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X')a!J.
schreiben können. Man darf also von dieser Stelle J A. Th. Robertson.Stocks, AGrammar of the Greek Testament, London 1914, § 86e, hält die Wendung in diesem Fall "möglicherweise" für einen Hebraismus. Aber auf sonstige Semitismen im Jak darf man sich dabei nicht berufen, da derselbe Dativ auch anderswo vorkommt. a Um dieser Schwierigkeit zu entgehen, hat man lt).oucri~ und xAl)poWILOU<; als Apposition gefaßt und i~~«w ohne Bestimmung gelassen (so Luther, Gebser). Aber dann entsteht eine Tautologie; die "Erben" sind doch selbstverständlich "erwählt". &t;v V'-'ÜV ••• G'JVL-tlGtV ~":'t fcr.t ":'L:; 0 l(iX~V 't'GlUnJv und Cicero, Oe nato deorum Il § 87 cumque procul cursum na\'igii vidcris, non dubitare, quin id ratione atque arte moveatur. V vOlJ-ov (Sir 1922.24). So gewiß unser Verf. von Literatur dieser Art beeinflußt ist, so gewiß entspricht doch gerade die an unserer Stelle hervortretende Einseitigkeit seinem persönlichen Ethos: er ist mißtrauisch gegenüber allem, was nach Freundschaft mit der Welt aussieht (Ein!. S. 71 f.). Nach solchem Maßstab mißt er auch jedes Streben nach Weisheit. Und gewiß bot auch die allgemeine Entwicklung der christlichen Gemeinden Anlaß zu solchem Mißtrauen. Schon bei Paulus scheidet sich aller betonten Einheit zum Trotz das Christentum des Pneumatikers wenigstens 1Kor 26-16 von dem Glauben der Gemeinde; auf anderem Boden, wo die Einflüsse synkretistischer Magier und Wanderpropheten verführerisch wirkten, mochten solche aristokratische Tendenzen sich ungehemmter auswirken, und die gnostischen Pneumatiker sind nur besonders augenfällige Beispiele dieser Entwicklung. Aber auch die Ausbreitung von Schriftgelehrsamkeit und Rhetorik, das Eindringen der Popularphilosophie und vielleicht sogar die Verfestigung der Organisation wären hier zu nennen; jede dieser Erscheinungen konnte im Bereich ihrer Wirkung zur Absonderung eines Christentums erster Klasse führen; jede von ihnen konnte einem Christen wie Jak dieses ethisch begründete Mißtrauen nahelegen, dessen Ausdruck unsere Verse sind. Gerade weil wir aber so viele Möglichkeiten vor uns sehen 2, und weil wir zudem beobachten, daß paränetische Tradition und eigene Neigung den Verf. auf diesen Weg führen, gerade darum erscheint es mir unmöglich, diese Ermahnung mit dem Auftreten einer bestimmten Richtung wie der Gnosis zu begründen. An diesem Urteil kann auch V.17 mit seinen literarischen Beziehungen nichts ändern. Man hat mit ihm oft und mit Recht die Schilderung des falschen Propheten bei Hermas Mand. XI 8 verglichen 1tp(;)'t'ov ~v 0 f.xwv -ro 1tVwlJ-ot (-ro .&ei:ov] 't'O ~v6>.&ev 1tpotÖ:; eO't'L ' •. 1 '_1.' ,\ , XotL\ oS.IjauXLOC:; XotL\ 't'otitELVU
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Erklärung
aus nicht etwa den "Glaubensbegriff" des Jak konstruieren, vgI. den zweiten Exkurs zu 226. Bedeutung und Herkunft der Formel OL cXrcxr.w,l':'z~ cxu't'ov ist bei der Erklärung von 112 bereits untersucht; der Sinn ihrer Verwendung ist hier wie dort derselbe: daß Gott denen, die ihn lieben, ein herrliches Erbteil verheißen hat, weiß der Christ wie der Jude, ohne daß es ihm durch Bibelstellen bewiesen wird. Daß unserm ganzen Spruch mit seiner Zuspitzung auf die Armen die erste Seligpreisung Lk 620 zugrunde liegt, ist möglich; aber der Spruch ist auch ohne diese Beziehung aus der Gedankenwelt heraus verständlich, die ich Einleitung § 6 untersucht habe. V. 6a stellt solcher Ehrenstellung des Armen seine Entehrung in den Gemeinden gegenüber (ci':'LILri~E:LV de'S Armen, vgl. Prov 1421 Sir 10~3). Die Beziehung der Worte auf den BeispielsfaU 221. ist nicht ohne weiteres klar, weil der Aorist l}'t'LILcXacx't'E: mehrfache Deutung zuläßt. Rein historisch ist der Aorist keinesfalls; denn wenn es sich nur um die Rüge eines Einzelfalls handelte v. 1, dann wäre die Verallgemeinerung der Mahnung und der Beschuldigung v. 6 nicht angebracht. Nirgends sonst deutet Jak an, daß er nur an eine Gemeinde denkt; immer scheint er vielmehr die Christenheit - repräsentiert natürlich durch die Gemeinden, die Jak kennt - vor sich zu haben. Unter den Christen ist 7tpoaw7tOAl)ILYLX verbreitet, s. v. 1, aber vielleicht nirgends, jedenfalls nicht überall in der krassen Gestalt, wie sie das Beispiel v. 21. zeichnet, s. den Exkurs zu 2:1. So hätte es keinen Sinn, den Lesern zu sagen: "Ihr habt einmal jenen Armen schlecht behandelt" (denn das träfe, wenn überhaupt, so doch nur einen kleinen Kreis); wohl aber kann Jak die allgemein verbreitete Neigung zur 7tpoaW7tOAl)IL~Lcx bei den Lesern insgesamt rügen: "Ihr pflegt eure Armen 1 schlecht zu behandeln, ihr denkt nicht besser als wie die Leute in jenem Einzelfall." So ist also die Rüge an einem wirklichen oder angenommenen Fall orientiert - darum steht im Griechischen der Aorist - ; aber sie bezieht sich auf die Neigung zur Parteilichkeit überhaupt darum dürfen wir mit dem Präsens 2 übersetzen; vgl. ff: uos autem frustratis pauperem; Herder : und ihr verachtet den Armen? VV. 6 b. 7 begründen die Rüge der r.poaw7to).:IjILYr.CX mit drei Vorwürfen gegen die Reichen. Das Problem der Stelle beruht auf der nicht klaren Abgrenzung von armen feindlichen und christenfeindlichen Motiven bei dem Verhalten der Reichen. Der erste jener drei Vorwürfe: "Sind's nicht die Reichen, die euch Gewalt antun?" läßt zunächst an soziale Bedrückung denken: die Glieder der Christengemeinde sind als arme Leute von den Der Singular 't"OV 7t't"wXlv ist kollektiv gebraucht wie 58. Der Aorist ist wohl nicht geradezu gnomisch, sondern eher zeitlos zu nennen, ruhen sich aber dem Charakter des gnomischen, da auch dieser eigentlich durch Ab· strahierung eines Einzelfalls zustande kommt. Vgl. I. H. Moulton, Ein\. 1911, 218f. Die Ausleger machen die grammatische Frage zumeist mit wenig Worten ab, da für sie die Frage, ob Christ, ob Nichtchrist, im Vordergrunde steht. 1
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Jak 2•. 7
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reichen Nichtchristen 1 abhängig und haben in dieser Stellung unter ungerechtem Druck zu leiden. Haben sie es auch, weil sie Christen sind? Mindestens die dritte der parallelen Fragen: "Sind sie's nicht, die den herrlichen Namen lästern (zum Ausdruck s. u.), der über euch genannt ist?" bringt einen religiösen Gegensatz zum Ausdruck: nicht nur als Arme machen sie Schlimmes durch, sondern auch als Christen. Die zweite Frage: "Sind sie's nicht, die euch vor Gericht schleppen?" läßt sich sowohl auf Armen- wie auf Christen-Prozesse beziehen. Eine Entscheidung aus exegetischen Gründen ist unmöglich; die Erklärung muß vielmehr weiter ausholen. Die Gemeinden, die Jak im Auge hat, haben zu der Zeit, da er dies schreibt, jedenfalls nicht unter einer großen, von den "Reichen" ins Werk gesetzten Verfolgung zu leiden (vgl. Einleitung S. 15 und 68). Denn was Jak hier bekämpft, ist ja nicht feindliches oder ängstliches Verhalten gegen die Reichen, sondern Liebedienerei. Nicht die Gemeinden vertreten die pietistische Stimmung der frommen "Armen"; der Autor ist es, der sie an derartige Gedanken erst erinnert. Man darf Fälle, wie den 22r. erzählten, nicht verallgemeinern, muß aber andrerseits zugeben, daß nach der Meinung unseres Autors eher Freundschaft zwischen Reich und Arm als Feindschaft den Gemeinden gefährlich werden kann. Dann können "die Reichen" aber nicht öffentlich als Gegner der Christen aufgetreten sein. Lehrreich für das Verständnis unserer Stelle ist auch der Vergleich mit dem ersten Petrus-Brief. Auch hier läßt sich bekanntlich streiten über die Frage, ob bloß an gelegentliche Feindschaft, ob schon an organisierte Verfolgung zu denken sei, vgl. R. Knopf in diesem Kommentarwerk XII 11912, 22f. 179f. 195; aber wie viel bestimmter klingen - gemessen am Jak - die Worte des 1Petr über die Verfolgungen, wie viel aktueller ist das Problem, wie viel mehr drückt die Not der Zeit dem Autor auf die Seele, der die Sklavenregel der Haustafel um den Passus vom Leiden 220ft. bereichert hat und die Trostworte 41211. schrieb I Unser Jak schreibt von den 7ttLpo:a(.LOt, nicht weil er Sorge trägt um bedrängte Gemeinden, sondern weil er erkannt hat, daß die Christen die Erben der "Armen und Elenden" des Alten Testaments sind, daß echtes Christentum nicht ohne Leid zu denken ist. Offenbar hat er an unserer Stelle auch nicht besondere, Aufsehen erregende Vorfälle im Auge; wenn solche vorgekommen wären, so würde sich der christenfeindliche Charakter der Reichen deutlich genug erwiesen haben, und Jak brauchte sie nicht erst an den Pranger zu stellen. Woran er erinnert, das müssen vielmehr die üblichen Erfahrungen der Christen im Verkehr mit den Reichen sein; sie sind so alltäglich, daß die Leser sie nicht mehr als außergewöhnlich empfinden, daß sie nahezu verlernt haben, in den Reichen Feinde ihrer Sache zu sehen, ja daß sie sogar zu unwürdiger Kriecherei vor den Reichen 1
~'
Bei diesem Plural denkt Jak sicher an Nichtchristen, s. den Vorwurf v. 7 mit seinem
ulLiC;. Vgl. im übrigen S. 168f.
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Erklärung
neigen. Jak ruft diesen von seinem Armenstolz so weit entfernten Lesern zu: Besinnt euch doch! wer hat sich denn immer wieder als euer Feind gezeigt? Sind's nicht die Reichen? Danach sind nun die drei Fragen 26.7 zu interpretieren. Die Worte EAxOUCJLV ullocC; dc; XPLT1jPLCl brauchen dann durchaus nicht auf eine eigentliche "Christenverfolgung" bezogen zu werden. Wenn dieselbe Wendung in dem Apokryphon P. Oxy. IV 654 vorkommt - wie Deißmann, Licht v.Osten 2 328ff. ergänzt - , so bezieht sie sich dort auf die Juden 1. Dabei könnte man an die Rolle denken, die das Judentum Apg 13ff. spielt: zumeist stört das Christentum die Kreise der Synagoge, zumeist sind darum die Juden die Angeber bei den römischen Behörden. An unserer Stelle liegt kein Grund vor, die Wendung auf Juden zu beschränken. In ganz ähnlicher Weise wie die Juden nach der Apg mögen sich anderwärts heidnische Reiche durch das Vordringen des Christentums beeinträchtigt fühlen. In den Herren der Magd in Philippi (Apg 1619), in den Silberschmieden von Ephesus (Apg 1924) führt ja die Apostelgeschichte Beispiele dafür an, daß die christliche Mission unter Umständen zur Schädigung gerade geschäftlicher Interessen der Reichen führt. Ähnliche Situationen sind ohne Schwierigkeit auszudenken; sie werden es verschuldet haben, daß die Reichen, an die Jak denkt, behördliche Vernehmungen, Verhaftungen, Verurteilungen der Christen ins Werk setzen, kurz daß sie sie "vor Gericht schleppen". Und wo sie sonst im Privatleben Gelegenheit dazu haben, werden sie's an Schädigung und Bedrückung der Christen nicht fehlen lassen; nach 1Petr 220 denken wir dabei an Sklaven, nach Jak 5.. an Lohnarbeiter: auf solches Verhalten bezieht sich wohl das XClTCl8uVClO"t'EUELV in der ersten Frage an unserer Stelle. Zu den geschäftlichen Gründen, die die Reichen zur Schädigung der christlichen "kleinen Leute" veranlassen, mögen noch andere kommen: vielleicht ist manchem reichen Herrn die christliche Propaganda unter den Gliedern seiner familia ärgerlich gewesen. Man könnte etwa an die Beispiele in den apokryphen Apostel-Akten erinnern: wie der einflußreiche Alexander in den Paulus-Akten (p. 254 Lipsius) die Thekla vor das Gericht des Prokonsuls bringt, wie in den Petrus-Akten (p. 84 Lipsius) die Enthaltsamkeit 1 Der Text ist auch bei E. Preuschen, Antilogomena 21905, 23f. und bei E. Klostermann, Apokrypha II 31929 (Lietzmanns Kl. Texte 8) 18 zu finden. Deißmanns Rekonstruktion lautet: [7t'6x; AirOual.v] ot tAxovn:c; ~llciC; [e:lc; Tel xp~Ti)pl.Gl, On] TJ ßeealklee ~v oUpa:[~ ~cmv; IlTj't't 8Uva:(V)Tee~] TeX 7t'&n:~vO: TOÜ oup[eevoü bt'trLVWax&~V,] Tl U7tO -:7Jv yiiv ~GT[LV;] ••• xeet ~ ß(Xa[lkla: ÖllwC; IlMO~] MOC; UIlWV [i]cm[v] XTA. Wenn die Ergänzung richtig ist, so würde ich das Wort für eine Erweiterung und Umadressierung von Lk 1721 halten. Dort war es an die Pharisäer gerichtet, hier an die Jünger als die Repräsentanten der Christenheit. Dann aber sind die fAXOVT&C;, die meinen, das "Reich" sei (noch?) im Himmel, offenbar die Juden. - Das 1945 aufgefundene koptische Thomasevangclium, von dem P_ Oxy. 654 ein griechisches Bruchstück bietet, hat Deißmanns Ergänzung nicht bestätigt. Die lAxovn:c; Ullcic; sind vielmehr christliche ("groß kirchliche") Verführer, denen von gnostisierender Seite das Jesuswort Lk 1721 entgegengehalten wird.
Jak 21.7
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der Konkubinen des Agrippa den Christen Feindschaft des Präfekten zuzieht. Zum Haß gegen unbequeme Bußprediger gesellt sich bei den Reichen vielleicht noch die Ablehnung der christlichen o/LA~ 1tOCpa"oc;L<; (Mark Aurel XI 32), die Verachtung der exitiabilis superstitio (Tacitus, Annalen XV 44), und womöglich noch der Ekel vor dem jüdischen Ursprung des Christentums 1 - das alles, aber zumal die zuerst genannten Empfindungen geben nun auch Gründe genug ab, Reiche zum Lästern des Christennamens zu bringen. Sie schmähen und beschimpfen ihn das ist gemeint; nicht etwa "sie machen ihm Unehre" (s. Röm 223f.), denn dann wäre an christliche Reiche gedacht, und es würde nicht tcp' UfLi<; heißen. Es ist an direkte Lästerung (siehe lKor 123) zu denken, aber auch an alle die Vorwürfe, die das Gerede der Leute den Christen gemacht hat S• Was will nun die Umschreibung TO XOCAOV ÖVOfLOC ..0 t1tLXAl).&ev ecp' UILii<; besagen? Es handelt sich um eine christliche Formel, die einer ähnlich lautenden jüdischen nachgebildet ist. Wenn man das Volk Israel als Gottes Eigentum bezeichnen will, so sagt man, daß Jahves Name über ihnen genannt sei Dt 2810 (Am 912) Jer 140 Jes 437 2Chron 714 2Makk 81!1 Ps Sal 918(9) u. a. 3. Die Wendung kommt nicht nur im Zusammenhang mit dem Volk oder Personen wie dem Propheten Jer 1518 vor; auch Lade und Tempel werden auf gleiche Weise zu Gottes Eigentum erklärt 2Sam 62 (lChron 13/;?) 1Kön 843 4 • Die Sitte geht entweder auf einen alten, sonst nicht belegbaren Brauch der Besitzergreifung zurück: dann wäre einmal auch des menschlichen Besitzers Name über seinem Eigentum ausgerufen worden. Oder die Sitte ist auf heilige Namen beschränkt und wäre dann wohl ursprünglich als "apotropäischer" Ritus aufzufassen: der heilige Name schützt vor unheiligen Geistern. Darauf könnte auch der Gebrauch des Namens beim Segnen deuten: Nu 627. Welches aber auch der Ursprung der Formel sei, ihr Gebrauch im urchristlichen Schrifttum ist eindeutig; an die Stelle des Jahve-Namens ist der Name Jesu getreten, und wenn man sagt, daß die Christen ihn tragen oder daß er über ihnen genannt sei, so ist das mehr als ein Bild; denn bei der Taufe wird der Name Jesu über dem Täufling genannt, und dieser wird damit als Jesu Eigentum signiert li • Und so selbstverständlich ist dieser Gebrauch des Namens Jesu, daß auch gelegentlich von "dem Namen" schlechthin die 1 Vgl. die Urteile d. Antike über die Juden in den Beilagen %U meinem Kommentar zu den Thessalonicherbriefen (HNT). Ober die Motive des Christenhasses vgl. R. Knopf, Kommentar zu den Briefen Petri und Judä 71912, 99ff. I Wie sehr die Christen von üblem Gerede verfolgt waren, zeigen die Warnungen, zu solcher Blasphemie Anlaß zu geben, z. B. in 1Petr, s. auch Ign., Ad TraU. 81. I Siehe auch 4Esra 415 (I § 9, 6 Violet). , Vgl. W. Heitmüller, Im Namen Jesu, FRLANT 2, 1903, 171ff. und meine Untersuchung: Die Lade Jahves, FRLANT 7, 1906, 20ff. :. Vgl. Heitmüller a.a.O. 88ff. 115ff.; ders. RGG1: Namenglauben im N.T.; ders., l:~PArIl:, Neutest. Studien für C. F. G. Heinrici 1914, 56ff.; W. Bousset, Kyrios Christos '1935, 227 ff.
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Rede ist 1. So erklärt sich die Bezeichnung der Christen ot XExAl)(.LtvO~ ..(~ OVOf.LIX":'L XUPLOU (Hermas Sim. VIII 11) und die Anwendung der alttestamentlichen Ausdrücke auf die Christen (-ro ÖVO(.LIX XU?LOU -ro i7nxAl)3h E1t' lX\rrou~ Herrn. Sim. VIII 64, ot E7tLXIXAO,.Jf.LEVOt "<7) OVO(.LIXTt IXU":'O;:j - wenn so zu lesen ist - Sim. IX 14s); in diesem Sinn wird geredet vom AIX!-LßivE"LV ..0 QV0tLlX "OÜ ui.oü TOU .&EOÜ (oder ähnlich) Hermas Sim. IX 12".8 137, vom q>opti:v oder ßIXI1T&.~:;:tV -ro OV0tLlX Herrn. Sim. VIII 103; IX 13:H. 152 163 286, und Ignari us Eph 71 heißt es e:tW&lXl1tV y&.p TLVE; 80At:l 1tOVl)pt;l -ro ÖVO(.LIX. 1ttpLq>epe:Lv. So verstehen wir auch unsere Stelle: Name und Träger des Namens gehören zusammen; wer diese schmäht, schmäht den "edlen Namen" 2. Daß aber hier wirklich der Name Jesu gemeint ist, ergibt sich aus tq>' UtLic;. Es wird offenbar ein Unterschied gemacht zwischen den Trägern des Namens und ihren reichen Gegnern, denen der "edle Name" nicht eigen ist. Die jüdische Armenliteratur macht solchen Unterschied nicht (Einleitung § 6); sie findet ihre reichen Gegner vielmehr im eigenen Volke. Die Armen unserer Stelle aber sehen in den Reichen nicht Träger des Namens, der über ihnen selber genannt ist. Also kann dies nicht der Name von Israels Gott, sondern muß ein den Armen eigentümlicher Name, der Name Jesu, sein. So liefern die \Vorte einen Beweis für die Herkunft des Jak aus christlichen Kreisen. V. 8. Der Anschluß an das Vorhergehende ist beim ersten Lesen nicht klar; er muß aber dem Autor klar sein, denn die Konjunktion f.LMOL, die doch nicht einfach weiterführt (so Gebser), weist auf eine bestimmte Verbindung mit dem Vorhergehenden. \Vie schon ältere Erklärer deuten Beyschlag, Soden, Haupt StKr 1896, 774, B. Weiß (Handausgabe), Mayor und Ropes sie konzessiv: die Leser hätten sich für ihr Verhalten gegen die Reichen auf das Gebot der Nächstenliebe berufen künnen, und darauf antworte Jakobus : Freilich (f.LMOt), die Erfüllung dieses Gebotes ist gut, d 8& r.POI1CU1tOAl)f.L1tTEi:u usw. 3 • Allein erstlich wäre diese von Beyschlag angenommene Berufung auf das Gebot der Nächstenliebe doch eine 1 Vgl. Apg Soll 3Joh 7 Hermas Sim. IX 285; auch Ign. Eph. 71 s. o. ist wohl nach diesen Stellen zu interpretieren und nicht auf den Namen XPLInI4VOL zu deuten, weil der geheimnisvolle Ausdruck -ro 6vojJ4 m:pL
Jak 2a
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höchst klägliche Apologie parteiischen Verhaltens, und zweitens steht von dem vorausgesetztell, keineswegs naheliegenden Einwand nichts da. Wenn man schon, wie ~o~ geradezu verlangt, etwas ergänzen muß, so richte man sich nach v. Ga. Auf die erste Frage (v. 5) folgt der Vorwurf: Ihr aber nehmt dem Armen die Ehre! Den Sinn der Fragen v. 6 und 1 treffen wir, wenn wir hinzufügen: Ihr aber bevorzugt den Reichen I Das aber ist eine Sünde gegen das Liebesgebot ; und auf diesen mehr empfundenen als ausgesprochenen Gegensatz zwischen dem Verhalten der Leser und dem Gebot bezieht sich das vielumstrittene ~'t'o~. Wenn nun im folgenden (v. 8-11) ausgeführt wird, daß Sünde gegen ein Gebot Bruch des ganzen Gesetzes sei, so ist dieses eine Gebot das einzige, von dem hier die Rede war) das Liebesgebot aus Lev 1918 (LXX) - und nicht etwa, wie Spitta meint, das in der Nähe dieser Stelle sich findende Gebot o,j A~ILYrl 7tpOO'(t)7tOV 7t't'wxou ovar; 3-<xuIL<xO'e~~ 7tpOO'W7tOV 8uv<x0''t'ou Lev 1915 1 • Wohl aber könnte dieser alttestamentliche Abschnitt erklären, welches Interesse der Autor hier an dem Liebesgebot hat. Jak könnte etwa abhängig sein von einer jüdischen Paränese, in der im Anschluß an Lev 19 die 7tp0O'W7tO);IjILr,j!L<X beim Liebesgebot behandelt wurde. Daß es solche Paränesen im Anschluß an Gesetzesabschnitte gegeben hat, beweist z. B. das pseudo-phokylideische Gedicht, das gerade von Lev 19 besonders reichlich gespeist wird. Jedenfalls ist eines festzuhalten: das Liebesgebot kommt hier nicht als einziges Hauptgebot im Sinne des bekannten Jesuswortes (Mk 1231 parr.) in Betracht, sondern als eines neben anderen - denn sonst hätte der v. 10r. geführte Beweis keinen Sinn. Und so scheint denn das Herrenwort dem Verf. überhaupt nicht vorzuschweben; dann haben wir aber auch keinen Anlaß, v6ILo~ ~a.O'LALX6~ auf das Liebesgebot zu beziehen. Der Ausdruck geht vielmehr auf das Gesetz l , von dem jenes Gebot einen Teil bildet, und ist nun natürlich auch nicht von dem ~<XO'~A&V~ XPL0"t'6~ abzuleiten, sondern höchstens zu deuten als "Gesetz des Gottesreichs" = "christliches Gesetz", vgl. wie Klemens Alex., Strom. VI 1642 statt ou IL~ ELO'tA&rj't'E d~ T1jv ~<XO'. 't'WV oupa.vwv (Mt 520) sagt: oux EO'EO'3-e ~C1O'~ALxoL Wahrscheinlich ist aber auch dies nicht die Meinung des Jak; sondern er will das Gesetz als ein wichtiges, unbedingt verbindliches hinstellen. Ähnlich fassen auch viele Ausleger den Ausdruck (Gebser, Beyschlag, Soden), nur daß sie meistens dabei an das Wort Jesu erinnern und ~<XO'LALXO~ v6ILo~ dann als das Gebot, das alle andern in sich schließt, erklären. Es wäre wohl eher 1 Gegen Spittas Meinung spricht abgc:schen von der allzu literarischen Technik, die er bei Jak hier wie überhaupt voraussetzt - vor allem das Verhältnis von v. 8 und I; v. 1 bedeutet nicht: .. Ihr sündigt wider ein kleines daneben stehendes Gebot". sondern: .. Ihr sündigt wider dies Hauptgebot." a Der Artikel fehlt hier wie in 211.11 411 und bei }.6yol:; lu.l3; siehe aber 115 d; v6l'ov dAc~o" -rbv Tijt; iAtU&t:ptW;. Die Interpretation darf also ebensowenig wie bei Paulus von Hinzufügung oder Auslassung des Artikels abhängig gemacht werden.
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Mcycn Komm. XV. Dibclius. Jakobus
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Erklärung
der Sprachgebrauch zu vergleichen, nach dem ~cxaLAEUC; und seine Verwandten die überragende Bedeutung von Abstrakta, zumal gerade von Gesetzen und Gedanken, zum Ausdruck bringen. Philo nennt nicht nur die Astronomie die ~cxa,l.tc; TÖlV tnt.aT'1lILÖlV (De congressu 50 p. 526) und die Frömmigkeit die ßcxat.ALc; TWV tipe-rwv (De spec. leg. IV 147 p. 360), sondern schreibt auch (Vita Mos. II 4 p. 135) WC; E~UC; E!"'CXt. Tbv !Jlv ß~at.Atcx v6l'0v ~1'~UXO\l, TO\l 3E VO"'O\l ßotaVJor. 3(XCXLO\l 1. Die Vernunft der sieben Märtyrer wird 4Makk 1411 also apostrophiert eil ßcxaLAt6>C; AOYLa(.LOL ßcxat).tXWTEPOL xcxt ti.eu&ipwv ti.eU&&pWTEpOL, vom Myoc; heißt es Justin Ap. I 12; ou ßcxaLALXWTCXTO\l xcxt 3LXCXLOTCXTOV «PXO\ITCX ~Ta. Tb\l yEVViJacxV't'oc -31:ov oü3tvcx ot8cx(.LEv Ö\lTCX. Es handelt sich also bei diesem Gebrauch um den Ver-
gleich mit des Königs HerrschersteIlung. Andere Möglichkeiten eröffnet Philos l Behandlung der Stelle Nu 2017, wo von der Heerstraße, der ßcxaL).Lx~ 086<;, die Rede ist. Diesen Ausdruck leitet Philo, De post. Caini 101 p. 244 von dem 7tpÖl'tOC; xoct (.LO\lOC; TWV Ö).6>\I ßcxaLi.EUc; 6 &6e; ab (ähnlich De gig. 64 p. 271); in De spec. leg. IV 168 p. 364 aber wird er mit der Königspßicht, die rechte Mitte zu halten, zusammengebracht, und außerdem wird erklärt: Tb ~aov l.v TPLci8L Tl)v 1)YE(.LovL3cx Tci~LV dAYlXEV 3 • "Eines Königs würdig" heißt ßcxaLAt.x~ Moc; auch bei Klemens Alex., Strom. VII 736 OTCXV OÖV IL~ XCXTa. ti-nYX7jV 1) q>6ßov ~ l.>.7tL8cx 3Lxor.t.0c; TL<; ~, tXU' ~X 7tPOCXtptaE6>C;, cxÜTYj 1) 030<; )JyETCXL ßcxaLALxlj, ~v Tb ~atALxOV MMt. yevo<;·, Aus diesen Beispielen ergibt sich, daß ßcxatALXOC; ..,01'0<; ebenso heißen kann "das Gesetz von königlichem Ansehen" wie "das Gesetz, das für Könige bestimmt ist", Jedenfalls will Jak die Befolgung des Gesetzes preisen, indem er es mit diesem Prädikat schmückt; da er dieses weder erklärt noch motiviert, so dürfen wir wohl vermuten, daß er es nicht neu geschaffen hat. Es ist doch bezeichnend, daß wir dieselben Eigenschaften "frei" und "königlich", mit denen Jak 126 und hier das Gesetz preist, 4Makk 1411 zur Verherrlichung standhafter Vernunft I Vgl. Ps. Plato, Epiat.8 p. 354c ~~ mtB~ xUp'~ Cyivtro ßcl~ TWV MpW1twv. v6JLCI)v. a Zu Philo vgl. J. Pascher. Der Königsweg zu Wiedergeburt und Vergottung bei Philon von Alexandreia 1931. a Ich buche noch Epiktet 111 2he. wo die verschiedenen Ämter der Philosophen erwähnt werden und Diogenes als Beispiel für die ()ctcnALX~ xlXl bn1t>"1Jxnx~ X~p« genannt wird. In einer Berliner Handschrift ist von einem .. königlichen" d. h. (für den König bestimmten?)Offenbarungsbuch die Rede. das in einem gestrandeten. von Gott geretteten Fahrzeug an die Küste kommt (Catalogus codicum astrologorum VII S. 59: ci7tb TCtV cUpc~ ßclcnALxOÜ ßLß>"tou 1tci).,v roü Ev ':'~ &t:OOWOT'f) ~ iyxcLJIolvou r.1Xpcxß)..71~:; Ev Tn Tp«m~1JTLXn>. - Daß im platonischen Schrifttum zweimal ßclcnÄLxO; v6",0<; \'Or· kommt ist ein Zufall: an den Stellen Minos 317 c ..0 !ÜV öp80v v6JL~ br.t ß«aWx~ und Ps. Plato. Epist. 8 p. 354c Bou>.cüart, v6",OLC; ßlXcnALxoic; hat ßcxaWx6c; eine ganz prägnante Bedeutung. , Eine Beziehung des Klemens zu Jak kommt hier so wenig in Frage wie an der oben zitierten Stelle Strom. VI 1641. eher mag man Strom. VII 735 Abhängigkeit ,"on Philo konstatieren.
ci).).. OUX MPW7t(lL ~wo,
Jak 21.10
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vereinigt finden. Die Vernunft als wahrer König, der zur wahren Freiheit verhilft - das ist der stoische Gedanke, der beiden Ausdrucksweisen zugrunde liegt. Das allgemein menschliche Gut, auf das er sich bezieht, haben die hellenistischen Juden im Gesetz verkörpert gefunden, für das sie damit universales Ansehen statt partikularer Geltung in Anspruch nehmen. Die Christen aber haben diese Prädikate auf ein neues christliches Gesetz übertragen, dessen Kern die Sittenlehre des alten jüdischen war. Freilich war diese übertragung nur dort möglich, wo der Streit, den Paulus um das Gesetz geführt hatte, entweder schon verklungen oder überhaupt nicht hörbar geworden war, vgl. den Exkurs zu 126 und den zweiten Exkurs zu 226. Nun ist auch klar, warum hier VOl!o<; und nicht iV"t'OA~ steht. Das Prädikat "königlich" eignet dem ganzen Gesetz. Aber es ist ein christliches Gesetz· und wird darum nicht durch Peinlichkeit in den kleinen Dingen, sondern durch Erfüllung des großen Liebesgebotes befolgt (XCl":'Q: 't"1)v YPClq:>~V "gemäß der Schriftstelle"). Freilich gilt nun auch auf der anderen Seite die Folgerung, die V. 9 mit aller Entschiedenheit zieht: 7tP0(JWitOAljl!"'(ot ist Sünde, und zwar - dies ist der Sinn des Partizipiums - Sünde wider das ganze Gesetz, nicht bloß wider ein Einzelgebot. 7tClpClßcl't"7)e; ist also hier der "Sünder" wider das ganze Gesetz; in ähnlicher Bedeutung steht das Wort Röm 226.27 Gal218 und in der apokryphen Geschichte, die in der Handschrift D nach Lk 6~ steht (btt,XotTclpotTOC; Xot!. 1totpotßci't"7)e; EI TOÜ v6l!ou); auch braucht es Symmachus Jer 618 für 0...,.,'0 (Aquila: txxA(VOVTte;) und Ps 138 (139)19 für p,,", (LXX: tXl!otp't'WAOU<;, Aquila: cXatßli). Ebenso geht natürlich um TOÜ v6j.Lou auf das ganze Gesetz. Und für diese These, daß wer gegen das eine Liebesgebot fehle, vor dem Forum des ganzen Gesetzes als Sünder dastehe, soll V.I0' den Beweis erbringen. Und zwar einen aus der Synagoge stammenden Beweis. Denn der Satz öe; 'JtT1t(at~ tv EVL (ergänze "Gebot"), yeyOVtv 1tclV"t'CI)V (erg. "Gebote") fVOl,Oe;3 ist nachweislich jüdischer Herkunft. Er findet sich in ähnlichem Wortlaut im Traktat Horajoth Sb, und zwar offenbar als eine Art Auslegungskanon, mittels dessen • Vla bar Jischma'el eine Verschuldung gegen ein Gebot zu einer allgemeinen erweitert: "Wer wegen 1 Ich bin mir dabei bewußt, daß eine ähnlich großzügige Auffassung vielleicht auch dem hellenistischen Juden erreichbar war; vom Standpunkt des Jak aus aber kommt doch das Prädikat "königlich" seinem Gesetz zu, d.h. dem, was er als Christ so nennt. I Die überlieferung ist nicht einheitlich. Zwar die vereinzelt bezeugten Varianten TtAtCKL, 1rAl'l~L, ~Al'jPc:xnxC; 't1lpij
12-
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Erklärung
des einen schuldig ist, ist auch wegen des andern schuldig" (es folgt die Anwendung auf "nicht schuldig"); eine Überlieferung im Midrasch Bemidbar Rabba 1 setzt die gleiche Regel voraus. Daß diese aber wesentlich älter ist, zeigt Gal53 und Ps. Klemens, Horn. 1314, wo offenbar auf sie angespielt ist!. Den in ihr enthaltenen Gedanken scheint man vor allem auf die im Judentum 'übliche Unterscheidung von kleinen und großen Geboten angewendet zu haben3 • Dabei zeigt sich dann zweifellos eine gefährliche Konsequenz jeder nomistischen Religion: das Auge verliert den Blick für die Wertunterschiede zwischen den einzelnen Forderungen, Rituelles tritt ebenbürtig neben Sittliches, Kleines neben Größtes. Und es ist psychologisch verständlich, daß dann gerade das Kleine besondere Beachtung findet, daß man, wie es der Spruch Mt 2324 sagt, die Mücke seiht und das Kamel verschluckt. Aber man darf doch nicht verkennen, daß jener Grundsatz innere Kraft und Größe hat: hinter dem gesetzwidrigen Handeln sieht man die gesetzwidrige Gesinnung, und die ist allemal zu verwerfen, gleichviel in welches Gebotes Übertretung sie sich äußert. Es ist doch bezeichnend, daß wir ein Gegenstück zu unserem Satz in dem stoischen Gedanken von der Solidarität der Tugenden (und Laster) finden: wer eine hat, der hat sie alle 4 • Augustin, Epistula 167 ad Hieronymum § 4, hat unsere Stelle mit diesem Satz zusammengebracht: at enim, qui unam uirtutem habet, omnes habet, et qui unam non habet, nullam habet. hoc si uerum est, confirrnatur ista sententia (seil. Tacobi). Augustin 5 empfindet offenbar den Widerspruch seines Christentums, das die allgemeine Sündhaftigkeit voraussetzt, mit dem Gedanken 1 Dort wird Bemidbar Rabba IX zu Nu 5,. (bei Wünsche, Bibliotheca rabbinica 1885, 152f.) erzählt, daß die Schüler des Rabbi Huna, des Vaters von R. Acha, sagten: "Unser Lehrer hat uns gelehrt: der Ehebrecher und die Ehebrecherin übertreten die 10 Gebote." Dann beweisen sie, inwiefern 9 von den 10 Geboten in der Tat durch den Ehebrecher verletzt würden, nur von einem, vom Sabbatgebot, wissen sie es nicht zu sagen; R. Huna gibt ihnen darauf die gewünschte Auskunft. t über Gal 53 s. unten. Ps. Klemens, Horn. 131, XIXL YIXP d 7t:X.vt'IX X!XA(X 8LGt7tPGl;IXLT6 T~, "'L~ Tjj 7t'pOC; -ro "'OLr.iJOIXO~L cilJ4PTl~ XO).IXOSijV<XL 8Ei, 0 7tPOqlT,TlJC; lqll) .. " 4Makk 5zo -ro yo:p Ev ",LXpO!C; XCXL tv fJEYtV.OLC; 7t!Xp!XVOIU!V loo8vv<x",6v tOTLV. Philo, Leg. all. III 241 p. 135 TOV 8e n).dwc; trxPIX'rij 8Ei 7tGlvt'IX qlE:uYE:W ":"0: ci"'IXpT7)IJ.!XU XIXL -ro IJ.E:l~w XIXL TO t).GlTTW XIXL tv "'l)8evL t~E:TGl~E:O&IXL TO 7t'CXpGl7t'!Xv. Pirke Aboth 2, steht ein Spruch des Rabbi Jehuda-ha-nasi mit charakteristischer Begründung: Sei vorsichtig bei einem geringen Gebot wie bei einem wichtigen, denn du weißt nicht die Lohnerteilung für die Gebote; Pirke Aboth 42 (Ben Azzai): Eile auch zur Erfüllung eines geringen Gebotes. - Zu erinnern wäre auch an Test. Asser 2, wo verschiedene Fälle der Erfüllung bestimmter Gebote bei Nichtbeachtung anderer geschildert und verurteilt werden: XIXL TOVTO 8mp6ow7t6v tOTLv, -ro 8i: öÄov xcxx6v tOTW 28. • Vgl. zu diesem Gedanken schon die Frage Plato, Protagoras 32ge Yj ciW:YXl) tGlvmp TLC; Ev Mßn, cX7tlXVT' fxEW; und sodann Diogenes Laertius VII 125 (Zeno) TOV ",lIXv (seil. ciprn,v) lXOVTIX 7tGlOIXC; lxE:w, Stobaeus, Eclogae II p. 63 Wachsmuth -rov yo:p ",lIXv fxOVTIX 7tGlOIXC; lxELV, Cicero, De officiis II 10 § 35 cum ... constet ... , qui unam haberet, omnes habcre virtutes. Philo, De vita Mosis II 7 p. 135 sagt von den Grazien zi-' wv 8c:6r.w<; d7tOL TLc; äv, 0 XIXL rnL TWV cipn'wv dw~ >.iyE:O&IXL, ön 0 ",l!Xv lxwv XCtL 7tIlOIXC; lxEL. Philo kennt die Lehre also in der Form eines anerkannten Grundsatzes (vgl. auch Oe virtut. 216 p. 442). r. Geliert hat in der vorausgeschickten Moral zu "Herodes und Herodias" gleichfalls beide Meinungen zusammengebracht. denn er leitet seine Weisheit aus "Schrift und Vernunft" ab:
Jak 2'.10
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der Stoa wie mit dem des Jak sehr stark l . Und er hat doch wohl damit nicht Unrecht, daß er beide parallelisiert, trotzdem sie einander ursprünglich nichts angehen. Denn wenn man die Formu::erung Phi los Leg. all. ur 241 liest (s. S. 180 A. 3), so kann man den Grundsatz jüdischer Gesetzespraxis kaum mehr von der stoischen Lehre unterscheiden. Es ist auch von vornherein wahrscheinlich, daß hellenistische Juden den gesetzlichen Gedanken in das Gewand der ihnen bekannten stoischen Lehre (siehe Philo, Vita Mosis 11 7 S. 180 A. 4) gekleidet haben; denn das hellenistische Judentum liebt es ja, sein nationales Gesetz mit dem Naturrecht gleichzusetzen. Daß Jak 210 yom Judentum beeinflußt wird, ist offenbar; ob für Jak auch die stoische Einkleidung maßgebend ist, kann man immerhin fragen. Jedenfalls würde auch der stoische Gedanke wie der jüdische für ihn nur als Gesinnungsforderung in Betracht kommen; und darum kennt er die Schwierigkeiten nicht, die Augustin empfindet. Lehrreich ist auch ein Vergleich mit Paulus. Er setzt den jüdischen Gedanken - und nur diesen - Gal 53 voraus, wenn er von jedem Beschnittenen Halten des ganzen Gesetzes verlangt. Man könnte den Grundsatz in seinem Sinn etwa so formulieren: wer dem Gesetz in einem Punkte zu Willen ist, muß ihm in allem folgen. Wer also dem Nomismus einen Finger gibt, muß ihm die ganze Hand lassen. Bei dieser Anwendung, zumal auf die rituellen Vorschriften des Gesetzes, hat jener jüdische Satz in der Tat Erschreckendes; Paulus will ja seine Leser auch mit ihm schrecken und von jedem Paktieren mit dem Gesetz abhalten. Aber Jak denkt, wie wir bereits bei 125 gesehen haben, bei "Gesetz" überhaupt nicht mehr an rituelle Vorschriften. Darum kann er getrosten Herzens die alte jüdische Regel nachsprechen: wer diesem Gesetz, das er "Gesetz der Freiheit" nennt, auch nur in einem Punkte zuwider handelt, der ist wirklich ein" übertretcr" des ganzen Gesetzes; denn dieses kann gar nicht in Einzelvorschriften aufgelöst werden. Vor judaistischem Verständnis seiner Sätze scheint Jak überhaupt keine Sorge zu haben, denn er gebraucht ebenso harmlos wie diese Regel auch die Worte v6fLOC;, €pya., !ia;:LAOC; CX1tO ":oü Freund, wer ein Laster liebt, der liebt die Laster alle. Wer ein Gesetz der Tugend übertritt. Entheiligt in dem einen Falle Im Herzen auch die andern mit. 0, sprichst du. welche Sittenlehre Gibt euch der Geist der Schwermut ein I Gesetzt, daß ich der Wollust dienstbar wäre, Werd' ich deswegen wohl der Mordsucht eigen sein? Ich glaub es. lieber Freund, du wirst es mir verzeihn; Schrift und Vernunft behaupten diese Lehre. Später heißt es: Verletze nur mit Vorsatz eine Pflicht, So hast du schon das schreckliche Vermögen. Wodurch dein Herz die andern bricht. Damit spricht Geliert das großzügige Verständnis der Regel aus. das sie auf die Gesinnung bezieht und das darum nicht von den auch bei Gellert erwähnten Bedenken gedrückt wird. 1 So sind auch die Versuche zu begreifen, die Geltung des Satzes einzuschränken, z. B. durch Beziehung des Ev ivL auf das Liebesgebot. vgl. Oec Theoph.
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Erklärung
xoatLCI:J. Und die Umprägung. die mit diesen Ausdrücken vorgegangen ist.
kann nun sicherlich nicht als sein Werk bezeichnet werden; andernfalls würde er mehr um das richtige Verständnis besorgt sein. Offenbar hat ihm auch hier das Diasporajudentum vorgearbeitet; denn dieses Judentum war bei seiner Propaganda zur Vereinfachung des Nomismus. zur Hintansetzung des Ritualismus genötigt. Und zugleich wurde es durch die Aufnahme hellenistischen Geistes zu einem rationalen Verständnis seiner eigenen Gesetze gebracht. das sich oft genug - und nicht nur bei Philo - von der pharisäischen Theorie und Praxis weit entfernt haben mag. s. den Exkurs zu 12&. In diesen Rahmen gehört auch das oben besprochene bei Philo ausgeprägte Verständnis jener Regel. Zur prinzipiellen und harmlosen Ungebundenheit gegenüber dem Ritualismus sind freilich erst die Christen gekommen. nur nicht Christen wie Paulus. die durch Worte wie v6tLoC; und lpyex immer an heiße Kämpfe und schwere Probleme erinnert wurden. sondern Christen anderen Schlages. deren Christentum ohne eigentlichen Bruch aus dem hellenistischen Judentum herausgewachsen war. So ist es zu verstehen. daß Stellen wie Jak 210.11 gemessen an den Ausführungen des Paulus zum Thema .. Gesetz". einen so harmlosen und untheologischen Eindruck machen 1. Daß Jak in der Tat die jüdische Regel uwer ein Gebot verletzt, verletzt alle", im Sinne einer Gesinnungsethik auffaßt, beweist V. 11. Darum gilt jene Regel, weil Gott hinter jedem Gebote steht, Sünde wider ein beliebiges Gebot also immer Auflehnung wider Gott ist l • Es ist möglich, daß Jak die Gebote hier in der Reihenfolge des Dekalogs anführen will; dann bildet unsere Stelle einen Beleg für die auch sonst bezeugte Ordnung der Gebote, die unser sechstes Gebot vor das fünfte stellt 3 • Was man aus I Hier könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht gerade die Harmlosigkeit des Jak beweise, daß er die Kämpfe des Paulus noch nicht miterlebt, also vor Paulus geschrieben habe. Dagegen spricht m. E. entscheidend der Abschnitt 21d., aber auch schon die Fassung von i~v.o<; 117, vgl. z. Stelle. Auch G. Kittel, ZNW 1942, 94-102, tritt für Abfassung des Jak vor dem vollen Ausbruch der Kämpfe des Paulus um die Ritualfragen ein. Die eigene Polemik des Jak (2td.) gehöre in ein vorprinzipielles Frühstadium dieser Problematik. Vgl. au<;h S.67 A. 2. I Wer die Absicht der Beispiele im Jak (vgl. Exkurs zu 21) vCl'l'kennt und daraus Rückschlüsse auf die Gemeindezustände ziehen will, wird es befremdlich finden, unter den hier genannten übertretungen des Gesetzes auch den Mord zu finden. G. Kittel, ZNW 1942, 87f., postuliert deshalb hier und für Jak 42 Bekanntschaft mit dem Herrenwort Mt 51t'. und paraphrasiert unsern Text: wcnn du das tust, was der Herr .. morden" genannt hat. Aber nirgends sonst im Urchristentum begegnet !pOvt:Ur:~" schlankweg als stehende Metapher für liebloses Verhalten, als technischer Ausdruck, der ohne jeden erklärenden Zusatz zu verstehen gewesen wäre. I So lesen B u.a. LXX Dt 511.tl, auch einige Minuskeln Ex 20td., während B dort das Verbot des Tötens erst nach dem des Stehlens bringt. Die Umstellung von Mord und Ehcbruch findet sich auch in dem hebräischen Papyrus, den F. C. Burkitt. Jewish Quarterly Review 1903, 392ff. veröffentlicht hat. Auch Philo setzt sie voraus De decal. 51. 121. 168. 170, De spec. leg. III 8, ferner Mk 10.. in einem Teil der überlieferung. Lk 1Sto (gegen Mt 19t1) Röm 131. Vgl. endlich Theophilus, Ad Autol. II 34 III 9, Klemens Al., Stromata VI 1463 1471 (und Quis div. salve 4 in der Wiedergabe der Geschichte vom Reichen). vielleicht auch die Aufzählungen Barn 20t Justin, Dial. 93. An unserer Stelle wird von einigen Zeugen wie C die masoretische Reihenfolge hineinkorrigiert.
Jak 211-13
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dem zweiten Satz des Verses 1 erschließen soll, bleibt wieder ungesagt; es ist offenbar zu ergänzen: "So seid auch ihr, wenn ihr andere Gebote haltet, euch aber mit eurem parteüschen Benehmen gegen das Liebesgebot versündigt", 7t<xp<xßOC't'<XL VOf.Lou - was zu beweisen war, s. v. 9. Und nun folgt V.12 eine Schlußmahnung zu dieser Abhandlung, die den Hinweis auf das "Gesetz der Freiheit" mit dem Ausblick auf das Gericht verbindet: Ihr werdet einst nach dem Gesetz gerichtet werden - und zwar nach dem "Gesetz der Freiheit"; der Ausdruck steht in demselben Sinn, wie wir ihn 125 kennengelernt haben. Und wenn man berücksichtigt, welchen Gebrauch Jak eben von jener jüdischen Gesetzesregel gemacht hat, kann man sich des Gedankens kaum erwehren, daß Jak hier die Anwendung dieser Regel auf Christen rechtfertigen wolle; sie gilt in der Tat auch den Christen, denn auch diese müssen vor dem Gesetz bestehen, nur eben vor dem "Gesetz der Freiheit"! Die Erwähnung von A<XAt~V neben 7tOI.&i:v mag auf katechetischer Gewöhnung beruhen: also handelt in Worten und Werken! V. 13 ist ein isolierter Spruch, denn zwischen 7tOLti:v eA&O~ und "die Armen gerecht behandeln" ist ein Unterschied. 7tOLti:v l>..toc;, in der LXX meist von Gott gebraucht, gilt vom Tun des Menschen z. B. Sir 291 0 7tou7>v l>..toc; 8<XVL&i: 't'~ 7tAljaLOv und vor allem in der Ermahnung Test. Sebulon 51. War in den Versen vorher von der Nächstenliebe die Rede, so hier von einer besonderen Betätigung der Nächstenliebe - und zwar keineswegs von derselben, die 2111. gefordert war. Die Zusammenhänge, die von den meisten Erklärern herausgelesen werden, sind also in Wahrheit eingetragen'; die einzige Verbindung zwischen 212 und 213 besteht in dem Anklang XPLV&O'&<Xt - XPLO'LC;; diese Verwandtschaft hat auch eine Wirkung auf den Inhalt: es kann der Satz vom Gericht als Begründung (yocp!) zu dem Hinweis aufs Gericht in V.12 eingeführt werden. Nur enthält die tatsächliche Pointe von v. 13 keine Begründung speziell für die leitenden Gedanken des vorhergehenden Abschnitts. Daß V.13 ein selbständiger Spruch ist, zeigt auch seine geschlossene Form: von XPLO'L~ führt er zu ekoc;, von eA&O~ wieder zu xp(O't~; dazu kommt das Fehlen der die bei den Satzhälften verbindenden Partikel. Dabei findet eine leichte Nüancenverschiebung statt: cX.veAEoc; (nicht cX.V(AEWC; oder ivf.>..to~, wie eine Reihe von Textzeugen schreiben) geht auf Gottes, lAEOC; auf des Menschen Barmherzigkeit. Der erste Satz will eine Anwendung der bekannten prophetischen wie rabbinischen Regel geben: womit jemand sündigt, daran Zu dem in der Koine normalen d ... 0,) s. Blaß-Debrunnerll § 428. 2 Gebser: "Gewiß liegt nehmlich der Begriff von herzlicher Theilnahme. Liebe. die der Partheylichkcit entgegengesetzt wird. hier in lM~." - Beyschlag: "Der Christ ... bedarf gleichwohl im Gericht der Barmherzigkeit. denn schlechthin hat er dem WJL(l<; ~p((X~ nicht entsprochen." Windisch: .. ln dem v6!L0<; ~p~ hat die Liebespflicht eine hervorragende Stellung; nur wenn sie verletzt ist, bleibt das Gericht unerbittlich." 1
184
Analyse
wird er gestraft. \~'ir kennen diese Anwendung aus Mt 182111.253411. (s. auch 57); sie ist aber auch jüdisch, s. Test. Seb. 53 eX&T& oov EAEO~ tv
vgl. auch 81-3, die Geschichte vom himmlischen Urteil über ein sündiges Weib Test. Abr. Rez. B Kap. 10 und die Ausführungen zur Sache im Traktat Sabbat 151 b. An dem Sinn des zweiten Satzes ist, wie die überlieferung zeigt, herumgerätselt worden. Die Koinezeugen haben tAtOV, andere XCl't'ClXClUi:OC(1).W und XCl't'ClXClUXaG&t 1. Das Richtige findet sich schon in dem Scholion: ~ YCtp tAEllfLoaU"1l 't'ou~ XCl&ClpW~ ClUn,V tPYCl~ofLevou~ t~ClP7tOC~t~ TY,~ xOA:iGtW~,
EV XCl~pii> -rii~ xp{GtW~ 7tClPCt 't'("il1).p6v~ EG't'WGCl 't'i:) ßClG~Atxc7).
Es ist derselbe Gedanke, der auch in dem paränetischen Abschnitt des Tobitbuches ausgesprochen wird: tA&1JfLoaU"1l EX ~ClVOC':"OU PUt't'Clt ••• 8(~pov ,
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(Tob 4101.). V gl. weiter Sir 3:10 DanieI424. An unserer Stelle gelangt der Gedanke infolge der Prägung des Spruches zu besonders kräftigem Ausdruck.
4·
3b~anblung:
uon (Jlaubtn
un~
lIJrrPrn 214-26
Analyse Ein Zusammenhang mit der vorigen Abhandlung ist nicht zu behaupten; wer zwischen dem Beispiel 2151, und dem Satze 21:1 eine Verbindung konstruiert, übersieht. daß bereits dieser Spruch isoliert ist. und daß jenes Beispiel eben nur ein Exempel ist, keineswegs aber die Pointe des Abschnittes darstellt. Diese ist vielmehr in der einleitenden rhetorischen Frage v. I~ ausgesprochen: der Abschnitt handelt von Glauben und W'erken und dem Zusammenhang beider; es bestätigt sich hier, was in der Analyse des vorhergehenden Abschnittes über die thematische Bedeutung der einleitenden Sätze gesagt wurde. Und ebenso wie in der vorigen Abhandlung folgt auch hier auf diese Einleitung die Schilderung eines Einzelfalls v. 16.16; ihr "stilisierter" Charakter schließt die Frage, wann und wo derartiges geschehen sei, aus; über diesen Charakter kann hier noch weniger Zweifel obwalten als bei 22-~. Aber es besteht auch ein Unterschied zwischen beiden Stellen: Jak bringt hier nicht wie dort ein Beispiel für die gerügte Gesinnung, sondern er zieht einen andersartigen Einzelfall zum Vergleich heran. V gl. außer der Erklärung auch den Exkurs zu 22. V.17 zieht aus dem Vergleich die Folgerung und rundet so den ersten Gedankengang ab. 1 XIXTIXXIX\Jxia8IX~ TWOC; der Genitiv ist vom Präverbium abhängig, das hier und 3u "gegen" bedeutet, so ist das Verbum hier und Röm t 111 nach Analogie von XOtTOt,,(E)'iv, XIXTIXytU8Ea8IX~, XIXTClÄClÄE'LV (Jak 411) zu beurteilen, s. Blaß·Dcbrunner" § 181.
Jak 21.-2.
185
Wenn irgendwo, so muß bei dem zweiten mit v. 18 anhebenden Gedankengang die stilistische Betrachtung zunächst in den Vordergrund treten. Denn Jak gebraucht hier die in der Diatribe übliche Form der fingierten Diskussion. Er selber führt den Zwischenredner ein, er selber gibt ihm Antwort. Bezeichnend für die Schwierigkeit der Stelle ist es nun, daß man darüber streiten kann, wieweit der Einwand des Gegners reicht und wo die Antwort des Verf.s einsetzt. Hier haben selbstverständlich Argumente, die sich aus dem Inhalt ergeben, die letzte Entscheidung. Aber stilistische Gründe müssen zunächst das Gebiet abgrenzen, innerhalb dessen sich diese Entscheidung halten muß. In unserem Fall ergibt sich folgendes: 1. W-)..' Ept~ "a~ ist eine dem dialogischen Stil der Diatribe entsprechende Formell und dient zur Einführung des xw
186
Analyse: Jak 21.-11
- wie man sich aus Epiktet leicht überzeugen kann - das gegebene war: die Formel ?i)J.... tpt! 't't<; 1 leitet den Einwand eines Gegners ein. 2. Der Zwischenredner kann eine bestimmte Parteilosung, er kann auch die communis opinio vertreten, er kann endlich einen Einwand auftischen, der nicht besonders schwer wiegt, der vielmehr nur dazu dient, dem Verf. Gelegenheit zu neuer Bekräftigung seiner Gedanken zu geben. Das letzte wird dann der Fall sein, wenn dem Autor nichts an einer realistischen, auch dem Gegner gerecht werdenden Szene liegt, sondern vielmehr daran, einem konstruierten Einwand gegenüber das Richtige um so stärker leuchten zu lassen I. Da die Szene in Jak 2181r. keineswegs deutlich und realistisch ausgeführt ist - Beweis: die Unsicherheit der Ausleger über Person und Meinung des Zwischenredners - , so werden wir mit der Möglichkeit wenigstens zu rechnen haben, daß auch der Einwand v. 113 nur den Sophismus eines fingierten Gegners enthält, nicht aber einen ernsthaft zu beachtenden Gegengrund. 3. Epiktet trug seine Diatriben vor; er konnte durch Tonfall und Gebärdensprache andeuten, wo des Gegners Rede zu Ende ging und wo seine eigenen Ausführungen wieder einsetzten. Weder dieses Hilfsmittel noch das moderne der Anführungszeichen kann Jak brauchen; wir werden erwarten dürfen, daß er auf andere Weise andeutet, welches seine eigenen Worte sind. Ganz klar ist das v. 10: der dort Angeredete ist durch das gegen ihn gebrauchte Scheltwort gekennzeichnet 3 : es ist der Zwischenredner; seine Rede, die v. 18 anhebt, muß also vor v. 10 zu Ende gehen. Weiteres läßt sich mit stilistischen Gründen nicht beweisen. Auf den Einwand folgt also entweder noch in v. 18b oder in v. oder nur in v. ~o die Erwiderung des Autors. An diese schließt sich das Abraham-Beispiel in v. 21-llS. Und mit v. u läßt der Verf. den Dialog mit dem xW
1.
1 lKor 15:11 heißt die Formel ci).).' ipc'L~. Der unbefangene Leser wird Jak 211 ebenso lesen; völlig ausgeschlossen ist allerdings die von Gebser u. a. bevorzugte Interpunktion nicht ci).).', ipc'L ~, cN 7tlcmv fxc~. I Man vergleiche Epiktet I 4111. Es ist nicht realistisch geschildert, sondern bewußt konstruiert, wenn Epiktet einen Athleten einfUhrt, der auf die Bitte 8c~6v jJ.CX TOÖt; c':)jJ.~ antwortet r3c I'0U -:W<; ciA~t; (Hanteln). Und ebenso ist es konstruiert, wenn der schlechte Philosoph auf das Ersuchen 3c~6v aou rljv 7tpOXO~V erwidert ~ -rlJv m:pt 0pJL~ ~LV xa:L ~ m;)t; ~ ~xa:. Aber diese Konstruktion hat den Zweck, die jämmerlichen Ausflüchte der Leute bloßzustellen, die bloß philosophische Bücher lesen, aber nicht danach leben und die Forderung EpiktelS einzuprägen: tivajXi1t08ov, O\' '\'OÜTO (das civcryL~LV) tl)TC;), «AM: 7twt; Op~ xOtl cXfop~, 7tWt; bpiyn xa:L bocAhCLt; •••• I Zum Scheltwort vgl. R. Bultmann, Stil der paulinischen Predigt 1910. 14. 60f. und lKor 15H. Auch die eigenartige Verwendung von (oU) &ü.at; scheint zum Stil zu gehören; vgl. Epiktet IV 6, 18 (Schenkl p. 412) und das Reg. sv (8). • Darum ist es auch unmöglich, daß mit v. 1:1 erst die Rede des Zwischcnredners zu Ende geht (Gebser); es würde dann jede Erwiderung des Autors fehlen.
Erklärung: Jak 2u
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Resultat der Abraham-Betrachtung vorgeführt wird, sind wieder die Leser. Ihnen wird v. 25 nun das Rahab-Beispiel vorgetragen, an das sich v. 26 das Resultat der ganzen Betrachtung anschließt. Nun sind aber Abraham- und Rahab-Beispiel zweifelsohne als Parallelen gedacht (siehe O!J.OLW:; 225). Und trotzdem wird der Form nach das erste zu dem «'II.s-PW7tO~ i(C:'/6~ gesprochen, das zweite zu den Lesern, die bereits v. 2' wieder angeredet sind. Wir sehen also deutlich, wie wenig dem Autor auf die realistische Verlebendigung der Dialogszene ankommt. Die Einführung des Zwischenredners ist hier viel mehr eine Sache der rhetorischen als der dramatischen Kunst - es bestätigt sich also die unter 2. erwogene Möglichkeit. Und zwar handelt es sich, wie eben gezeigt, um eine schon gewohnheitsmäßig gewordene, abgebrauchte Technik, deren Künste den Lesern bekannt sein müssen: dann aber haben wir kein Recht, in dem 't't~ v. 18 jemand anderen zu sehen, als den, dem man solche Zwischenreden gewöhnlich in den Mund legte, einen Gegner. Und so bestätigt sich auch die unter 1. vorgetragene Annahme. Erklärung V. 14. Die rhetorische Frage, die an ähnliche Formeln der Diatriben Epiktets anklingt 1, gibt das Thema an (s. die Analyse zu 21-13). Die folgende kleine Abhandlung richtet sich also gegen Leute, die sagen, daß sie Glauben haben. aber in ihrem Leben keine Werke tun; wir dürfen aus dem nächsten Satz ergänzen: solche Werke. die sie "retten" können. Was mit ,.Glauben" gemeint ist. sagt Jak nicht; also kann es ihm auch unmöglich auf einen theologisch zugespitzten Glaubensbegriff ankommen. Hier ist kein Lehrbegriff vorausgesetzt, sondern die vulgäre Bedeutung des Wortes Glaube, dieselbe. an die Jak 21 denkt: der Christenglaube. dem jeder Getaufte angehört. Auf diesen Sinn weist auch das vielumstrittene Atyn. Denn es ist nicht ohne Belang, daß Jak AEyn schreibt und nicht i~'II 7tLO"'t't'll 't't~ ~x:n. Ein Mensch, dessen Glauben sich nicht in Taten ausdrückt. kann ihn nicht anders als durch Worte zeigen; darum wohl scheut sich der Verf. vor dem Ausdruck &~'II 7tLO"Tt'll .. tC; ~Xll' Andererseits darf man nicht aus Atyn herauslesen, was man früher sogar aus dem Fehlen des Artikels vor 7tLO"'tW schloß: daß hier ein falscher, daß nur ein angeblicher Glaube gemeint sei. Der richtige Glaube wird diesem angeblichen ja nic gegenübergestellt. Wieviel Glaubensernst Jak voraussetzt, ob er bei Atytt'll nur an Gespräch und Bekenntnis. ob er auch an Gottesdienst und an Gebet denkt, ist eine müßige Frage; man verwechsele auch hier nicht paränetisches Beispiel und historisches Zeugnis! Jeden1 Die Lesart 'rt IXpdcx; bei B C· Jak 214.18 kann infolge Abspringens von -n zu TO entstanden sein; es könnte sich aber hier auch der alte Text erhalten haben, dem gegenüber ,6 Korrektur wäre.
188
Erklärung
falls gilt es für Jak: der Glaube, der sich nicht in Werken kundtut, kann niemanden retten; dies ist der Sinn der zweiten Frage. Der Glaube aber nicht, wie viele Erklärer von Beda bis Mayor betonen: dieser Glaube; es war ja von gar keiner besonderen Art des Glaubens die Rede (s. oben). Die einzige nähere Bestimmung, die in ~ 7tLa'n; ausgedrückt wird, ist diese: Glaube, der keine Werke "hat" (ff: numquid potest fides eum sola saluare?) - aber eben doch christlicher Glaube und nicht "angeblicher, falscher Glaube". Und genau so wie bei dem Worte "Glaube" muß man auch bei "retten" alle theologischen Determinationen vergessen und all die verschiedenen Antworten auf die Fragen "wovon" oder "wodurch" beiseite lassen. Daß christlicher Glaube rettet 1, ist gemeinchristliche überzeugung, und -da das Urchristentum eine eschatologische Religion ist, bezieht sich diese überzeugung zunächst auf das Endgericht ; und so offenbar auch hier, denn ÖUVot't'otL weist eher in die Zukunft als in die Vergangenheit: kann ihn der Glaube retten, wenn's soweit ist? Die Meinung ist sichtlich diese: Glaube allein kann ihn nicht retten - aber das heißt nicht, daß \Verke allein ihn retten könnten. Der Vers redet ja nur von \Vcrken, die Gläubige tun; denn epyot öz f.I.~ EZ?l heißt es ausdrücklich von dem hier getadelten Christen; also gilt dem Verf. als der natürliche Zustand dieser, daß ein Mann, der sich zum (christlichen) Glauben bekennt, auch ,,\Verke hat". VV. 15. 16 wird ein Einzelfall dargestellt. Man könnte zunächst auf den Gedanken kommen, daß es sich um ein einfaches Beispiel für Glauben ohne Werke handele - so unvermittelt setzt die Darstellung ein 2. Aber diese Meinung ist irrig 3 • Denn abgesehen davon, daß der Wunsch "gehet hin in Frieden" kein Ausdruck des Glaubens, sondern vielmehr einer gewissen freundschaftlichen Gesinnung ist, beweist auch v. 17 deutlich, was Jak meint: er will nicht den werkelosen Glauben schildern, sondern ihn mit einem Fall von werkelosem \Vohlwollen vergleichen. Das tertium comparationis ist die Unfruchtbarkeit; so vergeblich guter \Vunsch ohne tatkräftige Hilfe ist, so vergeblich Glaube ohne Werke. Allerdings ist es wohl kein Zufall, daß in dieser "kleinen Parabel" (Ropes) gerade ein Fall von Vernachlässigung der Armen erzählt wird, also ein Fall aus dem Gebiet, auf dem Jak besonders gern ,,\Verke" der Christen sehen würde. Aber trotzdem: der Einzelfall ist kein Beispiel, sondern ein Vergleich. 1 Ober a~~ELV vgl. Wagner. ZNW 1905. 205ff.• andrerseits meinen Exkurs zu 2Tim 110 im HNT 21931. 2 Dieses Urteil würde auch gelten. wenn mit AC und den Koine-Zeugen i«v 8i zu lesen wäre; 8i wäre ja doch nur eine sehr lockere Anknüpfung. nicht etwa Einleitung der Polemik gegen einen fingierten Gegner - der erscheint erst mit v. 18 auf der Walstatt. Dieses 81: ist aber wohl als Versuch einer Verbindung anzusehen. S Sie vertritt R. Kübel. Ober das Verhältnis von Glauben und Werken bei Jak 1880, 36; vgl. dagegen Schwarz, StKr 1891, 709.
Jak 21~-17
189
Und wenn schon beim Beispiel - vgl. den Exkurs zu 22! - gelten würde, daß nicht Geschehenes bezeugt, sondern nur Mögliches angeführt werden soll, wieviel mehr beim Vergleich! Unmöglich ist's freilich nicht, was der Verf. annimmt, aber wir sehen ja, daß er nicht scheltend dreinfährt; also ist ein solcher Fall ihm wohl kaum als tatsächlich berichtet worden, geschweige denn als geläufig. Und kein Erklärer hat das Recht, die Gemeinden des Jak als entartet zu bezeichnen, weil der Verf. hier einen Fall von mangelnder Hilfsbereitschaft konstruiert. Daß es sich um Konstruktion handelt, zeigt auch die Einzeluntersuchung. Ein Bruder oder eine Schwester - es liegt also kein bestimmter Fall vor - haben nichts anzuziehen - dies ist der Sinn von YU(J.'/Oc; 1 - und nichts zu essen. Die bei den großen Lebenssorgen (siehe Mt 625ft.) 2 bedrücken sie. Alles ist so typisch wie möglich, auch die Ausdrucksweise "der ~äglichen Nahrung entbehrend" 3. Typisch ist auch, was der wohlmeinende, aber nichts helfende Gönner sagt: U7tocy&'t'& €v e:tp~vll ist der jüdische Abschiedsgruß (siehe Richter 188 lSam 117 2042 297 2Sam 159 Judith 835 Jubil1818 Mk 534 Apg 1636), also etwa "laßt es euch wohlergehen". Die folgenden Worte zeigen deutlich, daß sie stilisiert sind; im Ernstfall gesprochen würden sie eine Verhöhnung bedeuten, und Jak will ja gerade zeigen, wie nutzlos freundliche Gesinnung ohne Tat in solchem Fall ist. Dabei ist es gleichgültig, ob man die Imperative als Passiv oder als Medium erklärt. 3-&P(J.cxtV&LV steht wie Hagg 16 Hiob 3120 mit Beziehung auf die Kleidung, also etwa: "Zieht euch warm an und eßt euch satt." Auch E7tL't'ij8&LOC; ist, trotzdem es im Neuen Testament nur hier vorkommt, ein ganz geläufiges Wort zur Bezeichnung von des Leibes Nahrung und Notdurft 4. Der V. 17 ist in seiner Bedeutung für die vorhergehenden Verse schon besprochen. Er führt den Vergleich durch; das tertium comparationis ist dabei durch ve:xpoc ausgedrückt s. Fraglich erscheint nur xcx3-' ECXU't'ijV; es kann "für sich allein" übersetzt werden, also wie ff es ausdrückt: sic et 1 Für die Geläufigkeit dieser Bedeutung in der Volkssprache vgl. P. Magdola 67, P. Fayum 1220, BGU III 846., wohl auch P. Oxy. IV 839. I In den Worten Jesu wie des Jak fehlt die dritte große Lebenssorge der Gegenwart, die Sorge um Wohnung. Im Evangelium erklärt sich das aus der wirtschaftlichen Lage Galiläas; aus unserer Stelle aber darf man keinen Schluß auf die Umwelt des Jak ziehen, denn er will ja gar nicht alle Arten von Bedürftigkeit aufzählen. 3 V gl. Oionysius HaI., Ant. VIII 4 15 a.~)..~ EX rijc; otxl(Xc; tJ.6voc;, W)"IMZLXEC;, &80u)..0c;, &7r0POC;, oü8t T1jv E!PlJIUPOV 0 8Ucrrrjvoc; tx TWV hUTOÜ XPlltJ.CiTWV TpO
itPO(7(XtTwv x(Xt -;ijc; t!pllfdpou TPO!pljC; cX7rOpWV.
, V gl. z. B. die Indices von Oittenbergers Sylloge und Orientis Graeci inscriptiones selectae; bezeichnend ist Or. inscr. I 200231. (4. Jh. n. ehr., aber nichtchristlich) 8wplJmlfUVOt (XU':'OLC; miV't'(X Ta: tmT7j8(E)14 x«(Xt) «XtJ.!pt&.(7(XV't'EC; (XUTOUc;, vgl. auch P. Hibeh I 11010 clJV.OWL dc; Ta: bttT7j8[E]t(X (ebenso P. Lilie I 2535), 1Makk 143& x(Xt oo(X mt-r7J8EI4 7tpOc; T1j TOU-rWV t7r(X\lOp&W
190
Erklärung
fides, si non habeat opera~ mortua est sola (Gebser, Kühl, Stellung des Jak zum alttestamentlichen Gesetz 28, Köhler, Glaube und Werke im Jak 11) oder uin sich", wie es vulg versteht: in semetipsa (Beyschlag, Soden, Mayor, Belser, Ropes). Die erste Übersetzung läßt sich als tautologisch, die zweite als überflüssig ablehnen. Die Parallelen der LXX Gen 30iO 4332 2Makk 1313, wo xa&' eClU't'6v .,besonders" heißt, sprechen ebenso wie Apg 2816 (auch Röm 1422?) für die erstgenannte Bedeutung, ohne daß sich vollkommene Sicherheit erreichen läßt. Nun versuche ich die Erklärung des problematischen V. 18 und damit einer der schwierigsten neutestamentlichen Stellen überhaupt. Die literarische Analyse des ganzen Abschnitts hat uns bereits mit stilistischen Argumenten vorgearbeitet. Ich habe dort gezeigt, daß &J.J..' Epe:i: 't'L~ jedenfalls den Einwand eines Gegners einführt und daß dem Erklärer zunächst die Untersuchung obliegt, wieweit des Gegners Einwand reicht, und von welchem Punkte an der Verf. wieder das Wort nimmt. StiHstische Gründe können nur beweisen, daß Jak offenbar in v. 20 wieder redet: der xe:voc; Iiv&pw7toC; ist der Zwischenredner (vgl. die Analyse). Von diesem sicheren Punkte aus schließen wir rückwärts. In v. 20 wird die Annahme bekämpft, Glaube ohne Werke könne etwas ausrichten oder - nach v. a ausgedrückt - er könne retten. Dieser Glaube aber ist es offenbar, den v. 19 ad absurdum führen will; wenn Christentum nicht mehr sein soll als was die Dämonen auch haben, muß es schlecht um diesen Glauben stehen. Also redet schon v. 19 der Verf., er will zeigen, wie unchristlich .,Glaube ohne Werke" aussieht. Danach könnte man mutmaßen, v. 19 sei die Antwort auf das v. lsb gestellte Verlangen .,zeige mir deinen Glauben ohne Werke", v. lsb sei also Rede des Gegners. Allein jenes Verlangen ist, wie die Fortsetzung beweist, doch wohl ironisch gemeint: du wirst den Glauben ohne ~'erke nicht zeigen können, wenigstens nicht zeigen können, daß er etwas taugt. Und von derselben Gesinnung ist v. 19 getragen: es ist eine ironische tX7t68e:L~LC; des Glaubens ohne Werke mit dem Ergebnis, daß dieser Glaube nichts wert ist. Also redet v. lsb dieselbe Person wie v. 19, nämlich, wie aus v. 19 bereits bewiesen ist, der Verf. Er ist es, der die ironische Aufforderung "zeig mir deinen Glauben ohne Werke" ausspricht, und nun in der Gewißheit, daß der Angeredete dem Verlangen nicht nachkommen wird, die cbt68e:L~LC; selber in V.19 vornimmtl. 1 Auch diese Art der ironischen Aufforderung ist in den Diatriben Epiktcts nicht ohne Beispiel. I 27. will er zeigen, daß man dem Tode nicht entfliehen könne und sagt:
KGlt TrOÜ CPUyw ..ov .&cXVGl't'ov; fLlJWCJGltt fLOL ~v XWp<Xv, fLlJvUaa'n «'I&PW7tou<;, dc; oü<; «7tß&w, t:~ o()c; OU 7tGlpaßcü.At:L, fLlJWaGl't'E rnGloL8~v· d fLTj lxw (man kann also dergleichen nicht finden), 't'( fLE .&b.trt: 7tou:iv; II 11 weist Epiktet darauf hin, daß jeder meine, die 7tPO).~~t:LC; richtig den Einzeldingen anzupassen und fragt lxELc; OUV 8E~Gl( 't'L ~fLiv 7tpOc; ..0 Glu't'llC; l
sogleich mit einem Beweise ad absurd um: der Rasende hat dieselbe Meinung von sich. Noch deutlicher ist III 22". Dort fragt Epiktet den unberufenen Mahner (der selber
Jak 211
191
So bleibt also als Einrede des Zwischenredners nur noch v. 18a übrig, d. h. wenn man die geläufige, durch Stil und Satzbau nahegelegte Interpunktion annimmt, diese Worte: aU ~((J't'w lXEL~ xciyw fpyCl lxw 1. Und damit stoßen wir auf die eigentliche Schwierigkeit der Stelle: dieser Einwand, in dem der Redende sich die Werke, einem anderen aber den Glauben zuschreibt, scheint gar nicht von einem zu stammen, der Gegner unseres Verf.s ist; der Redende scheint sich ja gerade auf Werke zu berufen I In dieser Schwierigkeit liegt der Ausgangspunkt der "Sekundantenhypothese" ; da sie aber, wie in der Analyse gezeigt ist, aus stilistischen Gründen nicht annehmbar erscheint, so gilt es, andere Wege zur Lösung des Rätsels zu suchen. Es bieten sich drei solche Wege dar; erstens: man versucht unter den dargelegten Voraussetzungen dem Wortlaut einen Sinn abzugewinnen; zweitens: man probiert es mit einer anderen Interpunktion und endlich drittens: man nimmt Textverderbnis an und versucht den ursprünglichen Text zu rekonstruieren. 1. Was an dem vorliegenden Wortlaut Befremden erregt, ist zunächst dies daß auf "du hast Glauben usw." geantwortet wird "zeige mir deinen Glauben". Das läßt sich nur verstehen, wenn man Rede und Gegenrede weiter liest. Der Gegner sagt: "Du hast Glauben und ich habe Werke" - im ersten Glied ist also offenbar Glaube ohne Werke gemeint. Darauf antwortet der Verf.: "Zeige ihn mir erst einmal, diesen von dir behaupteten Glauben ohne Werke"l. Nur so, von der Behauptung, nicht von dem Besitz des Glaubens ohne Werke nicht nach dem lebt, was er sagt): TLe; yeXP d; /) TtltÜPOC; d Yj i) ß«oV.Laoo: TWV fUAUJ(Jwv; Bc~6v ELOL TeX oU!'ßOAel 'tijc; i)'yEII-0vLa:c; ••• natürlich kann es der Angeredete nicht. cl Be Kl)q>1jV d fährt Epiktet weiter fort, d. h. jener ist in der Tat eine Drohne. Etwas anders liegt die Sache ill 2611(., .wo Epiktet den Gegner zwar auch ironisch auffordert, ihm zu zeigen, was die Menschen glücklich macht, dieser aber sich noch zu einer Antwort aufschwingt 1.800 8CLXWc.l, nur allerdings kläglich genug: cXV!XAOOCol (JOL crullOYLCJELO~ d. h. in Wahrheit kann er es nicht zeigen. Vgl. auch das S. 186 A. 2 angeführte Beispiel. Anders gewendet ist die Ironie bei dem christlichen Apologeten Theophilus, Ad Autol. I 2 cXllci Kell cciv q>1jc; ..aEL~OV II-0L TÖV &t:6v CJOu", xciyw (JOt E(7tOLII-L «v ..8E~6v II-0L TÖV «'I&pCol7t6v CJOU xcXyw CJOL 8E~Col TÖv &t:ov II-0u". Die Stelle bezeugt natürlich nicht die Abhängigkeit des Theophilus von Jak, sondern nur seine übung im Stil der Diatribe. Ein weiteres Beispiel Epiktet I 1h: Der Gesprächspartner meint, sein verzweifeltes Weglaufen vom Krankenlager seines Töchterchens sei q>ucnxwc; geschehen. Epiktet: 'AllQ: II-1jv TOÜTO ELC 7tE:LCJOv,lq>l), oU, 8Lon q>ucnxwc;, Kell Cyw (JE: 7tE:LaCol, 6n 7tiiv TO KelTeX q>UaLV ytvOiJ.E:VOv 6p&Wc; ylVCTelL (das 7tE:L(JOV wird 111 wieder aufgenommen: 8EL;OV oiJv II-0L oU, 7tWc; KelTeX q>OOLV cCJ't'Lv). Hier ist besonders interessant, daß auf die Aufforderung, den unmöglichen Nachweis anzutreten, sofort die Ankündigung dessen folgt, was der Redende selbst zu beweisen gedenkt, wie Jak 211b. Und das, obwohl der Partner dann noch einmal das Wort ergreift, um sich zu rechtfertigen, was ihm Jak 2.. vom Verf. abgenommen wird (s. oben). Zum ironischen Imperativ vgl. auch R. Bultmann, Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe 1910, 32f. 1 über andere Fassungen der Einrede infolge besonderer Interpunktion s. unten. I Die Koine-Lesart EK TWV lpyColV könnte noch ironischer gemeint sein als die Lesart lColpLc;; aber die in der folgenden Anm. besprochenen Koine-Korrekturen an dem Vers beweisen wohl, daß auch diese Lesart Korrektur (oder Konformation nach v. lab) ist.
192
Erklärung
kann GOU in diesem Zusammenhang verstanden werden. Offenbar ist die Meinung die, daß man solchen Glauben überhaupt nicht gut zeigen kann, s. v. 19; das paßt zu dem, was bei )JY?l v. J.I gesagt wurde. Weiter sagt der Verf.: ,.Ich will dir aus meinen Werken den Glauben zeigen." Nur darin kann sich der Glaube offenbaren; eben dies muß der Gegner also bekämpft haben. In v. 18a ist also - nach der Replik in v. ISb zu schließen - nicht die Vertei I ung von Glauben und Werke auf du und ich die Hauptsache, sondern die Teilung von Glauben und Werken überhaupt. Das läßt sich vielleicht noch mit einem stilistischen Beweis wahrscheinlich machen. Was in v. 18b einander gegenübergestellt wird, ist ja gar nicht "dein Glaube" und ,.mein Glaube", sondern ,.dein (Glaube) ohne Werke" und ,.meine Werke". Das erstere würde man erwarten, wenn gesagt werden sollte, daß der eine den richtigen Glauben, der andere den falschen habe; so ist es aber nicht gemeint, Jak unterscheidet ja gar keine Glaubensbegriffe - siehe zu v. I' - ; was er bekämpft, ist die Trennung von Glauben und Werken. Darum steht in v. ll!b das Pronomen zuerst bei 7t(a-rLC;, nachher bei lpy(tl, und es ergibt sich die stilistisch reizvolle Verschränkung: ~v 7t(GTLV GOI)
lwptC;
TWV
lpywv
X EX
TWV
Epywv
fLOU
n,v
7t{lT':'tV
Die Verteilung auf Du und Ich ist Nebensache·; Jak behandelt den Zwischenredner, als wenn er gesagt hätte: "Der eine hat Glauben, der andere \Verke."3 I Die Koine-Lesarten crou zwischen fpyw" und dyw (auch C 'Y 1175) und ""ou nach 7tUm" (auch 1.ß7' A '11 verderben diese Verschränkung; sie sind offenbar von der Auffassung aus entstanden, daß es sich vor allem um die Verteilung von Glauben und Werken auf "mein" und "dein" handele. I Ropes macht auf eine Stelle bei Teles aufmerksam, an der "du" und "ich" in ähnlicher Weise einander gegenübergestellt werden. Teles will, eine Lehre Bions weitergehend, dazu ermahnen, daß jeder seine ihm vom Schicksal zugewiesene Rolle spielen müsse (p. 3 Hense): ",,1) ßou).ou 8cu'rtpoÄ6yo<; l.l" -ro 7T'pCol't'OÄ6you 1tp6aW1ro'\/ (die Rolle des Protagonisten). d 8e ""iJ, MpILOOTO" Tt 1tO~+;cn:~. Hier ist also die "zweite Kraft" angeredet; aber nun fährt Teles mit cN und tyw fort, und tyw scheint nun der eben noch vermahnte ~po).6-yoc; zu sein: cN J.Ch &PXE~ xa).WC;, tyw 8~ &PXo!J.IX~, ~71aL, xIXt aU !-Il'1 1tOllhJ" iyw Be ~ 't'OU't'Out rntL&ryw~ ycv6~, )((Xt aU !Jlv EÜ1tO~ ycv6~ 8(8wc; iAeu&cp(wc;. iyw Be M~ EUDcxpaW<; 1toxp« croü OUX umm(1tTwv oU81 ci"(cvv(~wv oU8e 1U""IjIt""O~v. Man kann diese Verteilung von cN und tyw nicht erwarten, sondern - genau wie bei Jak nur aus dem Inhalt erschließen; sie erklärt sich aber ähnlich wie bei Jak daraus, daß dem Verf. nichts daran liegt, aU und tyw wirklich zu identifizieren. a Ansätze zu dieser Deutung bei Erasmus; es handele sich um zwei Zwischenredner, die einseitig ihre Parolen - Glauben bzw. Werke - vertreten. Jak bekämpfe beide. Auch Klöppcr, ZWTh 1885,291 ff., versucht mit dem überlieferten Text fertig zu werden unter der Annahme, der Zwischenredner sei ein Gegner; aber bei ihm spielt das Gegenüher von du und ich eine zu große Rolle (Ähnliches gilt von Mehlhorns Aufsatz, Prot. Monatsh. 1900, 192ff.). Auis engste berührt sich meine Deutung mit der von A. Pott (Annotationes in J. B. Koppe. Novum Testamentum 31816), H. Bouman (Commentarius perpetuus in Iacobi epistolam 1865) und Ropcs (Expositor, sero 7, vol. 5, 547ff.). Auch sie nehmen an, daß cru XOt"(w Iacobus adhibet pro cxlloc; XIX~ cxlloc; (Pott); aber ich möchte doch nicht, wie Ropes im Kommentar. in den beiden Redenden two representatives of different types of religion sehen, sondern v. 1•• nur für eine sophistische Ein· rede halten, die Jak konstruiert, um seine Gedanken daran zu entwickeln.
Jak
218
193
,,'Weit gefehlt", erwidert Jak, "denn vom Glauben kann man nicht auf die Werke, wohl aber von den Werken auf den Glauben schließen." An wen denkt er aber, wenn er einen so spitzfindig redenden Gegner einführt? In der Analyse ist unter Nr. 2 gezeigt, daß es sich bei einem solchen zu literarischem Zweck herbei gezogenen Einwand häufig gar nicht um eine Anspielung auf einen wirklichen Gegner handelt, sondern um eine bloße Konstruktion. Die Möglichkeit, daß dies auch hier der Fall sei, wird zur Wahrscheinlichkeit, wenn man sich überlegt, welche Meinung oder welche Partei denn ein Zwischenredner vertreten sollte, der zu Jak sagt: "Du hast Glauben und ich habe Werke." Damit sollen nicht Parteilosungen wiedergegeben wer:den - die Losung n((T'n~ unserem Verf. zuzuschreiben wäre widersinnig - ; was mit dem Satze aU nLO"ny tXt~C;; x:rA. gemeint ist, kann nur eine Voraussetzung sein, und zwar eine falsche Voraussetzung. Was in der Zwischenrede liegen soll, ist also weder Judentum noch Moralismus 1 noch irgendeine aus der Geschichte bekannte Anschauung, sondern lediglich eine sophistischeTrenn ung von Gla u ben und Werken. Und diese bekämpft der Verf. nicht deshalb, weil sie in seinen Gemeinden als Lehrmeinung aufgetreten ist, sondern weil er am Gegensatz zu ihr seine Meinung entwickeln will. Aus diesem Grunde ist die Einrede so kurz, so spitzfindig und dadurch so rätselhaft gehalten; aus diesem Grunde ist auch die Debatte mit dem Zwischenredner so wenig durchgeführt (vgl. die Analyse). 2. Die zweite der erwähnten Möglichkeiten besteht in einer anderen Verteilung von Rede und Gegenrede. So läßt sich z. B. die Rede des Gegners auf die Worte aU nL(Tt'~y lXt~c;; beschränken; Verf. läßt sich von einem Gegner fragen "Du hast Glauben", setzt erst, gleichsam in Parenthese, hinzu: "Und ich habe Werke", um dann mit 8ti:~oy zu erwidern (v. Soden im Kommentar, ähnlich Menegoz, Rechtfertigungslehre nach PI und Jak S. 8 Anm.). Allein ist schon die Formulierung aU nLO"ny lXt~~ (ohne (.L~) mit dem Sinn "Hast du denn überhaupt Glauben?" befremdlich, so wird vollends die Einleitung der Rede des V erf. mit x~:yw sehr unwahrscheinlich 2. Man darf erwarten, daß deutlicher gezeigt werde, wo der Gegner aufhört und Jak wieder anhebt. Vgl. das, was in der Analyse unter Nr. 3 gesagt ist. Nach der hier dargelegten Ansicht aber würde x~yw das erstemal die Gegenrede des Verf. einleiten, das zweitemal sie fortsetzen. Diese Ungleichartigkeit wenigstens würde bei einer Deutung wegfallen, die xci.yw beidemal als Einführung der Antwort unseres Verf. ansähe; also: (der Gegner fragt:) "Du hast Glauben?", darauf ich: ,,Ich habe Werke." (Jener:) "Zeige mir usw.". Darauf wieder ich: "Ich werde dir aus meinen Werken den Glauben zeigen." Was gegen diese Erklärung spricht, ist vor allem der Stil des Satzes. Das bloße xci.yw drückt nicht den Gegensatz, und vor allem 8ti:~oy x't'A. nicht den Anfang der zweiten Rede des Gegners aus. Aber die soeben vorgetragenen Erklärungen bereiten auch eine sachliche Schwierigkeit. Sollte wirklich der Gegner dem Verf. nach dessen Worten Vgl. S. 185 Anm. 5. Man kann auch nicht sagen, daß xci"(w lp"(~ lxCiJ gewissermaßen nur den Satz cill' ipd TL<; fortsetze, die Einrede aber als Unterbrechung zu beurteilen sei. cill' ipd TL<; ist gar nicht Rede des Verf. in demselben Sinne wie es xci"(w lp"(~ qCiJ nach der unter 2 genannten Ansicht sein soll; cill' epd TL<; ist vielmehr literarische Formel; sie kann nur einleiten und nicht fortgesetzt werden. 1
Z
13 7162
Mc)ocrs Komm. XV, Dibclius, Jakobus
194
Erklärung
v. U-17 nichts anderes zu sagen haben als: .. Du hast Glauben?"l? Und vor allem: sollte er ihn, der eben von des bloßen Glaubens Nichtigkeit gesprochen, auffordern, diesen .. bloßen" Glauben lCa>Pl( "t'w'\/ Ip"(Ca>'\/ zu zeigen? Für ein aO
Jak 211
195
Die Lösungsversuche von B. Weiß (s. Nr.2), PReiderer und Spitta streben offenbar dasselbe Ziel an; sie wollen den Einwand des Gegners von der Antwort des Jakobus aus rekonstruieren. Und zwar eines ernsten Gegners, der von Jak ernst genommen wird, weil er auf solche Erwiderung in seinem Leserkreise rechnet. Die Frage ist, ob man damit dem Gegner nicht zuviel Ehre antut, ob hier wirklich ein ernster Einwand gegen Jak zu Worte kommt. Stilistische Erwägungen legen die Möglichkeit nahe, daß es sich nur um einen von Jak zwecks schärferer Behauptung seiner Gedanken konstruierten Gegner handelt. Wer solchen Erwägungen Raum gibt, wird die erste Lösung bevorzugen; andernfalls bleibt die dritte, zumal in der Spittaschen Form, empfehlenswert.
Das Verständnis des zweiten Satzes von v. 18 ergibt sich aus dem, was bei der Erklärung des ersten gesagt ist: der Gegner soll den in seinem Einwand vorausgesetzten "Glauben ohne Werke" aufzeigen, Jak verspricht seinerseits Glauben aus Werken zu beweisen. Der Gegner kann das Verlangen nicht erfüllen, da solcher Glaube eben nicht "zu zeigen" ist; so nimmt der Verf. selbst die von ihm geforderte Prüfung vor. Er versucht in V. 19 - offenbar der Zustimmung seines Partners sicher den fraglichen "Glauben ohne Werke" in dem einen Satz darzulegen c)'t'L d~ EG't'W 0 &E6~ 1 - , um ihn dann an den Pranger zu stellen: ein schöner Glaube! Den haben auch die Dämonen! Die Ironie ist unverkennbar; aber ebenso deutlich ist auch, daß hier die Eigenart gerade des christlichen Glaubens nicht zur Darstellung kommt. Daraus ergibt sich nun ein Zweifaches. Einmal bestätigt sich, was bereits aus anderen Beobachtungen erschlossen war, daß der Verf. im Bilde dieses Gegners nicht irgendeinen Zeitgenossen darstellen will. Wenn er eine aktuelle Anspielung beabsichtigte, so müßte hier ein spezifisch christlicher Glaubenssatz stehen, etwa mG't'e:UE:L~ Ö't'L öv't'w~ ljyep&Yj 0 XUPLOC; oder dergleichen 2. Der Verf. hat den Gegner nicht nach einem Modell gezeichnet; er ist nicht einmal als Typus gedacht; man hüte sich also, von diesem Verse aus auf den Glauben der christlichen Gemeinden zur Zeit des Jakobus zu schließen. Das Zweite aber, was man aus solcher Illustration des "Glaubens ohne Werke" sehen kann, ist dieses: der Autor steht in lebendiger Fühlung mit dem geistigen 1 Bei der Beurteilung der Lesarten muß man die oben angestellten religionsgeschichtlichen Erwägungen insofern berücksichtigen, als die Lesart dc; ~6c; ~
13·
196
Erklärung
Erbe des Judentums. Ihm liegt es am nächsten, hier diejenige Formulierung des monotheistischen Glaubens zu verwenden, die dem J udenturn aus Dt 64-9 geläufig war, doppelt geläufig, seit diese Stelle den Anfang des jüdischen Bekenntnisgebetes, des Schma, bildete; die Sitte des SchmaRezitierens am Morgen und am Abend ist aber noch im ersten Jahrhundert n. ehr. entstanden 1. Dieser seiner Herkunft entsprechend müssen wir unsern Satz übertragen; die Worte Dt 64 bedeuten für den betenden Juden nicht wie - mit Recht - für den Interpreten des Alten Testaments "Höre, Israel, Jahve ist unser Gott, Jahve allein", sondern: "Der Herr" ist unser Gott, "der Herr" ist einzig. Über dieser Beziehung zu jüdischen Texten darf man natürlich nicht vergessen, wie sehr der Gedanke und auch seine Formulierung der philosophischen Theologie der Griechen entgegenkommt; dc; &6c; ist von Xenophanes bis Mark Aurel' Bekenntnis aufgeklärter frommer Geister unter den Griechen. Die jüdische Propaganda wiederum hat sich diese Übereinstimmung ebenso zunutze gemacht wie später die christliche Apologetik: Philo hat das homerische dc; XOLPClVOC; taTW (B 204) in seiner Schrift De confusione linguarum 170 p. 431 auf den Monotheismus bezogen, Athenagoras hat zu ähnlichem Zweck einige in jüdischen Kreisen gefälschte Sophokles-Verse verwendet (supplicatio 5 S. 6 Schwanz). Gerade dieses Hin und Her zeigt, wie schwer sich Jüdisches und Griechisches hier trennen läßt 3 • Die Formulierung unserer Stelle jedoch weist unzweifelhaft auf jüdisches Erbe; man wird nur hinzufügen müssen, daß der Gedanke auch dem aufgeklärten Griechen verständlich, ja sympathisch sein mußte. Und alle, die diesem Bekenntnis ihre Sympathie bezeugen und nichts anderes aufzuweisen haben, trifft nun das Urteil des Jak: solchen Glauben haben auch die Dämonen. Er spielt hier auf einen auch sonst in der jüdischen und synkretistischen Literatur vorkommenden Gedanken an, daß die Dämonen vor Gott zittern·. Die besten Beispiele bieten der Zauber1 V gl. die Zeugnisse bei Oskar Holtzmann, Bcrakot (Die Mischna, hrsg. von Beer und Holtzmann) 1912, ~10; siehe auch zu Jak 57. I Xenophanes, Fragment 23 bei Diels, Vorsokratiker P 62: cIe; ~6c;, tv TE ~OrOt Xel~ cXvDpW7totot jdyCTt'Oe;, Mark Aurel VII 9 x6of.Loe; TE ytip cIe; l; cX7t~V't'wv Xelt atOC; ct<; 8tti 7tciV't'wv ..• V gl. auch Peterson, ct<; at6c;, Diss. Göttingen 1920. Petersons Dissertation ist 1926 stark erweitert unter dem gleichen Titel als Buch erschienen. Hier stellt er S. 295-299 Jak 21. in den größeren Zusammenhang der epigraphisch weitverbreiteten cI<; 3t6c;·Formcl und findet ihre apotropäische Funktion bestätigt in dem Hinweis auf das Zittern der Dämonen. Nach P. ist die Formel mit der Aion.Theologie verbunden. Er findet, daß die Lesart von B (vgl. S. 195 A. 1) gerade nicht der Anpassung verdächtig, sondern wegen ihrer übereinstimmung mit der epigraphisch gut bezeugten Formel ernsthaft in Betracht zu ziehen sei. :I V gl. meinen Aufsatz: Die Christianisicrung einer hellenistischen Formel, Neue Jahrb. f. d. klasse Altertum 1915, 224ff. , G. Kittel, ThLBI 44, 1923, 4, weist zu Jak 2•• auf die Reaktionen der Dämonen bei der Begegnung mit Jesus hin (Mk 1s. 57 U. a. m.). Der Gedanke vom Zittern der Dämonen sei also .. nicht theoretische Spekulation, sondern ein Stück an der Geschichte J csu gebildete Anschauung des Urchristenturns" .
Jak 220-14
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papyrus ed. Dieterich, Jahrb. f. Phil., Suppl. 16, 1888, 808 XUPLt, ou tG'nv Tb XPU1t':"ov ovo!J.oc OCPP'1lT(JV, 0 OL 8OCL!J.OVtC; cXXOUGOCVTEC; 1tTOOÜVTOCL und der große Pariser Zauberpapyrus 3017 f., wo es von dem Täfelchen, das dem Leidenden um den Hals gehängt wird, heißt 1tocv-roc; 8OCL!J.OVOC;
Was hier von Christus gesagt wird, erscheint anderswo als Prädikation der Gottheit, vgl. Acta Philippi 132 p. 63 't:' ' B onnet "EE O'V rpPLTTOUGLV OL 1t%'VTEC; OCLW'VEC; ••• GE TpE!J.OUGL'V OCPXOCL XOCL E.."OUGLOCL TW'V E1tOUPOC'V(C,N, das Orakel bei Lactantius, De ira dei 23 0'V TP0!J.tEL xocl. Q.
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XOCL OupOCVOC; lJoE VtM\OCGGOC TocpTocpeOL TE !J.UXOL,
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OOCL!J.0'VE'C; EPpLYOCGL'J, V 1251 8oc(!J.o'lC:~ ov
XOC~
ein orphisches Fragment bei Klemens Al., Strom.
Erklärung
198
daran ist ihm offenbar gelegen, diesen Gegner bis zum letzten Ende zu widerlegen, sondern daran, an der - bloß begonnenen - Widerlegung des Zwischenredners den Lesern seine Gedanken zu entwickeln. So stark es also klingt 6) &v&pW7te: xe:ve, so wenig kommt auf den Gegner an. Die Anrede heißt "Du Prahlhans" 1; sie entspricht dem in der Diatribe üblichen Scheltwort (vgl. Analyse). Kunstmittel ist auch die NebeneinandersteIlung von lpy
'41·
Jak 211-13
199
rechten Spur, wenn wir vermuten, daß Jak und sein Gegner von Anfang an diesen locus classicus im Auge haben. Dann ist v. !3 nicht eine Zugabe, die auch fehlen könnte, sondern die Hauptsache; das richtige Verständnis der "Glaubens"-Stelle ist das Ziel der Verse 21-24. Von dieser Erkenntnis aus sind die vorhergehenden Verse zu verstehen. Abraham gilt der jüdischen Tradition als der in vielen Versuchungen erprobte Mann, dessen Treue und dessen Glaube von Gott belohnt wird. Die Belege werden im folgenden Exkurs angeführt; hier ist für V.21 nur zu beweisen, was i8LXrtLW&lj in diesem Zusammenhang besagen will. Man darf dabei nicht an die Exegeten-Streitfrage denken, ob der Mensch gerecht erklärt oder tatsächlich gerecht gemacht werde I, denn \Y/ort und Gedanke des paulinischen 8wptciv fehlt in unserem Text völlig. Man wird sich vielmehr auf das durchaus eindeutige Verständnis der 8LY.QtLO
Erklärung
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I · rruVTjv wie Gen 156); d. h. Gott hat ihn als treu erfunden und ihm (zum Lohn) "Gerechtigkeit angerechnet". Den Inhalt des ersten Satzes gibt auch unser Vers wieder: Gott hat den Abraham als gerecht erfunden. Bei t~ EPY(uV fällt auf, daß gleich nachher nur eines genannt wird; vielleicht ist formelhafter Sprachgebrauch daran schuld (i; epyc.uv = durch sein Tun), vielleicht auch die Erinnerung an die übliche jüdische Zählun~ von zehn Versuchungen (5. Exkurs); keinesfalls aber steht es so, daß man wie Spitta dieser Zählung zuliebe annehmen müßte, die Opferung Isaaks sei hier nur zur Fixierung des Zeitpunktes erwähnt. Dann wäre die These des Autors ohne Beweis - und das muß er gerade an dieser Stelle \~er meiden, wo er, ohne es ausdrücklich zu sagen, schon gegen ein Mißverständnis des in v. 23 zitierten Bibelworts kämpft. Gegen Spittas Auffassung entscheidet auch die Analogie von v. 25, wo das Partizipium U7t08E~IX!J.ev·1) zweifellos den Grund der Rechtfertigung angibt. Und überdies erscheint in der Tradition überall, auch bei der Zählung von zehn Versuchun~en, diese Tat als die größte und bedeutsamste. "Jetzt habe ich erkannt, daß du gottesfürchtig bist", sagt Gott Jub 1811. Da er seinen Sohn auf dem Altar "darbrachte", ward Abraham kraft seines Tuns von Gott als Gerechter anerkannt, meint Jakobus an unserer Stelle. \'{"arum V.22 den Glauben Abrahams ohne weitere Einführung voraussetzt, habe ich bereits erklärt: Jak rechnet damit, daß sein Gegner oder der Leser gegen die Aussage von V.21 den berühmten Glauben :\brahams anführen wird, und geht darum von diesem aus. Das Verständnis des Verses scheint mir von der Erkenntnis abzuhängen, daß beide Vershälften in stilistischer Korrespondenz zueinander stehen. ,.Der Glaube Abrahams halft seinen Werken und die Werke vollendeten seinen Glauben." Daß beide Faktoren für Jak nicht gleichwertig sind, wissen wir (und werden es auch wieder an der Formulierung von v. :!-I merken). Aber hier liegt ihm oflienbar an der Nebeneinanderstellung der beiden Größen, denn er will ihr Zusammenwirken zum Ausdruck bringen. Darum darf man nicht aus iTcl..&LW&l) herauslesen, daß der Glaube erst durch die \Verke völlig zum Glauben wurde; Jak kennt ja einen Glauben ohne \Verke; er denkt also offenbar bei der "Vollendung" des AbrahamGlaubens an etwas Höheres, an das Ziel, auf das beide Faktoren, Glaube und Werke, hinarbeiteten: die Gerechtigkeit Abrahams. Nun mache man aber mit der stilistischen Korrespondenz der Vershälften völlig Ernst und beziehe auch O'UvlJPYEL auf dasselbe Ziel und nicht auf das Zustandc-
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t cruW:FytLV in dieser Bedeutung auch Mk 16~o" cruW:PYEL statt O'W;'FYEL lesen K~ A ff, aber EI beweist mit confirmatur im Folgenden (im Widerspruch zu unseren grieche Texten, die sämtlich i~~ haben), daß eine Tendenz bestand. die Aussage in das Präsens umzusetzen. Auf Rechnung dieser Tendenz kommt auch die Lcs.&rt cruw:pyt:L.
Jak
222.23
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kommen der Werke 1: du siehst 2, daß der berühmte Abrahams-Glaube den Werken nur ein Helfer war bei der Erreichung dieses Ziels, daß Abraham von Gott als gerecht anerkannt wurde. Allerdings empfinden wir es nach v. 14-20 und vor v. 2" als erstaunlich, daß der Glaube hier scheinbar mit gleichem Recht neben die Werke tritt, denen er doch in seiner Wirkung so beträchtlich unterlegen ist 3 • Aber wir werden dieselbe Beobachtung bei v. 23 machen und hier auch den Grund für diesen scheinbaren Selbstwiderspruch erkennen: Jak will seine Meinung vor dem Forum der Bibelstelle Gen 156 rechtfertigen und bemüht sich deshalb so darum, dem von jener Stelle betonten Abrahams-Glauben seinen Ort anzuweisen. Daher die Korrespondenz der beiden Sätze in v. 22, die man nicht logischexegetischen Erwägungen zuliebe abschwächen darf. Man darf sie aber auch nicht dadurch verderben, daß man v. 23 XCXL E7t).:lJpW&"t) mit ETEÄE~W&"tJ eng verbindet. v. 23 setzt neu an, und v. 22 ist in sich vollkommen abgerundet" durch die beiden korrespondierenden Sätze: der Glaube hilft den Werken - die \'(;erke vollenden den Glauben. In V. 23 macht die Einführung des Schriftworts Gen 156 (LXX wahrscheinlich xcxl bdGTEUGEV, Jak: E7tLGTtUGEV 8e wie Philo, De mutat. nom. 177, Paulus Röm 43, 1Klem 106, Justin, Dial. 92) durch E7tÄ"t)PW&"t) Schwicrigkeiten. Es liegt nach dem Sprachgcbrauch zunächst nahe, an die Erfüllung einer Prophezeiung zu denken (Beyschlag, Bclser, Mayor, Ropes); dann wäre diese in den Worten EÄoyLG&1) CXUT
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mehr zu "erfüllen"; wird er aber vom Vorhergehenden getrennt, so ist er isoliert und sinnlos 1. Die Schwierigkeit muß auf anderem Wege behoben werden. Man muß sich vor allem klar machen, daß der Verf. die Stelle nicht historisch faßt, sondern überhistorisch ; nicht als eine Aussage über die religiöse Stellung Abrahams zu einer bestimmten Zeit, eben zu der Zeit, von der Gen 15 handelt, sondern als einen Gottesspruch, der über dem ganzen Leben Abrahams steht. Den Beweis dafür liefern die Worte XOCL qJLAOI; 3-eoü Ex).~&t), die zwar Gen 156 nicht zu lesen sind, hier aber zweifellos mit zum Spruch gehören - sonst wären sie völlig beziehungslos und stilistisch schwierig (Ex).~3l) parallel E7tAl)PW&t) bei verschiedenem Subjekt?). Wenn es so steht, dann hat der Verf. nicht den Wortlaut der Bibelstelle im Gedächtnis, geschweige denn vor Augen, sondern die Form, die die erbauliche Paraphrase jenem Text wahrscheinlich schon längst gegeben hat; was er anführt, ist nicht eigentlich ein Zitat, sondern ein "Spruch" im Vollsinn unserer erbaulichen Sprache. Die Annahme, daß die Worte vom Freund Gottes schon von der Tradition zu der Bibelstelle hinzugefügt waren, wird durch die Ausführungen des ersten Exkurses noch weitere Bestätigung erfahren. Daß man aber die Worte nicht als ein Stück aus der Geschichte Abrahams, sondern als einen Gottesspruch über Abraham fassen konnte, zeigt auch Philo, Oe Abr. 262 p. 38, der von dem "Lob" redet, das ein von Moses empfangener Gottesspruch (XPl)O'!-,-OI.) dem Abraham bezeuge, und dann die Worte "er glaubte Gott" anführt, <>itE? AEZ.&ljVOCt !-,-E:V ßpocxu"t'oc-rov EO"'t'tV, ~py~ 8E: ßEßOCtW3-ljvOCt !-LtytO'''t'ov. Wer unsere Stelle als solchen Gottesspruch faßt, wird über die Bedeutung von E7tAl)PW&l) nicht im Zweifel sein. Was Gott über Abraham ausgesagt hat (und was des Moses Niederschrift den Menschen übermittelte), das hat Abraham durch die Tat "erfüllt". Eine neue Schwierigkeit ergibt sich, wenn man die so erklärte Stelle in den Zusammenhang unseres Abschnitts einreiht. Daß Abraham infolge seines Tuns von Gott als gerecht anerkannt sei, der berühmte AbrahamsGlaube also nur als ein Faktor neben den Werken zu gelten habe, war die These des Verfassers. Sie muß durch v. 23 bewiesen werden; es muß also von Glauben und Werken darin die Rede sein. Wer von Paulus (Röm 4) herkommt, hat dessen Interpretation (Glaube als Gerechtigkeit angerechnet) völlig zu vergessen; der Gottesspruch muß nach Jak beides, Glauben und Werke, zu rühmen wissen. Dieser Erkenntnis entsprach es, wenn Hofmann E~ epywv mit E7tA"flPW&t) und EXA~3-l) verband - seine Erklärung ist bereits abgewiesen (S. 201 A. 4). Demselben Bedürfnis trägt Windisch Rechnung, wenn er im zweiten Glied des "Spruches" eine Art Addition wahrzunehmen glaubt: der Glaube wurde zu der (schon durch Werke beschafften) Gerechtigkeit hinzugeschrieben. Doch das kann 1 Im richtigen Gefühl dafür behauptet Ewald. daß der Satz in der Bibel des Jak Gen 15. gestanden haben müßte.
Jak2u
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nicht ohne Schwierigkeit herausgelesen werden, und vor allem wird die These des Autors damit nur sehr indirekt bewiesen. Die Bemühungen der Ausleger zeigen aber dies eine deutlich: in dem zweiten Glied des Spruches, in EAoYLa&lj, muß ein Hinweis auf die Werke liegen. Nur dann hat dez Verf. ein Recht, sich auf den Spruch zu berufen, nur dann fügt sich das dritte Glied zwanglos an: dem Glauben und den Werken verdankt Abraham seine Ehrenstellung als Freund Gottes. Nun ist aber gerade diese Beziehung des EAoYLa&lj XTA. auf die Rechtfertigung aus Werken, (d. h. vor allem: aus Isaaks Opferung) der jüdischen Erklärung geläufig - und diese übereinstimmung zwischen synagogaler Exegese und der Interpretation, zu der uns unser Text geradezu zwingt, liefert den schlagenden Beweis für die Abhängigkeit des Abschnitts von der jüdischen Bibelerklärung - einen Beweis, der durch den von unserem Autor wie von den Juden gebrauchten Titel "Freund Gottes" bestätigt wird (s. den Exkurs). Jene Beziehung des tAoYLa&lj scheint dadurch entstanden zu sein, daß die jüdischen Exegeten ganz allgemein den Glaubensbeweis vor allem in der Opferung des Sohnes sahen, also Gen t 5 mit Gen 22 zusammenbanden, vgl. IMakk 2b2 1 • Jak folgt dieser Stelle nicht in dem Wortlaut "ihm wurde Gerechtigkeit angerechnet" - er schreibt ja dl; 8tXCltOaUVljV, nicht 8tXCltOaUVlj I; aber die Beziehung auf die Werke hat er aus tAoy(a&"'l dl; 8tXCltOaUVljV doch herausgelesen (vgl. auch den ersten Exkurs zu 228). Denn er verstand 8txCltOaUVlj ebenso wie die Juden von wirklicher, auf Werken beruhender Gerechtigkeit (siehe zu v. 21)3, und er dachte bei EAo·(La&rj ebenso wie das Buch der Jubiläen (vgl. den Exkurs) an eine Art himmlischer Buchführung. So weiß er die beiden Sätze der Bibelstelle auf die beiden Faktoren zu beziehen: E1tLaTtUaEV - also Glaube (nicht nur von dem Zeitpunkt Gen t 58, sondern vom ganzen Leben Abrahams ausgesagt), EAoy(a&lj, d. h. Buchung als "Gerechtigkeit" - also Werket. Von Paulus unterscheidet sich Jak durch die bereits V.21 ausgesprochene Annahme einer Gerechtigkeit aus Werken, während Paulus die Stelle auf einen aus Gnade an Stelle der mangelnden Gerechtigkeit angenommenen Glauben deutet. Das Judentum aber faßt den Glauben als Werk oder als A. Schlatter, Der Glaube im Neuen Testament 31905, 26. Dibelius fußt hier auf Swetes LXX.Ausgabe, die 1Makk 251 mit A und einer Minuskel 8LXOm)(NvrJ liest. Rahlfs hat dagegen - gestützt auf die anderen Zeugen, vor allem K - E~ 8LX«C.~v. :I Eugen Mcncgoz, Die Rechtfenigungslehre nach Paulus und nach Jakobus 1903, erklärt S. 4f. die Rechtfertigung bei Jak als Lossprechung, Sündenvergebung. Er beruft sich dabei auf 2111. Solche Beweise sind aber bei der literarischen An des Jak von vornherein bedenklich. Und überdies spricht das Fehlen jeder entsprechenden Andeutung in 2"'.1 und die Geschichte des Abraham-Beispiels (vgl. den Exkurs) gegen eine solche Deutung und die aus ihr gezogenen Folgerungen. • Zu AOytl:ECJ&«' vgl. H. W. Hcidland, Die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit 1936; ders. Art. Aoyt~OI1«L, ThWB IV, 287-295; G. von Rad, Die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit, ThLZ 1951, 129-132. 1
I
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Lebenshaltung, die Werke in sich schließt. Jak unterscheidet sich also von der Synagoge durch die Betrachtung, die Glaube und Werke als getrennte Faktoren ansieht (vgl. die übersicht im zweiten Exkurs). Beide will er aus der Bibelstelle Gen 156 beweisen; das mag gegenüber der Konsequenz des Paulus oder der des Judentums als Unklarheit erscheinen. Ich habe schon zu v. 22 betont, daß Jak bei diesem Rechnen mit zwei Größen seiner eigenen Gedankenführung Abbruch tut, und habe schon jenen Vers aus der Beziehung des Ganzen auf die Bibelstelle zu verstehen gesucht. Völlig begreifen läßt sich das Verhalten des Jak aber nur, wenn man annimmt, daß Glaube und Werke durch irgendwen vor ihm zu einem ausschließlichen Gegensatz gestempelt waren; davon wird im zweiten Exkurs zu 226 die Rede sein. Für Jak gibt es diesen Gegensatz nicht, und der Name "Freund Gottes" bezeichnet für ihn gerade das Vorbild im Glauben wie in den Werken. Auch darum darf man die letzten Worte des Verses nicht vom "Spruch" abtrennen. In V. 24 - von den Koine-Zeugen mit "t'o(vuv angeknüpft - kehrt Jak bei der Anwendung des Abraham-Beispiels zur Betonung der \X'erke zurück. Vom Glauben ist nur im negativen Sinn die Rede, aber nicht er selber wird abgewiesen, sondern nur seine Alleinhcrrschaft: CI~jx ix r.tO''t't(.); ""C,"CI". Es muß also die Losung "Glaube, nicht Werke" schon ausgesprochen sein. Der Vers wendet sich mit OP~T& wieder an die Leser; die Folgerungen aus dem Hinübergleiten vom Dialogstil zum Briefstil sind jn der Analyse gezogen. Das zweite Beispiel, das der Rahab, V. 25, ist als Parallele zu dem Abraham-Beispiel eingeführt. In der Tat will Jak hier dasselbe beweisen: daß es ohne Werke kein 8LXOt~OÜO'{)OtL gibt. i8LXOtLW{)lj steht im selben Sinn wie v. 21; das Werk der Rahab an den Kundschaftern 1 wird zum Beweise in seinen beiden wichtigsten Momenten u7to8&~Ot!Jlvl) - exßd.ClüO'Ot angeführt. Aber die Kürze, mit der dieser Fall behandelt wird, fällt nicht nur im Vergleich zu Abraham auf, sondern läßt auch berechtigte Fragen otfen. Die Frau ist Dirne und Heidin; so sollte man erwarten, daß in diesem Fall die "Rechtfertigung" noch etwas gründlicher behandelt würde, als das bei dem vorbildlich frommen Abraham notwendig ist. In der christlichen (und jüdischen) Tradition hat man diese Bedenken, wic es scheint, dadurch beseitigt, daß man im Blick auf das in der Erzählung des Buches Josua 211 berichtete Bekenntnis der Rahab zum Gotte Israels die Frau zu einer Heldin des Glaubens machte. So geschieht es wenjgstens in den wohl zweifellos von jüdischen Aufzählungen 2 abhängigen Abschnitten Hebr 1131 lKlem 12; und auch die Deutung des roten Fadens auf das 1 Die griechischen Handschriften (e L u. Minuskeln), welche xnClox61tQ\):; statt IXyyD-ou<; lesen. reichcn an Zahl und Gcwicht nicht hin. ihre Lesart konkurrcnzfahig zu
machen. zumal die Einfügung des bestimmten Ausdrucks an Stelle des unbestimmtercn verständlich ist; dies gilt auch von übersetzungcn wie der bei ff: exploratares. Z Wir kennen Aufzählungcn \'crwandter Art aus Sir ~50 1 Makk 2.;11r. 3Makk 6",.
Jak 224.25
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Blut Christi (lKlem 127, Justin, Dia!. 111, Irenäus, Adv. haer. IV 2012 unter Berufung auf Mt 2131), "durch das die früheren Unzüchtigen und Ungerechten aus den (Heiden)völkern gerettet werden" (Justin), zeigt, wie man sich mit dem Problem abfand. Die Erwähnung des Rahab-Glaubens würde in unserem Zusammenhang völlig sachgemäß sein, weil es gerade um das Zusammenwirken von Glauben und Werken geht und weil ein Gegner sich unter Umständen gegen Jakobus auf den Glauben der Rahab berufen könnte. Daß Jak diesen Hinweis unterläßt, obwohl das Alte Testament ihn stützt und, wie aus Hebr und 1Klem zu erschließen, die jüdische Tradition ihn gleichfalls erwähnt haben wird, muß als höchst auffallend bezeichnet werden. Und noch eines vermissen wir bei Jak: die Erwähnung der Belohnung Rahabs, das Seitenstück zum cplAOC; ~E:OÜ in v. 23. Der Nachweis, daß Rahab wirklich von Gott als gerecht a~erkannt worden wäre, würde erst dann geführt sein, wenn Jak gezeigt hätte, wie Gott diese Frau nicht nur bei Jerichos Untergang bewahrt, sondern auch in der Folgezeit hoher Ehren gewürdigt hätte. Denn auch von solchen Ehren muß die jüdische Tradition erzählt haben. Allerdings sind wir hier wieder auf Schlüsse aus jüngeren Texten angewiesen, die aber wenigstens zum Teil mit Sicherheit gezogen werden dürfen. Mt 15 hat offenbar nicht infolge eigener oder christlicher Erdichtung eine Frau zweifelhaften Rufes in das Geschlechtsregister Jesu hineingebracht; es hat vielmehr schon vorher jüdische überlieferung die Dirne von Jericho zur Stammutter des Königs David gemacht. Die uns bekannte überlieferung in Talmud und Midrasch weiß zwar nicht dies, aber anderes Rühmliche von ihr zu erzählen 1; deutlich wahrnehmbar ist überall der Wunsch, Rahab dem Volke Israel einzugliedern und ihr die Stelle der ruhmvollen Ahnfrau zuzuweisen. Von all diesen überlieferungen bringt Jak nichts; man fragt sich, warum er überhaupt von ihr redet. In diesem Zusammenhang darf noch einmal an die Aufzählung von Frommen lKlem 10-12 erinnert werden. Es werden dort nach der kurzen Erwähnung von Henoch und Noah in Kap. 9 drei alttestamentliche Vorbilder genannt: Abraham 8~cX 7tL(l'tW X(XL CP~AO~EVL(xV (107), Lot 8~cX Cp~AO~EVL(xV X(XL EuaE~e:~(Xv, Rahab 8~cX 7tl(M'~v X!XL Cp~AO~EVL!XV. Man hat längst erkannt 2 , daß derartige Aufzählungen bereits im Judentum bekannt und für die Verf. des Hebr und lKlem offenbar schon ganz traditionell sind. Man darf also aus lKlem 10-12 den Schluß 1 Nach Rabbi Ena stammen acht Propheten von Rahab ab; nach R. Nachman bekehrte sie sich, und Josua heiratete sie (beide Aussprüche Megilla 14b); nach dem Midrasch Ruth (Wünsche 14f.) wurde Rahab in den Stamm Juda aufgenommen, vgl. Th. v. Zahn, Kommentar zu Mt 1s ('1922). Vgl. übrigens auch Ropes z. St. und H. Windisch, ZA W 1918, 190ff. Parallelen zum Midrasch s. bei Wünsche 61. 2 C. L. W. Grimm zu IMakk 251 im Exeget. Handbuch zu d. Apokryphen III 1853; W. Wrede, Untersuchungen zum Ersten Klemens·Briefe 1891, 70ff.; vgl. auch die Vermutungen von W. Bousset, Jüd.-christl. Schulbetrieb in Alexandria und Rom 1915, 311 f. Vgl. ferner P.Drews, Untersuchungen über die sogen. Klementinische Liturgie 1906,23ff.
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ziehen, daß Abraham und Rahab, nicht aber Lot, berühmte Glaubensbeispiele sind; als solche werden sie von Jak hier genannt, und es bestätigt sich so die schon S. 198f. vorgetragene Lösung des Problems l • Sie bietet auch eine Erklärung dafür, daß Jak die Rahab zwar nennt, aber nicht exegetisch behandelt. Den Beweis, der ihm am Herzen liegt, hat er an der Abraham-Geschichte geführt; von Abraham kommt er auf Rahab, da diese auch sonst oft mit Abraham zusammen genannt wird. So nennt er Rahab und spricht seine These in Verbindung mit diesem Beispiel noch einmal aus; da er aber eine erneute Beweisführung offenbar für überflüssig hält, läßt er's bei dem einen Satze bewenden und fügt als Abschluß des Ganzen in V. 26 noch einen Vergleich hinzu, der formell als Begründung zu v. ICI eingefügt wird'. Der Hauptsatz dieses Verses "der Glaube ohne Werke ist tot" bedarf keiner Erklärung mehr; in V.17 ist das Gleiche mit denselben, in v. 14 Ende und V.20 mit anderen Worten gesagt. Was verglichen wird, ist selbstverständlich nur der Todeszustand ; zahlreiche vergebliche Auslegungsversuche 3 beweisen nur die Unmöglichkeit einer im einzelnen durchgeführten Gleichsetzung; so tot wie der "Leib" ohne "Seele" (so dürfen wir übertragen, denn es ist die vulgäre dichotomische Anschauung vorausgesetzt), ist der Glaube ohne Werke. Es bestätigt sich auch hier, daß von einer Losung "allein durch Werke" bei Jak nicht die Rede sein kann; daß man Glauben habe, d.h. das, was Jak Glauben nennt, wird von Anfang des Abschnitts an vorausgesetzt; einzig die Berufung auf den Glauben allein, unter Ausschluß der Werke, ist es, die unser Verf. angreift. Das Abraham-Beispiel' In der Erklärung ist zu zeigen versucht, daß die Behandlung des AbrahamBeispiels durch unseren Verf. nicht aus dem Wortlaut des Alten Testaments 1 Man beachte. daß es 1 Klem 10, heißt ·Aßpttci ..... 6 tp().OI; 7tpomxYOPE1JDt:Lc; und 171 xed tp().OI; 7tpocTllyopcU31J "roÜ t}coü. Also auch 1 Klem. d. h. seine Tradition führt wie Jak diese Auszeichnung auf eine Schriftstelle (i~ij&r] 17. steht parallel mit yiy~L 173)
oder einen Gottesspruch zurück. V gl. noch die folgende Anm. • Dieses begründende ycip, das in B 1175 syV' arm fehlt und in ff bezeichnenderweise durch autem vertreten wird, verdient Beachtung. Der Zusammenhang ist: Rahab wurde aus Werken gerechtfertigt. sie konnte ja gar nicht anders gerechtfertigt werden. denn ohne Werke ist der Glaube tot. Vorausgesetzt ist also der Glaube der Rahab (richtig Cassiodor quac non lide tantum, sed apere justificata cognoscitur). und die oben begründete Vermutung. daß Jakobus Abraham wie Rahab als Glaubensbeispiele kenne, bestätigt sich aufs neue. 3 Die Auslegungen lpy« = vom Willen gewirkte Werke (Haupt. StKr 1883. 190), TMÜflo« = Atem (Mayor) haben ebenso wie die Konjektur Spittas XLvi)fIo«~ statt mICU....cxTOI; den Zweck, die Gleichsetzung lpyot = 7tVCÜfIo« (oder xlV'/lILGl). 7tlanc; = a(;) .... cx zu ermöglichen. Das ist aber keineswegs notwendig. , Vgl. dazu B. Beer, Leben Abrahams nach Auffassung der jüdischen Sage 1859; P. Billerbeck. Abrahams Leben und Bedeutung für das Reich Gottes nach Auffassung der älteren Haggada, Zeitschrift .. Nathanael" 1899, 43ff.; 1900, 33ff. Vgl. ferner O.
Jak
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oder der LXX erklärt werden kann, daß sie vielmehr von der exegetischen Tradition des Judentums abhängig ist. Einen Beweis für diese Abhängigkeit liefert die Art, wie Abrahams Ehrentitel "Freund Gottes" eingeführt wird, einen anderen der Umstand, daß Jak in dem Wort vom Glauben Abrahams Gen 156 einen Hinweis auf die Werkgerechtigkeit findet. Unser Verf. ist nicht der einzige Lehrer des Urchristentums, der die jüdische Abrahamtradition verwendet. Daß Paulus, obwohl er Gen 156 so völlig unjüdisch interpretiert, jene Tradition gekannt hat, ist selbstverständlich; vielleicht deutet auch der Wortlaut von Röm41 - Text wie Erklärung sind allerdings nicht gesichert - diese Kenntnis an, falls nämlich tUPljUv(lL (fehlt B 1739 pc) zu lesen und der ganze Vers als ein Satz zu verstehen ist. Auch die Beispielsreihen in Hebr 11 und 1Klem 10ff. sind von der jüdischen Tradition direkt oder indirekt beeinRußt. Besonders deutlich ist das lKlem 10 und 12, wo neben 7tLCTt'LI; noch qHAO~ev(ot tritt, als eine Tugend neben die andere. So wenig das dem Geist des Paulus entspricht, so wohlverständlich ist es dem Juden. Die Männer des Urchristentums brauchen dabei keineswegs alle Erzählungen und Anschauungen auch nur der älteren Haggada von Abraham gekannt zu haben, wie sie uns in dem Midrasch Rabba zur Genesis 1 gesammelt vorliegen. Aber die für sie maßgebende Auffassung der Abrahamgestalt ist jüdisch bedingt; mit ihr haben wir uns hier zu befassen. Was die Juden an Abraham haben, das sagt mit aller Deutlichkeit schon Sir 44191r., der Abraham-Spruch aus dem "Preis der Väter" im Sirach-Buch: Halten des Gesetzes 2 , Beschneidung, VersuchungS - das sind die Verdienste Abrahams, um derentwillen ihm großer Lohn zuteil wird (ivtuAO"(ljS7jVotL l&vlj tv -riil amp(J.ot't'L ot\rroü). Eine andere Aufzählung von Vätern Israels, 1Makk 252, nennt nur der Taten größte: "Ward er nicht in der Versuchung treu erfunden und ward ihm nicht Gerechtigkeit angerechnet?" Er war "vollendet in all seinem Tun gegenüber Gott und wohlgefällig in Gerechtigkeit alle Tage seines Lebens" - mit diesen Worten schreibt ihm der Autor der "Jubiläen" (2310) einen Epilog. Es ist selbstverständlich, daß die Schriftsteller des griechischen Judentums Ahnliches an ihm zu rühmen wissen (Philo, De Abr. § 271. p. 39) und daß es vollends im Talmud an solchen Abrahams Verdienste zusammenfassenden Sätzen nicht fehlt: er habe von Anfang bis zu Ende in Gerechtigkeit ausgeharrt (Megilla 11 a). und der böse Trieb habe keine Gewalt über ihn gehabt (Baba bathra 17 a). Als größte aller Taten Abrahams wird immer wieder die Opferung Isaaks bezeichnet; so auch von Philo. De Abr. 167 p. 25 OA(YOU Y«P 8ew q>cX.votL 7tcX.a~ 6aot .&t:OqHAtLI; u7ttpßilltt. Und zweifellos meinen die Texte, wenn sie von einer Versuchung Abrahams reden, immer diese schwerste und wichtigste Probe. Das geht vor allem aus den Anspielungen von 4Makk hervor; schon die BeSchmitz, Abraham im Spät judentum und im Urchristentum, Festschr. f. Schlatter 1922, 99ff.; S. Sandmel. Philo's Place in Judaism. A Study of Conceptions of Abraham in Jewish Literature, Cincinnati 1956. 1 Der Midrasch Bereschith Rabba, deutsche übersetzung in der Bibliotheca Rabbinica von August Wünsche, Leipzig 1881. I Sir ~b x«l tytvtro iv 8~el&1jxll JUT' exu..oü zählt nicht eine neue Tat auf, sondern ist Parallele zur ersten Vershälfte oe; (J\JVE:"t"fJPl)~ v6l'ov ulJilaTou, vgl. E. Lohmeyer, Diatheke 1912, 109ff. a Sir 44to Xelt iv aelpXL elUTOÜ laTl)CKV 81.CX&1jxl)v x«l iv 7ttLp
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zeichnung der Märtyrer als 'AßPCl/.LL~~OL 9:n 1823 setzt voraus, daß Abraham ähnliche Qualen mindestens innerlich zu leiden hattel ; eine noch deutlichere Beziehung auf Abrahams Schicksal steht 1619f. in der Rede der Mutter an ihre Söhne: xoct ÖLcX 't'oü't'O O
Jak 221
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Im Zusammenhang mit diesen Erzählungen ist nun auch das zu verstehen, was die jüdische überlieferung von Abrahams Glauben zu sagen weiß. Wenn es heißt tupe&-tj 1tLC"t'OC; Sir 4419-21 IMakk 252, so kann man wie übrigens auch bei den entsprechenden hebräischen, aramäischen und äthiopischen (Jubil. 1816 und dazu Littmann bei Kautzsch) Ausdrücken zwischen der übersetzung "gläubig" und "treu" wählen. Denn in der Sache kommt beides auf dasselbe hinaus. Trotz der Versuchung bleibt er seinem Gott treu - darin zeigt sich sein Glaube; und weil er Gottes Willen vertraut. hält er auch in der schwersten Versuchung stand - so erklärt sich seine Treue. In diesen Zusammenhang gehört nun auch der Spruch vom Glauben Abrahams Gen 15s. Der dort bezeugte "Glaube" Abrahams ist der jüdischen Erklärung nicht etwas. was vom Handeln. von den Werken zu unterscheiden wäre l ; er ist vielmehr selbst ein Werk. ebenso wie das 1tLC"t'OV ttVClL bei den zehn Versuchungen. In der göttlichen Verheißung eigener Nachkommenschaft liegt ja etwas Versuchliches (siehe Röm 419). und darin besteht nun eben Abrahams Glaube. daß er diese Verheißung ohne Widerrede hinnimmt. Aus alledem erklärt sich nun auch das Schicksal des Bibelspruches Gen 156 in der Haggada. Zunächst erscheint es begreiflich. daß er überhaupt keine große Rolle spielt; wenn der Glaube nicht die eigentliche Funktion des religiösen Lebens ist. sondern nur eine Leistung neben anderen. so ist Gen 156 kein Fundamentalsatz. und man versteht. daß die zweite Hälfte des Verses. aus der man Abrahams Lohn herauslas (vgl. darüber unten). mindestens ebenso sehr interessierte; man versteht auch. daß der Vers im Zusammenhang mit der Geschichte. zu der er gehört. verhältnismäßig selten gewürdigt wird'. Begreiflich erscheint aber auch, daß Gen 156 - in der bei den Rabbinen gebräuchlichen Weise aus dem Zusammenhang gelöst und isoliert - auf das ganze Leben Abrahams und zumal auf die große Hauptversuchung in Gen 22 bezogen werden konnte; Glaubensproben waren ja überall zu finden und zumal in dieser Geschichte. Hierher gehört es, wenn 1Makk 252 die deutliche Anspielung auf Isaaks Opferung mit xotL tAoyta&-tj otu-rw 8LXotLOcrUVlI aus Gen 156 verbunden und Jubil1816 der "treue" (= gläubige) Abraham gepriesen wird; hierher gehört. wenn zweifellos von jüdischer Auslegung beeinflußte Texte hier genannt werden dürfen. unser Passus Jak 2211f. ebenso wie Hebr 1117 3 • Die Aufzählung im Hebr. wo 118.9.11.17 Taten Abrahams als Glaubenswerke genannt werden, zeigt aber zugleich. wie man unseren Spruch als Motto für das ganze Leben Abrahams verwendete. Daß dies christliche Schriftsteller tun (IKlem 10. 312 Barn 137), ist selbstverständlich; aber von den Glaubensbeispielen in lKlem dürfen wir ja wohl auch auf ähnliche jüdische Aufzählungen schließen. In der Tat wird Mechiltha, Abschnitt Wajehi beschallach Vgl. A. Schlatter, Der Glaube im Neuen Testament 21896. 13 und Erläuterung 1. Jubill4e wird der Vers ohne weitere Ausführung wiedergegeben. Josephus hat bei seiner Wiedergabe von Gen 15 (Ant. I § 183f.) den Glauben Abrahams überhaupt nicht erwähnt; ebenso bringt der Midrasch Bereschith Rabba keine Auslegung des Verses im Zusammenhang (Parasehe 44). Vgl. im übrigen die kurze Besprechung der in Frage kommenden rabbinischen Stellen bei P. Billerbeck a.a.O. 1900. 44 A. 432. 3 Auffällig ist die Ausnahme, die lKlem Hh gerade bei Isaaks Opferung macht: 3,' U~otxoi)c; ~poaYjvtyXE:V otÜT6v ~ooLotv aber vielleicht hängt diese Formulierung mit der Absicht des ganzen Schriftstücks zusammen: fLcl&tu u~o;ci(J~(J&otL (571). 1
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14 7162 Meyen Komm. XV, Dibelius, Jakobua
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Erklärung
6 zu Ex 1431 (fol. 33b Friedmann, S. 110 der übersetzung von Winter und Wünsche) diese und jene Welt dem Abraham als Lohn für seinen Glauben zugeschrieben und dabei Gen 156 zitiert; in demselben Midrasch Wajehi beschallach 3 zu Ex 145 (fol. 29 b = S. 95) erscheint das Wunder am Roten Meer als Lohn für den Abrahams-Glauben aus Gen 156; ebenso wird diese Bibelstelle Sabb 97 a angeführt, wo es zu zeigen gilt, daß die Israeliten "Kinder von Gläubigen" sind. Philo hat allerdings die Stelle Gen 156 auch von der Verheißung Isaaks verstanden (De mutatione nom. 177); er hat sie sogar im Zusammenhang von Gen 15 ausführlich erläutert (Quis rer. div. heres 90-101) und dabei einen Glaubensbegriff auf Grund typisch hellenistischer Voraussetzungen entwickelt (vgl. den nächsten Exkurs). Anders geartet ist die Benutzung der Stelle Gen 156 durch Philo in dem Buch, in dem er als jüdisch-hellenistischer Exeget die Geschichte Abrahams behandelt: DeAbrahamo 262 p. 38. Auch hier ist es allerdings der neue, der hellenistische Glaubensbegriff - Vertrauen auf Gott und Mißtrauen auf 't'ci aw!J.Cl't'~xci xcxt 't'ci ex't'6c; § 269 -, der geschildert wird, aber er wird nicht durch allegorische Interpretation des Zusammenhangs der Stelle gewonnen, sondern dadurch, daß die Worte E7t(CTrtUcn: 't'i;) ~i;) als isolierter Gottesspruch betrachtet und auf das ganze Leben Abrahams angewendet werden: ta't'~ 8& xcxL «X'I~ypCX7t't'Oc; t7tCX~'IOC; cxu't'i;) XPllalL0i:c; !J.CXP't'UP~tC;. oüc; MwuaYjc; t~a7tLa&l),
00 1L1l'lUtTCX~ o'n 't7tLa't'EUcn: 't'i;) ~i;)'. Was man hier schon heraushört, ist in De praemiis et poenis 27 p. 412 noch deutlicher gesagt: Phi 10 sieht in der Bibelstelle Gen 156 eine Anerkennung, welche die Schrift, d. h. Gott, dem Patriarchen für seine Frömmigkeit spendet. Nicht anders kann es gedeutet werden, wenn Philo an der genannten Stelle von Abraham sagt a.&AO'l cxtPE't'CX~ 't'l)'I 7tpOc; ~O'l 7tLaTW (so wie Isaak die Freude und Jakob die Schau Gottes). In ähnlicher Weise - aber mehr als Motto, denn als Belohnung - wird Gen 156 auf das ganze Leben Abrahams bezogen Leg. all. UI228 p. 132 und De virtut. 216 p. 442; an dieser Stelle ist es Abraham als Urheber des Monotheismus, von dem das Bibelwort gesagt ist. Die oben vorgetragene Deutung von t7tAllPw&l) Jak 223 wird durch diese Philo-Stellen bestätigt, die Gen 156 als einen Gottesspruch über Abrahams Leben schreiben; das ist dieselbe Art, in der Jak von einer Erfüllung des heiligen, als überzeitlich gedachten Gotteswortes durch Abrahams Verhalten redet. Jak denkt allerdings an das Verhalten in einem besonderen Fall. Aber auch diese Beziehung der GenesisStelle auf Isaaks Opferung finden wir bei Phila: er erklärt Qu. Deus sit immut. 4 p. 273 das Zusammenbinden von Isaaks Füßen (Gen 229) als Ausdruck des Glaubens 7tcxp6ao'l «X'It8pu't'o'l xcxL cXa't'CX't'O'l xcxni:8& 't'l)v yt'l&aw, OT& 't'l)'I 7t&pt '":0 OV «Xv&V8o(cxa-:ov €y'Iw ß&ß(X~61"ll't'(X, ~ A&YE't'CX~ 7t&7t~CTrtUxEvCX~l. Auch Philo steht also unter dem Einfluß der in diesem Exkurs geschilderten und zweifellos auch von Jak verwendeten exegetischen Tradition. Gerade im Blick auf Philo und noch mehr auf Paulus muß aber an dem jüdischen Bilde Abrahams ein Zug besonders betont werden: sein Glaube i,st nicht der Glaube des Sünders, durch den er den Weg zu Gott findet, sondern der Glaube des Gerechten, der mit Gott in engstem freundschaftlichem Verhältnis steht. Er ist das Werk des Frommen, nicht die Rettung für den Bösen. Obwohl die Überlieferung Abraham zum Sohn eines Götzendieners und Götzen8~'
1
Diese Erklärung wird neben einer anderen zur Wahl vorgetragen.
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Jak 221
bild-Händlers macht!, ist die ältere Haggada nicht wesentlich an der inneren Entwicklung Abrahams, an der Art, wie er zum Glauben kommt, interessiert. Nicht als Suchenden, sondern als Wissenden, als Lehrer der wahren Gotteserkenntnis läßt ihn die Haggada durchs Leben gehen I; im Grunde kommt ja schon in der Erzählung des Priesterkodex Gen 17 der Gedanke zum Ausdruck, daß Abraham der Anfänger einer neuen Gotteserkenntnis sei. Es ist begreiflich, daß diese Auffassung im hellenistischen Judentum ihre besondere Ausprägung finden mußte; die Propaganda des sittlichen Monotheismus konnte ja am Leben Abrahams die Verlebendigung aller ihrer Voraussetzungen aufzeigen: die Möglichkeit der Gotteserkenntnis aus den Werken der NaturlS, die Möglichkeit gesetzlichen Lebens ohne Besitz des Gesetzes'. Auf der anderen Seite wird man es verstehen, daß die rabbinischen Schriften diesen zuletzt genannten Gedanken nicht aussprechen; für sie ist es selbstverständlich, daß der Stammvater Israels auch an Israels größtem Gut, dem Gesetz, teilhatte li ; so machen sie ihn zum gesetzeskundigen Ältesten einer Schule (J oma 28 b) und lassen ihn über weit mehr Traditionen der Gesetzesauslegung verfügen als selbst den Größen der Synagoge bekannt sind (Aboda zara 14 b). Aus sich selber hat er Thorah gelernt; denn seine beiden Nieren wurden wie zwei Wasserkrüge, die Thorah sprudelten (Bereschith Rabba 95 zu Gen 4628). Nicht die verschiedenen und zum Teil spät bezeugten Ausdrucksformen, wohl aber den von hellenistischem wie rabbinischem Judentum einstimmig betonten Grundgedanken dieser Stellen muß man ins Auge fassen, wenn man verstehen will, in welchem Sinne Abrahams Gerechtigkeit von der jüdischen überlieferung verstanden wird: sein Leben ist reich an guten Werken. Unter diesen hat auch der Glaube seine Stelle; es ist also ausgeschlossen, daß Gen 156 von der jüdischen Tradition im Sinne von Röm 4t verstanden worden wäre, in dem Sinne, daß der Glaube Abrahams für die ihm fehlende Gerechtigkeit aus Werken "angerechnet" sei. Jak hält es hier mit der Synagoge; er nimmt das tAoyLa&tj als Beweis für Abrahams Gerechtigkeit aus Werken. Diese Gerechtigkeit ist gemeint, wenn die jüdischen Ausleger durch Beziehung von Bibelstellen auf den StammvaterS oder sonst in zusammenfassenden Sprüchen (s. oben) und Ehrentiteln 7 Abrahams Frömmigkeit verherrlichen. Ein gern gebrauchter 1 V gl. Jubiläen 12; hier ist Tharah wider Willen Götzendiener; anders und ausführlicher Bcreschith Rabba 38 zu Gen 11u. 2 Abraham hat nach Jubiläen 12lJf. seinen Vater zu bekehren versucht; nach Joma 28b war er Altester. Aber auch bei Josephus (s. im Text weiter unten) ist Ahnliches der wahre Lebenszweck Abrahams, Ant. I § 155 8Ltl TOÜTO XCXL cppoVELV t1t' tipE"t'7j !UÜ:ov "t'WV m(J)v
i)pY!J.ivoe;, XCXL rl)v :tEPL "t'OÜ &EOÜ lyv(J) V gl. auch § 161.
86~cxv, ~v
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I Josephus, Ant. I § 156 dXCX~E 8& "t'cxihcx TOLe; riie; yije; XCXL &cxAcl'M'1je; 1tcx&7j!J.cxat X"t'A. V gl. Philo, De Abr. 60 p. 10. , Josephus, Ant. I § 256 nennt ihn tivi}p 1tciGCXV tiperl)v «x~. Den beliebten Gedanken vom «ypcx~ v6!J.~ (P. Wendland, Hellenist.-röm. Kultur 21912, 356 A. 4) wendet Philo in seiner Schrift De Abrahamo 275 f. p. 40 auf die Gestalt Abrahams an. I Bcreschith Rabba 56 zu Gen 22111 bekennt Abraham, daß er alles Gute, das ihm widerfahren sei, nur der Thorah verdanke. • So wird Jes 331li wegen Gen 18a, Ps 151 wegen Gen 171 auf Abraham bezogen (Makkoth 24a). 7 Philo, De Abr. 270ff. p.39.
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Erklärung
Ehrentitel weist aber noch über das Prädikat 8(XotLOC; hinaus; es ist der Titel, den auch Jak nennt: Freund Gottes. Der Titel hat seine biblische Wurzel in "::liUC und entsprechenden Bezeichnungen Abrahams Jes 41s 512 2Chron 207 Dan 335; die LXX hat an den beiden ersten Stellen OV ~'f(btllaot, an den beiden anderen ~'fot1t7)!JlvOt;. Der GenesisText scheint besonders in 1817 Anlaß zur Einfügung dieses Titels gegeben zu haben, vgl. Philo (Oe sobrietate 56 p. 401 !L~ t1tLXotAuo/w t'fW Ihto 'AßpotQ:!L TO\) cp(AOU !Lou) und das Targum Jeruschalmi (Schlatter a. a. O. 283). So hat sich der Titel in der Abraham-Geschichte eingebürgert und wird außer bei Philo auch in den Jubiläen (siehe unten) genannt, ebenso lKlem 101 172 - offenbar in Abhängigkeit von jüdischer Überlieferung - und Irenaeus, Adv. haer. N 162 1. Im Testament Abrahams (hrsg. von James, Texts and Studies II 2) beruht die Darstellung geradezu auf der Voraussetzung, daß auch der Tod mit dem "Freunde Gottes" eine Ausnahme machen muß'. Wie Philo den Titel versteht, zeigt De Abrah. 273 p. 39, wo es von Gott heißt 7t(aTLv IivTL8(8waLv otUT<;'), T1jv 8L' öpxou ße:ßotLWaLV WV tl7teCJXe:'t'.> 8wpe:wv, OUXETL !Lovov WC; liv&p(:m~ &&OC;, IiAAQ: Xott wc; cpLAoc; yvwp(!L~ 8LotAe:yO!LE:VOC; (folgt Gen 2216). Dabei denkt Philo wohl an die bekannte Vorstellung vom Weisen als Freund Gottes 3 • Auf einen anderen für den Jak wichtigeren Zusammenhang weist das Jubiläenbuch, wenn es nach der zehnten Versuchung Abrahams 199 erzählt: "Denn er ward als gläubig erfunden und wurde als Freund Gottes auf die himmlischen Tafeln geschrieben" (übersetzung von Littmann bei Kautzseh, Pseudepigraphen). Es bestätigt sich, was ich schon bei der Erklärung von 223 als wahrscheinlich hinstellte: daß bereits jüdische Tradition das Prädikat "Freund Gottes" mit Abrahams Glauben zusammengebracht hat. Das bedeutet aber nach jüdischem Glaubensbegriff, daß der Titel "Freund Gottes" in engster Beziehung steht zum Verdienst des Gerechten'. Wer diese Vorstellung verstehen will, muß den Gedanken des Paulus außer Acht lassen, daß kein Mensch Gottes Forderungen erfüllen könne; und auch der andere Satz (Luk 177-10) gilt nicht, daß Lohn eigentlich nur der beanspruchen dürfe, der mehr als seine Schuldigkeit getan habe. Lohn wird nach jüdischer Auffassung jedem Verdienst; und jede Erfüllung eines Gebotes ist I Dort erscheint Gen 15, mit dem Satz vom Freund Gottes verbunden (siehe Einleitung § 4). Ob man Abhängigkeit von Jak annehmen darf, ist trotzdem fraglich, denn jene Verbindung ist wohl schon von der jüdischen Tradition hergestellt, vgl. im Text weiter unten und Einleitung S. 52f. In der Damaskusschrift heißen nicht nur Isaak und Jakob (33) Freunde Goues, sondern - wenn Ginzbergs oder Levys ansprechende Ergänzungen der Textlücke in 32 richtig sein sollten - auch Abraham. 2 Vgl. auch Apokalypse Abrahams 10 S.2hs Bonwetsch, wo der Engel zu Abraham spricht: "Stehe auf, Abraham, Freund Gottes, welcher dich lieb gewonnen hat." 3 Vgl. bei Philo selbst Quis. rer. div. heres 21 p. 476, Qu. omnis prob. liber 42 p. 451, Vita Mos. I 156 p. 105; außerdem Sap. 727; Plato, Leg. IV 716d, Xenophon, Memorab. 11 133, Epiktet IV 3•. Philo, De sobrietate 55 p. 401, gibt auch eine Begründung:
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Verdienstl. So kommt es also nicht darauf an, ob Abraham vollkommen sündlos war; seiner Verdienste sind viel; also ist sein Lohn sehr groß'. Dieser Lohn wird dem Frommen durch eine Art himmlische Buchführung verrechnet . .,Das Buch liegt aufgeschlagen, die Hand schreibt ein, und wer Lust zu borgen hat, mag kommen und borgen, die Einnehmer (nämlich die Dienstengel) gehen täglich umher und machen sich vom Menschen bezahlt, mit oder ohne seine Einwilligung, und sie haben, worauf sie sich stützen" (Pirke Aboth 316). Von einem anderen "Freund Gottes", Levi, erzählt Jubil 3019f . .,und so berichten sie für ihn zum Zeugnisse auf den himmlischen Tafeln Segen und Gerechtigkeit vor dem Gott aller. Und wir (die Engel) gedenken der Gerechtigkeit, die ein Mensch in seinem Leben geübt hat. Zu allen Zeiten des Jahres, bis zu tausend Geschlechtern, berichten sie [es], und demgemäß wird ihm und seinen Geschlechtern nach ihm geschehen, und er ist als Freund und Gerechter auf den himmlischen Tafeln aufgeschrieben." So meint es das Buch der Jubiläen also auch dort, wo es berichtet, daß Abraham als Freund Gottes aufgeschrieben worden sei (199). Auf diese himmlische Rechnung hat nun offenbar unser Jakobus-Brief die alttestamentlichen \Vorte EAoYLa3-tj (XU't'<:1 d~ 8~x(x~omJv",v bezogen; ganz entsprechend heißt es Jub 3(l-.!:1 "und es (nämlich was die Söhne Jakobs getan hatten) wurde zum Segen aufgeschrieben." Nun verstehen wir auch, warum Philo, der Quis rer. div. heres 94 Aoy~a~vrlL -rijv 7da't'LV dc; O~X(xLOmJVl)V schreibt, in legum alleg. In 228 so paraphrasieren kann: 'Aßp<x,x!J. yr. 't'o~ &1t(a't'ElJa& ":'<:1 ~(:l X<XL OLX<X~OC; Evo!J.{a3-tj. Tn der Tat bedeutet es ja dasselbe, wenn Abraham als Gerechter gerechnet und wenn ihm etwas "zur Gerechtigkei t" aufgeschrieben wird. Nun ist es auch begreiflich, wie der Ehrentitel Freund Gottes unmittelbar neben das Aoy~a&ljv(X~ dc; OLXXLOmJvtjV treten kann; auch er ist ja dem Abraham in den himmlischen Büchern aufgeschrieben. Wieder bestätigt es sich, daß Jak nicht als erster die Ernennung Abrahams zum .,Freunde Gottes" mit der Stelle Gen 156 verbunden hat (s. Kommentar). So zeigt sich Jak in seinem Abraham-Beispiel von der Tradition der Synagoge abhängig; nicht von ihrer jüngeren Ausgestaltung, aber wohl von der Haggada, die Philo benutzt, die das Jubiläenbuch weitergibt, deren Einfluß im 1Klem spürbar ist und zu der auch manche Motive gehören mögen, die uns erst in der späteren rabbinischen Literatur aufbehalten sind. Was Abrahams Verdienst angeht, so stimmt Jak völlig mit der Synagoge überein : Abraham erhält auf Grund von Werken seinen Platz in der himmlischen Liste der Gerechten und wird als Freund Gottes aufgeschrieben. Und auch die Verbindung des Glaubens mit der Geschichte von Isaaks Opferung stammt aus der Haggada. Aber hier macht sich ein Unterschied bemerkbar: für den jüdischen Exegeten stellt der Glaube Abrahams ein Werk oder eine Kette von Werken dar. So eindeutig ist 1 Mischna Makkoth BI 15 heißt es mit Beziehung auf die Verbote Lev 18, die man durch Nichttun befolgt (und in Anwendung der Verheißung Lcv 18s), daß man dem, der dasitzt und keine übertretung begeht, Lohn gibt, als erfüllte er ein Gebot. - Auch hat nach Bcreschith Rabba 39 (zu Gen 121) und 55 (zu Gen 222) Gott dem Patriarchen bei den heiden Versuchungen Gen 12 und 22 nicht gleich seine Absicht ganz enthüllt, um ihm für jeden einzelnen seiner Schritte (bei der Auswanderung) und seiner Worte (bei dem Gespräch über die Opferung Isaaks) Lohn zu geben I I Bereschith Rabba 44 zu Gen 151 sagt Gott zu Abraham: "Fürchte dich nicht; alles. was ich dir in dieser Welt getan, habe ich umsonst getan. und dein Lohn verbleibt dir in jener Welt."
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Erklärung
die Verbindung von &7ttaTEuazv und &AoYLa31j bei Jakobus nicht. Er will ja nicht beweisen, daß der Glaube ein \Verk ist, sondern daß Glaube und Werke zusammenwirken. Darum ist seine Interpretation der Stelle Gen 156 nicht ganz konsequent; denn man weiß nicht, ob tr.tanuatv nur auf die Opferung Isaaks in v. 21 (so die Synagoge) oder nur auf die 7t(O'T~~ in v. 22 oder auf beides zusammen gehen soll. Im ersten Fall verliert v. 2:! seinen Beweis, im zweiten fehlt es bei tAoyta&l] an der Erwähnung der Werke; so bleibt die dritte Möglichkeit; das wäre aber eine nicht sehr klare Interpretation. Die Wurzel der Schwierigkeit liegt darin, daß Jakobus seinen erst auf Grund christlicher Voraussetzungen formulierten Satz über die Zusammengehörigkeit von Glauben und Werken in den jüdischen Beweis von Abrahams Werkgerechtigkeit hineingetragen hat. Warum er dies tut, hat der nächste Exkurs zu zeigen.
Glaube und Werke bei Paulus und Jakobus 1 Wer die Anschauungen über Glauben und Werke bei Paulus und unserem Autor vergleicht. muß zu allererst beachten. daß keiner von beiden des Glaubens Wesen definiert hat. daß beide nur davon reden. wie viel oder wie wenig auf den Glauben unter bestimmten Umständen ankomme. Und noch ein zweites gilt es zu bedenken: daß man eigentlich Unvergleichbares nebeneinander stellt. Unvergleichbares. nicht nur weil wir vom einen Autor lange Briefe. vom anderen nur dies kurze Schriftstück besitzen. sondern vor allem deshalb, weil nur der eine von ihnen eine originale große und kühne Anschauung von des Glaubens Wert in bald lehrhafter bald begeisterter Sprache vorgetragen hat. Dagegen erscheint des anderen, des Jak, Bemühen lediglich darauf gerichtet, eine ihn schädlich dünkende Schätzung des Glaubens dadurch abzuweisen, daß er die Notwendigkeit der Werke aufzeigt. die aus diesem Glauben hervorgehen sollen. Er spricht mit der Oberzeugtheit des Lehrers, der der Zustimmung jedes redlich Denkenden sicher ist; Paulus mit der Gewißheit des innerlich Berufenen, dessen Predigt der Welt als Torheit und Ärgernis gilt, während ihre göttliche Kraft gerade ihm offenbar geworden ist. Bei sei ne r Predigt als der originaleren und individuellen Verkündigung muß die Untersuchung einsetzen. 1 Aus der reichhaltigen Spezialliteratur zu Jak 2,,·11 nenne ich: W. Weiffenbach, Exeg .. theol. Studie über Jak 2.. ·.. 1871. - P. Schanz, Jakobus und Paulus, ThQ 1880, 3ft". 247ft". - Klöpper, Die Erörterung des Verhältnisses von Glauben und Werken im Jak, ZWTh 1885, 280ft". - L. Usteri, Glaube, Werke und Rechtfertigung im Jak, StKr 1889, 211 ff. - G. Schwarz, Jak 21 ..... StKr 1891, 704ff. - Tielemann. Versuch einer neuen Auslegung und Anordnung des Jak, NKZ 1894, 580ff. - B. Bartmann, St. Paulus und St. Jak über die Rechtfertigung (BibI. Studien 111) 1897. - J. Böhmer, Der ..Glaube" im Jak, NKZ 1898, 251 ft". - E. Menegoz, Die Rechtfertigungslehre naeh Paulus und nach Jak (übersetzung) 1903. - E. Kühl, Die Stellung des Jak zum alttestamentl. Gesetz und zur paulinischen Rechtfertigungslehre 1905. - Albert Köhler, Glaube und Werke im Jak, Zittaucr Gymn .• Programm 1913. - Johnston, The Controversy between St. Paul and St. Jamcs, Construetive Quarterly 1915. 603ft". G. Eichholz, Jakobus und Paulus. Ein Beitrag zum Problem des Kanons, Theol. Existenz heute N. F. 39, 1953; J. Jercmias, Paul and Jamcs, Expos. Times 66, 1955, 368-371; E. Lohsc, Glaube und Werke. Zur Theologie des Jak, ZNW 48, 1957. 1-22.
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Röm 4 ist der Abschnitt, in dem Paulus am deutlichsten bezeugt, worin seines Glaubens Kraft besteht. Auch er verwendet dabei das Abraham-Beispiel, offenbar im Gedanken an die jüdische Tradition. Sein Verständnis der Stelle Gen 156, nach dem das tAoYLa&t] die Werkgerechtigkeit geradezu ausschließt, ist bekannt; der Spruch wird im Zusammenhang gedeutet, so also, daß Abrahams Glaube der Verheißung des Leibeserben gilt. Und gerade an diesem Punkte wird ihm des Glaubens höchste Bedeutung offenbar: was Abraham glaubt, ist das Unglaublichste von der Welt; seine Jahre und der Sara Alter scheinen der Verheißung zu widersprechen - aber er glaubt 7tQ:P' tA7tE8Q: t7t' tA7tE8L (Röm 418). Dieser Abrahams-Glaube wird dem Paulus ein Vorbild christlichen Glaubens; auch der Christ muß glauben wider alles Hoffen: das Unwahrscheinliche, daß Gott den Messias in den Tod gehen ließ und ihn dann zu Leben und Herrlichkeit erweckte (Röm 425) und das Allerunglaublichste, daß er auf solche Weise .. den Sünder rechtfertigt" (Röm 45). Was menschlichen Augen nicht sichtbar, was menschlichem Urteil nach unmöglich ist, das macht der Glaube dem Glaubenden zur gewissen Tatsache (KoI212). Der Glaube weiß, was er nicht sieht. Glauben und Schauen sind Gegensätze (2Kor 57). Diese Wendung des Glaubens hin zu einer übersinnlichen, aller menschlichen Berechnung widersprechenden Wirklichkeit hängt aufs engste mit dem persönlichen Erleben des Paulus zusammen. Er hatte es erfahren, daß Gott das Nichtseiende ins Dasein ruft (Röm 4(7) und das Unmögliche verwirklicht: aus dem Verfolger der Gemeinde hatte er den Apostel, aus dem Pharisäer den Heidenmissionar gemacht. Und so paradox wie seine Bekehrung ist auch das Evangelium, das der Bekehrte predigt, vom Kreuzestod des Messias und vom Heil für Sünder und Heiden: alles, was dem Paulus einst wertvoll, ehrwürdig und heilig gewesen war, mußte er in den Staub werfen, um diese Botschaft 7tQ:P' tA7t(8~ &7t' tA7tE8L glauben zu können (Phil 37ft.). Und ebenso paradox ist schließlich Gottes Weltleitung gewesen, als er das Volk des Gesetzes in die I rre gehen ließ und die Heiden zum Heil berief. Es ist wahrlich kein Zufall, daß Paulus in zwei Abschnitten des Römerbriefes, in denen man geläufige Gedankengänge seiner Predigt wahrnehmen kann, dem Hörer die Frage in den Mund legt: Ist Gott nicht ungerecht? (Röm 35 91.). So wird Glauben das Stichwort für die Annahme dieses wunderbaren göttlichen Ratschlusses, der mit dem Tod des Gottessohnes den Sünder rechtfertigt. Wer zu dieser Paradoxie Ja sagt, bekundet damit den Willen, auf den Erwerb von Gerechtigkeit durch Werke (t8(Q: 8LXQ:LOaUV1) Röm lOs) zu verzichten und sich von Gott .. rechtfertigen" zu lassen. Das heißt dann "Gerechtigkeit aus Glauben" (Ga1216 Röm 1(6), und an diesem Gedanken scheiden sich die Religionen: der vO(.LO~ &?ywv hier, der v6(.Lo; 7tLaT&6)~ da (Röm 327, s. auch GaI323.25); unter diesem Gesichtspunkt ist des Glaubens Gegensatz nicht mehr das Schauen, sondern das Tun. Aber neben dieser Anschauung vom Glauben bezeugen m:mch~ Worte und Wendungen des Paulus eine andere. Die für ihr Verständnis wichtigste Stelle steht Röm 109: Glaube ist der innere Vorgang, der dem äußeren, mit dem :\(unde geschehenden Bekenntnis zu Jesus als dem Herrn parallel nebenher geht. Wie er zustande kommt, sagt 1014.15; aus dem Anhören der Heilspredigt entsteht der Glaube. Er bedeutet also zuerst die Annahme und alsdann das Festhalten an dieser Botschaft; so gebraucht Paulus das Wort Röm 15.8 1Kor
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Erklärung
25 Phil125 Kol 1. 1Thess 18. Dann kann 7ttO"t't<; die christliche überzeugung (2Kor 12." vor allem aber Röm 141.22.23), ja schließlich das Christentum überhaupt (Gal 123) bezeichnen l . Glauben ist an all diesen Stellen das Stichwort für die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Christen; sein Gegensatz ist das .. ungläubig d.h. Nichtchrist sein". Diese Bedeutung setzt Paulus Röm 109.1.& in der nicht von ihm gegründeten Römergemeinde als geläufig voraus. Er hat sie also nicht erst geprägt. Ja man darf sagen, daß diese Bedeutung überhaupt nur einen Sinn hat, wenn sie auf einem gemeinschristlichen Sprachgebrauch beruht. Daß dem so ist, machen auch andere Beobachtungen wahrscheinlich (vgl. unten). Vollends aber wird ein Ausdruck, den Paulus immer gebraucht, jedoch nie erklärt, in der Vielheit seiner Verbindungen nur verständlich, wenn der Apostel ihn schon als fest geprägt aus dem religiösen Begriffsschatz der U rchristenheit übernahm: es ist der Terminus 7t(u.tC; 'I..,aoü XptO"t'Oü, 7t(O"t't<; 'IYJaoü, 7t(O"t'tC; XPtO"t'Oü. \Venn ·;.ta1'L<; Stichwort für die Zugehörigkeit zur religiösen Gemeinschaft ist, so ist 7t((f':tC; 'I. Xp. die Christianisierung dieses Wortes 2 • Es bedeutet also, daß jemand den Glauben hat, der bei Gliedern der christlichen Gemeinde vorauszusetzen ist. So kann der Ausdruck "Glaube an Jesus Christus" zum Träger der verschiedenen Bedeutungen werden, die "Glaube" bei Paulus haben kann. Verständnis für dieses Nebeneinander gewinnt man durch einen Blick auf die geistige 'Welt, der Paulus entstammt. Das ist freilich nicht so gemeint, als ob der dem Paulus eigentümliche, der Rechtfertigungs-Glaube (Gegensatz: tun) direkt "ableitbar" wäre. Aber wir haben diesen Glaubensbegriff bereits verstehen gelernt als eine Spezialisierung des anderen, der das Vertrauen auf eine den Sinnen nicht zugängliche göttliche Welt zum Inhalt hat. Daß dieser Gedanke den hellenistischen Dualismus (cpoctv6/Uvov - a<pocvic;) zur Voraussetzung hat, dürfte einleuchtend sein; daß er aber auch schon vor Paulus in die jüdische Gedankenwelt eingedrungen war, ja auch schon zur Deutung des AbrahamBeispiels verwendet wurde, das zeigen Philos schöne Ausführungen über das "E;:l(f':&lJa&v 'AßpocxlJ. 1'(:J &&(:>" Quis rer. div. heres 90ff. p. 485f. 3 • Wer würde Gott nicht glauben? so fragt ein fingierter Gegner, um des Erzvaters Lob herabzusetzen. aoccpw<; yvwan, antwortet Philo, ÖTL 1J.6v~ &&(:' x,wptc; hipolJ 7tPOa7t:LPOC).lj~&WC; ou pci.8tov manüaOCL 8LCX ..-1jv 7tpOC; 1'0 &nj'rov
Jak 22.
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xelt iX)J..OL<; 7tO)J..OL<; civot7td&e:L 7tE:7tLG't'E:Ux&vCXL (vgl. auch De praemiis et poen. 28-30 p. 412f.). Das ist die hellenistische Wurzel zum 7tCXP' EA7t(8cx t7t' EA7t(8cx
des Paulus; wie stark religiös dieses Vordringen aus dem Schein zum Sein auch im Hellenismus getönt werden konnte, zeigt Corp. Herrn. 910, wo die innere Schau (voljacxL) mit 7tUTt'e:üaCXL gleichgesetzt wird 1 • Im Hellenismus läßt sich auch die Wurzel jenes anderen Glaubensbegriffs finden, der, wie wir gesehen haben, eine religiöse Gemeinschaft zur Voraussetzung hat. Solange die Identität der religiösen Gemeinde mit dem Volk bestand, brauchte es keine religiöse Sonderbezeichnung; wer zu Israel gehört, ist auch Diener Jahves. Aber auf dem Boden des Diasporajudentums, wo Proselyten und ae:ßc}!J.e:vOL der Botschaft des sittlichen Monotheismus Gehör gaben, konnte man die Überzeugung des Juden haben, ohne Jude zu sein. Vielleicht stoischem Vorbild folgend, gebraucht Philo 7t(o"n~ für diese Überzeugung (De virtut. 216 p. 442 cixAW·~<; KCXt ßtßex(ex tmOA'YltJiL<;) 2 ; wie sich bei ihm die Wendung des Wortes auf Gott, auf die Überwelt vollzieht, haben wir bereits gesehen; er ist auch hier des Paulus Vorgänger in der Doppelseitigkeit der Beziehungen. Jene Verwendung von "Glauben" für die religiöse Überzeugung des Juden ist nun aber Allgemeingut der Juden 3 ; das kann nicht wundernehmen in einer Zeit, da die nationale Gemeinschaft nicht mehr oder nur in geringerem Maße bestand. V gl. den vorigen Exkurs und besonders 4Makk 152-& 162:! 172. Uns kommt es hier besonders auf ein Problem an - das Verhältnis dieses Glaubensbegriffs, der die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Gläubigen bedeutet, zum Handeln, also zu den "Werken". Das Wort Glaube umfaßt zunächst Gesinnung und Bekenntnis; je mehr \Vert aber die Frömmigkeit auf das Tun legt, desto enger gehören die Werke zum Glauben. So werden wir es verstehen, daß die Dokumente der Thora-Religion gelegentlich neben dem Glauben die 'Werke ausdrücklich nennen; das geschieht nicht, um einen Gegensatz zwischen bei den zu betonen, sondern gerade um die Nähe der Werke zum Glauben hervorzuheben: wer sich zur Thora bekennt, muß nach ihr handeln! Die besten Belege bietet das 4Esra-Buch (übers. von Gunkel bei Kautzsch), so 332: "Hat dich ein anderes Volk erkannt außer Israel? Oder welche Stämme haben so deinen Bündnissen geglaubt wie die Jakobs?" (Gegensatz 529 die Heiden, die "deinen Verheißungen widersprochen haben".) In 6[) wird von der Versiegelung derer geredet, die "Schätze des Glaubens sammeln"; gemeint sind im Gegensatz zu den vorher erwähnten "Sündern" offenbar die Frommen; bei den "Schätzen des Glaubens" aber kann man an die innere Haltung des Frommen denken und an alle mit ihr zu sammen1 V gl. auch Corp. Herrn. 4, wo in § 6 prinzipiell der Dualismus geschildert wird: 800 y~p GV't'wv TWV öV't'wv, O'W!lCXTOC; KexL eXO'W!lci.Tou, Ev oIe; -rO &wjTOV Kext -rO ~LOV VOELTGlt, 7j CXLPE:O'LC; ~CXTtpou KCXTCXAeLm:TCCL Tij> EAtO'~CXL ßOUAO~V'll. Darauf heißt es in § 9: T~ fd:v YeXp cpcxw6(LE:VCX ..tprrE:L, TeX 8& eX. 2 Bousset a.a.O. 145. 3 Die wenigen SteUen des Alten Testaments, an denen vom Glauben die Rede ist, haben diese Verwendung veraniaßt und gefördert; aber die neue religiöse Situation des Judentums hat dieser Terminologie eine Bedeutung gegeben, die ihr nach dem Alten Testament nicht zukam. Im übrigen vgl. A. Schlauer, Der Glaube im Neuen Testament 21896, Kap. 1 u. 2.
218
Erklärung
hängenden Leistungen, also doch wieder an Werke, von denen unter dem Bilde des Schatzes zu reden der jüdischen Literatur geläufig ist 1 • So gehören Glaube und Werke zusammen, und so werden sie auch zusammen genannt, wenn von denen die Rede ist, die entrinnen konnten ,.um ihrer Werke willen oder des Glaubens wegen, den sie bewahrt haben" (4Esra 97; vorausgesetzt ist also, daß dieser Glaube angefochten wird) und wenn den nin Drangsal Gefallenen" Rettung zugesichert wird, falls sie nWerke haben und Glauben an den Allerhöchsten und Allmächtigen" (1323). Solcher in der Verfolgungszeit bewährte Glaube ist der Sache nach von einem "Werk" kaum zu scheiden. Lehrreich ist auch der Parallelismus 724: nSeinen Geboten glaubten sie nicht, seine Werke vollbrachten sie nicht." Diese Stellen erklären eine Erscheinung, die sich uns bereits bei der Untersuchung des Abraham-Beispiels gezeigt hat: daß nGlaube" einerseits ein bestimmtes Verhalten, zumal in Verfolgungs- oder Versuchungszeit, bezeichnet, also eine Leistung, ein Werk, und daß darum der Spruch von Abrahams Glauben auf sein Verhalten bei Isaaks Opferung bezogen werden kann - und daß andrerseits .. Glaube" auch die allen Werken zugrunde liegende innere Beschaffenheit charakterisiert und in diesem Zusammenhang der Spruch Gen 156 auf Abrahams ganzes Leben angewendet wird. Dieses zuletzt genannte Verständnis wird besonders deutlich bekundet Mechilta, Parascha Wajehi beschallach, Abschn. 6 (fol. 33 b Friedmann, in der Obers. von Winter und Wünsche S. 110): nR. Nechemja sagt: Jeder, der ein einziges Gebot im Glauben auf sich nimmt, ist würdig, daß der heilige Geist auf ihm ruhe." Es folgt ein Beweis aus Ex 1431 1St, und dann heißt es: n Und ebenso findest du, daß Abraham, unser Vater, diese Welt und die zukünftige Welt nur im Verdienste des Glaubens, den er an den Ewigen glaubte, geerbt hat"; als Beleg wird Gen 156 zitiert. Die Stelle schildert also Abraham als den Mann, der .. im Glauben" Gebote auf sich nimmt. Bezeichnend für diese Auffassung ist auch die TalmudsteIle Makkoth 24a, wo beschrieben wird, wie die ursprüngliche Zahl der Gesetzesvorschriften (365 Verbote + 248 Gebote nach Makkoth 23 b) durch Zusammenfassung immer mehr reduziert worden sei; da heißt es schließlich dieser Schluß des Gedankenganges wird auf R. Nachman bar Jizchak (gest. 356) zurückgeführt - : nDarauf kam Habakuk und setzte sie (die Vorschriften) auf eines herab. denn es heißt: Der Fromme wird durch seinen Glauben leben" (Hab 2.). Aus alledem wird klar, daß der Glaube in jedem Fall in engster Beziehung zu den Werken steht; eine prinzipielle Gegenüberstellung beider ist dem Judentum nicht geläufig'. Diese übersicht über die Entwicklung des Glaubensgedankens war an dieser Stelle notwendig, da Jak niemals sagt, was er unter Glauben versteht. Es kann Die Stellen bei A. Bertholet, BibI. Theologie des Alten Testaments II 1911, 454. Dieses Urteil gilt, trotzdem in 4Esra 831-341 die berühmten, an Paulus erinnernden Worte vom gnädigen Gott stehen: "Denn gerade weil wir nicht Werke der Gerechtigkeit haben, wiest du, wenn du einwilligst, uns zu begnadigen, der Gnädige heißen ... Denn dadurch wird deine Gerechtigkeit und Güte, Herr, offenbar, daß du dich derer erbarmst, die keinen Schatz von guten Werken haben." Aber der Sündenpcssimismus des 4EsraBuches ist überhaupt eine Ausnahme, und sodann ist in diesen Worten nicht vom Glauben die Rede, der dem Sünder die Möglichkeit der Rettung weist; die Meinung der vorhergehenden Verse ist vielmehr die, daß Gott sich um der wenigen Gerechten willen des ganzen Volkes erbarmen solle. 1
2
Jak 2"
219
schon darum nicht davon die Rede sein, daß Jak zu den geschilderten Glaubensvorstellungen eine neue hinzubringt ; es fragt sich nur, in welche der genannten Gruppen wir ihn einzureihen haben. Die beste Aufklärung gibt 21. Jak will sagen: ..Ihr Christen. Bevorzugung von Personen verträgt sich nicht mit eurem Glauben", und er sagt (s. die Erklärung): .. Habt nicht Glauben in Begleitung von 1tPO(J(a)1tOAlllLo/l«." Es ist also durchaus die vulgäre innere Zugehörigkeit zu einem Bekenntnis und seiner Gemeinschaft. Dasselbe ist gemeint, wenn in 1s die Anfechtungen Glaubensproben heißen; ihre Gefahr liegt ja gerade darin, daß sie die Zugehörigkeit des Einzelnen zum Bekenntnis erschüttern könnten. In 2c. 1tAOU(J(OU<; iv 1t(CfT&L scheint der Gedanke sich jener hellenistischen Glaubensvorstellung zu nähern (Glaube, Gegensatz .. Schauen"). Aber in diesem Satz regiert der Zwang der Antithese. und darum darf man von dort aus nichts für unsere Stelle folgern. Dies letzte gilt auch von den beiden Stellen, an denen das gläubige Gebet erwähnt wird, 1s und 515. Hier hat 1t(a-ru; die Spezialbedeutung ..Vertrauen auf Gebetserhörung", aber erst die Verbindung mit .. Beten" ist es, die diese Bedeutung verlangt - man darf also auch diese Bedeutung nicht verallgemeinern und im ganzen Jak durchführen. In allen untersuchten Fällen aber handelt es sich um den Glauben, den der Christ hat, niemals um des Sünders Glauben, der erst den Weg zu Gott weist. Mit diesen Beobachtungen stimmen die Resultate der Untersuchung von 21411. überein. Den Glauben, von dem hier die Rede ist, kann man bei jedem Christen voraussetzen; ja als Beispiel für das Bekenntnis wählt Jak 219 sogar einen Satz, in dem nicht nur Christen, sondern auch Juden (und aufgeklärte Heiden) einig sind. Aber gerade daß er dies tut, zeigt, daß es ihm hier nicht auf einen besonderen Glaubensbegriff der Christenheit oder bestimmter christlicher Gruppen ankommt (siehe die Erklärung). Das bestätigt auch 218; denn wenn die oben versuchte Erklärung richtig ist, unterscheidet er in dem fingierten Dialog nicht einen Glaubensbegriff, der Werke einschließt, von einem anderen, der sie ausschließt, sondern er sieht in der Trennung des einen vom anderen eine bloße Künstelei; der Glaube, der sich nicht in Werken kundgibt, ist ein schlechter Glaube! Das zeigt, wo er hinaus will. Nicht eine Meinung über den Glauben gilt es zu korrigieren; seine Absicht ist nicht dogmatisch, sondern praktisch gerichtet: er will die Christen ermahnen. ihren Glauben, d.h. ihr Christen turn, durch Werke zu betätigen. Damit ist die Frage nach dem Verhältnis zu Paulus noch nicht gelöst. Nur eines ist zunächst zu erkennen: es ist unmöglich, daß der Verf. den Römerbrief auf diese Weise bekämpft hätte. wenn er ihn gründlich gelesen und verstanden hätte. Das ergibt sich vor allem aus seinem Verständnis der .. Werke". Wir wissen ja aus dem Galaterbrief zur Genüge, welche .. Werke" Paulus vor allem im Auge hat. wenn er von dem Glauben ohne Werke spricht; es sind die Werke des Zeremonialgesetzes. Beschneidung. Festefeiern, Reinheitsriten. in deren Geltung unter Heidenchristen Paulus den Verderb des Evangeliums sieht. Von alledem ist bei Jak nicht die Rede. Seine .. Werke" bestehen in der Erfüllung der einfachsten sittlichen, vor allem der Liebes- und Barmherzigkeitsgebote, siehe 127 21-13. aber auch 318 5,. Ähnlich steht es nun auch mit seinem Verständnis des Glaubens. Der Glaube, der das Unmögliche annimmt und sich darauf verläßt. um Zugang zu Gott zu finden. ist dem Jak fremd. Die Rettung, die auch nach seinem Zeugnis (214) dem Glauben verheißen ist. hofft
220
Erklärung
jeder ernste Christ bei der großen Weltverwandlung zu finden; auch hier zeigt sich's, daß Jak vom Glauben redet, den Christen haben, nicht von dem, durch den der Sünder erst zum Christen wird. Es erhebt sich nun die Frage, ob man in unserem "Brief" nicht doch ein Zeugnis .,vorpaulinischen" Christentums zu sehen habe, ob er also nicht aus der Zeit vor den Kämpfen des Paulus um das Gesetz herrühre. Die Frage wird bis heute von manchen bejahtl. Ich glaube aber doch, daß die Untersuchungen dieses Exkurses in Verbindung mit denen des vorhergehenden ein anderes Urteil nahe legen: der Verfasser steht zwar selbst in einer urchristlichen Entwicklung, die nicht direkt von Paulus berührt ist - sonst würde er ihn besser verstehen oder deutlicher bekämpfen - , aber seine Ausführungen 21411. sind doch nicht denkbar, ohne daß Paulus zuvor die Losung .,Glaube, nicht Werke" ausgegeben hatte. Wir haben gesehen, wie eng verbunden für die jüdische Anschauung Glaube und Werke sind. Eine Alternative "Glaube oder Werke" hat in diesem Vorstellungs kreis keinen Platz. So scheint auch Jak zunächst das Problem zu behandeln, da er die Absurdität des Glaubens ohne Werke dartut. Auch die Verwendung des Abraham-Beispiels läßt sich (wie die des Rahab-Beispiels) gut aus diesen jüdisch-christlichen Anschauungen heraus verstehen. Aber nicht die Ausführung des Abraham-Falls I Denn Jak will mit Gen 156 nicht beweisen, daß bei Abraham die Werke aus dem Glauben hervorgehen - was korrekt jüdisch und "vorpaulinisch"-christlich wäre -, sondern daß Glaube und Werke bei der Rechtfertigung Abrahams zusammenwirken (s. 222). Ihm sind es also zwei verschiedene Größen I Und er bringt in seine Interpretation von Gen 1511, wie schon gezeigt, eine auffällige Unsicherheit dadurch hinein, daß er die Worte einerseits auf den "zur Gerechtigkeit" angeschriebenen Glauben, andrerseits auf die Gerechtigkeit aus Werken deutet'. Das ist nur erklärlich, wenn diese ganz unjüdische Zerreißung von Glauben und Werken schon ausgesprochen, die Alternative schon gestellt war. Das hat Paulus getan, und er hat es als erster - wenigstens im Sinne weltgeschichtlicher Wirkung als erster getan; wenn wir einen Vorgänger postulieren wollten, so wäre sein Kampf um die Galater unverständlich. So ist Jak nicht ein Gegner des Paulus zu nennen, aber auch nicht ohne die Sendung des Paulus zu denken 3 • 1 Ich erwähne von Neueren Bq'schlag, Zahn Einleitung § 4, B. W'eiß 33f., Schlatter, Mayor. Heiser, so auch G. Kittel; siehe S. 182 A. 1. • Zur besseren Obersicht seien die fraglichen Auffassungen der Genesis-Stelle in Paraphrasen noch einmal zusammengestellt: Gen 15. C7tlaTwotv •AßpClOtt'- Ti;l &Eii» Kcxl CAOyLa&7j cxlYri;l d~ 8tXcxtoOÜV7jv Judentum: A. glaubte Gott und dieser Glaube wurde ihm als Werk ..zur Gerechtigkeit" gebucht. und dieser Glaube wurde ihm an Stelle der Paulus: A. glaubte Gott Werke wie Werke angerechnet. A. glaubte Gott und sein Glauben und seine Werke wurden Jakobus: ihm ..zur Gerechtigkeit" gebucht. 3 G. Barth in: G. Bornkamm, G. Banh, H. J. Held, Oberlieferung und Auslegung im Mt-Evangelium 11961, 149-154 vergleicht die Antinomisten, mit denen Jak es zu tun hat, mit denjenigen, gegen die sich Mt 517tr.; 71$11.; 24uII. richtet. Die letzteren ..stützen sich auf ihre Charismen, ihr Pncumatikertum, aber nicht auf ihre 7t~" (154).
Jak 2.
221
Es bleibt noch die Frage. gegen wen Jakobus eigentlich schreibt. Er könnte faules. untätiges Christentum meinen. das sich zu Unrecht auf Paulus beruft. Er könnte aber auch Leute im Auge haben. die echte Gedanken des Paulus vertreten. und die er. der Autor. mißversteht. Allein die Existenz solcher wahren Paulus-Jünger ist sehr zweifelhaft; es war ja das Schicksal des Paulus. in der Kirche mißverstanden zu werden. Und auch die andere Möglichkeit ist keineswegs sicher; denn wir erinnern uns. daß unser Autor diese .. Abhandlungen" schreibt nicht als Polemiker gegen vorhandene Richtungen und Parteien. sondern als Lehrer. der mögliche und höchstens zum Teil schon Wirklichkeit gewordene Gefahren erkennt und die Gemeinden davor bewahren will. Eine solche Gefahr sieht Jakobus in der Losung vom Glauben ohne Werke. eine Gefahr nicht für den Glauben. sondern für das Leben; aber was er nicht sieht. das ist der ursprüngliche Sinn dieser Losung und die Bedeutung. die sie für einen an allem eignen Tun verzweifelnden und nach Gott verlangenden Menschen haben kann. . Schicksal und Wirkung des Jakobus-Briefes sind durch diese Einseitigkeit bedingt. Er muß sich nachsagen lassen. daß er einer Parole widersprochen hat. die ihrem ursprünglichen Sinn nach ein großes schöpferisches Erlebnis ausdrückte. Und je näher Menschen der späteren Generationen diesem inneren Erlebnis kamen. desto unleidlicher ward ihnen der Widerspruch unseres Autors. Aber des Jakobus Kritik ging ja gar nicht gegen das Erlebnis des Paulus. weil ihm dessen Tiefe verschlossen war. Und nicht nur ihm allein; die ganze himmelstürmende Kraft der Paulus-Losung .. ohne Werke durch Glauben" ist kaum jemals im Verlauf der christlichen Geschichte Massenbesitz gewesen. Denn die Vorbedingung fehlte und wird bei der Menge christlich Geborener immer fehlen, das Erlebnis der Katastrophe. für das ein durch Bibellektüre veranlaßtes Nacherleben der Krise natürlich niemals einen Ersatz bilden kann. Als ein Christ. der seinen Gott offenbar ohne eine solche Erschütterung seines Inneren gefunden hat. schreibt Jakobus. und er schreibt für solche Christen. Für diese Menschen hat die nicht mehr im Ursinn verstandene Losung .. ohne Werke" etwas Verwirrendes, denn was wäre Frömmigkeit ohne Werke? Jak hat das Verdienst, diesem Widerspruch offenen Ausdruck gegeben zu haben und damit der Sprecher eines Kreises von Christen geworden zu sein. deren Christentum in religiös begründetem gutem Handeln seinen zusagenden Ausdruck fand. Gewiß waren das nicht die kühnsten und größten Geister. aber eine Religion. die die Welt gewinnen will. hat es nicht nur mit großen Geistern zu tun. Und das Christentum jener Vielen ist zum Träger einer großen christlichen Bewegung geworden: diese Menschen, die allmählich im Verlauf von Jahrhunderten die Pflichten des täglichen Lebens christlich beurteilen und anfassen lernten. haben die Christianisierung der bürgerlichen Gesellschaft und ihres Pflichten kreises angebahnt. Wer unseren Autor bei diesem Werke mitarbeiten sieht. als Einen unter Vielen. der erkennt seine geschichtliche Bedeutung besser als wer ihn in die unmittelbare Nachbarschaft des größten Apostels hinaufhebt.
222
Analyse
5. 3blJan&lung: 110n &rr iungr 31-11
Analyse Ein Zusammenhang mit der vorhergehenden Abhandlung ist nicht angedeutet und ist bei dem literarischen Charakter des Ganzen auch nicht zu erwarten. Der Versuch, trotz allem eine Verbindung herzustellen, muß zu gekünstelter Auslegung führen; das zeigt das Chrysostomus-Fragment in der Catene tTttL8lj -ro 8t8aaxELv !VtU TOÜ 1tOLELV OU fL6vov xep8oc; ou8ev, cü.Mt Xelt ~YjfLl.elV 1tollljv Xelt Xcx't'cX.xpLaLv cpep&L Tij) fLtTa. TOaelVTYjC; cl1tpOaE~l.elt:; 8LOLXOÜV't'L TOV ß(ov -rov telUTOÜ, -rljv cpV.OV&LX(elV TWV fL~ ßou).o!Jlv(a)v tpya~&a3elt tXX01tT(a)v, -ro 8t8ciax,w cl7tCL1t& 't'OLt:; «'lEU fpyou 8L8ciaY.ouaL, XptfLel fLEyCX t1tLTL3E(c;. Aber auch die übereinstimmung unseres Abschnittes mit den
beiden inhaltlich verwandten Mahnungen in t 19. 26 darf nicht zur Konstruktion eines literarischen Zusammenhangs verwertet werden, vgl. die Analyse von t 19-27. In einer Reihe von Bildern stellt unsere Abhandlung die Wirkungen der Zunge dar, und zwar die bösen Wirkungen - darüber kann wenigstens von v. r.b ab kein Zweifel bestehen. In v. 1 aber lesen wir eine Warnung vor übermäßigem Andrang zur Tätigkeit des 8L8claxcxAO~. Die Mahnung stände völlig isoliert, wenn sie nicht durch v. 2 erläutert würde: die Lehrer sind mehr als andere der Gefahr ausgesetzt, sich beim Reden zu vergehen. v. I gehört also eng zu v. 1 und ist ein Obergangsvers, s. die Auslegung. Trotz dieser Begründung bleibt ein Abstand zwischen dieser Mahnung und der folgenden Abhandlung erkennbar. Denn es kann doch keine Rede davon sein, daß Jak die Lehrer der Gemeinden oder solche, die es werden wollen - selbst wenn er sie persönlich kennen sollte im Ernst all der Sünden zeihen wollte, die er im Folgenden andeutet und deren eine, das Fluchen, er v. 10 ausdrücklich nennt! Eine ähnliche Spannung zwischen den einleitenden Worten und der folgenden Abhandlung ergab sich bei der Analyse von 2ur. und 2141.; hier wie dort werden Mahnungen an die Gemeinden, die gar nicht eines besonderen Anlasses zur Motivierung bedürfen, mit Abhandlungen im Stil der Diatribe begründet, die diesem Stil gemäß gröbliche Vergehungen auf dem in Rede stehenden Gebiet als abschreckendes Beispiel vorführen. Der Interpret hat sich davor zu hüten, diese Beispiele als Wirklichkeit zu nehmen und den Lesern aufs Konto zu setzen (vgl. den Exkurs zu 22). Ein Unterschied unserer Abhandlung von den vorhergehenden ist darin zu erkennen, daß hier die einleitende Mahnung einen SpezialfalJ, die Abhandlung ein allgemeines Thema behandelt; dort wurden Gesinnungsimperative durch Beispiele grober Verfehlungen erläutert; hier wird die Warnung vor einem möglichen 1tTCXI.ELV tv A6y~ beim Lehren durch eine Ausführung über Zungensünden überhaupt auf eine breitere Basis gestellt. Die Spannung zwischen Mahnung und Ausführung hat von den Kommentatoren vor allem Spitta gesehen; Geffcken hat sie in "Kynika und Verwandtes"
223
S. 45-53 mit dem Nachweis begründet, daß 3811. eine Diatribe hellenistischjüdischer Herkunft sei. In der Tat wird man auch für 33-~a die Zugehörigkeit zur Abhandlung trotz gewisser Bedenken behaupten können, schon wegen der Bilder, die mit den folgenden Art und Herkunft gemeinsam haben. Dann darf man aber nicht einseitig nach v. 2 interpretieren: die Zunge, wiewohl ein kleines Ding, vollbringt doch Großes, nämlich Beherrschung des ganzen Körpers (so Windiseh). Sondern ~YcXACl ClUX&L v. 6 muß dann in unserem Zusammenhang schon die V.6b-8 folgende, keineswegs optimistische Beurteilung der Zunge und ihrer Wirkung vorbereiten: das kleine Glied hat große Wirkung (Bilder vom Roß und vom Schiff), die kleine Zunge richtet großes Unheil an (Bilder vom Feuer und von den Tieren). Dazu gesellen sich dann noch v. 9-12 die Bilder von der Quelle und den Pflanzen mit der Moral: die Zunge sollte nicht so verschiedenartige Wirkung haben. Aber diese hier angedeutete Disposition kommt in der Abhandlung selbst nicht recht zur Geltung; wir merken vielmehr, wie die Gedanken sich stoßen oder auch sich kreuzen - ein Beweis, daß der Autor Schulgut weitergibt. Darüber hat die Erklärung Aufschluß zu geben. Erklärung
V.1. "Laßt nicht so viele von euch Lehrer sein" - so lautet die der Abhandlung von der Zunge voraufgehende Mahnung. Da 7toUo( nicht allein steht, so darf es nicht zu ytV&a3Clt gezogen, und 7toUOI. YLV&a3-Clt "sich vermehren" Gen 61 als Parallele benutzt werden (Gebser); auch die adverbiale Fassung "häufig auftreten" (BeIser) ist aus dem gleichen Grunde abzulehnen. Zudem beweist ein Blick in die Konkordanz, daß YLV&a3-Clt seine Eigenschaft als Ersatzwort für dVClt gerade in den Imperativen der Paränese häufig zeigt, vgl. zu 122. Also: "Seid nicht viele Lehrer"; Gründe des angeblichen Zusammenhangs, aber auch sachliche Gründe - etwa: der gerügte Mißstand trete sonst nicht hervor - vermögen nicht wider diese Fassung zu zeugen, da die Mahnung völlig isoliert steht. Auch zu Konjekturen - 7tAcivot 8t8ciaxClAot, i3&A08t8ciaxcx.Aot (Hermas Sim. IX 222) - liegt kein Anlaß vor; die Lesart von L 7toUu8t8ciaxlXAoL beruht auf einer der üblichen Buchstabenverwechslungen und die Übersetzung bei m - multiloqui - will offenbar die Verbindung zwischen Mahnung und Abhandlung herstellen. Die Warnung wird mit dem Gedanken begründet, daß "wir (Lehrer) härtere Strafen empfangen werden" als die anderen. Der Wortbedeutung wie dem Zusammenhang nach könnte auch von strengerem Urteil die Rede sein (Windiseh). Aber in der urchristlichen Paränese ist die Bedeutung von XPL!-LCl = "Strafurteil" besonders eingebürgert; s. Röm 38 1Klem 5b, so auch in den Wendungen XPL!-LCl &X&LV ITim 512, &L<; XPL!-LCl YLv&a3Clt 1Klem 211 Ign. Eph. 111, ßCl(]"t'ci~&LV 1'0 XpL!-LCl Gal 510. In diesen Zusammenhang gehört nun auch die an unserer Stelle
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Erklärung
gebrauchte \Vendung xp(!lCX ACX!l!)ClvtO'&CXL, die auch Röm 132 und dem Wortlaut nach noch verwandter in dem Herrnwort Mk 12,,0 (= Lk 20,,7; Mt 231' in den Koine-Zeugen) OU't'OL A~f.L~OV't'CXL 7ttpLaao't'tpov Xpt!lCX vorkommt. Der Verfasser rechnet sich unzweideutig mit unter die Lehrer; es ist die einzige Stelle, in der wir etwas über ihn selbst erfahren. Und er schließt sich mit unter das Verdikt ein, daß härtere Strafe den Lehrern droht als den Belehrten. Vorausgesetzt ist natürlich: wenn sie sich verfehlen, aber das folgende Geständnis "wir fehlen alle mannigfaltig" zeigt, daß er sich keineswegs in akademische Erwägungen verliert. Nicht vorausgesetzt ist eine bestimmte Theorie über Vergeltung und Gericht, Sünde und Gnade; auch Paulus hat 1Kor 3121r. gerade den Missionaren und Lehrern Lohn und Strafe am Tage des Herrn in Aussicht gestellt. Die Erklärung des Verses hat gezeigt, daß Jak nicht an gelegentliches Auftreten der Christen als Lehrer denkt, sondern an einen gewissen Andrang zum Beruf des OLOcX.O'XCXAOC;. Wer den Brief nicht mit Spitta in eine jüdische Umwelt versetzt, wird die Mahnung nicht auf das Rabbinat 1, sondern auf die Tätigkeit des urchristlichen oLorXaxcxAoc; 2 beziehen und somit auch in dem Verf. einen solchen Lehrer erkennen. Ob die Mahnung unseres Autors durch bestimmte Übelstände in bestimmten Gemeinden veranlaßt war, wird man bezweifeln dürfen, da er sich bei der Mahnung nicht länger aufhält. Grund zu solchen Warnungen war immer vorhanden angesichts des sicher sehr lebhaften Bestrebens, neue Erkenntnisse aus der Schrift zu gewinnen und bei privater Lektüre gewonnene der Gemeinde mitzuteilen. Auch die angesehene Stellung des "Lehrers" mochte locken, während die Verantwortung, die auf ihm lag, gering geschätzt wurde. Vgl. Hebr 137 und Pirke Aboth 412: "Die Ehrfurcht vor deinem Lehrer sei wie die Ehrfurcht vor Gott" oder Baba Mezia II 11, wo nachgewiesen wird, daß der Lehrer dem Vater vorgehe, "denn sein Vater brachte ihn in diese Welt, während sein Lehrer, der ihn Weisheit lehrte, ihn in das Leben der zukünftigen Vi elt bringt." Also braucht man nicht bestimmte Zeitereignisse herauszulesen, weder die Verdrängung des charismatischen Berufs durch das Amt noch das Auftreten gnostischer Schulhäupter. Unser Autor hat offenbar selbst an der Verantwortung des Lehrberufs zu tragen; auch hier fehlen jüdische Parallelen nicht 3. Andrerseits liegt auf 1 Der von Spitta zitierte Spruch des Rabbi Schemaja, Pirke Aboth 110 bietet wahrNlÜr.1 ist keine Warnung vor dem Rabbinat. scheinlich keine Parallele; denn n~::l'i1-mc T-Y -: T: sondern heißt .. hasse das Herrsein" ; zur Begründung verweist Strack z. St. auf Pesachim 87b, einen Weherufüber die .. Herrschaft", Herford (bei Charles, Apocr. and Pseudepigr. 11 692) auf Sotah 13b, wo Josefs herrisches Benehmen als Ursache seines frühen Todes genannt wird. Derselbe Spruch Aboth R. Nathan 11 I. 3. I Vgl. A. v. Hamack, Mission und Ausbreitung des Christentums I '1924, 319ff. a R. Abtaljon, Pirke Aboth t 11: .. Ihr Weisen, zeigt euch vorsichtig in euren Worten"; auch die Warnung vor Irrtum im Studium, der Frevel nach sich ziehe (Pirke Aboth 413-), gehört hierher; ebenso die Mahnung zur Vorsicht Baba Mezia 33b: .. Denn bei der Lehre gilt das Versehen als Vorsätzlichkeit."
Jak 31.1
225
diesem persönlichen Moment nicht der Hauptnachdruck ; denn die Begründung bildet nicht ein persönliches Schuldbekenntnis wie etwa 2Klem 182, sondern ein Gemeinplatz 1: wir fehlen alle mannigfaltig I. Man sollte erwarten, daß die allgemeine Regel in V.2b spezialisiert würde: wer sich aber "im Wort", d. h. beim Lehren vergeht, hat besonders strenge Strafen zu gewärtigen. Statt dessen heißt es positiv: wer solche Verfehlung meidet, ist ein UA&LOC;. Der Grund für solche Weiterführung des Gedankens ist leicht einzusehen. Jak will einen übergang zur Abhandlung finden; das gelingt ihm, indem er zu T&A&LOC; noch hinzufügt: er ist fähig, auch seinen ganzen Körper zu zügeln. Und nun sind wir auf einmal bei dem Bilde, das Jak schon 126 gleich anderen 3 von der Zunge gebraucht hat und das er auch hier sogleich, wenn auch in anderem Sinn, verwenden wird. Das Bestreben, trotz des Abstands zwischen der Mahnung v. 1 und der Abhandlung v. 311. einen Anschluß zu gewinnen, ist deutlich (vgl. das zweimalige 0).0\1 Tb aWIlCl v. 2 und s); V. Sir. erscheint als geschlossener Zusammenhang, zu dem Jak überleiten will; ja man wird sogar hier schon zu der weiter unten zu belegenden Vermutung gedrängt, daß Jak im Folgenden nicht nur traditionelle Einzelheiten, sondern eine Reihe von Beispielen im Zusammenhang, wenn auch nicht im Wortlaut, übe rn e h m e. Das erste dieser Beispiele nämlich ist offenbar das von den Rossen gewesen; nur zu diesem Bild, nicht aber zu dem Gedanken von v. sund, (vgl. die Analyse) hat v. 2 eine Brücke geschlagen. V.3 ist also ein übergangsvers, dessen Schluß durch das folgende erste Beispiel bedingt ist. Es liegt somit weder für den Autor noch für den Erklärer ein Anlaß vor, die menschliche Vollkommenheit hier irgendwie zu determinieren, zumal da das Eingeständnis menschlicher Schwäche daneben steht - vgl. zu 1, und für civl)p 18 - ; ebensowenig ist eine Diskussion der Auffassung vom Leib nötig, die den Worten des Autors zugrunde liegen soll und über die ältere Kommentare an dieser Stelle handeln'. 1 ci1t~ sind nicht die Lehrer, sondern die Menschen; das adverbiale :roll&. geht nicht aufs Lehren, sondern auf allerlei Gelegenheiten; Wandel, StKr 1893, 683ft'., der dies bestreitet, verkennt den Charakter des Verses als Ubergangsvers. Daß ein Gemeinplatz vorliegt, zeigen auch die Parallelen z. B. Sophokles, Ant. 1023f., Thukydides III 453, Aristotelcs, Rhet. ad Alex. 37 p. 1444a, Seneca, De elem. I 63, Epiktet I t h, auch Philo, Quod deus sit immutabilis 75 p. 284 und Polykarp 61. Aber 4Esra 83:; hätte Spitta nicht als Parallele erwähnen dürfen, denn hier spricht sich ein viel tieferes Empfinden für das Problem der Sünde aus. I In hoh s vulg (sumitis) und m (accipietis) wird der Autor in v. 1 gar nicht eingeführt. Aber daran ist wohl die 2. Pers. in v. 1& schuld, nicht der Wunsch, Jak zu entlasten. Ob die Alliteration mit 1t hier auf Absicht beruht? :I V gl. außer Plutarch, De garrulitate 3 p. 503 C vor allem Philo, De spcc. leg. I 53, Quod det. pot. ins. sol. 23. 44. 174, De mutat. 240, De somn. II 275. t Wandel, StKr 1893. 687ft'. bezieht oWJUl sogar auf den Leib der Gemeinde. Diese Deutung verbietet sich schon deswegen. weil Jak mit XIXAL'ny(o)yljo(ll. und ÖA'l'I TO owruz einen Obergang zu dem Bild von V.3 herstellen will. 15 7162
Mcyen Komm. XV, Dibclius, Jakobul
226
Erklärung
V.3. Der Anfang der eigentlichen Abhandlung ist textkritisch nicht sicher. Die Variante d 8i AB K L - tat C P und sehr viele jüngere Zeugen (bei Soden: Koine) würde eine rein orthographische Differenz sein, wenn nicht beide Lesarten einen verschiedenen, aber passenden Sinn gäben. Da die itazistische Aussprache von e~ = L früh bezeugt ist, so müssen wir mit beiden Möglichkeiten rechnen: daß man phonetisch ~ac schrieb und c~3e meinte und daß man CL eigentlich nur für langes L, dann aber schließlich statt ~ überhaupt zu schreiben sich gewöhnte. Da B häufig CL in diesem Sinne setzt. so ist sein Zeugnis für die Lesart CL 3i problematisch; andrerseits ist für C besonders zu bemerken. daß er hier rat liest und z. B. b aoc:pe:~ schreibt. Den ursprünglichen Text des Sinaiticus, lC*, würde ich, weil er tL3e yrLfl hat - YOtp ist später gestrichen - unter die Zeugen für (ac einreihen. Der Handschriftenbefund kann also verschieden gedeutet werden. Von den Versionen haben syVI hl und arm "siehe". ff 5 vulg .. si autem und auch m scheint auf einen Bedingungssatz zu weisen: quare ergo equis frena in ore mittuntur, nisi in co ut suadeantur a nobis et totum corpus circumducamus? Man darf auch nicht nach dem Kontext entscheiden 1• Mayor zieht aus V.II den Schluß, daß V.3, wenn konditional, nur so lauten könne: "Wenn wir die Pferde mit einem Zaum zügeln, so müssen wir auch unsern Mund mit einem Zügel versehen"; da dies nicht dastehe, so sei die konditionale Lesart abzulehnen und t3c zu bevorzugen. Aber die vorausgesetzte Parallelität von v. 2 und 3 existiert nicht, und weil v. 2 ein Ubergangsvers ist, darum darf man sich auch an dem anknüpfenden Bi der Lesart cl 3, nicht stoßen. Ebensowenig kann XQt( in v .• beweisen, daß auch V.3 mit .,siehe" beginnen müsse; XOt( fügt lediglich dem ersten Beispiel der Abhandlung das zweite hinzu. Und auch t30':' in v.• verpflichtet uns nicht, in v. 3 t3t zu lesen. Im Gegenteil: da einige jüngere Zeugen auch in v. 3 tBo':' lesen, so ist die ohnehin sehr glaubhafte Tendenz, v. 8 nach v., zu korrigieren, belegt; dann aber wird man auch die Lesart (3c dieser Tendenz (und der phonetischen Schreibung) aufs Konto setzen dürfen und die eigentliche Diatribe mit cl Bi beginnen lassen. lC
Wenn, wie wahrscheinlich, ein Bedingungssatz zu lesen ist, so beginnt der Nachsatz mit XOtL. Die Annahme einer Aposiopese ist unnötig'. Dann J Statt .. Man darf ... " mUßte es wohl heißen: .. Man kann auch nicht nach dem Kontext entscheiden", wie Dibelius im folgenden zu zeigen sucht. Dennoch gibt es für die Entscheidung keine andere Instanz außer dem Kontext; denn der onhographische Zusammenfall von CL, i und I macht ein Uneil auf Grund der Bezeugung unmöglich. Alle griechischen Schreibungen sind wie die übersetzungen Interpretationen. Bei den letzteren wäre noch "sah" nachzutragen. die ebenfalls ein [&u oder t& voraussetzt und neben den von Horner benutzten Fragmenten aus dem 9. bis 11. Jh. neuerdings durch ein Löwener Fragment aus dem 6. Jh. br-: .:gt ist (L. Th. Lefort. Lcs manuscrits coptes de l'universit~ de Louvain I 1940. 96f. :'0°.23). 2 Beyschlag (vgl. aueh Spina) gibt ab Begründung an. es müsse ergänzt werden: so sollten wir es doch auch uns selbst tur. (siehe v. 11); auch wäre 3« ohne eine solche Annahme unverständlich. Aber diese Argumente beruhen auf einer irrigen Schätzung des Zusammenhangs mit v. I und sind bereits im textkritischen Exkurs abgewiesen. Derselbe Irrtum scheint mir vorzuliegen. wenn man wie Roland Schütz, Der parallele Bau der Satzglieder im Neuen Testament (FRLANT NF 11) 25f. zum Erweis der auch von mir vertretenen Konstruktion die Parallelität mit v. I anführt.
227
Jak 33 .•
sind aber die bei den VV. 3. 4 trotz der syntaktischen Verschiedenheit sachlich parallel: mit dem kleinen Steuerruder lenken wir das große Schiff, so heißt es v .• ; dementsprechend würde v. 3 lauten: das große Roß wird doch gebändigt durch den kleinen Zaum - denn da die Antike den Zaum kennt, wird man so zu übersetzen haben 1. Von der Kleinheit des Zaumes ist nun freilich nicht ausdrücklich die Rede; aber ÖAO\l TO (Jw!l-(X im Nachsatz zeigt, daß der Autor an den Gegensatz denkt, der zwischen der Kleinheit des Mittels und der Größe seiner Wirkung besteht; erst diese Antithese gibt dem Nachsatz einen Inhalt, der über die Selbstverständlichkeit der Worte &L<; I TO 7t&L31:(J&ott (XUTOU<; 1)~~v hinausgeht. Auch die Geschichte des Bildes verbürgt diese Pointe; schon in der Antigone spricht Kreon den Gedanken, daß hochmütiger Sinn am leichtesten zu Fall kommt, in einem Bildwort aus, das die Geringfügigkeit des Mittels ausdrücklich betont, Sophokles, Ant. 477 f.: (J~tXp XotAt\l(~ 8' 0!8'X .OUC; -3-u~ou!J.houc; L7t7tOUC; X(XT(xP't"U-3-tvT(XC; ••• Da nun die Diatribenliteratur gern klassische Zitate verwendet, unter Umständen in ganz anderem Sinn als das OriginaJ3, so wird eine solche Parallele auch für die Erklärung unserer Stelle nicht ohne Bedeutung sein. Das gilt um so mehr, weil nicht nur Parallelen ahnen lassen, sondern gewisse Unstimmigkeiten unseres Textes geradezu beweisen, daß die hier gebrauchten Bilder eine Geschichte hinter sich haben, aus der sich die oft beobachteten Schwierig kei ten unseres Textes erklären. In der Analyse ist gezeigt, daß schon die heiden ersten Bilder, von Roß und Schiff, in diesem Zusammenhang einen pessimistischen Sinn haben: kleine Ursache, große Wirkung; so hat auch die kleine Zunge große, nämlich schlimme Wirkung. Wer aber das besonders von Wettstein, Spitta, Mayor und Geffcken gesammelte und von mir im Folgenden noch vermehrte Parallelen-Material untersucht, wird darin von solcher pessimistischen Tönung des Gedankens kaum eine Andeutung finden·; die 1 Anders natürlich Ps 31 (32)., wo XcVJ.vOI; und XlJ(L6t; nebeneinander stehen. Vgl. Xenophon, De re equestri 67 tvoc SE 0 lmrox6(L~ xtd -rov Xa)..LvOV op&wc; E~n, npw-rov f.'h npoa('tCll X«-rcX -rcX &:PtEpE"tCll (s. auch 6. 9.). Eine charakteristische Parallele ist das berühmte Bild in Platons Phaedrus p. 254b.c.d: der Wagenlenker zieht die Zügel (~~ iJvlrxc;) an, so daß das Pferd hinfällt, und Zaum wie Fall ihm wehe tun (-ri]c; 08u.n;c;, ijv iJ7to 'toü IcVJ.VlJÜ TE laxn xcU -roü 1r'tW(LIX-roC;); als es dann später durchgeht, beißt es auf den Zaum (M:xx~v TOV X(X).tv6v); vgl. auch Philo, De agric 70 p. 311. Der Plural an unserer Stelle ist natürlich generell zu verstehen, ebenso wie 't1X «r.6(L1X't<X; ein Teil der Zeugen, darunter A 33. 81 sy, haben den Singular: -ro «r.6(LIX. :I K B C '1'. 1739; die Mehrzahl der Zeugen hat n~ (wegen dc; 't1X cr.6(LIX't1X ?). 3 Nachweise bei P. Wendland, Beitr. zur Gesch. d. grieche Philosophie und Religion 1895,23.24 A. 1. , S. Herrmann, Steuerruder, Waage, Herz und Zunge in ägyptischen Bildreden, Zeitschr. für ägypt. Sprache und Altertumskunde 79, 1954. 106-115. zeigt, daß diese Bilder und ihre Verbindung eine lange Geschichte in Ägypten haben und daß die Be-
'ZO
lS-
228
Erklärung
Interpreten, die dem v. 3 durch Annahme einer Aposiopese eine Deutung auf des Menschen Herrschaft über die Zunge geben und so den Parallelismus mit v. , zerstören, sind also von einem richtigen Gefühl geleitet: ihre Deutung dürfte zwar für Jak nicht zutreffen, wohl aber den ursprünglichen Sinn der Bilder wiedergeben, auch des Bildes vom Schiff in V.4. Denn daß beide Bilder verwandt sind und einander anziehen, beweist ihre Geschichte. Solche Gedanken bis in ihre letzten Ursprünge zu verfolgen, ist freilich unmöglich; eine zu solchem Zweck in den Kommentaren häufig zitierte Stelle bei .\ristoteles 1 beweist auch nichts weiter, als daß man an Steuer und Schiff das Verhältnis von Ursache und Wirkung beschaute. Die erwähnte Verwandtschaft aber zeigt sich schon in der eigentlichen Bedeutung, wenn das Seefahren mit dem Reiten verglichen wird und umgekehrt I; sie zeigt sich aber noch viel deutlicher am philosophischen Gebrauch beider Bilder, des einen von Schiff und Steuermann, des anderen vom Pferd und seinem Lenker, der hier häufig der Wagenlenker ist. Beide erscheinen in der Bilderreihe des teleologischen Gottesbeweises 3 , deren einzelne Glieder stoische Gemeinplätze geworden sind'. Einzeln werden sie bei verschiedenen Autoren erwähnt 5 ; in ihrer Verbindung bilden sie besonders bei Philo geradezu einen Titel Gottes'. Da nun in dieser Literatur bald vom menschlichen Geist auf Gott (Ps. Aristot., Oe mundo 6 p. 399b), bald auch von Gott auf den Geist geschlossen wird (Cicero, Tuscul. disp. 1 § 70), so werden wir uns nicht wundem, wenn wir heide Bilder auch auf die Herrschaft des Geistes im Menschen angewendet urteilung der Zunge auch dort je später je mehr zum Pessimismus neigt. V g1. auch die unten S. 228 A. 6 geäußerte Vermutung. 1 Aristoteles, Quaestiones mechan. 5 p. 850b 814 Tt -rO 7r7jBIiALov ~LXpbvavx«lm' iaxci.ne> T~ 1tAO~ ~v 8Uvcx~LV fxCL &cnc unO ~LXPOÜ o(OtXO<; x«l ~ ~1tOU 8uvci.~(a)~ XOt1 ~~t; i)pc~(Qt~ ~ XLVCLa~L !LCri&1J 7tAOWV; I Philo, In Flaccum 26 p. 521; Oe agricultura 69 p. 311; ähnlich Oe Ioscpho 149 p.62. I Vgl. die Aufzählung der Reihe in Oe mundo 6 (p. 400b der Berliner AristotelesAusgabe) XOt.&6>..ou Be 6mp iv V7)t ~ xußeMT7)t;, iv &p~T1. Bi i)vtoxo<;, iv xopii) 8e XOPU
Jak 33.,
229
finden, sei es, daß sie aus dem Gedankenkreise des teleologischen Gottesbeweises übertragen sind 1, sei es, daß dieser parallele Gebrauch spontan entstanden ist. So wird der J..oYLa(l.6~ als Steuermann bezeichnet!, und der voü~ heißt wie Gott Wagenlenker und Steuermann 3; noch mehr ins Gebiet unserer Diatribe kommen wir mit den Texten, welche die Herrschaft des Menschen über seinen Körper, seine Affekte und seine Lebensführung mit den Bildern von Steuermann und Reiter illustrieren c. Man wird behaupten dürfen, daß ein paränetischer Schriftsteller jener Zeit schon durch Assoziation von dem einen Bilde auf das andere geführt werden konnte. Einige Beobachtungen sind vielleicht geeignet, die Herkunft unserer Bilderreihe noch besser aufzuklären. Philo beantwortet De opificio mundi 83 ff. die Frage, warum der Mensch zuletzt von allen Kreaturen geschaffen sei, mit dem Gedanken: er sollte durch sein plötzliches Erscheinen den 1 Die übertragung ist deutlich bei Philo, De op. mundi 88 p. 21 1)VLOXOV 8~ 'tW OC XOCL xußf:Pvi)"t'l)V t
!3«av.twc;. 2 4Makk 71-3. Der Daimon als Steuermann bei Aristotcles, Eth. Eudem. p. 1247 a otov 7t),OLOV xerxwe; Vf:Veru7t1jYIl&vov «1lf:WOV 7toUcix~ 8& 7tM:L, cVJ..' ou 8~' ocu'to, cVJ..' ti't~ lZt~ xußf:Pvi)'tljv ciyerDov. cVJ..' ou'toe; tu-ruxwv -rov 8oc(llov' lxt~ xußf:Pvi)"t'l)v ciyocMv. 3 Phi1o, De migr. 67 p. 446 7toptuE'ter~ 8~ 0 «
230
Erklärung
andern Lebewesen Schrecken einßößen und so die Herrschaft über sie erlangen; als Beispiel dieser Herrschaft wird der Reiter genannt. der selbst das mutigste aller Tiere zu zähmen weiß I. Die Erschaffung des Menschen am Ende der ganzen Reihe göttlicher Schöpfungsakte beeinträchtige aber die Stellung des Menschen nicht. so fährt Philo fort. denn Gott habe den Menschen als Wagenlenker und Steuermann der irdischen Dinge geschaffen - und diese haben ihren Platz hinten auf dem Schiff. jene hinter den Zugtieren. so wie der Mensch am Ende der Schöpfungsreihe steht s• Nun bringt auch unser Verf. das Bild von der Bezähmung der Tiere in v. 7, und wir erkannten bereits, daß auch v. 3 und" eigentlich diesen optimistischen Sinn erwarten lassen (vgl. Theophyl. Simocatta S. 230 A. 4): wie Reiter und Steuermann mit kleinen Mitteln große Wirkung ausüben, so können auch wir mit dem Geist unseren ganzen Leib beherrschen - und nicht die pessimistische Deutung, die der Zusammenhang. wie er jetzt lautet, verlangt: solch eine Herrschaft des Kleinen über das Große übt auch die Zunge in unserem Leibe aus. Wir dürfen also vermuten, daß die Bilder in v. 3 • .&.7 ursprünglich einer optimistischen Darstellung von der Herrschaft des Menschen en tstammen; mit dieser Hypothese wäre die Formulierung von V.3 und" erklärt. die so gar nicht auf die kommenden pessimistischen Ausführungen hinweist und die einen Teil der Ausleger wenigstens in v. 3 zu einer optimistischen Deutung veranlaßt hat. Und auch für die pessimistische Wendung, die unser Text den Bildern gibt, meine ich wenigstens Vorstufen in der stoischen Tradition zu erkennen. Philo redet Legum allegoria III 223 f. davon, daß der Geist das Leben des Menschen beherrsche wie Wagenlenker und Steuermann; wenn er aber der Sinnlichkeit weichen müsse, dann entbrenne der Geist und es entstehe eine Feuersbrunst, wie sie Moses Num 2130 geschildert habe'. Und Plutarch führt in dem Buch 1 Oe op. mund i 86 !>.21 l(Qt1. !J.1)v -ro ~ ~ucW'MTOV ~c;.ov tmroc; P<x8L~ [quIlL] 7.12••• 2 Oe op. mund i 88 p. 21 1t~'tUpc~ 8' 1jvLoXOI. xai. xu(kpvijTIIL· ol JJh ycip Uc:rrcpL~OVTCC; T&V u~~uy((o)v xal xl2-romv I2~V ~~6fu:voc. ~ ci-" i&C>.(o)(J1,v etm «yoUOL TWV ~v ivCL· A"lI"I"ML ... ot 8" I2U Xußcpvij'rOtL ltpOc; Tb vc~ laxetTOv X~lov ltPUI"'~I2V 1tCtpCA&6vTcc; lt.xVT(o)V Wt; m~ d1tCiv dcn,v ~taTOL TWV il"lt>..t:Wr(o)v,!~ ~ vc~ xG:l ":wv tv ~\rrr, rljv G(o)n:· pletv tv xcpcrt TCtLC; I2ÖTWV IxOVTCC;. Die Fortsetzung siehe S. 229 A. 1. Eine andere Verwen· dung des Bildes vom Platz des Steuermannes auf dem Hinterdeck Philo, Oe pracm. 5 t ~V'XY(o)yr:&c~
*
p.416. :I Leg. alle III 223ff. p. 131f. (;)amp OUV
~XOV~ JJh -iJvt6xou xal TlXic; T,Wz~ .eX ~~ ~ ~ ßoU>.trat !~L -:0 &p~, ciqn'lVt4~(o)v 8~ hdV(o)v xcd xpclTllCJliv't'(o)v ö '" 1jvLox'~ xa~ll noUtixu; . • . x~t ~ cUDu8pof.LCL !J.I;v, ljvLxa ruv oltix(o)v >.aß6JUVOc; {) xu(Xpvijn;c;
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ciY.o).W&c..»c; ltl)8altouzci, 7tCptTphtcTrlL 8' 6n: nvcUlJ.CtTOc; ~Lou 1tCpl~ T1i &aM't"tfi {) x)..~v tvc;)~, r,.y:(o)c; b:ctMv I"Ev 0 IjIoJxijc; YjvLt,)X~ ~ XußcMn::; 0 voüc; !PXll ":f"Ü ~cjlou ÖMU ••• , ~IIL 0 ~Loc;, Ö":a.v 3i Yj no~ I2(ODl)cn.c; ~iPlj'tiXL 'teX lt~,"iOt, aUrxUOLc; xaTetA~~ 3av7j .•.. Tm ylip, ct &:i TciAll⁣ dmiv, ll"ltL-tpetTCtL ~Acy6f.LCYO<; () voiM;. TWV OtÜJtli)oc(o)v T1)v ~).6y0t CycLpouawv TeX etla&rjm Urcoßcß).lll"~V. Xl2t M(o)uaijc; tdvroL 3l)AOL m:pt Tijc; TOLI%~C; lltltp-/)m:(o)c;, ~ yLVCTCXL Btci TWV Otla&+,m:(o)v, .oü VOÜ, ö'tOtV )jyr.. "XOtt I2t ywcxtXE:; I" 7tFr,oc~ixalJ(JG:V 1tÜp h M(o)~." Auch Oe spcc. leg. IV 79 p.348 heißt es: cf ~ ouv
231
Jak 33.4
von der Geschwätzigkeit aus, das Wort sei nicht - wie ein Schiff durch Taue und Anker - aufzuhalten, wenn es einmal den Hafen (des Mundes) verlassen habe; vielmehr es eile fort und werde Ursache einer großen Gefahr, die, wie der nun zitierte Euripides (Nauck 111 Frgm. 415) sagt, mit einer Feuersbrunst zu vergleichen sei 1. Also wird bei beiden Schriftstellern eine pessimistische Wendung mit dem Bild vom Feuer illustriert, demselben Bild, das auch unser Autor v. I) und 6 zum selben Zwecke braucht. Er scheint also auch hier von der Tradition abhängig zu sein und somit alle die genannten Bilder übernommen, ja vielleicht einem bestimmten Zusammenhang entlehnt zu hab e n, dessen Rekonstruktion uns natürlich unmöglich ist, dessen Pos tulierung uns aber gewisse Unklarheiten und unvermittelte Übergänge in unserem Text restlos erklärt. Beide Bilder werden an einigen der genannten Belegstellen nun auch mit denselben Motiven und mit ähnlichen Worten ausgeführt. Diese Tatsache bestätigt die Annahme eines Zusammenhangs 2 und liefert gelegentlich auch einen Kommentar zu den Worten unseres Jak-Textes. Ich notiere folgende übereinstimmungen. Die lenkende und leitende Tätigkeit von Reiter und Steuermann wird bei Jak mit IJ.tTiYCLV und E,jSUvEw bezeichnet; ebenso findet sich CUMVELV bei Philo, Abr. 70, Confus. 115, Leg. all. Tn 224, X(X't'EIJ&UvttV bei Dio 12H, Sextus, Adv. Math. IX 27 und wieder Philo, Decal. 60, l&UVELV Theophylakt, Ep. 70, ferner X(X,,;,riytLV bei Sextus :l. a. 0., ;.u:.:i.jEW Stobaeus UI p. 493, OCYELV bei Philo, Opif. 88, Leg. all. 223. Den \(' orten .ou<; XIXAWOU<; ßiAAOf.LEV bei Jak entspricht Xa.AtvO'1 bl,,;,(&-rJG~ Philo, De agr. 69, De spec. leg. IV 79 und X.a.AtvOV t!L~iA·(l Xenophon, De re equ. 67; (.Ll; (.Lc·W1 TIXL~ Op(.UL~ op'~~ (.Lll8t ZrV.J.vOv WcrnEP TOLe; ci'Pll~~GlLC; t1r.tt.~:; iv:L1hlG1. ... A"iJerE":'Xt ~d: TOV :X9'1lVtGlG(.LOV ~&t:tc; ottt UTtO <XP(.L~:hc.>v 1)VL'lZ0C; E~ ~piXYYiXe; f)ipxSpIX 8\JG~TttSpcuTGl
1:
- und in IV 83 wird dann die Begierde mit einem Feuer verglichen, s. unten zu 35.1. Ähnlich heißt es Oe decal. 49 p. 188 von denen, die den Gesetzen nieht gehorchen: öcro~ 8' :X'P·'lvtGlaTGlL, XGlL61UVOt XGlL XGl":'x)txL61UVO~ 8tGlTUOücnV urtO -rwv Mov rn&u(.LtWv - auch hier wieder das Nebeneinander beider Bilder! Die Ursache ihrer Verbindung wird unten bei der Erklärung von 35.' näher untersucht. J Plutarch, De garrulitate 10, Moralia p. 507 AB \/EWC; !Jlv yip <xpTt~yd(J7jc; u~ ~ :.Itl"ro:; ir.LMf.Lßcivo-r.~t, aru:(p~~ Y.Glt ciy-..
I
r.civt'Ce;' • 2 Von übereinstimmungen, welche unseren Jak-Text nicht angehen, merke ich die (olgenucn an. Daß der Steuermann das Schiff lenkt, obwohl er am .lußcrsten Ende seinen Platz hat, wird bei Aristotcles, Quaest. mech. 5 und Philo, De opif. 88 betont; die hemmende Tätigkeit des Ankers wird in bezug auf die Rede zum Vergleich herangezogen Plutarch, Oe garrulitate p. 507 A und Theophylakt Simocatta, Ep. 70. Philo sagt Oe agr. 69 vom Steuermann: i
232
Erklärung
die Kleinheit des Mittels wird beim Zügel erwähnt Sophokles, Ant. 477, beim Steuer Aristoteles, Quaest. mech. 5 und an unserer Stelle; die widrigen Winde nennt Jak, um die Macht des Steuermanns zu behaupten, Philo, Leg. all. Irr 223, um sie für solchen Fall zu verneinen, Vor allem aber ist charakteristisch, wie der freie Wille des Lenkenden geschildert wird. In Ps. Arist., De mundo 6 p. 400 b heißt es: 1tcXv.<x XLVd x<Xl. 1tEPLcXYEL, 07tOU ßC.UAETCXL xcxl Ö7tW~, Philo sagt 1i ßOUAtT<XL Leg. all. UI 223 und 1i CXV EaiAWO'LV Opif. 88, Aristipp bei Stobaeus TIr p. 493 01tOL ßOUAtT<XL, Lucretius 904f. quantovis impete und quolibet. Dem allen entspricht in unserem Texte 01tOU ~ 0Pf.L~ TOÜ E~VOV'O~ ßOUAETClL. Durch diese Parallelen ist der Sinn von 0Pf.L~ sichergestellt: gemeint ist der Wille des Lenkenden (vgl. ff: voluntas, m vulg: impetus), nicht der mechanische Druck, den er ausübt.
Wenn man beide Verse übersieht, wird das vorangestellte tmtwv nicht befremdlich erscheinen; das Wort gehört zu
Jak 35.8
233
neutralen Sinn abzugewinnen: Großes vollbringt das kleine Steuer und auch das kleine Glied. So wird dem Gefühl sein Recht, daß hier noch nicht von schlechter Wirkung der Zunge die Rede sei. Ich glaube aber gezeigt zu haben, daß jene Deutung von v. 3 nach v. 2 unzulässig und daß dieses Gefühl nur zum Teil berechtigt ist. Der Zusammenhang unseres Textes wird von der anderen Gruppe der Exegeten richtig erkannt, die alle Bilder auf die schlimme Herrschaft der Zunge beziehen; die Tatsache aber, daß diese Beziehung im Text nicht früher zum Ausdruck gelangt, glaube ich aus der Geschichte der Bilder befriedigend erklären zu können: Jak hat hier Traditionsgut aufgenommen, es aber nicht restlos in seinem Sinn verarbeitet. Kein Wunder, daß man schon frühzeitig zu ändern suchte, was er noch stehen ließ: vielleicht will die Schreibung !-L&YcxA/XUXtL (~20 N K L und die Mehrzahl) bereits einen Tadel zum Ausdruck bringen, sicher gilt das wohl von der Lesart exultat (Codex Fuldensis der vulg) und ebenso von der Übersetzung est magniloqua m; ff dagegen hat gloriatur 1. VV. 5 b. 6 folgt ein drittes Bild: ein kleines Feuer vermag einen großen Wald zu entzünden. Dies ist zweifellos der Sinn; trotzdem braucht man nicht, wie die Koinezeugen samt einem Teil der ägyptischen (A * 'Y) o),(YO\l (ff: pusillum ignis, m: parvus ignis, s vulg: quantus) zu lesen; eine solche offenbare Verdeutlichung des Wortspiels ist nicht nötig; die gegensätzliche Bedeutung von ~),b(O~ "wie klein - wie groß" ist gerade reizvoll und wird auch durch Parallelen gesichert 2 • ü),lj muß dann um des Gegensatzes willen möglichst anschaulich gefaßt werden; also sicher nicht "Brennstoff" und wegen ~),(xoc; auch nicht "Holz", sondern "Wald", zumal da die Geschichte des Bildes diese Bedeutung rechtfertigt 3 • Wichtige Daten dieser Geschichte haben wir bereits kennengelernt (S. 230 A. 3): Philo beschreibt mit dem Bilde vom Wagenlenker und Schiff den guten Zustand des Menschen, bei de:n die Vernunft regiert; zur Schilderung des Gegenteils aber gebraucht er das Bild vom Feuer. Auch an anderen Stellen kommt Philo vom einen aufs andre Bild; und den gleichen Fall konnten wir bei Plutarch feststellen (S.231 A. 1). Die Bedeutung des Bildes vom Feuer erklärt diese Zusammenhänge; wie Steuermann und \Vagenlenker typische Illustrationen sind für die Herrschaft der Vernunft, so wird der Feuerbrand in der Diatribe gern gebraucht, um das Regiment der Leidenschaft und der Begierde darzustellen. Ich sehe hier, wo es sich 1
2
Die Alliteration fLLXPOV !J.&AOt; tJr(ciAcx ist vielleicht beabsichtigt, vgl. Einleitung § 5. 1)ALxOt; "wie klein" Lucian Hermotimus 5, Epiktet I 1228. Ein gutes Beispiel bietet
Philostratus, Vita Apollonii 11 112, wo Damis von dem 13jährigen Knaben, der einen Elephanten zu lenken weiß, bewundernd sagt: TO Y<XP &rJp(~ 'nJALXO&r~ t1tLTETOCY.SCXL 'nJALX6v8' 6VTCX ••• 8CLLfL6vLOV ~!L0Ly& 80XEL. :s L. E. Elliott-Binns, The Meaning of ÜAlJ in Jas. III 5, NTS 2, 1956,48-50, bringt
sprachliche und sachliche Argumente dafür bei, daß eher an Gebüsch und Gestrüpp als an Wald in unserem Sinne gedacht sei.
234
Erklärung
um den traditionellen Gebrauch des Bildes in einer bestimmten Bedeutung handelt, von seiner Verwendung in anderem Sinne ab und möchte auch gelegentlichem poetischen Gebrauch 1 nicht allzuviel Bedeutung zumessen. Wieder sind es aber Plutarch und Philo, die den Gebrauch des Bildes zur Charakterisierung der Leidenschaft bezeugen; jener betont, daß je nach dem Material der Funke genährt oder gelöscht werde 2; dieser schildert das Umsichgreifen der Flamme im Holz3 - beide aber wollen I Pindar, Pyth. III 36f. Ps 119(120)3.•. Weitere Beispiele Roßbroich, De PseudoPhocylidcis, Diss. Münster 1910, 80f. 2 Plutarch, Coni. praec. 4 p. 138F Wamp -ro 7tÜp i;1Xr.u'tOCL fJh euXtpwt; EV cXXUPOL:; XOC" ~pUOCn(BL Xott ~PL~t AOCY&cLpoOOot. Hierher gchört wohl auch was De somniis II 93 p.671 im Anschluß an Gen 37" von dem lrPO<J'TIX~C; Tijc; XEVijt; 8o;'Ilc; gesagt wird OÜ7tW y«P tax'Jx6Tot OpWaLV lX,r.OV, OUX ~ 'PA6yOl i}ILIJivov Te: Xtl" MILTtOVTot EV cXcp~6v'll ÜA 11 VEIL6ILEYO", ~' i~' wt; tmt~ijpot Evrucp61'.EVOV •.• und endlich die offenbar verderbte Stelle Vita Mos. II 58 p. 143: Die Sodomiten fachen die ~80Vot( und m&ulL(ocL durch reichliche Zuwendungen an wa7ttp tpA6yoc Atla('ll ÜAlI l
Jak 3....
235
damit Art und Gefahr der Leidenschaften darstellen. Es ist ohne weite,res glaublich, daß man gelegentlich - bei Juden vielleicht im Anschluß an Sir 2822 1 - wie andere Äußerungen des 7tci.&o~ so auch die Wirkung der Zunge mit einem Brande verglichen hat; die S.231 A. 1 zitierte Stelle aus Plutarch De garrulitate gibt, ohne die Zunge ausdrücklich zu erwähnen, diesen Gedanken wieder. Und wenn wir bei einem späten jüdischen Zeugen, im Midrasch Rabba, diese Verwendung des Bildes angedeutet finden 2, so kann das auf jenes Vorbild Sir 2822 zurückgehen, kann aber auch mit Einflüssen der jüdischen Diatribe zusammenhängen, wie sie Philo bezeugt. Für die Bilderreihe, die Jak benutzte, dürfen wir dann etwa diesen Inhalt voraussetzen: die Herrschaft des Menschen über die Triebe wurde mit den Bildern vom Pferd und vom Schiff - in ihrer optimistischen Durchführung - geschildert, vielleicht auch mit der Herrschaft des Menschen über die Tiere parallelisiert (Jak 3;); dann wurde mit dem Bilde vom Feuer das Gegenteil ausgemalt, der Zustand, in dem der Geist die Führung verloren hat, in dem die Leidenschaft (oder schon ausdrücklich: die Zunge) das Regiment führt - einen ähnlichen Übergang von der optimistischen zur pessimistischen Betrachtung haben wir ja bei Plutarch und Philo beobachten können (S. 230 A. 3 und S. 231 A.1). Das Verständnis der Bilder verbürgt allerdings noch nicht das Verständnis von V. 6. der in seiner gegenwärtigen Form zu den anfechtbarsten des Neuen Testaments gehört. Für die Textgewinnung dürfen diejenigen Varianten gar nicht in Betracht gezogen werden, die offensichtlich Glättungen darstellen: so der Ausfall von X(XL am Anfang des Verses, nur bei N* bezeugt, und ebenso die Verwandlung des Artikels vor a7tLAOÜaCl in XClL, in N*3. Aber auch oü't'(.o)~ nach
2
236
Erklärung
(P 33) vermag ich nicht anders zu beurteilen; zu deutlich erkennt man den Versuch, in Anlehnung an v. 6 Anfang dem spröden Stil Deutlichkeit zu verleihen, zumal wenn man bei L u. a. noch weitgehendere Übereinstimmung mit v. 5 findet: oG't'(U~ x(Xi. ~ y)..waa(X x(X~Ha't'(X't'(xL. Der Text lautet also X(XL ~ y)..waa(X 7tÜp 0 x6alLo~ nj~ ci8LX((x~ ~ y)..waa(X x(X3-LaT(X't'(XL EV 't'OL~ lL&AE:aL" ~lLW" ~ (nn)..oüa(X ••• Die Erklärung hat von all den alten und neuen Versuchen abzusehen, den Ausdruck 0 x6alLo~ nj~ ci8LX((x~ anders zu verstehen als in dem für Juden wie für Christen selbstverständlichen Sinn: die böse Welt 1. Hen 487 heißt es ganz ähnlich, daß die Gerechten "diese Welt der Ungerechtigkeit gehaßt und verachtet haben" und ebenso im sogenannten Freer-Logion (Mk 1614 W) 0 (XLW" oiho~ nj~ cXVOlL((X~ x(Xi. Tlj~ ci7tLa't'((X~ (Hieronymos, C. Pelag. II 15' hat dafür saeculum istud iniquitatis et incredulitatis) U7tO 't'o" a(XT(Xvriv Ea't'LV. 1J oh 519 sagt 0 x6alLo~ ö)..o~ EV 't''!) 7toVYjp
=
Jak 3t
237
klärer, die den Text ändern, an der ersten Hälfte Anstoß genommen und die Worte bis ci8~XLClC; gestrichen 1. Aber eine Deutung zu dem knapp angedeuteten Bild vom Feuer v. !Jb wird man nach !Ja zu erwarten haben; und so möchte ich die Worte XOtt ~ YAWO'O'Ot 7tÜp erhalten, zumal da die Partizipien CPAOYL~OUO'Cl und CPAOY~~O~ sachlich gut daran anschließen. Auch lj O"7t~OÜO'Ot ÖAOV TO O'W~Cl kann unbeanstandet bleiben (gegen Spitta), trotzdem das neue Bild auf den ersten Blick erheblich stört. Denn dieses "Bild" ist in Wahrheit ein schon recht abgeblaßter Ausdruck, der die Durchführung des Gleichnisses vom Feuer nicht zu sprengen vermag; zu vergleichen ist Test. Asser 27 TYjv ~uX~v O"7t~OL (seil. 0 7tAEOVEX't'WV) XClt -rO O'W~Cl M~7tp,jVE~. Als Zusatz müssen dann die \Vorte 0 x60'~oc; bis f,~wv gelten. Entweder handelt es sich um zwei Fremdkörper: 0 x60'~oc; T. ci. ist eine erklärende Glosse zu ÜA7)', und der Zusatz lj YAWO'O'Cl X~~HO"t'Cl't'Cl~ tv ':'OLC; ~AEO'tV lj~wv will andeuten, inwiefern die Zunge unsern ganzen Leib "befleckt" 3. Oder alle ausgeschiedenen Worte hängen zusammen; dann ist das Ganze wohl ebenfalls eine Erklärung zu O'7t~OÜO'Cl, in der o x60'~oc; als Subjekt, ~ YAWO'O'Cl aber als Apposition oder tertiärer EindrinRling zu gelten hat. Der Sinn des Zusatzes würde in diesem Fall etwa der Ubersetzung bei m entsprechen: et mundus iniquitatis per linguam constat in membris nostris. Eine dieser beiden Lösungen, jedenfalls aber die Annahme einer Textverderbnis scheint mir durch die formalen wie materialen Bedenken nahegelegt, die der gegenwärtige Wortlaut dem Erklärer bereitet. V gl. die grundsätzlichen Bemerkungen Einleitung S. 90t. Der Sinn des Folgenden ist zweifellos dieser: die Wirkung der Zunge (dargestellt durch das abgeblaßte Bildwort O'7t~Oüv) erstreckt sich auf den ganzen Körper, ja diese Wirkung (dargestellt durch das wieder aufgenommene Bild vom Feuer) erstreckt sich noch weiter, auf das ganze Leben. Dieser weitere Herrschaftsbereich der Zunge heißt TPOXO; Tljc; y~tO'EW;. Da sich zeigen läßt, daß dieser Terminus TPOXOC; Tljc; '"(EVtO'EWC; ursprünglich in einer Welt beheimatet ist, mit der Jak nichts zu tun hat, so liegt es nahe, Übernahme eines festen Ausdrucks für unsere Stelle vorauszusetzen'. cpAoyt~OUO'Cl bedeutet dann einfach die Wiederaufnahme 1
Spitta erklärt sie übcrscharfsichtig als in den Text gedrungene Inhaltsangaben von
31-11 (~YAWGGCl 1tÜp) und 313---411 (6 x6GJ1.oc; 'ti)c; ci8tx«xc;), Windisch urteilt im allgemeinen:
"Der ganze Text ist verderbt. ce 1 Vgl. syYI: et lingua ignis est et mundus iniquitatis veluti silva est und ff: et lingua ignis saeculi iniquitatis. :s G. A. van den Bergh van Eysinga, Nieuw Theologisch Tijdschrift 1931,303-320, erklärt die Zunge in diesem Satz als eine Bezeichnung des membrum virile, kann jedoch für diese Metapher Belege nur aus anderen Kulturkreisen (z. B. Süds laven) beibringen, außerdem einige Kombinationen aus mythologischen Vorstellungen. • G. Kittel, Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum 1926, 141-168 hat gezeigt, daß das Bild vom Lebensrad von der Mitte des 2. Jh.sn.Chr. ab auf palästinischem Boden gebraucht wird, und den Jak als Beweis dafür in Anspruch genommen, daß dies auch schon 50-100 Jahre früher der Fall war. Den Ursprung des Bildes sucht freilich auch er außerhalb Palästinas, nämlich im Hellenismus oder - noch
238
Erklärung
des Bildes vom Feuer, nicht etwa in Verbindung mit 't'poX6~ ein neues Bild, und weder amAOÜ" noch
Jak 3.
239
Diese immer erneute Wiederkehr heißt in den erhaltenen Texten meist XUxAOC:;, aber an einer Stelle kommt auch -ri}c:; "(EVta&CUC:; "t'pox,6c:; dafür vor, allerdings in Verbindung mit der Sage von lxion, der zur Strafe seines übermutes aufs Rad geflochten wurdel. Es ist möglich, daß sich mit dieser orphischen Vorstellung gemein-griechische Bilder vom wechselvollen Kreislauf oder Radlauf des Lebens verbandeni; und sicher, daß die entsprechenden Ausdrücke von jüdischen Autoren übernommen wurden. Wahrscheinlich von einem älteren Gnomiker entlehnt' ist der Vers Ps. Phokylides 27 (fast = Orac. Sibyll. II 87 p. 31 Geffcken) XOLVcX 1tci&t] 1tclV"t'CUV· 0 ß(CH; "t'pox,6c:;· «(J"t'cx"t'oc:; 6AßCH;. Und Philo bemerkt De somn. TI 44 p. 664 zu der goldenen Halskette, die Joseph Gen 4142 der Ausgabe unter XUxA~). Simplicius siehe nächste Anm. Klemens Al. zitiert Strom. V 8 § 45&1. zu den Worten des Dionysius Thrax über das ägyptische Radsymbol einige orphische Verse, in denen es heißt &lla XUWLTexL 7t«vrex mpL~, c:JTijvcxL 8c xcx.&' iv ,up~ oU .&tiLLt; lCJT(v. Zum Ganzen vgl. E. Rohde, Psyche II 10 1925, 124 A. 1. 130. Auch die Terminologie des Empedokles gehört hierher; über seine Beziehung zu den Orphikern s. O. Kern, Arch. f. Gesch. d. Philos. I 1888, 498ft". u. bes. 505; vgl. Empedokles bei Diels Vorsokratiker 21 B, Fragm. 1713 CXx(VlITOL XexT« XUXAOV 17m. TexÜ'rcx ycip ImX u 7tmcx xcxl. f)ALXex ytwa.'1 lcxOL, / "t'LiLiit; 8' !)J.lIt; !)J.o !Jl8EL, 7tcipcx 8' ~ bcciCJT(a)L, / Cv 8~ iLtpcL xpcxmooL 7tEPL7tAOiLtvOLO XpOVOLO. Fragm. 2611. Cv 8c JdpEL xpcxmOO1. 7tEPL7tAOiLEVOLO XUXAO LO / xcxl. cp.&(\lEL dt; !)J.lIAcx xexl. ex~ETexL tv iLEPEL ex{OlIe;. Ebenso ist zu vergleichen, was Diogenes Laertius VIII 14 von Pythagoras sagt: 7tPWTOV TE cpclaL TOÜ'roV ci7t()(jlljVCXL -rljv ~x1Iv XUXAOV civciyxlIt; ti\L&(ßouacxv !)J.OT' !)J.oLt; MELOSexL ~~LC; (v gl. die letzte der oben zitierten Stellen aus Proclus). Wiedergabe des orphisch-pythagoreischen Gedankens ist Vergil, Acneis VI 748: has omnis, ubi mille rotam volvere per annos ... Dazu vgl. E. Norden, Aeneis VI :11926, 19 A. 1 und überhaupt Ch. A. Lobeck, Aglaophamus 1829, 798ft".; über Orphiker und Pythagoreer A. Dieterich, KI. Schriften 1911, 91 ft". Nekyia 11913, 84ft". Ferner H. Leisegang, Der Apostel Paulus als Denker 1923, 41; R. Eislcr (vgl. S. 229 A. 4) 86--92. Die angeführten orphischen Texte stehen in der Sammlung von O. Kern, Orphicorum fragmenta 1922, unter den Nummern 32c (Goldplättchen; der Fundort ist nicht Petelia, sondern Thurii), 229 und 224 (Proclus, von dem auch 205 noch heranzuziehen wäre), 227 (Klemens AL). Auch das Fragment 132 scheint in diesen Zusammenhang zu gehören, nach dem Rhea sich die yEVri) TPOXrXoOO~· auf all und jedes ergießen läßt: 7t«vr(a)v ycip 7t~T7I 8uvciiLELt; XOA7tOLaLV cicppciCJToLt; 8E~ex~ yEVd)v inl. rniv 7tpoXEEL "t'POxrXoooexv. (Orac. Chald. p. 30 Kroll) 1 Simplicius im Kommentar zu Aristoteles, De caelo 11 1 p. 377 Heiberg erzählt zuerst yvWrex 8c -rov .Mcx 7tcxp« riie; "Hpcxc; TPOXii> -rov 'I~(Ovcx 7tpoaSijacxL. &au ti7tCXUcn(a)e; bt· exUT(~ cpEPEa.&exL und erklärt dann bei der Deutung des Mythos: ME&ijvcxL Si: unO TOÜ -ro XOtT· ti~E«v 7täaLV ticpop(~oVTOe; 871iLLOUPYOÜ .&coü h Tii> "t'lje; diLexPiLEvllC; TE xexL YEveoE(a)e; TPOXii>, oUmp ci8UvcxTOv timU.AatyljvcxL xexT&: -rov 'Op
240
Erklärung
erhält: dTCl "x).OLOV Xpu(1oiiv", a.YX.oVfJV l1tL
Die Wirkung der Zunge auf das ganze Dasein wird mit
Jak 3•. 8
241
dort seine Wohnung hat, ist ausdrücklich erst in der Abrahams-Apokalypse belegt 1; unsere Stelle ist also ein Zeugnis von religionsgeschichtlicher Bedeutung. Die VV. 7. 8 bringen ein neues Bild; daß es in diesen Zusammenhang gehört, d. h. daß es offenbar wie die anderen der von unserem Verf. benutzten Bilderreihe entstammt, ist bereits gezeigt worden, vgl. S. 230 und 235; wahrscheinlich war es die Herrschaft des Menschen über die Triebe, mit der die Herrscherstellung des Menschen in der Natur ursprünglich verglichen wurde. Denn wie die Bilder von Reiter und Steuermann, so ist auch dieses eigentlich optimistisch gemeint und zur Verherrlichung des Menschen behandelt worden. Das zeigen Ausführungen bei Cicer0 2 und Seneca 3, die zugleich beweisen, daß die Bezähmung wilder Tiere durch den Menschen ein beliebtes stoisches Thema war. Auch hier können wir, wie bei dem Bild vom Pferde, Einfluß der Tragödie konstatieren; denn der berühmteste Chor der "Antigone" schildert, wie die Herrlichkeit des Menschen überhaupt, so auch seine Herrschaft über die Tiere 4 • Und auch die Rezeption durch hellenistisches Judentum läßt sich nachweisen; Philo hat den Topos De decal. 113& und De opif. mundi 148 angedeutet und De opif. mundi 83-86 p. 20 f. ausgeführt. Er beantwortet damit die Frage, warum der Mensch erst am Ende der Schöpfungsakte geschaffen wurde: Schrecken sollte er den schon geschaffenen \Vesen I Apc. Abr. (G. N. Bonwetsch, Studien z. Gesch. d. Theol. u. Kirche I 1, 1893) 14 S.25 Bonwetsch: "Sage ihm: Werde die Fackel des Ofens der Erde, gehe, Azazel, in die unzugänglichen Teile der Erde" und 31 S. 41: "Sie werden sein verwesend in dem Leibe des bösen Wurms Azazels und verbrannt mit dem Feuer der Zunge Azazcls." Vgl. dazu Bonwetsch 658". Daß die Gehenna als Wohnung Satans gedacht sei, bestreitet Schlatter 224; ebenso W. Focrstcr, ThWß II 80 A. 49, doch ist mit dem Hinweis auf Aussagen der Apk. Joh. über Jak 3, nicht entschieden. Zur Präexistenz der Gehenna und ihrem Verhältnis zum Hades vgl. J. Jeremias, ThWB I 655f. I Cicero, De nato deor. 11 60 § 151: cfficimus ctiam domitu nostro quadripcdum vcctiones, quorum ccleritas atque vis nobis ipsis adfert vim et ccleritatem. Nos onera quibusdam bestiis, nos iuga imponimus, nos elephantorum acutissumis sensibus, nos sagacitate canum ad utilitatem nostram abutimur (vgl. auch 11 63 § 158f.). 3 Seneca, De beneficiis 11 29,: proinde, quisquis es iniquus aestimator sortis humanae, cogita, quanta nobis tribuerit pa rens noster. quanta valentiora animalia sub iugum miserimus, quanto vclociora consequamur. quam nihil sit mortale non sub ictu nostro positum. Vgl. aber auch das Auftreten des Gedankens in anderem Zusammenhang z.B. in dem Plutarch-Fragment aus Xl:lor' taxUo~ Stobaeus IV p. 344 Hense: Die Natur hat die Tiere mit Stärke begabt. ~ 8e <Xv&~7t(o)v (3LO~ taxU<; /) IJiuxii~ tOTl. AOYLotJ.O<;. eil x!Xt L7t7tO'J<; txo:).LV
~'JYov / OGpeLOV T'
, Philo. De decal. 113 p. 199f. 7t0Ucix.u; fyv<.lv ~l!Ep
242
Erklärung
einflößen, denn er war dazu bestimmt, ihr Herrscher zu werden. Daß er es wirklich ist, beweist der Augenschein; denn alle Tiere gehorchen ihm, selbst das mutigste, das Roß (s. das Zitat S. 230 A. 1). Nun folgt bei Philo, wie schon erwähnt, der Vergleich des Menschen mit Wagenlenker und Steuermann; dieselbe (optimistische) Bedeutung dieser Gleichnisse mußten wir aber auch für die Bilderreihe postulieren, die Jak 33., benutzt ist. So bestätigt sich aufs neue die Abhängigkeit unseres Autors von einer Diatribe, die von der Herrschaft des Menschen über die Triebe mit dem Bilde von Wagenlenker und Steuermann und mit dem Hinweis auf die Tiere redete und die Gefahr der Leidenschaft mit der Wirkung des Feuers illustrierte. Mit der Erkenntnis, daß Jak ein auch im hellenistischen Judentum behandeltes Motiv reproduziert, ist zugleich die Beantwortung einiger exegetischer Einzelfragen gegeben. Es erklärt sich die Einteilung des Tierreichs in Landtiere, Vögel, Kriechtiere und Wassertiere; dieselbe Einteilung findet sich Gen 126 92 und Philo, De spec. leg. IV 11 0-116 1• Die &lJpL« an unserer Stelle entsprechen dem, was bei Philo XEPI1Cli:« heißt; es sind also Landtiere mit Ausschluß der EpmTcX. An welche Tiere man bei dem Topos von der Zähmung mit Vorliebe gedacht hat, zeigt das PhiloZitat S. 241 A. 5. Auch der Gebrauch von q:>VI1LC:; = "Gattung" in diesem Zusammenhang hat seine Parallele in dem eben erwähnten Abschnitt bei Philo, De spec. leg. IV 116 p. 355, übrigens auch in jenem eben (S. 241 A.4) angeführten sophokleischen Chor!. Der Dativ -r?i q:>VaEL beim Passivum kann Instrumentalis sein, kann auch dem U7tO mit Gen. entsprechen; zu keinem der beiden Fälle würden Analogien fehlen, vgl. Blaß-Debrunner ll § 191. Die Doppelheit a«jJ.cX~ETClL XClt aEacXjJ.«aTClL ist wohl eher einer rhetorischen Formulierung zu danken als dem Bedürfnis des Jak, die Dauer der Handlung festzustellen; Joh 1038 Hebr 610 sind Parallelen zu finden. Rhetorisch klingt auch der Abschluß von v. 8, die zwei Ausdrücke, die eigentlich Apposition zu 't'"~v y).(;)al1«v sein müßten, aber im Nominativ stehen und daher als relativ selbständig - wie Ausrufe - zu gelten haben. Da sie außerdem volltönend und dichterisch klingen, so ist der Eindruck, den Spitta ausspricht, nicht ganz von der Hand zu weisen, daß die ganze zweite Hälfte von v. 8 "einem anderen, poetischen Zusammenhange" entstamme. Wenn das richtig ist, haben wir kein Recht, die Lesart cXXClTcXI1T«TOV aus inhaltlichen Gründen - weil sie zum Kontext nicht passe - zu verwerfen zugunsten der gleichfalls gut bezeugten Variante cXx«":'claX,tTOv 3; 1 Eine andere Vier-Gruppen-Einteilung, in der die Wassertiere fehlen, steht Apg 11" eine Dreiteilung 1011 (xa.l -r« &7)pt« C (E) Koine syb ist Auffüllung aus 11.). I R. Eisler (s. S. 229 A. 4) 86f. bezieht CPUcnI; auf die Naturanlage des Menschen, die teils rational-menschlich, teils vernunftlos-tierisch sei. über die Einteilung des Tierreiches vgl. ebd. 117 und A. 2. a «XIXTcXOXnw darf als Koine-Text gelten, wie es nach dem oben Gesagten nicht verwunderlich ist; aber auch C 'Y 33. 81 m entscheiden für ihn; dagegen bieten die besten Zeugen der ägypt. Rezension K AB P, dazu ff (inconstans), vulg (inquietum)
Jak 3•. 10
243
diese dürfte eher kontextgemäße Korrektur des vielleicht anderswoher zitierten oder doch für die Zunge üblichen Ausdrucks sein. Mit Recht hat man an Plutarch, De garrulitate 14 p. S09d erinnert w' ö~(,.)<; OUX tCM'L YA~aO'l}<; pe:OUO'l}C; &7tLaxe:aL<; ou8e: xoACla~o<;. Die Tatsache, daß dort 13 p. S09c die Geschwätzigkeit &~ClX.OV TL XClXOV, und vor allem, daß Hermas Mand. II 3 die XCl't'ClAClALOC ein cXxCl't'oca't'Cl't'ov 8ClL~OVLOV heißt, kann die Geläufigkeit solcher Wendungen beweisen. Zu übersetzen ist eher "ruhelos" als "wetterwendisch". Zum "todbringenden Gift" hat Spitta auf ein sibyllinisches Fragment 1 verwiesen, wo der Abschluß des Hexameters in der Tat zum geflügelten Wort prädestiniert erscheint. Wichtiger aber ist es doch wohl, daß der Dichter von Ps 139(140), von seinen Feinden sagt: ~xoVYjaClv YAwaaClv ClU't'WV wad O
244
Erklärung
Leser ernstlich dieser allgemein menschlichen Zungensünden anzuklagen 1 oder des Verf.s Bescheidenheit zu betonen. weil er sich mit einschließt; sein ••wir" ist an unserer Stelle ebenso zu beurteilen wie v.:!. Dort wie hier handelt es sich um einen Gemeinplatz. der menschliche - nicht speziell christliche oder unter den Lesern besonders verbreitete - Schwächen und Fehler konstatiert. Die Stoiker bringen unter ihren moralischen Anekdoten auch solche. die von der Zunge und ihrer verschiedenartigen Wirkung - bald zum Guten. bald zum Schlimmen - handeln '. Allein ein Zusammenhang unserer Verse mit diesen Erzählungen ist nicht nachweisbar. Wichtiger für uns ist. daß auch die jüdische Spruchdichtung und Paränese von der zwiefachen Art der Zunge zu reden weiß 3 • Und Philo sagt bei der Auslegung des Meineidverbotes : der Schwörende solle sich prüfen. ob Leib und Seele rein seien und die Zunge nicht von Lästerung befleckt De decal. 93 p. 196 ou rcXp öaLov. 8L' ou aT6!!ot't'o~ -ro kpw't'ot't'ov OVO!!ot 1tpo
245
Jak 3,.10
gleich gesagt, daß diese Sätze - und, wie sich zeigen wird, auch v. 11 und 12 nicht demselben Zusammenhang entstammen, auf den ich V. 3ft. zurückführte, jener Bilderreihe von Macht und Ohnmacht des Menschen. Daß Jak aber auch hier Überliefertes aufnimmt, ist nicht nur nach den erwähnten Parallelen aus jüdischen Texten zu vermuten, sondern auch auf Grund allgemeiner Erwägungen zu erschließen: die Aussage über Segen und Fluch ist von den alten Auslegern mit Recht als nicht-christlich empfunden worden; OU zp~ 1 't'cxü't'CX oü't'w~ YLVEO'&CXL ist die christliche Korrektur des übernommenen Satzes. Sodann zeigt die Formulierung jüdisches Gepräge. Jüdisch ist offenbar die Gottesbezeichnung XUPLO~ XCXL 7tX~P; sie kommt allerdings in den literarischen Zeugnissen der Zeit sonst überhaupt nicht vor, dürfte aber keinesfalls ursprünglich christlich sein 2; jüdische Belege kommen ihr jedenfalls am nächsten 3 und das Fehlen der literarischen Zeugnisse ist für die kultische Sprache nicht beweisend. An jüdische Formelsprache erinnert auch der Ausdruck EUAOYOÜ!J.EV, und hier verfügen wir nun über eine stattliche Anzahl von Belegen: das ungemein häufige EUAoydv für in der LXX mit Gott als Objekt zumal in den späteren Büchern des Alten Testaments, der Gottesname EUAOyrj't'6~Mk 14,;t (vgl. auch Röm 95, wenn die Doxologie auf Gott geht), die im Talmud so häufige Bezeichnung mi1 'lf'? vti"Tp!~ (vgl. dazu aber G. Dalman, Worte Jesu I, 1898, 163f.) und endlich die im Achtzehngebet (Text bei O. Holrz4 • Die mann, Berakot 1912, 10ff.) oft begegnende Formel i1nN Voraussetzung, daß "wir" den Menschen fluchen, entspricht nicht dem Ethos urchristlicher Gemeinden, wie neben der Kritik unseres Jak auch die Mahnung des Paulus zeigt Röm 12 ... EUAOyc:i:'t'E xcxt !J.~ y'x,cxpiO'~h - um von Lk 621'1 gar nicht zu reden. Wohl aber hat das Alte Testament ohne Bedenken von Flüchen erzählt, harmlos Flüche erwähnt und nur bestimmte Flüche verboten s. Die erwähnte Verlegenheit der alten :\usleger gegenüber diesem christlichen Fluchen ist also sehr begründet; die ganze Betrachtung "'. 9. IOa entstammt eben auch nicht urchristlichem
,,:1
"":1
1 xp1] ist im hellenistischen Griechisch zugunsten von Sd zurückgetreten; sein g~ legentliches Vorkommen scheint auf literarischen Stil zu deuten. So steht das Wort in der ganzen LXX nur einmal Prov 25:n, aber einmal auch bei Ps. Aristeas; im urchristentum begegnet es nur hier, bei Justin und Tatian, einmal auch bei Aristidcs; bei Epiktet tritt es sehr zurück, ist aber bei Mark Aurd relativ häufig. Vgl. W. Schmid, Attizismus IV 1896, 592. 2 Vgl. W. Bousset, Kyrios Christos 273 und überhaupt 268ff. Die Koine-Lesart ~}e6v (auch vulg) ist Korrektur im Sinne des christlichen Sprachgebrauchs. 3 lChron 2(.JJo xup~, 0 th:~ 'lap:x1])" b 7tcx't"7jp 7J~V, Jes 63111 oU, y.up~. ~:xrr.p .;':1(-;"J, Sir 231. 4 xup~, itChEP xcxt 8Ea7tOTCX -ri)c; ~w7ic; I-L~'..1 und y.up~, 7tcX':"tP y.~t ad: ~w7i<; !J.hU (Sir 51,u ist unsicher), Josephus, Ant. V § 93 0 ~t~, 1tCXn;p xcxt SE~6T"tjc; ':"'JÜ 'Eßpcxlwv lEW;;. 4 Zu dem instrumentalen tv bei tUAOYOÜI-LEV vgl. Blaß-Debrunner ll § 195. :. Erzählungen: Gen 92:' 49. Jos 626 Ri 920(57) 2Kön 2~4 Neh 131:.; Ri 5~3 wird FluchLn sogar von Jahvc oder seinem Engel befohlen. Harmlose Erwähnungen mehrfach in der Weisheitsliteratur: Prov 1126 2424 262 Eccl 721 Sir 4;, 2b•. Verboten ist der Fluch ub::~ die Eltern Ex 211. u.ö., über den Herrscher Ex 2227, \"gl. Apg 23:., über Taube Lc\' 1'J,1.
246
Erklärung
Gemeindeleben, sondern jüdischem. Die Kritik v. lob ist also indirekt zugleich eine Kritik an jüdischen Sitten, wie sie allerdings auch im J udentum selber vorkommen konnte 1 • Man darf dem \Viderspruch zum Alten Testament natürlich nicht durch die Erklärung ausweichen, es seien hier nur ganz bestimmte Flüche verboten, denn 't'ou~ xot3-' O(iOL(a)O'LV 3-c:oü yr:yov6't'ot~ bezeichne nur eine bestimmte Gruppe gottähnlicher Menschen: gerade die Gottebenbildlichkeit jedes Menschen wird in der jüdischen Literatur betont 2. Die Kritik an diesem Mißbrauch der Zunge wird in VV. 11. 12 durch zwei (oder drei) Bilder begründet; sie betreffen freilich nicht, wie die in v. 3-1\ die Art der Zunge, sondern sollen die Unvereinbarkeit von EUAOYLot und ~<X't'cip<X schildern. Eine weitergehende Deutung der Bilder ist nicht notwendig, so bequem auch manchen Interpreten eine allegorische Beziehung der 1t"1)ylJ auf den Menschen 3 , der ö'Tdj auf den Mund erscheinen mag; sie ist schon darum überflüssig, weil bei dieser Deutung von 7tYjylJ der Gedanke höchstens verwirrt, keinesfalls aber gefördert wird. Das Material dieser Bilder liegt dem Orientalen nahe; für das erste Bild kann man auf 4Esra 59 verweisen, wo unter den apokalyptischen Zeichen des Endes genannt wird: "Im süßen Wasser findet sich salziges", und auf die christlichen Paralipomena Ieremiae 9111 (Monumenta sacra et profana ed. Ceriani V 1 p. 18), wo es in dem gleichen Zusammenhang heißt 't'Q: .. ' ... ~ !... " '-'.. 1 -, , - Q.- - . 'Y1\';~C:7. uoot't'<X IUI.!LUPot Y&V7jaO'l't'<XL EV 't'<:> (.LEY<XI\<:> CP(a)'t' '"l; EU~P0O'U'n); 't'ou 1nOOU • Für das zweite Bild ist zunächst an den Spruch Jesu Mt 716 = Lk 614 zu erinnern, dessen Mt-Form auch (i~TL zur Einleitung der Frage hat (Blaß-Debrunner l l §§ 440. 4272):;. Der in älterer Zeit seltene transitive Gebrauch von ßPVELV "sprudeln lassen" ist in urchristlicher Literatur noch bei Justin, Dial. 114., Ps.-Klemens, Hom. 245 belegt. Mit dem Bild von Feigenbaum und Weinstock in v. 12 hat es seine besondere Bewandtnis. Weit näher als der Spruch Jesu stehen diesem Wort nach Inhalt und Tendenz gewisse stoische Vergleiche, die alle in einen bestimmten ZuI ~lidrasch Bereschith Rabb3 24 zu Gen 51 S. 112 Wünsche (mit Korrektur S. 519): .. Du sollst nicht sprechen: weil ich verachtet worden bin, so möge auch mein Nächster mit mir \'era<;htet werden, und weil ich verRucht worden bin, 50 möge auch mein Niich5ter mit mir verflucht werden. Wenn du so handelst, sagte R Tanchuma, so wisse, wen du verachtest: den, der nach de m Ebenbild Gottes gemacht ist." :I Gen h. (dort auch der Ausdruck x«3' o!J.t)(o)(Jtv), 9., auch in der Weisheitsliteratur Sir 173 Sap 213, vgl. ferner 4Esra 8u; auch die Stellen Ps. Clem., Hom. 31'~, Ps. elem., Recognit. 513 gehören hierher. 3 ciÄ!J.UP« lall. mxpci TnJrI! sagt :lOschcinend auch Philo, De somn. 11 281 "on der Rede; doch ist der Text dort fraglich. • Auch rhetorische Aufzählungen von Dingen, die einander widersprechen (wie 2Kor 6Id.) könnten als Parallelen in Frage kommen, so Test. Gad 51 mit seiner Schil· derung des Hasses, der alles verkehrt: ..0 YA\JlCU 7tLXpOV )jy~L. Man braucht also nicht wie Hort an Bekanntschaft des .Jak mit den heißen Salzquellen von Tiberias zu denken. 6 Entsprechende arabische Sprichwörter s. bei R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition 11931, 219 A. 1 (nach G. W. Freytag, Arabum pro\"crbia).
Jak
311.12
247
sammenhang gehören. Es handelt sich um die optimistische, bis zum religiösen Pathos sich steigernde stoische Betrachtung der Natur: in ihrem Reich ist alles miteinander verflochten, alles aufeinander angewiesen; jede Besonderheit hat in dieser Gegenseitigkeit ihr Recht. Daraus ergeben sich nun zwei Forderungen. Man sei nicht erstaunt, wenn jeder nur das tut, was ihm nach seiner Stellung in der Natur zukommt. Und: jeder strebe danach, seine Rolle auszufüllen, und begnüge sich mit dem, was ihm in dem großen We1thaushalt beschieden ist. Den ersten Gedanken hat vor allem Mark Aure1 an der Feige und am 'Weinstock, also an bei den von Jak gebrauchten Vergleichen, mehrfach so ausgeführt, daß man die durch Schultradition bedingte Fixierung dieses Gedankens deutlich wahrnimmtl. Epiktet gebraucht im selben Sinn das Bild vom \Veinstock t . Jene zweite Forderung aber - jeder suche das Seine zu tun hat Mark Aure1 mit verschiedenen Bildern begründet, unter denen wieder das von der Feige begegnet 3 • Und Plutarch hat an Weinstock, Feige und Ölbaum also an einem Illustrationsmaterial, das dem des Jak sehr ähnlich sieht - ausgeführt, daß einer nicht die Vorzüge der verschiedenen Berufe und Charaktere in sich vereinen kann«. Zur Charakterisierung unvereinbarer Gegensätze hat Seneca das Bild von Feige und Ölbaum gebraucht 5 , ganz ähnlich also wie Jak. Und damit gewinnt die HerIeitung unseres Gedankens aus der stoischen Tradition an Wahrscheinlichkeit. Aus Seneca sehen wir, daß die aus Mark Aurel zitierten Gedanken älter sind als der philosophierende KaiserS, und aus Paulus kann man beweisen, daß die stoische Forderung cb:o T(~V bVOfL~-rWV ":'cX xcx&ip
248
Erklärung: Jak 31:!
schon Zl'IUg in die urchristliche Paränese übergegangen ist;1. Es bestätigt sich aber auch hier, daß die Gedanken von V.9-12 nichts mit jener Bilderreihe zu tun haben, die man für v. 3-" als Quelle vermuten muß. Denn während wir dort einem geschlossenen Zusammenhang gegenüberstehen, handelt es sich hier um ein vielgebrauchtes Bild', das in den verschiedenartigsten Verbindungen seine Geltung behauptet. '
tlJ@LGlUW
Zu den beiden Bildern gesellt sich mit V. 12b noch ein drittes, wenigstens wenn der Text oiht ~),uxbv y),uxu 7tOLy,aexL ü3wp lautet. Der Text der Koine-Zeugen oü"t'w,:; OU3&!LLex 7t1lrYI cXAOXOV xexL y),uxu 7toLllaexL {)3wp bietet die in diesen Zeugen so häufige Erleichterung schwieriger Worte, und ist schon darum abzulehnen. Seine Erklärung beruht aber auch auf einem Mißverständnis; er wiederholt eigentlich nur den Gedanken von v. 11, aber er trägt ihn als Deutung von v. 12. vor (siehe oG-rc:;): sowenig wie der Feigenbaum Oliven hervorbringt, kann eine Quelle salziges und süßes Wasser liefern. In Wirklichkeit sind aber v. 11 und v. 12 parallele Bilder für die Unvereinbarkeit von Fluch und Segen. Welches ist nun die Meinung des kürzeren Textes? Sein abruptes OÜTt - wenn es zu lesen ist 3 - läßt sich erklären: das zu diesem "noch" gehörige "weder" ist in den rhetorischen Fragen enthalten, da sie ein "Nein" als Antwort voraussetzen. Mit i),ux('v ist wohl die Salzquelle, nicht salziges Wasser gemeint ~onst käme eine gar zu platte Selbstverständlichkeit heraus, und man würde wie bei r.~xp6v so auch hier den Artikel erwarten. Schwierig ist dann 7:0Ly,ax~; "auch gibt eine Salzquelle kein süßes Wasser" muß es heißen, und diese Bedeutung von 7tOL&LV wird eigentlich nur durch v. I~ ~ gerechtfertigt. Diese Beziehung aber bietet des Rätsels Lösung. \Ver \'. 1;:1> schrieb, hatte offenbar an den in der Tendenz parallelen Gleichnissen \'on der Quelle und den Bäumen die formale Parallelität vermißt : eins und das andere kommen nicht vom selben Ort - hieß es v. 11, aber in \'. I:! a: eins bringt das andere nicht hervor. v. 12b im kürzeren Text modelt das erste Bild nach dem zweiten um; auch vom Wasser heißt es jetzt: eins bringt das andere nicht hervor. ein cXAOXOV gibt kein y),oxu. Sollen wir diese Variante dem Verf. zuschreiben? Ich glaube schwerlich. Er selber dürfte die Ungleichheit zwischen v. 11 und 12& kaum als störend empfunden haben. Er hatte in v. 11 aus überkommenem Material ein Bild geformt, das genau zur Sache paßte. Er hatte dem ein geläufiges Bild I
Vgl. meine Ausführungen über die Haustafcln, Neutestamentliche Studien fur
C. F. G. Heinrici 1914, 180f.
: Die Einzclausführung ist verschieden, vg!. das Zitat aus Seneca, De ira. S. 247 A. 6. \' gl. auch die vulg- übersetzung: numquid potest ficus uvas facere, die kaum als ZeuE!c t'ur den griechischen Text in Betracht kommt; ff hat olivas. J Neben dem oben angenommenen kurzen Text (8 AC· arm) und dem Koine-Text gibt es noch Zwischenformcn mit o;hwC; im Anfang oder ouai statt oün: oder beidem, Soden nimmt die Lesart oihwc; ouac «AUXOV YAUXU 1tOLijaclL G8wp (K 33) für seine Rezension H in Anspruch und gibt ihr darum den Vorzug. Doch wird man den Verdacht, daß hier der Koine-Text abgefärbt habe, nicht los, zumal auch sonst Zwischenformen vorkommen: ,/j,:,w:; rJ'JTE Ce- ff \'ulg; auch {Ju8t ohne {J.j~wc; und der Koine-Text mit OÜTE: finden sich.
249
Analyse: jak 313-411
hinzugefügt und damit dem Gedanken eine allgemeinere Basis gegeben. Er brauchte. nicht künstlich eine formale Übereinstimmung zwischen beiden Bildern zu schaffen. Wohl aber konnte das ein anderer tun, vielleicht derselbe, dessen Interpretament auch 36 in den Text gekommen ist. Und wenn die Worte v. 12b Glosse sind, so erklärt sich auch ihre abrupte Form l • 6. 6prudJgruppr: wibrr 6trrlt(udJt
318-418
Analyse Ein Zusammenhang mit dem vorhergehenden Abschnitt ist nirgends angedeutet; die Auslegung wird zeigen, daß er auch gedanklich nicht besteht. Vielleicht ist eine Stichwortverbindung beabsichtigt, so daß 1tLXp6V 311 dem 1tLXpOV 314 entspräche; aber das ist ungewiß. Daß die Warnung vor Neid und Streit in den Versen 313-48, ja auch noch 4ur. eine Rolle spielt, ist leicht zu sehen. Aber die Einheitlichkeit der Tendenz verbürgt noch nicht die Einheit der Gedankenführung und die Einheit der Form. Bei näherem Zusehen erweist sich zunächst 318 als isolierter Spruch. Zweifellos ist er von der Ermahnung 4\1r. mit ihrem neuen Ansatz zu trennen. Daß er aber auch der vorhergehenden Gruppe nicht angehört, haben manche Interpreten richtig gefühlt, ohne doch literarische Folgerungen daraus zu ziehen 2. Der kleine Abschnitt 313-17 ist völlig einheitlich: wer weise sein will, darf nicht streiten; tut er's doch, so ist das eine böse und nicht die himmlische Weisheit, denn die ist friedfertig 3 • Nun schließt sich gewiß v. 111 mit seiner Betonung des Friedens sachlich passend an. Aber man wundert sich doch, hier statt von der \Veisheit von der "Frucht der Gerechtigkeit" zu lesen; weder der Ausdruck noch die Sache kommt in der Umgebung irgendwie vor. Denn wer in xl1pr.O~ 8LX(lLOaUV1j~ den Gegensatz zu 1tiv C:P(lÜAOV 1tpii"(~(l 311; zu erkennen meint, der übersieht, daß 316 nur eine Nebenbemerkung ist, dazu bestimmt, das harte Urteil über die falsche streitsüchtige Weisheit zu rechtfertigen: wo Streit herrscht, da ist wirklich alles Böse zu Haus. Der Hauptgedanke geht 1 E. Klostermann, Zum Texte des jakobusbriefes, Verbum Dei manet in aeternum. Festschrift für O. Schmitz 1953, 71 f. stellt folgenden Vorschlag, den Schaden zu heilen, zur Diskussion: Der jetzige Text sei durch Homoioteleuton verstümmelt aus '.lu-:wC; 0·"j";1: 'YA.·Jxt,J ~fJ4 3Uvcx't:lL «uxlv,
oU't1: cXALxov 'YA'J~ m)LijOllL
oowp
Allerdings liest K nicht ow,w<; o."ju ••• , wie KI. annimmt. Ober die Berechtigung der Konjekturalkritik im jak vgl. oben S.9Of. :I Bclser gibt der Empfindung Ausdruck, daß eigentlich von der Frucht der Weisheit (statt der Gerechtigkeit) die Rede sein müsse, Beyschlag nennt den Vers einen .. sentenziösen Ausspruch". :I Cladder, Zeitsehr. f. kath. Theol. 1904, sicht in 313-18 das Zentrum des Jak-Briefes. Ober diesen wie über andere Dispositionsversuche vgl. Einleitung S. 20, bes. A. 2.
250
Erklärung
von 315 unmittelbar zu 317; also ist 318 nicht Antithese zu 316. Die Erklärung wird zeigen, daß der Vers 318 selbständige Rundung und Geschlossenheit der Form besitzt; er bedarf keiner engeren Verbindung mit dem Kontext und hat auch keine. Ein loser Anschluß wird durch die Gemeinsamkeit der Tendenz zustande gebracht, wohl auch durch Stichwortverbindung ; denn die Korrespondenz XCXp7tWV - xcxp7t6c; v. 17.18 ist kaum zufällig. 41-6 ist ein geschlossenes Ganzes; aber der Gedanke hat sich verschoben, und vor allem hat sich die Stimmung geändert. Die Streitsucht bildet nur den Ausgangspunkt der Betrachtung; das Übel sitzt tiefer, in den ~8ovcxt, in der weltlichen Gesinnung, gegen die sich der Autor nun mit dem vollen Ernst eines Bußpredigers in bewegten Worten schärfster Anklage wendet. Von dieser Predigt heben sich wieder die imperativischen Mahnungen 4711. deutlich ab. Sachlich paßt das erste Glied von v. 7 und auch v. 10 zu den letzten Worten der vorigen Gruppe; aber die übrigen in der Form parallelen Mahnungen haben einen völlig anderen, keineswegs gleichmäßigen Inhalt, und im Ton wird nur in v. 9 die vorige Schärfe erreicht. Wir stehen offenbar vor einer Reihe formgleicher, aber inhaltlich verschiedener Mahnungen, wie wir sie in der Paränese nicht selten finden; vgl. Röm 129-\3. Der Autor hat sie übernommen und vielleicht variiert; sie stehen an dieser Stelle, weil ihr erstes Glied sachlich zum V orhergehenden paßt. Zu dieser Ermahnungsreihe möchte ich auch v. ur. trotz gewisser Bedenken rechnen. Der Imperativ fügt sich formal zu den andern; was dann folgt, ist freilich anderen Schlages, es ist ein Kommentar zu jener Mahnung. Aber ich habe in der Einleitung S. 16 zu zeigen versucht, welche Rolle diese Deutungen in der Geschichte der Paränese spielen: dem Bedürfnis entsprechend fügte man einigen, aber keineswegs allen Sätzen einer Mahnungsreihe Kommentare an; wenn dieses kommentierende Beiwerk wuchs, ward die Mahnung verselbständigt - und die ausgeführte Paränese, wie wir sie in den Geboten des Hermas finden, war fertig. Im bescheidenen Anfangsstadium dieses Prozesses stehen wir hier, und darum möchte ich v. ur. nicht als Einzelspruch betrachten. So zerfällt der ganze Abschnitt in die beiden Ermahnungen 313-\7 und 41-6, zwischen denen der isolierte Spruch 318 steht, und denen die Imperativenreihe 47-12 angefügt ist. Erklärung Aus der Analyse ergibt sich, daß unser Autor in VV. 13-17 mit dem Begriff der Weisheit gegen die Streitsucht operiert; er denkt an die Möglichkeit, daß man im Namen und zugunsten der Weisheit streiten könnte und will das Unrecht solcher Ausrede beweisen. Diese Möglichkeit besteht unter den verschiedensten menschlichen Verhältnissen; man braucht also nicht dem Zusammenhang mit 31-\2 zulieb die allgemeine
Jak 313
251
Basis dieser Mahnung zu verengen und sie auf die Lehrer zu beziehen, wie die Sammelkommentare tun; man darf es auch nicht, da die Paränese \'"on 33 ab, wie wir gesehen haben, gar nicht mehr von den Lehrern handelt. Auch der von manchen Erklärern hervorgehobene Zusammenhang dieser falschen Weisheit mit den vorher behandelten Sünden der Zunge ist nirgends angedeutet, wenn er sich auch psychologisch leicht konstruieren ließe; ich glaube aber gezeigt zu haben, daß die literarische Art des Jak und der Paränese überhaupt auf solche Zusammenhänge gar keine Sorgfalt verwendet. Und endlich muß auch hier noch einmal der Konstruktion einer historischen Veranlassung zu dieser Mahnung entgegengetreten werden, wie sie auch noch Windisch andeutet: "Die übergroße Beteiligung an der Pflege der Weisheit führte wohl zu Streit und Entzweiung ... der Leserkreis rühmte sich wohl seiner religiösen Interessiertheit. ce Ob sich derlei im Gesichtskreis des Verf.s besonders bemerkbar machte, ob nicht, - er sagt, was ihm fü r alle Fälle nützlich und nötig scheint. Die Möglichkeit und allgemeine Gültigkeit der vorausgesetzten psychischen Situation ist für die Paränese wichtiger als die Wirklichkeit der historischen. V. 13. Die rhetorische Frage und die imperativische Antwort drücken in lebhafter Form das aus, was wir sonst im konditionalen Satzgefüge sagen. Die Diatribe liebt solche rhetorische Bewegtheit der Rede 1; ParaJIelen für diese Form bietet die LXX (z. B. Ri 73 Ps 3313 Jes 5010), vgl. noch 1Klem 541 'rL~ OOV iv ~!J.i:v ,EVVexi:O~, 'rL~ EÜcrnl..ex'YXvo~, TL; 1tE1tI..l)potpoP1)I.LtVO~ ciicl1t''l~; d1tclTW. K't'I... Daß t1tU1't"ij!J.WV im Neuen Testament nur hier begegnet, ist Zufall; im griechischen Sirach steht es fünfmal, und die Verbindung aotpO~ Kext i1tLO"t'lj!J.WV kommt Dt 113. HI 4s vor. Der antwortende Imperativsatz klingt etwas umständlich, weil er zwei Gedanken verbindet. Einmal: der Weise liefere den Tatbeweis für seine \X'eisheit in gutem Lebenswandel, 0 ao~; iv3ELKwa&w rljv aotpt«v exu't'oü tL·~ tV 1..6'(OL~ ili' EV Ep,Ot~ ci,ex3oi:; (1 Klem 382); bei der Formulierung folgt der Autor wohl der hellenistischen Vorliebe für Umschreibungen mit tx '. Sodann: der Weise zeige seine Weisheit in Sanftmut, TeKvov, tv 1tpexttT'l)'t'L ·d ~p.(:t. aou 3Lt;exy& (Sir 317); dieser Zusammenhang ist durch die GenitivVerbindung 1tpexttT'l)~ aotptoc~ angedeutet, die ein neues Beispiel für die Neigung des Autors zu diesen - semitisierenden? - Konstruktionen ist (vgl. S. 55). Der Genitiv vertritt das Adjektivum; nach deutschem Sprachgebrauch wird man das Verhältnis eher umkehren: in sanftmütiger WeisI Eine ganz richtige. aber vernüchternde Deutung unserer Stelle bietet die schwach bezeugte Lesart d nt; •••• die noch nicht darum mit R. Schütz. FRLANT NF 11. 1920, 26 fur ursprünglich zu halten ist, weil v. It mit d beginnt. Völlig vereinfacht haben K u. a.: o~ xell mLOTi)I'(,)v lv ül'iv 8C~«T(') XTA. I Beispiele bei L. Radermacher. Neutest. Grammatik 1911. 21 f. Ober ciV«OTp~i) im ethischen Sinn vgl. A. Deißmann. Bibelstudien 1895. 83. Neue Bibelstudien 1897. 22; T. ~ägeli. Wortschatz des Apostels Paulus 1905, 34.
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Erklärung
heit. V. 14. Die streitsüchtige Gesinnung wird mit ~:;'AO; 7ttxp6; und dem problematischen ipt~dCl J umschrieben. Soviel scheint sich aus den jüdischchristlichen Belegen zu ergeben, daß dieses Wort, das ursprünglich Bestechung oder Bestechlichkeit im politischen Kampf bezeichnet, in jenem Kreise für Parteiung und Parteisucht gebraucht wurde. Dabei wird weniger Einfluß des Stammwortes fPL30; eine Rolle gespielt haben als unrechtmäßige Angleichung an das ganz fremde fPLC;; das wird zumal durch die vielleicht schon "feste" Reihenfolge in paränetischen Katalogen der Paulusbriefe wahrscheinlich gemacht: Gal 520 ll~PClt ept; ~liAOC; 3·)!J.ot tPL3&i:ClL 3Ll0G't'ClaLClt ClLptcn:L~ und 2Kor 12t~ lPL:; ~liAO:; 3UfLOL tpt3tLClL X~~~ AClALIXL o/t3upLafLoL - heide Male ist ipt~z(Cl ein Spezialfall von Streit, etwa "Parteiung", und die anderen Belege bestätigen das 2. An unserer Stelle ist die entsprechende Gesinnung gemeint: "Wenn ihr leidenschaftliche Erbitterung und Parteigeist im Herzen tragt, dann prahlt doch nicht mit Lügen der Wahrheit zum Trotz." Denn so ist der Nachsatz aufzufassen, nicht als Frage (Belser). Der ganze Satz führt ja nicht einen neuen besonderen Fall ein, sondern zeiht alle streitsüchtigen Weisen der Lüge; der Ruhm, der wider die Wahrheit streitet, ist ehen ihr Anspruch auf \Veisheit, denn wahre Weisheit kann nicht streitsüchtig sein. Dieser Gedankengang ist aus dem Folgenden ohne weiteres abzulesen; jede andere Erklärun~ muß sich den Inhalt von XotTClXClul«a3otL erst konstruieren 3. Die Formulierung leidet unter dem Pleonasmus; statt "prahlt nicht der \Vahrheit zum Trotz" sagt Jak "prahlt und lügt nicht" und verbindet XIXTcX ~T,C; ciA"'l3dCl; wahrscheinlich mit beiden Verben; in diesem Falle hätte XX~ot xClul«a3lXL dieselbe Bedeutung wie 213 4 • In V.1S ist ClÜt"Yj ~ aOI:pLCl Subjekt; die Worte ~vw3tv xxn:pzoiJlv-r, formell eine Conjugatio periphrastica mit tLVotL - vertreten ein Adjektivum; von der Ausdrucksform wie von t7t(ytLO; und 3ClLfLOVLWO'r,:; wiru I Vgl. dazu die Ausführungen in Horn Kommentar, abgedruckt bei Mayor imAnh;lng. und Lictzmann zu Röm 2a (HNT 8 '1933). I Philo, Leg. ad Gaium 68 p. 555: 1JYEW:'v{::C 8e IX'PtAcMUCOC; xxi IXvr:pi~.r. . .:; (,pnlj !J.,)Vlj "ohne Parteiung". Während der Sinn von ~pLlh:L« Röm 2a ganz allgemein ist, sind Phil117 konkrete, uns nicht deutliche Verhältnisse gemeint; das Wort steht parallel mit '1lU6voC;. Phil2:J: 1-'l)8tv x(X,' lpdldQ;v 1-'1)8e x(X'tcX ~o;((Xv ist wieder deutlich $m:it· sucht gemeint, die wie xEV08o;lcc zu Zwistigkeiten in der Gemeinde führen könnte: die Mahnung Ignat., Philad. 8a: 1-'7J8tv x(X't' iPLDda.v 1t~aaCLV, tVJ.cX x(X'tcX XPLO'TO!J.(X~H(Xv z ..:lt nicht auf Rechthaberei, sondern auf das Fernbleiben vom Kultus aus Parteilichkeit. Die Anspielungen Phibd.4 7. 8. sind deutlich genug, und "nichts tun" ohne Bischof US\\. geht in den Ignatius·Briefcn immer auf das kultische Handeln (W. Bousset, KrriO!; Christos '1935, 279). ;) Beyschlag: "Als ob ein Herz voll göttlicher Gedanken und ~Iotive euch zum Reden und Lehren triebe". Windisch: "Religiöse Interessiertheit". , Wenn y'(X'tcX Tij; cXAl)In!a.C; nur zu ~U8cafh: gehören sollte (Mayor, Ropcs), so \\ ;Irc die perfektivistische Bedeutung von y.~~(xxlX·JziianQ;L (etwa "überhebt euch nicht") ange· bracht. Die Varianten erledigen die ganze Fragestellung: x(x'ti1Y.(Xuxiia&~ n;c; cXA71ll. x~t y. K*, X(X't(X)C. y.(X.« -:ij<; cXA. "-. ~. Ne sy\'R, x(Xuziia3-E y.. y. "-(X'tcX 't. IX. A und eine ganze Anzahl ~finll:o;keln, wohl auch ff: LJuid alapimini menticntcs contra vcritatem.
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unten bei v. 17 die Rede sein. Der Sinn ist: diese Weisheit ist nicht die himmelentstammende, göttliche. Und die drei Prädikate, die sie nun erhält, steigern sich von "irdisch" bis zu "dämonisch". Dann muß das in der Mitte stehende t./Iui:,Lx6.; eine entschieden schlechte Bedeutung haben: nicht "natürlich", sondern "sinnlich". Das Wort ist als bekannt vorausgesetzt; die Forschungen der letzten Jahre haben, wenn auch restlos beweisende Belege noch fehlen, doch mit großer Wahrscheinlichkeit die Sphäre bezeichnet, in der es beheimatet ist: rfux,Lx6.; konnte den hier zu postulierenden Sinn nur annehmen auf dem Boden einer ausgesprochenen Pneumatiker-Frömmigkeit, also einer "gnostischen" Religiosität, wenn wir das Wort im weitesten religionsgeschichtlichen Sinn nehmen 1. Es handelt sich um die keineswegs genuin-christliche Anschauung', daß das göttliche Pneuma die menschliche ~uril verdrängt; eine Anschauung, für die wir in Ermanglung anderer Zeugen das Eingangsgebet der von Dieterich herausgegebenen "Mithrasliturgie" (Text nach R. Reitzenstein, Hellenist. Mysterienrel. 1910, 108ff.) heranziehen müssen. Dort heißt es Z1. 26 lipT(«<; U1ttaTwalJC; ILOU 7tpOC; b>..(yov -rr,c; liV&P(a)7tLVl)C; ILOU ~UXLXljC; 8UVclJUWC;, ~v tyw 7tclAW JU':'ot7totP~~IL~OILotL ILE":'<X TYjv tVEaTWaotV x~t XIXTE1tt(youaiv ILE mxp<xv IXviYXllv liXPEOX01tlJTOV. Die "menschliche Seelenkraft", die der Beter während des
Mysteriums zurückläßt, um sie nachher wieder an sich zu nehmen, wird Z. 32 angerufen taTlX&L, fP&IXPTYj ßpo,:,wv !puaL. Aus dieser Gleichsetzung von ~UX~ und ?UaL~3 erklärt es sich, daß ~uXLx6c; die Bedeutung "natürlich" annehmen konnte, die Paulus 1Kor 154.&.46 voraussetzt. Aber auch eine andere Bedeutung von Y'JXLXOC; wird nun begreiflich: wenn der M yste seine ~UXLX~ 8UvotILLC; dahinten lassen muß, t7td ollx laTLV !LOL tfPLXTOV &Vl)TOV yEyWTot auvlXvLEvotL TotLC; xpuaoEL8eaw ILotPILlXpUyotL~ TIic; li~h:Vcl':'O'J >"IXILI.l)8ovoc; (a. a. O. Z. 30 ff.), so ist er während des Mysteriums ohne "Seele"; Menschen, die einen solchen Zustand nie erleben, sind immer seelengebunden und dürfen darum ~UXLXO( heißen. Das ist die Bedeutung, die Paulus 1Kor 2u verwendet. Hier tritt der Psychiker in einen scharfen Gegensatz zum Pneumatiker, und unter 7tVEUtLIXTLXOC; wird nicht jeder Christ, sondern der verstanden, der die "Tiefen Gottes" schaut, der die verborgene Weisheit kennt, die Paulus hier in feierlichen Worten mehr preist als beschreibt. Zu den "Verlorenen" freilich gehören sie noch nicht, diese Psychiker - und so möchte man sie der Mittelklasse vergleichen, die im System der Valentinianer den gleichen Namen trägt (Irenäus I 61 C. Exc. ex Theodoto 54.57). Eine einseitige Pneumatikerreligion aber, die solche Vermittlungen nicht kennt, mußte diesen Gegensatz radikal ausgestalten: ~uXLx6c; ist nun das absolute Gegenteil zum 7tVEUtLotTLXOC;, der heillose nichtgeistliche Mensch. Das ist die eigentlich gnostische Anschauung, die in der ~uX~ nur eine Fessel sieht 4 • In 1 Vg1. zum Folgenden R. Reitzenstein, Hellenistische Mysterienrcligionen 1910, 42ff. 151ff.; Historia monachorum und historia Lausiaca 1916, 141; Bousset a.a.O. 129ft". 195ff. I Zur vorchristlichen Geschichte der Anschauung vgl. auch L. Troje, Die Dreizehn und die Zwölf im Traktat Pelliot 1925, 72f. A. 1. 3 V g1. dazu auch Rcitzenstein, Historia monachorum 61 A. 5. 4 Die Markosier nach Irenäus I 21& Massuet; Ahnliches von den Valentinianerra Exc. ex Theodoto 64
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Erklärung
diesem Sinn haben offenbar die vom Judas-Brief bekämpften Gnostiker ihre Gegner ~UXL)(OL gescholten, und sein Verfasser gibt ihnen, die solche Einteilungen machen (bt08LOPL~Ovn:t;), die Schmähung zurück (Jud 19). Ich möchte diesen Sprachgebrauch nicht wie Bousset (Kyrios 133 A. 7) "paulinische Terminologie" nennen, obwohl die Gnostiker sich mit den Worten des Paulus gedeckt haben. Charakteristisch. scheint mir vielmehr gerade dies, daß Paulus den Terminus nur gelegentlich in zwei ganz bestimmten Zusammenhängen aufgreift, und auch dies, daß die eigentlich gnostische Bedeutung von ~XL)(O:; im Sinne eines radikalen Dualismus von jenen zwei Paulus-Stellen aus gar nicht verstanden werden kann. Sie ist außerchristlich, sie ist im Synkretismus einer Pneumatiker- oder Gnostiker-Frömmigkeit zu Haus, die nur zwischen den wenigen Geistesmenschen und der Masse der gnadenlosen Psychiker unterschied. Aber gerade diese Bedeutung müssen wir für unsere Stelle voraussetzen, denn nur sie bildet den übergang zwischen &1tLYELOC; und 8cx.LttOV~w8YJ:;'
Der gnostische Terminus !JiUXLXOC; berechtigt uns aber noch nicht, Jak zum Gnostiker zu machen oder ihn Gnostiker mit ihren eigenen Waffen bekämpfen zu lassen 1. Da wir in dem ganzen Schriftstück nirgends eine unzweifelhafte Beziehung auf gnostische Lehre oder Praxis finden und da auch die literarische Art des Jak eine Polemik gegen konkrete Verhältnisse bestimmter Gemeinden nicht wahrscheinlich macht - Einleitung § 7 - , so liegt kein Anlaß zu solchen Vermutungen vor. Die Lösung liegt hier auf derselben Linie wie bei 't'POxoc; Tljc; YE:veG&6lC; 36: der Autor hat einen technischen Ausdruck verwendet, ohne sich die zugrunde liegende V orstellung anzueignen. V. 16 ist, wie die Analyse gezeigt hat, eine Zwischenbemerkung, die das ungünstige Urteil des vorigen Verses rechtfertigen soll: Streitsucht ist letztlich die Wurzel alles übels. Die weitgehende und nicht einmal von der Geschichte des Christentums immer bestätigte Behauptung zeigt aufs deutlichste, wo die wahren Interessen des Verf.s liegen. Ihm gilt jede Weisheit als widergöttlich, die Uneinigkeit im Gefolge hat; lieber verzichtet er auf rege re geistige Betätigung, als daß er sie mit Spannungen in der Gemeinde bezahlt. Eine selbständige intellektuelle Beurteilung von Geisteskämpfen gibt es für ihn nicht. Auch in dieser Einseitigkeit ist er den Lehrern der jüdischen Spruchdichtung verwandt, der er so vieles verdankt!. Der praktische, auf das Leben des DurchschnittsBuch Justins Hippolyt, Philosoph. V 2625 Wendland lJ I/Nx'l xex."tU -reü nvcl~IXTOl; ~XUL -ro 7tVEÜ~ KelT« -n;; Ijruxijl;. Hierher gehört wohl auch die Bezeichnung der Kirchenchristen als Psychikcr durch die Montanisten (Klemens AL, Stromata IV 931; Tertullian, De jejun. 1). 1 A. Schwcgler, Nachapost. Zeitalter I 1846, 442; O. Pfleiderer, Urchristentum II 21902, 545f. unter Berufung auf die Verwandtschaft unserer Stelle mit Hermas Mand. 11811. Darüber siehe zu 311. Auch Weinel faßt unsere Stelle wie den ganzen Jak als polemisches Zeugnis wider radikalen gnostischen Paulinismus (BibI. Theol. '1928, § 91). Vgl. dazu Einleitung S. 40 f. 2 Vgl. A. Bertholet, BibI. Theol. des Alten Testaments Il 1911 § 8, W. Staerk im Göttinger Bibclwerk 111 1,11920, 99f. 117f. Y.lXl
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menschen gerichtete Grundzug dieser Spruchdichtung weigert dem Suchen und Forschen des einsamen Denkers die Anerkennung 1. So finden wir beim Siraciden denn auch die besten Parallelen zu unserer Stelle: xotl oux lO't'L" oo
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Erklärung
dem Gebrauch des gleichen Redeschemas - Aufzählung von Adjektiven ohne weitere Erklärung, vgl. noch Hermas Mand. V 23... - sodann auf der Betonung der Friedlichkeit in beiden Katalogen. Man darf um dieser Übereinstimmung willen noch nicht die falsche Weisheit, von der Jak spricht, identifizieren mit der falschen Prophetie, die Hermas bekämpft. Wohl aber ist die Parallele geeignet, Art und Ausdrucksweise auch unseres Verses zu beleuchten. ocvw.&ev und ocvw.s-zv xrx't'e:pZO(.L€VI) erscheint dann keineswegs als ein Prädikat der Weisheit allein; wer Hermas Mand. XIS. 8. 9. 21 vergleicht, findet dort den Geist, der "von oben" stammt, geschildert und bemerkt leicht, daß civw&ev ein Wechselbegriff zu .&e:i:ov ist 1 • Was hier vom Geist, gilt Mand. IX 11 vom Glauben; und auch der Gegensatz wird in beiden Fällen ganz ähnlich unserer Stelle formuliert:Mand. IX 11 ~ 8e 8Lo/UZtrx E7ttyeLov 7tVe:Ü(.LcX EO''t'L 7trxpci TOÜ 8LrxßOAOU, Mand. XIII 7te:pt TOÜ 7tVe:u(.Lrx't'o~ TOÜ t 7t LYe: t 0 U - in den Rahmen dieser Antithese gehört auch unser v. 15 mit E7ttye:LO~ und 8rxL(.LOVLW8YJc;. Man wird aber aus solcher Verwandtschaft noch kein literarisches Abhängigkeitsverhältnis erschließen dürfen, weil nur das Schema der Aussage, nicht das Subjekt dasselbe ist; eher wird man erwägen, ob v. 17 bei Jak für diesen Zusammenhang formuliert ist. Die Voranstellung von ayvoc; entspricht nicht dem Gedankengang; denn ayvo:; klingt in diesem Fall sehr allgemein 2. Nun erst folgen die Adjektiva, die den friedlichen Charakter der Weisheit betonen: friedlich, milde 3 , fügsam 4 • Die nächsten Bestim1 Eine Anspielung auf den Mythus Henoch 42, nach dem die Weisheit unter den Menschenkindern keinen Platz fand und darum in den Himmel zurückkehrte, liegt Jak 31:;'17 also nicht vor. Es ist ja gerade von dem Walten der himmlischen Weisheit auf Erden die Rede. Auch 31X~j.Lov~~3l)~ enthält nicht, wie Spitta meint, eine Beziehung auf die Belehrung der Menschen durch gefallene Engel (Hen 8ur.), sondern ist einfach ein Werturteil. z Für &;~ und seine Stammverwandten gibt E. Fehrle, Die kultische Keuschheit im Altertum 1910, 44, als Grundbedeutung .. religiöse Scheu" an, entsprechend .. dem, was man mit dem polynesischen Worte Tabu bezeichnet". - Für Jak 317 ist vor allem Jluch LXX wichtig, wo neben dem ungleich häufigeren &;yvL~e:~v (ganz überwiegend für FTj:') das Adjektiv &;yv6~ auffallend selten erscheint, und zwar außer 2Makk 13. (Das heilige Feuer des Altars) und den beiden Psalmstellen 11 (12)7 18(19)10 nur in pariineti'Scher Literatur. So steht ci~ von der Keuschheit der Jungfrau 4Makk 187r., von der Reinheit der Märtyrer·Seele 4Makk 537 18!3. Herz und Gelübde Prov 20, 1913(10) sowie die Gottesfurcht Ps 18(19)10 können .. rein" heißen, wie überhaupt die Reinen den Ungerechten gegenübergestellt werden Provo 1521. Wichtig für unsere Stelle ist aber be'Sonders, daß Gottes Werke im Gegensatz zu den krummen Wegen der axo),,~oL als rein und gerade Provo 21a und ebenso die Worte des Herrn gleich dem siehe:nfach geläuterten Silber als ci'(Vli Ps 11 (12)7 bezeichnet werden: auch die Weisheit von oben hat also Anteil .an der Klarheit und Lauterkeit der Welt Gottes. 3 bnmtTj~ und seine Verwandten haben im jüdisch-christlichen Schriften kreis dieser Zeit wie auch sonst die Bedeutung milde: ein böser Nachbar übt mein rn~e:ud~ (Epiktet III 2011), mit Schimpf und Mißhandlung prüfen die Gottlosen des Gerechten Er.u:WLCl (Sap 21'), der Hirtenengel beginnt, nachdem er zornig gewesen, wieder bne:~xi(J't1;pov zu reden (Hermas Mand. XII 42). Auch die Parallelität mit 1tPIXUnJC; 2Kor 101 ist bezeichnend,
Jak
317
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mungen wird man miteinander zu verbinden haben: die "Barmherzigkeit" äußert sich in "Früchten", d. h. natürlich, wie C u. a. auch im Text ergänzen, in guten Werken. Die beiden letzten Glieder der Reihe sind formal, durch Klangverwandtschaft, miteinander verbunden; über die Bedeutung kann bei
sowie das Nebeneinander von btu:~xij<; und 1Xf.L(lX0<; lTim 33 Tit 32; eindeutig ist auch 1 Petr 218. t Diese Bedeutung von &U1t!:~~<; ohne ergänzenden Dativ ergibt sich aus Musonius p. 8319 Hense /) Teil TeX 7tPOaijXOVT(l 7t(lp:nVQü~ X(l'rijXOO<; WV X(lt rno(.l&VO<; txooo(w<;, OUToc; &U7t&t~c;. Nach Epiktet n lOs sind 7t1Xfl(llwPlJ
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Erklärung
v. 18 ist ein isolierter Spruch, wie die Analyse gezeigt
hat; er handelt vom XOtprroc; 8LXOtLOaUVlJC;. Das ist, wenn das Bild natürlich auch anderswo vorkommt!, ein Ausdruck, der in der LXX-Sprache ein fester Terminus zu sein scheint, wenigstens an den Stellen Am 612 Prov 11so 132, an diesen beiden Stellen ohne Entsprechung im Original; in der christlichen Sprache taucht er Phil 111 Hebr 1211 auf. In der LXX findet sich auch schon der Gebrauch von XOtp1t6c; für den Fruchtsamen, der in unserem Spruch wegen O"7tdptTOtL ebenfalls angenommen werden muß, vgl. Prov l1so EX XOtp7tOÜ 8LXClLOaUVlJC; q>UtTOtL 8ev8pov ~(a)ljc;. Der besondere Sinn, den Terminus und Bild in unserem Vers haben, hängt mit der Korrespondenz von tv dp~V?l und TOi:C; 7tOLOÜ<JLV dp~VlJv zusammen. Wegen des Zusammenhangs zwischen heiden Ausdrücken muß tv dp~V?l zweifellos zu a7tdptTOtL gezogen werden; dann ist es aber unmöglich, TO'LC; 7tOLOÜaLV dp~VlJv als Dativus actionis (de Wette, Ropes) zu fassen; denn daß Gerechtigkeit in Frieden, also von Friedlichen ausgesäet wird, ist schon mit EV tlp~vn gesagt. Der Dativ ist also, wie heute die meisten annehmen, ein Dativus commodi: für friedliche Leute!. Und nun begreifen wir den Sinn des Bildes im Rahmen dieser Korrespondenz: von Friedlichen - für Friedliche; gesäet und geerntet wird Gerechtigkeit nur im Frieden 3. Zugleich bestätigt sich das Resultat der Analyse: der Spruch besitzt eigene Rundung und Geschlossenheit, und bedarf weder vorwärts noch rückwärts des Zusammenhangs. Kap. 4, V. 1. Die neue Ermahnung 41-6 führt allen Streit auf die ~8ovOt{, die "Lüste", zurück; wie umfassend der Ausdruck gemeint ist, zeigen die folgenden Verse·. Der Gedanke erscheint oft in der philosophischen Tradition von Plato an, namentlich dort, wo eine dualistische Anschauung auf die Ethik einwirkt li • Hier wird er durch eine Frage eingeleitet, deren I V gJ. Epikur, Frgm. 519 (p. 317 Usener) aLXCtLO~e; XlXp1tOc; tUYLCJTOe; ci:t'IXpIX~lat (= Klemens AI., Strom. VI2 p. 266, 39); dazu G. A. van den Bergh van Eysinga, Nieuw Theologisch Tijdschrift, 1921, 228. Z Nur wer wie Spitta am strengen Zusammenhang mit 31 festhält, kann auf den Ge· danken kommen, -roie; 1tOLOÜCJLV dp-i)V7)v auf das Ackerland zu deuten, nämlich auf die zu belehrenden Menschen. :I Hebr 1211 ist verwandt, weil auch dort der Ausdruck XIXPnOc; aLxlXLcxNvrje; gebraucht wird; aber xlXp1t6c; heißt dort wie Hermas Sim. IX 19. die geerntete, nicht die gesäete Frucht, und dplJVLX6v ist längst nicht die Hauptsache wie an unserer Stelle; die Ähnlich· keit zwischen den Sprüchen wird wohl meist überschätzt. , Daß ~aovTj hier an Stelle von bn&ul-Llat gebraucht wird (gegen Ropcs), ergibt sich zunächst aus dem Folgenden; schuld an allem übel ist, daß "ihr begehrt", nicht daß .,ihr genießt". Sodann zeigen die Belege in der folgenden Anm., daß von den ~80VGll hier ausgesagt wird, was sonst von den m&ul-LlatL gilt. Endlich ist die 1}8ovTj in diesem Sinn auch von Philo beschrieben worden und zwar im Zusammenhang mit dem zehnten Gebot De decalogo 143 p.204 -roÜ 1t1Xp6~ XlXl. VOf.UO~ «YIX~ü ql«vrrxa~ aU:ydpEL xrxl. aLIXv~cn rlJv IjIuxilv ·~pEl-LoÜCJrxv xrxl. atp68pcx ~(,)pov i~rxlpEL Xa:DcX1tEP ~rxÄI-LOUe; cpiilc; mCTt"pcX~· XWiTrxL a~ -roun TO 1tcX&oc; a:\mjc; ~aovTj. , Plato, Phaedon 66c: xa:l. ycip noAif.L0UC; xa:l mGELc; xlXl f.LcXxa:e; oua~ &).).0 1ttXpixcL ~ -ro awl-Lct xa:l. a:t -rov-rou bn&ul-LlatL; Cicero, Oe lin. bon. I § 44: ex cupiditatibus odia,
discidia, discordiae, seditiones, bella nascuntur; Lukian, Cynicus 15:
1tcXV't'ct
yllp TeX XllXli
Jak 31141
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etwas schwerfälligen Schritt man gelegentlich durch Streichen des zweiten ~ (Koine) oder Umstellung von tv UI-LLV zu beflügeln suchte. 7tOUI-L0L und I-LcllotL darf man nicht, wie Grotius tat, auf politische Bewegungen deuten, denn diese Worte stehen in solchen Ermahnungen als Synonyma für Streit und Hader 1. Noch mehr als sonst führt es an dieser Stelle zu ganz unmöglichen Konsequenzen, wenn man den ganzen Ernst dieser Bußpredigt auf konkrete Gemeindeverhältnisse zurückführt. Denn wenn ein bestimmter Kreis von Christen das Modell zu dieser Schilderung lieferte - nicht vermöge allgemeiner menschlicher Schwächen, sondern vermöge besonderer schwerer Verfehlungen -, dann konnte der Autor an diesen Kreis nicht so heroisch wie lu. und nicht so tröstlich wie 571(. schreiben. Persönliche Erfahrungen des Autors sind gewiß auch für diese Stelle nicht ohne Bedeutung, aber nicht Erfahrungen mit einem bestimmten Adressatenkreis ; und neben den Erfahrungen wirkte die paränetische Tradition ein, wie es die Belege S. 258 A. 5 zeigen. Mit solcher Tradition müssen wir auch bei der Erklärung der folgenden Worte rechnen. Das Bild vom "Streiten" der bösen Lustaffekte in unseren Gliedern ist ja sicherlich mit Rücksicht auf die 7tOUI-L0L und I-LclllXL gebraucht; aber man wird doch an Röm 723 erinnert, an das Gesetz der Sünde, das in des Menschen Gliedern wider das Gesetz der Vernunft streitet, und wer auf Grund von Jak 2141. wenigstens eine indirekte Bekanntschaft unseres Autors mit Paulus-Worten annimmt (v gl. Einleitung § 4), kann die Möglichkeit einer Einwirkung jener Stelle, vielleicht einer vermittelten Einwirkung, nicht völlig bestreiten; Jak gebraucht manche Bilder und Schlagworte, deren Heimat ihm fremd ist. Aber man bedenke, daß auch 1 Petr 211 von den O'IXPXLXott rnL&uI-LLotL spricht, otLTLV&C; O'TpotTEUOVTotL XotT« Tljc; ~ulljc;, und daß Philo, De migratione 60 von den -ijaoVotL mit einem militärischen Bilde redet (TIX~LotploüO'L). Jak wird also den Ausdruck nicht geschaffen haben. Im Gedanken an 7tOUI-L0L und I-LcllotL spricht er von TO'~ iv&pW7tO~
i:x n;~ WÜTWV (seil. XPOO'lÜ Xatl. lXpyUpou) bn~l'~ qlUoVTatl, xatl. (JTicx~ XOtl. 7t6UI'OL Xatl. bnßouMtl. Xotl. ~rat(; Philo in dem Abschnitt über die Wirkungen der Begierde (s. Anm. 1) Oe deal. 151 ff. p. 205: XP"'ll'llT(.o)V ~p