte an der Oberfläche, wie sie die Tastung, aber auch eine der gelandeten Meßeinheiten übermittelte. Warum mußten ausgerechnet sie die ersten sein? Konnte der Premierenausbruch nicht an einem anderen Ort der Oberfläche stattfinden? »Projektoren ein!« ordnete Whitcombe an. Aus den Augenwinkeln blickte er auf den Schirm, der die Situation in der Lufthülle Trokans zeigte. Die dreitausend Schiffe standen in zwei unterschiedliche Höhenkorridore gestaffelt über der Oberfläche. Zwischen dem LFT-Raumer und der Oberfläche entstanden übergangslos starke Schwerkraftfelder. Sie übten Druck auf den Boden aus und verhinderten, daß die Gesteinseruption ihre volle Kraft entfalten konnte. Druckabbau durch Gegendruck, das war es, was Cistolo Khan mit Akupressur gemeint hatte. Die SEVILLA begann spürbar zu vibrieren. Die Stabilisatoren des Antigravantriebs arbeiteten auf Vollast und erreichten erste Spitzenwerte im Gefahrenbereich. Dennoch reichte der Druck von fast fünfzig g nicht aus, den Gewalten aus dem Innern des Planeten standzuhalten. »Erhöhen auf siebzig«, sagte Whitcombe.
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Er saß jetzt vollkommen ruhig in seinem Sessel und beobachtete abwechselnd die Skalen auf seinem Monitor und das Holo mit der optischen Darstellung der Oberfläche. Sie hatten so etwas noch nie gemacht. Zumindest nicht in diesem Umfang. Der Kommandant der SEVILLA und Führer des kleinen Verbandes dachte flüchtig an seine Ausbildung vor sechzig Jahren. Sie hatten Asteroiden gesprengt, indem sie die Gesteinsbrocken von mehreren Seiten mit Gravofeldern zusammengedrückt hatten. Mehr nicht. Die Erfahrungen von damals nützten ihm überhaupt nichts. Trokan war kein toter Gesteinsklumpen. Der Planet lebte innen und außen. Doch für wie lange noch? »Wir kriegen das in den Griff.« Cirrus Vonnegutt grinste fast schon unverschämt und starrte zu der Kugel über sich hinauf. »Wehe, wenn du runterfällst.« Eine unsichtbare Titanenfaust drückte die SEVILLA von Trokan weg. Whitcombe reagierte sofort. »Feldantrieb einschalten, auf Gegenschub gehen!« Es war die einzige Möglichkeit, die Aggregate und Energiespeicher des Antigravs und der Schwerkraftfelder zu entlasten. Die Oberflächentaster gaben jetzt Alarm. »Die Dichte des Bodens nimmt ab. Zwischen Null und sechshundert Metern unter Null kommt es zu einer systematischen Zersetzung des Gesteins.« Marcel Whitcombes Kopf ruckte zur Seite. Er starrte zu Cirrus Vonnegutt hinüber. Dessen Gesicht verfärbte sich langsam, aber sicher dunkel. »Haben wir ja spitzenmäßig im Griff«, knurrte der Kommandant angriffslustig. Drunten am Boden lief ein gespenstischer Prozeß ab. Ein gewaltiges Puzzle aus dunklen und hellen Flecken entstand. Die Hitze und der Druck zersetzten das lockere Oberflächengestein und die Erdkrume darüber.
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»Alle Gravofelder um siebzig Prozent reduzieren«, stieß der Kommandant hervor. »Wir versuchen es anders.« Augenblicklich verschaffte sich der Überdruck aus der Tiefe des Planeten Raum. Auf einer Länge von sieben und einer Breite von fünf Kilometern brach der Boden auf. Die Druckwelle schleuderte das Material bis über drei Kilometer hinauf in die Atmosphäre. Ohne den dämmenden Einfluß der Gravitationsfelder wären es fünf, sechs Kilometer gewesen. Die Welle erreichte die SEVILLA und prallte an der Schirmstaffel ab. »Da läuft etwas schief, Marcel!« Vonnegutt brachte lediglich ein Krächzen zustande. »Und zwar gewaltig.« »Ach?« Gesteinsmassen von vielen tausend Tonnen Gewicht rasten ihnen entgegen, drückten mit Titanenfäusten gegen die energetischen Felder und versuchten, sich einen Weg nach oben zu bahnen. Erste Daten von anderen Brüchen in der Planetenkruste trafen ein. Dort kämpften die Besatzungen der Schiffe mit ähnlichen Schwierigkeiten. Der ganze Planet geriet in Aufruhr. Es war fraglich, ob NATHAN mit seinen Berechnungen richtig lag. Wenn sich die Beben und Oberflächenverwerfungen in dieser Stärke fortsetzten, dauerte das nie und nimmer hundert Tage. Der Spalt an der Hügelflanke besaß inzwischen Ausmaße von zehn Kilometer Länge und acht Kilometer Breite; er gähnte gut sechs Kilometer tief. Marcel Whitcombe fröstelte. Das Loch glich einem Ungeheuer, das seinen Rachen aufriß, um alles zu verschlingen. Erste Glutflecken zeigten sich. Lava, die wogte und langsam nach oben stieg. »Vorsichtig dagegenhalten«, sagte er. »Ja, so ist gut.« Die Gravitationsfelder sanken langsam nach unten in den tektonischen Bruch hinein. Dort, wo sie das Gestein und den Glutfluß berührten, entstand eine Zone hoher Energie. Es ließ
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sich mit dem Vorgang vergleichen, wenn jemand kaltes Wasser auf eine heiße Herdplatte schüttete, nur viel, viel schlimmer. »Drei Tage höchstens. Mehr gebe ich dieser Welt nicht.« Vonnegutt warf den Kopf zurück. »Am besten wäre, wir würden die Herreach einfach evakuieren.« »Und wohin, bitte?« Whitcombe tippte sich an die Stirn. »Außerdem vergißt du, daß sie sich gar nicht evakuieren lassen. Das Desaster am Kummerog-Tempel hat sich mit Hilfe des Telegrafennetzes rumgesprochen. Die Herreach sehen keine Zukunft mehr. Sie werden mit ihrer Welt untergehen, wenn es uns nicht gelingt, den Planeten vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren.« Die Lava drängte empor. Es hatte keinen Sinn, sie in der Tiefe zu halten. Sie suchte sich andere Wege. Whitcombe forderte Verstärkung an und erhielt sie in Gestalt von zehn Kugelschiffen. Sie verteilten sich rund um das Gebiet und versuchten, den Spalt in der Oberfläche zu schließen. Die Lava half ihnen. Sie verteilte sich gleichmäßig, verschloß den Riß im Boden und kühlte langsam ab. Fünf Stunden hielten sie den Druckausgleich zwischen Eruption und Schwerkraftfeldern konstant und leiteten neu entstehenden Überdruck zu den Seiten ab. Dann ließ die Gewalt aus dem Innern Trokans nach, und sie konnten die Energie der Felder reduzieren. Doch die Gefahr war nicht gebannt. Die kühle Nachtluft verpaßte dem Gestein einen Temperaturschock. Der Unterschied von mehreren hundert Grad bewirkte ein erneutes Aufbäumen. »SEVILLA an PAPERMOON«, gab Marcel Whitcombe durch. »Langsam macht das hier keinen Spaß mehr. Andere Einsatzgruppen verschieben Gesteinsmassen, entschärfen die Oberflächenspannungen und verschweißen die Bruchstellen mit Hilfe von Thermostrahlern. Wir hingegen quälen uns ab, und ein Ende ist nicht abzusehen.«
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»Hier Serah Jennin. Bleibt auf eurem Posten. Die Anzahl der Gefahrenherde nimmt weiter zu. Wenn die Nacht vorbei ist und die morgendliche Erwärmung beginnt, geht es erst richtig rund.« »Kann ich wenigstens meine fristlose Kündigung einreichen?« »Tut mir leid. Unser Verwaltungssyntron ist derzeit außer Betrieb. Die Energie wird anderweitig benötigt.« Natürlich war das nur ein Scherz, aber Marcel Whitcombe ging auf das Spiel ein. »Dann verschieben wir es eben. Gegen eine Heraufsetzung der Gefahrenzulage habe ich gar nichts einzu...« Er brach mitten im Satz ab. Der Syntronverbund wies ihn darauf hin, daß sechs Kilometer nördlich des Risses eine neue Gefahrenzone entstand. Jetzt begriff selbst der letzte Terraner über Trokan, daß sie erst den Anfang einer gewaltigen Katastrophe erlebten.
6. Cistolo Khan lehnte sich gegen den Gleiter und blickte hinüber zum Kummerog-Tempel. Myles Kantor tauchte unter dem Eingang auf, orientierte sich kurz und hielt dann auf den LFTKommissar zu. »Hallo, Cis!« Atemlos gelangte er beim Gleiter an. »Gut, daß du schon da bist.« Die beiden Männer starrten sich durch die Helmscheiben hindurch an. Myles Kantor machte wie so oft einen übermüdeten Eindruck. »Was hast du auf dem Herzen?« fragte Khan. »Es geht um die GILGAMESCH. Paola ist nicht zu erreichen, also bleibst nur du. Wir sind mit unserem Latein am Ende. Der Kummerog-Tempel gibt seine Geheimnisse nicht -46-
preis. Unsere Mittel sind erschöpft. Jetzt können nur noch Perrys Leute etwas ausrichten.« »Wieso bist du so sicher?« Cistolo Khans Gesicht nahm einen lauernden Ausdruck an. Myles Kantor schien es nicht zu bemerken. »Spielt das wirklich eine Rolle, Cis? Hast du die MeganonWelle schon vergessen?« Khan lachte rauh. »Natürlich nicht. In der GILGAMESCH haben sie etwas geortet, was wir nicht erkennen konnten. Deshalb habe ich bereits mit Paola Daschmagan gesprochen. Die Erste Terranerin ist mit meinem Vorschlag einverstanden.« Myles begann zu strahlen. Übergangslos wirkte er nicht mehr wie ein müder, erschöpfter Forscher, sondern eher wie ein fröhlicher, unbekümmerter Junge. »Die GILGAMESCH darf also sofort...« »Mach mal halblang, Myles! Ich gestatte einem Beiboot der GILGAMESCH die Landung auf Trokan. Wenn keiner unserer Wissenschaftler etwas dagegen hat, werde ich mich mit Rhodan deswegen in Verbindung setzen.« »Keiner hat etwas dagegen. Sie haben mich sogar dazu aufgefordert«, sagte Myles erfreut. Khan beugte sich nach vorn und starrte ihn grimmig an. »Ach! Und es gab keine einzige Widerrede?« »Nein. Du kannst sie alle fragen.« »Merkwürdig«, flüsterte der LFT-Kommissar kaum hörbar. »Wenn Gia das wüßte... Egal. Was zählt, sind Fakten.« Gia de Moleon war die Leiterin des Terranischen LigaDienstes, des TLD, »Achtung!« meldeten die Pikosyns ihrer SERUNS. »NATHAN teilt mit, daß sich soeben ein Zwölftel der GILGAMESCH abgetrennt hat. Es nimmt Fahrt auf und verschwindet im Hyperraum.« »Ein Zwölftel?«
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Cistolo Khan starrte Myles Kantor entgeistert an. »Was bedeutet das?« Der terranische Chefwissenschaftler zuckte mit den Achseln. »Gib dir die Antwort selbst. Oder frag Perry. Wie ich ihn kenne, müßte er gleich da sein.« Keine zehn Sekunden später meldete die Ortung, daß hoch über Trokan ein fremdes Fahrzeug von der Form eines Pentagondodekaeders auftauchte. »Hier spricht die GILGAMESCH EINS«, vernahmen sie die markante, unverwechselbare Stimme Rhodans. »Wir bitten euch um Landekoordinaten.« »Sind nicht nötig«, erwiderte Cistolo Khan. »Landet neben der PAPERMOON.« Als der Pikosyn ihm die genauen Maße der GILGAMESCH I nannte, fand er den Vorschlag nicht mehr so gut. Er ließ sich jedoch nichts anmerken und wartete geduldig, bis der Splitter durch die Atmosphäre heruntersank und dicht über dem Tempelplatz zur Ruhe kam. Ohne mit der Wimper zu zucken, akzeptierte der LFTKommissar das Ding als Beiboot, obwohl es mit seinen tausend Metern Länge die PAPERMOON deutlich übertraf. Der LFT-Kugelraumer besaß »lediglich« einen Durchmesser von achthundert Metern. Schwerwiegende Gedanken gingen Cistolo Khan durch den Sinn. Von Rhodans Anwesenheit erhoffte er sich Fortschritte. Obwohl er nicht wußte, worum es sich bei dem Projekt Camelot handelte, ahnte er, daß sie nur aus dieser Richtung Hilfe erwarten durften. Khans Sorgen schrumpften dadurch nicht, aber sie ließen sich ein wenig besser ertragen. In der Öffentlichkeit dominierte das Sensationelle der Vorgänge auf Trokan. Die Gefahr verblaßte angesichts der Harmlosigkeit der Herreach. Was aber steckte dahinter? Wer zeichnete für das Zeitrafferfeld verantwortlich, und wer war Kummerog? Wo befand sich der noch unentdeckte Feind oder die Bedrohung?
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Es war sein Job, die Dinge schwärzer zu sehen als andere, und er hätte es sich nie im Leben verziehen, wenn er leichtfertig gehandelt hätte. An der GILGAMESCH I öffnete sich eine Schleuse, und Cistolo Khan und Myles Kantor setzten sich gleichzeitig in Bewegung. »Die Herrschaften mit der Meganon-Welle sind eingetroffen«, sagte der LFT-Kommissar und wußte genau, daß sie drinnen in dem komischen Kasten jedes seiner Worte mithörten. »Dann ist Meganon selbst auch nicht weit.« Myles lachte. »Kann sein, daß du dich täuschst, Cis.«
Schatten zeichneten sich unter dem Rumpf des Beibootes ab. Sie bewegten sich vorwärts und traten in die diffuse Helligkeit des trokanischen Tages hinaus. Drei Männer waren es, von der Herkunft eindeutig Terraner. Ihre Gesichter sah man heutzutage nur noch höchst selten. Perry Rhodan, Reginald Bull und Alaska Saedelaere. Rhodan und Bull trugen beige Kombinationen mit Stiefeln. Saedelaeres Bekleidung bestand aus einem schwarzen Overall mit vielen Taschen, die jedoch keinen Inhalt zu besitzen schienen. Und sie benutzten keine SERUNS und keine Atemgeräte. »Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, daß sie zusätzlich Sauerstofftabletten zu sich genommen haben«, meldete Khans Pikosyn. Cistolo zögerte unmerklich. Zum ersten Mal in seinem Leben begegnete er Perry Rhodan, dem legendären Unsterblichen, der einst Großadministrator des Solaren Imperiums gewesen war und später den Status eines Ritters der Tiefe erhalten hatte. Eine Aura der Erhabenheit umgab Rhodan, doch das bildete sich Cistolo vielleicht nur ein. Er gab sich einen Ruck und
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reckte das Kinn nach vorn. Ungefähr in der Mitte zwischen der GILGAMESCH I und dem Gleiter trafen sie zusammen. Khan reichte Perry Rhodan die Hand und drückte sie fest. »Es gibt immer ein erstes Mal«, sagte er. »Ich bin froh, daß wir uns unter diesen und nicht unter anderen Umständen begegnen. Hallo, Perry, hallo, Bully, hallo, Alaska!« Die drei erwiderten den Gruß und nickten Myles Kantor kurz zu. »Ich stimme dir zu«, sagte Rhodan. »Wir sind dir dankbar, daß du uns eine Landung auf Trokan gestattet hast.« Cistolo Khan grinste verhalten. »Hätte ich sie dir verwehren können?« »Nein. Aber wir respektieren die Entscheidungen der LFT. Schließlich handelt es sich um ihr ureigenes Territorium.« Perry Rhodans Worte lösten in Khan einen Sturm von Empfindungen aus. Der Terraner verhielt sich, als sei er ein Fremder im Solsystem. Oder bezog er seine Aussage lediglich auf Trokan? Der Planet gehörte nicht wirklich hierher. Oder wollte Rhodan ihm das Gegenteil begreiflich machen? Daß Trokan und die Herreach unverrückbar zum Zentrum des Machtbereichs der LFT zählten? »Das ehrt dich und deine Begleiter. Viel wissen wir über das Projekt Camelot bekanntlich nicht. Eure Anwesenheit zeigt mir, daß sich das bald ändern wird.« Myles Kantor seufzte. »Ah, Cis, warte...« begann er. Khan achtete nicht auf ihn. Natürlich war ihm klar, daß Myles in dieser Situation die Partei der Aktivatorträger ergreifen würde - ergreifen mußte. »Also, dann legt mal los!« forderte der LFT-Kommissar die drei Unsterblichen auf und blickte sie erwartungsvoll an. Alaska Saedelaere blieb stumm. Reginald Bull veränderte seine Gesichtsfarbe zu einem hellen Rot und schluckte heftig. In Rhodans Augenwinkeln bildeten sich winzige Lachfältchen. »Wir stellen keine großen Ansprüche, Cistolo Khan. Uns
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geht es lediglich um die Untersuchung der bereits erwähnten Verzerrungen der Meganon-Welle. Sobald wir Gewißheit haben, ziehen wir uns zurück.« »Vorausgesetzt, ihr informiert uns über die Ergebnisse.« In Rhodans Gesicht spiegelte sich übergangslos Nachsicht. Khan hielt unmerklich die Luft an. »Natürlich machen wir darum keine Geheimnisse. Ihr könnt bei den Messungen zusehen und die Ergebnisse protokollieren. Einen Augenblick, bitte.« Perry Rhodan sprach in ein extrem flaches Armband. Ein leises Flüstern brachte die Antwort. »Unsere Wissenschaftler verlassen jetzt das Schiff und verteilen ,sich zunächst in sicherem Abstand um den KummerogTempel«, fuhr Rhodan fort. »Wenn du ihnen bitte entsprechende Begleiter zur Verfügung stellen würdest?« »Das übernehmen die Wissenschaftler im Tempel«, sagte Myles schnell. »Ich werde sie rufen.« Die GILGAMESCH I entließ mehrere Gruppen aus Männern und Frauen. Cistolo Khan erkannte die meisten Gesichter sofort wieder. Ohne Ausnahme handelte es sich um bekannte und hochqualifizierte Wissenschaftler, die seit vielen Jahren als verschwunden galten. Sie in Rhodans Diensten wiederzufinden, überraschte den LFT-Kommissar keineswegs. Schon lange hatte er es vermutet, und das Verhalten von Myles Kantor hatte ihn darin bestätigt. Nur ein Gesicht vermißte er, und es tauchte auch nicht auf. Attaca Meganon befand sich nicht unter den Wissenschaftlern im Dienste Camelots. Wenigstens nicht unter denen, die mit nach Trokan gekommen waren. »Im Namen der LFT begrüße ich euch in eurer früheren Heimat!« rief er ihnen entgegen. »Fühlt euch wohl auf Trokan!« »Worauf du dich verlassen kannst«, sagte einer. Er eilte an ihm vorbei in Richtung des bohrkopfähnlichen Gebildes. Die anderen folgten ihm auf dem Fuß.
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Perry Rhodan grinste verhalten. »Du solltest es dir nicht zu Herzen nehmen, Cistolo Khan. Sie sind Wissenschaftler.« »Offenbar haben sie den Stein der Weisen gefunden. Daher die Geheimniskrämerei. Was ist die Meganon-Welle, Rhodan?« Der Aktivatorträger und Ritter der Tiefe boxte ihm freundschaftlich gegen den Oberarm und setzte sich in Bewegung. »Wir wollen uns beeilen. Trokan läßt uns nicht mehr viel Zeit.«
Ose Bandolph gesellte sich zu der Gruppe, die in dreihundertachtundsechzig Meter Höhe auf der Schleusenseite in Position ging. Die Wissenschaftler aus der GILGAMESCH I führten kleine Meßgeräte mit sich, deren Bauweise Bandolph Rätsel aufgab. An ihrer äußeren Erscheinung ließ sich nicht erkennen, welche Funktion sie erfüllten. Er gab sich vorläufig mit dem Gedanken zufrieden, daß es sich um hundsgewöhnliche Taster handelte. An der Wandung des Tempels würden auch sie sich die sprichwörtlichen syntronischen Zähne ausbeißen. Äußerlich sah der Bohrkopf aus, als sei er aus sandfarbenem Naturstein gefertigt. In Wahrheit handelte es sich um ein superfestes, fremdes Material, das sich jeder Analyse entzog. »Gut, ihr ortet also«, sagte er nach einer Weile, als sich noch immer nichts tat und die Gruppe aus fünf Männern und Frauen sich beständig in vornehmes Schweigen hüllte. »Erklärt einem unwissenden Terraner doch wenigstens, wie das vor sich geht. Mit welcher Art von Ortungsstrahlen arbeitet ihr?« Keine Antwort war auch eine Antwort. Erst nach einer Weile wandte eine der drei Frauen den Kopf und starrte ihn an, als sei er einem Museum für Frühgeschichte entsprungen.
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»Du weißt es doch.« Ihre Stimme klang beleidigend nachsichtig. »Wir messen die Verzerrungen der Meganon-Welle.« »Und was erkennt ihr anhand dieser Verzerrungen?« »Das wissen wir noch nicht. Das kommt auf die Art der Verzerrungen an.« »Aha.« Er hätte es sich denken können, daß er nachher genauso schlau war wie zuvor. Die Wissenschaftler mauerten, wo es ging. Eine alte Krankheit terranischer Mentalität, wie Ose wußte. Technischen und wissenschaftlichen Vorsprung verteidigten sie mit Zähnen und Klauen gegen jeden anderen. Egal, ob er von ihrem Tisch aß oder nicht. Der Hyperphysiker im Dienst der LFT richtete seine Aufmerksamkeit auf die anderen Gruppen, die im Abstand von dreißig bis vierzig Metern um den Turm herum arbeiteten. Sie bildeten dabei Ringe, deren Abstand zueinander nicht größer als zwanzig Meter war. Schweigend verrichteten die Männer und Frauen ihre Arbeit, hantierten an den kleinen Meßgeräten und änderten immer wieder ihre Position. Von der Spitze des Bohrkopfes bis hinab zum Fundament bildeten sie ein glockenartiges Energiegebilde. Anmessen ließ es sich nicht, das erfuhr Ose über den Helmfunk. Aber Khan und andere stellten sich vor, daß es genau so und nicht anders war. Der Kummerog-Tempel befand sich unter einem homogenen Meßfeld. Ab und zu sprachen die Männer und Frauen der einzelnen Gruppen leise miteinander. Die dünnen Energieauren um ihre Körper wirkten nicht nur gegen die sauerstoffarme Luft, sondern verzerrten auch ihre Worte. Ose Bandolph verstand rein gar nichts, und Lippenlesen hatte ihm niemand beigebracht. Nach einer Dreiviertelstunde fragte er sich, ob er sich nicht völlig verkehrt hatte ausbilden lassen. Du darfst dich nicht verrückt machen, redete er sich ein. Sie wollen Eindruck bei uns schinden, deshalb tun sie so geheimnisvoll und geben sich maßlos überlegen. Dabei nehmen sie nur ein paar banale Messungen vor.
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Die Gruppe an der Spitze blieb, die anderen rückten Ring für Ring immer weiter nach unten. Ihre Kommunikation nahm zu, und plötzlich hörte Ose auch die Stimme von Myles Kantor. Sie drang über seinen Helmfunk zu ihm durch, und er lauschte auf die eindringlichen Worte des terranischen Chef Wissenschaftlers. »...ist es eindeutig, daß eine schwache Permanentstrahlung vorherrscht, während die Verzerrungen der Meganon-Welle vollständig abgeklungen und nicht mehr nachvollziehbar sind. Die Intensität der Permanentstrahlung nimmt nach unten hin zu?« »So ist es. Wir verständigen Perry Rhodan«, antwortete eine unbekannte Stimme. Rhodan, Bull und Saedelaere, soviel hatte Ose mitbekommen, befanden sich mit weiteren Meßgruppen im Innern des Tempels. Bandolph blieb bei seiner Gruppe und wartete, bis sie den Boden des Tempelplatzes erreichte und durch die Schleuse in das Innere des fremdartigen Gebäudes eindrang. Soviel stand bisher fest: Etwas aus diesem Material gab es auf ganz Trokan kein zweites Mal. Auch im übrigen Sonnensystem nicht. Das Gerücht, daß es damals aus dem Arresum mit herübergekommen war, hielt sich hartnäckig. Ein definitiver Gegenbeweis fehlte bisher. Die Wissenschaftler aus der GILGAMESCH I hatten es plötzlich sehr eilig. Sie achteten kaum auf die Trümmer und den halb zu Staub zerfallenen Tempel. Sie starrten nur noch auf den Fußboden, und Ose registrierte ein flaues Gefühl in seinem Magen. »Wir haben weder am Tempel noch in seinem Innern etwas feststellen können«, sagte er zu sich selbst. »An der Bodenplatte des Bohrkopfes endeten unsere Bemühungen, denn darunter ist nichts außer dem Gestein der Planetenkruste. Der Bohrkopf hat sich vollständig ins Freie gewühlt. Warum also starren die alle nach unten?« Als sie das Zentrum des Tempel-Erdgeschosses erreichten, konnten sie die Aktivatorträger mitten in der Traube aus
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Männern und Frauen lediglich erahnen. Die Messungen waren abgeschlossen, das Ergebnis lag fest. Und Myles Kantor verkündete es, als handle es sich um eine alltägliche Mitteilung. »Unterhalb des Tempels befindet sich eine Strahlungsquelle. Mit herkömmlichen Geräten ist sie nicht zu orten, was wohl ausschließlich am Material des Tempels liegt. Wenn wir Antworten auf unsere Fragen wollen, müssen wir einen Zugang nach unten suchen.« Ose Bandolph hörte kaum hin. Er machte Mercedes Sibur aus. Sie gehörte zu seinem Jahrgang und schob sonst ihren Dienst auf einem der zweiundvierzig Forschungskreuzer, die sich um Trokan kümmerten. Er drängelte sich zwischen den Männern und Frauen bis zu ihr durch und berührte sie an der Schulter. »Hallo, Mercedes!« »Ose. Schön, dich zu sehen. Was denkst du über diese Strahlung?« »Sie ist da. Eindeutig. Nur können wir sie mit unseren steinzeitlichen Mitteln nicht wahrnehmen.« »Es handelt sich bestimmt nur um einen besonderen Kniff, der die Orter und Taster unserer Gäste sensibel für diese Strahlung macht«, hauchte sie ihm ins Ohr. »Dennoch, wenn ich ehrlich bin, Dienst auf der GILGAMESCH würde ich selbst bei halbem Gehalt tun. Leider scheinen sie dort nicht unterbesetzt zu sein. Vielleicht sollten wir mal mit Myles oder mit Rhodan selbst reden.« »Keine schlechte Idee.« »Wir nehmen den direkten Weg durch den Boden«, sagte Myles Kantor gerade. »Es wird sich herausstellen, wie das Material auf Desintegratoren reagiert.« »Keine LFT-Modelle bitte!« warf Alaska Saedelaere ein. »Wir haben unsere eigenen Schweißapparate mitgebracht.« Ose Bandolph schimpfte leise vor sich hin. Wenn das so weiterging, bekamen sie irgendwann noch Minderwertigkeitskomplexe.
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7. »Bleib unten! Wir können dich jetzt nicht einschleusen!« »Verstanden, Marcel. Bis später!« Donder Pereira änderte den Kurs und flog nach Osten. Bis nach Keerioch waren es knapp dreihundert Kilometer. Eine solche Strecke bewältigte der Gleiter in weniger als vier Minuten. Die Ortung zeigte ihr einen Himmel voller Metall. Unregelmäßig verteilt, hingen Trauben von Schiffen über Trokans Oberfläche, manche Tausende Kilometer von ihrer eigenen Position entfernt, andere nur ein paar hundert. Der Kampf hatte endgültig begonnen. Es war ein Kampf um das Überleben eines Planeten. Einen solchen Kampf hatten die Terraner noch nie geführt, höchstens ihre Vorfahren in jener grauen Vorzeit, als der fünfte Planet Zeut vernichtet worden war. Der Syntron des Gleiters wertete Unmassen von Informationen aus, die beständig auf ihn einströmten. Immer wieder führte er leichte Kurskorrekturen durch, und wenn Donder auf die Hologramme der Ortung blickte, wurde ihr schwindelig. Unzählige, kegelförmige Schwerkraftfelder drückten pausenlos gegen den Boden, bewegten sich fahrig hin und her und suchten die ideale Position. An anderen Stellen drückten sie Dellen in den Untergrund oder gaben nach, so daß sich der Druck aus dem Innern Trokans voll entfalten konnte. Die Gravo-Kegel bildeten ein unregelmäßiges Muster über der Oberfläche, und sie blockierten teilweise den ganzen Luftraum. »Wir müssen einen Umweg nach Süden fliegen«, meldete der Syntron. »Willst du dein bisheriges Ziel beibehalten?« »Nicht unbedingt. Was schlägst du vor?« »Steuere die übernächste Stadt an. Es ist Hower. Dort ist es derzeit ruhig.« »Einverstanden.« -56-
Hower, das wußte sie aus dem Funkverkehr der vergangenen Stunden, hatte zwei kleine Ausbrüche hinter sich, die die Hälfte der Stadt in Trümmer verwandelt hatten. Es lag an der Leichtbauweise herrachischer Häuser. Diese wiederum resultierte aus der dünnen Vegetation des Planeten. Außer den gebrannten Braad-Ziegeln fanden hauptsächlich Pflanzenfasern vom Thunam Verwendung, einem bis zu zwei Meter hohen, fein geästelten Kraut. Der Gleiter beschrieb einen weiten Bogen nach Süden, stieg in einer vierzig Kilometer durchmessenden Lücke zwischen zwei Raumschiffspulks empor auf eine Flughöhe von zehn Kilometern und beschleunigte mit mittleren Werten. Unter dem Fahrzeug wanderte eine ausgedehnte Ebene entlang, in deren Zentrum Keerioch lag. Die Stadt bot sich von oben als qualmender Hügel dar. Die vorhandene Elektrizität hatte ausgereicht, um bei den Beben einen Teil der Häuser in Brand zu setzen. Wasser zum Löschen existierte nicht. Die Herreach behalfen sich damit, daß sie Sand und Staub in die Stadt transportierten, um die Brände zu ersticken. Bis nach Hower waren es knapp über zweitausend Kilometer. Der Gleiter hatte inzwischen mehrfache Schallgeschwindigkeit erreicht und legte die Strecke in einer knappen Viertelstunde zurück. Donder lauschte den Gesprächen auf den offiziellen LFTKanälen. Die dreitausend Schiffe kommunizierten beständig mit der PAPERMOON. Ohne Filter ließ sich die Flut an akustischen Informationen kaum verdauen. Der Syntron suchte die wichtigsten für sie heraus. Derzeit existierten im Äquatorbereich rund um Trokan vierhundert eruptive Zonen. Die meisten davon entwickelten sich wild. Bisher war es nicht gelungen, sie unter Kontrolle zu bringen. Wieder änderte der Gleiter den Kurs und hielt nach Norden. Donder Pereira rechnete nach, wie oft sie seit dem Verlassen
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der SEVILLA schon den Äquator überquert hatte. Mehr als ein dutzendmal bestimmt. »PAPERMOON an Pereira«, klang es ihr plötzlich entgegen. »Du bist kurz vor Hower. Steuere den Bergrücken an, der sich hundert Kilometer südlich der Stadt erhebt. Dort befinden sich Herreach. Sie marschieren unmittelbar auf eine Explosionszone zu. Versuch sie aufzuhalten. Viel Zeit bleibt nicht. Die Vorgänge unter der Oberfläche beschleunigen sich.« »Wer unterstützt mich?« »Drei Schiffe sind auf dem Weg dorthin.« »Wenigstens etwas.« Sie entdeckte die Fahrzeuge auf der Ortung. Die drei Kugelraumer näherten sich aus einem Zwanzig-Kilometer-Orbit und erreichten kurz vor ihr das Ziel. Die Explosion ereignete sich zwei Minuten später und unmittelbar am Fuß des Bergrückens. Ein Stück des Felsmassivs platzte einfach weg und zersplitterte in unzählige Trümmer. Der Syntron drückte den Gleiter tiefer, baute ein Schirmfeld auf. Es legte sich als hundert Meter hohe und einen halben Kilometer breite Wand zwischen das Felsmassiv und die Herreach. »Lauft nach Westen!« schrie Donder über die Außenlautsprecher. Sie hoffte, daß der Translator sich in dem Toben des Bergrückens verständlich machen konnte. Die Herreach in ihren Kapuzenmänteln reagierten nicht. Sie hielten weiterhin auf die Stadt zu. »Sie rennen in ihr Verderben.« Ohnmächtig mußte sie mit ansehen, wie einige hundert von ihnen sogar stehenblieben und darauf warteten, daß die Felsen sie erreichten. Daß diese mitten in der Luft gegen ein unsichtbares Hindernis prallten und wirkungslos zu Boden kullerten, schien sie in ihrem Glauben zu bestärken, daß sie hier am sichersten waren. »Wir brauchen mehr Gleiter«, stieß sie hervor. »Tut mir leid.« Das war eindeutig die Stimme von Prett Boemer.
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»Es stehen keine Maschinen zur Verfügung. Wir erhalten Nachschub von Terra, aber das dauert noch ein paar Minuten,« Damit war ihr nicht geholfen. Aber sie konnte es nicht ändern. Die drei Schiffe erreichten endlich ihre Idealpositionen über dem Bergrücken und versuchten, die Gesteinsexplosionen einzudämmen. Sie kämpften mit denselben Problemen wie die SEVILLA und alle anderen Schiffe. Sobald die Schwerkraftfelder zu starken Gegendruck erzeugten, begann sich der Untergrund zu zersetzen und stellte keinen Widerstand mehr gegen den Druck aus dem Planeteninnern dar. »Vorsicht beim Gleiter!« rief jemand. »Senkrecht unter uns entsteht ein Kanal!« Was das bedeutete, mußte ihr keiner sagen. Der Kanal reichte bis ans untere Ende der Gesteinskruste und schuf eine Verbindung zwischen Magmaschicht und Oberfläche. Donder reagierte blitzartig. Sie dirigierte den Gleiter mit hoher Beschleunigung nach Norden und griff sich mit dem Zugstrahl so viele der Herreach, wie sie nur zu fassen bekam. Sie packte sie eng zusammen wie die Sardinen in der Dose und füllte so innerhalb von vierzig Sekunden den Zugstrahl komplett auf. Der Großteil der Planetenbewohner in der Ebene zeigte noch immer keine Anzeichen von Angst oder Fluchtinstinkt. Als aus der Ostflanke des Bergrückens eine Magmafontäne schoß und den Himmel in gelbe und rote Farben tauchte, blieben viele stehen und bewunderten sogar das Schauspiel. Und sie riefen nach Kummerog und vergaßen in diesem Moment völlig, daß Kummerog in seinem Tempel erscheinen sollte und nicht irgendwo in der freien Landschaft Trokans. »Ein gigantischer Ausbruch steht unmittelbar bevor«, meldete der Syntron. »Wir sollten unsere Position wechseln.« »Ihr da oben! Unternehmt endlich etwas. Setzt Zugstrahlen ein, wenn ihr den Ausbruch schon nicht aufhalten könnt«, sagte sie an die Adresse der Schiffe. »Holt die Herreach an Bord! Alle.«
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Ein Teil der Wesen segelte bereits mit hoher Beschleunigung nach oben, über das Inferno hinweg auf Öffnungen in den kugelförmigen Leibern zu. Donder jagte ihren Gleiter davon, trieb einen Teil der Herreach mit der Energiewand vor sich her und formte sie dann zu einer Kugel. Wie in einem Schleppnetz fingen sich die Herreach darin. Deren Zappeln erinnerte stark an das der Fische in den Gewässern des Nachbarplaneten Terra. Die Zahl der Wesen, die nicht in das Netz fielen, sondern einfach stehen blieben und das ungewohnte Schauspiel betrachteten, grenzte an die fünfhundert. Ihnen war nicht mehr zu helfen. Donder Pereira spürte ein merkwürdiges Stechen zwischen den Rippen, wie sie es ähnlich nach dem Tod von Mann und Sohn gehabt hatte. Sie seufzte leise und massierte sich die Gegend um das Brustbein. Der Syntron lenkte den Gleiter nach Westen, wo die Ebene leicht anstieg und in einem Hochplateau endete. Unterhalb des Plateaus maßen die Taster der Schiffe bisher keine tektonischen oder vulkanischen Aktivitäten an. Donder Pereira entließ die Herreach aus dem Energiefeld und dem Zugstrahl und schärfte ihnen ein, sich vorläufig in dieser Gegend zu halten. Voll ohnmächtigen Zorns verfolgte sie, wie diese Wesen sich sofort an den Marsch in Richtung Hower machten und exakt den Weg nahmen, der sie am Bergrücken vorüberführte. Hastig gab sie ihre Beobachtungen an die PAPERMOON durch. Die Antwort ließ sie an ihrem Verstand zweifeln. »Donder, es ist aussichtslos. Wir müßten sie alle in Energiefeldern einsperren, um das zu verhindern«, sagte Prett Boemer. »Aber das geht nicht, da wir die Energien für die Rettung Trokans benötigen. Ich flehe dich an, bleib besonnen. Wenn sie in ihr Verderben rennen, kannst du es nicht verhindern. Und es trifft dich schon gar keine Schuld an ihrem Untergang.«
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»Und das war es dann, ja? Zurück zum Mutterschiff und ab in die Kantine. Essen beruhigt die Nerven, ja? Ich kann den Spruch nicht mehr hören.« »Die SEVILLA befindet sich derzeit in einer Position, die dir eine Rückkehr und das Einschleusen erleichtert.« »Ich hab' keine Zeit. Ende.« Bewußt unterbrach sie die Verbindung, um sich das Gesülze nicht mehr anhören zu müssen. Mit einem schnellen Handgriff schaltete sie die Automatik ab und verhinderte damit, daß der Syntron sich einmischte oder gar Befehle aus einem der Schiffe ausführte. »Du verlierst den Überblick, Donder«, sagte der Syntron und klang wie immer freundlich. »Es ist meine Aufgabe, dich vor Fehlern zu bewahren.« »Das ist mir klar. Aber vergiß es! Ich werde die Herreach dazu bringen, daß sie ein Bewußtsein für Gefahr entwickeln.« »Das schaffst du nie allein.«
8. »Kummerog! Kummerog! Wo finden wir ihn?« »Wir wissen es nicht.« Cistolo Khan blieb stehen und musterte die Gruppe der Herreach. Was die Körpergröße anging, nahm er es mit den kleinsten Bewohnern Trokans ohne Probleme auf. Die zwei Meter Scheitelhöhe machten es vermutlich auch aus, daß die Herreach ausgerechnet auf ihn zusteuerten. »Hilf uns!« baten die Wesen. »Laß ihn uns finden.« »Wenn wir auch nur eine einzige Spur von ihm entdeckt hätten, dann müßtet ihr nicht mehr nach ihm suchen. Wir hätten ihn zu euch in die Stadt gebracht. Glaubt mir, es gibt hier keinen Kummerog. Würdet ihr euch jetzt bitte zurückziehen? Die Projektoren sind in Position gebracht. Dieses -61-
Areal wird abgeriegelt.« Die Herreach reagierten mit Unverständnis. Sie wandten sich der näheren Umgebung zu und fuhren fort, in den Trümmern zu wühlen. Schließlich wurde es den Wissenschaftlern zu bunt. Sie fingen sie in einem Fesselfeld ein und transportierten sie in eine andere Halle. Dort ließen sie die Herreach frei. Anschließend riegelten sie den Bereich um die Fundstelle im Umkreis von hundert Metern ab. Ein leichtes Energiefeld verhinderte, daß die Planetenbewohner erneut Zutritt nahmen. Das Feld verteilte leichte bis eindringliche elektrische Schläge. Diese Abschreckung hielt der LFT-Kommissar für legitim. »Wir sind soweit«, verkündete Myles Kantor. »Wir versuchen jetzt, die Bodenplatte zu öffnen.« Trotz der relativen Sicherheit im Schutz der Individualschirme spürte Khan ein leichtes Jucken im Nacken. Es signalisierte ihm Gefahr. Einen Augenblick lang war er versucht, den Befehl zum Abbruch des Versuchs zu geben. Er unterdrückte den Impuls. Eine gelbrote Energielohe raste nach oben und schwärzte einen Teil der Tempeltrümmer. Ein paar Dutzend Herreach außerhalb des Schirms nahmen stumm Reißaus und verschwanden durch eine Lücke zwischen eingestürzten Wänden. Die Wissenschaftler unterhielten sich halblaut und lasen immer wieder die Anzeigen der Energieführung ab. »Wir reduzieren die Energie.« Myles Kantor verließ seinen Platz und winkte den Umstehenden. »Zieht euch in den vorderen Korridor zurück. Ich kann für nichts garantieren.« Widerwillig folgten die LFT-Wissenschaftler seiner Anweisung. Aus vermeintlich sicherer Deckung beobachteten sie die Arbeit der GILGAMESCH-Leute. Gemessen an der bei der Desintegration entstehenden Energie, verfügte das Material des Bodens über eine mehrtausendfache Verdichtung, wie es terranische Maschinen niemals zustande gebracht hätten. Die
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Energielohen blieben beim zweiten Versuch aus, aber der Rand der kreisförmigen Fläche kochte und bildete eine Feuerwand, die einen halben Meter hoch reichte und den Eindruck erweckte, als drängten die Magmamassen Trokans an die Oberfläche. Seit Stunden war es in der Umgebung von Moond glücklicherweise ruhig geblieben. Nur ab und zu vibrierte der Boden von fernen Erdbeben und Oberflächenverwerfungen. Das Material des Tempels übertrug die Schwingungen kaum auf das Innere, so daß die Wissenschaftler relativ ungestört arbeiten konnten. Als die Feuerwand in sich zusammenfiel, blieb ein haarfeiner, dunkler Riß im Bodenmaterial zurück. Die Techniker flanschten ein Antigravgerät auf die ausgeschnittene Scheibe und hoben sie vorsichtig aus dem Boden heraus. Übergangslos sprachen die Taster an. »Ein Objekt in zwanzig Meter Tiefe«, verkündete der Steuersyntron. »Der Durchmesser beträgt sechs Meter.« Myles wandte sich an Perry. »Mit zwei Maulwürfen läßt sich das innerhalb kurzer Zeit schaffen. Ich kümmere mich darum.« »Einverstanden. Aber höchste Vorsicht ist geboten.« Rhodan wandte sich an Cistolo Khan. »Der Tempel wird vollständig evakuiert. Erst dann dringen wir in die Tiefe vor. Von den Wissenschaftlern bleibt nur die Rumpfmannschaft hier.« Die Evakuierung der Herreach nahm mehr als drei Stunden in Anspruch. In dieser Zeit arbeiteten die Taster ununterbrochen. In der Tiefe unter dem Tempel veränderte sich nichts. Die Maulwürfe stammten nicht aus der GILGAMESCH I, sondern aus der PAPERMOON. Zumindest im technischen Bereich gehörten die Maschinen zum gefräßigsten, was man sich vorstellen konnte. Sie frästen einen Stollen in Gestein oder Erde und verdampften das Material sofort. Übrig blieben ein heißer Partikelstrom, den die Maschinen in der Art eines Staubsaugers schluckten und zu hochkomprimiertem Gas ver-
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wandelten. Die Automatik pumpte dieses bei Bedarf in die Minikonverter, wo es zur Energiegewinnung diente. In diesem Fall arbeiteten die zwei Maschinen Seite an Seite und erzeugten innerhalb von zehn Minuten einen zwölf Meter durchmessenden Stollen, der senkrecht nach unten führte und neben dem angemessenen Objekt endete. Die Maulwürfe funkten erste Ortungsergebnisse nach oben. Das Objekt war hohl und zeigte keine Reaktion. Myles schickte mehrere Sonden hinab. Durch die zusätzlich errichtete Schirmstaffel sanken sie abwärts. Drunten nahmen sie erste chemische Untersuchungen vor. Alaska Saedelaere betrachtete das Hologramm, auf dem die Kameras der Maulwürfe das Objekt abbildeten. »Der Zusammenhang liegt auf der Hand. Der Bohrkopf stammt von da unten«, sagte er. »Das Objekt hängt unmittelbar mit dem Kummerog-Tempel zusammen.« »Gerade erhalte ich erste Meßwerte und die Altersbestimmung! «rief Myles Kantor. »Das hohle Objekt besitzt ähnlich wie der Tempel eine molekular hochverdichtete Wandung. Haltet euch fest! Das Alter der Wände beträgt mindestens zweihundertfünfzig Millionen Jahre.« Im Helmfunk machte sich aufgeregtes Raunen breit. »Es bedeutet, daß das Objekt da unten die gesamte Evolution Trokans und der Herreach überdauert hat«, fuhr Kantor fort. »Der Innenraum ist groß genug, um den Bohrkopf in der ursprünglichen Größe problemlos aufzunehmen und einiges andere dazu.« »Holt die Maulwürfe herauf! Wir sehen uns das aus der Nähe an.« Perry Rhodan winkte den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus der GILGAMESCH. »Die Schweißbrenner gehen mit hinab. Verstärkt die Schutzschirme! Es gilt Alarmstufe Rot.« Draußen auf dem Tempelplatz hüllten sich GILGAMESCH I und PAPERMOON in ihre HÜ-Staffeln. Roboter errichteten zusätzliche Schirmfelder innerhalb des Tempels und im
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Schacht. Paratronprojektoren befanden sich in Bereitschaft, um beim geringsten Anzeichen einer Gefahr durch das Objekt dieses sofort gegen die Wissenschaftler und den Tempel abzuschirmen und in den Hyperraum abzustrahlen. Die Nervosität aller Anwesenden nahm deutlich zu. Selbst die Herreach im Freien schienen zu merken, daß sich etwas Außergewöhnliches und Bedrohliches tat. Sie mieden großräumig den Bereich des Tempels und brachten sich in ihrer Stadt in Sicherheit. Rhodans Begleiter schafften nun schweres Gerät hinab in den Stollen, dann folgten die Aktivatorträger sowie die sechs Männer und Frauen des unmittelbaren Einsatzkommandos. Zwei Roboter sorgten für die Sicherheit und zeichneten für die optische Erfassung der Vorgänge und die Übertragung nach draußen verantwortlich. »Die Strahlung des Objekts veränderte sich nicht«, stellte Myles Kantor fest. »Fangen wir an.« Das Material besaß eine ähnliche Konsistenz wie die Bodenplatte des Tempels. Unter der Hitzebestrahlung löste sich die molekulare Verdichtung jedoch zu einem Teil auf. Das Material schmolz und versickerte im Umgebungsbereich. An den Rändern der Öffnung bildeten sich dicke Krusten. Im Zeitlupentempo begann sich die Öffnung - wie eine Wunde - zu schließen. Sie probierten es an mehreren anderen Stellen mit demselben Erfolg. Myles beriet sich kurz mit den Wissenschaftlern. »Wir verwenden beim nächstenmal eine energetische Klammer, um die Ränder der Öffnung zu stabilisieren«, wandte er sich an Perry Rhodan. »Wenn du einverstanden bist, fangen wir an.« Rhodan hatte nichts dagegen. Sie schafften es im dritten Anlauf. Die Öffnung blieb stabil, und Myles Kantor blickte in den Hohlraum hinein. Neben ihm tauchte der Kopf des LFT-Kommissars auf.
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Die Kammer im Innern des Objekts war leer - bis auf eine schemenhaft sichtbare, wabenartige Form. Sie wirkte recht flach, fast zweidimensional und schwebte einen Meter über dem Fußboden. »Keine Ortung«, meldeten die Pikosyns. »Der Raum ist leer.« »He, und was ist mit den Optik-Aufnahmen?« rief Bully. »Die optische Übertragung ist vermutlich gestört«, lautete die lapidare Antwort. Reginald Bull quittierte es mit einem empörten Schnauben. »Pah! Ich kann mich doch auf meine Augen verlassen.« Er machte Anstalten, durch die Öffnung ins Innere der Kammer zu steigen, doch Myles Kantor hielt ihn zurück. »Nicht so hastig. Wir haben längst nicht alle Messungen abgeschlossen.« Sie versuchten es mit allem, was terranische beziehungsweise camelotische Technik hervorgebracht hatte. Anschließend übermittelten sie alle Daten an NATHAN. Das Ergebnis war vernichtend, ein schmerzhafter Faustschlag ins Gesicht jedes Wissenschaftlers. NATHAN teilte mit, daß entgegen der optischen Wahrnehmung an diesem Ort kein Objekt existierte. Bully schob Myles zur Seite. »Jetzt bin ich dran.« »Ich begleite dich«, sagte Cistolo Khan spontan und stieg hinter ihm durch die Öffnung. Sie näherten sich der Erscheinung von zwei Seiten gleichzeitig. Bully schilderte, welche Gedanken ihm beim Anblick des Schemens durch den Kopf gingen. »Es erinnert mich entfernt an Treogen vor über sechzig Jahren. Allerdings glänzte der meist durch recht schnelle Verabschiedung. Das Ding hingegen scheint sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein.« Er streckte den Arm aus und versuchte, das Objekt zu berühren. Seine Finger drangen hindurch wie bei einer Projektion. Und energetisch blieb es vollständig tot.
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Cistolo Khan errang keinen deutlicheren Erfolg. Er schlug und trat nach der Wabe und warf sich schließlich auf sie. Er fiel hindurch und landete auf dem Boden. Geschickt rollte er sich ab und sprang auf. »Da ist nichts zu machen«, meinte er. »Versuche es mal ein anderer. Das Ding hält uns ebenso zum Narren, wie der Tempel es tut. Es ist ganz gut so. Auf diese Weise bleibt uns eine mögliche Bedrohung des Solsystems von innen erspart.« »Vielleicht ist es nur noch nicht richtig bei uns«, klang Saedelaeres Stimme auf. »Irgend etwas hat es eine Weile aufgehalten, und wenn es das Ungeschick des Riesen Schimbaa war.« In das plötzlich vorhandene Schweigen hinein sagte Perry Rhodan: »Bravo, Alaska! Wie so oft kommt man auf das Naheliegendste zuletzt. Dieses Ding könnte Kummerog sein.« Rhodan schickte die Wissenschaftler hinaus. Jeder hatte versucht, den Schemen zu berühren und etwas Gegenständliches zu spüren. Jetzt wollte sich Rhodan selbst davon überzeugen. Nötig war es nicht, aber er wäre sich unnütz vorgekommen. Wozu stand er schließlich hier? Er stieg durch die Öffnung und schritt einmal um die Erscheinung herum. Auf die Anwesenheit von Menschen reagierte der Schemen nicht, auch nicht auf das Vorhandensein von Aktivatorträgern. Wenn das Ding mit Kummerog und den Herreach zusammenhing, dann war das wirklich kein Wunder. Herreach mußten her. Wenn sie die Kammer betraten, dann kam es vielleicht zu einer Reaktion. Nicht vielleicht, redete Perry sich ein. Ganz bestimmt. Er trat einen Schritt näher an das wabenförmige Gebilde heran und schloß geblendet die Augen. Bisher nicht vorhandenes Licht wirkte auf ihn ein. »Es leuchtet!« rief Myles. »Der Schemen beginnt zu leuchten. Wir haben nach wie vor keine Ortung.« Rhodan blinzelte. Täuschte er sich, oder nahm das Leuchten zu? Er wollte einen Schritt zurücktreten, aber statt dessen ging
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er vorwärts. In dem Licht bewegte sich etwas. Seine Augen nahmen jetzt ein Pulsieren wahr, und gleichzeitig meldeten mehrere Stimmen, daß die Ortung ausschlug. »Perry, zurück!« Bully schrie es. Aus den Augenwinkeln heraus nahm Rhodan einen Schatten wahr, der den Durchgang verdeckte. »Warte«, flüsterte er, ohne die Augen von dem Pulsieren zu nehmen. Noch zwei Schritte, dann mußte es unweigerlich zur Berührung kommen. Schnell weg hier! warnte sein Verstand. Er versuchte es, aber es ging nicht. Das Pulsieren zog ihn magisch an. Ehe er sich versah, machte er den nächsten Schritt nach vorn. Wenn er jetzt die Arme hob, konnte er das Ding berühren. »Weg, Bully! Ich hole ihn raus. Er steht unter Parazwang oder etwas Ähnlichem.« Es war Cistolo Khans Stimme, aber Rhodan realisierte es nicht. Er glaubte, daß jemand ihm dieses herrliche Erlebnis streitig machen wollte. »Bleibt mir vom Leib!« schrie er. Zumindest bildete er sich ein, daß er schrie. In Wahrheit kam kein einziges Wort über seine Lippen. Der letzte Schritt. Perry winkelte die Arme an und hob sie empor. Dicht vor ihm pulsierten die Waben und luden ihn ein. Er versuchte mit höchster Willensanstrengung, etwas zu erkennen. Es gelang ihm nicht. Hinter ihm erklangen hastige Schritte. Er nahm es nicht wahr. Perry Rhodan streckte die Hände aus und berührte die Wabe. Er spürte den Widerstand des Materials. Es handelte sich nicht länger um eine Projektion. Ein Prickeln raste durch seinen Kopf. Und gleichzeitig hämmerte stakkatoartig eine Botschaft in sein Gehirn. DER PFEILER WIRD ERÖFFNET. BITTE SICHERHEITSABSTAND EINNEHMEN. Jemand riß ihn nach hinten, und er verlor den Kontakt zu
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dem Gebilde. Die Stimme aber blieb. DER PFEILER WIRD ERÖFFNET. BITTE SICHERHEITSABSTAND EINNEHMEN. Die Stimme drang mental zu ihm durch, eine Art Symbolkode, keiner bestimmten Sprache zuzuordnen. Jedes Lebewesen verstand ihn auf Anhieb. DER PFEILER WIRD ERÖFFNET BITTE SICHERHEITSABSTAND EINNEHMEN. Ein Pfeiler? Eine Eröffnung? Rhodans Gedanken rasten. Widerwillig ließ er sich von dem Ding wegziehen. »Nicht!« hauchte er. Etwas polterte und fiel hart zu Boden. DER PFEILER WIRD ERÖFFNET. BITTE SICHERHEITSABSTAND EINNEHMEN. Rhodan riß die Augen auf. Vor ihm am Boden lag die Wabenform. Neben ihm stand der LFT-Kommissar und versuchte, ihn aus der Kammer zu zerren. Das Gebilde am Boden begann zu glühen und Hitze auszustrahlen. Gleichzeitig erzeugte es einen schmerzhaft anschwellenden Ton an der Grenze zum Ultraschallbereich. Die Kammer begann zu vibrieren. DER PFEILER WIRD ERÖFFNET. BITTE SICHERHEITSABSTAND EINNEHMEN. Oben im Tempel gab jemand Alarm. »Raus hier!« Khan schob Rhodan zur Öffnung und stieß ihn hindurch. »Seht zu, daß ihr ins Freie kommt!«
9. Dicht am Boden entlang jagte sie den Gleiter den Weg zurück, den sie gekommen war. Durch die Kanzel hörte sie das Donnern und Prasseln, mit dem sich der Planet gegen die Mißhandlung durch Tag und Nacht wehrte.
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Der Bugparalysator arbeitete mit höchster Intensität. Auf diese Weise rollte Donder die Kolonne der Herreach von hinten her auf. Reihenweise stürzten sie und blieben gelähmt liegen. Selbst wenn die Paralyse nur eine Stunde anhielt, dann konnte das ihr Leben retten. Dort, wo zuvor der Bergrücken aufragte, gähnte ein einziger Krater. Magma aus der Tiefe und verflüssigtes Gestein der Oberfläche quollen in alle Richtungen. Immer wieder schossen Fontänen aus dem Schlund, der inzwischen einen Durchmesser von über zehn Kilometern aufwies. Sie prallten gegen die Gravofelder der Schiffe, breiteten sich nach den Seiten aus und stürzten dann als glühender Regen von mehreren tausend Grad Celsius zum Boden zurück. Von den rund fünfhundert zurückgebliebenen Herreach gab es keine Spur mehr. Die Glut hatte sie zugedeckt und in sich aufgenommen, ein schneller Tod, der sie nicht lange hatte leiden lassen. Donder Pereira entdeckte eine andere Gruppe, die sich gerade auf dem Rückweg in die Gefahrenzone befand. Sie schaltete das Funkgerät wieder ein. Übergangslos fand sie sich in einem Bombardement von Anweisungen, Ermahnungen und Bitten wieder. »Könnt ihr da tatenlos zusehen?« schrie sie. »Ich nicht.« »Die Haupteruption steht noch bevor«, warnte einer der Kommandanten. »Wir halten den Druck unserer Schwerkraftfelder so, daß es nicht zu weiteren Zersetzungen des Oberflächengesteins kommt. Der Untergrund muß seinen Überdruck loswerden. Danach ist alles nur halb so schlimm.« »Natürlich. Und planetenweit sind dann Millionen von Herreach ums Leben gekommen. Die müssen wir schon nicht ernähren, sobald ihr Planet ihnen nicht mehr genug zu essen bietet.« Ein paar Augenblicke blieb es still, dann meldete sich Whitcombe. »Ein entsprechendes Hilfsprogramm existiert bereits, wie du weißt. Du hattest nur deshalb nichts damit zu tun, weil du
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einzig und allein mit der Organisation des wissenschaftlichen Programms für Trokan beschäftigt warst. Warum also diese Hysterie?« »Kannst du es dir nicht denken?« giftete sie. »Durch das Chaos sind bereits vier der von mir deponierten Sonden zerstört worden. Bald wird es überhaupt keine Möglichkeit geben, auf Trokan nach Spuren zu suchen. Der Gedanke macht mich rasend.« »Donder, deine Gefühle in allen Ehren. Aber du hast von Anfang an gewußt, daß das mit den Sonden nichts bringt. Ich habe es als eine Geste deinerseits verstanden. Du hast nichts unversucht gelassen. Mehr kann man nicht von dir erwarten.« »Ich werde auch hier nichts unversucht lassen. Geht das in deinen Schädel rein, Whitcombe? Ende der Durchsage.« Diesmal ließ sie den Funk eingeschaltet, aber sie gab keine Antwort mehr. Natürlich meinte es jeder von ihnen gut. Aber sie argumentierten aus ihren sicheren Sesseln droben in den Schiffen. »Kommt herunter und kämpft um das Leben jedes einzelnen Herreach. Dann seid ihr Männer.« Sie lenkte den Gleiter nach Norden. Hower lag im Schein der Abendsonne. Eine bizarre Stadt, deren Zerstörungen das diffuse, gelbe Licht verschluckte. Auf Trokan gelangte deutlich weniger Licht an als auf Terra. Entsprechend verschwammen die Konturen sehr viel schneller, wurde die Dämmerung zu einem merkwürdigen Erlebnis von scheinbar rapide verminderter Sehschärfe. Während Donder auf die Stadt zuhielt, rutschte diese zur Seite. Ein rascher Blick auf die Kontrollen zeigte ihr, daß sie keiner Sinnestäuschung unterlag. Die Stadt bewegte sich tatsächlich. »Alarm!« sagte sie. »Hower ist in Gefahr. Setzt Traktorstrahlen ein! Die Stadt rutscht davon.« »Es handelt sich um zwei dünne Gesteinsplatten, die sich übereinanderschieben«, klang die Antwort auf. »Wir können
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nichts dagegen tun. Hätte es am Bergrücken keine Druckentlastung gegeben, dann wäre die ganze Stadt Hower längst in die Luft geflogen.« »Ich brauche ein Schiff und vier Space-Jets zur Evakuierung«, beharrte sie. »Bist du verrückt? In der Stadt leben sechshunderttausend Herreach. Siehst du im Nordosten den Kugelraumer? Der hat versucht, einen Teil von ihnen an Bord zu nehmen. Sie haben sich sogar dem Traktorstrahl widersetzt. Polanzen ist mit nicht einmal tausend dieser Wesen wieder abgeflogen. Hättest du nicht eine Zeit lang deinen Funk ausgeschaltet gehabt, wärest du informiert.« Donder schüttelte ihre schwarze Mähne. Solche Sprüche brachten sie nicht aus dem Konzept. Sie sah ein Ziel vor Augen, eine Aufgabe. Niemand vermochte sie davon abzuhalten. Der Gleiter raste der halb zerstörten Stadt entgegen. Unter dem Dauerbeben der Verschiebung knickten noch intakte Häuser ein und falteten ihre Wände nach innen oder außen. Mitten in einer belebten Straße klaffte ein Riß; die Herreach sahen sich übergangslos einem fast kilometertiefen Abgrund gegenüber. Donder hörte Schreie aus Hunderten von Mündern, hohle Schreie, wie sie kein Mensch nachahmen konnte. Ein wenig hörten sie sich wie das Gebell von Hunden an. Aber die Herreach machten keine Anstalten, dem drohenden Verderben zu entrinnen. Manche setzten mit gewagten Sprüngen über den Riß, um auf die andere Seite zu ihren Häusern zu kommen. Sie schafften nicht einmal die Hälfte der Distanz und fielen lautlos in die Tiefe. Dann sah Donder die Kinder. Mit einem Meter siebzig erreichten die älteren unter ihnen schon die Größe erwachsener Terraner. Sie spielten auf einem Platz unmittelbar neben einer Häuserzeile, die an dem Platz vorbeirutschte. Aus den Fenstern schauten Erwachsene und redeten ununterbrochen
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von einer Tschuka, einem Geisterzug, aus dem es kein Entrinnen gab. Zeit zum Nachdenken blieb keine. Donder schloß den Helm des SERUNS und rief eines der Programme des Gleiters auf. Sie fixierte es und trat unter den Einstieg. »Du holst diese Kinder an Bord! Ich fliege voraus und suche weitere Spielplätze. Wenn sich die Erwachsenen schon nicht helfen lassen, dann bringen wir wenigstens die Kinder in Sicherheit.« »Du mißt zu sehr in menschlichen Maßstäben«, mahnte der Syntron. Sie ging nicht darauf ein. »Sobald die Kabine und dein Traktorfeld voll belegt sind, bringst du sie in Sicherheit, und zwar nach Norden in die gemäßigten Breiten. Anschließend kehrst du hierher zurück.« »Das widerspricht meinem Menschen-Programm. Ich darf nicht zulassen, daß dir etwas zustößt.« »Sind das da draußen etwa keine Menschen? Und wozu habe ich meinen SERUN? Wenn du dich meiner Anweisung widersetzt, zerstöre ich dich. Dies ist ein Alpha-Befehl, Syntron.« »Der Befehl wird ausgeführt.« Sie öffnete die Tür und flog davon. Dicht über den Häusern glitt sie dahin und hielt Ausschau. Sie fand Dutzende solcher Plätze und viele Kinder, die sich wie die Erwachsenen kaum um das scherten, was um sie herum vorging. Sie spielten mit flachen Steinen auf einem Bodenmuster. Es sah aus wie Schach, die Spielzüge ergaben nach terranischer Logik jedoch keinen Sinn. Über Funk dirigierte Donder den Gleiter von Ort zu Ort. Erst als seine Ladekapazität erschöpft war und der Zugstrahl keine Körper mehr aufnehmen konnte, war ihr ein wenig leichter ums Herz. Das Fahrzeug informierte die PAPERMOON über das Ziel und machte sich auf den Weg.
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Donder blickte dem Gleiter nach, bis er aus ihrem Blickfeld verschwand. Dann schwebte sie in Richtung Stadtzentrum. »Bürger von Hower!« rief sie über ihre Außenlautsprecher. »Überwindet eure Lethargie! Macht euch auf in den Norden! Dort findet ihr eure Kinder. Geht zu euren Kindern.« Nicht einmal das wirkte. Selbst die Erwachsenen in den umliegenden Häusern, die Zeugen der Rettung geworden waren, rührten sich nicht. Donder Pereira fühlte sich, als schlüge jemand unaufhörlich mit einem Hammer auf sie ein. Ihr Kopf dröhnte, und jeder ihrer Atemzüge schmerzte. Das Trauma dieses Volkes - es wirkte überall und in jedem. Die Bewohner Trokans litten unter den Zerstörungen, die der Riese Schimbaa angerichtet hatte. Welch eine Tragik! Die Erkenntnis, daß Kummerog nicht mehr erweckt oder gerufen werden konnte, ließ sie psychisch in die Bodenlosigkeit stürzen. Die Herreach standen vor dem Ende ihrer Existenz.
10. Der Tempelplatz lag unter einer Energieglocke. Roboterkolonnen hielten die Herreach fern und sorgten dafür, daß sie sich nicht mehr aus der Stadt herauswagten. Apathisch saßen sie in Häusern und Straßen und warteten auf das Eintreffen ihres Gottes. Manche von ihnen mochten eingesehen haben, daß sich Kummerog nicht im Tempel befand und auch nicht geruhte, dort zu erscheinen. Die meisten aber nahmen jede Veränderung ihrer Umgebung als Anzeichen für eine mögliche Wende am Tempel. Das Gebäude zu Ehren Kummerogs bebte und schüttelte sich. An den Flanken des Bohrkopfes traten erste Staubwolken aus. Das Krachen in sich zusammenstürzender Etagen und Hallen dröhnte bis hinüber in die Stadt. Dort tauchten immer -74-
mehr Herreach auf und brachen angesichts des schwankenden Tempels in lautes Jammern aus. Das Vibrieren verstärkte sich pausenlos. Minuten später bewegte sich der Tempel auf seiner Bodenplatte hin und her, als sei er niemals mit ihr verbunden gewesen. »Komm endlich zu dir, Perry!« Reginald Bull stand zusammen mit Alaska Saedelaere dicht neben der GILGAMESCH I und schüttelte den Freund sanft am Arm. Rhodan erwiderte nichts. Stumm starrte er hinüber zum Tempel, und in seinen Augen spiegelte sich noch immer jenes Leuchten des wabenförmigen Gebildes. Die Untersuchung durch einen Medoroboter hatte nichts ergeben, keine Nachwirkungen des Erlebten und keine erkennbaren Schäden. »Laß mich«, bat Rhodan. »Ich glaube, daß es erst der Anfang war.« Der Tempel bäumte sich auf. Oben an der Rundung brach die Außenwand ein. Gleichzeitig zogen erste Bodenrisse vom Tempel in Richtung Stadt. Mit einem häßlichen Ratschen zerbrachen die Steine des Tempelplatzes. Die Risse klafften teilweise einen halben Meter auseinander. Überall am und im Tempel knisterte und raschelte es. Die Geräusche eilten von unten bis hinauf zur Wölbung. Mit bloßem Auge ließ sich wenig ausmachen, aber optische Vergrößerungen zeigten die feinen Haarrisse, die das an sich fast unüberwindliche Material plötzlich aufwies. Erneut quollen Staubwolken aus dem Tempel ins Freie, und dann krachte das ganze Gebilde in sich zusammen wie ein Kamin, den ein geschickter Sprengmeister zerlegte. Der Staub hüllte alles ein, und als dieser sich in dem leichten, kaum spürbaren Wind endlich verzog, da war vom Kummerog-Tempel nichts mehr übrig außer einem flachen Hügel aus Staub und Erde inmitten des gepflasterten Platzes. »Die Erosion der Aggregate im Tempel war bloß der An-
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fang«, sagte Myles leise. »Und jetzt ist der Vorgang vollendet. Was bedeutet es?« »Das ist mir im Augenblick völlig egal«, antwortete Cistolo Khan. »Alle Einheiten auf und über Trokan halten sich für eine sofortige Flucht bereit.« »Das halte ich für übertrieben, Cis. Was wird aus den Herreach, wenn wir nicht mehr helfen?« »Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen, wenn es uns selbst an den Kragen geht, Myles. Oder glaubst du etwa, mit der Zerstäubung des Tempels sei alles vorbei? Es fängt erst an.« Als wolle das Schicksal ihm postwendend seine schlimmsten Befürchtungen bestätigen, schoß in diesem Augenblick eine riesige Stichflamme empor. Sie nahm ihren Ursprung unter dem Tempel, fegte den Staub hinweg und verbrannte einen Teil davon. Augenblicke später entstand ein Feuerwerk aus Licht über der Stelle, wo sich das BohrkopfGebilde befunden hatte. Eine zweite, grelle Leuchterscheinung folgte, und gleichzeitig raste ein mentaler Schock über den Platz hinweg. Rhodan riß sich von Bully los und machte unsicher ein paar Schritte vorwärts. Er stieß einen lang anhaltenden Seufzer aus und blieb dann stocksteif, wie eingefroren stehen. Erste Meldungen trafen ein, daß man den Mentalschock überall auf Trokan wahrgenommen hatte. Aus weit aufgerissenen Augen starrte der Terraner zu der Stelle hinüber, wo bis vor wenigen Minuten der Tempel in die Höhe geragt war. Der Boden hob sich gleichmäßig. Etwas drängte von unten empor ans diffuse trokanische Tageslicht. Erneut kündigte sich etwas an und erinnerte sie an das Erscheinen des Bohrkopfes im September 1222. »Am besten ist, wir bringen uns in die Schiffe in Sicherheit«, stieß Cistolo Khan hervor. »Es braucht nicht viel Phantasie, um herauszufinden, wer oder was da seine Ankunft vorbereitet.«
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Die Straßen waren leer, wie ausgestorben. Nirgends ließ sich eine der Kapuzen sehen. Die letzten Herreach hatten sich aus dem Staub gemacht. Sie waren in den Trümmern der Stadt verschwunden. Irgendwo fand jeder von ihnen Verwandte oder Freunde, die ihm Unterkunft gewährten. Um die beiden Schiffe herum flirrte die Luft und zeigte die Position der energetischen Schirmfelder an. In dem Staub des ehemaligen Kummerog-Tempels zeichneten sich erste Konturen dessen ab, was aus der Tiefe herauf an die Oberfläche drängte. Myles Kantors Augen tränten leicht. Die Augäpfel waren gerötet. Er stand zusammen mit Bully und Alaska vor einem der Hologramme und fieberte dem Zeitpunkt entgegen, an dem sie endlich Einzelheiten erkennen konnten. »Die PAPERMOON startet und begibt sich auf eine Sicherheitsdistanz von fünf Kilometern«, hörten sie Cistolo Khan sagen. Im gleichen Augenblick verschwand der Schatten neben der GILGAMESCH I. »Wir bleiben vorerst«, entschied Bully nach einem schiefen Blick auf Perry. Rhodan schwieg und gab sich teilnahmslos. »Achtung!« stieß Myles hervor. »Gleich ist es soweit!« Seine Gedanken überschlugen sich. Begann jetzt Trokans zweite Evolution? Wurden sie Zeugen der Manifestation einer fremden und überlegenen Macht? Kummerog? Oder handelte es sich »nur« um den nächsten Abschnitt eines Puzzles von unvorstellbaren Dimensionen? Bully stieß geräuschvoll die Luft aus. »Da!« ächzte er. »Da ist es!« Aus dem Boden schob sich eine Art Hut oder Schirm, darunter folgte ein Sockel von erst fünf, dann zehn, zwanzig Metern. Das Gebilde ähnelte verblüffend einem geometrisch gearbeiteten Pilz mit kreisförmiger Grundform. Er glänzte
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silbrig und wies weder eine Oberflächenstruktur noch sichtbare Zugänge auf. Bei einer endgültigen Höhe von dreiunddreißig Metern hörte das Wachstum auf. Das Gebilde kam zum Stillstand. Die Ortung ergab, daß es in den Boden hineinreichte. Mit zwei Dritteln seiner Länge war es in der Erde verankert, so daß sich eine Gesamtlänge von neunundneunzig Metern ergab. »Ich kann es nicht glauben«, murmelte Myles Kantor. »Ist es wirklich aus dem Objekt dort drunten gewachsen? Oder war da noch etwas, viel tiefer drunten, das uns entgangen ist?« Niemand gab eine Antwort. Reglos standen sie da und schauten zu Perry Rhodan hinüber. Wächserne Blässe zeichnete sein Gesicht. Er sah aus, als sei alles Blut aus seinem Kopf gewichen. »Perry...«, begann Alaska. Er trat zu dem Freund und blickte ihn besorgt an. »Etwas ist mit dir. Kannst du mir sagen...« Rhodans energisches Kopfschütteln schnitt ihm die Worte ab. »Nein. Seid still!« Er setzte sich in Bewegung und verließ die GILGAMESCH I. Draußen blieb er wie hypnotisiert stehen und starrte nur auf das Gebilde. »Tut mir leid«, meldeten die Syntrons der Medoeinheiten. »Ihm fehlt nichts. Möglicherweise hat er drunten unter der Oberfläche einen Eindruck erhalten, der ihn nachhaltig beeinflußt.« »So kann man es auch nennen«, schimpfte Bully. »Ich würde es als Hypnose bezeichnen. Los, wir müssen ihn aufhalten!« Sie eilten hinter ihm her und fanden ihn draußen am Boden kniend. Er malte merkwürdige Figuren in den Staub der zerbröselten Pflastersteine. Dann richtete er sich wieder auf und blickte stumm zu dem Pilz hinüber. Alaska hielt ihm einen Finger vors Gesicht und bewegte ihn gleichmäßig hin und her. Perry Rhodan reagierte nicht. Erst nach einer Weile machte
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er eine fahrige Bewegung, als wolle er die längst nicht mehr vorhandene Hand abwehren. Und dann fragte er plötzlich: »Gibt es schon genauere Untersuchungsergebnisse?« »Nein.« Myles Kantor trat vor ihn hin und versuchte, ihm die Sicht auf den Pilz zu versperren. Rhodan wich ihm aus. Cistolo Khan meldete sich. Die PAPERMOON flog in großer Höhe über den Platz hinweg und ortete. »Wir können nichts Sinnvolles erkennen«, teilte der LFTKommissar mit. »Das Ding ist wie verhext. Optisch bleibt es konstant, aber das ist auch das einzige, was wir verläßlich sagen können.« Sämtliche Meßwerte änderten sich im Sekundenrhythmus. Die Spezialgeräte der GILGAMESCH I lieferten dieselben widersprüchlichen Ergebnisse wie das konventionelle Instrumentarium des LFT-Schiffes. »Es handelt sich um eine Art Mimikry«, zog Myles nach einer halben Stunde das Fazit. »Mit dieser Taktik entzieht es sich gezielt jeder Erforschung.« Die Meßgeräte gaben Alarm. Sie meldeten eine explodierende Fusionsbombe und jagten den Männern und Frauen einen gehörigen Schrecken ein. Eine Explosion erfolgte nicht, statt dessen schien am Standort des Pilzes ein Schwarzes Loch zu entstehen. In der nächsten Sekunde stellten sich die energetischen Emissionen wieder anders dar und simulierten ein bedrohliches Vakuum, das sich rasend schnell ausdehnte. An der optischen Erscheinung des Gebildes änderte sich überhaupt nichts. Nach drei Stunden gab Cistolo Khan den Befehl zur Landung. Die PAPERMOON kehrte zurück und nahm ihre alte Position neben der GILGAMESCH I ein.
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11 Die Zahl der Wunden in Trokans Oberfläche wuchs auf mehr als tausend an. Überall hingen die glänzenden Kugelleiber terranischer Schiffe und versuchten, die Brüche in der Planetenkruste, die Risse im Felsgestein und die Eruptionen des Magmas einzudämmen. 3042 Schiffe kämpften um das Leben des Planeten. Zwei Space-Jets lagen beschädigt in den Hangars ihrer jeweiligen Mutterschiffe. Bei riskanten Manövern hatten sie sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Unter der Wucht des auftreffenden Gesteins hatten sich ihre Hüllen trotz eingeschalteter Schutzschirme verformt. Verletzte hatte es zum Glück keine gegeben. Ein schwacher Trost im Vergleich zu den hundertfünfundvierzig Millionen Herreach, deren Existenz auf dem Spiel stand. Prett Boemer stand neben Marcel Whitcombe in der Zentrale der SEVILLA und ballte die Hände. Fast kam er sich schon wie Myles Kantor vor. Er gönnte sich seit Tagen nur minimalen Schlaf. Die Situation war zu angespannt. Überall unter Trokans Oberfläche knackte und brodelte es. Niemand konnte exakt vorhersagen, wann und wo der nächste Ausbruch stattfinden würde. Seit Tagen lag der Gleiter in einem der SEVILLA-Hangars. Er war der Grund, warum Boemer sich in dem Schiff aufhielt. Patrouillenboote hatten ihn auf halbem Weg zum Nordpol gefunden, abgestürzt und ohne Überlebende. Erste Untersuchungsergebnisse bestätigten den anfänglichen Verdacht: Donder Pereira war stundenlang manuell geflogen und hatte dann nicht auf Automatik umgeschaltet, sondern nur ein Einzelprogramm aufgerufen. Dies ermöglichte den Insassen des Gleiters, wahllos an den Kontrollen und Systemen herumzuspielen, ohne daß der Syntron eingreifen konnte. Die Kinder der Herreach hatten es geschafft, das Fahrzeug zum Absturz zu bringen. -80-
Ihre Evakuierung aus Hower erwies sich im nachhinein als zumindest teilweise sinnlos. Die Rutschbewegung der Stadt war zum Stillstand gekommen. Ein Großteil der noch intakten Gebäude hatte die Verschiebung des Untergrunds zudem einigermaßen heil überstanden. Sie konnten die Katastrophe eindämmen, nicht aber sie ungeschehen machen oder gar völlig unter Kontrolle bekommen. Prett Boemer war schon froh, wenn sie keine größeren Rückschläge hinnehmen mußten. Die Zahl der Opfer allerdings überstieg seine schlimmsten Befürchtungen. Über eine Million Herreach waren der Katastrophe bisher zum Opfer gefallen. Die Zahl stieg weiter an, denn diese Wesen besaßen keinen psychischen Schutzschild gegen eine solche Bedrohung. Mit ihrer Philosophie und ihrem Glauben an Kummerog hatten sie auch den Glauben an ihre Zukunft verloren. Presto Go ließ sich überhaupt nicht mehr blicken, und die Farben Violett und Weiß verschwanden gänzlich aus dem Bild der sieben Städte. Auch in den weiten Steppen sah es nicht besser aus. Längst wußte jeder Bewohner Trokans über die Vorgänge in Moond Bescheid und reagierte mit Depressionen. »NATHAN müßte sich langsam melden«, sagte der Kommandant der PAPERMOON. »Er arbeitet schon seit Tagen an einem Konzept für die Herreach. Ob es etwas nützen wird, wage ich zu bezweifeln. Wenigstens habe ich das Gefühl, alles getan zu haben, was menschenmöglich ist.« »Den Spruch kenne ich doch«, murmelte Whitcombe. »Genau das ist die Maxime, die Donder bei ihrem Tun bewegt. Hoffentlich gibt sie bald ein Lebenszeichen.« Funksprüche hatten nichts gebracht. Weder sie noch ihr SERUN hatten eine Antwort gegeben. Nach Tagen des Wartens waren sie kurz davor, die Hoffnung aufzugeben. »Vielleicht sucht sie ja auf eigene Faust nach Spuren der POLYAMID«, überlegte Boemer laut. »Sie müßte doch längst wissen, daß nach so langer Zeit nichts mehr ...«
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»Einen Augenblick, Prett. Wir bekommen da soeben etwas herein. Eine der Meßsonden, die Donder selbst über Trokan aussetzte, hat den SERUN gefunden!« Die beiden Männer starrten sich stumm an und spurteten dann in Richtung des nächstbesten Hangars. Eine halbe Stunde später erreichten sie den Fundort. Er lag nicht weit von Hower entfernt in unübersichtlichem Gelände. Beben hatten Geröll in Bewegung gesetzt und den SERUN teilweise verschüttet. Roboter gruben den Anzug aus. »Das ist nicht Donder!« stieß Whitcombe hervor. In dem SERUN steckte ein oder eine Herreach. Tot. Eine Untersuchung des Pikosyns ergab, daß er großteils abgeschaltet war. »Sucht weiter«, wandte sich Prett Boemer an die Roboter. »Sie muß hier in der Nähe sein.« Die Infrarotmesser entdeckten keine Restwärme oder Temperaturunterschiede am Gestein. Plötzlich wünschten sich die beiden Männer, daß Donder sich weit weg befand. In Hower oder auf dem Fußmarsch nach Moond. Ihre Wünsche gingen leider nicht in Erfüllung. Nach über einer Stunde entdeckten sie die Leiche der Frau.
Donder traf die beiden Herreach kurz nach dem Einbruch der Nacht. Am Himmel leuchteten die Sterne der Milchstraße. Trokans Atmosphäre spiegelte aber auch den Feuerschein vulkanischer Ausbrüche wider. Es handelte sich um einen Mann und eine Frau. Der Mann trug die Frau halb auf seinem Rücken, und immer wieder machte er halt und schöpfte Atem. Die Terranerin schloß zu ihnen auf und klappte den Helm zurück. »Erschreckt nicht«, sagte ihr Translator auf Herrod. »Ich trage einen Schutzanzug. Daher sehe ich ein wenig fremdartig
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aus. Mein Name ist Donder Pereira.« Der Mann richtete sich auf. »Wir sind den Anblick von euch Terranern schon gewohnt. Was willst du?« »Die Frau ist verletzt. Ich kann ihr helfen.« »Das ist nicht nötig. Wir sind bald am Ziel.« »Wohin wollt ihr?« »In den Norden. Kummerog hat uns gerufen. Irgendwann und irgendwo werden wir auf ihn stoßen.« Donder beugte sich über die Frau, die zu Boden gesunken war. Im Bereich des Übergangs zwischen Brustkorb und Bauch wies sie mehrere schlimme Verletzungen auf, vermutlich Folgen der Ereignisse in Hower. »Diese Frau wird die Nacht nicht überleben, wenn niemand ihr hilft«, erklärte Donder dem Herreach. »Willst du eine Tote mit dir schleppen?« »Nein. Wenn sie stirbt, gehe ich allein.« »Ist sie deine Frau?« »Ja.« »Ich kann sie retten. Dann könnt ihr euren Weg gemeinsam fortsetzen.« »Wir gehen ihn bereits gemeinsam.« Er nahm die Verletzte auf und trug sie weiter. Donder folgte ihnen zwei Stunden lang und wartete, bis der Mann vor Erschöpfung nicht mehr weiterkonnte. »Du machst es dir zu leicht, Herreach. Nimm meine Hilfe an! Laß es zu, daß ich mich um deine Frau kümmere.« »Du rührst sie nicht an. Kummerog hat uns gerufen. Wir sind Unberührbare!« Die Terranerin überlegte fieberhaft. »Also gut«, sagte sie. »Ich werde deine Frau nicht anrühren. Aber mein Anzug kann sie heilen.« Sie öffnete den SERUN und stieg aus. »Du weißt, daß das unverantwortlich ist«, mahnte der Pikosyn. Sie schaltete ihn aus bis auf die Programme für die medizinische Versorgung. Manuell steuerte sie den SERUN
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waagrecht an den Boden neben die Verletzte. Ein sanftes Antigravfeld legte sich um die stöhnende Frau und hob sie vorsichtig in den Anzug. Der SERUN schloß sich, und die Medoeinheit nahm unverzüglich die Analyse der Verwundungen auf. »Der Anzug rettet deine Frau. Ihr werdet den Ruf Kummerogs nicht verpassen.« Donder deutete das Schweigen des Herreach falsch. Dieser kauerte sich an den Boden und schnellte sich ihr dann plötzlich entgegen. Sie sah den Schatten und zuckte in einem Reflex zurück. Der Herreach verfehlte sie um ein paar Zentimeter. Seine Faust streifte ihre Schulter und zertrümmerte das Schlüsselbein. Donder schrie auf. Sie tastete nach dem Armbandkom und rollte sich gleichzeitig über die rechte, unverletzte Schulter ab. »Hör auf!« schrie sie. »Deiner Frau geschieht nichts.« Längst bereute sie es, den SERUN abgelegt zu haben. Der Herreach hörte ihr nicht zu. Er warf sich ihr erneut entgegen »Terraner sind schwach und nicht für diesen Planeten geeignet«, horte sie noch. Ein zweiter Schlag traf sie und löschte Donder Pereiras Bewußtsein aus.
12. »Was du vorhast, ist unverantwortlich.« Cistolo Khan blickte Reginald Bull durchdringend an. »So?« fragte er betont langsam. »Anders kommen wir nicht weiter. In das Gebilde unter dem Tempel haben wir auch eine Öffnung geschnitten. Und jetzt sollen wir die Hände in den Schoß legen?«
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»Es ist einfach zu gefährlich«, fügte Alaska Saedelaere hinzu. »Der Pilz entstammt ebenso wie der Tempel einer fremdartigen und überlegenen Technologie. Er hüllt sich nicht in einen Schutzschirm wie der Bohrkopf, folglich funktionieren seine Abwehrsysteme anders. In den KummerogTempel seid ihr auch nicht mit Gewalt eingedrungen.« »Das ist richtig. Aber dort haben wir wenigstens einen Weg gefunden, ins Innere vorzustoßen«, hielt ihm der LFTKommissar entgegen. »Hier ist hingegen totale Fehlanzeige. Seit dreißig Stunden probieren wir herum. Ohne Ergebnis. Kein uns bekanntes Mittel hilft weiter. Kein Insasse und kein Automat reagierte auf unsere Funkbotschaften. Wir haben keine Frequenz und keine Wellenlänge ausgelassen, haben im Normal- und im Hyperfunkbereich alles versucht. Es gibt nur noch diese eine Möglichkeit.« »Die Automatik oder eine mögliche Besatzung könnte es als Akt der Aggression verstehen, Cis.« Khan fuhr überrascht herum und starrte Myles Kantor an. »Von dir habe ich mir mehr Unterstützung erwartet«, beschwerte sich der LFT-Kommissar. »Weißt du einen Ausweg?« »Geduld und Bereitschaft zur Kommunikation. Vielleicht schläft dort drinnen jemand.« »Dieser Jemand ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gott, auf den die Herreach warten. Sollen wir auf den Knien hinüberrobben?« »Wenn es dem Frieden dient, warum nicht?« »Dein Pazifismus in allen Ehren, Myles. Aber so kommen wir nicht weiter.« »Natürlich nicht. Wir sollten es dennoch auf solche oder ähnliche Weise versuchen.« Khan schwieg. In seinem Gesicht arbeitete es. Er eilte zu Perry Rhodan, der bereits zum dritten Mal auf dem Platz stand. Der Unsterbliche beachtete ihn nicht. Er stand da wie gelähmt und machte nicht den Eindruck, als habe er von der Unter-
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haltung etwas mitbekommen. Der LFT-Kommissar kehrte achselzuckend zu Kantor zurück. »Eure Vorschläge erinnern mich an die Geschichte vom Kaninchen und der Schlange«, entfuhr es ihm schließlich. »Das Kaninchen erstarrt und wird zur leichten Beute. Nein, nicht mit mir! Wer sagt uns, daß man unsere Absichten nicht grundsätzlich mißversteht, egal, wie wir den Kontakt suchen? Ich gehe das Wagnis ein, Myles. Meine Leute können es kaum erwarten.« »Wenn du meinst. Ich empfehle es dir nicht. Laß uns noch warten. Ein, zwei Tage oder länger. Es gibt auf Trokan genug zu tun. Deinen Leuten wird bestimmt nicht langweilig.« Khan gab ein Knurren von sich und winkte Bruno Drenderbaum zu sich. »Meine Meinung steht längst fest«, murmelte Drenderbaum. »Es ist unsere Angelegenheit. Nicht die der GILGAMESCHBesatzung und auch nicht die von Camelot. Wir haben es im Endeffekt zu verantworten, egal, was geschieht.« Khan wandte sich wieder an Bully, Myles und Alaska. »Da hört ihr es. Stellt ihr uns jetzt eure ›Schweißgeräte‹ zur Verfügung?« »Unter Hinweis auf die möglichen Konsequenzen, ja.« Myles Kantor mied den Blickkontakt mit Cistolo Khan. »Wenn du der Meinung bist, es müßte alles schnell und innerhalb von wenigen Tagen erledigt sein, bitte. Aber laß unsere Wissenschaftler aus dem Spiel! Sie werden euch erklären, wie die Geräte zu bedienen sind.« Damit war für ihn die Angelegenheit erledigt. Er verabschiedete sich mit dem Hinweis, daß es höchste Zeit war, einen kurzen Besuch auf Mimas zu machen.
Der Besuch bei Kallia ließ Myles jedesmal auf andere Gedanken kommen. Er vergaß Trokan und die Probleme dort. Er berührte seine Frau, verharrte eine Weile und ließ sich dann
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von Gobert Grifaan zurück zum Transmitter begleiten. Diesmal jedoch wählte er nicht den Anschluß in der PAPERMOON, sondern den seines Bungalows am GoshunSee. Ein kurzes Winken in Richtung des Arztes, dann strahlte ihn das Feld nach Terra ab, und er trat aus dem kleinen Privatanschluß auf den Korridor hinaus. »Hallo, Myles!« begrüßte ihn der Servo. »Wie geht es dir?« »Danke. Hast du die Blumen im Garten gegossen?« »Ja. Du mußt sie dir unbedingt ansehen.« Im Vorgarten bewunderte er die weißen und gelben Chrysanthemen. Sie bildeten einen Kreis um die Stelle, an der einen Meter unter der Oberfläche die Urne ruhte. »Ich weiß, daß du mir zusiehst, Mutter«, sagte er. »Von irgendwoher läßt du deine Augen auf diesem Garten ruhen. Bestimmt weißt du auch, daß es Kallia den Umständen entsprechend gutgeht.« Er kehrte ins das Haus zurück und ging hinab in das Untergeschoß. Wie gewohnt, empfing ihn das fröhliche Ticken seiner antiken Uhrensammlung. Myles suchte sein ehemaliges Kinderzimmer auf und ließ sich auf das Bett sinken. Die Uhren schlugen im Gleichtakt. Kein Syntron steuerte sie. Sie folgten einzig und allein dem Rhythmus ihrer mechanischen Schlagwerke. Der kleine Regulator an der Wand ebenso wie die große Standuhr aus dem neunzehnten Jahrhundert nach Christus. Und kein einziges Mal gerieten sie aus diesem gemeinsamen Takt seit jener Zeit, als die Uhren von Wanderer aufgehört hatten, verrückt zu spielen. Das Ticken schläferte Myles ein; er schrak erst nach über einer Stunde auf, als Alarm ihn weckte. »Auf dem Tempelplatz von Moond hat es eine Explosion gegeben«, meldete der Servo. Mit einem Satz war Kantor auf den Beinen. »Ich brauche sofort eine Transmitterverbindung in die PAPERMOON.«
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Zwei Stunden später meldeten Cistolo Khans Leute den Abschluß der Vorbereitungen. Rund um den Pilz warteten Desintegratoren camelotischer Herkunft auf ihren Einsatz. Acht Gruppen von jeweils drei Männern und Frauen hatten sich mit der Bedienung der Geräte vertraut gemacht. »Geht mit äußerster Vorsicht ans Werk!« schärfte Khan ihnen ein. »Verwendet nur minimale Energien! Wer immer unser Vorgehen beurteilt, soll merken, daß wir nicht auf eine Zerstörung aus sind. Die SERUNS senden auch weiterhin Funkbotschaften, um die friedliche Absicht zu untermauern. Gruppe eins fängt an.« Gruppe eins befand sich auf der den beiden Schiffen zugewandten Seite. Sie nahm sich ein Stück der Wandung in Bodennähe vor. Auf der glatten Wandung des Pilzes bildete sich ein Feuerring, einen halben Meter hoch mit ungefähr fünf Meter Durchmesser. Die Flammen stabilisierten sich zu einer grellweißen Wand und begannen mit ihrem Angriff auf das silbrige Metall des Gebildes. »Energie konstant«, meldete der Syntron. »Die Oberflächenanalyse des Materials ist abgeschlossen. Die MinimalDesintegration wird eingeleitet.« Ein leises Zischen erklang, aber es stammte nicht von den Apparaten aus der GILGAMESCH I. Übergangslos hüllte dunkelrotes Licht den Pilz ein. Ein Donnerschlag hallte über den Tempelplatz, ein gelber Blitz folgte. Das Ganze dauerte nicht einmal einen Atemzug lang. Dann kehrte die Stille zurück, und mit ihr das Tageslicht. Der Pilz stand unverrückt und unversehrt an seinem Platz. In seiner Umgebung jedoch war nichts mehr wie zuvor. Die dreiköpfige Gruppe am aktiven Desintegrator existierte nicht mehr. Ein paar Fetzen der SERUNS lagen umher. Das Gerät selbst existierte nur noch als metallener Klumpen am Boden, der langsam abkühlte. Cistolo Khan mußte zweimal hinsehen, ehe er begriff, was geschehen war.
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»Gerechter Himmel!« entfuhr es ihm. »Was war das?« Bull und Saedelaere schwiegen. Rhodan aber fuhr herum und starrte ihn zornig an. »Das war die Antwort auf deine Dummheit, Khan. Der Pilz wehrt sich gegen jeden Akt der Gewalt.« »Eine Höllenmaschine«, stieß der LFT-Kommissar hervor. »Das Ding ist eine Bedrohung für das Solsystem.« Mit Erleichterung registrierte er, daß die sieben übrigen Gruppen am Pilz nicht in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Eine Druckwelle hatte sie und ihre Instrumente davongeschleudert. Dank der SERUNS waren die Wissenschaftler nicht verletzt worden. Die Camelot-Technik hingegen war Schrott. »Du hast leichtfertig das Leben von Menschen aufs Spiel gesetzt«, klagte ihn Alaska an. »Kannst du das wirklich verantworten?« »Nein«, stieß Khan betroffen hervor. »Aber ich werde dazu stehen. Es war nicht vorauszusehen, daß das Gebilde derart unbarmherzig reagieren würde.« »Es ist offensichtlich eine Maschine, ein Automat.« Cistolo Khan schloß die Augen. Der Pilz handelte nicht aggressiv, doch er wehrte sich gegen Angriffe oder das, was er als Angriffe verstand. Der Kopf des LFT-Kommissars dröhnte. Er hatte das Gefühl, als habe ihn jemand mit einem großen Hammer vor die Stirn geschlagen. Der Tod dreier Menschen - er mußte nicht sein. Er hätte vermieden werden können. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Perry Rhodan über den Tempelplatz auf den Pilz zugehen. Der Unsterbliche tat es mit kurzen, mechanischen Schritten. Die Arme steif am Körper, wirkte er wie eine Puppe, die ein unsichtbarer Spieler aufgezogen hatte und marschieren ließ. Reginald Bull und Alaska Saedelaere erwachten aus ihrer Starre und rannten ihm nach. Khan folgte ihnen.
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»Haltet ihn auf!« forderte er. »Ich brauche keinen Beweis, daß es nur auf friedliche Weise geht. Vielleicht läßt der Pilz grundsätzlich keine Berührung zu. Perry, zurück!« Die Meldung aus der PAPERMOON, daß Myles Kantor soeben zurückkehrte, nahm er kaum wahr. Er wies seinen SERUN an, zu Rhodan aufzuschließen und notfalls einzugreifen. »Ihr denkt falsch«, sagte Perry laut. »Diesmal besteht keinerlei Gefahr.« Alaska und Bully schlossen zu ihm auf und entzogen ihn Khans Zugriff. »Es bringt nichts, das Ding zu berühren. Mit bloßen Händen kannst du nichts ausrichten, Perry.« Rhodan blieb stehen und blickte Bully an. Unter dem Blick aus den harten, grauen Augen wurde dem Freund ganz anders. »So hast du mich noch nie angeschaut«, sagte er. »Bitte, geh nicht weiter!« »Habt ihr Angst um mich?« Rhodan lachte rauh. »Mir geschieht nichts.« Entschlossen schritt er weiter, aber die beiden Freunde blieben auf gleicher Höhe. »Wir lassen dich auf keinen Fall allein«, bekräftigte Alaska. »Was auch immer kommen mag.« »Willst du nicht den Wissenschaftlern noch eine Chance geben?« versuchte es Cistolo Khan. Rhodan würdigte ihn keiner Antwort, und der LFTKommissar blieb stehen. Du hast ja so recht, dachte er. Mehr Fehler konnte ich in dieser Situation wirklich nicht machen. Aber dazu bin ich nun mal der Entscheidungsträger vor Ort. Perry Rhodan und seine beiden Begleiter erreichten die Wandung des Pilzes. Khan sah, daß Rhodan die rechte Hand ausstreckte und mit den Fingerspitzen das silbrige Material berührte. Plötzlich hüllte Nebel einen Teil des Luftraumes vor dem Gebilde ein und verdeckte die Sicht auf die drei.
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»Vorsicht!« schrie Cistolo Khan. Er rannte los und sah die drei Gestalten vor sich. Sie verschwanden durch die Wandung des Pilzes ins Innere. Da war keine Öffnung, kein Transmitter, nichts. Rhodan, Bull und Saedelaere diffundierten einfach durch das Metall. Nichts blieb von ihnen zurück, nicht einmal Alaskas Strahler. »Bleib zurück, Cis«, sagte eine leise, nachsichtige Stimme. Er hielt an und drehte sich zu Myles Kantor um. Dieser schloß zu ihm auf und ergriff seine Hand. »Du kannst sie nicht einfach zurückholen. Das müssen sie schon aus eigener Kraft schaffen.« Gemeinsam starrten sie auf die Wandung. Dort zeichnete sich ein schwarzer Schatten ab, nahm im Sekundenbruchteil feste Konsistenz an und fiel aus der Wandung des Pilzes. Ein Körper stürzte auf den staubigen Boden des Platzes und blieb reglos liegen. Khan stieß einen Schrei aus und rannte auf die Gestalt zu. Seine Gedanken rasten. Wieso hatte er nicht verhindert, daß Rhodan die Wand berührte? Die letzten Meter zögerte er. Die Gestalt - das war nicht Rhodan. Aber auch nicht Bully oder Alaska. Ein Fremder! Vor ihm lag ein fremdes Wesen, etwas mehr als eineinhalb Meter groß, gekrümmt und mit schwarzer, rissiger Haut. Es besaß Proportionen mit einer Schulterbreite von einem Meter, einem runden Kopf, einem lippenlosen Mund und einer flachen Nase mit drei Atemlöchern. Statt Zahnreihen wies der leicht geöffnete Mund ein halbes Dutzend einzeln stehender, hellgelber Reißzähne auf. Die eine Hand war so groß wie eine Kehrschaufel und hatte zwei Daumen und zwei Finger. Die andere schien mit einem äußerst heißen Gegenstand abgetrennt worden zu sein. Die Schnittfläche war glatt und nicht verkrustet. Die Beine zeigten die Krümmung sogenannter Säbelbeine. Cistolo Khan berührte das Wesen vorsichtig mit den Fingerspitzen seines Handschuhs.
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»Wir brauchen Medoroboter«, sagte er hastig und warf Myles Kantor einen Seitenblick zu. »Ein merkwürdiger Tausch, nicht wahr? Das Gebilde schluckt drei Terraner und rückt dafür einen Fremden heraus. Was ist der Pilz? Ein Gefängnis? Oder eine Tauschbörse?« Die ersten Medoroboter näherten sich und machten sich an die Untersuchung des Körpers. Die Arme und Beine des Wesens begannen sich zu bewegen, und dann schlug es die Augen auf. Zwei vollständig weiße, wäßrige Augen blickten sie an. Der Mund bewegte sich leicht hin und her. »Kummerog!« verstanden sie noch. Dann fiel der Fremde erneut in Ohnmacht.
13. Es gehörte zu den Pflichten von Gobert Grifaan, daß er sich in regelmäßigen Abständen über den Zustand seiner Dauerpatientin informierte. Meist sah er sich die Aufzeichnungen von seinem Büro aus an. Er litt genug darunter, Kallia Nedrun auf dem Hologramm sehen zu müssen. Seit Jahren schon hatte er mit Myles Kantor vereinbart, daß ein Bericht nur dann erstellt werden sollte, wenn es eine Veränderung gab. Grifaan glaubte fest daran, daß dies nie der Fall sein würde. Puls, Atem und Gehirntätigkeit blieben immer exakt gleich. In den ersten Monaten und Jahren der Betreuung hatte er aus gerade diesen Gründen den Verdacht gehegt, daß es sich um ein bewußt herbeigeführtes, vielleicht sogar selbstkontrolliertes Koma handelte. Erst nach und nach war er zu der Überzeugung gelangt, daß Kallia nichts für ihren Zustand konnte. Mit Myles wagte er schon lange nicht mehr über dieses Thema zu sprechen. Er nahm den terranischen Chef-92-
wissenschaftler am Transmitter in Empfang, schleuste ihn zum Überlebenstank und wieder zurück und wünschte ihm einen guten Heimweg, auch wenn der längst nicht mehr im Verbrauch von körpereigenen Kalorien bestand, sondern in der Beanspruchung von Energie aus einem der riesigen Speicher weit abseits der Kliniken. An diesem Morgen des 28. Oktober 1288 NGZ meldete ein leises Fiepen, daß es im Überlebenstank eine Bewegung gab. Gleichzeitig baute sich ein Hologramm auf. Grifaan stand einen Augenblick lang reglos, dann starrte er auf das dreidimensionale Bild. Er sah Kallia, wie sie sich in ihrem Antigravtank für ein paar Sekunden aufrichtete und dann entkräftet zurückfiel. »Alarm!« rief der Chefarzt der Tradha-Zwölf-Sektion. »Sofort zwei Medosysteme zu Kallia Nedrun.« Er riß fast den Sessel um. Plötzlich kam ihm der Weg hinter dem Schreibtisch hervor und durch die Tür bis zur Schleuse vor Kallias Quarantäne-Station unendlich lang vor. Eineinhalb Stunden höchstens war es her, daß Myles Kantor seine Frau besucht hatte. Die Medoeinheiten arbeiteten bereits, als er eintraf. Augenblicke später lag das erste Ergebnis vor. Gobert Grifaan hörte sich ungläubig an, was die Roboter ihm mitteilten. Er faßte sich ein Herz und beugte sich über den Tank. Kallias Augenlider flatterten. »Kannst du mich hören?« flüsterte der Arzt und wiederholte die Frage dann etwas lauter. Die Lippen der Frau bewegten sich. Aber sie blieb stumm. »Sie befindet sich in einem Zustand zwischen Schlafen und Wachen«, erläuterte der Syntron, der den Tank kontrollierte. »Der komatöse Zustand ist beendet. Ihr Bewußtsein ist zurückgekehrt.« Die erhöhte Gehirntätigkeit und der beschleunigte Atem untermauerten die Einschätzung. Auch der Pulsschlag hatte
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sich erhöht und entsprach dem Wert, der bei Kallia Nedrun in früherer Zeit als Normalwert gemessen worden war. »Danke«, murmelte Grifaan. »Ich werde es sofort an Myles Kantor weiterleiten.« Kopfschüttelnd suchte er sein Büro auf und ließ sich eine Hyperfunkverbindung mit der PAPERMOON geben. »Nach sechsundsiebzig Jahren«, hauchte er, während er auf das Freizeichen wartete. Er mochte es noch immer nicht recht glauben.
Kummerog! Wenn da nicht die drei Menschenleben und das Verschwinden von Rhodan, Bull und Saedelaere gewesen wären, hätten sie über die Komik der Situation lachen können. So aber blieb ihnen jedes überflüssige Wort im Hals stecken. Das Wesen vor ihnen - war es wirklich Kummerog? Oder kannte einfach jeder, der aus dem Pilz fiel, diesen Namen? Wie es auch sein mochte, der Pilz besaß ebenso einen Bezug zu Kummerog wie der Tempel, der zuvor an seiner Stelle gestanden Die einfachste Lösung wäre jetzt gewesen, Presto Go und ihre Mahner zu rufen und ihnen das bewußtlose Wesen zu zeigen. Aber die Herreach vermochten nicht sagen, wie ihr Gott Kummerog aussehen mußte, auf den sie Zehntausende von Jahren gewartet hatten. Zudem befanden sie sich in einem Zustand psychischer Labilität, in dem man ihnen alles andere zumuten konnte, nur nicht einen bewußtlosen und verletzten Gott, der zudem im Vergleich mit ihrer eigenen Körpergröße als geradezu mickrig zu bezeichnen war. »Egal, wie es sich verhält, wir haben zunächst einmal ein Faustpfand für Rhodan, Bull und Saedelaere«, stellte Cistolo Khan fest. Er hatte sein inneres Gleichgewicht zurückgewonnen. »Der Fremde ist verletzt und ziemlich schwach.
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Jemand scheint ihm eine Hand abgehackt zu haben. Eine Konfrontation des Wesens mit den Herreach erscheint mir im Augenblick als nicht wünschenswert. Noch besser, wir bringen ihn umgehend von Trokan weg.« Myles Kantor nickte. »Ich bin deiner Meinung. Wie steht es mit Mimas?« »Genau daran denke ich. Das ist weit genug vom Schuß, und dort verfügen wir über die nötigen Mittel, ihn aufzupäppeln. Vielleicht erweist sich der Gott ja als spendabel und hilft uns, die drei Aktivatorträger aus diesem Ding da herauszuholen.« Er warf dem Pilz einen wütenden Blick zu. »Von Mimas erreicht uns soeben ein Funkspruch«, meldeten die Pikosyns. »Es ist Gobert Grifaan. Kallia ist aus dem Koma erwacht.« Myles Kantor gab einen erstickten Laut von sich. »Sag das nochmal!« keuchte er. »Es stimmt«, meldete sich der Chefarzt und erläuterte die neuesten Erkenntnisse. »Der Vorgang ereignete sich um neun Uhr zweiunddreißig und vierzehn Sekunden. Standardzeit natürlich.« Myles rechnete kurz nach. »Das ist exakt der Zeitpunkt, an dem Perry, Bully und Alaska die Wand berührten und im Innern des Pilzes verschwanden.« »Du vermutest einen Zusammenhang?« fragte Grifaan. »Ja, natürlich. Es wäre ein merkwürdiger Zufall. Ich komme so schnell wie möglich nach Mimas. Bis bald.« »Verstanden. Bis bald.« Die Hyperfunkverbindung erlosch. Der LFT-Kommissar und der terranische Chefwissenschaftler blickten sich an. »Mimas also«, sagte Cistolo Khan. »Wenn ein Zusammenhang besteht, dann halte ich es für bedenklich, den Fremden nach Mimas zu bringen. Andererseits, viel anrichten kann er nicht. Wir sollten jedoch für den Fall der Fälle Vorsorgen.« »Was willst du tun?«
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»Deine Frau wird in einen Isolationstrakt verlegt und zusätzlich von einem Dutzend Kampfrobotern bewacht. Man kann nie wissen. Vielleicht übt Kallia auf dieses Wesen ja eine unbezwingbare Anziehungskraft aus.« Myles senkte den Kopf. »Es fällt mir sehr schwer, an so etwas zu denken. Ich gehe jetzt besser.« Ruckartig wandte er sich um und kehrte zur PAPERMOON zurück. Cistolo Khan deutete auf das reglose Wesen im Staub. »Legt es in ein Fesselfeld, und dann ab nach Mimas mit ihm.« Als die Wissenschaftler und die Roboter längst gegangen waren, stand der LFT-Kommissar noch immer reglos auf dem Tempelplatz. Wind wirbelte Staub auf und verwandelte den Platz im Zentrum von Moond innerhalb weniger Augenblicke in eine tobende Wüste, in der jede Orientierung verlorenging. Der erste Wirbelsturm aus der Polarregion hatte den Äquator Trokans erreicht.#Ende-Leerseite-Bild84
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Peter Terrid
Arsenal der Macht
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Ich hebe die rechte Hand und winke ab. Jetzt will ich nicht gestört werden. Dieses Bild will erst einmal aufgenommen und verkraftet werden. Den Nebel haben wir hinter uns gelassen; einige wenige Schritte haben dafür genügt. Wenn ich über die Schulter blicke, kann ich die Schwaden noch sehen. Sie wirken nicht natürlich, aber was in dieser Umgebung verdient diese Bezeichnung schon? Natürlich - das wäre auch die völlig falsche Bezeichnung für das, was sich vor uns erstreckt. Zu sehen ist etwas, das man auf den ersten Blick als Steg bezeichnen könnte. Ich kann die Bohlen dieses Steges sehen. Sie sind rund zwanzig Zentimeter breit und schwarz. Bei näherem Hinsehen könnte man sie für Blöcke aus reinem Graphit halten. Ich schabe mit dem Fuß darüber, hinterlasse keine Spuren. Also kein Graphit, dieses Material wäre zu weich und dabei zerkratzt worden. »Hier gefällt es mir nicht!« Das ist Reginald Bulls skeptisch klingende Stimme. Warum ist er so mißtrauisch? Mir gefällt es hier. Die hypnotische Faszination, die mich außerhalb des Pilzdomes auf Trokan befallen hatte, ist hier verschwunden. Ich bin Herr meiner Sinne und meiner Entschlüsse. Und ich will weiter gehen, diesen Steg entlangschreiten. Zehn Meter ist die Lauffläche breit, völlig eben, aber ohne Geländer. Es gibt Pfeiler, ungefähr fünfzig Zentimeter dick. In unregelmäßigen Abständen steigen sie aus unerkennbaren Tiefen in die Höhe; schwarze Beschläge heften den Steg an diese Pfeiler, die den Steg um einen knappen Meter überragen. Wenn ich tief nach unten blicke, scheinen die Pfeiler in einem trüben Wasser zu verschwinden Es ist ein Bild, das Furcht einjagen kann. Ein Steg über Tiefen, die man nicht abschätzen kann, breit zwar, aber ohne Geländer.
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Endlos lang scheint der Steg zu sein, sein Ende verschwimmt im Nirgendwo. Seltsam genug - wenn ich mich umdrehe, kann ich auch jenes Ende des Steges nicht mehr sehen, durch das wir auf diese Brücke in die Unendlichkeit gelangt sind. Von einer Endlosigkeit führt dieser Pfad in die andere, und wir drei sind offenbar die einzigen, die ihn benutzen. Auch Alaska Saedelaere hat eine skeptische Miene aufgesetzt. Ich kann sehen, daß seine rechte Hand sich ständig in der Nähe seines Gürtels bewegt. Dort steckt, ich weiß es, ein flacher Thermostrahler von geringer Leistung, die einzige Waffe, die wir drei mit uns führen. Bully und ich tragen Hosen, Jacken und Stiefel in den gerade gängigen Modefarben - Hellbeige, der Natur abgeschaut, angeblich. Alaska trägt einen schwarzen Overall mit vielen Taschen, die aber fast alle leer sind. An technischen Geräten führen wir nur die KombiArmbänder mit: Chronometer, Thermometer und Funkgerät in einem. Die Funkgeräte sind still, darüber können wir keinen Kontakt herstellen zu der Welt, die wir vor wenigen Augenblicken verlassen haben. Wir schreiben den 28. Oktober des Jahres 1288 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, nach der Uhr ist es früher Morgen, aber in dieser Landschaft existieren keine Tageszeiten. Nie zuvor habe ich diesen eigentümlichen Ort gesehen. Und doch, es klingt seltsam, ist er mir vertraut, als wäre ich diesen Steg schon Tausende von Malen entlanggeschritten. Von Furcht kann keine Rede sein. Ich mag diesen Ort, er weckt meine Neugierde. Ich blicke Bully an, dann Alaska Saedelaere; ihre Mienen sind angespannt, verkniffen. Es gefällt ihnen auf dem Steg nicht. »Wie geht es euch?« frage ich. Alaska schüttelt heftig den Kopf. »Unangenehm«, antwortet er nach kurzem Zögern. »Da ist etwas, das sich mir entgegenstemmt, ein mentaler Druck, der auf mir lastet, sehr kalt und irgendwie bedrohlich!«
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Ich blicke auf Reginald Bull, auch seine Miene ist verdrießlich. »Mir geht es nicht anders«, räumt er unwillig ein. »Offenbar sind wir hier äußerst unerwünscht. Am liebsten würde ich umkehren und gehen .« Umkehren? Das kommt gar nicht in Frage, jedenfalls nicht für mich. Ich gehöre hierhin, das weiß ich genau. Außerdem ist ein Rückweg gar nicht mehr zu erkennen. Es gibt nur uns drei und den Steg, der sich nach beiden Seiten in die Unendlichkeit dehnt. »Dir scheint es ganz anders zu gehen, Perry«, hakt Alaska Saedelaere nach. »Richtig?« »Gut beobachtet«, stimme ich zu. »Laßt uns weiter gehen und zusehen, was es zu entdecken gibt.« »Vielleicht sollten wir zunächst einmal herausfinden, ob wir diesen Weg auch zurückgehen können«, schlägt Alaska vor. Der Einwand ist zweifellos berechtigt, aber ich sehe die Sache anders. »Wer weiß«, gebe ich zurück, »ob wir jemals eine zweite Chance bekommen, diesen Steg zu beschreiten.« »Trotzdem«, bleibt Alaska beharrlich, »scheint es mir naheliegend, daß wir uns um eine bessere Ausrüstung bemühen sollten. Waffen, Meßgeräte und dergleichen. Und ein paar Männer und Frauen als Verstärkung...« Reginald Bull ist es dieses Mal, der den Gedanken zurückweist. »Wenn wir uns gegen diesen mentalen Druck kaum behaupten können«, sagt er ruhig, »werden es Normalbürger ganz bestimmt nicht schaffen. Und haltet mich bitte nicht für überheblich, wenn ich das sage.« »Ich gebe dir recht«, stimme ich zu. »Also, wie sieht es aus? Gehen wir weiter? Wenigstens bis zum Ende des Stegs, oder eben so weit, wie wir in einer Stunde schaffen?« Ich sehe, wie die beiden zurückblicken, sich ansehen und dann nicken. Auch wenn es ihnen keinen Spaß bereitet, sie werden in
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meiner Nähe bleiben. Auf Freunde und Gefährten wie Alaska und Bully kann ich mich verlassen. Es tut gut, das zu wissen. Zögernd mache ich die ersten Schritte. Der Boden ist gut zu betreten, nicht rutschig. Und bei einer Breite von zehn Metern ist auch die Gefahr, auszugleiten und über den Rand zu stürzen, sehr gering. Aber es bleibt ein Restrisiko. Mehr als eines, denn niemand von uns Dreien vermag abzuschätzen, wie es da unten in der dunstigen Tiefe aussieht. Die normalen Begriffe unseres Denkens versagen hier. Ich denke an Steg, an Boden, Geländer - aber diese Brücke in die Unendlichkeit ist mit diesen materiellen Worten nicht einzufangen. Vielleicht ist das, was wir sehen, nicht wirklich real, jedenfalls nicht in dem Sinn, in dem wir unseren Kosmos begreifen und ordnen. Vielleicht bewegen wir uns auf Symbolen, auf einer materiellen Projektion einer hyperdimensionalen Gegebenheit. Ganz sicher ist dieses Gebilde nicht einfach nur ein begehbarer Steg. Er steht für einen größeren Zusammenhang, vielleicht für die Überbrückung ungeheurer Distanzen auf einem normaltechnisch nicht nachvollziehbaren Weg. Ich wage einige langsame, vorsichtige Schritte, und bei jedem dieser Schritte ist es, als würde ein Schleier von der Umgebung weggezogen. Nur in der Bewegung tritt dieses Phänomen ein. Sobald ich stehen bleibe, verwischt und verschwimmt wieder alles, hüllt sich in Dunst, Wolken gleich, die das dahinter Liegende verbergen. Solange ich mich aber bewege, enthüllt sich meinen Augen ein unvergeßliches Schauspiel, wie ich es prächtiger und eindrucksvoller niemals zuvor erlebt habe. Der Steg schwebt dann, haltlos und doch massiv und fest, in einem gleißend hellen Universum, einem Meer aus sanftem, mildem Licht, durchzogen von schrillen Farben, wirbelnden Strukturen und irrlichternden Erscheinungen. Nur für winzige Augenblicke bietet sich dem Auge etwas dar, was man erkennen kann, noch immer vage, aber um so beeindruckender.
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Sterne kann ich erkennen, große, kleine, grell strahlende und solche, deren atomare Glut nur noch zu düsterrotem Glimmen reicht. Planeten wirbeln mit unerhörter Geschwindigkeit um diese Gestirne, Ringe aus Eis und kosmischem Staub blitzen für eine Zehntelsekunde auf, um dann wieder anderen Erscheinungen Platz zu machen. Schwarze Löcher kann ich ausmachen, Galaxien bilden sich vor meinen Augen, ballen sich zusammen, trudeln, fasern auseinander; die klassische Spiralform entsteht und vergeht sofort wieder. Mir ist nicht ganz klar, was ich da sehe. Ist dies eine Momentaufnahme der Schöpfung, einer Schöpfung? Die vielleicht jetzt, in diesen Augenblicken, da ich die Brücke in die Unendlichkeit beschreite, irgendwo in einem nicht näher bestimmten Kontinuum stattfindet? Blicke ich vielleicht tief hinein in die Vergangenheit unseres Universums, in jene sagenhafte Zeit, in der alles begonnen hat - Milliarden von Jahren vor unserer Zeit, als sich aus Energie zuerst Materie, dann aus Materie Sonnen und Planeten gebildet haben, auf denen, viel, viel später, dann das Leben zu keimen begann? Was sehe ich? Vergangenheit? Zukunft? Gegenwart? Ich vermag es nicht zu sagen. Mir bleibt nur, mit wachen Sinnen in dieses Geheimnis hineinzulauschen. Immer nur für Sekunden formt sich ein klares Bild, um alsbald zu vergehen und neuen Eindrücken Platz zu machen. Ich blicke meine Gefährten an. Erleben sie das gleiche wie ich? Sind auch sie gebannt von diesem einzigartigen Anblick? Keineswegs. Ihre Mienen sind mürrisch, verdrossen; das Unwohlsein, das sie empfinden, ist ihnen an den Stirnen geschrieben. Ich bleibe stehen. Dies alles gefällt mir, und ich habe auch eine vage Ahnung, warum dem so ist. Es ist, als spüre man den Hauch des Schöpfers durch den Kosmos wehen. Einen Augenblick wie diesen hat ein normaler
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Sterblicher wie ich niemals zuvor erleben dürfen, jedenfalls keiner, den ich kenne. Oh, gewiß, ich bin kein normaler Sterblicher, aber immerhin sterblich. Der Zellaktivator in meinem Körper verhindert nur Alterung, Krankheit und Vergiftung; er ist keine dauerhafte Versicherung gegen den großen Gleichmacher Tod. Ihm sind wir alle unterworfen. Ist dies das Bild, das sich unserem alten Freund ES darbietet, wenn er in sich hineinlauscht, seine Gedanken von Ewigkeit zu Ewigkeit schweifen läßt und überlegt, wo, wann und mit welchen Mitteln er vielleicht eingreifen möchte in dieses wirbelnde, brodelnde, strudelnde Treiben? Ich verharre, gehe zum Rand des Stegs und setze mich. »Bist du verrückt geworden?« schilt mich Reginald Bulls ärgerliche Stimme. »Wenn du den Halt verlierst, Perry?« Ich lasse die Beine baumeln, in die Unendlichkeit hinein. Ich schmunzele still. Es ist ein eigentümliches Gefühl. Ich stoße heftig den Atem aus, sehe, wie er den Nebel vor mir durch seine Bewegung aufreißt und in diesen bizarren Kosmos eindringt. Abermals ist etwas zu sehen, das einer Galaxie ähnelt, nun aber durchwoben von dem glitzernden Dunst, den mein Atem erzeugt; er scheint zu neuen Sternsystemen auszukristallisieren, sich in diese Schöpfung als neues Element einzufügen. Und ich ahne: Würde ich einfach loslassen, hineinfallen in dieses Kontinuum, würde mein Körper zerstäubt wie mein Atem und sich auf diese Weise in die Schöpfung integrieren. So betrachtet, muß ich Bully recht geben - die Sache ist nicht ganz ungefährlich. Ich lache halblaut. Dennoch, es gefällt mir... »Laß uns von hier verschwinden, Perry, bevor ein Unglück passiert«, drängt nun auch Alaska Saedelaere. »Nur noch eine kleine Weile«, bitte ich meine Gefährten. Eine ungeheure Zuversicht breitet sich in mir aus. Ich fühle, daß ich alles, was es im Universum zu sehen gibt, eines Tages
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sehen werde, mag der Tag auch noch so fern sein. Ich bin sicher, daß meine Zeit dafür reichen wird, ja, mir will scheinen, als liege eine buchstäblich unendliche Spanne Leben vor mir, die es auszufüllen gibt; und als sei diese Brücke in die Unendlichkeit - denn um diese handelt es sich wohl - jener Pfad, den ich zu beschreiten haben werde. Dieser Steg, wer immer ihn geschaffen hat, zu welchem Zweck auch immer, verbindet alle Räume, alle Zeiten miteinander. Jedes Wesen hat in diesem Kontinuum seinen Platz, alles ist von hier aus erreichbar, das Vergangene wie das Zukünftige, alles Lebendige, selbst alles, was bereits gestorben sein mag. Dies ist der Ort, der keine Grenzen kennt - buchstäblich die Brücke in die Unendlichkeit ... so scheint es. »Perry, verdammt ...!« Seltsam, sie empfinden so anders als ich. Was mir als Chance erscheint, als Verheißung, erscheint ihnen bedrohlich und furchteinflößend - sogar ihnen, denen Furcht sonst so fremd ist. Ich stoße einen Seufzer aus, stehe auf. Ich will sie nicht länger schmoren lassen, nur um meines privaten Vergnügens willen. Das haben diese alten, erprobten Gefährten so vieler Kämpfe und Gefahren nicht verdient. Langsam schreiten wir weiter, den Steg entlang. Ist es Bestimmung, daß wir diesen Ort erreicht haben? Oder Zufall? Oder sogar ein ungewolltes Ereignis, eine Art Betriebsunfall des Systems, welchen auch immer? Zu sehen gibt es nichts, was uns vertraut wäre. Der Steg, das sich ins Unendliche dehnende Universum, das uns einhüllt und dessen Grenzen nicht einmal zu ahnen sind, wir selbst. Das ist alles. Dann aber ... Alaska bleibt stehen und mustert das Ding, das auf dem Boden liegt. Es ist blau und weiß gestreift, besteht aus Plastikmaterial - »Minderwertige Ware«, urteilt Alaska nach
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einem prüfenden Handgriff - und ist vollkommen leer. Vielleicht hat jemand das Ding als eine Art Rucksack benutzt. Die Riemen und Schnallen deuten darauf hin. Alaska hat die Augen zu Schlitzen verengt und denkt nach. »So, wie das Ding hier liegt«, murmelt er. »Der Träger müßte uns entgegengekommen sein ...« Wir haben nichts gesehen. Wir sind ganz allein auf dem Steg. »Laß den Sack liegen«, schlage ich vor. »Gehen wir weiter.« Schon bei den ersten Schritten auf dem Steg habe ich zu zählen begonnen. Diese Brücke sieht nicht so aus, als würde sie den normalen Gesetzen der Physik und Logik gehorchen. Es kann sich auch um eine Sinnestäuschung handeln. Und in gewisser Weise waren wir ebenfalls getäuscht worden. Ich habe exakt 1279 Schritte gezählt, also etwas mehr als einen Kilometer Länge, als der Steg in die Ewigkeit jäh aufhört. Ein Blick zurück - in dieser Richtung scheint die Brücke wieder unendlich lang zu sein. Ich höre Bully schlucken. Einige Schritte vor uns ist die letzte Bohle zu erkennen, dahinter ist nur Dunst. Der gleiche Dunst, den wir schon während des Spaziergangs rechts, links und unter uns gesehen haben, gewissermaßen der Morgennebel der Schöpfung. Jenseits der letzten Bohle, so scheint es, liegt einfach nur das Universum ... »Was liegt dahinter?« frage ich halblaut. »Nichts, vermutlich«, antwortet Alaska Saedelaere halblaut. »Ein Schritt zuviel, und du wirst abstürzen und sterben.« Für ihn scheint es festzustehen, daß - wenn überhaupt - ich derjenige sein werde, der diesen Schritt zu machen hat. »Dann laß uns umkehren«, schlägt Bully vor. »Hier können wir nichts ausrichten, und auf Trokan wird man uns brauchen.« Dieser Einwand ist richtig. In meiner Faszination habe ich
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die Ereignisse im Solsystem nahezu vergessen. Auf der anderen Seite aber… »Zwischen Trokan und diesem Steg gibt es eine Verbindung«, entgegne ich Bully. »Und das nicht nur im verkehrstechnischen Sinn, sondern vor allem auch kausal, wie ich vermute. Die Rätsel, die uns die Entwicklung auf Trokan aufgibt, können wir vielleicht nur hier lösen - oder dort!« Ich deute auf das Ende der Brücke und mache zwei Schritte, die mich näher an die letzte Bohle heranbringen. Alaska und Bully folgen, wenn auch mit sichtlichem Unbehagen. Es dauert nur wenige Augenblicke, dann hat uns abermals eine Nebelwand eingehüllt, wie auf Trokan. Wieder handelt es sich nicht einfach um undurchsichtigen Wasserdunst, sondern um etwas gänzlich anderes. Der Nebel umfängt uns und hüllt uns ein. Und er studiert uns ... Ich kann es förmlich spüren, wie wir abgetastet werden, nicht körperlich, sondern eher mental. Irgendeine unsichtbare Instanz scheint uns zu überprüfen, ob wir überhaupt die Berechtigung haben, uns an diesem Ort aufzuhalten. »Die mögen uns nicht«, läßt sich durch den Dunst Reginald Bull vernehmen. »Ganz und gar nicht.« »Uns beide vielleicht nicht«, präzisiert Alaska Saedelaere mit leicht sarkastischem Unterton. »Aber Perry scheint man zu mögen!« Das deckt sich mit meiner eigenen Beobachtung. Ich habe einen sehr genauen Eindruck: Diese Brücke ist gewissermaßen für mich bestimmt. Es ist geplant und beabsichtigt, daß ich sie benutze, und nur der Tatsache, daß ich Reginald Bull und Alaska Saedelaere begleite, haben sie es zu verdanken, daß sie ungeschoren bleiben. Keinesfalls schmeckt mir dieser Gedanke. Von Eitelkeit bin ich gewiß nicht gänzlich frei, wie jeder andere auch, aber diese eigentümliche Vorzugsbehandlung paßt mir nicht. Was fällt diesem Nebel ein, uns gleichsam zu sortieren und in Klassen einzuteilen?
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»Wir sehen uns das an«, bestimme ich. »Ihr kommt mit?« »Haben wir denn eine andere Wahl?« fragt Alaska Saedelaere grimmig. »Wenn wir nicht in deiner Nähe bleiben, werden wir sehr wahrscheinlich von dieser Brücke in die Unendlichkeit geschubst.« Ein Schritt nach vorn, noch einer, und dann ...
2. »Sieh an!« murmelte Reginald Bull. »Das kennen wir doch?« Die drei Galaktiker standen in einer großen Halle, einem geometrisch exakten Kubus mit einer geschätzten Kantenlänge von 210 Metern. Und im geometrischen Mittelpunkt der Grundfläche ragte ein Gebilde auf, das die drei Männer bereits kannten. Ein Pilzdom, eine exakte Kopie jenes Gebildes, das auf Trokan entstanden war, zirka 33 Meter hoch. An einer der Wände des Kubus war eine Reihe von Sitzen zu erkennen. Sehr kärgliche Sitzbänke, hufeisenförmig angeordnet. Etwa zwanzig Menschen hätten darauf Platz finden können. Sonst war nichts zu sehen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, hier war er zu finden. Zwischen Trokan, dem Pilzdom, der Brücke in die Unendlichkeit und diesem Raum gab es einen kausalen Zusammenhang. »Es sieht so aus, als hätten wir das richtige Ziel erreicht«, sagte Alaska Saedelaere ruhig. »Wir geht es dir, Perry? Du schaust nicht sehr begeistert drein?« Perry Rhodan lächelte mühsam. »Ich weiß nicht recht«, antwortete er zögernd. »Es ist, als wäre ein Teil meiner Seele auf dieser Brücke zurückgeblieben.«
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»Das Ding hat dir gefallen, nicht wahr?« fragte Reginald Bull grinsend. »In das Universum hineinzuschauen, wie es sonst nur der liebe Gott kann ...« Perry Rhodan lachte verhalten. »Bis zu diesem Größenwahn habe ich es nicht gebracht«, antwortete er. »Immerhin, ich gebe zu: Es war sehr beeindruckend.« »Für uns auch«, bemerkte Alaska säuerlich. »Nur nicht ganz so angenehm wie bei dir. Das Ding ist mir unheimlich, und hier fühle ich mich auch nicht wohl. Was mag das sein? Sind wir auf einem Planeten herausgekommen, im Inneren einer Festung oder dergleichen?« »Wenn Festung«, warf Reginald Bull ein, »dann eine, die gerade eine Niederlage erlebt hat.« ;Er deutete auf die weit offenstehende Pforte, die aus dem Saal hinausführte, und die die drei Männer nun benutzten. Der große Saal wirkte technisch intakt, aber zu den anschließenden Räumen paßte der Kommentar. Auf den ersten Blick war zu sehen, was Bully meinte. Der Boden, die Wände, die Decke - alles war schwarz, und bei jedem Schritt wirbelte ein feiner schwarzer Staub auf. Perry Rhodan scharrte mit den Füßen und ließ einen verfärbten Kratzer auf Metall erkennen, der unter dem Schwarz lag. »Metall«, konstatierte der hagere Terraner. »Durchgeglüht und mit Asche bedeckt.« »Hier muß ein verheerender Brand getobt haben«, sagte Reginald Bull. »So wird es in Troja ausgesehen haben, nachdem die Griechen mit ihrer Belagerung fertig waren.« »Ein ziemlich gewagter Vergleich«, merkte Perry Rhodan an. »Sehen wir uns um, vielleicht finden wir noch weitere Spuren. Jedenfalls sind wir hier nicht allein.« Er deutete auf den Boden. Deutlich waren in der Ascheschicht Fußspuren zu erkennen. »Füße«, konstatierte Reginald Bull. »Keine Schuhe oder dergleichen. Vielleicht ein Tier, das sich hier herumtreibt.«
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Aus den Augenwinkeln heraus sah Perry Rhodan, wie Alaska Saedelaere den flachen Thermostrahler hervorholte, die einzige Waffe der drei Galaktiker. Gegen ein wildes, in der Station herumschweifendes Tier mochte diese Waffe vielleicht ausreichen, aber gegen ein ganzes Rudel? »Folgen wir den Spuren«, schlug Perry Rhodan vor. »Du willst diesem Vieh genau in den Rachen laufen?« fragte Bully entgeistert. Perry Rhodan schüttelte den Kopf. »Sieh dir die Spuren einfach mal genauer an«, schlug er vor. »Es ist müßig, darüber zu spekulieren. Sehen wir uns lieber um.« Die drei Terraner machten einige Schritte, als hinter ihnen ein schwaches Geräusch erklang. Als sie sich umwandten, konnten sie gerade noch sehen, wie sich die Pforte zur großen Halle hinter ihnen schloß. Alaska Saedelaere hob seinen Strahler, ließ die Waffenhand dann aber wieder sinken. Gegen das zolldicke Metall der Pforte kam er mit diesem schwachen Gerät nicht an. »Der Rückweg ist uns damit abgeschnitten«, konstatierte Reginald Bull mit säuerlicher Miene. »Sehen wir uns also erst einmal gründlich um!« Verwüstung, Zerstörung, Katastrophe - das waren die Begriffe, die sich in den nächsten Minuten aufdrängten. Ein ungeheures Feuer mußte in den Räumen gewütet haben. Es hatte jeden Winkel erfaßt und so gut wie alles zerstört, was dort zu finden gewesen war. Das Metall der Wände hatte sich verfärbt, es war regelrecht ausgeglüht. Boden und Wände waren mit Asche und Ruß bedeckt, selbst die Decke war von einem schwarzen Firnis überzogen. Die wenigen Gerätschaften, deren Überreste zu entdecken waren, waren von diesem Feuer so gründlich zerstört worden, daß sich Konstruktion und Zweck dieser Gegenstände nicht mehr erschließen ließ. »Wir haben übrigens wieder einmal Glück gehabt«, bemerkte Perry Rhodan nach einigen Minuten.
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»Das kann man auch anders sehen«, warf Bully ein. »Es gibt hier atembare Luft«, wies Perry Rhodan ihn auf eine wichtige Tatsache hin, »und die Schwerkraft ist ähnlich hoch wie auf der Erde. Wir hätten auch ganz andere Umweltbedingungen antreffen können. Methangas zum Beispiel.« Seine Begleiter sahen sich an. »Du hast wieder einmal recht«, stimmte Alaska Saedelaere zu. »Glücklicherweise.« Sie setzten ihre Suche fort. Zerstörung, wohin sie blickten. Dennoch formte sich in den Köpfen der Besucher allmählich ein Bild der Räumlichkeiten. Es handelte sich um eine Station, um ein künstliches Gebilde, vermutlich sogar um eine Raumstation, wie Perry Rhodan argumentierte. »Wie kommst du darauf?« »Wir haben bisher keinen Weg in die Tiefe hinab gefunden«, erklärte der Terraner mit den grauen Augen. »Wenn wir davon ausgehen, daß wir uns auf dem untersten Level...« »Kein Wort mehr von Level!« stieß Reginald Bull hervor. »Wir waren uns einig, diesen Begriff nicht mehr zu benutzen, vorläufig. Und vorläufig heißt in diesem Zusammenhang noch zweiunddreißig Jahre... Also, bitte - kein Level mehr, mir steckt Hirdobaan noch heute in den Knochen.« »Meinetwegen«, gab Perry Rhodan amüsiert zu. »Dann befinden wir uns auf der untersten Ebene dieses Bauwerks. Damit einverstanden, alter Freund?« »So ist es schon besser«, murmelte Reginald Bull und strich sich durch die rostrote Haarbürste. »Unser Fußboden besteht aber überall aus Metall, wie wir sehen konnten. Kein Baumeister wird einen teuren Metallboden verwenden, wenn er bequemer auf gewachsenen Fels als Untergrund zurückgreifen kann.« »Klingt logisch, aber nicht gänzlich überzeugend«, räumte Alaska Saedelaere ein. »Gegen deine These spricht allerdings die Zerstörungskraft des Feuers, die wir sehen können. Ein Brand dieser Größenordnung braucht ungeheure Mengen
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Sauerstoff, und Sauerstoff war an Bord von Raumstationen stets ein knappes Gut.« »Auch ein gutes Argument«, gab Perry Rhodan zu. »Wir werden sehen, wer von uns beiden recht hat in dieser Angelegenheit. Der Verlierer gibt ein gutes Essen für drei aus, einverstanden?« Alaska Saedelaere konnte sich ein sarkastisches Grinsen nicht verkneifen. Falls er gewann, würde er wenig davon haben; der ehemalige Transmittergeschädigte pflegte eine eher spartanische Lebens- und Ernährungsweise. »Da du gerade das Stichwort lieferst«, murmelte Reginald Bull. »Habt ihr noch keinen Hunger?« »Es läßt sich einstweilen noch aushalten«, antwortete Perry Rhodan. »Gehen wir weiter!« Nach etwas mehr als einer Stunde erreichten die drei Galaktiker eine weitere große Halle, dieses Mal war sie halbkugelförmig gestaltet. »Bingo!« sagte Reginald Bull und schlug Perry Rhodan auf die Schultern. »Du hast gewonnen - ganz offensichtlich haben wir es mit einer Weltraumstation zu tun!« Über den Galaktikern wölbte sich der Sternenhimmel - aber es war ein Himmel fast ohne Sterne. Zu sehen war überwiegend ein unendliches Schwarz. »Sieht so aus, als wären wir in einem intergalaktischen Leerraum herausgekommen«, sagte Reginald Bull halblaut. »In einem sehr leeren Leerraum, genauer gesagt.« Es gab im Hintergrund dieses Bildes ein schwaches Funkeln, ein Zeichen dafür, daß wenigstens einige kosmische Lichtquellen diese Station bestrahlten, allerdings aus sehr großer Entfernung. Vermutlich handelte es sich um abgelegene Galaxien. Klar ausmachbare Sterne in unmittelbarer Nähe gab es allem Anschein nach nicht. Zu erkennen waren nur zwei markante Punkte - einander praktisch gegenüberliegend. »Kann es sein, daß wir irgendwo zwischen der Milchstraße und Andromeda herausgekommen sind?« rätselte Alaska Saedelaere.
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Perry Rhodan wiegte den Kopf. »Theoretisch könnte das stimmen«, überlegte er laut. »Andromeda und unsere Galaxis sind rund zwei Millionen Lichtjahre voneinander entfernt. Von der Erde aus kann man Andromeda mit bloßem Auge gerade eben noch als verwaschenen hellen Fleck erkennen - aber nicht als eigenständige Spiralgalaxis, dafür ist Andromeda zu weit entfernt. Um die Spiralstruktur erkennen zu können, braucht man ein Fernrohr.« Er deutete auf die beiden leuchtenden Flecken. »Vorausgesetzt, es handelt sich hierbei ebenfalls um Galaxien, dann ist diese Station von jeder dieser Spiralnebel ebenfalls rund zwei Millionen Lichtjahre entfernt.« Er lachte unterdrückt. »Aber nagelt mich jetzt bitte nicht auf eine Viertelmillion Lichtjahre Genauigkeit fest.« Reginald Bull nickte langsam. »Dann sind diese Galaxien voneinander rund vier Millionen Lichtjahre entfernt«, rechnete er nach. »Folglich handelt es sich nicht um Andromeda und unsere Galaxis.« »Nicht hundertprozentig richtig«, sagte Perry Rhodan leise »Fast alle Galaxien entfernen sich voneinander, das liegt an der Ausweitung des Universums selbst. Du hast den Zeitfaktor vergessen, Bully: In einigen hundert Millionen Jahren kann es durchaus so sein, daß zwischen Andromeda und unserer Galaxis der Abstand auf das Doppelte angewachsen ist.« Reginald Bull und Alaska Saedelaere starrten Perry Rhodan an. »Du willst damit doch nicht etwa andeuten...?« murmelte Reginald Bull beeindruckt. »Können wir es ausschließen?« fragte Perry Rhodan zurück. »Aber die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich gering. Ich nehme eher an, daß uns die Brücke in einen weit entfernten Bereich des Universums geführt hat; einmal ganz abgesehen von der Möglichkeit, daß das da...« - er deutete in die Höhe - »...nichts weiter ist als eine fiktive Projektion, eine Art von Wandbild.«
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»Du hast eine ganz besondere Art und Weise, Optimismus zu verbreiten«, konstatierte Reginald Bull. Perry Rhodan vermutete, daß mit diesem Raum die Zentrale der Station entdeckt worden war. Auch hier hatte das Feuer alles verwüstet und zerstört; kaum etwas war zu sehen, das man auch nur grob hätte beschreiben oder gar verstehen können. »Es gibt keine Leichen«, stellte Alaska Saedelaere fest. »Auch keinen Rest von Leichen. Verbrennen Lebewesen völlig rückstandsfrei?« »Meines Wissens nicht«, antwortete Perry Rhodan. »Es hängt allerdings von der Temperatur ab. Wie heiß dieses Feuer seinerzeit gewesen ist - ich kann es nicht einschätzen. Nur, daß es sich offenbar völlig ungehemmt hat ausbreiten können.« »Das heißt, daß du nicht damit rechnest, irgendwelche Überlebenden zu finden?« »Richtig«, gestand Perry Rhodan ein und schloß für einige Sekunden die Augen. »Und die Person, die diese Fußabdrücke hinterlassen hat?« warf Alaska Saedelaere ein. »Hat es vermutlich gemacht wie wir«, antwortete Perry Rhodan. »Sie ist durch die Station geirrt und hat sich umgesehen. Und sie hat das gleiche gefunden und gesehen wie wir, nur Spuren der Zerstörung.« Schlagartig wurde den Galaktikern bewußt, daß sie seit Stunden nichts mehr getrunken hatten. Und daß sie praktisch ohne jede Ausrüstung diese Reise angetreten hatten. Hunger konnte man ertragen, tage-, notfalls wochenlang. Durst nicht. Wassermangel machte sich schon nach einem Tag Entzug äußerst schmerzhaft bemerkbar, und ein normaler Mensch war nach fünf Tagen ohne Wasser garantiert nicht mehr am Leben. »Wir suchen weiter!«
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3. »Was, zum Teufel, ist das?« fragte Reginald Bull krächzend. »Sieht aus wie ein Lagerhaus«, murmelte Alaska Saedelaere. »Aber eines, das zu nichts mehr taugt.« Zu sehen waren in diesem großen Raum zahlreiche Nischen von unterschiedlicher Form und Größe. Was sie enthielten oder enthalten hatten, war nicht mehr zu erkennen. In diesem Teil der Raumstation schien das verheerende Feuer mit Entschlossenheit bekämpft worden zu sein. Aber es hatte nichts genutzt, das Lager war restlos zerstört. Zum Teil war die Einrichtung zu harter Schlacke zusammengebacken, zum Teil hatte ein blasiger Schaum die Gegenstände überkrustet, so daß sie gerade noch vage als Umrisse zu erkennen waren. Der Schaum, vermutlich ein Löschmittel, war blaßgrün, und als Reginald Bull ihn berührte, mußte er feststellen, daß die Masse in der vergangenen Zeit offenbar restlos ausgehärtet war. »Nichts mehr zu machen«, stellte er fest. »Das Zeug ist knochenhart.« Perry Rhodan senkte müde den Kopf. Seine Kehle war ausgedörrt, in seinem Kopf hämmerte der Schmerz. Seit sechsunddreißig Stunden durchkämmten die drei Männer die Station, und sie hatten bisher nur einen Bruchteil der Räume erkunden können. Es war auch nicht klar auszumachen gewesen, welche Form die Station eigentlich hatte. Um einen regelmäßig gebildeten, geometrisch exakten Körper handelte es sich auf keinen Fall. Offenbar hatten die Konstrukteure der Station eine gewisse Abneigung gegen rechte Winkel und gerade Kanten; man hatte statt dessen zahlreiche Kammern gefunden, deren Wände zum Teil stark gekrümmt gewesen waren. Aber selbst dort waren sie sich nicht sicher gewesen, ob die Wände nicht durch die Gewalt des Feuers verformt worden waren. »Wißt ihr, was wir jetzt brauchen könnten?« murmelte Bully. -115-
»Kein Wort«, sagte Perry Rhodan leise. »Bitte...« Unwillkürlich schweiften seine Gedanken ab, sehr weit zurück in die Vergangenheit. Das Wasser ist naß ... Beim ersten Aufeinandertreffen waren Atlan, der Arkonide, und Perry Rhodan, der Terraner, Feinde gewesen. Atlan hatte zurückgewollt nach Arkon, seiner Heimat, und Perry Rhodan hatte ihn daran hindern müssen - anderenfalls hätte der damals herrschende Robotregent von Arkon die galaktonautische Position der Erde erfahren, und dann wäre es mit der Freiheit und Unabhängigkeit der Erde sehr bald vorbei gewesen. Wie herrlich naß ist das ... Dennoch war es Atlan gelungen, mit einer Space-Jet die Flucht zu ergreifen. Im Laufe der Hetzjagd waren er und Perry Rhodan auf dem Wüstenplaneten Hellgate notgelandet, und damals hatte Atlan versucht, Perry Rhodan mit dieser psychologisch brutalen, gewaltsamen Lyrik um den Verstand zu bringen. Das Wasser ist naß ... Von Durst gepeinigt hatten die Männer einander gejagt und belagert und mit allen Mitteln bekämpft, beide vor Durst dem Wahnsinn nahe. Dabei hätten sie sich das Psycho-Duell ersparen können - ausgerechnet eine Sonderschaltung eben dieses Robotregenten hatte Atlan einige Zeit später als legitimen Nachfolger der alten Arkon-Imperatoren anerkannt und die Herrschaft an ihn abgetreten. Wie herrlich naß ist das ... »Ich verstehe«, sagte Bully und schaffte es, eine Grimasse zustande zu bringen, die ein Grinsen andeuten sollte. »Dir spukt Hellgate im Kopf herum, nicht wahr?« »Gut geraten«, gab Perry Rhodan zu. Alaskas Blick wanderte zwischen den beiden Männern hin und her; offenbar verstand er die Anspielung nicht - damals war er noch nicht geboren gewesen. In den Augen der meisten Galaktiker waren die humanoiden Aktivatorträger eine so ver-
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traute und verschworene Gemeinschaft, daß man hätte glauben können, sie wären zur gleichen Zeit geboren worden und gleichsam in Nachbarschaft zueinander aufgewachsen. »Machen wir weiter«, stieß Perry Rhodan hervor. »Ihr wißt, wonach wir suchen!« Wasser - irgend etwas, das sich trinken ließ und den peinigenden Durst vertrieb. Aber das Wort wurde nicht ausgesprochen; das Gespräch hätte sonst den Charakter einer ausgemachten Selbstquälerei angenommen. »Wartet einen Augenblick«, bat Alaska Saedelaere. »Ich will etwas versuchen!« Er zog seinen Thermostrahler und richtete ihn auf den Löschschaum. Er feuerte einige Sekunden lang - ohne Ergebnis. Der Schaum schmolz nicht, verbrannte nicht, löste sich nicht auf. Reginald Bull ließ einen wütenden Fluch hören. »Wahrscheinlich könnte man mit diesem Zeug sogar Atombrände löschen«, grollte er. Perry Rhodan bedachte ihn mit einem gereizten Blick. Löschen! Bully machte sofort eine schwache, entschuldigende Handbewegung und wandte sich ab. Weiter ging die Suche. Längst hatte sie ein neues Ziel: Es galt, den Pilzdom wiederzufinden. Keiner hatte davon offen gesprochen, aber jedem war es zu jeder Sekunde schmerzlich bewußt. Ein dummer, törichter, alberner Fehler, wie er selbst einem Raumkadetten nicht hätte widerfahren dürfen. Die drei Unsterblichen hatten sich in der großen Station schlichtweg verirrt. Irgendwann hatten sie den Kontakt zur eigenen Spur verloren, und jetzt irrten sie durstig durch die Räume, Kammern und Gänge. Der weitaus größte Teil der Station war restlos vom Feuer verwüstet worden. Einige, leider nur völlig unwichtige Räume waren davon verschont geblieben. In einigen anderen Räumen hatten die drei Männer Spuren entdecken können, die auf
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Reinigungsversuche hinwiesen - vielleicht war es so zu erklären, daß sie den Kontakt zur eigenen Spur verloren hatten, zumal in einer Station von diesen gewaltigen Abmessungen. Nach einer groben Schätzung war die Station einige Kubikkilometer groß - an der weitesten Stelle rund neun, an der schmalsten etwa sieben Kilometer. Das ergab eine Unzahl von Räumen und Hallen, Korridoren und Gängen, in denen man sich problemlos verirren konnte. Die Gänge, welche die einzelnen Räumlichkeiten miteinander verbanden, hatten einen ovalen Querschnitt, etwa zwölf Meter an der Sohle breit; die Wölbung hatte eine Höhe von sechs Metern. Der Boden bestand aus einem geriffelten Kunststoffmaterial - dort, wo er das Feuer überstanden hatte. Die Farbe dieses Materials war ein diffuses Grau. Die Wände waren unter der alles überlagernden Rußschicht glatt und gelblich gefärbt. Erstaunlicherweise funktionierte die Beleuchtung fast überall einwandfrei - ein weißes, indirektes Licht, wie es den Sehgewohnheiten der Terraner entsprach. War dies ein Hinweis auf die Erbauer und Betreiber dieser Station? Hatten sie Augen wie Menschen? Entsprachen die Gänge ihren Proportionen? Dann mußte man mit einer Körpergröße von drei Metern und mehr rechnen. Aber all das waren Spekulationen. So schnell gab die Station ihre Geheimnisse nicht preis. »Was glaubst du, Perry, wie alt ist diese Station?« wollte Reginald Bull plötzlich wissen. »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, antwortete Perry Rhodan. »Und ich sehe auch keine Möglichkeit, das Alter irgendwie zu bestimmen.« »Jahre, Jahrzehnte oder Jahrtausende?« Perry Rhodan wiegte den Kopf. »Hast du einen besonderen Grund für deine Frage?« faßte er nach. Bully grinste unverschämt.
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»Ich habe mich gerade gefragt, woher wohl der Bursche gekommen ist, dessen Rucksack wir auf der Brücke gefunden haben. Doch wohl aus dieser Station. Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten ...« Perry Rhodan und Alaska Saedelaere begriffen sofort, worauf Bully hinauswollte. »Entweder gehört er zur Station und hat als einziger die Katastrophe überlebt. Dann kann dieser Brand erst vor kurzer Zeit stattgefunden haben«, sagte Alaska. »Oder aber, diese verheerende Katastrophe hat sich schon vor geraumer Zeit ereignet«, fuhr Perry Rhodan fort. »Dann muß unser Freund erst hinterher die Station erreicht haben.« »Und da er schwerlich zu Fuß gekommen sein wird...«, ergänzte Bully zuversichtlich. »...muß er ein Raumschiff oder einen Transmitter benutzt haben«, brachte Rhodan den Gedanken zum logischen Ende. »Folglich müßten wir irgendwo einen Transmitter entdecken können, oder aber einen Hangar mit seinem Raumschiff. Und dort müßten wir dann endlich Nahrung und Wasser für uns finden können. Gute Idee, Bully!« »Hangars liegen für gewöhnlich in den Außenbereichen von Weltraumstationen«, merkte Alaska Saedelaere an. »Wir sollten unsere Suche auf diese Regionen konzentrieren.« Perry Rhodan nickte müde. »Machen wir weiter!« forderte sie Alaska auf. »Irgendwann müssen wir schließlich Erfolg haben.« »Die Frage ist, ob wir uns trennen sollten«, sagte Bully. »Wenn wir jeden Raum mit drei Mann untersuchen, verlieren wir Zeit. Wenn jeder für sich sucht, kommen wir schneller voran ...« »Und können uns noch besser verlaufen«, widersprach Alaska. »Immerhin haben wir unsere Kombigeräte«, wandte Bully ein. »Damit können wir Kontakt halten. Und vor allem müssen wir uns dieses Mal genau merken, welche Wege wir gegangen sind.«
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»Meinetwegen«, stimmte Perry Rhodan zu und blinzelte müde. »Aber seid vorsichtig. Ich bin sicher, daß diese Station ihre letzten Geheimnisse noch nicht preisgegeben hat.« »Und du rechnest damit, daß darunter gefährliche Geheimnisse zu finden sind?« erkundigte sich Alaska. Perry Rhodan nickte. »Es ist gewiß kein reiner Zufall«, sagte er leise, »daß wir drei ausgerechnet jetzt an diesem Ort angelangt sind.« »Sondern?« Saedelaeres Stimme verriet sanfte Spottlust. »Vorbestimmung?« Rhodan lächelte schwach. »Ich weiß es selbst nicht genau«, antwortete er. »Jedenfalls kein Zufall, das könnt ihr mir glauben.« Alaska und Bully wechselten einen raschen, amüsierten Blick. »Man wird sehen«, orakelte Bully. »Los, suchen wir einfach weiter! Irgend etwas müssen wir schließlich finden...« Perry Rhodan setzte sich in Bewegung, auch die anderen beiden entfernten sich. Nachdenklich schritt der Terraner durch die Räume. Was für Lebewesen mochten diese Station früher einmal benutzt haben? Wer hatte sie gebaut, zu welchem Zweck? Als Bahnhof zwischen zwei weit entfernten Galaxien, ähnlich Midway und Lookout, den uralten Weltraumbahnhöfen zwischen der Milchstraße und Andromeda? Dem stand entgegen, daß man in den Außensektoren der Station bisher keinen Hangar oder dergleichen gefunden hatte. Die drei hatten aber auch nur einen vergleichsweise kleinen Teil der Station zu untersuchen vermocht. Erstaunlich war, daß es so wenige Hinweise auf die Erbauer und Bewohner der Station gab. Die Höhe der Gänge und Korridore gab eine gewisse Vorstellung davon, wie groß die Fremden vielleicht sein mochten, aber sehr präzise war dieses Schätzverfahren nicht, wie Perry Rhodan wußte. Zu überlegen war auch, daß diese Station vielleicht nicht nur für eine bestimmte Spezies errichtet worden, sondern für
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eine ganze Reihe von verschiedenen Lebensformen gedacht gewesen war. Dann gab die Höhe der Decken lediglich einen Hinweis darauf, wie groß die größte dieser Lebensformen gestaltet war, mehr nicht. Perry Rhodan passierte eine Reihe von Gängen und Räumen, die dem Feuer weniger ausgesetzt gewesen waren als der Rest der Station. Vielleicht fand sich hier eine Spur, die sich verwerten ließ. Eine Abzweigung jenes Ganges, den der Terraner beschritt, führte in eine große Halle, die vollständig leer war. Perry Rhodan blickte sich suchend um. In der Luft hing ein eigentümlicher Geruch, der ihm seltsam vertraut erschien. Er schnupperte. Es roch ziemlich scharf, nach einem Desinfektionsmittel. Vorsichtig näherte sich Rhodan einer der Wände. Die Wand bestand aus Metall, sie war vom Feuer nicht erreicht worden. Als Rhodan seine Hand darauf legte, klappte ein Teilstück der Wand nach vorn und gab eine technische Apparatur frei einen langen Tisch, an den zahlreiche kleinere Apparaturen angeflanscht waren. Rhodan runzelte die Stirn und aktivierte sein Kombigerät. »Kann sein, daß ich etwas gefunden habe«, gab er seinen Kameraden bekannt. »Erinnert mich an eine Medo-Station.« »Und was können wir damit anfangen?« klang Reginald Bulls Stimme aus dem kleinen Lautsprecher. Rhodan war unterdessen weiter geschritten und hatte einige andere Sektoren der Wand angetastet. Auch hier wurden sofort technische Apparaturen in Bereitschaft geklappt. Rhodan blieb stehen. Ein Wandschrank hatte sich geöffnet, darin waren gläserne Behälter zu erkennen - und sie enthielten eine Flüssigkeit. »Möglich, daß wir hier ein Mittel gegen unseren Durst finden«, meldete Perry Rhodan. »Ich warte hier auf euch!« Er betrachtete die Glasflaschen genauer. In das Glas waren Zeichen und Symbole eingeätzt und mit einem irisierenden
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Farbstoff ausgelegt worden. Was diese Zeichen und Chiffren bedeuteten, war unklar; höchstwahrscheinlich handelte es sich um Inhaltsangaben und Gebrauchsvorschriften in der Sprache und der Schrift der Stationsgründer. Rhodan nahm eine der Flaschen in die Hand. Sie wog etwa drei Kilo und enthielt eine gelbliche, träge schwappende Flüssigkeit. »Immerhin ...!« Das war Alaska Saedelaere, der im Eingang aufgetaucht war und die Szenerie musterte. »Was hast du da?« wollte er wissen. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, gab Rhodan zurück. »Leihst du mir bitte deine Waffe?« Wortlos gab Alaska den flachen Thermostrahler an Rhodan weiter. Der justierte die Waffe, zielte damit auf die Spitze der Flasche und trennte den oberen Teil ab. »Du meinst, wir könnten das da trinken?« wollte Reginald Bull wissen, der in diesem Augenblick den Raum betrat. Rhodan stippte einen Finger in das gelbliche Naß und kostete. Angewidert verzog er das Gesicht. »Ekelhaft!« stieß er hervor. »Irgendeine Art Plasma, vielleicht ein Blutersatz für Operierte.« »Das bringt uns nicht weiter«, ließ sich Bully vernehmen. Perry Rhodan wiegte den Kopf. »Immerhin«, gab er zu bedenken. »Diese Flüssigkeit ist nicht ätzend, man kann sie also trinken.« »Auf die Gefahr hin, sich zu vergiften«, warf Alaska ein und verbesserte sich dann rasch. »Eine Gefahr, die in unserem Fall allerdings nicht allzu groß ist.« Reginald Bull und Perry Rhodan wechselten einen raschen amüsierten Blick. Sie hatten diese besondere Leistung ihrer Zellaktivatoren bereits ausprobieren dürfen, zum ersten Mal, als sie Gefangene des Plophos-Obmannes Iratio Hondro gewesen waren; im 24. Jahrhundert alter Zeitrechnung. Hondro hatte sich die Treue
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seiner Gefolgsleute dadurch gesichert, daß er sie wirksam vergiftet hatte - und das Gegenmittel nur dann verteilte, wenn er mit den Leistungen seiner Leute zufrieden gewesen war. Rhodan und einige seiner Gefährten waren nach ihrer Gefangennahme ebenfalls vergiftet worden, diesmal mit der Absicht, einen Fluchtversuch zu vereiteln. Aber Hondros infames Toxin hatte nicht gewirkt, die Zellaktivatoren hatten das Gift neutralisiert. Perry Rhodan schloß die Augen und nahm einen Schluck von der Flüssigkeit. Er mußte würgen, um das Gebräu hinunterschlucken zu können. Der Geschmack war einfach widerlich, zum Magenumdrehen. »Wir haben keine andere Wahl«, sagte er und verzog das Gesicht. »Was immer es ist, es enthält hauptsächlich Wasser; alles andere ist egal, solange es uns nicht die Gurgeln verätzt. Und andere trinkbare Flüssigkeit haben wir bis jetzt nirgendwo gefunden.« Reginald Bull starrte angewidert auf das Gebräu. »Der Teufel weiß, was das wirklich ist«, murmelte er und wurde blaß. »Ich meine, wir sind in einer Medo-Station, allem Anschein nach. Was kann es da für Flüssigkeiten geben? Und für welchen Metabolismus mag dieser eklige Saft bestimmt sein?« Perry Rhodan überwand sich und nahm einen weiteren Schluck. »Man kann es hinunterbringen«, sagte er leise und schüttelte sich. »Besser, wir denken über die anderen Aspekte gar nicht erst nach…« Es gab genügend dieser Flaschen, um den Bedarf der Terraner zu decken, aber es dauerte geraume Zeit, bis sich Alaska und Bully dazu bereit fanden, von dem Inhalt zu trinken. »Das könnte Blut sein«, gruselte sich Bully. »Transfusionsmaterial für irgendwelche Kranke, vielleicht für Spinnen oder Kraken oder Kakerlaken. Und wir trinken das auch noch, brrr!«
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»Wie gesagt, wir haben keine andere Wahl«, versetzte Perry Rhodan. »Und wenn es Blut wäre, egal von wem oder für wen, dann könnte uns das sogar mit Nährstoffen versorgen. Wir werden uns die Lage dieser Halle jedenfalls merken.« Reginald Bull stieß einen wütenden Fluch aus. »Also gut, gib her!«
4. »Nach meiner Schätzung müßten wir uns allmählich den Außenbereichen dieser Station nähern«, ließ sich Reginald Bull vernehmen. »Vermutlich liegst du damit richtig«, stimmte Alaska Saedelaere zu. Wieder waren einige Stunden vergangen. Der Saft - die drei zogen es vor, diesen Begriff zu verwenden, da er harmlos und unverfänglich klang - hatte in der Tat ausgereicht, nicht nur den Durst zu löschen, sondern auch das Hungergefühl zu vertreiben. Der Nachgeschmack allerdings, den der Saft hinterlassen hatte, machte den drei Galaktikern noch immer zu schaffen. Perry Rhodan konnte die Stimmen seiner Gefährten aus dem Kombigerät an seinem Handgelenk quäken hören, während er selbst ruhig ausschritt und seine Umgebung musterte. Ein langer, breiter Gang von den üblichen Abmessungen lag vor ihm. Nach ungefähr zwanzig Metern schien dieser Stollen abrupt zu enden. Eine Sackgasse? Auch wenn der Terraner über die Erbauer oder Betreiber dieser Station so gut wie nichts wußte, war ihm doch eines klar: Hier war man folgerichtig und logisch vorgegangen, und es sah nicht nach Logik aus, einen Gang einfach so enden zu lassen. -124-
Vorsichtig schritt er weiter, näherte sich dem Ende des Stollens. Einen halben Meter vor dem Abschluß blieb er stehen. Vor ihm versperrte eine metallene Wand den Weg. Nirgendwo - der Terraner suchte aufmerksam und gründlich war ein Öffner oder dergleichen zu erkennen. Also doch eine Sackgasse? Oder eine Täuschung? Rhodan streckte die rechte Hand aus, um die Wand abzutasten. Seine Finger glitten in das Metall hinein und verschwanden darin. Kein Druck, kein Schmerz war wahrzunehmen. Rhodan lächelte verhalten, dann machte er einen energischen Schritt nach vorn. Die besonderen Gaben eines Strukturläufers besaß er nicht, und doch vermochte er diese scheinbar massive Metallwand einfach zu durchdringen, so, wie es Kalak gekonnt hatte, der Paddler aus Andromeda auf seiner kosmischen Werftplattform KA-preiswert. Wie lange lag das nun schon zurück? Kaum mehr als eine Anekdote im langen Leben des Terraners. Er hob den Handrücken in die Nähe des Mundes. »Freunde, ich habe etwas gefunden. Volltreffer. Ich stehe in einem großen Hangar!« »Und der ist vermutlich leer...«, merkte Reginald Bull sarkastisch an. »Irrtum«, verbesserte ihn Perry Rhodan. »Hier steht ein Raumschiff.« »Aber ein zerstörtes«, unkte Bully weiter. »Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen«, gab Rhodan zurück. »Von außen sieht es völlig intakt aus.« »Wir kommen!« rief Bully sofort. »Wie erreichen wir dich?« Perry Rhodan gab seinen beiden Freunden und Gefährten die entsprechenden Hinweise. »Laßt euch von der Wand nicht täuschen«, schloß er. »Es scheint sich um eine Schleuse aus Formenergie zu handeln,
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eine reine Projektion. Wenn man weiß, wo sie ist, kann man einfach hindurchmarschieren. Ich warte hier auf euch, Ende!« »Wir werden uns beeilen«, versprach Alaska Saedelaere. Neugierig musterte Perry Rhodan den Hangar. Er war sehr groß, geräumig genug für ein Schiff von beträchtlichen Abmessungen. Die Form des Schiffes erinnerte an einen Keil, etwa 300 Meter lang. Am Heck, wo Antriebssysteme zu erkennen waren, maß der Keil vierzig Meter in der Höhe und etwa hundert Meter in der Breite. Die Hülle wirkte aus der Entfernung seltsam rauh, wie Sandpapier. Die Farbe war ein tiefes Schwarz. Groß war daher der Kontrast der Hülle zum Bug des Schiffes. Dort war eine goldfarbene Halbkugel von dreißig Meter Durchmesser zu erkennen, durch die man allerdings nicht in das Innere des Bugs gucken konnte. »Gut getarnt, wahrhaftig«, sagte Reginald Bull, als er in den Hangar stolperte, gefolgt von Alaska Saedelaere. Bully war gerannt und daher etwas außer Atem. »Ist das Schiff intakt?« Perry Rhodan hob die Schultern. Es waren keinerlei Beschädigungen zu erkennen. Der Hangar war, ebenso wie das Schiff, von dem gewaltigen Feuer offenbar nicht erfaßt worden. Es waren auch keine Spuren des hellgrünen Hartschaums zu sehen, der als Löschmittel eingesetzt worden war. Langsam schritten die Terraner einmal um das Schiff herum. Sogar bei dieser Musterung waren keinerlei Schäden zu sehen - aber auch kein Eingang. »Es sieht aus, als bräuchte man nur einzusteigen, um losfliegen zu können«, sagte Reginald Bull. »Und wenn ich überlege, wie weit diese Station vom nächsten bewohnbaren Sonnensystem entfernt ist, dann muß es ziemlich hochwertige Technik an Bord haben, um diese gewaltigen Entfernungen zurücklegen zu können.« »Das könnte stimmen«, kommentierte Perry Rhodan. »Seht selbst!«
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Er hatte sich einige Schritte von der Bughalbkugel entfernt, und während des letzten Ausschreitens war die Hangarwandung vor dem Bug des Schiffs transparent geworden. Der Sternenhimmel war zu sehen - eine schwarze Leere, von nur wenigen leuchtenden Punkten durchsetzt. Atlan mit seinem Logiksektor und dem photographischen Gedächtnis hätte wahrscheinlich ausrechnen können, wie weit entfernt eine durchschnittliche Sonne vom Typ G entfernt sein mußte, damit man sie mit bloßem Auge nicht mehr erkennen konnte - wahrscheinlich einige zehntausend Lichtjahre. So weit mindestens war diese Station von einer bewohnbaren Welt entfernt. »Was macht es für einen Sinn, eine Station so weitab anzulegen?« spekulierte Alaska Saedelaere. »Noch dazu...? Ich nehme an, es ist euch ebenfalls aufgefallen, nicht wahr?« »Was soll uns aufgefallen sein?« fragte Bully mit leicht gereizter Stimme. Perry Rhodan schmunzelte. Er hatte den gleichen Gedankengang gehabt wie Alaska. »Hier gibt es nichts zu holen«, klärte Rhodan seinen ältesten Freund auf. »Wir haben keine Handelsgüter entdeckt, keine Waren, keine Waffen, keine Nahrungs-Vorräte, einfach nichts. Was sollte dieses Raumschiff hier suchen? Hat es hier eingedockt, um Nahrungsmittel zu übernehmen, Energie zu tanken, sein Personal zu verstärken, gewartet zu werden oder was auch immer?« »Ich verstehe«, murmelte Bully und kaute auf seiner Unterlippe. »Diese ganze Anlage hat, soweit unsere Untersuchungen das zeigen, nicht den geringsten Zweck.« »Nicht den geringsten erkennbaren Zweck«, verbesserte Rhodan. »Und das stimmt mich offen gesagt, sehr mißtrauisch.« »Kann sein, daß die Station nach dem Brand geräumt worden ist«, schätzte Bully. »Man hat alles abtransportiert, was noch von Wert und Nutzen gewesen ist, und dann ...« »Wir hätten die Spuren dieser Aufräumungsarbeiten finden müssen«, warf Alaska ein. »Fußspuren, Abdrücke von
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Maschinen und dergleichen. Aber nichts haben wir gefunden, das darauf hindeutet, daß jemand diese Station nach dem Brand betreten hat - von unserem geheimnisvollen Freund abgesehen. Und auch von dem können wir nur vermuten, daß er sich einige Zeit hier herumgetrieben hat. Auf der anderen Seite aber ...« »Ich hasse Sätze, die so anfangen«, murmelte Bully und grinste dazu lausbubenhaft. » ...auf der anderen Seite wissen wir, daß es eine Verbindung gibt, die von hier über die Brücke der Unendlichkeit nach Trokan führt. Und daß die Vorgänge auf Trokan etwas mit dieser Station zu tun haben, vielleicht sogar ursächlich zusammenhängen. Das sollte uns zu denken geben.« »Das tut es bereits«, grollte Bully. »Ich sage es ungern, aber ich finde es hier nicht nur reichlich ungemütlich, von mangelnder Gastlichkeit ganz zu schweigen. Mir ist auch ganz schön mulmig zumute.« Perry Rhodan nickte langsam. »Und du?« wandte er sich an Alaska. Der hagere Zweimetermann mit den dunklen Haaren schwieg einige Sekunden, bevor er antwortete: »Es geht mir wie Bully, mir ist diese Station ebenfalls nicht geheuer. Halte es meinetwegen für Feigheit, aber am liebsten würde ich von hier verschwinden und nur mit beträchtlicher Verstärkung zurückkommen.« Rhodan lächelte. »Dazu sind wir leider nicht in der Lage«, stellte er fest. »Wir werden uns mit dem begnügen müssen, was wir haben und vorfinden.« Einige Minuten lang verharrten die drei Männer schweigend, bis Reginald Bull plötzlich die Stirn runzelte. »Wißt ihr, woran mich diese Station in gewisser Weise erinnert?« »Du wirst es uns gleich verraten«, vermutete Perry Rhodan. »An einen riesenhaften, ausgebrannten Musterkoffer«, sprudelte Bully los. »Ihr erinnert euch doch an die vielen
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Nischen, die wir gefunden haben »In denen offenbar alles zusammengeschmolzen, verbrannt oder vom Löschschaum eingeschlossen ist...«, führte Alaska den Satz zu Ende. »Genau die«, bestätigte Bully. »Vielleicht waren diese Nischen so etwas wie, wie..., wie soll ich das ausdrücken. Proben oder Muster oder meinetwegen Modelle von etwas, das man sich ansehen und später bestellen oder kaufen kann.« Perry Rhodan wiegte den Kopf. »Ich dämpfe deinen Enthusiasmus nur ungern«, sagte er halblaut. »Aber diese Nischen waren allesamt ziemlich klein, und was einmal darin gestanden hat, haben wir ...« Er hielt inne und preßte die Lippen aufeinander. »Was ist?« fragte Bully sofort. »Ich hatte gerade eine ganz andere Assoziation«, antwortete Perry Rhodan leise. »Durch meinen Kopf geisterte der Begriff Urnen.« »Du meinst...?« Der Gedanke war nicht von der Hand zu weisen. Es gab auf Terra und anderen von Menschen bewohnten Planeten zahlreiche Grabanlagen, die ähnlich eingerichtet waren. Die Leichen der Verstorbenen wurden eingeäschert, die Überreste in Urnen geschüttet und dann in dieser Form bestattet. Der Grund dafür lag auf der Hand, man konnte es leicht nachrechnen. Bei rund 15 Milliarden Terranern und einer Lebenserwartung, die auf die zweihundert Jahre zuging, fielen im Laufe von zweihundert Jahren 15 Milliarden Tote an. All diese Verstorbenen nach dem klassischen Verfahren in Särgen und auf Friedhöfen beizusetzen, hätte eine gewaltige Fläche für Friedhöfe erfordert - und Platz war auf der Erde knapp, wenn man 15 Milliarden Lebende unterbringen, beköstigen, beschäftigen und mit Raum für Freizeit versorgen wollte. »Urnen gibt es in allen nur möglichen Formen und Gestalten«, führte Alaska den Gedanken fort. »Von schlicht und geschmackvoll bis zu schlicht geschmacklos ... Warum sollte man nicht hier ...?«
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»Vorsicht!« warnte Perry Rhodan. »Wir können nicht einfach unsere Sitten und Gebräuche auf fremde Lebewesen übertragen. So etwas geht leicht schief.« Er grinste breit. »Stellt euch nur einen völlig ahnungslosen Besucher von den Sternen vor, der in einem unserer Warenhäuser einkaufen geht. Er findet eine Packung, auf der Erbsen abgebildet sind, öffnet sie und findet - Erbsen. Er findet eine Packung mit Mais darauf, öffnet und findet - Mais. Und dann entdeckt er eine Dose mit einem Hund darauf, und ein paar Schritte weiter eine Packung, auf der ein Baby abgebildet ist. Schlußfolgerung?« Seine Gefährten grinsten nun ebenfalls. »Ich glaube, wir haben die Analogie verstanden«, sagte Bully amüsiert. »Aber wir sollten immerhin nachsehen. Oder wollen wir erst versuchen, in dieses Schiff einzudringen? Wir könnten dort Wasser finden, Waffen und Ausrüstung, und derlei könnten wir im Augenblick sehr gut gebrauchen.« Perry Rhodan deutete auf das Keilschiff mit der goldenen Bughalbkugel. »Ich glaube nicht, daß wir dort so leicht hineinkommen werden«, vermutete er. »Für ein gewaltsames Öffnen fehlen uns die Mittel. Und die Berechtigung dazu haben wir auch nicht.« Alaska machte eine weit ausgreifende Bewegung mit den Armen. »Dies alles hier ist für uns eine terra incognita, unerforschtes Land, gewissermaßen herrenloses Gut.« »Schön gesagt«, sagte Rhodan. »Mag sein, aber ich kann mir vorstellen, daß zumindest ein Jemand das ganz anders sieht.« »Und wer soll das sein? Hier lebt niemand, wir haben keine Menschenseele gefunden, auch keine Alien-Seele, wenn du so willst.« Perry Rhodan lächelte dünn. »Kannst du dir eine solche Station vorstellen, die ohne eine zentrale Syntronik oder Positronik auskäme? Siehst du - und
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diesen zentralen Computer haben wir noch nicht gefunden, obwohl ich mir sicher bin, daß er existieren muß. Bis jetzt haben wir nichts davon bemerkt, aber das könnte sich ändern, wenn wir anfangen mit unserer einzigen Waffe ernsthafte Schäden anzurichten. Sehen wir uns also lieber noch ein wenig um.« »Und wo?« Rhodan grinste. »In deinem Musterkoffer ...«
5. »Was wir brauchen, ist eine Nische, in der man wenigstens noch erkennen kann, was einmal darin aufbewahrt worden ist«, stellte Perry Rhodan klar. Er ließ seinen Blick umherschweifen. Bullys Assoziation war gar nicht einmal so falsch, wurde ihm bewußt. Es sah tatsächlich aus wie eine Warenausstellung. Die drei hatten sich nicht die Mühe gemacht, die Nischen zu zählen, auch nicht die Anzahl der Hallen, die solche Nischen enthielten, aber es war klar, daß es einige Zehntausende dieser Vertiefungen gegeben hatte. Der Gedanke an eine Musterausstellung - oder eine Urnen-Nekropole - lag daher nahe. »Wie wäre es damit?« Reginald Bull deutete auf eine der Nischen. Unter einer hellgrünen Schicht hartgebackenen Löschschaums waren Konturen zu erkennen, etwas, das wie eine Gurke aussah. »Ich werde es mir ansehen«, stimmte Rhodan zu. Der Terraner trat an die Nische heran und wollte die rechte Hand ausstrecken, um die Konturen abzutasten. Im gleichen Augenblick, da er mit den Fingerspitzen in den -131-
Hohlraum der Nische eindrang, entstand ein Bild in seinem Kopf. Es war einfach dort, eine plastische, sehr exakte Darstellung, die verblüffend realistisch wirkte. Rhodan »sah« ein Raumschiff, mehr als einen Kilometer lang - 1156,478 Meter präzisierte sich die Angabe in seinem Kopf - und exakt 66,45 Meter dick. Er zog die Hand zurück, und das Bild verschwand. »Du hast recht, Bully«, stieß Perry Rhodan hervor. »Es ist tatsächlich so etwas wie eine Musterkollektion.« Er streckte die Hand abermals aus, und das Schiff erschien wieder. Während er sich darauf konzentrierte, wurde die Hülle mit einem Schlag transparent und zeigte die innere Aufteilung des Walzenschiffes. Jeder einzelne Raum, jedes Aggregat war genau zu erkennen. Man mußte sich nur darauf konzentrieren, und man bekam jede Information, die gebraucht wurde. Die Daten wurden automatisch in das Gehirn des Betrachters übertragen, und so wußte Perry Rhodan sehr bald, daß es sich um ein vollrobotisiertes Schiff handelte. Der Zentralrechner - tatsächlich im Heck untergebracht - war eine moderne Höchstleistungssyntronik, arbeitete verzögerungsfrei und ungewartet und hatte einen Durchsatz von 32.000 Terabyte pro Millisekunde. Das Schiff war dazu gedacht, als Fernaufklärer in fremde Galaxien einzudringen und dort Sonnen und Planeten zu erkunden. Für welches Detail sich Rhodan auch interessierte, er bekam sofort die gewünschte Information. Das Schiff stellte sich automatisch auf die speziellen Bedürfnisse des potentiellen Käufers oder Benutzers ein und untersuchte Planeten darauf, ob sie metabolisch zum Eigner des Schiffes paßten, also besiedelungsfähig waren oder nicht. Sonnenspektren, Hyperemissionen naher und ferner Sterne, all das wurde von diesem Schiff erfaßt, angemessen und ausgewertet - wenn es funktionierte.
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Das aber tat es nicht. Diese Information wurde auf dem selben Wege übertragen wie alle anderen Daten. Das Schiff war defekt, hoffnungslos beschädigt, nicht mehr einsatzfähig, und je intensiver Rhodan sich in Gedanken mit dem Forschungsraumer befaßte, um so seltsamer wurden die Informationen, die ihm überspielt wurden. »Was bekommst du mit?« wollte Bully wissen. »Du stehst da und starrst einfach nur ins Leere.« »Hier liegt ein Muster von einem Forschungsschiff«, klärte Perry Rhodan seine Gefährten auf. Offenbar wurden die Daten nur dem übertragen, der durch sein Verhalten anzeigte, daß er sich wirklich dafür interessierte. »Die Daten zu diesem Ausstellungsstück werden unmittelbar in meinen Kopf übertragen.« »Äußerst interessant«, kommentierte Reginald Bull gallig. »Und was soll es kosten?« Rhodan grinste. »Das wird nicht gesagt«, antwortete er, während er sich weiter auf den Datenstrom in sein Denken konzentrierte. Die Darstellung wurde zusehends verworrener und unzusammenhängender. Rhodan löste sich aus der Nische. »Das Schiff scheint defekt zu sein«, setzte er seine Erklärung fort. »Seltsam. Man sollte glauben, eine Darstellung in einem Katalog sei fehlerfrei.« »Nun, die Nische ist in jedem Fall von dem Feuer angegriffen worden«, bemerkte Alaska Saedelaere. Perry Rhodan hatte einen Schritt zur Seite gemacht und abermals die Hand ausgestreckt. Auch dieses Mal setzte augenblicklich ein Strom von Daten ein; eine wahre Flut von Bildern und Informationen überströmte das Denken des Terraners. Zu sehen war zunächst ein Organ, ein durchwucherter Gewebeknoten, und Rhodan erfuhr, daß dieses Organ von einer Krankheit zerfressen worden war, deren Name er nicht verstehen konnte. Dann tauchte eine winzige Pinzette auf, knipste
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ein Stück des Gewebes heraus - die Darstellung machte klar, daß es sich bei der Probe um gesundes Organmaterial handelte - und fuhr zur Seite. Nun tauchte eine sehr komplex aussehende Maschine auf, und Rhodan erfuhr, daß es sich um einen MultikomplexOrgansynthetisator handelte. Unter dem Begriff konnte er sich zunächst nichts vorstellen, aber dann war zu sehen, wie die Gewebeprobe in der Maschine bearbeitet wurde. Flüssigkeiten wurden hinzugesetzt, eine besondere Strahlung wurde auf das Gewebe gerichtet, und in sehr kurzer Zeit begannen die Zellen zu wachsen, um sich nach wenigen Minuten zu einem kompletten neuen Organ zu entwickeln. Der Datenstrom machte klar, daß dieses Gerät imstande war, von jedem beliebigen Organ eines jeden beliebigen Lebewesens eine Probe zu entnehmen und vollautomatisch innerhalb einer Stunde das komplette Organ zu synthetisieren, so daß es implantiert werden konnte. Da das neue Organ aus dem Körper des Erkrankten heraus entwickelt worden war, konnte es keine Abstoßung durch die körpereigene Immunabwehr geben; außerdem wurden die Ränder und Kanten des neuen Organs so entwickelt, daß besonders günstige Übergänge und Verbindungen zum Rest des kranken Körpers entstanden. Ein Gerät wie dieses hätte selbst in der fortgeschrittenen Medizintechnologie der Milchstraße des dreizehnten Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung revolutionär gewirkt und seinen Entwicklern ein Vermögen eingebracht, nicht zuletzt wegen des ungeheuren Tempos, in dem die Maschine arbeitete... Wenn sie arbeitete - denn auch dieses Gerät erwies sich als defekt. Das Zellgewebe wucherte entgegen den Angaben des unsichtbaren Informanten weiter, schwoll an und wuchs, wurde größer und größer, bis es in die Innereien der Maschine hineinzuwuchern begann. Das Ende war vorherzusehen: Organ und Maschine waren nach kurzer Zeit rettungslos zerstört.
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Also war auch diese Maschine in der Praxis nicht zu gebrauchen. Rhodan schüttelte den Kopf und zog sich zurück. Er machte einige weitere Proben, an denen sich auch Reginald Bull und Alaska Saedelaere beteiligten. Dabei stellte sich heraus, daß in jeder der zahllosen Nischen das Musterstück eines hochwertigen technischen Geräts zu finden war, eingebettet in ausführliche Gebrauchsinformationen. Ein großer Teil dieser Daten war für die Galaktiker allerdings unverständlich. Vielleicht lag es an der Komplexität der Materie, vielleicht auch an den Schäden, die durch das wütende Feuer entstanden waren. »Nichts davon ist zu gebrauchen«, faßte Perry Rhodan seine Eindrücke zusammen. Reginald Bull nickte düster. »Eigentlich schade«, sagte er mürrisch. »Wir könnten einiges davon gebrauchen.« Alaska Saedelaere zeigte eine zweifelnde Miene. »Einen Teil der Information habe ich nicht verstehen können«, sagte er. »Aber eines ist sehr deutlich geworden: Diese Technologie ist unserem Stand gewaltig voraus. Diese Station scheint eine Art Umschlagplatz für Waren einer weit überlegenen Zivilisation zu sein.« »Ich weiß nicht recht«, blieb Rhodan skeptisch. »Ich habe auch Daten über Waffensysteme bekommen, über sehr wirksame Waffensysteme, mit denen man leicht und mühelos ganze Planeten entvölkern kann. Es stellt sich die Frage, ob man eine Zivilisation, die solche Zerstörungsmittel produziert und feilbietet, wirklich als überlegen bezeichnen kann.« »Du hältst Völker, die mit Waffen Geschäfte machen, für zweifelhaft?« fragte Saedelaere mit bitterem Lächeln. »Nicht notwendigerweise«, antwortete Rhodan. »Aber die Wahrscheinlichkeit des Mißbrauchs ist sehr groß. Und bei diesen Waffensystemen sah es mir nicht danach aus, als hätten wir Probleme, diese Waffen zu bekommen - vorausgesetzt, diese Ausstellung wäre intakt und wir besäßen die richtigen Zahlungsmittel. Zwar wurde über Geld nichts gesagt, aber ich
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hatte den Eindruck, daß es nur eine Frage des Preises ist, ob wir die Waffen bekommen oder nicht. Und davor, offen gestanden, graut mir ein wenig. Wer bietet Mittel zum Völkermord jedem beliebigen Besucher zum Kauf an?« »Du spielst darauf an, daß wir nur durch einen Zufall hierhergelangt sind?« fragte Bully. »Genau«, stimmte Rhodan zu. »Diese Musterkollektion ist sehr wahrscheinlich nicht für uns bestimmt, sondern steht jedem offen, der sich Zugang dazu verschaffen kann.« »Ein grausiger Gedanke«, murmelte Reginald Bull beeindruckt. »Und wer entscheidet über diesen Zugang?« »Höchstwahrscheinlich die Betreiber der Station«, entgegnete Rhodan. »Oder aber der Zentralrechner, und den werden wir jetzt suchen. Irgendeine Anlage in diesem Gebilde muß noch einwandfrei funktionieren, sonst hätten wir weder Licht noch Atemluft.« »Bleiben wir zusammen?« »Wir trennen uns wieder«, schlug Perry Rhodan vor. »Und sobald einer etwas findet, gibt er den anderen Bescheid.« Er schwieg einen Augenblick lang. »Zur Zeit wünsche ich mir fast, daß wir nichts finden...«, sagte er sehr leise.
6. Alaska Saedelaere betrachtete in Ruhe das Keilschiff. Es sah beeindruckend aus und sehr verlockend. Inzwischen waren wieder einige Stunden vergangen, und die schon vertrauten Gefühle von Hunger und Durst stellten sich erneut ein. Aber der hochgewachsene Mann mit den dunklen Haaren dachte nicht daran, sich noch einmal auf die gleiche Weise zu behelfen wie beim ersten Mal. Die Erinnerung an das schauerliche Gebräu ließ ihn schaudern. -136-
Vielleicht gab es im Inneren des Keilschiffes genau das, was er und seine Freunde benötigten: Nahrung, technische Ausrüstung und vor allem frisches Wasser. Langsam schritt Alaska um das Keilschiff herum. Die Sandpapieroberfläche zeigte nirgendwo eine Öffnung an, weder einen Beiboothangar noch eine Mannschleuse. Alaska betrachtete die Hülle mit größter Aufmerksamkeit und suchte nach schmalen, aber regelmäßig geformten Spalten, hinter denen man einen Zugang hätte vermuten können. Nichts dergleichen war zu finden. Einen Augenblick lang erwog er, sich durch das Heck an Bord zu schleichen. Aber von den Düsen des Antriebssystems führte der Weg wahrscheinlich nur in irgendwelche Abstrahlkammern oder Reaktoren, aus denen heraus man schlecht in das Schiff selbst eindringen konnte. Es sei denn, er setzte seinen Thermostrahler als Schweißgerät ein. Aber dies erschien ihm zu gewalttätig, außerdem konnte er nicht sicher sein, ob nicht eine Positronik im Inneren des Schiffes noch richtig funktionierte und sich womöglich gegen ein gewaltsames Eindringen mit Bordmitteln zur Wehr setzte. Nein, auf diesem Weg war dem Keilraumschiff nicht beizukommen - und einen anderen schien es nicht zu geben. Alaska stieß eine Reihe von Flüchen hervor. Er hatte schon eine ganze Reihe von Erkundungsvorstößen auf fremdem Territorium unternommen, aber keine dieser Expeditionen war so unbefriedigend verlaufen wie diese. Die drei Galaktiker kamen einfach zu keinem brauchbaren Ergebnis. Am liebsten wäre Alaska sogar umgekehrt, aber der Rückweg in die Große Halle mit dem Pilzdom darin war nach wie vor abgesperrt. In dieser Lage gab es nur eines, was er tun konnte: die Umgebung des Raumschiffes langsam und systematisch abzusuchen. Seufzend und sehr mißgelaunt machte sich Alaska an diese Arbeit.
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Mochten Metabolismus, Weltsicht, Technik und vieles andere bei fremden Lebewesen auch gänzlich anders aussehen als bei den Galaktikern, auf ein paar Dinge konnte man sich verlassen. So war es logisch und naheliegend, die Geräte und Einrichtungen, die man zur Wartung eines Raumschiffes brauchte, in der Nähe der Hangars unterzubringen. An Bord terranischer Raumstationen fand man in Hangarnähe beispielsweise Tanks mit Flüssigsauerstoff; Raumanzüge und SERUNS waren dort untergebracht und vieles mehr. Ein logisch und zweckmäßig denkendes Fremdlebewesen würde es mit großer Wahrscheinlichkeit ähnlich halten. Alaska fand auch einiges, was seine Vermutung bestätigte, aber zu seinem Leidwesen waren die technischen Einrichtungen dieser Räume dem Feuer zum Opfer gefallen. In einen Raum kam er gar nicht erst hinein, er war bis unter die Decke mit festgebackenem hellgrünem Löschschaum zugestopft. Alaska wußte bereits aus Erfahrung, daß er gegen diese Masse selbst mit seinem Thermostrahler nichts auszurichten vermochte. Wieder schimpfte er leise vor sich hin. Das änderte zwar nichts an den unerfreulichen Gegebenheiten, hob aber wenigstens seine Stimmung, wenn er sich und seinem Ärger Luft machte. Ein Dutzend Räume hatte Alaska bereits untersucht, als er auf einen Gang stieß, von dem er annahm, daß er ihn bisher nicht betreten hatte. Einige der Stollen und Korridore der Station verliefen gerade und kreuzten sich rechtwinklig. Andere wiederum schnitten sich in stumpfen oder spitzen Winkeln, wieder andere Korridore waren gekrümmt, und bei allem mußte man einkalkulieren, daß mit künstlicher Schwerkraft ganz andere Verhaltensweisen möglich wurden. So war es durchaus möglich, einen Gang in korkenzieherähnlichen Windungen verlaufen zu lassen, bei dem die künstliche Schwerkraft vektoriell so ausgerichtet wurde, daß man
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gar nicht mitbekam, wie man sich beim Laufen einmal um die Achse drehte und - verglichen mit dem Normalniveau - eine Zeitlang sogar kopfunter spazieren konnte. Bei der Konstruktion der Gänge und Flure war es ebenso problemlos möglich, mit optischen Täuschungen zu arbeiten, so daß man nie ganz sicher sein konnte, wo man sich gerade aufhielt. Alaska schritt daher vorsichtig aus und sah sich immer wieder lauernd um, jederzeit gefaßt, auf eine unliebsame Überraschung zu stoßen. Denn eines war er nicht bereit zu glauben: daß diese Station so wirkungsvoll und gründlich außer Gefecht gesetzt worden war, von wem auch immer, daß man keinerlei Gefahren mehr zu gewärtigen hatte. Eine riesige Anlage wie diese hielt nahezu immer üble Überraschungen für unerwünschte Gäste parat, und Alaska hatte keine Lust, sich von Leichtsinn oder Unaufmerksamkeit in eine Falle lotsen zu lassen. Die Mittel der drei Terraner waren viel zu beschränkt, als daß sie sich hätten wirksam helfen können. Sie mußten äußerst vorsichtig zu Werke gehen. Alaska schritt ungefähr zweihundert Meter weiter, bis zu einer Weggabelung. Er entschied sich für die rechte Abzweigung und marschierte weiter. Nach weiteren zwanzig Metern blieb er stehen. Vor ihm lag etwas auf dem Boden. Im ersten Augenblick dachte Alaska Saedelaere an einen entfärbten Matten-Willy. Vor ihm auf dem Boden erstreckte sich ein blasser, nahezu transparenter Gallertfladen. Alaska zog seine Waffe und machte sie schußfertig. Lebte dieses Etwas? Zu sehen war nichts. Nichts bewegte sich. Es gab keine Anzeichen für Atmung, es waren keine dunklen Partien in der Molluske auszumachen, die man für Organe hätte halten können. Es war einfach nur eine Art durchsichtiger Sack auf dickem Kunststoff, der auf dem Boden lag und sich nicht rührte.
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Vielleicht war irgendein stoß- oder bruchempfindlicher Gegenstand darin eingehüllt und transportiert worden. Alaskas Gesicht verzog sich zu einem spöttischen Grinsen. Nach den Erfahrungen, die er seit etlichen Jahrhunderten auf vielen Welten und mit zahlreichen Lebensformen hatte machen dürfen, war es nicht weiter verwunderlich, wenn er alles, was sich nicht sofort eindeutig erkennen ließ, erst einmal für eine Form von Leben hielt. Man konnte schließlich nicht wissen... Aber das hier sah nicht nur harmlos aus - ein bißchen unappetitlich vielleicht -, es war allem Anschein nach auch harmlos. Irgendeine Gallerte, die man - wer oder was war dieses man? - einfach zurückgelassen hatte auf der Flucht vor dem Feuer. Alaska studierte die Wände des Ganges. Keinerlei Anzeichen von Feuer, keine Brandspuren, kein Ruß, keine Asche. Er zog einige Male prüfend die Luft durch die Nase. Zu wittern war nichts Verdächtiges. War es möglich, daß es sich bei der transparenten Gallerte nicht um eine Verpackung handelte, sondern um die Überreste eines intelligenten Geschöpfes, vielleicht sogar eines Bewohners dieser Station, der auf seiner Flucht vor dem Feuerorkan hierhergeflüchtet und dann zusammengebrochen war? Seit der Brand erloschen war, hatten sich Kammern und Gänge wieder mit gut atembarer Luft gefüllt, aber während die Feuersbrunst getobt hatte, war die Atemluft wahrscheinlich sehr knapp geworden. Es war daher durchaus vorstellbar, daß dieses Wesen an Sauerstoffmangel gestorben war. Die Temperaturen in der Station waren recht angenehm, um die zwanzig Grad. Bei dieser Temperatur hätte das Geschöpf längst in Verwesung übergehen müssen, aber von Fäulnisgeruch war nichts wahrzunehmen gewesen. »Alaska Saedelaere, der tapfere Weltraumfahrer und Eroberer der Sterne«, mokierte sich Alaska über sich selbst. »Verharrt ehrfürchtig und voller Furcht vor einem leeren
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Plastiksack und meditiert über die Unsterblichkeit der Seele eines Haufens von Gelatine. Junge, du machst dich ganz schön lächerlich! Ein Glück, daß niemand dich sehen kann. Gucky würde sich den Biberschwanz krummlachen, wenn er dich so erblicken könnte.« Er steckte die Waffe zurück und schickte sich an, seine Suche fortzusetzen und den Gang weiter entlangzumarschieren. Immerhin, ein letzter Rest von Zweifel blieb, und so verzichtete Alaska darauf, einfach über die Gallerte hinwegzustiefeln. Vielleicht handelte es sich ja doch um sterbliche Überreste eines fremden Geschöpfes, und Alaska, normalerweise kein Freund von transzendentalen Erwägungen, hätte es auch nicht gern gesehen, wären exotische Lebewesen auf seinem Leichnam herumgetrampelt. Er schritt, einigermaßen mühsam, um den Plastiksack herum und wußte nicht, ob er dabei nicht abermals sarkastisch grinsen sollte, weil er sich womöglich ausgesprochen albern benahm. Das Grinsen erstickte in einem Sekundenbruchteil... Zuerst spürte er nur, wie sein rechter Fuß etwas Sanftes, Nachgebendes berührte, dann aber wurde er selbst berührt. Etwas griff nach seinem linken Fuß, schoß daran mit unglaublicher Geschwindigkeit in die Höhe. Alaska stieß ein Ächzen aus. Unwillkürlich fuhr seine Rechte hinunter zum Gürtel, wo seine Waffe steckte. Seine ausgestreckten Finger glitten in eine warme, klebrige Feuchte und blieben darin stecken. Seine rechte Wade wurde umklammert, etwas kroch an seinem linken Oberschenkel in die Höhe und preßte seine Beine mit unerhörter Kraft zusammen. Der Aktivatorträger schwankte, ruderte mit dem freien linken Arm. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er sehen, wie etwas, das feucht und widerwärtig glänzte, in die Höhe schnellte, ein Gallerttentakel, das zielgenau sein linkes Handgelenk zu fassen bekam und umschloß.
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»Perry, Bully ...!« Alaska stieß nur einen schwachen Ruf aus; er wußte, daß keiner seiner Freunde nahe genug sein konnte, um ihn zu hören. Mit aller Kraft kämpfte er gegen die Umklammerung an. Selbst Menschen, die ihn kannten, hatten immer wieder gestaunt, welche Kräfte der hagere Mann im Notfall mobilisieren konnte, weit mehr, als man ihm zugetraut hätte. Aber dieses Mal reichte es nicht aus. Die Gallerte stieg an ihm in die Höhe; sie arbeitete mit einer geradezu teuflischen Geschicklichkeit. Das Tentakel an seiner linken Seite zog sich zusammen und zerrte Alaskas linken Arm an die Hüfte, wo er ebenso festgehalten wurde wie die rechte Hand. Gleichzeitig schob sich die feuchtwarme Masse an Alaskas Beinen in die Höhe, schnürte die Gliedmaßen eng aneinander und brachte den Mann ins Schwanken. Alaska wußte: Wenn er den Halt verlor und umkippte, hatte er gar keine Chance mehr. Er versuchte die Beine auseinanderzudrücken, vergebens. Das Ungeheuer war stärker, es schien über unglaubliche Kräfte zu verfügen. Ich werde von einer verfluchten Amöbe gefressen, schoß es durch Alaskas Kopf. Was für eine jämmerliche Art zu sterben! Er ahnte, was unausweichlich kommen würde, und das Grauen vor diesem Schicksal setzte ihm zu. Angst vor dem Tod hatte der Mann nicht, dafür war er schon zu oft in Lebensgefahr gewesen, und noch viel öfter hatte er in seiner Vergangenheit als Transmittergeschädigter den Tod geradezu herbeigesehnt. Was ihn schaudern machte, war nicht der Tod selbst, sondern die Art des Sterbens, die ihm offenbar beschieden war. Höher und höher. Das Biest packte ihm am Schritt, mit geradezu obszöner Sanftheit, schob sich weiter. Zum Gürtel, über die linke Hand, die bisher frei gewesen war. Das Zappeln seiner Finger wurde erstickt, ebenso die krampfhaften Bewegungen, mit denen er seinen rechten Arm zu befreien ver-
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suchte. Bauchnabelhöhe ... Mit einer geistigen Klarheit, die ihn selbst entsetzte, registrierte Alaska, daß sich das Geschöpf dort, wo es wirklich seine Haut berührte - an den Händen also -, seltsam neutral anfühlte. Er spürte, daß da etwas war, aber es fühlte sich auf eine grauenerregende Weise nicht fremd oder widerwärtig an, als wäre diese Gallerte ein Teil von ihm selbst geworden. Erinnerungen schossen in Alaska hoch, Rückblicke in jene Zeit, da sein Gesicht bedeckt gewesen war von den Überresten eines Cappins, mit dem Alaska während eines Transmittersprungs im Hyperraum zusammengestoßen war. Jahrzehntelang hatte Alaska dieses Cappinfragment in seinem Gesicht getragen, dessen Anblick jeden anderen außer ihm in den lallenden Wahnsinn gestoßen hatte. Er spürte, wie sich die Gallerte weiter an seinem Körper entlangarbeitete. Sie kroch an den Händen entlang, über die Handgelenke und schob sich von dort, an der Haut entlang, unter die Kleidung. Alaska Saedelaere stieß ein ersticktes Wimmern aus. Nicht so, nicht auf diese jämmerliche und entsetzliche Weise umkommen ... Die Achselhöhle war erreicht, und nun kroch die Gallerte nach unten, schob sich unter das Hemd und kroch mit erstaunlicher Geschwindigkeit an seinem Körper hinab, um ihn ganz und gar einzuhüllen. Längst hatte er keine Möglichkeit mehr, sich zur Wehr zu setzen. Er hätte nur noch schreien können, um Hilfe oder um sein Entsetzen auszudrücken. Aber auf Hilfe zu hoffen, war vergebliches Bemühen, und sein Grauen hinauszubrüllen, wollte Alaska vermeiden. Mochte ihn das Vieh umbringen, aber einen letzten Rest von Würde wollte er sich bewahren ... Der Hals wurde eingeschnürt. Der letzte Akt begann. Alaska spürte das Fremde an sich emporsteigen. Sein Körper war jetzt nahezu vollkommen eingehüllt, die Gallerte sickerte in diesem Augenblick sogar in seine Stiefel.
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Seltsamerweise spürte er dabei keinen besonders starken Druck auf seinem Fuß. Das Kinn wurde berührt, und die Gallerte stieg. Ob er wollte oder nicht, er warf den Kopf zurück, stieß heftig den Atem durch die Nase und preßte die Lippen aufeinander. Es half ihm nichts, die Gallerte schob sich weiter in die Höhe. Und in jenem Augenblick, in dem sich vor Grauen, Angst und Atemnot sein Verstand zu verwirren begann, spürte er noch etwas. Sein Geist wurde berührt von einem mentalen Stoß, einem geistigen Impuls von solcher Bösartigkeit, daß Alaska dabei das Bewußtsein verlor ...
7. »Hier muß doch etwas Brauchbares zu finden sein, Himmelherrgott. Reginald Bulls halblauter Fluch fand in der Halle kein Echo. Der allgegenwärtige Löschschaum schien wie ein akustisches Dämpfmaterial zu wirken. Es war eine von vielen Hallen der großen Musterausstellung; es mußte Zehntausende von Geräten einer fremden, wahrscheinlich hochüberlegenen Technologie geben, die hier ausgestellt und zum Kauf angeboten wurden. Bully hatte, Perry Rhodans Beispiel folgend, einige Proben gemacht, aber was ihm dabei vorgeführt worden war, hatte er zum größten Teil nicht verstehen können. Das lag zum einen an der gänzlich anderen Technologie, zum Hauptteil aber daran, daß alle vorgestellten Geräte defekt waren. Nicht eine einzige Nische hatte Bully entdecken können, in der ihm etwas angeboten worden wäre, das man hätte benützen können. Zu einem beträchtlichen Teil waren die Geräte - und damit auch ihre Präsentation - derartig zerstört, daß man nicht einmal -144-
hatte raten können, wozu die Maschinen hätten Verwendung finden können. »So ein elendes Pech!« murrte Reginald Bull und stieß einen langen Seufzer aus. Langsam schritt er an der Nischenwand entlang. Daß man in diesem Raum keine mehrstöckigen Hyperenergieerzeuger in voller Größe und Funktion ausstellen konnte, lag auf der Hand. Aber es mußte doch wohl Geräte geben, die im gebrauchsfertigen Zustand so groß waren, daß sie in eine dieser Nischen hineingepaßt hätten. Ein solches Gerät zu finden, war Reginald Bulls Absicht, aber bisher hatte er keinen Erfolg erzielen können. »Und Hunger habe ich auch!« Mit Reginald Bull auszukommen, war normalerweise nicht schwierig, das hatte schon gegolten, als er noch für die USSpace-Force gearbeitet und sich mit Perry Rhodan auf den ersten Mondflug der legendären STARDUST vorbereitet hatte - jenen Flug, mit der das große Abenteuer seines Lebens erst richtig begonnen hatte. Auch damals hatte aber eines schon gegolten: Wenn man Bull hungern ließ, dann wurde er griesgrämig, verdrossen, mürrisch, unleidlich - kurz: unausstehlich. Satt war er ein Mensch von freundlicher Gemütsart, hungrig hingegen erwies er sich als Grantier von Format. »Ein paar trockene Kekse würden ja schon genügen«, murrte Bully weiter. »Der Service in diesem Laden ist einfach lausig. Ich werde das Beschwerdebuch ver... Oha, was ist denn das?« Er blieb vor einer Nische stehen. Sie war kleiner als der Durchschnitt, wahrscheinlich war das der Grund dafür, daß nur wenig von dem unglaublich harten und widerstandsfähigen Schaumzeug ins Innere gelangt war. Zu sehen war in dieser Nische etwas, das wie eine verlockend große, festverschlossene Keksdose aussah. »Kekse werden wohl kaum drin zu finden sein«, murmelte Bully. »Aber nachsehen sollte ich trotzdem.«
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Er streckte die Hand nach der Dose aus ... Im gleichen Augenblick begann, wie üblich, der Nachrichtenstrom. Dieses Mal war es keine Maschine, die ihm vorgestellt wurde. In seinem Geist tauchte urplötzlich eine Armee auf. Zuerst sah die Truppe aus wie eine Ansammlung von Zinnsoldaten, aber dann wurde das Bild schärfer und größer, und Reginald Bull konnte eine stattliche Truppe von Kämpfern sehen. Dazu wurde ihm die Information geliefert, daß es sich dabei um die Armee der Schattenzwerge handelte. Die Krieger entstammten dem Volk der Myraner, erfuhr Bully; es seien interkosmische Söldner, die man nach Belieben anwerben und für sich kämpfen lassen konnte. Einer dieser Myraner wurde in voller Größe vorgestellt. Knapp 140 Zentimeter groß, außerordentlich stämmig und kompakt und, wie Bully verwundert registrierte, eindeutig weiblichen Geschlechtes. Ein mürrisches, narbenbedecktes Gesicht starrte Bully an. Die Myranerin trug dunkle Kleidung aus einem Material, das wie sehr schmutziges Leder aussah und außerordentlich reißfest wirkte. Bewaffnet war die Zwergin mit einer Keule und einer Streitaxt, die beide eher erheiternd als furchteinflößend wirkten. Für ein Goldstück pro Opfer war, so erfuhr Bully, ein Myraner bereit, jeden Gegner, der ihm zugewiesen wurde, auf die gleiche Körpergröße zu bringen, die er selbst hatte. »Nicht gerade das, was ich mir unter einer tollen Truppe vorstelle«, murmelte Bully, während in seinem Gehirn die Information auftauchte, es seien leider Schäden aufgetreten, die zu beheben man nicht imstande gewesen sei. An einer Armee hackebeilschwingender Zwerginnen war Reginald Bull nicht sonderlich interessiert; weitaus neugieriger war er darauf, was in dieser Büchse zu finden war. Vielleicht bekam er einen Hinweis darauf, wo die Büchse hergestellt worden war, wie diese merkwürdige Datenübertragung funktionierte und dergleichen mehr.
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Er streckte die Hand nach der Büchse aus, ignorierte eine sehr laute und deutliche Fehlermeldung in seinem Kopf - und nahm die Keksdose auf. »Zur Verfügung, Gebieter!« klang eine Stimme in seinem Kopf auf, eine helle, klare Stimme, die eher weiblich klang. »Ich harre deiner Anweisungen!« Bully betrachtete die Dose. Sie schien aus einem stumpfgrauen Blech gefertigt zu sein, und außer einer großen Zahl kleiner Löcher in der Hülle war nichts Bemerkenswertes daran zu entdecken. »Ist jetzt ein Einsatz erwünscht, Gebieter? Soll ich mich entfalten?« »Wenn es dir Spaß macht ...«, dachte Bully sarkastisch. »Zu welcher Größe soll ich mich entfalten?« Das Ganze kam Bully mehr und mehr wie ein schlechter Ulk vor. Was sollte dieser mentale Dialog? »Zeig, was du kannst!« Bully erinnerte sich daran, daß diesem Dialog eine Fehlermeldung vorangegangen war, und er war gespannt darauf, wie sich dieser Fehler in der Praxis äußern würde. »Ist es erwünscht, daß ich meine Krieger freisetze, Gebieter?« Reginald Bull hatte nicht die leiseste Ahnung, was mit dieser Frage gemeint war, dennoch gab er eine Antwort. »Es ist erwünscht«, formulierte er in Gedanken. »Wie viele meiner Krieger soll ich dir zur Verfügung stellen, Gebieter?« wurde Bully nunmehr gefragt. Im ersten Augenblick fühlte er sich versucht, die gesamte zur Verfügung stehende Mannschaft zu alarmieren, aber dann entsann er sich seines eigenen Lebens in Uniform, auch wenn diese Zeit einige Jahrtausende zurücklag. Wie hatte er es damals gehaßt, für jeden schwachhirnigen Sternträger strammstehen zu müssen oder gar aus dem Bett geworfen zu werden. »Wie viele Krieger kann ich denn bekommen?« fragte Reginald Bull an.
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»Drei Millionen, vierhundertachtundsechzigtausenddreihundertsiebzehn«, lautete die knappe Antwort. Reginald Bull lachte halblaut. Dieser mentale Dialog bekam immer absurdere Züge. »Dreihundert werden genügen«, ordnete er an. Und er fragte sich, worauf diese groteske Wechselrede letztlich hinauslaufen mochte. »Es wäre noch die Frage der Ausrüstung zu klären«, meldete sich die hartnäckige unsichtbare Stimme in Reginald Bulls Kopf. »Wie sollen die Krieger bewaffnet sein?« »Volle Ausrüstung«, ordnete Reginald Bull an. Noch immer hielt er die absonderliche Büchse in der Hand. Irgendwo da drinnen saß vermutlich ein Mechanismus, der die Projektionen hervorrief, die er sehen und hören konnte. Bully konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen - er schüttelte die Büchse, probehalber. Es geschah nichts, kein Geräusch war zu hören. »Schade«, murmelte Bully. »Dann wäre da noch die Frage zu klären, wer der zu bekämpfende Feind ist, Gebieter!« Da die ganze Sache ohnehin nicht mehr war als eine abstrakte Spiegelfechterei, ein höherer Unsinn auf mentaler Ebene, sah Bully nicht ein, weshalb er sich nicht einen weiteren kleinen Scherz erlauben sollte. »Jeder und alles«, wies er sein imaginäres Gegenüber an. »Soll dabei das Raph-an-Dajuli angewendet werden, und wenn ja, in der Daikyri-Version oder nach den Regeln des Han-as-Solt-han?« wollte Bullys Gesprächspartner wissen. Reginald Bull hatte keine Ahnung, wovon die Rede war, und bei den nächsten Fragen war es noch schlimmer. Bully verstand kein Wort und gab ebenso verwirrende Anweisungen. Er ahnte, daß er jetzt mit einem defekten Teil der Maschinerie sprach, in dem sich die Fehlfunktionen häuften. Das Ganze wurde zusehends grotesker und sinnloser.
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»Nun, los, mach schon!« herrschte er schließlich sein unsichtbares Gegenüber an. »Ich will etwas sehen!« In seiner linken Hand begann es zu prickeln. Unwillkürlich zuckte Reginald Bull zusammen. »FEHLFUNKTION!« gellte es in seinem Kopf. »FEHLFUNKTION. Befehl kann nicht ausgeführt werden, Aberrationen und Dysfunktionen sind zu erwarten. Achtung: FEHLFUNKTION!« »Wie zu erwarten gewesen war«, stieß Reginald Bull gereizt hervor. Wieder zuckte und kribbelte es in seiner Hand. Bullys Augen weiteten sich überrascht. Die seltsame Keksdose schien zum Leben zu erwachen. Das tat sie wahrhaftig. Reginald Bulls Augen weiteten sich noch mehr, als die Dose auf seiner flachen Hand zu wachsen begann - und zwar sehr schnell. Unwillkürlich ließ Bully die Dose los. Sie fiel aus seiner Hand, kollerte ein paar Schritte weit auf dem Boden und blieb dann liegen, während sie gleichzeitig wuchs und anschwoll und sich rasend schnell vergrößerte. »Donnerwetter!« stieß Reginald Bull hervor. Er sah zu, daß er sich zügig entfernte, bevor er von der unaufhörlich anschwellenden Keksdose an eine Wand gedrückt und schlichtweg zerquetscht werden konnte. »Was, zum Teufel, hat das zu bedeuten?« Vier Meter hoch war die Dose inzwischen und wuchs weiter. Sechs Meter, acht. Die Dose berührte die rechte Wand; sie wuchs weiter. Der Widerstand der Wand sorgte dafür, daß die Dose von der eigenen Kraft beiseite geschoben wurde, bis sie mitten in der Halle stand und zwei gegenüberliegende Wände berührte. Reginald Bull hatte sich schon in Sicherheit gebracht und sah vom Korridor aus zu, wie sich die Dose unaufhörlich vergrößerte. Aus dem Inneren des Gebildes ertönten seltsame, erschreckende Klänge.
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Die Dose füllte die große Nischenhalle jetzt nahezu vollständig aus - und sie wuchs weiter. Aus welcher Kraft dieses Wachstum gespeist wurde, konnte Reginald Bull nicht einmal ahnen, aber so unwiderstehlich war sie, daß sich die Seitenwände der Halle zu verformen begannen. Auch die Decke wölbte sich hoch und höher. Dann war ein Knirschen zu hören, das durch Mark und Bein ging und Reginald Bull ankündigte, daß die unheimliche Keksdose dabei war, die gesamte Umgebung zum Einsturz zu bringen. »Was habe ich da nur wieder angestellt?« murmelte Reginald Bull. Metallisches Kreischen ertönte, als die Decke aufklaffte und sich die Dose in das darüber gelegene Stockwerk auszudehnen begann. Reginald Bull setzte sich weiter von dem unheimlichen Schauspiel ab. Er konnte nur hoffen, daß die Dose nicht auch noch die Außenwand der Station durchbrach; dann nämlich würden er und seine Gefährten in größte Schwierigkeiten geraten. Plötzlich hörte das Wachstum der Dose auf. »FEHLFUNKTION!« hörte er die Stimme wieder sagen, in einem hohen Diskant. »FEHLFUNKTION!« Diese Diagnose schien zuzutreffen, wie Reginald Bull sehen konnte. Als sie noch in der Nische gestanden hatte, war die Dose intakt und gleichmäßig proportioniert gewesen. Jetzt hingegen war sie krumm und schief, die Wände verbogen und verwinkelt. Schwefliggelbes Licht fiel aus den vormaligen Poren, die jetzt einen Durchmesser von etwa mehr als einem halben Meter hatten. Eine faulige Ausdünstung wehte daraus zu Bully herüber, ein Geruch nach Schlamm und Moder und ungewaschenen Füßen. Etwas bewegte sich in dem fahlgelben Licht, huschte hin und her und stieß dabei dumpf grollende Laute aus, die Bullys Nackenhaare aufstellten. Er ahnte, daß er unbedacht etwas
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ausgelöst hatte, das nun seiner Kontrolle entglitten war. Noch aber hatte er keine rechte Vorstellung von der Größenordnung dessen, was er heraufbeschworen hatte. Eine der gelb durchstrahlten Öffnungen verdunkelte sich. Etwas oder jemand versuchte sich durch diese Öffnung zu zwängen. Reginald Bull konnte einen dunkelbraunledrigen Körper sehen, der sich krümmte, dabei halblaute Geräusche der Wut und des Zorns machte und sich schließlich freikämpfte. Der Körper fiel etwa vier Meter in die Tiefe, drehte sich dabei um seine Achse, so daß das Wesen mit den Füßen zuerst aufkam. Eine Wolke dunkelbraunen Staubes wallte auf, und als sie sich legte, wurde ein Geschöpf sichtbar, das Reginald Bull schon kannte, Ein Myraner. Es handelte sich um einen myranischen Mann mit einem harten Gesicht und gefletschten Zähnen. Der Mann reichte Bully nur bis ans Brustbein, aber sein Körper schien eine einzige Ansammlung stahlharter Muskeln zu sein. Der Myraner hatte dunkle Haare, die er in einem Kampfzopf zusammengebunden hatte; das Haar hing ihm über die Schulter bis fast auf Kniehöhe, und in das Ende war eine stachelige Stahlkugel eingeflochten worden. Bei der Körperkraft des Myraners war anzunehmen, daß er mit einem Hieb dieser haarigen Waffe seinem Gegenüber den Hirnschädel zertrümmern konnte. Während Reginald Bull den Myraner anstarrte, tauchten die Gefährten des Kampfzwerges auf, einer nach dem anderen. »FEHLFUNKTION!« erklang wieder die mentale Stimme in Reginald Bulls Kopf, und er war sich nicht recht sicher, ob er den Klang als verzweifelt oder schadenfroh interpretieren sollte. »FEHLFUNKTION!« Der vorderste der Myraner hob seine Waffe, ein Kampfbeil von einem Meter Länge, mit einer Schneide, die rasiermesserscharf aussah. Der Myraner zeigte abermals die Zähne, und Bully sträubten sich die Haare.
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Denn dieser Kampfzwerg und seine neu auftauchenden Gefährten schienen genauso funktionieren zu wollen, wie es ihnen bestimmt worden war. Sie gingen auf Bully los ...
8. »Perry? Hörst du mich, Perry? Alaska, kannst du mich hören?« Perry Rhodan runzelte die Stirn. Das war die Stimme von Reginald Bull, und sie klang sehr aufgeregt. »Hier Perry, was gibt es, Bully?« »Perry, hier ist die Hölle los. Ich habe da etwas losgetreten... Verdammt, sie sind hinter mir her! Ich brauche Hilfe.« »Wo steckst du?« Reginald Bulls Stimme mischte sich mit dem Keuchen seines Atems. »Irgendwo, auf der Flucht!« stieß er hervor. »Diese Kampfzwerge setzen mir nach und treiben mich vor sich her. Verdammt, Alaska, so melde dich doch!« Rhodan ahnte, warum Bully vor allem nach Alaska rief. Saedelaere war der einzige, der - wahrscheinlich aus purem Zufall - eine Waffe bei sich gehabt hatte, als sich unverhofft die Passage zur Brücke in die Unendlichkeit geöffnet hatte. Aber Alaska Saedelaere antwortete nicht. »Ich komme sofort!« versprach Perry Rhodan und setzte sich in Bewegung. Mit Bully sprechen konnte er, während er rannte. »Wo ist das passiert? Gib mir wenigstens einen Anhaltspunkt!« Wir hätten uns nicht voneinander trennen dürfen! »In einer von den Nischenhallen«, prustete Bully. »Übrigens, es handelt sich dabei nicht um einen Katalog ...« »Sondern?« »Um Originale, nur sehr stark verkleinert. Ich habe ahnungslos eine Art Kaserne gefunden, aktiviert und in Alarm -152-
gesetzt - und jetzt sind sie hinter mir her!« Perry Rhodan versuchte sich vorzustellen, was Bully mit seinen Worten gemeint hatte. Er konnte sich kein rechtes Bild davon machen, aber das war jetzt auch nicht wichtig. Rhodan wandte sich nach links. Er hatte sich dieses Mal den Weg, den er genommen hatte, sehr genau eingeprägt, und so wußte er, wohin er sich zu wenden hatte. »Melde dich weiter, Bully!« riet Perry Rhodan seinem Freund. »Und zwar laut, damit ich dich hören kann.« »Leicht gesagt!« rief Bully. »Ich brauche meine Puste zum Laufen. Diese Zwerge sind ganz schön flink auf ihren krummen Beinchen. Hierher, hier bin ich. Alaska, wo steckst du? Her mit dir, ich brauche deine Waffe. Melde dich doch!« Perry Rhodan zögerte einen Augenblick lang. Hatte er die letzten Worte über das Kombigerät gehört oder ganz normal durch die Luft? Ein Fluch, lang, mit genußvoller Wut hervorgestoßen und bemerkenswert unanständig, hallte in Rhodans Ohren, und er wußte, daß er sich jetzt rechts zu halten hatte. Zwanzig Meter noch, dann hatte er Bully erreicht... »Alle Wetter!« stieß Perry Rhodan hervor und erstarrte unwillkürlich. »Was sagst du dazu? Saubere Arbeit, nicht wahr?« Bully keuchte laut und schnaufte und schaffte es, ein mageres Grinsen zu zeigen. »Die waren in einer Büchse drin, die ich gefunden habe«, keuchte Bully. »Vorsicht, die Waffen von den Knirpsen haben es in sich...« Es waren vier Zwerge, die auf Rhodan und Bully eindrangen - die Vorhut des Trupps, wahrscheinlich die schnellsten und kräftigsten. Rhodan sah die Streitäxte blitzen; ein gefährlich tiefes Surren war zu hören, wenn die Stachelkugeln an den langen Zöpfen herumgewirbelt wurden und in der Luft kreisten.
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Einer der Zwerge sprang Rhodan an. Rhodan duckte sich unter dem Hieb weg, zögerte einen Herzschlag lang und setzte dann zu einem wuchtigen Stoß mit dem Ellenbogen an. Er traf den Zwerg voll, aber ohne die geringste Wirkung zu erzielen. Der lederhäutige Gnom blieb aufrecht stehen, nur Rhodans Ellenbogen begann übel zu schmerzen. Immer in Bewegung bleiben! Diese Regel war Rhodan nach vielen Jahrzehnten des Kampfs und des Trainings in Fleisch und Blut übergegangen; er handelte auch in diesem Augenblick nach dem erprobten Grundsatz. Und er tat gut daran ... Etwas durchschnitt schwarz und zischend die Luft, schrammte über Rhodans linken Arm und schnitt durch die Kleidung hindurch bis ins Fleisch. Ein feiner, stechender Schmerz zuckte den Arm hoch, aber Rhodan blieb nicht erschrocken stehen, sondern machte einen Satz zur Seite. »Deckung, Bully!« schrie er laut. »Auch die Schatten greifen an!« »Was?« Es war in der Tat schwer zu glauben. Man mußte zweimal, dreimal hinsehen, um das Phänomen überhaupt zu bemerken. Die Myraner-Zwerge warfen zwei Schatten - einen relativ fahlen und grauen, der von der normalen Beleuchtung herrührte und sich so verhielt, wie es sich für einen Schatten gehörte. Dazu aber gab es einen zweiten Schatten, gehalten in ganz fettem Schwarz, sogar ein Stück größer als das Original und von einer sehr starken Lichtquelle erzeugt, deren Ort nicht auszumachen war. Diese Schatten waren genauso bewaffnet wie die jeweils zugehörigen Originale, aber sie konnten sich offenbar unabhängig von diesen Originalen bewegen. Sie konnten selbständig kämpfen und ihre Waffen einsetzen - und zwar recht wirkungsvoll, wie Perry Rhodan am eigenen Leib hatte erfahren müssen.
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Wer sich mit einem Myraner auseinandersetzte, der hatte es gleich mit zwei Gegnern zu tun, und wenn man nicht zu modernen Waffen seine Zuflucht nahm, also zu Thermostrahler, Impulsstrahler, Blaster, Desintegrator, hatte man gegen diese unheimlichen Gespanne kaum eine Chance. Perry Rhodan mußte es abermals feststellen. Er griff einen der Zwerge an, erzielte aber keinen Erfolg. Es war, als breche seine Kraft in sich selbst zusammen, ohne die geringste Wirkung zu erzeugen. Gleichzeitig mußte er zusehen, daß er nicht wieder von dem ebenfalls angreifenden Schatten getroffen wurde. Rhodan machte einen Satz zur Seite und wirbelte herum. Die Schattenaxt fegte mit ihrer Schneide eine Daumenbreite vor Rhodans Brust durch die Luft; gleichzeitig wurde der Zwerg, zu dem der Schatten gehörte, von Rhodans Ellenbogen getroffen. Es war ein übler, sehr unsportlicher Treffer. Aber dieses Mal mit Wirkung: Der Gnom stöhnte auf und taumelte. Seine Faust öffnete sich, das Beil entfiel seiner Hand und landete klappernd auf dem Boden. Der Schatten allerdings behielt seine Waffe und drang auf Rhodan ein. Der Terraner duckte sich unter dem Hieb weg und nutzte die Gelegenheit, nach der Streitaxt zu greifen, die seinem Gegner entfallen war. Er bekam sie zu packen, faßte sie mit hartem Griff und ließ die Waffe durch die Luft sausen. Er hatte kein anderes Mittel zur Verfügung, um sich zu verteidigen. Rhodan zielte nach dem Schatten. Er traf. Aber es geschah nichts. Es war, als hacke er in Luft. Die Waffe fand keinen Widerstand, sie schwirrte durch den Raum, ohne etwas zu treffen. Gleichzeitig spürte Rhodan, wie ihn etwas hart an der rechten Hüfte traf. Der Zwerg hatte ihn attackiert, aber der Schatten war gefährlicher, und so schwang Rhodan die Axt abermals gegen diesen seltsamen Gegner. Dieses Mal mit Wirkung ...
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Als der Zwerg auf dem Boden aufschlug und damit gewissermaßen seinen Schatten unter sich begrub, begriff Rhodan die Zusammenhänge. Wie es dazu kommen konnte, welche physikalischen oder hyperphysikalischen Phänomene hier zusammentrafen, vermochte er nicht zu sagen; eine schlüssige Theorie zu entwickeln, war seine Sache nicht, schon gar nicht in dieser Lage. Es genügte, die Tatsachen zu erkennen, seine Schlußfolgerungen daraus zu ziehen und nach diesen Schlußfolgerungen zu handeln. »Bully - immer nach dem passiven Teil des Paares zielen! Nur dieser Teil ist verletzlich, der andere nicht!« »Was?« Bully hatte sichtlich Mühe, den Zusammenhang zu verkraften; er war eben kein »Sofortumschalter«, wie man Perry Rhodan schon zu Beginn seiner Karriere getauft hatte. Eines von Rhodans besonderen Talenten war es, Zusammenhänge blitzartig in ihrer Struktur zu erfassen und diese Erkenntnisse dann auch ohne Verzögerung in Aktion umzusetzen. Bully tat sich da etwas schwerer. Rhodan kam ihm zu Hilfe. Es war in der Tat so, wie er es vermutet hatte: Schatten und Zwerg kämpften gemeinsam. Wenn man dieses Paar bezwingen wollte, dann mußte man auf eine Weise agieren, die jeder Vernunft und jedem Sicherheitsinstinkt Hohn sprach. Man mußte den gerade aggressiven Partner des Duos ungeschoren lassen und den passiven Teil angreifen - in der Hoffnung, daß man die Attacke des Angreifers überstand, während man dessen passivem Teil nach Möglichkeit einen kampfentscheidenden Treffer beibrachte. Zu zweit ließ sich das leichter bewerkstelligen: Perry Rhodan wehrte den Angriff des Schattens ab, während Bully den Zwerg ausschaltete und dessen Waffe an sich nahm. »Das sieht schon besser aus!« stieß er schnaufend hervor. Zwei Gegner hatten sie ausgeschaltet, zwei weitere griffen
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gerade an, und im Hintergrund rückte in diesem Augenblick die nächste Schar myranischer Kampfzwerge und Schattenkrieger heran. Gegen diese Übermacht hatten die Terraner nicht die geringste Chance. »Rückzug«, schlug Perry Rhodan vor. Er hob die Stimme, um den Kampflärm mit Lautstärke zu übertönen. »Alaska, melde dich bitte! Hier ist Perry, melde dich, Alaska!« Nachdem sie die Strategie des Gegners durchschaut hatten, war es für zwei so erfahrene Kämpfer wie Perry Rhodan und Reginald Bull nicht mehr schwer, die vordersten Gegner zurückzuschlagen und dann zu rennen. »Wie viele mögen es sein?« stieß Perry Rhodan im Laufen hervor. »Hast du eine Ahnung?« Bully zeigte die Zähne und schnaufte. »Ich habe dreihundert bestellt«, gab er japsend zu. »Dreihundert? Bist du ...? Und wieso bestellt?« Während die beiden die Flucht antraten und erst einmal eine möglichst große Strecke zwischen sich und die Schattenzwerge legten, erklärte Reginald Bull, was in der Nischenhalle geschehen war. »Ich weiß, daß es völlig verrückt klingt«, gab er zu, blieb abrupt stehen, den Rumpf vornübergebeugt, die Hände auf die leicht angewinkelten Knie gestemmt und nach Luft schnappend wie ein Kettenraucher. »Aber genau so ist es gewesen. Diese Keksdose, das ist nichts weiter gewesen als eine Art Kaserne für die Schattenzwerge, stark miniaturisiert natürlich ...« »Pah«, machte Rhodan, nicht weniger außer Atem. Sie waren in relativer Sicherheit, von den myranischen Kampfzwergen war nichts zu sehen - einstweilen. »Komme mir nicht mit diesem Wort in diesem Zusammenhang. Natürlich - ich kann mir wenig Unnatürlicheres vorstellen als eine solche Miniaturisierung.« Er starrte Bully an, in seinen Augenwinkeln glomm der Ansatz eines Lächelns auf. »Erinnerst du dich noch? Horror?«
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Bully nickte schnaufend. »Nur zu gut«, knurrte er. »Damals wurden wir auch verkleinert...« »Aber nicht in diesem Ausmaß«, erinnerte ihn Rhodan. »Wir haben niemals herausbekommen, wie die Meister der Insel das gemacht haben, aber ich weiß auch, daß sie an den äußersten Grenzen des technisch Möglichen gearbeitet haben. Und nun dies hier - hier wäre der Verkleinerungsfaktor noch größer.« »Ich weiß«, gab Bully zu. »Es ist eindeutig: Wenn du deinen ersten Gegenstand aus der Nische herausgeholt und irgendwo im Weltraum eingeschaltet hättest, dann hätte sich dieses Ding genau zu dem tausend Meter langen Forschungsschiff entfaltet, das du in deinen Gedanken gesehen hast.« »Dann ist diese Station keine Musterausstellung, kein Laden oder kein Messestand - es ist vielmehr ein Arsenal aller nur denkbaren technischen Möglichkeiten. Was immer man haben will, es ist da, super-miniaturisiert, und man braucht es nur zu bezahlen, um es mitnehmen und aktivieren zu können. Kannst du dir vorstellen, was das heißt?« Reginald Bull nickte. »In diesem Laden, wie du es nennst, könntest du OLD MAN unter den Arm klemmen und mitnehmen, wenn du bezahlen kannst. OLD MAN samt allen 15.680 Ultraschlachtschiffen der Galaxis-Klasse, die OLD MAN an Bord hatte. Perry, dies ist nicht einfach nur eine Station: Dies ist ein Arsenal der Macht. Wahrscheinlich kann jede dieser Zehntausende von Nischen aus einem Lager wieder aufgefüllt werden, so daß du ein paar hundert OLD MANS kaufen könntest, wenn du wolltest. Wenn wir den Gedanken an Bezahlungen einmal wegfallen lassen, dann enthält diese Station alles, was wir drei brauchen würden - du, Alaska und ich um in unserer Milchstraße eine neue galaktische Großmacht zu begründen. Denk nur an all die High-Tech-Geräte, die wir gesehen haben, von denen wir nicht einmal die Gebrauchsanweisung kapiert haben ...«
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Perry Rhodan brachte seinen alten Freund mit einer knappen Handbewegung zum Schweigen. Reginald Bull hatte absolut recht. Forschungsschiffe, medizinische Geräte der Extraklasse, komplette Armeen, vermutlich auch solche, die mit wirkungsvolleren Waffen als Keulen und Handäxten ausgerüstet waren dieses Arsenal konnte alles bieten, was man brauchte. Wer auf dieses Arsenal Zugriff hatte ... Rhodan fröstelte, als er daran dachte. Unwillkürlich wanderten seine Gedanken zurück, in eine ferne, tiefe Vergangenheit, in jene Zeit, in der er geglaubt hatte, den wissenschaftlich-technischen Fortschritt gleichsam zu verkörpern. Damals, als er mit der STARDUST gestartet war, um als erster Mensch den Mond zu betreten. Damals, als er statt dessen auf dem Mond das startunfähige Wrack eines arkonidischen Forschungskreuzers gefunden hatte ... Die Situation war durchaus vergleichbar. Damals hatte es auf der Erde zwei hochgerüstete, bis an die Zähne bewaffnete Machtblöcke gegeben. Und Perry Rhodan hatte das Arkon-Schiff entdeckt, vollgeladen mit einer Technologie, von der auf der Erde noch nicht einmal theoretische Ansätze existiert hatten. Wäre es einem der beiden Machtblöcke gelungen, seine Hand auf diese Technologie zu legen und sie in seinem ideologischen Sinn zu nutzen, wäre ein thermonuklearer Weltkrieg wohl nicht länger zu vermeiden gewesen. Aus diesem Grund, und nur aus diesem Grund, hatte Perry Rhodan seinen eigenen »Laden« aufgemacht; diese Technologie mußte allen Menschen nach und nach zugänglich gemacht werden, sie durfte nicht zum Werkzeug einer einseitigen Ideologie verkommen. Aus diesen Anfängen hatte sich das Solare Imperium entwickelt, dessen Geschichte in der Liga Feier Terraner ihren vorläufigen Abschluß gefunden hatte. Und wieder war die Lage vergleichbar - diesmal nicht auf einen Planeten bezogen, sondern auf den Zustand der gesamten Milchstraße.
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Von einer Einigkeit der Galaktiker war kaum mehr die Rede; Einzelinteressen prägten gegenwärtig das Bild der galaktischen Politik. Das reichte von den Machtgelüsten einzelner Diktatoren, die von einem eigenen Sternenreich träumten, über die imperialistischen Bestrebungen des Kristallimperiums bis hin zum undurchsichtigen Treiben einiger Mitglieder des Forums Raglund. Sollte es einer dieser Machtgruppen, Mächte oder Einzelpersonen gelingen, sich in den Besitz dieses Arsenals zu setzen - die Folgen wären unübersehbar gewesen. Das technische Potential dieses Arsenals hätte dessen Besitzer einen ungeheuren Vorteil verschafft, sowohl auf wissenschaftlichem als auch auf wirtschaftlichem, politischem und vor allem militärischem Gebiet. Die anderen Systeme und Sternkoalitionen hätten sich diese Bevormundung nicht bieten lassen, und so wäre ein Konflikt wohl unausweichlich. Im Klartext: ein innergalaktischer Bürgerkrieg, der es an Grauen und Verheerungen wohl mit den schlimmsten Verwüstungen der Milchstraße durch Laren und Monos würde aufnehmen können. »Was machen wir nun?« fragte Reginald Bull, der mit sichtlichem Unbehagen auf Perry Rhodans Miene blickte, die von Minute zu Minute düsterer wurde. »Ich weiß es nicht«, antwortete Rhodan seufzend. »Einmal abgesehen vom Naheliegendsten - wir müssen uns diese Zwerge vom Halse halten, und das wird schwer genug werden.« »Ich wüßte gerne, was aus Alaska geworden ist«, murmelte Reginald Bull düster vor sich hin. »Daß er sich nicht meldet, ist sehr verdächtig. Ich fange an, mir Sorgen um ihn zu machen ...« Die beiden Freunde blickten einander an. In der Tat: Daß Alaska Saedelaere sich nicht meldete, stimmte die beiden sehr besorgt.
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9. »Unmöglich können wir alle dreihundert niederkämpfen«, sagte Perry Rhodan energisch. »Wir brauchen Hilfe.« »Von wem?« fragte Bully mit einer Stimme voller Bitterkeit. »Alaska ist verstummt, und sonst ist niemand da.« Perry Rhodan kniff die Augen zusammen. »Hast du nicht von einer Warnung gesprochen? Von einer Fehlfunktion?« »Richtig, aber es ist nicht ganz klar, worauf sich das bezieht«, antwortete Reginald Bull. »Nun, wir werden das feststellen.« Perry Rhodan lächelte schwach. »Und vielleicht findet sich in einer der Nischen ja ein Mittel, mit dem wir die Gefahr durch diese Zwerge ausschalten können.« Reginald Bull lächelte säuerlich. »Ich habe da so meine Zweifel, ob das funktionieren wird«, gab er zu bedenken. »Es könnte darauf hinauslaufen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Mir ist nicht geheuer dabei.« »Ich kann das sehr gut verstehen«, pflichtete Perry Rhodan seinem alten Freund bei. »Aber haben wir eine andere Möglichkeit?« Reginald Bull seufzte tief. »Wohl nicht«, gab er zu. Die beiden Männer griffen nach den Waffen, die sie erbeutet hatten. Seit dem ersten Kampf gegen die Schattenzwerge waren mehr als zwei Stunden vergangen; seither waren sie keinem der Myraner mehr über den Weg gelaufen. Offenbar geriet ihnen dieses Mal die Größe der Station zum Vorteil: Dreihundert Mann, das waren ziemlich wenige, wenn man ein solches Riesengebilde durchkämmen wollte. Die beiden Terraner bewegten sich leise und vorsichtig. Nach Alaska Saedelaere zu rufen, hatten sie aufgegeben. Von dem ehemaligen Transmittergeschädigten war kein Lebens-161-
zeichen zu empfangen, er antwortete nicht. Vielleicht war er tot, aber daran wollten Rhodan und Bullv nicht glauben. Oft schon in der Vergangenheit war der eine oder der andere Zellaktivatorträger als tot gemeldet worden. In den meisten Fällen hatte sich diese Nachricht nicht bewahrheitet. Rhodan hob plötzlich die rechte Hand, dann führte er sie schnell an die Lippen. »Pssstt!« Die beiden Terraner lauschten. Einige Schritte weiter vorne bog der Gang nach links ab. Von dort kamen seltsame Geräusche, ein dumpfes Brummen und Ächzen. Perry Rhodan verständigte sich mit Handzeichen. Ich werde nachsehen, aber vorsichtig! Er duckte sich, horchte und spähte dann um die Ecke. Auf dem Boden des Ganges, knapp sechs Meter entfernt, lag einer der Schattenzwerge. Er krümmte sich, bäumte sich auf und schlug mit den Gliedmaßen um sich. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Rhodan runzelte die Stirn. Von einer Verletzung war nichts zu sehen. Rhodan richtete sich auf und hielt nach den Waffen des Zwerges Ausschau und nach dessen Schatten. Zu sehen war nur der normale Schatten, nicht aber jener seltsame und gespensterhafte Kampfgefährte aus dem Nichts. Zwei schnelle, weite Schritte brachten Rhodan nahe an den Kampfzwerg heran. Er packte dessen Waffe und nahm sie auf. Aber das erwies sich als überflüssig; dieses Geschöpf konnte man nicht länger als Feind betrachten. Es war nichts als ein von Schmerzen gepeinigtes, offenkundig dem Tod verfallenes Geschöpf. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann zuckte der stämmige Rumpf noch einmal, dehnte sich und sackte dann zusammen. Der Zwerg war tot. »Fehlfunktion«, murmelte Reginald Bull. »Ob vielleicht das damit gemeint gewesen ist?«
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»Wir werden es feststellen«, antwortete Perry Rhodan rauh. »Suchen wir weiter.« Nach einigen Dutzend Metern entdeckten sie die nächsten Opfer. Dieses Mal handelte es sich um drei der lederhäutigen Geschöpfe. Dem Augenschein nach zu schließen, hatten sie sich gegenseitig umgebracht. Perry Rhodan kniff die Augen zusammen. Was konnte hier geschehen sein? War es das, was Bully gegenüber als Fehlfunktion bezeichnet worden war? Die beiden Terraner marschierten weiter. Inzwischen kannten sie sich im Kernbereich der Station schon recht gut aus und wußten, wohin sie sich zu wenden hatten. Außerdem wurde ihnen der Weg ins Zentrum der Ereignisse vorgegeben. Immer wieder stießen die beiden Männer auf Schattenzwerge, teils lebend, teils tot. Die Lebenden waren in jedem Fall bereits dem Tod geweiht. Ihr Anblick war schrecklich, sie krümmten sich vor Schmerzen, ihre Haut schälte sich ab, das bloße Muskelfleisch wurde sichtbar. Einmal konnten Perry Rhodan und Reginald Bull zwei Myraner sehen, die sich mit bloßen Händen bekämpften und sich dabei schreckliche Wunden zufügten, bis schließlich beide starben. »Diese Station ist ein Ort des Grauens«, knurrte Reginald Bull. »Ich hasse diesen Platz!« Perry Rhodan konnte das nachempfinden, sagte aber nichts zu Bullys Bemerkung. Schließlich erreichten die beiden Terraner jene Nischenhalle, in der Reginald Bull aus Leichtsinn oder Unkenntnis die »Keksdose« animiert hatte. Auch das Magazin der Schattenzwerge, ihre Kaserne oder wie immer man den Gegenstand bezeichnen mochte, aus dem sie hervorgegangen waren, hatte sich stark verändert. Risse klafften in der Hülle, blauschwarzer Qualm stieg aus diesen Spalten und erfüllte die Luft mit einem widerwärtigen Gestank. Aus einigen der Poren hingen die Kadaver von
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Schattenzwergen heraus; sie hatten es nicht mehr geschafft, ins Freie zu kommen. »Ich möchte wissen ...«, murmelte Bully, trat hinzu und faßte die Oberfläche der ehemaligen Dose an. Es war vielleicht diese Berührung, die dem ganzen Spuk ein Ende machte. Es gab einen ungeheuren Knall, und das Magazin krachte in sich zusammen; ein widerliches Schmatzgeräusch schallte durch den Raum, gleichzeitig hörte man das Reißen und Bersten von Metall. Irgend etwas, das allem Anschein nach lebte und litt, äußerte sich in einem langen, dumpfen Seufzer, der schließlich in einem Wimmern erstarb. »Fehlfunktion«, murmelte Perry Rhodan bitter. »Was für eine Art und Weise, mit Leben umzugehen!« Die Überreste der Kaserne der Schattenzwerge zerbröselte vor seinen Augen. Von der geheimnisvollen Büchse, von ihrem Inhalt und den Lebewesen, die sie beherbergt hatte, blieb nichts anderes übrig als eine dicke Schicht schwarzen Staubes, der sich auf dem Boden häufte und nach verschmortem Fleisch roch. Perry Rhodan wußte, welcher Anblick ihm und Bully erspart geblieben war... Überall in der Station, wo immer sich Schattenzwerge aufgehalten hatten, waren sie in diesen letzten Sekunden gestorben, vergangen wie die mikro-miniaturisierte Kiste, in der sie untergebracht gewesen waren. »Wir werden hier nichts mehr anfassen«, sagte Perry Rhodan leise und wandte sich ab. In seiner rechten Hand zerbröckelte das Kampfbeil, das er einem der Myraner abgenommen hatte. Auch Reginald Bulls Beutewaffen zerfielen zu grobkörnigem Staub. Hatte es sich lediglich um Projektionen gehandelt, um reine Trugbilder? Oder um speziell animierte Holografien? Perry Rhodan wußte es nicht. Der Riß in seiner Kleidung und seiner Haut bewies, daß der Kampf mit den Schattenzwergen zumindest in einigen Aspekten ausgesprochen real gewesen war.
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Anders hätte dieses Arsenal auch keinen wirklichen Sinn gemacht. Nein, Perry Rhodan hatte keinen Zweifel: Dies hier war eine Art Supermarkt für Machthungrige. Er hatte nur einen sehr knappen Überblick gewonnen über das Angebot an Waren, das im Arsenal zu finden war, aber wenn er sich recht erinnert hatte, waren es neben High-Tech-Gütern für friedliche Zwecke auch viele Angebote von Zerstörungs- und Vernichtungswerkzeugen gewesen, die ihm offeriert worden waren. Die Kaserne der Myraner war der letzte Beweis dafür; vielleicht der schrecklichste. »Ich werde meine Finger von dem Zeug lassen«, gelobte Reginald Bull. »Ganz bestimmt! Die Schattenzwerge reichen mir vollauf.« Perry Rhodan schloß die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie die Station aussehen mochte, wie die einzelnen Bilder und Eindrücke, die er gesammelt hatte, sich zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen ließen. Er kam zu keinem brauchbaren Ergebnis: Diese Station war nicht kugel- und nicht quaderförmig, auch sonst ließ sich kein einfach zu beschreibender Körper finden, der als Vorbild und Modell hätte herhalten können. Am ehesten noch eine große, besonders unregelmäßig geformte Kartoffel. Immerhin gelang es Perry Rhodan, einige vage Antworten zu finden. Er ahnte, wo ungefähr sich das Zentrum der Station befinden mußte: Es war das Gebiet der Nischenhallen mit ihren Warenangeboten. Wie man jetzt wußte, handelte es sich dabei um ein wahres Arsenal. Eine sehr große Menge der dort angebotenen Geräte entstammte einer Technologie, die derjenigen der Milchstraße um einiges voraus war, vielleicht um Jahrtausende. Die große Halle mit dem Pilzdom darin lag eher in der Peripherie der Station, und weit davon und vom Zentrum entfernt war der Hangar mit dem schwarzen Keilraumschiff zu finden. So weit war die Lage für Perry Rhodan übersichtlich.
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Wenn er sich an die Kammern und Zimmer erinnerte, dann ergab sich ein weiteres Bild. Die Galaktiker hatten bis jetzt nur den oberen Teil der Kartoffel erkundet. Dort hatten sie auch folgerichtig gewölbte und unregelmäßig geformte Decken gefunden. Der Boden zu ihren Füßen allerdings war immer bretteben gewesen. Daraus ergab sich ... Mit den modernen Mitteln ließen sich solche Eindrücke auch als Täuschung fabrizieren, so daß Perry Rhodan mit seinen Spekulationen auf ziemlich unsicherem Boden stand. Auf der anderen Seite stand die einfache Frage: Wenn schon Täuschung, wozu dann der ganze Aufwand? Es ergab keinen Sinn. Folglich ... Es mußte einen Bereich der Station geben, den die Galaktiker bisher nicht betreten hatten und der vermutlich unterhalb der bisher erkundeten Regionen zu finden war. »Klingt alles ziemlich logisch«, bemerkte Reginald Bull, der nach den letzten Ereignissen auffallend schweigsam geworden war. »Aber sollten wir nicht vordringlich nach Alaska suchen? Er könnte in Schwierigkeiten stecken.« Perry Rhodan nickte mit geschlossenen Augen; er massierte sich die Schläfen. In der Hektik der Kämpfe mit den Schattenzwergen waren diese Empfindungen selbstverständlich in den Hintergrund der Wahrnehmung getreten, aber jetzt machten sie sich wieder bemerkbar. Hunger, Durst, Müdigkeit - und dazu kam ein Gefühl, das sich von den anderen unterschied, weil es weniger leicht zu erkennen und zu definieren war. Es war ein Gefühl der seelischen Erschöpfung, das mit körperlicher Müdigkeit wenig zu tun hatte. Körperliche Belastungen und ihre Folgen konnten von jenen Chips neutralisiert werden, die ES Perry Rhodan, Reginald Bull und Alaska Saedelaere eingepflanzt hatte; der Zellaktivator verhinderte die Alterung, machte Gift unwirksam und sorgte dafür, daß die Träger ihre Leistungsfähigkeit rasch
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wiedergewinnen konnten. Aber das galt nur für den körperlichen Teil dieser Überanstrengung. Für den seelischen Teil, für das »Ich kann nicht mehr, ich will einfach nicht mehr, es reicht, es ist genug...«, für diese seelische Erschöpfung, Resignation und Kraftlosigkeit gab es kein Gegenmittel. Damit mußten die Zellaktivatorträger ganz allein fertig werden. »Selbstverständlich ist Alaska in Schwierigkeiten«, murmelte der hochgewachsene Terraner. »Die Frage ist, ob wir ihm helfen können.« Reginald Bull sah ihn düster an. Die Augen des Rotschopfs lagen tief in den Höhlen, das sonst so gutmütig wirkende Gesicht war gezeichnet von Anspannung, Müdigkeit und Skepsis. Bully zwinkerte sehr oft und fuhr sich durch die Haare, all dies Anzeichen für seelische Überbelastung. »Ob wir es können? Oder ob ihm überhaupt zu helfen ist?« versuchte Reginald Bull Rhodans rhetorische Frage zu präzisieren. »Beides, alter Freund«, murmelte Perry Rhodan. Er rang sich ein mattes Lächeln ab. »Ich mache folgenden Vorschlag: Wir suchen eine Stunde lang nach dem Zugang zu den unteren Bereichen und damit hoffentlich auch zum Zentralrechner. Finden wir nichts, suchen wir danach vornehmlich nach Alaska und vergessen alles andere.« Reginald Bull nickte müde. »Meinetwegen«, murmelte er. »Du gehst voran!«
10. Es war so unglaublich einfach. Man mußte es nur wissen ... Perry Rhodan trat in den Raum und blickte sich um. Nichts war zu sehen, nur die metallenen Wände, alle rauchgeschwärzt und verrußt. Das alles verzehrende Feuer hatte auch hier gewütet. -167-
An diesem Raum war nur eines bemerkenswert: Wenn man sich die Station, grob betrachtet, als Kartoffel vorstellte und deren Längsschnitt ebenfalls grob vereinfachte, kam man bei einer Ellipse heraus - es gehörte einiges an Phantasie dazu, aber irgendwann hatte Perry Rhodan diesen Gedanken gehabt. Und dann war ihm aufgefallen, daß die große Halle mit dem Pilzdom ziemlich genau in einem der beiden Brennpunkte lag, welche die Ellipse aufwies. Was lag daher näher, als sich jenen Bereich genauer anzusehen, der mit dem zweiten Brennpunkt der Ellipse zusammenfiel? In Frage kam daher jener Raum, den Perry Rhodan und Reginald Bull gerade betreten hatten. Er war leer, verrußt und ziemlich groß. So groß, daß man, wohl aus statischen Gründen, in der Mitte eine dicke metallene Säule eingezogen hatte, mit einem Durchmesser von fünf Metern. Und das war unsinnig. In der Leere und Schwerelosigkeit des Weltraums hätte man eine Station bequem und sicher aus Leichtmetall bauen können; schließlich brauchten die Strukturen nichts anderes zu tragen als sich selbst - und auch das nur, wenn mit künstlicher Schwerkraft gearbeitet wurde. Der Druckunterschied zwischen draußen und drinnen, also zwischen Weltraum und Lebensbereich, betrug präzise eine Atmosphäre, mehr nicht. Meterdicke Panzerungen, wie sie bei Unterwasserfahrzeugen unumgänglich waren, konnte man sich daher sparen. Solcher Aufwand war nur dann vonnöten, wenn der Raumflugkörper auch dazu bestimmt war, auf einem Planeten zu landen und dort seine eigene Masse stabil zu tragen. Das aber entfiel in dieser Station offenbar, und aus diesem Grund war eine Säule von fünf Meter Dicke purer Unsinn. Es sei denn... Perry Rhodan ging auf die Säule zu - und erlebte die gleiche Überraschung wie beim Betreten des Hangars. Die Säule bestand aus Formenergie; wenn man wußte, wo sie war, konnte man einfach hindurchschreiten.
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Und in ihrer Mitte fand sich dann der Zugang zu den unteren Regionen. »Gut gemacht«, lobte Reginald Bull. Er schaffte es nicht, sich selbst daran zu hindern; alle paar Minuten hob er den Arm mit dem Kombigerät und lauschte kurz. Aber von Alaska Saedelaere kam kein Lebenszeichen. »Nun wollen wir sehen«, sagte Perry Rhodan. Ein langer, hell erleuchteter Korridor nahm die beiden Männer auf. Schon nach wenigen Minuten machte Perry Rhodan eine unangenehme Entdeckung: Anders als er gehofft hatte, waren auch hier Brandspuren zu erkennen. Es gab in der ganzen Station nur sehr wenige Räume, die von dem Feuer nicht verheert worden waren, und diese Räume waren in der Regel völlig unbedeutend gewesen. Nach fünfzig Metern öffnete sich der Gang und gab den Weg frei in einen großen, halbkugeligen Raum. Die Wölbung dieser Kugel zeigte nach unten - umgeben von einem zehn Meter breiten umlaufenden Weg ergab sich so ein fünfzig Meter tiefes Becken, das allem Anschein nach gefüllt war. Perry Rhodan schritt bis an den Rand dieses Beckens. Eine leuchtendrote Flüssigkeit war darin zu erkennen, aber sie schien kaum mehr zu sein als ein Schmiermittel für einige Hunderttausende von Kugeln. Sie erinnerten auf den ersten Blick an Perlen - silbrigweiß schimmernd, bei näherem Hinsehen opalisierend, einen matten, hellen Glanz verstrahlend. Die Perlen bewegten sich unaufhörlich; es bildeten sich Strudel und Wirbel, regelmäßige Muster tauchten auf der Oberfläche auf; es entstanden Schlieren und formten sich zu bizzaren Bildern und Strukturen. Manchmal änderten die Perlen - jede einzelne ungefähr so groß wie eine handelsübliche Tellerlinse - ihre Farben, wechselten von Weiß zu Rot, zu Blau, dann vielleicht auch zu Schwarz. Auf diese Weise vermochte das Perlenbecken sogar komplizierte Bilder zu zeigen.
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Der Beweis dafür wurde geliefert, als sich Perry Rhodan über das Becken beugte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann zeigte die Oberfläche dieses Beckens eine Wiedergabe seines Gesichtes, sehr naturgetreu, zusammengesetzt aus Hunderttausenden von farbigen Perlen. »Oha!« stieß Reginald Bull vor. »Man scheint dich erkannt zu haben!« Perry Rhodan nickte. »Hoffentlich nicht von einem...«, begann er und endete in einer Verwünschung. Aus der Wand des umgebenden Raumes schossen zahlreiche Roboter hervor, bizarre Gestalten, die sofort Kurs auf die beiden Terraner nahmen. »Also doch, von einem Steckbrief!« Die Roboter waren nicht bewaffnet, und sonderlich funktionstüchtig sahen sie auch nicht aus. Das hieß aber nicht, daß sie nicht gefährlich zu werden vermochten. Die erste Maschine, ein mehrseitiger Kasten auf Rädern, beschleunigte und versuchte Perry Rhodan zu rammen. Rhodan kam nicht schnell genug von der Stelle und wurde getroffen. Es tat ziemlich weh. Reginald Bull hatte es mit einem grimmigen automatischen Farbsprüher zu tun, der ihn mit einem Streifenmuster zu verzieren versuchte; Bully hatte keine Lust, im Inneren eines Lacküberzuges zu sterben, und nahm ebenfalls Reißaus. »Verdammt!« schrie Bully wütend. »Was haben die gegen uns?« »Wir sind Fremde«, antwortete Perry Rhodan und machte, daß er wegkam. Rhodan stieß ein kurzes Lachen aus. »Wenigstens wissen wir jetzt, wo diese Zentrale ist. Immerhin etwas. »Und jetzt suchen wir vor allem Alaska?« erkundigte sich Bully und wich einem heranstürmenden Roboter aus, der mit einer Greifzange nach ihm zu schnappen versuchte.
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»Richtig«, bestätigte Perry Rhodan und eilte die Stufen hinauf, die in den oberen Bereich der Station führten. Reginald Bull folgte, und die Roboter blieben zurück. Mit scheppernden Gerätschaften, brummenden Maschinen und wild herumfuchtelnden Augen versammelten sie sich am Fuß der Treppe und gaben zu erkennen, daß sie nur darauf warteten, daß die Feinde zu ihnen herabstiegen. »Wenn es nicht so ärgerlich wäre, könnte man darüber lachen«, meinte Reginald Bull. »Das Lachen wird uns bald vergehen«, orakelte Perry Rhodan düster. »Ich habe ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache.« »Nanu, plötzlich nicht mehr der vertraute Optimismus?« Perry Rhodan schüttelte den Kopf. »Ich ahne, daß hier und jetzt etwas Großes seinen Anfang nimmt«, sagte er leise. »Und daß dieser Anfang völlig anders aussieht, als die Beteiligten sich das vorgestellt haben.« »Und wie haben sie sich die Sache vorgestellt?« »Anders jedenfalls«, behauptete Rhodan, während er an Bullys Seite durch die Korridore und Gänge der Station ging. »Hier hat, man kann es überall sehen, ein furchtbares Feuer gewütet. Inzwischen ist das Feuer aus, das Metall hat sich abgekühlt, das Löschwasser ist abgesaugt oder verdunstet - ich bin ziemlich sicher, daß seit dem Ausbruch dieses Brandes eine geraume Zeit verstrichen ist.« »Und?« »Würdest du eine Station wie diese unbeaufsichtigt durchs All treiben lassen? Würdest du nicht wenigstens nachsehen, was aus der Besatzung geworden ist, wieviel von der Einrichtung funktioniert, was man von den Waren noch gebrauchen kann?« »Klingt überzeugend«, gab Reginald Bull zu. »Irgend etwas stimmt hier nicht«, sagte Perry Rhodan leise. »Ich meine, wir sollten ...« Er verstummte. Unwillkürlich blieben er und Bully stehen. Sie hatten Alaska Saedelaere gefunden.
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Präziser ausgedrückt: das, was von Alaska Saedelaere übrig geblieben war. »Großer Gott!« stieß Reginald Bull hervor. »Was ist das?« Er deutete auf die blasige Gallerte, die Alaskas Körper vollständig eingehüllt hatte. »Vielleicht die Erklärung für alles«, murmelte Perry Rhodan erschüttert. »Vielleicht ist es eine besondere Form von Amöbe, von Leben aus dem Weltraum. Sie ist in die Station eingedrungen. Man hat sie bekämpft, zum Schluß mit Feuer. Vielleicht sind viele dieser Amöben umgekommen. Diese hat jedenfalls sogar das Feuer überlebt, und vielleicht hat sie die anderen Überlebenden in sich aufgenommen, so, wie sie Alaska verschlungen hat. Das würde erklären, warum wir nirgendwo Spuren einer Besatzung finden.« »Das ist nicht dein Ernst«, stieß Reginald Bull hervor. »Was machen wir jetzt? Kann Alaska noch leben?« »Im Inneren dieser Amöbe? Ausgeschlossen«, widersprach Rhodan. »Dann sollten wir etwas unternehmen«, ärgerte sich Bully. Perry Rhodan zögerte. »Ich weiß nicht«, gab er zu. »Für uns ist diese Lebensform ungefährlich, mehr kann ich nicht sagen. Wir könnten versuchen, Alaska eine Raumbestattung zukommen zu lassen, aber dafür müßten wir eine Schleuse öffnen können. Außerdem...« »Großer Gott!« stieß Reginald Bull erschüttert hervor. »Sieh dir das an, Perry! Sieh dir das an!« Er deutete auf die transparente Plastikmasse, die Alaskas Körper vollständig eingeschlossen hatte. »Schau mal, er atmet noch. Er lebt. Irgendwie kann Alaska da drin überleben!« Perry Rhodan kniete neben der Amöbe nieder, Bully folgte seinem Beispiel. Gebannt starrten die beiden Terraner auf den Körper von Alaska Saedelaere. Bully hatte recht: Deutlich war zu sehen, wie sich Alaskas Brust langsam hob und senkte.
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Für eine Reaktion war es zu spät, viel zu spät. Von einem Augenblick auf den anderen waren sie gepackt und gefesselt. Die Amöben waren von der Decke gefallen, wo sie niemand hatte sehen können, da sie nahezu völlig transparent waren. Es dauerte nur wenige, aber schrecklich lange Sekunden, dann waren auch Reginald Bull und Perry Rhodan eingehüllt wie Alaska Saedelaere. Sowenig wie Saedelaere vermochten sie sich gegen die Gegner zu wehren. Die Terraner stürzten auf den Boden, blieben betäubt liegen. Es gab nichts mehr, das sie zu ihrer Rettung hätten machen können.
11. Langsam richtete sich der schimmernde Körper auf. Die Bewegungen waren langsam, zeitlupenhaft, als wisse der Mann nicht recht, mit diesem Körper umzugehen. Ungelenk, fast hölzern, so schleppte er sich vorwärts. Was in seiner Nähe geschah und was es dort zu sehen gab, das interessierte ihn nicht. Er wußte, was zu tun war. Was von ihm getan werden mußte. Er schritt eckig aus, schwang die Arme wie eine Marionette. Sein Gesicht war gänzlich ohne Ausdruck, die Augen blickten starr in eine rätselhafte Leere und Weite. Nur ab und zu glitt das Lid nach unten, verharrte dort eine Minute lang, ohne daß der Mann seinen Marsch abbrach, und glitt dann ebenso langsam wieder nach oben. Schritt um Schritt machte der Eingeschlossene, mit marionettenhaften Bewegungen, sehr zielgerichtet und präzise. Nicht einen Augenblick lang zögerte die Gestalt, wenn sie eine Entscheidung zu treffen hatte.
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Ihr Ziel war der Hangar mit dem Keilraumschiff, und Schritt um Schritt kam er diesem Ziel näher ... Langsam komme ich wieder zu mir. Mein Kopf dröhnt, in meinem Magen grummelt es, meine Glieder schmerzen. Wenigstens ist die Angst weg. Das Grauen, das ich empfunden habe, als sich diese ekelhafte Gallerte über mein Gesicht schob, werde ich bis ans Ende meiner Tage nicht vergessen. Zu ersticken, auf diese Weise erstickt zu werden ist ein scheußlicher Tod. Es hat auch nichts geholfen, daß ich ein paar Augenblicke vorher Alaska gesehen habe - und gesehen habe, daß er im Inneren dieser Amöbe noch gelebt hat. Die Todesangst war trotzdem da, das heißt: nicht Todesangst, sondern Angst, auf diese gräßliche Weise zu sterben. Der Unterschied mag akademisch oder spitzfindig klingen, für mich ist er wichtig. Etwas sticht hart und schmerzhaft in meine linke Seite. Je wacher ich werde, um so deutlicher wird mir, daß ich neben Schmerzen auch Hunger habe und Durst. Und daß ich entsetzlich müde bin. Wo bin ich eigentlich? Nicht genau zu sagen. Ich bewege mich. Präziser: Ich werde bewegt. Irgend jemand - nein, dem Geräusch nach zu schließen irgend Etwas bewegt mich. Es klingt nach einer Maschine, und es fühlt sich nach einer Maschine an, die nicht eigentlich für den Transport von Personen gedacht ist. Ich kann atmen, in langen tiefen Zügen. Heißt das, daß ich frei bin? Nicht ganz, ich spüre noch Widerstand an den Handgelenken und an den Beinen. Aber wenn ich den Blick hebe, kann ich Bully sehen. Er sieht aus wie ein Schläfer. Die Verpackung, halbtransparente Fetzen eines unbekannten Materials, hängt von seinem Körper herab, schleift auf dem Boden und löst sich langsam, aber sicher auf.
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Hat da jemand nachgeholfen? Ich glaube nicht. Wahrscheinlich liegt es an den Zellaktivatoren. Die lebenserhaltenden Impulse eines Zellaktivators, unersetzlich lebenswichtig für den Träger, sind für jedes andere Leben sehr gefährlich. Thomas Cardiff, der mein Sohn war und meinen Aktivator gestohlen und getragen hat, ist vor über 2000 Jahren an den Folgen dieses Tragens gestorben, an explosivem Zellwachstum. Wahrscheinlich verträgt die Amöbe diese Impulse ebenfalls nicht. Wie gut für Bully und mich. Aber Alaska? Wieviel Zeit ist vergangen, seit wir von den Amöben überfallen und eingehüllt worden sind? Ich weiß es nicht. Wie lange haben wir so da gelegen, eingepackt und regungslos? Wieviel früher als wir ist Alaska in diese Falle gegangen? Eigentlich müßte er entsprechend lange vor uns freigekommen sein, und dann müßte er nun in der Nähe sein ... Nein, er müßte nicht. Was uns trägt und fortschafft, sind Maschinen, vermutlich Roboter, die unter dem Kommando des Zentralcomputers dieser Station stehen. Sie haben uns entdeckt, dann gleich für den Transport verschnürt und gepackt. Jetzt schaffen sie uns in die Zentrale, und was dort auf uns wartet, können wir uns ausrechnen. Zentralrechner dieser Art sind neugierig, und wenn ich an das Arsenal und seine »Spielzeuge« denke, dann habe ich den Verdacht, daß die Herren dieser Station und damit auch der Zentralsyntronik alles andere als zimperlich sind, wenn es um das Erreichen ihrer Ziele geht. Wir müssen uns auf harte Zeiten gefaßt machen. Es geht abwärts. Nun kann es nicht mehr lange dauern, bis wir diesem eigentümlichen Gebilde aus bunten Perlen vorgeführt werden. Ist das nun die eigentliche Syntronik - oder was auch immer-, oder ist das nur ein Ausgabegerät, zugeschnitten auf die primitiven Denkgewohnheiten von uns Terranern?
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»Perry?« »Ich bin klar, Bully«, antworte ich. Jetzt werde ich nur von den Maschinen gehalten. Ich kann es spüren, die Molluske, die mich völlig eingehüllt hatte, ist von mir abgefallen, vermutlich zerstört von meinem Zellaktivator. Die Roboter kommen zum Stillstand. Dann löst sich der Griff. Langsam richte ich mich auf. »Willkommen, Herr des Arsenals. Wir haben lange Zeiten auf dich gewartet!« Es ist dieselbe mentale Sprache, in der auch die Nischen des Arsenals mit den Besuchern Kontakt aufnehmen. Die Stimme erklingt mitten in meinem Kopf, sie ist klar und deutlich, aber ohne erkennbare Emotionen. »Du kennst mich?« Ich formuliere die Frage in meinem Kopf und »schicke« sie gewissermaßen zu der Syntronik hinüber. Kann ich diese Maschine belügen? Kann sie jeden meiner Gedanken erfassen? Oder nur das, was ich ihr wirklich bewußt mitteilen will? Eine wichtige Frage für die weitere Kommunikation, aber ich bekomme einstweilen keine Anwort. »Du bist der, der da kommen soll, um das Arsenal der Baolin-Nda in Besitz zu nehmen. Aber du bist vor deiner Zeit gekommen.« »Dann bin ich zu früh?« »Viel zu früh. Und viel zu spät.« Vorsicht! geht es mir durch den Kopf. Wenn Computer anfangen, in solchen Sätzen zu reden, ist Gefahr im Verzug. Zwar kann man keinen Rechner mehr dadurch zum Absturz bringen, daß man ihm eine Division durch Null zumutet oder ähnliche Paradoxien; auf dergleichen sind die Positroniken und Syntroniken aller Art eingerichtet. Aber es gibt andere interne Probleme, die dazu führen, daß eine Maschine innerlich zusammenbricht. Sie explodiert nicht, jedenfalls nicht sofort, sie hört auch nicht auf zu arbeiten, aber sie produziert
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Fehler in Mengen. Da ihrer inneren Selbstkontrolle diese Fehler auffallen, gerät solch ein Rechner in immer größere Schwierigkeiten, mit sich selbst umzugehen, und schließlich kommt es zu einem Zusammenbruch. Und dabei reden die Rechner entsprechend konfuses Zeug. »Wann hätte ich denn kommen sollen?« will ich wissen. »Zehntausend Jahre«, vertraut mir der Rechner an, »dauert es, bis ein Arsenal wie dieses bereit zum Einsatz ist. Und es wird weitere zehn Jahrtausende dauern, bis dieses Arsenal dir wieder zur Verfügung stehen kann. Du bist zu sprüh gekommen.« Ich muß handeln, bevor diese Maschine endgültig ihren Geist aufgibt. »Du kennst die Große Halle mit dem Pilzdom darin?« frage ich laut, so daß auch Bully den Text verstehen kann. »Er untersteht unserer Kontrolle, wenn du willens bist, das Arsenal der Baolin-Nda zu übernehmen«, werde ich informiert. »Ich weise dich an, sofort den Zugang zum Pilzdom freizugeben und den Dom selbst ...« Die Antwort kommt, noch bevor ich die Frage vollständig ausgesprochen habe. »Befehl ausgeführt. Über den Pilzdom selbst habe ich keinerlei Verfügungsgewalt!« Wenigstens etwas. Immerhin haben wir jetzt eine Chance, den Rückzug anzutreten. »Zu spät. Nach so langer Zeit zu früh. Viel zu früh, viel zu spät...« Es kann sich um keine unserer Syntroniken handeln. Die kapitulieren nicht so schnell. Dieser Rechner beruht auf einer ganz anderen Technologie. Ich werde mich hüten, sie als zweitklassig zu bezeichnen, nur weil dieser Rechner den Geist aufgibt. Ich kann sehen, wie die Perlen langsam ihre Farbe verlieren. Ein letztes Mal bäumt sich der Rechner auf. Seine Oberfläche formt ein Symbol. Eines, das ich kenne.
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Es gleicht dem Waben-Symbol, das ich bereits auf Trokan gefunden habe, unterhalb des Kummerog-Tempels. Aber wo ist der genaue Zusammenhang? Dann folgt eine absurde, brillante Bilderflut. Blitzartig wechseln die Eindrücke, es ist ein ganzes Kaleidoskop. Lebewesen, Welten, Raumschiffe, Galaxien, Maschinen alles ist für wenige Sekundenbruchteile zu sehen, gerade lang genug, um einen Eindruck zu hinterlassen, aber viel zu kurz, damit man es sich hätte einprägen können. Zu früh, zu spät ... Die zentrale Recheneinheit dieser Station erlischt, sie stirbt regelrecht. Die Perlen werden blaß und blasser, verlieren gänzlich ihre Farbe. Sie bewegen sich nicht mehr, dann backen sie zusammen und lösen sich auf. Jetzt ist die Halbkugel nur noch gefüllt mit einem fahlen Schleim, der sich rasch zu zersetzen beginnt. Bully stößt einen Fluch aus. Ich kann ihn verstehen. »Was jetzt?« Es gibt nur eine Entscheidung, die wir treffen können: Wir müssen Alaska finden. Und dann geht es zurück. »Los, Alaska suchen!« Unsere Glieder schmerzen, in unseren Eingeweiden wütet der Hunger. Bully ist müde und ausgepumpt, aber er ist auch zäh und gibt nicht auf. Das hat er nie getan. Er sieht aus wie einer, der das Leben liebt, die Genüsse, die Bequemlichkeit. Das ist auch völlig richtig. Aber Bully kann knochenhart sein, auch zu sich selbst, und wenn er etwas versprochen oder zugesagt hat, dann hält er es. Aus Prinzip. Aus Ehre. Aus Selbstachtung, das ist vielleicht die präziseste Beschreibung. Er wird nicht aufgeben, bis wir Alaska gefunden haben, lebend oder tot. Noch lebt Alaska. Er hat gelebt, als wir ihn zum erstenmal gefunden haben. Er ist Zellaktivatorträger wie wir, es sollte ihm also gelungen sein, die scheußliche Amöbe loszuwerden. Aber warum ist er dann nicht wie wir in den Raum des
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Zentralrechners geschafft worden? Es gibt so vieles, was ich nicht verstehe. Zuerst ist tagelang überhaupt nichts los, dann überschlagen sich die Ereignisse. Wir raufen uns mit Schattenzwergen, ein sinnloses, nur Schmerz erzeugendes Gefecht. Wir suchen nach dem Zentralrechner, und kaum haben wir ein paar Worte mit ihm gewechselt, bricht er jämmerlich zusammen. Wir sind gescheitert, nichts haben wir erreicht. Ein Name: Arsenal der Baolin-Nda. Aber was besagt das schon? Das Arsenal ist über eine lange Zeit hinweg aufgebaut worden, über zehntausend Jahre. Das machte die Fülle an Angeboten verständlich. Aber für wen wurde es eingerichtet? Doch nicht für mich. Die Vorstellung, jemand habe vor zehntausend Jahren ein solches Arsenal eingerichtet, speziell für Perry Rhodan, und der stolpert dann mehr durch Zufall als durch Planung hinein - sowohl zu früh als auch zu spät. Unsinn, zuviel der Zufälle. Aber vielleicht können wir die genauen Zusammenhänge später in Erfahrung bringen. Der Platz, an dem wir Alaska gefunden haben, ist leer. Wir hasten weiter. Vielleicht ist er im Hangar? Es wird schwer werden, alle Geheimnisse zu lüften, die diese Station umgibt. Allein der Zugang - über die Brücke in die Unendlichkeit. Ich erinnere mich an das Schreiten über diese Brücke, ein Vorgang, der sich mit nichts vergleichen läßt. Es gibt eine unmittelbare, meine ganze Persönlichkeit durchdringende Wechselwirkung zwischen der Brücke und mir. Wir gehören zusammen, wir sind füreinander bestimmt mag das auch noch so absurd klingen. Der Hangar. »Verdammt!« Bully läßt eine Serie von Flüchen hören. Genau vor unseren Augen gleitet das schwarze Keilschiff durch eine Schleuse aus Formenergie. Einen Augenblick lang sehen wir das Schiff noch, dann schließt sich die Schleuse wieder.
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Das Schiff hat abgelegt, ist mit unbestimmtem Kurs verschwunden. »Er ist an Bord«, sage ich. »Wer?« »Alaska!« »Woher willst du das wissen?« Ich hebe die Schultern. Ich weiß es eben, man frage nicht, wieso und warum. Im übrigen weiß es Bully ebenfalls. »Und nun?« Alaska geht seine eigenen Wege, wenn es denn seine eigenen Wege sind. Freunde in Gefahr zurückzulassen, das ist nicht die Art des Alaska Saedelaere. Es sieht ihm ganz und gar nicht ähnlich. Eines Tages werden wir es genauer wissen. Jetzt aber haben wir ein anderes Problem - und vielleicht auch die Lösung dafür. Zurück zur Großen Halle. Eigentlich müßte das Schott jetzt offenstehen. Und dann in den Pilzdom, zurück nach Trokan. Und anschließend, mit allem, was wir an Bord der GILGAMESCH an Material und Menschen aufbieten können, wieder in das Arsenal der Baolin-Nda. Wenn es klappt, werden wir auch das Geheimnis des Arsenals lüften. Und wenn es nicht klappt? Dann werden wir zu einem ungelösten Geheimnis werden...
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Peter Griese
Der Mutant der Cantrell
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1. Mit dem Erwachen war es wieder da. Das Grauen, die Angst, die Atemnot. Das schreckliche Gefühl, in einem hautengen Gefängnis zu sitzen und sich nicht mehr bewegen zu können. Klaustrophobie in ihrer absoluten Form. Die Erinnerung kehrte nur allmählich zurück. Ich verstand nicht, was geschehen war. Auf meinem Bewußtsein lag etwas Lähmendes. Etwas unsagbar Fremdes und etwas Grauenvolles. Es beherrschte mich vollständig. Ich bewegte mich, aber es geschah nicht nach meinem Willen. Ein anderer gab die Befehle an meinen Körper. Und der Körper gehorchte. Die Umgebung war mir völlig fremd. Vielleicht befand ich mich im Inneren eines Raumschiffs. Ein Korridor, blinkende Signallichter, künstliche Beleuchtung, düster und ungemütlich. Ein Sessel. Ich nahm Platz, weil es der, der mich beherrschte, so wollte. Ich konnte wie durch einen Schleier meine Hand beobachten. Sie hob sich und glitt über eine Tastatur. Dann senkte sie sich. Ich streckte einen Finger aus und berührte einen Schalter. Start! Verdammt! War das eine Stimme? Oder ein eigener Gedanke? Ich konnte nichts unterscheiden. Ganz plötzlich war ich im Weltraum. Ich sah in weiter Ferne verschwommene Lichter von Galaxien. Und ich erkannte das Innere eines mir unbekannten Raumschiffs. Meine Sinne waren völlig verwirrt. Ich konnte mich an nichts erinnern. Das Fremde lähmte mein Bewußtsein. Es ließ mir gerade so viel Platz, daß ich ein bißchen denken konnte. Und ein bißchen sehen. Mehr nicht.
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Ich versuchte verzweifelt, mich an das zu erinnern, was geschehen war, bevor ich die Besinnung verloren hatte. Meine Gedanken arbeiteten sich durch einen zähen Sumpf. Sie tasteten umher und fanden nichts. Diese schreckliche Enge! Dann plötzlich erinnerte ich mich. Dabei hatte ich das unbestimmte Gefühl, daß der, der mich beherrschte, mich ein winziges Stück der Erinnerung wahrnehmen ließ. Nicht viel, aber eben jenes Empfinden eines geistigen Impulses, der mich mit solcher Bösartigkeit getroffen hatte, daß mein Gehirn sich einfach abgeschaltet hatte. Er will seine Macht demonstrieren, überlegte ich. Stimmt! Da war es wieder. Ein Wort, ein Gedanke. Das Wort entstand in meinem Bewußtsein, aber es kam nicht aus ihm heraus. Es erklang in einer Sprache, die mir unbekannt war, die ich aber dennoch verstehen konnte. Die Suche nach der Erinnerung war wie das Öffnen eines schwarzen Tores. In der Mitte existierte ein winziger Spalt. Nur wenn ich meinen Blick exakt darauf richtete, konnte ich durch den Spalt sehen und etwas Verschwommenes dahinter erkennen. Ich konzentrierte mich erneut. Der Spalt wurde etwas größer. Das Tor glitt ein Stückchen zur Seite. Nicht viel, aber es reichte, um ein anderes Fragment der Erinnerung zu erfassen. Das Ding aus Gallert! Oder was immer das für ein furchtbares Zeug gewesen war, das mich regelrecht überfallen und eingehüllt hatte. Merkwürdigerweise spürte ich davon fast nichts mehr. Die Enge bestand nur in meinen Gedanken. Ich wollte meinen Kopf senken, um meine Hände genauer zu betrachten. Sie lagen auf den Knien. Bewegungslos. Erstarrt. Das sagte mir ein unbestimmtes Gefühl. Mein Kopf ließ sich aber nicht bewegen. Das Fremde kontrollierte alle Körperfunktionen.
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Ohne etwas gewollt zu haben, erhob ich mich. Ich drehte mich einmal im Kreis und sammelte eine Menge an optischen Eindrücken. Ja, das war eine Raumschiffszentrale. Nicht ganz 20 Meter Durchmesser, eine Halbkugel. Fremde Instrumente. Auf dem Boden lagen verschiedene Dinge, die ich nicht identifizieren konnte. Der Kommandant dieses Raumschiffs mußte ein fürchterlicher Schlamper sein. Zwischen technischen Geräten, die achtlos auf den Boden geworfen worden waren, entdeckte ich Dreckhaufen, Unrat und Verfaultes. Unwichtig! Wieder nur ein Wort oder ein Gedanke in der fremden und doch verständlichen Sprache. Eine schmutzige Höhle, überlegte ich. Wie komme ich hierher? Und wo bin ich überhaupt? Meine Gedanken wurden in eine andere Richtung gelenkt. Ich spürte, daß das ein gezielter Vorgang war. Die Macht, die mich beherrschte, wollte, daß ich bestimmte Dinge erkannte. Das Arsenal der Baolin-Nda. Die sackähnliche Substanz, die ich entdeckt hatte. Und die sich plötzlich bewegt hatte und dabei riesige Kräfte entwickeln konnte. Sie hatte mich verschlungen. Nein, eingehüllt. Diesmal waren es zwei Worte. Ich verstand. Das Ding, das körperlich und geistig von mir Besitz ergriffen hatte, war ein intelligentes Wesen. Es steuerte mich fast vollständig. Nur ein paar eigene Gedanken waren noch frei. Und selbst die nahm es auf, wie die wenigen Worte bewiesen, die ich zu »hören« bekam. Ich stemmte mich mit aller Macht gegen den geistigen Druck. In der Tat hatte ich das Gefühl, daß da etwas nachgab. Die Enge in meinem Kopf war nun nicht mehr so unerträglich. Hatte das Ding mir absichtlich etwas mehr Freiheit eingeräumt? Oder gab es eine Möglichkeit, mich zu widersetzen? Andere Erinnerungen kehrten zurück.
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Trokan, der Pilzdom, Perry Rhodan und Bully, der Gang durch die Wand, die Brücke in die Unendlichkeit, das Arsenal, die von einem furchtbaren Brand verwüsteten Nischen, das Raumschiff ... CANT! Zum ersten Mal verstand ich ein wahrgenommenes Wort nicht. Was, bei allen verdammten Black Holes, war CANT? Der Name dieses Raumschiffs! Das Wesen wurde gesprächiger. Und ich verstand. In einem Hangarraum des Arsenals hatten wir ein Raumschiff entdeckt. Es war keilförmig gewesen, etwa 300 Meter lang, pechschwarz. Nach vorn hin lief es stumpf zu, und es besaß dort eine goldene Bughalbkugel von etwa zwanzig Metern Durchmesser. Das Schiff hatte aber keinen erkennbaren Zugang gehabt. Mir war klar, daß ich mich jetzt im Inneren des Schiffes befand. Das Ding, das mich kontrollierte, hatte mich an Bord gebracht. Anders konnte es nicht sein. Dann war die CANT gestartet. Sie hatte das Arsenal der Baolin-Nda verlassen und Fahrt in eine mir unbekannte Richtung aufgenommen. Asteroid Klinker, vernahm ich. Das Ziel. Das war verständlich, auch wenn mir der Name nichts sagte. Der mentale Druck, der die unerträgliche Enge in meinem Bewußtsein erzeugte, ließ plötzlich nach. Ich hatte das Gefühl, daß mein Beherrscher »schwieg«. Das gab mir die Gelegenheit, über die eigene Situation nachzudenken. Was war das für ein Wesen, das ich etwas unachtsam für einen leeren Plastiksack gehalten hatte? Es hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Matten-Willy. Unwillkürlich mußte ich an die vielen Jahre denken, in denen ich mit dem Cappin-Fragment im Gesicht gelebt hatte. Es war so abgrundtief widerlich, jetzt wieder ein fremdes Wesen an meinem Körper zu spüren. Dieses Ding klebte nicht
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nur an mir. Es hatte mich ganz offensichtlich vollständig eingeschlossen. Und zudem noch von meinem Bewußtsein weitgehend Besitz ergriffen. Ich zweifelte nicht daran, daß es in der Lage war, auch die letzten Reste meines Egos zu beherrschen. Aber das tat es nicht. Darin begründete ich einen winzigen Hoffnungsschimmer. Dieses Wesen brauchte mich! Es löschte mich nicht aus, weil es meinen Körper benutzen und erhalten wollte. Welche Absicht es aber mit mir verfolgte, konnte ich nicht erahnen. Die ganze Tragweite meiner Lage wurde mir bewußt. Ich erschauderte. Ich drohte wieder in die Besinnungslosigkeit zu entfliehen. So konnte ich nicht existieren. Und ich besaß nicht einmal die Möglichkeit, diesem grauenvollen Dasein ein Ende zu bereiten. Ich spielte ernsthaft mit dem Gedanken, mich umzubringen. Sollte es die Gallertmasse ruhig vernehmen! Mein Aktivatorchip! Warum half er mir nicht gegen diesen... diesen Befall? Er mußte doch merken, daß etwas Fremdes in meinen Körper geschlichen war und seine Fühler bis ins zentrale Nervensystem ausgestreckt hatte! Normalerweise hätte der Aktivator die Gallertmasse mit seinen Impulsen längst abgetötet haben müssen. Aber nichts Derartiges geschah. Die Gründe dafür blieben rätselhaft. Die Hoffnungslosigkeit nahm mich wieder in ihre unbarmherzigen Arme. Sie preßte mein Bewußtsein zusammen wie einen nassen Schwamm. Ich schloß die Augen und... ...und spürte Hunger und Durst! Für einen Moment war es mir rätselhaft, wie ich gerade jetzt so banale Empfindungen haben konnte. Oder stammten diese Gefühle auch nicht von mir? Ein Wunder waren sie nicht, denn seit vier Tagen, seit ich mit Perry und Bully den Pilzdom auf Trokan betreten hatte,
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hatte ich praktisch keine Nahrung zu mir genommen. Die trübe Flüssigkeit, die Bully im Arsenal entdeckt hatte, hatte den Flüssigkeits- und Nahrungsbedarf ein wenig ausgeglichen. Mehr nicht. Ein anderer Gedanke kam mir in den Sinn. Ernährte ich am Ende dieses Wesen mit? Oder ernährte es sich direkt von meiner Körpersubstanz? Wenn das zutraf, dann war mein Ende nicht mehr weit. Wie sagte man so schön auf Terra? Lieber ein Ende mit Schrecken - als ein Schrecken ohne Ende. Vielleicht konnte ich den Parasiten aushungern? Ich wollte alle Möglichkeiten gedanklich durchgehen, die mich von diesem Wesen befreiten. Aber mir fiel nichts ein. Ich erhob mich unvermutet. Das Ding steuerte meinen Körper. Ich tat nichts. Ich erlebte es nur. Ganz real. Ich verließ die eigentliche Zentrale. Da mein Blick für die Umgebung wieder etwas genauer geworden war, erkannte ich viele filigrane Bedienungselemente. Einige Geräte konnte ich als Ortungssysteme identifizieren. Ein Teil der Aggregate befand sich in einem ausgezeichneten Zustand. Das war hochwertige Technik von einem Standard, den die Galaktiker nicht vorweisen konnten. Aber andere Geräte waren teilweise zerstört oder mehrfach geflickt worden. Die Zerstörungen rührten augenscheinlich von ergebnislosen Reparaturversuchen her. Auch gewann ich den Eindruck, daß ein großer Teil der Systeme nachträglich eingebaut worden war. Die Abmessungen stimmten nicht mit den räumlichen Gegebenheiten überein. Zuleitungen verschwanden durch Löcher in der Decke oder in den Seitenwänden, die völlig unfachmännisch mit einem Desintegrator oder einer ähnlichen Waffe in das Metall geschnitten worden waren. Ich verließ die Zentrale durch einen schmalen Seitengang und betrat einen kleinen Raum. Meine Hände öffneten ein Fach in einer Wand. Dahinter lagen mehrere weiße Gegen-
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stände von ganz unterschiedlicher Form. Ich nahm einen in die Hand und spürte die große Kälte, die von ihm ausging. Tiefgefrorener Nahrungsbrei, vernahm ich. Ich öffnete ein zweites Fach. Es war leer. Ich ließ den weißen Klumpen fallen. Das Fach schloß sich selbständig. Ein drittes Fach. Eine Flasche. Ich öffnete den Verschluß und trank. Es schmeckte fruchtig und frisch. Selbst wenn es giftig gewesen wäre, hätte es mir nichts ausgemacht. Der Aktivatorchip hätte das Gift neutralisiert. Die Flüssigkeit, die mich an stark mit Wasser verdünnten Fruchtsaft erinnerte, tat mir gut. Sie belebte mich und meine lädierten Geister. Ich nahm die Flasche mit zum zweiten Fach. Als ich es öffnete, stand dort eine Schale mit einem dampfenden grünen Brei. Daneben lag ein Löffel. Es roch angenehm. Ich entnahm die Schale und den Löffel, trug sie und die Flasche in die Zentrale und begann zu essen. Ganz allmählich gingen die Bewegungen meiner Hand und das Kauen und Schlucken des Breies in meine Kontrolle über. Ich konnte erst die Geschwindigkeit der Abläufe steuern und schließlich auch die Bewegungen selbst. Das konnte nur bedeuten, daß mein Beherrscher die geistige Klammer gelockert hatte. Ich reagierte, kurz bevor ich die Schale geleert hatte. Der Gedanke entstand irgendwo in meinem Unterbewußtsein. Ich hoffte, daß die Gallertmasse ihn nicht wahrnehmen konnte. Mit Konzentrationsübungen hatte ich genügend Erfahrungen. Ich sammelte in Sekundenbruchteilen alle geistigen Potentiale und schlug damit auf den Parasiten ein. Verschwinde! Verrecke! Stirb! hämmerte ich auf ihn ein. Fahr zur Hölle, du lausiges Stück Dreck! Er schlug zurück. Der Löffel und die Schale entglitten meinen Händen und polterten zu Boden. Um mein Bewußtsein legte sich tiefe Dunkelheit. Den ersten Kampf hatte ich verloren.
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Die nächsten Minuten erlebte ich wie im Halbschlaf. Mein Beherrscher erlaubte mir keine freien Gedanken. Ich war ein hilfloser Sklave, der nicht einmal am Geschehen voll teilnehmen konnte. Aber einiges verstand ich auch so. Wieder wurden meine Hände benutzt, um einen Schaltvorgang einzuleiten. Die CANT geht in den Hyperraum, erklärte das unheimliche Wesen bereitwillig. Der Flug nach Klinker wird etwa zwanzig Tage dauern. Natürlich hörte ich eine Zeitangabe, die nicht »zwanzig Tage« lautete. Aber in meinem Bewußtsein wurde der Wert aus der fremden Sprache sozusagen umgerechnet und entsprechend verständlich dargestellt. Zwanzig Tage in diesem Sack! Welche Grauen standen mir noch bevor? Ein Normalsterblicher wäre sicher längst wahnsinnig geworden. Mir half der Aktivatorchip mit seinen Impulsen, aber auch die Tatsache, daß ich durch die vielen Jahre mit dem Cappin-Fragment an ähnliche Situationen gewöhnt war. Plötzlich sah ich alles ganz klar. Die Anzeigen auf dem Kontroll- und Steuerpult waren relativ leicht zu verstehen. Das Bild der fernen Galaxien war verschwunden. Draußen regierte die Lichtlosigkeit des Hyperraums. Das Wesen gab mich noch ein Stück weiter frei. Ich konnte den Kopf und die Hände bewegen. Aber meine Beine blieben taub und für mein Gehirn unzugänglich. »Wie heißt du?« Diesmal hörte ich die Worte so, als ob sie gesprochen worden wären. »Alaska Saedelaere«, entgegnete ich. »Das ist mir zu lang. Ich werde dich Alaska nennen.« »Von mir aus. Und wer oder was bist du?«
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Die Antwort kam nicht sofort. Ich spürte ein Rumoren in meinem Kopf und hatte das Empfinden, daß das Wesen etwas in meinem Wissensschatz suchte. »Ich bin eine Haut Kummerogs«, hörte ich. »Wie ich festgestellt habe, kannst du damit wenig anfangen.« »Den Namen Kummerog kenne ich.« Mir war, als schwappe eine Flut warmen Wassers durch mein Bewußtsein. »Du kennst Kummerog? Du bist ihm begegnet?« Neugier und positive Verwunderung registrierte ich. Und Begeisterung. Ich zögerte. Vielleicht war es dumm, etwas zu berichten. Aber andererseits war dieses Wesen wohl in der Lage, sich alles Wissen auch gegen meinen Willen aus meinen Erinnerungen zu holen. »Was willst du, Haut?« fragte ich laut. Haut - ein saublöder Name! »Immer eins nach dem anderen, Alaska. Wir haben Zeit genug. Erzähl mir von Kummerog. Ich kann mir die Informationen auch selbst holen, aber das kostet unnötige Kraft. Ich kann dir aber die Gurgel zuschnüren oder den Darm durchtrennen, wenn du nicht willig bist.« Ich spürte einen zunehmenden Druck am Hals und mußte heftig schlucken. »Laß das, Haut! Ich spreche ja schon.« »Ich höre.« Ich hatte längst beschlossen, offen zu reden. Meine Lage erlaubte es nicht anders. Dabei hoffte ich, daß ich aus dem Gespräch etwas erfahren könnte, was für meine Befreiung geeignet war. »Ich kam zusammen mit zwei Freunden von einem Planeten namens Trokan über die Brücke in die Unendlichkeit in das Arsenal der Baolin-Nda. Die auf Trokan lebenden Eingeborenen, die Herreach, verehren eine Gottheit namens Kummerog. Gesehen hat diesen Kummerog aber noch niemand, auch ich nicht.«
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Ich war mir ziemlich sicher, daß dieses Wesen mit den vielen Namen und den Fakten nichts anfangen konnte. Um so mehr verblüffte mich seine Antwort: »Das verstehe ich. Und ich hatte gehofft, du könntest mir etwas über den Aufenthalt Kummerogs sagen.« »Du verstehst das?« Ich mußte trotz meiner hoffnungslosen Lage lachen. »Du wirst noch einsehen, daß ich es verstehe.« »Da bin ich aber neugierig. Aber kommen wir zur Sache. Warum hast du von meinem Körper Besitz ergriffen? Was willst du überhaupt?« »Ich brauche deinen Körper, um zu leben«, erklärte Kummerogs Haut. »Allein ohne Körper kann ich mich kaum bewegen.« »Und wie lange gedenkst du ohne mein Einverständnis meinen Körper zu benutzen?« Die Antwort war wie ein Peitschenschlag. »Für immer. Erst wenn du stirbst, sterbe auch ich.« »Und wenn ich unsterblich wäre?« »Du bist es. Ich weiß das. Deshalb bin ich sehr zufrieden mit dir. Was du auch anstellst, du kannst mich nicht mehr loswerden. Finde dich damit ab.« Ich antwortete nichts, weil ich bewußt an Belanglosigkeiten dachte. Anfangs hätte ich unter dem Schock beinahe aufgegeben. Jetzt war das anders. Ich würde kämpfen, auch wenn es ein langer und zäher Kampf werden würde. Irgendeine Schwachstelle mußte diese verdammte Haut doch haben. Es galt erst einmal, mehr über sie in Erfahrung zu bringen. »Hast du keinen Namen, so wie ich?« »Nein. Ich könnte mich ebenfalls Alaska nennen. Aber du kannst ruhig Haut zu mir sagen. Ich werde dir auch erklären, was ich bin.« »Ich höre.«
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»Ich bin ein Ableger, der Ableger eines Wesens namens Kummerog. Kummerog ist ein ähnliches Wesen wie du, jedoch ein gutes Stück kleiner. Er stammt aus dem Volk der Cantrell und ist ein Mutant. Wenn ich richtig informiert bin, dann ist er der einzige Mutant der Cantrell.« »Ein Mutant? Ein Telepath oder was?« »Etwas ganz anderes, Alaska. Bei den Cantrell ist es üblich, daß sich diese Wesen etwa alle fünf Jahre häuten. Das ist ein natürlicher Vorgang. Die abgelegte Haut ist Abfall. Bei Kummerog ist das ganz anders. Seine Häute leben weiter. Außerdem kann er zu seinen Häuten geistigen Kontakt halten, auch wenn diese noch keinen neuen Körper gefunden haben. Normalerweise benutzt Kummerog seine Häute, um sich Sklaven zu halten. Er kann alle Sklaven über den geistigen Kontakt voll kontrollieren und lenken.« Während die Haut zu mir sprach, versuchte ich den Ort ihres Denkzentrums festzustellen, sofern es so etwas überhaupt gab. Über den organischen Aufbau der Haut wußte ich ja nichts. Unauffällig lenkte ich meine Gedanken in verschiedene Richtungen. Aber sie kehrten alle wieder an den einen Punkt zurück. Und der war in mir selbst. Wahrscheinlich war es so, daß die Haut kein eigenes Gehirn besaß und irgendwie meines benutzte. »Hältst du auch Kontakt zu Kummerog«, fragte ich daher, »wenn du keinen Wirtskörper hast?« »Natürlich«, lautete die Antwort. Nein, sagte ich mir, so konnte es auch nicht sein, denn wenn sie mit dem Ursprungskörper ohne Wirt Kontakt halten konnte, dann mußte da etwas ganz Eigenständiges sein. Ich suchte weiter in meinen Gedanken, während die Haut sprach. »Der Kontakt zu Kummerog ist vor etwa 66 Jahren abgerissen, als er sich in einen biologischen Winterschlaf versetzte. So etwas kann er nämlich. Für mich gilt mein Herr seit dieser Zeit verschollen. Ich habe allen Grund zu der Annahme,
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daß er sich irgendwo im Arsenal der Baolin-Nda aufhält, aber allein kann ich ihn nicht suchen. Daher habe ich dich übernommen. Wir fliegen zu Kummerogs Heimat, dem Asteroiden Klinker. Dort hat Kummerog mehrere treue Freunde und auch Hautträger. Die werden wir holen und zum Arsenal zurückkehren. Dann suchen wir unseren Herrn. Nun weißt du über meine Aufgabe Bescheid, Alaska.« Ich antwortete nichts. »Noch eins mußt du wissen«, fuhr die Haut fort. »Du mußt nun in etwa das Doppelte essen wie vorher. Ich habe dir gezeigt, wo du den Nahrungsbrei und andere Speisen findest. Es sind genügend Vorräte an Speisen und Getränken vorhanden.« »Und warum soll ich denn soviel essen?« Ich ahnte die Antwort. »Weil du mich miternähren mußt.« Ein Schwachpunkt! Vielleicht konnte ich die Haut aushungern? Für mich sorgte der Aktivatorchip. Ich konnte so schnell nicht verhungern. Ich schloß die Augen und sah einen leuchtenden Punkt. Seine Oberfläche war rissig. Als ich versuchte, mit den Gedanken nach diesem Punkt zu fassen oder gar in ihn einzudringen, wich er schnell aus und verschwand aus meinem geistigen Blickfeld. »Tu das nie wieder!« verlangte Kummerogs Haut. Ich schwieg weiter. Auch diesen kleinen Kampf hatte ich verloren. Aber nun war ich mir sicher: Es gab einen Weg zum Bewußtsein von Kummerogs Haut. Ich würde sie ausforschen. Zeit genug hatte ich ja. Mein Ziel war klar: Ich mußte den Spieß umdrehen. Ich mußte die Haut mir unterwerfen. Anderenfalls würde ich trotz Aktivatorchip irgendwann dem Wahnsinn verfallen. Ich lehnte mich zurück und schlief ein. »Erzähl mir mehr von Kummerog!« verlangte ich. »Was weißt du noch über ihn?«
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Ein Blick auf mein Chronometer verriet mir, daß ich acht Stunden geschlafen hatte. Ich verspürte Hunger, aber ich dachte nicht daran, aus eigenem Antrieb etwas zu essen. Wichtiger war es zu testen, wie die Haut auf meine Enthaltsamkeit reagierte. »Ich weiß alles über meinen Herrn«, antwortete Kummerogs Haut, »bis zu jenem Zeitpunkt, an dem er sich in den biologischen Winterschlaf versetzte. Damit riß der Kontakt ab. Auch ich legte mich in den Tiefschlaf, denn es war weit und breit kein Lebewesen da, das ich hätte übernehmen können.« »Willst du damit sagen, daß du 66 Jahre ohne Nahrung im Arsenal gelegen hast? Das kann ich nicht glauben.« »Ich hätte es noch viel länger ausgehalten. Aber das ist unwichtig. Du wirst mir helfen, Kummerog zu finden. Du hast keine andere Wahl. Ich erachte es als nützlich, wenn du die Zusammenhänge erkennst. Wenn du gehorchst, wird es dir unter meiner Führung nicht schlecht ergehen.« »Ich bin zu einem Waffenstillstand bereit«, lenkte ich ein. In Wirklichkeit dachte ich ganz anders darüber. »Kummerog ist der Kopf der Mörder von Bröhnder. Dabei handelt es sich um eine Piraten- und Freibeuterbande, die ihren Unterschlupf auf dem schon erwähnten Asteroiden Klinker besitzt. Du kannst von Kummerog oder von mir oder von seinen anderen Helfern und Sklaven nichts Freundliches erwarten. Wir sind eine rauhe Sippe, die sich alles nimmt, was sie haben will. Und Kummerog ist der skrupelloseste, grausamste, schlauste und hinterhältigste von allen. Er hat sich nie um die moralischen Werte seines Volkes Gedanken gemacht. Das hat er bei seinen Fähigkeiten auch gar nicht nötig.« »Das sind ja heitere Aussichten«, sagte ich mit einem Anflug von Galgenhumor. »Sein Volk hat ihn daher vor langer Zeit verstoßen und in der Galaxis Bröhnder ausgesetzt.« Kummerogs Haut ließ sich von meinem Einwurf nicht beeindrucken. »Das machte ihm wenig aus. Er ist ein Genie, das jede Technik sehr schnell ver-
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steht, fremde Sprachen im Handumdrehen lernt und sich immer durchsetzt. Ich bin ein Teil von ihm. Vergiß das nie! Auch wenn ich nur ein Ableger bin, ich denke und handle nur im Sinn meines Herrn.« »Ich glaube«, versicherte ich behutsam, »ich habe dich verstanden.« In welch eine Situation war ich da geraten! Mir schwindelte. Die Mörder von Bröhnder! Allein der Name übte eine gewisse Schockwirkung auf mich aus. Aber dieser Schock hatte auch seinen Vorteil. Mein Willen, dieses Wesen zu beherrschen, wurde dadurch noch stärker. Ich wußte, daß ich einen Weg finden würde, um mich von diesem Joch zu befreien. »Kummerog ist genial, Alaska«, sprach die Haut weiter. »Er kann die Häutung nach seinem eigenen Willen herbeiführen. So macht er sich jeden Untertan, den er für seine Zwecke braucht. Du wirst über mich für immer sein Sklave sein.« Ich schloß wieder die Augen und ließ meinem Bewußtsein allen Spielraum. Der helle Punkt, den ich mit dem Bewußtsein der Haut gleichgesetzt hatte, tauchte aber nicht mehr auf. Vor meinem geistigen Auge erschien ein ganz anderes Bild. Eine endlose Ebene, auf der sich winzige Stacheln erhoben und langsam wuchsen. Die Stacheln waren alle verschiedenfarbig. Sie wuchsen sehr langsam. Nach einer Weile entwickelten sich einige wieder zurück. Sie wurden kleiner. Ein Dutzend verschwand in der grauen Ebene. An anderen Stellen traten dafür neue Stacheln hervor. Waren das all die Häute in symbolischer Form, die Kummerog schon abgestoßen hatte? Möglich war es. Ich wußte, daß es sich nur um ein Bild in meinem Bewußtsein handelte. Interpretieren konnte ich es nicht. Hier geschahen Dinge mit mir, die meine Fähigkeiten und mein Wissen überschritten. Gucky hätte es mit seinen parapsychischen Fähigkeiten leichter gehabt. »Was machst du?« fragte die Haut.
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»Ich versuche, dich zu verstehen«, antwortete ich ausweichend. Das Bild vor meinem geistigen Auge veränderte sich plötzlich. Alle Stacheln verschwanden. Die graue Ebene rollte sich wie ein Teppich ein und verformte sich zu einem dicken, langen Band. In dieses Band schlang sich ein Knoten. Gleichzeitig spürte ich Schmerzen in meinem Kopf. Die Haut experimentierte mit mir! Bewußt oder mehr instinktiv? Ich dehnte und streckte mich. Körperlich und geistig. Der Knoten zerplatzte, und die Schmerzen wurden stärker. Sie wurden aber auch erträglicher, denn ich erkannte, daß es gar nicht meine Schmerzen waren, sondern nur ein Abbild der Haut. Sie war verwundbar. Natürlich würde sie das nie zugeben. Ich spürte nun die Impulse meines Zellaktivators. Der Chip unterstützte offensichtlich meine Bemühungen. In ihm hatte ich den besten Helfer. Wenn die Haut wirklich 66 Jahre ohne Nahrung im Arsenal gelegen hatte, dann mußte sie geschwächt sein. Darauf konnte ich aufbauen. Und wenn ich mich mit der Nahrungsverweigerung durchsetzen würde, könnte ich sie womöglich weiter schwächen. Ich versuchte meine Gedanken abzuschirmen. Das heftige Pulsieren des Aktivators war ein deutliches Zeichen, daß ich dabei von ihm unterstützt wurde. Warum unternahm der Chip aber nichts direkt gegen meinen Peiniger? Er mußte dazu doch in der Lage sein. »Was machst du?« wollte Kummerogs Haut erneut wissen. »Nichts«, antwortete ich. »Dann ist es gut.« Sie hatte also nichts von meinen Gedanken bemerkt! Ich ließ meinem Bewußtsein wieder allen Raum. Ich versuchte mir vorzustellen, daß es die ganze Kommandozentrale ausfüllte. Es gelang. Mein Ego war plötzlich riesengroß. Spielerisch durchdrang es sogar die Hülle des Raumschiffs.
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Die Temperaturlosigkeit des Hyperraums machte mir nichts aus. »Du mußt etwas essen«, verlangte die Haut. »Du bist geschwächt.« Nein! Ich lachte in mich hinein. Die Haut war geschwächt. Ich spürte, wie sie versuchte, mich wieder zur Gänze zu übernehmen. Ich stemmte mich gegen den Druck, verriegelte mein Bewußtsein mit aller Kraft. Es war ein Ringen auf geistiger Ebene, ein auch für mich völlig ungewohnter Kampf. »Laß es sein«, sagte ich. »Oder ich töte dich. Ich besitze die Möglichkeit dazu, Haut. Halte dich an unser Abkommen. Und laß mir meinen Willen.« Ich bekam keine Antwort, aber der Druck ließ nach. Ein erster Teilsieg? Ich war mir nicht sicher. Als ich mich erneut konzentrierte, sah ich eine Gestalt. Ein humanoides Wesen von 1,55 Metern Größe. Eine leicht gebeugte Gestalt mit breiten Schultern. Ein menschenähnliches Gesicht mit einem lippenlosen, runden Mund und einer flachen, dreilöchrigen Nase. Die beiden Augen waren gänzlich weiß und wirkten wäßrig. In dem geöffneten Mund waren sechs einzelnstehende, hellgelbe Zähne zu erkennen, die an die Reißer eines Wolfes erinnerten. Auch hatten sie eine Ähnlichkeit mit den bunten Stacheln, die ich auf der grauen Ebene gesehen hatte. Die Gestalt war nicht bekleidet. Ihre Haut war schwarz und rissig wie die Oberfläche der leuchtenden Kugel. Die Gestalt besaß keine offensichtlichen Geschlechtsmerkmale. Auffällig waren die großen Hände mit je zwei Daumen und zwei Fingern. Hier bestand eine Übereinstimmung mit den Gliedmaßen der Herreach von Trokan. Sicher war das aber nur ein Zufall. Oder doch nicht? Die kräftigen Beine waren gekrümmt wie unter einer schweren Last. In die Figur kam Bewegung. Um die Tonnenbrust legten sich drei Gürtel mit vielen kleinen Taschen.
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Ich erkannte, daß dies Kummerog sein mußte. Die Dinge, die ich zuvor gesehen hatte, waren wahrscheinlich nichts anderes als unvollständige Teilbilder dieses Wesens, mit dem sich die Haut identifizierte. Die Gestalt hob eine Hand hoch. Um das Handgelenk legte sich ein schwarzes Band. Das Band glühte plötzlich auf und trennte die Hand ab. Das Gesicht Kummerogs verzerrte sich vor Schmerzen, aber er hielt sich auf den Beinen. Ich verstand nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Mir wurde nur klar, daß Kummerog oder seine Haut noch viele Geheimnisse verbargen: Mit aller Kraft konzentrierte ich mich auf das Bild. Explodiere! schrie ich mit meinen Gedanken. Die Gestalt schwankte. Dann löste sie sich in einem Nebel auf. Ich öffnete meine Augen und spürte, daß ich neben dem Sessel auf dem Boden lag. Den Kampf, den ich geführt hatte, hatte ich gar nicht bewußt wahrgenommen. Ich tastete meine Füße und die Unterschenkel ab. Überall spürte ich die dünne, aber zähe Gallertmasse der Haut. Ich nahm den Löffel in eine Hand und versuchte damit, Teile der Haut abzukratzen. Aber das gelang nicht. Das Zeug war zu stabil. Ich probierte es mit den Fingernägeln. Ein wenig gab die Haut nach, aber die Kratzspuren schlossen sich sofort wieder. Ich raffte mich auf und setzte mich wieder in den Sessel. Irgendwie war ich geschwächt. Der Aktivator brauchte Minuten, um einen Ausgleich herbeizuführen. Ich gönnte mir die Pause. Dann ging die Haut plötzlich zum Gegenangriff über. Sie schnürte meinen Brustkorb ein, bis ich nicht mehr atmen konnte. Wieder spürte ich den Aktivator an seinen heftigen Impulsen. Ich verhielt mich ganz ruhig und versuchte nur, jeglichen Zugang zu meinem Bewußtsein zu unterbinden.
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Ganz plötzlich ließ der Druck nach. Ich schloß die Augen und sah wieder Kummerog. Die Gestalt war umgekippt. Sie lag leicht verkrümmt auf dem Boden und regte sich nicht. Ich atmete wieder gleichmäßig. Mit jedem Atemzug kam Bewegung in die Gestalt. Sie richtete sich Stück für Stück auf. Die Bewegungen waren marionettenhaft und wie in einer Zeitlupe. Auch die abgetrennte Hand war nun wieder vollständig. Was ging hier vor? Was spiegelte mir die Haut vor? Ich hatte eine schwache Ahnung. Gezielt hielt ich den Atem an. Die Bewegungen Kummerogs wurden langsamer. Schließlich erstarrte die Figur. Ich atmete noch immer nicht. Und dann fiel der häßliche Zwerg um! Die Haut hatte sich selbst verraten, als sie mir den Brustkorb zuschnüren wollte! Sie war auf meine Atemluft angewiesen. Das war es! Wenn die Gestalt vor meinem geistigen Auge das widerspiegelte, was die Haut war, und daran zweifelte ich nicht, dann hatte sie mir den Weg geebnet. Sie hatte einen Schwachpunkt verraten, auf dem ich aufbauen konnte. Es war nicht nur die Nahrung, die sie benötigte. Auch die Atemluft gehörte dazu. Ich wußte nicht, wie lange ich die Luft anhalten konnte, aber mit Hilfe des Aktivatorchips würde ich es bestimmt auf ein paar Minuten bringen. Ich mußte es probieren. Und das Anhalten der Luft trainieren. Ich atmete wieder normal und öffnete die Augen. Der mentale Druck der Haut war jetzt deutlich schwächer. Ich befand mich auf dem richtigen Weg. Das war ein erster Teilsieg! »Erzähl mir mehr von Kummerog!« forderte ich. »Willst du nicht erst etwas essen?« fragte die Haut. »Nein«, erklärte ich. »Ich habe noch keinen Hunger. Und du kannst auch warten.« Sie war zu geschwächt von dem geistigen Ringen. Sie verzichtete auf einen erneuten Angriff.
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»Erzähl mir von Kummerog!« verlangte ich erneut. Bereitwillig kam die Haut der Aufforderung nach.
Wie alt Kummerog war, wußte er selbst nicht. Aber er war sehr alt. Und über die exakte Dauer seines Lebens machte er sich nie Gedanken. Vielleicht war er unsterblich. Er war eine Mutation, wahrscheinlich eine Laune der Natur. Da konnte es mit der Langlebigkeit ja vielleicht ebenso anders sein als bei den normalen Cantrell. Auch seine Häute waren extrem langlebig, insbesondere dann, wenn sie in Tiefschlaf gelegt wurden. Die Cantrell galten als ethisch hochstehendes Volk. Als sie den skrupellosen Mutanten und Verbrecher faßten, schloß es sich nach ihrer Moral von allein aus, ihn zu töten. Aber man wollte den unangenehmen Burschen entfernen. Sie brachten Kummerog in eine fremde Galaxis, nach Bröhnder. Hier baute der Mutant mit Hilfe neuer Sklaven schnell eine kleine Organisation auf. Er fand auch den passenden Namen dafür: die Mörder von Bröhnder. Kummerog war sogar stolz auf diese Bezeichnung seiner Truppe. Die Piraten machten dem Namen alle Ehre. Bei den brutalen Überfällen auf unbewaffnete Transportschiffe schreckte die Horde vor nichts zurück. Bevor man eine Übergabe verlangte, wurde erst einmal gefeuert. Die Truppe errang schnell eine traurige Berühmtheit. Schon in der Anfangsphase des Aufbaus entdeckte Kummerog einen halb ausgebauten geheimen Stützpunkt einer unbekannten Organisation auf dem Asteroiden Klinker. Von den einzigen Überlebenden der Station, drei Angehörigen aus dem Volk der Bodaden, machte der Mutant einen zu seinem Sklaven: Yokanrog. Der gelbhäutige Humanoide wurde sein bester und treuester Diener. Die beiden anderen warf er kurzerhand ohne Schutzanzug ins Weltall.
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Skrupel kannte er nicht. Gnade oder Rücksichtnahme waren unbekannte Begriffe für ihn. Und das sollte sich auch nie ändern. Vor rund 66 Jahren hatte Kummerog während eines einsamen Patrouillenflugs mit seinem Keilschiff CANT eine vielleicht entscheidende Begegnung ...
Kummerogs Haut schwieg. Den Grund dafür erkannte ich zunächst nicht. Ich schloß die Augen und suchte nach einem Bild, das sie in mein Bewußtsein projizierte. Ich tastete mich mit meinen Gedanken durch die Schwärze des gedankenlosen Nichts, aber ich fand keine Spur, kein verzerrtes Abbild oder gar die Darstellung Kummerogs. »Warum sprichst du nicht weiter?« fragte ich laut. Es dauerte über zehn Sekunden, bis eine Antwort erfolgte. »Du solltest etwas essen, sonst kann ich nicht sprechen. Meine Kräfte sind nicht unbegrenzt. Ich habe zwar genügend Reserven, aber die brauche ich, um dich zu kontrollieren.« Nun erkannte ich das Dilemma. Ich mußte eine Entscheidung treffen. Entweder ich versuchte, die Haut auszuhungern, und ich bekam keine weiteren Informationen. Oder ich stärkte mich und damit sie, und die Haut berichtete weiter. Einen Tag waren wir nun schon unterwegs. Die Entfernung nach Bröhnder hatte Kummerogs Haut mit zwei Millionen Lichtjahren angegeben. Also hatten wir etwa 100.000 Lichtjahre bewältigt, und es standen noch 19 Tage Flug aus. Ich gab den Informationen den Vorrang. Wenn ich alles Wissenswerte über den Mutanten der Cantrell erfahren hatte, war bestimmt noch genügend Zeit, um zum endgültigen Angriff gegen die verdammte Haut anzutreten. Im Nebenraum nahm ich ein tiefgefrorenes Nahrungspaket aus der Lade und legte es in das Zubereitungsfach. Diesmal entstand ein gelblicher Brei mit kleinen Körnern. Er
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schmeckte ähnlich wie eine Mischung aus Kartoffeln und Reis. Ich speiste in aller Ruhe, ohne dabei zu versuchen, Kontakt mit Kummerogs Haut aufzunehmen. Danach trank ich ausgiebig und lehnte mich zurück. Die Augen fielen mir zu. Irgendwann mußte ich eingeschlafen sein, denn plötzlich riß mich die Stimme der Haut aus einem unbedeutenden Traum. »Vor rund 66 Jahren hatte Kummerog während eines einsamen Patrouillenflugs mit seinem Keilschiff CANT eine vielleicht entscheidende Begegnung.« Sie knüpfte genau dort an, wo sie aufgehört hatte. Noch etwas fiel mir auf. Die Haut schien nicht zu erkennen, wenn ich schlief. Sonst hätte sie mich doch erst einmal mit allgemeinen Worten wecken müssen. Während sie sprach, hatte ich das Gefühl, daß sie mir räumlich entrückt war. Die mentale Stimme erklang so, als wäre sie mehrere Meter entfernt. War das ein Zeichen der Ermüdung? Vielleicht. Ich schloß die Augen und machte eine Konzentrationsübung. Da war ein Nebel mit Schlieren, die sich träg durch einen matt erleuchteten Raum bewegten. Das geistige Abbild veränderte sich sehr langsam. Der Nebel ballte sich zusammen und formte die leuchtende Kugel mit der rissigen Oberfläche, die an Kummerogs Körperhaut erinnerte. Auf der Kugel entstanden ein paar Stacheln. Sie verschwanden wieder, und das ganze Gebilde wuchs an. Es nahm die Körperumrisse des Mutanten an, aber der Kopf fehlte. Die beiden Arme waren vollständig. An der Stelle des Kopfes entstand wieder eine leuchtende Kugel. Mund, Nase und Augen bildeten sich jedoch nicht aus. Es war sehr schwierig, aus diesen Gedankenbildern auch die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen. Ich ging aber davon aus, daß sie in einer unbekannten Form vielleicht so etwas wie den seelischen Zustand der Haut widerspiegelten. Sicher
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spielte dabei die Wechselwirkung mit meinem Bewußtsein auch eine Rolle. Aber wie die Zusammenhänge genau waren, das konnte ich nicht sagen. Ich lauschte den Worten der Haut, während ich gleichzeitig die Abbilder in meinem Bewußtsein verfolgte. Es bestanden Zusammenhänge. Immer wenn sie von ihrem Herrn sprach, wurden dessen Konturen schärfer. Schließlich bildeten sich auch die Einzelheiten in dem Gesicht heraus. Die wäßrigen Augen schienen mich diesmal verschlingen zu wollen. Sie traten extrem weit heraus, so, wie es in der Wirklichkeit niemals geschehen konnte. Dann fehlte ganz plötzlich wieder die eine Hand. Ihr Verschwinden ging nicht mit einem Ereignis der Erzählung konform. Ich folgerte daraus, daß Kummerogs Haut das Abbild mehr unbewußt erzeugte. Der Verlust der einen Hand mußte eine große Bedeutung haben. Ich konnte nur hoffen, daß ich diese Geschichte noch erfahren würde. Es war mehr als fraglich, ob der echte Kummerog wirklich einmal eine Hand verloren hatte. Ich konnte mir vorstellen, daß dieses Teilbild allein daher rührte, daß meine Haut keinen Kontakt mehr zum Stammkörper hatte. Vielleicht war das Verschwinden der Hand ein Abbild der Tatsache, daß sich die Haut nicht mehr direkt von ihrem Herrn gelenkt oder geführt fühlte. Während die Haut weiter berichtete, entstand die Hand erneut. Und dann tauchten in der Umgebung Kummerogs andere, sehr schemenhafte Bilder auf. Möglicherweise handelte es sich um Szenen aus dem Arsenal, als dieses noch nicht von einem verheerenden Brand verwüstet worden war. Diese Abbilder neben der eigentlichen Gestalt wurden jedoch zu keinem Zeitpunkt konkret. Sie blieben verschwommen und irgendwie unecht. Und dann sah ich plötzlich mich selbst.
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Ich kam von hinten mit großen Schritten, so großen, wie ich sie in Wirklichkeit niemals gehen konnte, auf Kummerog zu. Ich drang in ihn ein und löste mich damit auf. Das Bild wiederholte sich. Erneut eilte ich mit großen Schritten auf Kummerog zu. Bevor ich ihn erreichte, blieb ich stehen. Das Bild des Mutanten begann zu verschwimmen. Sein Körper wurde weitgehend transparent. Oder er löste sich auf. Was blieb, war eine schemenhafte Hülle. Mir wurde deutlich, daß sich die Haut erstmals selbst darstellte. Noch offensichtlicher wurde das, als sie an meinem Ebenbild hochkroch und es innerhalb von wenigen Sekunden einhüllte. Dabei war aber noch etwas zu sehen: Hauchdünne und sehr lange Stacheln drangen von allen Seiten in meinen Körper. Sie berührten mein Gehirn, das Herz, den Magen, die Lunge, den Darm sowie alle wichtigen Muskelstränge. So ähnlich mußte es sich in der Wirklichkeit abgespielt haben. Mir wurde nun auch klar, warum die Haut Atemluft benötigte. Sie holte sich Halbverdautes und Atemluft aus meinem Körper. Und setzte alles für sich um. Mein Kopf war völlig klar. Ich rätselte herum, was das alles insgesamt zu bedeuten haben könnte. Ich einigte mich darauf, daß die Bilder unbewußte Gedanken von Kummerogs Haut sein mußten. Von da an konzentrierte ich mich wieder auf ihre Erzählung.
3. Kummerog war mit der CANT allein in Bröhnder unterwegs. Er war eigentlich mit sich und der Welt zufrieden. Der Stützpunkt auf Klinker war inzwischen bestens ausgebaut. Er besaß dort ein Dutzend versklavte Wesen, die in seinen Häuten steckten und gar nicht anders konnten, als ihm treu -205-
ergeben zu sein, sowie eine Handvoll freiwilliger Helfer, alles rauhe Burschen, die vor nichts zurückschreckten und die er im Lauf der Zeit aus allen Ecken der Galaxis angeheuert hatte. Ein paar besonders wilde Kämpfer hatte er handstreichartig aus einem Gefängnis befreit. Seine Leute setzten sich aus Angehörigen verschiedener Völker zusammen. Bei seiner Auswahl kannte der CantrellMutant kein festes Prinzip außer einem: Er nahm sich, was er brauchte. So hatte er Vaikhuur, den fähigsten Wissenschaftler aus dem Volk der Unan-Kjur, entführt und zu seinem Sklaven gemacht. Mit dem technischen Spezialisten Gonzerol aus dem Zwergenvolk der Blibb war er nicht anders verfahren. Weitere kluge Köpfe würden folgen. Sein fähigster Diener jedoch war der gelbhäutige Yokanrog, ein echter Allround-Bursche. Ihm unterstanden die Nichtversklavten. Und Yokanrog achtete auf sie wie auf seinen eigenen Augapfel. Die CANT befand sich auf dem neuesten technischen Stand. Eigentlich war es an der Zeit, das Keilschiff mal wieder gründlich zu entrümpeln, aber für solche Dinge hatte Kummerog wenig Sinn. Wenn neue Systeme in seine Hände fielen, dann wurden sie in der Regel eingebaut, ohne die überflüssig gewordenen oder veralteten zu entfernen. Ja, er war eigentlich rundum zufrieden. Nur ein fetter Beutezug fehlte ihm mal wieder. Allmählich wurden die Vorräte auf Klinker knapp. Und irgendwann würde er sich auch ein anderes Raumschiff besorgen. Dann würde sich das Problem der Entrümpelung von allein erledigen. Der Mutant blickte von den Instrumenten auf, als seltsame Töne an seine Ohren gelangten. Da war ein Piepsen und Zirpen. Es kam aus einem der noch intakten Hyperfunkempfänger.
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Von allen technischen Dingen verstand Kummerog sehr viel. Dazu gehörten auch alle in Bröhnder üblichen Frequenzen und Kodierungsverfahren. Seit die Mörder von Bröhnder für Unruhe sorgten und immer wieder unvermutet zuschlugen, waren die Handelsvölker vorsichtig geworden. Offener Funkverkehr war daher die Ausnahme. Aber diese Sendung war nicht verschlüsselt. Außerdem kam sie auf einer Frequenz herein, die absolut unüblich war. Auf dieser Frequenz arbeiteten normalerweise ortungstechnische Hyperferntaster. »Identifizieren!« wies er seinen Bordcomputer an, den er auf den Namen Fasoldog getauft hatte. In der Sprache der Cantrell bedeutete das »lausige Blechkiste«. »Schon dabei, Herr«, ertönte es. »Die empfangenen Energien sind sehr schwach. Die Signale sind außerdem verstümmelt.« »Wenn du es nicht schaffst, Fasoldog«, drohte der Mutant, »dann wirst du verschrottet.« »Es ist ein Hilferuf, Herr. Da bin ich mir sicher. Aber die Sprache ist mir unbekannt.« »Im Hilfeleisten bin ich besonders gut. Ich liebe Hilfesuchende, denn man kann sich einfach an ihnen bereichern.« »Ich weiß es, Herr. Du bist der Beste.« »Red keinen Unsinn! Peilung! Entfernung!« »Peilung liegt vor. Die Entfernung kann ich nicht ermitteln. Die Sendung enthält keine verständlichen Koordinaten.« »Du bist eine Schrottkiste, Fasoldog. Ich wußte es schon immer.« »Gestatte, Herr, daß ich ganz entschieden widerspreche. Ich bin eine hochwertige Recheneinheit aus positronischen, syntronischen und vegaonischen Bauelementen.« Kummerog verzichtete auf eine Antwort. Der Bordcomputer hatte die Koordinaten der Peilung dargestellt. Mit wenigen Handgriffen brachte der Cantrell sein Schiff in die richtige Flugrichtung. Dann beschleunigte er.
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Nach kurzer Zeit wurden die Signale deutlicher. Die Entfernung konnte also nicht sehr groß sein. Er verzögerte den Flug. »Herr, ich habe das Objekt in der direkten Aktivpeilung«, meldete sich der Bordcomputer. »Ich stelle ein künstliches Bild her.« Ein Bildschirm erhellte sich. Die Darstellung war aus den Peilreflexen berechnet worden. Kummerog staunte. So ein Objekt hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. »Was ist denn das?« »Ein Raumschiff«, behauptete Fasoldog. »Es weist Spuren von Beschädigungen auf. Wahrscheinlich ist es ein Wrack.« »Wer baut Raumschiffe in einer so verrückten Form?« »Unbekannt.« Dann war das Wrack auch mit den optischen Systemen zu erfassen. Ein zweites Bild entstand. Es zeigte sich, daß das aus den Peilreflexen berechnete Bild sehr genau war. Das unbekannte Schiff hatte eine Länge von etwa 70 Metern. Der schlanke Hauptrumpf hatte die Form einer Spindel. Auffällig war jedoch der Bugsektor. Der sah aus wie ein quer zum Hauptrumpf angebrachter viereckiger Balken. Er war 25 Meter breit und nur vier Meter dick und hoch. Für Flüge in der Atmosphäre war dieses Ding ganz sicher nicht geeignet, es sei denn, es konnte den Bugbalken absprengen oder einziehen. »Ich würde das fremde Objekt eine Balkenspindel nennen«, sagte der Bordcomputer. »Die Hilferufe kommen von dort.« »Balkenspindel, so ein Quatsch!« meinte Kummerog. Aber er akzeptierte den Begriff. Dann entdeckte der Cantrell ein großes und mehrere kleinere Löcher im Heck. Zweifellos war das Schiff beschossen und so schwer beschädigt worden. »Ich sehe mir das aus der Nähe an«, entschied er. Er streifte sich eine seiner Raumkombinationen über und ließ sich von Fasoldog mit Hilfe des Distanzspringers ins Freie
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befördern. Das Aus- und Einsteigesystem löste für Sekunden einen Teil der Außenhülle auf und beförderte das Transportgut - in diesem Fall Kummerog - nach draußen. Daneben verfügte die CANT auch über normale Transmitter. Minuten später erreichte er das große Leck. Er flog hinein und spürte schnell eine künstliche Schwerkraft, die aber für seine Verhältnisse sehr niedrig lag. Er kompensierte den Andruck und flog weiter. Ganz plötzlich meldete seine Raumkombination, daß er sich im Bereich von atembarer Luft befand. Erstaunt hielt Kummerog an. Er hatte keine Schleusen passiert und auch sonst nichts bemerkt. Hier konnte keine Luft sein, denn die müßte durch den Eigendruck längst über das riesige Leck in den Weltraum entwichen sein. Etwas stimmte also nicht. Er flog ein Stück zurück und blickte sich um. In einer Nische entdeckte er zwei extrem kleine Aggregate. Das war Technik vom Feinsten. So etwas hatte er noch nie gesehen. Dank seines hervorragenden Verständnisses für fremde Technik erkannte er sofort, daß er eine doppelte Energieschleuse passiert hatte. Das System arbeitete aber ohne jegliche Anweisung. Und der oder die Besitzer bemerkten es gar nicht. »So etwas könnte ich auch brauchen«, knurrte er. Auf dem weiteren Weg in Richtung der Bugsektion studierte er die übrigen technischen Einrichtungen. Sein erster Eindruck wurde voll und ganz bestätigt: Die Erbauer der Balkenspindel besaßen einen hohen technischen Standard, der in der ganzen Galaxis Bröhnder nicht anzutreffen war. Wahrscheinlich stammte es auch gar nicht von hier. Ein Plan reifte schnell heran. Er mußte dieses Raumschiff nach Klinker bringen und dort entweder komplett ausschlachten oder aber die entstandenen Schäden wieder reparieren. Kummerog setzte seinen Weg fort. Nirgendwo traf er auf
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ein Lebewesen. Die Schäden nahmen in Richtung Bug schnell ab. Als er den Querbalken erreichte, befand er sich in einer Zone, in der noch alles intakt war. Er landete auf dem Boden eines Raumes, den er als die Zentrale identifizierte. Auch hier war niemand anwesend. Links und rechts von ihm glotzten ihn zwei Löcher mit viereckigen schwarzen Augen an. Das mußten die Flügel des merkwürdigen Balkens sein. Allem Anschein nach waren sie hohl. Über ihren Sinn konnte er nichts erkennen. Er leuchtete mit dem Scheinwerfer in den einen Hohlraum. In etwa zehn Metern Entfernung fiel der Lichtstrahl auf die Abschlußwand. Der Raum war ansonsten völlig leer. Dann leuchtete er in den anderen Seitengang. Ganz am Ende kauerte auf dem Boden ein Wesen, das sich noch schwach bewegte. Es winkte Kummerog zu. Der zog seine Waffe und schritt langsam in den Balkengang hinein. Aber er konnte die Waffe schnell wieder einstecken.
Kummerog leuchtete die jämmerliche Figur ohne eine Gefühlsregung ab. Der Fremde war recht groß, etwa 2,20 Meter. Da er auf dem Boden hockte, ließ sich die wahre Größe nicht gut abschätzen. Das Wesen war sehr schlank, eigentlich mehr dürr, aber durchaus humanoider Natur. Die Haut war silberfarben. Es war dem Mutanten ziemlich egal, ob das eine natürliche oder künstliche Hülle war. Der Fremde öffnete mit gequältem Gesichtsausdruck den kleinen Mund. Seine Worte waren leise, aber Kummerog konnte sie gut verstehen. Er benutzte eine in Bröhnder übliche Verkehrssprache. »Ich bin sehr glücklich«, erklang es heiser, »daß mein Hilferuf jemanden erreicht hat. Es ist ein Segen, daß du zu mir gefunden hast.«
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Neben ihm auf dem Boden stand ein kleiner Sender unbekannter Bauart. Von dort mußten die Signale gekommen sein, die ihn angelockt hatten. Der Mutant der Cantrell sah sich die traurige Gestalt genauer an. Sein nur 30 Zentimeter durchmessender Körper besaß mehrere offene Stellen, aus denen eine klebrige braune Flüssigkeit rann. Offensichtlich handelte es sich um das Blut des Fremden. Seine Verletzungen waren zahlreich. Hinweise darauf, wie sie entstanden waren, gab es nicht. Im Raumschiff selbst wies überhaupt nichts auf einen Kampf hin. Vielleicht hatte sich das Wesen bei dem Angriff von außen in jenem Heckabschnitt befunden, wo die Löcher im Schiffsrumpf zu sehen waren. Die extrem dünnen Gliedmaßen wirkten zerbrechlich. Und das waren sie wohl auch, denn die Arme waren mehrfach unregelmäßig abgewinkelt, als seien sie gebrochen worden. Das konnte durch einen Aufprall, aber auch durch Krafteinwirkung erfolgt sein. Der Kerl mußte höllische Schmerzen haben, aber das interessierte den Piraten wenig. Er stellte nur fest, daß von dem anderen keine Gefahr ausging. Und daß er ein Raumschiff mit einer unvorstellbaren technischen Qualität besaß. Gegen seine Feinde hatte ihm das aber auch nicht geholfen. »Ich bin der vierte Bote von Thoregon«, sprach der Fremde weiter. Er hatte Mühe, die Worte zu formulieren. Auch wenn Kummerog Wesen dieser Art noch nie begegnet war, erkannte er, daß der vierte Bote von Thoregon vom nahen Tod gezeichnet war. Helfen konnte ihm Kummerog nicht. Das wollte er auch gar nicht. Und was ein vierter Bote von Thoregon war, interessierte erst recht nicht. Dennoch räumte Kummerog ein, daß von dem Sterbenden eine gewisse Faszination ausging. »Ich heiße Dokanow.« Der Pirat log aus reiner Gewohnheit. Das war eine Vorsichtsmaßnahme, die er sich schon vor langer
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Zeit zugelegt hatte. »Du wirst sterben, Bote von viertem Dingsda. Es war völlig überflüssig, mich zu rufen, denn nichts kann dich noch retten. Ich könnte dir allenfalls einen Gnadenschuß verpassen.« »Du irrst. Ich habe den Notruf nicht ausgeschickt, um mich zu retten. Ich weiß besser als du, daß ich sterben muß. Es geht um wichtigere Dinge. Dafür brauche ich deine Hilfe.« »Dann laß mal hören, was so wichtig sein soll!« »Für lange Erklärungen reicht meine Zeit nicht mehr, Dokanow. Paß also genau auf. Goedda wurde aufgeweckt. Und auf die Reise geschickt. Ich kann die Botschaft nicht mehr an den Empfänger bringen, daher bitte ich dich, es zu tun. Deshalb habe ich um Hilfe gerufen.« Verwirrtes Gestammel eines Sterbenden, dachte Kummerog bei sich. Am besten ist es, ich höre gar nicht hin. Aber da war wieder die Faszination, die von dem Silbernen ausging. »Es gibt nur einen gangbaren Weg, den Adressaten zu erreichen und ihm die Botschaft zu überbringen«, fuhr der vierte Bote von Thoregon stöhnend fort. »Er führt über das neugeschaffene Arsenal der Baolin-Nda. Das findest du im Leerraum zwischen den Galaxien Bröhnder und Troutt.« Auch das klang nach Kummerogs Ansicht total verrückt. Von einem Arsenal oder von den Baolin-Nda hatte er noch nie etwas gehört. Aber in seinem Schädel klingelte es vernehmlich! Arsenal! Klang das nicht wie reiche Beute? Sein Piratenherz schlug höher. Noch während Kummerog solche Überlegungen anstellte, beobachtete er, daß der Bote zwischendurch immer wieder ganz leise Worte sprach. Oder es hatte den Anschein, daß er sie sprach. Dabei betastete er mit einer Hand der verwinkelten Arme das Handgelenk der anderen Hand. Der Mutant blickte genauer hin. Der Bote trug ein schwarzes Armband von sechs Zentimetern Breite. Fast ge-
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wann Kummerog den Eindruck, er würde mit dem Armband sprechen. Vielleicht handelte es sich ja um einen Mikrocomputer. Bei dem hohen technischen Standard der Balkenspirale wunderte er sich über nichts mehr. Plötzlich nahm der vierte Bote von Thoregon mit einer erstaunlich schnellen Bewegung das schwarze Armband ab. So sehr gebrochen schienen seine Arme nun doch wieder nicht zu sein. Oder er mobilisierte seine letzten Kräfte. Ehe Kummerog sich's versah, legte der Silberne dem Mutanten das Band ums Handgelenk. »Das ist ein Passantum«, erklärte der vierte Bote von Thoregon. »Du wirst es brauchen. Es garantiert dir freien Einlaß in das Arsenal der Baolin-Nda. Und wenn du es an eine berechtigte Person aushändigst, erwartet dich eine äußerst reiche Belohnung.« Belohnung, überlegte Kummerog, das klingt immer gut. Aber wer mich belohnen will, gibt mir ja nicht alles. Ich will aber alles. »Lasse dich aber nicht von falschen Gelüsten verleiten, Dokanow«, warnte der Silberne eindringlich. »Du kannst das Passantum nicht für eigene Zwecke mißbrauchen. Wenn du das doch versuchen solltest, wird es sich gegen dich wenden.« Lächerlich! Welche Gefahr kann schon von einem Armband ausgehen? Innerlich lachte der Pirat. Vielleicht hatte der komische Bote noch weitere Gimmicks auf Lager. Immer nur her damit! »Und nun zu deinem Auftrag, Dokanow. Damit du mich richtig verstehst: Was ich jetzt sage, ist ein ausdrücklicher Befehl. Die Bedeutung deiner Mission ist so groß, daß du gehorchen mußt. Anderenfalls stehen kosmische Katastrophen für ganze Galaxien ins Haus. Gefahren könnten über Milliarden von Wesen kommen. Halte dich genau an das, was ich dir befehle. Du findest die Koordinaten des Arsenals der Baolin-Nda auf einem silbernen Chip in der Zentrale. Du wirst diesen Ort mit deinem Raumschiff aufsuchen. Das Passantum
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wird dir den Weg ins Arsenal öffnen. In diesem Punkt hast du keine Probleme zu erwarten. Im Arsenal wirst du ein technisches System, das Arsenalgehirn, aufsuchen. Ihm mußt du berichten, daß Goedda aufgeweckt und auf die Reise geschickt wurde. Hast du alles verstanden?« »Natürlich, Bote. Ich bin ja nicht blöd« ln Wirklichkeit interessierte ihn das wirre Gefasel des Sterbenden einen Dreck. Er hoffte vielmehr, daß der Bote endlich abkratzte und er sich auf die Suche nach Beutestücken begeben konnte. »Dann kann ich jetzt wohl gehen«, hauchte der vierte Bote von Thoregon. Er bäumte sich noch einmal im Todeskampf auf und sank dann schlaff in sich zusammen. Kummerog würdigte ihn keines Blickes mehr. Er ließ ihn einfach so liegen. Sollte er verwesen. Oder sollten ihn die Schiffsratten - so es die gab auffressen. Er betastete das schwarze Armband. Es strahlte ein angenehmes Gefühl aus. Vielleicht war es doch mehr als nur ein billiger Türöffner für ein unbekanntes Lager. In aller Ruhe suchte er das Raumschiff nach lohnenswerten Objekten ab. Er entdeckte viele technische Systeme, die ihm brauchbar erschienen, aber sie waren alle hermetisch mit dem Schiffsrumpf verbunden. Außerdem erschien es ihm sowieso zweckmäßiger, das ganze Schiff zum Heimatasteroiden zu schaffen und es dort mit Hilfe der Sklaven und Diener zu zerlegen. Aber das hatte Zeit. In der Zentrale fand er den silbernen Chip mit einer Koordinatenangabe. Er konnte die Werte problemlos in die für ihn üblichen Datenstrukturen umformen. Der Ort, der ihm genannt worden war, lag in der Tat weit außerhalb von Bröhnder, rund zwei Millionen Lichtjahre in Richtung der Galaxis Troutt, über die er aber nichts wußte und in der er noch nie gewesen war. Für seine CANT wäre die Bewältigung dieser riesigen
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Strecke kein Problem. Und später, wenn er das geheimnisvolle Arsenal geplündert hatte, wäre es auch kein Problem, die Balkenspindel zum nur 3458 Lichtjahre entfernten Stützpunkt Klinker zu schaffen. Kummerog witterte das große Geschäft. Das Arsenal der Baolin-Nda lockte. Und dieses Raumschiff, auch wenn es ein Wrack war. »Immer eins nach dem anderen.« Er grinste in sich hinein, denn er wußte, daß die Sache niemals so laufen würde, wie sich der Bote das ausgedacht hatte. Aufgeweckte Wesen, kosmische Katastrophen und Gefahren für irgendwelche Galaxien, das alles ließ ihn völlig kalt. Seine Ziele waren einfacher und vernünftiger. Er kehrte zur CANT zurück und übergab Fasoldog den silbernen Chip. Dann forderte er den Bordcomputer auf, die Koordinaten des Wracks abzuspeichern. Als das alles geschehen war, brachte er noch ein tragbares Schirmfeldaggregat hinüber zum Balkenspiralschiff. Es würde sich nach seinem Verlassen selbständig aktivieren und so jedem Schnüffler den Zutritt verwehren. Beute galt es nun einmal zu sichern, wenn man sie schon nicht mitnehmen konnte. Den kodierten Funkimpuls zum Desaktivieren des Schirmfelds speicherte er ebenfalls im Bordcomputer ab. Eine seltsame Unruhe hatte ihn ergriffen. Er hatte es plötzlich eilig. Lag das vielleicht an dem Armband? Oder war seine Neugier auf das Arsenal so groß? Er wußte, daß er sich noch etwas gedulden mußte, denn für die zwei Millionen Lichtjahre bis zum Arsenal der Baolin-Nda würde die CANT mindestens 20 Tage brauchen. Diese Zeit würde er nutzen, um dem Geheimnis des Armbands auf die Spur zu kommen. Der Mutant erreichte Klinker, aber er blieb in seinem Schiff. Auf ein umständliches Einschleusen wollte er verzichten. Es hätte nur wieder Zeit gekostet. Über Funk setzte er sich mit Yokanrog in Verbindung.
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Die gelbhäutige Echse mit dem einen Auge begrüßte ihren Chef voller Unterwürfigkeit. Kummerog gab seine Befehle. Nahrungsvorräte und Getränke wurden per Transmitter an Bord der CANT befördert. »Du hast eine lange Reise vor, Herr?« fragte Yokanrog. »Nicht nur ich«, antwortete der Mutant mit dem ihm eigenen Zynismus. »Auch du hast eine lange Reise vor dir.« »Du willst mich umbringen, mich, deinen treuesten Diener?« »Ich hätte manchmal Lust dazu, aber noch brauche ich dich. Yokanrog, du wirst mich auf dieser Reise begleiten. Wenn alle Vorräte an Bord sind, folgst du. Verstanden?« »Natürlich, Herr.« »Bring zwei konservierte Häute aus meinem Privatgemach mit. Pack sie in den weiß-blau gestreiften Plastik-Rucksack, den du dort vorfindest. Eine dritte Haut werde ich abscheiden, bevor du an Bord bist. Das dürfte reichen, um alle, die sich mir in den Weg stellen, gefügig zu machen. Und beeil dich!« »Es wird alles so geschehen, wie du es befohlen hast.« Eine knappe Stunde später brach die CANT mit den beiden Piraten an Bord zu der langen Reise in den Leerraum zwischen Bröhnder und Troutt auf. In einer Kammer nahe der Zentrale lag der Rucksack mit den drei Häuten. Die, die Kummerog noch vor dem Abflug abgeschieden hatte, hatte er zu den beiden bereits konservierten gepackt... Diese Haut, Alaska, bin ich. Nun erkennst du sicher auch, weshalb ich über alle diese Einzelheiten genau Bescheid weiß. Ich habe sie als Kummerog noch selbst erlebt.
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4. Während des Berichts von Kummerogs Haut hatte ich meinen Geist weiter trainiert und auf den Peiniger eingestellt. Nun war ich mir sicher, daß ich meine ganz persönlichen Gedanken vollständig vor ihm abschirmen konnte. Der Aktivator hatte seinen Beitrag dazu geleistet. Ich konnte oberflächlich Dinge denken, die die Haut wahrnahm. Aber dahinter lagen andere Gedanken, die nicht mehr für sie zugänglich waren. Das war enorm wichtig, denn wenn ich sie irgendwann zur Gänze besiegen wollte, mußte ich Vorarbeit leisten. Diese Vorarbeit war rein geistiger Natur. Wie der Kampf um die Herrschaft, den ich irgendwann einleiten würde. Noch hatte ich Zeit. Und noch hatte Kummerogs Haut nicht alles berichtet. Daher befaßte ich mich zunächst mit dem Gehörten. Da waren ein paar erstaunliche Dinge dabei. Das Armband, das ich schon vorher in den Abbildern der Gedanken der Haut gesehen hatte, existierte also tatsächlich. Es war wahrscheinlich, daß es in der weiteren Geschichte Kummerogs eine Rolle spielen würde. Als der weiß-blau gestreifte Rucksack aus Plastik erwähnt wurde, klingelte es bei mir. Es konnte sich eigentlich nur um das Teil gehandelt haben, das Perry, Bully und ich gefunden hatten, als wir die Brücke in die Unendlichkeit betreten hatten. »Minderwertige Ware«, hatte ich den Fund kommentiert, und wir hatten ihn nicht weiter beachtet. Häute waren jedenfalls nicht darin gewesen. Der Sack war leer gewesen. Da war ich mir sicher. Und außerdem - die Haut, die mich eingefangen hatte, war an einer ganz anderen Stelle gewesen, nämlich tief im Inneren des Arsenals. Die Geschichte ergab noch keinen Sinn, aber ein paar Dinge konnte ich mir zusammenreimen. Klar war, daß die CANT das -217-
Arsenal der Baolin-Nda erreicht hatte. Das Schiff selbst hatten wir dort entdeckt. Und die eine Haut existierte zumindest noch, denn sie hatte von mir Besitz ergriffen. Was aus den beiden anderen Häuten geworden war, wußte ich nicht. »Meine« Haut schien es ebenso wenig zu wissen, denn sie hatte sie bis jetzt nicht erwähnt. Ich stellte mir in meinen schlimmsten Gedanken vor, daß sie über Perry und Bully hergefallen waren. Nein, sagte ich mir dann, in dem Fall wären sie aufgetaucht, oder sie wären auch an Bord der CANT gekommen. Irgendwann, wenn es mir passend erschien, würde ich die Haut danach fragen. Ich konnte mir aber zusammenreimen, daß Kummerog mit dem Sack die Brücke in die Unendlichkeit betreten haben mußte. Vielleicht war er in die bodenlose Tiefe gestürzt. Dann war der Plan der Haut, ihren Herrn zu suchen, völlig absurd und überflüssig. Außerdem mußte ich bei meinen Überlegungen berücksichtigen, daß das alles schon vor langer Zeit geschehen sein mußte. Meine dürftigen Erkenntnisse über mögliche Zusammenhänge behielt ich aber für mich. Ich schirmte diese Gedanken vor Kummerogs Haut ab. Erstens wollte ich zurück zum Arsenal und zu Perry und Bully. Noch beherrschte ich weder die Haut noch die CANT. Und zweitens konnte ich nicht beurteilen, wie die Haut reagieren würde, wenn sie erführe, daß ihr Herr womöglich nicht mehr unter den Lebenden weilte. Auf einen anderen Punkt konnte ich mir noch keinen Reim machen. Als Kummerog das Arsenal betreten hatte, war dort augenscheinlich alles in bester Ordnung gewesen. Wer oder was hatte dann aber den Brand ausgelegt, der alles verwüstet hatte? Nun schwieg Kummerogs Haut, ohne daß ich den Grund dafür erfuhr. Vielleicht brauchte sie einfach ein paar Pausen. Vielleicht strengte sie das Berichten an. Ich wußte es nicht.
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Um mehr über ihren Zustand zu erfahren, schloß ich wieder einmal die Augen und ließ die mentalen Bilder auf mich wirken, die ich für Abdrücke ihres Unterbewußtseins hielt. Zunächst war da nur Schwärze. Dann schälte sich etwas Unbekanntes heraus. Es wirkte riesengroß und besaß eine völlig unregelmäßige Form, die ein wenig an eine geballte Menschenhand erinnerte. Eine unförmige Beule. Eine schwarze Riesenkartoffel. Ein besserer Vergleich drängte sich mir nicht auf. Die Größe konnte ich nicht abschätzen, aber mehr als zehn Kilometer durchmaß das Objekt nicht. Wie konnte sich die Haut mit einem so unförmigen und nichtssagenden Gebilde identifizieren? Meinen Irrtum erkannte ich schnell. Vor meinem geistigen Auge rückte das ganze Objekt mit einem Schlag ganz nah heran. Nun wirkte seine Hülle wie Metall. Ein Loch entstand. Aus der Art und Weise, wie es sich bildete, erkannte ich, daß hier Formenergie im Spiel war. Durch das Loch konnte ich ins Innere der Riesenkartoffel blicken. Und da wurde mir klar, um was es sich handelte. Das war das Arsenal der Baolin-Nda! Immerhin, das war eine neue Erfahrung. Kummerogs Haut konnte sich in ihrem Unterbewußtsein also auch Bilder vorstellen, die fast nichts mit ihr zu tun hatten. Ich tastete mich mit meinen Gedanken in das Arsenal hinein. Oder in das Unterbewußtsein der Haut? So genau konnte ich das selbst nicht entscheiden. Die Wirkung war verblüffend. Das Bild des Arsenals zerplatzte wie eine Seifenblase. Es blieb nichts übrig. Ich mußte die Haut bei ihren unbewußten Träumen ganz gewaltig gestört haben. »Was machst du da?« fragte die Haut. Sie schien leicht verunsichert zu sein. »Nichts«, entgegnete ich mit gespieltem Gleichmut. »Ich sitze hier und warte darauf, daß du die Geschichte deines
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Herrn weitererzählst. Sie hat begonnen, mich zu interessieren. Es könnte sein, daß ich dich aus freiem Willen bei der Suche nach ihm unterstütze.« Das war natürlich glatt gelogen, aber es zeigte tatsächlich Wirkung. »Das wäre sehr in meinem Sinn, Alaska«, vernahm ich. »Es ist kein Geheimnis, daß ich mir große Sorgen um Kummerog mache.« Ich hörte nur mit einem Ohr hin, denn meine geheimen Überlegungen gingen in eine ganz andere Richtung. Das Zerplatzen des Bildes hatte mir den Beweis geliefert, daß ich mit meinen Gedanken Einfluß auf das Unterbewußtsein der Haut nehmen konnte. Auch das war ein Ansatzpunkt für den entscheidenden Kampf. Ich wagte einen weiteren Schritt und versuchte, selbst Bilder darzustellen. Da eine Rückwirkung auf das Bewußtsein der Haut möglich war, war es denkbar, daß sie das Bild aufnahm. Ich stellte mich selbst dar und reichte der Haut die Hand. Nimm sie, mein Freund! dachte ich. Wir arbeiten zusammen. Zunächst geschah nichts. Dann aber schob sich aus der Schwärze eine zweite Hand, die um die Hälfte größer war als meine. Sie besaß zwei Finger und zwei Daumen. Es war unschwer zu erraten, daß das Kummerogs Hand war. Sie ergriff meine Rechte, und ich hatte dabei das Gefühl, daß sie mich wirklich berührte. Ich drückte kräftig, aber nicht zu fest zu. »Ich spüre«, hörte ich, »daß du es ehrlich meinst mit der Kooperation. Das macht die ganze Sache für mich einfacher. Ich werde nun meinen Bericht fortsetzen.« Für einen Moment dachte ich daran, die Pranke zu zerquetschen. Oder daran zu ziehen, bis sie aus dem fiktiven Leib gerissen wurde. Noch wußte ich nicht, zu welchen Taten ich fähig war. Daß mich der Aktivator nachhaltig unterstützte, dessen war ich mir voll bewußt.
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Ich öffnete die Augen und atmete tief durch. Dann setzte Kummerogs Haut ihren Bericht fort...
Kummerog hatte Yokanrog befohlen, sich in Tiefschlaf zu versetzen, denn er wollte nicht gestört werden. Die Frage, die er auf dem dreiwöchigen Flug zum Arsenal klären wollte, betraf das Passantum. Was steckte da wirklich drin? Welche Funktion hatte es? War es nur ein Ausweis oder Schlüssel? Oder gar ein technisches Instrument? Das schwarze Armband war an seinem Körper kaum zu erkennen. Der Mutant starrte es durchdringend an, aber er erkannte nichts. Und doch ging ununterbrochen etwas von ihm aus. Er spürte es ständig. Es trat kein Gewöhnungseffekt ein. Ein bißchen war es so, als ob Leben in dem Band steckte. War das Passantum am Ende gar ein Lebewesen? Wenn er es behutsam abtastete, schien es sich zu bewegen. Schließlich packte er es fester an. Er zuckte zusammen. In seinem Kopf erklangen geisterhafte Stimmen. Es war ihm aber unmöglich, auch nur eins der Worte zu verstehen. Die Sprache klang merkwürdig vertraut, aber die Worte ergaben keinen Sinn. Die einzelnen Vokale und Konsonanten schienen völlig willkürlich zu Begriffen zusammengesetzt zu sein. Einige der nichtssagenden Worte wiederholten sich. Andere kamen ständig neu dazu. Schließlich beendete er die Betastung, und es kehrte wieder Ruhe in seinem Kopf ein. Kummerogs Neugier war jedoch nicht befriedigt. Er experimentierte weiter mit dem Band. Wenn er es abnehmen wollte, was durchaus möglich war, so spürte er ein unangenehmes Gefühl. Ein wenig wurde ihm dabei übel. Er erkannte, daß das Passantum nicht wollte, daß es abgenommen wurde. Wenn er es nur betrachtete, dann fühlte er ein angenehmes Prickeln.
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Er drehte es im hellen Licht hin und her. Nun bemerkte er, daß einige Zonen farbliche Reflexe abgaben. So gleichmäßig schwarz wirkte das Ding nun nicht mehr. »He, Passantum!« stieß er hervor. »Was bist du für ein merkwürdiges Band? Antworte!« . Es geschah nichts. Da waren ein paar wispernde Stimmen, aber die waren noch unverständlicher als das, was er hörte, wenn er noch fester zupackte. »Ich weiß«, sagte er zum Passantum, »daß du mit mir reden könntest. Du willst es nur nicht. Warum?« Schweigen. »Du kannst reden«, bohrte er weiter. »Ich bin mir da ganz sicher. Der Bote hat auch mit dir gesprochen. Ich habe es genau verfolgen können. Er hat dir erklärt, daß er dich abgeben müsse. Und du warst damit einverstanden. War es so?« Ganz sicher war Kummerog seiner Sache nicht. Aber daß das Passantum ein Geheimnis verbarg, war ihm klar. Sosehr er sich auch bemühte, seine Nachforschungen erbrachten kein Ergebnis. Das Passantum schwieg hartnäckig; seine hörbaren Worte blieben völlig unverständlich. Kummerog überlegte, was das alles zu bedeuten haben könnte. Er fand jedoch keine Antwort. Das ärgerte ihn. Andererseits, sagte er sich, kann mir das ziemlich egal sein. Wie ich mir die Beute hole, mit einem stummen Band oder ohne es, das ist egal. Und nur auf die Beute kam es schließlich an. Er ging ins Labor, nahm das Band ab und ertrug das unangenehme Gefühl. Er legte es in einen Analysator und schaltete das Gerät ein. Die Abtastung dauerte normalerweise nur Sekunden bei einem so kleinen Objekt. Aber nach fünf Minuten zeigte der Bildschirm des Analysators immer noch kein Ergebnis an. Er nahm das Band wieder heraus und stellte einen Plastikbecher in das Probenfach. Das Resultat erschien sofort auf dem Bildschirm. Das Gerät arbeitete also fehlerfrei.
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Dann versuchte er es erneut mit dem Band. Er wartete eine Stunde ab, aber es geschah nichts. Der Analysator fand nichts zum Analysieren. »Das ist ja die Härte!« schimpfte der Pirat. »Ich sehe und spüre dich. Du sprichst mit seltsamen Stimmen zu mir. Und doch bist du gar nicht vorhanden. So etwas hat die Welt noch nicht gesehen.« Er gab es auf, mehr über das Passantum in Erfahrung zu bringen. Seine Möglichkeiten hatte er ausgeschöpft. Und doch wagte er einen letzten Versuch. Er weckte den Gelbhäutigen und hielt ihm den Unterarm mit dem Passantum vor das eine Auge. »Was siehst du, Yokanrog?« fragte er den Sklaven. Der wirkte etwas verdattert. »Was soll ich sehen? Deinen starken Arm, Herr.« »Sonst nichts?« Kummerog deutete mit einem Finger auf das Passantum. »Du trägst ein schwarzes Armband«, sagte Yokanrog. »Meinst du das?« Er sah es also ebenfalls. Aber der Analysator bemerkte nichts. Das Rätsel blieb. Und damit fand Kummerog sich vorerst ab.
Zwei Lichtjahre vor dem Ziel fiel die CANT aus dem Hyperraum. »Schmeiß die Orter an, Fasoldog!« verlangte Kummerog. »Such den Raum in Flugrichtung ab!« »Schon dabei, Herr!« Yokanrog war wach. Neugierig verfolgte er das Geschehen. »Darf ich fragen, Herr«, bat er unterwürfig, »wonach wir suchen?« »Du suchst gar nichts, du häßlicher Gnom. Der Bordcomputer sucht. Irgendwo dort draußen in ungefähr zwei Lichtjahren Entfernung muß sich etwas befinden. Wenn mein Plan klappt, dann machen wir dort reiche Beute.«
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Der Gelbhäutige zog es vor, nichts zu erwidern. Zu leicht hätte er seinen Herrn reizen können. Und dann war Kummerog stets sehr unangenehm. »Ich habe alles abgetastet«, meldete Fasoldog. »Bis in eine Entfernung von fünf Lichtjahren. Dort draußen ist nichts. Nur leerer Raum. Die Hyperortung weist in allen Richtungen kein einziges Echo auf.« »Du bist eine dämliche Schrottkiste«, schimpfte der Mutant. »Programmiere eine neue Flugetappe. 1,5 Lichtjahre, gleiche Richtung .« Die CANT nahm wieder Fahrt auf und verschwand im Hyperraum. Als die kurze Strecke überwunden war, stoppte Kummerog erneut. »Ein fünfdimensionales Echo«, meldete Fasoldog sogleich. »Laß mich von der Flugrichtung abweichen, dann kann ich dir die genaue Entfernung sagen.« »Nicht nötig. Benutz den Massetaster. Aus der Laufzeit seiner Reflexe kannst du die Entfernung bestimmen.« »Das ist leider unmöglich, Herr«, behauptete der Bordcomputer. »Der Massetaster zeigt nichts an. Wenn du ihm glauben willst, dann ist dort nichts. Die fünfdimensionale Strahlung ist jedoch eindeutig vorhanden. Sie entspricht einer blauen Riesensonne. Die Komponenten enthalten keine Störungen, die auf das Vorhandensein von Planeten schließen ließen. Die optische Auswertung zeigt in der bewußten Richtung auch nichts. Da ist keine Sonne, nur deren Strahlung.« Die Geschichte wurde immer rätselhafter. »Kurs wechseln!« befahl Kummerog. »Und dann die Entfernung bestimmen!« Das war schnell geschehen. »Entfernung der unsichtbaren Strahlungsquelle«, meldete Fasoldog, »5,87 Lichtmonate.« »Da haben wir unser Ziel.« Kummerog hob begeistert die Hände. »Die Abweichung von ein paar Prozent liegt im Rahmen der Toleranzen. Yokanrog, die Beute ist nah.«
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Der Sklave nickte eifrig, obwohl er nichts verstand. In einer Kurzetappe wurde das letzte Stück der Flugstrecke bewältigt. Nun zeigte sich, daß die Koordinaten, die der vierte Bote von Thoregon Kummerog ausgehändigt hatte, sehr genau waren. Aber auch, daß es sich bei dem Arsenal der Baolin-Nda um ein höchst merkwürdiges Gebilde handeln mußte. Es war in der unmittelbaren Nähe zwar sichtbar, aber da es zur Gänze aus einem schwarzen Material bestand, mußte der Pirat die Scheinwerfer der CANT benutzen. Hier draußen, Millionen Lichtjahre von den nächsten Galaxien entfernt, existierten keine Lichtquellen. Auch erweckte das unregelmäßig geformte Arsenal nicht den Eindruck eines künstlichen Bauwerks. Eher meinte Kummerog, daß es sich um einen verirrten Materiebrocken von etwa neun mal sieben Kilometern Größe handelte, dem ein Raumschiff, das zufällig in seine Nähe kam, keine Beachtung schenken würde. Aber das waren nicht alle Merkwürdigkeiten. Das Objekt war energetisch völlig tot, sah man von der fünfdimensionalen Strahlung einmal ab. Auch jetzt wiesen die Massetaster nichts aus. Der Einsatz der Hohlraumtaster war daher völlig sinnlos. Diese Geräte hätten das gleiche Ergebnis gebracht wie die Untersuchung des Passantums im Analysator, nämlich nichts. Bestand eine Verbindung zwischen dem Passantum und dem Arsenal? Langsam näherte sich die CANT dem großen Objekt. Kummerog meinte, daß das Armband plötzlich angenehme Gefühle abstrahlte. Es schien die Nähe des Arsenals zu spüren. Dann sprach ein Empfänger an. »Wir empfangen einen Peilstrahl«, meldete Fasoldog. »Folge ihm!« Mißtrauisch schielte der Pirat auf das Passantum. Hatte es sich mit dem Zentralcomputer des Arsenals in Verbindung gesetzt? Es mußte wohl so sein, weil es keine andere Er-
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klärung gab. Ein Zugang öffnete sich. »Formenergie«, stellte Yokanrog fest. »Das sehe ich auch«, knurrte Kummerog unwirsch. Der Bordcomputer lenkte die CANT in einen geräumigen Hangar und landete dort. Hinter dem Keilschiff schloß sich die Außenhülle wieder. »Atembare Luft«, meldete Fasoldog. »Du bleibst erst einmal an Bord«, befahl Kummerog seinem Sklaven. »Ich sehe mich allein um.« Er holte den Rucksack mit den Häuten und ließ sich vom Distanzspringer nach draußen befördern. Vorsichtshalber leerte er den Behälter aus. Man konnte nie wissen, auf wen man stieß. In einem solchen Fall mußten die Häute schnell zur Verfügung stehen. Den weiß-blau gestreiften Rucksack warf er sich über die Schulter. Weißes Licht, dessen Quelle nicht festzustellen war, hüllte ihn ein. Die Luft war angenehm, und die Schwerkraft stimmte auch. An einem Ende des Hangars entdeckte Kummerog mehrere große Ausgänge. Er wählte willkürlich einen aus und glaubte zu spüren, daß das Passantum wieder ein ansprechendes Gefühl auf ihn übertrug. »Wenn du meinst«, sagte er zu dem Armband, »daß ich mich direkt auf die Suche nach dem Zentralcomputer mache, dann hast du dich gewaltig geirrt. Erst einmal sehe ich mich um. Ich will wissen, was es hier zu holen gibt.« Das Passantum reagierte auch jetzt nicht. Der Korridor, den der Cantrell betrat, war sehr hoch und breit und von ovaler Form, ähnlich einer Ellipse. Sechs mal zwölf Meter, schätzte er. Der Boden bestand aus grauem, geriffeltem Material. Vielleicht handelte es sich um eine Art Kunststoff. Die blanken Wände und die Decke erstrahlten unter dem weißen, indirekten Licht in einem gelblichen Ton.
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Der Gang verzweigte sich mehrfach. Kummerog überlegte nicht lange und schritt weiter geradeaus. Hier waren in den Seitenwänden kleine Nischen eingelassen, in denen allerlei unwichtiges Zeug stand. Kleine Kisten und Dosen sowie andere Behälter mit teils seltsamen Formen. Er schenkte diesem Tand keine Beachtung. Seine Suche galt wahren Schätzen: High-Tech-Geräten, Edelmetallen, Nahrungsvorräten und anderem mehr. Er wanderte mehrere Stunden durch das Arsenal, sein Gesicht wurde immer länger. Hier gab es nichts Brauchbares. Seine Enttäuschung wurde größer. Alles war sauber und ordentlich, aber von der erhofften Beute zeigte sich absolut nichts. Schließlich erreichte er einen zehn Meter hohen Durchlaß. Zweifellos handelte es sich um ein Schott, aber es war geöffnet. Er trat in den Raum dahinter und blieb stehen. Ein seltsames Gefühl befiel ihn. Scheu oder gar Angst, das kannte er nicht. Aber irgend etwas stimmte hier nicht. Eine Atmosphäre lag in der Luft, die von ihm als unangenehm oder gar bedrohlich empfunden wurde. Die Wände waren über 200 Meter hoch; so breit und tief war der Raum auch. Genau im Mittelpunkt erhob sich ein seltsames Bauwerk über 30 Meter in die Höhe. Der Bau war schlank und trug oben eine ausladende Pilzkappe. Einen Zugang in das Bauwerk entdeckte Kummerog nach der ersten Umrundung nicht. Nun merkte er, daß es der Pilz war, von dem das beklemmende Gefühl ausging. Es hatte eine grundsätzliche Ähnlichkeit mit den negativen Empfindungen, die das Passantum manchmal auf ihn übertrug. Er überwand das dumpfe Gefühl und blickte sich weiter um. An einer Seitenwand standen hufeisenförmig angeordnet mehrere Reihen von Sitzbänken. Sie sahen sehr einfach aus und waren aus einem braunen Material. Für wen sie gedacht waren, ließ sich nicht feststellen.
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Ansonsten war der würfelförmige Raum leer. Er besaß auch nur den einen Zugang, eben den, durch den Kummerog hereingekommen war. Der Pirat hockte sich auf die vorderste Bank und ließ seinem Ärger freien Lauf. Er fluchte in allen Sprachen, die er kannte. Aber damit erreichte er auch nichts. Keine Beute! Dann fiel ihm wieder ein, was der halbtote Bote gesagt hatte. Er würde eine reiche Belohnung bekommen, wenn er das Passantum unbeschädigt einer berechtigten Person aushändigen würde. Das wäre natürlich ein Trostpflaster. Aber wo, bei allen Höllengeistern, sollte er eine berechtigte Person finden? Hier bestimmt nicht. Und wie sollte er erkennen, daß sie berechtigt war? Er setzte seine Flucherei fort, bis ihm nichts mehr einfiel.
5. Schließlich erhob er sich und machte sich auf den Rückweg zur CANT. An den Zentralcomputer dachte er überhaupt nicht mehr. Lebewesen gab es hier nicht. Und keine Beute. Was sollte er hier noch? Vielleicht konnte er an einem anderen Ort wenigstens das Passantum verscherbeln. Oder sollte er es lieber behalten? Es war ja eine Art Türöffner. Vielleicht funktionierte es auch bei der Bank von Tuau-Lou. Oder bei den Geheimfabriken der Lessetter. Kummerog verspürte Hunger und betrat eine Nische, in der kleine Blechdosen standen. Vielleicht enthielten diese etwas Eßbares. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder, denn plötzlich war da eine Stimme in seinem Kopf. Außerdem sah er Bilder, die niemals der Wirklichkeit entsprechen konnten. -228-
»Willkommen, Herr!« tönte es. »Darf ich dir meine vorzüglichen Waren vorstellen?« »Verdammt!« rief Kummerog. »Die Stimme meint mich.« »Natürlich«, erklang es sanft und betont freundlich. »Es ist ja sonst niemand da. Außerdem bist du absolut berechtigt.« Das Passantum! Vor seinem geistigen Auge hingen verschiedenfarbige Stifte, alle mit der Spitze nach unten. Sie erinnerten ihn an vorzeitliche Schreibutensilien. An Bleistifte. Er wollte sich schon wieder abwenden, als ihn doch die Neugier festhielt. »Eigentlich suche ich etwas Eßbares«, sagte er zu der wesenlosen Stimme, die in seinem Kopf entstand und von nirgendwo oder irgendwo zu kommen schien. »Aber was hast du denn anzubieten?« »Darf ich es dir vorführen? Es handelt sich um Suchgeräte für Diamanten, Howalgonium und Edelmetalle. Du kannst aber auch Suchgeräte für andere Mineralien von mir erhalten.« »Vorführen«, entschied der Pirat knapp. Diamanten, Howalgonium, Edelmetalle, das hörte sich verlockend an. Sein Blickfeld weitete sich. Er befand sich auf einem unbekannten Planeten. Wenige Meter entfernt stand eine schuppige Echsengestalt. Sie hielt einen der »Bleistifte« in der linken Pranke. »Entfalte dich!« befahl der Schuppige. »Welche Größe?« erklang eine Frage. Kummerog glaubte, daß sie aus dem Stift kam. Aber das war natürlich alles Unsinn. Hier wurde nur eine alberne Schau abgehalten. »Welche Größe beherrschst du denn?« fragte die Echse. »Maximal 271,42 Meter«, lautete die Antwort. »Das möchte ich sehen.« »Es wird gleich ausgeführt, Herr. Du mußt mir noch sagen, wonach ich suchen soll. Und wieviel Zeit mir zur Verfügung steht.« »Suche nach Gold! Und mach schnell!«
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»Ich kann ein Zeitrafferfeld zuschalten«, sagte der Stift. »Für eine sinnvolle Suche benötige ich real vier Tage. Mit dem Zeitraffer schaffe ich es aber in vier Minuten.« »Das gefällt mir gut. Leg los!« Das Echsenwesen ließ den Stift fallen. Das winzige Ding begann zu wachsen. Es wurde riesengroß. An seiner unteren Spitze wurden nun scharfe Kanten sichtbar, die zu rotieren begannen. In der Mitte der Spitze flammte ein hellroter, desintegratorähnlicher Flammenstrahl auf, der ein Loch in den Planetenboden brannte. In dieses Loch schob sich ein Stift, der inzwischen eine Länge von über 100 Metern besaß und immer noch weiterwuchs. »Der Zeitraffer wird jetzt zugeschaltet.« Das war wieder die Stimme aus der Nische, die Kummerog zuerst wahrgenommen hatte. »Ich verlangsame die Bilder etwas, Herr, damit du überhaupt etwas erkennen kannst.« Das Ding war inzwischen riesengroß, bestimmt über 250 Meter. Es bohrte sich mit atemberaubender Geschwindigkeit in den Planetenboden und war Sekunden später verschwunden. Exakt vier Minuten nach dem Start tauchte es wieder auf. An seiner Oberseite öffnete sich eine Klappe. Eine freischwebende Plattform senkte sich herab. Darauf lagen rohe Goldklumpen in verschiedenen Größen, aber insgesamt mindestens vom Gewicht einer Tonne. Ein Schatz! Ein Vermögen! Kummerog wollte instinktiv danach greifen, aber seine Hand glitt ins Leere. Das Bild war nur in seinem Kopf vorhanden. »Für die Weiterverarbeitung«, hörte er die freundliche Stimme, »empfehle ich Korridor D-51, Nische 17. Für die Suche nach geeigneten Rohstoffplaneten wende dich bitte nach Korridor K-34, Nische 19. Alle Produkte sind subminiaturisiert; sie können problemlos abtransportiert und per Gedankenbefehl programmiert werden. Für eventuelle Fragen stehe ich gern zur Verfügung.«
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Dem Piraten wurde schwindlig im Kopf. Er trat zwei Schritte zurück und verließ dabei die Nische. Sofort wurde die Umgebung wieder normal. Die Bilder waren verschwunden. Die mentale Stimme meldete sich nicht mehr. »Ich werd' doch nicht verrückt«, murmelte Kummerog. »So etwas gibt es nicht. Ich habe ja wirklich viel Ahnung von Technik, aber diese Schau kann nur ein ausgemachter Schwindel sein. Vielleicht ist das Arsenal eine Schaubude für Verrückte und Träumer. Verdammt, ich habe Hunger! Und zurück zur CANT will ich noch nicht.« Er ging ein paar Schritte weiter und blieb erneut vor einer Nische stehen. Wieder fragte er sich, was das alles zu bedeuten hatte. Und welche Rolle dabei das Passantum spielte. Es war unglaublich, was ihm da vorgeführt und angeboten worden war. Seine Verdutztheit hielt nicht lange an. Erneut übermannte ihn die Neugier. Er machte den Schritt in die nächste Nische, in der eine Vielzahl von Dosen stand, die höchstens drei Zentimeter Durchmesser besaßen. Sofort war da wieder eine Stimme in seinem Kopf. Er wurde überfreundlich begrüßt. »Bevor du weiter plapperst«, sagte er in seiner burschikosen Art, »brauche ich eine Auskunft: Wo bekomme ich hier etwas zu essen?« »Bei mir, Herr. Dich hat wohl der Zufall an den richtigen Ort geführt«, vernahm er zu seinem Erstaunen. Mehrere der kleinen Dosen erhoben sich und schwebten vor seinen Augen. Die Behälter wurden transparent. In ihrem Innern befanden sich winzige Körner oder Sand oder etwas Ähnliches. Über den Dosen entstanden Bilder von verschiedenen Früchten. Einige davon waren Kummerog bekannt, die meisten jedoch nicht.
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»Und wie soll das funktionieren?« fragte er die unsichtbare Sprecherin. »Ich lasse ein Samenkorn wachsen«, kam die prompte Erklärung, »bis die Pflanze Früchte trägt. Und die bekommst du dann.« »Das ist doch total hirnrissig.« Jetzt hatte Kummerog endgültig genug. »Ich habe jetzt Hunger, nicht in fünf oder zehn Jahren.« »Ich arbeite mit einem Wachstumsbeschleuniger, Herr.« Die freundliche Stimme war nicht aus der Ruhe zu bringen. »Du mußt mir nur sagen, welche Frucht du möchtest. Und natürlich wie viele.« »Das möchte ich sehen. Gib mir drei Cossinians und zwei Partans!« »Kein Problem, Herr.« Zwei Döschen öffneten sich, und zwei Körner flogen heraus. Ein Stück darunter bildete sich aus dem Nichts ein Stück Erdreich. Hinein fielen die beiden Samenkerne. Es dauerte genau vierzehn Sekunden, dann standen da ein Cossinianbaum mit drei und ein Partanbusch mit zwei Früchten. »Bitte sehr, Gebieter«, tönte es. Der Pirat überwand seine Scheu und griff nach der ersten Frucht. Sie war echt! Er biß hinein und genoß den Geschmack. Rasch verstaute er die anderen Früchte in den Taschen seiner drei Gürtel. »Danke schön.« Er lachte. »Bitte sehr. Ich stehe jederzeit gern wieder zur Verfügung. Vielleicht möchtest du auf einem Planeten Obstplantagen anlegen oder Samenkerne für Notzeiten horten. Melde dich wieder, wenn du mich brauchst.« Obstplantagen anlegen! Kummerog schüttelte sich bei dem Gedanken. Aber er ließ sich die Früchte eine nach der anderen schmecken.
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Gut, sagte er sich. Mit den Früchten und dem Wachstumsbeschleuniger, das kann ich noch glauben. Aber der technische Hokuspokus, der kann nur Show sein. Ich werde die Probe aufs Exempel machen. E R betrat der Reihe nach mehrere Nischen und ließ sich die Angebote vortragen. Von Austauschorganen für verschiedene Lebewesen über planetenumspannende Wetterregulierungsstationen, Hyperraum-Energiezapfer und Heere von angeblich unbesiegbaren Kämpfern bis hin zu Materieduplikatoren - es war alles an unglaublicher Technik vorhanden. Und fast alles war subminiaturisiert, ließ sich angeblich gedanklich steuern, dadurch größer machen und nach dem freien Willen einsetzen. Kummerog wußte gar nicht, was er mitnehmen sollte. Es war mehr eine Laune, daß er sich für eine frei programmierbare Zeitmaschine entschied, an deren Funktionieren er sowieso nicht glaubte. Das miniaturisierte Gerät war 30 Zentimeter hoch und besaß die Form einer antiken Granate oder eines herkömmlichen Bohrkopfs. Es fühlte sich kompakt an, aber er konnte es bequem mit einer Hand tragen. Er packte es in den weiß-blau gestreiften Rucksack und machte sich auf die Suche nach weiteren lohnenden Objekten. Der ganze medizinische oder biologische Firlefanz interessierte ihn überhaupt nicht. Und an die Funktion eines Geräts, das aus Sand Wasser produzieren konnte, glaubte er nicht. Er mußte endlich ein technisches Ding real ausprobieren, denn noch immer hatte der Pirat Zweifel an allem. Zu phantastisch waren die Angebote. Aber wenn alles doch der Wahrheit entsprechen sollte, dann hatte er vielleicht den größten Fang oder Fund gemacht, den das Universum anbot. Ihm wurde erneut schwindlig. Es klang alles so unwahrscheinlich, daß er immer wieder den Kopf schütteln mußte.
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Seine Erfahrungen teilte er nur den Häuten ohne Körper mit. Yokanrog ließ er unwissend. Denn wenn das Arsenal all diese Dinge ohne Gegenleistung zur Verfügung stellen können würde, dann brauchte er keine Mitwisser. Dann würde er Yokanrog beseitigen. Er würde keine Sklaven oder Helfer mehr benötigen. Die Häute konnten hier versauern. Wenn sie keine Körper fanden, konnten sie ihr Wissen auch nicht weitergeben. Er versetzte sie per Gedankenbefehl in den Tiefschlaf und hielt nur noch zu der Haut losen Kontakt, die er zuletzt abgeschieden hatte.
Mutigen Schrittes betrat Kummerog die nächste Nische, in der er kleine dunkelblaue Kästchen aufgestapelt sah. Da er inzwischen gelernt hatte, daß man aus dem Anblick der subminiaturisierten Schätze nichts über deren Funktion entnehmen konnte, ließ er sich überraschen. Er wurde in Dunkelheit gehüllt. In der Schwärze tauchten Tausende von kleinen, glimmenden Punkten auf. Sie waren auf mehrere Ebenen verteilt und erstreckten sich auf eine Breite von vielleicht sechs oder sieben Kilometern. »Ich begrüße dich, Gebieter«, säuselte eine mentale Stimme. »Ich hoffe, ich kann deine Wünsche erfüllen.« »Das kommt darauf an, was du anzubieten hast.« »Du siehst meine Ware bereits in entfaltetem Zustand«, erklärte die Stimme. »Im Original ist sie ein Kästchen, das du bequem in die Hand nehmen kannst. Sieh her!« Vor seinen Augen tauchte aus der Dunkelheit mit den glimmenden Punkten eins der Kästchen auf, die er von draußen gesehen hatte. »Du kannst den Behälter mit deinen Gedanken vergrößern oder zur Entfaltung bringen«, erklärte die mentale Stimme.
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»Welches ist die maximale Größe?« Kummerog zeigte, daß er schnell gelernt hatte, welche Fragen man stellen mußte. »Die maximale Breite beträgt sieben Kilometer, die Höhe und die Tiefe jeweils fünf.« »Und was ist das Ganze?« »Du siehst es doch in entfaltetem Zustand. Wenn du es ausgebreitet hast, kannst du die glimmenden Flammen in deinen Gedanken entzünden. Ich versichere dir, es wird das größte Feuerwerk, das du je erlebt hast.« »Feuerwerk? Ein bißchen Spaß wäre nicht schlecht. Hier ist es sowieso ziemlich langweilig. Ich nehme ein Kästchen.« »Nimm es, aber ich muß dich warnen. Wenn du ...« Wenn Kummerog eins haßte, dann waren es Warnungen, die jemand an ihn richtete. Das würde der vierte Bote von Thoregon zwar nicht mehr am eigenen Leib spüren, weil er längst ein Opfer der Bordratten geworden war, aber von dieser mentalen Säuseltante ließ er sich schon gar nichts sagen. »Halt's Maul!« unterbrach er sie schroff. »Ich weiß selbst, was ich zu tun habe. Deine guten Ratschläge interessieren mich einen Dreck.« Das Passantum strahlte seltsame Gefühle ab, die wieder das Ekelempfinden anregten, aber Kummerog ignorierte sie. »Ich muß dir sagen...«, begann die Stimme erneut, aber den Rest hörte der Pirat schon nicht mehr. Er hatte mit schnellen Schritten die Nische verlassen. Und sobald das geschehen war, riß der mentale Kontakt ja ab. Draußen versuchte er das blaue Kästchen mechanisch zu öffnen. Es gab aber keinen Deckel und keinen Verschluß. Das quaderförmige Ding war in sich völlig geschlossen und glatt. »Dann eben nicht«, knurrte er unwillig. »Es gibt auch noch einen anderen Weg.« Er legte den Rucksack so ab, daß er sich auf die angebliche Zeitmaschine setzen konnte. An Bord der CANT würde er das Ding in seinem Labor einmal genauer unter die Lupe nehmen. Es paßte ja bequem in den Analysator. Dann würde er schon
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herausbekommen, was es damit auf sich hatte oder welche Geheimnisse es verbarg. Er stellte das blaue Kästchen vor sich ab und starrte es an. »Hörst du mich?« fragte er. »Natürlich.« Es war eine rauhe und männliche Stimme. »Welche Anweisungen hast du für mich, Herr und Gebieter?« Es gefiel ihm, wenn er so angesprochen wurde. »Entfalte dich!« »Zu welcher Größe, mein Herr?« »Zur maximalen Größe. Wenn wir schon ein Feuerwerk veranstalten, dann soll es ein schönes und großes Spektakel werden.« »Wie du befiehlst, Herr. Bei der maximalen Ausdehnung haben die Quellen einen Abstand von sieben Metern. Sie bilden ein Gitterfeld von sieben Kilometern Breite sowie fünf Kilometern Höhe und Tiefe. Ist es das, was du möchtest?« »Ganz genau.« »Dann entfalte ich mich jetzt.« Das blaue Kästchen wuchs schnell an. Dabei veränderte es seine Farbe. Es wurde heller und schließlich durchsichtig. Es durchdrang während des Anwachsens Kummerogs Körper, ohne daß er etwas anderes spürte als die unangenehme Ausstrahlung des Passantums. Als der Quader eine Größe von etwa zehn Metern erreicht hatte, entstanden in ihm zahllose winzige leuchtende Punkte. Das dunkelrote Glimmen besaß eine angenehme Wärme. Die einzelnen Punkte strebten immer weiter auseinander, ohne dabei selbst anzuwachsen. Sie verschwanden durch die Seitenwände, die Decke und den Boden und damit zum allergrößten Teil auch aus dem Blickfeld des Piraten. »Das ist ja blöd«, beschwerte sich Kummerog. »Ich sehe ja fast nichts mehr außer ein paar glühenden Pünktchen.« »Du wirst noch genug zu sehen bekommen.« Die mentale Stimme des Feuerwerks war für ihn immer noch erreichbar. »Ich habe jetzt die befohlene Ausdehnung angenommen. Du kannst nun bestimmen, wo der Mittelpunkt liegen soll.«
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»Der Mittelpunkt? Du meinst den Mittelpunkt des Feuerwerks?« »So kannst du es gerne nennen, Gebieter. Alle deine Befehle werden ausgeführt.« Die Schmeicheleien taten ihm gut. Sie wirkten ehrlich und nicht so geheuchelt wie das Gehabe von Yokanrog. »Der Mittelpunkt ist hier«, entschied Kummerog. »Ich möchte mittendrin sein, wenn das Feuerwerk losgeht.« »Wie du befiehlst, Herr. Nun nenne mir den Zeitpunkt der Zündung.« »Jetzt«, sagte der Pirat. »Fang an! Ich möchte was erleben» Das unangenehme Gefühl, das vom Passantum ausging, wurde noch stärker. »Du hast dir das gut überlegt?« fragte die mentale Stimme. »Du sollst meine Befehle ausführen und keine dämlichen Fragen stellen!« Die mentale Stimme schwieg. Die leuchtenden Punkte, die Kummerog frei schwebend sah, bewegten sich plötzlich ungeheuer schnell. Sie schossen auf die nächste erreichbare feste Materie zu und blieben dort kleben. Die ursprüngliche gitterförmige Anordnung ging dabei verloren. Es entstanden Gebiete mit vielen leuchtenden Punkten und solche mit nur einzelnen. Nun wurden sie schnell größer. Sie glühten förmlich auf. Mit ihnen begann die in der Nähe befindliche Materie zu leuchten. Wärme breitete sich aus. »Der Auftrag wurde ausgeführt, Herr«, erklang die mentale Stimme zum letzten Mal. »Der Atombrand ist gelegt - nahezu ohne für organische Wesen tödliche Strahlung. Ich bedanke mich für dein Vertrauen und den Auftrag.« »Atombrand!« schrie Kummerog. »Du tickst wohl nicht ganz richtig! Ich wollte ein Feuerwerk, aber keinen Atombrand. Mach das sofort wieder rückgängig!« Es war nichts und niemand da, der ihm antwortete. Er ließ einen Stapel von Flüchen los, dann besann er sich.
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Eine Möglichkeit, den schwelenden Atombrand zu löschen, sah er nicht. Und die Strahlung? Er mußte der Stimme glauben, auch wenn es unglaublich klang. Er stürmte in die nächste Nische, die noch zugänglich war. Sekunden verrannen, bis sich die mentale Stimme unterwürfig meldete und ihr Angebot vortragen wollte. »Ruhe!« schrie er. »Hier rede nur ich. Ich brauche etwas, um einen scheinbar unlöschbaren Atombrand zu beseitigen.« »Herr«, erklang es. »Da mußt du den Zentralcomputer fragen.« »Und wo finde ich den?« »Wenn du meine Nische verläßt, wende dich nach links. An der nächsten Verzweigung wähle den rechten Korridor. Er führt an die Randzone mit dem Zentralcomputer und den Hangarräumen.« »Genau da muß ich hin.« Er rannte hinaus. An einer Diskussion mit dem Zentralcomputer hatte er kein Interesse. Er mußte hier weg. Und dafür gab es nur einen Weg. Die CANT! Er kam nicht weit. Noch bevor er die erwähnte Abzweigung erreichte, gelangte er in eine Zone, in der der Atombrand schon so weit fortgeschritten war, daß er keinen gangbaren Weg mehr entdeckte. Er wählte einen Umweg durch seitliche Korridore, aber wieder rannte er gegen eine Wand aus Glut. Die Hitze wurde allmählich unerträglich, obwohl sich die glühenden Teile teilweise nur langsam ausbreiteten. An vielen Stellen - und das hing wohl von der Materiekonzentration ab - hatten sich die leuchtenden Punkte, die die mentale Stimme so irreführend als Quellen bezeichnet hatte, schon miteinander verbunden. Daß er selbst mit seiner Überheblichkeit der Stimme keine Chance mehr gegeben hatte, ihre Warnung loszuwerden, das übersah der Cantrell. Seine Suche endete vorerst in der bitteren Erkenntnis, daß der Weg zur CANT - und damit zum Zentralcomputer - ab-
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geschnitten war. Da kam ihm ein anderer Gedanke. Der Hangarraum mit der CANT lag aller Wahrscheinlichkeit nach außerhalb des Quaders, in dem er aus Unwissenheit den Atombrand gelegt hatte. Er mußte Yokanrog losschicken. Der konnte sich vielleicht vom Zentralcomputer die Informationen holen, wie der Brand zu stoppen war. Er rief den Sklaven. Der Kontakt kam sofort zustande. »Ich bin auf einen Feind gestoßen«, erklärte er ihm, denn seine Fehler wollte er nicht eingestehen. »Er hat einen Atombrand im Arsenal gelegt. Mir ist der Weg zurück abgeschnitten. Such den Zentralcomputer und frag ihn um Rat. Er soll den Brand stoppen oder löschen. Oder such eine der Nischen auf, die du in den Korridoren findest. Du triffst dort auf mentale Stimmen, die dir helfen können. Beeil dich, Yokanrog! Ich melde mich später wieder.« Der Schwelbrand machte vor keiner Materie halt. Er drängte ihn immer weiter von der CANT fort - in Richtung des Raumes mit dem Pilzdom. Er hielt passiven Kontakt zu Yokanrog, der seine Anweisungen genau befolgte. Aber einen Erfolg konnte der Sklave nicht vorweisen. Er irrte irgendwo in der Nähe des Hangarraums durch die Korridore des Arsenals. Als hundert Meter voraus das Schott auftauchte, das in den würfelförmigen Raum mit dem Pilzdom führte, hatte er endlich eine Zone erreicht, in der noch alles ziemlich normal aussah. Allerdings gab es hier keine Nischen mit irgendwelchen Waren oder Produkten. Kummerog spürte wieder das drückende Gefühl, das von dem Pilzdom ausging. Aber das war leichter zu ertragen als der Tod im Atombrand.
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6. Meine dumpfe Ahnung hatte sich bestätigt. Dieser Wahnsinnige hatte das Arsenal der Baolin-Nda zerstört. Die wohl phantastischste und vollkommenste Sammlung von High-TechGeräten und Vorräten aus allen denkbaren Wissensgebieten war ein Opfer des von Dummheit, Raffgier und Verspieltheit besessenen Kummerogs geworden. Es war unglaublich. In jeder Hinsicht. Das, was das Arsenal einmal geboten hatte. Und das, was dieser Zwerg daraus gemacht hatte. Andere Fragen drängten sich mir auf. Wie war es möglich, daß eine so wunderbare Sammlung nicht ausreichend gegen Mißbrauch oder Zerstörung geschützt gewesen war? Für wen war das Arsenal angelegt worden? Warum hatte sich Perry als einziger von uns dreien darin etwas heimisch gefühlt? Ich grübelte herum, aber ich fand keine Antworten. Was war aus Kummerog geworden? Die Haut würde ihren Bericht sicher bald fortsetzen, aber das Ende kannte ich ja schon im Prinzip. Kummerog war verschollen. Und das schon seit 66 Jahren. Ich blieb bei meiner Vermutung, daß er irgendwann die Brücke in die Unendlichkeit betreten haben mußte. Der weißblaue Rucksack war der Beweis dafür. Da Perry, Bully und ich dem Burschen aber nicht begegnet waren, nahm ich an, daß er schon zuvor umgekommen war. Vielleicht hatte er sich aus Verzweiflung in den Abgrund gestürzt, als er bemerkt hatte, daß es keinen Ausweg mehr gab. Die Haut selbst besaß zwar eine gewisse Intelligenz, aber ihr fehlte wohl jegliche Kritikfähigkeit oder die Möglichkeit, die Taten ihres Herrn zu beurteilen. Sie erzählte einfach die Geschichte, hatte aber keine Meinung dazu. Außer vielleicht der einen, nämlich der, daß Kummerog stets alles richtig ge-240-
macht hatte. Auch nach den vielen Jahren Tiefschlaf und fehlender geistiger Bindung an den Piraten hatte sich daran nichts geändert. Sie war treu ergeben, und sie würde es wohl immer bleiben. Ich mußte mich mit solchen scheinbaren Unwichtigkeiten befassen, denn wenn es mir gelingen würde, Kummerogs Haut meinem Geist zu unterwerfen, dann mußte ich auch in der Lage sein, diese Rolle so zu spielen, daß niemand etwas von den wahren Machtverhältnissen erfuhr. Dabei dachte ich an die Dinge, die sich vielleicht sehr bald ereignen können würden. Die CANT würde den Asteroiden Klinker erreichen. Wie es dort nach 66 Jahren Abwesenheit des Hausherrn aussehen würde, wußte ich nicht. Die Haut hatte über Klinker bislang kein Wort verloren. Und sie würde es vermutlich auch nicht tun, denn ihr ging es nur um eins: um die Auffindung Kummerogs. Wenn dort aber noch andere Piraten oder von Kummerog abhängige »Hautsklaven« lebten, würde meine Rolle problematisch werden. Ich begann jedenfalls, Kummerogs Haut immer besser zu verstehen. Gefühle kannte sie wohl nicht, aber sie besaß unbewußte Gedanken, aus denen ich Informationen gewinnen konnte. Im Moment fühlte sie sich etwas geschwächt. Um meine Rolle als Partner gut zu spielen, nahm ich wieder eine reichhaltige Mahlzeit zu mir. Während ich aß, studierte ich die Steuersysteme der CANT. Der Rückflug war bis jetzt vollautomatisch verlaufen. Er mußte von Kummerog vorprogrammiert gewesen sein, denn außer dem einen Knopfdruck hatte ich unter der Kontrolle der Haut nichts unternommen. Der Bordcomputer hatte sich auch nicht gemeldet. Es würde nicht einfach sein, dieses fremde Raumschiff zu lenken. Ganz sicher würde ich auf die Hilfe Fasoldogs an-
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gewiesen sein. Das bedeutete aber, daß der Bordcomputer nichts merken durfte, wenn ich die entscheidende Phase im Kampf um die Herrschaft einleiten würde. Es bedeutete ferner, daß ich mich der Haut vorerst nicht entledigen durfte. Im trüben Licht war sie kaum zu sehen, da sie weitgehend transparent war und sich außerdem unter meinen Overall geschoben hatte. Wenn mir jemand von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, dann war sie jedoch leicht auszumachen. Die Haut gönnte sich nach der Mahlzeit eine Pause. Dann genügte ein winziger gedanklicher Anstoß von mir, und sie erzählte weiter.
Kummerog war am Eingang zur Würfelhalle stehen geblieben. Obwohl das Schott zu den Korridoren des Arsenals offenstand, drang merkwürdigerweise keine Hitze in den Raum. Es schien hier Schutzmechanismen zu geben, die jedoch nicht näher zu erkennen waren. Möglicherweise wurde er hier auch vor der radioaktiven Strahlung geschützt, die er trotz aller Aussagen als Begleiterscheinung des Atombrands vermuten mußte. Er kontrollierte kurz den Zustand Yokanrogs und den der Häute. Dort waren keine Auswirkungen von radioaktiver Verstrahlung festzustellen. Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß der ausgelöste Schwelbrand vielleicht wirklich ohne Strahlungskomponenten ablief. Bei den High-Tech-Wundern, die das Arsenal bot - oder besser: geboten hatte -, war es sicher berechtigt, so etwas anzunehmen. Der Weg zurück war versperrt. Vielleicht für immer. Der Brand würde das Arsenal zerstören und später vielleicht auch den Hangar und die CANT. Lediglich der Würfelraum schien sich selbst erhalten zu können. Der Mutant überlegte, was das bedeuten könnte. Es existierte ja kein zweiter Ausgang. Aber eigentlich müßte es
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den doch geben! Sein Blick ging am Pilzdom hoch. Die Form des Bauwerks war ihm unbekannt. Aber der Dom strahlte neben dem bedrückenden Gefühl auch etwas Vertrautes und etwas Unnahbares aus. Plötzlich erkannte Kummerog die Parallele. Der Pilzdom war lang und schlank. Und an seinem oberen Ende wölbte sich quer zum Rumpf die Pilzkappe. Der Pirat wurde an die Form des Raumschiffs des vierten Boten von Thoregon erinnert. Ein Zufall? Vielleicht. Es konnte aber auch sein, daß der Pilzdom in Wirklichkeit ein Raumschiff war. Neue Hoffnung keimte in ihm auf. Wenn es ein Raumschiff war, dann fehlte der Zugang. Nun, seine CANT besaß so etwas auch nicht. Um die CANT zu verlassen, brauchte er den Distanzspringer, ein Gerät, das für Sekunden an einer fast beliebigen Stelle ein Stück der Außenwand auflösen konnte und den Insassen mit einem gepolten Traktorstrahl hinausbeförderte. Vielleicht gab es hier etwas Ähnliches? Oder handelte es sich gar um einen Transmitter? Auch das konnte man aus der Form herausinterpretieren. Aber wo war dann die Gegenstelle? Mit Sicherheit an einem Ort, wo kein Atombrand herrschte. Nur weg von hier! hämmerte er sich ein. Yokanrog hatte immer noch keine Lösung gefunden. Große Hoffnungen setzte Kummerog nicht mehr auf ihn. Er blickte durch das offene Schott zurück in den Bereich des eigentlichen Arsenals. Der Atombrand war so weit fortgeschritten, daß zwar noch die Konturen der Korridore und Nischen auszumachen waren, aber alles glühte. Die wenigen brennbaren Objekte entzündeten sich allein durch die Hitze und sorgten so dafür, daß immer wieder für kurze Zeit Flammen aufzüngelten und dicke Aschewolken verbreiteten. Die Asche selbst begann dann aber unter dem Einfluß des
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Atombrands kernnuklearisch zu verbrennen. Das Ende war absehbar, wenn es Yokanrog nicht gelänge, einen Löschmechanismus in Gang zu setzen. Unwillkürlich wich der Cantrell weiter zurück. Wenn der Atombrand die vermuteten Absicherungen des Würfelraums zerstören würde, dann war er verloren. Draußen begannen die ersten Wände zu zerbersten. Das Krachen drang peinigend an Kummerogs Ohren, und er wich weiter zurück, ohne den Blick von den Gluten zu nehmen. Feuer in jeder Form hatte ihn schon immer fasziniert. Ebenso gewaltige Explosionen. Er spürte plötzlich einen sanften Widerstand in seinem Rücken. Ein Blick zur Seite verriet ihm, daß er sich beim Zurückweichen an die Wandung des Pilzdoms angelehnt hatte. Die scheinbar undurchdringliche Wand gab nach! Er stolperte rückwärts in ein Feld aus dichtem Nebel. Eine milchige unbekannte Substanz hüllte ihn ein. Er verlor die Orientierung, torkelte weiter und stürzte zu Boden. Schlagartig kam ihm der Gedanke, daß das nur das Passantum bewirkt haben konnte. Es allein hatte den Zugang in den Dom ermöglicht. Anders konnte es nicht sein.
Kummerog wagte es mehrere Minuten nicht, sich zu bewegen. Er hockte auf dem Boden. Die Arme hatte er um die Säbelbeine geschlungen. Er sah sich um. Wenn er in die Richtung blickte, aus der er gekommen war, dann nahm er wenige Schritte entfernt ein nebeliges Gebilde wahr. Aber von einer Innenwand des Pilzdoms war nichts zu sehen. Im Gegenteil. Der Raum schien sich durch den Nebel hindurch bis in eine nicht feststellbare Entfernung auszudehnen. Alles war völlig anders und fremd. Das hier war weder ein Raumschiff noch ein Transmitter. So hatte er es sich
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manchmal vorgestellt: So könnte eine fremde Dimension aussehen. Nichts wirkte hier natürlich. Auch nicht der Nebel, aus dem er gekommen war. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dem Atombrand erst einmal entkommen zu sein. Dann erhob er sich. Der Nebel war rings um ihn, aber in der entgegengesetzten Richtung lichtete sich das trübe Weiß. Von irgendwoher kam Helligkeit. Vielleicht leuchtete der Nebel aus sich heraus. Langsam setzte sich Kummerog in Bewegung. Er wählte dabei die Richtung von dem Punkt weg, an dem er durch die Wand des Pilzturms gestolpert war. Nach wenigen Schritten hatte er klare Sicht. Erst glaubte er, vor ihm hinge ein riesiges, dreidimensionales Bild, denn das, was er sah, wirkte auf ihn künstlich. Wie gemalt. Vor ihm erstreckte sich ein scheinbar endlos langer, etwa zehn Meter breiter Steg. Vorsichtig und mißtrauisch trat er näher. Er setzte einen Fuß auf den Steg und blickte nach unten. Kummerog stand nicht auf einem glatten Boden, sondern auf runden Bohlen oder Balken. Sie waren aus einem dunkelgrauen Material, das an Graphit erinnerte. In unterschiedlichen Abständen befanden sich an beiden Seiten des Steges dicke Brückenpfeiler, die von irgendwo aus der Tiefe kamen. Sie ragten etwa einen Meter über den Boden des Steges in die Höhe. Die Bohlen waren mit schwarzen Beschlägen an den Pfeilern befestigt. Vorsichtig tastete er sich zu einer Seite und blickte über den Rand in die Tiefe. Erschaudernd sprang er zurück. Da unten war nichts zu erkennen. Die einen halben Meter durchmessenden Pfeiler verschwanden in einer trüben Masse, die entfernt an eine Meeresoberfläche erinnern. Etwas Genaues ließ sich jedenfalls nicht erkennen. Erst dachte er, das unangenehme Gefühl, welches das Passantum erzeugte, habe sich verstärkt. Jetzt merkte er aber, daß er etwas anderes wahrnahm. Ein eiskalter, bedrohlicher
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Sog wühlte in seinem Kopf. Etwas Unbekanntes übte starken mentalen Druck auf ihn aus. Dagegen war das Negativgefühl des Armbands ein Kinderspiel. Am liebsten hätte er den Steg sofort wieder verlassen. Das schienen die mentalen Impulse von ihm zu verlangen. Aber wohin sollte er sich wenden? Zurück ins Arsenal? Wenn das überhaupt möglich war. Das Arsenal! Er hätte um ein Haar Yokanrog und seine drei Häute vergessen! Zuerst stellte er Kontakt zu dem Gelbhäutigen her. Dabei hatte er schon die ersten Probleme. Er konnte Yokanrog genauer seine Haut - zwar mühelos erreichen, aber seine Gedanken waren so verschwommen, daß er sie nicht richtig interpretieren konnte. Irgend etwas schien sich zwischen ihm und dem Sklaven aufgebaut zu haben. Eine Art mentaler Widerstand, eine Bremse. Er konzentrierte sich stärker. Nun erfuhr er ein paar Bruchstücke. Yokanrog irrte noch immer in der Randzone umher und suchte nach dem Zentralcomputer oder einer intakten Nische, in der er ein Löschsystem für den Atombrand auftreiben wollte. Kummerog verließ die Brücke. Er ging zurück und trat in den Nebel. Dabei stolperte er über etwas. Als er nach unten sah, erkannte er, daß es sich um seinen weiß-blauen PlastikRucksack handelte. Er mußte ihn beim Betreten des Pilzdoms, als er schon einmal gestrauchelt war, verloren haben. Er warf sich den Sack wieder um, obwohl dieser eigentlich nutzlos geworden war. Dann trat er in den Nebel. Er irrte eine Weile in verschiedenen Richtungen umher, ohne eine Wand oder etwas anderes zu entdecken. Schließlich verlor er die Orientierung. So war er heilfroh, als er den Nebel mehr zufällig verließ und wieder den so künstlich wirkenden Steg vor sich sah.
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Sofort wurde der mentale Sog wieder stärker. Da war etwas in der Ferne, das ihn töten oder verschlingen wollte. Oder sollte er nur gewarnt werden? Er wußte es nicht. Um seinen Kopf frei zu halten, betrat er die grauen Bohlen nicht. Statt dessen konzentrierte er sich auf seine Häute. Wieder mußte er eine zähe Sperre durchdringen. Aber schließlich erreichte er die beiden konservierten Häute. Er konnte nur feststellen, daß sie unverändert außerhalb der CANT lagen, aber mehr nicht. Sein Befehl zum Aufwachen kam zunächst nicht an. Er versuchte es immer wieder, aber es funktionierte nicht. Ein Teil des Kontaktes war wie abgeschnitten. Beide Häute lebten. Sie ruhten im Tiefschlaf, aber sie vernahmen die Rufe ihres Herrn nicht mehr. Es mußte etwas geschehen sein, als er den Pilzdom mehr unfreiwillig betreten hatte. Oder gab es einen ganz anderen Grund? Der Mutant versuchte es immer wieder, und schließlich hatte er Erfolg. Die beiden Häute erwachten. Aber was sie ihm an Information lieferten, vergaß ihr Herr lieber wieder ganz schnell. Im Arsenal tobte der Brand an allen Ecken und Enden. Der Hangar war zwar nicht betroffen, aber das war wohl nur eine Frage der Zeit. Es war besser, sich mit dem eigenen Problem zu befassen als mit dem Chaos in seinem Rücken. Der Kontakt mit der dritten Haut, die er noch vor dem Start von Klinker abgesondert hatte, kam hingegen fast problemlos zustande. Zwar spürte der Pirat auch hier, daß sich dem mentalen Kontakt etwas in den Weg stellte, aber es ließ sich einfach überwinden. Kummerog vermutete nun, daß es am geringen Alter der Haut lag. Sie existierte ja erst seit drei Wochen. Und sie steckte nicht im Tiefschlaf. Von nun an hielt er den Kontakt zu ihr, obwohl er wußte, daß ihm das wenig nützen würde. Er gab sich selbst einen geistigen Tritt und betrat wieder den unheimlichen Steg. Dank seiner eigenen geistigen Kräfte konnte er gegen den Sog oder Druck ankämpfen.
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Es gab keinen Weg zurück. Wenn irgendwo die Freiheit war, dann am anderen Ende des Bohlenstegs. Sein Blick in die Ferne ließ ihn erschaudern. Er blieb wieder stehen. Ein Ende des Weges war nicht zu erkennen. Er starrte in die wallenden Nebel und die klareren Zonen. Manchmal glaubte er ferne Galaxien zu sehen, dann einzelne Sterne und wild rotierende Planeten. Aber er wandte den Blick stets schnell wieder ab, weil ihm vor dem Unbekannten graute. Statt dessen bemühte er sich, in der Mitte des Steges zu bleiben und nicht dem vermeintlichen Locken, in die Tiefe zu starren oder gar zu springen, Folge zu leisten. Warnung, Verlockung, Drohung - er konnte den mentalen Sog nicht richtig verstehen. Endlich rang er sich durch und setzte konsequent einen Schritt vor den anderen. Er wollte diesen Weg gehen, auch wenn er schier unendlich erschien. In diesem Moment klang ein sanfter Ton in seinem Kopf auf, dem eine wispernde Stimme folgte: Du hast einen Bereich betreten, der dir verboten ist. Leg mich ab! Du darfst mich nicht länger benutzen. Das befristete Mandat, das dir der vierte Bote verlieh, ist abgelaufen. Kummerogs Haut schwieg. Ich tastete mich behutsam in seine Gedankenwelt hinein und registrierte Erschöpfung und... ...Depressionen. Als ich die Augen schloß, um die Bilder des Unterbewußtseins der Haut zu erkennen, wurde mir der Grund schnell klar. Ich sah Kummerog. Aber wie sah er aus! Ein Wrack, das taumelte. Und fiel. Es rührte sich nicht mehr. Der Mutant begann sich zu Staub zu verwandeln. Die Haut hatte wohl unterschwellig zum ersten Mal mit dem Gedanken gespielt, daß ihr Herr nicht mehr lebte. Vielleicht war sie durch die eigene Erzählung erst auf diesen unbewußten Gedanken gestoßen. So seltsam es war, aber ich empfand in diesem Moment wirklich Mitleid für dieses Wesen, das mich völlig in seiner
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körperlichen und teilweise noch geistigen Klammer hielt. In meinem langen Leben hatte ich die verschiedensten Gefahren durchgestanden und war den seltsamsten Lebensformen begegnet. Jetzt zogen diese Gestalten noch einmal durch meinen Kopf. Die letzte Person, die durch meine Gedanken schlich, war Kytoma. »Haut!« teilte ich ihr mit. »Wir werden deinen Herrn finden.« »Bist du davon überzeugt?« kam es zurück. »Felsenfest«, log ich. »Das ist gut«, teilte mir die Haut mit. »Du bist... müde«, sagte ich. »Müde? Was ist das?« »Du bist erschöpft. Du brauchst eine Pause. Ich werde etwas essen.« »Das ist es nicht. Es zehrt nur an mir, wenn ich mich zu lange mit meinem Herrn befasse. Daher werde ich dir erst erzählen, was mit Yokanrog passierte.« Die Haut sagte das mit einer großen Überzeugungskraft. Ich konnte ihr nicht spontan widersprechen, auch wenn ich es gewollt hätte. Hatte sie gemerkt, daß mein Einfluß auf sie größer wurde? Wie übte sie den Zwang auf mich aus? Und warum konnte ich mich ihr dennoch immer wieder widersetzen? Ich hätte es auch jetzt gekonnt, wenn ich mich voll konzentriert hätte, aber das hätte nur neuen Verdacht geweckt. Plötzlich erkannte ich die Kraft, die auf mich wirkte. Hypnose! Oder etwas in der Art. Sie wirkte allerdings nicht von außen auf mich ein, sondern von innen heraus. Im Umgang mit solcherart Hypnose war ich ungeübt. Aber ein Problem sollte das für mich doch nicht sein. Ich war schließlich mentalstabilisiert. Und ich trug einen Aktivator.
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Damit war mir auch klar, warum ich mich gegen den Zwang wehren konnte. Nun besaß ich genügend Ansatzpunkte, um die entscheidende Auseinandersetzung um die Herrschaft über meinen Körper und meinen Geist zu wagen. Aber noch hatte ich ja Zeit. Wir hatten bisher nicht einmal ein Drittel der Strecke bis Klinker zurückgelegt. Die Haut berichtete weiter.
7. Yokanrog hatte sich aus der CANT einen Schutzanzug geholt und übergezogen. Ohne dieses Hilfsmittel wäre er gar nicht in der Lage gewesen, in das Arsenal einzudringen. Die Gluthitze ließ nur wenige Wege frei. Er irrte fast eine Stunde am Rand des Atombrands umher, bis er endlich verstand, was sein Herr mit den Nischen gemeint hatte. Den Zentralcomputer zu finden, hatte er längst aufgegeben. Er entdeckte zwar seltsame Zeichen, die vielleicht so etwas wie Wegweiser waren, aber er konnte sie nicht verstehen. Der Sklave betrat eine Nische, die noch intakt zu sein schien. Obwohl Kummerog ihm gesagt hatte, daß er in den Nischen auf mentale Stimmen stoßen würde, zuckte er zusammen. »Willkommen, Fremder«, hörte er. »Ich fürchte, ich kann nichts für dich tun, denn du bist nicht berechtigt.« Yokanrog überlegte. »Vielleicht doch«, antwortete er. »Mein Herr ist Kummerog. Vielleicht kennst du ihn. Ich bin ein Teil von ihm, ein Ableger. Ich brauche dringend ein Gerät, um einen Atombrand zu stoppen.« -250-
»Warte, ich setze mich mit dem Zentralcomputer in Verbindung.« Minuten verrannen; es wurde immer heißer. Am Ende des Korridors glühten die Wände. Brocken aus Metall fielen aus der Decke. Yokanrog fürchtete, daß er von dem Brand eingeschlossen würde. Endlich meldete sich die mentale Stimme wieder. »Der Zentralcomputer hat eine Ausnahmegenehmigung erteilt, obwohl dein Herr den eigentlichen Bereich des Arsenals bereits verlassen hat.« »Er mußte vor dem Brand fliehen«, entgegnete der Gelbhäutige. »Er kann doch nichts dafür, daß ein Feind ihn vernichten will.« »Deine Argumentation ist unverständlich, aber dir kann geholfen werden. Betrete die übernächste Nische.« Yokanrog eilte an den bezeichneten Ort. »Willkommen«, vernahm er hier. »Ich bin informiert. Du suchst nach einem Gerät, das einen schwelenden Atombrand löscht. Darf ich dir ein paar geeignete Systeme vorführen?« »Ja, gern. Aber mach schnell, denn es eilt!« »Natürlich, Herr.« Wie aus dem Nichts bildete sich vor Yokanrog eine kopfgroße Glocke. Einen Meter darunter formte sich aus dem Nichts eine Fläche, die schnell aufglühte. Wärme war jedoch nicht zu spüren. Dem Einäugigen war klar, daß dies nur fiktive Bilder waren. Aus dem unteren, offenen Ende der Glocke rann eine blaßgrüne Flüssigkeit. Sie tropfte auf den imaginären, glühenden Boden und verwandelte sich dort in Schaum, der nach allen Seiten verlief und sich dabei verhärtete. Unter dem Schaum erlosch das Glühen. »Ist es das, was du möchtest?« fragte die unsichtbare Stimme. »Ja, ja«, antwortete Yokanrog ungeduldig. »Aber ich brauche sehr viel von diesen Dingern. Das ganze Arsenal glüht.«
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»Du bekommst ein System«, lautete die Antwort. »Du kannst es mit deinen Gedanken in jeder Hinsicht steuern, vergrößern, vervielfachen oder was immer du willst. Nimm diese Löschglocke!« Ein zweiter Körper erschien, während sich die Bilder auflösten. Er war wesentlich kleiner und paßte bequem in eine Hand. »Das geht niemals gut«, stöhnte der Gelbhäutige. »Was soll ich mit dem kleinen Ding?« »Steuere es nach Belieben in deinen Gedanken«, vernahm er. »Es wird nach deinem Willen funktionieren.« Er trat aus der Nische und starrte irritiert auf das winzige Objekt. Er rief in seinen Gedanken nach Kummerog, aber sein Herr meldete sich nicht. Was sollte er bloß tun? »Ich warte auf deine Anweisungen«, hörte er eine andere mentale Stimme. Sie schien direkt aus der kleinen Glocke zu kommen. »Kannst du den Atombrand wahrnehmen«, fragte er, »der hier überall wütet?« »Natürlich. Ich besitze spezielle Sensoren dafür. Für solche Fälle wurde ich konstruiert.« Yokanrog war verzweifelt. Er glaubte nicht, daß das, was er dann sagte, etwas bewirken würde. »Ich will, daß du den Brand löschst oder stoppst. Vergrößere dich, vervielfache dich! Such alle Brandherde und bring sie zum Erliegen!« »Wie oft soll ich mich vervielfachen?« »Was weiß ich?« jammerte der Sklave. »Ich weiß ja nicht, wie viele Brände gelegt wurden. Ich möchte, daß du sie alle löschst.« Zu seiner Verwunderung antwortete die Glocke: »Der Auftrag wird ausgeführt.« Plötzlich waren da hundert Glocken. Oder tausend. Oder noch mehr. Sie schwollen zu einer Größe von sieben oder acht Metern an und jagten in alle Richtungen davon.
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Yokanrog konnte beobachten, wie eine Glocke am Ende des Korridors über dem glühenden Boden anhielt. Aus der unteren Öffnung ergossen sich Unmengen der blaßgrünen Flüssigkeit. Es war mindestens die zwanzigfache Menge, die normalerweise in der Glocke Platz hatte. Wo diese Substanz auf den Boden traf, verwandelte sie sich in Schaum, der dann schnell hart wurde. Darunter erlosch der Atombrand. »Herr!« rief Yokanrog nach Kummerog. »Es funktioniert. Ich glaube, der Atombrand wird gelöscht.« Immer neue Glocken formten sich aus dem Ursprungsobjekt. Sie vergrößerten sich und schossen mit aberwitziger Geschwindigkeit davon, jede in eine andere Richtung. Der Gelbhäutige trottete zurück zum Hangar. Er passierte mehrere Stellen, an denen die Löschglocken bereits ihre Arbeit verrichtet hatten. An vielen Orten hatte sich ein ascheähnlicher Staub gebildet, in dem Yokanrog seine Fußabdrücke hinterließ. Noch immer meldete sich sein Herr nicht. Yokanrog wartete eine Stunde, dann wagte er sich wieder ins Arsenal. Diesmal nahm er eine Haut mit. Vielleicht traf er auf ein Lebewesen oder auf den Feind, der die Brände gelegt hatte. Den würde er dann seinem Herrn Untertan machen. Er traf keine Löschglocken mehr an, ebenso wenig glühende Teile. Das unglaubliche Gerät hatte zufriedenstellend gearbeitet. Das Arsenal war dennoch nahezu komplett zerstört. Das kümmerte den Einäugigen wenig. Er machte sich nur Sorgen um seinen Herrn. Er suchte das ganze Arsenal ab, fand aber keine Spur von ihm. Der angebliche Feind ließ sich ebenso wenig blicken wie irgendein anderes Wesen. Schließlich gab er die Suche auf, wartete nur noch darauf, daß sich der Herr mental bei ihm meldete. Die mitgenommene Haut legte er irgendwo ab, denn er sah keinen Nutzen mehr in ihr. Danach machte er sich auf den Rückweg zur CANT. Aber er hatte die Orientierung verloren.
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Er irrte eine Weile umher und geriet durch Zufall an einen Ort, an dem er noch nicht gewesen war. Vorsichtig blieb er am Eingang zu dem großen, würfelförmigen Raum stehen. Er starrte auf die hohen Wände, den Pilzdom und die Bankreihen. War Kummerog vielleicht hier? Etwas Asche war in den Raum geweht worden, aber der Brand selbst hatte hier nicht gewütet. Das war ganz deutlich zu erkennen. Als Yokanrog einen Schritt in den Raum machen wollte, traf ihn ein mentaler Befehl wie ein eiskalter Strahl. Der Befehl enthielt keine Worte oder Begriffe, aber der Gelbhäutige spürte auch so, daß dies für ihn eine Tabuzone war. Er geriet in Panik. Eine schreckliche Angst keimte in ihm auf. Gegen diesen Druck konnte er sich nicht wehren. Er drehte sich um und rannte den Weg zurück. Je größer der Abstand zu dem merkwürdigen Raum wurde, desto schneller ließ das schreckliche Gefühl nach. Er ging langsamer und atmete wieder ruhiger. Das Loch im Boden, das durch den Brand verursacht worden war, übersah er glatt. Er stürzte in die Tiefe und schlug schwer auf. Er kämpfte gegen die Besinnungslosigkeit. Den Rest gab ihm ein Brocken, der sich irgendwo oberhalb gelöst hatte und auf seinen Schädel knallte. Yokanrog spürte, wie sein Auge zerplatzte. Er wußte, daß er nur noch Sekunden zu leben hatte. Seine Beine waren eingeklemmt, ein Arm war durch das fallende Teil abgequetscht worden. Er schrie nach Kummerog. In diesem Moment meldete sich sein Herr. Seine Stimme klang leise und verzerrt, aber das schrieb Yokanrog dem Umstand zu, daß er selbst vom Tod gezeichnet war. In aller Eile berichtete er, was er erlebt hatte. »Der Brand ist gelöscht«, schloß er. »Du kannst zur CANT zurückkehren. Ich werde versuchen, mich ...« Der Tod packte zu und raubte ihm die letzten Worte.
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Das Bild rundete sich ab. Ich war wirklich gespannt, was Kummerogs Haut noch zu berichten wußte. Aus dem Gehörten konnte ich folgern, daß seit der Ankunft Kummerogs im Arsenal der Baolin-Nda wohl niemand anders mehr hier aufgetaucht war. Rätselhaft blieben dennoch viele Dinge. Wenn jemand ein so wertvolles Objekt herstellte, dann mußte er sich doch darum kümmern. Offensichtlich war das aber nicht geschehen. Wer waren die Baolin-Nda? Und wer war der vierte Bote gewesen, der in einer Verbindung zum Arsenal gestanden haben mußte? Das ging aus dem, was er Kummerog aufgetragen hatte, klar hervor. Vor rund 66 Jahren mußte sich in der Galaxis Bröhnder etwas Entscheidendes abgespielt haben. Der Bote hatte sein Ziel nie erreicht. Und der Zentralcomputer des Arsenals hatte die rätselhafte Nachricht über Goedda, die aufgeweckt und auf die Reise geschickt worden war, nie erhalten. Braute sich am Ende wirklich eine kosmische Katastrophe zusammen, von der ES schon etwas gewußt hatte? Und welche Rolle spielten Voltagos Worte an Perry Rhodan in der Sache »Brücke in die Unendlichkeit«? Daß die Brücke auch in einer Verbindung zum Arsenal stand, war eindeutig. Goedda, der Bote, das Arsenal, die Brücke in die Unendlichkeit - merkwürdige Dinge, die irgendwie in Zusammenhang stehen mußten. Meine Grübeleien halfen mir nicht weiter. Ein sicheres Gefühl sagte mir, daß die Dinge wohl erst am Anfang standen. Ich konzentrierte mich wieder auf meine persönlichen Probleme. »Haut!« rief ich in meinen Gedanken. »Hörst du mich?« »Sicher, Alaska.« »Können Kummerogs Häute auch untereinander in Kontakt treten?«
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»Nein. Jede Haut kann nur mit ihrem Herrn Verbindung aufnehmen.« »Was wurde aus den beiden konservierten Häuten, die mit dir zum Arsenal kamen?« »Ich weiß es nicht. Ich wurde damals von Yokanrog mitgenommen und dort abgelegt, wo ich dich traf. Aus den Informationen, die ich vom Herrn erhielt, geht nicht exakt hervor, was aus den anderen Häuten wurde. Vielleicht waren sie sogar in meiner Nähe.« »Du hast nach Yokanrogs Tod noch Kontakt mit Kummerog gehabt?« Ich staunte. Da mußte noch etwas sein, über das ich nichts wußte. »Aber ja, Alaska. Du kennst das Ende der Geschichte noch nicht. Ich muß zwar daran zweifeln, daß mein Herr noch am Leben ist, aber du wirst sehen, ich habe auch berechtigte Hoffnungen.« »Dann laß mal hören, Freund!« Die vertrauliche Anrede war wieder nur ein Mosaiksteinchen in meinem Plan. Ich mußte die Haut in Sicherheit wiegen, denn ich hatte wahrscheinlich nur eine Chance, sie zu unterwerfen. Und die würde ich nutzen.
Kummerog ließ sich grundsätzlich von niemandem etwas vorschreiben. Auch war er kein schreckhafter oder unterwürfiger Charakter. Die Warnung des Passantums ließ ihn daher völlig kalt. Vielmehr freute er sich darüber, daß er das dumme Ding endlich zum Sprechen gebracht hatte. Hinter der Warnung steckte sicher etwas ganz anderes. Das würde er noch in Erfahrung bringen. Klar war ihm, daß er das Arsenal auf eine unbekannte Weise verlassen haben mußte. Und ebenso klar war ihm, daß er die Rettung vor dem Atombrand dem Armband zu verdanken hatte. Es hatte die unsichtbare Tür im Pilzdom geöffnet. Und es würde ihm noch ganz andere Türen öffnen! Dessen war er sich nun sicher.
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Nein, sagte er sich entschieden, das Ding bleibt da, wo es ist! Das Gefasel des vierten Boten interessierte ihn nicht. Und die Warnung auch nicht. Der Bote war tot. Aber Kummerog lebte. Und er wollte am Leben bleiben. Dafür konnte ihm das Passantum nur nützlich sein, Gut, er war außerhalb des Arsenals. Und der Kontakt zu den Häuten und zu Yokanrog war möglich. Es gab da zwar ein paar Störungen, aber das machte nichts. Zur Zeit hielt er nur Kontakt zu einer Haut. Insbesondere von Yokanrog hatte er sich gedanklich getrennt, denn im Moment brauchte er ihn nicht. Die unterwürfigen Gedanken des Sklaven hätten ihn nur gestört. An den mentalen Sog oder Druck, der von dem Bohlensteg ausging, hatte er sich längst gewöhnt. Der Weg schien kein Ende zu haben oder ins Nichts zu führen. Auch das schreckte ihn nicht ab. Kummerog hatte einen Ausgang gefunden. Also mußte es jenseits des Steges auch etwas geben. Er malte sich aus, daß dort vielleicht ein Raumschiff oder eine andere Raumstation, ähnlich dem Arsenal, zu finden war. Mit ruhigen Schritten machte er sich auf den Weg. Die unwirkliche Szene hatte etwas Gespenstisches, aber auch etwas Erhabenes an sich. Kummerog konzentrierte sich auf den Weg und sonst auf nichts. Es ließ sich schwer abschätzen, welche Strecke er zurückgelegt hatte, als ihn plötzlich ein Hilferuf Yokanrogs erreichte. Er stellte den Kontakt zu dem Sklaven her. Sofort spürte er, daß der Gelbhäutige dem Tod geweiht war. Damit würde auch seine Haut sterben. Die letzten Worte Yokanrogs erreichten ihn zwar, aber er maß ihnen keine größere Bedeutung bei. An ein Umkehren dachte er nicht. Er war sich sicher, daß der Weg zurück ins Arsenal für ihn für immer verschlossen war. Er hatte vorhin ausgiebig in dem Nebelfeld danach gesucht und nichts gefunden.
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Er vergaß Yokanrog und ging weiter. Vielleicht hatte er einen Kilometer zurückgelegt, als vor ihm ein Nebelfeld auftauchte, das dem glich, durch das er gekommen war. Für eine Sekunde glaubte er, daß er in Wirklichkeit im Kreis gelaufen war. Der Cantrell blickte zurück. Das Bild glich exakt dem, das er vor dem Betreten des Bohlenstegs wahrgenommen hatte. Der Steg schien kein Ende zu haben. Es kribbelte plötzlich in seinem Arm. Das Passantum machte etwas, aber Kummerog verstand es nicht. »Was machst du da?« fragte er. »Antworte! Ich bin dein Träger, und du hast zu gehorchen.« Tatsächlich erfolgte eine wispernde Antwort. »Ich habe von allein den Kontakt zur anderen Seite hergestellt. Ich wollte wissen, was dort ist.« In Kummerogs Kopf entstand ein Bild. Es zeigte einen Pilzdom von der bekannten Form. Was sich darin befand, ließ sich nicht erkennen. Aber die Umgebung war ziemlich klar. Der Pilzdom befand sich auf einem fernen Planeten, dort tief im Boden. Der Planet selbst trug nicht einen Hauch von Leben. Ein toter Himmelskörper. Irgendwo. Kummerog begriff. Hinter dem Nebel befand sich dieser unbekannte Planet. Das bedeutete aber zugleich, daß er auf dem Bohlensteg Millionen von Lichtjahren zurückgelegt haben mußte. Im weiten Umkreis des Arsenals gab es ja keine Planeten. Oder doch? Etwas stimmte da nicht, denn er hatte noch immer Kontakt zu der einen Haut. Für sie war er nur wenige Kilometer entfernt. Vielleicht würde der Kontakt abreißen, wenn er durch diesen Nebel schritt. Das kümmerte ihn wenig. Er ging auf den Nebel zu, als sich das Passantum erneut meldete.
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»Deine Bemühungen sind sinnlos«, teilte es ihm mit. »Du kannst nicht durch den Nebel auf die andere Seite. Der Durchgang für intelligente Lebewesen muß von außen aktiviert werden. Sogar ich kann ihn nicht öffnen.« Klang da nicht etwas Spott und Häme mit? Konnte das Passantum lügen? »Da draußen ist nichts außer einem toten Planeten«, erklärte er leise. »Selbst wenn du den Durchgang beschreiten können würdest, hättest du nichts erreicht. Dies waren die letzten Informationen, die du von mir bekommen hast. Und dies ist auch deine letzte Chance, mich abzulegen.« »Du bleibst schön bei mir«, beharrte Kummerog stur. »Ich brauche dich noch. Öffne den Durchgang zur anderen Seite!« Das Passantum schwieg. Kummerog schrie auf, als ein ungeheurer Schmerz an seinem Handgelenk entstand. Das Passantum glühte schlagartig auf. Er wollte es abreißen, aber es war schon zu spät. Das schwarze Armband trennte in Sekunden das Handgelenk ab. Es polterte zu Boden. Auch das Passantum fiel hinunter. Kaum hatte es den Boden berührt, da faltete es sich zusammen und verformte sich. Nun sah es aus wie ein Ei von fünf Zentimetern Länge. Kummerog schrie noch immer. Er hielt den Arm mit der abgetrennten Hand in die Höhe und fluchte, was das Zeug hielt. Er trat in seiner Wut gegen das Ei. Wohin es rollte, sah er nicht mehr, denn für einen Moment raubte ihm der Schmerz die Sinne. Er kauerte auf dem Boden und betrachtete die schreckliche Wunde. Der Cantrell war ein zäher Bursche. Die glatte Schnittfläche würde verheilen. Und er würde überleben. Aber ohne das Passantum hatte er gar keine Chance mehr, diese unwirkliche Welt zu verlassen. Er hatte keine Nahrungsmittel. Er hatte nichts. Und er sah keinen Ausweg.
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Kummerog legte sich hin und schnürte mit der noch vorhandenen Hand den anderen Unterarm ab, bis sich eine Verkrustung bildete. Sein ganzes Leben lang hatte er daran geglaubt, daß es in jeder Situation einen Ausweg gab. Aber nun schien es so zu sein, daß das Ende unvermeidlich war.
8. Er hockte mehrere Stunden unbewegt auf dem Boden und dachte nach. Der Schmerz hielt nach wie vor an, aber er hatte sich an ihn gewöhnt. Der Kontakt zu den Häuten wurde immer schwächer. Vielleicht lag es daran, daß er selbst körperlich arg mitgenommen war. Schließlich erhob er sich. Er machte ein paar Schritte und stolperte über etwas. Es war der weiß-blau gestreifte PlastikRucksack. Er hob ihn auf und öffnete ihn. Nachdenklich hielt er das seltsame Ding, das einem Bohrkopf ähnelte und angeblich eine frei programmierbare Zeitmaschine war, in der einen Hand. »Ich stehe dir zu Diensten, Herr«, erklang eine mentale Stimme. »Du bist funktionsfähig?« fragte er lauernd. Er witterte sofort eine Falle. Aber er erinnerte sich auch daran, wie diese mentalen Dialoge geführt werden mußten. Diesmal würde er keinen Fehler begehen. Natürlich verlief der mentale Dialog nicht über eindeutige Aussagen. Kummerog sprach seine Gedanken aus, aber die Maschine lieferte ihm Bilder, die er gedanklich in Formulierungen umsetzte. »Natürlich, Herr. Ich erwarte deine Gedankenbefehle.« »Einen Augenblick.«
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Kummerog war ein aberwitziger Gedanke gekommen. Eine absolut verrückte Idee. Vielleicht gab es doch einen Ausweg. Was hatte das Passantum gesagt? Der Durchgang zur anderen Seite kann nur von dort aus geöffnet werden! Aber auf der anderen Seite war niemand. Der fremde Planet trug keine Spur von Leben. Außerdem stand der dortige Pilzdom tief im Erdreich. Also mußten Lebewesen her! Und der Pilzdom mußte ins Freie geschafft werden. Ob die Wundermaschine dazu in der Lage war? »Du bist frei programmierbar?« fragte er. »Was bedeutet das? Was kann ich mit dir anfangen?« »Probier es aus, Herr. Wenn du etwas verlangst, das ich nicht kann, werde ich es dir mitteilen. Um alle meine Programmiermöglichkeiten aufzuzählen, benötige ich einige Jahre.« »Kannst du Lebewesen mental beeinflussen?« »In einem gewissen Rahmen ist mir das möglich.« Allmählich nahm in Kummerogs Kopf ein Plan feste Gestalt an. Die Zeitmaschine, dieses Wundergerät aus dem Arsenal der Baolin-Nda, würde ihm helfen, sich zu befreien. Und nicht nur die. Er brauchte zudem das Passantum. »Kannst du dich leichter machen und dich auf etwa einen halben Meter vergrößern, so daß in deinem Inneren ein freier Raum entsteht?« »Das ist kein Problem, Herr. Was wünschst du weiter?« »Führe diesen Befehl erst einmal aus!« Das Ding, das einem Bohrkopf ähnelte, begann zu wachsen. Als es etwa 50 Zentimeter groß war, öffnete sich eine Klappe. Dahinter war ein matt beleuchteter Hohlraum zu erkennen. »Dir steht ein freier Raum von 8000 Kubikzentimetern zur Verfügung«, erklärte die mentale Stimme. »Wenn du mehr Platz benötigst, kann ich mich noch weiter ausdehnen.« »Nicht nötig. Der Platz reicht aus.« Kummerog hob die Zeitmaschine mit der einen Hand hoch.
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Sie besaß in der Tat kein Gewicht mehr. »Ich brauche etwas organische Substanz«, sagte er. »Kannst du sie herstellen? Jetzt oder später.« »Es tut mir leid«, antwortete der Bohrkopf, »aber damit kann ich dir nicht dienen.« Wieder entwickelte der Mutant eine geniale Idee. Er holte die vom Passantum abgetrennte Hand und steckte sie durch die Klappe in die Zeitmaschine. »Tür zu!« befahl er. So geschah es. Dann machte er sich auf die Suche nach dem Ei. Seine Befürchtung, daß das umgewandelte Passantum in den bodenlosen Abgrund gefallen sein könnte, als er ihm einen Tritt verpaßt hatte, bestätigte sich nicht. Das schwarze Ei lag zwischen zwei Bohlen des Steges. Er betastete es vorsichtig, aber es war vollständig abgekühlt. Er hob es auf und ging zurück zur Zeitmaschine. »Tür auf!« Die Klappe öffnete sich wieder. Er verstaute das Ding im Inneren bei der abgetrennten Hand. »Du wirst es brauchen«, sagte er zur Zeitmaschine. »Es wird dir den Weg durch den Nebel öffnen, denn es ist eine Art universeller Schlüssel.« »Verstanden. Worin besteht meine Aufgabe?« »Ich werde dich durch das Nebelfeld werfen«, erklärte der Pirat. »Du wirst auf der anderen Seite irgendwo im Erdreich eines Planeten ankommen. Dort wirst du dich an die Oberfläche wühlen und anwachsen. Welches ist die maximale Größe, die du annehmen kannst?« »1089 Meter«, antwortete die Zeitmaschine auf mentalem Weg. »Gut. Du vergrößerst dich dann auf 1089 Meter. Danach aktivierst du den Zeitmechanismus mit dem größtmöglichen Wert. Wo liegt der?« • »3,7012 Millionen.«
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»Wie lange kannst du dieses Zeitrafferfeld erhalten?« »Unbegrenzt.« »Kannst du den ganzen Planeten in das Zeitfeld packen?« »Kein Problem, Herr.« »Sehr schön. Nun kommt dein Programm. Ich möchte, daß du auf der leblosen Welt eine natürliche Evolution in Gang setzt. Ich möchte, daß dort eine Zivilisation entsteht. Als organischen Ausgangsstoff besitzt du meine abgetrennte Hand. Ein paar Zellkulturen von ihr werden sicher am Leben bleiben. Du wirfst die Hand auf den Planetenboden. Und dann steuerst und überwachst du die Evolution. Du wirst über dem Leben, das irgendwann entstehen wird, wie ein Wächter stehen. Kannst du fünfdimensionale Impulse orten?« »Kein Problem, Herr. Ich besitze ein einfaches Ortungsgerät, das dafür geeignet ist.« »Ausgezeichnet.« Er wollte sich die Hände reiben, aber das ging ja nun nicht mehr. »Sobald du einen fünfdimensionalen Impuls bemerkst, der seinen Ausgangsort auf dieser Welt hat, ist dieser Teil deiner Aufgabe erfüllt. Dann schaltest du das Zeitfeld ab.« »Erst einmal müßte ich es einschalten.« »Richtig. Das machst du, wenn du die Oberfläche erreicht hast. Kannst du das Feld so aufbauen, daß es von außen nicht betreten werden kann?« »Das muß ich sogar. Das Zeitfeld wird praktisch ein eigenes kleines Universum darstellen, in das man mit normalen Hilfsmitteln nicht vorstoßen kann.« »Wunderbar. Ich möchte nämlich nicht, daß die Zivilisation von außen beeinflußt wird.« »Welche Vorstellungen hast du von dieser Zivilisation?« »Die Zivilisation, die entstehen soll, muß so von dir beeinflußt werden, daß diese Lebewesen friedlich sind und sich nicht gegenseitig ausrotten. Das Lebensziel dieser Wesen soll es sein, den Pilzdom, der sich unter dir im Boden befindet,
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zu öffnen, um Kummerog in Empfang zu nehmen. Stell Kummerog als Gottheit dar, die zu ihrem Volk kommen wird, wenn der Dom sich öffnet. Wenn du den fünfdimensionalen Impuls aufgenommen hast, befördere den Pilzturm an die Oberfläche und lasse diese Wesen kommen und ihn betreten. Kriegst du das so hin, wie ich es beschrieben habe?« »Aber sicher«, antwortete die Zeitmaschine. Obwohl das Ding praktisch gewichtslos war, hatte Kummerog Probleme, es auf der einen Hand, die ihm verblieben war, zu balancieren. Es war einfach zu groß für den nun einhändigen Mutanten. »Soll ich mich wieder verkleinern?« fragte die Zeitmaschine. »Du würdest die Hand und das Passantum zerquetschen«, entgegnete Kummerog. »Nein, Herr. Ich kann beide Objekte mit mir verkleinern. Allerdings kann ich sie nicht über ihre natürliche Größe hinaus anwachsen lassen.« Der Pirat schüttelte staunend den Kopf. »Dann nimm deine ursprüngliche Größe wieder an!« befahl er. Nun ließ sich das Ding problemlos tragen. Den Armstumpf benutzte er als Stütze. Er trat an den Rand des Nebelfelds und nahm Schwung. Jetzt mußte sich zeigen, ob das Passantum noch die Wirkung eines Schlüssels besaß. Er warf die Zeitmaschine in das Nebelfeld. Sie verschwand tatsächlich. Er ging hinterher und suchte alles ab. Die Zeitmaschine blieb verschwunden. Sein Plan hatte offenbar funktioniert! Sie mußte jetzt schon auf der anderen Seite sein und sich auf dem Weg an die Oberfläche begeben haben. Schon sehr bald würde das Zeitrafferfeld eingeschaltet werden. Für Kummerog bedeutete das eine lange Wartezeit. Er rechnete mit etwa 100 Jahren seiner Realzeit. Bis dahin würden im Zeitrafferfeld über 300 Millionen Jahre abgelaufen sein.
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Diese Zeit mußte ausreichen, um eine Zivilisation entstehen zu lassen, die sogar fünfdimensionale Energien beherrschte. Diese Wesen müßten dann in der Lage sein, den Pilzdom zu öffnen und ihm die Freiheit zu geben. Er selbst würde sich in einen biologischen Tiefschlaf versetzen, denn Nahrungsmittel besaß er ja nicht. So würde er die Zeit überdauern. Ein letztes Mal setzte er sich mit den drei Häuten in Verbindung. Zu den konservierten Häuten kam nur ein schwacher Kontakt zustande. Aber die junge Haut erreichte er fast problemlos. »Ich werde einen Schritt nach vorn machen«, teilte er mit. »Ich werde im Tiefschlaf liegen. Zwischen dem Bohlensteg und den Sternen, mitten im Nebelfeld. Ich hoffe, daß irgendwann die Pforte zur anderen Seite geöffnet wird und ich in die Freiheit entlassen werde. Harre aus! Such dir einen Körper, damit du mobil wirst. Und dann hol Hilfe, mach dich auf die Suche nach mir. Ohne Hilfe wirst du den Pilzdom wohl nicht betreten können. Die CANT ist aber vorprogrammiert. Du brauchst nur die Starttaste zu berühren, und sie wird dich nach Klinker bringen. Hol Vaikhuur und Gonzerol; sie können dir helfen, mich zu finden.«
»Danach habe ich von meinem Herrn nie wieder etwas gehört«, sagte Kummerogs Haut zu mir. »Wenn er im biologischen Tiefschlaf liegt, kann ich ihn nicht erreichen. Ich weiß nicht, ob er noch dort auf der anderen Seite des Bohlenstegs im Nebelfeld liegt oder ob sein verwegener Plan schon in Erfüllung ging. Wenn seine Zeitrechnung stimmt, dann müßten noch etwa 34 Jahre vergehen, bis die Pforte geöffnet wird. In wenigen Tagen werden wir Klinker erreichen. Dann sehen wir weiter.« Das war die ganze Geschichte. Sie klang unglaublich. Aber ich wußte, daß sie größtenteils der Wahrheit entsprach.
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Natürlich sah ich nun einige Dinge völlig anders. Kummerogs Plan hatte in der Tat geklappt. Nun besaß ich eine Erklärung für das Zeitrafferfeld, in das Trokan gehüllt gewesen war. Die Lösung verblüffte mich. An was hatten die Verantwortlichen auf Terra alles gedacht! Aber auf eine so unglaubliche Lösung konnte niemand kommen. In 250 Millionen Jahren war auf Trokan die Zivilisation der Herreach entstanden, hervorgerufen durch ein Gerät, das ursprünglich nicht größer als 30 Zentimeter gewesen war, dazu dank der ausgefallenen Ideen eines Piraten und Mutanten. Es war so, obwohl es mir unglaublich erschien. Doch war etwas anders gelaufen. Das Zeitfeld hatte den Impuls zu früh empfangen. Die Herreach waren noch weit davon entfernt, fünfdimensionale Energien zu kennen oder gar zu beherrschen. Ich erinnerte mich, daß sich kurz vor dem Erlöschen des Zeitraffers auf Trokan eine Explosion ereignet hatte. Nach den Berichten von Cistolo Khan hatten die Herreach versehentlich ein Ayindi-Archiv in die Luft gejagt. Was dort genau passiert war, hatte sich nicht mehr rekonstruieren lassen. Kummerog hatte von diesen uralten Archiven natürlich nichts gewußt. Aber irgendwelche Geräte dort mußten in der Lage gewesen sein, fünfdimensionale Energien zu produzieren. Bei der Explosion waren sie freigesetzt worden. Der Mutant hatte durch das Passantum nur den toten Planeten gesehen, nichts von den früheren Bauten der Ayindi. Mir war klar, was das bedeutete: Kummerogs Plan hatte letzten Endes durch einen dummen Zufall doch nicht richtig funktioniert. Der Impuls war vom Ortungsgerät der Zeitmaschine aufgenommen und als Abschaltbefehl interpretiert worden. Der Zeitpunkt lag aber viel zu früh: Die Herreach standen auf der Stufe der Menschheit Ende des 19. Jahrhunderts der alten Zeitrechnung. Eine andere Frage konnte ich mir nicht beantworten.
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Wo steckte dieser Teufelskerl namens Kummerog? Perry, Bully und ich waren ihm nicht begegnet. War er am Ende aus dem Nebelfeld befördert worden, als wir den Dom betreten hatten? So hatte er es ja programmiert gehabt. Wir hatten nur den Rucksack gefunden. Waren wir an ihm »vorbeigegangen«, ohne ihn wahrzunehmen? Möglich war in diesem Nebel vieles. Und ich konnte nicht einmal ausschließen, daß Kummerog jetzt noch im Nebelfeld lag oder gar in die Tiefe gestürzt war. Da die Haut schwieg, konnte ich meine Überlegungen ungestört fortführen. Meine Gedanken kehrten an den Punkt zurück, an dem wir den Pilzdom betreten hatten. Betreten war eigentlich die falsche Formulierung. Wir waren eher in ihn hineingefallen. Ähnlich wie Kummerog im Arsenal der Baolin-Nda. Der treibende Faktor war ohne Zweifel Perry Rhodan gewesen. Das schwebende Waben-Objekt, das unterhalb des Kummerog-Tempels entdeckt worden war, hatte nur auf seine Berührung reagiert. Was hatte das alles zu bedeuten? Allein vor Perry hatte sich die Lücke im Pilzdom geöffnet. Ich war mir sicher, daß Bully und ich ohne seine Begleitung nie in den Turm gelangt wären. Wir besaßen etwas nicht, das Perry hatte. Auch auf der Brücke in die Unendlichkeit hatte sich das gezeigt. Perry hatte angenehme Empfindungen gehabt, Bully und ich jedoch das Gegenteil. Und dann war da die Prophezeiung Voltago/Aachthors über Perry Rhodans Gang über die Brücke in die Unendlichkeit. Perry war über die Brücke gegangen. Aber ganz sicher zur falschen Zeit. Denn nur durch den Zufall, den die Herreach ausgelöst hatten, hatte sich das Zeitrafferfeld vorzeitig abgeschaltet. Es war undenkbar, daß irgend jemand - ES oder Voltago oder Ernst Ellert - von diesem Zufall etwas gewußt haben konnte.
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Perry Rhodan spielte ganz offensichtlich eine vorprogrammierte Rolle. Ob er das selbst wußte? Oder ob er darüber nachdachte? Auf Trokan hatte er manchmal wie »weggetreten« gewirkt. Auch das mußte damit im Zusammenhang stehen. Mir fiel das schwarze Kästchen ein, das Perry in Hirdobaan von Ernst Ellert erhalten hatte. War das ein Stück aus dem Arsenal der Baolin-Nda? Konnte er mit ihm gedankliche Verbindung aufnehmen? Meines Wissens hatte er das noch nicht versucht. Es wurde Zeit, daß ich zu ihm zurückkehrte. Aber noch waren meine Möglichkeiten sehr beschränkt. Ich beherrschte die CANT nicht, auch nicht die Haut. Mit dem Bordcomputer hatte ich bislang kein Wort gewechselt. Ich wußte nicht, wie er auf meine Worte oder Anweisungen reagieren würde. Die Probleme mußten der Reihe nach gelöst werden. An oberster Stelle stand Kummerogs Haut. Ich mußte sie unterwerfen und dann loswerden. Dafür hatte ich noch ein paar Tage Zeit.
Am fünfzehnten Flugtag, Kummerogs Haut hatte sich seit dem achten nicht mehr mental gemeldet, begann ich mit meinem Feldzug gegen sie. Ich hatte meine Gedanken inzwischen so gut trainiert, daß ich völlig eigenständige Überlegungen anstellen konnte, ohne daß die Haut etwas merkte. Auch konnte ich mich jederzeit unbemerkt in den Bereich tasten, den ich ihr Unterbewußtsein nannte. Die Haut besaß eine Sklavennatur. Das war logisch, denn sie war ihrem Herrn absolut treu ergeben. Und das mußte ich ausnutzen. Ich nahm keine Nahrung mehr auf. Das ging drei Tage so, dann meldete sich die Haut. »Du müßtest wieder etwas essen«, verlangte sie.
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Ich antwortete nicht und schloß die Augen. Vor mir ließ ich das Bild der Haut entstehen, so, wie ich sie beim ersten Mal gesehen hatte. Ein schlaffer, gallertiger Sack, der reglos auf dem Boden lag. Ich ließ das Bild in ihr Unterbewußtsein sickern. Dann begann ich den Sack auszutrocknen. Ich stellte mir vor, wie er immer poröser und brüchiger wurde. Gleichzeitig preßte ich ihn in Gedanken zusammen. Dann zog ich ihn in die Länge und schnürte einen Knoten hinein. »Was machst du, Alaska?« fragte Kummerogs Haut. »Ich fühle mich nicht gut. Du hast selbst Hunger.« »Ich besorge dir einen neuen Herrn«, antwortete ich. »Ich weiß, daß Kummerog nicht mehr lebt. Aber ich werde ihn dennoch suchen. »Das ist ein Widerspruch.« Ich spürte, wie sie begann, meine Kehle zusammenzudrücken. Nun stemmte ich mich mit allen geistigen Kräften dagegen. Gleichzeitig schlug ich, so stark ich konnte, mit meinen Gedanken auf die poröse Haut ein. Der Druck ließ nicht nach, aber er wurde auch nicht stärker. Von nun an war es ein Kampf ohne Worte. Ein Ringen von geistigen Potentialen. Stunden vergingen. Noch spürte ich nichts davon, daß der Aktivator mich unterstützte. Ich ließ das Bild der angeschlagenen Haut in meinen Gedanken platzen. Der Druck an der Kehle ließ etwas nach. Nun hielt ich den Atem an. Gleichzeitig stieß ich mit meinen Gedanken in den Bereich vor, in dem ich das eigentliche Willenszentrum der Haut vermutete. Plötzlich lag eine Fülle ihrer Gedanken vor mir frei. Ich sah eine Menge von Bildern, die sehr schnell wechselten. Lauter merkwürdige Gestalten. Das mußten die Mitglieder von Kummerogs Räuberbande sein. Warum beschäftigte sich die Haut mit ihnen?
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Sie beantwortete meine Frage: »Sie sollen mir helfen.« »Dir kann nur einer helfen«, entgegnete ich. »Du mußt mir gehorchen!« Ganz plötzlich spürte ich die Impulse des Aktivatorchips. Das Ringen um die Vormacht wogte weiter hin und her. Immer wieder versuchte Kummerogs Haut mir körperliche Schmerzen zuzufügen, aber mein Einfluß auf sie wuchs beständig an. Ich wehrte einen Angriff nach dem anderen ab, bis ich merkte, daß ihr Widerstand immer schwächer wurde. Ihre Gedanken lagen jetzt völlig offen. Ich konnte mit ihnen spielen wie mit meinen eigenen Überlegungen. Die Haut gab auf. »Löse dich von meinem Körper!« befahl ich ihr. »Das darfst du nicht verlangen, Herr.« Sie nannte mich nicht Alaska, sondern Herr! »Es wäre mein Tod. Ich weiß, daß du kein Mörder bist. Laß mich bei dir. Ich werde dein Diener und Sklave sein. Aber bring mich nicht um!« Das war in der Tat ein kritischer Punkt. Ein Mörder war ich nicht. Irgendwie war Kummerogs Haut ein Lebewesen. Ich war an eine Grenze gestoßen, die ich nicht überwinden konnte. »Du wirst mich noch brauchen, Herr«, drängte sie weiter mit aller Überzeugungskraft. »Allein kannst du die CANT nicht fliegen. Wir müssen einen Piloten von Klinker holen. Und wenn du mich nicht am Körper trägst, wird man dich dort sofort töten.« Auch das war ein vernünftiges Argument. Ich kontrollierte alle ihre bewußten Gedanken. Nirgendwo entdeckte ich irgend etwas, das auf einen geheimen Widerstand hindeutete. Was würde passieren, wenn ich einmal schlief? Konnte ich mich auch dann auf mein Bewußtsein und auf das Versprechen der Haut, mich als ihren Herrn zu akzeptieren, verlassen? Ich wußte es nicht. Und auf einen neuen Kampf wollte ich es nicht mehr ankommen lassen.
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»Ich darf dich ebenfalls nicht töten«, sprach Kummerogs Haut weiter. »Denn wenn du stirbst, sterbe auch ich. Du willst zurück zum Arsenal der Baolin-Nda. Und das will ich auch. Ich weiß, daß ich für dich quälend und lästig bin, aber ich bitte dich, mich zu ertragen, bis wir Kummerog gefunden haben oder sich sein Tod bestätigt. Dann werde ich freiwillig von dir gehen und sterben, denn dann hat meine Existenz keinen Sinn mehr.« Ich wühlte in ihren Gedanken, aber ich entdeckte keine Lüge. Ganz sicher war ich mir aber noch nicht. Meine Suche auf der geistigen Ebene ging weiter. Irgendwo in dem Wust aus Gedankenfetzen und Bildern stieß ich auf eine Darstellung, die mir völlig fremd war. Ich sah ein Seil, das aus vielen Fasern bestand. Am unteren Ende hing ein Felsbrocken mit meinen Gesichtszügen. Immer wenn ich das Seil gedanklich anstieß, riß eine der Fasern. Ich zerfetzte sie nach und nach. Als die letzte Faser zerrissen war, war der letzte freie Wille der Haut endlich gebrochen. Ihre Stimme war plötzlich ganz leise. »Wenn du mir jetzt befiehlst, daß ich gehen soll«, wisperte sie, »dann gehe ich. Du hast gewonnen, Gebieter.« »Bleib«, antwortete ich. »Ich brauche dich noch. Aber vergiß nie, daß ich dich jederzeit töten kann.« Von da an herrschte Ruhe in meinem Kopf. Kummerogs Haut meldete sich nicht mehr. Auch nicht in den restlichen Tagen des Fluges nach Bröhnder. Mein Armbandchronometer zeigte den 22. November 1288. 21 Tage hatte die Reise gedauert. »Wir verlassen den Hyperraum«, meldete sich der Bordcomputer. »Die Programmierung sieht vor, daß wir auf Klinker landen.« »Stell ein Bild der Umgebung dar, Fasoldog!« verlangte ich aufs Geratewohl. »Wer bist du?« fragte der Bordcomputer.
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»Eine Haut deines Herrn«, antwortete ich. »Ich habe mir einen Körper besorgt. Nenn mich Alaska.« Ich bekam keine Antwort, aber ein Bildschirm erhellte sich. Ich sah eine mir unbekannte Galaxis. Das war also Bröhnder. Augenscheinlich befanden wir uns in einem Seitenarm, in dem die Sterne nicht sehr dicht standen. Ein Brocken von nicht ganz 60 Kilometern Durchmesser tauchte auf. Auf ihn hielt die CANT zu. Das mußte Klinker sein, der Asteroid der Mörder von Bröhnder. Ich wußte nicht, was mich dort erwartete, aber ich beschloß, die Dinge erst einmal auf mich zukommen zu lassen. Die Landung hätte ich sowieso nicht verhindern können.
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H. G. Francis
Die Haut des Bösen
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1. »Da wir einander etwas zu bieten haben, gehe ich davon aus, daß wir uns rasch einigen werden«, sagte Cistolo Khan. Der LFT-Kommissar trug eine derbe Freizeitkleidung, die an einen altertümlichen Jogginganzug erinnerte. Neben ihm hatte sein Assistent Bruno Drenderbaum Platz genommen. Ihm gegenüber an einem ausladenden Tisch saß Myles Kantor. Der Wissenschaftler war zu Verhandlungen an Bord der PAPERMOON gekommen, dem Flaggschiff des LFTKommissars, das ebenso wie die GILGAMESCH I noch immer auf dem gepflasterten Platz am Pilzdom von Trokan stand. »Ich wäre nicht hier, wenn ich nicht ebenfalls davon überzeugt wäre«, versetzte der Wissenschaftler mit einem leichten, höflichen Lächeln. »Mein Anliegen ist klar«, umriß Cistolo Khan seine Vorstellungen. Er war ein fülliger, jedoch nicht dicker Mann, der von der Iberischen Halbinsel Terras stammte. Er erfreute sich eines kräftigen Haarwuchses. So reichte ihm das dunkelbraune Haar bis auf die Schultern herab, und obwohl er sich erst kurz vor dem Gespräch rasiert hatte, zogen sich dunkle Bartschatten über seine Wangen und sein Kinn. »Mir kommt es darauf an, daß die Besatzung der GILGAMESCH I, die wir ja wohl als Beiboot ansehen müssen, sowie das außerhalb des Solsystems geparkte Basisschiff stillhalten, obwohl Perry Rhodan verschwunden ist. Wir müssen verhindern, daß so etwas wie ein Einsatzkommando von der GILGAMESCH I oder dem Basisschiff erscheint und auf Trokan aktiv wird.« Die Hintergründe dieser Forderungen waren erkennbar: Es gab nach wie vor politische Strömungen im Solsystem, die mit der Anwesenheit der Leute von Camelot nicht einverstanden waren. Eine vom Kommerz geprägte Medienlandschaft heizte kräftig dieses Thema an, obwohl einige der verantwortlichen Chefredakteure privat wohl eine ganz andere Meinung ver-275-
traten. Doch das Thema war aktuell. Es ließ sich gut verkaufen. Populistische Politiker nutzten zudem die Stunde, um sich in den Medien vor Hunderten Millionen von Zuschauern zu profilieren. Es war in, gegen die Unsterblichen und die anderen von Camelot zu sein. Von Neid geprägte Modedesigner, denen es mit ihren Entwürfen höchstens gelang, für eine kurze Saison ins Gespräch zu kommen, nicht aber durch ihre Mode unsterblich zu werden, warfen in aller Eile ZA-freie Modelle auf den Markt. Ein variabel geformter Ausschnitt über der Brust bei Männern und Frauen ließ die nackte Haut sehen und modebewußte Zeitgenossen demonstrierten, daß sie nicht zu den Unsterblichen gehörten, wobei dezent verschwiegen wurde, daß kein Unsterblicher noch einen eiförmigen Zellschwingungsaktivator trug, sondern einen unter die Haut verpflanzten Chip. Die Modelle fanden reißenden Absatz, wollten doch viele Menschen mit ihrer Kleidung deutlich machen, daß sie sich selbstverwirklicht hatten - was immer sie darunter verstanden und nun selbstbewußt genug waren, ihre Unabhängigkeit gegenüber den Unsterblichen zu erklären. Es war in, sich und seiner Umwelt zu erklären, daß man Gegenwart und Zukunft sehr gut ohne die Unsterblichen gestalten konnte und daß kein Konflikt vorstellbar war, in dem man ihre Hilfe benötigte. Dieser Einstellung trug Cistolo Khan Rechnung, wobei er offen ließ, wie er selbst über diese Dinge dachte. Er nahm Rücksicht auf die von einigen Politikern und den Medien angeheizte öffentliche Meinung und riet zur Vorsicht. Ein Einsatzkommando der GILGAMESCH I konnte unter den gegebenen Umständen die Empörung der Menschen im Solsystem hervorrufen und zu einem wahren Feldzug der Medien gegen die Leute von Camelot führen. Myles Kantor war sich dessen bewußt. Doch er stand den Problemen mit der gebotenen Gelassenheit gegenüber. Der Wissenschaftler sah nicht mehr als modische Strömungen in
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dieser Haltung vieler Menschen, und er wußte, daß die Stimmung sehr schnell wieder umschlagen und sich ins Gegenteil verkehren konnte. »Und was bietest du mir dafür?« fragte der Wissenschaftler. »Das liegt doch auf der Hand.« Der LFT-Kommissar wechselte einen kurzen Blick mit seinem Assistenten Bruno Drenderbaum. Myles Kantor wußte, daß er sich gern mit ihm beriet und daß ihm seine Ratschläge wichtig waren. Er sprach Drenderbaum nicht direkt an, bezog ihn aber dennoch mit in das Gespräch ein. Der Assistent von Khan war ein kleiner, unscheinbarer Mann mit einem runden Gesicht und schwarzem Haarkranz, tief in den Höhlen liegenden, schwarzen Augen und einem sympathischen Lächeln. Wer ihn nicht kannte, unterschätzte ihn, da Drenderbaum sich stets etwas ängstlich und unsicher gab. Myles Kantor wußte jedoch, daß dieser Mann über eine gehörige Portion Selbstbewußtsein verfügte und äußerst wichtig war. Bruno Drenderbaum trug ein schwarzes, frackartiges Kleidungsstück mit einer Reihe von Taschen rings um die Hüften. Einige dieser Taschen waren ausgebeult. Sie enthielten erkennbar einige Gegenstände. Welche das waren, entzog sich der Kenntnis des Besuchers, doch er interessierte sich nur am Rande dafür. »Du kannst ungestört und ungehindert am Pilzdom agieren und Perry Rhodan und seine Begleiter suchen. Sollte es dir gelingen, den Pilzdom zu öffnen und Perry zu folgen oder solltest du sonst Tätigkeiten beginnen, die mit dem Problem zu tun haben, werden wir nichts unternehmen, uns nicht einschalten und dich in keiner Weise behindern. Die Bürokratie ist in diesem Fall bereits außen vor.« »Ich bin einverstanden«, sagte Myles Kantor. Ein Roboter stellte erfrischende Getränke und leichtes Ge-
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bäck auf den Tisch, und Khan bot seinem Besucher davon an. Der Wissenschaftler bediente sich und nahm etwas Gebäck. »Und wie siehst du die Erfolgsaussichten bei deiner Arbeit?« fragte Bruno Drenderbaum. »Dazu kann ich wirklich nichts sagen«, antwortete Myles Kantor. »Ich kann keinerlei Prognosen abgeben, solange nicht die Resultate unserer Untersuchungen vorliegen. Vorläufig ist jedenfalls noch nicht erkennbar, auf welchem Wege wir in den Pilzdom eindringen können.« Khan gab noch nicht auf. »Bist du optimistisch oder eher pessimistisch?« faßte er nach. »Weder noch«, lächelte Myles Kantor. »Ich sehe es als sachliches Problem, dem ich ohne Emotionen gegenüberstehe. Eine andere Frage ist, in welchem Maße ich Perry, Alaska und Bully helfen möchte. In dieser Hinsicht bin ich selbstverständlich sehr stark engagiert, und ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um zum Ziel zu kommen.« Seine Blicke richteten sich auf einen großen Monitor, auf dem der Pilzdom zu sehen war. Das Gebilde war nur wenige Schritte von der PAPERMOON und damit von den beiden Männern entfernt. Myles Kantor blieb noch einige Minuten bei dem LFTKommissar und seinem Assistenten, dann verließ er das Raumschiff. Er ging zu Fuß zum Pilzdom hinüber, dem etwa 33 Meter hohen Gebilde, das aus einem silbrig schimmernden Metall gefertigt zu sein schien und das sich bisher jeder Erforschung entzogen hatte. Die Wissenschaftler hatten es bereits MimikryGebäude genannt, da sie den Eindruck gewonnen hatten, daß es gezielt jeder Erforschung ausgewichen war und auf jede Untersuchung die entsprechende Antwort hatte, bevor noch den Wissenschaftlern das Resultat vorlag. Der Versuch, gewaltsam in den Pilzdom einzudringen, hatte mit einer Katastrophe geendet.
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Danach hatte der Pilzdom die Untersuchenden vor ein weiteres Rätsel gestellt. Perry Rhodan, Reginald Bull und Alaska Saedelaere waren durch die Wand des Gebäudes gegangen, ohne daß sich eine Öffnung darin aufgetan hatte, und sie waren spurlos verschwunden. Zeitgleich hatte ein anderes Ereignis die Wissenschaftler überrascht. Der humanoide Körper eines nichtterrestrischen Wesens von einem unbekannten Sternenvolk war durch die scheinbar feste Wand nach außen gefallen, so daß es schien, als habe der Pilzdom dieses Wesen einfach gegen die drei Aktivatorträger ausgetauscht. Das Wesen war ohne Bewußtsein, und nach einer kurzen Untersuchung durch die Mediziner war es augenblicklich nach Mimas, dem ersten Saturnmond, gebracht worden. Dort sollte es in einer Spezialklinik behandelt und aus seinem komaähnlichen Zustand geweckt werden. Seitdem hatten die Wissenschaftler ihre Bemühungen intensiviert. Obwohl sie immer wieder scheiterten, gab Myles Kantor nicht auf. Unter seiner Leitung setzten die Wissenschaftler der GILGAMESCH I modernste High-Tech ein. Sie wollten herausfinden, welches Schicksal Perry Rhodan und seine beiden Begleiter erlitten hatten. Dabei gingen Myles Kantor und seine Mitarbeiter davon aus, daß sich die Vermißten noch innerhalb des Pilzdomes befanden. Erwägungen, im Inneren des Gebäudes könnte es eine Art Transmitter geben, mit dem sie zu einem unbekannten Ziel befördert worden waren, gab es. Doch niemand hatte einen Energieumsatz angemessen, wie er beim Einsatz eines solchen Gerätes typisch war. So blieb nur der Schluß, daß Rhodan, Bull und Saedelaere sich im Dom aufhielten.
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»Ich bin sicher, daß es eine große Story ist«, sagte Cruno DeFaas, seines Zeichens leitender Redakteur der Sol-Tel, einer der größten kommerziellen Fernsehanstalten Terras. »Perry Rhodan, Reginald Bull und Alaska Saedelaere sind im Pilzdom verschwunden, und dafür ist ein unbekanntes, humanoides Wesen daraus hervorgekommen. Um dieses Wesen geht es mir. Es befindet sich zur Zeit auf Mimas. Ich will die Story dieses Wesens haben.« Katie Joanne strich sich eine blonde Locke aus der Stirn, und ein Lächeln glitt über ihre Lippen. »Daß dieses Wesen uns eine tolle Story bietet, das glaube ich auch«, sagte sie, »aber es dürfte fast unmöglich sein, an dieses Geschöpf heranzukommen.« »Hör mal zu«, schnauzte DeFaas sie an. »Ich räume dir die Chance ein. Wenn du sie nicht willst, gebe ich sie einem anderen. Ich bin sicher, daß Esteban Raska sich die Finger danach leckt. Oder James Grosvenor zum Beispiel. Ich kann ihn ja gleich mal anrufen ...« Er streckte seine Hand zum Telekom aus, doch Katie Joanne bat ihn rasch, mit niemandem sonst zu sprechen. Sie war eine freiberuflich arbeitende Journalistin und Schriftstellerin, und sie zählte zu den erfolgreichsten ihres Fachs. Vor einem Jahr hatte sie eine heftige Auseinandersetzung mit DeFaas gehabt und war danach aus der Redaktion verwiesen worden. Um so überraschter war sie nun, daß der Chefredakteur sie zu sich gerufen hatte. Damit hatte sie nicht gerechnet, da DeFaas als ausgesprochen nachtragend galt. Sie mußte die Chance ergreifen, die er ihr bot. Sein Angebot konnte sie nicht ausschlagen. »Ich mach's«, versprach sie. »Ich fliege nach Mimas. Irgendeinen Weg werde ich schon finden, mich dort als Patientin behandeln zu lassen. Ich muß anonym vorgehen, sonst fliege ich raus, bevor ich die erste Frage gestellt habe.« DeFaas nickte zufrieden.
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»Ich sehe, wir haben uns verstanden«, sagte er. »Du mußt nicht unbedingt als Patientin auftreten, aber unter den gegebenen Umständen könnte es vorteilhaft sein, nicht als Pressetante eingestuft zu werden.« »Nicht als Patientin?« Katie Joanne war plötzlich ganz Aufmerksamkeit. Sie spürte, daß er etwas vor ihr verbarg, und sie wollte die Wahrheit wissen. »Raus damit! Was verschweigst du mir?« »Nun ja«, antwortete er. Mit einiger Mühe versuchte er, ein Lächeln zu unterdrücken. Ganz gelang es ihm nicht. »Du bist seit einem Jahr bei der Klinikleitung von Mimas akkreditiert«, rückte er heraus. Katie Joanne fiel es wie Schuppen von den Augen. Mit einem Schlag klärte sich alles. DeFaas hatte sie nicht geholt, weil er sie für besonders fähig hielt, oder weil er ihr verziehen hatte, sondern weil sie die einzige Journalistin war, die eine Akkreditierung für Mimas hatte. Er konnte nur sie und niemanden sonst einsetzen, um zu seiner Story über das unbekannte Sternenwesen von Trokan zu kommen! »Ich warte auf deine Story«, sagte er, wobei er ihren Blicken auswich. »Je früher sie kommt, desto besser. Brauchst du irgend etwas außer Geld?« »Ja - den Vertrag«, antwortete sie kühl und distanziert. Ihr war klar, daß er sie nach Erfüllung des Auftrages wie eine heiße Kartoffel fallen lassen würde - es sei denn, daß sich eine neue Geschichte anbot, die er nur von ihr erhalten konnte. Der leitende Redakteur grinste breit. »Der ist schon fertig und liegt bei dir zu Haus vor«, versetzte er. »Du brauchst ihn nur noch gegenzuzeichnen.« »Das hätte ich mir denken können. Du wußtest, daß ich anbeiße.« »Natürlich«, bestätigte er. »Wer sich so eine Story entgehen läßt, hat nicht alle Tassen im Schrank. Du kannst dich darauf verlassen, daß in den Büros der Wettbewerber die Hölle los
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ist. Man bemüht sich verzweifelt um eine Akkreditierung für Mimas, aber niemand erhält sie. Du hast also einen klaren Vorsprung vor den hellen Jungs und Mädchen von der Konkurrenz. Sieh zu, daß du ihn nicht verlierst. Wenn du es schaffst, vergessen wir die alten Geschichten.« »Ist mir klar.« Sie glaubte ihm kein Wort! Katie erhob sich. »Noch etwas«, sagte er, während er sie zur Tür begleitete. »Vielleicht haben wir die Möglichkeit, über das unbekannte Wesen vom Pilzdom an die Unsterblichen von Camelot heranzukommen. Ich möchte wissen, wo sich die Unsterblichen verbergen, wenn sie sich nicht gerade auf der GILGAMESCH aufhalten. Finde es heraus.« »Ich versuch's.« Sie verließ das Büro des Redakteurs, um sich auf den Weg nach Mimas zu machen. In den vergangenen Monaten, in denen sie beschäftigungslos gewesen war, hatte sie Zeit und Muße gehabt, sich auf neue Projekte vorzubereiten. Katie hatte eine Reihe von neuen Strategien entwickelt, um bei ihren Recherchen erfolgreicher sein zu können als andere. Nun war es soweit. Nun mußte sich zeigen, ob die von ihr verfolgten Methoden sich realisieren ließen. In ihrer Wohnung fand sie den Vertrag vor. Sie unterzeichnete ihn, pfiff anerkennend, als sie sah, welches Honorar DeFaas eingesetzt hatte, und schickte ihn an die Fernsehanstalt zurück. Dann flog sie mit einem Gleiter zum Raumhafen von Orlando, wo sie ihre Space-Jet geparkt hatte. Eine Stunde später startete sie in den Weltraum. Als das kleine Raumschiff die Lufthülle des Planeten durchstieß und auf Kurs zum Saturn ging, injizierte sie sich eine farblose Flüssigkeit in den Arm. Sie enthielt eine High-TechDroge mit integrierten, variablen Biozellen, die mit verschiedenen Holoenzymen angereichert waren. Sie sollten für ein Krankheitsbild sorgen, das die Arzte von Mimas für eine ausreichende Zeit vor ein medizinisches Rätsel stellen würden.
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Katie Joanne wartete ab, bis sie kurz vor einer Ohnmacht war, dann setzte sie einen Notruf ab. Wie erwartet erhielt sie augenblicklich Antwort. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist«, stammelte sie mühsam. »Ich brauche Hilfe ...« Nach diesen Worten sackte die Journalistin zusammen und verlor das Bewußtsein.
Tro wußte nicht mehr, was er denken sollte, denn seine Welt war in sich zusammengebrochen. Sie würde nie mehr so sein, wie sie einmal war. Der Himmel hatte sich geöffnet. Krakra sagte, er werde sich niemals wieder schließen, und Heiligkeit und Dunkelheit werden sich für alle Ewigkeit in dem Rhythmus wiederholen, wie er jetzt vorlag. Tro wußte nicht mehr, wann er zuletzt geschlafen hatte. Es mußte lange her sein, denn er fühlte sich müde und zerschlagen. Er war erschöpft, und er spürte die Symptome, die einen Zusammenbruch seiner inneren Organe ankündigten. Vergeblich kämpfte er dagegen an. Kein Mediziner konnte ihm helfen, denn diese litten selbst und waren nicht mehr in der Lage, ihrer normalen Tätigkeit nachzugehen. Tro befand sich in einem der wenigen Häuser, die unbeschädigt geblieben waren. Er spürte, wie der Boden unter seinen Füßen bebte und zitterte, und er hörte den mächtigen Sturm ums Haus heulen. Staub, Pflanzen und kleine Steine wurden gegen die Außenwände geschleudert, die niemals einem solchen Trommelfeuer ausgesetzt gewesen waren, und bei deren Aufbau niemand an eine derartige Belastung gedacht hatte. Tro war sicher, daß sie früher oder später zusammenbrechen würden. Sein Glaube an den Gott Kummerog war nicht erschüttert.
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Einst war den Herreach prophezeit worden, daß der Gott Kummerog durch die Tore des Tempels herauskommen würde. Dann würde sich der Himmel öffnen, um sich in zwei Hälften zu teilen, eine helle und eine dunkle, die beständig um die Welt wandern würden. Am Tempel hatte sich viel ereignet. Die Jünger des Kummerog hatten mit ihren Gebeten den Riesen Schimbaa entstehen und in den Tempel vordringen lassen. Was dort mit ihm geschehen war, wußte Tro nicht, aber er war davon überzeugt, daß Schimbaa den Gott Kummerog gesehen hatte. Kummerog war gekommen, so, wie es seit ferner Vergangenheit vorausgesagt worden war. Doch, wo war er nun? Befand er sich noch im Tempel? Oder war er irgendwo im Inneren der Welt eingeschlossen und versuchte nun, mit aller Kraft und Gewalt durch den Boden an die Oberfläche zu kommen? Zitterte und bebte die Welt aus diesem Grunde? War es der Atem Kummerogs, der den Sturm heulen ließ? Was geschah mit der Welt? Stets hatte Tro in der Überzeugung gelebt, daß der Gott Kummerog friedvoll erscheinen und das vollkommene Glück auf die Welt bringen werde. Daß mit ihm das Chaos kommen könnte, hatte er sich nie vorstellen können, und es wollte auch jetzt nicht in seinen Schädel. Zuviel war auf ihn und auf die anderen seines Volkes eingestürzt. So hatten sie erkennen müssen, daß die Welt nicht die einzige Welt war, die es gab, und daß es außer den Herreach auch noch andere Geschöpfe gab. Diese hatten - was gegen jede Logik und wissenschaftliche Erkenntnis war - eine höhere Stufe der Zivilisation erreicht als die Herreach. Hatten nicht die angesehensten Wissenschaftler der Herreach unwiderlegbar bewiesen, daß ein Leben außerhalb
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der Welt äußerst unwahrscheinlich war, und daß es - falls es denn doch existieren sollte - keinen Vergleich mit den Herreach standhielt? Waren die Fremden also real oder nur ein Trugbild? Verzweifelt blickte Tro sein Gegenüber an, Yagh, einen Mann, der sich rühmen konnte, wie kaum ein anderer mit dem Baumaterial Holz umgehen zu können, einem Rohstoff, der äußerst knapp war und in Zukunft wohl noch schwieriger zu beschaffen sein würde. »Es steht sogar im Buch geschrieben, daß wir Herreach die höchste Stufe der Zivilisation erreicht haben, die Intelligenzwesen überhaupt erklimmen können. Uns fehlen nur noch wenige Schritte zur Vollkommenheit«, sagte er. Yagh schloß die Augen zu schmalen Schlitzen, und dann ließ er sein Nas-Organ schmal werden, ein Ausdruck für seine geistige Distanziertheit. »Was geschrieben steht, muß nicht wahr sein«, gab er zu bedenken. Er hielt sich vorsichtig zurück. Er wußte, daß Tro ein religiös empfindender Mann war, und er wollte ihn deshalb nicht verletzen. »Aber es steht im Buch!« protestierte Tro gegen die unterschwellig vorgebrachte Behauptung, irgend etwas in dem wichtigsten Schriftwerk der Herreach-Kultur könne nicht der Wahrheit entsprechen. Yagh gab seine Zurückhaltung auf. »Eben!« erwiderte er. »Weil es im Buch steht, glauben alle, es müsse wahr sein, dabei ist das Buch nicht von Kummerog geschrieben worden, sondern von seinen Propheten, von Herreach! Und wir alle wissen, daß Herreach auch lügen können.« Tro schnürte es die Kehle zu; er brachte kein einziges Wort zur Entgegnung heraus. Eine solche Überlegung hatte er nie angestellt.
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Er war bis ins Innerste seiner Seele erschüttert und verunsichert. Er hatte das Gefühl, an einem Abhang zu stehen und mit unwiderstehlicher Kraft hineingezogen zu werden. Nicht nur die Zivilisation der Herreach brach zusammen, sondern die Bewohner der Welt selbst auch!
2. Die Untersuchungen am Pilzdom gingen weiter. Myles Kantor hatte mittlerweile Energiebarrieren rund um das Bauwerk herum errichten lassen, damit die Experten am Dom von den Witterungseinflüssen weitgehend unbehelligt blieben. Der Sturm tobte sich außerhalb dieser Energiemauern aus. Lediglich die immer wieder aufkommenden Erdbeben ließen sich nicht ausschalten. Immer wieder beteiligte sich Myles Kantor selbst an den Bemühungen, das Geheimnis des Pilzdoms zu enträtseln und einen Zugang zu schaffen. Für eine kurze Zeit hatte er sich an einem terranischen Suchkommando beteiligt, das die AyindiArchive durchsucht hatte. Doch Gravierendes hatte man nicht gefunden. Alle Archive waren offenbar im Verlauf von 250 Millionen Jahren zerfallen und außer Betrieb. Entdeckt hatte man lediglich einige bedeutungslose Splitter der Ayindi-Vergangenheit. Myles Kantor war sich mit den anderen Wissenschaftlern einig, daß kein einziges Archiv Hinweise auf das Zeitrafferfeld oder den Pilzdom enthielt. Nun drängte die Zeit. Allzulange durfte es nicht mehr dauern, bis man in den Pilzdom eindringen konnte, denn niemand wußte, was mit Perry Rhodan, Reginald Bull und Alaska Saedelaere geschehen war. Möglicherweise waren sie ohne Wasser und Nahrungsmittel eingeschlossen und dringend auf Hilfe angewiesen. -286-
Die Herreach ignorierten die Geschehnisse am Pilzdom. Sie litten unter einem Kulturschock und hatten zu viel mit sich selbst zu tun, um auf irgend etwas anderes außerhalb ihres eigenen Ereignisbereiches reagieren zu können. Wenn Myles Kantor nicht mit den Wissenschaftlern am Pilzdom arbeitete, zog er sich auf GILGAMESCH I zurück, um von dort aus mit NATHAN zu kommunizieren. Er erarbeitete in Zusammenarbeit mit NATHAN eine künstliche Klimakontrolle für ganz Trokan, um den Umweltkatastrophen auf dem Planeten Einhalt zu gebieten. Noch aber hatten sie nichts gegen die Erdbeben und die fürchterlichen Stürme ausrichten können. Alle »Akupressur« half nicht viel. Die spärliche Steppenvegetation des Planeten war durch die gänzlich ungewohnte Strahlungsform der Sonne, die Stürme und durch den plötzlichen Tag-Nacht-Wechsel zu mehr als 40 Prozent vernichtet worden. »Und die Vernichtung schreitet fort«, stellte Myles Kantor gegenüber Bruno Drenderbaum fest, als er ihm vor der GILGAMESCH I begegnete. »Schon jetzt läßt sich absehen, daß die Vegetation zu mehr als fünfzig Prozent zerstört werden wird.« »Dann müssen wir also etwas unternehmen«, sagte der Assistent des LFT-Kommissars. »Und ob wir das müssen«, betonte Myles Kantor. »Wir müssen in großem Maßstab in Flora und Fauna investieren und neue Klon-Tiere und Klon-Pflanzen nach Trokan bringen, die unter den nunmehr herrschenden Zuständen existieren können. Aus der alten Ökosphäre wird sich nur wenig halten können.« Drenderbaum seufzte und blickte kurz zum Himmel hinauf. »Na, Mahlzeit!« sagte er. »Da wird das Vereinigte Parlament in Terrania einiges an finanziellen Mitteln genehmigen müssen.« »Und das im Schnellverfahren«, unterstrich der Wissenschaftler.
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»Hoffentlich ist man schnell genug, um das Leben auf diesem Planeten retten zu können«, überlegte Drenderbaum laut. »Ich erlaube mir, skeptisch zu sein. Man hat in dieser Hinsicht ja schon einiges erlebt.« »Ich bin zuversichtlich«, sagte Myles Kantor. »Und ich gehe davon aus, daß der Fremde, der aus dem Pilzdom gekommen ist, uns helfen wird.« Drenderbaum blickte ihn verblüfft an. »Wie kommst du darauf?« fragte er. »Welche Veranlassung sollte er haben?« »Ich vermute, es gibt einen tieferen Grund, daß Perry und die anderen in den Dom gegangen sind und gleichzeitig der Fremde ausgeworfen wurde. Es muß auch einen engen Zusammenhang zwischen dem Dom und Trokan geben. Ich wäre sehr überrascht, wenn es nicht so wäre. Aber wenn es so ist, dann kann der Fremde eigentlich nur einen positiven Effekt auf den Planeten haben. Ich meine, nur das würde Sinn machen.« Er blickte zu einigen Ruinen hinüber, die ehemals Häuser der Herreach dargestellt hatten. Schattenhafte Gestalten irrten zwischen ihnen herum. »Mittlerweile konnten einige meiner Helfer mit einigen Herreach reden«, eröffnete er dem Assistenten des LFTKommissars. »Viel konnten wir jedoch nicht erfahren. Das ganze Volk steht verständlicherweise unter einem schweren Schock. Immerhin haben wir herausgefunden, daß die Herreach auf die Ankunft einer Gottheit warten, die sie Kammeroch, Konnolog, Kammerog, Gummerik oder Kummerog nennen. Vielleicht hat der Fremde damit zu tun, der aus dem Pilzdom gekommen ist.« Drenderbaum lächelte spöttisch. »Das ist doch ein Witz, Myles«, entgegnete er. »Der Fremde befindet sich in einem Zustand, den die Ärzte als eine Art Koma bezeichnet haben. Bei einem Fremdwesen mit einem noch unbekannten Metabolismus sind sie vorsichtig, was die
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Diagnose betrifft. Sicher aber ist, daß dieses Wesen hilflos ist. Ein göttliches Wesen mit der entsprechenden Machtfülle ist es auf jeden Fall nicht.«
Katie Joanne gehorchte der Stimme, die ihr befahl, aufzuwachen und die Augen zu öffnen. Sie blickte in das sonnengebräunte Gesicht eines Terraners, das von einer blauen Schutzhülle umrahmt wurde. »Hallo, Katie«, lächelte der Mann. »Da sind wir ja wieder.« »Wo bin ich?« fragte sie mühsam flüsternd. »Auf Mimas in einer Klinik«, antwortete er. »Vorläufig haben wir dich noch auf der Intensivstation, aber ich denke, wir können dich bald auf eines der gemütlichen Zimmer verlegen, in der man sich mehr bei einer Kur als in einem Krankenhaus fühlt.« Katie horchte in sich hinein, und eine tiefe Befriedigung erfüllte sie. Am liebsten hätte sie dem Arzt gesagt, daß er keinen Grund hatte, auf sich und seine Leistung stolz zu sein. Sie wäre auch ohne seine Hilfe und ohne die Maschinerie der Intensivstation wieder aufgewacht. »Ich danke dir für deine Mühe«, sagte sie statt dessen. »Ich bin froh, daß ich in so gute Hände gekommen bin.« »Wir wissen noch nicht, was dich umgeworfen hat«, gestand er ihr. »Es scheint irgendeine exotische Geschichte zu sein.« »In den letzten drei Jahren bin ich auf 27 verschiedenen Welten gewesen«, eröffnete sie ihm. »Könnte es sein, daß ich mich dort mit irgend etwas infiziert habe?« »Das erklärt einiges.« Er nickte ihr aufmunternd zu, warf den Monitoren noch einen kurzen Blick zu und verließ das Zimmer. Kaum hatte die Tür sich hinter ihm geschlossen, als sie sich auch schon wieder öffnete. Eine junge schwarzhaarige Frau kam herein. Sie hatte ein gleichmäßiges Gesicht mit lebhaften
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schwarzen Augen und einem vollen Mund. Lächelnd setzte sie sich neben Katie Joanne ans Bett. »Ich bin Efra Maysson«, stellte sie sich vor. »Vom Sicherheitsdienst von Mimas. Ich hätte gern gewußt, was dich zu uns geführt hat. Der Kurs deiner Space-Jet hat uns verraten, daß du die Absicht hattest, von der Erde zum Saturn zu fliegen, was du ja auch getan hast.« »Das ist richtig«, bestätigte Katie. »Ich bin Journalistin und Schriftstellerin und habe den Auftrag, einen Bericht über Mimas zu schreiben. Wenn du in den Akten nachsiehst, wirst du feststellen, daß ich akkreditiert bin.« »Die Eintragung erfolgte schon vor fast einem Jahr«, stellte Efra fest. Damit gab sie zu, daß sie entsprechende Kontrollen schon längst durchgeführt hatte. »Warum bist du nicht früher gekommen?« fragte sie. »Weil mein Chefredakteur mich nicht früher geschickt hat. Ich hatte mich mit ihm verkracht.« Die Schwarzhaarige lächelte Katie freundlich zu. »Ich danke dir für deine Offenheit«, sagte sie. »Wir haben das alles überprüft. Es stimmt.« »Natürlich stimmt es!« rief die Journalistin. »Warum sollte ich lügen?« »Vielleicht bist du hier, weil wir ein kleines Sicherheitsproblem haben?« Efra Mayssons Augen schienen zu Eis zu werden, und zugleich schien sich ein dunkler Abgrund hinter ihnen aufzutun. Katie erkannte, daß sie diese Frau nicht unterschätzen durfte. Efra Maysson war offenbar hochqualifiziert. »Davon weiß ich nichts«, behauptete sie, »und es interessiert mich auch nicht. Ich bin hier, weil ich über Ärzte und Patienten auf Mimas zu recherchieren habe, wobei es mir vor allem auf die menschlichen Aspekte ankommt.« Efra Maysson stand lächelnd auf, nickte ihr anerkennend zu und verabschiedete sich mit den Worten: »Die Sicherheits-
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prüfung ist beendet. Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner Arbeit.« Sie verließ den Raum, und Katie Joanne war allein. Abermals horchte sie in sich hinein. Die sogenannte positive Phase der Holoenzyme hatte begonnen. In dieser Phase besserte sich ihr Zustand laufend, bis sie selbst bei einer sehr strengen und gründlichen Untersuchung als vollkommen gesund angesehen werden mußte. Danach genügte es, einen Apfel zu essen, um sich jene Fermente zuzuführen, die zu einem sofortigen Zusammenbruch führten. Katie Joanne schloß die Augen und entspannte sich. Ihr Zustand nach dem Zusammenbruch würde stabil sein, und ihr Leben war in keiner Weise gefährdet - doch das würde keiner der Arzte merken. So war sie in der Lage, sich in sich selbst zurückzuziehen, falls die Lage kritisch für sie werden sollte. Katie Joanne ließ sich Zeit. Sie war sich darüber klar, daß sie ihren ganzen Plan gefährdete, wenn sie zu hastig vorging. Also wartete sie zwei Tage ab. Mittlerweile war sie aus der Intensivstation entlassen und in ein Einzelzimmer verlegt worden. Die von ihr vorausberechnete Therapie ging weiter, und da sie dem von ihr entwickelten Plan entsprach, zeigte sie die entsprechende Wirkung. Die Ärzte waren zufrieden. Am dritten Tag ihrer Anwesenheit setzte sich Katie Joanne an ihr Zimmerfenster und blickte auf die Parklandschaft hinaus, mit der sich die Klinik umgab. Der Saturnmond Mimas hatte eine äußerst geringe Schwerkraft, doch mit terranischer Technik waren Schwerefelder von einem Gravo geschaffen und Energiekuppeln errichtet worden. Unter ihnen war eine Planetenatmosphäre installiert worden, die jener auf der nördlichen Halbkugel der Erde entsprach. An diesem Tag nahm Katie Joanne ihr Essen im Gemeinschaftsraum zusammen mit anderen Patienten ein. Sie freundete sich rasch mit Anne Borkan an, einer etwa neunzig-
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jährigen, geschwätzigen Frau, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinwies, wie tüchtig sie im Leben und wie wichtig sie im Kreise ihrer Familie und ihrer Bekannten war. Unter anderen Umständen hätte Katie Joanne sich keine fünf Minuten mit dieser Frau beschäftigt, doch jetzt hörte sie ihr zu und gab ihr reichlich Gelegenheit, über sich und alles nur Erdenkliche zu reden. Anne Borkan nutzte ihre Chance; ihr Mund stand nur noch still, wenn sie ihm einen Bissen zuführte. Doch dann sprach sie selbst mit vollem Mund weiter. Dabei merkte sie nicht, daß die Journalistin ihr äußerst geschickt Informationen entlockte. »Weshalb gibt es eigentlich so strenge Sicherheitsbestimmungen hier?« fragte Katie Joanne, als sie am Nachmittag im Park zusammensaßen. »Das weißt du nicht?« rief Anne Borkan und blies die Wangen auf. Sie war mittelgroß, füllig und hatte dünnes schwarzes Haar. Ihre Wangen und ihre Lippen waren schlaff. Ihre Lider bedeckten stets die obere Hälfte ihrer Augen. Sie schien sie nicht höher heben zu können. »Aber das weiß doch jeder hier«, behauptete sie. »Ich nicht«, erwiderte die Journalistin betrübt. Anne Borkan beugte sich vor und winkte sie zu sich heran. Dabei blickte sie sich verstohlen um, als fürchte sie, allzu neugierige Wächter könnten in ihrer unmittelbaren Nähe auftauchen. »Es geht um Kummerog«, flüsterte sie. »Kummerog? Den Gott, den die Herreach von Anbeginn ihrer Existenz erwarten?« »Nicht doch, du Dummerchen!« Anne Borkan kicherte, und dann tippte sie Katie Joanne aufs Knie. »Der Fremde, der hier in der Klinik liegt, ist Kummerog! « »Woher weißt du das?« staunte die Journalistin, die tat, als ob sie nicht glauben wollte, was sie vernommen hatte. »Ein Gott? Hier bei uns auf Mimas? Das kann ich einfach nicht glauben!«
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»Es ist aber so. Aber ich glaube nicht, daß er ein Gott ist. Hör zu, ich habe einen guten Bekannten unter den Wissenschaftlern, die den Fremden untersuchen«, gab Anne Borkan ihr schönstes Geheimnis preis. »Er hat es mir verraten. Der Fremde ist aus dem Koma erwacht, und das erste, was er gesagt hat, war das eine Wort: Kummerog!« Myles Kantor beugte sich über Kallia Nedrun und betrachtete ihr Gesicht. Es sah friedlich aus wie das einer Schlafenden, und das war sie ja. Nach wie vor lag sie im Wach-Koma und gab keinerlei Zeichen von sich. Auch waren keine Worte mehr über ihre bleichen Lippen gekommen. Myles richtete sich seufzend auf und verließ den Raum. Er hoffte noch immer, daß es den Ärzten in absehbarer Zeit gelang, Kallia aufzuwecken. Er ging nur wenige Schritte, dann erreichte er die hermetisch abgeriegelte Intensivstation, in der jener Fremde lag, der an Stelle von Perry Rhodan, Alaska Saedelaere und Reginald Bull aus dem Pilzdom gefallen war. Kampfroboter riegelten den gesamten Bereich ab, so daß kein Unbefugter eindringen konnte. Darüber hinaus galten weitere Sicherheitsvorkehrungen, um niemandem Gelegenheit zu geben, sich dem Fremden zu nähern oder ihm gar Schaden zuzufügen. Einer spontanen Überlegung folgend, hatte er Kallia und den Fremden mit Meßgeräten überwacht, um festzustellen, ob es irgendeine Verbindung zwischen den beiden gab. Er hatte nichts feststellen können. Der Fremde war aus seinem komaähnlichen Zustand erwacht, doch er war noch so schwach, daß er nicht zu den seltsamen Umständen seines Erscheinens befragt werden konnte. Er dämmerte vor sich hin, zeigte Reaktionen, war jedoch noch nicht in der Lage zu antworten. Als Myles Kantor den Raum betrat, in dem das rätselhafte Wesen lag, blieb er einige Schritte von ihm entfernt stehen. Er war allein mit dem Fremden, der mühsam und wie unter großen Qualen das Wort Kummerog formuliert hatte, nachdem
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er aufgewacht war. Seitdem nannte man ihn auf Mimas offiziell Kummerog, wobei man sich sehr wohl dessen bewußt war, daß eben dies der Name war, den auch der von den Herreach auf Trokan sehnsüchtig erwartete Gott trug. Doch man sah in dem Fremden keineswegs einen Gott. Für Myles Kantor und die anderen Wissenschaftler war er ein Intelligenzwesen wie viele andere auch, denen man im Universum begegnet war. Niemand sah einen Grund, ihm einen höheren Status zu verleihen. Man ging zwar davon aus, daß Kummerog durchaus mit jenem Wesen identisch sein konnte, das von den Herreach erwartet wurde, daß die Bewohner von Trokan jedoch einem fundamentalen Irrtum unterlagen, wenn sie sich auf die Ankunft eines Gottes vorbereiteten. Sie würden begreifen müssen, daß Kummerog dies nicht war. Kummerog war ein humanoides Wesen, das etwa 1,55 Meter lang war, also als sehr klein bezeichnet werden mußte. Er war es selbst aus der Sicht von Myles Kantor, der nur 1,78 Meter groß war. Die Schultern des Fremden erreichten allerdings eine Breite von etwa einem Meter und waren daher beachtlich. Die beiden Augen waren vollständig weiß und wäßrig. Der runde Mund war lippenlos. Die Nase wirkte durchaus menschenähnlich, hatte jedoch drei Löcher. Die Haut Kummerogs war schwarz und rissig. Bisher hatten die Ärzte noch nicht sagen können, ob dies der Normalzustand war oder ob der Fremde unter einer Hautkrankheit litt. Nachdem er aus dem Koma erwacht war, hatte sich die Haut verändert. Sie hatte Blasen und Falten bekommen, so daß es schien, als sei sie ihm zu groß geworden. Die Ärzte vermuteten, daß er eine Art Häutungsprozeß durchmachte und eine zweite Haut bekam. Er trug keine Kleidung. Drei Gürtel mit jeweils einem Dutzend Beuteltaschen umspannten die tonnenartige Brust.
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Geschlechtsorgane oder andere Organe waren an dem nackten Körper nicht zu erkennen. Seine linke Hand war gewaltsam und offenbar unter großer Hitzeeinwirkung abgetrennt worden. Kummerog litt unter dieser Verletzung, doch lebensbedrohend war sie nicht. »Ich hoffe, wir können bald miteinander reden«, sagte Myles Kantor. Wie immer war der Wissenschaftler ungewöhnlich blaß, und er sprach sehr leise. Kummerog zeigte keinerlei Reaktionen. Er ließ nicht erkennen, ob er die Worte des Terraners gehört hatte. Doch Myles Kantor war überzeugt davon. Er war entschlossen, nunmehr in die zweite Phase der Experimente einzutreten. Doch noch war es nicht soweit. Nach den vielen Anstrengungen der letzten Tage war er müde und erschöpft. Er wollte einige Stunden schlafen. Danach aber wollte er mit Bruno Drenderbaum zu dem Fremden gehen und mit weiteren Untersuchungen beginnen. Der Assistent des LFT-Kommissars verfügte über eine empathische Begabung. Außer Drenderbaum war darüber nur noch Cistolo Khan informiert, und dieser bewahrte das Geheimnis. Myles Kantor wußte nichts davon, was nicht ausschloß, daß er etwas ahnte. Der Wissenschaftler war ein ungewöhnlich guter Beobachter, und er war es gewohnt, exakt zu analysieren. Bei einer Kapazität wie bei ihm war zu erwarten, daß er die richtigen Schlüsse zog oder schon längst gezogen hatte. Doch Myles Kantor hatte niemals auch nur eine Andeutung darüber gemacht. Wenn er etwas wußte, dann behielt er dieses Geheimnis für sich. Bruno konnte keine Gedanken lesen, doch zielsicher spürte er, welche Gedanken und Gefühle jemanden bewegten, auf den er sich konzentrierte, und meistens gelang es ihm, sie eindeutig zu identifizieren. Myles Kantor hoffte, daß er seine Fähigkeit auch bei Kummerog einsetzen konnte und daß er
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durch sie wichtige Informationen über den Fremden gewann. Er blickte den Fremden an; ein Lächeln stahl sich über seine Lippen. »Wir werden eine ganze Menge über dich erfahren, bevor du erkennst, daß wir es tun«, sagte er. Als er den Raum verließ, kam ihm einer der Wissenschaftler entgegen, die Kummerog bisher betreut hatten. »Bruno Drenderbaum ist eingetroffen«, berichtete er. »Und er hat gleich zwölf Raumschiffe der PROTOS-Klasse mitgebracht. Sie schirmen Mimas zur Zeit ab. Im Moment käme vermutlich noch nicht einmal ein Mikro-Meteorit zu uns durch. Er würde vorher abgefangen und auf seine Zuverlässigkeit überprüft werden.« Myles Kantor ging nicht auf die scherzhafte Bemerkung ein. »Wenn Bruno diese Vorsichtsmaßnahme angeordnet hat«, sagte er, »dann wird er seine Gründe dafür haben. Er ist ein vorsichtiger Mann, der sich so leicht durch nichts überraschen läßt. Ich bin froh, daß er da ist. Damit ist die Situation für uns alle sicherer geworden.« Die PRETTY PLAID war ein 200 Meter langes Händlerschiff. Sie traf am 4. November des Jahres 1288 NGZ im Solsystem ein und ging zunächst auf der Bahn der äußeren Planeten auf eine Warteposition. Als ihm sein Erster Offizier mitteilte, das vorläufig letzte Ziel sei erreicht und nun müsse er alles Weitere übernehmen, verließ Kommandant Pavel Morquoise seine Kabine. Der plophosische Händler betrat die Kommandozentrale mit einem Glas Wein in der Hand. »Ein vorzüglicher Tropfen«, sagte er zu Ibo Cantarrue. »Du solltest ihn auch mal probieren.« »Das werde ich«, versprach der Erste Offizier, ein untersetzter Plophoser mit breiter, hoher Stirn und wirrem Blondhaar. Solange Morquoise ihn kannte, hatte er sich noch nicht gekämmt. Er sah stets aus, als komme er unter der Dusche hervor und habe sich das Haar mit einem Handtuch trockengerieben.
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»Sofern du mir mal ein Gläschen davon abgibst«, spöttelte Cantarrue. Morquoise ließ sich schmunzelnd in seinen Sessel sinken. Er blickte auf die Monitoren, und er war mit dem Ergebnis seiner kurzen Prüfung zufrieden. »Was kommt jetzt?« fragte Cantarrue. »Wir befinden uns auf einem... nun, sagen wir mal, Erkundungsflug. Ja, so könnte man es nennen. Nun kommt es darauf an, Kontakt zu bekommen.« »Sagst du mir auch mit wem?« Cantarrue blickte den Eigentümer der PRETTY PLAID gespannt an. Morquoise und seine Mannschaft waren Mitglied der Organisation TAXIT, die - was offiziell nicht bekannt war von Homer G. Adams geleitet wurde. Dessen Genie sorgte dafür, daß die Organisation auf dem galaktischen Markt enorme Erfolge erzielte und sich über sehr gute Zuwachsraten bei Umsatz und Gewinn erfreuen konnte. In der Organisation TAXIT waren hauptsächlich selbständige und besonders geschäftstüchtige Händler vertreten. Die meisten arbeiteten auf Kommissionsbasis und mußten an die Muttergesellschaft einen relativ hohen Anteil am Gewinn abführen. Da die Organisation jedoch erstklassige Waren und zugleich hohe Gewinnspannen bot, waren die limitierten Plätze als TAXIT-Vollkaufmann äußerst begehrt. Mitglieder der Organisation TAXIT waren die unterschiedlichsten Charaktere aus zahlreichen Völkern der Milchstraße, doch eines hatten sie alle gemeinsam: Sie waren der Überzeugung, daß sich die Völker der Milchstraße auf einem gefährlichen Weg befanden und schleunigst wieder in Richtung Frieden zurückgeführt werden mußten. Ein offenes Geheimnis war die Tatsache, daß die Organisation ihre Gewinne in Perry Rhodans Camelot-Projekt investierte, was immer sich dahinter verbergen mochte. Bisher war Homer G. Adams noch nie persönlich in Erscheinung getreten. Stets hatte er sich durch ein gutes Dutzend Handlungs-
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bevollmächtigter vertreten lassen. Die Vollkaufleute der Organisation gingen jedoch davon aus, daß sie von Homer G. Adams geführt wurden - und so war es auch. Sie waren stolz auf ihre Tätigkeit, die ihnen eine hohe gesellschaftliche Anerkennung und eine wirtschaftliche Existenz auf höchstem Niveau verschaffte. Morquoise hatte es seiner Besatzung gegenüber nicht offen gesagt. Alle waren sich jedoch einig in der Überzeugung, daß die PRETTY PLAID ins Solsystem geflogen war, weil der Kommandant hoffte, mit den Herreach gute Geschäfte machen zu können. Diese waren nicht möglich, wenn man nicht über besonders gute Beziehungen verfügte. Daher wartete Cantarrue mit einiger Spannung auf die Antwort von Morquoise. »Wer ist es?« fragte er, als der Kommandant nicht sogleich reagierte. »Bruno Drenderbaum«, antwortete Morquoise genüßlich, und dann genehmigte er sich einen weiteren Schluck Wein.
Als das Chronometer an ihrem Handgelenk exakt 10.00 Uhr anzeigte, verließ Katie Joanne ihr Krankenzimmer und trat auf den Flur hinaus. Wie erwartet, kam ihr Anne Borkan entgegen. Sie war eine Pünktlichkeitsfanatikern, und wie an jedem Morgen wollte sie auch an diesem Tag ihren Kaffee und Kuchen zum zweiten Frühstück holen. Katie Joanne verwickelte sie sofort in ein Gespräch. Dazu war nur ein kleiner Anstoß nötig, und schon plapperte Anne Borkan los. Sie ließ sich über andere Patienten, über Ärzte und über die Hilfskräfte auf Mimas aus. Katie Joanne ließ sie reden. Genau diese Reaktion hatte sie erreichen wollen. Nun ging sie neben der geschwätzigen Frau her und sah sich unauffällig um. Die Cafeteria befand sich nur wenige Schritte von dem Trakt entfernt, in dem der geheimnisvolle Fremde lag. Um ihn
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ging es Katie Joanne, und sie hatte bereits einige vergebliche Versuche unternommen, an ihn heranzukommen. Es war ihr noch nicht einmal gelungen, Myles Kantor oder einen der anderen Wissenschaftler zu sprechen, die sich mit ihm beschäftigten. Zugang zu allen anderen Stationen und Kliniken hatte sie gefunden, um im Rahmen ihrer beruflichen Interessen recherchieren zu können, während sie zugleich etwas für ihre Genesung tat. Den Ärzten gegenüber hatte sie gesagt, beides ließe sich wundervoll miteinander kombinieren, und offenbar war sie damit glaubhaft genug. Doch der Lösung ihres Problems war sie keinen einzigen Schritt näher gekommen. Kampfroboter riegelten die Kummerog-Station hermetisch ab, so daß es noch nicht einmal einem siganesischen Winzling gelingen konnte, dort einzudringen. Wie sollte sie es schaffen, an Kummerog heranzukommen? Es ging nur über Myles Kantor. Eine andere Lösung war nicht denkbar. Und nur ein einziger Weg führte zu ihm: der Weg über die im Wach-Koma liegende Kallia Nedrun. Sie befand sich außerhalb des Roboter-Riegels und wurde nicht ständig bewacht. Offenbar glaubte niemand, daß sie gefährdet war. Während Anne Borkan munter weiterschwatzte, machte Katie Joanne eine Entdeckung, die ihren Blutdruck augenblicklich in die Höhe trieb. Myles Kantor hielt sich in der Cafeteria auf! Es war also wahr, was Anne Borkan ihr vor einigen Tagen gesagt hatte. Der Wissenschaftler erschien häufig am Morgen in der Cafeteria, um sich etwas Kaffee oder auch mal ein Stück Kuchen zu holen. Katie Joanne war fasziniert von dem mittelgroßen Mann mit dem bleichen, knochigen Gesicht, den großen Augen und den dichten Brauen. Myles Kantor trug sein Haar so, wie sie es
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von holografischen Aufnahmen kannte, glatt und gescheitelt, und eine Strähne hing ihm über die Stirn, nicht jedoch über die Augen herab. Die Handgelenke der dünnen und zu kurz geratenen Arme waren auffallend dünn und sahen sehr schwach aus. Während Anne Borkan ununterbrochen schwatzte, ließ Katie Joanne den Wissenschaftler nicht aus den Augen. Als er an den Getränkeautomaten trat, fiel ihr etwas an seinem Verhalten auf: Er wählte Gebäckbecher für seinen Kaffee, hauchdünne Schälchen aus einem organischen Stoff, der das Aroma des Getränks ungemein verbesserte, zugleich etwas Milch und Zucker absonderte und gegessen werden konnte, sobald man den Kaffee ausgetrunken hatte. Myles Kantor nahm jedoch nicht nur ein Schälchen, so, wie es fast alle taten, sondern zwei, die aufeinandersteckten, und er verzehrte am Ende nur das untere, das mit dem Kaffee nicht in Berührung gekommen war. Sie amüsierte sich über diese Angewohnheit, die ihr einiges über den Wissenschaftler verriet. Sie selbst liebte diese Schälchen ebenfalls, und sie knabberte gern daran, vorausgesetzt, sie waren noch nicht mit Kaffee gefüllt worden. Sosehr der Kaffee durch sie gewann, sosehr verloren nach ihrem Geschmacksempfinden die Schälchen, wenn sie das Aroma des Kaffees stimuliert hatten. Als Myles Kantor die Cafeteria verließ, folgte sie ihm, ohne sich von ihrer Begleiterin zu verabschieden. Anne Borkan, die ihr gerade den Rücken zuwandte, um sich Kuchen zu nehmen, redete pausenlos und ohne Atem zu holen weiter. Als sie endlich merkte, daß die Journalistin nicht mehr da war, hatte Katie Joanne den Raum bereits verlassen. Sie ging kaum zwei Schritte hinter dem Wissenschaftler über einen kurzen Gang auf die Kette der Kampfroboter zu. Myles Kantor bemerkte es nicht. Er war offenbar tief in Gedanken versunken. Während sie ihn beobachtete, überschlugen sich ihre Gedanken. Innerhalb von Sekunden faßte sie mehrere Pläne, um
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sie sogleich wieder zu verwerfen. Sie war fest entschlossen, ihren Auftrag zu erfüllen und Myles Kantor die Informationen zu entlocken, die sie beschaffen sollte. Er sollte ihr verraten, wo sich die Unsterblichen verbargen, und was das Projekt Camelot beinhaltete. Um dieses Wissen zu erlangen, war sie bereit, auch Psychopharmaka einzusetzen, die Myles dauerhaft schädigen konnten. So faszinierend sie diesen Mann fand, sowenig war sie bereit, auf seine Gesundheit Rücksicht zu nehmen, wenn diese ihr bei der Informationsbeschaffung im Wege stand! Die Roboter traten zur Seite, um ihm Platz zu machen, versperrten ihr jedoch den Weg. Katie Joanne versuchte gar nicht erst, an ihnen vorbeizukommen. »Ich bin Journalistin«, sagte sie und zeigte den Robotern ihren Presseausweis. Es war ein Dokument, das von den höchsten Sicherheitsorganen der Erde abgezeichnet worden war, und das somit eine besondere Auszeichnung darstellte. Da der Träger eines solchen Ausweises an jede Person des öffentlichen Lebens herankam, auch wenn sie durch Extremisten in höchstem Maße gefährdet war, wurde er erst nach einer strengen Sicherheitsprüfung erteilt und setzte den allerbesten Leumund voraus. Er war der Grund dafür, daß sie sich relativ frei auf Mimas bewegen konnte, was anderen Patienten nicht möglich war. »Ich möchte mit Myles Kantor sprechen«, fügte Katie hinzu. »Ausgeschlossen«, lehnte einer der Roboter ab. »In der augenblicklichen Situation steht er nicht zur Verfügung.« Sie ließ sich auf keine Diskussion ein, weil sie wußte, daß sie fruchtlos gewesen wäre, sondern wandte sich nach rechts und betrat den kleinen, hellen Raum, in dem Kallia Nedrun im Wach-Koma lag. Sie hatte schon Bilder von ihr gesehen, war ihr jedoch noch nie persönlich begegnet. Nun war sie beeindruckt.
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Obwohl Kallia Nedrun keine Schönheit war, mußte man sie als recht hübsch bezeichnen. Sie war nur etwa 1,68 Meter groß und wohlgepolstert. Ihr dichtes, langes schwarzes Haar umrahmte ihr Gesicht in zahlreichen Locken. Kallia Nedrun war nach dem Zwischenfall mit dem Spindelwesen entstellt gewesen, nun aber war sie vollkommen wiederhergestellt. Nur fehlte noch, daß sie aus dem WachKoma erwachte. Leider wußten die Ärzte nicht, wie sie es bewerkstelligen sollten, diesen Zustand zu beenden. »Warum wachst du nicht auf, Kallia?« fragte sie leise. »Es ist doch alles vorbei. Von nun an könnte alles nur noch schön sein.« Zuckten die geschlossenen Lider der Ohnmächtigen? Katie Joanne beugte sich vor, um besser sehen zu können. »Wer bist du?« fragte sie plötzlich eine männliche Stimme. Erschrocken fuhr sie herum. Sie hatte niemanden kommen hören. Sie erkannte den Mann sofort, der vor ihr stand, und seine Anwesenheit verschlug ihr den Atem. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihm hier auf Mimas zu begegnen. Es war einer der mächtigsten Männer der LFT. Er war kleiner als sie, 39 Jahre alt, schmächtig, hatte ein rundes Gesicht und einen schwarzen Haarkranz. Seine schwarzen Augen lagen tief in den Höhlen. Er trug ein frackartiges Kleidungsstück mit einer Reihe von Taschen rings um die Hüften. »Bruno Drenderbaum!« rief sie.
»Da war eine Journalistin bei Kallia«, berichtete Bruno Drenderbaum. »Ich habe sie weggeschickt.« Myles Kantor blickte ihn erschrocken an. »Wie ist das möglich?« fragte er. »Kallia wird bewacht. Wie ist sie an der Wache vorbeigekommen?« Die beiden Männer standen an Kummerogs Lager, das von einem Medosyn überwacht wurde. Nach einer kurzen Phase
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des Erwachens war Kummerog wieder in ein tiefes Koma gefallen. Schläuche führten in seinen Mund und versorgten ihn mit Nahrung. Analysen seines Metabolismus hatten eindeutige Hinweise darauf gegeben, welche Art von Nahrung er benötigte und welche sein Verdauungssystem verarbeiten konnte. Zu Anfang hatte Kummerog so gut wie nichts aufgenommen. Mittlerweile benötigte er Unmengen von Nahrungsmitteln, von denen er allerdings das meiste unverarbeitet wieder ausschied. Myles Kantor hatte die Vermutung geäußert, daß die Nahrung wichtig war, damit er die faltige Haut ausbilden konnte. »Ich weiß nicht«, sagte Drenderbaum. »Als Journalistin scheint sie ein besonderes Talent zu haben, zu den Zielen vorzudringen, die sie interessieren.« »Du scheinst dem nicht viel Gewicht beizulegen.« »Nein. Ich sehe keine Gefahr. Die Frau ist eingehend überprüft worden. Nichts weist darauf hin, daß sie gefährlich werden könnte.« Die blasige, durchsichtige Haut, die den Körper von Kummerog überdeckte, war weiter geworden und hatte weitere Falten geworfen. Unter ihr war zu beobachten, wie die abgetrennte Hand nachwuchs. Der Armstummel war länger geworden, und die Gliedmaßen zeichneten sich bereits ab. Eine Hand Kummerogs war etwa anderthalbmal so groß wie die Hand eines Menschen, und sie hatte zwei Daumen und zwei Finger. Bruno Drenderbaum griff plötzlich nach dem Arm von Myles Kantor. »Aufpassen!« flüsterte er. »Ich glaube, es tut sich etwas.« Sie traten näher an Kummerog heran. Dann machte der Assistent des LFT-Kommissars den Wissenschaftler darauf aufmerksam, daß sich die Lider des Fremden bewegten. »Er wacht auf«, sagte Kantor leise. Es war, als ob Kummerog diese Worte gehört und verstanden hätte. Sein Brustkorb dehnte sich mit einem Mal weit
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aus, er holte tief Luft, und dann griff er nach den Schläuchen, um sie sich aus dem Mund zu ziehen. Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse des Abscheus. »Hallo!« sagte Drenderbaum. Kummerog wandte ihm das Gesicht zu, doch war nicht zu erkennen, ob die vollkommen weißen, wäßrigen Augen ihn auch wirklich wahrnahmen. »Hallo!« antwortete er mühsam und leise. »Ich glaube, er ist über den Berg«, sagte Myles Kantor. Mit einem Knopfdruck alarmierte er die behandelnden Arzte sowie die Wissenschaftler seines Teams, und keine zwei Minuten später hielten sich vierzehn Männer und Frauen in dem Raum auf. Jeder von ihnen überwachte einige der vielen Monitoren, die über die biologischen und neuroelektrischen Prozesse in seinem Körper Auskunft gaben. »Alle Systeme sind deutlich aktiver geworden«, meldete eine junge Frau. Myles Kantor beobachtete den Fremden. Er erkannte, daß er die Krise überstanden hatte. Kummerog befand sich eindeutig auf dem Weg der Besserung, und es war nicht zu erwarten, daß er noch einmal ins Koma fiel. Ebenso wie Bruno Drenderbaum trat Myles Kantor einige Schritte zurück, um den Ärzten nicht im Wege zu stehen. »Was hältst du von ihm?« fragte der Wissenschaftler leise. »Es ist zu früh, etwas darüber zu sagen«, antwortete der Assistent des LFT-Kommissars. »Warten wir ab, bis er uns ein wenig von sich erzählt hat.« Sie mußten mehrere Tage warten. In dieser Zeit schwieg Kummerog, oder er antwortete nur sehr einsilbig in einer Sprache, zu der die Galaktiker keinen Zugang hatten. Ohne entsprechende Informationen konnte auch ein syntronischer Translator keine Übersetzung geben. Doch vier Tage nach seinem Erwachen gab Kummerog sich umgänglicher. Er war noch zu schwach, um sich von seinem Lager erheben zu können, aber wenn Myles Kantor ihn an-
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sprach, antwortete er in ganzen Sätzen, so daß der Translator nun die nötigen Informationen erhielt. Zugleich aber bemühte Kummerog sich, Interkosmo zu lernen. Er hatte eine ungewöhnlich gute Auffassungsgabe und ein hervorragendes Sprachgedächtnis. Worte, die er einmal gehört hatte, vergaß er nicht wieder, und er sprach sie fast akzentfrei aus. Mittlerweile war die durchsichtige, faltige Haut noch weiter geworden. Sie hing teilweise in handtellergroßen Lappen von seinen Armen und seinen Beinen ab, bildete sich aber auch an der Brust und an den Hüften weiter aus. Myles Kantor nahm sich vor, den Fremden bald um Informationen über diese Haut zu bitten. Vorläufig aber beschäftigte ihn eine andere Frage viel mehr; sobald es ihm möglich war, forderte er Auskunft von Kummerog. Wo waren Perry Rhodan, Reginald Bull und Alaska Saedelaere? Myles Kantor war ständig mit Trokan in Verbindung. Daher wußte er, daß es den Wissenschaftlern und Technikern dort noch immer nicht gelungen war, in den Pilzdom einzudringen. Mittlerweile begann man zu resignieren. Nur nackte Gewalt schien übrig zu bleiben, wenn man sich Zugang zu dem geheimnisvollen Gebäude verschaffen wollte. Dies verbot sich aber von selbst, da man das Leben der Unsterblichen nicht gefährden wollte. »Ich weiß nichts von diesen Männern«, antwortete der Fremde, nachdem Myles Kantor ihm Rhodan, Bull und Saedelaere beschrieben hatte. »Ich habe sie nicht gesehen.« »Als du das erstemal wach geworden bist, hast du das Wort Kummerog ausgesprochen«, sagte Myles Kantor. Zusammen mit Bruno Drenderbaum war er bei dem Genesenden, der nach wie vor auf seinem Lager lag. »Ist das ein Name? Dein Name?« »Ich bin Kummerog«, bestätigte das fremde Wesen. Es versuchte, sich zu erheben, doch dazu fehlte ihm noch immer die Kraft. Erschöpft ließ es sich wieder auf den Rücken
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sinken und verlangte nach etwas Wasser. Drenderbaum reichte ihm ein Glas, und das Wesen trank es in einem Zug leer. Dabei achtete der Assistent des LFT-Kommissars darauf, daß er Kummerog nicht berührte. Er trug isolierende Handschuhe, ebenso wie alle anderen, die mit dem Fremden zu tun hatten. Da keiner der Arzte mit Sicherheit sagen konnte, ob es über das Fehlen der Hand weitere Beeinträchtigungen der Gesundheit gab, ob etwa eine Infektion vorlag, was möglicherweise zu einer Ansteckung führte, war höchste Vorsicht geboten. Sicher waren sich die Mediziner lediglich darin, daß auf dem Luftwege oder durch eine Tröpfchenübertragung keine Infektion erfolgen konnte. Die Atemluft Kummerogs und seine Ausscheidungen waren analysiert worden. Eine Gefahr ging von ihnen nicht aus, so daß Kummerog keine Isolierzelle benötigte und seine Besucher sein Krankenzimmer jederzeit betreten konnten. »Wer bist du?« fragte der Assistent des LFT-Kommissars. »Und woher kommst du?« Kummerog bemühte sich offenbar, Antworten zu geben, doch die sprachlichen Schwierigkeiten waren zu groß. Nicht alles, was er mitteilen wollte, ließ sich wohl so formulieren, wie er es wollte. Darüber hinaus schien es so, als gäbe es bei ihm gewisse Empfindlichkeiten, so daß er sich zuweilen in sich zurückzog und weitere Auskünfte verweigerte. Bruno Drenderbaum erwies sich allerdings als Kommunikationskünstler, dem es immer wieder gelang, trennende Barrieren zu überwinden, Mißverständnisse auszuräumen und dadurch die Gespräche fortzusetzen. Seine empathischen Fähigkeiten halfen ihm, Zugang zu Kummerog zu finden. Zudem versuchte er, die Gedanken und Gefühle des Fremden zu ergründen, doch gelang ihm das nur unvollkommen. Drenderbaum spürte jedoch, daß Kummerog von
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einem Geheimnis umgeben war und eine gewisse Bedrohung von ihm ausging. Er erfaßte, daß dieses Wesen äußerst gefährlich werden konnte. Dennoch war er überzeugt, daß ein Abwehrverhalten vorlag, wie es wohl bei jedem vorhanden gewesen wäre, der sich in einer vergleichbaren Situation befand. »Er ist allein in einer für ihn vollkommen fremden Welt mit Intelligenzwesen, mit denen er sich nur sehr mühsam verständigen kann und von denen er nicht weiß, wie sie sich ihm gegenüber verhalten werden«, sagte er, als er später mit Myles Kantor allein war. »Er ist stark geschwächt, und obwohl wir ihm helfen, stellen wir für ihn eine gewisse Bedrohung dar. Wahrscheinlich denkt er verzweifelt darüber nach, wie er so schnell wie möglich zu seinem Volk zurückkehren kann.« Schließlich gab Kummerog eine Schilderung der Vorgänge aus seiner Sicht ab. Dabei wurde kein Translator mehr benötigt, weil er Interkosmo sprach. Kummerog bezeichnete sich als Schiffbrüchigen, der in der Galaxis Bröhnder in einen Unfall verwickelt worden war. »Dabei habe ich meine Hand verloren«, erzählte er, »und bin als einziger Überlebender meines Raumschiffs auf einem Asteroiden gestrandet. Auf dem Himmelskörper habe ich eine unbekannte Raumstation vorgefunden, die offenbar schon vor sehr langer Zeit verlassen worden ist. Natürlich habe ich sie eingehend untersucht, und dabei bin ich auf eine seltsame Brücke gestoßen.« »Eine Brücke?« fragte Drenderbaum. Der Assistent glaubte, daß Kummerog sich unbeabsichtigt falsch ausdrückte, weil er das Interkosmo noch nicht perfekt beherrschte. »Eine seltsame Brücke«, bestätigte Kummerog seine Aussage. »Sie nahm in der Station ihren Anfang.« »Woraus bestand diese Brücke?« forschte Myles Kantor. »Konntest du es erkennen?« »Ich glaube, es war Holz.« Der Fremde wirkte sehr nach-
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denklich, als rufe er sich das Bild der Brücke ins Gedächtnis zurück. »Ja, es war Holz. Das hat mich besonders verwundert, weil eine solche Brücke nicht zu einer technischen Anlage wie einer Raumstation passen will. Der Boden der Brücke bestand aus grauen Bohlen, die einen festen und harmlosen Eindruck auf mich machten. Sie schienen nichts Besonderes zu sein.« »Und was war mit dieser Brücke?« fragte Bruno Drenderbaum, als Kummerog nicht fortfuhr. Er schien anzunehmen, daß er bereits alles Wichtige gesagt hatte. »Ich habe sie betreten«, berichtete der Genesende. »Es gab nichts anderes, was ich hätte tun können. Auf dem Asteroiden hätte ich nicht überleben können. Also wollte ich herausfinden, wohin diese Brücke führt, deren Ende ich nicht sehen konnte. Es verschwand in einer Art Dunst, als ob man in den Nebel hineingeht. Als ich auf der Brücke war und weder das eine noch das andere Ende erkennen konnte, verfiel ich in eine seltsame Starre. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, aber ich spürte, daß ich bewegt wurde. Entweder war es die Brücke selbst, die mich weitertrug, oder eine unsichtbare Kraft drückte mich voran, ohne daß ich gehen mußte. Dann stürzte ich plötzlich auf diese fremde Welt, ohne daß ich etwas dazu getan habe und ohne daß ich es hätte verhindern können. Ich muß bewußtlos gewesen sein. Als ich aufwachte, war ich auf dieser fremden Welt; meine Hand fehlte. Ich hatte Schmerzen.« Bruno Drenderbaum und Myles Kantor befragten ihn zu dem einen oder anderen Detail seiner Geschichte. Kummerog antwortete geduldig. Dabei wich er in nichts von dem ab, was er zuvor erzählt hatte. Als er schließlich ermüdet die Augen schloß, zogen sich die beiden Terraner zurück.
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4. »Er lügt«, stellte Bruno Drenderbaum fest, als er mit Myles Kantor in dessen Arbeitsraum war. Mittlerweile war Cistolo Khan eingetroffen. Der LFTKommissar war ein fülliger Mann, der Bruno Drenderbaum und Myles Kantor deutlich überragte. Er war die beherrschende Persönlichkeit. Das war bereits in dem Augenblick deutlich geworden, als er den Raum betreten hatte. »Wie kommst du darauf?« fragte Khan. »Myles und ich haben den Bericht Kummerogs analysiert«, antwortete Drenderbaum. »Es gibt Unstimmigkeiten.« »Nämlich?« »Richtig ist, daß Kummerog bewußtlos war, als er den Pilzdom verließ«, stellte Myles Kantor fest. »Daran gibt es keinen Zweifel, dennoch sagt er nicht die volle Wahrheit.« »Eine besondere Unstimmigkeit ergibt sich dadurch, daß die Zeitmaschine auf Trokan den Namen Kummerogs-Tempel trägt«, erinnerte ihn Drenderbaum. »Richtig«, bestätigte Myles Kantor. »Woher kannten die Herreach seinen Namen, wenn er die ganze Zeit über bewußtlos war? Im Schlaf dürfte er wohl nicht gesprochen haben.« »Ich bin überzeugt davon, daß Kummerog Einfluß auf die Geschichte von Trokan und der Herreach hatte. Er muß eine völlig andere Rolle gespielt haben, als jene, die er uns geschildert hat. Aber welche?« Cistolo Khan blickte forschend von einem zum anderen. »Also?« fragte er dann. »Was machen wir? Mit Zwang werden wir nichts aus ihm herausholen. Besser ist es auf jeden Fall, wenn wir so tun, als glaubten wir ihm seine Geschichte. Wir müssen ihn weiterhin beobachten, ihn von unserer Hilfsbereitschaft überzeugen und ihn in Sicherheit wiegen.« »Also ein Psychospiel«, stellte Bruno Drenderbaum fest. -309-
»Genau«, sagte der LFT-Kommissar. »Wie beurteilst du ihn?« Sein Assistent wußte, wie diese Frage gemeint war. Sie zielte auf seine empathischen Fähigkeiten, über die Myles Kantor nicht informiert war. Um dem Wissenschaftler nicht zuviel zu verraten, formulierte er vorsichtig und zurückhaltend. »Es ist schwer, ihn zu beurteilen, weil wir kaum Informationen haben«, sagte Drenderbaum. »Ich halte ihn für gefährlich. Er verbirgt etwas vor uns. Wenn ich ihn betrachte, kommt manchmal das Gefühl in mir auf, daß wir es mit der Inkarnation des Bösen zu tun haben.« »Das hört sich ja nicht gerade gut an«, brummte der Kommissar. Bruno Drenderbaum bemerkte ein kurzes Aufblitzen in seinen Augen. Er verstand, was ihm der Kommissar signalisieren wollte: Höchste Vorsicht im Umgang mit Kummerog! »Wir werden auf jeden Fall vorsichtig sein«, fügte Khan hinzu. »Früher oder später wird Kummerog sich verraten und sein wahres Gesicht zeigen. Er ist aller Wahrscheinlichkeit nach die einzige Verbindung, die wir zu Perry Rhodan, Reginald Bull und Alaska Saedelaere haben. Da über die Erforschung des Pilzdomes nicht das geringste zu machen ist, müssen wir wohl oder übel jene Brücke finden, die Kummerog angeblich in der Galaxis Bröhnder betreten und die ihn zu uns geführt hat.« Die drei Männer schwiegen eine Weile. Cistolo Khan blickte wiederum forschend von einem zum anderen. »Was für ein Unterfangen!« sagte der LFT-Kommissar schließlich. »Praktisch aussichtslos, aber wie es aussieht, ist es wohl die einzige Möglichkeit, die wir haben.« »Das sehe ich auch so«, murmelte Myles Kantor nachdenklich. »Wir sollten Kummerog nun dazu bringen, daß er uns beschreibt, wo sich die Galaxis Bröhnder befindet.«
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»Richtig. Wenn wir ihm unsere Sternenkarten vorlegen und wenn er uns die Information geben will, müßte er uns sagen können, wo diese Galaxis ist«, stimmte Drenderbaum zu. »Dann soll das unser nächster Schritt sein«, entschied Cistolo Khan. »Ich verlasse mich auf euch. Kummerog bleibt weiterhin auf Mimas. Sein Gesundheitszustand wird sich bessern, und er wird zu Kräften kommen. Damit wird er nach mehr Bewegungsraum verlangen. Wir werden ihm geben, was er haben will, aber wir werden ihm keine Fluchtchance bieten.« »Mimas ist total abgeriegelt«, betonte sein Assistent. »Der schlimmste Feind der Sicherheit ist die Überzeugung, alles für die Sicherheit getan zu haben«, stellte Cistolo Khan fest. »Deshalb wirst du das gesamte Sicherheitssystem überprüfen. Geh die Sache einmal von der anderen Seite aus an. Überlege dir, was du anstellen würdest, um von hier zu entkommen. Wenn du keine Lücke im Sicherheitssystem findest, dann nimm an deiner Stelle jemanden, der mit äußerster Rücksichtslosigkeit und unter Einsatz sämtlicher Mittel auszubrechen versucht.« »Du hältst Kummerog für so gefährlich?« fragte Myles Kantor erstaunt. »Ich möchte die Sicherheit für alle Mitarbeiter hier auf Mimas«, entgegnete der LFT-Kommissar. »Wir kennen die Mentalität Kummerogs nicht. Wenn durch eine Nachlässigkeit auch nur ein einziges menschliches Leben verlorengeht, dann ist das genau ein Leben zuviel! Auch wenn es extrem heikel ist, ein fremdes Wesen einfach festzuhalten.« Am nächsten Tag begann Myles Kantor damit, Kummerog astronomische Unterlagen zur Lokalen Gruppe vorzulegen. Der Genesende griff augenblicklich nach dieser Information und nahm sie mit großem Interesse auf. Der Wissenschaftler gewann den Eindruck, daß er selbst auch wissen wollte, in welchem Teil des Universums er sich aufhielt. Sollte er also vorher nicht über die Position von Trokan informiert gewesen sein?
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»Wo befindet sich diese Galaxis namens Bröhnder?« fragte Myles Kantor. Er spielte die astronomischen Unterlagen auf große Monitoren an der Wand des Raumes ein. Kummerog erhob sich von seinem Krankenlager. Er stand auf noch unsicheren Beinen, atmete einige Male tief durch und erschien danach gekräftigt. Er machte einige Schritte auf die Wand zu und sah sich die Sternenbilder genau an. Zögernd hob er den rechten Arm und zeigte mit seiner unversehrten Hand auf einige Sternenabschnitte. Unwillkürlich blickte Myles Kantor auf den linken Arm des Fremden. Die Hand war weitgehend nachgewachsen. Sie war noch kleiner als die rechte Hand, und sie wurde von der transparenten Haut schlaff umgeben. Schon jetzt war abzusehen, daß sie bald ebenso groß wie die rechte sein würde. Der Wissenschaftler vermutete, daß die Zusatzhaut sich dann von ihm lösen würde. »Aus diesem Blickwinkel habe ich die Sterne noch nie gesehen«, behauptete er. »Ich weiß nicht, wo ich bin, aber wir werden es herausfinden. Ich brauche genauere Angaben aus diesem Gebiet und aus diesem ...« Er zeigte Myles Kantor insgesamt vier Bereiche auf den Sternenkarten, über die er eingehendere Informationen wünschte. Der Wissenschaftler versprach sie ihm. Kummerog kehrte zufrieden auf sein Lager zurück und legte sich wieder hin.
Katie Joanne blickte ihre Unterlagen noch einmal durch. Kritisch stellte sie fest, daß sie keinen einzigen Schritt weitergekommen war, seit sie auf Mimas war. Nach wie vor wußte sie nicht, wo sich die Unsterblichen verbargen und was das Projekt Camelot bedeutete. Sie beschloß, die Initiative zu ergreifen und wandte sich mit der Bitte an die Klinikleitung, ihr ein Gespräch mit Myles
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Kantor zu ermöglichen. Die Antwort traf umgehend ein: Die Klinikleitung weigerte sich, ihren Wunsch an den Wissenschaftler weiterzugeben. Danach nutzte die Journalistin die nächste Gelegenheit, um Myles Kantor direkt anzusprechen. Sie trat in der Cafeteria an ihn heran, stellte sich vor und bat ihn um ein Treffen. Freundlich, aber bestimmt wies sie der Aktivatorträger zurück. »Ich bitte dich um Verständnis«, sagte er, »aber aufgrund besonderer Umstände ist so etwas zur Zeit völlig unmöglich.« Damit beendete er das kurze Gespräch und ließ keine weitere Frage zu. Na schön! dachte sie und trat zur Seite, um ihm den Weg freizugeben. Dann läßt du mir keine andere Wahl, dann muß ich es mit einer anderen, weniger angenehmen Methode versuchen! Wieder hatte sie beobachtet, wie Myles Kantor sich seinen Kaffee in den Gebäckschälchen nahm. Immer wieder hatte sie sich diese Szene in den vergangenen Tagen vor Augen geführt und dabei überlegt, wie sie diese Angewohnheit des Wissenschaftlers für ihre Zwecke nutzen konnte. Es mußte möglich sein, ein Psychopharmakon in eines der Schälchen einzubringen und es ihm auf diese Weise zuzuführen! Die Journalistin hatte winzige Mengen einiger Präparate in Form von Pulver in ihrem Gürtel versteckt. Ein Tropfen Wasser genügte bei allen Mitteln, um sie in eine Form zu bringen, in der sie verabreicht werden konnten. Am nächsten Tag - es war der 14. November 1288 - ging Katie Joanne daran, ihren Plan zu verwirklichen. Sie wollte die Informationen, die sie brauchte. Wie an jedem Tag zuvor ging sie in die Cafeteria. Während sie noch überlegte, ob sie etwas essen sollte, trafen Myles Kantor und Bruno Drenderbaum ein.
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Jetzt blieb ihr keine Zeit mehr, über irgend etwas nachzudenken. Sie mußte handeln, bevor Myles Kantor an den Automaten trat, um sich zu bedienen. Sie mußte unmittelbar vor ihm dort sein. Die beiden Männer redeten miteinander und achteten auf keinen der vielen Männer und Frauen in der Cafeteria. Längst hatte Katie Joanne die beiden Frauen ausgemacht, die für die Sicherheit des Wissenschaftlers und seines Begleiters verantwortlich waren. Sie waren unaufmerksam, redeten angeregt miteinander und achteten kaum auf ihre beiden Schützlinge. Ihre Haltung war verständlich, schien ihnen doch keine Gefahr zu drohen. Die einzige Gefahr, die sie zu sehen schienen, ging von dem Patienten aus, den sie in ihre Obhut genommen hatten. Katie Joanne wußte über ihn ebensoviel wie Millionen anderer Menschen im Solsystem, da die Nachrichtensysteme sowohl über sein Erscheinen auf Trokan wie auch über seinen Abtransport berichtet hatten. Da zudem ein Dutzend LFTRaumer der PROTOS-Klasse Mimas abriegelte, zweifelte niemand daran, daß der Fremde exakt hier behandelt wurde. Die Journalistin nutzte die Situation: Geschickt trat sie in dem Moment an den Automaten heran, als Myles Kantor es auch tat. Sie stand vor ihm und nahm sich Kaffee, damit deckte sie den entscheidenden Teil des Automaten mit ihrem Körper ab. Blitzschnell hob sie zwei Schälchen heraus, tupfte mit ihrem Zeigefinger einen Tropfen eines Phsychopharmakons hinein und schob das so präparierte Schälchen wieder in die Halterung. Dann nahm sie das andere, füllte ihren Kaffee ein und wandte sich ab. Dann aber drehte sie sich noch einmal um. Sie wollte sehen, wie Myles Kantor zwei Schälchen nahm und mit Kaffee füllte. Der Wissenschaftler redete mit Bruno Drenderbaum über ein sportliches Ereignis auf der Erde, bei dem sich zwei über-
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aus beliebte Sportler in einer Art Duell gegenüberstanden. Dabei zapfte er den Kaffee nebenbei und ohne hinzusehen. Katie Joanne fühlte, wie es sie plötzlich kalt überlief. An jedem Tag zuvor hatte Myles Kantor jeweils zwei Schälchen auf einmal genommen. Heute hielt er nur eines in der Hand! Der Aktivatorträger füllte den Kaffee ein, schob ihn Drenderbaum als kleine Gefälligkeit hin, nahm das nächste Schälchen und wandte sich mit dem Kaffee in der Hand ab. Mit Bruno Drenderbaum plaudernd kehrte er an einen der Tische zurück. Der Assistent des LFT-Kommissars hatte das Psychopharmakon! Am liebsten hätte Katie es ihm aus der Hand gerissen, denn für ihn war es auf keinen Fall bestimmt! Ihm konnte sie sich nicht nähern. Von ihm konnte sie auch die gewünschten Informationen nicht bekommen. Sie setzte sich an einen der Tische, fühlte dabei, wie ihr die Knie zitterten. Ihr Angriff zielte in eine völlig falsche Richtung und hatte Konsequenzen zur Folge, die sie überhaupt nicht durchdacht hatte. Sie hatte den Anschlag nicht auf einen angesehenen Wissenschaftler verübt, sondern auf einen der höchsten Staatsbeamten der LFT! Verzweifelt dachte die Journalistin daran, aufzuspringen und Bruno Drenderbaum anzurempeln, damit ihm das Schälchen aus der Hand fiel. Für ihre Ungeschicklichkeit konnte sie sich dann immer noch entschuldigen. Doch bevor sie einen entsprechenden Entschluß fassen konnte, hatte er den Kaffee schon getrunken und begann, das Schälchen zu verzehren. Katie Joanne hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen. Plötzlich richteten sich die Blicke Drenderbaums auf sie. Im gleichen Moment wußte sie, daß er genau wußte, wie es in ihr aussah!
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»Wir haben eine Antwort«, meldete Ibo Cantarrue, der Erste Offizier des Händlerraumschiffs PRETTY PLAID. »Endlich!« »Was heißt endlich?« fragte Kommandant Pavel Morquoise, der mit allen Anzeichen der Gelassenheit in die Zentrale kam. Wiederum hielt er ein Glas Wein in der Hand. Er leerte es und stellte es danach ab. »Es sind doch erst zehn Tage vergangen, seit wir hier eingetroffen sind«, sagte er spöttisch. »Zehn Tage«, stöhnte Cantarrue. »Eine lange Zeit!« »Nicht, wenn es darum geht, Kontakt mit einem Bruno Drenderbaum zu bekommen und so Beziehungen zu nutzen, die zu guten Geschäften führen werden«, lächelte Morquoise. Der Plophoser ließ sich in seinen Kommandantensessel sinken. »Der Assistent des LFT-Kommissars ist nun mal nicht für jeden zu sprechen. Er ist das, was man ein ganz großes Tier in der Politik nennt. Aus unserer Sicht ein Edelstein, der umworben werden will. Wo ist er, und was hat er gesagt?« Cantarrue strich sich mit den Fingern über die Wangen und zuckte mit den Achseln. »Er sagt, einen Morquoise kennt er nicht, und er will auch nichts mit ihm zu tun haben!« Wenn Cantarrue erwartet hatte, daß sein Kommandant enttäuscht war, dann hatte er sich gewaltig geirrt. Der Plophoser lachte schallend und schlug sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel. »Typisch Bruno!« rief er. »Die Mistbiene tut so, als hätte er einen seiner besten Freunde vergessen. Er hat zu tun und will mich abwimmeln, aber das wird ihm nicht gelingen. Ich weiß, daß ich in einigen Tagen mit ihm zusammensitzen und eine Flasche Wein mit ihm leeren werde.« »Er befindet sich zur Zeit auf Mimas und wird von zwölf Raumern der PROTOS-Klasse abgeschirmt.« »Weniger wären eine Beleidigung für ihn«, versetzte Morquoise. »Wir rücken näher an den Saturn und an Mimas heran.«
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Er erhob sich und ging zum Funkleitstand, um mit Mimas Verbindung aufzunehmen. Sein Erster Offizier verfolgte seine Bemühungen mit einiger Skepsis. Tatsächlich blieben sie erfolglos. Immerhin ließ Bruno Drenderbaum ihm eine Antwort durch einen seiner Mitarbeiter zukommen. Er teilte dem Plophoser mit, daß der Planet Trokan gesperrt und von 3000 LFTRaumern abgeriegelt werde. Durch diesen Sperrgürtel käme nicht mal eine Space-Jet, und ein Walzenraumer schon gar nicht. Außerdem sei der Handel mit den Herreach zur Zeit verboten. »Na also«, grinste Morquoise, »wenn das keine positive Nachricht ist!« Cantarrue blickte ihn kopfschüttelnd an. Er konnte beim besten Willen nichts Positives an dieser Antwort Drenderbaums erkennen!
5. Katie Joanne hastete durch einen Park der Klinik, um auf einem Umweg zu ihrem Zimmer zurückzukehren. Vergeblich versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Alle paar Schritte blickte sie sich um, weil sie glaubte, verfolgt zu werden. Einige Male blieb sie erschrocken stehen, weil sie einen Roboter in einem Hauseingang oder irgendwo zwischen den Büschen entdeckte. Sie fürchtete, angehalten und verhaftet zu werden. Als ein Krankentransport mit einer Antigravliege und blinkendem Notlicht an ihr vorbeiflitzte, zuckte sie zusammen. Es handelte sich offenbar um einen sehr dringenden Fall, denn die Liege schwebte mit einer geradezu beängstigenden Geschwindigkeit durch das Gelände. -317-
Die Journalistin war auf der ganzen Linie gescheitert. Ihr Einsatz endete in einer Katastrophe. Erleichtert atmete sie auf, als sie ihr Zimmer erreichte. Schon Sekunden später fuhr sie erschrocken zusammen, denn nach ihr trat Bruno Drenderbaum ein. Er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, und sein Lächeln sah aus, als sei es ihm auf den Lippen eingefroren. Katie lief ein Schauer über den Rücken. Sie fürchtete sich vor diesem Mann, der deutlich erkennbar unter dem Einfluß des Psychopharmakons stand, aber dennoch die Beherrschung nicht verloren hatte. Er mußte einen ungeheuer starken Willen haben. »Ich kann mir denken, wie du es gemacht hast«, sagte er mit schwerer Zunge. »Reden wir nicht darüber. Jetzt geht es nur darum, daß ich sehr schnell ein Gegenmittel erhalte. Komm mit!« »Wohin?« stammelte sie. »In die medizinische Station, in der wir alles haben, um das Verhängnis abzuwenden«, antwortete er. »Ich könnte alle Ärzte von Mimas hinzuziehen, wenn ich wollte, aber noch will ich es nicht. Wir beide lösen das Problem allein.« »Warum?« rief sie. Er griff nach ihrem Arm, und seine Hand krallte sich so fest um ihn, daß sie vor Schmerz aufstöhnte. »Du weißt, was du mir gegeben hast, und du kennst das Gegenmittel. Die Ärzte müßten erst analysieren und danach suchen. Das dauert mir zu lange. Außerdem könnte man mir Informationen abnehmen, die ich nicht preisgeben will«, begründete er. »Du könntest es auch versuchen, aber davon kann ich dir nur abraten !« Wie in Trance begleitete Katie ihn hinaus. Ihr schien, daß nicht er, sondern sie unter dem Einfluß des gefährlichen Medikamentes stand. Geradezu willenlos ließ sie sich über die Flure und durch die Sperren der Kampfroboter führen. Sie hätte sich ge-
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wünscht, daß die Roboter sie aufhielten oder zumindest kontrollierten, weil sie hoffte, durch sie in letzter Minute noch einen Ausweg zu finden. Doch die Roboter ließen sie passieren. Katie Joanne hatte das Gefühl, zu ihrer eigenen Hinrichtung geführt zu werden. Als sie einen medizinischen Trakt betraten, erkannte sie sofort, wo sie war. In diesem Bereich wurde der Fremde behandelt, der auf Trokan aus dem Pilzdom gekommen war. Sie sah das Wesen durch eine wandhohe Glasscheibe. Es ruhte im Nebenraum auf einem Lager, das rundum von medizinischen Geräten umgeben war. Auf zahlreichen Monitoren gaben syntronische Anzeigen Auskunft über seinen Zustand. Bruno Drenderbaum schien nicht weniger fasziniert von dem Fremden zu sein als sie. Er ließ ihren Arm los und trat an die Scheibe heran. Dann schüttelte er den Kopf und wandte sich ihr wieder zu. Sein Gesicht war schlaff, die Augen hatten an Ausdruck verloren. Das Pharmakon wirkte in zunehmendem Maße und hemmte vor allem seine geistige Aktivität. »Da stimmt was nicht«, sagte er mühsam. »Hilf mir jetzt oder ich vernichte dich!« Sie zweifelte nicht daran, daß seine Drohung ernst gemeint war, und trat näher an die Glasscheibe heran. Unmittelbar neben ihr öffnete sich ein Durchgang; Bruno Drenderbaum wankte hindurch. Kummerog rührte sich nicht. Er lag auf dem Rücken, sein Gesicht war gegen die Decke gerichtet. Katie Joanne sah, daß neben einem schlichten Hocker etwas auf dem Boden lag. Es war eine gallertartige Masse, die sie an eine abgeworfene Haut erinnerte. Hatte Kummerog sich gehäutet? Wie unter Hypnose folgte sie dem Assistenten des LFTKommissars, der sich nur noch mühsam aufrecht hielt. Langsam wandte er sich ihr zu.
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»Du bringst mich um mit dem Zeug, das du mir in den Kaffee getan hast«, flüsterte er. »Du willst mich ermorden!« Katie Joanne blickte sich gehetzt um. Sie nannte ihm das Gegenmittel. »Es muß hier irgendwo sein«, sagte sie. »So etwas findet sich in jeder Klinik.« Bruno Drenderbaum streckte die Arme haltsuchend aus und wankte auf sie zu. Seine Augen waren fast geschlossen. Nun gelang es ihm nicht mehr, Worte zu formulieren. Er lallte nur noch. Entsetzt wich die Journalistin zurück. Sie erkannte, daß er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. In ihrer Angst und Verzweiflung griff sie nach dem Hocker, hob ihn hoch und schleuderte ihn auf den Assistenten. Erst als der Hocker durch die Luft flog, sah sie, daß die gallertartige Masse daran klebte. Drenderbaum war nicht in der Lage auszuweichen. Der Hocker schlug ihm gegen die Brust, und die Masse prallte gegen sein Gesicht. Während der Hocker polternd zu Boden fiel, schob sich die Masse blitzschnell über seinen Kopf und breitete sich über seinen Körper aus. Der größte Teil verschwand unter seiner Kleidung. Katie sah, wie etwas von ihr aus den Ärmeln seines Hemdes hervorkam und sich über seine Hände stülpte wie eine zweite Haut. Schreiend vor Entsetzen und Ekel flüchtete sie aus seiner Nähe, kam jedoch nicht sehr weit. Nirgendwo öffnete sich ein Durchgang. Die Journalistin versuchte es an verschiedenen Stellen, doch die Wände blieben stabil. Danach war ihr klar, daß sie den Raum nicht gegen den Willen von Drenderbaum verlassen konnte. Sie war allein mit dem fremden Wesen und mit Bruno Drenderbaum, der von der seltsamen Masse überzogen worden war wie von einem lebenden Wesen.
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6. Bruno Drenderbaum wurde von einem mentalen Schock von ungeheurer Bösartigkeit gelähmt. Er stand mitten im Raum und nahm seine Umgebung nur noch wie durch einen Grauschleier wahr. Die abgeworfene Haut Kummerogs besaß eine starke mentale Ausstrahlung, die auf seinen durch das Psychopharmakon geschwächten Geist traf. Drenderbaum wäre unter anderen Umständen vielleicht in der Lage gewesen, sich gegen sie zu behaupten. In dieser Situation war er zu keiner Gegenwehr fähig. Dennoch versuchte er sich aufzubäumen. Er empfand Abscheu gegenüber dem organischen Wesen, das sich ihm wie eine zweite Haut übergestülpt hatte; sein Geist sträubte sich gegen das Fremde. Doch er war zu schwach; sein Bemühen scheiterte schon im Ansatz. Langsam sank er auf die Knie und vergrub sein Gesicht in den Händen. Drenderbaum erinnerte sich daran, wie er versucht hatte, Kummerogs Charakter zu erkennen. Es war ihm nur zum Teil gelungen. Er hatte nur eine Ahnung seiner Bösartigkeit. Von dem Angriff der Haut war er vollkommen überrumpelt worden. Zu keiner Zeit in den vergangenen Tagen war ihm der Gedanke gekommen, daß es sich dabei um ein selbständig lebendes Wesen handeln könnte. Ebenso wie die behandelnden Mediziner war er stets davon ausgegangen, daß es sich bei den Hautlappen Kummerogs um abgestorbenes Gewebe handelte, wie bei Menschen, wenn sie Hautteile abschilferten. Jetzt erkannte er, daß die Haut sehr viel mehr war, daß sie sogar einen Willen hatte und diesen durchzusetzen wußte. Es war der Wille Kummerogs! Bruno Drenderbaum verfolgte, wie Kummerog sich von seinem Lager erhob. Er sah ihn auf sich zukommen. Sein eigenes Ich zog sich weiter und weiter zurück. Kummerog -321-
schien weit von ihm entfernt zu sein und den Raum zugleich doch bis in den letzten Winkel auszufüllen. Drenderbaum fühlte sich ihm unterlegen, er spürte die ungeheure Macht, die von dem Fremden ausging. Sie war von einer abstoßenden Bösartigkeit geprägt, was ihn nicht daran hinderte, sich ihm zu unterwerfen. Kummerog blickte ihn mit seinen absolut weißen Augen an. Er wußte, daß er jeden seiner Befehle bedingungslos ausführen mußte. Wenn Kummerog ihm befohlen hätte, sich zu töten, dann hätte er es auf der Stelle getan. Er war Kummerog hörig. Er behielt sein Denkvermögen, er war sich über seine Lage vollkommen im klaren, doch von seinem anfänglichen Widerstand, der ohnehin gering gewesen war, gab es nun nicht einmal mehr einen winzigen Rest. Er war zur Marionette Kummerogs geworden. Nun wollte er seine ganzen Fähigkeiten für die neuen Interessen einsetzen. Damit war das von Cistolo Khan angesprochene Psychospiel hinfällig. Bruno Drenderbaum bemerkte Katie Joanne, die in einer Ecke des Raumes auf dem Boden kauerte. Er verspürte keinen Haß gegen sie, weil sie schuld an seiner Situation war. Er sah nur ein Werkzeug in ihr, das er in irgendeiner Weise nutzen wollte. »Wir fliehen aus diesem Sonnensystem«, sagte Kummerog in akzentfreiem Interkosmo. »Du wirst alles tun, damit die Flucht gelingt. Zugleich wirst du alle Aufzeichnungen über das löschen, was hier geschehen ist. Niemand außer euch beiden soll wissen, wozu meine Haut fähig ist.« Bruno Drenderbaum befolgte den Befehl sofort und ohne zu zögern. Er griff in die Syntronik der Aufzeichnungsgeräte ein und löschte, wie Katie Joanne den Hocker nach ihm geworfen und die Haut ihn übernommen hatte. Da er seinen Kode als Assistent des LFT-Kommissars eingab, rebellierte die Syntronik nicht, sondern tat alles, ohne an anderer Stelle
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Alarm zu schlagen. Danach überlegte Drenderbaum, wie eine Flucht von Mimas zu bewerkstelligen war. Doch Cistolo Khan hatte ihn aufgefordert, sich in die Lage eines Mannes zu versetzen, der von Mimas fliehen will. Aus dieser Sicht sollte er nach Lücken im System fahnden. Er hatte sie gefunden und noch nicht abgestellt. Nun konnte er sie zugunsten von Kummerog nutzen. Drenderbaums Blicke richteten sich auf Katie Joanne.
Kommandant Morquoise stellte das Weinglas wieder ab, nach dem er gegriffen hatte. »Wie war das?« fragte er und erhob sich aus dem Sessel, in dem er gesessen hatte. Sein Erster Offizier war zu ihm in die Kabine gekommen. Nun stand er ihm mit verlegenem Lächeln eines Verlierers gegenüber. »Ich habe es nie und nimmer für möglich gehalten«, wiederholte Cantarrue, »aber es ist so gekommen, wie du vorausgesagt hast: Bruno Drenderbaum hat sich gemeldet. Ich soll dir, seinem alten Freund aus stürmischen Tagen, einen schönen Gruß bestellen und dir ausrichten, daß er dich bei Mimas sprechen will.« Morquoise schüttelte unzufrieden den Kopf. »Das paßt nicht zu ihm«, sagte er. »Moment mal«, wunderte sich sein Erster Offizier. »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Bist du denn nicht zufrieden, daß du recht hast, während ich mich gründlich geirrt habe?« »Wir reden nicht so miteinander«, knurrte Morquoise. »Bruno würde mir nie einen schönen Gruß bestellen. Er würde mir ausrichten lassen, daß ich mich zum Teufel scheren und nur auf ihn warten soll, wenn ich lebensmüde bin.« »Und das wäre dann ein positives Signal?«
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»Du sagst es!« Morquoise verließ die Kabine und wechselte in die Hauptleitzentrale über, um sich die Aufzeichnung anzusehen. »Er würde mir schon gar nicht ausrichten, daß er mich sprechen will. Statt dessen würde er die PRETTY PLAID von den Behörden wegen angeblich nicht gezahlter Strafgebühren oder einem ähnlichen Blödsinn - an die Kette legen lassen, um sich dann halb totzulachen, wenn ich wutschnaubend versuche, das Schiff wieder flottzumachen.« Ibo Cantarrue schüttelte verwirrt den Kopf. Zwischen dem Kommandanten und dem Assistenten des LFT-Kommissars schien eine recht merkwürdige Freundschaft zu bestehen. Wäre er an der Stelle von Drenderbaum gewesen, hätte er seinen Freund jedenfalls nicht zehn Tage lang auf eine Antwort warten lassen. Pavel Morquoise sah sich die Aufzeichnung an, dann bohrte er sich mit dem rechten Zeigefinger im Ohr und fluchte lauthals. »Wenn das ein Witz sein soll, dann ist es ein verdammt schlechter«, sagte er zu sich selbst. »Mimas wird bewacht wie eine Festung. Wenn wir uns dort blicken lassen, gibt es garantiert Schwierigkeiten. Ist es das, was du willst, Bruno?« Morquoise faßte einen Entschluß. »Also los!« befahl er. »Wir fliegen nach Mimas und machen gehörig Putz, damit ich mit Bruno reden kann.« Cantarrue brachte die PRETTY PLAID auf Kurs zum Saturn.
Noch einmal bäumte Bruno Drenderbaum sich auf, als Kummerog ihn mit Hilfe der Haut zwang, zu einem Arzneimittelschrank zu gehen und eine Hochdruckspritze mit einem Medikament zu laden. »Was hast du vor?« fragte Katie Joanne furchtsam. Die Journalistin verfolgte jeden Schritt Drenderbaums. Da sie gesehen hatte, wie die Haut sich über ihn gestülpt hatte, konnte sie sich denken, was mit dem Assistenten des LFT-
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Kommissars geschehen war. Nun schwankte sie zwischen Angst und beruflicher Faszination. Die Ereignisse um Bruno Drenderbaum boten ihr eine ungewöhnliche Story. Sie war möglicherweise noch sehr viel interessanter für die breite Masse als die Geschichte der Unsterblichen und ihres derzeitigen Aufenthalts. Katie versuchte, ihre Angst zu überwinden, doch es wollte ihr nicht gelingen. Drenderbaum wandte sich ihr zu, die Spritze in der Hand. »Du wirst es erleben«, antwortete er mit einem zynischen Lächeln. »Nur nicht so ungeduldig! Die Frage ist nur, ob du es beruflich noch verwerten kannst.« Sie wich vor ihm zurück, blickte sich gehetzt um. Mehrmals hatte sie zur Flucht angesetzt, doch die Wände öffneten sich nicht. Der Weg nach draußen blieb ihr versperrt. Von außen aber konnte man eindringen. Als sie sich mit dem Rücken gegen die Wand drückte und nicht weiter von Drenderbaum zurückweichen konnte, trat Myles Kantor überraschend ein. Zunächst bemerkte er die Frau gar nicht und ging auf Kummerog zu, doch dann fiel sie ihm auf. Er wandte sich ihr überrascht zu. Eine Zornesfalte erschien auf seiner Stirn. »Was machst du hier?« fragte er ärgerlich. »Habe ich dir nicht ausdrücklich mitgeteilt, daß ich überhaupt keine Zeit für dich habe?« »Vorsicht!« rief sie erregt. »Drenderbaum ...« Der Assistent des LFT-Kommissars trat an Myles Kantor heran, schoß mit einem kleinen Paralysator auf ihn und lähmte ihn. Der Wissenschaftler brach auf der Stelle zusammen und fiel Katie Joanne direkt vor die Füße. Sie kam mit ihrem Satz nicht weiter, denn der Assistent drückte ihr die Hochdruckspritze gegen die Stirn. Sie wagte nicht mehr sich zu bewegen. »Ein Wort noch«, drohte er ihr, »und ich jage dir das Zeug direkt ins Gehirn. Danach hast du dann noch genau zwei Minuten zu leben.«
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»Bitte nicht!« stammelte sie. In seinen tief in den Höhlen liegenden Augen leuchtete ein eigenartiges Licht. Es jagte ihr einen Schauder des Entsetzens über den Rücken. Nie zuvor, so meinte sie, war sie einer solchen Eiseskälte bei einem Menschen begegnet. Sie begriff, daß ihr Leben buchstäblich an einem seidenen Faden hing. Bruno Drenderbaum machte es nichts aus, sie zu töten. Die Haut Kummerogs befähigte ihn dazu. Einer der Monitoren erhellte sich, und das Bild wechselte. Das Symbol des LFT-Kommissars erschien auf dem Bildschirm. »Wir erhalten soeben eine Nachricht für Bruno Drenderbaum«, teilte eine angenehme Frauenstimme mit. »Das Händlerraumschiff PRETTY PLAID nähert sich dem Saturn. Der Kommandant hat eine ganze Fülle von Forderungen. Zugleich bringt er zahlreiche Beschwerden vor. Katie Joanne sah die winzige Chance, sich zu retten. Sie wollte schreien, doch Drenderbaum erriet ihre Gedanken. Er hielt ihr den Mund zu. Als sie die Haut Kummerogs auf ihrem Mund spürte, preßte sie voller Abscheu die Lippen zusammen. Sie hoffte, nicht auch noch von der Haut übernommen zu werden. Als sich ihr die Gelegenheit dazu bot, riß sie sich los. »Ein paar Minuten Geduld«, entgegnete Drenderbaum. »Ich melde mich gleich wieder. Morquoise soll warten.« Der Monitor erlosch wieder. Es war zu spät für einen Hilferuf. Drenderbaum packte die Journalistin am Arm, drückte ihr mit der anderen Hand die Spritze an den Oberschenkel und löste sie aus. Zischend fuhr ihr das Medikament unter die Haut. Ein unangenehmes Prickeln breitete sich über ihren Schenkel und ihre Hüfte aus. Gleichzeitig erlosch jeder Widerstandsgeist.
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Drenderbaum kam so nah an sie heran, daß sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte. »Wir verlassen Mimas, und du wirst mir dabei helfen«, sagte er Hinter ihm erschien Kummerog. Er ging an ihm vorbei zum Ausgang. Dort blieb der Fremde stehen und wartete. »Ich helfe dir«, versprach Katie Joanne. Das Medikament sorgte dafür, daß sie sich keine Gedanken machte. Die Journalistin tat, was von ihr verlangt wurde, und dabei überlegte sie nicht. Er packte Myles Kantor bei den Füßen und zog ihn zur Seite, bis er hinter einem Tisch lag. Dort konnte er von zufällig eingeschalteten Kameras nicht mehr erfaßt werden. Dann ging Bruno Drenderbaum zu einem Monitor, nahm Verbindung mit dem Hangar auf, der diesem Klinikbereich am nächsten war, und befahl einem verdutzten Techniker, eine Space-Jet bereitzustellen. »Es handelt sich um einen Notfall«, behauptete er. »Ich habe einen Kranken dabei, der unter einer hochinfektiösen Krankheit leidet und unverzüglich in eine Spezialklinik gebracht werden muß. Ich will niemanden im Hangar und schon gar nicht in der Nähe der Space-Jet sehen. Der Hangar ist sofort nach dem Start zu desinfizieren, damit alle Keime abgetötet werden, die möglicherweise freigeworden sind.« Er gab dem Mann keine Gelegenheit zu antworten. Drenderbaum ging davon aus, daß der Mann ihn als Assistenten des LFT-Kommissars und somit als einen der höchsten Beamten der Liga Freier Terraner respektierte. Er würde es nicht wagen, seine Aussage in Frage zu stellen. Er warf Kummerog einen Isolieranzug zu, wie ihn infektionsgefährdete Patienten und Ärzte trugen, und streifte sich ebenso einen Anzug über. Dann holte er eine Antigravliege aus einem Schrank und versah sie mit dem gelben Blinklicht der Seuchenwarnung. Kummerog legte sich auf das Transportgerät. Drenderbaum reichte ihm die kleine Kombinationswaffe, mit der er Myles
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Kantor paralysiert hatte. Katie Joanne war aufgefallen, daß er sie zuvor auf Energiefeuer justiert hatte. Kummerog wollte diejenigen nicht paralysieren, die sich ihm möglicherweise in den Weg stellten. Er wollte sie töten. Als sie ihren Anzug angelegt hatte, befahl ihr Kummerog, vorauszugehen und den Weg freizumachen. Zugleich stellte er sich auf das kleine Trittbrett, das am unteren Ende der Antigravliege ausfuhr, als das Transportgerät bis auf eine Höhe von etwa 1,20 Meter anstieg. Mit den Händen hielt er sich an der Liege fest. Um die Täuschung zu vervollkommnen, schaltete er den Seuchenschirm ein. Dabei handelte es sich um ein schwachleuchtendes Energiefeld, das die Liege, Kummerog und ihn umhüllte. Es war ein Energiefeld von geringer Feldstärke, das ausreichte, bakterielle oder viruelle Keime daran zu hindern, sich auszubreiten. Energieschüsse konnte es nicht abwehren. Doch dazu setzte Drenderbaum es nicht ein. Der Seuchenschirm sollte warnen und abschreckend auf alle wirken, die auf den Gedanken kamen, den »Krankentransport« aufzuhalten. »Wir sind etwa zehn Meter hinter dir«, sagte er. »Wenn dir einfallen sollte, uns zu verraten, schieße ich sofort.« »Ich habe versprochen zu helfen«, versprach sie mit einer tonlosen Stimme. Jetzt öffnete sich ein Durchgang in der Wand, und als sie hindurchging, sah sie sich mit den TARA-V-UHKampfrobotern konfrontiert. »Befehl von Drenderbaum!« rief sie. »Macht Platz! Wir haben einen Patienten wegzubringen.« An alle nur möglichen Gefahren hatte Bruno Drenderbaum gedacht, als er das Sicherheitsprogramm für Mimas aufstellte, nicht jedoch daran, daß die Gefahr von ihm selbst ausgehen könnte. Sich ausgerechnet ihm zu widersetzen, ihrem Befehls-
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haber, das war im syntronischen Programm der Roboter nicht vorgesehen. Sie machten den Weg frei, Katie Joanne eilte an ihnen vorbei, und Drenderbaum folgte mit Kummerog auf der Antigravplatte. Katie Joanne kämpfte gegen die Wirkung der Psychodroge, erreichte aber nicht viel. Doch da sie sich wehrte, blieb ihre Beobachtungsgabe erhalten, und sie behielt ein Gefühl für die Situation. Die Journalistin staunte darüber, daß die Kampfroboter sie ohne weiteres passieren ließen. »Schneller!« rief Drenderbaum. »Du sollst rennen!« Katie gehorchte und hetzte über den Gang der Klinik bis zum Ausgang, der sich automatisch vor ihr öffnete. Die Antigravliege entwickelte eine erstaunliche Geschwindigkeit. Drenderbaum stützte sich mit beiden Händen auf das hintere Ende und richtete sich steil auf, um eine möglichst gute Sicht auf seine Umgebung zu haben. Als sie durch den Park zum Hangar rannte, begriff Katie Joanne endlich. Sie lief an einigen bewaffneten Wachen und mehreren ahnungslosen Ärzten vorbei, die ihnen staunend zusahen. Ich bin Kanonenfutter für Drenderbaum! erkannte sie. Wenn wir irgendwo auf Widerstand stoßen und geschossen wird, dann bin ich das erste Ziel. Genau das will er. Ich soll von Kummerog und ihm ablenken! Sie wollte langsamer laufen, doch die Beine gehorchten ihr nicht. Sie rannte vor der gelbblinkenden Antigravliege her, als habe sie vor, den Weg zum Hangar in Rekordzeit zurückzulegen. »Um Himmels willen, Kindchen, was ist denn los?« rief Anne Borkan, die plötzlich zwischen einigen Büschen hervortrat. »Was hast du angestellt?« Katie Joanne antwortete nicht. Sie stürmte in den Hangar. Dort blieb sie endlich stehen. Bruno Drenderbaum und Kummerog eilten an ihr vorbei
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direkt in die Schleuse einer bereitstehenden Space-Jet. Zugleich erlosch der Seuchenschirm. In diesem Moment gelang es der Journalistin, sich gegen das Pharmakon zu behaupten, das ihre Nervenbahnen beeinflußte. Alles, was in den letzten Minuten geschehen war, ging ihr noch einmal durch den Kopf. Sie sah Szene für Szene wie im Zeitraffer. Nun erkannte sie, daß sie eine gefährliche Zeugin für Drenderbaum war. Er hatte ihr ein Medikament gegeben. Als medizinischer Laie konnte er nicht sicher sein, daß es tatsächlich so wirkte, wie er hoffte. Katie begriff, daß sie nur noch Bruchteile von Sekunden zu leben hatte, wenn sie da blieb, wo sie war. Indem sie ihre ganze Kraft zusammennahm, warf sie sich mit einem weiten Satz nach vorn, ließ sich zu Boden fallen, um ein möglichst ungünstiges Ziel zu bieten, und rollte sich über die Schulter ab. Nur Zentimeter von ihr entfernt schlug ein nadelfeiner Energiestrahl in die Wand, glutflüssiges Material spritzte auf. Katie Joanne rollte sich schon weiter, kam auf die Füße, sprang geschmeidig zur Seite und rettete sich mit einem weiteren Satz ins Freie. Wiederum feuerte Kummerog auf sie. Auch jetzt verfehlte er sie. Dann war sie in Sicherheit. Ihm blieb keine Zeit, sie zu verfolgen. Die Hangarschotte schlossen sich, und die junge Frau rannte weiter in den Park hinein. Als sie endlich stehenblieb, blickte sie nach oben. Sie sah die Space-Jet durch eine Strukturlücke in der alles überspannenden Energiekuppel davonfliegen. Die Flucht von Mimas war dem Fremden gelungen. Anne Borkan tauchte plötzlich neben ihr auf. »Kindchen, willst du mir nicht endlich sagen, was los ist?« fragte sie.
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Katie Joanne blickte sie an. Sie erinnerte sich noch daran, daß diese Frau Anne Borkan hieß und äußerst geschwätzig war. »Wie bitte?« entgegnete sie. Anne Borkan packte sie bei den Schultern. »Nun sieh mich doch mal an, Kindchen!« forderte sie. »Erkennst du mich denn nicht?« »Nein«, erwiderte Katie Joanne wahrheitsgemäß. »Eben noch habe ich deinen Namen gewußt, aber jetzt habe ich ihn vergessen. Ich weiß immerhin, daß wir uns irgendwann begegnet sind.« »Ich bin Anne Borkan«, lachte die Frau. »Mädchen, wir waren beinahe jeden Tag zusammen und haben uns wundervoll unterhalten!« »Jeden Tag?« echote die Journalistin. Verwirrt fuhr sie sich mit den Händen über die Augen, dann schloß sie die Augen und versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, was geschehen war. Es gelang ihr nicht. Ihr war, als sei ihr Kopf wie ein großer Behälter, aus dem das Wissen herauslief wie das Wasser aus einem beschädigten Eimer. Sie verlor den Kontakt zur Wirklichkeit. Von Sekunde zu Sekunde wußte sie weniger. Ihr war klar, daß dies die Wirkung des Medikaments war, das sie erhalten hatte. »Sind wir uns denn schon mal begegnet? Wer bist du?« fragte Katie. Ärzte kamen und nahmen ihre Hände. »Am besten läßt du Katie in Ruhe«, sagte einer von ihnen zu Anne Borkan. »Sie hat das Gedächtnis verloren.« »Gedächtnis?« Milde lächelnd blickte sie von einem zum anderen. »Was ist das - Gedächtnis? Und wer ist Katie?«
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7. Bruno Drenderbaum hatte sich voll und ohne jede Einschränkung dem Willen der Haut und damit der Herrschaft von Kummerog unterworfen. Wie erwartet, hielt sich in der Zentrale der Jet niemand auf, doch alles war für einen Start vorbereitet. Drenderbaum brauchte im Grunde genommen nur noch einen mündlichen Startbefehl zu erteilen. Noch war die große Hangarschleuse geschlossen. Da er unter einem ungeheuren Druck stand, erschien es ihm, als liefen alle Vorgänge viel langsamer als gewöhnlich ab. »Öffne endlich!« hörte er sich schreien. Dann schoben sich seine Hände auf die Tasten, mit denen er die Energiekanonen der Jet auslösen konnte. Doch er brauchte sich den Weg nicht freizuschießen. Der Hangar öffnete sich. Drenderbaum konnte die Jet starten. Er führte sie mit hoher Beschleunigung aus dem Hangar und aus der Energiekuppel heraus, die den Klinikkomplex überspannte. Auf den Ortungsschirmen konnte er die Raumer der PROTOS-Klasse ebenso sehen wie mit dem bloßen Auge. Sie bildeten einen Schirm über Mimas. Unter anderen Umständen hätte er zu diesem Zeitpunkt wohl den Versuch aufgegeben, durchzubrechen. Doch er verließ sich auf seine Autorität als Assistent des LFT-Kommissars und auf die Wirksamkeit der von ihm erteilten Befehle. In Bruchteilen von Sekunden erfaßte er, wo die PRETTY PLAID war. Er ging auf Kurs zu dem Handelsraumer und nahm zugleich Verbindung mit dem Kommandanten auf. Das leicht aufgedunsene, gerötete Gesicht des Plophosers erschien auf dem Monitor. Pavel Morquoise hielt ein Glas Wein in der Hand und nahm einen kleinen Schluck. »Wie ich höre, bist du noch immer Assistent deines Herrn Cistolo Khan, anstatt selbst zum Kommissar aufzusteigen«, begrüßte ihn der Plophoser. Ein spöttisches Lächeln glitt über -332-
seine Lippen. »Eigentlich rede ich grundsätzlich nicht mit Versagern, aber ich habe ein weiches Herz. Deshalb mache ich bei dir eine Ausnahme.« »Red nicht!« fuhr ihm Drenderbaum in die Parade. »Alarmstart vorbereiten! Sobald ich mit der Jet an Bord bin, wirst du mit höchster Beschleunigung abhauen!« »Werde ich das?« fragte Morquoise gelassen. Er trank noch einen Schluck Wein. »Den Teufel werde ich tun, wenn du mir nicht zuvor die Lizenz für den Handel mit den Herreach erteilst. Ich will der einzige sein, der eine Lizenz bekommt, damit der gesamte Handel über mich läuft.« »Wenn du noch länger redest, bist du in spätestens zwei Minuten tot!« rief Drenderbaum. Erst jetzt merkte Morquoise, daß er es ernst meinte. Erschrocken stellte er sein Weinglas ab. »Was ist los, Bruno?« fragte er. »Das sage ich dir, wenn du an Bord bist«, antwortete der Assistent des LFT-Kommissars. »Tu endlich, was ich dir gesagt habe!« Rasend schnell näherte er sich der PRETTY PLAID. Die Syntronik machte eine offene Hangarschleuse aus; dann glitt die Space-Jet auch schon hinein. Drenderbaum atmete auf, als sich die Schleusenschotte hinter ihm schlossen. »Alarmstart!« hallte die Stimme von Morquoise aus den Lautsprechern. »Falls es dich beruhigt, Bruno, wir sind bereits unterwegs. Wir verlassen das Sonnensystem. Welchen Kurs verlangst du?« »Raus aus dem System!« brüllte Drenderbaum. »Nur raus! Nach der ersten Überlichtetappe gebe ich dir genauere Informationen. Bis dahin bleibe ich hier. Ich habe noch einiges zu erledigen.« Kaum zwei Minuten später bestätigte Morquoise, daß die PRETTY PLAID zur Überlichtgeschwindigkeit übergegangen war. Bruno Drenderbaum schaltete alle Systeme aus, die für
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den Antrieb der Space-Jet benötigt wurden. Er ließ auch die Monitoren erlöschen. Nun war er mit Kummerog allein.
»Das glaube ich nicht!« rief Cistolo Khan. Er hatte den Bericht vernommen und die Räume besichtigt, in denen Kummerog und Drenderbaum sich mit Katie Joanne vor ihrer Flucht aufgehalten hatten. Der Sicherheitsdienst sorgte dafür, daß niemand außer ihm die Räume betreten durfte. Die Spurensicherung achtete sogar darauf, daß er nichts berührte, was möglicherweise einen Hinweis auf den Ablauf der Geschehnisse gab. Danach komplimentierte sie ihn hinaus, und er ging mit seinen Mitarbeitern, Myles Kantor und Anne Borkan, in einen Nebenraum. »Wie kannst du behaupten, daß Bruno ein Verräter ist?« fragte er. »Es ist leider so.« Anne Borkan schilderte, was sie im Park der Klinik beobachtet hatte. In Wirklichkeit war sie keine Patientin, sondern gehörte zum Sicherheitsstab der Kliniken von Mimas. Die Frau hatte die Aufgabe gehabt, Katie Joanne zu überwachen. Sie gab zu, daß sie ihre Aufgabe denkbar schlecht gelöst hatte. »Bruno Drenderbaum ist mit dem Fremden geflüchtet«, berichtete Sie. Khan schickte die Frau hinaus und wandte sich an Myles Kantor, der auf einer Liege ruhte und von einem Medosyn behandelt wurde. Allmählich löste der Wissenschaftler sich aus der Paralyse. »Wo ist die PRETTY PLAID geblieben?« fragte der LFTKommissar. Zahlreiche Mitarbeiter kamen nun herein. Beinahe jeder von ihnen hatte irgendeine Information einzubringen. Eine junge Frau führte einen Film auf einem Monitor vor. Er zeigte Katie Joanne, Bruno Drenderbaum und Kummerog,
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wie sie durch den Park in den Hangar flüchteten. Mit diesem Film war Khan nicht zufrieden. Er wollte Aufzeichnungen von den vorangegangenen Vorfällen in der Klinik sehen. »Ich will wissen, was hier in den Behandlungsräumen geschehen ist«, sagte er. »Was hat Bruno so verändert, daß er sich gegen uns und für Kummerog entschieden hat? Oder hat Kummerog ihm etwas mitgeteilt, was ihn veranlaßt hat, ihn sofort wegzubringen, um uns vor einer von ihm ausgehenden Gefahr zu schützen?« Es gab keine Aufzeichnung aus den Behandlungsräumen. Kummerog oder Drenderbaum hatten alles gelöscht, was Aufschluß über die Hintergründe des Geschehens geben könnte. »Wieso ausgerechnet Bruno?« fragte Khan zum wiederholten Male. Myles Kantor konnte ihm diese Frage nicht beantworten. Selbst dann nicht, als er wieder im vollen Besitz seiner Kräfte war und sich beschwerdefrei bewegen konnte. Cistolo Khan schwor, alles daranzusetzen, um den Vorfall aufzuklären. Er glaubte nach wie vor an die Integrität seines Assistenten und Freundes Bruno Drenderbaum. Er wollte alles versuchen, um ihn und Kummerog zurückzuholen. »Ich mache mir Vorwürfe, weil ich Kummerog unterschätzt habe«, sagte Khan, als er später mit Myles Kantor allein war. »Da bist du nicht der einzige«, versetzte der Wissenschaftler. »Auch ich habe die Gefahr als nicht so groß angesehen, wie sie tatsächlich war. Ich war völlig ahnungslos, als Bruno mich überrumpelt hat.« »Ist dir nichts an ihm aufgefallen?« fragte der LFTKommissar. Myles Kantor überlegte lange. Er versuchte, sich an die Ereignisse im Krankenzimmer zu erinnern. »Höchstens, daß Bruno blaß war«, erinnerte er sich schließlich. »Im ersten Moment glaubte ich, irgend etwas sei mit
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seiner Haut geschehen, aber da habe ich mich wohl geirrt. Wir brauchen das nicht weiter zu vertiefen.« Seine Blicke richteten sich auf Gia de Moleon, die Leiterin des Terranischen Liga-Dienstes, die in diesem Moment eintrat, begleitet von mehreren Männern und Frauen. Der Terranische Liga-Dienst war ein Geheimdienst, durchaus vergleichbar mit der SolAb früherer Tage, und die Marsianerin herrschte über ihn. Gia de Moleon wirkte wie eine scheinbar liebenswerte, alternde Dame von 130 Jahren mit angegrauten Haaren, braunen Augen und einem blassen Teint. Sie ging leicht gebeugt, als leide sie unter der Last der Jahre, und sie trug konservative, graue Kleidung, die sich durch einen langweiligen Schnitt auszeichnete und an der es keinerlei schmückende Accessoires gab. Sie war somit eine Frau, die leicht zu übersehen war. Genau das lag in Gia de Moleons Absicht. Wer genau hinsah, erkannte die große Persönlichkeit, die sich hinter der Fassade der Unscheinbarkeit verbarg. Und wer ihre Augen beachtete, der wußte, daß es ratsam war, diese Marsianerin mit höchstem Respekt zu behandeln. Sie gebot uneingeschränkt über ein Heer von Liga-Agenten und war damit als eine der mächtigsten Personen der Liga Freier Terraner einzustufen. Die TLD-Chefin ging zu Cistolo Khan, um ihn mit Handschlag zu begrüßen. Den anderen im Raum nickte sie nur kühl zu, wobei Myles Kantor mit einem Blick bedacht wurde, der noch um eine Nuance kühler ausfiel. Gia de Moleon war eine überaus fähige und erfolgreiche Frau. Ein Stachel in ihrem Selbstbewußtsein bildete jedoch die Tatsache, daß es ihr bis zur Stunde nicht gelungen war, Informationen über das Camelot-Projekt und den verborgenen Aufenthaltsort der Unsterblichen um Perry Rhodan zu beschaffen. Camelot war das zur Zeit am besten gehütete Geheimnis der Milchstraße.
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Die TLD-Chefin ging davon aus, daß Myles Kantor mehr wußte als sie, und das mißfiel ihr ganz besonders. Daher hatten ihre Blicke auch etwas Lauerndes. Gar zu gern hätte sie dem Wissenschaftler sein Wissen entrissen. Myles Kantor hielt ihrem Blick stand; nicht die geringste Regung war in seinem Gesicht zu sehen. »Ich bin bereits über das informiert, was hier geschehen ist«, sagte sie, als eine der Mitarbeiterinnen von Cistolo Khan Bericht erstatten wollte. »Um so besser«, meinte der LFT-Kommissar. »Ich übertrage dir die Aufklärung dieser Geschichte.« Sie nickte. Etwas anderes hatte Gia de Moleon nicht erwartet. »Es kann nicht sehr lange dauern, bis die ersten Daten vorliegen«, sagte sie. »Mit Sicherheit haben Drenderbaum und die anderen eine Unmenge von Spuren hinterlassen, aus denen sich das Geschehen rekonstruieren läßt. Und dann starten wir die Jagd. Die Milchstraße ist leider groß, und wir wissen überhaupt nichts über das Ziel der PRETTY PLAID.« »Wir fragen uns, ob Kummerog seine Heimat anhand der Sternenkarten identifiziert hat, die wir ihm gegeben haben«, bemerkte Myles Kantor. »Dann könnte er jetzt mit dem Handelsraumer auf dem Weg dorthin sein.« Sie blickte ihn an; leichte Kerben bildeten sich in ihren Mundwinkeln. »Dann müssen wir wohl davon ausgehen, daß wir die Spur zu Perry Rhodan, Alaska Saedelaere und Reginald Bull verloren haben«, sagte sie. »Kummerog konnte uns den einzigen Anhaltspunkt bieten - diese Galaxis namens Bröhnder, von der aus er angeblich gestartet ist. Wenn es uns nicht gelingt, die Spur aufzunehmen, gibt es keine weitere Möglichkeit, die Verschollenen zu finden.«
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8. Kommandant Pavel Morquoise kam zusammen mit seinem Ersten Offizier Ibo Cantarrue in den Hangar, um seinen Gast zu begrüßen. Als er sich der Space-Jet näherte, öffnete sich die Bodenschleuse, und Bruno Drenderbaum trat heraus. Lachend breitete er die Arme aus. »Ich wußte doch, du alter Haudegen, daß es klappt!« rief er. »Auf dich kann man sich immer verlassen. Oder sagen wir fast immer.« Morquoise blickte ihn kopfschüttelnd an. »Was ist los, Bruno?« fragte er. Er streckte ihm die Hand entgegen. Der Assistent des LFTKommissars ergriff sie, um sie kräftig zu schütteln. »Was stimmt nicht mit dir?« fragte der Kapitän. Drenderbaum ließ die Hand los. Er gab sich verwundert. »Was sollte los sein, Morquoise?« entgegnete er. »Ich weiß nicht, was diese Frage soll. Alles ist doch bestens gelaufen.« Morquoise musterte ihn mit verengten Augen. »Was ist mit deinem Gesicht?« wollte er wissen. »Du siehst aus, als wäre mit deiner Haut was nicht in Ordnung.« »Ach, das!« Drenderbaum lachte. »Das hat nichts zu bedeuten.« Er legte den Arm um den Freund und drängte ihn aus dem Hangar. »Willst du mich hier ewig stehen lassen?« fragte er. »Was glaubst du, was für einen Durst ich habe! Und da ich weiß, daß du einen ausgezeichneten Wein an Bord hast, möchte ich endlich was zu trinken haben.« Im Schott zum Gang blieb er stehen und blickte sich nach Cantarrue um, der noch immer an der Space-Jet stand. »Willst du Wurzeln schlagen?« fragte er. »Warum kommst du nicht mit?« »Weil ich mir ansehen möchte, was du an Bord der Jet hast«, antwortete der Erste Offizier langsam. -338-
»He, Morquoise, was ist denn das für ein Knilch?« maulte Drenderbaum. »Der glaubt doch nicht im Ernst, daß er in meinem Raumschiff herumschnüffeln darf! Weiß der überhaupt, wer ich bin?« »Mir ist gleich, ob du Assistent des LFT-Kommissars bist oder nicht«, blieb Cantarrue gelassen. Er schien nicht im mindesten beeindruckt zu sein von dem kleinen Mann mit dem runden Gesicht, dem schwarzen Haarkranz und tief in den Höhlen liegenden Augen. »Ich bin mitverantwortlich für die PRETTY PLAID, und deshalb will ich wissen, weshalb du unter so dramatischen Umständen an Bord gekommen bist. Wen hast du mitgebracht?« fragte er. »Schlaues Kerlchen!« grinste Drenderbaum. Er stieß Morquoise mit kumpelhafter Geste an. »Vor dem kann man wohl nichts geheimhalten, oder?« Morquoise ließ die Hände in den Hosentaschen verschwinden. Nachdenklich blickte er von einem zum anderen. Dann sagte er: »Nun komm schon raus damit, Bruno. Wen hast du mir da ins Nest gesetzt?« Kummerog schien die Unterhaltung verfolgt zu haben. Er trat aus der Schleuse der Space-Jet hervor, ging mit geschmeidig wirkenden Bewegungen an Cantarrue vorbei und näherte sich Morquoise und Drenderbaum bis auf wenige Schritte. Der Kommandant blickte das humanoide Wesen mit der schwarzen, rissigen Haut, den vollständig weißen Augen und den drei Gürteln um die Brust überrascht an. »Wer ist das?« fragte er. »Kummerog«, antwortete Bruno Drenderbaum leichthin. »Habe ich es dir nicht schon gesagt? Er fliegt mit uns.« Morquoise fuhr sich mit dem Handrücken über die plötzlich trockenen Lippen. Voller Unbehagen blickte er den Fremden an, der geradezu winzig mit seiner Größe von nur 1,55 Meter neben dem Zweimetermann wirkte. Der Plophoser spürte das
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Negative, das von Kummerog ausging, und es erfüllte ihn mit Unbehagen. Am liebsten hätte er in der ihm eigenen Art zu Drenderbaum gesagt: »Ach, schert euch zum Teufel. Alle beide!« Doch er dachte daran, daß sein Freund Assistent des LFTKommissars und damit eine der mächtigsten Persönlichkeiten in der Milchstraße war. Drenderbaum konnte ihm Zugang zu den Herreach verschaffen, wenn er nur wollte. Drenderbaum hielt den Schlüssel zu den Geschäften in den Händen, die er gerne machen wollte. So standen sich Profitgier und Unbehagen gegenüber. Das Streben nach überdurchschnittlichen Gewinnen obsiegte! »Wohin soll ich euch bringen?« fragte der Händler. Das war es! Seit Beginn ihrer Flucht dachte Drenderbaum an nichts anderes. Wohin wollte Kummerog? Hatte er anhand der Unterlagen seine Heimatgalaxis ausgemacht, zog es ihn dorthin? Oder verfolgte er andere Ziele? Warum war er überhaupt geflohen? Auf Mimas hatte er nichts auszustehen gehabt. Er hätte in aller Ruhe abwarten können, bis er noch mehr über die Welt erfahren hatte, in die er geraten war. Warum hatte er es so eilig gehabt, und was war sein Ziel? Eine Kraft war in ihm, die ihm verbieten wollte, sich mit diesen Gedanken zu beschäftigen. So groß war der Einfluß der unheimlichen Haut nicht. In dieser Hinsicht konnte Drenderbaum sich behaupten. Die Frage, die ihn mit höchster Spannung erfüllte, blieb deshalb. Wohin wollte Kummerog? »Das wirst du noch früh genug erfahren«, antwortete das Wesen aus der Galaxis Bröhnder. Der Fremde war ruhig wie immer, doch nie zuvor war es Drenderbaum so bewußt geworden wie in dieser Situation. Kummerog hätte allen Grund gehabt, unruhig zu sein.
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Für Morquoise war er schließlich nicht ein hilfs- und pflegebedürftiger Patient, sondern ein Fremder an Bord seines Raumschiffes, über das der Kommandant absoluter Herrscher war. Er hätte die Macht gehabt, ihn von Bord zu weisen. Für den Fremden aus der Galaxis Bröhnder aber schien es nichts zu geben, was ihn aus seiner Ruhe und Gelassenheit aufschrecken konnte. »Jetzt fliegen wir weiter. Ich möchte nicht, daß man unsere Spur verfolgen kann«, sagte Kummerog. Er gab es so selbstverständlich von sich, als sei er der Kommandant über den Handelsraumer und nicht der Plophoser. Morquoise grinste breit. »Ach, das möchtest du nicht? Ist ja 'n Ding! Und was sagt mein Freund Bruno dazu?« Er war unbeeindruckt von Kummerog. Wenigstens tat er so, als ob er es sei. »Weiter, Morquoise«, bat Drenderbaum mit einem gewinnenden Lächeln. Er griff nach dem Arm seines Freundes. »Ich kann dir jetzt noch nicht einmal zehn Prozent von dem verraten, was ich dir gerne sagen würde, aber du wirst alles erfahren. Und danach wirst du das Geschäft deines Lebens machen.« »Versprochen?« Morquoise hielt ihm die Hand hin, und Drenderbaum schlug ohne Zögern ein. »Versprochen! Du wirst es nicht bereuen, uns geholfen zu haben. Mein Lohn dafür wird unvorstellbar für dich sein!« Der Kommandant der PRETTY PLAID war zufrieden. Er wandte sich an den Ersten Offizier und befahl ihm, sich auf schnellstem Wege in die Zentrale zu begeben und die nächste Überlichtetappe einzuleiten. »Ganz egal, in welche Richtung wir fliegen!« rief er ihm nach. »Wichtig ist nur, daß man uns nicht aufspürt. Am besten jagen wir noch zwei Etappen hinterher!« Er wartete, bis der Erste Offizier verschwunden war. Dann wandte er sich wieder an Drenderbaum und Kummerog.
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»Was kann ich noch für euch tun?« fragte er. »Wir möchten Quartiere hier in der Nähe des Hangars haben«, antwortete sein Freund. »Kein Problem. Ich zeige euch, wo ihr unterkommen könnt.« Morquoise ging seinen Gästen voraus. Er gab sich heiter und gelassen, doch das Unbehagen blieb. Er spürte nur zu deutlich, daß Bruno Drenderbaum nicht so war wie sonst. Er wirkte irgendwie verändert. Vor allem fragte sich Morquoise, was mit der Haut seines Freundes war, die sich über dem Gesicht und an den Händen abzuschilfern sowie an einigen Falten abzusterben schien. Er mißtraute vor allem Kummerog. In dieser Hinsicht glaubte er, sich auf den besonderen Instinkt eines Geschäftsmannes verlassen zu können. Seine Menschenkenntnis hatte es ihm jahrelang ermöglicht, die Schwachstellen eines anderen zielsicher anzusteuern beziehungsweise die Stärken eines anderen für sich selber zu nutzen. Während er sich jovial mit Drenderbaum und Kummerog unterhielt, schwor sich der Händler, aufmerksam zu sein und sofort zu reagieren, wenn sich irgendwo eine Gefahr für die PRETTY PLAID oder für die Mannschaft ergab.
Bruno Drenderbaum blieb einigermaßen hilflos mitten in der Kabine stehen, die Morquoise ihm zur Verfügung gestellt hatte. Durch eine offene Tür blickte er in den Nebenraum, wo sich Kummerog aufhielt. Das Wesen aus der Galaxis Bröhnder legte sich in ein Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Drenderbaum wartete einige Minuten ab, dann ging er zu Kummerog. »Und jetzt?« fragte er. Das dunkelhäutige Wesen drehte sich langsam um und blickte ihn mit seinen weißen Augen an. Er sagte ihm, was er zu tun hatte. »Nein!« sträubte Drenderbaum sich.
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Die Haut Kummerogs erlaubte ihm aber nicht, Widerstand zu leisten. Geradezu wütend fiel sie über seinen Geist her und erstickte seinen Willen. »Nein?« fragte Kummerog. Die Frage klang ungemein zynisch. »Ja«, antwortete der Terraner geradezu untertänig. »Ich tue, was du willst.« Einer der mächtigsten Männer der Liga Freier Terraner beugte sich dem fremden Wesen aus den Tiefen des Universums. Widerstandslos. Drenderbaum verließ den Raum und ging zur Space-Jet. Nachdem er die Bodenschleuse betreten hatte, schloß er das Außenschott hinter sich, um von der Zentrale aus seine Umgebung zu beobachten. Er stellte fest, daß sich niemand außer ihm im Hangar aufhielt. Doch das genügte ihm nicht. Er mobilisierte einige Mikro-Kameras und versah sie mit entsprechend kleinen Antigrav- und syntronischen Steuergeräten. Dann wiederholte er die Untersuchung seiner Umgebung. Dieses Mal setzte er die Mikro-Ortung ein, um nach winzig kleinen syntronischen Schaltungen zu suchen. »Hoffentlich bist du so schlau, mich überwachen zu lassen, Morquoise«, sagte er leise. Enttäuscht stellte er fest, daß der Kommandant der PRETTY PLAID nichts dergleichen eingeleitet hatte, um sich über ihn zu informieren. Das Böse in ihm triumphierte. Es wollte seinen Weg konsequent weitergehen. Der Plophoser setzte ihm nichts entgegen. Bruno Drenderbaum tat, was er tun mußte. Er schleuste seine Mikro-Spione aus und ließ sie zunächst den Hangar untersuchen. Als er dort nichts fand, was seine Sicherheit gefährden konnte, öffnete er die Zugänge zum Hangar. Die Spione konnten in die Gänge der Umgebung vordringen. Über die Monitoren überwachte er sie. Und er sah
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dabei mit ihren Augen, was sie wahrnahmen. Morquoise hatte auf einigen Gängen Roboter aufgestellt, doch dabei war er nur halbherzig vorgegangen. Es gab genügend Möglichkeiten, unbemerkt an ihnen vorbeizukommen. Drenderbaum positionierte alle Mikro-Spione an die strategischen Punkte seiner näheren Umgebung und richtete die Frequenzen ihrer Sender auf sein Armband-Kombigerät aus. Auf diese Weise konnte er alle von ihnen ankommenden Informationen auf den winzigen Monitor an seinem Handgelenk holen. Somit war er ständig über das Geschehen auf den Gängen und in den Räumen informiert, die sich dem Hangar anschlossen. Drenderbaum verließ die Zentrale und schwebte im zentralen Schacht der Jet nach unten. Er kannte sich gut genug aus, um die Waffenkammer des Kleinraumschiffes öffnen zu können. Seine Hände zitterten, als er nach einigen Minen griff. Die Minen waren nicht besonders schwer. Er konnte über dreißig Stück in den Taschen seiner Kleidung unterbringen, ohne von dem Gewicht in seiner Bewegungsfreiheit beeinträchtigt zu werden. Er verließ die Space-Jet, blickte auf den Monitor an seinem Handgelenk und stellte fest, daß er sich gefahrlos in der Umgebung des Hangars bewegen konnte. Der Terraner suchte eine Hygienekabine auf, die unmittelbar neben einem der Ausgänge lag. Unter einem kastenförmigen Trockner brachte er eine der Minen an und aktivierte den syntronischen Empfänger. Die Waffe konnte über Funk ausgelöst werden. Da sie sich unmittelbar an der Außenhaut des Raumers befand, war sie an einer strategisch wichtigen Stelle positioniert. Dann wechselte er in ein größeres Lager über, in dem verschiedene Waren in Containern aufgestapelt waren. Der Assistent des LFT-Kommissars sah sich die Beschriftungen der Transportkästen an. Als er einige Behälter mit brennbaren
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und explosiven Flüssigkeiten fand, brachte er eine der Minen an einem Punkt an, von dem aus eine Explosion alle geeigneten Container erreichen konnte. So ging es weiter. Ständig kontrollierte Bruno Drenderbaum mit Hilfe seines Monitors, ob er irgendwelche Räume oder Gänge betreten konnte, ohne gesehen zu werden. Dann erst suchte er neuralgische Punkte des Walzenraumers auf, um an ihnen Minen anzubringen. Nach etwa einer Stunde Arbeit hatte er alle Minen so versteckt. Auch ein geschultes Suchkommando konnte sie nicht so ohne weiteres finden. »Das reicht«, sagte er. Schweiß bedeckte seine Stirn und die kahle Mitte seines Schädels; seine zierlichen Hände zitterten. Immer wieder hatte er versucht, sich aufzulehnen oder dadurch Widerstand zu leisten, daß er die Minen nicht aktivierte. In keinem einzigen Fall war es ihm gelungen. Bevor sein Widerstand so stark wurde, daß er ein gewisses Maß an Freiheit erreichte, wurde er bereits von der Haut Kummerogs erstickt. Als Drenderbaum schließlich so viele Minen gelegt hatte, daß er die Zahl für ausreichend hielt, wähnte er sich am Ende seiner Kräfte. Er wollte in den Raum zurück, den Morquoise ihm zugewiesen hatte. Doch Kummerog erlaubte es nicht. »Noch mehr«, hörte Drenderbaum sich sagen. Er wußte, daß es die Stimme Kummerogs war, die durch die Haut sprach. »Nein!« wollte er sagen. »Ja«, flüsterte er statt dessen und ging erneut zur Space-Jet in den Hangar, um weitere Minen zu holen. Abermals steckte er sich mehr als dreißig dieser gefährlichen Waffen in die Taschen, von denen jede einzelne ausreichte, um der PRETTY PLAID gewaltige Wunden zu schlagen.
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Als er die letzten fünf Minen in dem Handelsraumer verteilen wollte, ließ ihn eine Stimme zusammenfahren. »Was machst du da?« fragte jemand. Drenderbaum fuhr erschrocken herum. Er sah einen humanoiden Roboter der plophosischen OD-N-680-Klasse, der sich ihm mit Riesenschritten näherte. Zugleich hatte er das Gefühl, in seinem Magen habe sich plötzlich ein Eisblock gebildet. Roboter dieser Klasse waren Kampfmaschinen, die als besonders reaktionsschnell galten. Sie hatten nur einen Fehler: Ihr Kommunikationssystem war ungewöhnlich träge. Wurde es in außergewöhnlicher Weise gefordert, war es vorbei mit der Schnelligkeit der Bewegungen. »Das fällt nicht in deine Kompetenz«, antwortete er. »Ich bin Bruno Drenderbaum und trage das Siegel eines persönlichen Beauftragten des LFT-Kommissars.« Er griff in eine der vielen Taschen seines frackartigen Kleidungsstücks, obwohl er den maschinenlesbaren Computerchip dort nicht hatte. Und dann fügte er einige Worte in einer antiken terranischen Sprache - bantu - hinzu, von der er durch Zufall einige aufgeschnappt und behalten hatte: »Kwa heri na salimi! Leb wohl!« Es war ein einfacher und keineswegs anspruchsvoller Trick, aber er verfehlte seine Wirkung nicht. Das Kommunikationssystem des Roboters sprach an und beanspruchte prompt einen großen Teil der syntronischen Kapazität. Nur das hatte Bruno Drenderbaum erreichen wollen. Mit einem Mikro-Gerät in einer Hand errichtete er einen Schutzschirm, mit einer Waffe in der anderen feuerte er auf den Roboter. Er traf die Maschine und zerstörte sie. Im Fallen gelang es ihr, noch einen Schuß auf ihn abzugeben. Wirkungslos glitt der Energiestrahl an dem Energieschirm ab, so daß der Terraner unverletzt blieb. Drenderbaum zielte einige Sekunden lang auf die Maschine, aus der die Funken aufstoben. Dann war er sicher, daß sie ihm
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nicht mehr schaden konnte. Trotzdem behielt er sie im Auge, als er an ihr vorbei zum Ausgang schritt. Bevor er ihn erreichte, öffnete sich die Tür, und Morquoise erschien. »Was ist denn in dich gefahren«, fuhr er ihn an. »Wie kommst du dazu, einen meiner Roboter zu zerstören?« Bruno Drenderbaum stemmte die Fäuste in die Hüften. »Na hör mal«, sagte er. »Du solltest dich bei mir entschuldigen, weil eine von diesen Figuren verrückt gespielt hat und mir an den Kragen wollte. Du glaubst doch nicht, daß ich mich an deinem Eigentum vergreife, wenn es nicht unbedingt nötig ist?« Doch Morquoise ließ sich nicht so einfach abspeisen. Er wollte genau wissen, was vorgefallen war. Mit verengten Augen blickte er den Terraner an. »Wir haben manches Faß miteinander erlebt«, brummte er, »und ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann. Aber nun ist dieser Kummerog bei dir, und weil er da ist, lasse ich dir das hier nicht durchgehen. Also! Raus damit! Was ist hier los? Was steckt dahinter? Ich will wissen, was an Bord meines Schiffes gespielt wird.« Bruno Drenderbaum fuhr sich mit der Hand über die Augen. Die Luft vor ihm schien zu flimmern; zugleich verkrampfte sich etwas in seinem Inneren. »Moment mal«, bat er mit belegter Stimme. »Ich antworte dir gleich, aber mir wird übel. Ich brauche etwas Zeit.« Morquoise wich zurück. Er stützte sich mit einer Hand an der Wand. »Das geht nicht nur dir so«, keuchte er. »Mir wird ebenfalls schlecht. Ist das ein Trick von dir?« »Bestimmt nicht«, ächzte Drenderbaum. Er blickte sich suchend um. Als er nichts fand, auf das er sich setzen konnte, ließ er sich kurzerhand auf den Boden sinken. »Was geschieht mit uns?« fragte der Kommandant. »Es muß von außen kommen«, antwortete der Terraner mühsam atmend. »Ich glaube, irgend etwas greift uns an!«
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9. Kummerog fuhr aus tiefem Schlaf hoch. Noch bevor er wach war, stand er kerzengerade neben seinem Bett. In diesen Augenblicken bot er alles andere als ein Bild der Gelassenheit. »Was ...? Was ....?« stammelte er. Dann griff er sich an die Kehle und würgte heftig. Panik kam in ihm auf, denn er spürte Impulse, die ihm allzu bekannt vorkamen und vor denen er sich fürchtete. Unkontrolliert taumelte er durch die Kabine, bis es ihm gelang, sich mit einer Hand an der Wand abzustützen. Mühsam konzentrierte er sich, und allmählich gelang es ihm, den Brechreiz zu überwinden. Kummerog atmete einige Male laut und tief durch, fühlte sich danach etwas besser und verließ die Kabine. Als er auf den Gang hinaustrat, sah er einen Plophoser, der sich von ihm entfernte. »Warte auf mich!« rief er ihm zu. Der Mann blieb zögernd stehen. Er war mittelgroß und sehr blaß. Mit einer Hand hielt er sich die Kehle, mit der anderen stützte er sich an der Wand ab. »Ich muß zur Zentrale«, krächzte Kummerog. Dann schritt er taumelnd einige Meter voran. Doch seine Füße verfingen sich ineinander. Er stolperte und stürzte zu Boden. Wie unter großen Schmerzen krümmte er sich zusammen. Plötzlich gingen eigenartige Geräusche durchs Schiff. »Das ist eine Art Ortungsstrahl, der uns erfaßt«, erkannte der Plophoser. Nun hielt es ihn nicht mehr in der Nähe des Fremden. Wie von tausend Furien gehetzt rannte er davon. Kummerog richtete sich mühsam auf und stolperte hinter ihm her. »Zentrale!« rief er keuchend. »Ich muß zur Zentrale. Schnell!«
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Bruno Drenderbaum und Pavel Morquoise blickten sich an. Der Terraner fühlte sich im Moment vollkommen frei. Die Haut nahm keinerlei Einfluß auf ihn. Offenbar hatte sie genügend mit sich selbst zu tun, da sie unter den eintreffenden Impulsen noch mehr litt als er. »Was ist das?« fragte der plophosische Kommandant. Er war ein mutiger Mann, der so leicht durch nichts zu erschüttern war. Doch diese Situation machte ihm angst. Er hatte das Gefühl, daß sein Innerstes nach außen gekehrt wurde. Er verspürte ein unangenehmes und recht starkes Gliederreißen, als ob erhöhte Schwerkraft von unterschiedlichen Richtungen her auf ihn einwirkte. Zugleich fiel es ihm extrem schwer, sich zu konzentrieren. Bruno Drenderbaum erging es nicht anders. Er versuchte sich an das zu erinnern, was er in der letzten Stunde getan hatte und wollte es Morquoise mitteilen. Er konnte es nicht. Dieses Mal aber war es nicht die Haut Kummerogs, die ihn daran hinderte, die Wahrheit zu sagen. Es war das Phänomen der eintreffenden Ortungsimpulse. »Es muß eine unbekannte Form der Ortung sein«, sagte Morquoise mühsam. »Ich spüre es.« Seltsamerweise war Bruno Drenderbaum das ebenfalls klar. Er spürte instinktiv, daß sie es mit einer fremden Form der Ortung zu tun hatten. Die Ursache für ihr Unwohlsein und den Konzentrationsmangel konnte nicht innerhalb der Walze des Handelsraumers zu suchen sein, sondern nur außerhalb. »Wir müssen zur Zentrale«, sagte Morquoise. Drenderbaum verspürte ein tiefes Gefühl der Freundschaft. Der Plophoser vertraute ihm nach wie vor, und er war ihm dankbar dafür. Dabei hatte er seltsamerweise das Gefühl, daß er dieses Vertrauen wirklich verdiente. Er verdrängte die Gedanken an die Minen, die er im Raumschiff gelegt hatte, und dachte nur an seine Freundschaft zu Morquoise.
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Er folgte dem Händler zur Hauptleitzentrale des Schiffes. Es war nicht leicht für sie, dorthin zu kommen. Alle Augenblicke mußten sie stehenbleiben, weil der Brechreiz so groß wurde, daß sie ihn kaum beherrschen konnten, oder weil es ihnen plötzlich nicht mehr gelang, den Bewegungsablauf ihrer Beine zu koordinieren. Als sie die Zentrale erreichten, hielten sich dort nur zwei Frauen aus der wissenschaftlichen Abteilung der PRETTY PLAID auf. Drenderbaum kannte sie. Es waren die rothaarige Christa Wilhav, deren ganzer Kummer war, daß sie vom Kopf bis zu den Hüften ausgesprochen schlank war, von da an abwärts jedoch mit einem erheblichen Übergewicht zu kämpfen hatte. Neben ihr stand die weißhaarige Elea Thiev, eine attraktive und sehr disziplinierte Frau mit eisernem Willen. Beide Frauen litten ebenso unter den Impulsen wie die Männer. »Gut, daß du kommst, Kommandant«, flüsterte die rothaarige Christa Wilhav. »Wir brauchen deine Hilfe. Uns geht's schlecht.« »Und ich habe das Gefühl, daß ich ein ganzes Faß Wein geleert habe, das mir überhaupt nicht bekommen ist«, stöhnte Morquoise. Er schleppte sich zu seinem Kommandantensessel und ließ sich in die Polster sinken. Drenderbaum setzte sich ebenfalls in einen Sessel. Er kämpfte ebenso wie die anderen gegen die Symptome an, die durch die fremdartige Ortung ausgelöst wurden. Darüber hinaus versuchte er, sich gegen die Haut Kummerogs zu wehren. Der Kampf ging über seine Kräfte; er sank in sich zusammen. »Was ist das, Elea?« frage Morquoise. »Wozu habe ich euch Wissenschaftler eigentlich an Bord, wenn ihr es mir nicht sagen könnt?« »Die Impulse treffen uns seit noch nicht einmal vier Minuten«, gab Elea Thiev scharf und verweisend zurück. »In
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so kurzer Zeit kann kein Wissenschaftler der Milchstraße ein solches Phänomen aufklären. Immerhin wissen wir bereits, daß es um eine ultrahohe Hyperfrequenz geht.« »Ach, du lieber Himmel!« ächzte der Kommandant. »Auf diesem Gebiet ist die galaktische Wissenschaft ja nun wirklich nicht zu Hause.« Kummerog betrat die Zentrale. Er sah erschöpft aus. Als er zu einem der Sessel ging, stützte er sich mit beiden Händen an den Wänden und den Instrumentenkonsolen ab, um nicht zu fallen. Danach sank er in die Polster und schlug die Hände vor das Gesicht. »Wir können ein Signal aus der ultrahohen Hyperfrequenz ausfiltern«, teilte Christa Wilhav mit. Bleich klammerte sie sich an ihren Sessel. »Es ist ein eigenartiges Signal.« »Kann ich es mal hören?« fragte Morquoise. Ärgerlich blickte er die Wissenschaftlerin an, weil sie nicht von allein auf den Gedanken kam, es ihm zu vermitteln. »Worauf wartest du?« murrte er. »Ich spiele es auf einen Lautsprecher über, damit es für uns hörbar wird«, antwortete sie. Beleidigt preßte sie danach die Lippen zusammen. Sie litt nicht weniger unter den Erscheinungen als der Kommandant und die anderen. Unter den gegebenen Umständen fiel es ihm sehr schwer, konzentriert zu arbeiten. Gleich darauf klang ein eigenartiges stakkatoartiges Geräusch aus einem der Lautsprecher. Es hörte sich an wie ein schnelles Klopfen oder Hämmern gegen die Schiffshaut. »Schalt es aus!« forderte Drenderbaum sofort. »Das erträgt ja niemand!« Es war in der Tat ein enervierendes Geräusch, das allen in der Zentrale durch Mark und Bein ging.
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Katie Joanne blickte sich verwirrt um. Ein bleicher Mann beugte sich über sie. Er hatte ein knochiges, hohlwangiges Gesicht mit großen Augen und dichten Brauen. Sein Haar war glatt und gescheitelt. Eine Locke fiel ihm tief ins Gesicht. »Myles?« fragte sie. »Myles Kantor?« »Du erinnerst dich?« entgegnete er. Sie befand sich in einem Krankenzimmer. Dünne Kabel führten von ihrem Kopf zu einigen geheimnisvoll aussehenden Apparaturen neben ihr. »Wo bin ich?« fragte sie. Er schüttelte freundlich den Kopf und verweigerte ihr die Antwort. »Wer bist du?« wollte er statt dessen wissen. »Ich?« Sie horchte in sich hinein. »Katie Joanne, eine Journalistin. Richtig?« »Du bist dir nicht sicher?« »Nein, aber ich denke, daß ich Katie Joanne bin.« »Du hattest dein Gedächtnis verloren«, berichtete er. »Für uns ist wichtig, daß du dich möglichst bald an die Dinge erinnerst, die vorgefallen sind. Deshalb werden wir dir Videos zeigen, und du wirst sie dir genau ansehen. Sobald dir etwas dazu einfällt, wirst du es uns sagen.« »Ja, das werde ich«, versprach sie. Auf einem Monitor erschienen Bilder von Bruno Drenderbaum, von Kummerog und von Mimas. Sie lösten keinerlei Gefühle bei ihr aus. Katie Joanne meinte, dies alles nie zuvor gesehen zu haben. Sie bemühte sich, doch es gelang ihr nicht, sich zu erinnern. Nur wenig von dem, was sie mal gewußt hatte, kehrte zurück. Daran änderte auch nichts, als Myles Kantor ihr deutlich machte, wie wichtig es war, daß sie ihm alles über Drenderbaum und Kummerog erzählte. »Es tut mir leid«, seufzte sie schließlich, »aber in dieser Hinsicht kann ich wirklich nichts sagen.«
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Kantor lehnte sich enttäuscht zurück. »Kummerog und Drenderbaum sind geflohen«, eröffnete er ihr, »und wir haben gehofft, daß du uns einen Hinweis darauf geben kannst, wohin sie geflohen sind.« »Leider nicht«, bedauerte sie. Mehrere Ärzte kamen herein, Myles Kantor trat zur Seite, um den Raum zu verlassen. Katie Joanne hatte lange im künstlichen Tiefschlaf gelegen. In dieser Zeit hatten die Ärzte schwere Gehirnschädigungen festgestellt. Noch war eine Heilungschance vorhanden. Daß ein Teil der Erinnerung zurückgekehrt war, konnte als gutes Zeichen angesehen werden. Doch Myles Kantor war bewußt, daß es Jahre dauern konnte, bis die Journalistin wieder vollständig hergestellt war. Sie konnte jedenfalls nicht helfen, die Vorgänge um Bruno Drenderbaum kurzfristig aufzuklären.
Christa Wilhav schaltete den Lautsprecher ab, nachdem sie das enervierende Ortungsgeräusch noch einmal eingespielt hatte. Das Stakkato war nicht zu ertragen. Weder der Bordsyntron noch die Männer und Frauen in der Zentrale fanden ein verwertbares Muster in diesem hämmernden Lärm. »Da ist etwas«, sagte Elea Thiev plötzlich. »Über Hypertaster kommt etwas herein.« Das Gefühl des Unwohlseins ließ etwas nach. Bruno Drenderbaum erhob sich. Seine Aufmerksamkeit galt aber nicht den Ortungsschirmen, sondern Kummerog. Nie zuvor hatte er den Fremden so gesehen wie jetzt. Kummerog kauerte in seinem Sessel. Er zog die Beine leicht an und preßte die angewinkelten Arme gegen die Brust. Er ist in Panik! erkannte der Terraner. Bisher war er durch nichts zu erschüttern, aber diese Ortungsstrahlen bringen ihn fast um!
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Auf den Bildschirmen erschien das verschwommene Abbild eines Objekts, das einen Durchmesser von etwa 500 bis 600 Metern hatte. Die Größenangabe der Syntronik schwankte, da es ihr nicht gelang, die Entfernung zu dem Objekt exakt zu ermitteln. Sie wies darauf hin, daß diese Angabe möglicherweise unkorrekt war. Der geortete Körper könne auch deutlich größer oder kleiner sein. Der Rumpf des Objektes war mit stachelartigen Auswüchsen bedeckt. Das war das einzige, was eindeutig zu erkennen war. Ansonsten blieb das Abbild viel zu verschwommen, so daß diesbezüglich keine exakte Angabe von der Syntronik gemacht wurde. Drenderbaum blickte nur flüchtig hin, obwohl diese Ortung zweifellos interessant war. Nie zuvor hatte er Kummerog so erlebt. War der Fremde nicht immer gelassen und ruhig gewesen, als ob ihm nicht die geringste Gefahr drohte? Hatte er nicht stets seine Überlegenheit herausgekehrt? Jetzt hatte er Höllenängste auszustehen! Die Gefühle Kummerogs waren für den Empathen deutlich spürbar. Die Furcht, die Kummerog litt, war so groß, daß der mentale Einfluß auf ihn spürbar geringer wurde. Bruno Drenderbaum erkannte seine Chance. Er mußte sich aus dem Bann Kummerogs befreien. Vielleicht hatte er in diesen Sekunden die einzige Möglichkeit dazu. Danach würde sich vielleicht nie wieder eine Gelegenheit ergeben. Er wich Schritt für Schritt bis zum Ausgang zurück. Dabei ließ er Kummerog nicht aus den Augen. Das Wesen aus der Galaxis Bröhnder krümmte sich in seinem Sessel zusammen. Offensichtliche Angst trieb ihm den Schweiß ins Gesicht. Er wußte genau, wen die Wissenschaftler der PRETTY PLAID geortet hatten. Er kannte die Wesen in dem Objekt mit den stachelartigen Auswüchsen. Nur zu gern hätte
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Drenderbaum gewußt, warum er sich so sehr vor ihnen fürchtete. Unwillkürlich blieb er stehen und konzentrierte sich noch mehr auf Kummerog, ohne dabei die offensichtliche Gefahr zu erkennen. Er wollte wissen, wie tief die Furcht ging und weshalb Kummerog sich so ängstigte. Es war nicht die Angst vor einem überlegenen Feind, die Kummerog plagte. Es schien vielmehr, als habe er aus anderen Gründen ein Motiv, Angst zu haben. Hatte er irgendwo etwas verbrochen, so daß er nun die Rache des Betroffenen fürchten mußte? Oder waren die Wesen in dem georteten Objekt so schrecklich für jedes lebende Wesen Grund? Drenderbaum war so überrascht und fasziniert von der unerwarteten Reaktion Kummerogs, daß er darüber vergaß, zu fliehen. Plötzlich verschwand das geortete Objekt von den Monitoren. Gleichzeitig endeten alle unangenehmen Begleiterscheinungen wie Übelsein oder Gliederreißen. Die Situation in der Hauptleitzentrale normalisierte sich wieder. Kummerog senkte den Kopf, langsam streckte er die Beine. Er atmete hörbar, und die Hände, die sich auf die Armlehnen seines Sessels legten, bebten. Bruno Drenderbaum fühlte einen Stich im Herzen. Er meinte, ein häßliches, triumphierendes Lachen zu hören. Eine innere Stimme schien ihn zu verhöhnen. Er wußte nicht, ob es sein eigenes, betrogenes Ich war oder ob er die Stimme der Haut Kummerogs gehört hatte. »Ich habe nicht gewußt, daß sich diese Galaxis in einer so akuten Gefahr befindet«, sagte das Wesen von Bröhnder leise und mit noch immer heftig fliegendem Atem. »Das kompliziert die Dinge etwas.« Kummerog stand auf und wandte sich Bruno Drenderbaum zu. »Wir haben unter größtem Zeitdruck zu handeln«, fügte er hinzu.
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Weder der Terraner noch die Plophoser verstanden, was er damit andeuten wollte. Er schien vollkommen erschöpft zu sein. Mit schleppenden Schritten ging er zum Ausgang, wo Bruno Drenderbaum stand. Der Empath konzentrierte sich auf seinen Peiniger. Dabei stieß er auf eine eigenartige, befremdliche Leere, wie sie Menschen aufweisen, die sich nach einem Anfall von Angst und Panik in einer vorübergehenden Sicherheit wissen. Es schien, als sei Kummerog in diesen Sekunden gar nicht mehr in der Lage, irgend etwas zu empfinden. Unwillkürlich blickte der Assistent des LFT-Kommissars auf die Monitoren, auf denen Christa Wilhav nun das aufgezeichnete Bild des georteten Objekts einspielte. Auf ihn machte dieses Bild keinen besonderen Eindruck. Kummerog achtete nicht einmal darauf, da die akustische Begleitung des unerträglichen Stakkatos fehlte. »Wieso befindet sich die Galaxis in Gefahr?« fragte Pavel Morquoise. »Und noch dazu in einer ganz besonders großen Gefahr? Du willst doch wohl nicht behaupten, daß ein einzelnes Objekt uns alle so gefährden kann?« Kummerog antwortete nicht. Er verließ einfach die Zentrale. Doch damit gab sich der plophosische Kommandant nicht zufrieden. Er eilte hinter ihm her, legte ihm seine Hand auf die Schulter und hielt ihn fest. Mit einem Ruck riß er ihn herum. »Wieso?« brüllte er den Fremden aus der Galaxis Bröhnder an. »Ich will es wissen. Sofort!« »Laß ihn in Ruhe«, befahl Bruno Drenderbaum mit tonloser Stimme. Morquoise blickte ihn zornig an. Sein aufgedunsenes Gesicht war tief gerötet, eine dicke Ader flammte auf seiner Stirn. »Was ist los mit dir?« fuhr er ihn an. »Willst du nicht wissen, was er gemeint hat? Er knallt uns solche Worte vor den Kopf, und dann latscht er davon, als ginge ihn das alles nichts an. Mit mir nicht! Ich weiß nicht, wer aus dir einen es meinetwegen so hin. Ich will eine Antwort. Sofort!
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Welche Bedrohung geht von diesem Teufelsding aus?« Kummerog drehte sich langsam herum und streckte den rechten Arm aus. Zwischen seinen beiden Daumen hielt er einen Gegenstand, den Morquoise augenblicklich als kleinen Nadler identifizierte. »Zurück in die Zentrale!« befahl Kummerog. »Du wirst eine Antwort erhalten. Aber nicht jetzt. Und laß dir nicht einfallen, mich noch einmal zu behindern.« »Und das auf meinem Raumschiff!« stöhnte Morquoise. »Ich glaube, ich spinne!« Er wandte sich Drenderbaum zu. »Ich will dir nicht verhehlen, mein Freund, daß ich enttäuscht bin von dir. Unter echten Freunden darf so etwas nicht passieren.« Damit drehte er sich um und kehrte in die Zentrale zurück. Das Schott schloß sich hinter ihm. Die PRETTY PLAID nahm eine weitere Überlichtetappe und setzte sich damit sowohl weiter vom Solsystem als auch von dem geheimnisvollen, georteten Objekt ab, das Kummerog so in Panik versetzt hatte. Kummerog und Bruno Drenderbaum hatten sich in ihre Kabinen zurückgezogen. Die Verbindungstür stand offen. »Wir verlassen dieses Raumschiff«, eröffnete das rätselhafte Wesen aus Bröhnder dem Terraner, nachdem es eine geraume Weile grübelnd auf seinem Bett gesessen hatte. Der Assistent des LFT-Kommissars spürte, wie ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Wenn er die PRETTY PLAID verließ, hatte er keine Freunde mehr in der Nähe, die ihm helfen konnten. Er war überzeugt davon, daß Morquoise früher oder später merken würde, was mit ihm los war. Dann würde er danach nach einer Lösung suchen. Wenn er jedoch mit Kummerog allein war, blieb ihm überhaupt keine Chance mehr. »Das wäre ein Fehler«, brachte er über die Lippen, obwohl
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die Haut ihn daran hindern wollte. Danach spürte er einen Stich in der Magengegend. Drenderbaum hatte das Gefühl, etwas verdrehe sich in ihm. Kummerog blickte ihn kühl an. »Der Kommandant soll kommen. Sofort!« befahl er. Drenderbaum ging zu einem Interkom und rief Morquoise. Der Plophoser dachte gar nicht daran, sich Kummerog zu beugen. »Wenn ihr was von mir wollt, kommt gefälligst in die Zentrale«, antwortete er und brach die Verbindung sofort wieder ab. Kummerog verriet nicht, was er bei dieser Antwort empfand. Er stieg vom Bett und verließ den Raum. Drenderbaum folgte ihm gehorsam, als sei er durch unsichtbare Fäden mit ihm verbunden. In der Zentrale gab Kummerog dem Kommandanten die Koordinaten einer praktisch unbewohnten Zone nahe dem Zentrum der Milchstraße. »Ich will, daß du dorthin fliegst«, sagte er. »Ach, das ist ja schön«, versetzte Morquoise, ohne Anstalten für entsprechende Befehle zu geben. »Und was habe ich davon? Weißt du eigentlich, was so ein Flug kostet? Ich bin Kaufmann, kein Busfahrer!« Kummerog wandte sich an Drenderbaum. »Ich verstehe ihn nicht«, sagte er. »Was will er damit sagen?« »Hör zu, Pavel Morquoise.« Der Terraner streckte seinem Freund die Hand hin. »Ich garantiere dir Gewinne, wie du sie in deinem ganzen Leben noch nicht gemacht hast. Du wirst Geschäfte tätigen, die dich reich belohnen werden. Und wenn ich sage reich, dann meine ich es auch so. Wirklich reich!« Morquoise schlug ein. »Dein Wort genügt mir.« Er erteilte Cantarrue den Befehl, den Bezirk anzufliegen, den Kummerog beschrieben hatte. Minuten später ging die PRETTY PLAID auf Kurs.
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»Wir melden uns wieder«, kündigte Kummerog an. Er winkte Drenderbaum zu und verließ mit ihm zusammen die Zentrale. Doch dieses Mal ging er nicht zu den Kabinen, die ihnen angewiesen worden waren, sondern zur Space-Jet. Sie stiegen durch die Bodenschleuse ein und schwebten im zentralen Schacht nach oben. Kummerog ließ sich in den Sessel des Kommandanten sinken. »Bisher habe ich nicht sehr viel von dieser Maschine gesehen«, sagte er. »Ich habe verfolgt, wie du sie geflogen hast. Doch das genügt mir nicht. Ich möchte sie beherrschen.« »Dazu ist mehr als ein Schnellkurs von einigen Minuten nötig«, wandte der Terraner ein. »Wir können uns später darüber unterhalten.« »Jetzt!« Drenderbaum sträubte sich nur ein paar Sekunden, dann zwang ihn die Haut Kummerogs in die Knie. Er begann damit, die Space-Jet zu beschreiben, und zeigte Kummerog, wie sie geflogen werden mußte. Dabei war er sicher, daß der Fremde die Anweisungen in so kurzer Zeit nicht begreifen und behalten würde. Doch er irrte sich gewaltig. Kummerog besaß nicht nur das phantastische Sprachtalent, mit dem er Interkosmo in ein paar Tagen gelernt hatte, sondern auch ein überragendes technisches Verständnis. Nachdem Drenderbaum ihm einen Vortrag von fast zwanzig Minuten gehalten hatte, wiederholte er beinahe Wort für Wort, was zu tun war, wenn er die Space-Jet als Kommandant und Pilot führte. Bruno Drenderbaum konnte nicht anders: Er war beeindruckt. Als Kummerog sich mit der Zentrale in Verbindung setzte, erfuhr er, daß die PRETTY PLAID die angestrebte Zone nahe dem galaktischen Zentrum erreicht hatte. »Was nun?« fragte Morquoise. »Öffne die Hangarschleuse!« befahl Kummerog. »Wir verlassen dein Raumschiff.«
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»Einverstanden«, sagte der Plophoser und wandte sich an seinen terranischen Freund. »Halt dein Wort, Bruno!« »Das werde ich, Morquoise!« Drenderbaum winkte dem Händler zu. Kummerog lenkte die Space-Jet zur Schleuse hinaus in den freien Raum, in dem die Sterne ungewöhnlich dicht beieinanderstanden. »Nur so haben wir eine Chance, unseren Verfolgern zu entkommen«, stellte Kummerog fest. »Oder glaubst du, daß sie uns nicht jagen werden? Ganz sicher werden sie das.« Bruno Drenderbaum blickte durch die Transparentkuppel zum Walzenraumer hinüber, von dem sie sich rasch entfernten. Plötzlich lief es ihm eiskalt über den Rücken. Einen Gedanken hatte er zuletzt vollkommen verdrängt - den Gedanken an die vielen Minen, die er im Raumer verteilt hatte! Plötzlich glaubte er zu wissen, welchen Zweck sie zu erfüllen hatten. Kummerog wollte seine letzte Spur verwischen! »Nein!« schrie er und wollte sich auf die kleine Gestalt mit der schwarzen, rissigen Haut stürzen. »Das darfst du nicht tun!« Doch Kummerog war eiskalt und absolut skrupellos. Er sprengte die PRETTY PLAID mit ihrer Besatzung in die Luft! Als er die Minen per Funk zündete, breitete sich ein Feuerball im All aus. Von einer Sekunde zur anderen erlosch alles Leben an Bord des Walzenraumers. Bruno Drenderbaum sank schluchzend auf die Knie. Das ließ die Haut zu. »Du bist eine Bestie«, stammelte er. »Wenn ich könnte, würde ich dich auf der Stelle töten!« Er meinte, ein schallendes Gelächter in sich zu hören. Kummerog erhob sich und machte ihm dann Platz auf dem Pilotensitz. »Du übernimmst«, befahl er kalt und ohne jedes Gefühl. »Wohin willst du?« fragte Drenderbaum mit versagender Stimme. Ihm war, als sei er in seinem Innersten zerbrochen.
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»Wohin schon?« lachte Kummerog. »Nach Camelot! Du wirst mich hinbringen.« »Ich?« Drenderbaum blickte ihn fassungslos an. »Ich weiß nicht, wo Camelot ist. Camelot ist das zur Zeit am besten gehütete Geheimnis der Milchstraße. Wie sollte mir gelingen, was die besten Geheimdienste der LFT nicht geschafft haben?« »Du bist der Assistent des LFT-Kommissars«, stellte Kummerog ungerührt fest. »Möglicherweise kennst du einen Kontaktmann, der uns bei der Suche weiterhelfen kann.«
ENDE
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