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Fred McMason
Die teuflischen Zwerge
Weit achteraus, auf dem großen Marktplatz der Hafenstadt Malakka, ...
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Seewölfe 731 1
Fred McMason
Die teuflischen Zwerge
Weit achteraus, auf dem großen Marktplatz der Hafenstadt Malakka, brannten noch die Scheiterhaufen. Über der Stadt und dem Hafen hing ein schwarzer Rauchpilz, aus dem immer wieder Flammen schlugen. Das Inferno schien vollkommen, und Malakka sah aus, als sei es in eine wabernde Hölle verwandelt worden. Auf dem Achterdeck der Schebecke standen jene Männer, die den Feuertod hatten sterben sollen und diesem zugedachten Ende gerade noch im letzten Augenblick entwischt waren. Die anderen Arwenacks hatten sie in einer Blitzaktion von den schon brennenden Scheiterhaufen unter Einsatz ihres Lebens befreit. Smoky zog trotz der Wärme fröstelnd die Schultern hoch. „Wenn ich mir vorstelle, daß uns jetzt die Flammen fressen, wird mir abwechselnd heiß und kalt“, sagte er leise... Die Hauptpersonen des Romans: Pete Ballie – der Gefechtsrudergänger der Arwenacks steuert Girlanden, was sonst nicht seine Art ist. Edwin Carberry–erntet Hohn und Spott, weil er ebenfalls keinen Kurs halten kann. Philip Hasard Killigrew – startet zusammen mit Don Juan de Alcazar ein Einzelunternehmen, dessen Ziel eine portugiesische Kriegskaravelle ist. Bani-Seth – der zwergenähnliche Javaner kann vorzüglich mit den übergroßen Ohren wackeln und hat noch andere Tricks auf Lager.
1. Im brodelnden Kielwasser folgten der Schebecke kleine Balors, ein paar Fischerboote und eine kleine Hafenschaluppe. Das waren die verzweifelten Rächer des Dom Alfonso de Albuquerque und letztes Zeichen seiner ohnmächtigen Wut. In kurzen Abständen feuerte die kleine Hafenschaluppe hinter ihnen her. Ihr Buggeschütz blitzte auf, und ein kleiner Zweipfünder fegte aus dem Rohr. Er richtete jedoch keinerlei Schaden an. Nur in der See standen wie hingezaubert ein paar Spritzer, die rasch wieder in sich zusammensanken. Der Schaluppenkapitän hielt vorsorglich so viel Distanz, daß er der Schebecke nicht näher aufsegelte. Er war nichts anderes als ein kleiner kläffender Köter, der Prügel bezogen hatte, aber aus sicherer Entfernung laut und drohend kläffte, um zu demonstrieren, daß er sich noch lange nicht geschlagen gebe. Außerdem wollte er wohl
seinem Herrn, Dom Alfonso, imponieren, um später heldenhaft zu verkünden, daß er die englischen Bastarde zum Teufel gejagt habe. „Es ist vorbei“, sagte der Seewolf zu den acht reglos dastehenden Arwenacks auf dem Achterdeck. Sie konnten ihren nachdenklichen Blick nicht von den Flammen lösen, die achteraus langsam kleiner wurden. Nur der riesige Rauchpilz hüllte noch Stadt und Hafen ein. „Ja, es ist vorbei“, sagte Al Conroy leise. „Uns hat es jedenfalls für eine ganze Weile gereicht. Erst diese erbarmungslose Jagd quer durch die ganze Insel gegen fast zweihundert Mann, und dann doch noch die Gefangennahme und das Urteil.“ „Und dann die Scheiterhaufen, die schon brannten“, ergänzte Smoky. „Da konnte es einem schon richtig warm ums Herz werden.“ Seit ein paar Tagen grinste er zum ersten Male wieder. Davor war ihnen das Lachen gründlich vergangen. Jetzt aber fanden sie so langsam zu ihrem alten Humor zurück.
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Da grinste auch der Profos Edwin Carberry, der großen Anteil an der Befreiung der Männer gehabt hatte. „Warm ums Herzchen ist gut“, tönte er. „Ihr habt ausgesehen wie riesige Krabben am Spieß. Aber daß ihr Rübenschweine jetzt wieder lachen könnt, das freut mich am meisten.“ Von achtern her stach eine Feuerlanze aus der Schaluppe, die gegen den schwarzen Qualm nur noch als vage Silhouette zu erkennen war. Es war wie ein kleiner Blitz aus der Dunkelheit, der rasch wieder verschluckt wurde. „Ein hartnäckiger Bursche“, sagte Carberry. „Wie ein kleiner Köter, der sich nicht traut, nach der Wade zu schnappen, trotzdem aber ständig hinterher rennt. Wir sollten ihm wirklich was verpassen, Sir.“ Die letzten Worte klangen fast etwas vorwurfsvoll. Hasard ging diese Meute auch allmählich auf die Nerven. Zudem bestand noch die Gefahr, daß einer von ihnen als Fühlungshalter achtern dran blieb und so immer über den Kurs der Schebecke unterrichtet war. Unter Umständen konnte das fatale Folgen haben. „Schießt ihm einen Siebzehnpfünder hinüber“, sagte der Seewolf nach kurzer Überlegung. „Pete wird die Schebecke für kurze Zeit so in Position bringen, daß wir eine Culverine abfeuern können. Vielleicht geben die Kerle dann endlich Ruhe.“ Sie hatten von der Schaluppe nichts zu befürchten, aber sie war ausgesprochen lästig und zog den Schwarm von Jollen und Fischerbooten wie eine Schleppe hinter sich her. Als ob sich die Kerle noch etwas beweisen wollten! Der Profos wollte gern sein Mütchen kühlen, denn was ihnen der ehrenwerte Dom Alfonso an Scherereien bereitet hatte, ging ihm ganz erheblich gegen den Strich. Daß sie jetzt immer noch keine Ruhe gaben, ärgerte ihn zusätzlich. Alle Culverinen und Drehbassen waren auf der Schebecke geladen. In dieser Ecke von Malakka konnten völlig unerwartet portugiesische Schiffe auftauchen, und so
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herrschte auch immer noch Gefechtsbereitschaft. „Meinst du, es langt, um den Kerlen kräftig eins auf den Pelz zu brennen?“ fragte Carberry den Stückmeister, der an einer Culverine hantierte. Al Conroy schickte den Moses Clint Wingfield in die Kombüse zum Kutscher, um eine glimmende Lunte zu holen. „Wohl kaum, die Entfernung ist zu groß, und sie vergrößert sich auch ständig.“ „Schade. So ein kleiner Treffer auf der Schaluppe hätte mir 'ne Menge Freude bereitet – und dem Kapitän sicher auch.“ „Dem Schaluppenkapitän ganz bestimmt“, sagte Al Conroy lachend. „Aber wir werden ihnen ziemlich dicht einen Gruß ans Schiff böllern.“ „Eigentlich sollte man jetzt noch, wenn die Kerle gar nicht mehr damit rechnen, einen kleinen Rachefeldzug unternehmen“, meinte der Profos. „Sag das mal dem Sir. Ich glaube kaum, daß du ihn dafür begeistern kannst. Immerhin sind wir alle froh, mit einigermaßen heilen Knochen entwischt zu sein. Wir haben Dom Alfonso trotz allem eine Niederlage nach der anderen beigebracht.“ Clint brachte den glimmenden Luntenstock nach oben und gab ihn Al, der ihn vorsichtig anblies. Ein paar Funken sprangen an seinem tagealten Bart vorbei. „Seng dir bloß nicht dein Gebüsch an“, warnte Edwin Carberry. Er blickte nach achtern zum Seewolf und erwiderte das knappe Nicken. Hasard gab den Befehl, vom Kurs zu gehen, nach Abfeuern der Culverinen aber wieder auf den alten Kurs einzuschwenken. Ein Blick achteraus zeigte ihm, daß die wilde Horde noch immer wie besessen hinterher segelte. Sie gaben sich den Anschein von Kämpfern, waren aber alles andere als das, denn sie zogen immer rechtzeitig den Schwanz ein, sobald es brenzlig wurde. „Fünf Strich Backbord“, sagte Hasard. „Fünf Strich Backbord“, wiederholte Pete und legte Ruder.
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Aus der dunklen Wolke stach abermals ein schwacher Blitz. Der Knall war diesmal kaum zu hören. Aber da war ein anderes Geräusch, ein heftiges Knacken, eine kurze Erschütterung. Hasard hielt nach Treibholz Ausschau. Es hörte sich so an, als sei der Rumpf mit einem Holzstück kollidiert. Er konnte jedoch nichts entdecken. „He, Pete, schläfst du?“ fragte er. „Wir fallen fünf Strich nach Backbord ab, oder hast du das vergessen?“ Pete Ballie lief rot an und schluckte heftig. „Liegt an, Sir“, sagte er heiser und wunderte sich über seine eigene Stimme, die seltsam fremd klang. „Na, die Tante läßt sich ja reichlich viel Zeit“, meinte der Seewolf. „Als würde sie unter Muschel- und Algenbewuchs leiden. Aber das kann nicht sein, wir haben sie erst vor kurzem gründlich gesäubert.“ Hasard wunderte sich noch darüber, doch jetzt lag die Schebecke auf dem neuen Kurs und erreichte Schußposition. Er überließ es Al Conroy, dann zu feuern, wenn er die Gelegenheit für günstig hielt. Und so hob er nur leicht den Daumen hoch, zum Zeichen, daß alles klar sei. Al Conroy peilte die Schaluppe an und zuckte dann bedauernd mit den Schultern. „Schade, es reicht nicht ganz.“ Schnell wurde die Culverine noch einmal unterkeilt. Undeutlich war zu sehen, wie die Kerle ihren mickrigen Zweipfünder nachluden. Die glühende Lunte wurde auf das Zündloch gepreßt, und sofort fraßen sich knisternd die Funken ins Kraut. Ein Zischen, dann ein brüllender Donner, und aus dem dunklen Schlund der Culverine raste ein Siebzehnpfünder mit Feuer und Rauch. „Fünf Strich Steuerbord“, sagte Hasard, nachdem der Donner verklungen war. Als Pete Ballie bestätigte, stieg weit achteraus dicht vor der Schaluppe eine mächtige Wassersäule aus der See. Sie gischtete auf und überschüttete die Kerle an der Kanone mit einem Schwall Wasser.
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Eine heldenhaft vor der Schaluppe herumkrebsende Jolle mit drei Mann an Bord, kriegte noch mehr ab. Die Kerle erschraken derart, daß sie aufsprangen, die Jolle dadurch kenterte und sie über Bord fielen. Von da ab war es mit dem Heldentum vorbei, und den Märtyrer wollte keiner spielen. Carberry schlug sich auf die Schenkel und lachte laut und schadenfroh, als die Kerle im Bach landeten und gegen den Bug der Schaluppe trieben. Er konnte sich kaum beruhigen. Die Schaluppe selbst schwenkte in rasender Eile ab, reckte den Bug zur Landseite und lief aus dem Kurs. Ihre Segel killten wild, als sie überhastet aus dem Ruder lief. Immerhin hatten die Kerle einen mächtigen Schreck erlitten. Für die anderen Fischerboote und kleinen Jollen war das Einschlagen der Kugel dicht vor der Schaluppe das Zeichen zum allgemeinen Unmut. Ihr Interesse an einer weiteren Verfolgung erlosch ziemlich schnell. Auch sie änderten jetzt ihre Krabbelkurse und hielten auf das nahe Land zu. „Heiliger Antonius, sind das Helden!“ Carberry lachte immer noch und konnte sich kaum beruhigen. „Die dürften wir jetzt wohl endgültig los sein.“ Al Conroy nickte ihm zu. Sie wischten das Rohr aus und luden es wieder nach. Nur Hasard sagte nichts. Er warf Pete Ballie einen nachdenklichen Blick zu, der sich etwas gequält am Ruder abmühte, bis die Lady endlich wieder auf dem alten Kurs lag. „Verzeihung, Sir“, sagte Pete verlegen. „Ich weiß auch nicht, was heute mit mir los ist.“ „Das kenne ich gar nicht an dir“, äußerte Hasard. „Aber schließlich hat jeder mal seinen schlechten Tag, davon bist auch du nicht ausgenommen. Ruh dich ein wenig aus, ich lasse Higgy aufs Achterdeck rufen, damit der auch mal wieder eine Pinne in der Hand hat.“
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Pete blickte etwas verständnislos drein, räusperte sich und wollte erst etwas sagen, doch dann schwieg er sich aus. Hasard hatte das Gefühl, als sei der hervorragende und erstklassige Gefechtsrudergänger ein bißchen eingeschnappt. „Ist dir etwas über die Leber gelaufen, Pete?“ „Nein, Sir“, sagte Pete und trat etwas hölzern zur Seite, als sich der irische Dickschädel Higgy an die Pinne stellte. Ohne ein weiteres Wort verließ Pete das Achterdeck. „Was ist denn mit dem los?“ fragte Higgy verwundert. „Hat den was gebissen, Sir?“ „Keine Ahnung. Er ist wohl heute nicht so richtig bei der Sache, was mich selbst sehr erstaunt. Das kenne ich an Pete gar nicht.“ „Kurs halten, Sir?“ „Ja, Kurs halten“, sagte Hasard abwesend. Auch er schien nicht ganz bei der Sache zu sein. * Der Decksälteste Smoky stand auf dem Vordeck der Schebecke, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte an den Segeln vorbei ins Kielwasser. Die Verfolger waren verschwunden, und tief an der Kimm hing nur noch eine dunkle Nebelwand, die keine Sicht mehr zuließ. „Ist Higgy vielleicht beduselt?“ fragte er Ferris Tucker, der auf den Planken hockte und ein halbes Yard Fugen kalfaterte. „Kann ich mir nicht vorstellen“, murmelte Ferris, während er Werg mit dem Kalfateisen in die Fuge trieb und mit dem Kalfathammer kräftig zuschlug. „Warum fragst du?“ „Der rennt mit der Pinne hin und her wie beim Eiertanz. Sieh dir mal das Kielwasser an! Da graust es ja sogar die Meermänner.“ Ferris legte sein Werkzeug hin und blickte ebenfalls nach achtern. „Hm“, sagte er nur und sah auf das brodelnde Kielwasser, das wie Schlangenlinien aussah.
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„Was heißt hier ‚hm'? So mies würde die Lady ja nicht mal ein Anfänger segeln. Vielleicht steckt wieder mal ein Weib in seinem verdammten irischen Dickschädel.“ „Vielleicht hat Hasard den Zickzackkurs angeordnet“, meinte Ferris. „Haha“, sagte Smoky. „Glaubst du, daß mein Vater die Straße von Malakka gepflastert hat?“ Ferris, der sich wieder seiner Arbeit widmete, blickte grinsend hoch. „Das glaube ich ganz bestimmt nicht.“ „Dann glaube ich den Zickzackkurs auch nicht.“ Paddy Rogers, der Mann mit der Knubbelnase, der an Bord allgemein als verfressen und etwa denkfaul galt, trat neugierig näher. Er hatte mal wieder was in den falschen Hals gekriegt. „War das denn früher mal 'ne richtige Straße?“ fragte er verblüfft. „Klar, eine richtige Straße, mit Katzenköpfen und so. Deshalb heißt sie ja auch heute noch Straße von Malakka. Hat mein Alter damals ganz allein gepflastert“, sagte Smoky ernst. Paddy rieb an seiner Knubbelnase herum und schüttelte den Kopf. „Da hat er bestimmt mächtig geschuftet. Jetzt ist aber alles mit Wasser vollgelaufen.“ „Ja, weil Dom Alfonso das Pflaster wieder aufgerissen hat. Seine Schiffe segelten sonst so langsam.“ „Mein Vater hat früher auch immer schwer geschuftet“, sagte Paddy. „Der war Holzfäller in Grönland.“ Smoky sperrte das Maul auf und kriegte es nicht mehr zu. „Was war dein Alter?“ blaffte er, „Holzfäller in Grönland? Da gibt's doch überhaupt keine Bäume.“ „Jetzt nicht mehr, die hat er alle umgehauen.“ Paddy drehte sich grinsend um und schlurfte davon, während Smoky immer noch die Maulsperre hatte und Ferris leise kicherte. „Der will mich wohl verarschen“, sagte er fassungslos.
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„Warum auch nicht“, meinte Ferris. „Er hat gerade noch im richtigen Augenblick gemerkt, daß du ihn verkohlst. Und jetzt hat er dir eins zurückgeballert. Paddy ist ein hintergründiger Bursche und tut nur manchmal so, als könne er nicht bis drei zählen.“ Smoky verließ das Vordeck und ging langsam nach achtern. Er nahm sich vor, Higgy ein bißchen aufzuziehen. Das erwies sich jedoch als nicht mehr nötig, denn offenbar war heute ein ganz besonderer Tag. Auf dem Achterdeck sah er grinsende Gesichter. Da standen der Seewolf, Ben Brighton, Don Juan und Dan O'Flynn, und alle hatten so ein impertinentes Grinsen in den Gesichtern. Und mit diesem Grinsen blickten sie den Iren an, der sich verzweifelt abmühte, die Schebecke auf Kurs zu halten. Jedenfalls herrschte auf dem Achterdeck prächtige Laune, die allerdings auf Higgys Kosten ging. „Gar nicht so leicht, eine Schebecke auf Kurs zu halten“, meinte Ben Brighton anzüglich. „Das scheint wohl an der ungeheuren Masse des Schiffes zu liegen.“Higgy hatte knallrote Ohren und verstand die Welt nicht mehr. Normalerweise war die Pinne leicht zu bedienen, aber heute steckte der Satan im Ruder. Die Schebecke brach immer wieder aus und benahm sich wie ein störrischer Gaul. Higgy schwitzte Blut und Wasser, weil alle so grinsten. „Hau ruhig mal zehn Strich daneben“, sagte Dan O'Flynn, „Wasser ist genug da, und die Kompaßrose hat sowieso zweiunddreißig Strich. Mit der Zeit pendelt sich das ein.“ „Vielleicht weicht er nur den vielen Riffen aus, die wir nicht sehen können“, unkte der Spanier Don Juan. Der Ire fluchte lautlos vor sich hin und wurde immer kleiner. Er gab sich alle Mühe, doch die Lady brach immer wieder aus. „Verflucht und zugenäht!“ knirschte er erbittert.
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„Fluchen hilft meist auch nicht“, sagte Hasard. „Versuch doch mal, ganz ruhig zu bleiben.“ Der Profos stand mit in die Seite gestemmten Armen da und schüttelte den Kopf. „Dein Kielwasser sieht aus, als suhlten sich da hundert Rübenschweine drin“, sagte er zu dem Iren, der vor Wut und Hilflosigkeit erstickt zu husten begann. „Bei der hochlöblichen Navy hätten sie dir spätestens jetzt die Haut von deinem irischen Achtersteven abgezogen.“ Higgy mußte sich eine Menge anhören und unterdrückte seine Wut nur noch sehr mühsam. „Laß mich mal“, sagte Carberry und schob ihn kurzerhand zur Seite. „Muß euch Kanalratten und verlausten Kakerlaken wohl wieder mal zeigen, wie man so einen Waschzuber segelt. Sieh dir das gut an, mein Sohn“, setzte er gönnerhaft hinzu. „Aye, aye, Daddylein“, sagte Higgy grimmig. Das große Grinsen ging noch immer um, denn mittlerweile hatten auch alle anderen spitzgekriegt, was da los war. Und so fehlte es auch nicht an gesalzenen Kommentaren. Der Profos Edwin Carberry gab nun wirklich sein Bestes, mußte aber bald grimmig feststellen, daß da etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Aber um zu demonstrieren, daß er nun mal der Größte war, lehnte er sich lässig an die Pinne und grinste überheblich. Die Schebecke brauchte nicht lange, und schon gierte sie aus dem Kurs und zog nach Osten. Carberry schluckte nur, stemmte sich wutergrimmt gegen die Pinne und drückte sie zur anderen Seite. „Segeln wir eigentlich nach Borneo?“ fragte Dan und hatte wieder dieses anzügliche Grinsen im Gesicht. „Ich meine nur, weil Ed ständig den Kurs wechselt, sich jetzt aber wohl für Osten entscheidet.“ Carberry warf ihm einen mörderischen Blick zu, verschluckte aber eine geharnischte Erwiderung gerade noch.
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„Verdammt, da klappert doch was!“ rief er aufgebracht. Er schaffte es nur mühsam, die Lady wieder auf den alten Kurs zu bringen, wo sie sich allerdings auch nicht lange hielt. „Das ist die Jolle, die wir noch nachschleppen und nicht an Bord nehmen konnten“, sagte Mac Pellew und lachte wie ein kranker Ziegenbock. „Alles nur faule Ausreden, Mister Carberry.“ Hasard warf einen Blick auf die achtern nachgeschleppte Jolle, aber die hing stramm im Kielwasser und reckte den Bug hoch aus der See. Jedenfalls verursachte sie kein Geräusch wie jenes, das sie vorhin schon einmal gehört hatten. Es zeigte sich bald, daß auch der eiserne Profos ganz normale Nerven hatte. Sein Rammkinn schob sich vor, der Blick verdüsterte sich, und sein Mund wurde hart mit vielen Kerben darin. Am Hals schwoll ihm eine Ader wie eine mittlere Ankertrosse. Am meisten ärgerte ihn das mehr oder weniger versteckte Feixen der Kerle, und dabei blätterte eine ganze Menge von seinem Selbstbewußtsein ab. Er kriegte die Schebecke einfach nicht in den Griff und hatte das Gefühl, als Rudergänger ein absoluter Neuling zu sein. Kaum hatte er die Lady wieder manierlich auf Kurs, da begann sie auch schon wieder zu zacken. Diesmal wanderte sie zur Abwechslung hart. nach Steuerbord aus. Pete Ballie, gewiß nicht von Schadenfreude durchsetzt, erschien wieder auf dem Achterdeck und sah dem Profos zu. Er verkniff sich das Grinsen und schaute betont gelangweilt drein. Aber selbst dieser gelangweilte Blick regte den Profos auf. Er brauchte ein Ventil, um seinen Ärger abzulassen. „Du brauchst gar nicht so gelangweilt um die Kimm zu schielen und dir das Grinsen zu verkneifen!“ fuhr Carberry ihn an. „Ich weiß ganz genau, was du denkst.“ „Wie schön, daß du jetzt auch noch Gedanken lesen kannst”, erwiderte Pete. „Dann denk doch mal daran, die Tante stur auf Kurs zu halten. Gar nicht einfach, was?
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Aber über mich grinsen und Hohn und Spott ausgießen, das kannst du.“ „Irgendetwas hat sich im Ruder verklemmt“, böllerte Carberry los. „Kann gar nicht anders sein. Vielleicht ist es ein Stück Holz, das immer wieder das Ruder blockiert. Achteraus lachen sich ja die Portugiesen halb tot, wenn sie unseren Brabbelkurs sehen.“ Hasard warf einen Blick nach achtern, doch von den verwegenen Helden war nichts mehr zu bemerken. Sie hatten in der grauen Finsternis und dem Qualm Land angelaufen. Aber er glaubte in dem düsteren Grau undeutlich und noch weit entfernt einen großen Schatten zu erkennen. Allerdings verschwamm und verzerrte sich das Bild immer wieder vor seinen forschenden Blicken. Während die Rudergänger sich weiter stritten, winkte der Seewolf Dan O'Flynn zu sich heran. Mit dem Kopf deutete er achteraus. „Was kannst du an der achterlichen Kimm erkennen?“ „Zunächst Schlieren und viel Qualm“, sagte Dan sofort. „Aber in dem Qualm bewegt sich eine graue Masse, ein ominöses Gebilde, das ich beim besten Willen nicht erkennen kann.“ „Könnten es die Umrisse eines Schiffes sein?“ „Das wäre möglich“, räumte Dan ein. „Aber es bewegt sich ziemlich langsam. Du nimmst an, daß wir noch einen größeren Verfolger haben, Sir?“ „Wäre doch nicht ausgeschlossen. Zwei Meilen weiter bewegt sich auch noch eine Jolle auf dem Wasser. Sie segelt näher am Land als der große Schatten.“ „Die sehe ich auch“, sagte Dan. „Ein unauffälliger Fühlungshalter zu einem größeren Schiff der Portugiesen.“ „Ziehen wir die Möglichkeit einmal in Betracht“, meinte Hasard. „Kerle wie Dom Alfonso verkraften keine Niederlagen und sinnen ständig auf Rache. Wir segeln jetzt jedoch in den Riau-Archipel, und da können wir eventuelle Verfolger im Inselgewirr leicht abschütteln, zumal es auch in ein paar Stunden dunkel wird.“
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Während Dan gedankenvoll nickte, sah er noch einmal zu der diffusen Rauchwolke. Der Schatten war noch da, aber er verschmolz mit dem Nebel zu einer undefinierbaren Masse, die sich auch mit dem Spektiv nicht durchdringen ließ. 2. Dringlicher als der weit achteraus hängende mögliche Verfolger war jetzt die Sache mit dem Ruder. „Es schlackert“, behauptete Pete Ballie. „Man spürt es sofort beim Ruderlegen. Es ist, als stelle sich das Ruderblatt mitunter quer, wenn .es gerade liegen soll.“ Die Sache duldete jedoch keinen Aufschub, und so versuchte sich der Seewolf selbst an der Ruderpinne. Schon nach ein paar Minuten nickte er, als die Lady ohne sein Zutun wieder mal den Kurs verließ und in Richtung Land Zuflucht suchte. „Ausgerechnet jetzt“, sagte. er. „Aber es hätte schlimmer sein können. Ein Ruderschaden während des Gefechts hätte uns nicht nur das Schiff, sondern auch das Leben kosten können.“ „Und was tun wir jetzt mit den Verfolgern im Kielwasser?“ Es war Don Juan, der das fragte. „Erstens ist nicht absolut sicher, daß es Verfolger sind“, erwiderte Hasard, „und zweitens segeln wir in die Dunkelheit hinein. Zwischen den Inseln sind wir die Kerle los, falls es sich wirklich um eine portugiesische Galeone oder Karavelle handelt.“ „Und die Jolle?“ „Die bereitet mir augenblicklich den geringsten Kummer. Sie werden wohl beobachten, daß wir seltsame Kurse segeln, doch daraus werden sie vermutlich nicht die richtigen Rückschlüsse ziehen.“ „Hoffentlich nicht“, meinte der Spanier. „Wenn der Schatten so eine Art Feuerspucker ist, kann es unangenehm werden.“ Die Frotzeleien über die Rudergänger waren vorbei. Hasard bemühte sich, die Lady weiterhin auf Kurs zu halten. Auch er
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war davon überzeugt, daß sich irgendetwas im Ruderblatt verklemmt hatte. Jedenfalls war es kein größerer Gegenstand, denn von oben war nichts zu sehen, wie er nach einem schnellen Blick festgestellt hatte. Der größte Teil der Straße von Malakka lag längst hinter ihnen. Die Schebecke segelte jetzt bei einem Wind, der langsam abnahm, an der Ostküste Sumatras in den Riau-Archipel. Ein gewaltiges Inselreich lag vor ihnen. Der Blick achteraus bewies, daß die graue Masse immer mehr verschwamm und einem brodelnden Nebel wich. Auch die Jolle wurde langsam davon umhüllt und war nur noch schwach zu erkennen. Dem Seewolf war das nur recht. So konnten sie schon bald irgendwo eine geschützte und versteckte Stelle anlaufen, um den Ruderschaden zu inspizieren und zu beheben. Nach mehr als einer Stunde sahen sie auch die Jolle nicht mehr, obwohl zu vermuten war, daß sie ihnen auch weiterhin unauffällig folgte. „Man sollte sich hinter einer Landzunge auf die Lauer legen und diese verdammten Bastarde ganz überraschend abräumen“, sagte der Profos Edwin Carberry grimmig. „Wenn wir Dom Alfonso noch eine Kriegskaravelle versenken würden, wäre das eine feine Sache.“ Hasard fing die Lady gerade wieder ab, als sie nach Backbord auszubrechen drohte. Dabei gab es irgendwo tief unter ihnen wieder einen leisen, aber unüberhörbaren Knacks. „Vergiß es, Ed“, sagte er. „Nicht mit diesem Ruder, das dem Druck kaum noch gehorcht. Wir wären nur im Nachteil und müßten etliches einstecken. Mit einer flügellahmen Ente greift man keinen übermächtigen Gegner an. Vielleicht ergibt sich ja noch mal irgendwann eine günstige Gelegenheit.“ Weit voraus erstreckte sich ein Inselgewirr vor ihren Blicken. Im Westen neigte sich die Sonne langsam dem Horizont zu. Hasard hielt auf ein ganz bestimmtes Eiland zu, das ziemlich groß und außerordentlich dicht bewachsen war.
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Ganze Palmenhaine säumten die schmalen Ufer, überall befanden sich kleine Huks und tiefe Einschnitte an der Küste. Unterdessen hielt Dan nach der Jolle Ausschau, doch er konnte sie nicht entdecken. „Nichts zu sehen“, erklärte er, „womit aber nicht gesagt ist, daß uns die Kerle aus der Jolle nicht auch sehen können. Schließlich stellen wir einen großen Schatten dar.“ An Steuerbord gab es noch mehr Inseln und Inselchen, hin und wieder auch die bienenkorbähnlichen Felsen im Wasser. Ein Verfolger hatte es hier ziemlich schwer, sein Opfer aufzuspüren, wenn es erst mal einen gewissen Vorsprung hatte. Die Schebecke segelte in das Gewirr hinein und verlor sich schnell darin. Hasard behielt aber die einmal angepeilte Insel scharf im Auge, denn da schien es unzählige Verstecke zu geben. Eins entdeckten sie auch schon etwas später, als die Sonne noch tiefer im Westen stand. Es waren zwei kleine Landzungen, dicht mit Vegetation bewachsen, zwischen denen sich eine schmale Einfahrt befand. Dahinter war alles dunkelgrün mit einem winzigen Sandstreifen. „Kleine Bucht an Backbord!“ rief Bob Grey aus dem Ausguck. „Für uns ein idealer Liegeplatz, von außen nicht einzusehen.“ Hasard zeigte klar und segelte die Schebecke zwischen den beiden Huks hindurch. Im ruhigen Wasser, als kaum noch Druck auf dem Ruder war, begann die Lady wieder zu bocken, und fast hätten sie noch das Ufer der Landzunge gestreift. Im letzten Augenblick kamen sie klar und liefen in die kleine Bucht. Stickige Luft umfing sie. Das Wasser schimmerte grün, unter ihnen waren ein paar kleine Tangwälder zu sehen. Mangroven hatten einen Teil der Bucht fast trockengelegt. Dort gab es nur noch Schlamm und Morast, aus dem zähe Blasen nach oben stiegen und träge zerplatzten.
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Die Segel wurden geborgen, der Anker gesetzt. Don Juan blickte sich etwas enttäuscht um. „Nicht gerade der ideale Platz, um ein beschädigtes Ruder zu reparieren“, sagte er mit einem Blick zum Land. „Da können wir nirgendwo aufslippen, wenn das erforderlich wird.“ „Aber ein guter Liegeplatz für die Nacht“, sagte Hasard. „Mit dem Ruder möchte ich eine Weiterfahrt nicht riskieren. Bei etwas kabbeliger See gibt es Bruch, zumindest einen größeren Schaden. Hier können wir aber in Ruhe feststellen, was unserer Tante fehlt.“ „Dazu nutzen wir schnell noch den Rest des Sonnenlichtes“, sagte der Mandingo Batuti. „Ich werde tauchen und gleich nachsehen.“ „Gut, aber sieh zu, daß du nicht im Tang hängenbleibst“, sagte der Seewolf. Die nachgeschleppte Jolle hatten sie mittlerweile längsseits eingeholt, gleich darauf enterten Batuti und Ferris Tucker gemeinsam ab, um sich den Schaden anzusehen. Sie brachten die Jolle zum Ruderschaft und vertäuten sie. Über das Dollbord ließen sie sich ins Wasser gleiten, um unter das Heck zu tauchen. Unter ihnen war dunkelgrüner, fast brauner Tang. Die Masse war in leichter, wallender Bewegung und reichte bis fast unter den unteren Teil des Ruderblattes. Bis dahin war auch das Wasser in der kleinen Bucht kristallklar. Fast gleichzeitig entdeckten sie die Ursache für das zeitweilige Versagen des Ruders. Ganz oben, zwischen Achtersteven und Ruder hatte sich ein U-förmiges Holzstück verkeilt. Schlug das Ruder bis zu einem gewissen Winkel an, stieß es auf den hölzernen Widerstand, und dabei war vermutlich auch jedesmal das knackende Geräusch entstanden. Wurde das Ruder zur anderen Seite gedreht, geschah das gleiche noch einmal, und alles wiederholte sich. Bei jeder größeren Drehung gab es einen Widerstand. Kein Wunder, daß die
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Schebecke dadurch ständig aus dem Kurs gierte. Auch die harten Fäuste der Rudergänger schafften es nicht, den Widerstand zu überwinden. Ferris nickte dem schwarzen Herkules zu. Gemeinsam begannen sie dann an dem Stück zu schieben und zu zerren. Es hatte sich sehr fest verkeilt und ähnelte dem abgebrochenen Rest einer Bodenwrange, die wahrscheinlich von einer portugiesischen Karavelle stammte. Zuerst nahm Ferris an, jemand habe das absichtlich getan, sei an das Ruderblatt geschwommen und habe es auf diese Art zu verkeilen versucht. Den Gedanken verwarf er jedoch nach kurzer Überlegung wieder, weil er einer Prüfung nicht standhielt. Das „Ruderschlackern“ war erst jetzt bemerkt worden, und da segelten sie fast platt vorm Laken. Erst bei kleinen Kursänderungen war es bemerkt worden. Von Malakka bis hierher konnte sich aber niemand einem Schiff in voller Fahrt getaucht nähern. Also war es nichts weiter als ein unglückseliger Zufall, der das schwere Holzstück zwischen Achtersteven und Ruder getrieben hatte. Prustend tauchten sie wieder auf, hielten das Stück Holz hoch und gingen abermals auf Tiefe. Das Holz trieb jetzt neben der Jolle, war aber so schwer und naß, daß es kaum noch aus dem Wasser ragte. Smoky angelte es mit dem Haken herbei und hievte es an Bord. „Das ist also der Übeltäter“, sagte Big Old Shane. „So ein verdammtes kleines Miststück kann einem Kopf und Kragen kosten.“ In dem Holzstück befanden sich winzige Löcher, dicht nebeneinander wie ein Sieb. Man sah sie nur, wenn man sich bückte und genau darauf blickte. „Toredo navalis“, sagte der Kutscher nach einem langen Blick. „Das Schiffchen, von dem es stammt, war auch nicht mehr das jüngste.“ „Das ist ein Stück einer Bodenwrange!“ rief Carberry entrüstet. „Und kein Torero Dingsbums! Sieht doch jeder Affenpinsel.“
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„Ah, Euer profosliche Durchlaucht wünschen wieder mal eine Sonderbelehrung“, sagte der Kutscher grinsend. „Unter Toredo navalis versteht man den entzückenden kleinen Wurm, der es vorzieht, seine Gänge in Eichenholz zu bohren, worauf die winzigen Löcher einwandfrei hindeuten. Weiß doch jeder Affenpinsel“, setzte er höflich hinzu. „Ach so, den meinst du“, knurrte der Profos und kriegte vor Verlegenheit einen roten Schädel. „Aber der ist schließlich nicht dran schuld, daß das Ruder nicht gehorchte.“ „Was ich auch keineswegs behauptet habe“, entgegnete der Kutscher gelassen. „Ich traf lediglich eine Feststellung der Bewohner dieser Bodenwrange.“ „Vergeben und vergessen“, erwiderte Carberry. „Du hast mich profosliche Durchlaucht genannt, und das sehe ich nicht gerade als Beleidigung. Oder hast du krummer Hund das wieder anders gemeint?“ Der Kutscher schluckte den „krummen Hund“ gemessen und sehr gelassen, fast mit Würde. „Dein Wortschatz deutet daraufhin, daß sich unter Umständen auch bei dir Toredo navalis eingenistet hat“, sagte er freundlich. „Der bevorzugt manchmal auch Holzköppe, hohle wohlgemerkt, was ihm kolossal die Wühlarbeit erleichtert.“ Carberry braßte schon auf, aber zwei triefende Gestalten, die über das Schanzkleid aufenterten, unterbrachen den ergötzlichen Disput. Augenblicklich waren die kleinen Spitzfindigkeiten vergessen. „Wie sieht es aus?“ fragte der Seewolf gespannt. „Hat das Ruder etwas abgekriegt?“ „Ja, leider“, sagte Ferris. „Der Druck der Bodenwrange auf das Ruderblatt hat bewirkt, daß ein Fingerling gebrochen ist. Ein weiterer ist angebrochen und wird keiner größeren Belastung mehr standhalten.“ „Das heißt also“, sagte Hasard langsam, „daß wir aufslippen müssen, um den Schaden zu beheben.“
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„Sehr richtig, Sir, daran führt leider kein Weg vorbei. Das heißt aber auch, daß wir noch segelfähig sind. Nur starkes Kabbelwasser oder ein Stürmchen dürfte das Ruderblatt nicht mehr überstehen, ohne daß auch die anderen Fingerlinge dann abscheren.“ „Gute Arbeit“, lobte Hasard. „Wenigstens wissen wir jetzt genau, wie wir dran sind.“ Er sah sich in der winzigen Bucht um und schüttelte nach gründlicher Überlegung den Kopf. „Hier sind nur Mangroven und sumpfiges Gelände. Der Strand, oder wie immer man das nennen will, taugt nicht zum Aufslippen.“ „Nein“, sagte auch Ben Brighton, „hier würden wir nur in den Schlick einsinken. Außerdem ist die gesamte Bucht voller Tangwälder. Wir müssen uns ein anderes Fleckchen suchen.“ „Heute nicht mehr“, entgegnete Hasard. „Es wird gleich dunkel, und der Wind hat sich ebenfalls zur Ruhe begeben. Wir versäumen nichts, wenn wir morgen früh weitersegeln.“ Bei den Worten spielte ein eigentümliches Lächeln um seine Lippen. „Da ist doch noch etwas“, hakte Don Juan sofort nach, als er das undeutbare Lächeln sah. „Ja, da ist noch etwas“, gab der Seewolf zu. Die Mannen sahen ihn gespannt an. „Wie wir wissen, haben wir ein oder zwei Verfolger. Möglicherweise haben wir uns das aber auch nur eingebildet. Ganz sicher bin ich mir jedoch nicht. Wir liegen hier so geschützt und unsichtbar, daß uns bei Dunkelheit niemand sieht. Es kann aber sein, daß die Männer in der Jolle ein bißchen die Inseln abklappern, um zu sehen, wo wir geblieben sind.“ „Ich verstehe“, sagte Dan O'Flynn grinsend. „Diesen eifrigen Suchern könnten wir heute nacht auflauern oder sie zumindest beobachten, wenn sie sich in diese Ecke verirren.“ „Genau das habe ich vor. Wenn Dom Alfonso nicht endlich seine Rachegelüste aufgibt, werden wir ihm nochmals einen
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Denkzettel verpassen, denn ich nehme an, daß der Jolle das größere Schiff folgt. Und das werden wir uns dann schnappen.“ Carberry grinste zwar bis zu den Ohren, meldete aber trotz seiner eigenen Rachegelüste auf Dom Alfonso de Albuquerque leichte Bedenken an. „Der Kerl täte eine Sonderbelehrung in Sachen Feuersbrunst oder Ähnliches zwar gut, Sir, aber wir sind sozusagen behindert wegen der angeknacksten Fingerlinge. Du hast selbst gesagt, daß man mit einer flügellahmen Ente nicht zum Kampf antritt.“ „Ich habe auch nicht vor, ihn mit der Schebecke zu einem Nachtgefecht zu stellen. Wir haben andere Möglichkeiten, und wir haben vor allem das Überraschungsmoment auf unserer Seite, denn die Portugiesen dürften ganz sicher nicht mit einem überraschenden Angriff rechnen. Sie werden es auch erst dann merken, wenn es für sie zu spät ist.“ „Das heißt also“, sagte Don Juan, „wir sollten unsere Aufmerksamkeit vordringlich auf die Jolle konzentrieren, falls die überhaupt noch auftaucht.“ „Wir haben Zeit“, erwiderte der Seewolf gelassen, „und wir liegen in einem gut getarnten Versteck. Ich schlage daher vor, daß wir uns die Kerle in der Jolle schnappen, wenn sie herumschnüffeln.“ Der Vorschlag stieß auf begeisterte Zustimmung. Wenn Dom Alfonso keine Ruhe gab, würde man ihn dahingehend belehren, daß es besser wäre, jetzt endlich aufzugeben. „Den Jollenknechten werden wir natürlich gut zureden, damit wir auch Informationen erhalten“, sagte der Profos eifrig und betrachtete dabei gleichzeitig seine riesigen Pranken, die schon so 'manchem gut zugeredet hatten. Allerdings war das meist kein sehr hilfreicher Trost gewesen. „Dann sehen wir uns doch mit der Jolle zunächst das Revier an, in dem wir hier gelandet sind“, schlug Smoky vor. „Es ist nur von Vorteil, wenn man die Umgebung genau kennt.“ „Und wir bereiten inzwischen das Abendessen vor“, sagte Mac Pellew und
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kratzte sich das Genick, wo ihn gerade eine Mücke gestochen hatte. Während die beiden Köche mit dem Moses Clint Wingfield daran gingen, für die hungrige Bande das Abendessen zuzubereiten, enterten die Zwillinge Philip und Hasard bereits grinsend in die Jolle ab, gefolgt von Carberry, Don Juan und Smoky. Eine halbe Stunde Zeit blieb ihnen noch bis zum Sonnenuntergang. Allerdings wurden jetzt in der Bucht die Moskitos lästig. Aus dem Mangrovensumpf stiegen sie in Schwärmen auf und fielen über die Arwenacks her. 3. Weil in der Bucht jetzt nicht mal ein laues Lüftchen wehte, pullten sie die Jolle. Inzwischen war es geisterhaft still geworden. Außer ein paar Vögeln gab es auf der Insel keinerlei Tiere. Nur die Moskitos summten ihnen unaufhörlich um die Ohren. Carberry sah kopfschüttelnd; daß Clint Wingfield auf der Schebecke eine Laterne entzündete und sie ins Want des Großmastes hängte. Der Schein war noch sehr schwach, aber bei Dunkelheit würde er sich verbreiten und wesentlich heller leuchten. „Was soll das denn?“ fragte er. „Bei dem Licht sieht uns doch ein Blinder auf drei Meilen gegen den Wind.“ Der Profos drückte sich mitunter schon recht eigenartig aus. Jung Hasard zog gleichmütig die Riemen durch. „Hat der Sir angeordnet“, sagte er. „Die Funzel ist gewissermaßen als Lockvogel ausgebracht worden. Sie soll ganz dezent darauf hindeuten, daß hier ein Schiff liegt.“ „Verstehe“, äußerte Carberry und grinste. „Da hat die Jollencrews es dann leichter, uns zu finden.“ „Genau das.“ „Die müssen uns für ganz schön bescheuert halten“, motzte Carberry, als sie die Einfahrt erreicht hatten. „Denn
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normalerweise zündet man kein Licht an, um sich nicht zu verraten.“ „Sie ahnen doch nicht, daß wir wissen, daß man uns verfolgt“, entgegnete Philip. „Also werden sie sich vorsichtig heranpirschen.“ „Hört sich ein bißchen kompliziert an, aber ich habe schon kapiert.“ Als sie aus der Bucht waren, gingen sie dicht unter Land und sahen sich um. Die Einfahrt war kaum zu entdecken, und bei Nacht würde man sie ganz sicher nicht sehen, wenn da nicht das kleine Licht gewesen wäre, das matt durch das Grün schimmerte. Das weckt natürlich sofort die Aufmerksamkeit der Portugiesen, dachte der Profos, und dann hatten sie auch endlich Gewißheit. Don Juan suchte inzwischen die See ab und benutzte den besonders guten Kieker. „Möglicherweise haben wir uns geirrt“, sagte er nach einer Weile vergeblichen Suchens. „Weit und breit ist nichts zu sehen, weder eine Jolle noch ein größeres Schiff.“ Da setzte aber schon die Dämmerung ein, und als er es noch einmal versuchte, glaubte er, fast unter der Kimm, etwas zu bemerken. Es konnte allerdings auch ein Fischerboot sein, so genau ließ sich das nicht mehr feststellen. Sie sahen sich die beiden Landzungen an und entdeckten einen Platz, an dem man die Jolle hervorragend Verstecken konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Auch die anderen Landzungen wurden einer kurzen Inspektion unterzogen. Inzwischen war es dunkel geworden. Tief im Süden blinkte ein einzelner Stern. Vom Mond war nur hin und wieder eine schmale Sichel zu sehen. Wolken zogen über den nächtlichen Himmel, aber sie brachten keinen Wind mit. Luftbewegungen spielten sich zur Zeit in größeren Höhen ab. Über das Wasser wehte nur ein schwacher Hauch, der es kaum kräuselte. Das Licht in der Bucht schimmerte jetzt mattgelb. Dichte Schwärme von Moskitos tanzten um den Lichtschein wie eine kleine Wolke.
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„Kehren wir wieder um“, sagte der Spanier nach einem vorläufig letzten Blick durch das Spektiv. „Wir essen eine Kleinigkeit und legen uns danach wieder auf die Lauer. Für die nächste Stunde ist auf keinen Fall etwas zu befürchten.“ „Noch nichts in Sicht“, meldete Smoky, als sie die Jolle längsseits vertäuten. „Wir haben aber ein hervorragendes Versteck gefunden, für den Fall, daß wir doch noch Besuch kriegen.“ „Dann könnt ihr nach dem Essen den ersten Wachtörn übernehmen“, sagte der Seewolf. „Zwei Stunden, dann kehrt ihr wieder zurück und werdet abgelöst. Es kann sein, daß wir uns getäuscht haben, aber wir gehen kein Risiko ein. Taucht hier wirklich ein Kriegsschiff auf, sind wir in der Bucht gefangen. Die Portugiesen brauchen sich nur vor die Einfahrt zu legen.“ „Dann wäre es doch vielleicht besser, das Licht zu löschen, damit nichts auf unsere Anwesenheit hindeutet“, sagte Ben Brighton, der immer ein bißchen vorsichtig war und alles genau durchdachte. „Wenn wir ein Licht sehen oder ein Schiff bemerken, wissen wir auch so, daß wir Verfolger haben.“ „Und das geht dann ewig so weiter?“ fragte Hasard. „Nein, mein lieber Ben, die Kerle schnappen wir uns, damit es endlich Ruhe gibt. Mir ist es verdammt unangenehm, immer einen Fühlungshalter im Nacken zu haben. Auf die Dauer nervt das.“ „War nur ein Vorschlag. Aber im Prinzip hast du recht, Sir.” Das Essen wurde an Deck eingenommen. Sven Nyberg würde sich etwas später bedienen. Zur Zeit stand er im Ausguck und peilte die See ab. Die drückende Hitze sorgte dafür, daß sich der Hunger in Grenzen hielt. Dafür wurde um so mehr getrunken. Um die Laterne tanzten immer noch die Moskitos. Clint Wingfield drehte den Docht etwas weiter zurück, bis nur noch ein matter Lichtschein das Deck und die Takelage erhellte. Von See her konnte man
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das Licht jetzt höchstens auf eine halbe Meile Entfernung erkennen. Die Backschafter begannen bereits mit dem Abbacken, als die fünf Arwenacks wieder in die Jolle abenterten. „Zwei Stunden“, sagte der Seewolf noch einmal. „Dann seid ihr entweder wieder an Bord, oder ich schicke die andere Jolle. Nach zwei Stunden angestrengter Sucherei läßt die Aufmerksamkeit meist etwas nach, und das wollen wir vermeiden.“ „Bei Erfolg bringen wir die Kerle gleich mit“, erwiderte der Profos. Er freute sich schon darauf, ein paar Figuren abräumen zu können, doch innerlich zweifelte auch er langsam daran, daß sich in dieser Hinsicht noch etwas tat. „Einverstanden“, entgegnete Hasard. Er sah der Jolle nach, die gleich darauf im Dunkel der Nacht verschwand. * Länger als eine Stunde lagen sie jetzt schon auf der Lauer, bis Don Juan plötzlich aufschrak und Carberry anstieß. „Da, ein Licht auf See“, raunte er, „ein ganz mattes Licht.“ Sie blickten in nordwestliche Richtung. Da geisterte auf der schwarzen Wasseroberfläche ein tanzender Lichtschein, so schwach, daß man ihn kaum sah. Es war ein silbriges Gekräusel, das hin und her zuckte. „Wie ein Irrlicht“, sagte Philip. „Granddad würde das natürlich wieder als Wassergeist bezeichnen.“ „Ja, das wäre für Old Donegal genau das Richtige“, meinte der Profos, und er fühlte sich bei dem eigenartigen Anblick gar nicht mehr so richtig wohl in seiner Haut. Aber das mußte er natürlich übertünchen und hätte es nie zugegeben. Der Reflex zuckte unruhig über das Wasser, huschte mal hierhin, wurde dann länger oder verkürzte sich auf seltsame Art. Es dauerte eine ganz Weile, bis sie herausfanden, was es nun wirklich war. „Eine Jolle mit abgeblendeter Hecklaterne“, sagte Don Juan. „Sie haben
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ihr Licht achtern so postiert, daß man es kaum sieht. Es fällt nur ein ganz schwacher Schein achterlich ins Wasser.“ „Was also bedeutet“, sagte Smoky eifrig, „daß wir mit unserer Vermutung genau richtig liegen. Die Jolle ist ein Fühlungshalter und weist mit ihrem schwachen Licht einem größeren Schiff den Weg. Der andere segelt natürlich völlig abgedunkelt und orientiert sich an der Jolle. „Mit Segeln ist nicht viel drin“, sagte Jung Hasard. „Die können bestenfalls langsam durch die Nacht schleichen. Ob sie unser Licht schon entdeckt haben?“ „Das wäre möglich.“ Sie irrten sich. Die Kerle in der Jolle entdeckten das Licht erst etwas später. Daraufhin änderten sie ganz plötzlich den Kurs. Und jetzt geisterte der Lichtreflex an anderer Stelle auf. „Jetzt haben sie was gerochen“, sagte Philip. „Dann dürfte es auch nicht mehr lange dauern, bis sie die Einfahrt finden.“ Don Juan de Alcazar hatte wieder das Spektiv vorm Auge. Bei Dunkelheit war damit nicht sehr viel zu erkennen, aber nachdem er eine ganze Weile hindurchgeblickt hatte, erkannte er die beiden Schatten in der Jolle. „Es sind nur zwei Kerle“, sagte er. „Einer hockt bei fast schlaffen Segeln an der Pinne, der andere hat wahrscheinlich einen Kieker vor der Nase.“ „Bist du sicher?“ fragte Hasard junior. „Nur zwei Mann?“ „Ganz sicher bin ich nicht. Könnte ja sein, daß sich einer der Länge nach in der Jolle ausgestreckt hat. Zu sehen sind jedenfalls nur zwei Männer.“ „Wir lassen sie bis in die Nähe der Einfahrt“, flüsterte Carberry. „Sobald sie auf unserer Höhe sind, rammen wir sie und räumen sie ab. Die Jolle drehen wir so, daß die anderen das Licht nicht mehr sehen können. Dann werden sie ein bißchen umherirren und ...“ „Später“, raunte Smoky, „jetzt schnappen wir uns die Burschen erst mal, danach sehen wir weiter.“
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Sehr langsam segelte die Jolle näher heran. Sie orientierten sich nach dem Licht, das matt in der Bucht schimmerte, und sie waren sehr vorsichtig und mißtrauisch. Die Augen der Arwenacks hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt. So konnten sie jetzt auch genau unterscheiden, was in der Jolle vorging. Einer der Kerle stand auf und deckte die Lampe ab. Der matte Schimmer erlosch. Nur noch schemenhafte Umrisse waren zu sehen. Anschließend nahm er Fock und Großsegel weg, bis die Jolle sich nicht mehr bewegte und reglos nur noch fünfzig Yards entfernt auf dem Wasser lag. Carberry zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen. Er beugte sich vor und peilte durch das Dickicht, in dem ihre eigene Jolle versteckt war. Hatten die Kerle etwas bemerkt? Aber das war ausgeschlossen, denn wenn sie noch so gut sahen, in den finsteren Hintergrund der kleinen Wildnis konnten sie nicht blicken. „Die beobachten nur“, raunte Don Juan. „Erst wollen sie mal auskundschaften, was hier los ist. Du wirst sehen, Ed, die steigen bald an Land.“ „Hoffentlich, ich bin schon ganz kribbelig.“ Sie mußten sich mindestens zehn Minuten lang in Geduld üben. Die beiden Männer in der Jolle rührten sich nicht. Sie hockten da wie leblose oder erstarrte Figuren. Aber sie sahen das Licht, und sie hörten offenbar auch ein paar Worte, die aus der Bucht drangen. Plötzlich überlief es den Profos siedendheiß. „Stell dir vor, die hauen jetzt einfach ab, ohne nachzusehen“, sagte er stockend. „Was dann?“ „Dann törnen wir hinterher und räumen sie ab“, erwiderte der Spanier gelassen. „Aber daran habe ich auch längst gedacht. Wir lassen sie nicht mehr entwischen.“ Das beruhigte den Profos außerordentlich, und er tat das durch ein leises und erleichtertes Seufzen kund. In die Jolle geriet wieder Bewegung. Zwei Riemen tauchten lautlos ins Wasser.
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Gesprochen wurde zwischen den Kerlen kein Wort, vielleicht flüsterten sie mal hin und wieder, aber das war nicht zu hören. Sie hielten genau auf die Huk zu, in deren Dickicht an Land die Arwenacks versteckt lauerten. Die Landzunge lag der Einfahrt auch am nächsten. Sie pullten wirklich so gut wie lautlos, bis sie den äußeren Zipfel der Huk erreichten. Ihre Jolle schoben sie in die Büsche. Es raschelte nur leise. Carberry stieg lautlos an Land, gefolgt von Smoky. Den anderen bedeuteten sie, in der Jolle zu bleiben. Die beiden Portugiesen, oder was immer das für Kerle sein mochten, hatten vor, ein Stück über die Huk zu schleichen, um von dort einen Blick in die Bucht zu werfen. Ein leises Plätschern ließ sich allerdings nicht vermeiden, als sie ausstiegen und an Land wateten. Zwischen den vielen Sträuchern und Büschen sah Carberry, wie beide sich duckten und auf den Knien vorsichtig weiterrutschten. Smoky stand links neben einem krüppeligen Baum. Carberry auf der anderen Seite, und somit war von vornherein ohne Absprache festgelegt, wer wen abräumen würde. Nicht lange, und die beiden waren auf gleicher Höhe mit den Arwenacks, die reglos dastanden. Der eine kroch dicht an Smokys Stiefeln vorbei, der andere bewegte sich auf die Mammutsäulen zu, die dem Profos gehörten und glatt als Torfkähne durchgehen konnten. „Pssst“, flüsterte der Profos. „Ruhig“, knurrte der andere auf portugiesisch, in der Annahme, sein Kumpan habe gezischt. „Was ist denn?“ „Feierabend“, raunte Carberry. Der Profos hörte etwas klatschen. Aber das war Smoky, der gerade zum entscheidenden Schlag ausgeholt hatte. Den Kerl traf eine eisenharte Handkante im Genick, und er streckte sich seufzend aus.
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Dem anderen schien etwas zu schwanen. Er richtete sich auf, drehte sich um – und... Er kannte den Profoshammer noch nicht, und er sah auch nicht diese riesengroße Bratpfanne von Faust, die ihm unters Kinn wischte. Der Schlag hob ihn fast aus den Stiefeln. Bolzen-gerade schwebte er eine Handbreite über dem Boden und sackte dann wie ein leerer Mehlsack in sich zusammen. Die Welt explodierte für ihn in einer grellbunten Detonation und ließ ihn in ein Meer schwarzer Watte sinken. Jetzt war wirklich Feierabend für beide. Jeder klemmte sich einen der Bewußtlosen unter den Arm und trug ihn zur Jolle. „Alles klar“, sagte Smoky. „Ihr könnt jetzt die andere Jolle holen. Wir nehmen sie mit in die Bucht.“ Philip und Hasard kümmerten sich um die Jolle und pullten sie in die Bucht. Die anderen folgten, und kurze Zeit später wurden beide Jollen neben der Schebecke vertäut. Da die Kerle immer noch bewußtlos waren, wurden sie an der Bordwand hochgehievt und oben in Empfang genommen. Die Mannen enterten auf, nicht ohne vorher die Hecklaterne gelöscht zu haben. „Saubere Arbeit“, sagte Hasard anerkennend, „und alles dazu noch lautlos. Na, dann wollen wir uns doch mal die beiden Kameraden von der anderen Seite etwas näher betrachten.“ „Am besten, wir binden sie ans Want, damit sie nicht gleich durchdrehen, wenn sie wach werden“, sagte Ferris Tucker. Mit ein paar raschen Griffen wurden die Männer festgebunden. Die Laterne wurde niedergeholt und auf die Gräting gestellt. Jetzt war der Lichtschein von See her nicht mehr zu sehen. Die beiden Kerle trugen blaue Hosen und helle Leinenhemden. Sie waren barfuß. Ihre Gesichter waren von Bärten umwuchert, doch ihre Köpfe hingen schlaff auf die Brust hinunter. Hasard ließ sich zuerst berichten und nickte, als Don Juan geendet hatte.
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„Kein Zweifel, daß diese hier als Fühlungshalter fungieren und das dicke Ende nachfolgt“, meinte er. „Zu was brauchen sie sonst eine Hecklaterne in der Jolle, dazu noch eine, die abgedunkelt ist, damit ihr Schein nur von achtern zu sehen ist. Habt ihr sonst kein Schiff bemerkt?“ „Nein, nichts. Was aber nicht besagt, daß dort draußen noch eins herumkrebst. Bei dem bißchen Wind kann es sich naturgemäß nur sehr langsam bewegen. Aus dem Mars dürfte der Lichtschein jedoch ein paar Meilen weit zu sehen sein.“ „Ja, besonders mit einem guten Spektiv. Zumindest zeigt sich in der Optik ein feiner Schimmer. Wir werden unsere Freunde jetzt auf den Boden der Tatsachen zurückbringen.“ Zwei Pützen Wasser klatschten in die bärtigen Gesichter. Die Reaktion war gleich null. Die Kerle schüttelten nicht mal die Köpfe. „Denen habt ihr es aber ordentlich besorgt“, murmelte der Seewolf. Auch zwei weitere Pützen Seewasser brachten kein Ergebnis. „Nur ein Hämmerchen“, erklärte der Profos, „aber die Portus sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Bei jedem Klaps gehen sie in die Knie, die zartbesaiteten Rübenschweine.“ „Dein Hämmerchen kenne ich“, sagte Ben Brighton. „Bei dem Schlag fangen sogar die Elefanten an zu röcheln.“ „Wenn Wasser nicht hilft, dann hilft ganz sicher das Fläschchen vom Kutscher!“ rief Mac Pellew. „Ich hole es sofort.“ „Oh, mein Gott“, murmelte Carberry, „der wird doch nicht mit diesem Riechzeug das Deck vollstinken.“ Aber da war Mac schon wieder zurück und öffnete ein Fläschchen, vor dessen Inhalt die Arwenacks schlagartig zurückwichen. Riechsalz, nannte es der Kutscher großzügig. Aber Carberry behauptete, das Zeug wecke noch Tote drei Yards unter der Erde. Die Wirkung war jedenfalls verblüffend. Zuerst kullerten Mac Pellew zwei dicke Tränen aus den Augen, und da sah er so
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aus wie ein heulender Clown, der die ganze Welt beschissen und todtraurig findet. Dazu nieste er derart, daß sein ganzer Körper kräftig durchgeschüttelt wurde. Dabei hielt er das Teufelszeug mit ausgestrecktem Arm abwechselnd unter die Nasen der beiden Kerle. Was das Seewasser nicht geschafft hatte, bewirkte das Stinkzeug. Der eine Kerl nieste so heftig, daß der Großmast mit sämtlichen Wanten und Stangen wackelte. Der andere kehrte mit einem erstickten Schrei auf den Lippen in die Wirklichkeit zurück. „Wenn dir der Mist mal über Bord fällt“, sagte Carberry, „fahre ich mein Lebtag nie wieder zur See. Dann sind sämtliche Weltmeere für alle Zeiten verpestet.“ Die beiden öffneten die Augen und versuchten die Arme zu bewegen. Das war allerdings unmöglich, und so blickten sie nichtbegreifend in nicht gerade freundliche Gesichter. Fassungslos sahen sie sich um. Carberry hatte so ganz nebenbei aus einem herabhängenden Fall eine prächtige Henkerschlinge geknüpft, und mit der wedelte er den Kerlen jetzt vor den entsetzten Gesichtern herum. Sie sollten gleich merken, daß hier kein Spaß mit ihnen getrieben wurde. Vielleicht wurden sie dann gesprächig. Sie ließen ihnen auch nur ein paar Augenblicke Zeit. Hasard trat vor und sah die beiden kalt an. „Ich weiß, daß ihr Portugiesen seid“, sagte er. „Und ihr sollt wissen daß ihr jetzt nur zwei Möglichkeiten habt. Entweder ihr redet jetzt ausführlich, oder ihr schweigt. Im letzteren Fall hängen wir zuerst dich an die Rah, bis du ausgezappelt hast. Danach feiert dein Kumpan Hochzeit mit des Seilers Tochter. Eure Kadaver werfen wir in den Sumpf und segeln weiter. Überlegt nicht zu lange, denn unsere Geduld ist sehr kurz.“ „Und das Leben hat sich schnell ausgezappelt“, setzte Carberry finster hinzu und wedelte mit der Schlinge. „Ich wette mit euch um drei Golddukaten, daß es blitzschnell geht.“
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„Wo sind wir hier?“ fragte der eine mit piepsiger Stimme. „Im Vorhof zur Hölle“, sagte der Seewolf. „Es sind nur ein paar Schritte bis zum Zentrum.“ Die Angst kroch den beiden in die Gesichter und ließ sie grau werden. Die Augen waren weit aufgerissen. Sie wußten, daß diese Engländer nicht lange fackelten, sie hatten es selbst erlebt, und jetzt lag ihnen schon fast die Schlinge um den Hals. Sie kapierten nur noch nicht so richtig, weshalb sie sich eben noch in der Jolle befunden hatten und jetzt an Bord der Schebecke waren. Daran kauten sie buchstäblich herum. „Und wenn wir reden?“ fragte der eine kläglich. „Könnt ihr wieder abziehen, allerdings ohne Jolle. Irgendjemand wird euch hier schon finden.“ Mac Pellew stand neben den beiden. Statt der Riechflasche hielt er jetzt einen Schwabber in der Hand, der zum Deckwischen benutzt wurde. Jetzt schlug er mit dem Schwabber nach den lästigen Moskitos und trieb die Schwärme auseinander. „Ich warte“, sagte Hasard kalt, während der Profos wieder mit der Henkerschlinge spielte. Die beiden Portugiesen wechselten einen schnellen Blick. Der eine, mit einem besonders dichten Bart, nickte eifrig. „Ich werde alles sagen“, keuchte er. „Wir sind von Pulau und vom Generalkapitän des Dom Alfonso beauftragt worden, die Perlentaucher zu kontrollieren. Das taten wir, und dabei fischen wir auch immer ein wenig, um uns die Zeit zu vertreiben. Als es dunkel wurde, sahen wir einen Lichtschimmer und hielten darauf zu. Wir dachten, ein paar Perlenfischer hätten sich hier versteckt und ihre Perlen vergraben.“ „Das tun sie oft“, versicherte der andere schnell. „Sie liefern meist nur einen Teil der Perlen ab, obwohl sie von uns dafür bezahlt werden.“ „Ach so ist das“, sagte Hasard. „Und wir dachten schon, ihr schnüffelt hier herum
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oder seid von Dom Alfonso geschickt worden.“ „Wir kontrollieren nur die Perlentaucher.“ „Soll ich ihm den Schwabber ins Maul stopfen?“ fragte Mac Pellew. „Warum nicht“, meinte Hasard. „Pulau heißt auf malaiisch Insel, und eine Insel namens Pulau gibt es nicht. Wisch ihm sein Lügenmaul aus.“ Carberry ließ die Schlinge los, packte mit Daumen und Zeigefinger zu und drückte dem Kerl den Kiefer auseinander, bis er das Maul aufsperrte. Mac Pellew stopfte ihm den zusammengedrehten Schwabber in die Futterluke und drehte ihn kräftig herum. Es sah aus, als sollte ein Kanonenrohr ausgewischt werden. Der Kerl würgte und hustete. Er verdrehte die Augen und zitterte am ganzen Körper. Als Mac den Schwabber wieder herauszog, sank der Kerl in sich zusammen. „Das war eine schöne Geschichte“, sagte Hasard. „Habt ihr in der Jolle Angelzeug gefunden, Ed?“ „Nicht die Spur, nicht mal einen Haken“, versicherte der Profos. „In der Jolle sind aber Proviant, Trinkwasser und zwei Musketen verstaut. Außerdem zwei Pistolen.“ „Vielleicht erschießen sie die Fische und angeln auf eine ganz neue Art.“ Hasard wandte sich wieder an die beiden und musterte sie. „Damit ist eure letzte Chance vertan. Ich lasse mich nicht von zwei hergelaufenen Bastarden und Strolchen veralbern. Hängt die beiden Kerle an die Rah!“ 4. Carberry legte dem Bärtigen die Schlinge um den Hals und band ihn vom Want los. „Hievt ihn hoch!“ rief der Seewolf. ,Fünf Arwenacks schnappten sich das Fall, legten es über die Schultern und wollten losgehen, was zwangsläufig zur Folge hatte, daß der Kerl emporsteigen würde. Ein gellender Schrei hallte über das Deck, ausgestoßen in höchster Angst und Todesnot.
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„Neiiin! Ich habe gelogen, ich will die Wahrheit sagen! Laßt mich am Leben!“ „Vielleicht meint er es jetzt wirklich ehrlich“, sagte Don Juan auf portugiesisch. „Wir können ja um des Spaßes willen auch noch seine andere Geschichte hören.“ „Zwecklos“, sagte Hasard. „Der Kerl wird nur versuchen, sich herauszureden. Gnade ist hier nicht angebracht.“ „Dom Alfonso hat uns geschickt!“ schrie der Bärtige, dem der Schweiß in dicken Tropfen auf der Stirn stand. „Bei meiner Seele, ich schwöre es, ihr Herren.“ „Wartet noch“, sagte Hasard, der keinesfalls vorhatte, die beiden Kerle zu hängen. Er sah zu dem anderen, dem der Kopf auf die Brust gefallen war. Der Mann war vor Angst ohnmächtig geworden. „Kerle sind das“, sagte der Profos kopfschüttelnd, „kaum hängt man den einen ein bißchen, schon nippelt der andere ab.“ „Weiter, weiter!“ rief Hasard. „Ich höre. Ihr habt also den Fühlungshalter gespielt.“ „Ja, wir sind euch nachgesegelt. Befehl von Dom Alfonso. Wir sind unschuldig, ihr Herren.“ „Was für ein Schiff folgt euch?“ „Eine Kriegskaravelle.“ „Name?“ „Es ist die ,Gaviota`, Herr.“ „Wie weit ist sie weg?“ „Mindestens vier Meilen.“ „Dein Vorname?“ „Manuel, Herr.“ „Und dein Kumpan?“ „Er heißt Romano, Herr.“ „Und eure Hecklaterne ist das Erkennungszeichen“, sagte Hasard. „Daran orientiert sich der Ausguck. Ist es so?“ „Ja, so ist es. Von Zeit zu Zeit dunkeln wir die Laterne ab, damit es keine Verwechslungen mit Fischerbooten gibt.“ „Sehr gut“, sagte Hasard. „Bringt den Kerl in die Piek. Ich werde überprüfen, ob er die Wahrheit sagt.“ Als der Portugiese nach vorn gebracht worden war, fragte der Profos: „Wie willst du das überprüfen, Sir?“
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Hasard zeigte auf den Bewußtlosen, dem Schaum vorm Mund stand. Er war immer noch geistig weggetreten. „Nehmt ein paar Decken, dreht sie zusammen und hievt sie nach oben.“ „Ah, damit es so aussieht, als sei der eine bereits aufgehängt worden?“ „Ja, so soll es aussehen.“ Im Nu waren welche zur Stelle und wurden zusammengedreht, bis sie ungefähr menschliche Gestalt hatte. Das Bündel wurde hochgezogen, und zwar so, daß man es von Deck aus nur undeutlich erkennen konnte. Dennoch schien es so, als hänge dort jemand. Mac Pellew brachte den Bewußtlosen in die Wirklichkeit zurück. Er hatte schon Erfahrung darin. Diesmal schlug er ihm den nassen Schwabber so lange um die Ohren, bis der Mann mit einem erstickten Schrei zu sich kam. „Jetzt wollen wir deine Geschichte hören“, sagte der Seewolf. „Dein Kumpan hat uns nur angelogen. Na ja, jetzt kann er nicht mehr lügen, oder vielleicht flunkert er gerade dem Teufel etwas vor. Er ist nämlich ganz überraschend zur Hölle gefahren. Schätze, du wirst ihn dort in kurzer Zeit treffen.“ Hasard deutete mit dem Finger nach oben in luftige Höhe, wo das Bündel leicht von einer Seite zur anderen pendelte. Der Bursche war trotz seiner bulligen Gestalt äußerst zartbesaitet. Er starrte nach oben, sah dort scheinbar seinen Kumpan hängen und fiel erneut in Ohnmacht. Die Ohnmacht wurde von einem leisen Röcheln begleitet. Dem Profos klappte glatt der Unterkiefer weg. Fassungslos starrte er den bärtigen Kerl an. „Das darf doch nicht wahr sein. Beim Barte des Propheten! Was sind denn das für Puddingkerle? Kippen aus den Stiefeln, sobald sie ein paar Decken sehen.“ Mac drosch abermals mit dem Schwabber drauflos, bis der Kerl stöhnend die Augen aufschlug und vor Angst nur so schlotterte. „So, du portugiesische Korkeiche“, fuhr ihn der Profos an, „jetzt wollen wir endlich
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die Wahrheit hören, sonst fährst du augenblicklich zur Hölle und kannst die Warzen von des Teufels Großmutter zählen.“ Der Kerl war so verstört und verängstigt, daß es nur so aus ihm heraussprudelte. Seine Angaben deckten sich haargenau mit denen des anderen. Auch die Namen stimmten, wie Hasard zufrieden feststellte. „Bindet ihn los!“ sagte der Seewolf. „Und dann bringt ihn ebenfalls zu seinem Kumpan.“ „Ich will nicht zu Manuel!“ kreischte Romano voller Entsetzen. „Ich will nicht aufgehängt werden!“ „Wer will dich Meisenarsch denn hängen?“ fragte Edwin Carberry freundlich, während er ihm die Fesseln löste. „Der liebe Manuel wartet in der Piek auf dich.“ „Er hängt da oben!“ kreischte der Mann. Der Profos löste grinsend das Fall. Das zusammengedrehte Bündel fiel an Deck. Romano starrte es fassungslos an. „Nur ein paar alte Decken“, sagte Carberry grinsend. „Und jetzt ab nach vorn, du Rübenschwein, porco de nabo, sonst stecke ich dir eine Flaschenbombe in die Hose. Und sag ja nicht, daß wir dich geleimt haben, sonst werde ich ungemütlich. Ich will auch kein Gebrüll in der Piek hören, klar? Und jetzt Stürmschritt!“ Er packte den Mann am Kragen und flitzte mit ihm über das Deck. Dort schloß er ihn in der Vorpiek ein und kehrte wieder zurück. „Jetzt wissen wir genau, wie wir dran sind“, sagte Hasard. Dom Alfonso hat uns wahrhaftig eine Kriegskaravelle nachgeschickt. Er gibt keine Ruhe. Bei dem lauen Wind dürfte sie mindestens zwei bis drei Stunden brauchen, bis sie hier ist. Zeit genug für uns, ein paar Vorbereitungen zu treffen.“ Der Profos kriegte schmale Augen. „Einen Denkzettel für Dom Alfonso?“ fragte er. „Na, da bin ich aber kräftig dabei. Das geht schwer in Ordnung, Sir.“ „In dieser Hinsicht muß ich dich leider enttäuschen, Ed. Du wirst nicht unmittelbar
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mit dabeisein. Juan und ich werden diesen Part übernehmen. Tut mir leid.“ „Was hast du vor, Sir?“ „Wir spielen Fühlungshalter. Juan spricht perfekt Portugiesisch, und ich darf das in aller Bescheidenheit auch von mir behaupten. Wir brauchen für den Raid nämlich zwei ziemlich waschechte Portugiesen.“ „Aber ihr habt keine Bärte“, wandte der Profos ein, der auch keinen hatte, aber unbedingt dabei sein wollte. „Das fällt in der Dunkelheit nicht auf. Bringt jetzt ein paar von den kleinen Fässern mit Schießpulver an Bord. Ich meine die ganz speziellen Fässer, die für solche Gelegenheiten präpariert sind. Wir werden Dom Alfonso den Spaß gründlich verderben.“ Hasard erläuterte seinen Plan in allen Einzelheiten. Die Gelegenheit bot sich direkt an, Dom Alfonso um ein weiteres Schiff zu erleichtern. Er würde es mit Zorn und Wut hinnehmen müssen. „Also eine Sonderbelehrung in Sachen Feuersbrunst“, meinte der Profos augenzwinkernd. „Und da sollen zwei Mann genügen?“ „Mehr würden in der Jolle auffallen.“ Ein paar Arwenacks hatten Bedenken und zeigten das auch ganz offen. Hasard ließ sich von den Bedenken jedoch nicht beeindrucken. Dom Alfonso mußte noch eine Niederlage hinnehmen, dafür wollten er und der Spanier sorgen. Der Portugiese war in seinem anmaßenden Gehabe schlimmer als die Pest. Leider war er nicht persönlich an Bord, wie Hasard erfahren hatte. Al Conroy und Ferris Tucker brachten die präparierten Fässer nach oben und legten sie in die Jolle. „Flaschenbomben auch?“ fragte der Stückmeister. „Oder dürfen es ein paar von den niedlichen Rauchbomben sein, die bei den Portus immer für Verwirrung und Angst sorgen? Wir haben noch ein paar davon vorrätig, Sir.“ „Von beidem“, sagte Hasard und lächelte aus schmalen Augen. „Wir haben aber nicht mehr viel Zeit.“
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„Ich denke, die Karavelle steht noch ein paar Meilen ab.” „Das schon. Aber sie werden das Licht nicht mehr sehen, weil wir die Jolle mitgenommen haben.“ „Verstehe“, sagte Al. Das benötigte Zeug war schnell in die Jolle gestaut. Zusätzlich zu den Fäßchen mit den Lunten brachten Al und Ferris noch vier Rauch- und vier Flaschenbomben. Der Stückmeister sah auch nach, ob in der kleinen Hecklaterne genügend Öl war. Es würde für mindestens drei, vier Stunden reichen, wie er feststellte. Da er aber ein besonders sorgfältiger und umsichtiger Mann war, der nichts dem Zufall überließ, füllte er die Lampe noch einmal nach. Es konnte ja sein, daß die Zeit knapp wurde, und dann hing von der kleinen Lampe eine ganze Menge ab. „Wir werden die Portus natürlich von hier weglocken“, sagte der Spanier Don Juan. „Sie sollen auf keinen Fall unseren Liegeplatz kennen. Weiter im Süden gibt es jede Menge Inseln. Da werden wir uns die Kerle schnappen.“ „Wie wollt ihr das mit den Fässern halten?“ fragte Al. „Die merken doch was, wenn ihr achtern an der Karavelle herumkrebst.“ „Das müssen wir der jeweiligen Situation anpassen“, sagte der Seewolf. „Wir werden ein wenig improvisieren. Doch da wird uns ganz sicher schon was einfallen.“ „Die Jolle ist fertig ausgerüstet“, meldete Dan O'Flynn. „Sollen wir für alle Fälle einen Beobachtungsposten auf der Huk absetzen? Immerhin kann ja auch mal was schief laufen.“ „Batuti wäre der geeignete Mann dafür“, erwiderte Hasard. „Wir nehmen ihn gleich in der Jolle mit.“ Der Profos zog einen Flunsch und verschränkte die Arme über der gewaltigen Brust. „Ich kann doch mit Batuti gehen“, maulte er. „Immer muß ich einsam an Bord hocken. Ist doch egal, ob ich jetzt an Deck bin oder mit auf der Landzunge. Vier Augen sehen außerdem mehr als zwei.“
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Um den Quälgeist loszuwerden, nickte Hasard. „In Ordnung, ihr beide also. Dann hüpf mal in die Jolle, Mister Carberry.“ Der Profos ließ sich das nicht zweimal sagen und enterte ab. Er haßte es, nutzlos herumzustehen und zu warten. Auf der Landzunge konnte er zwar auch nichts unternehmen, aber er fühlte sich doch wesentlich mehr am Geschehen beteiligt. „Mast- und Schotbruch“, sagte Ben Brighton leise, als die Männer in die Jolle abenterten. „Stellt euch das nicht zu einfach vor und unterschätzt die Portus nicht. Die haben auch was auf der Pfanne.“ „Wir auch“, entgegnete Hasard fast fröhlich. „Vor allem haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite.“ Die Jolle wurde von der Bordwand der Schebecke abgedrückt. Carberry griff zu den Riemen und pullte zügig aus der Bucht hinaus. Die Pinne hatte der Seewolf übernommen, und Don Juan sorgte dafür, daß die abgeblendete Hecklaterne ' wieder brannte. An der Huk verließen Carberry und Batuti die Jolle und schlugen sich in die Büsche. Sie stießen nach vorn auf die Landzunge vor, wo sie einen weiträumigen Blick über das Meer im Süden und Norden hatten. Der Wind war fast eingeschlafen. Als Don Juan die Fock setzte, blähte sich das Segel kaum. Die Jolle schlich nur träge durch das Wasser. Hasard ließ die Pinne los und nahm das Spektiv. Er mußte mehrmals hindurchblicken, bis er im Norden die Umrisse eines größeren Schemens erkannte. Die Entfernung mochte auf eineinhalb Meilen geschrumpft sein. Aber was da träge wie ein kleiner Berg durchs Wasser schlich, mußte die portugiesische Kriegskaravelle sein. Mit bloßem Auge war nur eine undeutliche wabernde Masse zu erkennen, die immer wieder in den Konturen zerfloß. „Was entdeckt?“ fragte der Spanier. Hasard gab ihm das Spektiv und nickte. „Sieh es dir selbst an, Juan. Vielleicht täusche ich mich, aber vielleicht siehst du dasselbe wie ich.“
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„Welche Richtung?“ „Fast Nord.“ „Da bewegt sich tatsächlich etwas“, sagte der Spanier nach einer Weile. „Aber es verschwimmt immer wieder.“ Hasard überlegte ein paar Augenblicke. „Wir werden den Kurs ändern, Juan. Mal sehen, ob sich dann etwas bei der Karavelle tut. Zumindest müßte sie ja ihrem vermeintlichen Fühlungshalter folgen, oder?“ „Das sehe ich auch so. Aber es dürfte ein schwerfälliges Manöver werden, eins, das Zeit in Anspruch nimmt bei dem bißchen Pille-Palle-Wind.“ „Aber eine Reaktion wird erfolgen. Du kannst ja noch ein bißchen mit der Lampe wedeln, damit die Kerle im Ausguck nicht einschlafen.“ Juan entfernte den Lappen von der Laterne so, daß ihr jetzt hellerer Lichtschein wie eine breite Bahn aufs Wasser fiel. Diesen Vorgang wiederholte er ein paarmal hintereinander. Hasard fiel inzwischen vom Kurs ab. Jetzt mußten die Portugiesen Bescheid wissen, daß die Jolle der Schebecke folgte, die den Kurs geändert hatte. Durch den Kieker beobachteten sie die graue Masse so lange, bis ihnen vom Starren die Augen tränten und wiederum alles in einer grauen Nebelwolke verschwamm. Hasard wischte sich gerade über die Augen, als in der Ferne aus der grauen Masse ein winziger Lichtblitz aufzuckte. Es war ein Signal, zweifellos, und es erlosch nach einer Weile wieder. Die beiden Männer grinsten sich an. „Sie gehen auf den anderen Kurs“, sagte Hasard. „Dann könnten wir es uns eigentlich in der Jolle gemütlich machen und warten bis sie etwas weiter aufgesegelt sind.“ Unter „gemütlich machen“ verstanden sie, daß sie einen kräftigen Schluck aus der Buddel nahmen, die der vorsorgliche Kutscher oder vielleicht auch Old O'Flynn ihnen eingepackt hatte. Sie tranken sich zu und grinsten. Die Jolle trieb unmerklich und sehr langsam weiter.
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Bei den herrschenden Windverhältnissen dauerte es länger als eine Stunde, bis die graue Masse klar zu erkennen war. Wie ein Schemen, lautlos und fast gespenstisch, schob sie sich näher heran. Nach ihrer Kursänderung hielt sie genau auf die abgeblendete Hecklaterne zu, war aber noch etwa eine halbe Meile entfernt. Der Seewolf deutete in südöstliche Richtung. Dort, im Riau-Archipel, ragten überall Inseln aus dem Meer. Etliche waren nichts weiter als schroffe und große Hügel, andere hatten dichte Vegetation aufzuweisen. Es gab auch große Inseln in dem unendlich scheinenden Gewirr. „Wir locken sie auf die größere Insel“, sagte er. „Da gibt es eine weitausladende Bucht, wenn ich mich nicht irre. Dort können sie sich dann die Schebecke schnappen.“ „Sie werden keine Schebecke sehen, Sir.“ „Wir werden ihnen das schon glaubwürdig servieren und von einem Ruderschaden berichten. Die Schebecke kann ja in eine kleinere Bucht verholt haben.“ „Und wir haben hier solange unauffällig auf der Lauer gelegen und alles aus der Ferne beobachtet.“ „So ist es“, sagte Hasard. „Möglicherweise haben sie sogar noch unseren gezackten Kurs gesehen.“ Ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, nahmen sie noch einmal einen kleinen Schluck aus der Buddel, die Hasard dann weg staute. Vorerst würde es ihr letzter Schluck sein. Don Juan blendete die Hecklaterne noch weiter ab, bis nur noch ein ganz schmaler Lichtstreifen auf das Wasser fiel. Sie selbst waren in dem schwachen Licht nicht zu erkennen. Das Ungeheuer bewegte sich weiter voran. Der Anblick des großen Schiffes war gespenstisch. Es schien sich. in eine graue Nebelwolke eingehüllt zu haben und erinnerte an ein Geisterschiff, das ohne Besatzung ruhelos über das Meer trieb.
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Die Segel, als solche kaum zu erkennen, weil alles ineinander verfloß, hingen schlaff an den Rahruten, und doch bewegte das bißchen Wind die große Karavelle unaufhaltsam weiter. „Na denn“, sagte Hasard, „alles bereit, Juan?“ „Alles klar, bis auf den Rückzug.“ Der Seewolf zuckte gleichmütig mit den breiten Schultern. „Den werden wir wohl schwimmend zurücklegen müssen. Ich glaube nicht, daß uns die Portus freundlicherweise eine Jolle überlassen, und die hier können wir nicht: mehr gebrauchen, wenn sie ihren Zweck erfüllt hat.“ Juan schätzte die Entfernung bis zu „ihrer“ Insel auf etwas mehr als eine Meile. Bei der ruhigen See war das ein Klacks, jedenfalls für einen guten Schwimmer. Jetzt mußte aber gehandelt werden. Die Karavelle stand bereits wie ein Gebirge in der See. Ein paarmal gaben sie Zeichen mit der Hecklaterne, indem sie auf- und wieder abblendeten. Das Signal wurde von der Karavelle jedoch nicht beantwortet. Wahrscheinlich wollte sie ihre Anwesenheit nicht verraten. Sie lagen jetzt nur noch zwanzig, dreißig Yards vor dem Bug und hatten die Segel eingeholt, während die Karavelle mit schlaffen Segeln weitertrieb. Jetzt waren auch ein paar Gestalten auf der Kuhl zu erkennen – Männer ohne Gesichter, Wesen, die sich nicht voneinander unterscheiden ließen. Drei Kerle beugten sich weiter vor, aber unter ihnen war es so finster, daß sie kaum die Jolle sahen. Selbst in der Nacht warf das große Schiff noch einen Schatten, der das Wasser abdunkelte. „Habt ihr sie?“ rief eine leise Stimme. „Ja, sie sind vor Anker gegangen und haben anscheinend einen Ruderschaden“, flüsterte Don Juan zurück. Er flüsterte absichtlich, um eine Stimme unkenntlich werden zu lassen. Es schöpfte auch niemand Verdacht. Die Kerle beugten sich weiter vor. Hasard glaubte, in der Finsternis ganz schwach
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eine Uniform zu erkennen. Vermutlich war es ein Offizier. „Wo genau liegen die Bastarde?“ „Dort im Süden, die große Insel. Hinter der Palmengruppe befindet sich eine Bucht. Die Einfahrt ist schmal, die Bucht nur klein. Wir konnten nicht näher heran.“ „Hat man euch gesehen, Manuel?“ „Nein, sie haben nichts bemerkt“, flüsterte Don Juan. „Wir hielten immer großen Abstand.“ „Sie liegen direkt in der Bucht?“ „Ja, man sieht nicht mal die Mastspitzen. Wir nehmen an, daß sie ihr Ruder reparieren wollen, sich aber heute nacht nicht mehr anstrengen werden. Es ist alles still und ruhig. Ob sie Wachen aufgestellt haben, ließ sich nicht erkennen.“ „Sehr gut“, lobte die Stimme des Unbekannten. „Die Bastarde werden ein böses Erwachen haben.“ „Hoffentlich“, flüsterte Hasard und grinste hart. Ihr auch, dachte er, ihr werdet ein noch böseres Erwachen haben. Der Mann beugte sich weiter vor und versuchte offenbar, etwas zu erkennen. Hasard durchzuckte plötzlich der Gedanke, daß er Verdacht geschöpft haben könnte. Hatten sie sich falsch benommen? Sie beugten sich noch tiefer, und es kam ihnen zugute, daß die Portugiesen kein Licht entzünden konnten, um ihre Anwesenheit nicht zu verraten. Der Kerl nahm jetzt einen Kieker und richtete ihn auf die Insel, die sie ihm gezeigt hatten. Den Palmenhain mußte er sehen, man sah ihn sogar mit bloßem Auge, und die Bucht ließ sich ebenfalls einwandfrei erkennen. Nur die Einfahrt war nicht zu sehen. Wahrscheinlich gab es gar keine, die weiter ins Inselinnere führte. Der Kieker wurde abgesetzt, die Stimme, eben noch freundlich, nahm jetzt einen Befehlston an. „Ihr segelt oder pullt voraus und markiert genau den Punkt der Einfahrt zur Bucht. Ein zweimaliges Schwenken mit der Laterne genügt uns als Anhalt. Wenn ihr die Bucht erreicht habt, pullt ihr nach Backbord und wartet das Ankermanöver
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ab. Danach geht ihr längsseits. Alles verstanden?“ Alle beide bejahten es unterwürfig. „Ab jetzt“, kommandierte der Mann, den sie nicht kannten. Das galt ihnen, und ein weiterer leiser Befehl betraf das bevorstehende Manöver. Ein paar Segel sollten weggenommen werden. Aber das interessierte die beiden nicht. Sie stießen sich von der Bordwand ab und griffen zu den Riemen. Zum Glück waren sie jetzt ziemlich weit achtern, und so fiel es auch nicht weiser auf, daß sie noch ein paar Yards in achterlicher Richtung zurücklegten, bis sie sich unter dem großen Heck befanden. Hier befanden sie sich im toten Winkel, und konnten von oben nicht gesehen werden. Hasard sah die hochgezogenen Stückpforten und die ausgerannten Kanonen. Es waren mindestens sechzehn auf der Backbordseite und noch mal die gleiche Zahl auf Steuerbord. „Mein lieber Mann“, flüsterte er, „wenn wir da jetzt wirklich in der Bucht liegen würden, dann sähen wir aber verdammt alt aus.“ „Sollen wir nicht lieber warten, bis sie ankern?“ fragte Don Juan im Flüsterton zurück. Einen Augenblick lang hatte der Seewolf ebenfalls mit diesem Gedanken gespielt. Jetzt verwarf er ihn wieder. „Wenn sie dann etwas merken, haben wir kaum noch Aussichten, um zu verschwinden“, entgegnete er. „Jetzt ist die Aufmerksamkeit voll auf das Manöver konzentriert. Wir sollten die Gunst der Stunde jetzt und sofort nutzen, Juan.“ „Einverstanden, ist auch besser so.“ Don Juan griff zu und packte das Ruderblatt. Hasard ließ ebenfalls die Riemen sausen und hielt die Jolle fest. Ein großer Ruderausschlag war nicht mehr zu befürchten, weil die Karavelle jetzt langsam auf ihr Ziel zutrieb. Selbst wenn das Ruderblatt hart ausschlug, war es zu spät. Es würde nichts mehr daran ändern.
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Die Jolle wurde hart am Ruderschaft vertäut und kurz gehalten. Rauch- und Flaschenbomben lagen bereit. Hasard blickte hoch und schätzte kurz ab, ob sie aus diesem toten Winkel überhaupt das Deck erreichen würden. Nun ja, es würde gerade so reichen, wenn sie weit ausholten. „Die Rauchbomben lassen wir in der Jolle“, sagte er. „Die erfüllen auch hier ihren Zweck. Sie werden in kürzester Zeit alles einnebeln, und dann gibt es Wuhling.“ Oben waren leise raunende Stimmen zu hören. „... bleiben denn diese Idioten?“ fragte eine Stimme undeutlich. „Der meint uns“, sagte Don Juan: „Na warte, dafür stecken wir ihm den Kahn in Brand. Wir lassen uns doch nicht beleidigen.“ „Ziemlich happig“, meinte auch Hasard, „uns als Idioten zu bezeichnen. Das erfordert Genugtuung. Bist du soweit?“ „Ja, alles fertig.“ Die Lunten zu den beiden Fäßchen wurden gezündet. Sie knisterten leise und sprühten kleine Funken. Von jetzt an hatten sie noch dreißig Atemzüge Zeit, wie Al Conroy gesagt hatte. Dann würde das Schießpulver in den Fässern wie eine geballte Ladung hochgehen. Die Lunten der Flaschenbomben wurden ebenfalls an der Laterne entzündet. Der Seewolf nahm die erste und warf sie in einer weit ausholenden Bewegung schräg nach oben. Don Juan schleuderte die zweite, doch die verfehlte ihr Ziel, flog am Schanzkleid vorbei und landete im Wasser. Der Spanier fluchte leise vor sich hin. Die dritte Flaschenbombe kollerte an Deck, auch die vierte schaffte es gerade noch, auf das Schanzkleid zu fallen und nach innen zu rollen. In das berstende Wummern der ersten Explosion entzündete Hasard die vier Rauchbomben und legte sie unter die Ducht der Jolle.
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Die Laterne warf er mit einem schmetternden Schlag gegen den achteren Schiffsrumpf. Sie zerbarst mit einem satten Knall. Brennendes Öl ergoß sich abwärts, glühende Tropfen zischten ins Meer. Ein paar tropften auch gierig in die Jolle. Dort begann es jetzt zu qualmen und zu zischen. Immer mehr Funken sprühten auf und schufen unangenehme Helligkeit, die aber bald der schwarze Qualm überlagern würde. „Angenehm warm“, sagte Don Juan. „Ich darf mich dann untertänigst zurückziehen, Sir Hasard.“ „Ausnahmsweise gestattet, Edler von Spanien“, erwiderte der Seewolf. „Wenn Eure Hoheit gestatten, begleite ich Euch an Land.“ Die beiden grinsten wie die Teufel, als sie über Bord glitten und im Meer verschwanden. * Das träge dahinziehende Monster verwandelte sich schon Augenblicke später in einen wilden Ameisenhaufen. Das war der Augenblick, als die ersten Flaschenbomben an Deck explodierten und die müden Kerle unversehens von den Beinen gerissen wurden. Niemand wußte so recht, was eigentlich los war. Ein greller Blitz zuckte auf, und dann war ein dumpfes Krachen zu hören. Kleine Feuerzungen rasten wie glühende Speerspitzen nach allen Seiten über das Deck der Karavelle. Ein paar unartikulierte Schreie waren zu hören. In das Durcheinander explodierte die zweite Flasche, fast gleichzeitig die dritte, und jetzt war der Teufel los. Das Gebrüll wurde lauter. In der Finsternis glommen zwei Fackeln auf, deren Feuerzungen gierig um sich griffen. Im hellen Widerschein waren Gestalten zu sehen, hastende Gestalten, die nicht wußten, wo sie hinwollten und vor Schreck
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vor allem nicht in der Lage waren, zu reagieren. Ihr erster Gedanke war nur Flucht, erst einmal weg von dem plötzlich aufflackernden Feuer. Etliche waren aber auch von den Splittern der Flasche getroffen worden und schrien sich die Kehlen heiser. Don Juan und der Seewolf trieben in dem warmen Wasser und sahen dem Schauspiel von der Backbordseite achteraus zu. Sie tauchten immer wieder ein Stück, schwammen dann und tauchten abermals. Als sie wieder auftauchten, um Luft zu holen, explodierte unter dem Heck der Karavelle die Jolle. Ein riesiger Blitz schien sich von innen aus dem Schiff wölben, ein zweiter, ungemein greller Blitz fetzte das Holz auseinander, das am Heck bereits durch das ausgelaufene Öl brannte. Die Nacht wurde taghell erleuchtet, als ob drei Sonnen auf einmal schienen. Hasard sah den spanischen Freund direkt vor sich. Juans Gesicht war kalkweiß, so grell blendete das Feuer der Explosion. Er hob den Arm aus dem Wasser und deutete mit dem Daumen nach unten in die Tiefe. Beide tauchten ab – gerade noch rechtzeitig, denn jetzt orgelte die erwartete Druckwelle heran, und ein fürchterliches Brüllen zerriß die nächtliche Stille. Unter Wasser hörten sie es kräftig rumoren, als sei ein Seebeben ausgebrochen und erschüttere den Seegrund. Nach einer Weile tauchten sie schnaufend auf. Das Dröhnen hing immer noch in der Luft, und es setzte sich fort, als etwas auf dem Achterdeck auseinander barst. Dort hatten der Rudergänger und alle anderen ihren Posten längst verlassen und ihr Heil in der Flucht nach vorn gesucht. Sie waren jetzt so weit von dem Schiff entfernt, daß man sie von Bord aus nicht mehr sehen konnte. Es achtete auch niemand auf zwei im Wasser treibende winzige Punkte. Hasard konnte sich nicht vorstellen, daß an Bord der Karavelle jemand auf den
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Gedanken verfiel, die Explosionen mit den beiden Männern in der Jolle in Zusammenhang zu bringen. Der Anblick war schaurig und schön zugleich. Vom Achterdeck fehlte ein riesiges Stück. Die großzügig angelegte Kapitänskammer hatte keine Bleiglasfenster mehr, und die achtere Schmuckbalustrade war nur noch Zerfetztes und zersplittertes Holz. Da war kaum etwas heil geblieben. Achtern stand alles in hellen Flammen, von denen auch die Besegelung des Besan erfaßt worden war. Das Segel war noch nicht aufgegeit worden, weil es Ruder- und Manövrierhilfe gab. Jetzt fraßen die Flammen gierig nach dem Tuch und ließ es auflohen. Das Dröhnen und Donnern war verstummt. Dafür war ein teuflisches Knistern und Knacken hören, dazwischen immer wieder gellende Schreie und Rufe, Kommandos, die sich überschlugen und von niemandem befolgt wurden. Die Portugiesen versuchten zu löschen, doch in der allgemeinen Wuhling behinderten sie sich gegenseitig. Seewasser wurde gepützt und in die sich immer rascher ausbreitenden Flammen gegossen. Es half nichts mehr, die Hitze wurde immer größer, die Glut immer wilder und unerträglicher. Ein paar Männer, Weichen bereits aufschreiend vor den mörderischen Flammen zurück. Über das Wasser ergoß sich heller, rötlicher Schein, der sich zuckend ausbreitete, Hasard sah das triefende Gesicht des Spaniers jetzt in helle Glut getaucht. Don Juan grinste vor sich hin, während er zügig weiter schwamm. „Da ist nicht mehr viel zu löschen!“ rief er. „Die Flammen züngeln schon an den Masten hoch!“ Hasard legte sich für wenige Augenblicke auf den Rücken. Der Himmel war jetzt blutrot über der Karavelle, aber achtern begann sich der schwarze Nebel von den Rauchbomben auszubreiten. Die Gluthitze hatte ihn anfangs zurückgedrängt, doch
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jetzt quollen schwarze Rauchpilze zum Himmel und hüllten alles ein. „Nein, da ist nicht mehr viel zu tun“, erwiderte der Seewolf. „Die Kerle setzen schon die Jollen aus. Dom Alfonso wird sich sicher freuen, wenn er das erfährt.“ Das Feuer breitete sich noch weiter aus und erfaßte auch die Segel vom Großmast. Für die Portugiesen sah es schlimm aus. In aller Eile brachten sie eine Jolle zu Wasser. Als Hasard tief Luft holte und sich beim Schwimmen auf die Seite drehte, vernahm er ein entsetzlich lautes Krachen. Fast gleichzeitig mit dem Krachen stieg eine Wassersäule aus dem Meer. Sie war höchstens fünfzig Yards entfernt. Er sah Juan an, dessen Augen weit aufgerissen waren. „Die haben uns im Visier!“ rief der Spanier. „Ab, auf Tiefe!“ Sie tauchten unter und blieben so lange unter Wasser, bis ihre Lungen brannten und Druck in den Ohren entstand. Ziemlich ausgepumpt gelangten sie wieder nach oben. Hasard brauste noch das Wasser in den Ohren. Er konnte nur mühsam hören. Erst nach einer Weile vernahm er wieder das Knacken und Knistern, in das sich jetzt auch heftiges Prasseln mischte. Er drehte sich abermals auf die Seite und sah zu der Karavelle, die in pechschwarzen Qualm gehüllt war, aus dem unablässig heller Feuerschein zuckte. „Da ist wohl nur versehentlich eine Culverine losgegangen“, sagte er. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie auf uns feuern.“ „Der Schuß lag aber ziemlich genau in unserer Richtung.“ „Ein Zufall, weiter nichts. Vermutlich ist eins der ausgerannten Rohre infolge der großen Hitzeentwicklung losgegangen.“ „Das ist möglich.“ Es löste sich kein weiterer Schuß. Die Portugiesen hatten anderes zu tun, als auf zwei Männer zu feuern, die sie vermutlich nicht mal sahen. Wahrscheinlich würden sie bald das Schiff aufgeben müssen.
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Batuti und der Profos hockten auf der Landzunge und sahen der Jolle nach, die rasch ihren Blicken entschwand und in der Finsternis nach einer Weile unsichtbar wurde. „Siehst du sie noch?“ fragte Carberry. „Nur noch einen kleinen Schatten.“ Eine halbe Stunde später sahen sie einen großen Schatten, der sich unmerklich aus nördlicher Richtung heranschob. Er war nur zu erkennen, wenn man die Augen zusammenkniff und sich auf die Stelle konzentrierte. Einmal glaubten sie auch einen winzigen Lichtreflex auf dem Wasser zu sehen, der rasch wieder erlosch. „Sie geben der Karavelle Zeichen“, sagte Batuti. Carberry versuchte, im Geiste nachzuvollziehen, was die beiden Männer in der Jolle jetzt taten und was sie sagten. Er wäre zu gern dabei gewesen. „Wenn sie das schaffen, was sie sich vorgenommen haben“, sagte er nachdenklich, „dann müssen sie doch zurück schwimmen.“ „Stimmt, die Jolle fliegt mit in die Luft.“ „Wird eine verdammt weite Strecke sein“, murmelte der Profos. „Ah, ich verstehe, was du meinst. Wir könnten ihnen das Schwimmen ein bißchen erleichtern.“ „Genau das meine ich.“ „Ich hole unsere Jolle“, sagte Batuti und sprang auf die Beine. „Warte hier, ich bin gleich zurück.“ „Laß dir Zeit“, riet Carberry, „es wird noch eine Weile dauern, bis sie die Karavelle erreicht haben.“ Batuti war schon wie ein Schemen in der Nacht verschwunden. Der Profos wunderte sich nur noch, daß er nicht mal ein Rascheln in den Büschen hörte. Ewigkeiten später, so schien es dem Profos, kehrte der Gambiamann mit der Jolle zurück und legte im Gestrüpp an. Matt Davies hatte die Jolle mit einem Haken zum Land geschoben. Wieder warteten sie.
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Der monströse Schatten zog weit draußen auf See an ihnen vorbei und segelte unendlich langsam in südliche Richtung. Von der Jolle war absolut nichts zu sehen. Der Karavelle folgte auch kein weiteres Schiff, wie sie feststellten. Mit wachen Sinnen lauschten sie in die Dunkelheit, wo der Schatten immer mehr verschwamm und zerfloß, bis sie ihn kaum noch erblicken konnten. Etwa eine Stunde später zuckte der Profos zusammen. Erregt deutete er nach Süden. „Ein Blitz!“ rief er. „Ein Blitzchen“, verbesserte Batuti. „Das könnte eine Flaschenbombe gewesen sein.“ Noch während er sprach, zuckten zwei weitere Blitze auf. Die beiden grinsten sich in der Dunkelheit an. „Na, das ist doch was“, tönte der Profos. „Drei Blitzchen, und die sind alle an Bord gelandet. Wird den Portus gar nicht schmecken. Jetzt muß noch der Knalleffekt folgen, wo es den Kerlen so richtig schön warm am Achtersteven wird.“ Der „Knalleffekt“, von dem Carberry gesprochen hatte,. ließ nicht lange auf sich warten. Draußen auf See wurde es überraschend hell, als die Dunkelheit von einem grellen Blitz zerrissen wurde. Von einem Augenblick zum anderen ließ sich alles deutlich erkennen. Im zuckenden Widerschein war zunächst die Kriegskaravelle zu sehen, deren Heck sich lodernd aufbäumte. Etwas weiter im Süden lag eine große Insel mit Palmenhainen, die urplötzlich eine rötliche Färbung annahmen. Carberry schluckte trocken. Es war also geglückt. Hasard und Juan hatten es geschafft, die Karavelle in die Luft zu blasen. Der rötlichgelbe Schein breitete sich weiter aus. Vom Heck waberten lange Flammenzungen, und durch die raucherfüllte Luft flogen Splitter. Kurz darauf fingen auch die Segel Feuer. „Achte auf Männer im Wasser!“ rief der Profos. „Los, wir nehmen die Jolle und zischen ab!“
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Im Wasser waren allerdings keine Männer zu sehen. Die Entfernung war zu groß, als daß man Einzelheiten erkennen konnte. Außerdem spiegelte sich jetzt das Feuer im Wasser und ließ alles schimmern und verwischen. Carberry haute Batuti auf die Schulter und grinste bis zu den Ohrläppchen. „Schadenfreude ist doch die beste Freude“, sagte er. „Das gönne ich diesem Bastard von Dom Alfonso. Er hat es nicht besser verdient, denn seine Kerle sind noch schlimmer als die Spanier.“ Sie sprangen in die Jolle und stießen sie ab. „Wir halten auf das Feuer zu“, sagte der Profos, während er sich kraftvoll in die Riemen legte. „Irgendwo im Lichtschein werden wir sie schon auffischen. Sie müssen genau in unsere Richtung schwimmen.“ Die See war jetzt in weitem Umkreis fast taghell erleuchtet, seit die Segel brannten. Als sich später drüben ein Schuß löste, glaubte auch Carberry, daß jemand das Feuer eröffnet hätte. Batuti suchte das Wasser ab, kniete in der Jolle und peilte über das Dollbord, um erhöhte Gegenstände im Wasser besser erkennen zu können. Knistern und Prasseln war zu hören. Auf der Karavelle wurde mühsam eine Jolle abgefiert. Sie sahen, daß ein Mann wie irre über das erleuchtete Deck rannte und mit einem Aufschrei ins Wasser sprang. Schwarzer Qualm wölkte auf, der wie ein Pilz über dem Schiff stand und immer weiter in die Höhe strebte. „Da sind sie!“ rief der Gambiamann plötzlich und zeigte voraus ins Wasser, wo er zwei Köpfe sah. „Wir haben sie.“ Carberry legte sich in die Riemen, drehte sich einmal um, sah aber nichts und pullte nach Batutis Anweisungen weiter. „Hoffentlich sind das keine Portus“, sagte er keuchend. „Wegen der Kerle reiße ich mir nicht die Arme aus.“ Nach zweihundert Yards hatten sie die beiden nebeneinander schwimmenden Männer erreicht.
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Es waren der Seewolf und Don Juan, der Spanier. Triefend naß zogen sie sich an Bord und setzten sich auf die Ducht. „Meinen allerherzlichsten Glückwunsch!“ rief der Profos. „Das habt ihr fein hingekriegt. Wetten, daß der Eimer beim Teufel ist? Der brennt wie eine Riesenfackel.“ Auch Batuti begrüßte die beiden freudig. „War an und für sich nicht schwer“, sagte Hasard. „Niemand hat den geringsten Verdacht geschöpft.“ „Na, immerhin war das ganz schön riskant, Sir. Die hätten ja auch was merken können – und dann ...“ Don Juan winkte lächelnd ab. Er glaubte die Hitze noch aus dieser Entfernung deutlich zu spüren. „War wirklich ein Kinderspiel, weil niemand von den Portus damit gerechnet hat. Jetzt wissen sie es besser, aber ich glaube fast, sie haben noch immer keine Ahnung, was da wirklich passiert ist.“ Sie sahen wieder zu dem Schiff. Die Segel flogen in langen glühenden Streifen über Deck und trafen schreiende Männer, die sich mit einem Sprung außenbords in Sicherheit brachten. Immer mehr Kerle jumpten über Bord. Ihre Angst vor dem Feuer war unbeschreiblich. Kaum im Wasser, schwammen sie aus Leibeskräften zu der Insel, auf die das brennende Schiff langsam zutrieb. „Sieht aus, als hätte der Kahn bereits Schlagseite“, sagte Don Juan. Die Jolle war jetzt im Wasser, von oben ließen sich Männer einfach hinunterfallen. Andere sprangen in Panik von Bord, als auch das Vorschiff Feuer fing. Sie hatten es furchtbar eilig, vom Schiff wegzukommen. Etliche prügelten sich in der Jolle um einen Platz, wie es den Anschein hatte. „Die Pulverkammer“, sagte Hasard. „Eine Kriegskaravelle hat immer große Vorräte an Pulver an Bord. „Jetzt haben sie natürlich Angst, daß ihnen ein paar Tonnen Pulver um die Ohren fliegen.“ Die Karavelle neigte sich ganz langsam zur Seite. Das Heck hing tief im Wasser, und
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die See strömte ein. Das Schiff drehte sich dabei ebenso langsam um sich selbst. Es wurde immer achterlastiger, sackte noch ein Stück tiefer und blieb dann bewegungslos liegen. Das Schiff war ein paar hundert Yards vor der Insel auf eine Untiefe gelaufen und saß fest. Der Profos pullte aus Leibeskräften. Batuti hatte die beiden anderen Riemen ergriffen und pullte mit. Sie hatten es ebenfalls eilig, denn wenn drüben die Pulverkammer mit etlichen großen Fässern in die Luft flog, konnte die ungeheure Druckwelle auch sie packen und durchbeuteln. Doch es gab keine Explosion. Wahrscheinlich war das Wasser in die Pulverkammer eingedrungen und hatte sie geflutet. Die Karavelle brannte nur weiter, und ein paar Rahruten fielen von den Masten, die jetzt lodernden Feuersäulen glichen. Durch die hell erleuchtete See pullten sie weiter, bis sie die Bucht erreichten. Aber auch von dort aus war Feuerschein noch fast die ganze Nacht lang zu sehen. Die beiden Männer wurden mit einem gebrüllten „Ar-we-nack“ begrüßt. Dann mußten sie erzählen, und so schlug Hasard vor, zur Feier des Tages ein Fäßchen anzustechen. Dabei ließ es sich auch viel besser berichten. Sie tranken auf die neuerliche Schlappe, die sie dem Despoten von Malakka und seinen Kerlen bereitet hatten. Sie vergaßen auch nicht, Wachen aufzustellen, denn es konnte sein, dass sich ein paar Schiffbrüchige gerade auf diese Insel verirrten. Doch niemand störte ihre Ruhe. Die Portus hatten als Ziel die nächste Insel angeschwommen. Noch bis fast zum Morgen brannte und glühte das Wrack, und der langsam aufkommende Wind blies Aschewolken über die See. *
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Am nächsten Morgen wurde die Schebecke aus der Bucht gepullt, weil hier immer noch kein Wind ging und sich kein noch so winziger Lufthauch rührte. Erst draußen griff der Wind zu. Sie segelten mit Kurs auf die Insel, wo die Portugiesen waren. Sie wollten an ihr vorbei nach Süden steuern und eine andere Insel zur Reparatur anlaufen. Jetzt konnten sie das in aller Ruhe tun, denn die Portugiesen und ihr racheschnaubender Obermeister konnten sie nicht mehr verfolgen. Dom Alfonso hatte sein letztes Pulver verschossen. „Bringt die beiden Portugiesen an Deck!“ sagte Hasard. Manuel und Romano erschienen und unterdrückten Haß und Ärger in den Augen, daß man sie so geleimt hatte. Sie hatten die nächtliche Feier an Deck mitgekriegt, sich aber nicht alles erklären können. „Was ihr dort vorn seht“, sagte Hasard, „ist das Wrack eurer Karavelle. Bestellt dem Kapitän und dem lieben Dom Alfonso recht herzliche Grüße von uns. Er hat sich leider die Pfoten verbrannt. Das könnt ihr ihm ausrichten.“ Die beiden starrten fassungslos zu dem Trümmerhaufen, der ein paar hundert Yards vor einer Insel lag. Nur noch verkohlte Rippen waren zu sehen und dunstiger Rauch, der über dem aufgebrummten Wrack hing. „Das – das ist unsere Karavelle?“ fragte Manuel entsetzt. „Das war sie. Jetzt ist nicht mehr viel übrig. Eure Kumpane werden am Strand auf euch warten. Wie ihr ihnen das alles verklaren wollt, überlasse ich euch. Ihr habt auch keine Rücksicht genommen. Ihr erhaltet jetzt noch etwas zu essen und zu trinken, danach setzen wir euch vor der Insel ab. Die paar Yards könnt ihr schwimmen und euch inzwischen eine prächtige Ausrede einfallen lassen.“ Die beiden waren wie gelähmt, starrten nur voraus zu dem kokelnden Wrack und gaben keine Antwort. Sie konnten nicht
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fassen, was sie dort mit eigenen Augen sahen. Als der Kutscher das Frühstück an Deck brachte, lehnten sie schroff ab und verweigerten auch das Dünnbier. „Wie ihr wollt“, sagte der Kutscher. „Überlegt es euch aber gut. Auf der Insel wird es für lange Zeit nur Kokosnüsse geben, mehr fällt da sicher nicht ab.“ „Wir nehmen nichts von unseren Feinden“, sagte Manuel hochmütig. -Und ihr seid unsere Feinde. Ihr habt mit dem Teufel einen Pakt geschlossen, sonst hättet ihr das Schiff nie versenken können.“ „Stimmt“, sagte Old Donegal heiser. „Aber sagt das bloß keinem. Old Nick erschien gestern nacht an Bord, und da haben wir ihm eure armen Seelen versprochen, wenn er die Karavelle anzündet. Na ja, er schwamm dann hinüber und kokelte ein bißchen mit Schwefel herum. Aber das bleibt unter uns Klosterschwestern, klar? Wahrscheinlich wird er sich noch heute seine Belohnung holen –euch beide nämlich. Wenn ihr also einen gehörnten Kerl auf einem Schwefelfaß seht, dann verzieht euch lieber.“ Die beiden starrten Old Donegal entgeistert an und schienen jedes Wort zu glauben. Wie hätte es auch anders sein sollen? Immerhin war kein Schuß gefallen, und die Schebecke hatte sich nicht vorn Fleck gerührt. Also mußte das wahres Teufelswerk sein. Das jedenfalls spukte allen beiden in den Köpfen herum. Sie wichen angstvoll zurück, und der eine schielte nach Backbord, als wollte er außenbords springen. „Keiner hält dich auf“, sagte der Profos. „Du mußt nur etwas weiter schwimmen, falls du dich jetzt schon abmelden willst.“ Der Portugiese wollte nicht. Er peilte zu Old Donegal und fing plötzlich an zu zittern. „Stimmt das wirklich mit den Seelen?“ fragte er eingeschüchtert. „Aber natürlich“, versicherte Old Donegal im Brustton der Überzeugung. „Old Nick tut nichts umsonst. Da wir unsere Seelen nicht hergeben wollten, haben wir eben eure verscheuert. Dem Satan ist das völlig
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egal, ob es sich um portugiesische, spanische oder englische Seelen handelt. Die sind alle gut oder schlecht, und er braucht immer eine Menge, um sein Fegefeuer anzuheizen.“ Was Old O'Flynn den beiden vorflunkerte, schien sie mehr aufzuregen als der Verlust der Karavelle. Sie tuschelten leise und aufgeregt miteinander und schüttelten immer wieder die Köpfe. Sie waren vom Aberglauben völlig zerfressen. Der Kutscher bot ihnen noch einmal etwas zu essen an, aber als sie wieder stur und verbissen ablehnten, zuckte er nur gleichmütig mit den Schultern und wandte sich ab. „Ah, da stehen ja die Senhores“, sagte Stenmark und deutete zur Insel, mit der sie jetzt fast auf gleicher Höhe waren. „Da hat sich ja eine illustre Gesellschaft versammelt.“ „Mindestens siebzig bis achtzig Kerle“, sagte Big Old Shane nach einem sorgfältigen Blick. „Und eine Jolle haben sie auch noch retten können. Nur mit ihrem Torfkahn ist nichts mehr los.“ Die Kerle hatten sich am Strand versammelt und schüttelten jetzt wild die Fäuste, als sie die heransegelnde Schebecke erblickten. Hasard ließ noch dichter unter Land gehen, damit die beiden „Seelenverkäufer“ es nicht so weit hatten. Schüsse waren von den Portus nicht zu befürchten, denn er sah keine einzige Muskete. Einige der Offiziere oder höheren Chargen trugen zwar noch Bandeliers mit Pistolen, aber damit konnten sie nichts mehr anfangen. Über dem Wrack hing eine Dunstglocke. Es züngelten keine Flammen mehr, aber das Holz kokelte noch. Das Wrack lag da wie das monströse Gerippe eines an Land geschwemmten Wals. Auf gleicher Höhe begann ein wildes Gebrüll. Einige warfen mit Kokosnüssen nach der Schebecke, andere hoben Steine auf, als sie die Arwenacks sahen, und ausnahmslos alle verfluchten sie mit wildem Grölen und Brüllen. Die ganze Meute wogte durcheinander.
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Carberry wedelte huldvoll mit der Hand, wie er es einmal beim Gouverneur von Havanna gesehen hatte. Es war eine leutselige Geste für den armen Pöbel, und sie bewirkte, daß das Gebrüll nur noch lauter und unflätiger wurde. Außerdem grinsten die Seewölfe bis zu den Ohren. „Einen Gruß an den ehrenwerten Dom Alfonso!“ rief Hasard hinüber. „Bastarde, englische!“ brüllte die Meute, und wieder flogen Kokosnüsse vom Land herüber. „Ihr müßt sie mit Pulver füllen, ihr Rübenschweine!“ brüllte der Profos. Er grapschte nach einer Nuß, doch sie flog vor der Bordwand ins Wasser. Er winkte noch einmal huldvoll und wandte sich dann an die beiden schlotternden Portugiesen. „Wollt ihr nicht lieber auf eine andere Insel? Kann sein, daß die Helden dort drüben euch ein bißchen verhauen, wenn sie erfahren, was hier los war. Ihr werdet nämlich eine Menge zu erklären haben.“ „Wir werden erzählen, daß der Teufel bei euch an Bord ist!“ stieß Manuel hervor. „Anders kann es auch nicht sein. Unseren Kameraden ging es genauso.“ „Dann verzieht euch“, sagte der Profos, „sonst sind wir an euren Genossen vorbei. Ate à vista, Senhores.“ Manuel sagte ein unanständiges Wort, nahm Anlauf und sprang mit einem wilden Satz über das Schanzkleid. „Du mich auch dreimal“, knurrte der Profos. „Jetzt bist du dran, du verlauster Brunnenfrosch.“ Der schlotternde Kerl stieg auf das Schanzkleid, duckte sich und sprang ins Wasser. Als er ein paar Züge geschwommen war, flog ihm eine Kokosnuß an den Schädel, die eigentlich den Arwenacks zugedacht war. Der Kerl fluchte daraufhin wie ein Rohrspatz. Drüben brachen die Schiffbrüchigen plötzlich in wildes Triumphgeheul aus, fingen an herumzutanzen und grinsten. „Wir doch nicht“, sagte Pete Ballie, „die Sandbank haben wir längst gesehen.“
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Sauber segelte er die Schebecke zwischen dem schmalen Fahrwasser zwischen Insel und Sandbank hindurch. Das schadenfrohe Gebrüll verwandelte sich daraufhin in wüste Beschimpfungen. Einer der Kerle nahm voller Wut Anlauf, rannte noch ein paar Schritte ins Wasser und warf mit einer Kokosnuß, den einzigen Geschossen, die sie jetzt noch zur Verfügung hatten. Carberry packte zu und erwischte sie mit den Pranken. Vorsichtig legte er sie auf die Planken und winkte leutselig dankend. „Man dankt“, sagte er laut, „aber das wäre nicht unbedingt nötig gewesen. Nachher habt ihr selbst nichts mehr zu beißen.“ Hinter ihnen verklang ein schauriges Wutgeheul. Die Portugiesen rannten der Schebecke über den Strand nach, bis an einer Landzunge Ende der Fahnenstange war. Hier ging es nicht mehr weiter. Als letzter Gruß tönte ein Hohngelächter der Arwenacks zu ihnen hinüber. 7. Die Insel, die sie suchten, fanden sie drei Stunden später. Sie lag weit abseits von den anderen im Riau-Archipel, und es hatte ganz den Anschein, als sei sie noch nie von eines Menschen Fuß betreten worden. Kolonien von Seevögeln nisteten am südlichen Zipfel des Eilands. Sie flogen beim Anblick der Schebecke nicht mal auf und schienen nicht die geringste Scheu vor den Menschen zu haben. „Wir segeln erst mal vorbei und werfen einen Blick in die Bucht“, sagte Hasard. „Scheint aber ein vorzüglich geeignetes Plätzchen für die Reparatur zu sein.“ Der Blick in die Bucht war malerisch, eine Idylle sozusagen. Genaugenommen, waren es zwei Buchten, die ineinander übergingen. Der eine Strand war steinig mit kleinen Felsen, der andere fast glatt, weiß und mit Muscheln übersät. Auch hier gab es dichtes Buschwerk und einen Winkel in der Bucht, der von außen nicht einsehbar war.
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„Genau dort werden wir aufslippen“, sagte der Seewolf und zeigte auf die Stelle hinter der Krümmung, von der ihm nur ein flüchtiger Blick vergönnt war. „Lange wird die Reparatur ohnehin nicht dauern“, meinte Ferris. „Shane und ich haben noch einen kleinen Vorrat von den Fingerlingen. Wenn wir richtig ranklotzen, sind wir in gut einem Tag fertig. Schließlich muß man immer vorausschauen, und das Ruder ist nun mal empfindlicher als alles andere.“ Shane, der Exschmied von der Feste Arwenack, nickte ebenfalls. „Wir haben noch sieben Stück und auch die erforderlichen Ösen in Vorrat. Außerdem noch ein Holzbein für Donegal, weil das auch besonders empfindlich ist und der alte Bursche öfter mal darüber stolpert.“ Sie luvten an und gingen in den Wind. Hasard enterte in die „Tonne“ auf, um aus dem Ausguck einen besseren Überblick über die Insel zu haben. Dort stand Roger Brighton, der Takelmeister und Bruder von Ben. „Eine schöne und ruhige Bucht“, sagte er, „aber die Insel ist mit einem Blick nicht zu übersehen. Sie zieht sich mindestens eine Meile in die Länge.“ Hasard blickte auf eine üppig wuchernde Vegetation. Zwei Seevögel stiegen gerade auf, ohne zu zetern oder zu krakeelen, wie sie das meist taten. Ganz ruhig strichen sie ab, um Futter für ihren Nachwuchs zu holen. „Da drüben, Sir, auf der anderen Insel“, sagte Roger. „Ich kann es nur mit dem Spektiv erkennen. Da stehen Hütten.“ Hasard wurde hellhörig. Er blickte in die angegebene Richtung, konnte auf der Insel aber nur einen langgezogenen Strand sehen. Gleich dahinter begann dunkelgrüner Verhau. Durch das Spektiv sah das allerdings gleich etwas anders aus. Vor dem Grün waren Pfahlbauten zu erkennen, ein paar dunkle Punkte auf dem hellen Sand schienen kleine Fischerboote zu sein.
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„Vierzehn Hütten“, sagte er. „Offenbar ist die Insel von Fischern bewohnt.“ „Sie werden uns ebenfalls gesehen haben“, gab Roger zu bedenken. „Ob der Liegeplatz dann wirklich noch so gut und sicher ist?“ „Du meinst, die Eingeborenen könnten unberechenbar sein?“ fragte der Seewolf. „Das haben wir ja schon oft erlebt.“ „Allerdings, aber die paar Mann werden schon gegen eine einzige Drehbasse nichts ausrichten können. Sie werden auch nicht gerade versessen darauf sein, uns zu besuchen.“ In dem Punkt irrte Hasard, aber das sollte sich erst später herausstellen. „Nein, wir bleiben hier“, sagte er entschieden. „Hier hört der Herrschaftsbereich der Portugiesen auf, und da sind die Leute meist friedlich, wenn sie unbehelligt bleiben. Ich schätze, daß sie nicht mal Notiz von uns nehmen.“ Leute waren auf der Insel nicht zu sehen, so sehr er auch mit dem Kieker suchte. Vielleicht waren sie auf der anderen Inselseite unterwegs und zum Fischen draußen. Gerade als Hasard den Ausguck verlassen wollte, entdeckte er mehr zufällig einen eigentümlich geformten Ring in der Wildnis dieser Insel. Er mochte vielleicht dreihundert Yards entfernt sein und sah auf den ersten Blick so aus, als sei er künstlich angelegt worden. Da gab es Dschungelvegetation im weiten Umkreis, die durch nichts unterbrochen wurde, aber an jener Stelle standen ein paar Bäume fast kreisförmig zusammen. Eine Laune der Natur? „Was hältst du davon, Roger?“ „Ich habe das auch schon gesehen, kann es aber nicht erklären. Vielleicht standen da früher mal Hütten, und es gab hier ein paar Eingeborene, die längst wieder verschwunden sind. Ihre Hütten haben sie so angelegt, daß man sie von See aus nicht sieht.“ „Das steht genau im Gegensatz zu den Hütten da drüben“, sagte Hasard. „Die haben sie sichtbar vor aller Augen gebaut. Na ja, falls wir noch Zeit haben, können
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wir uns das später immer noch ansehen. In der Nähe der Bäume scheint es auch Wasser zu geben, da ist alles dunkelgrün. Vielleicht eine kleine Quelle.“ Hasard enterte wieder ab. Sie wußten jetzt ungefähr über die Insel Bescheid und konnten die Bucht anlaufen. Allerdings wollte er gleich nach dem Einlaufen zwei Männer als Wachen abstellen, damit nicht doch noch unliebsamer Besuch auftauchte. Sie segelten hinein, legten Hartruder und hielten sich nach Backbord, wo der Strand zum Aufslippen günstiger war. „Wir haben Glück“, sagte Dan O'Flynn, der den Strand genau beobachtet hatte. „Wir laufen bei Flut ein und haben fast den höchsten Wasserstand im Augenblick.“ „Bist du sicher?“ fragte Hasard. „Ganz sicher, Sir.“ Wenn Dan O'Flynn das sagte, konnten sich die anderen darauf verlassen. Seiner Beobachtungsgabe entging so gut wie nichts. „Dann werden wir auch keine Zeit verlieren und das Heck gleich auf den Strand setzen“, sagte Hasard. „Wir bringen den Anker aus, stecken Trosse nach und pullen die Schebecke vorsichtig ans Land heran.“ Die Segel ließen sie noch stehen. In der Bucht war es ziemlich windstill. Die Rahruten konnten später abgefiert werden. „Die Ebbe setzt bereits ganz langsam ein“, sagte Dan O'Flynn. „Ein gutes Merkmal ist der dünne Strich am Strand, wo etwas Grünzeug angeschwemmt ist. Das ist gleichzeitig der höchste Punkt.“ Der Anker wurde gesetzt. Aus den Laderäumen wurden die Langriemen geholt, mit denen die Schebecke stehend gepullt werden konnte. Sie waren noch feucht vom letzten Pullen aus der anderen Bucht. Gary Andrews verzog das Gesicht und griff sich ans linke Bein. „Diese verdammte, mistige Badewanne“, sagte er, „jetzt habe ich mir schon wieder die Knochen an dem Ding geprellt. Das Geschenk des Sultans steht doch nur nutzlos herum. Sollen wir sie nicht einfach
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am Strand abladen und dort stehenlassen, Sir? Für eventuelle spätere Besucher wäre das doch ein Spaß. Die werden sich verzweifelt fragen, wie hier eine vergoldete Badewanne landen konnte.“ „Kostbare Geschenke wirft man nicht einfach weg“, sagte Hasard lächelnd. „Das Trumm ist wirklich überflüssig, weil wir gar nicht die Voraussetzungen haben, um auf diese Art zu baden. Aber wir behalten sie noch und beglücken damit zwei bedauernswerte Spanier, die sich schon immer eine goldene Badewanne gewünscht haben.“ „Ach, die beiden Spinner auf den Marquesas“, sagte Gary lachend. „Ja die werden allerdings ihre helle Freude daran haben.“ „Quatsch hier nicht, die Zeit drängt“, fuhr der Profos ihn an. „Entschuldige, Sir, ich habe nicht dich gemeint“, wandte er sich dann an Hasard. „Schon gut“, sagte der Seewolf. ..Du hast ja recht.“ Die Riemen wurden eingebracht. Smoky und Luke Morgan fierten die Ankertrosse nach, während acht andere Seewölfe die Schebecke vorsichtig achteraus pullten. Ganz langsam sackte die Schebecke achteraus, bis ein unendlich sanfter Ruck durch das Schiff lief. Sie saß auf dem Sand fest. Zwei Mann sprangen an Land, nahmen eine Leine wahr und belegten sie an einer der zahlreichen Palmen. Am Bug wurde die Ankertrosse wieder durchgeholt. Hasard ließ über das Achterschiff eine Stelling ausbringen, damit man beim Landgang nicht jedesmal die Jolle benutzen mußte. In ein paar Stunden würde die Bucht ohnehin zum größten Teil trockenliegen. Hasard sah sich noch einmal gründlich um. Die Insel mit den Pfahlhütten war jetzt nicht mehr zu sehen. Die Wildnis der Bucht lag dazwischen und gestattete nur einen begrenzten Ausblick. „Wir stellen zwei Wachen auf, vorn am Ausgang der Bucht“, sagte er, „wo man alles überblicken kann.“
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Jack Finnegan und sein dicker Freund mit der Knubbelnase, Paddy Rogers, übernahmen die Wache, enterten über die ausgebrachte Stelling ab und gingen zur kleinen Landzunge hinüber. „Wir sollten noch ein paar Drehbassen zusätzlich auf die Backbordseite bringen, Dad, Sir“, schlug Jung Hasard vor. „Falls unangenehmer Besuch auftaucht, können wir mit den Culverinen auf dem Trocknen nichts ausrichten. Die Drehbassen würden aber genügen.“ „Gut, bringt ein paar Drehbassen nach oben, steckt sie in die Halterungen und ladet sie mit grobgehacktem Blei“, sagte Vater Hasard. Al Conroy und die Zwillinge holten die Drehbassen aus dem Laderaum. Clint Wingfield brachte Pulver an Deck und alles, was sie brauchten, um einen Angriff abzuwehren. Die Drehbassen wurden geladen, die Rohre mit grobem Blei und Nägeln gefüllt. Inzwischen trafen Ferris Tucker und Big Old Shane ebenfalls ihre Vorbereitungen. Für die Sicherheit war jetzt alles getan. Sie brauchten nur noch zu warten, bis das Wasser weiter abfiel. Ferris breitete die Fingerlinge an Deck aus und legte auch ein paar Ösen zurecht. Auch das erforderliche Werkzeug wurde an Deck geholt. „Zum Glück müssen wir das Ruder nicht ausbauen“, sagte er. „Das Holzstück hat auch weiter keine größeren Schäden verursacht. Aber wir sollten vielleicht mehr als die beiden Fingerlinge austauschen, damit wir für längere Zeit Ruhe haben.“ Der Seewolf war damit einverstanden. „Genaugenommen, kommt es auf einen Tag nicht an, Ferris. Unser Törn durch den Pazifischen Ozean wird uns hin und wieder noch länger aufhalten, als uns lieb sein kann. Zu befürchten haben wir in dieser Ecke auch nicht viel. Also überlasse ich dir das. Wenn du glaubst, daß alle Bolzen ausgetauscht werden müssen, dann tu das. Sieh auch gleich nach den Beschlägen, oh das Seewasser sie nicht zu sehr angegriffen hat.“
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„Die Beschläge sind in Ordnung, soweit wir das feststellen konnten, Sir. Aber natürlich sehen wir uns das noch genau an.“ Ganz langsam ging das Wasser zurück. Die Linie mit dem angeschwemmten Grünzeug wurde breiter. „Wir könnten noch ein paar Kanthölzer unter das Achterschiff bringen“, schlug Ferris vor. „Wir schieben sie ein paar Handbreiten unter den achteren Kiel, damit das Ruderblatt beweglicher bleibt. Zeit genug haben wir noch.“ Auch dieser Vorschlag wurde gleich in die Tat umgesetzt. Achtern wurde die Leine gefiert. Vorn holten sie über das Spill die Ankertrosse durch. Da das Wasser erst um zwei Handbreiten gefallen war, ließ sich die Schebecke noch relativ mühelos bewegen. Der Kiel war für wenige Augenblicke wieder frei. Kant- und Pallhölzer wurden von kräftigen Fäusten durchgeschoben. Der Untergrund war zum Glück nicht sumpfig. Sieben schwere Kanthölzer sorgten dafür, daß das Ruderblatt jetzt frei beweglich war und nicht mehr auf dem Sand auflag. Das Manöver wurde wiederholt, diesmal in umgekehrter Reihenfolge – vorn fieren, achtern durchholen, bis die Schebecke abermals festsaß. Später, beim Aufschwimmen nach der Reparatur, konnte man die Hölzer mühelos an Bord nehmen. „Alles klar“, meldete Ferris. „Sobald das Wasser weiter gefallen ist, können wir mit dem Auswechseln beginnen. Schätze, das dürfte nur noch eine gute Stunde dauern.“ Das Wasser fiel weiter. Jack Finnegan und Paddy Rogers hatten ihren Posten bezogen und hockten auf der Landzunge herum, Die Sonne stieg höher und brannte heiß herab. In der Bucht war es still. Selbst die Seevögel am anderen Ufer rührten sich nicht. Ferris watete ungeduldig ins Wasser und sah sich das Ruder an. Batuti stand bis zu den Hüften neben ihm.
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„Herrlich frisch das Wasser“, sagte er, „da könnte man den ganzen Tag drin stehen, um sich abzukühlen.“ „Dir kann es doch gar nicht heiß genug sein“, scherzte Ferris. Shane, Matt Davies und ein paar andere gesellten sich zu ihnen und warteten. Mac Pellew und der Kutscher hatten entdeckt, daß es in der Bucht eine Menge Krebse gab. Auch ein paar große Hummer waren dabei. Die zwei veranstalteten alsbald eine Jagd auf die Tierchen. „Das wird ein feines Essen heute abend“, versprach Mac. „Bei der Hitze brauchen wir am Strand nicht zu kochen, jedenfalls heute mittag nicht. Wir verschieben das auf den Abend.“ Damit waren die meisten einverstanden. Außerdem wollten sie die Reparatur schnell hinter sich bringen. Die Krabbeltiere wurden in Körbe gepackt und an Deck in die große Waschbalje gesetzt, damit sie frisch und munter blieben. Unterdessen begannen die anderen mit der Reparatur. Das Ruderblatt ragte jetzt etwas aus dem Wasser, und so konnte der oberste Fingerling herausgelöst werden. Trotzdem war es eine schweißtreibende Arbeit bei der Hitze. Die Stille der Bucht wurde jetzt vom Hämmern und Klopfen unterbrochen. Die Arwenacks arbeiteten konzentriert und mit routinierten Handgriffen. Etwa eine Stunde später war von eifrigen Händen bereits der leichte Muschelbewuchs am Ruderblatt entfernt. Matt Davies und Jeff Bowie besorgten das mit ihren Hakenprothesen. Am späten Nachmittag wurde der erste Bolzen schon wieder eingesetzt, nachdem alles fein säuberlich geputzt und eingefettet worden war. „Morgen nachmittag können wir das vergessen“, sagte Ferris. „Die Arbeit ist dann erledigt.“ „Dann hören wir heute etwas früher auf“, meinte Hasard. „Wir verspeisen die Krebse und lassen es uns gut gehen.“ Das taten sie auch,
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Als die Sonne sank, schwamm die Schebecke durch die Flut wieder auf. Am Strand wurde ein kleines Feuer entzündet, und bald zog ein lieblicher Duft durch die jetzt wieder stille Bucht. 8. Am anderen Morgen fingen sie so zeitig an, wie es der Wasserstand zuließ. Die Wachen lösten sich ab, und bald waren alle wieder an der Arbeit. Die wurde allerdings kurze Zeit später durch einen Ruf unterbrochen. „Fischerboote laufen die Insel an!“ rief Blacky, der mit Smoky zusammen auf der Landzunge war. Hasard rannte mit langen Schritten hinüber. „Da drüben, Sir. Sie halten genau auf uns zu“, sagte Smoky. „Es sind acht oder neun kleine Boote, besetzt mit jeweils zwei Mann.“ „Verdammt“, sagte der Seewolf, „die Unterbrechung hat uns gerade noch gefehlt. Das müssen die Burschen von den Pfahlbauten der anderen Insel sein.“ „Ganz sicher. Sie kommen aus der Richtung. Wahrscheinlich sind sie doch neugierig geworden.“ Hasard versuchte zu erkennen, ob die Männer bewaffnet waren. Er sah aber weder Speere noch Bogen. Allerdings konnten die auch unter den Duchten verborgen sein. Vorsicht war trotz allem geboten. „Besetzt die Drehbassen“, sagte er. „Mal sehen, was die Kerle von uns wollen.“ An Deck wurden die Drehbassen besetzt. Zwei Kupferpfannen mit glühender Holzkohle wurden aufgestellt. Jetzt stand fest, daß es neun kleine Boote waren. Insgesamt achtzehn Männer hielten genau auf die Bucht zu. „Ziemlich kleine Kerlchen“, meinte der Profos. „Sie sind nur mit kurzen Hosen bekleidet und sehen wie Zwerge aus.“ Deutlich waren die Männer jetzt zu erkennen. Ihre lächerlich kleinen Segel waren vom Wind gebläht. Die Boote segelten rasch heran.
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„Angst scheinen sie jedenfalls nicht zu kennen“, sagte Batuti. „Oder sie sind einfach gutgläubig oder leichtsinnig.“ Schon von weitem winkten sie den Arwenacks zu, die noch nicht so recht wußten, was sie von den unerwarteten Besuchern halten sollten. Die Kerlchen, sie waren wahrhaftig zwergwüchsig, hatten lange, strähnige, schwarze Haare, und sie grinsten so freundlich, als hätten sie alte Kameraden getroffen. Unbekümmert und sorglos segelten sie an den verblüfften Arwenacks vorbei in die Bucht und ließen ihre kleinen Boote auf den Strand laufen. Behende sprangen sie an Land. Hasard zählte achtzehn Kerlchen, Männchen sozusagen, die ihm von der Größe her nicht mal bis ans Brustbein reichten. Sie waren flink und schnell wie die Affen, und sie grinsten wie Honigkuchenpferde, wie der Profos das formulierte. Ed grinste bei dem Anblick ebenfalls, er konnte einfach nicht anders. Völlig unbekümmert gingen die Burschen auf die Arwenacks los, verneigten sich vor ihnen, staunten anscheinend über die Größe und Breite der Männer und legten die Hände vor der Brust zusammen, wie die Asiaten oder Inder das taten. Sie sprachen ein Kauderwelsch, bei dem die Arwenacks regelmäßig in Lachsalven ausbrachen, und sie benahmen sich wie kleine Kinder, begafften und bestaunten alles und waren unheimlich neugierig. Die Seewölfe brauchten eine Weile, um das Geplapper der kleinen Kerle zu verstehen. Aber es klappte, auch wenn es zuweilen noch Mißverständnisse gab, die durch befreiendes Gelächter beigelegt wurden. Sie schienen auch schon Holländer, Portugiesen und Spanier kennengelernt zu haben, denn immer wieder wurden vertraut klingende Brocken in das Kauderwelsch eingestreut. Einer der Zwerge hatte es besonders auf den Seewolf abgesehen, der ihm offenbar sehr mit den schwarzen Haaren und den
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silbernen Schläfen imponierte. Natürlich beeindruckte ihn auch die gewaltige Größe und die Breite seiner Schultern. „Seid ihr Portuganer?“ fragte er radebrechend. Das Bürschchen, offenbar der älteste dieser Fischer, hatte unglaublich weit abstehende Ohren und wirkte dadurch noch lächerlicher. Aber er grinste ständig und belustigte sich über alles, was er sah. „Portuganer?“ fragte Hasard. „Ah, du meinst Portugiesen! Nein, wir sind Engländer.“ „Mein Name Bani-Seth“, sagte der Kleine und zeigte erst auf sich und dann auf ein paar andere. „Das da Takun, das Naki, das Nabi und das Laki.“ „Leicht zu merken“, sagte Hasard und mußte unwillkürlich grinsen. „Was ist Engländer?“ wollte der Kleine wissen. Seine Neugier war unstillbar. „Und was ist mit fliegendes Schiff? Viel groß. Warum sucht ihr hier Fische? Warum nicht draußen? Dürfen wir mal Schiff ansehen?“ „Das ist ja der reinste Labermann“, sagte Carberry erschüttert. „Wer soll denn all die Fragen bloß beantworten?“ Hasard versuchte alles geduldig zu erklären, doch der kleine Labermann fiel ihm dauernd ins Wort und stellte immer wieder andere Fragen. Wenn ihn die Neugier gepackt hatte, dann zupfte er aufgeregt an seinen Ohren, bis sie wie Klüversegel vom Kopf abstanden. Die Arwenacks grinsten sich eins, und sobald sie grinsten, begannen auch Naki, Taki, Bani-Seth und wie die Kerlchen alle hießen, fröhlich zu feixen. „Na, dann seht euch mal das Schiff an“, sagte der Seewolf, „damit ihr endlich Ruhe gebt.“ Sie hatten unauffällig die kleinen Boote inspiziert, aber nicht eine einzige Waffe entdecken können. Die zwergwüchsigen Javaner besaßen nicht mal ein Messer. Sie hatten nur primitive Angelruten dabei, ein paar Köder und ein paar Netze. Proviant hatten sie überhaupt nicht mit. Sie ernährten sich anscheinend von dem, was die Natur gerade so bot, und das war immerhin eine ganze Menge.
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Das einzige, was sie hatten, waren kleine harte Bretter mit Löchern darin und Hölzern, die sie darin rieben, bis das Holz zu glimmen begann. Das ersetzte Flint und Feuerstein und ließ sich von ihnen spielerisch leicht handhaben. An Bord kannte ihre Freude keine Grenzen mehr. Neugierig faßten sie alles an, sperrten die Mäuler auf und blickten auch in die Waschbalje, wo sich noch ein paar Krebse und Hummer tummelten, die vom Vortag übriggeblieben waren. Sie lachten laut und hieben sich, auf die Schenkel, zeigten immer wieder in die Balje und konnten sich kaum beruhigen. „Nicht gut“, sagte der Labermann belustigt. „Große Blaufische sein viel besser, schmecken sehr gut.“ „Mag ja sein“, sagte Hasard, „aber wir haben nun mal keine großen Blaufische.“ Bani-Seth, wie er sich nannte, stellte wieder hundert Fragen und löcherte die Arwenacks damit. So wollte er wissen, warum sie keine „Portuganer“ seien. Und was eigentlich Engländer darstellten, interessierte ebenfalls. Noch mehr interessierte sie allerdings der Hosenbund von Ferris Tucker, auf den sie andächtig blickten. Auch über seine roten Haare wurde aufgeregt getuschelt. Der Grund ihrer Aufmerksamkeit war das lange, spitz zulaufende Messer, das Ferris im Gürtel trug. Er zeigte es ihnen, und er zeigte ihnen auch, was man damit alles anstellen konnte. Alle achtzehn Zwerge hatten sich jetzt um ihn versammelt und staunten, als er das Messer durch die Luft warf und es im Mast steckenblieb. Sie schienen an Zauberei zu glauben. „Bring jedem ein Messer aus der Waffenkammer, Clint“, sagte der Seewolf zum Moses. „Ihre Freude scheint unbeschreiblich zu sein, und ein kleines Geschenk ist immer angebracht.“ „Hoffentlich stechen sie sich in ihrer Freude nicht gegenseitig damit ab“, meinte der Profos. „Die scheinen mir einfach noch zu unreif, um mit scharfen Messern umgehen zu können.“
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Er holte dann aber doch achtzehn Messer und verteilte sie an die grinsenden Zwerge. Da brach ein unbeschreiblicher Jubel los, und alle wollten gleich mit den Messern werfen. Sie benahmen sich wie Kinder und tollten übermütig herum. Der eine verletzte sich auch prompt und schnitt sich in den Finger. Aber es war nur eine kleine Wunde, über die er laut lachte. Hasard ließ vorsorglich auch Messerscheiden überreichen und zeigte ihnen, wie sie damit umgehen mußten. Mit kleinen Lederriemen konnten sie sich die Messer um die mageren Bäuche hängen. „Die werden wir so schnell nicht mehr los“, sagte Old O'Flynn. „Die werden sich jetzt den ganzen Tag lang alles ansehen. Und mit unserer Reparatur ist es vorerst Essig.“ Bani-Seth wieselte mit seinen Freunden durch das Schiff, warf einen Blick in die Kombüse und kriegte große Augen. Sehr begehrlich sah er sich Pfannen, Töpfe und Tiegel an, berührte alles und begann wieder breit zu grinsen, wobei er aufgeregt an seinen Ohren zupfte. Da quirlte an Bord alles wild durcheinander. „Sie haben noch nie ein größeres Schiff von innen gesehen“, sagte Don Juan. „Sie begreifen gar nicht so richtig, was das alles ist und welche Bedeutung es hat. Aber sie klauen zumindest nicht wie die Ladrones, die alles mitnehmen, was ihnen gefällt.“ Immer wieder brandete das Gelächter der kleinen Leute auf, wenn sie etwas entdeckten, was ihnen gefiel, oder wenn sie etwas sahen, womit sie absolut nichts anzufangen wußten. Dann kannte ihre Heiterkeit keine Grenzen mehr. Die Inspektion der Schebecke dauerte mindestens eine Stunde. Danach sahen sie sich das Schiff gründlich von außen an. Ihre Messer trugen sie stolz und ehrfürchtig. Immer wieder wurden sie vorsichtig herausgenommen und angestarrt, auch wurde jedes noch so kleine Stäubchen sorgfältig abgewischt. „Wir Fische bringen für euch“, sagte BaniSeth stolz. „Große Blaufische, die sehr gut. Wir fangen, machen Brand und essen.“
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Mit Brand machen meinte er vermutlich, ein Feuer entzünden. Hasard mußte immer lange überlegen, ehe er manche Worte begriff. Hasard wollte erst freundlich ablehnen, aber sie sahen wohl seinen Gesichtsausdruck und gaben sich tief enttäuscht. „Sie wollen sich revanchieren“, sagte Ben Brighton, „für die Messer. Laß sie doch, Sir, wenn sie unbedingt ein paar Fische fangen wollen.“ „Meinetwegen“, gab der Seewolf nach. Bani-Seth sah ihn geheimnisvoll an, zupfte an seinem Ohr und grinste wissend. „Wollt ihr Schatz im Brunnen suchen?“ fragte er. Hasard glaubte, sich verhört zu ha ben. „Schatz im Brunnen?“ fragte er. Er dachte sofort an die ringförmig gewachsenen Bäume und den dunklen Fleck, wo es ganz sicher Wasser gab. „Hier Piraten auf Insel“, raunte Bani-Seth und sah sich nach allen Seiten um, als hätten sich die Piraten hier noch versteckt. „Das hier Insel von große Dämon, der in Brunnen sitzt und Schatz bewacht.“ „Na, jetzt fallen mir doch die Schindeln vom Dach“, sagte Carberry verdattert. „Wo sind wir denn hier gelandet?“ „Vermutlich auf einer ehemaligen Pirateninsel“, erwiderte der Seewolf trocken. „Ein Schatz hat uns gerade noch gefehlt.“ „Den heben wir“, versicherte Philip sofort. „Was den Dämon betrifft, mit dem werden wir schon einig werden. Man kann ihm ja gut zureden.“ „Hier könnte es wirklich einen Brunnen geben“, sagte Hasard. „Zumindest eine Zisterne, und ich glaube auch zu wissen, wo sie sich befindet. Aber warten wir ab, die Burschen werden sicher noch mehr erzählen.“ „Klingt gar nicht mal so unwahrscheinlich“, meinte auch Don Juan. „Diese Gegend wimmelt nur so von Piraten und lichtscheuem Gesindel. Vielleicht haben sich hier mal welche niedergelassen und eine Weile lang gehaust. Kann weiter sein, daß man sie
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dabei beobachtet und umgebracht hat, und jetzt ist aus der Zisterne oder dem Brunnen eine Legende geworden. Die Eingeborenen haben in ihrem Aberglauben einen Dämon in den Brunnen gesetzt, und schon ist ein Märchen fertig.“ „Meist steckt immer ein Körnchen Wahrheit darin“, sagte Hasard. „Wo ist denn dieser Brunnen?“ Zu seiner Verblüffung deutete Bani-Seth in genau die Richtung, wo die seltsamen Bäume wuchsen. Eine Entfernung konnte er aber nicht angeben, weil ihm dafür die Begriffe fehlten. „Nicht weit“, sagte er. „Aber das konnte alles mögliche bedeuten, je nachdem, was sie darunter verstanden. Jedenfalls stimmte die Richtung haargenau. „Dämon in Brunnen“, wiederholte der Kleine. „Alle töten, die nach Schatz suchen.“ Damit war die Neugier der Arwenacks erst richtig geweckt. „Den Brunnen sehen wir uns an“, versprach Hasard, aber die Kerlchen kriegten jetzt fast ängstliche Gesichter. „Erst Blaufisch holen“, sagte Bani-Seth. „Blaufisch sonst weg und kommen erst morgen wieder.“ „Dann lieber heute“, murmelte Hasard und sah sich im Geist von einer Invasion von Zwergen überrannt, die das Schiff auf den Kopf stellten. Für die kleinen Burschen gab es jetzt kein Halten mehr. Sie stürmten zu ihren Booten, schoben sie ins Wasser und segelten los, um Blaufisch zu holen. 9. Hasard sah ihnen nach. „Was haltet ihr von diesen quirligen Burschen?“ „Unbekümmert, naiv wie kleine Kinder und abergläubisch, was Dämonen betrifft“, antwortete Don Juan. „Es sind ganz unbedarfte Kerlchen, die vor Neugier platzen.“ Donegal Daniel O'Flynn motzte aber wieder mal dagegen und behauptete, die Kerle würden sich bloß verstellen und so
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tun als ob. Aber dafür hatte er nicht den geringsten Beweis. „Du hast immer was zu meckern“, knurrte der Profos. „Hast du nicht bemerkt, daß es sich hier um ein unkompliziertes Naturvolk handelt, um harmlose kleine Kerle, die wir mit einem Atemzug aus ihren Booten blasen können, wenn wir das wollen? Oder glaubst du, sie nehmen jetzt die Messer und gehen auf uns los?“ „Ich glaube gar nichts“, knurrte Donegal zurück. „Ich verlasse mich auf mein Gefühl. Die Kerle sind mir zu eifrig, und in ihren Augen stand Gier, als sie all das viele Geschirr und die anderen Gegenstände sahen.“ „Neugier war das“, sagte Carberry. „Aber du erklärst ja immer alles auf deine Art.“ „Glaub du doch, was du willst, Mister Carberry. Wenn sie dich erst mal überrumpeln, vergeht dir das Grinsen.“ Carberry gab keine Antwort. „Wir sind doppelt so viele wie sie“, sagte Smoky. „Was wollen sie gegen uns unternehmen? Du hast doch nur Flausen im Kopf, Donegal.“ Der Admiral schob die Unterlippe in seinem Granitgesicht vor und schwieg beleidigt. Draußen, nicht mal eine halbe Meile entfernt, legten die Zwergmänner ihre Netze aus und waren eifrig bei der Sache. Sie waren sehr geschickte Fischer, und Hasard wunderte sich auch nicht, daß sie innerhalb kurzer Zeit eine ansehnliche Menge gefangen hatten. Die Netze wurden nach überraschend kurzer Zeit eingeholt, der Fang in den Booten verstaut, und schon waren die Kerlchen wieder auf dem Rückweg. Vor der Bucht schien es von den sogenannten Blaufischen nur so zu wimmeln. Die Sonne stand noch nicht mal im Zenit, als Bani-Seth mit seiner Gruppe in die Bucht einlief. Die Arwenacks strömten zusammen und bewunderten neidlos den Fang. Die Fische wurden von den Zwergen auf den Strand geworfen. Es waren fast hellblaue Fische, alle mehr als armlang, und sie schillerten im Licht der Sonne
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metallisch. Je nach Lichteinfall veränderte sich dann auch ihre Farbe. „Kann man die überhaupt essen?“ erkundigte sich der Admiral mißtrauisch, der bereits eine Fischvergiftung hinter sich hatte und noch heute nur ungern daran zurückdachte. Da hatten sie ihn nämlich für tot gehalten und dem Meer übergeben. Noch heute rann ihm ein Schauer über den Rücken, wenn er daran dachte, wie er im kalten Wasser wieder zu sich gekommen war. „Dich zwingt ja keiner dazu“, sagte der Profos. „Wenn dir die blauen Fische nicht passen, dann fang dir doch ein paar rote, grüne oder lilafarbene, vielleicht schmecken die besser.“ „Blaufisch gut“, tönte Bani-Seth und hob einen der noch zappelnden Fische hoch. „Wir immer jeden Tag viel essen.“ „Das langt für mindestens hundert Mann“, sagte Luke Morgan andächtig. Bani-Seth holte sein neuerworbenes Messer hervor, stach den ersten Fisch vorsichtig an und nahm ihn aus. Die Innereien warf er in die Bucht, wo sie in einem rosa Schleier versanken und den Krebsen als Nahrung dienten. Es war erstaunlich, wie schnell die Kerle lernten, mit den Messern umzugehen. Der Kleine mit den wackelnden Ohren zeigte ihnen auch, wie sie die Fische ohne Messer ausnahmen. Dazu brauchten sie lediglich ein paar scharfkantige Steine. Ein anderer entzündete inzwischen am Strand ein Feuer, und diesmal wunderten sich die Seewölfe noch mehr. Der Zwerg rieb sein Holzbrett, bis es qualmte, legte dann zunderähnliches Kraut darauf und blies es an. Ein anderer trug inzwischen trockene und angeschwemmte Ästchen zusammen. Innerhalb kurzer Zeit qualmte es in der Bucht, und aus dem Qualm wurde bald ein kleines Feuer. Carberry mußte es natürlich auch versuchen, doch es gelang ihm sogar nach etlichen Versuchen nicht. Die Zwerge hüpften um ihn herum, kicherten, lachten und konnten sich kaum beruhigen, weil er es nicht verstand, auf diese Art ein Feuer zu entfachen.
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An Stöcken wurden die Blaufische aufgespießt und in zwei Astgabeln über das Feuer gehängt. Der Duft wurde immer intensiver und lieblicher. Er zog durch die ganze Bucht und ließ den Arwenacks das Wasser im Mund zusammenlaufen. Hasard brachte Bier und Wein, aber davon tranken die Kerlchen nur sehr wenig. Sie bedienten sich lieber ihres Wassers, das sie in Bambusröhren mitführten. Es wurde ordentlich reingehauen, und dabei tat sich wieder mal Paddy Rogers ganz besonders hervor, der gar nicht genug kriegen konnte. „Ein wunderbarer Geschmack“, lobte Hasard nach den ersten Bissen. Auch der Kutscher war beeindruckt und beschloß, demnächst ebenfalls Blaufisch auf den Speisezettel zu setzen, wenn es den hier so reichlich gab. Ausnahmslos alle Arwenacks hatten sich in einem weiten Bogen um das Feuer geschart. Wachen brauchten sie nicht aufzustellen. Sie konnten von dieser Stelle aus das Meer überblicken und bis zur nächsten Insel sehen. Zwischen dem Essen wurde das Kauderwelsch weiter betrieben. „Ihr seid von da drüben?“ fragte Hasard, auf die entfernte Insel mit den Pfahlbauten deutend. „Von da drüben“, versicherte Bani-Seth eifrig und grinste aus unerfindlichen Gründen mal wieder bis zu den Ohren. Der Kerl grinste den ganzen Tag, selbst wenn er den Mund vollhatte. „Und ihr kennt die Portugiesen?“ „Manchmal kommen Portuganer“, sagte Bani-Seth. „Wir verschwinden dann, und sie gehen wieder.“ Immer mehr Fische wurden verputzt. Die Arwenacks tranken Wein und Bier dazu, und die Stimmung wurde immer besser. Hasard lehnte sich an den Stamm einer Palme und sah die Leute an. Sie schienen vor seinen Augen leicht hin und her zu schwanken, und ein paar Male verschwamm alles vor seinen Blicken. Er dachte sich nichts dabei, denn ziemlich unvermittelt überfiel ihn eine ausgelassene
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Stimmung, wie er sie seit langem nicht mehr gekannt hatte. Er lachte immer wieder, als hätten ihn die kleinen Kerle mit ihrem Gelächter angesteckt. Bani-Seth konnte zum Ergötzen der Arwenacks mit den Segelohren wackeln, und das tat er ausgiebig, zumal sich die Kerle darüber halb totlachten und sich nicht mehr einkriegten. Der Profos hüpfte einbeinig herum und hatte ausgesprochen gute Laune, die sich auch blitzschnell auf die anderen übertrug. Sogar der zurückhaltende und ruhige Will Thorne stand auf, um ein Lied anzustimmen. Hasard entsann sich nicht, ihn jemals lauthals singen gehört zu haben. Merkwürdig war das schon, aber er kam von dieser prächtigen Stimmung einfach nicht runter. Will Thorne sang jetzt laut und mit vorgedrückter Brust das Lied von der verlassenen Seemannsbraut, die zum liederlichen Frauenzimmer wurde. Die anderen klatschten Beifall. Merkwürdig, dachte Hasard. Das Leben war so leicht, es gab keine Probleme, und er hatte das Gefühl, als könne er mit allem ohne weiteres fertig werden, ohne lange darüber nachzudenken. „Wie ist das jetzt mit dem Piratenschatz?“ fragte er den Kleinen, der an seiner rechten Seite im Sand hockte und seine Klüversegel langzog, bis sie quer vom Kopf abstanden. Dazu schnitt er Grimassen, über die alle laut lachten. Im Nu scharten sich die Seewölfe um die beiden und hörten gespannt zu. „Es gibt den Schatz“, sagte Bani-Seth. „Aber die Piraten sind längst tot, die ihn vergraben haben. Und bevor sie getötet wurden, haben sie den Brunnen verflucht und mit einem Zauberspruch belegt.“ „Zauberspruch?“ fragte Hasard und kicherte albern. „Ein Zauberspruch“, wiederholte der Kleine, diesmal etwas ernster. Er sah den Seewolf dabei forschend an. „Der Fluch hat einen Dämon herbeigeholt, der jetzt den Brunnen bewacht. Wer den Schatz heben will, den tötet der Dämon.“
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„Habt ihr es schon versucht?“ Bani-Seth schüttelte den Kopf, wobei seine Ohren wieder zu schlackern begannen. „Wir wollen ihn nicht, er würde nur Unglück bringen und uns das Leben kosten.“ „Pah“, sagte Hasard grinsend. „Ich gebe nichts auf Zaubersprüche und Dämonen.“ „Genau“, stimmte Carberry zu. „Den Dämon möchte ich mal sehen. Der kriegt einen Tritt in seinen Affenarsch und weg ist er. Psssschtzack-weg, verstehst du? Wir haben schon gegen Dämonen in der Hölle gekämpft.“ Die anderen Arwenacks tönten lautstark herum, daß sie über Dämonen nicht mal lachen könnten. Selbst Old O'Flynn habe schon etliche mit seinem Holzbein verprügelt. Die Bande wurde immer ausgelassener und fröhlicher. Hasard hatte das Empfinden, alles aus unendlich weiter Ferne zu sehen, wobei die Kerle immer wieder vor seinen Augen verschwammen. Er versuchte, sich von dieser eigentümlichen Stimmung gewaltsam zu lösen, doch das erwies sich als unmöglich. Er war ganz einfach nicht mehr Herr seiner selbst, aber warum das so war, ließ sich nicht ergründen. Sie schienen wahrhaftig alle schon von diesem Dämon befallen zu sein. „Da stimmt etwas nicht“, sagte er leise. „Ich – ich bin nicht mehr ich selbst, oder?“ Er blickte dabei Don Juan und Ben Brighton an, doch die hatten kein Gehör für ihn und lachten laut und ausgelassen. Es ist wie ein Rausch, überlegte der Seewolf, aus dem man aus eigenem Willen nicht erwachen- konnte. Es mußte erst eine gewisse Zeit vergehen, bis dieser Rausch verflog. Ach, was sollte er alles überlegen, es führte doch zu nichts. Jetzt war jetzt, und er fühlte sich genauso leicht und beschwingt wie alle anderen. Immer mehr drängten jetzt, endlich aufzubrechen, um den geheimnisvollen Brunnen zu suchen. Sogar Will Thorne, der sonst meist an Bord blieb, wollte
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unbedingt mit und glänzte mit kernigen Sprüchen. Die Zwerge ließen sich schließlich überreden. „Ich zeige euch den Brunnen“, sagte BaniSeth feierlich. „Aber er ist tief, und ihr müßt Seile mitnehmen.“ „Kein Problem“, sagte Hasard sorglos. Seine Bedenken hatten sich schon wieder zerstreut. „Taue und Leinen sind das, wovon wir mehr als genug haben. Wie tief ist denn der Brunnen?“ Das Kerlchen mit den Schlackerohren konnte wieder nicht angeben, was Entfernung oder ähnliches betraf. Er fand aber eine allgemein verständliche Formel und sagte: „So tief wie zehn Bani-Seth groß.“ „Was also etwa fünfzehn Yards entsprechen dürfte“, sagte der Kutscher, der ebenfalls Feuer und Flamme war. „Wir sollten uns den Brunnen unbedingt ansehen, Sir, und den Schatz heben wir natürlich.“ „Fiderallala!“ kreischte Mac Pellew. „Wir reisen in die Hölle, auf 'ner großen Welle, wo Hunderte Dämonen auf ihrem Achtersteven thronen.“ Der gute Mac war völlig durch den Wind und wollte unbedingt einen Degen mitnehmen, um die Dämonen zu kitzeln. „Gut, heben wir den Schatz, falls es einen gibt“, sagte der Seewolf zuversichtlich. „Ich will den sehen, der mich daran hindern will.“ Als er die Worte gesagt hatte, schüttelte er den Kopf. „Was, zum Teufel, ist nur mit mir los?“ fragte er leise, doch da war keiner, der ihm die Frage beantworten konnte. Es waren immer nur kurze Lichtblicke, die er hatte, doch die wurden sofort wieder von überschäumender Lebensfreude und Sorglosigkeit hinweggespült. Er fand es auch sehr mühsam, nach dem Kern der Ursache zu suchen. „Egal“, sagte er laut. „Holt jetzt die Tampen, Männer, damit wir nach dem Schatz im Brunnen suchen.“
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Die Arwenacks wuselten nur so durcheinander und überschlugen sich vor Eifer fast. Mit Tampen und langen Seilen kehrten sie von Bord zurück. Der Aufbruch zum Brunnen begann. Eine johlende und brüllende Meute begab sich auf den Weg durch den dunkelgrünen Verhau. Bani-Seth führte sie an, und die anderen freundlichen Zwerge begleiteten sie. Es war kein langer Marsch, und nach einer knappen Viertelstunde waren sie am Ziel. Es war genau die eigenartig angelegte Lichtung mit den Bäumen, die Hasard vom Ausguck gesehen hatte. Es gab tatsächlich einen Brunnenschacht, der oben mit wildem Grün zugewuchert war. Links und rechts lagen abgebröckelte Steine herum. Mit den Messern wurden die Ranken entfernt, das Grün abgerissen, und dann konnten sie in einen senkrecht nach unten führenden Schacht blicken. Der Grund war finster, kein Lichtstrahl drang bis auf den Boden. Nur ein dumpfer Geruch war aus der Tiefe zu spüren. Der Brunnen mußte vor undenklichen Zeiten angelegt worden sein. Vielleicht hatte es hier wirklich Piraten gegeben, die Regenwasser aufgefangen hatten und sich hier verborgen hielten. Hasard nahm ein Steinchen auf und warf es in die Tiefe. Es dauerte nicht lange, bis der Stein den Grund erreichte. Ein hohler Ton war zu hören. „Der Brunnen hat Gänge“, sagte BaniSeth, „und irgendwo in einem der Gänge ist auch der Schatz verborgen. Es sollen Truhen sein, wie man erzählt. Aber irgendwo da unten lauert auch der Dämon.“ „Den nehmen wir uns gleich zur Brust“, verkündete der Profos großspurig. Alle warfen einen Blick in die Tiefe. Der seltsame Rausch hielt sie immer noch gefangen. Hasard ließ sich abseilen, wollte noch hinzufügen, daß ein paar oben bleiben sollten, vergaß es dann aber wieder.
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Kurze Zeit später stand er auf dem Grund des Brunnens, der trocken und angenehm kühl war. Er bückte sich, weil er einen Gang zu erkennen glaubte, und tastete sich weiter vor. Da tauchte schon der nächste auf. Es war Don Juan, der sich übermütig neben ihn stellte. „Richtig geheimnisvoll“, raunte er. Seine Stimme hallte wie ein Echo wider und wurde dabei immer dumpfer. „Da ist ein Gang“, sagte Hasard. „Geh dort hinein, sonst fallen uns die anderen auf den Kopf.“ Es war nicht nur ein Gang, es waren mehrere, wie sie gleich darauf feststellten. Es schien ein regelrechtes Labyrinth zu sein. Sie mußten ausweichen, denn immer mehr Männer hangelten nach unten und drängten sich zusammen. „Hat jemand an Fackeln gedacht?“ fragte Hasard. Schweigen folgte seinen Worten: Wieder folgten Arwenacks, und sie mußten in andere Gänge ausweichen, die gerade mannhoch waren. „Also keine Fackeln“, stellte Hasard fest. „Brauchen wir auch nicht“, sagte der Profos. „Der Dämon wird uns leuchten.“ Er lachte schrecklich laut bei den Worten und konnte sich kaum beruhigen. Schließlich waren ausnahmslos alle Arwenacks auf dem Grund des Brunnens versammelt. Von hier aus waren nur noch die Gesichter der neugierigen Zwerge zu sehen, die über den Brunnenrand blickten. Sie grinsten alle, das jedenfalls glaubte Hasard zu erkennen. Doch er wurde den Eindruck nicht los, daß es ein ausgesprochen teuflisches und satanisches Grinsen war, das nichts mehr von der früheren Freundlichkeit hatte. Sie lachten jetzt laut und boshaft, höhnisch und herausfordernd und schienen sich köstlich zu amüsieren. Sekundenlang sah Hasard klar, aber das verschwand sofort wieder.
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Eine Leine fiel nach unten und landete neben ihm. Sie hatten sie einfach losgelassen. Jetzt flogen Steine in den Brunnen. Luke Morgan wurde getroffen und jaulte los. Ein zweiter Stein traf Batuti am Oberarm, und ein dritter landete auf Stenmarks Schulter. „Der Brunnen stürzt ein!“ schrie Blacky. „Schnell, in die Gänge!“ rief Hasard. Seine Lider waren schwer wie Blei, und er glaubte, das alles nur zu träumen, was hier geschah. Stürzte wirklich der Brunnen ein, oder warfen ihnen die Kerle Steinbrocken auf die Köpfe? Er vermochte das nicht genau zu unterscheiden, und den anderen erging es ähnlich. Old Donegal blieb gebückt stehen und sah sich um. Vor ihnen war alles finster. Kein Lichtschein erhellte die unterirdischen Gänge. „Wir können nicht mehr hinauf“, sagte er in einem Anflug von fataler Erkenntnis. „Diese verdammten Teufel haben die Leinen runtergeworfen.“ Hasard wunderte sich über sich selbst. „Sie haben ja noch mehr Leinen“, meinte er. „Sicher ist die ihnen nur aus der Hand gerutscht. Sehen wir uns jetzt erst mal hier unten um.“ Sie krochen in die Gänge, suchten sich nach einer Weile gegenseitig und fanden wieder zusammen. Alles war hier unten trocken, der Boden leicht gewellt. Mit den Händen mußten sie sich an den Wänden entlangtasten. Niemand wußte mehr, wie viel Zeit verstrichen war. Sie irrten umher, landeten mal in einer kleinen Grotte und fanden sich durch Tasten in den Gängen wieder. Allmählich verflog auch der Rausch, der sie gefangen hielt und ihnen etwas vorgaukelte. Es war wie das Erwachen nach einer durchzechten Nacht, allerdings ohne unangenehmen Kater. Sie wurden buchstäblich nüchtern. Hasard griff sich an den Kopf, blieb stehen und hielt die Arme ausgestreckt vor sich, damit die anderen nicht gegen ihn prallten.
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„Verdammt noch mal!“ rief er. „Ich habe das Gefühl, als seien wir auf einen ganz miesen Trick reingefallen. Diese fröhlichen Kerle sind Bestien, kleine Teufel, die uns aufs Kreuz gelegt haben. Jetzt sind wir Blödmänner tief unter der Erde in einem Brunnen gefangen, und oben plündern sie unser Schiff aus.“ „Ich habe ihnen ja gleich nicht getraut“, zeterte Old O'Flynn. „Die haben uns mit den verflixten blauen Fischen betäubt.“ „Das scheint mir auch so“, sagte Hasard in die Stille, die nach Old O'Flynns Worten eintrat. „Die Halunken sind es gewohnt, weil sie es täglich futtern, aber wir werden davon regelrecht benommen und leben in der Vorstellung, daß alles nur ein Spiel sei.“ Das Erwachen kam jetzt fast wie ein Schock über sie. „Fein haben sie das hingekriegt“, sagte Don Juan. „Ich habe mich noch darüber gewundert, wie geschickt sie plötzlich mit den Messern umgehen konnten.“ „Richtig“, sagte auch Ben Brighton kleinlaut. „Auf einmal konnten sie auch fast fließend und etwas gesetzter sprechen. Mir fiel das zwar auf, aber ich dachte mir nichts dabei.“ „Richtige kleine Teufel in Menschengestalt“, grollte Big Old Shane. „Sie wiegen uns in Sicherheit, weil sie genau wissen, daß sie gegen uns keine Chance haben, erwecken unsere Neugier, betäuben uns halb und haben dann genau das erreicht, was sie bei einem Kampf nie erreichen würden. Wir haben das nette Spielchen verloren und sind glatt übertölpelt worden. Sie haben es auf die Gegenstände an Bord abgesehen, wie du ganz richtig vermutest, Sir. Bis wir aus diesem Labyrinth heraus sind, haben sie alles abgeräumt, was sie brauchen können, und sind mit ihren Booten längst über alle Berge.“ In Hasard kochte plötzlich der Zorn. „Und man konnte nichts dagegen tun“, sagte er bitter. „Es war eine richtig euphorische Stimmung, und ich habe mich dabei sehr wohl gefühlt. Na ja, jetzt hat man uns überlistet, aber ich kann jetzt
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darüber leider nicht mehr lachen. Vorhin konnte ich das noch.“ „Das Schiff können sie nicht nehmen“, sagte Ferris Tucker. „Wir wissen aber, wo sich ihre Hütten befinden. Und dann ...“ „Ja, und dann?“ fragte Hasard. „War eine falsche Gedankenrichtung“, sagte Ferris. „Natürlich können sie unser Schiff auch anzünden, und dann sitzen wir hier auf der Insel, bis wir schwarz werden. Oh, verdammt noch mal!“ „Ja, das kannst du laut sagen. Wenn wir wenigstens ein paar Fackeln hätten, um uns zu orientieren. Möglicherweise gibt es hier irgendwo einen anderen Ausgang.“ Die Wut auf die teuflischen Zwerge wurde immer größer, und doch mußten sie weiter in dem Labyrinth hilflos umherirren und nach einem anderen Ausgang suchen, falls es überhaupt einen gab. Der Rausch, hervorgerufen durch den Genuß des Blaufisches, war jetzt bei jedem verschwunden, und sie sahen ihre Lage so, wie sie auch wirklich war – nämlich ziemlich hoffnungslos. Die Zeit war gegen sie, denn inzwischen konnten die Kerle oben alles abräumen, was sie wollten. Sie konnten sogar noch weitere Felsen in den Brunnen werfen oder ihn zum Einsturz bringen. So irrten sie weiter durch Gänge, kleine Höhlen, Grotten und Spalten und mußten oftmals umkehren, weil sie sich verirrt hatten. Ihre Laune besserte sich dadurch keineswegs, und die Wut auf die teuflischen Zwerge wuchs ins Riesenhafte. Wie lange sie durch das Brunnenlabyrinth geirrt waren, konnte später keiner mehr genau sagen. Aber es waren mindestens zwei bis drei Stunden gewesen, als sie das schwache Leuchten entdeckten. Hasard verspürte einen feinen Luftzug und sah das schwache Dämmerlicht zuerst. „Ich glaube, wir haben es geschafft“, sagte er aufatmend. „Da vorn wird es hell.“ Neue Hoffnung erfüllte sie. Vielleicht war es doch noch nicht zu spät. Und hoffentlich hatten die hinterhältigen Zwergmenschen nicht die Schebecke in Brand gesteckt.
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Hasard hoffte auf ihre Neugier und darauf, daß sie annahmen, die Arwenacks würden keinen Ausweg mehr aus dem Brunnen finden. „Hoffentlich sehen sie sich erst gründlich alles an“, sagte er, „wie sie es zuvor schon taten, bevor sie das abräumen, was sie brauchen können.“ Nach knapp fünfzig Yards standen sie plötzlich im Freien. Verblüfft stellten sie fest, daß sie sich am Fuße eines kleinen Hügels befanden – irgendwo auf der Insel, aber die Orientierung fanden sie danach ziemlich schnell wieder, als sie einen Blick auf die Sonne warfen. „Da entlang“, sagte Batuti, der ein untrügliches Gespür für die richtige Richtung hatte. „Dort muß das Meer sein, und von da aus muß sich die Bucht auf der rechten Seite befinden.“ „Dann übernimmst du die Führung“, sagte Hasard. Um sie her war dschungelähnlicher Wald und Dickicht. Batuti bahnte sich fast lautlos einen Weg und führte sie mit dem sicheren Instinkt, der ihm eigen war. Hasard blieb dicht an seiner Seite. Die anderen folgten in einer langgezogenen Kette. Da blieb der schwarze Riese plötzlich stehen und grinste hart. „Sie sind alle noch da“, sagte er. „Sieh mal in die Bucht. Du hast mit deiner Vermutung recht gehabt, Sir.“ Hasard verschlug es im ersten Augenblick die Sprache. Aber er war auch unendlich erleichtert. Die Zwerge wuselten auf dem Schiff herum, trugen Gegenstände von Bord und verstauten sie sorgfältig in ihre Boote. Da wechselten Töpfe und Pfanne, Tiegel und Humpen die Besitzer, und da waren ein paar, die alles sehr genau untersuchten, ob sie es vielleicht noch verwenden konnten. Hasard schwoll die Zornesader am Hals und seine Narbe im Gesicht nahm eine tiefdunkle Färbung an.
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„Quer durch die Bucht“, sagte er. „Wir müssen zuerst die Boote erreichen, um ihnen den Weg abzuschneiden. Sie dürfen nicht mehr flüchten können.“ Sie pirschten sich soweit wie möglich an, bis Hasard das Zeichen zum Zuschlagen gab. Die Arwenacks brachen durch die Büsche, und stimmten dabei ihren alten Schlachtruf an, der schaurig durch die Bucht hallte. Das Gebrüll löste eine sekundenlange Lähmung bei den hinterhältigen Kerlen aus. Erst als die ersten Seewölfe in langen Sprüngen über den Strand fegten, zückten die kleinen Kerle ihre Messer, die sie als Geschenke erhalten hatten. Mordgier blitzte jetzt in ihren Augen auf, sie wollten erst flüchten, sahen dann aber, daß ihnen der Weg abgeschnitten war, und stellten sich zum Kampf. Es grinste niemand mehr, und auch der Kerl mit den abstehenden Ohren sah jetzt wie ein heimtückischer Teufel aus, als er sein Messer schwang und damit auf den Seewolf losging. Die Zwerge wurden buchstäblich überrollt wie von einer wild entfesselten Lawine. Hasard schlug den Messerarm beiseite, schnappte sich Bani-Seth, drehte ihn um seine Achse und feuerte ihn voller Wut in die wild angreifende Meute. Ein halbes Dutzend Zwerge wurde von den Beinen gerissen. Der Profos schnappte sich gleich zwei und warf damit wie mit kleinen Felsbrocken. Einer sprang ihm ins Kreuz, doch den pflückte Shane ab und hieb ihm die Faust auf den Schädel, daß er fast im Sand verschwand.
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Kreischend stoben die Kerlchen jetzt auseinander, doch niemand entging den Fäusten. Sie wurden zusammengedroschen, bis sie nicht mehr stehen konnten, und bezogen die Senge ihres Lebens. Schon kurze Zeit später lagen achtzehn Gestalten reglos im Sand. „Bindet die Bastarde zusammen“, sagte Hasard. „Dann bringt ihr sie zu dem Brunnen und laßt sie hinunter. Das Seil nehmt ihr wieder mit, damit sie wissen, wie das ist. Inzwischen sehen wir uns die Boote näher an.“ Was er darunter verstand, demonstrierte der Seewolf, indem er die Drehbassen auf die beieinander liegenden Fischerboote richtete und feuern ließ. Innerhalb weniger Augenblicke waren die Boote zersiebt, erledigt und bestenfalls noch Brennholz. Die Zwerge, die sie so teuflisch getäuscht hatten, wurden in geschlossener Formation zu dem Brunnen gebracht. Dort könnten sie sich mit dem Dämon unterhalten, wie Carberry vorschlug. Selbstverständlich wurden ihnen auch die Messer wieder abgenommen. Am anderen Tag wurde die Schebecke gesäubert, und Ferris Tucker baute die letzten Fingerlinge ins Ruder ein. Am Nachmittag hatte sich immer noch keiner der kleinen Teufel blicken lassen, die die Nacht im Brunnen zugebracht hatten. Hasard war das auch egal. Sie konnten unbehelligt von den mörderischen Teufeln ihre Arbeit fortsetzen und segelten am Nachmittag weiter durch den RiauArchipel. Sie waren wieder um eine Erfahrung reicher...
ENDE