Digitale Dividende
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Arnold Picot • Herbert Tillmann (Hrsg.)
Digitale Dividende
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Herausgeber Prof. Dr. Dres. h.c. Arnold Picot Universität München Fak. Betriebswirtschaft Inst. Information, Organisation und Management Ludwigstr. 28 80539 München Deutschland
[email protected]
Dipl.-Ing. Herbert Tillmann Direktor Produktion und Technik Bayerischer Rundfunk Rundfunkplatz 1 80335 München Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-01361-4 e-ISBN 978-3-642-01362-1 DOI 10.1007/978-3-642-01362-1 Springer Dordrecht Heidelberg London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort
Die Umstellung von der analogen zur digitalen terrestrischen Verbreitung von Hörfunk und Fernsehen eröffnet die Möglichkeit, die Nutzung einiger Frequenzen neu zu diskutieren, weil die digitale Rundfunkübertragung mit weniger Spektrum auskommt. Diese sogenannte „Digitale Dividende“ kann entweder direkt, in Form einer wirtschaftlichen Verwertung der Frequenzen beispielsweise durch Versteigerung, oder indirekt, in Form zusätzlicher Angebote neuer Dienste oder Rundfunkangebote statt oder neben dem klassischen Rundfunk, realisiert werden. Diese gesamtgesellschaftliche Abwägung muss im Spannungsfeld zwischen der Verschiedenartigkeit der Telekommunikations- und Medienmärkte im nationalen und internationalen Nachbarraum einerseits und den frequenztechnischen und produktionsbedingten Harmonisierungserfordernissen der Industrie andererseits erfolgen. Frequenzen sind ein wirtschaftlich bedeutsamer Ausgangspunkt für die Erbringung öffentlich-rechtlicher und kommerzieller Rundfunkangebote, Mobilfunk und sonstiger Dienstleistungen, die auf Drahtlostechnologien beruhen, aber auch für die wissenschaftliche Forschung. Der Gesamtwert frequenzabhängiger Dienste in der EU beträgt über 200 Milliarden EUR oder 2–2,5 % des jährlichen Bruttoinlandsprodukts. Kommunikationstechnologien tragen zu mehr als 50% zum Wirtschaftswachstum der EU bei. Die weltweite Frequenzkoordinierung ist Aufgabe der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), einer Organisation der Vereinten Nationen. Alle drei bis vier Jahre veranstaltet die ITU die Weltfunkkonferenz als Prozess zur Änderung der ITUVollzugsordnung für den Funkdienst, dem internationalen Übereinkommen zur weltweiten Koordinierung der Frequenznutzung. Am 16. November 2007 wurde die World Radio Conference 2007 (WRC-07) bei der ITU in Genf nach vier Verhandlungswochen abgeschlossen. Dort wurden auch Fragen erörtert, die im Zusammenhang mit der Frequenznutzung aus der Digitalen Dividende stehen. Wie sind die Ergebnisse der WRC-07 aus Nutzersicht einzuordnen? Wie entsteht größtmöglicher Nutzen aus der Digitalisierung für die Bürger? Welche Anwendungen werden neu entstehen, welche bestehenden Dienste sind von den Veränderungen betroffen? Wie können die neuen Anwendungen effizient und schnell verwirklicht und laufend adaptiert werden? Wie können Beeinträchtigungen bestehender Anwendungen vermieden und dennoch Wachstumsimpulse erzielt werden? Wie werden die Marktteilnehmer mit den Spannungsfeldern umgehen? Was muss wer wann tun, um Mehrwert für die Bürger zu schaffen? Was ist von der nächsten Konferenz im Jahre 2011 (WRC-11) zu erwarten? Welche Erwartungen
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Vorwort
und Handlungsbedarfe richten sich an die Politik auf europäischer, Bundes- und Landesebene? Diese und andere Fragen wurden in der Fachkonferenz des Münchner Kreises von hochrangigen Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Rundfunk, Verwaltung und Politik diskutiert. Der vorliegende Tagungsband enthält die Vorträge und die durchgesehenen Mitschriften der Podiumsdiskussion. Allen Referenten und Diskussionsleitern sowie allen, die zum Gelingen der Konferenz und zur Erstellung dieses Buches beigetragen haben, gilt unser herzlicher Dank. Arnold Picot
Herbert Tillmann
Inhalt
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Inhalt 1
Begrüßung
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Prof. Dr. Arnold Picot, Universität, München
DIGITALE DIVIDENDE 2
Begriffsbestimmung und Erfahrungsberichte
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Dr. Karl-Heinz Neumann, WIK GmbH, Bad Honnef
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Nationaler und internationaler Rechtsrahmen für die Frequenzvergabe
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Prof. Dr. Bernd Holznagel, Universität Münster
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Nationale Frequenzverwaltung im Spannungsfeld der Interessen
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Matthias Kurth, Bundesnetzagentur, Bonn
WIRTSCHAFTLICHES UND KULTURELLES POTENTIAL TERRESTRISCHER FREQUENZEN AUS SICHT DER POLITIK 5
Europa
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Ruth Hieronymi, Europäisches Parlament
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Bund
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Staatssekretär Dr. Bernd Pfaffenbach, BMWiT, Berlin
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Länder
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Staatssekretär Martin Stadelmaier, Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Mainz
DIE WRC-07 ENTSCHEIDUNGEN ALS TEIL DER DIGITALEN DIVIDENDE 8
Rahmen, Aufgaben und Ergebnisse der WRC-07 Reiner Liebler, Bundesnetzagentur, Mainz
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VIII
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Inhalt
Bewertung der WRC-07 Entscheidungen aus Sicht der Telekommunikation
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Michael Krämer, E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG, Düsseldorf
10 Bewertung der WRC-07 Entscheidungen aus Sicht des Rundfunks
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Dr. Klaus Illgner-Fehns, Institut für Rundfunktechnik GmbH, München
WERTSCHÖPFUNGSPOTENTIALE DER FREQUENZEN, KONKRETE NUTZUNGSVORSTELLUNGEN DER AKTEURE 11 Mobile Computing versus Spektrumverfügbarkeit
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Christoph Legutko, Intel Corporation
12 Die Interaktion von Frequenzvergabeverfahren und Wertschöpfungspotenzialen: wie lässt sich der Wert der digitalen Dividende maximieren?
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Christian Koboldt, DotEcon Ltd., London
13 Podiumsdiskussion Wem kommt die Digitale Dividende zugute?
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Leitung: Dr. Karl-Heinz Neumann, WIK GmbH Teilnehmer: Dr. Iris Henseler-Unger, Bundesnetzagentur, Bonn Dr. Walter Konhäuser, Nokia Siemens Networks GmbH, Berlin Helwin Lesch, Bayerischer Rundfunk, München Uwe Löwenstein, Telefonica O2 Germany GmbH, München Dr. Tobias Schmid, Verband Privater Rundfunk u. Telemedien e.V., Berlin Harald Stöber, Arcor Verwaltungs-AG , Eschborn
14 Schlusswort
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Prof. Dr. Arnold Picot, Universität München
Anhang Liste der Referenten und Moderatoren
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1 Begrüßung Prof. Dr. Arnold Picot Universität, München Frequenzen sind eine öffentliche Ressource, die nur begrenzt verfügbar ist und für die Nutzungskonkurrenz besteht. Frequenzen sind die Grundlage für alle Übermittlungsformen und Anwendungsformen in der technisch gestützten Kommunikation, in der privaten Massen- und Individualkommunikation genauso wie im professionellen Bereich, bei Funk, Satelliten- oder Radarsystemen ebenso wie im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), bei Festnetz- und Mobilkommunikation.
Bild 1
Die wirtschaftliche Bedeutung der Frequenzen ist größer als manche vermuten (Bild 1). Nach Schätzungen sind in der EU Frequenzen für ein Sozialproduktvolumen von etwa 250 Mrd. Euro pro Jahr verantwortlich. Das sind immerhin mehr als 2% des europäischen Bruttoinlandsprodukts.
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Arnold Picot
Frequenzen sind nicht beliebig vermehrbar. Deswegen ist der Umgang mit ihnen eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung. Und deswegen ist die optimale Verwendung der Frequenzen auch eine sehr wichtige öffentliche und politische Aufgabe. Dabei ist zwischen den verschiedenen marktlichen und öffentlichen Anforderungen im nationalen wie auch im übernationalen Bereich abzuwägen. Aber auch die frenquenztechnischen produktionsbezogenen Harmonisierungserfordernisse der Industrie spielen selbstverständlich eine wichtige Rolle bei diesen Abwägungen.
Bild 2
Über die Glückhaftigkeit des Begriffs „Digitale Dividende“ mag man streiten. Denn eine Dividende ist ja etwas, was ausgeschüttet wird, und was vorher erarbeitet worden ist: Bei der digitalen Dividende weiß man nicht genau, ob sie vorher erarbeitet wurde oder ob sie nicht ein Windfall-Profit ist, der durch einen technologischen Schub zustande gekommen ist. Aber das ist vielleicht nicht das Entscheidende. Als Digitale Dividende bezeichnet man die Frequenzen, die zusätzlich verfügbar sind, weil die Digitalisierung Platz gegriffen hat, mit deren Hilfe sich das Frequenzspektrum wesentlich effizienter nutzen lässt (Bild 2). Dadurch entsteht Freiraum, und über die Verwendung dieses Freiraums gilt es sich Gedanken zu machen: Wie kann er genutzt werden und wer kann darauf welche Ansprüche in welcher Form geltend machen? Man kann die Nutzung der Digitalen Dividende zum
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Begrüßung
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Beispiel durch Versteigerung oder ähnliche Marktmechanismen versuchen zu optimieren. Man kann sie aber auch zuteilen und zum Beispiel bei den bisherigen Diensten und Anwendungen Ergänzungen vornehmen. Es sind auch andere Formen der Nutzungsplanung denkbar.
Bild 3
Die Möglichkeiten der Nutzung dieser Digitalen Dividende sind vielfältig (Bild 3). Sie reichen von der drahtlosen Breitbandkommunikation über zusätzliche terrestrische Rundfunkdienste, multimediale Mobilfunkdienste bis hin zu lizenzfreien Nutzungsfeldern. Aus technischen Gründen sind sie in dem Frequenzbereich, der aktuell zur Diskussion steht, besonders vielfältig, weil in diesem Teil des Spektrums sehr viele interessante Anwendungen und Nutzungsmöglichkeiten für elektronische Individual- und Massenkommunikation im regionalen Nah- und Fernbereich angesiedelt sind oder angesiedelt werden können. Ich gehe hier nicht in weitere Details auf diesen Übersichten ein.
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Arnold Picot
Bild 4
Eine Möglichkeit der Verwendung der Digitalen Dividende besteht darin, die so genannte digitale Kluft bzw. den digitalen Graben zu überwinden, also die hinsichtlich Breitbandzugang unter- oder unversorgten Regionen besser anzubinden, soweit das drahtlos möglich ist (Bild 4). Das wird vor allen Dingen erhofft durch WiMAX und UMTS-Technologien, um eine bessere Flächenversorgung für Breitband herbeizuführen. Hier ist natürlich zu diskutieren, in welchem Umfang und mit welcher Nachhaltigkeit das möglich ist. Wie weit reicht die geschätzte Dividende, um dieses Ziel zu erreichen? In welchem Umfang kann man die offene Nachfrage, die es mit der digitalen Dividende gibt, befriedigen, und zwar hinsichtlich der geografischen Reichweite wie auch der Nutzungsintensität, weil es sich bei diesen Anwendungen um ein Shared Medium handelt? Welche Wechselwirkung besteht zwischen der stärkeren Ausdehnung drahtlosen Breitbandzugangs in der Fläche mit den festnetzbasierten hochbandbreitigen Ausbauplänen oder Ausbauwünschen (z. B. Glasfaser)? Das ist ein interessantes und zugleich diskussionsbedürftiges Feld. Es hängt natürlich auch mit dem großen Mobilitätsbedürfnis vieler Menschen zusammen, die unabhängig davon, ob sie sich in einem weniger oder stärker festnetzversorgten Bereich bewegen, gerne gute Breitbandanbindung mobil und drahtlos haben möchten.
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Begrüßung
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Bild 5
Auch international wird das Thema Digitale Dividende diskutiert, es ist keine deutsche oder europäische Besonderheit (Bild 5). In den Vereinigten Staaten hat es schon die ersten Versteigerungen entsprechender Frequenzen gegeben. In Japan ist die Debatte sehr intensiv im Gange. Dort ist entschieden worden, dass 60 Megahertz bis spätestens 2012 vergeben werden, und es geht im Wesentlichen darum, die Frequenzsituation für mobile Dienste zu verbessern. In der Schweiz ist gerade eine Entscheidung gefallen, dass die frei werdenden Frequenzen im Rahmen einer Änderung des nationalen Frequenzzuweisungsplanes im Wesentlichen für mobile Kommunikationsdienste zugewiesen werden sollen. Das sind nur einige Beispiele aus dem internationalen Umfeld.
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Arnold Picot
Bild 6 In Europa ist die Entwicklung etwas verzögert worden durch die jüngsten Entscheidungen bei der Neufassung der Telekommunikationsrichtlinie (Bild 6). Das europäische Parlament hat festgelegt, dass die Entscheidung über die Vergabe der digitalen Dividende auf dem Spektrumgipfel 2010 erfolgen soll. Bis dahin sollen noch Zusatz- und Sonderstudien erstellt werden und weitere Beratungen stattfinden. Damit tritt eine gewisse Verzögerung ein. Diese kann man positiv sehen, weil dadurch vielleicht eine fundiertere Entscheidung zustande kommt. Man kann es aber auch skeptisch sehen, weil damit Verzögerungen bei den Plänen, den strategischen Überlegungen und den Investitionen der Player im Markt, egal welcher Anbietergruppe (Rundfunk, Mobilfunk) sie angehören, entstehen und weil die Unsicherheit bleibt. Das ist in ganz kurzen Worten ein Aufriss des Szenarios der Arena, über die wir heute diskutieren, und ich freue mich, dass wir heute früh mit einem hochkompetenten Panel beginnen.
DIGITALE DIVIDENDE 2 Begriffsbestimmung und Erfahrungsberichte Dr. Karl-Heinz Neumann WIK GmbH, Bad Honnef
1 Einleitung Mit dem Begriff und dem Konzept der Digitalen Dividende (DD) werden die durch die Umstellung der analogen Rundfunkübertragung auf digitale Übertragung freiwerdenden Frequenzen bezeichnet. Über die Höhe der DD bestehen unterschiedliche Einschätzungen. Sie reichen von 0 bis über 80 Prozent des heute für Rundfunkübertragung im UHF-Band eingesetzten Spektrums. Diese Bandbreite der Einschätzungen legt nahe, dass die Höhe der DD vielfach nicht unter technischen, sondern unter frequenzpolitischen Gesichtspunkten spezifiziert wird. Frequenzen im UHF-Band stellen frequenzpolitisch eine besonders wertvolle Ressource dar. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission kann der Wert des Spektrums europaweit mehrere hundert Milliarden Euro betragen. Diese hohen Wertbeiträge des Spektrums lassen sich nicht bei jeder Nutzung realisieren. Insofern stellt sich die Frage, welche Verwendung und Aufteilung des Spektrums den größtmöglichen gesamtwirtschaftlichen Nutzen generiert. In einer Reihe von Ländern sind bereits Entscheidungen über die Verwendung eines Teils der DD für Zwecke des Mobilfunks betroffen. Am weitesten fortgeschritten sind die USA. Hier wurde der obere Bereich des UHF-Bandes bereits im März 2008 in einem Auktionsverfahren vergeben. Die ausgeschriebenen Lizenzen wurden ausschließlich von Telekommunikationsunternehmen erworben. In Europa am weitesten fortgeschritten ist die Vergabediskussion der DD in Großbritannien. Hier ist beabsichtigt, noch in 2009 einen bestimmten Anteil der DD für mobile Nutzung zu vergeben. Auch in Deutschland ist die Diskussion inzwischen weit vorangeschritten. Mobilfunk- und Telekommunikationsunternehmen haben kürzlich ihr Nutzungskonzept für Teile der DD für Zwecke des drahtlosen Breitbandzugangs vorgelegt. Es gilt jetzt durch (frequenz)politische Entscheidungen die Voraussetzungen für eine WinWin-Situation für alle Beteiligten zu schaffen.
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Karl-Heinz Neumann
2 Was ist die DD? Für Rundfunkübertragung war bislang primär das UHF-Band im Frequenzbereich 470-862 MHz zugewiesen. Die insgesamt 392 MHz dieses Bandes werden in den Kanälen 21-69 dargestellt. Im Rahmen der analogen Rundfunkübertragung wurden fast alle Kanäle auch für diesen Zweck genutzt und für das bestehende Programmportfolio auch benötigt. Der Übergang von der analogen auf die digitale Übertragungstechnik, die in Deutschland bereits sehr weit fortgeschritten ist, hat einen nahezu gigantischen Effizienzschub in der Frequenznutzung mit sich gebracht: Mit dem Spektrum eines analogen Fernsehkanals lassen sich 6 bis 8 Standard Digital TV-Kanäle übertragen. Aus dieser Veränderung der Frequenzinanspruchnahme bei gleicher Übertragungsleistung ergibt sich die sog. DD: „DD ist das frei werdende Spektrum, das im Zuge der Digitalisierung der bisherigen analogen Dienste durch Anwendung digitaler effizienter Übertragungs- und Codierungstechniken verfügbar wird.“1 Insofern gilt es festzuhalten, dass die DD durch effizienzverbessernde technische Entwicklungen „produziert“ worden ist und nicht durch frequenzpolitische Entscheidungen. Auf Basis der genannten Komprimierung des Frequenzbedarfs schätzt die Bundesnetzagentur die Höhe der DD auf ca. 330 MHz. Die bislang terrestrisch übertragenen Fernsehkanäle im UHF-Band können bei digitaler Übertragung mit ca. 15% oder 62 MHz des UHF-Bands übertragen werden. Die anderen 85% oder ca. 330 MHz sind der DD zuzurechnen (Bild 1).
Bild 1: UHF-Band: 392 MHz Quelle: Hahn (2008)
Auch im Bereich der Frequenzen, die dem Rundfunk exklusiv zugewiesen sind, gibt es räumlich begrenzt verfügbares Spektrum. Dieses ergibt sich aus lokal unge1
Hahn (2008), S. 3
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Begriffsbestimmung und Erfahrungsberichte
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nutzten Rundfunkfrequenzen. Diese auch als „White Spaces“ oder „Interleaved Spectrum“ bezeichneten Frequenzen werden i.d.R. nicht als Teil der DD definiert, sondern als Komplement zur DD. Hinsichtlich der Nutzung für alternative Verwendungen stellen sich jedoch die gleichen Fragen wie bei der DD selbst. Deshalb erfolgen in den meisten Ländern die Frequenzvergabeentscheidungen auch parallel. Auf der Weltfunkkonferenz im Oktober 2007 (WRC-07) wurde die bisher ausschließliche Zuweisung des UHF-Bandes für den Rundfunk modifiziert. Für den oberen Teil des UHF-Bandes, nämlich für die Kanäle 61-69 bzw. für das Band 790-862 MHz, wurde die ausschließliche Zuweisung für den Rundfunk ersetzt durch eine ko-primäre Zuweisung für Rundfunk und Mobilfunk. 2 Damit hat die WRC-07 82% des UHF-Bandes weiterhin der ausschließlichen Nutzung durch den Rundfunk belassen. Nur 22% der DD werden, wie Bild 2 zeigt, potentiell für Zwecke des Mobilfunks zugewiesen. 78% der DD verblieben nach den Festlegungen der WRC07 weiterhin ausschließlich für Zwecke des Rundfunks.
Bild 2: UHF-Band nach WRC-07 Quelle: Hahn (2008)
Damit hat die WRC-07 den Rahmen dafür gesetzt, dass das obere UHF-Band auch für Zwecke des Mobilfunks durch nationale frequenzpolitische Entscheidungen genutzt werden kann. Im weltweiten Maßstab wird die WRC-07 Entscheidung verbindlich ab 2015. National kann die geänderte Zuweisung aber auch bereits früher erfolgen, wenn das Spektrum entsprechend verfügbar ist. In Deutschland ist dies der Fall.
2
In präziser Formulierung erfolgt die Zuweisung für International Mobile Telecommunication („IMT“).
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Karl-Heinz Neumann
Konkret erfolgt aktuell die Nutzung des oberen UHF-Bandes in Deutschland wie in Bild 3 dargestellt. Primäre Nutzung: 790-814 MHz:
Militärischer Richtfunk
814-838 MHz:
ca. 25 Frequenzzuteilungen für digitales Fernsehen in den Kanälen 64, 65, 66
838-862 MHz:
Militärischer Richtfunk
Sekundäre Nutzung:
• Drahtlose Mikrofone • Reportagefunk Bild 3: Aktuelle Nutzung des oberen UHF-Bandes in Deutschland3
Die militärische Nutzung der genannten Frequenzen wird spätestens bis 2012 eingestellt sein. Die Rundfunknutzung erfolgt derzeit zum Zwecke der Umstellung von analoge auf digitale Übertragung. Die sekundären Nutzungen erfolgen auf der Grundlage einer Allgemeinzuteilung und sind bis Ende 2015 begrenzt. Woraus ergibt sich die besondere Attraktivität des UHF-Bandes? Bild 4 beschreibt den Zusammenhang zwischen erforderlichen Netzinvestitionen und räumlicher Funkversorgung in unterschiedlichen Frequenzbereichen. Danach gilt: Je höher der Frequenzbereich, desto geringer der Zellradius der Funkzelle und desto höher der relative Investitionsbedarf. Der Zusammenhang zwischen beiden Größen ist außerdem nicht linear, sondern progressiv ansteigend. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, dass letztlich nur Funksysteme unterhalb von einem GHz Ausbreitungseigenschaften haben, die sie in die Lage versetzen, wirtschaftlich mit breitbandigen Festnetzsystemen zu konkurrieren.
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Vgl. Liebler (2008).
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Bild 4: Relative Netzwerkinvestitionen und Zellradius nach Frequenzbereichen Quelle: SCF Studie (2008; zitiert nach Börnsen (2008))
3 Europäische Initiativen Die Europäische Union hat einen nicht unwesentlichen Anteil am Entstehen der DD. Durch die frühzeitige Vorgabe eines europaweiten Richtdatums zum Übergang auf die digitale Rundfunkübertragung (für Ende 2012) ist die DD relativ einheitlich in der EU verfügbar geworden. Neben verschiedenen Initiativen in den europäischen Frequenz- und Standardisierungsgremien hat die EU Kommission (2007) mit ihrer im November 2007 vorgelegten Mitteilung einen Rahmen für die europaweite Koordinierung der Nutzung der DD vorgelegt. In der zitierten Mitteilung bezeichnet die Kommission die DD als eine „resource with exceptional social, cultural and economic value“. Die Europäische Kommission nennt folgende Verwendungsmöglichkeiten der DD:4 • Erhöhung der Anzahl der (terrestrisch) übertragenen Rundfunkprogramme; Erhöhung der Medienpluralität. • Ausstrahlung höherwertiger (HDTV) oder neuartiger mobiler (DVB-H) Rundfunkdienste. • Dienste im öffentlichen Interesse z.B. für Sicherheit und Zivilschutz. • Nutzung für drahtlosen Breitbandzugang und mobile Datendienste. • Nutzung für genehmigungsfreie Dienste wie etwa RFID oder im Gesundheitsbereich.
4
Vgl. hierzu European Commission (2007) und Niepold (2008).
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Karl-Heinz Neumann
Die Möglichkeiten der Organe der EU auf eine europaeinheitliche Nutzung der DD hinzuwirken, sind begrenzt; gleichwohl hebt die Kommission den Nutzen einer europaweiten Koordinierung hervor. Sie sieht dann etwa die erforderliche Grenzkoordinierung leichter durchführbar. Weiterhin blieben die Märkte nicht fragmentiert; dies sei vor allem zur Ausschöpfung von Economies of Scale bei der Technologie und zur Ausschöpfung des Innovationspotentials erforderlich. Auch allgemeine Binnenmarktziele würden durch eine koordinierte Vorgehensweise auf EU-Ebene unterstützt. Instrumentell schlägt die Kommission dazu mehrere Maßnahmen vor. Dazu zählt eine Clusterung der Frequenzressourcen der DD nach Netzarten bzw. Anwendungen. Dabei betont die Kommission gleichwohl die Erforderlichkeit von Flexibilität auf nationaler Ebene, um den jeweiligen nationalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen.
4 Die deutsche Debatte Die deutsche Debatte um die Verwendung der DD hat sich nach der Entscheidung der WRC-07 deutlich intensiviert. Bild 5 zeigt wichtige Stationen der deutschen Debatte auf. Bereits frühzeitig hat die Bundesnetzagentur auf die freiwerdenden Frequenzen aufmerksam gemacht und neue Verwendungsmöglichkeiten angestoßen. Die deutsche Position auf der WRC-07 sah zunächst keine Unterstützung der aus den USA, Japan und einigen europäischen Ländern eingebrachten Position der Umwidmung von Teilen des UHF-Bandes für Zwecke des Mobilfunks vor. Ebenso wie andere Länder wollte die Bundesregierung dieses Thema erst auf der WRC-11 erörtern.
Bild 5: Die deutsche Debatte um die Verwendung der DD
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Begriffsbestimmung und Erfahrungsberichte
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Seit der WRC-07 Entscheidung sind die Vorschläge zur Nutzung der DD und die Positionen dazu sehr konkret geworden. So hat insbesondere die deutsche TKIndustrie5 im Rahmen eines Positionspapiers vom September 2008 den Spektrumsbedarf für die zukünftige Breitbandversorgung aus der DD formuliert. Um den Bedarf an hohen Bandbreiten im ländlichen Raum abzudecken und den Erfordernissen der LTE-Technologie Rechnung zu tragen, wird von einer Kanalbandbreite von n x 20 MHz ausgegangen. Zur mittelfristigen Bedarfsabdeckung werden Datenraten von 6 Mbps für jeden Kunden als erforderlich angesehen. Hinsichtlich der erforderlichen Abdeckung wird von 1.000 Kunden für den Versorgungsbereich einer Funkzelle ausgegangen. Auf Basis einer durchschnittlichen spektralen Effizienz von 1,2 Bit/s/Hz/Zelle ergibt sich bei diesen Grundannahmen ein Frequenzbedarf von 160 bis 170 MHz. Wenn dies denn wirtschaftlich Sinn machen würde, könnten vier Lizenznehmer jeweils eine Frequenzausstattung von 2 x 20 MHz erhalten. Diese Bedarfsgröße beträgt mehr als das zweifache des von der WRC für Mobilfunk vorgesehenen Spektrums. Bei den o.g. Grundannahmen müssen bei einem geringeren verfügbaren Spektrum die Abdeckungsmöglichkeiten bzw. die Versorgungsziele entsprechend nach unten korrigiert werden. Die (privaten wie die öffentlich-rechtlichen) Rundfunkanstalten bereiten sich darauf vor, künftig die Kanäle 61 bis 69 nicht mehr für Rundfunkzwecke nutzen zu können.6 Vieles an der künftigen Frequenzbedarfsrechnung hängt dabei davon ab, ob HDTV für die terrestrische Ausstrahlung vorgesehen sein wird oder nicht. Es gibt Stimmen, auch bei den Rundfunkveranstaltern, die besagen, dass dies sowohl unter Qualitäts- als auch unter Kostenaspekten wenig Sinn macht. Allerdings scheinen die Rundfunkveranstalter derzeit zumindest nicht die Option auf die terrestrische Übertragung von HDTV aufgeben zu wollen. Generell beansprucht der Rundfunk7 die Frequenzen der DD, um neue innovative Dienste mit besserer Qualität zu übertragen. Darüber hinaus sind mehr zu übertragende Programme geplant. Im Übrigen bezweifeln die Rundfunkveranstalter die Eignung des UHF-Bandes für die Schaffung von mobilem Breitbandzugang („zu wenig Bandbreite für zu wenig Nutzer“). Mit einem konkreten Modell hat das Bundeswirtschaftsministerium die künftige Nutzung der DD mit dem am 22.7.2008 vorgelegten Entwurf der Frequenzzuweisungsplanverordnung in einen konkreten Rahmen gegossen. Diese Verordnung, die noch der Zustimmung des Bundesrates bedarf, setzt für Deutschland die Festlegung der WRC-07 um. Die Maßnahmen im Einzelnen sind in der Sprache der Verordnung in Bild 6 dargestellt. Danach verbleibt der Großteil der DD, d.h. ca. 80% des UHFBandes weiterhin langfristig dem Rundfunk vorbehalten. Die Nutzungsbestimmung 5
Dies schließt die einschlägigen Verbände, die vier Mobilfunkbetreiber, die Deutsche Telekom und weitere Unternehmen ein. 6 Vgl. hierzu Börnsen (2008), S. 20ff sowie S. 50ff. 7 Die Positionen privater sowie öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter unterscheiden sich hier eher unwesentlich voneinander.
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Karl-Heinz Neumann
28 regelt jedoch, dass dort, wo diese Frequenzen vom Rundfunk nicht genutzt werden, d.h. in den sog. White Spaces, auch Funksysteme für die Bereitstellung von Breitbandanschlüssen in sekundärer Nutzung, eingesetzt werden können. Den Frequenzbereich 790-862 MHz kann der Rundfunk nur noch auslaufend für die Umstellung auf digitale Übertragung nutzen. Anschließend steht dieser Frequenzbereich ausschließlich dem Mobilfunk zur Nutuzung zur Verfügung.
Bild 6: Vorschläge des BMWi in der Frequenzbereichszuweisungsplan-VO
Entsprechend dem föderalen Verantwortungsregime in Fragen von Rundfunkfrequenzen sind nun die Länder gefragt, im Wege des Bundesrates dem Vorschlag der Bundesregierung ihre Zustimmung zu geben. Ohne an dieser Stelle allzu sehr in Spekulation zu verfallen, zeichnet sich ab, dass die Länder erst dann zu diesem Konzept ihre Zustimmung geben werden, wenn durch entsprechende Auflagen bei der Frequenznutzung sichergestellt wird, dass die dem Mobilfunk zugewiesenen UHF-Frequenzen auch tatsächlich dazu genutzt werden, die Unterversorgung der ländlichen Räume mit Breitbandanschlüssen zu verbessern. Ein derartiger Ansatz wäre natürlich nur begrenzt kompatibel mit den sich entwickelnden modernen Prinzipien der Frequenzvergabe von Technologie- und Diensteneutralität.
5 Internationale Vergleichsfälle 5.1 UK Auch im UK wurden bislang 368 MHz im UHF-Band für analoges terrestrisches TV benutzt. Auch die britische Regierung geht davon aus, dass alle bisher terrestrisch übertragenen analogen Programme bei digitaler Übertragung mit 40 MHz über-
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Begriffsbestimmung und Erfahrungsberichte
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tragen werden können. Bereits in 2003 hatte sie jedoch entschieden, dass 256 MHz in 32 x 8 MHz-Kanälen für Rundfunk reserviert bleiben sollen für die Übertragung digitaler Programme. Dies kommt einer erheblichen Erweiterung von Kapazität und Coverage der terrestrischen Rundfunkübertragung gleich. Insofern verbleiben im Kern 112 MHz aus der DD, die im UK neuen Nutzungen nach Umstellung auf die digitale Übertragung zugeführt werden können. Um hier zu einem optimalen Nutzungskonzept zu kommen, hat die britische Regulierungsbehörde Ofcom in den letzten drei Jahren eine umfassende Digital Dividend Review durchgeführt. Bild 7 beschreibt den gesamten Entscheidungsablauf. Neben den 112 MHz aus der DD hat die britische Regierung zusätzlich 16 MHz verfügbar gemacht, die zuvor für Aeronautical Radar und für astronomische Anwendungen zugewiesen waren. Insofern werden nun insgesamt 128 MHz in folgenden Frequenzbändern neu vergeben: • 550-630 MHz • 790-806 MHz • 806-854 MHz
Bild 7: Der Entscheidungsprozess zur Nutzung der DD in UK
Ofcom (2008) hat sich für einen rein markt-orientierten Ansatz für die Vergabe entschieden. Die Frequenzen werden technologie- und diensteneutral im Rahmen eines Auktionsverfahrens vergeben. So ist es etwa nicht vorgesehen, bestimmte Teile des Frequenzbandes für die Bereitstellung breitbandiger Internetzzugänge vorzusehen. Im Rahmen der Digital Dividend Review hat das Ofcom vielmehr eine Vielzahl möglicher Anwendungen identifiziert, zwischen denen nicht durch Vorabfestlegungen im Vergabeverfahren diskriminiert werden soll.
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Die Entscheidungen zum Auktionsdesign stehen kurz bevor.8 Im Kern ist eine kombinatorische Clock-Auktion für Frequenzblöcke vorgesehen, die eine möglichst freizügige Nutzung unterstützen (Vergabe in 5 und 8 MHz-Blöcken). Zur Förderung des Wettbewerbs sind Spektrum Caps, d.h. Höchstbegrenzungen bei der Menge ersteigerbaren Spektrums für einen Lizenznehmer, vorgesehen. Die Lizenzen werden im Prinzip ohne Zeitbegrenzung vergeben, wobei eine „weiche“ erste Vergabeperiode bis 2026 vorgesehen ist. Frequenzhandel nach auktionierter Vergabe wird zugelassen sein. Die Vergabe der Lizenzen soll bereits in 2009 erfolgen; die landesweite Nutzung aller Frequenzen wird jedoch erst ab 2012 möglich sein. Grundsätzlich wird jedoch die Frequenznutzung unmittelbar nach ihrer jeweiligen, auch regional begrenzten Verfügbarkeit möglich sein. Im UK soll auch das sog. Interleaved Spectrum in den „White Spaces“ der TV-Nutzung alternativen Verwendungen zugeführt werden. Auch hier ist ein Auktionsansatz vorgesehen. Der Zugang zu diesem Spektrum soll über die innovative kognitive Radiotechnologie erfolgen.
5.2 Der Ansatz zur Nutzung der DD in den USA In den USA ist der Prozess der Nutzung der DD auch für Zwecke des Mobilfunks weiter fortgeschritten als in Europa. Bereits im März 2008 hat die FCC eine Vielzahl von Lizenzen im 700 MHz-Bereich im Rahmen eines weltweit beachteten Auktionsprozesses vergeben. Insgesamt wurde das Band 698-806 MHz bzw. die Kanäle 52 bis 69 für Zwecke des Mobilfunks zur Verfügung gestellt.9 Für die Vergabe und Nutzung der Frequenzen wurde das gesamte zur Verfügung stehende Spektrum in fünf Blöcke eingeteilt. Für zwei Blöcke erfolgte die Vergabe in einem vorgegebenen Nutzungskonzept, die anderen Frequenzblöcke wurden primär in 2 x 6 MHz-Blöcken technologie- und diensteneutral vergeben. Für den C Block mit einer Ausstattung von 2 x 11 MHz machte die FCC besondere Open Access Auflagen für die Nutzung der Frequenzen, d.h. den Zugang Dritter auf einer Wholesale Basis. Dies geht zurück auf Vorschläge von Google. Lizenznehmer in diesem Band müssen eine Plattform bereitstellen, die offen ist für Systeme, Endgeräte und Anwendungen Dritter. Für den D Block, für den erfolgreiche Bieter eine landesweite Lizenz (mit 2 x 5 MHz) erwerben konnten, war vorgesehen, dass die Frequenzen nur für Dienste für Public Safety-Organisationen und ein öffentliches Sicherheitsnetz verwendet werden konnten. Dieser Frequenzblock konnte nicht erfolgreich auktioniert werden, da kein Bieter das vorgegebene Mindestgebot von 1,4 Mrd. $ geboten hatte.
8 9
Siehe hierzu im Einzelnen Ofcom (2008). Vgl. hierzu im Einzelnen Carter/Marcus (2008).
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Mit Ausnahme des genannten D Blocks wurden alle Frequenzen, wie in den USA üblich, regional vergeben. Insgesamt wurden an 101 Lizenznehmer 1090 Lizenzen vergeben. Dabei haben sich jedoch die beiden dominanten TK-Carrier Verizon und AT&T durch Erwerb einer Vielzahl von regionalen Lizenzen jeweils quasi eine nationale Lizenz ersteigert. Bemerkenswert am Vergabeergebnis war noch, dass kein Broadcast-Unternehmen eine Lizenz ersteigert hat, obwohl sie uneingeschränkt zugelassen waren. Bemerkenswert am Vergabeergebnis war auch, dass Google trotz deutlicher öffentlicher Ankündigungen keine Lizenz ersteigerte, sondern nur ein Mindestgebot abgab. Insgesamt erzielte die FCC einen Auktionserlös von knapp 20 Mrd. $ für die Versteigerung des genannten Bandes. Von den beiden großen Mobilfunkbetreibern ist bekannt, dass sie für die Nutzung der Frequenzen LTE-Technologie10 einsetzen wollen. Auf Ebene von Pilotversuchen soll diese Technik bereits 2009 entwickelt sein. Ansonsten hat Verizon die kommerzielle Markteinführung bereits für 2010 und AT&T für 2013 angekündigt.
5.3 Slowakische Republik In der Slowakischen Republik lässt sich bereits im konkreten Wirkbetrieb beobachten, wie mit Frequenzen in einem niedrigen Frequenzband erfolgreich Breitbandanschlüsse realisiert werden. In der Slowakischen Republik sind 2 x 4,43 MHz im 450 MHz-Band für diesen Zweck an T-Mobile zugewiesen. T-Mobile hat mit diesen Frequenzen ein Netz mit 70% Bevölkerungsabdeckung aufgebaut. Eingesetzt wird mit der (nicht-standardisierten) Flash-OFDM-Technologie eine LTE-Vorläufertechnologie. Mit dieser Technologie ist eine maximale Download-Datenübertragungsrate von 5,3 Mbps darstellbar. Insofern sind bei der relativ geringen Spektrumsausstattung kleine Zellradien erforderlich, um relevante Bandbreiten von z.B. 2 Mbps für den Endkunden darzustellen. Wegen der großen räumlichen Ausdehnung der Funkzellen zeigen sich gute Flächendeckungseigenschaften dieser Technologie. Mehr als 150.000 Kunden, und damit ein relevanter Teil der Nachfrage, nutzen diese Technologie bereits für den mobilen Breitbandzugang.
5.4 Schweiz Der Schweizer Bundesrat hat am 12.11.2008 eine Änderung des Nationalen Frequenzzuweisungsplans beschlossen, die der Nutzung der DD dient. Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, hat beschlossen, dass das obere UHF-Band 790 bis 862 MHz spätestens ab 2015 für mobile Dienste bereitgestellt wird. Die letzten analogen Fernsehsender werden im Frühjahr 2009 außer Betrieb gesetzt. Von 2009 bis 2015 soll mit den Nachbarländern die Frequenzbelegung im UHF-Band koordiniert werden, um den künftigen Lizenznehmern einen klaren Rahmen über die Nutzung bzw. Nutzungseinschränkungen der Frequenzen anbieten zu können. Angesichts der 10 Long
Term Evolution, die nächste Generation des Mobilfunks.
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sehr guten Breitbandversorgung im Festnetz ist die Nutzung von White Spaces kein Thema in der Schweiz. Die DSL-Versorgung liegt in der Schweiz oberhalb von 98% der Haushalte. Darüber hinaus hat jeder Schweizer über ein Universaldienstkonzept einen garantierten breitbandigen Zugang zum Internet.
5.5 Frankreich Am 23. Juli 2008 legte eine hochrangige Parlamentskommission dem französischen Premierminister eine Beschlussvorlage zur künftigen Nutzung des UHF-Bandes vor. Danach soll das Frequenzband 470-790 MHz für DVB-T und DVB-H unter Einschluss von HDTV genutzt werden. Der obere Teil des Bandes (790-862 MHz) soll ab 2012 ausschließlich für Mobilfunk genutzt werden. Die Regierung wird aufgefordert, auch international auf diese Verwendung des UHF-Bandes hinzuwirken. Im Rahmen eines umfassenden Plans für die Entwicklung der digitalen Wirtschaft, der im Oktober 2008 beschlossen wurde, ist die französische Regierung diesen Vorschlägen weitestgehend gefolgt. Zunächst soll der Übergang auf digitales terrestrisches TV bis zum 30. November 2011 endgültig abgeschlossen sein. Das Frequenzband 790-862 MHz wird für den Zugang zum Breitband-Internet bereitgestellt. Die Frequenzvergabe im UHF-Band soll bereits in 2009 erfolgen. Der Auktionserlös der Frequenzvergabe soll für das Programm zur Entwicklung der digitalen Wirtschaft eingesetzt werden. Frankreich will mit diesem ehrgeizigen Ansatz auch eine europäische Initiative für eine koordinierte Nutzung der DD anstoßen. Die Verwendung von Teilen der DD für Breitbandzugang folgt zwei Leitmotiven: Es ist zum einen ein Beitrag zur Umsetzung eines Universaldienstansatzes für Breitbandzugang. Zum anderen stellt er einen industriepolitischen Ansatz zur Technologieentwicklung dar, der an die Erfolge von GSM anknüpfen soll.
6 Gesamtwirtschaftliche Aspekte Da Frequenzen ein knappes öffentliches Gut darstellen, benötigt jedes an gesamtwirtschaftlichen Interessen orientiertes Nutzungskonzept ein klares Zielkriterium. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gilt es die Allokation der Frequenzen zu finden, die den Beitrag der Frequenznutzung zum Sozialprodukt maximiert. Wird der gesamtgesellschaftliche Nutzen an zusätzlichen oder anderen als wirtschaftlichen Kriterien gemessen, gilt es diese zu operalisieren und einer quantitativen Analyse zugänglich zu machen. Hinsichtlich der Nutzung des UHF-Bandes für Zwecke des Mobilfunks scheint eine rein wirtschaftliche Bewertung der Nutzung auch den gesamtwirtschaftlichen Beitrag adäquat zu beschreiben. Bei näherer Betrachtung gibt es jedoch auch für den Mobilfunk wenigstens zwei Aspekte, die den gesamtgesellschaftlichen Nutzen einer Frequenzzuweisung begründen und die nicht durch eine an rein wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtete Nutzenbewertung geeignet bzw. vollständig erfasst wird: (1) Insoweit als die Mobilfunknutzung des
2
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UHF-Bandes dazu beiträgt, „weiße Flecken“ beim Breitbandzugang zu schließen, werden Versorgungslücken geschlossen, für die ansonsten staatliche Subventionen oder Maßnahmen der internen Subventionierung der Netzbetreiber erforderlich wären; diese können eingespart werden, wenn der mobile Breitbandzugang im Bereich der weißen Flecken wirtschaftlich darstellbar ist. (2) Mit dem ersten Aspekt ist ein zweiter verbunden: Das Medium Internet ist dabei, das Medium Rundfunk als Träger des Zugangs zu Informationen und der Informationsfreiheit zumindest teilweise abzulösen. In bestimmten Altersgruppen ist dieser Ablöseprozess bereits weit fortgeschritten, in anderen gilt noch eine Komplementaritätsbeziehung. In jedem Falle gilt, dass für den Zugang zu Informationen das Internet mindestens so bedeutsam ist wie der Zugang zum Rundfunk. Für den Rundfunk wird häufig reklamiert, dass sich sein gesamtwirtschaftlicher Nutzen grundsätzlich einer wirtschaftlichen Betrachtung entzieht.11 Es wird argumentiert, dass der Rundfunk Dienste produziert, deren gesellschaftlicher Nutzen nicht im Marktwert der Rundfunkaktivitäten abgebildet ist. Letztlich ist hier auch der Beitrag des Rundfunks zur verfassungsrechtlich verankerten Informationsfreiheit angesprochen. Unstreitig ist, dass der Rundfunk ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor ist. Dies gilt sowohl für den privaten als auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Europäische Rundfunkveranstalter beschäftigen etwa 2,2 Mio. Mitarbeiter.12 Auf der Finanzierungsseite definiert sowohl die Werbefinanzierung, das Merchandising als auch die Finanzierung über Gebühren und Beiträge die wirtschaftliche Dimension des Rundfunks. Zusammenfassend gilt, dass nicht nur der gesamtwirtschaftliche Beitrag des Mobilfunks, sondern auch der des Rundfunks mit den gleichen wirtschaftlichen Kriterien gemessen werden kann. Nicht nur der Rundfunk, auch der Mobilfunk trägt zum Kollektivgut freier Zugang zu Informationen bei. Es fällt schwer, diese Beiträge gegeneinander aufzuwägen. Insofern wird hier davon ausgegangen, dass die wirtschaftliche Bewertung alternativer Frequenznutzung zumindest eine unabdingbare Beurteilungsgrundlage für konkurrierende Allokationsentscheidungen darstellt, die durch andere Kriterien ergänzt werden kann, wenn diese wohlbegründete Unterschiede generieren. Es existieren inzwischen eine Reihe von gesamtwirtschaftlichen Nutzenbewertungen zum UHF-Spektrum. Die umfassendste und methodisch am meisten geschlossene Analyse wurde im März 2008 von Spectrum Value Partners („SVP“). Diese Studie wurde im Auftrag einiger Hersteller- und Mobilfunkbetreiberfirmen
11 So
etwa die Argumentation von Oliver & Ohlbaum/Dot Econ (2008) & Ohlbaum/Dot Econ (2008), S. 5
12 Oliver
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erstellt. Bevor auf diese Studie und ihre Ergebnisse näher eingegangen wird, sollen zunächst noch zwei weitere andere Ergebnisse zitiert werden. Auf Basis eines Szenario- und Simulations-Ansatzes haben SCF Associates (2007) die gesamtwirtschaftlichen Effekte der Nutzung der DD quantitativ ermittelt. Im „Broadcast Media“ Szenario wird der größte Teil der DD für zusätzliche digitale Rundfunkprogramme und HDTV verwendet. Im „Mobile Bazar“ Szenario wird der größte Teil der DD für neue zellulare Mobilfunkdienste verwendet. Das Mobile Bazar Szenario generiert auf EU-weiter Basis einen Wachstumseffekt von 0,6% des Bruttoinlandsprodukts bezogen auf das Jahr 2020 und im Vergleich zum Broadcast Media Szenario. Der Effekt resultiert im Wesentlichen daraus, dass eine Zuweisung der DD zum Mobilfunk wesentlich höhere Investitionen mit daraus folgenden gesamtwirtschaftlichen Wachstumseffekten auslöst als eine Zuweisung für Zwecke des Rundfunks. In seiner Digital Dividend Review hat das Ofcom (2006) umfassende KostenNutzen-Analysen über alternative Verwendungen der DD durchgeführt. Das Ergebnisbild ist komplex und soll hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden. Der interessierte Leser sei hier auf das entsprechende Ofcom (2006) Dokument verwiesen. In einer Gesamtbetrachtung jedenfalls gilt, dass der (inkrementelle) Wert der DD für UK in einer 20 Jahres-Betrachtung eine wirtschaftliche Größe von 7,5-15 Mrd. € ausmacht. Dieser Gesamtwert ist relativ robust gegenüber unterschiedlichen Kombinationen alternativer Nutzungen. Die SVP-Studie geht ebenfalls nach dem Prinzip einer gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse vor. Sie ermittelt über eine 20 Jahresperiode den gesamtwirtschaftlichen Nutzen unterschiedlicher Allokationen der DD auf Mobilfunk und Rundfunk. Der jährliche wirtschaftliche Nutzen wird auf den Betrachtungspunkt 2008 diskontiert und als Net Present Value (NPV) aufaddiert. Die Kosten-Nutzen-Analyse betrachtet jeweils drei Komponenten des Nutzens: 1. Direkter Nutzen: Gemessen als Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente der unmittelbar berührten Märkte. 2. Indirekter Nutzen: Erfassung der indirekten Effekte auf andere Märkte als die primär betrachteten. Z.B. generieren bei zusätzlichen Breitbandanschlüssen nicht nur die neuen Teilnehmer Umsätze. Auch die werbetreibende Industrie kann durch neue Breitbandkunden indirekt zusätzliche Erlöse realisieren. Der indirekte Nutzen wird auch als Summe der Produzenten- und Konsumentenrente erfasst. 3. Externalitäten: Hiermit werden gesamtwirtschaftliche Effekte erfasst, die nicht in das einzelwirtschaftliche Nutzenkalkül der Marktbeteiligten Eingang finden. Dies schließt etwa eine gesteigerte Arbeitsproduktivität und zusätzliche Arbeitsplätze ein.
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Bild 8 zeigt am Beispiel eines bestimmten Szenarios die relative Größe der einzelnen Kriterien bei einer bestimmten Zuweisung von UHF-Frequenzen an den Mobilfunk. Hier (wie auch in den anderen Szenarien) liegt der größte Nutzenbeitrag bei den Konsumenten. Die indirekten Effekte sind eher vernachlässigbar gering. Dagegen machen die externen Effekte mehr als 10% des Gesamtnutzens aus.
Produzentenrente Konsumentenrente Indirekter Nutzen Externalitäten Gesamtnutzen
Italien 2,6 13,7 0,7 2,5 19,5
Niederlande 0,6 3,4 0,1 0,6 4,9
Slowakische Republik 0,1 0,6 0,2 0,1 1,0
Bild 8: Kosten/Nutzen für Szenario 3 (80MHz) in Mrd. € NPV Quelle: SVP (2008)
Bild 9 zeigt die Bedeutung der einzelnen Nutzenkategorien für den Base Case des Rundfunks. Im Vergleich zum Mobilfunk fällt die relativ geringere Bedeutung der Produzentenrente auf. Im Unterschied zum Mobilfunk sind die indirekten Effekte, d.h. diejenigen auf andere Märkte, wesentlich bedeutsamer. Externe Effekte haben mit ca. 10% eine ähnliche Größenordnung wie im Mobilfunk. Die nationalen Unterschiede der Nutzenwerte weisen auch auf den unterschiedlichen Stellenwert der terrestrischen Rundfunkübertragung hin.
Produzentenrente Konsumentenrente Indirekter Nutzen Externalitäten Gesamtnutzen
Italien 1,8 88,2 28,3 11,9 130,4
Niederlande (0,5) 2,4 0,7 0,3 2,8
Slowakische Republik 0,0 0,5 3,4 0,4 4,3
Bild 9: Kosten-Nutzen für den Base Case des Rundfunks Quelle: SVP (2008)
Die Studie leitet ihre Ergebnisse für drei unterschiedliche Szenarien der Nachfrage nach Mobilfunk ab. Diese unterscheiden sich im Kern danach, wie intensiv Mobilfunkleistungen nachgefragt werden. Die Modellergebnisse werden detailliert für Italien, Niederlande und die Slowakei abgeleitet. Diese Länder weisen bestimmte Clustereigenschaften auf, mit denen die Ergebnisse dann auf die EU 27 Länder hochgerechnet werden. Methodisch wendet die Studie einen inkrementellen Ansatz an. Für den Mobilfunk wird ermittelt, welcher zusätzliche Wertbeitrag durch Mobilfunk entsteht, wenn unterschiedliche Spektrumsanteile aus der DD dem Mobilfunk zugewiesen werden.
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Diesem Ansatz folgend werden folgende Ergebnisse abgeleitet: Wie Bild 10 zeigt, kann durch die Allokation von Spektrum aus der DD ein zusätzlicher gesamtwirtschaftlicher Nutzen in Europa in Höhe von 70-232 Mrd. € geschaffen werden. Die Ergebnisse im Einzelnen hängen vom Nachfrageszenario und von der Menge der Frequenzen ab, die dem Mobilfunk zugewiesen werden.
Bild 10: Gesamtwirtschaftlicher Nutzen des UHF-Spektrums für Mobilfunk (in Mrd. € NPV) Quelle: Spectrum Value Partners (2008)
Die in Bild 10 dargestellten Nutzenwerte stellen jedoch noch nicht die gesamtwirtschaftliche Betrachtung dar, da sie ausschließlich auf den Mobilfunk fokussiert sind. Eine Zuweisung von Frequenzen an den Mobilfunk, die auch der Rundfunk nutzen könnte, verursacht beim Rundfunk Opportunitätskosten in Höhe nicht realisierter wirtschaftlicher Werte. Diese sind für eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung von den Nutzenwerten des Mobilfunks abzuziehen. Der sich dann ergebende gesamtwirtschaftliche Nettonutzen ist in Bild 11 dargestellt. Der gesamtwirtschaftliche Nettonutzen einer Zuweisung von Frequenzen aus der DD an den Mobilfunk liegt nunmehr in der EU zwischen 63 und 165 Mrd. €. Bei Berücksichtigung aller gerechneten Szenarien ergibt sich der maximale gesamtwirtschaftliche Nutzen, wenn dem Mobilfunk zwischen 80 und 120 MHz aus dem UHF-Band zugewiesen werden.
Bild 11: Gesamtwirtschaftlicher Nettonutzen des UHF-Spektrums für Mobilfunk (in Mrd. € NPV), Quelle: Spectrum Value Partners (2008)
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Diese Ergebnisse über die optimale Aufteilung des Bandes sind natürlich länderabhängig. Dies folgt bereits aus der starken Streuung der Bedeutung der terrestrischen Rundfunkübertragung in den Mitgliedsstaaten der EU. Doch selbst in Italien, einem Land mit einer sehr hohen terrestrischen TV-Nutzung, ist es gesamtwirtschaftlich optimal, mindesten 80 MHz des UHF-Bandes für Mobilfunk zu reservieren. In Ländern mit einem geringeren Stellenwert der terrestrischen Rundfunkübertragung sollten die Effekte noch deutlicher sein.
Literatur Besson, Éric (2008): France Numerique 2012, Plan de développement de l’économie numérique, Premier Ministre, Oktober 2008 Börnsen, Arne unter Mitarbeit von Eike-Gretha Breuer (2008): Breitband fürs Land, Flächendeckende Breitbandversorgung durch Nutzung von Rundfunkfrequenzen, Kurzstudie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2008 Carter, Kenneth R. und Scott Marcus (2008): US FCC Completes Auction for Spectrum Released in the Transition to Digital Television, in: WIK-Newsletter Nr. 71, Juni 2008 European Commission (2007): Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions, Reaping the full benefits of the digital dividend in Europe: A common approach of the use of the spectrum released by the digital switchover Hahn, Rüdiger (2008): Digitale Dividende – Chancen für Rundfunk, Breitband und Mobilfunk, Workshop des Hessischen Wirtschaftsministeriums, Wiesbaden, 2. September 2008 Liebler, Reiner (2008): Deutsche Frequenzpolitik und Digitale Dividende, Workshop des Hessischen Wirtschaftsministeriums, Wiesbaden, 2. September 2008 Niepold, Ruprecht (2008): EU „Frequenzpolitik“ und die Digitale Dividende, Workshop des Hessischen Wirtschaftsministeriums, Wiesbaden, 2. September 2008 Ofcom (2006): Digital Dividend Review, Consultation, 19 December 2006 Ofcom (2008): Digital Dividend Review: 550-630 MHz and 790-854 MHz, Consultation on detailed award design, Consultation, 6 June 2008 Oliver & Ohlbaum and Dot Econ (2008): The Effects of a Market-Based Approach to UHFSpectrum Management and the Impact on Broadcasting, 27 February 2008 SCF Associates (2007): The Mobile Provide – Economic Impacts of Alternative Uses of the Digital Dividend, Methodology Report, September 2007 Spectrum Value Partners (March 2008): Getting the most out of the Digital Dividend
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3 Nationaler und internationaler Rechtsrahmen für die Frequenzvergabe Prof. Dr. Bernd Holznagel Universität Münster Als Moses auf dem Berg Sinai die zehn Gebote empfing, war ein elftes dabei, und dieses elfte Gebot lautet: Du sollst niemals ein Spektrum aufgeben, das Du besitzt. Diese Lage hat sich natürlich im Laufe der Zeit nicht in religiösen Geboten verfestigt, sondern in Recht – wie sollte es anders sein. Besitzstände sind im Verfassungsrecht zu finden oder das Verfassungsrecht wird mobilisiert, um Besitzstände zu begründen. Die Argumentation, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, wird zukünftig nicht nur eine ökonomische sein, sondern eine rechtliche, zum Teil sogar eine verfassungsrechtliche.
I. Verhältnis zwischen Telekommunikation und Rundfunk nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Der Rundfunk hat nach traditioneller Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts einen Vorrang. Das Bundesverfassungsgericht spricht von einer dienenden Funktion der Telekommunikation gegenüber dem Rundfunk. Die Telekommunikation soll eine bloß dienende Rolle übernehmen. Hier sind viele Vertreter aus der TKBranche, die die wirtschaftlichen Daten von Herrn Neumann gehört haben, und Sie sind vermutlich entsetzt, wenn Sie dies hören. Aber die Rechtsprechung ist hier eindeutig, zumindest in den letzten 40 Jahren. Ein wichtiger Grund für diese verfassungsrechtliche Sichtweise liegt darin – und dies ist eine Situation, die Deutschland ganz deutlich von den anderen Ländern unterscheidet –, dass bei uns der Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder liegt und die Telekommunikation im Kompetenzbereich des Bundes.
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Bild 1
Was soll mit diesem Vorrangprinzip erzielt werden (Bild 1)? Es sollte verhindert werden, dass der Bund mithilfe der Telekommunikation Einfluss auf die Medieninhalte nimmt. Das konnte er in der Anfangsphase der Bundesrepublik, als wir staatliche Monopole im Rundfunk und der Telekommunikation hatten, recht einfach, und dem wollten die Verfassungsrichter einen Riegel vorschieben. Dieses strikte Vorrangprinzip ist aus meiner Sicht aber heute verfassungsrechtlich nicht mehr zu halten. Mit der Einführung von Artikel 87f in das Grundgesetz und dem Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation haben wir sehr viele neue Player, die sich auch auf Grundrechte berufen können. Man wird daher davon ausgehen können, dass es heute in erster Linie darum geht, diese unterschiedlichen Interessen optimal auszubalancieren und nicht einem Belang einen Vorrang einzuräumen. Frequenzen müssen z.B. effizient und sparsam eingesetzt werden. Bei all diesen verfassungsrechtlichen Veränderungen gilt es aber auch im Blick zu halten, dass der Rundfunk mit Frequenzen versorgt werden muss. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Rundfunkfreiheit i.S.v. Art. 5 des Grundgesetzes. Die Begründung liegt darin, dass der Rundfunk für die Sicherung der Meinungsvielfalt verantwortlich ist. Dieses Verfassungsprinzip ist unverrückbar. Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland konstitutiv für die Demokratie. Aus rechtlicher Sicht ist dies überhaupt nicht in Zweifel zu ziehen.
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Nationaler und internationaler Rechtsrahmen für die Frequenzvergabe
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II. Internationale Vorgaben für die Frequenzvergabe Die verfassungsrechtliche Lage wird natürlich auch überformt durch internationale Vorgaben. Ein wichtiger Bereich – und das ist auch Gegenstand meines Vortrages – ist zunächst die Aufteilung des Frequenzspektrums. Man muss sich vorstellen, dass man ein Frequenzband hat, und man muss für bestimmte Regionen dieser Welt definieren, welches Spektrum für welche Nutzung zur Verfügung gestellt werden soll. Dies wird regelmäßig in den bereits von Herrn Neumann erwähnten Weltfunkkonferenzen getan (Bild 2).
Bild 2
Die letzte WRC 07 hat ein bestimmtes Spektrum so ausgewiesen, dass dieses Spektrum neben dem Mobilfunk auch für Rundfunk genutzt werden kann. Der Mobilfunk hat jetzt zumindest nach internationalem Recht mehr Raum, um sich zu entfalten. Die Frage ist, wie diese internationale Vorgabe jetzt in die anderen Ebenen des Rechts herunter gebrochen wird. Hier ist zunächst die europäische Ebene zu nennen (Bild 3).
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Bild 3
Die Europäische Gemeinschaft hat anders als der Nationalstaat nicht ohne weiteres das Recht, Frequenzspektrum für bestimmte Tätigkeiten zu widmen. Das ist in wenigen Bereichen des Mobilfunks zwar getan worden, aber im Grundsatz bleibt die Verteilung des Spektrums eine nationale Aufgabe. Europa beschränkt sich im Wesentlichen darauf, Koordinierungsgremien zwischen den Mitgliedstaaten und den Regulierern zu schaffen. Hin und wieder wird auch eine Mitteilung in Sachen Frequenznutzung verfasst. Aber es ist nicht so, dass die Europäische Kommission sich einfach hinsetzen und per Richtlinie entscheiden könnte, welches Spektrum für welche Nutzung reserviert wird (Bild 4).
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Bild 4
Könnte die Europäische Gemeinschaft so ohne Weiteres vorgehen, dann wäre dies zumindest für die Telekommunikationsanbieter wunderbar. Denn das Europarecht hat Vorrang vor dem deutschen Verfassungsrecht, und man könnte dann einfach die Vorgaben des Grundgesetzes mit einer Richtlinie aushebeln. Da dies aber europarechtlich unzulässig ist, spielt sich an dieser Front nichts ab. Die Schlachten um die Verteilung knapper Frequenzen werden daher maßgeblich auf der nationalen Ebene veranstaltet. Und sie werden – ich bitte dies, bei meinen folgenden Ausführungen immer zu bedenken – immer erst nach einem erbitterten Kampf zwischen Bund und Ländern entschieden.
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Bild 5
III. Nationale Frequenzordnung Die Wechselbeziehung zwischen Bund und Ländern, dieses Abwägen zwischen Rundfunk auf der einen Seite und Telekommunikation auf der anderen, haben ihren Niederschlag in recht komplizierten Verfahrensregelungen gefunden (Bild 5). Diese Vorschriften enthalten Begriffe, die an Schönheit kaum noch zu übertreffen sind. Den imposantesten Begriff finden wir auf der ersten Planungsstufe. Es ist das Wort „Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung“. Dies ist einer der wenigen Begriffe, die noch nicht in die englische Sprache übersetzt worden sind, schlechterdings weil dies unmöglich ist oder das Ergebnis komplett unverständlich wäre. In dieser Verordnung werden ganz grobe Raster gesetzt. Ein Spektrumsbereich wird zugewiesen als mobiler Funkdienst oder als Rundfunkdienst. Diese Verordnung setzt, soweit es um Rundfunkspektrum geht, die Zustimmung des Bundesrates voraus. Die Verordnung wird also von der Regierung formuliert, tritt aber erst in Kraft, wenn die Länder zustimmen. Sie sehen, das Abwägungsprinzip findet hier eine verfahrensmäßige Entsprechung.
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Bild 6
Bild 7
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Auf der nächsten Ebene haben wir den Frequenznutzungsplan (Bild 6 und 7). Dort wird einfach detaillierter durchgeplant. Dieser Plan wird von der Bundesnetzagentur erstellt, und diese hat im Kern auch das Sagen. Sie kann vor allem nach Gesichtspunkten der Frequenzeffizienz die Planung vornehmen. Schwieriger wird es dann wieder auf der dritten Ebene. Die Pläne sind erstellt und es kommt nun darauf an, diese umzusetzen. Das Frequenzspektrum wird an die Unternehmen zugeteilt. Die Frequenzzuteilung erfolgt grundsätzlich nach den Geboten der effizienten und störungsfreien Nutzung. Das sind Prinzipien, deren Einhaltung die Bundesnetzagentur überprüft. Sie ist es auch, die dann die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen vornimmt. Im Rundfunk gibt es aber Besonderheiten. Die Länder definieren nämlich vorab den Bedarf, der für den Rundfunk vorzuhalten ist. Diese sogenannte Bedarfsanmeldung der Länder ist dann – ich zitiere das Gesetz – von „der Bundesnetzagentur umzusetzen“. Die Bundesnetzagentur hat hier kein Entscheidungsermessen. Die Länder melden vielmehr den Bedarf für diesen Spektrumsanteil an und die Bundesnetzagentur dient den Ländern, um diesen Bedarf zu erfüllen. Sie sehen, dass die Konzeption der dienenden Funktion der Telekommunikation sich noch wortgetreu im Telekommunikationsgesetz wiederfindet. Ist jetzt ein solcher Bedarfsplan von den Ländern erstellt, und ist dieser Spektrumsanteil ihnen „überwiesen“, dann geht es in der vierten Stufe darum, dieses Spektrum unter den verschiedenen Antragsstellern aufzuteilen.
IV. Voraussetzungen für die Frequenzverteilung Wir befinden uns jetzt im Bereich des Rundfunkspektrums und wandeln damit auf den verschlungenen Pfaden der Länder. Denn ist schon das Verhältnis von Rundfunk und Telekommunikation kompliziert, so finden sich weitere Regelungen auf Länderebene, die durch das duale Rundfunksystem vorgezeichnet sind. Die Länder müssen nämlich das verfügbare Spektrum zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privatem Rundfunk aufteilen (Bild 8).
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Bild 8
Diese Aufteilung wird gewöhnlich durch die Staatskanzleien vorgenommen. Es ist dann Aufgabe der Landesmedienanstalten für die private Säule des Rundfunks, das Spektrum an die kommerziellen Anbieter weiterzureichen (Bild 9).
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Bild 9
Sie sehen, in rechtlicher Hinsicht finden Sie dieses Prinzip der Ausbalancierung von Telekommunikations- und Rundfunkbelangen in einem fünfstufigen, kaum an Komplexität zu übertreffenden Prozess der Konkretisierung wieder. Er umfasst die Planungsebene ebenso wie die telekommunikationsrechtliche Zuteilung der Frequenzen oder die rundfunkrechtliche Zuweisung von Übertragungskapazitäten an einen einzelnen Rundfunkanbieter (Bild 10).
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Bild 10
Dies ist die gegenwärtige rechtliche Struktur. Wie soll es zukünftig weitergehen? Zunächst haben wir den Entwurf der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung, der im Juli dieses Jahres vorgelegt wurde (Bild 11). Es ist dort nur vorgesehen, dass ein Bereich von 72 MHz zukünftig für den Mobilfunk reserviert wird; vorausgesetzt die Länder stimmen zu. Der Bund kann viele Vorstellungen haben, stimmt der Bundesrat nicht zu, können sie das Papier in die Mülltonne legen. Wie die Situation ausgehen wird, kann ich schwerlich prognostizieren. Vielleicht werden wir das heute von den Herrschaften hören, die an maßgeblicher Stelle in den politischen Prozess involviert sind. Ich gebe zu bedenken, dass wir hier nur über einen Spektrumsanteil von 72 MHz diskutieren. Wir diskutieren nicht über 160 oder 170 MHz und noch lange nicht über 320 MHz, die angeblich durch die Digitalisierung frei werden. Ich bin gespannt, wie die Streitigkeiten ausgehen. Ich habe keine Insiderinformationen.
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Bild 11
V. Ausblick: Revision des Richtlinienpakets auf europäischer Ebene Große Hoffnung hatte der Bund auf die Europäische Gemeinschaft gesetzt. Herr Neumann hat es bereits erwähnt, in den neuen Richtlinienentwürfen war vorgesehen, das komplette Spektrum zukünftig dienste- und technologieneutral zu vergeben. Dies würde für die Unternehmen bedeuten, dass sie eine zugewiesene Frequenz so verwenden könnten, wie sie es jeweils im Zeitablauf möchten. Sie könnten es zunächst für einen Dienst und später für einen anderen verwenden. Diese Situation ist aber zugunsten des Rundfunks im neueren Entwurf aufgehoben worden (Bild 12). Den Grundsatz der Technologie und Diensteneutralität gibt es in Reinform im neuen Entwurf nicht mehr. Er geht davon aus, dass in dem uns hier interessierenden Bereich alles beim Alten bleibt, dass nämlich dem Rundfunk weiterhin ein vorab reserviertes Spektrum zugewiesen wird. In Artikel 9 der Richtlinie heißt es nun, dass Beschränkungen zugunsten des allgemeinen Interesses im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht vorgenommen werden können. Sodann wird näher definiert, was allgemeine Interessen sind. Es gehört zu den allgemeinen Interessen, dass kulturelle und sprachliche Vielfalt sowie der Pluralismus der Medien gefördert werden können. Der Fachmann sieht natürlich sofort, dass die entschei-
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dende Frage ist, wer das allgemeine Interesse nun definiert. Ist es die Gemeinschaft oder sind es die Mitgliedsstaaten? Laut Absatz 5 sind es die Mitgliedsstaaten. Das heißt, in Deutschland definieren die Länder, welcher Bereich für den Rundfunk reserviert werden muss oder nicht.
Bild 12
Herr Neumann kritisiert, dass wir bei solchen Rahmenbedingungen niemals zu sinnvollen gesellschaftlichen und ökonomischen Lösungen kommen. Was ist die Ursache für diese Lage? Vergleichbare Fesselungen haben wir auch in anderen gesellschaftlichen Sektoren. Die Antwort lautet: es ist der Föderalismus. Föderalismus kostet. Herr Neumann hat die Milliarden aufgelistet, die uns die derzeitigen Zuständigkeitszuweisungen vermutlich kosten werden. Meine Prognose ist, dass es auch im Rahmen der Föderalismusreform nicht zu einschneidenden Veränderungen kommen wird. Die Politik hat kein gesteigertes Interesse an einer Veränderung des Status quo. Dennoch sollten wir nicht aufgeben und nach rationaleren Lösungen und einem besseren Interessen-Clearing suchen. Ich denke, dass ein solches Bemühen auf drei Punkte gerichtet sein sollte (Bild 13).
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Bild 13
Die Länder sind schon aus Verfassungsgründen verpflichtet, ihren Bedarf, den sie formulieren, näher zu begründen. Bisher ist es so, dass die Länder ihren Bedarf der Bundesnetzagentur übermitteln und davon ausgehen, dass ihre Wünsche erfüllt werden. Kein Mensch weiß genau, wie dieser Bedarf begründet ist. Dabei ist es legitim zu erfahren, wie sich eine Bedarfsanmeldung im Einzelnen zusammensetzt und sich rechtfertigen lässt. Hierzu muss ich anmerken, dass die Bedeutung des terrestrischen Rundfunks in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist. Nur noch ca. 5 Prozent der Haushalte beziehen ihre Fernseh- und Hörfunkangebote ausschließlich über einen Antennenempfang. In Ostdeutschland liegen diese Werte zum Teil bei 3 Prozent der Haushalte. Nur die Zweit- und Drittnutzung ist durch die Einführung von DVB-T gestiegen. Sie beträgt heute 10 bis 15 Prozent. Wenn die terrestrische Erstversorgung so stark zurückgeht, stellt sich doch die Frage, ob dieser Übertragungsweg noch für die Grundversorgung der Bevölkerung notwendig ist? Hinzu kommt, dass der private Rundfunk in den ländlichen Gebieten, zum Beispiel im Münsterland und vor allem in Ostwestfalen, überhaupt nicht DVB-T nutzen will. Es kann nach dem Gebot der Ressourcenschonung, welches auch ein Verfassungsprinzip ist, nicht sinnvoll sein, dass hier von den Ländern Frequenzen eingefordert und reserviert werden, die man dann gar nicht zum Einsatz bringt. Ich denke, dass hier die Länder in der Pflicht sind, so ein Vorgehen genau zu begründen, auch aus verfassungsrechtlicher Sicht.
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Auf der anderen Seite höre ich aus der Rundfunkszene immer wieder, dass auch die Begründungen des Bundes nicht ganz überzeugend sind. Man möchte schon wissen, wie es mit den Interferenzgefahren aussieht. Wir haben gerade in den USA eine große Diskussion um White Spaces. Man möchte wissen, ob die LTE-Technologie tatsächlich fliegt und ob sie, wie Herr Neumann dargestellt hat, auch im ländlichen Raum wirklich funktioniert. Denn dies ist das zentrale Argument für eine veränderte Spektrumsaufteilung. Ich habe noch keine Detailanalyse gesehen. Wenn Sie sagen, dass im Bundesdurchschnitt nur 1,5 Plattformen ökonomisch zu betreiben sind, stellt sich die Frage, ob der Mobilfunk tatsächlich geeignet ist, die Versorgungslücken mit breitbandigem Internet in den ländlichen Räumen zu beheben. Bedarf es hier nicht eher in erster Linie eines Ausbaus des Festnetzes mit Glasfaser? Diese Fragen, die von den Rundfunkern an die TK-Industrie gestellt werden, müssen natürlich beantwortet werden. Wenn man den Schatz der digitalen Dividende heben will, kommt man letztlich nicht um eine Verhandlungslösung herum, wobei auch über Kompensation nachzudenken ist. Das hört sich zwar unmoralisch an, ist aber dennoch zu diskutieren, um sachgerechte Lösungen zu finden. Wenn das 11. Gebot lautet „Gib niemals Dein Spektrum auf“, dann möchte man hinzufügen, dass Moses diesen Satz möglicherweise unvollständig wahrgenommen hat. Vielleicht hieß es eher „Gib niemals Dein Spektrum umsonst auf“. Es gibt immer Konditionen, die einen veranlassen, Besitzstände freizugeben. Vielleicht muss man über diese Konditionen in Zukunft intensiver reden.
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4 Nationale Frequenzverwaltung im Spannungsfeld der Interessen Matthias Kurth Bundesnetzagentur, Bonn Meine Vorredner haben schon deutlich gemacht, wie komplex dieses Thema ist, und vor allen Dingen wie schwierig es auch für meine Behörde ist, dort mit Entscheidungen voranzukommen. Wir sind in einem rechtlich, aber auch politisch schwierigen Umfeld. Wir sollten uns einer Sache bewusst sein, die vor einigen Tagen auf einem IT Gipfel der Bundesregierung in Darmstadt in Anwesenheit vieler Minister sowie der Bundeskanzlerin angeklungen ist. Eines der Themen, das dort eine große Rolle gespielt hat, war die Digitale Dividende und ob wir dort einen neuen Wachstumsschub setzen können. Einer fragte nach dem frühesten Termin und bekam die Antwort 2011. Worauf alle zusammenzuckten und meinten, dass die Wirtschaftskrise im Jahr 2009 mit steigenden Arbeitslosenzahlen käme, und dann solle erst 2011 etwas passieren! Wenn sich alle verständigen, was man auch in Deutschland nicht ausschließen sollte, könnte man das, meiner Meinung nach, etwas schneller hinbekommen. Die Bundesnetzagentur ist präpariert, wenn der politische Kompromiss zustande kommt, relativ schnell ein Vergabeverfahren vorzubereiten. Dass wir das schon früher geschafft haben, zeigt die UMTS Versteigerung. Sie wissen, dass wir damals relativ kurz nach den Engländern in Deutschland eine Vergabe hinbekommen haben. Wenn ich jetzt sehe, dass Ofcom wieder relativ schnell in England in ein Vergabeverfahren eintritt und wir das erst 2011 machen, sollte uns bewusst sein, dass uns die Zeit auch davonlaufen kann. Wenn das ein strategisch entscheidendes wichtiges Thema für Wachstum, für Beschäftigung, für neue Dienste, für neue Angebote ist, dann sollten wir über diesen Zeitplan etwas nachdenken. Ich bin auch ein Freund des Föderalismus. Ich war lange Zeit in einem Land tätig, kenne auch die Verfassungsrechtssprechung aus Georg August Zinn’s Zeiten zur Bedeutung des Rundfunks und hatte intensiv mit jemand zu tun, der dort Kommentare über alle Verfassungsrundfunkurteile geschrieben hat. Auch die verfassungsrechtliche Bedeutung des Rundfunks braucht mir daher niemand zu erklären. Aber dennoch sollten wir auf einen Kompromiss hinarbeiten. Ich weiß nicht, ob im Moment wirklich die Zeit ist, einen Grundsatzkonflikt zwischen Rundfunk und Telekommunikation auszutragen, wie das lange Jahre der Fall war, denn das führt uns nicht weiter. Um es noch einmal deutlich zu machen: Niemand will dem Rundfunk und dem Fernsehen in Deutschland etwas wegnehmen. Es klingt manchmal so an, als wenn ein
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Besitzstand umverteilt wird. Wir haben technologisch gesehen die Möglichkeit, von analog auf digital umzustellen und dabei den gleichen Inhalt mit weniger Frequenzverbrauch zu übertragen. Und es geht beim Rundfunk immer um Inhalt, Kultur, Sicherung der kulturellen Vielfalt und nie um einen Übertragungsweg. Die Verfassung schützt keinen bestimmten Übertragungsweg, sondern die kulturelle Vielfalt in diesem Land. Artikel 5 will, dass Pluralität herrscht. Das unterschreibe ich sofort. Aber wie die Pluralität technisch zum Endkunden kommt, darüber kann man sicherlich vernünftiger reden, in den Zeiten der Konvergenz, in denen wir leben. Ich habe gerade vorhin gesehen, dass der Sender Ochsenkopf vom Bayerischen Rundfunk in Franken der letzte analoge Sender war und dieser Tage abgeschaltet worden ist, d.h. wir haben keine analoge Rundfunkausstrahlung mehr in Deutschland. Hier in Berlin fing es an mit der Umstellung auf digital. Ich war immer froh, wenn ich in den USA Vorträge gehalten habe, dass Berlin die erste Stadt fast in der ganzen Welt war, die vollständig digitalisiert war. Wir haben dort analog unter günstigen Rahmenbedingungen abgeschaltet. Heute haben wir es in ganz Deutschland geschafft. Jetzt ist die Zeit, uns zu fragen, was wir mit der Digitalen Dividende machen. Der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt und von Dr. Pfaffenbach und der Bundesregierung auch verantwortet wird, sagt, dass der größte Teil der Digitalen Dividende im Grunde genommen beim Rundfunk und Fernsehen bleibt. Es sollen in diesem Verfahren nur 72 MHz, das sind 18%, dieses Spektrums, für die Versorgung mit breitbandigem Internetzugang auf dem flachen Land zur Verfügung gestellt werden. Der Löwenanteil der Digitalen Dividende und damit technologisch die Möglichkeit, mehr Inhalte auch im terrestrischen Bereich für den Rundfunk zu nutzen, verbleibt beim Rundfunk. Diese Prioritätensetzung soll gar nicht umgedreht werden. Das muss man deutlich unterstreichen. Wenn wir uns ansehen, wie diese 18% bisher genutzt werden, muss man dazu sagen, dass hier nicht überall der Rundfunk vertreten ist, sondern wir haben Bereiche – und das war im Zusammenhang mit der Verordnung diskutiert worden –, in denen militärische Nutzung in diesem Spektrum ist. Zum Stichwort: etwas wird weggenommen, müssten wir uns in Deutschland bei diesen 72 MHz eher mit der Bundeswehr unterhalten und nicht mit dem Rundfunk. Es gab mit Herrn Staatssekretär Stadelmaier aus Rheinland-Pfalz kürzlich bei uns im Beirat eine sehr spannende Diskussion über eine Fußnote in diesem Plan. Ich bin der Sache noch einmal genau nachgegangen. Die alte Verabredung lautete folgendermaßen: Für die Zeit der Umschaltung sollen diese 72 MHz deshalb in Anspruch genommen werden, weil wir eine Simulcastphase hatten, bei dem analog – und das war die alte Verabredung – und digital nebeneinander ausgestrahlt werden und wir für diesen Umstellungszeitraum mehr Spektrum brauchen. Aber jetzt ist mit dem Ochsenkopf der letzte Sender abgeschaltet. Warum brauchen wir dann dieses
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ohnehin nur für den Zeitraum der Simulcastübertragung zur Verfügung gestellte Spektrum jetzt auch noch? Wenn Kompromissbereitschaft heute im Bundesrat vorhanden sein sollte, sollte man sich hier den berühmten Ruck geben, den der frühere Bundespräsident Herzog einmal gefordert hat, und wenigstens hier einen Schritt vorankommen. Das Zweite, was ich noch einmal deutlich machen will, ist die Frage, was die Bedeutung der Terrestrik für Rundfunk und Fernsehen ist. Wir sind in der glücklichen Lage in Deutschland, dass nur 5% der Deutschen primär von der Terrestrik abhängen. Herr Holznagel hat das erwähnt und meinte, dass das auch rechtliche Qualität gewinnt, wobei ich weit davon entfernt bin, so etwas irgendwo rechtlich auszupauken. Bitte nicht von Klagen reden, denn dann geht es nicht schneller sondern langsamer. Wir sollten den Weg, so spannend er juristisch wäre, nicht bis zum Ende treiben. In Frankreich zum Beispiel sieht das Thema ganz anders aus. Da hängen über 50% der Menschen an einer terrestrischen Versorgung. Bei uns haben Kabel und Satellit die größte Abdeckung in der primären Versorgung und deshalb ist diese Chance der Umstellung auf digital in Deutschland auch so groß. Wir haben zum Glück die Möglichkeit, dass Rundfunk- und Fernsehinhalte auch über andere Verbreitungswege flächendeckend zur Verfügung stehen. Übrigens kommt ein noch weiterer Verbreitungsweg hinzu, der auch technologisch spannend ist: das IP-TV. Sie wissen, dass einige Telekommunikationsanbieter jetzt auch über Internet Rundfunk und Fernsehen verbreiten. Sie können Hunderte von Rundfunkprogrammen über das Internet bekommen. Deshalb müssen wir perspektivisch nicht nur den Kompromiss über die Digitale Dividende suchen, sondern wir sollten offen die Bedeutung der Terrestrik weiter diskutieren, denn das Verfassungsgericht und auch der Artikel 5 verlangen nur, dass der Bürger Auswahlfreiheit hat, dass die kulturellen Inhalte zu ihm kommen. Aber in den Zeiten der Konvergenz und der Technologieneutralität steht im Artikel 5 nicht, dass die Medien- und Rundfunkvielfalt immer über terrestrische Frequenzen gewährleistet werden soll. Das ist eine Diskussion, die entspannter gesehen werden muss und die auch der Nachfrager völlig entspannt sieht. Für den kommt es auf Qualität und Vielfalt an, aber nicht auf den Verbreitungsweg. Da bin ich bei der DVB-T Versorgung. Natürlich haben wir DVB-T inzwischen ausgebaut. Das ist auch mit dem Engagement der öffentlich-rechtlichen Programme getan worden und ist eine gute Sache für Deutschland. Aber wir müssen einfach sehen, dass die privaten Programmveranstalter in vielen Regionen nicht mitgezogen sind und dass wir etliche Regionen in Deutschland haben, in denen nur die öffentlich-rechtlichen vorhanden sind. Es gibt die Diskussion über die weißen Flecken. Interressanterweise findet der Modellversuch in Berlin/Brandenburg in Wittstock / Dosse statt, und Wittstock / Dosse ist einer dieser weißen Flecken. Dort sendet keiner Rundfunkinhalte und nutzt das Rundfunkspektrum. Da muss ich mich fragen, wenn niemand sendet, kann auch niemand gestört werden, und es
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kann auch keine technischen Probleme geben. Da ist der Gedanke, den auch die Landesmedienanstalten geteilt haben. Es ist eine weltweit verbreitete Idee, zu sagen, wenn es keiner nutzt, gebt es jemand, der etwas damit anfangen kann und blockiert nicht ungenutztes Spektrum. Diesen Gedanken können wir problemlos mit Artikel 5 in Einklang bringen. Bei den White Spaces handelt es sich um eine Diskussion, die ich nicht mit den 18 % verknüpfen würde, die im Frequenzbereichsplanungszuweisungsverordnung enthalten sind. Es ist aber durchaus eine Diskussion, die man auch führen kann und die auch in anderen Ländern geführt wird. Warum soll man nicht andere Nutzungen sekundär zulassen, bevor es gar keinem nutzt? Außerdem gibt es Innovationsdiskussionen über so genannte Cognitive Radios, Empfänger, die erkennen, wann eine solche Nutzung vorliegt oder nicht. Manche sagen, dass das Zukunftsmusik ist, dass es das noch nicht gibt. Wir Deutsche waren aber auch immer ein Volk der Ingenieure und Erfinder. Warum sollten wir ausschließen, dass so etwas irgendwann geht? Dass man auch durch ein intelligentes Gerät erkennt, ob eine Störung Dritter vorliegen kann. Warum sollten wir das blockieren? Warum sollen wir Innovation blockieren? Das wäre ein mittelfristiger Weg, um bei einer modernen Form der Frequenznutzung weiterzukommen. Da würden die freien Frequenzen durch das Gerät selbst gesucht. Wir als Netzagentur denken auch darüber nach, bei der White Spaces Debatte nur eine ortsgebundene Nutzung, siehe Wittstock / Dosse, dort zuzulassen, wo wirklich gesicherterweise in der weiteren Umgebung keine andere Ausstrahlung ist, um dann eine sekundäre Nutzung zuzulassen. Was dagegen spricht, hat mir bisher noch keiner richtig erklären können. Wir dürfen auch keine Diskussion der Bedenkenträger veranstalten. Ich habe zum Beispiel diese technischen Fragen, die Herr Tillmann vom Bayerischen Rundfunk und andere an mich herantragen. Die arbeiten wir jetzt in Projektgruppen auf europäischer Ebene ab. In der ITU sind Kollegen der Rundfunkanstalten beteiligt. Wir versuchen jedes kleinste Problem, das es da geben könnte, in Standardisierungsgremien zu untersuchen, und wir gehen mit einer Engelsgeduld darauf ein. Aber man sollte den Bogen nicht überspannen. Wir sollten uns bewusst sein, dass die Probleme für ein Kompromissszenario, wie es jetzt dargestellt worden ist, lösbar sind. Bei der Frage, welche Ressource die Rundfunkbedarfe am besten erfüllt, möchte ich nur einen Aspekt anschneiden. Im öffentlichen-rechtlichen Bereich haben wir DVB-T-Ausstrahlung vorangebracht. Dort ist sinnvoll investiert worden, was auch technologiepolitisch richtig gewesen ist. Bei HDTV stelle ich fest, dass viele der Meinung sind, eine terrestrische Versorgung mit HDTV (für die 5% der Bevölkerung, die von der Terrestrik primär abhängig sind) sei sowohl von den Kosten einer solchen Versorgung als auch von den Effizienzerwägungen her nicht richtig. Wenn die Konferenz heute wenigstens das festhalten könnte, wären wir schon einen Schritt weiter. Ich habe schon 20 Veranstaltungen zur Digitalen Dividende hinter mir und habe festgestellt, dass bei manchen Veranstaltungen eingeräumt wurde, dass DVB-T erfolgreich war, dass mit HDTV aber terrestrisch nicht das Ziel sein kann.
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Wir in Deutschland brauchen m.E. keine Option für eine terrestrische Ausstrahlung von HDTV. Da bitte ich auszurechnen, was das wirklich kostet, ob wir das wirklich noch ein zweites Mal über Rundfunkgebühren stemmen wollen, ob Aufwand und Ertrag stimmen und vor allen Dingen, aus dem Aspekt der Bundesnetzagentur, ob das Prinzip der Spektrumseffizienz dann erfüllt wird. Denn es ist allen Beteiligten klar, dass HDTV in der Tat große Teile des Spektrums blockieren würde. Macht man das taktisch, oder macht man es, weil man es will? Das ist für mich die spannende Frage. Ist das eine taktische Position, mit der man sagt, diese Option sichert uns sozusagen die gesamte Digitale Dividende oder ist es eine Sache, die man wirklich realistisch angeht? Und da finde ich das gut, was Herr Holznagel sagte. Da müsste man diskutieren, ob es dafür eine realistische Perspektive gibt, die das nicht nur kurzfristig sondern auch mittelfristig finanziert und stemmt. Ich persönlich glaube, dass HDTV terrestrisch für Deutschland kein sinnvolles Ziel ist. Ich habe mit vielen Leuten im Rundfunkbereich gesprochen, die das auch so sehen. Das wäre eine spannende Diskussion, durch die wir ein Stück weiterkommen würden. Über DVB-H wurde vielfach gesagt, dass es jetzt tot sei, weil das Konsortium von Burda, Holzbrinck und anderen, die die Plattformbetreiber für DVB-H werden sollten, diese nicht genutzt haben. Ich will nicht auf die Hintergründe dieses Themas eingehen sondern nur darauf hinweisen, dass DVB-H was die Spektrumseffizienz anbelangt, mittelfristig erheblich besser ist, weil wir für die Übertragung auf kleinere Endgeräte, Handys, Mobilgeräte, natürlich eine Lösung hätten, die weniger Spektrum verbraucht. Im Gegensatz zu HDTV ist der DVB-H Standard auch gegenüber DVB-T natürlich einer, der spektrumseffizienter ist und gerade für kleinere Bildschirme seine Vorteile hat. Auch wenn wir in Deutschland leider das Handicap haben, dass diese DVB-H Nutzung noch nicht in Gang gekommen ist, sollten wir sie nicht für alle Zeit abschreiben. Es gibt auch in Europa Länder, die DVB-H durchaus erfolgreich eingeführt haben. Was ist die Folgerung für die Regulierung? Wir sollten technologieneutral sein. Wir sollten es, wo immer es geht, vermeiden, dem Markt bestimmte technologische Lösungen vorzuschreiben. Wir sollten auch flexibel sein im Rahmen unserer Widmungszwecke. Wir brauchen aber auch Planungssicherheit. Der regulatorische Rahmen soll nicht ausgrenzen, sondern er soll Anreize für Investitionen schaffen, und die Regulierung soll und darf geschäftliche Planung nicht vorwegnehmen bzw. eingrenzen. Noch ein Wort zu dem, was Herr Neumann sagte. In England macht man das noch freier. Da werden die 18%, die bei uns für Breitbandversorgung auf dem Land zur Verfügung gestellt werden sollen, nicht entsprechend beschränkt. Sie haben das sogar etwas kritisch formuliert und gefragt: Warum beschränken wir das? Ich persönlich halte das allerdings für vertretbar, weil es gerade den anzustrebenden Kompromiss, der jetzt möglichst schnell gefunden werden sollte, erleichtert. Wenn wir in Deutschland sagen würden, wir vergeben auch diesen Anteil, dieses eine Fünftel, der
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Digitalen Dividende offen und völlig neutral, würden wir den Kompromiss eher erschweren. Ich stelle fest, dass gerade dieses Thema für die Länder sehr bedeutsam ist. Es gibt Flecken, wo es weder DVB-T noch mobiles Breitband gibt. Dort leidet die ländliche Bevölkerung gleich doppelt. Insoweit ist in vielen Ländern, wo es kein DSL auf dem flachen Land gibt, das in der Tat ein Punkt, bei dem die Länder auch eigene Interessen haben: Versorgung der Bevölkerung auf dem flachen Land mit Breitband. Das ist eine Brücke, über die man gehen könnte, wenn sie zustande kommt. Es gibt immer Zweifel, ob die Mobilfunker das dann auch machen werden. Wer garantiert eigentlich, dass die Mobilfunker am Ende des Tages ihr Kuchenstück der Digitalen Dividende wirklich nutzen werden, um die Bevölkerung auf dem flachen Land zu versorgen? Garantien gibt es natürlich im Leben nie. Auch diese Forderung, dass jemand die technologische Entwicklung für die nächsten zehn Jahre vorhersagen soll, könnte nur ein Genie erfüllen. Da würde man auch die Bundesnetzagentur erheblich überfordern. Es gibt Entwicklungen, die wir alle hier im Raum noch nicht sehen. Insoweit ist die Technologie immer offen. Aber was wir machen könnten, um diese Zweifel auszuräumen und dazu stehen wir auch als Bundesnetzagentur bereit, ist, dass das Vergabeverfahren – und das habe ich auch mit den Mobilfunkern vorgeklärt –so laufen würde, dass diese Frequenzen zuerst im ländlichen Raum vergeben werden und nicht in den Städten. Dass wir sozusagen das Verhältnis umdrehen, indem wir zwei Gebiete, zwei Regionen schneidern und das in einem Stufenverfahren machen, damit dieser Verdacht, dass mobile Dienste sowieso immer erst in den Städten angeboten werden und das flache Land wieder den Kürzeren ziehen wird, vom Tisch kommt. Es gibt eine Möglichkeit, das zu erreichen und ich glaube auch, dass wir ein geeignetes Vergabeverfahren finden werden, um hier die nötige Sicherheit zu schaffen. Herr Neumann, theoretisch wäre es auch möglich, das noch neutraler zu machen, aber ich weiß, dass wir die Länder mit ihren Interessen mit ins Boot holen müssen. Das könnte die Brücke sein, über die viele gehen können und dass auch die Netzagentur bereit ist, dafür ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, damit diese Zweifel, ob der Mobilfunk auch seine Versprechen nutzen und einhalten wird, soweit es menschenmöglich ist, reduziert werden. Ich habe Gespräche mit den Mobilfunkern geführt, die auch schon öffentlich ihre Bereitschaft geäußert haben, in diesem Fall die Reihenfolge des Netzausbaus wirklich umzudrehen. Noch ein letztes Argument in dem Zusammenhang, das auch in technischer Hinsicht gesagt worden ist. Viele fragen sich, ob die Frequenzen im flachen Land reichen werden und ob der Vorteil, dass man mit wenigen Masten große Teile der Bevölkerung versorgen kann, wirklich stimmig ist, wenn der Verkehr wächst? Da muss man ganz klar sagen, dass das in den weniger dicht besiedelten Räumen kein Problem ist, weil dort auch weniger Menschen wohnen. Je mehr wir in den Verdichtungsraum kommen, umso mehr werden die jetzigen Spektrumsbereiche im 2,6er oder im höheren Frequenzbereich ebenfalls genutzt werden, weil wir die ohnehin vergeben werden und weil die auch bereits vergeben sind. Während in den ländlichen
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Regionen das Problem des massenhaften Verkehrswachstums sich gerade deshalb nicht so stellt, weil sie recht dünn besiedelt sind. Das Spektrum der Digitalen Dividende wird in Deutschland nicht dazu verwendet werden, die gesamte Mobilfunkversorgung abzudecken. Wir haben UMTS – Spektrum vergeben. Wir werden jetzt weiter das 2,6 GHz Spektrum vergeben. Für die Ballungsräume wird diese Lösung auch mit kleinteiligeren Zellen und mehr Masten natürlich dauerhaft die bessere Lösung sein; für den ländlichen Raum aber gerade nicht. Deshalb steht auch dieses Argument meines Erachtens auf tönernen Füßen und sollte hier vielleicht auf dieser Konferenz geklärt werden. Es gibt Argumente, die ernst zu nehmen sind, es gibt taktische Argumente und es gibt Argumente, die wir einer sachgerechten Kompromisslösung zuführen sollten. Die Veranstaltung heute ist dafür eine gute Chance, weil viel Experten und politische Entscheidungsträger hier sitzen. Ich würde mir wünschen, dass wir diesen Startschuss bald hinbekämen. Dann müsste eine solche Vergabe auch nicht erst 2011 erfolgen, sondern ich garantiere Ihnen, dass wir das auch früher hinbekommen würden.
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WIRTSCHAFTLICHES UND KULTURELLES POTENTIAL TERRESTRISCHER FREQUENZEN AUS SICHT DER POLITIK 5 Europa Ruth Hieronymi Europäisches Parlament Meine Aufgabe ist es, Ihnen die Vorschläge zu erläutern, die die EU-Kommission auf Beschluss der EU-Mitgliedstaaten zur zukünftigen Frequenzpolitik in der Europäischen Union erarbeitet hat und gleichzeitig den Stand der entsprechenden gesetzgeberischen Beratungen der Mitgliedsstaaten untereinander und des Europäischen Parlamentes zu diesen Richtlinienvorschlägen vorzutragen. Dieses Gesetzgebungspaket ist an sich schon ein sehr komplexer Sachverhalt, der schwierige technologische und juristische Fragen umfasst, die bisher vor allem durch nationale Zuständigkeiten geprägt sind. Jedes weitere europäische Zusammenwirken, das über diesen Status quo hinausgeht, erfordert deshalb von den Mitgliedsstaaten ein signifikantes Maß an Verzicht auf eigene Entscheidungskompetenz. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Konstellation ein politisch äußerst schwieriger Sachverhalt ist. Heute Vormittag haben wir drei hochinteressante Vorträge hören dürfen, in denen sehr deutlich wurde, dass zusätzlich zu der sehr komplexen europäischen Situation die nationale Debatte in Deutschland im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, Rundfunkveranstaltern und Telekomunternehmen zusätzlich sehr schwierig und von sehr unterschiedlichen Positionen geprägt ist. Vorab möchte ich feststellen, dass eine Klärung der unterschiedlichen Positionen in der deutschen Diskussion eine entscheidende Voraussetzung auch für eine Lösung der Fragen auf der europäischen Ebene ist. Ungeklärte und kontroverse Positionen aus dem größten EU-Mitgliedsland erschweren eine Einigung auf der europäischen Ebene, vor allem aber schwächen sie Deutschlands Position, auf diese Entscheidungen Einfluss zu nehmen.
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Mein dringender Appell ist deshalb, dass die Vertreter der unterschiedlichen deutschen Interessen, die wir heute Vormittag gehört haben, sich an einen Tisch setzen, um zunächst gemeinsame Vorschläge und Kriterien für den technologischen Handlungsspielraum zu erarbeiten. Darüber hinaus gibt es eine Reihe politischer und juristischer Fragen, die vor allem mit der Definition der unterschiedlichen Kommunikationsdienste zu tun haben. Auf der Basis gemeinsam definierter technologischer Fakten sind diese Fragen eindeutig leichter zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund möchte ich in der gegebenen kurzen Zeit das europäische Szenario skizzieren und versuche, soweit möglich, die Verknüpfung zu den Themen, die Sie für die nationale deutsche Diskussion zu Recht angesprochen haben, mit aufzuzeigen.
1. Konsens zum Handlungsbedarf Zunächst steht am Anfang in der europäischen Diskussion – und mir scheint deutlicher und nachdrücklicher als in der deutschen Debatte – der Konsens über die Eilbedürftigkeit des Anliegens. Alle drei EU-Institutionen, der Ministerrat, das Parlament und die Europäische Kommission stimmen grundsätzlich darüber überein, dass die Digitalisierung der Frequenzen eine historische Chance zur Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationsdienste ist, die von zentraler Bedeutung für die Verwirklichung der Strategie von Lissabon und der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarktes sind.
2. Definitionen nicht ausreichend klar Im Rückblick auf die letzten Jahre und auch im Lichte der Vorträge von heute morgen, ist aus meiner Sicht ein entscheidendes Problem, dass die Definitionen zu vielen der anstehenden Fragen auf der politischen Ebene nicht ausreichend klar sind. Das heißt konkret, die Europäische Kommission hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Initiativen zur Digitalen Dividende vorgelegt, aber bei diesen Dokumenten waren weder die technischen Grundlagen noch die entsprechenden Definitionen ausreichend geklärt. Dies gilt sowohl für die Mitteilungen „Zügiger Zugang zu Frequenzen“ und „Mobiles Fernsehen“, als auch für das Telekom-Paket. Aus Sicht des Rundfunks sind vor allem die neuen Informations- und Kommunikationsdienste nicht ausreichend geklärt. Der Begriff des „Mobilen Fernsehens“ zum Beispiel ist bis heute nicht eindeutig definiert. Um das Beispiel weiter zu konkreti-
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sieren: Ist „Mobiles Fernsehen“ das traditionelle (lineare) Fernsehen, das lediglich mobil zugänglich gemacht wird oder ist es ein neuer (nicht-linearer) fernsehähnlicher Dienst auf Abruf, oder sind es Informations- und Kommunikationsdienste, die mit traditionellem oder modernem Fernsehen nichts zu tun haben und deshalb zum elektronischen Handel gehören? Für das Fernsehen sind in Deutschland die Bundesländer, für die Informations- und Kommunikationsdienste aber ist der Bund zuständig. Es liegt auf der Hand, dass die Entscheidung über die entsprechenden Frequenzzuweisungen außerordentlich schwierig ist, wenn die grundlegenden Fragen der rechtlichen Zuordnung und damit der politischen Zuständigkeit nicht geklärt sind. Die Folge ist nicht nur Unsicherheit und Zurückhaltung der politischen Entscheider, sondern auch der Unternehmen, die neue Geschäftsmodelle entwickeln wollen und doch auch sollten. Zur Entwicklung neuer Rundfunkangebote und neuer Informations- und Kommunikationsdienste ist deshalb dringend eine Klärung der technologischen Grundlagen, der Definitionen und der sich daraus ergebenden Frequenzperspektiven erforderlich. An dieser Stelle kann ich auf einen Hinweis zur Situation in Deutschland im Rahmen des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages nicht verzichten. Dort ist Rundfunk definiert worden als „lineare Informations- und Kommunikationsdienste“. Nicht-lineare journalistisch gestaltete Medien werden unabhängig von ihrem Anteil an bewegten Bildern als Telemedien definiert. Es liegt auf der Hand, dass auch für den Rundfunk mit der digitalen Technologie die nicht-lineare Verbreitung in Zukunft zunehmend die Regel sein wird. Die Konflikte sind also vorprogrammiert. Die harten Auseinandersetzungen zwischen den Verlegern und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern in Deutschland in den letzen Monaten haben gezeigt, welches Konfliktpotential in Definitionen liegt, bei denen die zukünftige Entwicklung nicht hinreichend präzise einbezogen ist. Die Gesetzgeber auf der europäischen Ebene – auch die Gesetzgeber aus Deutschland – sind bei der Regelung für das zukünftige (nicht-lineare) Fernsehen einen anderen Weg gegangen. Ministerrat, Parlament und Kommission haben mit starker Unterstützung der damaligen deutschen EU-Ratspräsidentschaft das in Deutschland bisher geltende Prinzip der Meinungsrelevanz für alle europäischen Staaten in die neue Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste übernommen. Unabhängig von der technologischen Plattform, aber abhängig von der Meinungsrelevanz des Inhaltes werden lineare und nicht-lineare Mediendienste, deren Hauptzweck bewegte Bilder zur Bildung, Information und Unterhaltung sind, gleichermaßen durch das Medienrecht erfasst. Die Abgrenzung zwischen Rundfunk und sonstigen Informations- und Kommunikationsdiensten ist auf diese Weise rechtlich signifikant unterschiedlich definiert.
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3. Frequenzbedarf nicht ausreichend definiert Mit der Richtlinie für den elektronischen Handel und mit der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste sind die unterschiedlichen Nutzungsbereiche für die Frequenzen auf der europäischen Ebene klarer als auf der deutschen Ebene abgegrenzt. Da die Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste aber in den Mitgliedsstaaten noch nicht umgesetzt ist, – die Frist läuft bis zum 19. Dezember 2009 –, ist der Umfang des Frequenzbedarfes für Rundfunk auf der einen Seite und Nicht Rundfunkdienste auf der anderen Seite und damit auch die Zuständigkeit zwischen den nationalen Kompetenzen und den Binnenmarktkompetenzen auf der europäischen Ebene strittig. Die Mitgliedsstaaten wehren sich mit Blick auf ihre nationale Frequenzkompetenz für den Rundfunk dagegen, zunehmend Frequenzen für NichtRundfunkdienste, die für den europäischen Binnenmarkt von Bedeutung sind, auf die europäische Entscheidungsebene zu übertragen. Ich hoffe, dass an dieser Stelle deutlich wird, wie sehr die Frage der Definitionen der elektronischen Dienste mit den Kompetenzen der Mitgliedsstaaten bzw. der Europäischen Ebene verbunden ist. Unklare Definitionen der Dienste schaffen Unklarheit bei den Zuständigkeitsbereichen. Unklare Zuständigkeitsbereiche blockieren und erschweren die Entscheidungen in den relativ einfacheren Fragen der technischen Frequenzverteilung. Das Europäische Parlament hat schon frühzeitig, im Frühjahr 2007, in seiner Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission „Zum zügigen Zugang zu den Frequenzen“ und „Zur digitalen Dividende“ die Kommission aufgefordert, bei der Überarbeitung des Systems der Frequenzverwaltung die unterschiedlichen Verfahren klarer zu definieren. Die Koexistenz verschiedener Lizensierungsmodelle, zum Beispiel traditionelle Verwaltung, Nutzung ohne zahlenmäßige Beschränkung und neue marktbewährte Ansätze, sollten eindeutiger definiert werden. Es war dies der Versuch, die unterschiedlichen Regelungsmodelle für Rundfunk und Nichtrundfunkdienste zu klären, bevor die Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union bei der Revision des Telekompaketes neu und zukunftsfähig gewichtet werden mussten. Die Kommission ist dieser Aufforderung des Parlamentes im Wesentlichen leider nicht gefolgt und hat ihren Vorschlag für die Überarbeitung des Telekompaketes ohne die Abgrenzung der unterschiedlichen Lizensierungsmodelle vorgelegt. Neben diesen Schwierigkeiten besteht für Parlament und Ministerrat zusätzlich das Problem eines außerordentlichen Zeitdruckes. Die Kommission hat ihre Vorschläge zur Revision des Telekompaketes am 13. November 2007 vorgelegt. Um vor der Europawahl im Juni 2009 überhaupt eine Chance zu haben, die Beratungen abschließen zu können, hatte das Europäische Parlament lediglich neun Monate Zeit, um dieses höchst komplexe Richtlinienpaket zu behandeln. An dieser Stelle möchte ich klar sagen, dass das Parlament diesen Zeitdruck und damit auch die Beschränkung parlamentarischer Rechte nur akzeptiert hat, weil wir die außerordentliche Bedeutung der digitalen Dividende für die wirtschaftliche Entwicklung
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Europas sehen und nicht wollen, dass durch Ablauf der Legislaturperiode entscheidende Jahre für die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationsdienste in Europa verloren gehen.
4. Beschluss des Europäischen Parlamentes vom 24. September 2008 Am 24. September 2008 hat das Europäische Parlament seine Entscheidung zum sog. Telekompaket in Erster Lesung getroffen. Der Beschluss des Europäischen Parlamentes ist geprägt vom Bemühen, eine größere Ausgewogenheit in den beiden zentralen Konfliktfeldern des Paketes zu erreichen. Dies ist zum einen eine bessere Balance bei der Frequenzentscheidung zwischen den Kompetenzen der Mitgliedsstaaten und der europäischen Ebene. Die Beschlüsse des Parlamentes haben den ursprünglichen Vorschlag der Kommission für eine stärkere Harmonisierung auf der europäischen Ebene und für eine deutliche Ausweitung der Zuständigkeiten der Europäischen Kommission zurückgewiesen und Vorschläge vorgelegt, die statt dessen auf einer stärkeren Koordinierung der Frequenzentscheidungen in den Mitgliedsstaaten beruhen. Eine europäische Agentur für die Frequenzpolitik mit Entscheidungskompetenz der Europäischen Kommission haben Parlament und Rat klar und eindeutig abgelehnt. Das zweite Prinzip ist der bessere Interessenausgleich zwischen dem Rundfunk auf der einen, und der Telekommunikation auf der anderen Seite. Auch hier hat das Parlament die Gewichte gegenüber dem Vorschlag der Kommission deutlich verändert. Nach dem Vorschlag des Parlamentes sollen die Mitgliedsstaaten ihre Zuständigkeit zur Förderung rundfunk-, medien- und kulturpolitischer Ziele behalten und die Interessen von Rundfunk und Telekommunikation angemessen berücksichtigen müssen.
5. Bessere Balance zwischen Rundfunk- und Telekommunikation Mit den Vorschlägen zum Telekompaket hat die EU-Kommission erstmalig das Prinzip der Technologie- und Diensteneutralität in EU-Recht eingeführt. An dieser Stelle möchte ich nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass hier ein Prinzip in die europäische Gesetzgebung eingefügt wurde, das mit seinen Konsequenzen für die entsprechenden technischen und juristischen Fragen weder in den vorhergehenden Dokumenten noch in dem Richtlinienentwurf selbst von der Kommission angemessen erläutert wurde. Unstrittig ist das Prinzip der Technologieneutralität unabhängig vom Inhalt des Dienstes. Unter dem Gesichtspunkt der Rundfunkpolitik ist das Prinzip der Diensteneutralität bei der Frequenzzuweisung meines Erachtens
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aber durchaus ein gravierendes Problem, weil dieses Prinzip den Inhalt des Dienstes und seine mögliche Meinungsrelevanz vom Grundsatz her nicht berücksichtigt und entsprechend gewichtet. Um auf dieser nicht unproblematischen Grundlage einen Interessenausgleich zwischen Rundfunk und Telekommunikation, zwischen Binnenmarktsmarktspolitik und Medienpolitik und in Deutschland zwischen Bund und Ländern zu erreichen, hat das Europäische Parlament das Prinzip der Diensteneutralität differenzierter definiert. Es wurde beschlossen, dass sowohl die effiziente Nutzung der Frequenzen, als auch der Rundfunk wegen seiner Bedeutung für Meinungspluralismus, Informationsvielfalt, Demokratie und Gesellschaft gleichermaßen ein hohes öffentliches Gut ist und entsprechend zu behandeln ist. Das Europäische Parlament fordert deshalb, dass bei der Frequenzentscheidung diese beiden Güter miteinander abgewogen werden müssen. Es liegt auf der Hand, dass eine besser ausbalancierte Rechtsgrundlage für die Diensteneutralität die politische Entscheidung erleichtern kann, wenn der Rundfunk gleichberechtigt als öffentliches Gut zu berücksichtigen ist und nicht, wie von der Kommission vorgeschlagen, ein reiner Ausnahmetatbestand ist, der regelmäßig von der Kommission auf seine Berechtigung überprüft werden muss.
6. Überarbeiteter Vorschlag der EU-Kommission Nach dem Votum des Parlamentes hat die Europäische Kommission am 6. November 2008 ihren überarbeiteten Textvorschlag vorgelegt. Dieser Text sollte eigentlich als Grundlage für einen Kompromiss zwischen Ministerrat und Europäischem Parlament dienen. Ich muss Ihnen heute offen sagen, wenn man den Beschluss des Parlamentes und die überarbeitete Fassung der Kommission miteinander vergleicht, so drängt sich der Eindruck auf, dass die Kommission vor allem bei den zentralen Fragen der Frequenzverwaltung, zwar durch die Hintertür- aber ich hoffe trotzdem ausreichend erkennbar – versucht, zu ihren ursprünglichen Vorschlägen wieder zurückzukommen, um ein möglichst weitgehend harmonisiertes europäisches Frequenzmanagement zu erreichen. Dies ist eindeutig keine hilfreiche Grundlage für einen schnellen Kompromiss zwischen Ministerrat und Europäischem Parlament. Als Beispiel für diese Schwierigkeiten nenne ich den Artikel 8a und 9 der Rahmenrichtlinie, in denen die Koordination der Frequenzpolitik im überarbeiteten Vorschlag als eine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Verwirklichung des Binnenmarktes gefordert wird. Diese Tendenz ist eine außerordentlich gefährliche Entwicklung, denn auf einer solchen Basis würde für die zukünftigen Entscheidungen im Telekommunikations-
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bereich vorrangig das Binnenmarktsrecht und erst danach die Fragen der Frequenzpolitik zum Tragen kommen. Damit würde das EU-Recht eindeutig den Vorrang vor dem nationalen Recht erhalten. Als zweites Beispiel nenne ich die Definition paneuropäischer Dienste. Im Kommissionsvorschlag heißt es jetzt: „…Drahtlose elektronische Kommunikationsnetze und -dienste mit Bedeutung für den Binnenmarkt, an dem mindestens drei Mitgliedsstaaten beteiligt sind“. Hierzu muss ich Ihnen sagen, das Parlament definiert die Bedeutung paneuropäischer Dienste für den Binnenmarkt weitgehender als nur unter Beteiligung von drei Mitgliedstaaten. Man hat das Gefühl, dass hier von der Kommission nur ein Instrument gesucht wird, in diesem Fall sog. paneuropäische Dienste, mit dem eine Harmonisierung auf europäischer Ebene verstärkt werden könnte. Diesem Ansatz stimmt das Parlament nicht zu. Insgesamt erleichtert es der Kommissionsvorschlag leider nicht, zu einem rechtzeitigen Abschluss der Gesetzgebungsverhandlungen von Rat und Parlament vor Ablauf der Legislaturperiode zu kommen.
7. Erwartungen an die Beratungen des Ministerrates Am 27. November 2008, d.h. morgen, tagen die EU-Telekomminister und beraten über ihren gemeinsamen Standpunkt zum Telekompaket. Zurzeit sieht es nicht so aus, dass ein Kompromiss innerhalb des Rates und zwischen Rat und Parlament auf der Grundlage des überarbeiteten Kommissionsvorschlages zügig erreicht werden könnte. Die Zeit droht uns davon zu laufen. Das Parlament hat alles daran gesetzt, um einen Abschluss der Verhandlungen vor der Europawahl zu erreichen. Vor dem geschilderten Beratungsstand fällt es mir sehr schwer, mir vorzustellen, dass bis zur letzten Plenarsitzung Ende April 2009, tatsächlich die Ergebnisse in diesen so wichtigen und zentralen Fragen erreicht werden können. Deshalb schließe ich mit der großen Hoffnung, dass die Konferenz des Münchner Kreises heute in Berlin einen entscheidenden Beitrag auch zur Lösung der Probleme in Brüssel leisten kann, indem sie die Lösung der Probleme in Deutschland voranbringen möge. Ich bin sicher, dass eine konsensfähige Position von Bund und Ländern die deutsche Verhandlungsposition und die Einigungschancen im Ministerrat in Brüssel stärkt. Ich hoffe zudem, dass mein Beitrag verdeutlichen konnte, wie ein Kompromiss zwischen Bund und Ländern in Deutschland zwischen Telekommunikationspolitik und Rundfunk auch ein wichtiger Schritt zum Interessenausgleich zwischen Rundfunk- und Telekommunikationspolitik auf der europäischen Ebene sein könnte.
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6 Bund Staatssekretär Dr. Bernd Pfaffenbach BMWiT, Berlin Sie haben die Frage gestellt: Wie ist das wirtschaftliche und kulturelle Potenzial der „Digitalen Dividende“, also künftig „frei“ werdender terrestrischer Frequenzen, zu bewerten? Die Antworten aus Sicht des Bundes will ich an drei Punkten verdeutlichen: • Die „Digitale Dividende – eine kulturell und wirtschaftlich außerordentlich wichtige Ressource. • Der optimale Zeitpunkt zur Nutzung der „Digitalen Dividende“ ist jetzt. • Die „Digitale Dividende“ – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
1 Die „Digitale Dividende – eine kulturell und wirtschaftlich außerordentlich wichtige Ressource Die Weltfunkkonferenz 2007 hat mit ihren Beschlüssen zu einer künftigen alternativen Verwendung bisheriger Rundfunkfrequenzen eine heftige politische Diskussion ausgelöst. Und das zu Recht. Sind doch die Frequenzen im so genannten Ultra High Frequency Band von ihren Ausbreitungseigenschaften her sowohl für mobile als auch für feste Funkanwendungen ideal geeignet. Besonders wirtschaftlich lässt sich damit eine Flächenversorgung darstellen. Dies ist auch der Grund, warum diese Ressource traditionell in erster Linie vom Rundfunk genutzt wird. Ziel war, die Bevölkerung möglichst kostengünstig mit einem vielfältigen und qualitativ hochwertigen Angebot von Hörfunk- und Fernsehdiensten zu versorgen. Das wird auch künftig gewährleistet sein. Jeder Bürger soll in der Lage sein, sich aus einer breiten Palette das ihm angemessene Medienangebot auszusuchen. Wenn möglich soll er auch den für ihn am Besten geeigneten Übertragungsweg dafür auswählen können. Damit ist eines klar: Die vorhandenen Übertragungswege Satellit, Breitbandkabel, Antennenfernsehen ergänzen einander und haben ihre eigene Bedeutung. Sie benötigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, auch geeignete Entwicklungsmöglichkeiten. Aber auch ein Zweites ist klar: Das Kulturangebot wird heute längst nicht mehr nur über die traditionellen Übertragungswege verbreitet. Zunehmend erobern neue Zugangsmöglichkeiten für den Kunden, wie z. B. das Internet, den Markt. Auch dafür muss Raum geschaffen werden. Und dies ist eine Frage nach einer adäquaten Breitbandversorgung. Ohne einen breitbandigen Internetzugang nahezu
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aller Haushalte in der Bundesrepublik lässt sich das kulturelle Potenzial nicht voll erschließen. Ein guter Internetanschluss gehört heute dazu. Sie werden keine Fernsehsendung ohne einen Verweis auf das Internet finden. Sie stehen nicht mehr Schlange vor Konzert- oder Theaterkassen, Sie kaufen die Tickets über Ihren Internetzugang. Und wenn Sie einmal besondere Musik- oder Hörwünsche haben, reicht Ihnen das Radioangebot vielleicht nicht aus und Sie greifen auf die Auswahl im Internet zu. Eine digitale Kluft soll es nicht geben. Die Bundesregierung will eine flächendeckende Versorgung mit Anschlüssen sicherstellen. Das ist wirtschaftlich möglich, wenn wir die Rahmenbedingungen richtig wählen. Und da kommt die Digitale Dividende ins Spiel. Durch die Digitalisierung werden Frequenzen „frei“. Dies bietet die Chance, einen Teil des kostbaren Spektrums vorrangig für die Versorgung der Haushalte in der Fläche mit breitbandigen Medienangeboten zu verwenden.
2 Der optimale Zeitpunkt zur Nutzung der „Digitalen Dividende“ ist jetzt Aus Kostengründen muss das Breitbandangebot in der Fläche durch Funklösungen sinnvoll ergänzt werden. Wir wollen und dürfen das nicht auf die nächste Legislaturperiode schieben. So können wir die Entwicklung der Technologien befördern, indem wir klar sagen, was wir wann erreichen wollen. Damit verschaffen wir beiden Seiten – Rundfunk wie Mobilfunk – rasch Klarheit über die Rahmenbedingungen, damit die Industrie rechtzeitig entsprechende Geräte entwickeln kann. Die Ansprüche an Bandbreite werden wahrscheinlich viel schneller steigen, als wir uns dies denken. Das sollte uns aber nicht hindern, schon jetzt die „weißen Flecken“ zu schließen. Schließen wir sie so schnell wie möglich. Die internationalen Vorbereitungen dafür sind getroffen: Bei der Regionalen Rundfunkkonferenz in Genf 2006 haben wir gemeinsam großzügige Bedeckungen für unser Land erreicht, die es nun weiter mit Leben zu füllen gilt. Weder dürfen die Kosten dabei zu hoch werden, noch dürfen Ressourcen zu lange brach liegen. Neben den großen Versorgungsbereichen von ARD und ZDF haben wir viele Möglichkeiten für regionale oder lokale Versorgung. Ein Jahr später wurde auf der Weltfunkkonferenz ein Stück des Frequenzbereiches international identifiziert für Mobilfunk bzw. drahtlosen Netzzugang. Konkret handelt es sich dabei um den Frequenzbereich von 790 – 862 MHz. Frequenzen aus diesem Bereich waren dem Rundfunk für die Umstellungsphase von analoger auf digitale Übertragung als „Rangierbereich“ zur Verfügung gestellt worden. Diese Dividende wollen wir aufgreifen und den Unternehmen zur Versorgung von Breitband in der Fläche zur Verfügung stellen.
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An dieser Stelle lohnt sich ein Exkurs zur Abschätzung des Gesamtumfangs der Digitalen Dividende. Früher waren im Durchschnitt ca. 3 – 4 analoge terrestrische Programme verfügbar. Um diese heute digital abzustrahlen, benötigt man nur noch ca. 15 % der bisherigen Gesamtkapazität – der Bereich 790 bis 862 Megahertz ist in diese Berechnung nicht eingeschlossen. Das heißt, diese verbleibenden 80 % der Digitalen Dividende sollen dem Rundfunk künftig zur Fortentwicklung auch erhalten bleiben. Der Rundfunk hat noch Zeit, vorhandene Nutzungen umzustellen. Gleichzeitig können die Kommunikationsunternehmen bereits die Technologie weiter entwickeln. Weiter sollen die Netzbetreiber wissen, dass sie künftig mit diesen Frequenzen drahtlose Netzzugänge bereitstellen können. Allerdings – dies ist die Bedingung – zuerst im ländlichen Raum, bis die bestehenden „weißen Flecken“ verschwunden sind. Die Unternehmen sind dazu bereit. Ein entsprechendes, den Markterfordernissen angepasstes Vergabeverfahren der Bundsnetzagentur wird die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür sicherstellen. Ziel ist, wie beispielsweise in unserem Nachbarland Frankreich, bis spätestens 2011 die notwendigen Voraussetzungen für die flächendeckende Versorgung mit Breitband geschaffen und etwa um das Jahr 2015 die flächendeckende Versorgung im Wesentlichen abgeschlossen zu haben. Klar ist in jedem Fall, dass das Frequenzzuteilungsverfahren der Bundesnetzagentur so zu gestalten ist, dass wettbewerbsrechtliche Aspekte so weit wie möglich Berücksichtigung finden, aber dass auch mit den relativ geringen Bandbreiten, die zur Verfügung stehen, nicht unverhältnismäßig hohe Erwartungen verbunden werden dürfen. Hierfür wollen wir noch in dieser Legislaturperiode die nötige rechtliche Basis schaffen. Dies ist die Frequenzbereichs-Zuweisungsplan-Verordnung bzw. deren Änderung. Wir werden sie so ausgestalten, dass entsprechend den internationalen Empfehlungen der Bereich 790 – 862 Megahertz künftig vorrangig für breitbandige Funkanschlüsse in der Fläche zur Verfügung steht. Es wird Klarheit für den Rundfunk geben – wir haben aus vergangenen Fehlern gelernt! Das heißt: Wir sagen: Kein Mobilfunk unter 790 Megahertz, damit Rundfunk- und Dahtlostechnik diesen Bereich selber nutzen können. Und es wird auch Klarheit für den Mobilfunk geben: Rund 72 Megahertz im Bereich 790 – 862 und kein „Bit“ mehr. Also lassen Sie uns künftig auch nicht mehr über nicht realisierbare 160 Megahertz reden!
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3 Die „Digitale Dividende“ – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten Zunächst möchte ich die Gelegenheit heute nutzen, dem Rundfunk Anerkennung zu zollen. Der konsequenten Umstellung von analogem Antennenfernsehen auf digitales terrestrisches Fernsehen verdanken wir nun eine vierfache Übertragungskapazität pro Programm-Multiplex. Vom ersten Anstoß im Jahr 2000 auf der Expo in Hannover, dem Start in Berlin 2002, bis zur Abschaltung des letzten deutschen analogen TV-Senders sind es nicht einmal zehn Jahre. Die hervorragende öffentliche Begleitung durch Informationen, Aufmerksamkeit bei den Fernsehzuschauern zu wecken, den Handel und die Geräteindustrie einzubinden, trug ebenfalls einen großen Teil zum Erfolg bei. Auch hier geht die technische Entwicklung weiter: Verbesserte Übertragungsverfahren werden mittelfristig zu einer weiteren Optimierung der Frequenznutzungen und zu mehr Synergien führen. Damit steht ein Gewinner der Digitalisierung des terrestrischen Fernsehrundfunks fest – der Rundfunk. Viele Millionen digitale terrestrische Empfangsgeräte sind verkauft, darunter kleine Verbindungsstücke für portable Geräte, große Flachbildfernseher mit integriertem DVB-T und Mobiltelefone mit „Sticks“. Früher gab es terrestrisch vier bis sechs Programme, jetzt gibt es in der Regel zwanzig; leider in manchen Regionen nur öffentlich-rechtliches Fernsehen. Die terrestrische Übertragung ist teuer. Sendeanlagen müssen finanziert werden, Frequenzen müssen koordiniert werden. Der private werbefinanzierte Rundfunk kann das nicht überall leisten. Aber auf die Vielfalt, die wir in Deutschland durch das private Fernsehen – durch unser duales System – genießen, wollen wir in keinem Fall verzichten. Ich bin sicher, auch da hilft uns die Diskussion um die Digitale Dividende weiter. Wenn alle Haushalte angeschlossen sind – gleich über welchen Übertragungsweg – ist dies doch die beste Voraussetzung für solch ein vielfältiges Angebot. Viele Einwände und Mahnungen sind berechtigt: Sicher ist maßvolles Handeln angebracht. Sicher darf es keine Störungen geben. Zum Beispiel müssen die Breitbandkabelnetze geschützt werden, die diesen Frequenzbereich weiterhin parallel für Fernsehangebote nutzen. Sicher muss die drahtlose Produktionstechnik – Mikrofone, Kameras – in gewohnter Weise weitermachen können. Deshalb identifizieren wir auch hier gemeinsam mit der Branche zukunftsfähige Lösungen, u. a. alternative Frequenzbereiche, etwa das sog. L-Band.
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Gerade die heutige Tagesordnung macht bewusst, dass schon wieder ein Jahr seit der Weltfunkkonferenz vergangen ist. Einige Länder in Europa haben bereits angezeigt, dass sie eine Digitale Dividende über den digitalen TV-Rundfunk hinaus haben. Hierzu gehören unsere Nachbarländer Frankreich und die Schweiz. Wir haben uns auch in Deutschland dieses ehrgeizige Ziel gesetzt, um ein Zeichen zu setzen, um mitzuhelfen, Europa als kultur- und wettbewerbspolitisch fortschrittlichste Weltregion zu formen. Die Digitale Dividende hilft uns, vorhandene Wachstumsspielräume zu erschließen. Sie hilft uns, dafür modernste Technologien wie den künftigen Mobilfunkstandard LTE – Long Term Evolution – frühzeitig einzusetzen und damit einen Beitrag für eine zukunftsfähige, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse optimal ausgewogene Infrastruktur zu leisten. Es wird durchaus einige Anstrengungen erfordern. Doch ich bin überzeugt, dass wir sie gemeinsam lösen werden. Am Ende werden alle gewinnen: Die Verbraucher mit einem breiten, flächendeckenden Angebot von Medien- und Kommunikationsdiensten und natürlich auch der Rundfunk und die Unternehmen, die sie zur Verfügung stellen.
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7 Länder Staatssekretär Martin Stadelmaier Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Mainz Ein wesentliches Motiv meines Bundestagskollegen Martin Dörmann und mir, die Bundesnetzagentur in diesem Jahr zu beauftragen, die Potenziale der digitalen Dividende zu untersuchen und die Ergebnisse vorzustellen, war auch zur Versachlichung der Diskussion beizutragen. Der Präsident und die Vizepräsidentin im Beirat der Bundesnetzagentur sagen immer, dass sei im März kommenden Jahres so weit. Und dann staune ich immer, dass bei öffentlichen Veranstaltungen davon geredet wird, dass die digitale Dividende 85% beträgt. Aber das sind vorauseilende Erkenntnisse. Da wird man noch einmal genau schauen müssen. Wir haben am heutigen Vormittag und durch die Beiträge meiner beiden Vorredner gesehen, dass sich hier zwei Diskussionen auf verschiedenen Ebenen miteinander vermischen. Zum einen die europäische, auf die ich nicht nähern eingehen will, wo ich aber doch ausdrücklich Dank sagen möchte an das Europäische Parlament und die Rolle, die Frau Hiernoymi in diesem Zusammenhang gespielt hat, nämlich den Versuch der Kommission zu vereiteln, hier ein nicht existentes Problem herbeizureden. Daraus wird eine Kompetenz abgeleitet, die eindeutig bei den Mitgliedsstaaten liegt, daraus dann ein Paket zu schnüren und nach dem Muster „wer schreibt, der bleibt“, das Europäische Parlament und den Ministerrat zu einem nicht gewollten Handeln zu zwingen. Ich bestreite nicht, dass es Koordinierungsbedarfe auf diesem Gebiet gibt, aber eben ohne eine besondere Rolle der Europäischen Kommission. Wir werden sehen, was morgen im Ministerrat und in der nächsten Zeit herauskommt. Ironischerweise könnte ich sagen, das Beste, was ich dazu gehört habe war Frau Reding am 20. November, wo sie aus ihrer Sicht gedroht hat, dass sie das ganze TK-Paket zurückziehen könnte. Das fand ich eigentlich keine schlechte Idee. In Deutschland ist die bisherige Debatte dadurch gekennzeichnet, dass der Mobilfunk aus wirtschaftlichen Interessen auf der Suche nach Frequenzen unterhalb von einem Gigahertz ist und sie gerne für seine Anwendungen nutzen möchte. Die Mobilfunker haben die Gelegenheit wahrgenommen, ein trojanisches Pferd auf die Bühne zu stellen, nämlich die Breitbandversorgung im ländlichen Raum. Damit wollte man natürlich etwas anderes bezwecken, nämlich eine schrittweise Nutzung dieser Frequenzen durch den Mobilfunk im Bereich der Kanäle 21 bis 69. Es ist nun so – insofern war der strategische Ansatz auch nicht falsch –, dass die Länder, der Bund und viele Kommunen in der Auffassung übereinstimmen, dass es sich bei
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Breitbandversorgung um eine der zentralen Infrastrukturen, eine der zentralen Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland handelt. Insofern ist richtig, dass wir ein fundamentales Interesse daran haben, dass es in Deutschland eine gewisse Breitband-Grundversorgung gibt. Da werden dann Größenordnungen ins Gespräch gebracht, die diesen Anspruch ein Stück weit unterstreichen sollen. Wenn ich hier über die ländlichen Räume und die Versorgung mit Breitband rede, würde ich erst einmal an dem festhalten, was die Bundesregierung vorgegeben hat, nämlich ein Megabit. Wobei wir uns darüber im Klaren sind, dass wir auf eine mittlere Sicht über Bandbreiten reden, die in der Größenordnung bis zu sechs Megabyte liegen werden. Weiterhin ist zu beachten, dass nicht nur im Bereich des Mobilfunks enorme technische Fortentwicklung und ein wirtschaftliches Potenzial liegt, sondern auch im Rundfunk, sowohl technisch als auch bei seinem inhaltlichen Angebot. Auch die Terrestrik bietet neue Angebote und ist aus diesen beiden Gründen für uns ein wichtiger Verbreitungsweg. Der eine ist, dass wir Konkurrenz herstellen wollen. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Kosten für die Kunden im Bereich des Kabels und des Satelliten weitaus höher sind als im Bereich der Terrestrik und wir durch die Struktur bei Kabelunternehmen und Satellitenanbietern auch immer wieder Diskussionen über die Sicherung der Meinungsvielfalt haben. Wir haben ja gerade eben die Debatte um Verschlüsselung und die Frage der diskriminierungsfreien Zugänge abgeschlossen. Wie ich finde, haben wir da im Übrigen in unseren Rundfunkstaatsverträgen Beachtliches geleistet. Wir brauchen die Terrestrik im Kundeninteresse, aber auch um einen Verbreitungsweg zu haben, der nicht sofort der privaten Verwertungslogik unterliegt. Im Übrigen will ich darauf hinweisen, dass Kabel und Satellit in der Frage der Digitalisierung deutlich langsamer sind als die Terrestrik. Dies sollte nicht unerwähnt bleiben. Wie man überhaupt sagen kann: Digitalisierung – Ohne die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland wären wir bei weitem nicht so weit wie wir heute sind. Das hat auch mit den Ländern zu tun, entgegen dem landläufigen Vorurteil, das gelegentlich gepflegt wird. Ich will in diesem Zusammenhang allerdings, weil es hier vorhin erwähnt worden ist, hinweisen – und Prof. Holznagel hat sich in einem Artikel dazu vor einiger Zeit kritisch geäußert –, auf die Frage der privaten Anbieter. Es stellt sich auf Dauer die Frage, ob, wenn sich die Privaten an DVB-T nicht beteiligen, tatsächlich der private Anspruch auf Frequenzen im Rundfunkbereich in der heutigen Form aufrechterhalten werden kann. Ich habe den Eindruck, dass neben den wirtschaftlichen Dingen auf der privaten Seite auch unter diesem Gesichtspunkt eine Diskussion beginnt, die vielleicht doch auf Dauer sicherstellt, dass es eine größere Beteiligung gibt. Im Übrigen Dank auch der Mobilfunker, die DVB-T über UMTS anbieten.
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Der Rundfunk hat im Gegensatz zu den Telekommunikationsunternehmen konkrete Bedarfe für das Frequenzspektrum angemeldet. Deren Haltung ist difus. Beim Rundfunk geht es um DVB-T und es geht über die Sicht von 20 Jahren auch um die HDTV-Fähigkeit. Um was denn sonst? Wir werden in 10, 15 Jahren ausschließlich in HDTV produzieren. Und wenn bei DVB-T die Privaten dabei sind, werden wir auch in Deutschland einen größeren DVB-T-Anteil haben, und zwar keineswegs nur im mobilen Bereich. Wir sollten DVB-H nicht aufgeben. Wir haben DAB+ – daran will ich ein skeptisches Fragezeichen machen – auf der Tagesordnung stehen. Wir werden sehen, ob dieser Anlauf jetzt einmal gelingt. Ich will damit deutlich machen, dass es erhebliche Bedarfe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt und dass es auch immer wieder Umstellungen geben wird. Analog auf digital haben wir fast abgeschlossen. Sie wissen, wir sind an einem neuen DVB-T Standard. Das spielt in Kanal 61 bis 69 im Augenblick eine Rolle. Gestatten Sie mir einen zweiten Blick auf Breitband im ländlichen Raum. Ich finde zum einen erfreulich, dass sich die Anbietersituation deutlich zum Positiven verändert hat. Die Telekom tut sehr viel mehr, als wir uns vor zwei Jahren vorgestellt haben, auch deswegen, weil sie merkt, dass mit Satellit und UMTS Anbieter auf den Markt getreten sind, die attraktive Angebote machen; im Übrigen gelegentlich auch Stadtwerke, die das Breitband entdecken und durchaus wirtschaftlich erfolgreich erschließen. Es kommt mir zwar nur schwer über die Lippen, aber es gibt auch noch WiMAX. Das führt mich zu einer Problematik, die man nicht verkennen darf. Im WiMAXBereich deutet, bis auf einen Bereich in Bayern, alles darauf hin, dass dort Frequenzen vergeben worden sind mit dem Ziel, den ländlichen Raum zu versorgen und die meisten Betreiber das aber zumindest bisher nicht tun. Das ist eine Erfahrung, die keineswegs allein steht, sondern wir haben in einem anderen Zusammenhang bei VDSL gelernt, dass der ländliche Raum in Darmstadt, Freiburg und Rostock beginnt. Und wir haben die Bundesnetzagentur an dieser Stelle bisher als lendenlahm erlebt, wenn es darum geht, Lizenzbedingungen auch tatsächlich zu erzwingen. Deswegen denke ich, wird es hier noch großen Diskussionsbedarf geben, wie die Bundesnetzagentur eine Versorgung wirklich sicherstellen will. Die bisherigen Erfahrungen sprechen nicht dafür, dass das wirklich gelingt. Wir haben das auch in der Anhörung zur Digitalen Dividende erlebt, die die Bundesnetzagentur durchgeführt hat. Dort haben die Kollegen von BITCOM und VATM dankenswerterweise ganz offen gesagt, worum es geht. Es geht darum, ein Geschäftsmodell für die Ballungsräume im Bereich des genannten Frequenzspektrums zu entwickeln und dann in einer zweiten oder in einer parallelen Stufe die Schließung weißer Flecken zu ermöglichen. Und Sie gestatten, dass ich an dieser Stelle eine doppelte Skepsis habe. Das erste geht aus rundfunkpolitischen Gründen nicht,
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und der zweite Bereich ist einfach von Erfahrungen vorbelastet, die wir gemacht haben, die einen zunächst einmal nicht zuversichtlich stimmen, wenn man sich solche Versprechungen anschaut. Es geht aus unserer Sicht in der bisherigen Diskussion nicht um die ländlichen Räume, sondern es geht darum, einen wirtschaftlichen Vorteil in Ballungsräumen zulasten des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks zu generieren. Wenn wir diese Diskussion hier und auch an anderer Stelle ein Stück weit verlassen können, würde es mich freuen und Staatssekretär Dr. Pfaffenbach hat in dem Zusammenhang Andeutungen gemacht, auf die ich gleich noch eingehen möchte. Ich vermute, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei all dem, was wir dort an Angeboten künftig haben werden und an Entwicklungsgarantie brauchen, nicht das gesamte Spektrum braucht. Da sind wir uns ganz sicher einig. Ich schließe auch nicht aus, dass wir trotz der vorher genannten Anbieter im ländlichen Raum Rundfunkfrequenzen für eine ergänzende Breitbandversorgung brauchen. Wenn wir uns dieser Frage nähern, und Kollege Pfaffenbach hat den Diskussionstand zwischen den Ländern und dem Bund in dieser Frage beschrieben, sind einige schwierige Fragen zu klären, die auch den Charakter von Bedingungen haben und die sich nach meinem Verständnis auf Kanal 61 bis 69 beziehen. Dazu gehört zunächst einmal zwingend, dass der darunter liegende Bereich, also 21 bis 60, dauerhaft, rechtlich verbindlich und nicht nur politisch zugesagt dem Rundfunk vorbehalten ist. Ansonsten wird es in dieser Frage keine Bewegung geben. Und weitere Dinge müssen wir klären. Das sind die Umstellung und Erprobung MPEG-4, was wir abschließen und dann umsortieren können. Wir müssen die Störungsproblematik ausschließen, die nicht ganz so klein ist, wenn ich die Techniker richtig verstehe. Die Länder führen selber Versuche dazu durch. Ich will die praktische Dimension deutlich machen. Frankreich wird jetzt 61 bis 69 für Mobilfunk nutzen. Die Vermutung je nach topografischer Lage ist, dass wir Störungen für den Rundfunk in einer Tiefe von bis zu 200 km haben. Wenn wir das Saarland und Rheinland-Pfalz nehmen, sind wir vollständig und ein ganzer Teil von Baden-Württemberg betroffen. Es mag sein, dass das in Berlin nicht so von Interesse ist. Für uns hat das schon eine Bedeutung, wo wir tagtäglich auch erfahren können, dass wir trotz der guten Koordinierung der Bundesnetzagentur im Bereich von Rundfunkfrequenzen durch die Abstimmungen, die wir beispielsweise mit Benelux haben, immer wieder an praktische Schwierigkeiten bei der Nutzung der Frequenzen stoßen. Wir führen dazu Versuche durch, und ich bin optimistisch, dass wir klar definiert in den Blick nehmen können, welche Schutzbereiche wir brauchen. Es muss auch aus wirtschaftlichen Gründen eine zufrieden stellende Lösung für den Reportagefunk geben, wie Sie, Herr Dr. Pfaffenbach, dankenswerterweise erwähnt haben. Da handelt es sich immerhin um 700.000 drahtlose Mikrophone in Deutschland sowie die entsprechenden Kameras und millionenschwere Investitionen. Dafür
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muss es eine Lösung geben. Es kann nicht sein, dass wir von den Theatern, von den Veranstaltern und anderen verlangen, diese Technik rasch umzustellen und alles neu aufzubauen. Das muss geregelt werden. Zur politischen und rechtlichen Verbindlichkeit habe ich etwas gesagt. Staatssekretär Dr. Pfaffenbach und ich werden uns noch im Dezember zusammensetzen und auf dieser Basis eine geeignete Lösung finden.
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DIE WRC-07 ENTSCHEIDUNGEN ALS TEIL DER DIGITALEN DIVIDENDE 8 Rahmen, Aufgaben und Ergebnisse der WRC-07 Reiner Liebler Bundesnetzagentur, Mainz Rahmen, Aufgaben und Ergebnisse der Weltfunkkonferenz 2007 (WRC-07) möchte ich Ihnen heute vorstellen. Warum gerade ich? Weil ich das „zweifelhafte Vergnügen“ hatte, die deutsche Delegation zur Weltfunkkonferenz 2007 zu leiten. „Zweifelhaft“ vor dem Hintergrund, dass schwierige internationale Verhandlungen zu führen waren. Sie waren aber auch schwierig, weil innerhalb Deutschlands durchaus Interessenkonflikte vorhanden waren. Wenn man in eine solche Konferenz geht, muss man eine klare Zielsetzung haben und sollte mit einem vernünftigen Ergebnis herauskommen. Inwieweit wir beides erreicht haben, und wie es zu den Entscheidungen der Konferenz in Bezug auf die Digitale Dividende kam, möchte ich Ihnen in den nächsten 15 Minuten erläutern.
Bild 1
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Was ist überhaupt eine Weltfunkkonferenz? Ich werde den Bogen vom Allgemeinen ins Spezielle spannen (Bild 1). Was hat die Digitale Dividende mit der Weltfunkkonferenz zu tun? Wie sehen die Entscheidungen der Weltfunkkonferenz zur Digitalen Dividende aus, und wie kamen diese zustande? Es gibt immer wieder Stimmen, die der Meinung sind, dass die WRC-07 nur der erste Schritt war und bevor wir eine Entscheidung über die Digitale Dividende hier in Deutschland fällen könnten, müssten wir die WRC-11 abwarten. Auch dazu möchte ich einige Aussagen machen und gegen Ende konkret über die Nutzung des für die Digitale Dividende relevanten Frequenzbereichs 470 bis 862 MHz reden.
Bild 2
Ich beginne mit Rahmen und Aufgaben der Weltfunkkonferenz 2007 (Bild 2). Warum braucht man so eine Konferenz überhaupt? Funkfrequenzen ignorieren politische Grenzen – also werden internationale Vereinbarungen benötigt. Diese werden im Rahmen von Weltfunkkonferenzen auf der globalen Ebene getroffen und münden in so genannte „internationale Frequenzbereichszuweisungen“ an die verschiedenen Funkdienste wie z.B. Rundfunk, Mobilfunk, Amateurfunk, Ortungsfunk etc – und berücksichtigen dabei auch rein wissenschaftliche Anwendungen wie z.B. Radioastronomie. Nationale Frequenzbereichszuweisungen müssen selbstverständlich die international erfolgten geeignet berücksichtigen. Wer richtet Weltfunkkonferenzen aus? Dies erfolgen im Rahmen der International Telecommunication Union (ITU), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Weltfunkkonferenzen finden regelmäßig alle vier Jahre statt. Besonders zu
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beachten ist, dass wenn in vier Jahren etwas entschieden werden soll, dies von der laufenden Konferenz auf die Tagesordnung der folgenden zu setzen ist – ansonsten nimmt sich die Folgekonferenz des Themas erst gar nicht an. Diese Verfahrensweise ist meines Erachtens allerdings im Rahmen der heutigen schnellen Innovationszyklen „überarbeitungsbedürftig“.
Bild 3
Bezüglich Digitaler Dividende wird immer wieder die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung erwähnt, die ich Ihnen grafisch verdeutlichen möchte (Bild 3). Sie ist hier in Form acht waagrechter Balken visualisiert, von denen jeder ein großes Frequenzband repräsentiert. Eine Weltfunkkonferenz hat – vereinfacht ausgedrückt – die Aufgabe, in den Balken (Frequenzbereichen) Funkdienste unterzubringen, die hier durch verschiedene Farben wiedergegeben sind. Wenn wir uns bei der Konferenz in Verhandlungen begeben, geht es darum, die Frequenzgrenzen zwischen den Funkdiensten zu verschieben – das sind die vertikalen Rechtecke innerhalb der Balken – oder es gibt Entscheidungen, die dazu führen, dass mehrere Funkdienste, – jede Farbe entspricht einem Funkdienst, – einem Frequenzbereich zugeordnet werden. Hinter der internationalen Frequenzbereichszuweisung verbergen sich viele Seiten komplexer, regulatorischer Text. Beispielsweise repräsentiert „Grün“ in der Grafik die Zuweisungen des Rundfunks, während die braunen Elemente Mobilfunkzuweisungen wiedergeben. Im Rahmen der heutigen Diskussion zur Digitalen Dividende betrachten wie einen relativ kleinen Frequenzbereich innerhalb des dritten Balkens von unten (470-862 MHz).
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Bild 4
Visualisieren möchte ich Ihnen auch den Plenarsaal der WRC-07 für 2000 Delegierte (Bild 4).
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Die Konferenz hat über vier Wochen Dauer in Genf stattgefunden (Bild 5). Insgesamt waren etwa 3000 Teilnehmer registriert. Die „Zahl 3000“ zeigt allein schon das Interesse. Es waren 164 Mitgliedsstaaten der ITU vertreten. Die Konferenz hatte insgesamt 30 Themenfelder zu bearbeiten (von denen eines in Bezug zur digitalen Dividende stand). 2900 Vorschläge wurden eingereicht, 1100 Sitzungen abgehalten, in den Plenar- und Ausschusssitzungen der Konferenz mit Simultanübersetzung in sechs Sprachen. Eine Minute Redezeit kostete nach Berechnung der Veranstalter etwa 500 Euro. Es gab Nachtsitzungen, insbesondere gegen Ende der Konferenz, bis in die letzten Stunden hinein. Das bestimmende Thema für diese Nachtsitzungen war, was uns auch heute hier zusammenbringt: die Digitale Dividende. Die Leitung der deutschen Delegation lag beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, unterstützt von der Bundesnetzagentur. Die deutsche Delegation bestand insgesamt aus 50 Teilnehmern von Funkbetreibern, herstellender Industrie, Behörden aber auch Instituten wie dem IRT (Institut für Rundfunktechnik).
Bild 6
Was ist der Bezug zwischen Digitaler Dividende und der Weltfunkkonferenz (Bild 6)? Als eines der 30 Themenfelder stand die Identifizierung von Funkspektrum für die Weiterentwicklung von International Mobile Telecommunication (IMT) auf der Tagesordnung der Konferenz. Der Frequenzbereich 470 bis 862 MHz war eines von mehreren Kandidatenbändern für IMT. Warum stand gerade dieses Frequenzband im Fokus? Sehr gute Ausbreitungseigenschaften zur Flächenversorgung aber auch zur Versorgung innerhalb von Gebäuden machen ihn so interessant.
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Und außerdem sollte die Digitale Dividende aus Sicht der Mobilfunkbranche auch zu zusätzlicher Übertragungskapazität für den Mobilfunk und nicht nur für den Rundfunk führen.
Bild 7
Worauf hatten wir uns in Deutschland und Europa im Vorfeld der Konferenz bezüglich des Themenfeldes Digitale Dividende verständigt (Bild 7)? Aufgrund einer Reihe von noch nicht hinreichend geklärten technischen Fragen – unter Anderem wie viel Spektrum benötigt der Mobilfunk, wie viel kann der Rundfunk abgeben – sollte aus deutscher und europäischer Sicht erst die WRC-11 eine Entscheidung bezüglich Spektrum für IMT treffen. Das war in der Bundesrepublik Deutschland bis etwa Juli 2007 die von allen Seiten mitgetragene Haltung, also nicht nur vonseiten des Rundfunks. Erst im unmittelbaren Vorfeld der Konferenz wurde von der Mobilfunkseite diese Position nicht mehr mitgetragen. Wie stellten sich andere Staaten auf der Konferenz zu der Frage? Für viele afrikanische Länder war klar, dass sie nicht alles zu betrachtende Spektrum für Rundfunk benötigen würden. Ihnen war daran gelegen, dass die Flächenversorgung mit Mobilfunk verbessert werden kann. Sie forderten also das Teilband 806 bis 862 MHz für IMT auf der WRC-07 zu identifizieren. Die USA forderten nicht nur für ihre Region sondern weltweit, die Zuweisung für den Mobilfunk bereits ab 698 MHz zu beginnen. Die Asiaten waren uns ein Stück voraus, weil sie schon 2003 ein Frequenzband (806-862 MHz) für IMT identifiziert hatten. Und die Kollegen aus Russland und Arabien waren mehr von der beharrenden Natur, aber dies
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nicht aus unseren Erwägungen heraus. Man muss wissen, dass es insbesondere im osteuropäischen Raum militärische Flugnavigationssysteme gibt, die einen besonderen Schutz benötigen. Eine weltweite Identifizierung von Spektrum für IMT könnte den Fortbestand dieser Systeme beeinträchtigen.
Bild 8
Was kam am Ende heraus? Die Konferenz hatte einen zeitlichen Anschlag, den 16.11.2007. Es musste eine Lösung geben. Der weltweite Kompromiss, der gefunden wurde, war das Frequenzband 790 bis 862 MHz für IMT zu identifizieren – auf der Basis „Wer will, der kann- und den Großteil des durch Rundfunk genutzten Bandes (470 – 790 MHz) nicht anzutasten (Bild 8). Lediglich für das Teilband 790-862 MHz wurde sowohl eine Zuweisung für den Rundfunk als auch für den Mobilfunk vereinbart. Es gibt dazu noch einige „ regulatorische Kniffe“. Aufgrund der Zuweisungssituation vor der Konferenz ist diese Zuweisung für Mobilfunk in Deutschland schon heute in Kraft, während in anderen Ländern diese Zuweisung formell erst im Jahr 2015 regulatorische Wirkung entfaltet. Die von der WRC-07 vorgenommene weltweite Identifizierung von Spektrum lässt hohe Stückzahlen für IMT-Equipment erwarten und bietet damit gute Aussichten für günstige Endgerätepreise und günstige Dienste im Sinne des Verbrauchers. Die internationale Verbreitung und Akzeptanz der IMT-Frequenznutzung ist vorprogrammiert.
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Bild 9
Jeder Kompromiss hat natürlich einen „kleinen Haken“ (Bild 9). Im selben Gebiet, zur selben Zeit, auf der selben Frequenz kann man – auch wenn es in den Schlussakten der WRC-07 den Anschein erwecken könnte – nicht beide Dienste auf einmal betreiben, sondern es muss eine Entscheidung getroffen werden, wie der Frequenzbereich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich genutzt werden soll. Grundsätzliche Entscheidungen für Mobilfunk sind schon getroffen worden in Frankreich, Schweiz, Schweden, Finnland. Wenn sich nun auch Deutschland in diese Richtung bewegen sollte, würden auch die anderen Länder Europas schnell folgen.
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Wie sieht es mit der Weltfunkkonferenz 2011 und ihrer Relevanz für die Entscheidungsfindung aus (Bild 10)? Einige Stimmen sehen jede Menge Fragestellungen, die dort noch zu klären sind, bevor national entschieden werden kann. Meine Antwort darauf lautet, dass die Weltfunkkonferenz 2007 die grundlegenden Entscheidungen bereits getroffen hat. Wir wollten ursprünglich keine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt, aber die Konferenz hat anders entschieden. Auf der Tagesordnung der nächsten Konferenz steht aus meiner Sicht nun lediglich eine Art Verfeinerung, nämlich zu den Entscheidungen der Konferenz 2007 einige technische Fragestellungen aufzubereiten. Dies ist aber nicht im Sinne einer grundsätzlichen Revision der getroffenen Grundsatzentscheidung zu verstehen, sondern wird lediglich technische Lösungen zur Implementierung der IMT-Identifizierung aufzuzeigen. Die WRC-11 hat kein Mandat, die Entscheidungen der 07er Konferenz zu revidieren. Das heißt auch, es besteht auf der ITU Ebene eigentlich keine Aussicht, dass diese IMT-Identifizierung auf unterhalb von 790 MHz ausgedehnt wird. WRC-11 ist aus meiner Sicht von untergeordneter Bedeutung für die Entscheidungsfindung zur Digitalen Dividende und sollte den Entscheidungsprozess hier in Deutschland nicht aufhalten.
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Die Hauptnutzung des Frequenzbereiches 470-790 MHz heute in der Bundesrepublik Deutschland ist Rundfunk, nämlich DVB (Bild 11). Im Frequenzbereich 790-862 MHz, den die WRC-07 für IMT ausgewiesen hat, müssen hauptsächlich militärische Nutzungen weichen. Dies ist weitgehend mit den militärischen Bedarfsträgern in Deutschland geklärt. Es gibt auch einige Frequenzzuteilungen für DVB, die nach unterhalb von 790 MHz verlagert werden müssen, wenn die WRC-Entscheidung zur Identifizierung des Teilbandes 790-862 MHz für IMT national umgesetzt wird. Schwieriger als eine Verlagerung der DVB-Zuteilungen wird sich die Bereitstellung von alternativen Frequenznutzungsmöglichkeiten für drahtlose Mikrofone gestalten, die heute einen Großteil des Bandes 790-862 MHz auf zweitrangiger Basis mitnutzen. Die gemeinsame Nutzung durch drahtlose Mikrofone und militärische Funkanwendungen hat in der Vergangenheit sehr gut funktioniert. Die Suche nach Alternativnutzungsmöglichkeiten für drahtlose Mikrofone ist aber weitgehend unabhängig davon, ob der Teilbereich 790-862 MHz in Zukunft nun vollständig für Mobilfunk oder vollständig für Rundfunk genutzt wird. Mit keiner von beiden Anwendungen könnten drahtlose Mikrofone unkoordiniert weiterbetrieben werden.
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Rahmen, Aufgaben und Ergebnisse der WRC-07
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Bild 12
Abschließend möchte ich anmerken, dass die WRC-07 die Entscheidungsfindung zur Digitalen Dividende beschleunigt hat (Bild 12). Wir brauchen nicht bis zu einer späteren Weltfunkkonferenz im Jahre 2011 zu verharren, sondern Europa und Deutschland sind nun am Zug, diese Entscheidung der Weltfunkkonferenz 2007 weiter auszugestalten. Die Grafik, die ich Ihnen gezeigt habe (Bild 12, Nutzung des Frequenzbereiches 470-862 MHz in Deutschland) ist hinreichend aussagekräftig und verdeutlicht, dass es auch in Zukunft Weiterentwicklungsmöglichkeiten für den Rundfunk geben wird. Die WRC-07 Entscheidungen können auch zu einer Verbesserung der Versorgung des ländlichen Raumes mit drahtlosen Mobilfunkanwendungen, z.B. Internetanbindung, führen. Letztlich hat die Konferenz sowohl für den Rundfunk als auch für den Mobilfunk Planungssicherheit ermöglicht. Die Entscheidungen der WRC-07 gestatten einen Win-Win-Ansatz für alle, insbesondere die Bürger – aber nur dann, wenn die in Deutschland notwendige Grundsatzentscheidung „jetzt“ fällt – d.h. der neue nationale Frequenzbereichszuweisungsplan sollte umgehend in Kraft gesetzt werden und darauf aufbauend können mit allen Beteiligten technische und regulatorische Lösungen für die noch zu klärenden Fragen erarbeitet werden.
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9 Bewertung der WRC-07 Entscheidungen aus Sicht der Telekommunikation Michael Krämer E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG, Düsseldorf
Bild 1
Was ist die digitale Dividende (Bild 1)? Wir haben bereits heute Morgen dazu einiges gehört. Mein Punkt wäre im Wesentlichen, dass von dem großen Teil des Spektrums, welcher durch die Umstellung von Analog-TV auf Digital-TV technisch frei wird, heute bereits ein großer Anteil in Form vieler digitaler Fernsehprogramme wieder in neuer Nutzung ist. Das heißt, ein großer Teil der digitalen Dividende – heute Morgen wurde der Teil mit 80% des Gesamtspektrums beziffert – wird bereits wieder genutzt. Wir haben hier in Berlin heute 30 digitale Fernsehprogramme und nicht mehr die vier bis sechs analogen, die wir früher hatten. Ein weiterer, eher kleiner Teil von 20% des Gesamtspektrums soll dem Mobilfunk zur Verfügung gestellt werden.
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Bild 2
Die Entscheidung der WRC zu diesem Thema (Bild 2) umfasst – wir haben es auch schon von Herrn Liebler gehört – die co-primäre Zuweisung von 72 MHz an den Mobilfunk, sowie die Identifizierung für IMT-Anwendungen (beinhaltet unter anderem UMTS und WiMAX). Die Zuweisung ist ein wichtiger Punkt, er enthält nämlich die Zeitachse. Die Zuweisung für die gesamte Region 1 der ITU, also Europa, Afrika und den mittleren Osten, gilt ab 2015, also dem Zeitpunkt, zu dem der Schutz der analogen TV-Systeme im Genfer Rundfunkplan ausläuft. Allerdings gibt es für 21 europäische Länder, einschließlich Deutschland, bereits ab 2009 eine primäre Mobilfunkzuweisung. Insofern können wir jetzt schon starten und müssen nicht bis 2015 warten, um mit den Entscheidungen der ITU konsistent zu sein. Der nächste Schritt ist die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung; die entsprechende Änderungsverordnung ist auf den Weg gebracht, wie wir auch schon heute Morgen gehört haben. Wichtig ist hier nun eine zügige Verabschiedung auch im Bundesrat. Die wesentliche Schlussfolgerung in diesem Zusammenhang ist, dass wir für den Mobilfunk eigentlich nur über 20% der Dividende diskutieren, die technisch durch die Abschaltung des Analog-TV entstanden ist. Die restlichen 80% sollen durchaus beim Rundfunk verbleiben und werden ja faktisch heute hier in Berlin auch bereits stark durch den Rundfunk genutzt, mit den 30 Fernsehprogrammen, die man heute
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über DVB-T empfangen kann. Wenn man das zum Beispiel mit den USA vergleicht, war der Schnitt dort doch deutlich radikaler. Die Behörden haben sich dort entschieden, dass 40% der Dividende dem Mobilfunk zugeschlagen werden und nur 60% beim Rundfunk für deren Entwicklungsgarantien verbleiben.
Bild 3
Man wird oft gefragt, warum die digitale Dividende denn so wichtig ist (Bild 3)? Das erste Teilbild unten links haben wir eben bei Herrn Neumann schon gesehen. Im Wesentlichen ist natürlich aufgrund der Physik und der Wellenausbreitung die Wirtschaftlichkeit des Netzausbaues immer abhängig von der Frequenz; je niedriger die Frequenz desto größer die Funkzelle (die grüne Linie). Damit lässt sich direkt die Anzahl an Funkzellen berechnen, die ich aufstellen muss, wenn ich ein gegebenes Land flächendeckend mit Funkzellen versorgen möchte. Die Kosten steigen (die gelben Säulen) mit der genutzten Frequenz deutlich an. Hieran kann man zumindest qualitativ ablesen, warum es in hohen Frequenzbereichen wie z.B. bei 3,5 GHz ökonomisch nicht so attraktiv ist, ein flächendeckendes Netz in ganz Deutschland aufzustellen. Ein flächendeckendes Netz ist eben bei 3,5 GHz (BWA/WLL-Lizenzen) fast siebenmal so teuer wie bei 700 MHz. Die Konsequenz daraus sieht man in dem Bild rechts, wo exemplarisch dargestellt ist, was heute an Netzabdeckung im Bereich GSM (hauptsächlich bei 900 MHz) und mit HSDPA bei 2 GHz von einem der deutschen Mobilfunkbetreiber realisiert wurde. Was hier im Wesentlichen hineinspielt, ist der wirtschaftliche Zwang, dass sich die höheren Kosten für die größere
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Anzahl an Standorten bei hohen Frequenzen zumindest am Ende der Lizenzlaufzeit amortisiert haben müssen. Durch die unterschiedlichen Frequenzausstattungen sind die grauen Flächen, wo wir heute GSM-Telefonie haben, deutlich größer als die kleinen rosa gefärbten Flecken, wo es heute eine mobile Breitbandversorgung gibt. Die Differenz zwischen diesen Bereichen ist das, was noch fehlt, was idealerweise zukünftig einmal vollständig rosa sein sollte, wenn es sich denn wirtschaftlich sinnvoll realisieren lässt.
Bild 4
Wenn man sich auf dem Breitbandatlas des Wirtschaftsministeriums (Bild 4) die DSL-Verfügbarkeit in Deutschland anschaut, ist die Abdeckung auf ganz Deutschland gesehen erst einmal gar nicht so schlecht. Der Schwerpunkt liegt vielleicht etwas mehr im Westteil von Deutschland. Nach den Zahlen, die man in der Presse sieht, sind es „nur noch 700.000“ Haushalte, die kein Breitband haben. Die Basis dabei ist aber eine Datenrate von 128 Kbit/s. Das ist heute nicht mehr wirklich Breitband. Der deutsche Städte- und Gemeindebund hat kürzlich folgendes veröffentlicht: „Wenn Sie für eine vernünftige Breitbandnutzung eine Datenrate von ein bis zwei Megabit annehmen, dann sind 3 Mio. Haushalte oder 5 Mio. Bürger betroffen.“ Gerade in Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, die hier noch einmal im Detail dargestellt sind, sieht man, wie lückenhaft die DSL-Versorgung heute noch ist und wie viele weiße Flecken es dort noch gibt. Überall dort liegt das Potenzial, Bürger ohne Breitbandversor-
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gung mit dem technisch und ökonomisch sinnvollsten Mittel an das Breitbandinternet anzubinden.
Bild 5
Ob das aber geht? Dazu gibt es eine Menge kritische Fragen, die wir immer wieder hören (Bild 5). „Funktioniert das überhaupt?“, „Die Funkzellen werden zu groß, da sind zu viele Nutzer drin. Da sind dann die Datenrate für die vielen Nutzer, die sich in die Bandbreite teilen müssen, hinterher doch nicht schneller als ISDN heute, das kann ja gar nicht funktionieren.“ Wir beschäftigen uns natürlich intensiv mit diesen Fragen. Zunächst zum Punkt Verkehr. Der Mobilfunkverkehr ist stark abhängig von der Nutzerdichte. Das Bild rechts mit der Verkehrsverteilung in und um Köln zeigt beispielsweise, dass der Verkehr in den städtischen Bereichen sehr hoch ist und somit aus Kapazitätsgründen kleine Funkzellen erfordert. In den vorstädtischen und ländlichen Bereichen hingegen ist der Verkehr deutlich niedriger, die Funkzellen sind dementsprechend größer. Das heißt, in ländlichen Gebieten, wo weniger Leute wohnen und die Teilnehmerdichte gering ist, ist auch die Verkehrsdichte nicht so hoch und wir können viel größere Funkzellen realisieren, so dass jeder einzelne Kunde trotzdem noch akzeptable Breitband-Datenraten bekommt. Dass das auch faktisch funktioniert, wenn man versucht ein großes Land mobil mit Breitband zu versorgen, sieht man an Australien. Dort gibt es im Bereich 850 MHz bereits seit einigen Jahren ein Mobilfunknetz, welches breitbandige Datenraten bereitstellt. Die physikalischen Ausbreitungsbedingungen entsprechen denen im Bereich 790-862
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MHz den wir in Europa für den Mobilfunk vorsehen. Die Netzabdeckung, die dort heute realisiert wird, ist im unteren Bild gelb eingefärbt. Es werden Datenraten von ungefähr 2 Mbit/s für den Endkunden auch noch über größere Entfernungen erreicht. Mit ungefähr 6.000 Basisstationen werden ca. 99% der australischen Bevölkerung versorgt. Das ist eine sehr ökonomische Variante, Breitbandversorgung in ländliche Gebiete hineinzubringen. Diese von der Fläche her sehr großen Funkzellen, die dort realisiert werden – bis zu 30, 40 km weite Funkzellen für isolierte Gegenden – sind also grundsätzlich technisch machbar.
Bild 6
Die Frage ist: Wie bringen wir das nach Deutschland und welche Schritte sind dafür notwendig? Ich habe hier versucht, die diversen Punkte, die auch heute Morgen genannt wurden, zu adressieren (Bild 6). Was also müssen wir noch lösen? Welche Störungen und Grenzkoordinierungspotenziale müssen wir angehen? Der erste Punkt ist natürlich die Änderung des Frequenzbereichszuweisungsplans und die Verordnung dazu. Der nächste Punkt ist die Räumung des Frequenzbereichs 790 – 862 MHz durch den Rundfunk. Wie wir eben schon gehört haben, ist die Nutzung durch den Rundfunk in diesem Bereich nicht sehr intensiv. Wie in der Grafik oben rechts dargestellt, werden lediglich die mittleren drei von diesen neuen DVB-T Kanälen (gelb dargestellt) durch den Rundfunk genutzt. Konkret sind es aktuell neun DVB-T Sender in drei Bundesländern wie in der Tabelle darunter dargestellt (Quelle: www.ueberallfernsehen.de). Das sich die DVB-T Aussendungen,
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die in den Bereich 470-790 MHz migriert werden müssen, was laut BNetzA ein durchaus lösbares Problem darstellt. Die drei DVB-T Kanäle darunter und darüber (grün dargestellt) sind militärische Frequenznutzungen oder Reserven, welche in den nächsten Jahren seitens der Militärs geräumt werden. DVB-H ist bei dieser Räumung des Bereichs 790-862 MHz grundsätzlich nicht betroffen, da es nur unterhalb von 750 MHz betrieben wird. Auch wenn man sich anschaut, wie die Rundfunknutzung im Bereich 790-862 MHz entstanden ist – Herr Kurth hat heute morgen bereits die Historie angesprochen – gewinnt man den Eindruck, dass eine Räumung grundsätzlich kein größeres Problem darstellt. Der gesamte Bereich 790-862 MHz war ursprünglich militärisch genutzt, auch die drei mittleren Kanäle. Mit der Einführung von DVB-T war dann ein bisschen Manövriermasse erforderlich, also einige Kanäle, mit denen man den temporären Mehrbedarf an Spektrum während des analog-digitalen Parallelbetriebs deckt. Daher hat man diese drei Kanäle für den Übergangszeitraum den Militärs abgehandelt. Nachdem jetzt allerdings der letzte analoge Sender abgeschaltet wurde, wie wir heute morgen bereits von Herrn Kurth gehört haben, ist es natürlich folgerichtig möglich, zum alten Zustand zurückzukehren, da, wenn der analog-digitale Parallelbetrieb abgeschlossen ist, diese Manövriermasse, dieses extra Rangierspektrum, nicht mehr benötig wird. Wie sieht es mit dem Störpotenzial unterhalb von 790 MHz, also im Kanal 60, aus, der oberste Rundfunkkanal, der weiterhin für die dauerhafte Nutzung durch den Rundfunk vorgesehen ist? Drastische Aussagen wie „200 km Störreichweite“, „zwei und mehr Kanäle werden gestört, sobald ein UMTS-Handy oder ein LTEHandy in der Nähe ist“ sind immer wieder zu hören und man fragt sich: „Kann man das Band 790-862 MHz dann überhaupt für Mobilfunk nutzen?“ Natürlich gibt es verschiedene technische Aspekte und Herausforderungen, die zu lösen sind. Es gibt allerdings auch Lösungen dafür, die gerade in entsprechenden Arbeitsgruppen der CEPT und ITU diskutiert und entwickelt werden. Ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass das Mobilfunk-Handy, wenn man im Wohnzimmer sitzt und telefoniert, den DVB-T Empfang dort nicht stört, da das Handy nicht auf den Frequenzen direkt neben dem DVB-T Kanal sendet, sondern auf der anderen Seite des Frequenzbandes. Stattdessen sendet die Basisstation im unteren Teil des Frequenzbandes. Durch diese Reversed Duplex Technik werden Störungen vom Mobiltelefon auf den DVB-T Empfänger verhindert. Der Frequenzabstand, den wir dadurch erreichen, ist größer als der, den wir heute bei GSM haben, und das GSM heute DVB-T nicht stört, ist es nahe liegend dass auch ein solches Mobilfunksystem mit Reversed Duplex im Frequenzbereich 790-862 MHz funktionieren wird, ohne dass das Mobilfunk-Handy den DVB-T Empfänger stört. Was übrig bleibt, sind mögliche Störungen einzelner Rundfunkaussendungen durch Mobilfunk-Basisstationen, welche ja durchaus angrenzend an den Kanal 60 betrieben werden können. Diese Störsituation kann also bei Basisstationen direkt oberhalb von 790 MHz und DVB-T Empfang direkt unterhalb von 790 MHz (Kanal 60) auftreten. In Deutschland gibt es derzeit einige Standorte, die auf dem Kanal 60 arbeiten. Auch dazu gibt
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es Informationen bei „www.ueberallfernsehen.de“. Aktuell gibt es 13 Sender in sechs Bundesländern auf diesem Kanal 60, die heute in Betrieb sind, für die man entsprechend die Verträglichkeit realisieren muss. Das Teilbild unten rechts im Bild 6 ist ein Auszug aus dem Genfer Rundfunkplan, auf dem die Allotments für Deutschland auf dem Kanal 60 dargestellt sind. Auch hieraus sieht man, dass es sich um ein räumlich begrenztes, und technisch durchaus beherrschbares Problem handelt. Es gibt verschiedene Lösungen, die gerade diskutiert und in den Verträglichkeitsuntersuchungen der CEPT und ITU ausgearbeitet werden. So sind z.B. Filter an den Mobilfunk-Basisstationen im Gebiet um den betroffenen DVB-T Sender; Filter für die DVB-T Receiver, die inzwischen mit unter 5 Euro pro Stück recht kostengünstig zu realisieren sind, Polarisationsentkopplung usw. mögliche Optionen. Hierbei kann von Fall zu Fall geklärt werden, welche Option, oder Kombination von Optionen in der konkreten Situation vor Ort die beste Lösung ist, um einen der (wenigen) DVB-T Sender auf Kanal 60 wirkungsvoll vor Mobilfunkstörungen zu schützen.
Bild 7
Nun zur Koordination an Landesgrenzen (Bild 7): Wir haben gehört, dass die Grenzkoordination wichtig ist, was auch stimmt, denn wir wollen ja ländliche Bereiche versorgen, und die liegen durchaus auch in Grenznähe. So wollen wir z.B. auch das Saarland versorgen. Insofern ist es also wichtig, dass der Mobilfunk im Frequenz-
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bereich 790-862 MHz auch bis an die Grenze zu Frankreich funktioniert. Wir können dazu einerseits auf die Koordinierungsprozeduren im Genfer Rundfunkplans zurückgreifen, der genau diese Grenzkoordinierung zwischen den einzelnen Alottments auf der beiden Seiten von Landesgrenzen regelt und beschreibt, wie man sich da koordinieren muss, damit das funktioniert. Was die Sache weiterhin deutlich einfacher macht ist die Entscheidung anderer Nachbarländer um Deutschland herum, in dem Frequenzbereich 790-862 MHz ebenfalls Mobilfunk einzuführen, weil eine Koordinierung zwischen zwei Mobilfunksystemen einfacher und mit weniger Einschränkungen zu realisieren ist, als wenn man Mobilfunk auf der einen Seite der Grenze und Rundfunk auf der anderen Seite betrachten muss. Insofern helfen uns hier auch die Aussagen aus der Schweiz und Frankreich, dass sie diesen Frequenzbereich für Mobilfunk nutzen werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Entwicklung eines europaweit harmonisierten Bandplans innerhalb der CEPT, damit die Industrie einheitliche Geräte entwickeln kann, um entsprechende Skaleneffekte zu erreichen, so dass die Preise für Systemtechnik und Endgeräte auf ein zu GSM vergleichbares Maß sinken. Die Diskussion dazu ist bereits weit fortgeschritten und wird gerade in der entsprechenden CEPT Arbeitsgruppe geführt. Der aktuelle Entwurf sieht 2 x 30 MHz gepaartes Spektrum in 5 MHz Blöcken vor. Die 12 MHz Duplex Lücke, der gelbe Block in der Mitte der Grafik auf Bild 7, ist für andere Anwendungen in der Diskussion. Ein wichtiger Bedarfsträger in diesem Zusammenhang sind die drahtlosen Mikrofone. Ebenso in der Grafik dargestellt ist der Reversed Duplex Ansatz, um die Störungen von Handys auf DVB-T Empfänger zu vermeiden. Hier sendet die Basisstation (Downlink) im unteren blauen Frequenz-Block und das Endgerät (Uplink) im oberen blauen Frequenz-Block. Ein wichtiger Punkt, der in diesem Zusammenhang ebenfalls studiert wird, ist der Frequenzbedarf drahtloser Mikrophone. Die produktionsunterstützenden Anwendungen der Rundfunkanstalten liegen größtenteils unterhalb von 790 MHz. Viele kommerzielle und private Anwendungen liegen oberhalb von 790 MHz. Für diese Systeme oberhalb von 790 MHz ist die Duplexlücke (wie oben beschrieben) eine der Lösungen, die diskutiert werden. Die Frage ist, wie viel Spektrum aus dieser Lücke können die drahtlosen Mikrophone als langfristige und dann vielleicht auch primäre Zuteilung nutzen, um sich dort dauerhaft niederzulassen. In Situationen mit einem extrem hohen Aufkommen an drahtlosen Mikrofonen (Rockkonzerte, Musicals, etc.)wird diese Duplexlücke nicht ganz reichen, um den Bedarf zu decken. Allerdings sind diese Situationen typischerweise nicht in den DSL-freien ländlichen Bereichen zu finden, sondern eher in größeren Städten, so dass ein großer Teil der drahtlosen Mikrofone, die in ländlichen Gebieten betrieben werden, durchaus aus der Duplexlücke bedient werden können. Trotzdem schauen wir auch auf den langfristigen Bedarf dieser Anwendungen. In diesem Zusammenhang wurde bei der letzten WRC ein entsprechender Tagesordnungspunkt (Agenda Item 1.5) für die WRC-11 kreiert, der die Harmonisierung von Frequenzen für drahtlose Mikro-
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phone studieren soll. Genau unter diesem Tagesordnungspunkt wird jetzt überlegt, welche Bedarfe vorhanden sind, und wie sie gedeckt werden können. Europaweit in der Diskussion sind z.B. das L-Band (bei 1,5 GHz) sowie das ehemalige TFTSBand (bei 1.8 GHz), welches europaweit harmonisiert verfügbar ist. Auch zu diesem Punkt haben wir also einen Weg, den wir gehen können. Für mich ist das Fazit daraus, dass Rundfunk und Mobilfunk innerhalb der CEPT und ITU für die genannten technischen Herausforderungen gemeinsam Lösungen entwickeln. Ein Beispiel, das bereits heute Morgen genannt wurde, ist die Joint Task Group 5-6 der ITU, die diese Verträglichkeitsproblematik gerade adressiert. Dort kommen nicht nur die Mobilfunkingenieure, sondern auch die Rundfunkingenieure zusammen, diskutieren genau diese Lösungen und in welchem Maße diese Lösungen greifen, wie weit sie wirken, wie man sie kombinieren muss. Wir arbeiten an diesen Punkten und sind denke ich auf einem guten Weg die passenden Lösungen für jeden Einzelfall zu finden.
Bild 8
Die zusammenfassende Bewertung der WRC aus Sicht der Telekommunikation würde ich wie folgt fassen (Bild 8): Zum Einen war natürlich die WRC Entscheidung ein wichtiger Meilenstein für die Verfügbarkeit von UHF Spektrum für den Mobilfunk und somit für die Breitbandversorgung ländlicher Gebiete.
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Der nächste wichtige Schritt in der nationalen Regulierung ist die Änderung der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung. Was sich mit diesem Spektrum realisieren lässt, sind Breitbandangebote mobiler Art in den DSL-freien Gebieten (den „weißen Flecken“). Wir können mit diesen Frequenzen endlich auch in ländlichen Gebieten das realisieren, was in städtischen Gebieten heute bereits (in den höheren Frequenzbereichen) möglich ist. Auch zukünftige LTE-Systeme mit 20 MHz breiten Kanälen lassen sich bei dem angedachten Kanalplan nutzen, zumindest ein und ein halbes LTE-Netz könnte man rein arithmetisch realisieren. Die technischen Herausforderungen, die wir eben kurz angesprochen haben, sind grundsätzlich lösbar und wir arbeiten weiter konstruktiv daran, diese Punkte abzuarbeiten (und auch keinen zu vergessen). Die technischen Einzelfalllösungen für die einzelnen Gebiete, wo zum Beispiel der Kanal 60 durch DVB-T genutzt wird, sind natürlich wichtig, sollten aber nicht von dem fundamentalen Mehrwert ablenken, den das Thema Digitale Dividende und die Nutzung der 72 MHz durch den Mobilfunk für die gesamte Gesellschaft hat. Der letzte Punkt, ein zeitnaher und diskriminierungsfreier Zugang zu den Frequenzen, bringt die von Herrn Liebler eben bereits angeführte Planungssicherheit für alle Beteiligten. Da kann ich mich nur anschließen; je früher wir wissen, wohin es geht, desto eher können auf der technischen Ebene die Punkte adressiert werden, um sie dann wirklich in die Realität umzusetzen. Ebenso wird die Entwicklung entsprechender Technik durch die Industrie gefördert.
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10 Bewertung der WRC-07 Entscheidungen aus Sicht des Rundfunks Dr. Klaus Illgner-Fehns Institut für Rundfunktechnik GmbH, München In der ingenieurwissenschaftlichen Betrachtung ist die Welt eigentlich eindeutig. Aus festgelegten Eingangsparametern und exakt definierten Randbedingungen kann die Reaktion eines Systems vorhergesagt werden. Unterschiedliche Ergebnisse sind die Folge unterschiedlicher Rahmenbedingungen bzw. eines unterschiedlichen Kontexts. Und hierin liegt wohl begründet dass wir unserem heutigen Thema zu deutlich abweichenden Analysen kommen.
Bild 1
Heute Morgen wurde von Herrn Dr. Neumann ausgeführt, welchen Wert der Rundfunk darstellt – oder eben auch nicht. Dem monetären Mehrwert des Mobilfunks steht der nicht quantifizierbare „Public Value“ gegenüber. Doch schon wenn man
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sich das Thema DVB-T einmal genauer ansieht, werden erhebliche Markteffekte erkennbar (Bild 1). Nach den allerletzten Zahlen wurden beispielsweise 16 Mio. Empfänger verkauft, die für ein erhebliches Umsatzvolumen stehen. Darüber hinaus entwickelten sich sehr vielschichtige Gerätekonzepte. Auf der einen Seite stehen die als reine DVB-T-Fernsehempfänger genutzten Geräte. Portable Empfänger, beispielsweise als USB-Stick, werden inzwischen in Millionenstückzahlen verkauft – sicherlich kaum, um in die Schublade gelegt zu werden. Zum anderen existiert DVB-T als „add-on“. Die oft gehörte Frage, ob das denn wirklich genutzt wird, kann man anders herum stellen. Wenn es nicht für den Konsumenten attraktiv wäre und einen marktrelevanten Mehrwert darstellen würde, würde DVB-T dann wohl in die Geräte eingebaut werden? Und schließlich integrieren auch die Hersteller großer Flachbildschirme DVB-T-Empfänger. DVB-T steht damit mitnichten für eine kleine Kundengruppe, die zuhause einen Fernseher braucht und aus „sozialen Gefühlen“ mit DVB-T versorgt werden muss. Im Gegenteil, DVB-T ist ein durchaus relevanter Wirtschaftsfaktor.
Bild 2
Das Diagramm in Bild 2 dürfte hinlänglich bekannt sein. Hier in der neuesten Fassung wird ersichtlich, dass für DVB-T inzwischen tatsächlich eine Flächendeckung erreicht ist. Die analoge Verbreitung ist abgeschaltet. Die unterschiedliche Schattie-
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rung rührt daher, dass es neben den gemeinsam mit dem privaten Rundfunk versorgten Gebieten auch nur vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk versorgte Gebiete, vorrangig dünn besiedelte Regionen, gibt. Das Besondere an den DVB-T Netzen in Deutschland ist, dass diese, insbesondere in den Städten, für eine portable Versorgung ausgelegt sind, d.h. der DVB-T-Empfang funktioniert in der Regel auch mit kleinen portablen Antennen. In der Diskussion um DVB-H zeigte sich, dass das portable DVB-T tatsächlich auch für den Konsumenten schon jetzt einen echten Mehrwert darstellt. Die Marktentwicklung geht in eine ganz andere Richtung, als das bislang für DVB-T diskutiert wurde. Es geht um flexibel nutzbare Serviceangebote.
Bild 3
Bislang wurde nur über die WRC gesprochen. Um die kontroverse Diskussion zu verstehen, ist ein Blick auf die regionale Funkverwaltungskonferenz von 2006 erforderlich (Bild 3). Der Planungsbereich nennt sich „regional“, umfasst aber mit Afrika, Arabien, Europa und Russland eine sehr große Fläche. Der Abstimmungsbedarf schon für diese „Region“ war enorm. Alleine für das Band IV und V, also den heute diskutierten Frequenzbereich, gab es 55.000 Planeinträge, die koordiniert werden mussten. Sicherlich betreffen davon nicht alle Europa, es zeigt aber einfach die Dimension der Koordination. Ursache ist, dass elektromagnetische Wellen nicht
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an Ländergrenzen oder auch an Meeresgrenzen enden, sondern sich weiter ausbreiten. Als Ergebnis dieser Funkverwaltungskonferenz ergaben sich für Deutschland sieben international harmonisierte Bedeckungen zur Flächenversorgung im Bereich 470 bis 862 MHz. Dies wurde 2006 zwischen allen Ländern abgestimmt. Die deutschen Interessen wurden von der BNetzA gebündelt und vertreten.
Bild 4
Das zentrale Thema der WRC-07, das auch hier die ganze Zeit diskutiert wird, heißt „Digitale Dividende“. Dieser Begriff umschreibt den Umstand, dass im Zuge der Digitalisierung, aufgrund erhöhter Übertragungskapazitäten, Frequenzen „frei“ werden. Über die Größenordnung kann man sicher heftig und trefflich streiten. Der Punkt ist, dass neun Kanäle im oberen UHF-Bereich jetzt zur Disposition stehen bzw. auf der WRC07, und das möchte ich explizit betonen, ko-primär für Mobilfunk und Rundfunk zugewiesen wurden (Bild 4). Über die nationale Umsetzung dieser ko-primären Zuweisung wird hier diskutiert. Es geht also um die Umsetzung der auf der WRC07 beschlossenen Rahmenbedingungen. Daraus ergeben sich natürlich Konsequenzen. Der aktuelle Entwurf der Frequenzbereichsplanzuweisungsverordnung sieht den Rundfunk in diesem Bereich, wo ko-primär steht, als auslaufend vor. Was heißt das
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ganz nüchtern betrachtet? Das geht über die Beschlüsse der WRC07 hinaus, die die auslaufende Nutzung nicht vorsieht. Und es heißt auch, dass existierende und bislang geplante Anwendungen dann nicht mehr möglich sind. Wie gerade von Herrn Krämer schon angesprochen, muss ein Teil der Bedeckungen umgeplant werden. Über den Umfang kann man diskutieren. Die sieben nationalen Bedeckungen sind allerdings unter Einbeziehung des Frequenzbereiches bis 862MHz geplant worden. Auch wenn es ein mancherorts ungeliebtes Thema ist; das Thema „Interferenzen und Störpotenziale“ darf nicht unterschätzt werden. Einige Aspekte wurden bereits angesprochen und auf Lösungswege wurde hingewiesen. Die Tatsache, dass man gemeinsam in Gremien sitzt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass man durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann. Dies betrifft gerade auch die Bewertung, welche Aspekte wirklich relevant sind. Unter allen Umständen zu vermeiden sind Diskussionen, die nicht mehr ergebnisoffen, sondern mit bestimmten Erwartungshaltungen an das Ergebnis geführt werden. Es ist absehbar, dass die Zuweisungen in den Nachbarstaaten durchaus nicht einheitlich gehandhabt werden. Neben Staaten mit einer identischen Zuweisungsplanung, wie der Schweiz und Frankreich, gibt es Staaten, die diese Zuweisungen definitiv so nicht durchführen werden. Diese sind mehr an der östlichen Landesgrenze zu suchen. In der Konsequenz entsteht gerade an den Grenzen neuer Koordinierungsbedarf. Wie man das macht, ist dann die zweite Frage.
Bild 5
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Im Folgenden geht der Vortrag auf drei Aspekte näher ein. Dies sind die Themen „Störungsfreiheit“, „drahtlose Mikrofone und drahtlose Produktionsinfrastruktur“ sowie eine aus Sicht des Rundfunks grundsätzlich erforderliche langfristige Entwicklungsgarantie (Bild 5).
Bild 6
Was ist ein Rundfunkdienst? Was erwarten Sie, wenn Sie ein Fernsehgerät einschalten? Ein Kernmerkmal von Rundfunk ist, dass das Empfangsgerät sofort und garantiert mit bester Qualität immer störungsfrei funktioniert (Bild 6). Der Aufschrei der Nation beim Fußball WM-Spiel bringt diese Erwartungshaltung gut zum Ausdruck. Die ganze Nation war paralysiert, nur weil das Signal einmal kurzfristig weg war. Also, Rundfunk hat aus Sicht des Konsumenten eine maximale Qualitätsanforderung zu erfüllen. Störungen werden nicht toleriert.
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An anderer Stelle haben wir uns schon an bestimmte Effekte gewöhnt. Es ist schon fast eine Normalität, dass in einem solchen mit Konferenztechnik ausgerüsteten Raum die Signalisierung eines Anrufs auf einem Handy, bevor das Handy selbst klingelt, in der drahtlosen Produktionsinfrastruktur zu hören ist. Für eine Rundfunkproduktion ist das schon der GAU, denn das Signal ist nicht verwertbar. (Bild 7) Am Heimradio existiert ein ähnliches Umfeld. Wenn Sie das Handy in die Nähe des Radios legen, können Sie den Anruf ihres Handies im Radio hören, bevor dieses selbst klingelt Störungen zwischen mobiler Kommunikation und Rundfunkdiensten sind heute schon an der Tagesordnung. Dabei betrifft dies mit UKW und GSM sehr weit auseinander liegende Frequenzbereiche. Der hier diskutierte Bereich für die digitale Dividende liegt sehr viel näher an den Mobilfunkfrequenzen. Entsprechend stört ein Handy heute schon den DVB-TEmpfang im nähren Umfeld, z.B. wenn es in der Nähe eines DVB-T-Empfängers liegt. Das betrifft nicht nur DVB-T sondern auch alle Kabelanlagen. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass diese Empfänger, die wir heute im Markt haben, alle für den Empfang von DVB-T bis 862 MHz ausgelegt und entsprechend „offen“ sind. Ein im Bereich um 800MHz sendendes Handy übersteuert den Empfänger, auch wenn dieser gerade ein Programm bei 500MHz empfangen soll. Ein Empfang wird unmöglich. In der Konsequenz müssten alle im Markt befindlichen DVB-T
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und Kabel-Empfänger mit einem Filter nachgerüstet werden, damit der Empfänger alle Signale über 790MHz nicht mehr „sieht“. Es gibt einen weiteren im Kontext „Störpotenzial“ im Auge zu behaltenden Aspekt. Mobile Telefone werden in Stückzahlen im hohen Millionenbereich gefertigt und die Produktion unterliegt einem sehr hohen ökonomischen Druck. Damit kann nicht das technisch Optimale eingebaut werden mit der Folge, dass mobile Telefone relativ breitbandig strahlen, d.h. es geht gar nicht um den Kanal 60, der abgeschirmt werden muss, sondern die Interferenzuntersuchungen müssen letztendlich das gesamte breitbandige Störpotential von solchen kleinen Sendern abdecken. Aus Sicht des Rundfunks ist es unabdingbar Grenzwerte festzulegen, damit das Erlebnis eines störungsfreien Rundfunkempfangs auch weiterhin sichergestellt bleibt. Natürlicherweise legt man die Grenzwerte vor einer Zuweisung fest, denn ab dem Moment der Festlegung fließen die Parameter in die Produktentwicklung ein. Ohne Grenzwerte bildet sich im Markt ein Bestand potentiell störender Geräte aus, die kaum mehr außer Betrieb genommen werden können.
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Das zweite Thema der drahtlosen Produktionsinfrastrukturen wurde heute schon angesprochen (Bild 8). Das Anwendungsspektrum reicht von der Kulturbühne der kleinen Gemeinde bis Groß-Veranstaltungen. Der Ansatz dafür eine Duplexlücke in
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der Größenordnung 12 MHz vorzusehen, könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein – aber nur ein erster und sehr kleiner Schritt. In der Realität beanspruchen Großveranstaltungen wie beispielsweise der G8-Gipfel, ein Papstbesuch oder eine Weltmeisterschaft alle Reserven im gesamten Spektrum von 470 bis 862MHz. Gerade von solchen Großveranstaltungen soll ausführlich, auch Live und in Rundfunkqualität zuverlässig Bericht erstattet werden.
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Dabei geht es nicht nur um drahtlose Mikrofone und drahtlose Kameras (Bild 9). Es geht um Regiefunk, Betriebsfunk, In-Ear-Monitoring, Ton- und Meldeleitungen – also ein großes Spektrum. Die Frage, warum das gerade im Zuge der Digitalisierung und einer effizienteren Übertragung zu einem Problem wird, ist nahe liegend. Bislang wurden für diese Anwendungen die 1MHz Lücken zwischen den analogen Sendern genutzt. Mit der Digitalisierung entfällt diese Option. Zum zweiten konnte die spektrale Dichte der Sender deutlich erhöht werden Damit gibt es kaum mehr Lücken, doch irgendwo müssen die Geräte senden. Aktuell befinden sich weit über 500.000 Geräte im Einsatz, für die eine Lösung gefunden werden muss.
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Der dritte anzusprechende Punkt adressiert die langfristige Entwicklungsgarantie (Bild 10). Es werden zweifellos immer neue Technologien kommen. Um auf diese neuen Technologien adäquat reagieren und ggf. auch im Markt zu etablieren, braucht jeder Marktteilnehmer Entwicklungsspielräume. Diese werden vom Mobilfunk eingefordert und gelten genauso für den Rundfunk. Eine Teilursache der Diskussion, die hier geführt wird, ist auch die Suche nach Ausweichspielräume, nachdem mit der Einführung von LTE parallel(!) zu GSM und UMTS die Frequenzen knapp werden.
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Bild 11
In Bezug auf DVB-T im UHF-Band sei ergänzend darauf hingewiesen, dass DVB-T mitnichten „fertig“ oder „fertig ausgebaut“ ist und man dafür nichts mehr zu tun braucht (Bild 11). DVB-T ist ein „lebendes“ System. Aus verschiedenen Quellen gibt es Signale eines sehr hohen Interesses, DVB-T auch für lokale kommerzielle Anwender zu nutzen. Auch über eine Verbesserung der portablen Nutzung ließe sich durchaus noch einmal diskutieren. Schließlich wirken sich neue Techniken, beispielsweise neue Codierverfahren, schon heute auf den DVB-T-Markt aus. Eine Vorhersage dessen, was kommt ist schwierig. Sicher hingegen ist, dass sich die Technik weiterentwickelt. Für die Weiterentwicklung und Anpassung der Infrastruktur sind Spielräume erforderlich. Würden beispielsweise heute alle „white spaces“ vergeben und genutzt, existierten keinerlei Gestaltungsspielräume mehr. Daher kann es aus Sicht des Rundfunks keinerlei Nutzung der „White Spaces“ außerhalb der Rundfunkanwendungen geben, da dies jegliche Entwicklungsmöglichkeiten eliminiert. Erforderlich ist ein langfristiger Bestandsschutz für aktuell benutzte Bedeckungen, auch als Spielräume für die Einführung neuer Technologien.
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Klaus Illgner-Fehns
Bild 12
Vor dem Hintergrund der Geschwindigkeit der Technologieentwicklung ist ein Blick auf die Datenraten im Mobilfunk und im Festnetz über der Zeit ganz aufschlussreich (Bild 12). Hier haben wir mindestens eine, wenn nicht sogar zwei Dekaden Differenz zu Ungunsten des Mobilfunks. Wer jetzt erklärt, dass die Mobilfunktechnik diesen “Digital Divide“ zwischen Stadt und Land überbrücken könnte, muss irgendwelche schlagenden Argumente haben, um überzeugend darlegen zu können, dass das auf einmal irgendwie nicht mehr gilt, zumal die Entwicklung ja weitergeht. Wir haben letzte Woche auch in Deutschland gehört, dass der Glasfaserausbau vorankommt. Das bedeutet, dass die kabelgebundenen Übertragungskapazitäten deutlich steigen werden, während die drahtlosen Kapazitäten durch physikalische Grenzen wie die erreichbare Höhe der spektralen Effizienz, die in Bit/s und in Hertz gemessen wird, in die Sättigung laufen. Den zweiten Aspekt bezüglich der Mobilfunkzelldurchmesser fand ich beim Vortrag von Herrn Krämer sehr spannend und würde es gern diskutieren, denn bislang reduziert sich die Zellgröße beim Mobilfunk aus Kapazitätsgründen, nicht aus Wellenausbreitungsgründen, kontinuierlich. Wir sind heute bei Zellgrößen für diese „breitbandigen“ Netze von quasi Null. Wir reden über 100 m Bereiche und kleiner.
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Bewertung der WRC-07 Entscheidungen aus Sicht des Rundfunks
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Und jetzt wird gesagt, dass wir auf einmal überall hinkommen und alles ist wunderbar und wirtschaftlich. Wie gesagt, ich würde es gern einmal diskutieren wollen.
Bild 13
Die Position des Rundfunks lässt sich wie folgt zusammenfassen (bild 13). Die terrestrische Rundfunkverbreitung ist ein wirtschaftlich und gesellschaftlich relevanter Dienst. Kunden erwarten absolute und garantierte Störungsfreiheit. Ein Rundfunksignal muss unter allen Umständen vom Konsumenten störungsfrei genutzt werden können. Der Rundfunk braucht eine langfristige Entwicklungsgarantie. Eine abschließende Bemerkung beleuchtet das Thema Breitband aus einem etwas anderen, bislang nicht öffentlich diskutierten Blickwinkel. Zum einen ist völlig unstrittig, dass jeder heute Zugang zu einem Breitbandanschluss braucht und haben muss. Nun lautet das offizielle Credo, dass das heute aus Kostengründen nicht möglich ist und erheblicher Anstrengungen bedarf. Unter Einbeziehung aller heute existierender technischen Möglichkeiten kann man konstatieren, dass die technische Reichweite für die Versorgung mit Breitband sehr, sehr nahe an die 100% kommt. Breitband für alle existiert. Eine oft vergessene Alternative stellt der Satellit dar. Bereits heute werden 1Mbps im Downlink und 128 kbps im Uplink für 40 Euro angeboten. Das ist letztendlich ein gar nicht so schlechter Marktpreis. Für einen DSL-Anschluss mit DSL light, also 384 kbps im Downlink werden 28 Euro
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Klaus Illgner-Fehns
verlangt. Auch hier bleibt der technische Fortschritt nicht stehen. Ab 2010 steht ein neuer Satellit bereit, mit dem typische DSL Raten (>2Mbps) zu üblichen DSL Preisen angeboten werden können. Es gilt also immer das gesamte Marktumfeld unter allen Aspekten und Interessen zu analysieren. Die ländliche Internetversorgung über UHF-Frequenzen ist nur eine davon. Vielleicht regt dies zu einer spannenden, aber hoffentlich immer konstruktiven Diskussion an.
WERTSCHÖPFUNGSPOTENTIALE DER FREQUENZEN, KONKRETE NUTZUNGSVORSTELLUNGEN DER AKTEURE 11 Mobile Computing versus Spektrumverfügbarkeit Christoph Legutko Intel Corporation Viele von Ihnen werden sich vielleicht fragen, warum sich Intel als Mikroprozessorhersteller plötzlich für Telekommunikationsfragen interessiert. Aus zwei Gründen wird Intel auf natürlichem Wege zum Mitspieler auf dem Telekommunikationsmarkt: 1. Die Telekommunikationshardware schrumpft und wird zunehmend auf Chips integriert. 2. Die Computernutzer verlangen nach drahtloser Vernetzung. Bevor wir über das Spektrum für Computeranwendungen sprechen, lassen Sie uns bitte anmerken, dass es weltweit mehr als 3.5 Milliarden Mobiltelefone und mehr als 250 Millionen UMTS/HSPA Nutzer gibt und dass in praktisch allen urbanen Gebieten mobiles Telefonieren möglich ist. Darüber hinaus wurden Initiativen gestartet, um auch die ländlichen Gebiete mit Mobilfunk abzudecken, indem sie dafür Teile des Rundfunkbandes nutzen wollen. Das hat seine Gründe. Zum Beispiel kann eine Funkzelle, die mit einem Radius von 10 km in 700 MHz Frequenz arbeitet, eine Fläche von 314 km2 abdecken. Hingegen deckt eine Funkzelle in 2 GHz Frequenz mit 1 km Radius nur 3,14 km2 ab. Das hat enorme ökonomische Auswirkungen, weil die Anzahl der Funkzellen, die notwendig sind, um ein dünn besiedeltes Gebiet abzudecken, sich um einen Faktor von ca. 100 reduziert, wenn man 700 MHz Spektrum benutzt. Wir sollen auch betonen, dass die Telekommunikationsindustrie eine hervorragende Arbeit geleistet hat, weil mittlerweile etwa die Hälfte der Weltbevölkerung ein mobiles Telefon nutzt und fast 100% der urbanen Gegenden in Funkreichweite
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Christoph Legutko
sind. Jetzt bemüht sich die eingesessene Telekommunikationsindustrie darum, auch im letzten Winkel der Erde Telefondienste verfügbar zu machen. Dafür brachte sie das Frequenzspektrum der Digitalen Dividende ins Spiel. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die Digitale Dividende in Deutschland ihre Wirkung entfalten kann. Die FAZ1 hat am 18. August 2008 ein Interview veröffentlicht, in dem Vodafone Deutschland korrekt identifiziert hat, dass die fehlende breitbandige Telekommunikationsinfrastruktur die Ansiedlung von Unternehmen in ländlichen Gebieten verhindert und verspricht, die verbleibenden 10% der Bevölkerung ohne Breitbandanschluss drahtlos mit Nutzung des Frequenzspektrums der Digitalen Dividende zu versorgen. Die Forscher aus dem Zentrum für die Angewandte Wirtschaftsforschung Münster (CAWM) haben während einer BDI Veranstaltung mit Teilnahme unserer Kanzlerin Frau Dr. Merkel am 26.05.2008 bestätigt (Bild 1), dass 700 Kommunen überhaupt nicht und ca. 1.400 schlecht mit Breitbandinternet versorgt sind. Das macht offiziell mindestens 1 Million Hauhalte in Deutschland ohne Breitbandzugang aus.
Bild 1 1
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18 August 2008, Im Gespräch: Fritz Joussen, Vorsitzender der Geschäftsführung von Vodafone Deutschland, „Das ist eine Stillblüte des deutschen Föderalismus“
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Mobile Computing versus Spektrumverfügbarkeit
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Die gleichen Forscher haben im Mai auch ausgeführt (Bild 2), dass dank der Breitbanddienste die Informations- und Kommunikations-Industrie (IuK) 1/3 des Bruttosozialprodukts (BIP) in den Jahren 1980-2000 generiert hat, dass der IuK Anteil am BIP von 7% auf 12% in den Jahren 2005-2015 wachsen wird und dass 2010 IuK ein Marktvolumen von 65 Mrd. Euro generieren wird. Somit hat IuK eine enorme Auswirkung auf Produktivitätssteigerung, Kostensenkung und Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder.
Bild 2
Jetzt soll das Frequenzspektrum der Digitalen Dividende genutzt werden, um der Wirtschaft den nächsten großen Schritt vorwärts zu ermöglichen. Wie kann das gehen? Die WRC-07 (World Radio Conference 2007) hat die Frequenz 790-862 MHz für Mobile Services identifiziert. Die Frequenz wird voraussichtlich ein gepaartes Arrangement mit 2x30 MHz für Uplink und Downlink sowie mit 12 MHz für Duplex Gap haben. Wie oben ausgeführt, deckt eine Funkzelle in dieser Frequenz eine Fläche von ca. 314 km2 ab. Auf dieser Fläche wird man in Deutschland leicht 300 kleine Unternehmen finden können. Es ist einfach vorstellbar, dass ein Unternehmer nicht weniger als 10 Mbit/s kontinuierliche Datentransferrate benötigen und akzeptieren wird. Somit müsste eine Funkzelle in 30 MHz Bandbreite 3.000 Mbit/s Dauertransferrate anbieten können. Das ist jedoch auf absehbare Zukunft unrealistisch, weil es sich zur Zeit mit Benutzung der modernen HSPA Tech-
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Christoph Legutko
nologie nur ca. 15 Mbit/s in 5 MHz Bandbreite und im 500 Meter Radius realisieren lassen. Wenn man jedoch die Bevölkerungs- und Firmendichte sowie die durchschnittlichen Anforderungen an Datendurchsätze berücksichtigt, kommt man sofort zum Ergebnis, dass die Herausforderung in Deutschland nicht darin besteht, den letzten Winkel mit Funk auszuleuchten, sondern den Nutzern die hohen Datenraten drahtlos zur Verfügung zu stellen. Wir sollten nicht zwischen ländlichen und urbanen Gebieten differenzieren – für die Dörfer ein wenig Bandbreitbreite via Digitale Dividende und für die Städte die volle Übertragungskapazität via höherer Frequenzbänder. Alle sollten gleichwertigen Internetzugriff bekommen, weil Internet die „Killer Applikation“ ist, nach der die mobile Industrie seit Jahren sucht. Die Zuwachsraten der Internetnutzer übersteigen bei weitem die Zuwachsraten der mobilen Telefone (Bild 3). Gleichzeitig übersteigen die Internet Anforderungen an die Datenbandbreite bei weitem die Anforderungen des Mobilfunks.
Bild 3
Seit Jahren entwickelt die Computerindustrie Anwendungen, die unser privates und berufliches Leben verändern – CD, DVD und Blue-Ray für Musik und Video, Google mit seinen Services wie Karten, Suchen, Mail und Fotografie, Online Bank-
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transaktionen und Handel wie Ebay oder Amazon, bis hin zu Heimarbeit usw. usw. All diese Applikationen verlangen nach immer mehr Bandbreite, um die Gigabytes an Bildern, hochauflösenden Filmen und professionellen Anwendungen schnell transportieren zu können. Im Vergleich dazu bietet die mobile Telekommunikationsindustrie, vereinfacht gesagt, seit Jahren nichts anderes als Sprachverbindungen und macht ihr Geld mit SMS. Diese Services sind für Milliarden von Menschen verfügbar und sind nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Beide sind jedoch ausgesprochen schmalbandig und erst dank aufkommender Konkurrenz von WiMAX wurde die Einführung von UMTS erheblich beschleunigt und HSPA versprochen. Es gibt auch erhebliche Unterschiede in den Preisen – die DSL-Kunden zahlen die moderaten Pauschalgebühren (flat rates) ohne Datenvolumenbegrenzung, die Mobilfunknutzer dagegen zahlen 19 Eurocent für SMS, was in 742 Euro pro Megabyte resultiert, von Roaminggebühren ganz zu schweigen.
Bild 4
Die explodierenden Computerapplikationen, die bis dato meistens nur via DSL verfügbar sind, generieren zudem den Kundenwunsch, auf diese Anwendungen auch jeder Zeit, drahtlos und überall zugreifen zu können (Bild 4).
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Drahtgebunden, via DSL, bekommen die meisten Nutzer individuell inzwischen Minimum 3 Mbit/s, manche können via VDSL sogar in den Genuss von 50 Mbit/s kommen. Dagegen sind in den Funknetzen UMTS/HSPA Datenraten von 14,4 Mbit/s pro Zelle Stand der Technik. Davon bekommt man um die 0,4 Mbit/s zur Verfügung gestellt, wenn nur ein paar Nutzer in der Funkzelle im Internet aktiv sind. Dadurch entstehen Frustrationen, weil die zu Hause erweckten Erwartungen der Erfahrung unterwegs nicht entsprechen (Bild 5).
Bild 5
Aus Sicht eines DSL-Nutzers ist die Datentransfergeschwindigkeit, die GSM/ UMTS/HSPA Netze anbieten, zu niedrig. Des Weiteren wird erwartet, dass im Jahr 2012 circa 2 Milliarden Computer weltweit im Einsatz sein werden. Das sind 2 Milliarden Kunden, die potenziell drahtlos vernetzt sein wollen. Das entspricht der Größenordnung der Mobilfunknutzerzahl. Der Laptop-Nutzer wird in der nahen Zukunft um die 10 Mbit/s als individuelle Datentransferrate drahtlos für sich erwarten. Diese hohen Datendurchsatzraten lassen sich mit Digitale Dividende (DD)-Spektrum nicht realisieren. Wenn man dies am Beispiel von Berlin klassisch rechnet, kommt man zum Ergebnis, dass dann eine Funkzelle in urbanen Gegenden bis zu 1.500 Mbit/s Datendurchsatz haben müsste (Bild 6). Es wird jedoch oft übersehen, dass eine Funkzelle nur so
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schnell sein kann, wie es das Backbone Netz, an das die Funkzelle angeschlossen ist, erlaubt.
Bild 6
Der bereits in Deutschland diskutierte2, flächendeckende Ausbau der Glasfasernetze wird endlich eine Basis schaffen, um die geforderten hohen Datendurchsatzraten auch drahtlos anbieten zu können. Glasfaser Infrastruktur mit einer zusätzlichen Funkzellenschicht würde helfen, das Kapazitätsproblem zu lösen. Sehr kleine Funkzellen, die mit niedrigen Sendeleistungen, breiten Funkkanälen und Mechanismen zur dynamischen Interferenzvermeidung ausgestattet sowie direkt an das Glasfasernetz angebunden sind, wären in der Lage, die Nutzer mit sehr hohen Datentransferraten zu versorgen. Das stellt die bisherigen Konzepte für den Netzausbau und für die Spektrumsnutzung in Frage. Aus Sicht von Intel ist es einfacher, ein Telefon aus einem Computer zu machen als umgekehrt. Spätestens seit Einführung des iPhones wurde es offensichtlich, dass das Telefonieren nur eine der vielen Applikationen und die Hauptanwendung das Internet ist. 2
Zum Beispiel Dritter Nationaler IT-Gipfel, Darmstadt, 20.11.2008, http://www.bmwi.de/ BMWi/Navigation/Service/Veranstaltungen/It-Gipfel/publikationen.html
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Die Computerindustrie hat immer ohne administrative oder staatliche Intervention standardisiert und harmonisiert. Sie hat sehr populäre breitbandige Anwendungen entwickelt, hat aber kein Spektrum, um die Computer drahtlos und effektiv zu vernetzen. Den Computern stehen nur 83.3 MHz Spektrum zur Verfügung, um miteinander drahtlos zu kommunizieren. Dieses Spektrum ist lizenzfrei, ungeschützt und überfüllt. Eine umfassende Diskussion wäre notwendig, um die mittlerweile mehr als 10 Jahre alten Mobilfunkkonzepte neu zu definieren. Wir brauchen nicht eine Infrastruktur, die spezifische Applikationen unterstützt, sondern eine, die wirklich breitbandige, drahtlose Internetverbindungen unterstützt. Wie dies traditionell in der Computerindustrie verhaftet ist, sind Technologie- und Serviceneutralität auch die fundamentalen Prinzipien von Intels Spektrumspolitik. Intel ist der Meinung, dass keine Einschränkungen für Applikationen definiert werden sollten, wie dies zum Beispiel für mobiles VoIP noch der Fall ist. Keine Technologien sollen eine bevorzugte Behandlung genießen und keine restriktiven technologischen Limits sollen angewandt werden. Intel bevorzugt Auktionen für Frequenzspektren, weil sie transparenter als andere Vergabemethoden sind und postuliert, dass die Frequenzen 2.3 GHz und 2.6 GHz so schnell wie möglich für Breitbandkommunikation zur Verfügung gestellt werden. Intel ist der Meinung, dass wir alle zusammenarbeiten sollen, um Rahmenbedingungen für den Breitbandmarkt zu entwickeln, die die Nachhaltigkeit und Konkurrenz unterstützen. Zusammenfassend möchte ich festhalten: Das DD-Spektrum ist notwendig, um eine Basisversorgung mit Telekommunikationsapplikationen in der Fläche zu gewährleisten, bietet aber nicht genügend Platz, um hohe Datentransferraten zu ermöglichen. Dafür sind die Spektrumsbänder im Gigahertz Bereich notwendig. Das DD-Spektrum ist sehr nützlich, um den notwendigen Mix von Abdeckung und Datendurchsatz zu erreichen. Somit könnten Grundservices in der Fläche sowie hohe Datendurchsatzraten in den urbanen Gegenden gesichert werden. Dadurch könnte ein weiterer Wachstumsschub der Wirtschaft erreicht werden. Um das zu erreichen sollten die Telekommunikations- und Computerindustrien ihre Kooperation intensivieren.
12 Die Interaktion von Frequenzvergabeverfahren und Wertschöpfungspotenzialen: wie lässt sich der Wert der digitalen Dividende maximieren? Christian Koboldt DotEcon Ltd., London
Bild 1
Der Übergang vom analogen zum digitalen terrestrischen Fernsehen gibt uns die Gelegenheit, über die zukünftige Nutzung der historisch für die analoge Übertragung genutzten Frequenzressourcen nachzudenken (Bild 1). Aufgrund der größeren technischen Effizienz der digitalen Übertragung reicht ein Bruchteil der bisher für die Ausstrahlung benötigten Frequenzen aus, um die terrestrisch verfügbaren Programme weiterhin anzubieten. Die frei werdenden Frequenzen können für die Ausstrahlung zusätzlicher Programme, oder die Entwicklung neuer oder verbesserter
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Christian Koboldt
Rundfunkdienste verwendet werden (wie z.B. die Ausstrahlung von Programmen in High Definition, für die ein Mehrfaches an Bandbreite erforderlich ist). Sie können aber auch für die Bereitstellung einer Vielzahl von anderen Kommunikationsdiensten auf der Basis sehr unterschiedlicher Technologien genutzt werden. Dabei ist das UHF-Band, in dem die bisher für die analoge terrestrische Übertragung genutzten Frequenzen liegen, besonders attraktiv. Die Ausbreitungseigenschaften von Funksignalen im Frequenzbereich unterhalb von einem Gigahertz sind besonders vorteilhaft für die Abdeckung innerhalb von Gebäuden, und erlauben die Verwendung großer Funkzellen, was wiederum einen flächendeckenden Netzausbau und die Versorgung weniger dicht besiedelter Gebiete ökonomisch attraktiv macht. In der Tat sind eine ganze Reihe potenzieller Nutzer an Frequenzen im UHF-Band interessiert, wie z.B.: • Rundfunkanbieter, die die zusätzliche Übertragungskapazität für die Ausweitung des terrestrisch verfügbaren Programmangebotes nutzen wollen, oder die sich vor dem Risiko schützen wollen, durch Frequenzknappheit in der Entwicklung neuer Dienste eingeschränkt zu sein; • Mobilfunkbetreiber, die sich zusätzliche Kapazität für ihre Netze versprechen, oder die hoffen, durch die Kostenvorteile beim Netzausbau neue Dienste (z.B. auf der Basis von LTE) anbieten und einen größeren Teil der Bevölkerung mit mobilen Kommunikationsdiensten versorgen zu können; • Anbieter von Breitbanddiensten (z.B. auf der Basis von WiMax Standards), die ebenfalls an den relativ attraktiven Propagationscharakteristika der verfügbaren Frequenzen interessiert sind; • Nutzer, die mobile Fernsehdienste (z.B. auf der Basis von DVB-H) anbieten wollen; oder • Nutzer von drahtlosen Mikrofonen, in-ear Monitore, etc., die bisher in dieses Band gemeinsam mit den Rundfunkanbietern genutzt haben. Darüber hinaus besteht ein potenzielles – wenn auch bisher wenig artikuliertes – Interesse von Nutzern von Sensorik-Anwendungen, die in der Zukunft auf drahtlose Kommunikation zwischen Sensoren und Mess-Stationen, zum Teil über weite Distanzen oder unter schwierigen Umständen, angewiesen sind (z.B. in der Gebäudeautomatisierung oder der automatischen Überwachung des Zustandes von Verkehrswegen). Insgesamt scheint ein deutlicher Nachfrageüberschuss für die frei werdenden Frequenzen zu bestehen, und es stellt sich – zumindest im Prinzip – die Frage, wie die potenzielle Nutzungskonkurrenz entschieden werden soll.
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Die Interaktion von Frequenzvergabeverfahren und Wertschöpfungspotenzialen
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Bild 2
Wie sollte die Nutzungskonkurrenz um das UHF-Band entschieden werden? Eine mögliche Antwort auf diese Frage ist natürlich, dass die Entscheidung bereits gefallen sei, weil bestehende Besitzansprüche nicht einfach durch technische Entwicklungen ausgehebelt werden (Bild 2). Wo aber eine Neuverteilung möglich ist – etwa weil bisherige Frequenznutzer, wie z.B. das Militär, ihren Anspruch auf bestimmte Frequenzen aufgeben, oder die historische Nutzung nicht automatisch Eigentumsrechte an Frequenzen impliziert – ist die Frage akut, und entscheidend für den Wert der Digitalen Dividende. Der gesamtwirtschaftliche Wert der Digitalen Dividende ist am größten, wenn diejenigen Nutzungen und Nutzer Zugang zu den Frequenzen erhalten, die den größten Mehrwert für die Gesellschaft erzeugen.
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Christian Koboldt
Bild 3
Weil die Bewertung verschiedener alternativer Nutzungen im Rahmen eines administrativen Vergabeverfahrens aufgrund von Informationsasymmetrien und Unsicherheit regelmäßig schwierig ist, haben sich im Lauf der Jahre marktbasierte Verfahren zur Vergabe von Frequenzen durchgesetzt: die Zuteilung von Frequenzen durch Versteigerungsverfahren ist mittlerweile gängige Praxis in einer Reihe von Ländern (Bild 3). Der Vorteil solcher Verfahren besteht darin, dass potenzielle Frequenznutzer im Allgemeinen viel besser darüber informiert sind, welche Wertschöpfungspotenziale ihre geplante Nutzung jeweils zu realisieren vermag.1 Vorausgesetzt dass die individuelle Zahlungsbereitschaft von Bietern ein unverzerrter Ausdruck dieser individuellen Wertschöpfungspotenziale ist, kann man erwarten, dass diejenigen Nutzer in einem Versteigerungsverfahren zum Zuge kommen, die durch ihre Nutzung den größten Wert realisieren können. Dies ist der Fall in einem wettbewerblichen Versteigerungsverfahren, in dem Bieter auf einem ‚level playing field’ miteinander konkurrieren, was zum Beispiel heißt, dass alle Bieter den gleichen Substitutions- und Aggregationsrisiken ausgesetzt sind. 1
Ähnliche Argumente sprechen auch dafür, dass Frequenzen in einem Sekundärmarkt handelbar sein sollten. Ineffizienz in der Primärzuteilung oder aufgrund sich ändernder technischer Rahmenbedingungen schafft profitable Tauschmöglichkeiten, und durch den Handel werden solche Ineffizienzen beseitigt.
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Die Interaktion von Frequenzvergabeverfahren und Wertschöpfungspotenzialen
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Damit Versteigerungen von Frequenzen zu einer Frequenzzuweisung führt, die den gesamtgesellschaftlichen Wert der Frequenznutzung maximiert, muss allerdings eine weitere Annahme erfüllt sein: das von den jeweiligen Nutzern realisierbare Wertschöpfungspotenzial, von dem die individuelle Zahlungsbereitschaft abgeleitet ist, muss in einer über alle potenziellen Nutzer identischen Art und Weise mit dem gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfungspotenzial verknüpft sein. Nur dann ist sichergestellt, dass ein Zuweisungsverfahren, das die Ressourcen an die höchsten Bieter vergibt, tatsächlich auch den Nutzern Zugang zu Frequenzen gewährt, die den höchsten Wert für die Gesellschaft insgesamt generieren.
Bild 4
Das heißt, dass marktbasierte Frequenzvergabeverfahren dann zu einer Maximierung des gesamtgesellschaftlichen Werts der zu vergebenden Frequenzen führen, wenn sichergestellt ist, dass: a) die individuelle Zahlungsbereitschaft von potenziellen Bietern ein unverzerrtes Signal ihres jeweiligen individualwirtschaftlichen Wertschöpfungspotenzials ist und b) individualwirtschaftliche Wertschöpfungspotenziale der unterschiedlichen Nutzer ein unverzerrtes Signal ihres jeweiligen gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfungspotenzials sind.
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Christian Koboldt
Beide Annahmen sind unproblematisch, wenn es um die Vergabe von Frequenzen geht, die für einen spezifischen Dienst (oder eine Reihe von sehr ähnlichen Diensten) auf der Basis einer bestimmten Technologie (oder sich sehr ähnlichen Technologien mit vergleichbaren Frequenzanforderungen und Störpotenzialen) geeignet sind. Wo aber sehr unterschiedliche Nutzer auf der Basis sehr unterschiedlicher Technologien miteinander konkurrieren, sind beide Annahmen kritisch zu überprüfen. Im Bezug auf die potenziellen Nutzungen des UHF-Bandes ist folgendes festzustellen: Die Frequenzanforderungen der unterschiedlichen Technologien sind zum Teil extrem unterschiedlich (Bild 4). Rundfunkdienste benötigen z.B. 8 MHz Kanäle, während Mobilfunkanwendungen auf der Basis von UMTS beispielsweise 5 MHz Kanäle benötigen, die aber gepaart sein müssen. TDD Anwendungen benötigen ungepaarte Frequenzen, brauchen aber möglicherweise eine Mindestausstattung von mindestens 20 MHz um effizient zu funktionieren. Low-power Anwendungen sind möglicherweise überhaupt nicht an eine bestimmte Kanalbreite gebunden. Die Störpotenziale sind ebenfalls sehr unterschiedlich, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Endnutzergeräte für mobile Anwendungen eben an einer Vielzahl von Orten eingesetzt werden. Das bedeutet, dass ein Versteigerungsverfahren, in dem beispielsweise Frequenzen in bestimmten Paketen angeboten werden, unterschiedliche Bieter zum Teil sehr unterschiedlichen Risiken aussetzen oder bestimmte Nutzer bevorzugen. Beispielsweise würde eine Versteigerung von individuellen Frequenzblöcken von 8 MHz potenziellen Rundfunknutzern entgegenkommen, aber Mobilfunkbetreiber oder Breitbandanbieter benachteiligen. Individuelle 5 MHz-Blocks würden Mobilfunkanbieter dem Risiko aussetzen, keine entsprechend gepaarten Frequenzen zu erhalten, usw.
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Bild 5
Es ist nicht automatisch davon auszugehen, dass die Unterschiede in den individuellen Wertschöpfungspotenzialen verschiedener Nutzer deren relativen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfung widerspiegeln. Es gibt in der Tat eine Reihe von Gründen, warum dies nicht der Fall ist (Bild 5). Zum Beispiel: • Unterschiedliche Nutzungen beruhen auf unterschiedlichen Geschäftsmodellen, die ihrerseits wiederum die Unterschiede in den zugrunde liegenden Dienstleistungen widerspiegeln. Der gesamtgesellschaftliche Wert von Rundfunkdiensten mag zum Beispiel am größten sein, wenn diese Dienste frei verfügbar sind: da Rundfunkdienste nicht rivalisierend genutzt werden können2, wäre der Ausschluss von Nicht-Zahlern mit Wohlfahrtseinbussen verbunden. Dies ist in der Tat der Fall für gebühren- und werbefinanzierte Rundfunkdienste (d.h. ‚free-toair’ TV). Solche Geschäftsmodelle sind aber möglicherweise mit geringeren Gewinnpotenzialen verbunden als Geschäftsmodelle mit direkten Zahlungen von Endnutzern, d.h. das individuelle Wertschöpfungspotenzial ist ein kleinerer Pro-
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Nicht-rivalisierende Nutzbarkeit ist das Kennzeichen eines so genannten ‚öffentlichen Gutes‘: die Versorgung eines zusätzlichen Endnutzers verursacht keine zusätzlichen Kosten und hat keinerlei negativen Einfluss auf die Versorgung anderer Nutzer.
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zentsatz des gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfungspotenzials als dies für andere Dienste der Fall ist. • Unterschiedliche Nutzungen führen in unterschiedlichem Ausmaß zu externen Nutzen oder Kosten, die definitionsgemäß nicht in ihren jeweiligen individuellen Wertschöpfungspotenzialen enthalten sind. Der Wert des Beitrages, den Rundfunkdienste zur Förderung von Pluralismus und Meinungsfreiheit leisten, ist beispielsweise nicht in der Zahlungsbereitschaft der einzelnen Endnutzer (und sicherlich nicht in der Zahlungsbereitschaft von Webekunden) enthalten. Der Wert, den die flächendeckenden Verfügbarkeit von Breitbanddiensten für die Gesellschaft schafft, weil z.B. Wirtschaftsansiedelungen besser verteilt sind, oder weil die universelle Verfügbarkeit von breitbandigen Kommunikationsnetzen die Entwicklung neuer Dienstleistungen ermöglicht, ist nicht in der Zahlungsbereitschaft der einzelnen Breitbandnutzer enthalten, usw. Solche Faktoren führen unter Umständen zu Regulierungsauflagen (wie z.B. eine Universaldienstverpflichtung), die ihrerseits Kosten verursachen, und in dem Masse, in dem sich nicht entsprechend abgegolten werden, die Lücke zwischen gesamtgesellschaftlichem und individuellem Wertschöpfungspotenzial weiter vergrößern.
Bild 6
Aus der Tatsache, dass das UHF-Band hervorragend für die Bereitstellung einer Vielzahl von Diensten auf der Basis unterschiedlichster Technologien geeignet ist, erwachsen bestimmte Komplikationen (Bild 6). Der Wert der digitalen Dividende hängt entscheidend davon ab, dass die Frequenzen an diejenigen Nutzer vergeben
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Die Interaktion von Frequenzvergabeverfahren und Wertschöpfungspotenzialen
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werden, die die größten Wertschöpfungspotenziale aufweisen. Gleichzeitig sind marktbasierten Vergabeverfahren (wie etwa Versteigerungsverfahren), die normalerweise eine solche Frequenzzuweisung garantieren, möglicherweise mit Problemen behaftet, die daraus resultieren, dass potenzielle Nutzungen zum Teil extrem unterschiedlich sind, und daher die Annahme, dass individuelle Zahlungsbereitschaft potenzieller Nutzer als unverzerrter Indikator ihres gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungspotenzials angesehen werden kann, nicht unbedingt automatisch erfüllt ist. Die potenzielle Divergenz von individuellen Wertschöpfungspotenzialen und Zahlungsbereitschaft aufgrund unterschiedlicher Frequenzanforderungen der diversen Technologien sowie unterschiedlicher Störpotenziale lässt sich dabei durch die Wahl eines geeigneten Auktionsformats adressieren. Die Tatsache, dass unterschiedliche Bieter Frequenzen in sehr unterschiedlichen Paketen benötigen, spricht für die Wahl einer kombinatorischen Auktion, in der Bieter flexibel auf die von ihnen benötigten Pakete bieten können, ohne Gefahr zu laufen, eine für sie letztlich nutzlose Kombination von Frequenzen zu gewinnen. Eine ‚combinatorial clock auction’, wie z.B. von Ofcom für die geplante Vergabe von Frequenzen im 2,6 GHZ Band vorgesehen, scheint geeignet, um unterschiedlichste Technologien miteinander um knappe Frequenzen konkurrieren zu lassen. Die potenzielle Divergenz von individuellen und gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfungspotenzialen dagegen ist nicht (nur) durch die Wahl eines geeigneten Auktionsformats zu lösen. Dafür sind weiter reichende Entscheidungen nötig, z.B. darüber, ob (und in welchem Umfang) bestimmte Frequenzen bestimmten Diensten vorbehalten sein sollen, welche Regulierungsauflagen an bestimmte Dienste gemacht werden sollten, und wie diese gegebenenfalls zu finanzieren und abzugelten sind. Diese Entscheidungen sind nicht einfach. Zusätzliche Komplikationen ergeben sich dadurch, dass solche Entscheidungen vor dem Hintergrund zu treffen sind, dass sich aus einer harmonisierten Frequenznutzung in Europa möglicherweise erhebliche Vorteile ergeben können (etwa im Hinblick auf Verfügbarkeit von Endgeräten oder Netzwerktechnologien, die umso eher auf den Markt kommen, und deren Kosten umso geringer sind, je größer die kritische Masse potenzieller Nutzer ist), die Ausgangssituation in den einzelnen Mitgliedsstaaten aber sehr unterschiedlich ist (beispielsweise im Hinblick auf die Rolle, die die terrestrische Übertragung von Fernsehprogrammen derzeit spielt). Diese Schwierigkeiten sollten aber nicht davon ablenken, dass der Wert der Digitalen Dividende davon abhängt, wie die frei werdenden Frequenzen künftig genutzt werden.
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13 Podiumsdiskussion Wem kommt die Digitale Dividende zugute? Leitung: Dr. Karl-Heinz Neumann WIK GmbH Teilnehmer: Dr. Iris Henseler-Unger, Bundesnetzagentur, Bonn Dr. Walter Konhäuser, Nokia Siemens Networks GmbH, Berlin Helwin Lesch, Bayerischer Rundfunk, München Uwe Löwenstein, Telefonica O2 Germany GmbH, München Dr. Tobias Schmid, Verband Privater Rundfunk u. Telemedien e.V., Berlin Harald Stöber, Arcor Verwaltungs-AG, Eschborn Dr. Neumann: Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen zunächst unsere Runde kurz vorstellen. Neben mir sitzt Frau Dr. Henseler-Unger, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur. Jedes weitere Wort der Vorstellung erübrigt sich. Herr Dr. Konhäuser kommt aus dem Hause Nokia Siemens und dort aus dem Wireless-Bereich in verantwortlicher Tätigkeit seit einer ganzen Reihe von Jahren. Dann darf ich Herrn Uwe Löwenstein begrüßen. Er vertritt heute die Telefonica Europe, nicht nur die Telefonica Deutschland, und ist dort verantwortlich für Frequenzaktivitäten, für Spektrummanagement, Frequenzkoordinierung und alle Fragen, die damit zusammenhängen. Als nächsten darf ich Herrn Dr. Tobias Schmid begrüßen. Er vertritt das Haus RTL und ist dort für Medienpolitik und medienrechtliche Fragestellungen zuständig. Dann begrüße ich Herrn Harald Stöber aus dem Hause Vodafone/Arcor und Ihnen allen noch bekannt aus seiner langjährigen Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender von Arcor. Last but not least darf ich Herrn Helwin Lesch begrüßen. Er ist Leiter der Hauptabteilung Programmdistribution im Bayerischen Rundfunk und blickt auf eine lange Karriere im Bereich der Medien zurück. Herzlich willkommen in unserem Kreis. Frau Henseler-Unger, meine Herren, ich würde sagen, wir beginnen mit einem kurzen Einleitungsstatement Ihrerseits zu unserer Dachfrage. Die Dachfrage, die für unsere Podiumsdiskussion ausgesucht wurde, heißt: Wem kommt die Digitale Dividende zugute? Wir können noch ein wenig das Wortspiel treiben und fragen, wem sollte sie zugute kommen, und diesen Aspekt mitbeleuchten. Wir könnten auch das heute viel zitierte Wort von der möglichen Win-Win- Situation, der wir
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Leitung: Karl-Heinz Neumann
uns gesamtwirtschaftlich vielleicht gegenübersehen, auch noch mit beleuchten und die Frage stellen: Wann würden wir denn die so wichtige Win-Win-Situation im Umgang mit der Digitalen Dividende erreichen? Im zweiten Teil würden wir einige Fragen hier im Podium vertiefen und im dritten Teil ist Gelegenheit für Sie, meine Damen und Herren, Ihre Fragen an das Podium zu richten, auch mit Themen, die wir heute morgen angerissen aber noch nicht ausdiskutiert haben. Frau Dr. Henseler-Unger, würden Sie so freundlich sein und den Anfang machen? Dr. Henseler-Unger: Ja, gerne. Woher wussten Sie, dass auf meinem Stichwortzettel als erstes das Wort Win-Win- Situation steht? Das ist ein Begriff, der heute sehr häufig gefallen ist und ich bin auch zutiefst überzeugt, dass wir eigentlich eine Win-Win- Situation vor Augen haben, wenn wir uns denn zu einer kooperativen Lösung bereit finden. Eine Win-Win- Situation einfach, weil die Digitale Dividende eine Entwicklungsperspektive für den Rundfunk bietet, weil sie gleichzeitig dem Mobilfunk (oder anderen Mobilfunkanwendungen, damit das Wort Mobilfunk nicht nur auf die vier Unternehmen bezogen ist,) die Möglichkeit bietet, auch eine mobile Funkversorgung breitbandig im ländlichen Raum zur Verfügung zu stellen, und zusätzlich damit dem Rundfunk die Perspektive eröffnet, über das Internet im ländlichen Raum auch seine Angebote zugängig zu machen. Gewinner sollte eigentlich der Bürger sein, der Bürger in den ländlichen Regionen, und die Unternehmen in den ländlichen Regionen, die Mittelständler, die dringend auf eine breitbandige Anschlusstechnologie angewiesen sind. Was brauchen wir? Ich glaube, vor allen Dingen brauchen wir Planungssicherheit. Diese Konferenz wird sicherlich dazu beitragen, dass die Ideen, wie man mit der Digitalen Dividende umgeht, konvergieren. Endresultat sollte aus meiner Sicht eine politische Festlegung sein, vielleicht durch die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung dann politisch auch fixiert, welcher Bereich für die verschiedenen Anwendungen zur Verfügung steht. Wenn wir dann die Planungssicherheit haben, werden sowohl der Rundfunk und die Mikrofonhersteller die technologischen Möglichkeiten nutzen können, als auch die Mobilfunker Geschäftsmodelle entwickeln können. Ich glaube, die Grundvoraussetzung ist die Schaffung dieser Klarheit, Planungssicherheit für beide Seiten. Dr. Neumann: Vielen Dank für die klaren Worte, Frau Dr. Henseler-Unger. Herr Dr. Konhäuser, würden Sie fortfahren und auch die Frage aufgreifen, wann sich denn ein Hersteller von Technik in diesem Bereich in einer Win-Win- Situation mit anderen Marktbeteiligten sehen würde?
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Dr. Konhäuser: Erstmal möchte ich dem Münchner Kreis danken, dass wir als Nokia Siemens Networks die Möglichkeit haben, auch unsere Position hier vorzutragen. Wir als Mobilfunk Equipment Hersteller sind natürlich interessiert, dass neue Frequenzen entstehen, worauf auch neue Geschäfte aufgebaut werden können. Ich glaube, man kann sagen, die Frequenzen sind eine natürliche Ressource, die einer Volkswirtschaft sinnvoll zur Verfügung stehen muss. Die Volkswirtschaft muss selbst entscheiden, wofür sie sie am besten für ihre Bürger einsetzt. Es wurden schon Beispiele genannt, gerade die ländliche Bevölkerung oder auch die Unternehmen, die in ländlichen Bereichen ansässig sind, brauchen breitbandigen Zugang für ihr Business genauso wie die Firmen, die in den Großstädten ansässig sind. Wir als Hersteller von Carrier Equipment, sind der Meinung, dass es in Zukunft nicht nur mehr einen Kanal geben wird. Es wir viele Kanäle geben, wo man den Menschen Informationen mit mediengerechter Aufbereitung zuführen kann. Wir sind überzeugt, dass das Internet eine wesentlich größere Rolle in Zukunft spielen wird als es heute ist. Wir glauben weiter, dass gerade in den städtischen Bereichen vieles auch in Richtung ‚Fibre to the Home’ in den nächsten Jahren aufgebaut werden wird. Wenn man sich manche asiatische Metropole anschaut, hat man damit schon begonnen. Nichtsdestoweniger zum Trotz wird es auch eine mobile breitbandige Versorgung geben müssen. Und wenn jetzt durch den technologischen Fortschritt Frequenzen in einem Bereich nicht mehr gebraucht werden, es wird hier niemand etwas weggenommen, sondern wir haben plötzlich mehr gewonnen, so sind diese volkswirtschaftlich sinnvoll einzusetzen. Schlimmer wäre die Situation, wenn durch die Digitalisierung plötzlich mehr Frequenzen gebraucht würden und man sich darum streiten müsste, wer was abgeben muss. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir „Frequenzen“ dazu gewinnen. Aus dieser Sicht sollte eigentlich eine Einigung rasch herbei zu führen sein. Wir als Mobilfunker wollen, dass auf den World Radio Conference (WRC-07) Entscheidungen aufgesetzt wird und dass DVB-H in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Deshalb muss DVB-H auch in dem frei werdenden Bändern mit untergebracht werden. Wir sind weiter der Meinung, dass die Entscheidung um die Frequenzvergabe relativ rasch fallen sollte, um, wie bereits erwähnt, sichere Planungsverhältnisse zu bekommen. Dr. Neumann: Vielen Dank, Herr Konhäuser. Herr Löwenstein, die Mobilfunker und das Nutzungsinteresse der Mobilfunker an Teilen des UHF-Bandes ziehen sich heute durch den ganzen Tag. Haben Sie schon gewonnen? Herr Löwenstein: Ich denke „Wir haben schon gewonnen“ – und damit zuerst ein herzliches Grüß Gott von meiner Seite. Wir haben schon damit gewonnen, dass wir dieses Thema in dieser Runde und in der Intensität heute noch einmal diskutieren können, weil es letztendlich wie schon gesagt keinen einzelnen Gewinner geben wird, sondern es
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wird der Bürger sein, der mit den entsprechenden Breitbanddiensten versorgt werden wird. Es wird der Rundfunk sein, dem nach wie vor die Entwicklungsmöglichkeiten gegeben und auch gelassen werden. Es werden natürlich auch die Mobilfunker sein, die darauf basierende Geschäftsmodelle implementieren können. Insofern sind wir teilweise schon der Gewinner, dass wir heute alle zusammen sitzen. Ich möchte vielleicht ganz kurz den heutigen Vormittag noch Revue passieren lassen. Es wurden mehrere Themen adressiert, welche Probleme es noch gibt. Ich bin der Auffassung, dass diese Probleme, die besprochen wurden, lösbar sind und bin auch gerne bereit, in der folgenden Diskussion darauf einzugehen, wie es mit Interferenzproblemen und Migrationsszenarien aussieht. Wenn wir hier alle wollen und auch das entsprechende Signal an die Politik sowie an die Wirtschaft geben, wird jeder von der Digitalen Dividende profitieren. Dr. Neumann: Also, es ist nur noch eine Frage des Wollens. Herr Schmid, wenn Sie die Blickrichtung des privaten Rundfunks Ihres Hauses einnehmen, wann würden Sie sich bei welchem Ergebnis dieser Debatte und der Entscheidungen auch als jemand empfinden, der gewonnen hat? Dr. Schmid: Die Frage ist schwer zu beantworten, weil sie schon in der Fragestellung schwierig ist. Der Rundfunkveranstalter selbst hat ja keine unmittelbare Geschäftsbeziehung zu einem Zuschauer. Insofern ist die Frage viel schwerer zu beantworten, weil sie sich nicht auf das rein Ökonomische reduzieren lässt wie bei den Kollegen im Telekommunikationsbereich. Bei der Frage, wem die Digitale Dividende zugute kommt, lässt sich zunächst einmal feststellen, dass wir uns da von Brüssel in die Ecke drängen lassen. Die Digitale Dividende nach Brüsseler Verständnis ist ja schon jemandem zugute gekommen. Wir sind ja angesichts des längst vollzogenen Umstiegs von analoger auf digitale Fernsehtechnologie im Bereich der Terrestrik, und zwar als einer der ersten in Europa überhaupt, in der Lage, dass wir die Bevölkerung eben nicht mehr mit einer sehr eingeschränkten Anzahl von Fernsehprogrammen versorgen sondern mit einer wesentlich größeren Anzahl von Fernsehprogrammen. Das ist zumindest für den Zuschauer ein Mehrwert, der ihm schon zugute gekommen ist. In dem Zusammenhang sei nur in Erinnerung gerufen: der Umstand, dass wir eine Digitale Dividende haben, resultiert zunächst einmal daraus, dass die Rundfunkveranstalter die analoge terrestrische Verbreitung aufgegeben haben und darüber überhaupt ein entsprechendes Frequenzspektrum jetzt zur Diskussion steht. Wann wäre ich zufrieden? Ich wäre dann zufrieden, wenn die Diskussion versuchtund ich habe den Eindruck, dass es in diese Richtung geht –, die beiden sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen miteinander zu vereinbaren. Auf der einen Seite nutzt der Rundfunk terrestrische Frequenzen eben nicht unter rein ökonomischen Gesichtspunkten, sondern als Ausdruck seiner Aufgabe. Das gilt in diesem Fall für
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die Kollegen vom öffentlich-rechtlichen ebenso wie für uns. Und es geht auf der anderen Seite um die Ermöglichung von zukünftigen Geschäftsmodellen für andere Industrien. Wenn man das in die richtige Wertung zueinander bringt, glaube ich in der Tat auch, dass wir uns allmählich auf einen Lösungskorridor zu bewegen, dessen große Kunst darin liegt, dass man sozusagen das Grundsätzliche und das Pragmatische so miteinander vereinbart, dass es sich nicht gegenseitig ausschließt, aber auch akzeptiert, dass beides dazugehört. Für die Rundfunkveranstalter ist die grundsätzliche Überlegung, dass die Nutzung dieser Frequenz für den Rundfunk zunächst mal vorrangig zu gewähren ist, weil das ein Teil seines Auftrages ist, ein Punkt, der eben generell geklärt werden muss. Wenn man das geklärt hat, kommt man zur Frage: was braucht der Rundfunk dafür eigentlich? Der Status quo und die Entwicklungsmöglichkeiten – das ist heute mehrfach angesprochen worden. Im Anschluss daran kommt man dann zu der Frage: was passiert mit dem Teil des Spektrums, der durch den Rundfunk nicht benötigt wird? Da kommt man in der Tat zu dem Punkt, dass man sagt, warum soll der nicht durch andere Industrien gegebenenfalls genutzt werden können? Der Rundfunk hat dabei deswegen Vorrang, weil es eben keine rein ökonomische Überlegung ist. Oder ist es eine, bei der auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung wahrgenommen werden muss, denn das kann nach unserer Überzeugung nur dazu führen, dass eine andere Industrie auf Frequenzen zugreift, die bisher für ein Gemeingut, nämlich Rundfunk, zur Verfügung standen. Da sind wir dann bei der Frage der Breitbandversorgung ländlicher Regionen. Hier kann man sich fragen, ob so etwas konditioniert vergeben werden muss, ob es verpflichtend oder nicht ist und inwieweit hier Geschäftsmodelle mit einem Versorgungsanspruch kollidieren. Lassen Sie mich damit schließen: wenn wir diese Logik durchschreiten – und das scheint mir im Moment der Weg zu sein, auf dem man sich annähert – und wir dabei außerdem beachten, dass es – und da möchte ich meinem Vorredner widersprechen – sehr wohl noch Probleme gibt, die wir lösen müssen, wenn wir also diese beiden Technologien oder die beiden Nutzungsformen miteinander verbinden, zu wessen Lasten geht das eigentlich? Zu den Problemen sei gesagt, dass wir z.B. die Frage des Umgangs mit Interferenzen vorher gelöst haben müssen, denn das Problem zu negieren, macht keinen Sinn. Ganz vereinfacht gesagt: wenn wir aus der einen Wohnung ausziehen, bezahlt der alte oder der neue Mieter den Umzug? Da sind noch einige Fragen, die geklärt werden müssen, wenn man sich fair zueinander verhalten will. Aber wenn wir das in einer geordneten Form absolvieren, werden wir wahrscheinlich am Ende einigermaßen zufrieden sein. Dr. Neumann: Vielen Dank, Herr Schmid. Herr Stöber, wie würden Sie die Antwort auf unser Leitthema geben?
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Herr Stöber: Wir haben hier alle möglichen Vertreter von verschiedensten Organisationen. Bei mir steht natürlich ein bisschen mehr das Festnetz im Vordergrund, bei anderen der Mobilfunk oder das Fernsehen. Nur eine Partei fehlt hier am Tisch komplett, der Verbraucher. Es sei Ihnen verziehen. Herr Schmid, Sie haben gerade von den ethischen Notwendigkeiten und verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten des Rundfunks gesprochen. Ich glaube, wir sollten heute hier einen Gewinner haben, den Verbraucher. Wenn Sie mit Menschen in den ländlichen Gebieten reden, dann ist das Interesse Breitband zu bekommen enorm hoch. Die Leute klagen alle nicht darüber, dass sie kein Fernsehen haben. Die Leute haben ihre Satellitenantennen auf dem Dach. Aber sie haben kein Breitband. Das fängt damit an, dass der Schüler benachteiligt ist, weil er im Prinzip seine Schulaufgaben mit Internetunterstützung nicht zuhause machen kann sondern bei Freunden. Es geht damit weiter, dass im Prinzip die ältere Generation, die sich auf Mails abstützt und im Internet auch einkaufen will, es nicht so machen kann wie das zum Beispiel in einer Stadt möglich ist. Wenn ich dann das Interesse bei uns – also bei der Vodafone-Gruppe sehe, haben wir natürlich auch in den Städten Frequenzbedarf für Datenkommunikation. Wir haben aber auch als Unternehmensgruppe immer herausgestellt, dass wir bereit sind, jegliche Frequenzauflage zu akzeptieren, dass wir zuerst in ländlichen Gebieten ausbauen müssen, um genau diese weißen Flecken zu lösen. Um jetzt auch den Konsens zu finden; ich glaube, wenn wir ein Frequenzsegment finden, wie häufig auch schon andiskutiert, von 790 bis 862 MHz, in dem Breitbandkommunikation von 3 Mbit/s, eventuell bis 4 Mbit/s, in diesen Versorgungsgebieten ermöglicht wird, wären wir ein Stück weiter. Da sind die Abstriche, die das Fernsehen machen muss, mit der Anzahl der Programme auf dem übrigen Frequenzbereich, im Prinzip machbar. So könnten wir hier zu einer 3 Parteien Win-WinSituation kommen, sprich: den Verbraucher, die Geschäftsmodelle der Telekommunikationsanbieter und die der Fernsehanstalten. Dr. Neumann: Ja, Herr Lesch, was würden Sie sagen? Was sind die Schritte, die wir durchlaufen müssen, und welches Ergebnis würde jetzt auch den öffentlichen Rundfunk als jemand stellen, der sich am Ende besser fühlt als heute? Herr Lesch: Zunächst muss ich sagen, ich glaube, niemand hat mehr Verständnis für Versorgungsziele auf dem flachen Land als der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Schließlich sind wir als öffentlich-rechtlicher Rundfunk auch mit entsprechenden Zielsetzungen ausgestattet und haben die zu erfüllen. Wir erfüllen die auch. Wir haben gestern die analoge Ära des terrestrischen Fernsehens beendet, interessanterweise am Ochsenkopf. Wer gerade aus den neuen Bundesländern diesen Sendestandort kennt, weiß, was die terrestrische Versorgung während der Zeitdauer der Teilung Deutschlands hier für eine Rolle gespielt hat. Wir finden es gut, dass jetzt mit dem Rundfunk gesprochen wird, nachdem wir lange Zeit feststellen mussten, dass eher
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über uns gesprochen wurde. Wir haben auch deswegen diese Veranstaltung mit initiiert, weil es wirklich wichtig ist, dass wir Planungssicherheit für alle Beteiligten herstellen. Das heißt aber auch realistische Betrachtung der Zeitachsen über die möglichen Veränderungen. Für uns ist entscheidend, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk oder der Rundfunk generell Entwicklungspotenziale behält. HDTV wurde schon genannt. Viel näher liegt noch MPEG-4 über die Antenne; letzten Endes ein Rangierbereich, der notwendig ist, um das Antennenfernsehen nicht als „Arme-Leute-Fernsehen“ auf die Dauer ins Abseits zu drängen, sondern modern halten zu können. Notwendig ist darüber hinaus, dass die Interferenzen wirklich sorgfältig untersucht werden. Da bin ich wieder bei den Verbraucherinteressen, 16 Mio. DVB-T Empfänger müssen einfach weiter funktionieren. Das interessiert auch die Menschen auf dem flachen Land. Die Drahtlosmikrofonfragen müssen gelöst werden. Viele Produktionen, die wir alle als Zuschauer kennen und schätzen, wären gar nicht denkbar ohne funktionierende Drahtlosmikrofone. Unser Problem ist, dass der Frequenzbereich 21 bis 60, den wir als unseren absoluten Kernbereich betrachten, dafür bereits nicht mehr ausreicht, so dass da andere Lösungen gefunden werden müssen. Wichtig ist, wenn wir an Veränderungen gehen, dass die Bundesnetzagentur dem dadurch entstehenden Koordinierungsdruck aus dem Ausland – auch Belgien, Dänemark oder andere Nachbarstaaten werden Neuverhandlungen mit Deutschland fordern –, massiv entgegentritt. Und dann – jetzt bin ich wieder bei der Versorgungsauflage für den ländlichen Raum – wird es auch darum gehen, wenn wir etwas abgeben müssen, dann auch mit geeigneten Auflagen sicherzustellen, dass die Bevölkerung auch wirklich im ländlichen Raum von diesen Dingen profitiert. Da gibt es Möglichkeiten, das auch festzulegen. Die OECD hat Definitionen darüber gefunden, was als ländlicher Raum zu verstehen ist und ich denke, darauf sollten wir es dann auch wirklich erst einmal begrenzen. Noch einmal: Bestandssicherung für den Rundfunk in den Kanälen 21 bis 60 exklusiv und zum zweiten geeignete Auflagen, um sicherzustellen, dass auch wirklich die Landbevölkerung ausschließlich davon profitiert. Dr. Neumann: Vielen Dank, Herr Lesch. Das war sehr konkret. Ich würde jetzt gern ein paar Ihrer Punkte, die Sie in Ihren Statements gemacht haben, aufgreifen und gern vertiefen wollen. Herr Konhäuser, Realismus und Technik – wir haben heute Morgen verschiedene Statements dazu gehört, welche Technik im oberen UHF-Band für Breitbandzugang eingesetzt werden kann. Es kam verschiedentlich auch die Frage auf, wann diese Technik verfügbar ist? Was ist Ihre Perspektive und Antwort? Dr. Konhäuser: Wir haben heute erfolgreich UMTS im Feld, auch bereits die zweite Generation mit HSPA und wir sind dabei, LTE zu entwickeln und in Trials zu erproben. Wie Sie vielleicht in der Presse gelesen haben, haben wir in Japan mit einem großen Betreiber auch schon ein Pilotprojekt gestartet. Im nächsten Jahr werden Sie sehen, ist LTE von mehreren Herstellern verfügbar. Bezüglich WiMAX können wir uns
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auch vorstellen, dass man durchaus in dieses Band WiMAX Applikationen einbringt, wenn in Europa dafür ein Businessplan entwickelt werden kann. Wir sehen aber, dass LTE die Technologie ist, die der zweiten und dritten Generation der mobilen zellularen Systeme folgen wird. Dr. Neumann: Verstehe ich Sie richtig? Wenn wir eine zügige Lizenzvergabe hätten, nehmen wir hier das Jahr 2009 an, dann sehen Sie, dass diejenigen, die dann als Netzbetreiber tätig wären, im Jahre 2010 mit Technik von Ihnen und anderen Herstellern rechnen können? Dr. Konhäuser: Wir werden im Ausland schon im nächsten Jahr die ersten Systeme liefern. Die Industrie, die diese Geräte und Systeme herstellt, ist für einen relativ raschen Einsatz gerüstet. Dr. Neumann: Das hört sich viel versprechend an. Vertiefen wir doch einmal die noch zu lösenden Probleme und wie sie lösbar sind. Frau Henseler-Unger, Sie haben eine Reihe von Mandatshinweisen auch heute aufnehmen können, gerade auch zur internationalen Grenzkoordinierung. Wann sehen Sie jetzt dort die richtige Schrittfolge einleitbar, welche Probleme sehen Sie dort ab und wie schnell sehen Sie diese als lösbar an Dr. Henseler-Unger: Vielleicht vorab die Bemerkung, ich glaube, dass die Programme, die im Augenblick im europäischen Ausland aufgelegt werden, uns unter Druck setzen, uns auch in Deutschland darauf zu verständigen, dass wir den Bereich über 790 MHz bis 862 MHz eben auch für Mobilfunkanwendungen nutzen sollten. Wenn Sie sich Frankreich ansehen, kann ich mir nicht vorstellen, dass man groß ein Programm verkündet zur Breitbandversorgung im ländlichen Raum und das an der Grenzkoordinierung in Deutschland scheitern lassen wird. Ich glaube, wir sind da unter Handlungsdruck und sollten uns dem Handlungsdruck stellen, in dem Sinne, dass wir ihn positiv auflösen, indem wir gleichziehen. Ich darf daran erinnern, dass wir mit GSM Deutschland und Frankreich schon ein Erfolgsmodell gestartet haben. Wir haben die Chance, wir haben das schon heute Morgen von Frau Hieronymi und anderen gehört, dass wir auch hier in diesem Fall für diesen Frequenzbereich und den Technologien auf dem Frequenzbereich eine europäische Initiative initiieren können. Das ist einer der wichtigsten Punkte. Die Grenzkoordinierungen selbst sind natürlich jederzeit von uns anzufangen. Wir sind in ständigen Gesprächen mit unseren Nachbarstaaten, also auch in diesem Fall jederzeit in der Vorleistung, die wir konkretisieren müssen.
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Dr. Neumann: Herr Lesch, Sie reden in diesen Zusammenhang vor allen Dingen auch konkret von Belgien und Dänemark. Welche Probleme sehen Sie mit diesen Ländern aufkommen in der Grenzkoordinierungsfrage? Herr Lesch: Man muss dazu sagen, dass eben Belgien und Dänemark den Frequenzbereich 61 bis 69, über den wir hier sprechen, sehr viel intensiver nutzen und daher von solchen Änderungen, die die Grenzen überstrahlen, betroffen sein werden. Das heißt, es ist absehbar, dass von dort dann auch wieder Kompensationsforderungen an Deutschland gerichtet werden. Und da kann ich nur sagen, dass der Rundfunk dann schon sicher sein muss, dass die Bundesnetzagentur hier eine Lösung findet, die den Rundfunk nicht erneut in irgendwelche Veränderungen drängt. Die andere Frage ist, wie auch das Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk innerhalb der Kanäle 21 bis 60 dann austariert wird, wenn wir diese Entwicklungsperspektive nutzen wollen, von der ich vorhin gesprochen hatte. Dr. Neumann: Vielen Dank. Herr Löwenstein, Sie brachten gerade die starke These, wenn wir nur wollen, sind die Probleme, die als zu lösende in den Raum gestellt werden, eigentlich nicht mehr existent. Könnten Sie diese These noch etwas verdeutlichen? Herr Löwenstein: Sehr gerne. Ich muss vielleicht korrigieren; ich hatte sicherlich nicht gesagt, dass sie nicht mehr existent sind, aber dass sie lösbar sind. Insofern sage ich auch, dass ich den Kommentar von Herrn Schmid, dass wir die Probleme einfach ignorieren, mitnichten akzeptiere. In den vergangenen Diskussionen, sei es heute Vormittag oder sei es in Diskussionen, die wir schon im Vorfeld hatten zwischen Meinungsbildenden und Bedenkenträgern, gibt es drei offene Punkte, die ich noch einmal kurz zusammenfassen möchte und die auch schon teilweise erwähnt wurden. Das eine ist eine Migration von bestehenden Nutzungen in diesem Frequenzbereich. Da denke und weiß ich, dass die Bundesnetzagentur entsprechende Untersuchungen durchführt, die auch begleitet werden, um diese wenigen Frequenzzuweisungen, die dort momentan vom Rundfunk genutzt werden, in den Frequenzbereich unterhalb von 790 MHz zu verlagern. Die zweite Nutzung in diesem Frequenzbereich haben wir heute auch schon gehört. Die Verlagerung der drahtlosen Mikrofone ist wahrscheinlich das größere Problem von beiden. Da muss man sicherlich noch entsprechende Lösungsmöglichkeiten suchen. Es wurde auch schon andiskutiert, dass wir zum Beispiel im Bereich der dann existierenden Banddefinition, wie wir sie momentan bei der ECC/CEPT erarbeiten, einen Bereich in der Mittenlücke zur Verfügung stellen könnte. Es muss aber auch ganz klipp und klar gesagt werden, dass über die ITU-Aufgaben und da im speziellen „Agenda Item 1.5“ für die Weltfunkkonferenz 2011 – ich komme gleich noch einmal auf das Jahr 2011 zurück – Untersuchungen auf internationaler Ebene durchgeführt werden, um genau für diese
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drahtlosen Mikrofone zusätzliche Frequenzbereiche zu finden, um dort dann auch Unterbringungsmöglichkeiten zu realisieren. Der erste Punkt war die Migration. Der zweite Punkt ist die Interferenz. Da ist sicherlich auch noch Arbeit notwendig, aber auch hier gibt es sowohl auf nationaler, europäischer als auch auf internationaler Ebene entsprechende Arbeitsgruppen. Hier zuletzt genannt auch wieder bei der ITU die „Joint Task Group 5-6“ – vielleicht für die Zuhörer hier im Saal: Joint Task Group 5-6 bedeutet eine Arbeitsgruppe zwischen der Telekommunikationsindustrie und der Rundfunkindustrie. Es sind also beide Seiten in dieser Joint Task Group vertreten und zwischen beiden werden entsprechende Untersuchungen durchgeführt und ausgetauscht. Auch die werden 2011 zu einem Ergebnis auf internationaler Ebene führen. Wie gesagt, parallel dazu gibt es auch entsprechende Untersuchungen, die der BNetzA Beirat in Auftrag gegeben hat. Der dritte Punkt, den ich mir notiert hatte, ist eine gewisse Sicherstellung für die Bevölkerung, dass wir als Mobilfunkbetreiber – und da spreche ich nicht nur für die Telefonica, sondern für die gesamte Industrie – sicherstellen müssten, zuerst die ländlichen Gebieten zu versorgen. Wenn ich darauf hinweisen darf, dass wir momentan 4 bundesweite GSM-Netze in Betrieb haben und auch sehr große, flächendeckende UMTS-Netze und das in sämtlichen städtischen Gebieten. Somit wäre es a priori für uns momentan unsinnig noch ein drittes Netz in den städtischen Gebieten im Rahmen der Digitalen Dividende zu bauen, sondern auch von der ökonomischen Sicht erst die ergänzenden ländlichen Gebiete zu versorgen. Ich denke, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen – zeitlich, politisch, regulatorisch – gegeben sind, dann könnte eine entsprechende Zusage auch seitens der Mobilfunkindustrie gegeben werden. Wir haben auch gehört, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen der Lizenzierung, die ja einer Identifizierung in der Frequenzbereichzuweisungsplanverordnung nachstehend wäre, schon entsprechende Gedanken und Überlegungen angestellt hat, die wir auch mit unterstützen würden. Soweit zu drei Themen, die ausstehend sind und wo ich sehr wohl Lösungen sehe. Dr. Neumann: Gehen wir doch noch einmal im Thema der drahtlosen Mikrofone noch eine Stufe tiefer. Die Lösungsoption Suche nach einem anderen Frequenzbereich, in dem diese Anwendungen gefahren werden – wäre das eine Lösung? Aber wenn ich es recht sehe, wäre diese Lösung doch erst nach dem Jahr 2015 relevant. Was machen wir denn bis dahin? Herr Löwenstein: Wenn Sie vielleicht noch einmal kurz erklären, warum 2015, warum erst danach. Dr. Neumann: Wenn ich es recht sehe, gibt es Allgemeingenehmigungen für diese Nutzungen, die bis in das Jahr 2015 reichen.
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Herr Löwenstein: Das ist richtig. Aber nachdem es sich um eine Allgemeinzuteilung handelt, heißt es natürlich auch, dass diese Allgemeinzuteilung jetzt erst einmal bis 2015 da ist. Wenn man aber einer entsprechenden Technologiegruppe andere Möglichkeiten eröffnet – wir hatten das heute früh auch schon andiskutiert, dass da zum Beispiel Migrationsmöglichkeiten unterhalb von 790 MHz möglich wären – und das dann in diese Allgemeinzuteilung implementiert, wäre eine Lösung auch bereits vor dem Jahre 2015 möglich. Dr. Neumann: Ja, dazu würden die Kollegen vom Rundfunk gerne noch etwas sagen. Dr. Schmid: Ich nehme vielleicht zum Anlass, dass ich, als ich eben Herrn Stöber zuhörte, eine Sekunde lang dachte, dass ich zu friedlich in diese Diskussion gestartet bin. Erlauben Sie mir dazu zwei Anmerkungen. Erstens möchte ich mit Ihnen nicht in eine Grundsatzdiskussion darüber eintreten, was passieren würde, wenn die Zuschauer kein Rundfunksignal mehr bekämen und ob sie dann wirklich so glücklich über ihren Internetanschluss wären? Sondern ich will darauf hinweisen, dass der Satellit, von dem Sie sprachen, den angeblich jeder auf dem Dach hat, durchaus auch für Breitbandinternetversorgung benutzt werden könnte, wenn man das nicht über UMTS machen wollte. Ich dachte aber, dass wir diesen Teil längst übersprungen hätten und uns jetzt mit der sachdienlichen Lösung beschäftigen. Vielleicht sollte man bei der Gelegenheit eines noch einmal klarstellen, damit wir hier nicht aneinander vorbeireden. Ich glaube, die Rundfunkveranstalter, jedenfalls die privaten, haben im Rahmen dieser Veranstaltung vielleicht etwas zu verklausuliert, aber zumindest angedeutet, dass wir uns einer Diskussion für den Spektralbereich nördlich der 790 MHz nicht grundsätzlich verstellen werden. Das ist schon einmal etwas. Was aber glasklar sein muss, ist, dass das nicht zu Lasten der jetzt verbreiteten Rundfunkveranstalter und nicht zu Lasten der darunter liegenden Frequenzbereiche gehen kann. Das meint ganz eindeutig, dass die Probleme, die dadurch entstehen, dass eine neue Industrie als Nutzungsform anfängt, in diesen Bereich reinzukommen, der vorrangig dem Rundfunk zugebilligt worden war, von dieser Industrie gelöst werden müssen Sie kann das unter Umständen tun, wird aber diese Probleme für sich lösen müssen und nicht zu unseren Lasten. Eine Lösung, die zu Lasten einzelner Veranstalter – das hatten Sie eben angedeutet – oder auch nur eines einzelnen Programms geht, wird von uns nicht mitgetragen werden und da bin ich auch sehr sicher, dass es die Länder nicht mittragen werden. Eine Lösung, bei der es zu weiteren Einschritten der Kosten oder technologischer Art in die Verbreitung durch die Rundfunkveranstalter kommt, wird nicht funktionieren. Ich war eigentlich der Ansicht, dass darüber bereits heute Vormittag Einigkeit erzielt worden wäre. Aber wenn das nicht der Fall ist, würde es sich vielleicht lohnen, dass noch einmal im Detail durchzudiskutieren.
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Dr. Neumann: Herr Lesch, bitte. Herr Lesch: Wir sind uns an der Stelle sehr einig in der Interessenlage. Da muss ich Herrn Löwenstein schon noch einmal deutlich widersprechen. Eine Verlagerung der drahtlosen Mikrofone in Frequenzbereiche unterhalb K60 kann nicht infrage kommen. Es kann nicht sein, dass wir hier solche Geschäfte machen zu Lasten Dritter. Wenn, wie Sie vorhin ausgeführt hatten, die ländliche Versorgung schon deshalb für Sie interessant ist, weil Sie mit GSM und UMTS bereits in den Ballungsräumen sind. Warum ist das dann bei WiMAx eigentlich nicht so zustande gekommen? Deswegen scheint es mir schon wirklich wichtig zu sein, hier harte Auflagen für die ländliche Versorgung zu machen. Wie gesagt, Drahtlosmikrofone in die Kanäle unterhalb 60 noch stärker herunter zu verlagern, wird schlicht an der Masse scheitern. Die Bereiche sind voll. Dr. Neumann: Frau Henseler-Unger, werden in Ihrem Hause zu diesem Thema schon konkrete Ansätze erörtert? Dr. Henseler-Unger: Es finden Gespräche statt, auch in den internationalen Standardisierungsgremien. Auch die Industrie nimmt an diesen Gesprächen teil. Ich bin der Ansicht, dass dieses Problem sich lösen lässt, wenn wir uns einig sind, welchen Raum wir durch einen Umzug von Anwendungen in andere Bereiche freiräumen müssen. Ich habe mich gemeldet, weil ich im Augenblick das Gefühl habe, dass wir ein Thema, was relativ leicht zu lösen ist, in den Vordergrund stellen, und vernachlässigen, dass wir ein anderes Thema haben, was politisch viel wichtiger ist: nämlich wie stelle ich sicher, dass die Frequenzen auch tatsächlich dem ländlichen Raum zur Verfügung gestellt werden? Ich glaube, das ist für alle wichtig. Für die Bundesnetzagentur natürlich, weil wir ein Anliegen darin sehen, für das Wirtschaftsministerium, für die Länder erst recht und ich nehme an, auch für den Rundfunk ist es wichtig, dass, wenn Frequenzen bereitgestellt werden, sie wissen, dass diese Frequenzen in Ihrem Sinne eingesetzt werden, sprich für einen vernünftigen Zweck, nämlich die Versorgung des ländlichen Raumes. Wir sind alle gebrannte Kinder durch die Diskussion über WiMAX in Deutschland. Wir haben gesehen, dass wir Frequenzen versteigert haben, von denen uns Unternehmen versprochen hatten, der ländliche Raum werde versorgt. Ich glaube, wir haben daraus gelernt. Wir werden sicherlich bei dem jetzigen Verfahren, was wir initiieren werden, uns stärkere Auflagen bei der Frequenzvergabe überlegen. Eine Selbstverpflichtung der Mobilfunker, wie sie im Gespräch war, reicht eindeutig nicht. Was wir diskutiert haben, ist zum Beispiel ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, bei dem es Zwangsgelder geben könnte, was bei Lizenzauflagen nicht der Fall ist, oder zum Beispiel eine stufenweise Vergabe des Spektrums, nämlich zuerst die Vergabe im ländlichen Raum. Wer die Auflagen hier
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erfüllt, wird zur zweiten Stufe, nämlich der Vergabe des Spektrums in den übrigen Bereichen erst zugelassen. Und wer weitere Ideen hat – es wird sicherlich eine Anhörung zu dem Thema geben –, wie man zwingend die Versorgung des ländlichen Raumes als Voraussetzung bei der Frequenzvergabe auferlegen kann, ist aufgefordert, hier beizutragen. Ich glaube, dass das ein viel wichtigeres Thema ist als das eine oder andere Interferenzproblem, oder das eine oder andere Drahtproblem. Es geht uns allen um den ländlichen Raum und um den Wirtschaftsstandort, Wohnstandort im ländlichen Raum. Dr. Neumann: Vielen Dank. Herr Stöber, zum Thema WiMAX kenne ich Ihre Meinung, aber ich glaube, es wäre gut, wenn Sie sie auch hier noch einmal sagen würden. Ich würde das aber gern noch mit einer anderen Frage verbinden. Wir reden jetzt in der Nutzung des oberen Teils des UHF-Bandes, über eine mögliche Nutzung für den Breitbandzugang im ländlichen Raum. Und dann steht in der Frequenzplanzuweisungsverordnung, dass dies eine Mobilfunknutzung ist. Für mich sieht das eher wie eine mindestens stationäre Nutzung aus. Ist das nicht eher eine Festnetznutzung als eine Mobilfunknutzung? Herr Stöber: Okay, fangen wir mit der WiMAX Antwort an. Die Situation bei WiMAX war relativ einfach. Bei 3,5 GHz war von vornherein klar, dass Sie im ländlichen Raum große Probleme haben würden, auf Grund der Ausbreitungsbedingungen dieser Frequenzen in die Häuser zu kommen. Wir hatten damals als Haus Arcor einige Testfrequenzen, die wir gar nicht in Anspruch genommen und sofort zurückgegeben haben. Die Telekom hat auch nicht mit geboten, weil wir im Prinzip von den Erfahrungen von der Mobilfunkseite her gesehen haben, dass wir hier sicherlich für eine Breitbandanwendung Probleme bekämen. Andere Länder haben die WiMAX Frequenzen mehr als point-to-point Verbindung genutzt und damit als Richtfunkersatz. Die zweite Frage, ob das jetzt eher eine Festnetznutzung ist, ist Streit um des Kaisers Bart. Festnetz heißt im Prinzip, dass Sie mit einer physikalischen Verbindung an den Ort des Geschehens kommen, sprich in die Wohnung, was Sie sicherlich bei einer Nutzung dieses Spektrums nicht machen. Sie haben gerade von stationärer Anwendung gesprochen. Wenn Sie zu Hause einen PC oder Laptop anschalten, ist es sicherlich eine stationäre Anwendung, schalten Sie den Laptop unterwegs an ist es eine mobile Anwendung. Dieser Streit um die Begrifflichkeit ist eigentlich relativ egal, die Hauptsache wir bekommen die Familie Meier am Ort X versorgt. Noch einen Punkt in Ergänzung zu der Diskussion von eben: wenn wir darauf warten, dass die Frequenzen ab 2015, bis sie final geklärt und frei geräumt sind, erst für Breitbandanwendungen zu nutzen, glaube ich, dass wir ein fatales Problem haben. Wir müssen Übergangsszenarien schaffen. Wir müssen schneller werden, und deswegen müssen wir auch einig sein darüber, dass wir im Prinzip diese Auf-
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teilung der Frequenzen zwischen Rundfunk- und Breitbandversorgung schnell haben wollen Die GSM Betreiber der ersten Stunde kennen das. Als wir in die neuen Bundesländer kamen, waren 50% der Frequenzen belegt. Trotzdem haben wir angefangen, weil wir wussten, dass sie frei werden. Durch bestimmte Arrangements hat man auch einige Frequenzen vorher schon frei bekommen. Bevor wir dogmatisch versuchen zu sagen, dass wir jetzt alles brauchen und deshalb erst 2015 anfangen, müssen wir pragmatische Wege finden, um schnell on Air zu kommen, weil sonst das Ganze gar nichts bringt. Dr. Neumann: Vielen Dank. Herr Löwenstein, Sie hatten sich beim Stichwort WiMAX zu Wort gemeldet. Herr Löwenstein: Wir werden beim Stichwort WiMAX immer verglichen. Ich setze jetzt mal nur den Hut für Telefonie O 2 in Deutschland auf, um das nicht für den ganzen Konzern zu sehen, weil es da vielleicht divergierende Positionen gibt. Die Mobilfunkbetreiber – und da nehme ich alle vier Mobilfunkbetreiber in Deutschland mit ins Boot – haben in der Vergangenheit ihre Lizenzauflagen erfüllt, ob scharf oder nicht sei dahingestellt, auf jeden Fall immer eingehalten. Wir wurden schon öfter in diesen Diskussionen immer wieder verglichen: “Ja, bei 3,5 GHz habt ihr es nicht geschafft, das Ganze zu realisieren mit der ländlichen Breitbandversorgung!“ Wir haben gehört warum, und es gibt auch Gründe, warum sich die vier Mobilfunkbetreiber bei diesen Frequenzen nicht beworben haben. Das haben andere versucht und die sind vielleicht – ich will das nicht ausschließen, denn sie haben noch ein Jahr Zeit – wahrscheinlich doch eher gescheitert. Ich würde auch gern noch Frau Dr. Henseler-Unger unterstützen und sagen, die technischen Probleme bekommen wir gelöst. Ich sage noch einmal: wir haben sie jetzt noch nicht endgültig gelöst, aber wir bekommen sie gelöst. Es geht wirklich darum, den Zeitpunkt jetzt zu wählen, das Startsignal mit der Umsetzung in der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung zu setzen und nicht bis 2015 zu warten, vielleicht bis zur nächsten Weltfunkkonferenz oder bis alle Ergebnisse da sind, weil es dann definitiv zu spät ist. Die politische Notwendigkeit, die wir hier mit diesem Frequenzspektrum von 72 MHz haben, ist – zumindest mit einer Anfangsbandbreite von 2 bis 3 Mbit/s – die ländlichen Gebiete zu versorgen. Dr. Neumann: Herr Schmid und Herr Lesch, ich wollte Ihnen dazu auch das Wort erteilen, würde dies aber gern noch mit einer weiteren Frage verbinden. Sie haben beide gesagt, dass Sie sozusagen den Rundfunk erst dann in einer auch Gewinnersituation dieser Debatte und das Ergebnis dieser Debatte sehen, wenn Ihre Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft gesichert sind. Da stellt sich für mich die Frage, ob dies für Sie synonym damit ist, dass die Nichtrundfunknutzung des UHF-Bandes nur im
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oberen Bereich am Ende das Ergebnis sein kann oder heißt das für Sie noch mehr und anderes? Herr Schmid: Die Frage kann ich nur für den privaten Rundfunk beantworten. Die Entwicklungsmöglichkeiten sowohl territorialer Art – das ist beim privaten Rundfunk durchaus auch noch ein Diskussionspunkt, da sind die Kollegen vom öffentlich-rechtlichen weiter – als auch hinsichtlich der Technologien, weil wir im Moment davon ausgehen, dass wir das Spektrum bis 790 MHz jedenfalls benötigen. Das ist der Status quo, über den wir hier diskutieren. Deswegen konzentriert sich die Diskussion, wie ich finde und so habe ich auch sowohl Herrn Pfaffenbach als auch Herrn Stadelmaier heute morgen verstanden, ganz bewusst auf den Spektralbereich darüber, weil sich dort eher die Frage stellt, ob unter Umständen bestimmte Frequenzen freizugeben sind. Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zum ländlichen Raum machen. Es gibt ein Missverständnis bei der Bundesnetzagentur – ich kann es mir fast nicht vorstellen, will es aber noch einmal gesagt haben –, wir setzen nicht darauf, dass wir per Breitbandinternet am Ende eine Fernsehversorgung hinbekommen. Wir reden momentan bei der Ausstattung der einzelnen Zellen von einer Bandbreite von 50 Mbit. Wir brauchen pro Zuschauer mindestens zwei pro Stream, d.h. ich hätte 25 Nutzer. Das ist nicht ganz die Idee von Fernsehen, dass ich 25 Zuschauer pro Zelle habe, die sich zeitgleich ein Signal angucken können. Das ist vielleicht nicht leicht verständlich, aber unsere Sender jedenfalls erreichen doch erstaunlich viel mehr Leute. Deswegen ist das für uns ein Aspekt, der nebensächlich ist. Ich glaube, dass die Versorgung des ländlichen Raums eine ist, die die Mobilfunker selber nach vorn geschoben haben. Insofern kann ich mir auch nicht vorstellen, dass es da größeren Widerstand gäbe. Ganz wichtig ist bei dem Faktor Zeit, den ich sehr gut verstehen kann, dass Industrien, die den jetzt in Rede stehenden Bereich K 61 bis 69 für ihre Interessen oder für die Versorgung des ländlichen Raums nutzen wollen, dabei erleichtert wären oder dass es auch gut wäre für die technologische Entwicklung, wenn man hier schneller „zu Potte“ käme. Dafür habe ich als Vertreter eines Wirtschaftsunternehmens jedes Verständnis. Entscheidend ist für mich auch nicht der Zeitraum sondern die Zeitfolge. Da muss ich leider doch ein wenig hartnäckig sein, denn ich glaube, wir private Rundfunkveranstalter – wahrscheinlich ist es für die Kollegen vom öffentlich-rechtlichen genauso – müssen die Punkte, die relevant sind, also das Thema Interferenzen, das Thema Garantie der Sicherheit unterhalb von 790 MHz u. ä. vorher geklärt haben. Wenn das der Fall ist, dann kommt es mir nicht auf den darauf folgenden Zeitraum an. In diesem Konflikt ist es für mich unabdingbar, dass man die Probleme vorher gelöst hat und erst dann umsetzt. Die Umsetzungsphase selbst kann dann denkbar kurz ausfallen, jedenfalls soweit es an uns liegt. Das ist nicht der entscheidende Punkt, aber wir können diese Diskussion – und da muss man ganz realistisch sein – nur ein einziges Mal führen. Wenn Dinge erst einmal passiert sind, sind sie nicht mehr rückholbar, weil sie auch den jewei-
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ligen Nutzern nicht mehr zu vermitteln sind. Das kann am Ende im Interesse von keinem der Beteiligten sein, denn es geht hier auch um erhebliche Investitionen bei beiden Industrien. Es geht um eine Menge Geld, das bereits für DVB-T zum Beispiel verbaut wurde und für andere Technologien noch verbaut werden muss. Beide Industrien haben einen hohen Anspruch darauf, dass sie eine Planungs- und Rechtssicherheit haben. Ich finde, dann muss es einem die zwei oder drei Monate schon wert sein, dass diese Punkte vorher durchdiskutiert, ordentlich eruiert werden und in dann in eine zügige Umsetzug kommt. Dr. Neumann: Herr Lesch, wie sehen Sie dieses Thema? Geht es um Entwicklungsmöglichkeiten? Um die Garantien hinsichtlich des unteren UHF-Bandes? Oder geht es auch noch um etwas anderes? Herr Lesch: Nicht nur. Ich kann mich da wirklich nur anschließen. Wichtig ist zunächst einmal, eine realistische Zeitachse zu haben. Das ist für alle Parteien wichtig ist. Es ist doch niemandem damit gedient, wenn wir die Industrie mit unrealistischen Zeitversprechen in irgendwelche Investitionen drängen, die dann einfach deswegen nicht haltbar sind, weil 16 Mio. DVB-T Geräte schon eine ganze Menge sind, wenn man die sich auf einem Berg vorstellt. Zu Ihrer Frage: Wir ringen gerade darum und daran sehen Sie, dass gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier wirklich großes Verständnis hat und versucht, auf die Kollegen zuzugehen. Wir ringen ja gerade darum, wie groß eigentlich die Entwicklungsreserve für den Rundfunk sein muss, damit der terrestrische Rundfunk nicht auf die Dauer „Arme-Leute-Fernsehen“ wird, sondern damit das terrestrische Fernsehen an den technischen Entwicklungen teilhaben kann, damit entsprechende Rangierbereiche möglich sind. Und wir ringen gerade darum, wie groß dieser Bereich innerhalb der Kanäle 61 bis 69 sein muss; das allerdings immer unter der Prämisse – und das möchte ich noch einmal unterstreichen –, dass für 21 bis 60 eine Bestandsgarantie da sein muss, die auch wirklich die exklusive Nutzung für den Rundfunk sicherstellt. Da macht es wenig Sinn, wenn man an der Stelle die Diskussion wieder neu aufmacht. Ich glaube, Sie haben auch an meinem einführenden Statement gemerkt, dass hier Planungssicherheit und gegenseitiges Vertrauen gerade in der Phase, in der wir jetzt sind, für uns vom Rundfunk ausgesprochen wichtig ist. Ein Wort noch zum Schluss. 25 Zuschauer sind auch dem öffentlich-rechtlichem Rundfunk zu wenig. Dr. Neumann: Ja, Frau Henseler-Unger, unterliegen Sie dem Missverständnis, dass wir künftig gar keine terrestrische Verbreitung von Rundfunk im ländlichen Raum mehr brauchen und alles über IPTV übertragen?
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Dr. Henseler-Unger: Wenn Sie ehrlich sind, ist die terrestrische Verbreitung des Fernsehens in Deutschland – wir können darüber streiten – bei 5 oder 12% der Haushalte angelangt. Das ist im Verhältnis zu Frankreich eine Marginalie. Und ich glaube nicht, dass wir terrestrische Lösungen für HDTV suchen sollten. Zumal sie kommerziell nicht darstellbar sind, zumindest nicht für den Bereich, der privatwirtschaftlich finanziert ist. Ich glaube sehr wohl, und da unterscheide ich mich von Herrn Schmid, dass über die Frequenzen, über die wir jetzt reden, über die Breitbandversorgung der Digitalen Dividende, zumindest einfaches Fernsehen möglich ist. Ich bin gerne bereit, Ihnen auf dem Handy, zu zeigen, dass ich tagesschau.de, zdf.de oder ähnliches empfangen kann. Das ist weit weg von HDTV Qualität, aber es erfüllt einen Informationszweck. Ich glaube, das Problem, das wir hier diskutieren, ist nicht zu lösen, indem wir sagen, wir müssen zuerst alle Lösungen kennen, erst dann können wir einen ersten Schritt gehen. Dazu ist das Problem zu komplex. Viele dieser Lösungen werden wir auch erst in der Praxis erarbeiten können. Gerade Interferenzprobleme zeigen sich in der Praxis in der Schärfe oder in der Vernachlässigbarkeit. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass wir sehr wohl, nachdem wir über die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung entschieden haben, ein MilestoneProgramm oder ähnliches verabschieden, in dem sich beide Seiten verabreden, bestimmt Schritte, bestimmte Ergebnisse als Zwischenlösungen voranzutreiben und nacheinander Probleme abzubauen. Das ist alles besser als hier zu sitzen und die Probleme in den Vordergrund zu stellen. Besser ist es an Lösungen zu arbeiten. Dr. Neumann: Ich würde jetzt folgendes vorschlagen: Ich schaue noch einmal in die Runde und gebe jedermann Gelegenheit, noch auf die Dinge, die jetzt hier am Tisch erörtert worden sind und wo noch ein Statement geboten ist, dieses auch zu machen, bevor wir dann an Sie im Publikum weitergeben und Ihre Fragen und Einlassungen aufnehmen. Herr Schmid. Dr. Schmid: Also, dass Sie tagesschau.de sehen können, glaube ich Ihnen sofort. Das Problem, das ich Ihnen geschildert habe, ist der zeitgleiche Empfang eines Rundfunksignals für mehr als eine Person, einmal abgesehen von der Kostenfrage. Das ist nicht ganz das Gleiche. Aber das wissen Sie sicherlich sehr viel besser als ich. DVB-T in der Tat sind etwa 10% Reichweite. Damit liegt die Reichweite von DVB-T deutlich über dem, was offiziell als Versorgungslücke für Breitbandinternet in der ländlichen Region genannt wird, und im Übrigen ist die Beteiligung privater Veranstalter an DVB-T ausdrücklicher politischer Wunsch der Länder, die für den Rundfunk zuständig sind. Insofern will ich mich darüber nicht streiten, wie da die Wertigkeit ist. Es ist auch so, dass der Rundfunk die Rundfunkbreite nach Artikel 5 in Anspruch nehmen kann. Das kann nicht jede Technologie. Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen zu der Frage von Problem und Lösung. Sie haben recht und das ist auch schön gesagt. Sie haben natürlich auch den entsprechenden Applaus dafür
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bekommen. Nur ich habe gelernt, dass ich zuerst das Problem erkennen muss, bevor ich eine Lösung erarbeiten kann. Dr. Neumann: Wer hat noch Reaktionsbedarf. Dr. Konhäuser: Ich will noch einen Punkt, der in der ganzen Diskussion noch nicht gefallen ist, in die Runde werfen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass man sich gemeinsame Lösungen zwischen den Rundfunk- und den Mobilfunkbetreibern überlegt, zum Beispiel, dass man den Rückkanal für Dienste nutzen kann, von denen dann beide profitieren. Damit ergibt sich die Möglichkeit für zusätzliche Geschäfte. Es ist nun wirklich an der Zeit, die Diskussion aus der Vergangenheit zu beenden und zu versuchen, das Thema im Interesse unseres Landes schnell umzusetzen. Dr. Neumann: Sind wir auf dem Wege, Herr Lesch? Herr Lesch: Ja und ich glaube, diese Veranstaltung zeigt wirklich, dass es gut ist, mit dem Rundfunk und nicht nur immer über ihn zu reden. Sie merken auch, dass wir hier wirklich nach Lösungen suchen. Ich will nur noch einmal deutlich machen – und das ist vielleicht auch den unterschiedlichen Geschäftsmodellen geschuldet –, welche Bedeutung die terrestrische Rundfunkversorgung für uns hat. Sie ist sozusagen das Rückgrat der Rundfunkversorgung. Sie bildet den gesicherten ungehinderten Zugang sowohl von uns zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wie auch umgekehrt. Man sollte auch nicht unterschätzen, dass sie ein Regulativ gegenüber den anderen Mittlern, die zwischen Rundfunk und seinen Teilnehmern stehen, also Kabel- oder Satellitenbetreiber sind. Da erfüllt die Terrestrik einen erheblichen Nutzen, der sich vielleicht nicht unbedingt in Euro und Cent ausdrücken lässt, aber den auch die Privaten gern in Anspruch nehmen, um dafür zu sorgen, dass es zu einem vernünftigen Ausgleich kommt. Hier immer nur die Erstgeräteprozentzahlen zu nennen, führt auf jeden Fall in die Irre. Wir versuchen hier nach Lösungen zu suchen. Wir greifen alles gern auf. Wichtig ist, dass man uns zunächst einmal zuhört und mit uns redet, und auch versteht, was das spezielle „Geschäftsmodell“ für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk des Rundfunks einfach ist. Dr. Neumann: Ich sehe, dass wir im Moment hier im Podium durch sind. Wir beginnen jetzt mit Ihren Wortmeldungen aus dem Publikum. Herr Müller, Bayerische Landeszentrale: Mein Name ist Reiner Müller. Ich bin technischer Leiter der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Ich möchte zum Einen etwas sagen zu der Zahl, die Frau
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Henseler-Unger und auch andere heute genannt haben, nämlich diese 5% terrestrische Versorgung. Das war die Zahl, Frau Henseler-Unger, bevor wir auf DVB-T umgestellt haben. Die neuesten Marktzahlen sind im Mittel 11% , zudem sind neue Marktzahlen seit gut einem halben Jahr da, die nachweisen, dass in Gebieten, in denen private und öffentlich-rechtliche Fernsehveranstalter DVB-T ausstrahlen, bis zu 24% der Haushalte mindestens ein DVB-T Gerät im Haushalt haben. Das ist nicht die Marktzahl, die die GfK als Erstgerät ausweist. Da sind wir bei 11%. Aber auch die GfK überlegt, ob sie ihr Marktpanel dahingehend anpasst, weil die Nutzung über Zweit- und Drittgeräte immer wichtiger wird. Wenn das verkaufbar sein wird, wird es auch für die privaten Veranstalter immer interessanter, auch im ländlichen Bereich DVB-T anzubieten, aber momentan kann die GfK diese Zahlen noch nicht ausweisen. Aber die Penetration der Geräte in den Haushalten ist wesentlich höher, als die von Ihnen genannten 5%. Das sollte man einfach zur Kenntnis nehmen. Jetzt komme ich zur Frage an Herrn Stöber. Ich bin mir nicht ganz sicher, worüber wir heute eigentlich diskutieren. Sie kommen mit der These, dass der Schüler im ländlichen Raum, der keinen Internetanschluss hat und damit von der Information des Internets abgehängt ist seine Recherche für die Schule nicht durchführen kann. Geht es nun in der Problemstellung der Verwendung der Digitalen Dividende um diese Lückenversorgung oder geht es, wie heute in der Diskussion mehrfach erwähnt, um ein flächendeckendes portables Internetangebot, wie es auch Herr Neumann in seiner Eingangsfolie genannt hat? Allein für die Lückenversorgung bräuchten wir nämlich wesentlich weniger Frequenzen. Gerade in diesem Raum ist vor drei, vier Wochen durch die Breitbandinitiative festgestellt worden, dass ein terrestrischer Breitbandanschluss 10 bis 20mal geringer ist in der Leistung als ein Festnetzanschluss und zwei- bis dreimal teurer. Im Wettbewerb wird ein terrestrisches Netz sowieso einem Festnetz, wo DSL ausgebaut ist, nie Konkurrenz machen und bestehen können. Worüber reden wir also heute? Über eine flächendeckendes Breitbandangebot in Deutschland oder über eine Lückenversorgung dort, wo heute kein DSL angeboten werden kann? Danach richten sich ganz unterschiedliche Ausbauszenarien und Frequenzbedarfe. Das würde mich interessieren. Frage ans Podium, vor allem an Herrn Stöber. Dr. Neumann: Vielen Dank, Herr Müller. Herr Lennertz und Herr Dieterle. Dr. Lennertz: Ich darf nur noch einmal daran erinnern: wir haben vor dreieinhalb Jahren auf Initiative der Bundesnetzagentur das heutige Thema das erste Mal in Deutschland diskutiert, Digitale Dividende, zusammen mit den Rundfunkanstalten. Sie haben heute einen Riesenschritt nach vorn getan; der Rundfunk will mit uns sprechen, wir mit ihm. Tun wir es doch endlich! Hier geht es nicht um technische Störungen und solche Dinge. Wenn wir so mit GSM angefangen hätten, hätten wir heute kein GSM
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in der Welt. Wir sollten mal wieder ein bisschen Mut haben, die Dinge nach vorn zu tragen. Diese Diskussion zeigt mir einfach, wir haben ein Kommunikationsproblem. Das ist für uns keine Bonanza, die Fläche auszubauen. Mit 72 MHz können Sie keine vier Operator begnügen, die breitbandige Dienste anbieten. Deswegen mein Vorschlag: ein Netz. Wir als E+ haben unser Netz schon seit über einem Jahr outgesourct. Das hat noch nie ein Kunde gemerkt, und auch wir haben noch kein Problem gehabt. Warum sharen wir nicht das Netz, entweder regional oder wir sharen es total? Meine Bitte an Frau Henseler-Unger, die Idee aufzunehmen. Und jeder, die Kabelleute, die Fernsehanstalten, die Festnetzer haben Zugang. Das heißt, wir machen den Wettbewerb nicht mehr über das „schönste“ Netz, sondern einen Wettbewerb über Content, über Inhalte. Und dann zur Zeitfolge, Sie reden von 2015. Das ist zu spät. Wenn wir nächstes Jahr die Frequenzen zuteilen würden an ein Konsortium, können die Rundfunkanstalten sich gern an dem beteiligen. In zwei Jahren haben wir dann 15.000 Basisstationen flächendeckend aufgebaut und bei einem Invest von 1,5 Mrd. können Sie Inhalte anbieten. Es gibt Vielfalt. Es gibt also nicht nur Mobilfunk. Ein gemeinsames Netz ist die schnellste und wirtschaftlich beste Lösung. Diese wird auf dem Land – den weißen Flecken – zuerst in Betrieb gehen. Herr Dieterle: Zunächst einmal eine Frage an Sie, Frau Henseler-Unger. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat die WRC-7 Konferenz entschieden, dass dieses Frequenzband, diese 72 MHz, über die wir hier reden, alternativ für Rundfunk oder aber für Mobilfunk, so haben wir es hier diskutiert, genutzt werden können. Mein Verständnis ist, das habe ich aus den verschiedenen Beiträgen entnommen, dass dann diese Frequenzen versteigert werden sollen. Können dann eigentlich auch die Rundfunkanstalten mit steigern? Könnten sie mit bieten im Wettbewerb um diese Frequenzen? Ich persönlich halte von diesen Versteigerungsverfahren allerdings überhaupt nichts, weil ich nicht glaube, dass das zu einem volkswirtschaftlich guten Ergebnis führt. Halten Sie sich nur einmal vor Augen, dass wir im Jahr 2000 der Telekommunikationsindustrie 40 Mrd. € entzogen haben. Das sind genau die 40 Mrd., die uns heute für das Breitbandnetz fehlen. Ich möchte darauf zurückkommen. Sie haben nach Anregungen gefragt, Frau Henseler-Unger, wie man es besser machen könnte im Sinne einer flächendeckenden Versorgung dieser unterversorgten Gebiete. Ich sage jetzt auch einmal meine Anregung: da ist eine technische Versorgungslösung zu entwickeln. Aus meiner Sicht, Herr Stöber, ist das eine Mischung aus Festnetz- und Mobilfunkelementen. Lassen Sie uns doch mal einen Bieterwettbewerb um ein Versorgungskonzept entwickeln und dann versteigern wir ein Versorgungskonzept und nicht Frequenzen. Frequenzversteigerung würde nämlich dazu führen, dass dieser Frequenzbereich von 72 MHz im Wettbewerb zerstückelt werden würde, was zwangsläufig zu wenig ertragreichen betriebswirtschaftlichen Lösungen führen
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müsste nach meinem Verständnis. Machen wir es doch lieber anders: wir versteigern ein Versorgungskonzept und dafür kann sich auch im Sinne von Herrn Dr. Lennertz ein Industriekonsortium bewerben. Daran können wiederum ganz unterschiedliche Spieler beteiligt sein, sogar Rundfunkanstalten und Telekommunikationsindustrie gemeinsam. Ich denke, wir sollten die klassischen Denkpfade verlassen und unsere Phantasie walten lassen, wie wir wirklich in einer absehbaren Zeit zu einer besseren Versorgung in der Fläche kommen. Diese Frequenzen geben uns jetzt die Chance, und zwar nicht erst in acht oder zehn Jahren, sondern ich sehe das in zwei bis drei Jahren als möglich an. Dr. Neumann: Vielen Dank, Herr Dieterle. Frau Henseler-Unger, das waren drei auf Sie abgeschossene Pfeile. Dr. Henseler-Unger: Eine Bemerkung zu Herrn Müller. Wenn Frankreich das mit der unbestritten höheren terrestrischen Versorgung es schafft, im nächsten Jahr die Frequenzen der Digitalen Dividende im UHF-Band zu versteigern und 2010 der Nutzung zuzuführen, müsste es Deutschland erst recht gelingen, unabhängig davon ob der Prozentsatz für die terrestrische Versorgung 5, 11 oder 12% ist. Schauen Sie sich das französische Programm an; es ist zugänglich. Herr Lennertz, Ihren Vorschlag zu versuchen, eine kommerziell darstellbare Lösung zu finden, die nicht auf einem Vier-Betreibermodell sondern auf vielleicht nur einem Ein-Betreiber-Modell basiert, ist angekommen. Ich habe eben in der Pressekonferenz gesagt, dass ich mich als Wettbewerbsbehörde schwer tue, zu sagen, dass nur ein Netz betrieben werden kann. Eine solche Entscheidung würde ich gern dem Markt überlassen. Ich fände es aber gut, wenn ein solches Modell ausgearbeitet würde, vielleicht vom Münchner Kreis. Das Modell muss zum Einen natürlich mit dem Markt an sich erörtert werden, vielleicht auch unter Einbeziehung der Vorschläge von Herrn Dieterle. Es muss mit den Ausrüstern, dem Bundeskartellamt und nicht zuletzt mit uns erörtert werden. Das ist komplex, sollte möglichst schnell angegangen werden, damit nicht aus diesem Hintergrund heraus eine Verzögerung eintritt. Ich glaube, das ist ein originäres Interesse des Münchner Kreises hieran mitzubewirken. Es ist eine neutrale Plattform zwischen allen Beteiligten, und es wäre gut, wenn das vorangetrieben würde. Dr. Neumann: Vielen Dank. Ja, Herr Stöber, um welche Lücke geht es? Herr Stöber: Es geht im Prinzip um beide. Herr Müller, wir haben ja schon ein paar Diskussionen hinter uns gebracht. Auf der einen Seite ist es so: Wir brauchen in dem ländlichen Raum die Weißefleckenabdeckung. Da bin ich vollkommen bei Herrn Lennertz; 72 MHz, die man zur Verfügung hat, muss man optimal einsetzen. Da
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empfiehlt sich eigentlich als Lösung ein Netz, um alle Koordinationsverluste im Frequenzbereich zu verhindern und um damit auch über 2 Mbit/sec vielleicht 3 bis 4 Mbit/sec Bandbreite zu erreichen Hier empfehlen sich, Frau Dr. Henseler-Unger, durchaus Modelle, die auch den Wettbewerb fördern. Sie kennen aus der normalen Industrie den Bitstream-Access. So könnte jeder Wettbewerber sein Produkt bis nach vorn zum Endkunden auch mit einer Produktdifferenzierung und Dienstleistungsdifferenzierung bringen. Darüber hinaus muss man sehen, dass die mobilen Daten in einer Industriegesellschaft wahnsinnig schnell an Bedeutung gewinnen, und deswegen brauchen wir auch bundesweit Frequenzen für die Mobilfunknutzung von hohen Brandbreiten. Ich glaube, dass beides machbar ist unter den Rahmenbedingungen, die wir vorhin diskutiert haben. Dr. Neumann: Dann noch die Fragen in dieser Hälfte des Saales. Ich hatte mehrere Wortmeldungen gesehen. Herr Laudan, T-Mobile: Vielen Dank. Ich bin bei T-Mobile beschäftigt und für die Frequenzpolitik der Deutschen Telekom verantwortlich. Ich habe zwei Bemerkungen und würde dann ganz gern noch zwei Fragen stellen. Zunächst einmal ist heute Morgen mehrfach gesagt worden, dass in Frage gestellt wird, dass überhaupt eine schnelle flächendeckende Versorgung möglich ist. Das Beispiel Slowakei ist genannt worden. Nur als Ergänzung zu dem, was heute Morgen gesagt wurde: Es hat ungefähr knapp zwei Jahre gedauert, dann hatten wir 70 % Pop Coverage, d.h. wir hatten 70% der Bevölkerung mit breitbandigem mobilem Internetzugang versorgt. Das Beispiel Slowakei ist auch insofern noch ein wichtiges Beispiel, als wir sehen, dass diese knappe Frequenzressource von 4,43 MHz einfach zu wenig ist. Die Vorteile des niedrigen Frequenzbereichs gehen dadurch verloren, dass man durch den hohen Datenverkehr einfach viel zu viele und zu kleine Zellen braucht. Das Netz kann dadurch kaum noch ökonomisch sinnvoll betrieben werden. Nur als Zahl: wir hatten 2007 85% Datenwachstum dort Vorort. Das als kleinen Hinweis, als Ergänzung. Zum Thema LTE; wir haben vor vier Wochen in Bonn einen LTE Hotspot in Betrieb genommen. Wir können dort, als erste in Deutschland, LTE Handover zwischen mehreren LTE-Funkzellen vorführen. Wir sind also der Technik deutlich näher als es vielleicht hier in der Diskussion den Eindruck hat. Noch eine Bemerkung zu dem Trial in Brandenburg. Wir haben vor zwei Tagen von der BNetzA die Genehmigung bekommen, haben gestern eingeschaltet und die BNetzA hat die messtechnische Abnahme der Systemtechnik gemacht, wir sind heute dabei zu messen. Im Dezember werden wir dann sukzessive beginnen, die Kunden zu integrieren und anschließend auch eine geordnete Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam mit der Medienanstalt Berlin Brandenburg machen.
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Einen Punkt habe ich noch; es wird immer angesprochen, dass hier breitbandige Anwendungen den Rundfunk oder das Festnetz substituieren. Wir haben in der Präsentation von Herrn Dr. Illgner gesehen, dass die Performance des Festnetzes einer Kurve unterliegt und die Performance der Mobilfunktechnik darunter liegt. Da haben wir immer den Faktor 10 bis 25 dazwischen. So wie sich das Mobilfunknetz weiterentwickelt, entwickelt sich auch das Festnetz weiter. An eine Substitution ist niemals gedacht, genauso wenig wie Broadcast substituiert werden soll. Es muss einfach in der Diskussion klar voneinander getrennt werden, dass die eine Anwendung ihre Berechtigung hat und die andere Anwendung ihre Berechtigung hat. Meine Fragen: Ich weiß von unseren Standardisierungsleuten, dass LTE für die UMTS Bänder im Moment in der Standardisierung ist und 2009 verfügbar sein wird für das Markttesting. Herr Konhäuser, Sie hatten gesagt, dass LTE schon früher verfügbar wird. Meine Information ist, wenn ich die Standardisierungsgremien nicht mit entsprechenden Triggerpunkten beaufschlage, wird es auch keine Standardisierung geben. Jetzt konkret zum 700 MHz Bereich: Für die USA ist das so weit eingetütet. Da werden wir im nächsten Jahr die Technik haben. Wie sieht denn tatsächlich die Roadmap aus, wenn ich für den UHF-Bereich und konkret diese 72 MHz, die diskutiert werden, Technologie haben will? Meine Information ist, wenn ich das nicht im nächsten Jahr klar politisch entscheide, dann habe ich vor 2011 keine Technologie. Ich weiß nicht, wenn Sie da andere Informationen haben? Eine Frage noch an Herrn Lesch. Sie hatten die Grenzkoordinierung angesprochen und dabei das Beispiel Dänemark gebracht. Für den Bereich, der von einer breitbandigen Mobilfunkanwendung genutzt wird, müsste doch eigentlich die Problematik nur auf Seiten dessen sein, der die breitbandige Anwendung zur Verfügung stellt und nicht auf der Rundfunkseite, denn der Rundfunk kann ja dort, wo er nicht mehr vorhanden ist, nicht mehr gestört werden. Oder habe ich da irgendwo eine falsche Sicht? Dr. Neumann. Vielen Dank. Herr Illgner, bitte! Dr. Illgner-Fehns: Ich möchte zu dieser Diskussion eine Anmerkung machen und eine Frage stellen. Die Anmerkung ist, dass ich glaube, dass das Kernproblem der ganzen Diskussion, die heute und auch in den letzten dreieinhalb Jahre geführt worden ist, sehr viel mit Vertrauen zu tun hat. Jede Seite muss darauf vertrauen können sein Geschäft, seine Tätigkeit, seinen Auftrag auch erfüllen zu können. Zum Aufbau von Vertrauen auf der jeweiligen Gegenseite gehört, dass man darauf vertrauen kann, dass das, was zusagt wird, auch langfristig Bestand hat. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass die auf den Tisch kommenden Anforderungen irgendwo nachvollziehbar sind. Das scheint mir das Kernproblem zu sein, um das wir die ganze Zeit rangeln und wes-
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halb es letztendlich schwierig ist, zu einer „Win-Win-Situation“ zu kommen. WinWin heißt für mich, dass auch für den Rundfunk ein Nutzen entstehen muss, zumindest sich am Ende aber nicht „über den Tisch gezogen“ fühlt. An dieser Stelle komme ich zu meiner Frage. Wir haben heute Morgen von Frau Hieronymi gehört, dass wir es in der Diskussion mit vielen unklaren Definitionen zu tun haben. Heute Nachmittag im Panel wurde viel über mobile Breitbandversorgung, die Versorgung der Familie X am Ort Y und die „White Spot“-Nutzung diskutiert. Wobei ich noch einmal betone, dass wir eigentlich eine Breitbandversorgung quasi für jeden Haushalt haben. Es ist nur eine Frage der jeweils genutzten technischen Mittel. Insofern ist ein Kernpunkt, der auch wieder sehr viel mit Vertrauen zu tun hat, einmal präzise zu definieren, was denn jetzt wirklich erreicht werden soll. In diesem Kontext würde ich auch ganz gern Herrn Stöber zitieren, der in einem Interview gesagt hat: „Wir wollen zeigen, dass das schnelle Internet auf der Basis der VDSL-Technologie auch auf dem Land realisierbar ist.“ Er hat vor einer Woche eine kleine 700 Seelengemeinschaft mit VDSL angeschlossen. Dies möge als Beispiel zeigen, dass viel geht – auch in verschiedenen Kontexten. Die Frage ist also, worüber reden wir eigentlich wirklich? Dr. Neumann: Vielen Dank. Herr Konhäuser, bitte zuerst. Dr. Konhäuser: Ich wollte noch einmal auf die Frage bezüglich der Standardisierung eingehen. Natürlich ist heute LTE noch nicht im UHF-Plan standardisiert. Es dauert eine gewisse Zeit. Ich kann nicht den genauen Zeitplan sagen, wann das verfügbar ist, wenn wir heute starten. Aber ich glaube und es ist auch hier in der Diskussion mehrfach angesprochen worden, wir sollten nicht warten, bis alles fertig ist, sondern wir sollten mutig jetzt anfangen. Auch wenn wir LTE einführen, egal ob in dem 2 GHz-Band oder im UHF-Band, werden wir nicht sofort mit einem flächendeckenden Rollout beginnen, sondern wir werden mit Trials beginnen, wie wir bisher in der zellularen Technik immer begonnen haben. Aber dies sollen wir jetzt anfangen, damit man da keine Zeit verliert. Dabei kann man auch viel lernen, was man dann beim Rollout und beim Deployment gut einsetzen kann. Dr. Neumann: Die Frage zu Dänemark könnte an Sie gerichtete sein, Herr Lesch. Herr Lesch: Vorab noch etwas anderes. Ich glaube, die Frage von Herrn Dr. Illgner ist wirklich berechtigt. Mir ist jedenfalls auch bei der Wortmeldung von Herrn Laudan noch einmal deutlich geworden, dass wir wirklich von zwei unterschiedlichen Dingen reden. Wenn auf der einen Seite eine Substitution eines Festnetzes nicht geplant ist, d.h. dass hier immer ein gewisser Bandbreitenunterschied da sein wird, der auch
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den Entwicklungen im Internet nicht so ohne weiteres folgen kann, dann kann das Beispiel, des Schülers, der zuhause sein Hausaufgaben machen will, das Sie genannt hatten eher manche Schwierigkeiten mit sich bringen. Aber vielen Dank noch einmal für die Nachfrage zu Dänemark. Gemeint ist damit folgendes: Wir hatten heute Vormittag gehört, dass die Entscheidung, die jetzt hier in Deutschland gefällt wird, auch Auswirkungen auf unsere Nachbarländer haben wird und – das ist insgesamt von Frau Hieronymi deutlich dargestellt worden – auch die europäische Entwicklung beeinflussen kann. Wenn aber diese Entscheidung dann darauf hinausläuft, dass bestimmte Frequenzbereiche dem Rundfunk nicht mehr zur Verfügung stehen, müssen wir uns darauf einstellen, dass die Länder in unserem unmittelbaren Umfeld, die gerade diese Frequenzbereiche sehr intensiv für DVB-T nutzen, Kompensationen erwarten müssen, weil auch sie auf die terrestrische Rundfunkversorgung großen Wert legen. Das ist damit gemeint, nicht das unmittelbare Störpotenzial entlang der Grenze. Dr. Neumann: Wer möchte hier im Podium die Frage aufnehmen, dass wir vielleicht schon Entdeckungen bei Breitband haben? Herr Stöber: Da sind wir jetzt schon wieder bei unserer alten EU-Statistik, die davon ausgeht, dass 384 Kbit/s Breitband ist. Denn nur darüber lässt sich rechnen, dass wir heute in der Bundesrepublik eine Versorgung von ungefähr 96 bis 97% haben. Ich glaube, dass wir hier einfach für die Breitbandanwendung als solches viel zu kurz geschossen haben, Die normale Breitbandanwendung, die wir in den nächsten Jahren sehen werden, beträgt 2 Mbit aufwärts. Wenn Sie die 2 Mbit-Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland heute sehen, haben wir ungefähr ein Gebiet von weißen Flecken, das zwischen 12 und 15% liegt. Und zwar deswegen, weil Sie selbst in Innenstadtgebieten weiße Felcken haben, weil dort der Hauptverteiler weiter als 4 km von seinem Endhaushalt weg ist. Zu der weiteren Frage, wir hätten als kleine Arcor ein 700 Seelendorf angeschlossen. Ja, wir machen unsere VDSL-Testreihen außerhalb der Ballungsgebiete. Und genau bei dieser Stadt kam ein Glücksfaktor dazu, den wir hier in der Bundesrepublik übrigens nur an zwei weiteren Stellen haben und sonst nirgendwo. Das war flaches Land. Es waren knapp unter 700 Einwohner dort. Eine Bahnlinie, eine Nebenstrecke, ging 850 m vom Ortskern entlang. Und genau im Kabeltrog dieser Nebenlinie hatten wir ein Glasfaserkabel liegen. Von da aus haben wir unter Zuhilfenahme der Dienstleistung eines Bauern die Kabelführung in die Innenstadt gebracht. Die Leute haben jetzt nicht zwei sondern im Schnitt 45 Mbit/s Soll ich das jetzt als Allgemeinfall für die Bundesrepublik darlegen? Ich glaube, nein. Aber es ist für uns ein hervorragender Fall, KVZ-Größe, Anschlussgeschwindigkeit und Penetrationsrate des Produktprogramms zu testen.
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Dr. Neumann: Vielen Dank, Herr Stöber. Ich schaue noch einmal ins Auditorium. Bitte! Herr Bilz, SHURE Europe: Wir haben einige Male über drahtlose Mikrofone gesprochen. Es wurde auch darüber gesprochen, nicht die Probleme, sondern Lösungen zu diskutieren. Ich bringe eine Idee, die gerade in England diskutiert wird. Da ist der Kanal 69, 854 – 862 MHz, ein exklusiver Kanal für drahtlose Mikrofone. Jetzt wurde von der Mobilfunkindustrie die Idee ‚wir kaufen euch raus‘ in den Raum geworfen. Das heißt jeder, der ein drahtloses Mikrofon hat, bekommt ein neues von uns (Mobilfunkindustrie), damit er ohne Probleme in einen neuen Frequenzbereich wechseln kann. Die Frage geht an Herrn Löwenstein, ob so etwas eine Win-Win-Situation wäre? Ich wollte noch erwähnen, dass für uns Planbarkeit ganz wichtig ist. Ein Beispiel: ich habe ein Haus, in dem Mieter sind. Das sind wir. Bevor ich das Haus abreiße, muss ich sehen, wo die Mieter unterkommen. Das ist unser Problem. Die Frage ist die Planbarkeit; wie schon erwähnt haben wir eine Allgemeinzuteilung bis 2015. Theater haben einen Investitionsplan von teilweise 10 Jahren und benötigen eine lange Übergangszeit. Da haben wir ein kleines Problem. Dr. Neumann: Herr Löwenstein, die Frage ging an Sie. Herr Löwenstein: Zuerst einmal vielen Dank für die Frage. Ich sagte Eingangs und in den anderen Ausführungen schon, dass gerade der Bereich der drahtlosen Mikrofone ein Bereich ist, um den wir uns alle noch sehr intensiv kümmern müssen. Das werden wir sicherlich nicht allein hier in Deutschland schaffen, aber nachdem diese Bedenken gerade hier in Deutschland diskutiert werden, werden wir es wohl auch nicht ohne Deutschland schaffen. „Wir kaufen euch raus!“ Es wurde schon öfter von einem Digitalisierungsfond geredet, der vielleicht über irgendwie geartete Lizenzgebührenerlöse eingerichtet werden kann. Das sind natürlich alles Szenarien, die man erst im weiteren Verlauf der Lizenzvergabe durchsprechen muss. Möglichkeiten hierfür gäbe es sicherlich. Es sind vielleicht auch technische Anpassungen im Bereich der Rundfunkbereiche notwendig. Das Beispiel aus England, wo ein Kanal exklusiv den drahtlosen Mikrofonen im Rahmen der Digitalen Dividende zugewiesen wurde oder zugewiesen wird, können wir in Deutschland ähnlich implementieren, indem wir von der Mittenlücke reden. Das sind letztendlich auch 10 bis 12 MHz, wo theoretisch eine exklusive Zuweisung für diese drahtlosen Mikrofone möglich wäre, selbst wo wir wissen, dass es nicht ganz ausreichend ist. Prinzipiell würde ich den Vertretern der drahtlosen Mikrofone auf jeden Fall empfehlen zu versuchen, primäre Zuweisungen über das Agenda Item 1.5 bei der WRC-11 zu bekommen, wohl wissend, dass bis 2011 noch einige Zeit hin ist. Nur
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dann ist auch ein entsprechendes „Scale of Economy“ möglich, um dort zu sagen, dass wir das nicht nur in Deutschland beim Kanal 64 machen. Wenn das europaweit oder gar international einheitlich ist, wird auch sehr schnell die Industrie der drahtlosen Mikrofone hier die Möglichkeiten wahrnehmen, einheitliche Technik zur Verfügung zu stellen. Herr Bilz: Eine kurzer Kommentar. Prinzipiell ist Planbarkeit für uns wichtig, so schnell wie möglich eine Entscheidung zu haben, damit wir uns darauf einstellen können. Einmal ist natürlich die Entwicklung von neuen Geräten für neue mögliche Frequenzbereiche: je früher desto besser für uns. Eigentlich hätten wir gern morgen eine Entscheidung, damit wir darüber diskutieren können, was wir tun müssen, was machbar ist, wo können wir hin, was geht. Für uns ist eigentlich gerade im Moment das Hauptproblem: wir schwimmen und wissen nicht, wo es hingeht. Herr Löwenstein: Für Deutschland kann ich Ihnen sagen, wenn Sie morgen das Problem haben, geben wir Ihnen morgen die Mittellücke, ganz einfach. Herr Bilz: Die Mittellücke ist keine Alternative! Dr. Neumann: Herr Picot. Prof. Picot: Ich habe eine ganz kurze Frage zu einem anderen Aspekt. Wir haben sehr intensiv über das Thema Stadt/Land und Versorgung des ländlichen Raums gesprochen. Mancherorts, in einigen Ländern, aber auch in Deutschland wird erwogen, dass man bestimmte Teile der so genannten Digitalen Dividende vielleicht auch für bestimmte Sonderdienste, zum Beispiel Katastrophenfunk, Katastrophendienste, Sicherheitsfragen oder ähnliches reservieren müsse, weil dafür besondere Kapazitäten erforderlich seien. In einigen Ländern gab es dafür sogar die Forderung nach speziellen Ausschreibungen. Der Punkt ist hier bisher nicht zur Sprache gekommen. Mich würde interessieren, wie die Experten das sehen. Dr. Klumpp Weil das Plenum so schön beieinander ist und weil Sie, Frau Henseler-Unger, den Münchner Kreis aufgefordert haben, einen Vorschlag für ein Geschäftsmodell für ein gemeinsames Netz zu machen: Das ist einer der berühmten Punkte, wo man in die Runde fragen kann: „wer macht mit?“, und es werden sich hier spontan 100 Hände heben. Doch wenn man fragt: „wer fängt an?“, dann wird es ganz ruhig. Wir müssen natürlich wirklich sehen, dass die regulatorischen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, in diesem Fall vor allem seitens der Leute, die den
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Leitung: Karl-Heinz Neumann
Wettbewerb hüten. Dringender Handlungsbedarf ist, dass das wirklich möglich wird, überhaupt so einen Beschluss über gemeinsamen Netzaufbau zu fassen. Zwei winzige Ergänzungen: wir werden nach der Schrecksekunde über diese Aufteilungen eine Einigung über die jeweiligen Megabit erhalten. Ich möchte aber noch einmal das in den Vordergrund stellen, was heute gesagt wurde. Wir haben es bei der interaktiven Breitbandkommunikation in großen Teilen mit einem „Shared Medium“ zu tun. Ob wir nun pro Teilnehmer garantiert x Megabit kriegen oder „auslastungsbedingt“ sonst etwas, das wird noch besprochen werden müssen. Wir haben damit das Problem, dass wir nicht vergleichen können, welcher Dienst in irgendeiner Form, geldlich oder kulturell, eigentlich „wertvoller“ ist: nämlich hier ein Betrieb, der damit interaktiv „Wirtschaft“ macht oder jemand, der nur „Unterhaltung“ interaktiv macht. Beides braucht gleich viel Megabit, die man fair aufteilen muss. Schauen Sie die amerikanischen Zahlen an: 70% der Kapazität sind gefüllt mit YouTube und vergleichbarem Video-Download. Das „Tunneling“ für Leute, die aus irgendwelchen guten Gründen das Internet besonders sicher machen wollen, braucht auch schon 10% der Kapazität. Das heißt, hier haben wir eine vollkommen unübersichtliche Situation, und diese Bewertungsdiskussion für ein Shared Medium werden wir gemeinsam führen müssen. Noch eine Bemerkung, weil Arnold Picot das gerade noch einmal erwähnt hat; es gibt neben Broadcastern und Mobilfunkern noch ein Gruppe von Frequenzhungrigen, die noch nicht einmal Appetit auf Netzkapazität äußern, die gerade intensiv an lokalen Sensornetzen (Logistik, Verkehr, Umwelt etc,) arbeiten. Die sind natürlich zunächst auf die eigentliche Sensorik konzentriert. Aber dass diese Sensordaten im flächendeckenden Netz ein Vielfaches des heutigen Datenvolumens ergeben, wissen die noch gar nicht. Auf den Punkt gebracht: Achtung, es gibt noch eine große unbekannte Nachfragergruppe, die hier gar nicht vertreten ist, die aber auch Frequenzen brauchen wird. Dr. Kohrt: Ich wollte nur einen kurzen Hinweis geben zum Thema Umzugskosten oder Herauskaufen der bestehenden Anwender aus den entsprechenden Kanälen. Da können wir auch das Beispiel USA hernehmen. Diese phantastischen Auktionserlöse, die wir heute Morgen gehört haben, sind eben nicht Windfallprofits für den Finanzminister, sondern die sind auch dazu gedacht, um die Umzugskosten für die bestehenden Nutzer sicherzustellen. Ein ähnliches Beispiel könnte man ja auch hier durchaus zur Anwendung bringen. Dr. Neumann: Dann schließen wir jetzt die Fragerliste und suchen noch die Antworten. Katastrophendienste – ein Konzept, was auch vor allen Dingen in der EU-Kommission erörtert wird. Wer möchte diesen Part aufgreifen.
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Podiumsdiskussion
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Herr Stöber: Ich kann zumindest den Versuch dazu starten. Wir tun uns in Deutschland sehr schwer mit dem digitalen Bündelfunk. Wenn ich als Stichwort Katastrophenschutz höre, fällt mir als erstes immer digitaler Bündelfunk ein, weil das nämlich heute schon die offizielle Nutzung ist. Also, sollten wir in Deutschland mit Akribie und Geschwindigkeit versuchen, genau diese Frequenzen zu nutzen. Auf die Frage der Sensordienste und sonstige Dienste, die mit angesprochen worden sind, sollten wir uns immer wieder an die Physik erinnern; je niedriger der Reichweitenbereich ist desto höher kann die Frequenz sein. Sensordienste haben einen sehr kurzen Reichweitenbereich, und da sollten wir im Prinzip dazu übergehen, das Frequenzband nach oben zu nehmen, denn Massendienste und Breitenkommunikationsdienste müssen in einem Bereich mit niedriger Frequenz sein. Diese Grundprinzipien sollte man beibehalten, weil wir die Physik hier mit jeglicher Regulatorik nicht umschreiben können. Dr. Neumann: Jetzt ist ein Vertreter des Finanzministeriums im Raum, aber ich würde gleichwohl so formulieren. Frau Henseler-Unger, werden wir denn die Auktionserlöse wieder dem Finanzminister geben oder machen wir damit etwas Vernünftiges? Dr. Henseler-Unger: Bevor wir das Fell des Bären verteilen, sollten wir uns Gedanken machen, ob es überhaupt zu einer Versteigerung kommen wird. Ich empfehle eine Versteigerung nicht nur, weil damit Gewinne erzielbar sind, sondern vor allen Dingen, weil Sie damit eine Effizienzsteuerung vornehmen können. Derjenige, der den meisten Profit haben wird, sollte den höchsten Steigerungsbeitrag liefern. Ich bin aber da nicht dogmatisch. Ich glaube, es gehört zum politischen Kompromiss dazu, dass wir über das Vergabeverfahren reden müssen mit den Ländern, mit dem Rundfunk – über unsere Empfehlung. Was ich mir wünschen würde, wäre natürlich, wenn wir versteigern, dass wir mit dem Geld etwas machen, was dem Standort Deutschland zugute kommt. Das ist sicherlich ein Ziel, was nicht darauf gerichtet ist – das als letzte Bemerkung –, einen maximalen Versteigerungserlös zu erzielen und dann Unternehmen zu haben, die mit hechelnder Zunge nicht mehr investieren können. Dr. Neumann: Jetzt will der Vertreter des Finanzministeriums noch das Wort haben. Jetzt wird mir angst und bange. Herr Reuter, Bundesfinanzministerium: Ich wollte eigentlich nur den Ball an Frau Dr. Henseler-Unger zurückgeben und auch dem Eindruck entgegenwirken, dass Versteigerungserlöse stets 1:1 in den Bundeshaushalt gehen. Dem ist nicht so. Versteigerungsaufwendungen – über die Definition müssten wir uns noch mit der Bundesnetzagentur unterhalten –, aber das
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Leitung: Karl-Heinz Neumann
geht in die Richtung einer Frage, die vorhin gestellt wurde, können durchaus von diesem Erlös abgesetzt werden. Dies kann ich als BMF-Vertreter zusagen. Dr. Neumann: Das betrachten wir als ein Teilangebot. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir unsere Runde schließen sollten. Wir haben die Zeit mit sehr spannenden, auch sehr verantwortungsvollen Diskussionen gefüllt. Ich habe den Eindruck, dass unsere Beteiligten hier am Podium dazu mächtig beigetragen haben. Wenn ich die Debatten des heutigen Tages und auch des heutigen Nachmittags sehe, bin ich doch geneigt, den viel zitierten Spruch aufzugreifen, der in Amerika umgeht hinsichtlich der Frage, ob wir das Thema einer vernünftigen Allokation der Digitalen Dividende lösen können. Ich glaube: yes, we can!
14 Schlusswort Prof. Dr. Arnold Picot Universität München Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Schlusswort wird kurz sein. Ich möchte mich bei allen, die mitgewirkt haben, auf dem Podium, aus dem Publikum, als Teilnehmer aktiver oder passiver Natur ganz herzlich bedanken, vor allen Dingen auch bei denjenigen, die die Konferenz mit vorbereiten geholfen haben seitens des Münchner Kreises, aber auch andere Organisationen, die uns hierbei unterstützt haben. Ich denke, dass die Konferenz vielen von uns noch zusätzliche Aufklärung gebracht hat, obwohl wir uns mit dem Thema aus unterschiedlichen Blickrichtungen doch intensiv befassen. Zumindest kann ich das für mich sagen. Ich habe es auch von anderen gehört, die meinten, dass sie hier noch dazugelernt haben, wo die Haken und Ösen sind. Wo aber auch die Möglichkeitspfade sind, über die eine positive, konstruktive Bewältigung möglich ist. Das scheint mir die wichtigste Botschaft des heutigen Tages zu sein, dass die Annäherung der Standpunkte doch weiter gediehen ist, als es noch vor einigen Monaten möglich erschien und zugleich die Punkte, die als offen dargestellt wurden, doch eigentlich lösbar sein müssten, auch in relativ überschaubarer Frist, wenn man sich wirklich darum bemüht. Die politischen Entscheidungsträger haben uns signalisiert, dass sie das ebenfalls wollen. Und wir alle können mithelfen, dass es dazu kommt. Ich glaube, dass es in der Tat sich hier um eine gewisse Art von Dividende handelt, eine Sonderdividende, weil sie durch einen Windfall-Profit der gesamten Branche bzw. der gesamten Gesellschaft zufließt. Eine faire Verteilung ermöglicht Nutzenstiftung für alle. Deswegen war auch der Begriff, der heute Nachmittag hier auf dem Podium häufiger fiel, nämlich der Win-Win Begriff, der richtige, denn alle sollten dabei gewinnen und nicht nur irgendwelche Teilgruppen. Ich hoffe, dass wir diesen komplizierten Prozess weiter durchdrungen, verständlicher gemacht und auch letztlich vorangebracht haben, um zu einer Lösung zu kommen, die dann ähnlich zügig umgesetzt wird wie in Nachbarländern, mit denen wir uns durchaus vergleichen sollten, obwohl wir eine andere Bundesverfassung haben.
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Anhang
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Anhang Liste der Referenten und Moderatoren
Prof. Dr.-Ing. Jörg Eberspächer
Dr. Christian Koboldt
Technische Universität München Lehrstuhl für Kommunikationsnetze Arcisstr. 21 80333 München
[email protected]
Director DotEcon Ltd. 17 Welbeck Street London W1G 9XJ United Kingdom
[email protected]
Dr. Iris Henseler-Unger
Vizepräsidentin Bundesnetzagentur Tulpenfeld 4 53113 Bonn
[email protected] Ruth Hieronymi, MEP
Marienstr. 8 53225 Bonn
[email protected] Prof. Dr. Bernd Holznagel
Westfälische Wilhelms-Universität ITM, Abt. II Leonardo-Campus 9 48149 Münster
[email protected] Dr. Klaus Illgner-Fehns
Geschäftsführer Institut für Rundfunktechnik GmbH Floriansmühlstr. 60 80939 München
[email protected]
Dr. Walter Konhäuser
Mitglied der Betriebsleitung Nokia Siemens Networks GmbH Siemensdamm 62 13627 Berlin
[email protected] Michael Krämer
E-Plus Mobilfunk GmbH Frequency Management E-Plus Platz 40468 Düsseldorf
[email protected] Matthias Kurth
Präsident Bundesnetzagentur Tulpenfeld 4 53113 Bonn
[email protected] Dipl.-Ing. Christoph Legutko
Manager Wireless Standards & Regulations Intel GmbH Dornacher Str. 1 85622 Feldkirchen
[email protected]
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Anhang
Helwin Lesch
Prof. Dr. Dres. h.c. Arnold Picot
Bayerischer Rundfunk Leiter der HL Programm-Distribution Rundfunkplatz 1 80335 München
[email protected]
Universität München Institut für Information, Organisation und Management Ludwigstr. 28 80539 München
[email protected]
Reiner Liebler
Leiter UA Elektromagnetische Verträglichkeit Bundesnetzagentur Canisiusstr. 21 55122 Mainz
[email protected]
Dr. Tobias Schmid
Uwe Löwenstein
Martin Stadelmaier
Manager Spectrum Technology Telefónica O2 Germany GmbH Georg-Brauchle-Ring 23-25 80992 München
[email protected]
Staatssekretär Staatskanzlei Rheinland-Pfalz Peter-Altmeier-Allee 1 55116 Mainz
[email protected]
Dr. Karl-Heinz Neumann
Harald Stöber
Geschäftsführer WIK GmbH Rhöndofer Str. 68 53604 Bad Honnef
[email protected]
Vorsitzender des Aufsichtsrats Arcor Verwaltungs-AG Alfred-Herrhausen-Allee 1 65760 Eschborn
[email protected]
Dr. Bernd Pfaffenbach Staatssekretär BMWi Scharnhorststr. 34-37 10115 Berlin
[email protected]
Vizepräsident des VPRT RTL Television GmbH Aachener Str. 1044 50858 Köln
[email protected]