Roger Covey Daemonenjaeger Frank MacLachlan Band 23
Die Armee der Untoten
Destero ist der neue König der Untoten. Doch...
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Roger Covey Daemonenjaeger Frank MacLachlan Band 23
Die Armee der Untoten
Destero ist der neue König der Untoten. Doch ohne Sarah Dyke ist die Armee der Untoten dramatisch geschrumpft und braucht dringend neue Diener. Doch Desteros Plan erweckt eine tödliche Gefahr, der nicht einmal mehr der Vampir selbst Herr werden kann... Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
In einem riesigen Raum lagen Bücher und uralte Folianten, offen und geschlossen, auf dem Boden verstreut. Ein einsamer Mann murmelte vor sich hin, hob hier und da eines der Werke auf, ließ es wieder fallen... "Meine Armee muss stärker werden... größer... mächtiger... alleine schaff ich das nicht... Grantoc! Das wäre eine Möglichkeit... ich sollte mich mal wieder um meine Brüder kümmern..." Der Hall seines Gelächters erfüllte den Saal noch als schon längst niemand mehr darin weilte.
***
St. Thomas, Antillen Trommeln dröhnten durch die leeren Straßen. Gesang und Gelächter trug weit in der sternklaren Nacht. Auf dem kleinen Marktplatz des Weilers tobte das Leben. Schwitzende Leiber drängten dicht aneinander. Ekstatisch bewegten sich die Menschen zu dem hypnotisierenden Klang der Kongas. Der schrille Klang der Vaccines, der Bambusflöten, riss die Tanzenden in Trance. Sie lagen dann am Boden, zuckten wie von starken Krämpfen befallen. Sobald sie sich wieder beruhigt hatten wurden sie von fürsorglichen Mittänzern an den Rand des Platzes gebracht. Nur wenige Momente später sah man schon wieder alle zu dem dumpfen Rhythmus der Trommeln als aktive Teilnehmer des Rara tanzen. Keiner achtete auf den Mann, der gesenkten Kopfes die Feier verließ und aus dem flackernden Lichtkreis, den die großen Feuer auf dem Platz warfen, verschwand. Miguel de Petron schlenderte durch die vereinsamten Wege. Manuela Carrina hatte ihm einen Korb gegeben und der Papa-2-
Loa, der Hohepriester ihrer kleinen Gemeinschaft, konnte oder wollte ihm nicht dabei helfen, sie für sich zu gewinnen. Er hob die fast leere Rumflasche und ließ die letzten Tropfen seine Kehle herunterfließen. Klirrend rollte die Flasche in der Dunkelheit davon nachdem er sie fallen ließ. Aus seiner Hemdtasche nestelte er eine Schachtel Zigaretten hervor. Als der Glimmstengel brannte und die Utensilien wieder verstaut waren, nahm er einen tiefen Zug und sah zum Himmel empor. Die Sterne über der kleinen Antilleninsel leuchteten heute nicht für ihn. Melancholisch setzte er seinen Weg fort. Er wusste noch nicht wohin er gehen sollte. Nach Hause sicher nicht. Heute nacht allein in seiner Hütte? Nein, das wollte er nicht. Erst als er das kleine Dorf schon hinter sich gelassen hatte, merkte er, wohin ihn seine Schritte unbewusst geführt hatten. Dies war der Weg zu dem Häuschen des Papa-Loa. Ohne weiter darüber nachzudenken setzte er seinen Weg fort. Miguel hatte dem Papa schon oft bei verschiedenen Zeremonien geholfen. Er trug den Titel eines Conifance und er gab einen guten Houngan- Lehrling ab. Er kannte die wichtigsten Rituale und schon oft hatte er ohne die Unterstützung des Hohepriesters die Riten des Wodu zum Wohle der Menschen angewandt. Aber Miguel war ein neugieriger junger Mann. Er wollte mehr, am liebsten alles wissen. Und ohne die Zustimmung des Houngans hatte er sich auch über die dunklen Riten des Wodu informiert. Hatte in unbeobachteten Momenten in den alten zerfledderten Büchern und Heften seines Meisters gelesen und gelernt. Groß war die Versuchung, sich die Hilfe der schwarzen Seite zu sichern. Alles sah einfacher und schneller aus, der Aufwand war, im Vergleich zum Gebrauch der weißen Magie, geringer! Aber Miguel war sich auch der Gefahren bewusst, die ihm drohten. Er war ein guter Schüler und hatte Respekt vor seinem Houngan. Doch heute Abend war die Wut in ihm gewachsen und zu -3-
einer giftigen Frucht gereift. Alle hatten sich gegen ihn verschworen. Der Papa-Loa glaubte, er sei noch nicht reif genug und Manuela... Ah, wie schön sie heute gewesen war! Doch sie hatte sich voll und ganz dem Rara-Tanz gewidmet und als er sie fragte... Nein, daran wollte er jetzt nicht denken. Zu groß war die Schmach gewesen, vor der Familie und seinen Freunden, ja dem ganzen Dorf, abserviert zu werden. Sie hatten gelacht, ihm auf die Schulter geklopft und sich danach wieder ganz dem Tanz hingegeben. Als ob dadurch alles besser wurde. Er schritt kräftiger aus - Miguel wusste jetzt, was er tun würde!
***
Boston, USA Jane Cardigan blätterte wahllos in den verschiedenen Büchern auf dem Tisch. Die Bibliothek in Jack Claims Haus war wirklich groß und umfangreich und Jane hatte sich einen ganzen Stapel Bücher mit in den Salon genommen. Die letzten Ereignisse und vor allem ihr zurückliegender Tod Siehe FM 9: "Hexenmeister aus der Hölle" hatten in Jane das Verlangen geweckt, nicht weiter so hilflos gegen die Mächte der Finsternis antreten zu müssen. Auf ihr Erbe konnte sie sich nicht immer verlassen. Sie war sich auch nicht sicher ob sie überhaupt noch Blitze aus den Augen schießen konnte. Aber Jack Claim hatte ja bei ihrem ersten Treffen von einer besonderen Affinität der Erben zur Magie gesprochen. Also hatte sie sich vorgenommen, sich näher mit der praktischen Seite der Magie zu beschäftigen. Jack konnte ihr dabei nur wenig helfen. Er hatte freimütig zugegeben, sich mit der Praxis nie besonders intensiv -4-
auseinandergesetzt zu haben. Zum einen fehlte ihm die Zeit sich mit dem Stud ium der Magie näher zu beschäftigen und zum anderen hatte er einen gehörigen Respekt vor den möglichen Auswirkungen. Jane grinste vor sich hin als sie einen weiteren Band in die Hand nahm. Alle anderen schliefen schon und würden von dem Chaos, das sie hier anrichtete, bestimmt nicht begeistert sein. In einem kleinen, unscheinbaren Regal in einer Ecke des Salons, hatte sie ein paar allgemeine Titel zum Thema Hexen entdeckt. Vielleicht ist das für den Anfang zu kompliziert, dachte sie als sie einen weiteren der Wälzer aus der Bibliothek durchgeblättert und kaum ein Wort verstanden hatte. Sie legte ihn zurück zu den anderen ‘Leihgaben‘ aus dem Keller und stand auf, um sich die Bücher in dem niedrigen Regal genauer zu betrachten. Sie begab sich in die Ecke in welcher sich der kleine Bücherschrank befand und kniete sich davor. Ein Buch nach dem anderen zog sie heraus und verteilte die Bände neben sich auf dem Boden. Als sie den letzten Band aus dem untersten Regal nahm, spürte sie einen leichten Widerstand. Mit der einen Hand legte sie das Buch zur Seite, während sie mit der anderen tastend das Regalbrett untersuchte. Ihre Finger fuhren über eine leichte Erhebung im Holz. Wahrscheinlich nur eine Blase im Lack, dachte Jane und drückte leicht auf die Unregelmäßigkeit. Sie fühlte plötzlich, dass sich irgend etwas in dem Raum bewegte, ein leichter Luftzug strich ihr über den Nacken, ließ sie frösteln. Sie sah sich in dem großen Salon um und bemerkte eine ungewöhnliche, zusätzliche Lichtquelle in dem Zimmer. Eine Wandtäfelung hatte sich verschoben. Aus einer Öffnung, die sich dahinter gebildet hatte, strömte grünliches Licht in den Raum. -5-
Wie hypnotisiert näherte Jane sich der Geheimtür.
***
Miguel betrat die unverschlossene Hütte des Houngan. Jeder kannte jeden in diesem kleinen Dorf, es bestand keine Notwendigkeit Türen zu verschließen. Es gab keine Geheimnisse. Auch für Miguel nicht - nicht mehr! Er hatte schon häufig in den Büchern des Wodu-Priesters geblättert. Mit und ohne Erlaubnis des Besitzers. Vor allem die ‚verbotenen' Bände hatten es ihm angetan. Papa hatte ihn immer wieder davor gewarnt. Er solle sich zuerst mit den sicheren, weißen Zaubern beschäftigen. Die schwarze Magie hätte Auswirkungen, die Miguel sich nicht vorstellen könne. Es sei wichtig, sich zu informieren um zu wissen, was die ‚Gegenseite' zu leisten vermochte. Aber die praktische Anwendung der bösen Wodu-Magie sollte kein vernünftiger Mensch versuchen. Den letzten Rest Vernunft spülte Miguel mit dem scharfen Inhalt einer kleinen Flasche herunter. Diese hatte er in der winzigen, unaufgeräumten Küche gefunden, bevor er sich zum Oumphor, dem Tempel selbst, begab. Er überquerte den kleinen Vorhof des eigentlichen Gebäudes und betrat den kleinen Tempel. Als er das Beschwörungsbuch der dunklen Mächte im Vorraum aus einem wackligen Regal zog, musste er sich abstützen. Doch die Konstruktion war nicht stabil genug: er krachte mit der halben Einrichtung zu Boden. Fluchend versuchte Miguel sich wieder aufzurichten. Das Buch immer noch in der einen Hand haltend, zog er sich mit der -6-
anderen an einem großen Tisch hoch, der fast die Hälfte des kleinen Vorraums einnahm. Er schlug das Buch auf und einen kurzen Moment schoss ein klarer Gedanke durch seinen Kopf. Ich muss aufhören. Es ist zu gefährlich! Mit heftigem Kopfschütteln brachte er die Stimme in seinem Schädel zum verstummen. Trotz des heftigen Alkoholkonsums blätterte Miguel zielsicher zur richtigen Seite. Die Untoten! Genau! Er würde Manuela zu seinem Zombie machen. Dann müsste sie ihm gehorchen, seinen Wünschen nachkommen. Miguel kannte keine Zombiefilme, hatte aber schon gesehen wie der Papa manchen Männern einen Trank eingeflösst hatte. Sie lagen einige Zeit wie tot am Boden und wenn sie wieder ‘erwachten&145, gehorchten sie ein paar Stunden den Befehlen des Houngan. Miguel wollte Manuela aber für immer zu seiner Dienerin machen. Es sollte ewig dauern! Er schob den bunten Vorhang zur Seite und betrat das Allerheiligste. Er beachtete die vèvè, die Ritualzeichnungen die noch von der letzten Zeremonie kündeten, nicht. Miguel schob die Rasseln, Glocken und Donnersteine vom Altar, dem Pé, um Platz für das Beschwörungsbuch zu schaffen. Er legte es aufgeschlagen vor sich auf den Altarstein und wischte mit den Händen weitere Gegenstände vom Pé. Mehr zufällig als beabsichtigt traf Miguel in lallendem Tonfall die richtige Betonung, sprach die Beschwörung. Trotzdem die Buchstaben und Worte sich seinen Augen zu verweigern schienen und sich zudem tief in seinem Inneren Zweifel breit machten, brachte er den Zauber zu Ende. Ein graublaues ‘Fenster‘ bildete sich in dem kleinen Raum...
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***
Jane Cardigan stand, in unwirkliches grünes Licht getaucht, vor der Öffnung, die sich in der Wand gebildet hatte. Schmale, ausgetretene Stufen führten in die Tiefe. Die Quelle des Lichts schien von dort unten zu kommen. Das Licht zog sich um die Frau zusammen. Jane fühlte, wie etwas ihr Denken in den Hintergrund drängte und sie umschmeichelte, sie dazu bringen wollte, die Treppe hinabzusteigen. Nur noch teilweise aus eigenem Antrieb begab sich Jane ins Unbekannte. Die Treppe wand sich spiralförmig zwischen den rauen Mauern, die sich immer enger um die Stufen drängten, nach unten. Jane hatte den Eindruck, zwischen den Wänden regelrecht eingekeilt zu werden. Die Luft in dem Abgang war ungewöhnlich. Normalerweise hätte Jane erwartet, muffige, abgestandene Luft atmen zu müssen. Doch gerade das Gegenteil war der Fall. Die Temperatur blieb in einem angenehmen Bereich und die Luft war frisch und klar wie nach einem Frühlingsgewitter. Beinahe euphorisch von der unerwarteten Erfrischung schritt Jane weiter nach unten. In ihrem Kopf meinte sie leise Stimmen zu hören. Sie blieben undeutlich, schwer zu verstehen. Aber es schienen freundliche Stimmen zu sein. ‘Erbe der Macht‘ fiel des öfteren und jemand sprach von ‘Mein Sohn‘. Als Jane das Ende der gewundenen Treppe erreichte, stand sie in einem kleinen Raum. An den Wänden befanden sich Regale, in denen sich Bücher stapelten. Der Raum wurde beherrscht von einem alten Holztisch. Auf diesem standen abgesehen vo n aufgeschlagenen Büchern auch Bunsenbrenner, Glaskolben und -8-
andere Gerätschaften. Es sah aus wie in einem kleinen Chemielabor. Jane registrierte erst nach ein paar Sekunden, dass das grüne Licht aus den alten, in Leder gebundenen, Büchern strömte und so etwas wie eine Lichtkuppel bildete, die den Raum umgab. Sie streckte ihre Hand nach dem Lichtschimmer aus und durchdrang die ‘Wand‘ mit ihren Fingern. Nur ein leichtes, angenehmes Prickeln war zu spüren und so nahm sie ihren Mut zusammen und folgte dem Ruf, der in ihrem Kopf immer drängender geworden war. Die Erbin der Macht durchdrang die Lichtmauer und blieb wie erstarrt neben dem großen Tisch stehen. Zwei Stockwerke höher wälzte sich ein anderer Erbe der Macht in seinem Bett unruhig hin und her.
***
"Aah, wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet!" Die dunkle Gestalt in der riesigen Halle saß ruhig auf dem unscheinbaren Steinthron. Die an den Säulen angebrachten Fackeln beleuchteten mit ihrem flackernden Licht den gewaltigen Saal. Die unheimliche Atmosphäre wurde durch leises Stöhnen und Ächzen unterstrichen. Die Laute drangen direkt aus den unmenschlichen und unvorstellbar grausamen Darstellungen an den Wänden. Eine Falle war ausgelöst worden. Gelegt vor einigen Jahren erst. Das Erbe eines Erben war manipuliert worden und würde diesem jetzt zum Verhängnis werden. "Nun sind die Prophezeiungen hinfällig geworden! Die Entscheidung fällt jetzt!" Triumphierend war der Fürst der Finsternis aufgestanden und -9-
begab sich zu einer der schrecklichen Abbildungen. Aufmerksam betrachtete er die sich windenden Perversionen. Sie schienen ihm zu zeigen was irgendwo, weit entfernt geschah. Jack Claim, der Erbe der Macht, würde sterben - und damit ein weiteres, weit schwereres Schicksal besiegeln!
***
Miguel starrte auf das leuchtende Fenster, das sich pulsierend vergrößerte. Als es Höhe und Umfang einer großen, breiten Tür erreicht hatte, stoppte der 'Herzschlag'. Schemenhaft konnte er die Umrisse einer Gestalt auf einem großen Stuhl ausmachen. Bevor Miguel etwas sagen konnte, begann die Gestalt zu sprechen. Sie schien nicht bemerkt zu haben, dass sich neben ihr ein Tor geöffnet hatte. "Mein und doch nicht mein! Dieses Reich gehört nicht mir, das ist keine Frage! Ein edler Geist wie der meine muss sich den Beleidigungen des Glücks unterwerfen. Meine Geduld ist am Ende! Soll ich alle Plagen auf einmal besiegen? Was ist Sterben? Schlafen, das ist alles! Ich bin gestorben und schlafe. Und doch werde ich von meines Fleisches Erbteil gequält. Glückseligkeit ist weit entfernt. Der Haken steckt im Träumen. Welch Träume auch immer kommen mögen, sie zwingen uns still zu stehen und lassen uns stutzen. Nur die Träume lassen mich noch die Misshandlungen und Schläge der Zeit, die Schikanen und den Übermut des Schicksals ertragen. Welcher Vampir würde sich sonst von den elenden Zombies mit Füssen stoßen lassen. Zombies, die ihr mühseliges Unleben -10-
fortschleppen. Wie sollte ich Furcht vor etwas nach dem Tode haben? Ich bin aus diesem unbekannten Land zurückgekehrt und doch ist mein Wille wie betäubt. Ich weiß nicht, in welch unbekannte Gefahren ich mich noch stürzen muss, um endlich der Herrscher der Untoten zu sein. Es ist nicht mein Gewissen, dessen ich längst nicht mehr habhaft bin, es sind die kleinen Gedanken. Die Stärke des natürliche n Abscheus vor Versagen und Elend. Die größten Taten, die wichtigsten Entwürfe werden durch diese einzige Betrachtung in ihrem Lauf gehemmt. Wie sollte ich da nicht vor der Ausführung zurückschrecken? Aber... was ist das? Wer wagt es mich, Destero, den Herrscher der Untoten, zu stören? Wer immer es ist, er sollte sich seiner Sünden erinnern und ein letztes Gebet sprechen, wenn es nicht von Belang für mich ist!" Miguel hatte starr vor Schrecken den Worten gelauscht, ihren Sinn jedoch nicht verstanden. Als die Gestalt, Destero nannte sie sich, von ihrem Platz aufstand und sich dem ‘Tor‘ näherte, wich Miguel zurück, bis er von der hölzernen Wand in seinem Rücken gestoppt wurde. "Verzeiht..." Miguel verstummte, als der Herrscher der Untoten durch das Tor schritt und finster auf ihn herabblickte. Destero überragte den Menschen um einiges. Seine Aura schien sich in dem engen Raum auszubreiten und nahm Miguel die Luft zum Atmen. In der Gegenwart dieses Dämons fühlte Miguel sich klein und schutzlos. Er bereute schon, was er getan hatte und wollte zu einer Erklärung ansetzen, als ein gewaltiger Schlag ihn von den Füssen hob. Er wurde auf den Altartisch, den Pé, geschleudert, wodurch auch noch die letzten Opferschalen, Ritualgegenstände und das Beschwörungsbuch zu Boden gefegt wurden. "Mensch, du wagst es mich zu stören!" Desteros Stimme hallte wie Donner durch den kleinen Raum. Wie bei einem Gewitter knisterte die Atmosphäre in dem ganzen Häuschen. -11-
"Was denkt ihr armseligen Sterblichen euch dabei uns anzurufen? Uns zu stören, die wir mehr sind als eure eingebildeten Götter! Götter, die keiner jemals gehört, geschweige denn gesehen hat! Wir sollten eure Götter sein! Ihr solltet uns anbeten, uns dienen statt unsere Hilfe zu erflehen. Hilfe, Unterstützung, das war es doch, was du von mir wolltest? Welchen Grund sonst sollte ein Mensch wie du haben mich zu rufen? Ein Fenster in meine Welt zu öffnen?" Destero packte den zitternden und keiner artikulierten Aussage mehr fähigen Miguel und wollte ihn wiederum durch den Raum schleudern. Er zögerte nur kurz bevor er ihn durch das immer noch offene Tor in ‘seine‘ Dimension schleuderte. Der Vampir blickte sich kurz um, nahm dann das Beschwörungsbuch auf und schritt seinerseits durch das Tor. Hinter ihm verging das blaue Leuchten des Dimensionstors im Nichts.
***
Jane Cardigan stand, in das grüne Licht getaucht, neben dem Tisch und spürte wie etwas in ihren Kopf eindrang. Es war, als ob winzige Hände direkt in ihr Gehirn griffen. Sie verursachten kein unangenehmes Gefühl, sondern bewirkten, dass die Stimme wieder klar und deutlich zu verstehen war. "...geschafft. Ich kann mir vorstellen, dass auch du dich gesträubt hast, die praktische Seite deiner Macht zu erlernen. Um dir diesen Weg, den du jetzt eingeschlagen hast, zu erleichtern, möchte ich dir dieses Geschenk machen. Das Wissen, das ich aus diesen Werken sammeln konnte, befindet sich gebunden in dem gelben Licht das dich hier umgibt. Es wird sich mit dir vereinigen und du wirst gewappnet sein wenn du..." -12-
Die angenehme, ruhige Stimme sprach weiter, wurde aber übertönt von dem triumphierenden Gelächter einer anderen, brutaleren Stimme. "Du bist gekommen, um das zu erlangen, was dir zusteht! Dank sei dem Vater, der solche Geschenke macht. Du, Jack Claim, Erbe der Macht, wirst jetzt sterben! Eine Schande, dass wir uns nicht mehr persönlich gegenüberstehen werden. Aber das ist eine Schande, mit der du sterben wirst und ich leben kann." Etwas anderes gesellte sich zu dem angenehmen Gefühl in Janes Kopf, etwas ungleich Kälteres begann sich zusätzlich, nicht nur in ihren Kopf, sondern in ihrem ganzen Körper auszubreiten. Wie nebenbei sah Jane, wie das Licht sich um sie zusammenzog und sie erkannte, dass es kein reines Grün war. Dunkelblaue, fast schon schwarze ‘Lichtfäden‘ waren verwoben mit dem goldgelben Lichtschimmer, der den eigentlichen Teil der Lichtkuppel ausmachte. Das Licht zog sich um Jane zusammen. Wie eine Aura bildete sich ein grüner Schleier um den Körper der Frau. Immer enger schmiegte sich das Licht um Jane, bis es schließlich in ihr aufging. Von einem Moment auf den anderen war es finster in diesem unterirdischen Raum. Die leuchtende ‘Rüstung‘, die Jane umgeben hatte, wurde vom Körper der Frau aufgesogen. Etwas begann...
***
Alles um Jane herum wurde durchscheinend, verlor an Konsistenz, wurde ersetzt durch etwas anderes, etwas... Neues. Jane wusste nicht, ob das, was sie sah, noch die Realität war, -13-
oder ob sie längst auf dem Weg fort von ihrer einstigen Daseinsform war. Das Bild flackerte... "Mrs. Cardigan?" Der Mann, der ihr gegenüberstand, sah sie an, als käme sie von einer anderen Welt. Er war hochgewachsen, das war das Erste, was Jane an ihm auffiel. Er setzte sich zu ihr in den Wagen. Es war sein Wagen, wie Jane bemerkte. Was mache ich hier? Schneller als der Gedanke gekommen war, war er auch schon wieder weg. Jane musterte den Fremden misstrauisch. Er schien ihr sympathischer zu sein, als die meisten Cops, mit denen sie für gewöhnlich zu tun hatte. Das muss wohl an seinem charmanten Lächeln liegen, fand sie. "Mrs. Cardigan?", fragte er erneut, und sie bemerkte, dass sie noch immer nicht reagiert hatte. "Entschuldigen Sie bitte", sagte sie zögernd. "Wie kann ich Ihnen helfen?" Er setzte wieder sein Lächeln auf, das Jane so unglaublich faszinierend fand. Ich fand das gar nicht faszinierend! wehrte sich Jane. Der Gedanke verschwand, bevor er sich in ihrem Bewusstsein festsetzen konnte. "Sie haben die Leiche gefunden?", fragte er. "Ja, aber zuerst möchte ich wissen, mit wem ich das Vergnügen habe", antwortete sie forsch. "Oh, verzeihen Sie. Frank MacLachlan, FBI", stellte er sich vor. Etwas in Jane schrie, dass das Bild falsch sei... und von einem Moment zum anderen begann das Bild zu flackern... Vorsichtig schlich Jane durch den Korridor. In der Dunkelheit konnte sie beinahe nichts erkennen, aber es reichte, um die Umrisse der Gestalt vor sich zu sehen. -14-
Er lief ahnungslos vor ihr her und wusste nicht, dass sie ihm bereits so nah war. Diesmal, dessen war sie sich sicher, würde er ihr nicht entkommen können! Der Korridor endete nun in einer Wendeltreppe, die nach unten führte. Jane folgte ihm zielstrebig auf seinem Weg und kam ihm dabei immer näher. Bald konnte sie zuschlagen. Er hat keine Chance! Am Fuß der Treppe angekommen hielt er kurz inne. Für einen Moment dachte Jane, er hätte etwas bemerkt und sie wagte kaum zu atmen. Was, wenn er es hören konnte, jetzt, wo sie so dicht hinter ihm war? Kurz darauf musste sie feststellen, dass sie sich wohl geirrt hatte, denn er setzte seinen Weg fort und trat nun ins Licht des unteren Korridors. Jane lächelte. Jetzt oder nie! Mit einem wilden Schrei stürzte sie vor, hob das Messer und stach gnadenlos zu. Als sein lebloser Körper vor ihr zu Boden fiel, lachte sie triumphierend auf. Nein! Ich kann das nicht sein! Es war ein stummer Schrei. Aber schneller als der Gedanke gekommen war, war er auch schon wieder weg. Jane sah in Jack Claims leblose Augen und genoss den Triumph ihres Sieges. Er war endlich tot! Das Bild veränderte sich... Lange Säulengänge führten fast bis zum Horizont. Dort standen Türme, die in den Himmel zu greifen schienen. Der Glanz einstigen Wohlstands war jedem einzelnen Bauwerk dieser Stadt anzusehen. Wo Jane auch hinsah, jedes Mauerstück berichtete von glorreichen Schlachten, wilden Festen und grenzenlosen Freuden! Und doch war von der einstigen Herrscherstadt nicht mehr als ein Haufen Schutt und Asche übriggeblieben. In den Rissen der Mauern und Strassen wucherte Unkraut, herabgefallene Ziegel -15-
bedeckten große Teile des Weges vor Jane. Bei mehr als der Hälfte der Gebäude war das Dach eingefallen, unter der Last des Alters zusammengebrochen....oder unter dem Einfluss des Bösen... Ja, sie fand diesen Gedanken gar nicht mal so abwegig. Das Böse war noch immer zu spüren, auch wenn seit dem Tag, an dem die Heerscharen der Finsternis diese Stadt zerstört hatten, Jahrhunderte vergangen waren. Und jetzt, dachte Jane, kehrt das Böse hierher zurück! Unbemerkt von Jane Caridgan verdunkelte sich allmählich der Himmel über der Stadt. So, als würde er die drohende Gefahr verschleiern, die nach Hunderten von Jahren erneut über diese Stadt hereinbrach. Das Bild begann erneut zu flackern. Irgendwoher kam die Erkenntnis, dass dieses Flackern jetzt über Leben oder Tod entscheiden würde. Welch Ironie - während sie zur Hexe wurde verbrannte Jane Cardigan von innen.
***
Schweißgebadet fuhr Jack Claim aus dem Schlaf. Er wurde aus einem brutalen Alptraum gerissen in dem sein Vater gegen McDonald kämpfte und beide sich dann über ihn, Jack Claim, hermachten, um ihn zu zerreißen. Grässliche, verzerrte Fratzen waren auf Jack zugeflogen, in ihn eingedrungen und hatten ihn zum Platzen gebracht. In glühendheiße Lava wurde er getaucht, sein Fleisch verbrannte bis auf die Knochen, bevor jene zu Asche zerfielen. Heerscharen von Insekten waren auf ihm herum gekrochen, verbissen sich in seinem Fleisch, sonderten ätzende Flüssigkeiten auf seiner Haut ab und... er konnte und wollte nicht mehr darüber nachdenken. -16-
Sein Herz raste noch und seine Hände zitterten, als er zum Lichtschalter griff um die Nachttischlampe einzuschalten. Jack atmete ein paar Mal tief ein und aus. Dann erhob er sich und ging auf wackligen Beinen zum Fenster seines Schlafzimmers. Weit öffnete er die Flügel und sog gierig die frische, kühle Nachtluft in die Lungen. Nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte nahm er einen Schluck aus der Whiskeyflasche, die in dem Nachtkästchen deponiert war. Er beschloss, am Morgen mit den anderen über diesen Traum zu sprechen. Vielleicht hatte sein Erbe angesprochen, weil irgendwo in den Dimensionen der Finsternis wieder ein Komplott gegen sie geschmiedet wurde. Er ging in das angrenzende Bad und wusch sich den Schweiß vom Körper. Als er einen frischen Schlafanzug aus einer Kommode in seinem Zimmer holte überlegte er, ob er noch in die Bibliothek gehen sollte. Dort gab es sicher das ein oder andere Werk, in dem er etwas über Träume im Allgemeinen und vielleicht sogar diesen Speziellen erfahren würde. Die frische Luft hatte ihn kurzfristig erfrischt, aber als er jetzt das Fenster wieder schloss, merkte er, wie müde er tatsächlich noch war. "Erst noch einmal ein wenig nachdenken", sprach er zu sich selbst, als er wieder ins Bett stieg. Es dauerte nur wenige Minuten, bis gleichmäßiger Atem verkündete, dass Jack Claim, der Erbe der Macht, wieder tief und fest eingeschlafe n war.
***
Desteros Zombies schleppten den schreienden Miguel aus -17-
dem Saal. Während er gedankenversunken den Schreien des Sterbenden lauschte, blätterte der Herrscher der Untoten unkonzentriert in dem Beschwörungsbuch. Sein Interesse wurde nur hin und wieder geweckt, wenn er ein Siegel wiedererkannte oder den Namen eines bekannten Dämons las. "Diese armseligen Würmer", murmelte er vor sich hin. "Immer suchen sie die Hilfe bei anderen. Stets wollen sie den Weg des geringsten Widerstands gehen. Sie bilden Gruppen, Sekten und sind doch nicht fähig, dort um Unterstützung zu bitten. Aber was soll man von diesen verwirrten, verirrten Narren auch anderes erwarten. An nichtexistente Götter zu glauben, sie anzubeten, ohne jemals eine Gegenleistung zu bekommen. Nach dem Tod auf eine Belohnung zu hoffen. Es ist mir unverständlich, wie eine solch närrische Religion sich so lange hat halten können. Eigentlich verständlich, dass sie, wenn sie schon von ihrem obersten Götzen keine Unterstützung erfahren, auch nicht damit rechnen von der eigenen Brut Hilfe zu bekommen!" Destero lachte bitter auf. "Familien? Pah, zufällige Konstellationen von Individuen, die schon nach ein paar Jahren nichts mehr gemein haben. Sie ahnen nicht, wie sehr sie durch ihre Eigensucht, ihre Unfähigkeit sich gegenseitig zu helfen, uns, der Hölle, in die Finger spielen. Solange ein Fürst der Finsternis regiert und seine Macht durch die gefallenen Seelen gestärkt und gestützt wird, solange kann auch ich, können sich die Herrscher der verschiedenen Dimensionen, gütlich tun an dem Opfervieh, das sich selbst Mensch nennt!" Nachdenklich drehte er das Buch in den Händen. Eine Idee schlich sich in seine Gedanken und nahm immer festere Formen an. Destero schleuderte den Beschwörungsband zur Seite und erhob sich. Das Buch schlidderte ein paar Meter über den rauen Boden, -18-
bevor es verharrte, um einem ungewissen Schicksal entgegen zu sehen. "Familie!" Destero begab sich zu einem selten genutzten Ausgang seines Thronsaals. "Das ist es. Warum sollte nicht auch ich, der Herrscher der Untoten, um Hilfe bitten können? Es bleibt ja in der Familie!" Bösartiges Lachen entrang sich der Kehle des Vampirs und nur undeutlich war noch zu verstehen was er sagte, als er den Saal verließ: "Grantoc, mein Bruder! Du wirst mir dabei helfen, der wahre und größte Herrscher der Untoten zu werden!"
***
Jane hatte das Gefühl, dass in ihrem Körper ein Kampf stattfand, den sie auf keinen Fall überleben konnte. Die Bilder, die sie überfielen, waren gleichzeitig real und dann wieder doch nicht. Sie konnte sich ihnen nicht entziehen. So wie die Bilder sie quälten, so schützten sie Jane gleichzeitig. Gewaltige magische Energien, die ihren Körper zu überladen drohten, wurden in diese Geschehnisse gezwängt, vermischten weiß mit schwarz. Das Brennen in ihrem Inneren verlagerte sich in diese Skizzen ihres Lebens. Wirklich ihres Lebens? Irgendwo hinter diesen Alpträumen sammelte sich Wissen in ihr. Die Kenntnis um das, was in ihr vorging und wie sie es hätte verhindern können, wurde ihr übermittelt, während diese Einsicht sie gleichzeitig zerstörte. Jane glaubte das Blut in ihrem Körper kochen zu spüren, während ihr Herz die brodelnde und doch zäher werdende Flüssigkeit durch ihre Adern und Venen pumpte. Die Mächte der Finsternis hatten von ihr Besitz ergriffen und waren dabei ihren Körper zu überladen, zum Kollaps zu bringen. So sterbe ich ein zweites Mal und diesmal ist kein Hexer in -19-
der Nähe, der mich retten kann. Als hätte der Gedanke an Julian Summers etwas in ihr geweckt, hörte sie auf einmal die sympathische Stimme wieder, die sie schon zu Beginn dieses Magieausbruchs gehört hatte. Sie sprach Formeln - Worte die Jane gleichzeitig verstand und doch nicht verstand. Doch die Worte verbanden sich mit der schwarzen Macht in ihrem Körper. Die weißmagischen Kräfte verbanden sich mit der Magie der Finsternis. Die an sich gegensätzlichen Kräfte gingen ineinander auf. Jane merkte, wie die Schmerzen in ihrem Leib einem wohligen Empfinden wichen. Ihre Empfindungen wuchsen ins Unermessliche. Sie spürte das Gewö lbe, das gesamte Gebäude um sich herum. Die schlafende Natur um das Haus, die Stadt, die alles verhüllende Dunkelheit der Nacht. Jane sah die Sterne, wurde eins mit der Erde, der See. Sie stieg auf durch die Luft, dem Himmel entgegen. Die Sterne, Tausende von Sonnen, erwarteten sie; die Glut ihres uralten Wissens nahm Jane Cardigan auf und verbrannte die Erbin des Lichts! Sie lebte ihren Tod...
***
Der Fürst der Finsternis war vor der Wand auf die Knie gefallen. Er konnte nicht glauben, dass sein Plan gescheitert war. Nicht Jack Claim war in die Falle gegangen. Eine Frau, irgendeine unwichtige Erbin der Macht war seiner Falle zum Opfer gefallen, die rechtmäßig Jack Claim zugedacht war. Mit einem Mal stand die dunkle Gestalt des Fürsten wieder auf den Beinen. Schwarze Blitze zuckten aus der Dunkelheit der Kapuze, fuhren in die Wand und verformten die dort -20-
dargestellten Szenen. Das Stöhnen und Jammern in dem großen Saal verstärkte sich. Die Lautstärke hätte einen Normalsterblichen längst zum Wahnsinn getrieben. Der Fürst der Finsternis dagegen schien sich daran zu laben. Die düstere Aura um ihn herum verstärkte sich und plötzlich war er aus der Seelenburg verschwunden.
***
Jack erwachte zerschlagen und unausgeruht. Nachdem er sich einigermaßen frisch gemacht und angezogen hatte, führte ihn sein erster Weg in die Bibliothek. Der Traum der letzten Nacht ging ihm nicht aus dem Kopf. Die zweite Hälfte der Nacht hatte Jack Claim nur unwesentlich besser geschlafen. Die Träume waren nicht mehr so intensiv gewesen, schienen sich wie hinter schmutzigem Glas abzuspielen. So war er zwar nicht mehr erwacht, hatte aber auch an diesem Morgen noch die grässlichen Bilder vor Augen. Er kam an der großen Küche vorbei, aus der ihm Donna ein fröhliches "Guten Morgen Jack!" zu rief. Jack murmelte nur "Morgen!" in ihre Richtung, bevor er sich zur Bibliothek begab. Donna Richmond nahm eine saubere Tasse, füllte sie mit Kaffee und folgte Jack. "Was ist denn mit dem los. Er ist doch sonst nicht so ein Morgenmuffel? Hey Jack, schlecht geträumt? Zur Bibliothek geht es aber in die andere Richtung! Du solltest mal in die Zeitung schauen! Heute Nacht scheint es Katastrophen ohne Ende gegeben zu haben. Im Radio kommt ein Sonderbericht nach..." Jack Claim stand in der offenen Flügeltür zum Salon und hatte auf Donnas Annäherung nicht reagiert. Sie schob ihn in -21-
den großen Raum und... "Was ist denn hier los? Die Katastrophen, die heute Nacht die Erde heimsuchten, haben wohl auch in dein Haus Einzug gehalten!" Auf dem Tisch in der Mitte des Raumes häuften sich Bücher und in einer Ecke des Raumes lagen alte und kostbare Werke neben einem kleinen Regal. Bevor Donna einen weiteren Kommentar abgeben konnte, sprach Jack. "Siehst du das?" Donna sah ihn fragend an und blickte dann in die Richtung, in die sein ausgestreckter Arm deutete. "Hey, eine Geheimtür! Ist ja irre. Wusstest du davon etwa nichts? Hier halt mal deinen Kaffee, trink einen Schluck damit du endlich wach wirst! Du stehst ja da wie ein Ölgötze! Meiner Meinung nach gibt es wirklich genug von den Dingern hier, da musst du dich nicht unbedingt auch noch dazu gesellen." Donna plapperte munter drauf los, drückte Jack die Tasse in die Hand und bahnte sich einen Weg durch das Bücherchaos in Richtung Geheimtür. "Aber du kannst doch nicht..." Jack wollte nach ihr greifen und sie aufhalten, als er merkte, dass er nun eine Kaffeetasse in der Hand hielt. Der aromatische Duft stieg ihm in die Nase und weckte langsam seine Lebensgeister. Er zuckte mit den Schultern, nahm einen Schluck des schwarzen Gebräus und folgte Donna zu der Tür. Einige Momente später standen beide vor dem Durchgang, hinter dem eine schmale Treppe in die Dunkelheit führte. "Wer die wohl geöffnet hat?" Donna sah Jack fragend an. "Woher soll ich das wissen? Du bist doch heute die Abenteue rlustige. Also auf, lass uns nachsehen welch grausamen Überraschungen dort unten auf uns warten!" Das Grinsen in Jacks Gesicht strafte seine Worte Lügen. Er war sich -22-
sehr sicher, dass es in diesem Haus keine Gefahr für sie geben könnte. Er wandte sich um und ging zu einem alten Sekretär, der vor dem Fenster stand. "Irgendwo war hier doch mal eine Taschenlampe." "Wozu brauchst du denn eine Taschenlampe, Jack?" Den ironischen Unterton in Donnas Frage hörte Jack nicht. Er hatte seine Tasse auf einem Stapel Papier abgestellt und war damit beschäftigt, die verschiedenen Schubfächer nach einer Lampe zu durchsuchen. "Na, willst du vielleicht im Dunkeln diese Treppe runterstolpern?" "Nö, aber der Lichtschalter hier funktioniert noch ganz gut." Jack fuhr von seiner Suche hoch und sah zu Donna. Diese stand lächelnd vor dem hell erleuchteten Treppenabgang und deutete auf einen Schalter, der direkt hinter dem Eingang angebracht war. Jack seufzte, nahm noch einen Schluck Kaffee und ging dann vor Donna die enge, spiralförmige Treppe hinab. Als er plötzlich stehen blieb, wäre Donna beinahe auf Jack geprallt. Sie war dicht hinter ihm und konnte sich gerade noch an seinen Schultern abstützen. "Was ist?" Sie spürte wie Jacks Schultern herabsanken, seine Muskeln schienen seinen Körper nicht mehr tragen zu können und doch riss er sich urplötzlich hoch und mit einem lauten "Nein!" stürzte er in den kleinen Raum. Donna musste erst ihr Gleichgewicht wieder finden, das durch Jacks überhasteten Aufbruch verlorengegangen war. Dann sah sie, was Jack zu seinem Aufschrei veranlasst hatte: Jane Cardigan lag reglos am Boden des Raumes, umgeben von Büchern und alten Folianten, die ähnlich wie im Salon, auf dem Boden verteilt und um die reglose Frau verstreut herum lagen. Donna stürzte zu Jack, der neben Jane Cardigan, der Erbin der Macht, auf die Knie gefallen war und hilflos die Arme in den -23-
Himmel hob. "Warum? Warum? Warum?" Jacks Stimme verklang in einem lauten Schluchzen...
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Der Herrscher der Untoten stand gebeugt über dem Altarstein, der mit Büchern und Pergamenten übersät war. Destero fluchte in einer alten Sprache vor sich hin, während er einen der kostbaren Bände nach dem anderen zu Boden schleuderte. "Warum ist mit dem Titel nicht auch die Magie auf mich übergegangen?" Mit viel Wohlwollen, das allerdings kaum einer dem Vampir entgegengebracht hätte, konnte man so etwas wie Verzweiflung aus den Worten heraus hören. Ein weiteres Buch flog durch die Luft. Das darunter liegende Pergament folgte dem Luftzug und hing für kurze Zeit vor Desteros Fratze, bevor es zu Boden sank. "Was war das?" Destero bückte sich nach dem alten Papier und betrachtete die astrologischen Symbole. "Diese Konstellation! Woran erinnert mich das? Ja, genau, sie kehrt alle paar hundert Jahre wieder. War es nicht auch beim letzten Mal... Das Eiserne Tor! Ja! Erzählte Grantoc nicht von dem Vojvoden Stevan Lazarevic? Irgendwann in dieser Zeit muss es gewesen sein, dass er... " In ungewohnter Hast blätterte Destero in verschiedenen anderen Büchern. Jetzt schien seine Suche aber zielgerichtet zu sein. Die meisten Folianten landeten sofort auf dem Boden, andere wurden unter zerfledderten Überresten dort bereits liegender Bücher wieder hervorgezerrt. Als er Stunden später einige seiner Zombies zu sich rief, befanden sich auf dem Altar nur noch wenige Werke. -24-
Auf eines davon, einen uralten Atlas, deutete Destero und befahl seinen Untoten, "Dort sollt ihr hingehen und genau hier", sein Finger bohrte sich in eine Stelle der aufgeschlagenen Karte, "werdet ihr die Vorbereitungen zur Erweckung meines Bruders treffen! Ihr habt einige Tage Zeit, um die erforderliche Anzahl an Opfern herbei zu schaffen. Versucht, euch in der ersten Zeit unauffällig zu verhalten. Da draußen laufen mir zu viele Gläubige rum. Nicht, dass mir wieder irgendwelche Dämonenjäger oder ähnliches Gewürm in die Quere kommt." Destero erklärte den wandelnden Toten was und wie sie es zu besorgen hatten. Als er sie durch ein Tor in die richtige Gegend geschickt hatte, begab er sich zu den Katakomben, in denen seine Brüder nach dem Zusammenbruch ihres ursprünglichen Ruheraums Siehe FM 4: "Gefangen im Totenreich" auf ihre Erweckung harrten. Vor einem der Särge blieb Destero stehen. "Ah Grantoc, wie schön wird es sein, wieder einen Gleichgestellten, einen Bruder, sprechen zu können. Gemeinsam werden wir über diese Dimension herrschen und uns am Blut der Unschuldigen laben. Tod und Verzweiflung wird über die Erde kommen. Und mit deiner Gabe," er wandte sich den anderen Särgen zu, "werden wir euch alle wieder zu uns holen. Gemeinsam, Brüder, gemeinsam werden wir im Sinne unseres unheiligen Vaters, Vlad Dracul, herrschen und vernichten!" Das düstere Lachen Desteros hallte in den unterirdischen Kammern nach und schien kein Ende nehmen zu wollen.
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"Hmm, diese Pfannkuchen sind einfach lecker! Reichst du mir bitte das Ahornsirup?" -25-
Frank MacLachlan häufte sich noch eine Portion der dampfenden Leckerei auf seinen Teller und griff nach der Flasche, die Donna ihm reichte. "Man könnte meinen, du hast die ganze Nacht schwer geschuftet." Donna lächelte als sie sah, wie Frank Gabel um Gabel das Frühstück in seinem Mund verschwinden ließ. Sie dachte an die Polizistin die von Malcovic getötet worden war.Siehe FM 22: "Strasse der Angst" Frank hatte ihr Tod schwer getroffen, doch in den letzten Tagen hatte sein melancholisches Verhalten merklich nachgelassen. Er ging wieder unter die Leute und kümmerte sich um die täglich anfallenden Arbeiten ihrer kleinen Detektei. "Wohin ist Jack eigentlich verschwunden?" Donna konnte kaum verstehen, was Frank mit vollem Mund von sich gab. "Er war so geschafft, nachdem er Jane in ihr Zimmer getragen hatte, dass er sich wieder frisch machen musste. Er wird schon gleich kommen. Es hat ihn wirklich schwer mitgenommen, den Ärmsten." Frank spülte mit einem Schluck Kaffee den letzten Bissen hinunter. "Ja, ich bin froh dass ich sie nicht gefunden habe. Warum muss es auch immer Jane treffen. Ich glaube, dass Jack hauptsächlich deshalb so davon getroffen wird, weil auch sie ein Erbe der Macht ist. Das verbindet wahrscheinlich..." Die nächsten Worte wurden von einer weiteren Portion Pfannkuchen erstickt. "Du hast wahrscheinlich Recht." Donna stocherte zerfahren auf ihrem Teller herum und zerpflückte den dort liegenden Pfannkuchen in kleine Stücke. "Ich bringe gar keinen Bissen herunter. Das Ganze hat mich wohl auch ein wenig mitgenommen." Von der großen Treppe hörten die Beiden Stimmen näher kommen. -26-
"Ah, da sind sie ja!" Jacks Gesicht hatte wieder etwas an Farbe gewonnen, aber man sah ihm an, dass er immer noch nicht ganz fit war. "Oh mein Gott, hoffentlich muss ich das nie wieder erleben! Zweimal!" Jack Claim ließ sich auf einen Stuhl fallen und griff nach seiner Kaffeetasse. "Du hast gut reden! Was meinst du, wie ich mich fühle?" Jane Cardigan griff nach der Kanne und go ss erst Jack das heiße Getränk in die Tasse, bevor sie sich selbst bediente. "Es ist wirklich kein angenehmes Gefühl, immer wieder seinen Tod zu erleben!" "Beinahe-Tod, Jane!" Frank schob seinen Teller zurück und lächelte, als er sich an Jane wandte. "Bist du schon wieder fit genug, um uns zu erklären, was da heute Nacht vorgefallen ist?" Jane nahm einen Schluck Kaffee und lehnte sich zurück. "Ach ja, so schlimm ist es nicht. Nicht mehr, sollte ich sagen! Als Jack mich auf mein Bett gelegt hat, bin ich aufgewacht und ich fühle mich eigentlich recht ausgeruht." Sie nickte in Richtung Jack. "Wir haben uns eben schon darüber unterhalten. Jack kannte diesen Geheimraum ja auch nicht, es scheint sich um das ‘Arbeitszimmer‘ seines Vaters gehandelt zu haben. Wir glauben, dass das, was mir geschah eigentlich für Jack bestimmt war. Eine Stimme, die ich hörte, sprach immerzu von ‚Mein Sohn', ‚Erbe' und ‚Geschenk'. Es war wohl so etwas wie ein magisches Testament. Zum Glück, muss ich wohl sagen, habe ich dieses Geschenk empfangen. Die Magie, die diesen Raum erfüllte, war verseucht von den schwarzen Kräften McDonalds. Auch seine Stimme hörte ich und er drohte mir, oder besser gesagt Jack, mit dem Tod. Rache für etwas, das in der Vergangenheit geschehen wird oder geschehen ist. Ach, es war alles sehr verwirrend." Donna blickte mitfühlend zu Jane. "Aber wie konntest du das alles verkraften? Das muss ja schrecklich gewesen sein!" Jane nickte. "Das kannst du aber laut sagen! Wir..." -27-
"Das muss ja schrecklich gewesen sein!", brüllte Donna durch den Raum. Die drei anderen Dämonenjäger starrten sie verblüfft an. "Na ja," sagte Donna in normaler Lautstärke, "Jane meinte doch, dass ich es laut sagen sollte!" Jack musste sich beherrschen, um den Kaffee, den er im Mund hatte, nicht über den Tisch zu spucken, so sehr schüttelte es ihn vor Lachen. Auch die anderen Beiden mussten sich beherrschen, um das Chaos, das auf dem Frühstückstisch herrschte, nicht noch zu vergrößern. Frank war die Gabel auf den Teller zurückgefallen und er konnte gerade noch den Sturz der Sirupflasche verhindern, die er mit dem Handrücken gestreift hatte. Jane konnte ihre Kaffeetasse im letzten Moment vor dem Umkippen bewahren. Als alle sich wieder etwas beruhigt hatten, blickte Jane zu Donna. "Danke Donna, das war notwendig!" Sie lächelte ihre Sekretärin und Freundin an. "Wahrscheinlich war es wieder einmal Julian Summers, der mich gerettet hat." Die anderen sahen Jane erstaunt an. "Julian war hier?", fragten Frank und Jack fast im Chor. "Nein, Julian war nicht hier in diesem Haus. Aber es war seine Magie, denke ich, die mich gerettet hat." Bevor die anderen nachfragen konnten, fuhr Jane fort, "Es war doch Julian, der mich mit seiner Magie wieder ins Leben zurück gebracht hat, als ich damals in Paris gestorben bin. Und wie wir alle mittlerweile gemerkt haben dürften, ist Julians Magie weder ganz weiß noch ganz der dunklen Seite zugekehrt." Sie wehrte die Einsprüche der anderen ab und erklärte, dass Julian zwar sowohl auf der guten als auch der bösen Seite stünde und dann jeweils die entsprechende Magie anwandte. Es müssten dann aber auch beide Potentiale in seiner Magie stecken. Und diese hatte er auf Jane angewandt, um sie wieder ins Reich der Lebenden zurück zu holen. Ein Großteil des ‘Geschenks‘ von Jacks Vater konnte sie -28-
aufnehmen und ihr Wissen über Magie, insbesondere deren praktische Anwendung, blieb trotz des Angriffs des Fürsten der Finsternis erhalten. Sie wusste einfach, dass dem so war und im Laufe des Tages konnte sie auch die anderen davon überzeugen: Kraft ihrer Gedanken war es ihr möglich, einen kleinen Feuerball zu bilden, den sie durch den Raum in den Kamin steuerte, wo er das Holz in Brand setzte. Bald erfüllte wohlige Wärme das Zimmer und das flackernde Feuer beleuchtete die vier Gefährten. Jane Cardigan war erschöpft aber zufrieden in ihrem Sessel zusammengesunken.
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Jovan Nenad beobachtete, wie unheimliche Gestalten im Schutze der Dunkelheit durch das kleine Dorf schlichen. Obwohl er nur ihre Umrisse erkennen konnte, strahlten sie eine Aura von Gefahr und Bosheit aus. Er trat schnell vom Fenster zurück, als die kleine Gruppe auf dem Marktplatz vor seinem Häuschen Halt machte. Nach kurzer Zeit wagte er erneut einen Blick nach draußen, konnte aber auf dem vom fast vollen Mond beschienenen Platz niemanden mehr sehen. Jovan hatte ein ungutes Gefühl als er sich wieder zu Bett begab. Er redete sich ein, dass es sich nur um Teilnehmer der großen Regatta gehandelt haben mochte. Die Fremden aus aller Welt, die jährlich hier, in Dedina und den anderen an der Donau gelegenen Weilern einfielen, machten häufig einen unheimlichen, einen wirklich fremden Eindruck. Ja, das wird es wohl gewesen sein! Trotzdem er sich damit zu beruhigen versuchte, gelang es ihm nicht, wieder Ruhe zu finden. Unruhig wälzte er sich von einer Seite auf die andere. -29-
Der schmächtige alte Mann erhob sich wieder von seiner Ruhestätte und ging zu seinem Schreibtisch. Er schaltete die kleine Nachttischlampe an und blätterte durch die Unterlagen, die er in letzter Zeit immer wieder zur Hand genommen hatte. Etwas würde geschehen in der nächsten Zeit. Die alten Chroniken sprachen von fürchterlichen Gräueltaten. Besonders schlimm wurde es immer, wenn eine bestimmte Sternenkonstellation am nächtlichen Firmament stand. Und diese Konstellation würde in wenige Tagen wieder bestehen. Auf einmal hörte Jovan ein lautes Krachen! War das in seinem Haus? Er lauschte. Da, er hörte kaum gedämpfte Schritte in der Diele! Wer würde es wagen mitten in der Nacht bei ihm einzubrechen? Die Menschen des kleinen Ortes wussten, dass Jovan Nenad sich mit dem Okkulten beschäftigte und keiner von ihnen würde sich trauen, ohne Einladung sein Haus zu betreten. Die wenigsten trauten sich mit Einladung hinein! Die Fremden? Jovan erhob sich von seinem Stuhl und griff nach einem längeren Scheit, der vor dem kleinen Kamin in seinem Schlafund Arbeitsraum auf einem Stapel Holz lag. Noch bevor er die Tür öffnen konnte, wurde diese aus den Angeln gestoßen und prallte mit voller Wucht gegen den alten Mann. Jovan ging sofort zu Boden. Er nahm noch einen fürchterlichen Gestank wahr, bevor ihn gnädige Ohnmacht umfing. Seinen beiden Töchtern, die zwei Räume weiter schliefen, erging es schlechter. Sie fuhren aus tiefem Schlaf hoch, als auch ihre Tür aufgebrochen wurde und finstere Schemen, umhüllt von ekelhaften Gerüchen, in ihr Schlafzimmer schritten. Trotzdem sie sich langsam und behäbig zu bewegen schienen, waren sie -30-
sofort neben den Betten der beiden jungen Frauen. Keiner Regung fähig, mussten sie die stinkenden, verfaulten Hände auf ihren Gesichtern und Körpern spüren. Die ältere der Beiden kam nicht mehr dazu, sich vor Ekel zu schütteln oder die unheimlichen Gestalten abzuwehren. Ein kurzer Druck auf ihren Hals brachte ihr einen schnellen Tod. Die Jüngere dagegen zappelte und wand sich in den Armen eines der Wesen. Doch so sehr sie sich auch schüttelte und versuchte sich zu wehren - der Griff des Unheimlichen ließ sie nicht los. Als sie verzweifelt versuchte, in die Hand zu beißen, die ihren Mund verschloss, musste sie vor Ekel würgen. Doch nicht lange und die Hand schob sich auch über ihre Nase und innerhalb kürzester Zeit bekam sie keine Luft mehr. Ohnmacht umfing auch sie. Die unheimlichen Gestalten verließen das Haus. Draußen wurden sie bereits von ihrem Herrn und Meister erwartet. "Ah, ein weiteres Opfer! Sehr gut, es sind nur noch wenige Tage. Ihr wisst, was ihr zu tun habt. Verschwindet!" Diabolisch grinsend verfolgte Destero, wie die Zombies über den Marktplatz liefen und dann zwischen den Häusern in der Dunkelheit verschwanden. Nachdenklich betrachtete er dann das Haus, aus dem seine Diener gekommen waren. "Dort drin gibt es noch Leben. Ich sollte nach dem Rechten sehen!" Destero fand den ohnmächtigen alten Mann, und als er seinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, fiel ihm sofort ins Auge, was dort auf dem Schreibtisch ausgebreitet lag. "Ein cleverer Bursche! Aber warum sollte nicht auch mir einmal das Glück des Tüchtigen hold sein." Er blickte hinab auf den regungslosen Körper. "Du weißt zuviel, mein ‘Freund‘!" Mit einem kurzen Fingerschnippen setzte er die Papiere auf dem Schreibtisch in Brand. Die unheilige Hitze breitete sich schnell -31-
in dem ganzen Raum aus und das Feuer erfasste bald das ganze Haus. Noch bevor die ersten Nachbarn merkten, was geschehen war, erlosch auf dem kleinen Marktplatz das blau leuchtende Tor in eine andere Dimension. Das Haus Jovan Nenads brannte bis auf die Grundmauern nieder, während die Menschen versuchten, wenigstens die angrenzenden Häuser vor einem Übergreifen der Flammen zu schützen.
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Wenige Tage später... "Jane hat Post aus Europa!" Donna grinste Frank fröhlich an, als dieser die Küche betrat. Frank MacLachlan, seines Zeichens Dämonenjäger, blickte sie nur mit völligem Unverständnis an und griff nach seiner Kaffeetasse. Er schob sie über den Tisch zu Donna. Erst nachdem er die gefüllte Tasse zurückbekommen, den ersten Schluck genommen hatte und das Koffein seine belebende Wirkung entfaltete, fühlte Frank sich fähig, ein Gespräch am Frühstückstisch zu führen. "Erst einmal: Guten Morgen, Donna. Zum Zweiten, was hast du dir in den Kaffee getan, dass du schon so früh guter Laune bist? Drittens, reich mir doch bitte mal den Zucker rüber und dann kannst du mir viertens sagen, warum du mir von Janes Post erzählst." Nach dieser, für diese Uhrzeit, lange n Rede, schloss Frank die Augen und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Donna lächelte immer noch, als sie die Zuckerdose neben Franks Tasse stellte. "Guten Morgen, mein Bester. Es wurde -32-
wohl gestern noch etwas später? Jack habe ich auch noch nicht gesehen. Ich habe euch ja bereits frühzeitig verlassen. Ich glaube, da wolltet ihr gerade einen Dämon beschwören, der gegen die Fernsehgesellschaft vorgehen sollte..." Frank winkte ab und häufte sich Zucker in den restlichen Kaffee. Als er Donnas verwunderten Blick ob der Mengen bemerkte, meinte er nur, "Ich rühr ja nicht um, so süß mag ich ihn dann auch wieder nicht." Donna ließ sich nur kurz aus dem Konzept bringen. "Ich muss ihn ja nicht trinken. Was Janes Post angeht, ich dachte, es würde dich interessieren. Sie ist heute schon sehr früh in ihrem Hexenzimmer verschwunden und ich wollte sie nicht stören." "Das ist kein Hexenzimmer. Das ist unser... okay, Hexenzimmer." Frank goss sich eine zweite Tasse des braunen Gesöffs ein. Er grinste jetzt ebenfalls. "Gegen die Fernsehgesellschaft? Das war doch gar keine so schlechte Idee. Ob wir es wohl geschafft haben?" "Das kann ich mir nicht vorstellen. Ihr habt es ja auch nicht fertiggebracht, den Schiedsrichter des Baseballspiels dahingehend zu beeinflussen, dass er eure Mannschaft gewinnen lässt." "Hör auf, ich glaube nicht, dass ich das noch wissen will! Woher genau kommt denn Janes Brief?" "Hier, der Brief kommt eigentlich aus New York, von einer Zeitungsagentur. Aber er wurde dort nur weitergeleitet. Tatsächlich kommt er aus..." Donna drehte den Brief in ihren Händen. "Ah hier, aus Bukarest!" Triumphierend hob sie den Brief hoch. "Bukarest? Hmm, Rumänien, Transsilvanien. Hoffentlich bedeutet das nicht wieder Arbeit für uns. Na, vielleicht etwas von ihren alten Reporterkollegen." -33-
Frank nahm Donna den Brief aus der Hand und winkte ihr damit zu. "Ich bring ihn gleich mal Jane. Die letzten Tage hat sie sich wirklich oft genug in ihrem... Hexenzimmer," er grinste Donna an, "aufgehalten. Wird Zeit, dass sie sich mal wieder unter die Leute mischt. Vielleicht ist der Brief genau das Richtige dafür!" Schon am nächsten Tag saßen Frank MacLachlan, Jane Cardigan und Jack Claim in einem Flugzeug nach New York, von wo aus sie den mehr als zehnstündigen Flug nach Rumänien antraten.
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Über die Vertretung seiner Zeitung in Bukarest hatte ein ehemaliger Kollege von Jane dieser eine Nachricht zukommen lassen. Er wusste von Janes neuer Aufgabe und hielt eigentlich nichts davon. Als Berichterstatter der jährlich stattfindenden Regatta am Donaudurchbruch zwischen Rumänien und Ex-Jugoslawien hatte er aber miterleben müssen, wie unheimliche Gestalten des Nachts durch ein, auf einmal aus der Luft entstandenes, blaues Tor mitten im Yachthafen auftauchten. Sie richteten ein Massaker unter den Anwesenden an und konnten auch durch Kugeln nicht gestoppt werden. Nachdem mindestens zehn Teilnehmer der Regatta den Tod gefunden hatten, verschwanden die Unheimlichen mit drei jungen, schreienden Frauen, wie sie gekommen waren. Obwohl die Veranstalter und auch viele der Überlebenden eine natürliche Erklärung suchten und die Geschehnisse irgendwelchen versprengten Gruppierungen aus dem benachbarten ehemaligen Kriegsgebiet zuschreiben wollten, war sich der Kollege sicher, dass es sich dabei um keine normale -34-
Entführung handelte. Die vermeintlichen ‚Entführer' hatten weder Schusswaffen benutzt noch sonst eine menschliche Regung gezeigt. Sie hatten ausgesehen, als ob sie eben erst aus ihren Jahrhunderte alten Gräbern auferstanden wären und auch einen entsprechenden Gestank um sich herum verbreitet. Jane Cardigan war von der Glaubwürdigkeit ihres ExKollegen überzeugt. Ihre intensive Beschäftigung mit der Hexerei hatte ihr in den letzten Tagen zusätzlich unheimliche Geschehnisse offenbart. In jedem Tarot-Deck, dass sie in den letzten Tagen anfasste, waren Symbole verschwunden oder zusätzliche erschienen. So fehlten auf sämtlichen Karten der Schwertergruppe auf einmal die Schwerter. Die Figuren der großen Arkana waren vor eisernen Toren platziert; vorher waren solche nie auf den Karten zu sehen. Als Donna dann noch, mit Hilfe eines Computerprogramms, eine in Kürze stattfindende seltene Sternenkonstellation in der Gegend, von der Janes Reporterfreund berichtete, feststellte, stand für die Dämonenjäger fest, dass sie dort eingreifen mussten.
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Zerschlagen und müde erreichten die drei Dämonenjäger das Eiserne Tor, das Durchbruchstal der Donau durch die Südkarpaten. Die mehr als 500 km von Bukarest hatten sie mit einem Jeep zurückgelegt. Sie hatten sich mit dem Fahren abgewechselt und das Letzte aus dem Fahrzeug herausgeholt. In Bukarest hatten sie noch eine Nachricht von Janes Kollegen erhalten, in der er nochmals schilderte, was geschehen war und welchen Reim er sich darauf machte. Er hatte noch Erkundigungen eingeho lt, bevor er mit der Regatta, die weiterlief, als wäre nichts geschehen, weiter gezogen war. Alles deutete auf eine alte Ruine, eine ehemalige Festung namens -35-
Golubac hin. Sie war schon immer Anlass wilder Spekulationen gewesen und wurde in letzter Zeit von den Einheimischen gemieden. Unheimliche Geräusche und Schreie sollten dort auf einmal zu hören sein. Nachdem die geographischen Gegebenheiten mit den Daten übereinstimmten, die auch Donna aus ihrem Computer gewonnen hatte, waren die Drei direkt zu dem Donaudurchbruch gefahren. Es blieb nicht mehr viel Zeit, denn schon heute Nacht sollte die Konstellation am Firmament zu sehen sein, die irgendetwas Unheimliches mit sich bringen sollte. Erst als sie näher kamen, sahen sie Teile der alten Feste im Licht der untergehenden Sonne. Hinter einem langgestreckten Hügel ragten drei Türme fast unversehrt empor. "Ich spüre etwas Dunkles und Mächtiges! Selbst auf diese Entfernung ist die Vergewaltigung der Natur fast schon zu greifen." Jane saß auf dem Rücksitz und seit sie die ersten Blicke auf die ehemalige Festung erhaschen konnten klebte sie förmlich am Fenster und starrte auf ihr Ziel. "Lasst uns direkt zur Festung fahren! Im Dorf können wir sowieso nicht viel mehr erfahren, als uns Robert schon mitgeteilt hat. Außerdem drängt die Zeit. Wir haben vielleicht noch eine, maximal zwei Stunden Tageslicht!" "Jane hat Recht!" Jack drehte sich auf seinem Beifahrersitz nach hinten. "Vielleicht können wir ja jetzt noch etwas ausrichten, bevor das Ganze losgeht." Frank versuchte, meist erfolglos, mit dem Jeep den Schlaglöchern auf dem holprigen Weg auszuweichen. "Es spielt sowieso keine Rolle mehr. Wir sind hier und müssen sehen, was wir tun können. Also lasst uns gleich beginnen." Nach fast zehn Minuten holpriger Fahrt hatten sie endlich den Hügelkamm überquert und standen am Donauufer vor den Überresten der einstigen Festung. -36-
Aus den Unterlagen, die Janes Reporterfreund Robert ihnen hinterlassen hatte, wussten sie, dass die Festung Golubac einst acht am Uferhang durch Mauern verbundene Wehrtürme besessen hatte. Die meisten waren noch gut erhalten, nur einer, näher am Ufer als die anderen, war nur noch eine Ruine. "So nah am Wasser diente er wohl früher dem Schutz des Hafens!", stellte Jack fest, während er sich dehnte und streckte. Wie seine beiden Begleiter versuchte er die Müdigkeit und die Strapazen der fast 24stündigen Reise durch Gymnastik und Dehnübungen zu beseitigen. Es gelang allen Dreien nicht ganz. Trotzdem machten Frank und Jack sich daran, auf den Hügel zu klettern, um die Türme abzusuchen. Die Eingänge zu den einzelnen Türmen waren zum Teil verfallen. Dort, wo noch ein offener und begehbarer Durchgang vorhanden war, zeugten zusammengebrochene Balken und Schuttberge im Inneren von der Gefahr, die beim Betreten zu erwarten waren. Jane war beim Jeep geblieben und beobachtete, wie die beiden Männer zwischen den Wehrtürmen herum kletterten. Sie sammelte sich, versuchte sich zu konzentrieren, um trotz der unheimlichen und dunklen Ausstrahlung, die schon am späten Nachmittag hier vorherrschte, die Quelle dieser Macht auszumachen. "Es muss dieser sein!", rief Jane ihren Freunden zu und deutete auf den äußersten der oberen drei Türme. Frank und Jack sahen sich kurz um und kletterten dann wieder zu Jane herunter. "Wir werden von Außen herum gehen müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in dem zugewucherten Gebüsch ein Zugang sein sollte. Falls doch, wird er genauso aussehen wie die anderen, die Frank und ich gesehen haben." Jack nahm einen Schluck aus der Wasserflasche, die Jane ihm reichte. "Also kommt! Lasst uns wandern gehen." Jane lachte, als die -37-
beiden Männer aufstöhnten, ihr dann aber doch folgten, nachdem Frank sich zuvor einen kleinen Rucksack umgehängt hatte. Am äußersten Wehrturm vorbei kletterten sie an der Mauer entlang den Hügel hoch. Das lockere Gestein bildete eine nicht unbeträchtliche Gefahrenquelle. Frank, der das Schlusslicht der kleinen Gruppe bildete, fluchte immer wieder, wenn er Steinen ausweichen musste, die Jane oder Jack lostraten. Endlich waren sie auf dem Hügelkamm und konnten ohne größere Probleme zu dem äußersten Turm marschieren. Kaum angekommen wussten sie, dass sie den richtigen Weg genommen hatten. Aus dem schmalen Eingang kamen ihnen Zombies entgegen und stürzten sich auf die Drei. Die Sonne versank langsam und unerbittlich hinter dem Horizont.
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Tief im Inneren der Festung öffnete sich ein Dimensionstor. Durch das blaue Leuchten traten vier Zombies, die einen Sarg auf ihren Schultern trugen. Ihnen folgte Destero, der Herrscher der Untoten. Er bedeutete den Trägern, wo sie den Sarg abzustellen hatten. Er hob lauschend den Kopf. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Fratze. "Dort oben wird gekämpft! Ich spüre, dass sich dort Magie bereit macht, zuzuschlagen. Ich kenne diese Magie! Kann es sein, dass mir diese Dämonenjäger schon wieder in die Quere kommen? Es ist noch zu früh, die Vorbereitungen benötigen noch Zeit. Ihr da!" Er deutete auf eine Gruppe Zombies, die sich um die gefangenen Frauen gestellt hatte. "Die Hälfte von euch -38-
geht nach oben und vernichtet diese Narren. Sie haben mich zum letzten Mal gestört! Und ihr anderen zerstört sämtliche Zugänge zu diesem Ort. Kein Mensch, keine Ratte darf hier heute Nacht eindringen! Geht!" Seine Augen glühten, als er sich den ängstlich am Boden kauernden Frauen zuwandte. "Oh, ihr müsst keine Angst haben. Ihr werdet alle zu Ehren des Herrschers der Untoten sterben. Das sollte euch eine große Ehre sein! Ihr seid auserwählt! Doch nun..." Destero hob seine Arme. Nur noch ein Murmeln war zu hören und gleichzeitig erhob sich eine Frau nach der anderen. Völlig ruhig standen die Opfer des Vampirs auf und bildeten einen Halbkreis um den noch geschlossenen Sarg. Destero blickte zufrieden auf sein Werk. Er konzentrierte sich kurz auf die Geschehnisse an der Oberfläche. Er lachte hämisch. Sollten sie sich mit den Zombies herumärgern. Wenn Grantoc erst erwacht war, würden sie beide Heerscharen dieser Untoten erschaffen und den Unwürdigen zeigen, wozu Vampire fähig waren! Befriedigt erkannte er zudem, dass die anderen Zombies Tunnels und Zugänge zu diesem Raum einstürzen ließen. Eine Störung so kurz vor dem Ziel konnte und wollte der Vampir nicht akzeptieren und es würde auch keine geben.
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Die Zombies behinderten sich gegenseitig, als sie alle gleichzeitig versuchten durch den schmalen Ausgang auf die Dämonenjäger zu stürzen. Den Dreien blieb genügend Zeit, ihre Waffen zu ziehen und fast ohne Anstrengung konnten sie den Ansturm der Untoten beenden. -39-
"Das soll alles gewesen sein?" Jack lud seine Pistole nach und betrachtete kopfschüttelnd die kläglichen Überreste der Angreifer. Jane schüttelte ihrerseits den Kopf. "Nein, dort drinnen braut sich etwas zusammen." Keinem war aufgefallen, dass es Nacht geworden war. Der Vollmond am wolkenlosen Himmel beleuchtete mittlerweile die Ruine und wären nicht die Zombies gewesen, es hätte ein schöner romantischer Abend sein können. "Wir müssen da runter! Es wird höchste Zeit." Jane stürmte in den dunklen Eingang und blieb abrupt stehen. Frank und Jack waren ihr langsamer gefolgt. "Was ist denn, Jane?" Nur schwach drang das Mondlicht durch den offenen Eingang und beleuchtete die ersten Meter des Raumes. "Verdammt, wir haben keine Lampen mitgenommen!" Jane stieß noch einige ziemlich undamenhafte Flüche aus. "Na na, so benimmt sich doch keine Dame." Jane konnte Franks Grinsen nicht sehen, als dieser seinen Rucksack abnahm und drei kleine, aber leuchtstarke Taschenlampen herausnahm. "Ich habe sogar neue Batterien besorgt!" Er drückte den Beiden jeweils eine Lampe in die Hände. Als sie nun den Raum genauer in Augenschein nehmen konnten, bemerkten sie außer einer Öffnung, die tiefer ins Innere zu führen schien, nichts. Das änderte sich, als plötzlich ein halbes Dutzend Zombies aus dieser Öffnung tappte und auf die Dämonenjäger losging. Jack hatte seine Pistole schon wieder aus dem Holster gerissen. Auch Frank und Jane standen, die Waffen im Anschlag, bereit. Im hellen Strahl ihrer Lampen waren die Ziele deutlich auszumachen und so dauerte es nur wenige Sekunden, bis auch diese Untoten endgültig zur Hölle gefahren waren. -40-
Ungleich länger dauerte es, bis das Klingeln in den Ohren der drei Freunde nachgelassen hatte. Vorsichtig begaben sie sich nun zu der Tür. Im Licht ihrer Lampen sahen sie eine ausgetretene Treppe in die Tiefe führen. Der Gang war schmal und niedrig. Gebückt begaben sie sich in die untere Ebene der ehemaligen Festung. Schon nach zwanzig Metern endete die Treppe und sie kamen in einen großen Raum. "Wird wohl so etwas wie ein Aufenthaltsraum für die Wachen gewesen sein", mutmaßte Frank, während er den Lichtstrahl seiner Taschenlampe über die Wände schweifen ließ. Jane leuchtete nach links zu einem weiteren Durchgang. "Dort müssen wir entlang." Sprach es und marschierte los. Diesmal waren es weder Zombies noch Dunkelheit, die sie zum Halten brachten. Der Durchgang war völlig eingestürzt. Ein Durchkommen schien nicht möglich. Frank und Jack wagten ein paar Schritte in den Gang, mussten aber, nachdem sie ein paar Steine gelockert hatten, erkennen, dass ein Freischaufeln des Weges unmöglich war. "Vielleicht können wir auch auf einem anderen Weg zum Ziel kommen. Wo immer dieses sein mag." Die letzten Worte murmelte Jack nur noch vor sich hin. Doch bald mussten die Drei feststellen, dass alle Gänge, die nach unten führten, verschüttet waren. "Und jetzt?" Frank sah fragend in die kleine Runde. Jack zuckte mit den Schultern. Jane überlegte kurz bevor sie sich auf den Boden kniete und die Hände auf den Steinboden legte. "Was machst du denn da?" Frank und Jack sahen verwundert, wie Jane mit den Händen auf dem Boden entlang fuhr. Sie reagierte nicht auf die Worte, die die beiden an sie richteten. Nach und nach kristallisierte sich ein Muster heraus, das Jane in den Staub malte. Die ungewöhnliche Form schien sich zu -41-
verselbständigen. Die beiden Männer konnten das Symbol, oder was immer es war, was Jane dort zeichnete, nicht mit den Augen fassen. Es schien sich vor ihrem Blick zu verbergen, verschwamm immer wieder. Auf einmal richtete Jane sich wieder auf. "Geht jetzt dort entlang! Beeilt euch, ich werde das nicht lange aufrecht erhalten können! Schnell!" Janes Stimme klang ungewohnt tief. Die Worte schienen auch nicht nur aus ihr selbst zu kommen, der gesamte Raum, ja die Festung selbst schien zu Frank MacLachlan und Jack Claim zu sprechen. "Aber..." Frank wollte auf Jane zugehen, sie fragen, was hier vor sich ging, doch wieder klang die Stimme auf. Drängender noch als zuvor forderte Jane die Männer auf, nach unten zu gehen und die frevelhafte Tat zu verhindern. Jack sah, wie sich das undeutliche Muster zu dem Gang hinbewegte, der nach Janes Aussage nach unten führen sollte. Er machte Frank, der immer noch nicht begriff, was hier vor sich ging, drauf aufmerksam. Die Dringlichkeit von Janes Worten verfehlte ihre Wirkung nicht, gemeinsam mit Jack folgte Frank dem Muster am Boden. Dies schien auf sie zu warten. Als sie auf das Muster traten, veränderte sich um die Beiden plötzlich alles. Der Staub der Jahrhunderte schien aus dem düsteren Gang verschwunden. Der Boden war glatt und sauber, als wäre er eben erst gelegt worden. Ungewöhnlich war auch das Licht. Der Gang war ohne ersichtliche Quelle erleuchtet und deutlich konnten Frank und Jack den Weg erkennen, der vor ihnen lag. Wieder setzte Frank zu einer Frage an, wollte sich zurück zu Jane wenden, da spürte er wie ihn sanfte Gewalt nach vorn schob. Wie auch das Licht direkt aus dem Mauerwerk zu strömen schien, erklang auch plötzlich Janes Stimme direkt aus dem Stein, wieder tief und kalt, aber ohne Zweifel ihre Stimme. -42-
"Beeilt euch! Rettet was gerettet werden kann und kommt so schnell wie möglich zurück zu mir." Die Männer liefen los, tiefer in die alte Festung hinein, die für sie in neuem Glanz erstrahlte. Während sie durch weitere Gänge und Treppen hinab rannten, erklärte Janes ‚andere‘ Stimme ihnen, was sie erwartete. "Destero ist hier! Er hat ein Ritual begonnen, um einen Bruder zu erwecken. Es sind nur wenige Untote bei ihm. Dort vorne ist der Eingang zu dem Raum, in dem der Vampir den Frevel begehen will. Noch ist er vertieft in das Ritual. Er merkt nicht, dass wir kommen. Ich werde die Tür für euch öffnen. Direkt dahinter stehen drei Untote. Weitere fünf stehen rechts vom Eingang. Die verbliebenen zwölf Opfer befinden sich linker Hand. Betet, dass wir nicht zu spät kommen." Frank und Jack hatten fast die Tür am Ende des Ganges erreicht, als diese explodierte. Die ganze Wucht richtete sich in den Raum hinein. Einer der drei hinter der Tür stehenden Zombies wurde von den umherfliegenden Splittern geköpft. Auch die anderen beiden fanden keine Zeit zu reagieren. Frank verrichtete mit Zorks Dolch ganze Arbeit, während aus Jacks Augen plötzlich Blitze auf die restlichen Zombies zu schossen. Während sein Erbe die Untoten vernichtete, überlegte er kurz, warum dies nicht bereits am Eingang geschehen war. Bevor Jack sich weiter Gedanken darüber machen konnte, waren die Zombies vernichtet. Als er sich dann dem Vampir zuwandte erstarrte er, wie auch Frank erstarrt war und betrachtete ungläubig die Szenerie, die vor ihm lag. Elf Frauen standen aufrecht um einen offenen Sarg. Während eine weitere gerade auf den Boden sackte, begann unvermittelt aus einer der restlichen Frauen Blut zu strömen. Wie ein feiner Nebel drang es aus allen Poren, bildete einen feinen Strang und bewegte sich in den Sarg, wo es für die Beobachter verschwand. All das geschah in Sekundenbruchteilen und kam den -43-
Menschen doch wie eine Ewigkeit vor. Der wütende Aufschrei Desteros brachte nicht nur den beiden Dämonenjäger wieder zu Bewusstsein, dass sie einem gefährlichen Dämon gegenüberstanden. Auch das grausame Ritual wurde unterbrochen, die als Opfer vorgesehenen Frauen aus dem Bann entlassen, unter dem sie standen. Die Zehn, die unverletzt waren, schrieen panisch auf, liefen dann aber instinktiv in die richtige, weil einzige Richtung. Den hell erleuchteten Gang, den auch Frank und Jack gekommen waren, rannten sie in ihre Freiheit. Frank hob Zorks Dolch und setzte zum Angriff auf den Vampir an, doch die überlaut dröhnende Stimme Jane Cardigans stoppte ihn. Auch Jack der zu dem am Boden liegenden Opfer eilen wollte, blieb stehen. "Kommt zurück! Sofort! Rennt um euer Leben!" Destero suchte irritiert den Ursprung der Stimme, die unversehens den unterirdischen Raum erfüllte. Doch er ließ sich nur kurz ablenken - der Sinn der Worte erschloss sich auch ihm: Ein Ritual war unvollendet geblieben, Magie hatte sich aufgestaut und suchte einen Weg sich aus dem Zwang zu befreien, in den sie gedrängt worden war. Es musste zur Katastrophe kommen. So schnell es ihm möglich war, öffnete er ein Tor zur Dimension der Untoten. Während sich das Tor aufbaute, warf er einen kurzen Blick zu seinem ‚Bruder‘, um den sich die Magie zu ballen schien. "Es gibt noch andere Brüder!" Die letzten Worte sprach Destero schon in seiner Dimension. Jack Claim musste einsehen, dass er für die Frau nichts mehr tun konnte: sie rührte sich nicht mehr, hatte schon zuviel Blut verloren. Gemeinsam mit Frank MacLachlan rannte er den Gang zurück, der sie hierher geführt hatte. Unterwegs trafen sie auf zwei der Frauen, die einfach -44-
zusammengebrochen waren, als sie vermeintlich ihre Freiheit wieder erlangt hatten. Sie schafften es, die beiden mit zu zerren und erreichten den ‚Aufenthaltsraum‘ in dem Moment, in dem Jane Cardigan zusammenbrach. Das Licht, das sie bisher umgeben hatte, verschwand augenblicklich. Frank hatte seine Taschenlampe aus dem Hosenbund gezogen, in den er sie gesteckt hatte, und der kräftige Strahl erhellte den großen Raum zumindest teilweise. Gestenreich bedeuteten sie den beiden Frauen den schmalen Gang nach oben zu gehen und aus dieser Ruine zu verschwinden. Eine der beiden hatte sich mittlerweile wieder gefangen und deutete auf die am Boden liegende Jane. "Um die kümmern wir uns!", keuchte Jack, der schon wieder neben ihr kniete. "Hilf mir, Frank!" Gemeinsam trugen sie Jane zu dem Aufgang. Frank ging nach vorne und mehr ziehend als tragend gelang es ihnen, ihre Freundin nach draußen zu bringen. Dort standen noch die ehemaligen Opfer unschlüssig herum. Wolken hatten sich am Nachthimmel zusammengezogen und verdunkelten einen großen Teil der Umgebung. "Wir müssen weg von der Festung!", rief Frank. Gemeinsam mit Jack trug er Jane auf der flussabgewandten Seite den Hügel herunter. Die Erde vibrierte unter ihren Füssen und kurz darauf erhellte ein unheimlicher, diffus grünlicher Lichtschein für einen Moment die Umgebung. Frank spannte, in Erwartung einer Explosion, die Muskeln an, doch nichts weiter geschah. Glücklicherweise gab es hier weniger Geröll, so dass die Menschen alle wohlbehalten auf der Ebene ankamen. Die jungen Frauen waren den Dreien gefolgt und versammelten sich um die Dämonenjäger. Zwischenzeitlich lockerte die Wolkendecke auch immer wieder auf und befreite ein paar silberne Mondstrahlen, die den Weg beschienen. -45-
Die meisten der Frauen waren wieder richtig zu sich gekommen und eine von ihnen bedeutete der Gruppe, ihr zu folgen. Aus Mangel an Alternativen marschierten alle hinter ihr her, weg von der alten Festung Golubac.
***
Am nächsten Vormittag erwachten die drei Amerikaner in einem sauberen kleinen Zimmer. Frank erhob sich aus einem breiten Sessel, in dem er geschlafen hatte. Jack streckte sich auf einer kleinen Couch, so gut es ihm möglich war, bevor auch er sich erhob und ausgiebig gähnte. Jane Cardigan blinzelte, die Bettdecke bis zur Nasenspitze gezogen, die Beiden an, murmelte ein "Morgen.", drehte sich auf die Seite und nur noch ein leises "Vielleicht!" war zu hören, bevor ihr gleichmäßiger Atem verriet, dass sie wieder eingeschlafen war. Die junge Frau hatte die Gruppe zu einem kleinen Gehöft geführt. Der Empfang, der ihr bereitet wurde, deutete darauf hin, dass sie zur Familie gehörte und diese überglücklich war, sie lebendig wieder zu sehen. Ohne viele Fragen, die Frank und Jack sowieso nicht verstanden hätten, wurden sie in den Raum gebracht, in dem sie eben aufgewacht waren. Was mit den anderen Frauen geschah, bekamen sie nicht mehr mit. Als Jane Cardigan am späteren Nachmittag doch noch auftauchte, erfuhr sie, dass zwischenzeitlich die Polizei hier gewesen war und die anderen Frauen zurück zu ihren Familien gebracht hatte. Auch ihren Jeep hatte man geholt und so konnten -46-
die Drei gewaschen und in frischer Kleidung ausführlich über das Erlebte diskutieren. In der Familie sprach nur das junge Mädchen ein wenig Englisch. Sie hatte den Dämonenjägern, auch im Namen ihrer Eltern, erklärt, dass sie eingeladen seien, ein paar Tage hier zu verbringen, um auch die schönen Seiten dieser Gegend kennen zu lernen. Jack und Frank hatten nicht lange überlegt und zugestimmt. "Urlaub auf dem Hof der Brankovics, na, wenn das nichts ist!" Jane machte sich begeistert über das Brot und die geräucherten Würste her, die man ihnen aufgetischt hatte. Die Familie hatte sich zurückgezogen und so konnten sich die drei Amerikaner unbefangen in ihrer Heimatsprache unterhalten. Frank ließ sich den schweren Rotwein auf der Zunge zergehen. "Ja, hier lässt es sich aushalten. Aber hättest du die Freundlichkeit, uns zu erklären, was da gestern Nacht passiert ist?" Jane deutete auf ihren vollen Mund und kaute munter weiter. "Ja ja, lass dir ruhig Zeit. Jetzt haben wir sie ja zur Genüge." Auch Jack sprach dem Rotwein begeistert zu und prostete Jane zu während er sprach. "Wenn du solche Überraschungen allerdings häufiger planst, wäre es nett, wenn du uns vorwarnen könntest." Jane schluckte den letzten Bissen runter und grinste. "Dann wäre es ja keine Überraschung mehr! Im Ernst, wenn ich vorher gewusst hätte was passiert, hätte ich euch natürlich eingeweiht." "Soll das heißen...?" Frank setzte sein Glas mit einem Ruck ab. "Ja, aber reg dich jetzt nicht auf. Ich hatte doch erzählt, dass ich einige der Gaben deines Vaters," sie nickte zu Jack, "vermutlich verinnerlichen konnte. Oder besser, dass ich tatsächlich etwas von dem gelernt habe, was für dich vorgesehen -47-
war. Schon als wir uns der Festung näherten, konnte ich die Magie spüren, die Destero allein durch seine Anwesenheit und die seiner Zombies bewirkt hatte. Als wir dann in diesem Raum standen und keinen Weg fanden, hatte ich auf einmal das Gefühl, der Stein würde zu mir sprechen. Verdreh nicht so die Augen, Frank, oder bekommt dir der Wein nicht? Nein, da war tatsächlich etwas, eine Verbindung mit der Erinnerung, die in dem Stein der Festung verblieben war. Sie war einst erbaut worden, um den Angriffen der Türken stand zu halten. Damals waren diese die ‚Bösen‘. Jetzt war etwas in das Gemäuer eingedrungen, was wiederum ‚böse‘ war. Die Macht der Erinnerung in diesem Gestein, oder wie auch immer ihr es nennen wollt, sah in mir die Möglichkeit, dieses ‚Böse‘ zu vertreiben oder zu vernichten. Sie weckte in mir den Teil des Vermächtnisses deines Vaters, Jack, das notwendig war, um zum Kern des ‚Frevels‘ vorzudringen. Den Rest habt ihr besorgt. So einfach war das!" "Einfach? Das ist ja schier unglaublich!" Die beiden Männer sahen erst sich und dann Jane an. Frank hob als erster sein Glas. "Auf unsere kleine Hexe!" Jack schloss sich ihm an und prostete zu Jane. "Auf unsere Hexe!" Jane lächelte zufrieden und gemeinsam genossen die Drei den fantastischen Sonnenuntergang und den nicht minder fantastischen Rotwein.
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