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Talon Nummer 16 „Die Spiele beginnen“ von Thomas Knip Holzpflöcken, das den Tunnel vom Hof trennte, erlaubte nur eine eingeschränkte Sicht. Ibn Said blickte sich um und klopfte sich den imaginären Staub von seinem hellen Kaftan. „Ich habe dich in der Savanne kämpfen sehen. Vielleicht überstehst du sogar die ersten beiden Minuten.“ Er schenkte Talon ein kurzes Nicken und drehte sich dann um. Hinter ihm schlossen die Wächter das Tor auf der anderen Seite des Durchgangs, ohne den Weißen einen Moment lang aus den Augen zu lassen. Doch Talon beachtete die Männer bereits nicht mehr. Er konzentrierte sich auf das, was nun geschehen würde und untersuchte den Hof, der allem Anschein nach den Zweck einer Arena erfüllte. Und sein erster Eindruck wurde schnell bestätigt. Der Sand, der den Boden bedeckte, war aufgewühlt und an vielen Stellen von tiefen Furchen durchzogen. Seine helle Farbe war längst durch zahlreiche Flecken getrockneten Bluts dunkel verfärbt. Vereinzelt ragten gesplitterte Holzbohlen aus dem Boden, umwickelt von zerrissenen Seilenden. Niemand schien sich die Mühe zu machen, die Spuren der Kämpfe beseitigen zu wollen. Talon ließ sich an einer Mauer des Durchgangs nieder, die wie die des
1. „Ich hoffe, du lieferst mir einen interessanten Kampf, mein Freund. Deinetwegen unterbreche ich meine Geschäfte. Hoffentlich weißt du das zu würdigen.“ Ibn Said strich sich mit den Fingern durch den dünnen Bart an seinem Kinn und bedachte den Mann, der mit nicht mehr als einem Lendentuch bekleidet war, mit einem süffisanten Lächeln. Talon konnte den Wunsch, den Sklavenhändler anzufallen, nur mit Mühe unterdrücken. Er blickte in die Mündungen zweier Schnellfeuergewehre, die auf ihn angelegt waren und ihn in Schach hielten. Der Mann arabischer Herkunft war nicht bereit, irgendein Risiko einzugehen und ließ den Weißen von zwei seiner Männer bewachen. Der schmale Tunnel, in dem sie sich befanden, mündete in einen kreisrunden Innenhof, der offensichtlich direkt in den Boden gegraben worden war. Seine Wände bestanden aus fest geklopfter Erde und mochten mehr als vier Meter in die Höhe reichen. Talon hatte den oberen Rand von seinem Standort aus nicht erkennen können. Das niedrig gebaute Tor aus grob zusammen gezimmerten 2
in Tarnuniform. Auch wenn sich sowohl Araber wie dunkelhäutige Sudanesen um den Rand versammelten, blieben sie unter sich und hielten von der jeweils anderen Gruppe einen deutlichen Abstand. Offenbar waren die Kämpfe vor allem dafür gedacht, für etwas Abwechslung unter den Männern des Sklavenhändlers zu sorgen. Mit einem Mal verstummten die Stimmen. Kurz darauf erkannte Talon den Grund. Masud Ibn Said selbst betrat in Begleitung seiner beiden Wachen den Schauplatz und ließ sich in einem Bereich nieder, der trotz seiner Einfachheit an eine Loge erinnerte. Talon schüttelte innerlich den Kopf und verzog die Lippen zu einem schmalen Grinsen. Das Fingerschnippen des Arabers schnalzte laut durch die Luft. Augenblicke später öffnete sich das Tor am anderen Ende der Arena. Dumpfe Rufe waren aus dem Gang zu hören, unterbrochen von einem tiefen Grollen, das langsam lauter wurde. Talon kniff die Augen zusammen und versuchte im Dunkel der Öffnung etwas zu erkennen. Minuten vergingen, in denen Unruhe unter den zuschauenden Männern ausbrach. Manche schrien Anfeuerungsrufe, andere wiederum verhöhnten Talon oder spuckten herunter. Eine Silhouette zeichnete sich in der Türöffnung ab. Heiseres Brüllen wurde von den Tunnelwänden reflektiert und scholl als Echo über den Hof. Die Haare in Talons Nacken richteten sich auf. In der Tür zeichnete sich nun ein gewaltiger Schatten ab, der sich mit seinen
Innenhofs nur aus fest geklopfter Erde bestand, und harrte aus. Wie viele Minuten vergingen, mochte er nicht zu sagen. Doch plötzlich knirschte das Tor, das in den Hof führte, leise auf. Es ruckte in seiner Verankerung und wurde langsam nach oben gezogen. Der Mann mit den rotbraunen Haaren wartete nicht ab, bis das Holzgatter endgültig verschwunden war, sondern duckte sich unter dem Tor hinweg und betrat den Hof. Das gleißende Licht der Sonne blendete ihn einen Augenblick lang. Selbst jetzt, am späten Nachmittag, brannte sie unbarmherzig auf den Boden herab. Ibn Saids Anwesen türmte sich direkt neben der Mulde auf und warf einen harten Schatten in die Arena. Talon schützte seine Augen mit der flachen Hand vor der Sonne und trat auf die schattige Hälfte des Hofs zu. Jetzt erst sah er das Tor, das am gegenüberliegenden Ende des Platzes in die Mauer eingelassen worden war. Es befand sich direkt unter dem Haupthaus Ibn Saids und wirkte schwerer befestigt als das, durch das Talon den Hof betreten hatte. Dumpfe Stimmen empfingen ihn von oben. Er hob seinen Kopf an und sah, wie sich am Rand der Mauer mehrere Männer einfanden, die neugierig nach unten sahen. In ihren Augen konnte er Spannung erkennen, auch wenn sie nicht übermäßig aufgeregt schienen. Offenbar waren solche Veranstaltungen nichts Ungewohntes für sie. Die Zuschauer waren allesamt einfach gekleidet, manche von ihnen 3
ging nach oben. Das Geräusch war genau in seinem Rücken erschallt, und als er wieder den Gorilla anblickte, wurde er von dessen kleinen dunklen Augen taxiert. Die Geräusche hatten nur dazu gedient, die Aufmerksamkeit des Tieres auf das gewünschte Ziel zu richten. Noch machte das gewaltige Tier keine Anstalten, ihn angreifen zu wollen, doch es ließ den Blick nicht mehr von dem Mann, der sich einer Raubkatze gleich aus dem Blickfeld des Gorillas bewegte. Die kleinen Augen folgten dem Ziel jedoch unentwegt, und je länger das Taxieren dauerte, desto mehr nahm die Spannung zwischen den beiden ungleichen Kontrahenten zu. Talon stand nun im sonnendurchfluteten Teil der Arena und nahm den Affen nur als schemenhaften Schatten wahr. Deshalb erkannte er den ersten Angriff des Gorillas erst, als dieser den Hof schon halb überwunden hatte. Mit mächtigen Sätzen überbrückte er die Distanz zwischen sich und dem muskulösen Mann, der bis zum letzten Augenblick abwartete, um auf die Attacke zu reagieren. Talon beobachtete den rechten Arm, der zum Schlag erhoben war und tauchte unter der Bewegung weg. Mit einer Rolle über den Boden gelangte er in den ungeschützten Rücken des Affen und schlug zu. Er sah keinen Sinn darin, seine Kraft damit zu vergeuden, seinem Gegner auszuweichen und hieb mit beiden Fäusten in die Gegend, bei der sich bei einem Menschen die Nieren befanden. Tatsächlich
mächtigen Vorderarmen vorwärts schob. Der Gorilla mochte selbst in dieser kauernden Haltung Talon um mehr als einen Kopf überragen. Sein blauschwarzes Fell war von einigen silbernen Fäden durchzogen und leuchtete matt auf. Jetzt, nachdem das Tier den engen Durchgang hinter sich gelassen hatte, bewegte sich der Körper mit einer Schnelligkeit und Eleganz, die die massige Form Lügen strafte. Er stemmte die Fäuste auf den Boden und stieß sich mit kleinen Sprüngen ab, die die kurzen Hinterbeine ausbalancierten. Das Gatter schloss sich mit einem lauten Rasseln hinter dem Menschenaffen, der den wuchtigen Schädel kurz umdrehte und das Geräusch mit einem Brüllen quittierte. Talon nutzte die Ablenkung, um aus dem direkten Blickfeld des Gorillas zu entkommen und zog sich an das gegenüberliegende Ende des Hofs zurück. Hastig sah er sich um und suchte nach einer Möglichkeit zu entkommen. Doch diese Arena war für jeden, der in ihr gefangen war, die perfekte Falle. Selbst mit seinen Kräften hätte er die Höhe der Mauern nicht überwinden können. Und selbst wenn, Ibn Saids Männer hätten ihn nicht entwischen lassen. Diese versuchten nun, den Gorilla durch Rufe anzustacheln. Da die Stimmen jedoch aus verschiedenen Richtungen kamen, warf der Affe mehrmals den Kopf irritiert hin und her und schickte ein Brüllen nach oben. Plötzlich erklangen mehrere helle Gongschläge. Talons Blick 4
schleuderte ihn erneut zu Boden. Sterne zerplatzten vor seinen Augen. Das Blut rauschte in seinen Ohren und übertönte die Schreie der Männer von den Rängen. Mit aller Macht kämpfte Talon gegen die drohende Bewusstlosigkeit an und versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Er lag auf dem Rücken und stützte sich mit seinen Armen in den Sand. Dabei prallte er gegen eine der Holzstreben, die aus der Erde ragten. Zuerst nur unbewusst bekam Talon den kräftigen Strick zu fassen, mit dem die Bohlen verbunden waren. Doch mit jeder verstreichenden Sekunde klärte sich sein Verstand wieder. Auch der Gorilla war offensichtlich angeschlagen und kam nur schwerfällig in die Höhe. Talon konzentrierte sich auf diesen einen Gedanken, der sich klar in seinem Bewusstsein abzeichnete. Er riss an dem Seil, bis sich der lockere Knoten um das morsche Holz löste. Taumelnd sprang er auf und umfasste das Seil mit beiden Händen. Der Menschenaffe stützte sich auf seinen linken Arm und sah seinen Gegner herannahen. Bevor er sich jedoch erheben konnte, war ihm Talon bereits in den Rücken gesprungen und schlang das Seil um den breiten Hals des Gorillas. Dieser warf sich umher und versuchte, den Mann abzuschütteln. Talon konzentrierte sich nur auf das Seil in seinen Händen und zog die Enden immer weiter auseinander. Das wütende Brüllen des Gorillas wich schnell einem heiseren Kreischen. Voller Panik schlug das Tier um sich und wollte seinen
knickte der massige Körper ein, doch genauso schnell wirbelte der lange Arm des Gorillas herum. Talon sah den Schlag heran nahen und warf sich zurück. Dennoch erwischte ihn die flache Hand auf Brusthöhe und schleuderte ihn mehrere Meter nach hinten. Der Mann aus der Savanne keuchte auf. Mehrere Augenblicke lang fehlte ihm der Atem. Seine Brust schmerzte, als wollte sie explodieren. Instinktiv rollte er sich zur Seite und entging damit dem nächsten Hieb des Tieres, das nun wütend aufbrüllte und seinem Gegner sofort nachsetzte. Talon hielt auf die Mauer zu und sprang los. Die leicht schräg ansteigende Wand bot ihm genügend Halt, so dass er einen Augenblick lang die Muskeln seiner Beine anspannen konnte und sich dann dem Gorilla entgegen warf, der noch immer auf ihn zustürmte. Das ganze Gewicht des Mannes traf das Tier völlig unerwartet und brachte es aus dem Gleichgewicht. Der Länge nach schlug der Gorilla hart auf dem Boden auf und blieb einen Moment benommen liegen. Diese Sekunden nutzte Talon und rammte seinen rechten Ellenbogen in das flache Gesicht des Menschenaffen. Das Krachen von Knochen war zu hören. Aus der zertrümmerten Nase schoss das Blut in einem breiten Faden und färbte das dunkelblaue Fell tiefviolett. Voller Schmerzen heulte der Gorilla auf und schlug wild um sich. Talon konnte sich vor einem Arm ducken, doch der zweite erwischte ihn hinter seinem linken Ohr und 5
diesem Bild zu lösen und wollte weiterträumen. Doch je mehr die Kühle seinen Körper belebte, umso mehr kehrten die Schmerzen zurück. Unvermittelt schlug er die Augen auf. Er spürte, wie etwas seinen rechten Arm entlang fuhr. Talon wandte den Kopf und erblickte einen schlanken, dunkelbraunen Arm, der ihm mit einem feuchten Tuch über die Haut rieb. „Oh“ hörte er eine helle Stimme und hob den Kopf an. Er sah in zwei dunkle Augen, die ihn überrascht und neugierig musterten. „Wer bist du?“ fragte er die junge Frau auf Arabisch, die ihn offensichtlich wusch. „Ich… bin – Nisheki“, antwortete sie zögerlich. Anscheinend war sie überrascht, dass er ihr diese Frage stellte. Schnell senkte sie ihren Blick und konzentrierte sich auf den Unterarm des Mannes, als hätte dieser eine besondere Reinigung nötig. Talon wischte ihre Hand beiseite. „Lass“, forderte er sie auf und wollte sich aufrichten. Sofort überfielen ihn Schwindelanfälle, die die Welt um ihn herum schwanken ließen. Schwäche machte sich in seinem Körper breit. Heftig atmend fiel er zurück auf die harte Auflage. „Nicht! Du musst dich ausruhen!“ beeilte sich die junge Frau, ihm zu erklären. Talon nahm es widerspruchslos hin und wartete, bis die Benommenheit in seinem Körper abebbte. Die Schwarze widmete sich wieder ihrer Aufgabe. Talon hörte ein leises Plätschern, dann legte sich der kalte, feuchte Lappen erneut auf seine Haut. Obwohl er es sich nur
Gegner packen, der jedoch immer außerhalb der Reichweite seiner langen Arme blieb. Talon konnte miterleben, wie die Gegenwehr in dem massigen Körper mehr und mehr erschlaffte. Plötzlich knickte das Tier ein und ging in die Knie. Die gewaltige Stimme löste sich nur noch in einem Röcheln aus der Kehle. Dennoch ließ der Mann in seinem Angriff nicht nach. Etwas bohrte sich heiß in seinen Rücken. Es war nicht mehr als ein kleiner Stich, doch die Wirkung trat sofort ein. Er stolperte zurück. Seine Hände ließen das Seil los und tasteten nach hinten. Die linke Hand bekam den dünnen Zylinder zu fassen und zog ihn aus seiner Haut. Talon spürte, wie eine übermächtige Taubheit durch seinen Körper kroch. Er betrachtete sich das dünne Geschoss, das am einen Ende mit einigen Federn und am anderen mit einer dünnen Kanüle versehen war. „Wie ein Tier“, stieß er heiser hervor. Dann versagten seine Beine den Dienst. Noch bevor er in den Sand sank, hatte er das Bewusstsein verloren. 2. Das erste, was er spürte, war der kühle Hauch, der über sein Gesicht fuhr. Er war wie ein erfrischender Wind am frühen Morgen, der die Sinne klärte. Die Frische glitt seine Stirn hinab, benetzte sein Wagen und wanderte dann tiefer, über seinen Hals und die rechte Schulter. Etwas in Talon war nicht bereit, sich aus 6
Talon spürte die Traurigkeit, die in der Stimme der jungen Frau mitschwang. „Was ist mit dir?“ fragte er sie. „Wie bist du hierher gekommen?“ „Oh, wie viele andere auch“, erklärte sie ihm bitter und legte das Tuch beiseite. „Einige Männer in unserem Dorf wollten sich auf keine Seite stellen und für eine Sache kämpfen, an die sie nicht glaubten. Die eine Miliz akzeptiert das, die andere nicht. Oder heute doch und morgen nicht.“ Sie zuckte müde mit den Schultern. „Also haben sie alle von uns mitgenommen und an Ibn Said verkauft. Junge Frauen wie ich erzielen immer einen guten Preis.“ „Aber du bist noch hier“, stellte Talon fest. „Ich verstehe mich auf Medizin. Eigentlich hatte ich in Juba Krankenschwester werden wollen. Aber mit dem, was ich weiß, diene ich Ibn Said offensichtlich auch ganz gut.“ Wie um sich an ihre Aufgabe zu erinnern, widmete sie sich der Reinigung von Talons Oberkörper. Kurz noch wollte er sie abwehren, doch er genoss das belebende Gefühl frischen Wassers, das seine dreckverschmierte Brust reinigte, viel mehr als er es sich eingestehen wollte. Sein Körper reagierte darauf viel intensiver als er es gedacht hatte. Erst als er die zunehmende Erregung spürte, merkte er, dass er vollkommen nackt auf der Pritsche lag. Wie um sich selbst vor der peinlichen Situation zu schützen, winkelte er das linke Bein an und hoffte, dass die junge Frau es geflissentlich übersah.
ungern eingestand, genoss er die Entspannung, die ihm diese Pflege schenkte. Nisheki ging um die Pritsche herum, auf der Talon lag und widmete sich dem anderen Arm. Er legte den Kopf etwas zur Seite und sah sie an. „Wo bin ich hier? Und was ist geschehen?“ Die junge Frau sah ihn etwas unschlüssig an. „Ich weiß nur das, was jeder mitbekommen hat und was hier rumerzählt wird. Du hast Kubba, den Gorilla, besiegt. Das hat vor dir noch keiner geschafft!“ Zwei hellweiße Zahnreihen strahlten ihn an. „Der Sayyid hat immer ein Gewehr mit Betäubungspfeilen dabei, falls der Affe außer Kontrolle gerät. Kubba ist Ibn Saids ganzer Stolz, musst du wissen. Er würde ihn niemals töten. Diesmal hat er es bei dir benutzt“ Sie tunkte den Lappen erneut in eine Wasserschale und fuhr fort. „Warum hat er mich nicht getötet?“ wollte Talon wissen. „Dieser Sieg hat dir Achtung eingebracht bei den Männern. Dich einfach zu töten wie einen…“ sie biss sich kurz auf die Lippen, „Sklaven, das hätten viele nicht akzeptiert. Ibn Said ist Araber. Und er hat nur wenige Männer aus seiner Heimat mitgebracht. Die meisten anderen sind Sudanesen und arbeiten nur für ihn, weil er gut zahlt. Er kann es nicht riskieren, sich ihren Zorn zuzuziehen.“ Nisheki blickte nachdenklich zu Boden. „Doch vielleicht überlegt er es sich morgen schon anders. Sein Wille ist es, der zählt.“ 7
gewesen wären, aufzuhören. Die junge Schwarze griff nach Talons harter Männlichkeit und führte sie zwischen ihre Beine. Ein tiefes Stöhnen entrang sich seiner Brust, als ihre Wärme ihn mehr und mehr umschloss. Nisheki lächelte zufrieden und legte ihre schmalen Hände auf seine Brust. Erst langsam, dann immer schneller bewegte sie sich rhythmisch auf und ab. Talon packte den schlanken Körper bei den Hüften und warf sich jeder ihrer Bewegungen entgegen, bis er den Höhepunkt erlebte. Der Atem kam rau über seine Lippen und begleitete die langsam abebbende Erregung. Schweißgebadet sank die junge Frau auf seinem Oberkörper zusammen und schlang die Hände um seinen Hals. „Nisheki“, flüsterte Talon und hielt sie fest, als ob er sie beschützen wollte. „Nicht!“, erwiderte sie nur und sah ihn aus traurigen Augen an. „Bitte nicht reden. Nicht jetzt…“
„Du beginnst dich zu erholen“, kommentierte sie trocken den Anblick, der sich ihr bot, ohne in ihrer Reinigung inne zu halten. Stattdessen widmete sie sich nun Talons Unterleib, was dieser ungewollt quittierte. „Nisheki, nicht! Was soll das?“ versuchte er die wachsende Erregung in sich zu unterdrücken. Er winkelte seinen Körper an und hielt die junge Frau zurück. Doch diese nestelte an den Knöpfen ihres Oberteils aus grober Baumwolle, das die Schultern frei ließ. Selbstbewusst blickte sie Talon in die Augen, als sie den Stoff beiseite legte. Ihre kleinen, spitz zulaufenden Brüste wurden von zwei dunkel gefärbten Höfen gekrönt. „Ibn Said hat mir befohlen, mich um dich zu kümmern“, erklärte sie ihm, während sie die Schnur des losen Wickelrocks löste, der raschelnd zu Boden fiel. „Du willst doch nicht, dass er mich von seinen Männern bestrafen lässt, wenn er merkt, dass du dich nicht gut erholt hast?“ Sie kletterte zu Talon auf die schmale Pritsche und setzte sich auf seine Oberschenkel. „Nisheki, bitte!“ wollte er sie abhalten. „Ich… ich möchte ja, aber das meinst du nicht ernst!“ Ernst sah sie ihn an und rutschte höher. „Hol’ mich hier raus, und ich gehe mit dir. Ich will nicht mehr wie ein Stück Vieh behandelt werden. Ich will wieder leben!“ Auch ihr Atem ging inzwischen schneller. Sie hatten beide den Punkt überschritten, an dem sie noch bereit
3. Stumm verfolgte Amos Vanderbuildt die Aufzeichnungen, die über den großen Plasmabildschirm flimmerten. In den letzten Wochen hatte er sich das Videoband immer und immer wieder angesehen und sich von seiner ChefIngenieurin erklären lassen, was dort zu sehen sei. Doch Erika Janssen hatte für die Vorgänge im Labor keine Erklärung geben können. Auch sie hatte nur feststellen können, dass der 8
toten Wissenschaftler. Dabei war das Ziel seiner Suche anfangs ein ganz anderes gewesen. Amos Vanderbuildt blieb vor seinem breiten Schreibtisch stehen und betrachtete sich die Bilder, die über die ganze Fläche verteilt waren. Er kratzte sich seinen graumelierten Backenbart und schnippte unwillig mit den Fingern. ‚Diese Tölpel!’ dachte er bei sich. ‚Schnappen sich nur die Bilder und lassen die Fotografin in Ruhe.’ Bereits bei ihrem ersten Besuch bei Alice Struuten hatte Vanderbuildt mehrere Kontakte spielen lassen müssen, um die Polizeiakte verschwinden zu lassen, die Augenzeugen von seinen beiden „Spezialisten“ gemacht hatten, nachdem sie die Fotografin entkommen ließen. Wochenlang hatte sie in Kapstadt untertauchen können, ohne dass es ihm gelungen wäre, sie aufzustöbern. Und dann erhielt er nicht mehr als die Negative jenes Ziels, dem die Reise damals gegolten hatte. Amos Vanderbuildt ärgerte sich über sich selbst. All das Wissen, das ihm zur Verfügung stand. All die Geheimnisse, für die andere ein Vermögen hinlegen würden, könnten sie sie erfahren… und er wusste nicht, wie er mit ihnen umgehen sollte! Seine Finger strichen über das Bild eines fast nackten Mannes mit rotbraunen Haaren, der einen unwilligen Blick in die Kamera warf. „Adrian, mein Junge. Je mehr Wissen ich über dich erhalte, umso mehr Geheimnisse folgen dir.“
schwarze Stein unkontrolliert und unbeeinflussbar Energien abgab, die mit nichts zu vergleichen waren, das sie kannte. Das Team der Frau war damit beauftragt gewesen, hinter das Geheimnis des Splitters zu kommen, den ihm Janet Verhooven aus Zentralafrika mitgebracht hatte. ‚Das Blut des schwarzen Löwen’ hatte sie es genannt. Ein Stein, nicht länger als ein Finger, der aussah wie geschmolzene Schwärze, undurchdringlich und ungreifbar. Amos Vanderbuildt erhob sich aus seinem Sessel und schaltete den Fernseher ab. Automatisch ging das Licht in dem verdunkelten Konferenzraum an, und die Jalousien glitten wie von selbst in die Höhe. Das Tageslicht strömte in breiten Bahnen in das karg eingerichtete Zimmer, dessen ganze Länge von wuchtigen Tischen eingenommen wurde, um die gut zwei Dutzend Stühle versammelt standen. Dieses Mal jedoch war der Mann Anfang Fünfzig allein in dem Raum. Nachdenklich blickte er auf den matten Bildschirm und öffnete dann die Tür, die direkt in sein Arbeitszimmer führte. Ihm war bis jetzt nicht klar, was er aus dem Fund machen sollte. Offensichtlich wohnten ungeahnte Energien in diesem kleinen Splitter. Er hatte es selbst einmal erlebt und wusste, dass es keine Hirngespinste waren. Dafür war er ein viel zu pragmatisch veranlagter Mensch, um an etwas zu glauben, wenn er es nicht selbst gesehen hätte. Doch Wochen und Monate der Forschung hatten nichts zutage gefördert, außer einem zerstörten Labor und einem 9
Er hielt inne, als er merkte, dass er zu sich selbst sprach. Oberflächlich betrachtete er sich die Fotos, die er in den vergangenen Tagen immer wieder angesehen hatte. Das Ziel, Bergstrøms Lieblingsprojekt – seinen „Talon“ – in seine Hände zu bekommen, um es gegen den Wissenschaftler ausspielen zu können, hatte für ihn momentan keine Bedeutung mehr. Er hatte Adrian als Faustpfand gesehen, um wieder Zugang zu Bergstrøms Forschungen zu erhalten. Doch nun war er viel mehr daran interessiert, all das, was diesen jungen Mann umgab, selbst zu erforschen und für sich zu nutzen. Dort oben im Herzen Afrikas schlummerte etwas, das er für sich erobern wollte. Und Talon war der Schlüssel dazu. Er ging um den Schreibtisch herum und drückte einen Knopf an der Gegensprechanlage. „Kirsten, verschaffen sie mir eine Verbindung zu Miss Verhooven. Und buchen sie ihr den nächsten Rückflug nach Kapstadt. Noch eines – verschaffen sie mir einen Termin beim zentralafrikanischen Konsulat. Am besten noch heute.“ Die Sekretärin am anderen Ende bestätigte die Anweisungen nur knapp und leitete die entsprechenden Gespräche in die Wege. Vanderbuildt nahm zufrieden in seinem Sessel Platz und ordnete die Bilder zu einem Haufen. Es war an der Zeit, dass er die Angelegenheit selbst in die Hand nahm.
4. „Kamal al-Hamidi, welch’ Freude, dich zu sehen! Warum hast du dich nicht angemeldet?“ Ibn Said sprang hinter seinem Schreibtisch auf und beeilte sich, seinen Gast zu begrüßen. Die beiden Männer umarmten sich und hauchten einen Kuss auf die beiden Wangen des anderen. Während Ibn Said den Ankömmling zu einer Sitzgruppe am anderen Ende des lang gezogenen Raumes führte, brachte ein junger farbiger Diener ein Tablett mit einer Karaffe voll gekühltem Rosenwasser herein und wartete, bis die beiden Männer Platz genommen hatten. Dann schenkte er ihnen ein und zog sich in einen Nebenraum zurück. Der Sklavenhändler tauschte mit seinem Gast noch einige Höflichkeitsformeln aus und erkundete sich mehrfach nach dem Wohlbefinden. „Sag’ mir, wie kann ich dir helfen?“ brachte er schließlich das Gespräch auf den Punkt. Der Angesprochene ließ sich in die weichen Polster zurücksinken und beugte den Kopf etwas nach vorne, was das Doppelkinn noch deutlicher zur Schau stellte. Er war kräftig gebaut, ohne wirklich dick zu sein. Doch sein Körper zeigte, dass AlHamidi weltlichen Genüssen nicht abgeneigt war. Der Kuwaiti stöhnte leise auf und wischte sich mit einem Finger über den Mund. „Ich brauche etwas Abwechslung, Masud, mein Freund. Der Krieg macht mich immer unruhiger. Nichts 10
Gedanken. In einer fließenden Bewegung erhob er sich und bedeutete seinem Gast, ihm zu folgen. Dieser sah ihn leicht verwundert an, trank noch einen Schluck Rosenwasser und wuchtete sich dann aus dem breiten Sessel. Sobald sie das Arbeitszimmer verließen, schlossen sich ihnen Ibn Saids Leibwachen an. Zwei Männer gingen vorne weg, während zwei weitere den Rücken ihres Arbeitgebers sicherten. „Du bist vorsichtiger geworden“, bemerkte Al-Hamidi flüsternd, während sie über die breite Treppe aus hellem Sandstein in die unteren Stockwerke vordrangen. Der Sklavenhändler nickte mehrfach. „Es scheint nur so, als ob meine Position hier gesichert ist. Die Rebellengruppen lassen sich mit mir ein, weil ich Araber bin und sie mir unliebsame Störenfriede verkaufen können. Unsere arabischen Freunde in Khartum kaufen die Sklaven bei mir ein und machen ihrerseits einen schönen Profit beim Weiterverkauf. Doch für beide Parteien bin ich nur Mittel zum Zweck. Wenn sie mich nicht mehr brauchen, kennt keine von ihnen in der darauf folgenden Sekunde noch meinen Namen“, erklärte er mit einer leichten Bitterkeit. „Du bist mutig“, stellte der Kuwaiti fest. Ibn Said drehte sich zu ihm um. „Mutig? Oh nein. Ich lasse nur den Krieg für mich arbeiten, Kamal. Sobald ich genügend zusammen habe, verschwinde ich von hier.“ Inzwischen hatten sie die Kellerräume erreicht. Obwohl die oberen Räume durch Klimaanlagen
kann seinen gewohnten Lauf nehmen, und diese Unruhe macht mich nervös.“ Er griff nach einem der kleinen Kuchenstücke, die auf einem Beistelltisch bereit standen. „Wenn ich mich entspannen will“, er schmatzte und leckte sich die Finger ab, „kann ich das noch immer am besten bei der Jagd. Und dir gelingt es, Safaris zu organisieren, die weiter im Süden, sagen wir, nicht gerne gesehen sind.“ Ibn Said lächelte. „Solange Bürgerkrieg ist, kümmert es keinen, was mit den Tieren geschieht. Und selbst die Milizen sehen weg, wenn man ihnen etwas mehr „Trinkgeld“ gibt, das sie in veraltete Waffen stecken. Doch“, der Araber seufzte, „ der Krieg ist auch ein Problem. Die Tiere flüchten, und es ist selbst für meine Fährtensucher schwierig geworden, neue aufzustöbern. Und selbst du wirst keine Wasserbüffel schießen wollen.“ Al-Hamidi schnaufte auf. „Enttäusch’ mich nicht, mein Freund! Die Jagd ist das einzige, was dieses heruntergekommene Land für mich reizvoll macht!“ Er beugte seinen schweren Körper vor und sah Ibn Said eindringlich an. „Besorg’ mir etwas, das sich zu jagen lohnt, und ich zahle dir einen guten Preis. Du weißt, dass ich nicht kleinlich bin.“ Masud Ibn Saids Augen verengten sich. Hinter seiner Stirn begann es zu arbeiten. Sein Blick wanderte zu imaginären Punkten im Raum, während er sich nachdenklich über das Kinn strich. „Ich glaube, ich habe da etwas für dich“, beendete er schließlich seine 11
zurück. „Ein Weißer? Bist du wahnsinnig, Masud?“ rief er aus. Dennoch blieben seine Augen auch weiterhin auf dem halbnackten Mann geheftet, der ihn aus Augen anblickte, in denen ein nicht zu erlöschendes Feuer brannte. Talon kauerte in einer angespannten Haltung auf dem Boden, während er die Anwesenden genau beobachtete. Nachdem er von Nisheki gepflegt und verwöhnt worden war, hatte ihn der Sklavenhändler in diese Zelle bringen lassen. Seit drei Tagen wartete er hier bereits, was mit ihm geschehen würde. Er hatte regelmäßig zu essen und zu trinken erhalten, also schien Ibn Said noch immer etwas mit ihm vorzuhaben. „Wenn das die Amerikaner rauskriegen, Masud, dann stehen die morgen vor der Tür!“ Der Sklavenhändler lachte auf. „Beruhig’ dich, Kamal. Das ist kein Amerikaner. Und wenn, dann einer, den sie nicht vermissen. Ich habe ihn in der Savanne aufgestöbert, genauso halbnackt wie er jetzt ist“, klärte er den Kuwaiti auf, der unruhig auf seinen Lippen kaute und nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen soll. Ibn Said fuhr fort. „Beinahe hat er Kubba, meinen Gorilla, getötet. Dieser Mann ist mehr Tier als Mensch, Kamal. Er ist ein Geschöpf der Wildnis, bereit zu jagen… - und gejagt zu werden!“ Al-Hamidi kniff die Augen zusammen und wandte seinen Kopf. „Eine Jagd auf einen Menschen?“, hakte er nach, verwundert und interessiert zugleich.
temperiert wurden, sorgte die Kälte, die den Männern entgegenschlug, für einen Moment des Fröstelns. An der Decke des Gangs, der direkt in das Erdreich getrieben worden war, zog sich ein Kabel, das die nackten Glühbirnen, die in regelmäßigen Abständen schwach aufleuchteten, mit Strom versorgte. Links und rechts des Gangs waren Nischen in die Erde gehauen worden, deren hinteres Ende im Dämmerlicht verschwand. Sie waren versperrt mit schweren Eisengittern, die in der kühlen, feuchten Luft bereits an vielen Stellen rostige Flecken aufwiesen. „Wo sind wir hier?“ wollte AlHamidi wissen. „Hier habe ich früher die Sklaven gesammelt. Doch viele von ihnen sind in der Umgebung krank geworden und mir weggestorben, noch bevor ich sie verkaufen konnte. Und irgendwann hat der Platz für die Ware nicht mehr ausgereicht. Deshalb habe ich den Pferch bauen lassen, wo sie jetzt gehalten werden. Billiger und zweckmäßiger.“ „Und was machen wir dann hier“ „Wenn du ein Tier hast, das du nicht bei den anderen lassen möchtest, weil es für Unruhe sorgen könnte, du es aber nicht töten möchtest, weil es dir zu wertvoll erscheint, dann isolierst du es. Und so ein Tier haben wir hier.“ Ibn Said blieb von einer Zelle stehen und präsentierte den Inhalt mit einer einladenden Handbewegung. Kamal al-Hamidi beugte sich vor, um besser in die Nische blicken zu können und zuckte mit weit geöffneten Augen erschrocken 12
dir jemals geboten habe. Glaube mir – wenn du ihn gejagt hast, werde dich Tiere danach nicht mehr reizen.“
„Eine Jagd auf einen Sklaven“, berichtigte ihn Masud. „Dieser Mann bedeutet niemandem etwas. Doch für dich wird er die größte Herausforderung darstellen, die ich
Fortsetzung folgt in Talon Nummer 17 „TREIBJAGD“
Talon erscheint bei vph Verlag & Vertrieb Peter Hopf, Goethestr. 7, D-32469 Petershagen. © Copyright aller Beiträge 2003 bei Thomas Knip und vph. Nachdruck, auch auszugsweise, nur nach schriftlicher Genehmigung durch den Verlag gestattet.
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